Protokoll:
7040

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 7

  • date_rangeSitzungsnummer: 40

  • date_rangeDatum: 8. Juni 1973

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 13:49 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestageu 40. Sitzung Bonn, Freitag, den 8. Juni 1973 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung . . . . 2207 A Amtliche Mitteilung 2207 B Große Anfrage betr. Rauschmittel und Drogenmißbrauch (Abg. Rollmann, Frau Stommel, Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein, Burger, Dr. Götz, Kroll-Schlüter, Dr. Kempfler, Dr. Fuchs und Fraktion der CDU/CSU) (Drucksachen 7/227, 7/620) in Verbindung mit Antrag betr. Rauschmittel- und Drogenmißbrauch (Abg. Rollmann, Kroll-Schlüter, Lampersbach, Pohlmann, Frau Schleicher und Fraktion der CDU/CSU) (Drucksache 7/671) Rollmann (CDU/CSU) . . . . . . 2207 C Westphal, Parl. Staatssekretär (BMJFG) 2210 C Dr. Meinecke (Hamburg) (SPD) . . 2214 B Burger (CDU/CSU) . . . . . . 2216 B Christ (FDP) . . . . . . . . 2218 C Anbuhl (SPD) . . . . . . . . 2220 C Frau Schleicher (CDU/CSU) . . . 2221 B Frau Schuchardt (FDP) . . . . . 2223 A Baum, Parl. Staatssekretär (BMI) . 2224 C Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Reform des Ehe- und Familienrechts (Drucksache 7/650) — Erste Beratung —Jahn, Bundesminister (BMJ) . . . 2226 A Engelhard (FDP) 2229 C Erhard (Bad Schwalbach) (CDU/CSU) 2233 B Dr. Schmude (SPD) 2236 D Dr. Lenz (Bergstraße) (CDU/CSU) . 2239 D Frau Dr. Lepsius (SPD) . . . . 2240 B Verordnung über die Begrenzung der Kreditaufnahme durch Bund, Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 1973 (Drucksache 7/682) . . . Fragestunde (Drucksache 7/653) Frage A 70 des Abg. Horstmeier (CDU/CSU) : Freistellung landwirtschaftlicher Betriebshelfer vom Wehrdienst Berkhan, Parl. Staatssekretär (BMVg) 2243 B, C, D, 2244 A Horstmeier (CDU/CSU) . . . . 2243 C, D Immer (SPD) 2244 A II Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Juni 1973 Frage A 107 des Abg. Wohlrabe (CDU/CSU): Interpretation einer im Schlußdokument zum Breschnew-Besuch enthaltenen Formulierung in bezug auf Berlin Moersch, Parl. Staatssekretär (AA) 2244 B, C, D Wohlrabe (CDU CSU) . . . . . 2244 C, D Frage A 108 des Abg. Wohlrabe (CDU/CSU) : Interpretation des Viermächteabkommens durch die Sowjetunion in bezug auf die Einbeziehung Berlins in völkerrechtliche Vereinbarungen der Bundesrepublik Deutschland Moersch, Parl. Staatssekretär (AA) 2245 A, B, C Wohlrabe (CDU/CSU) 2245 B Frage A 110 des Abg. Reiser (SPD) : Einrichtung eines Reporterbüros in Madrid durch die ARD Moersch, Parl. Staatssekretär (AA) . 2245 C Frage A 112 des Abg. Dr. Beermann (SPD) : Entlassung von Rudolf Hess aus der Haft Moersch, Parl. Staatssekretär (AA) . 2245 D, 2246 A, B, C Dr. Beermann (SPD) 2246 A, B Dr. Mertes (Gerolstein) (CDU/CSU) . 2246 B Frage A 113 der Abg. Frau von Bothmer (SPD) : Deutsche Schulen in Südafrika Moersch, Parl. Staatssekretär (AA) 2246 C, D, 2247 A Frau von Bothmer (SPD) 2246 D Fragen A 114 und 115 des Abg. Wrede (SPD) : Zusammenarbeit zwischen dem Deutschen Sportbund und den sowjetischen Sportorganisationen und Einbeziehung Westberliner Verbände und Vereine Moersch, Parl. Staatssekretär (AA) 2247 A, B Frage A 3 des Abg. Freiherr von Fircks (CDU/CSU) : Leistungsverbesserungen zugunsten der Flüchtlinge aus Mitteldeutschland im Hinblick auf das Stabilitätsprogramm der Bundesregierung Genscher, Bundesminister (BMI) . . 2247 D, 2248 A, B Freiherr von Fircks (CDU/CSU) . 2248 A Frau Meermann (SPD) 2248 B Dr. Jaeger, Vizepräsident . . . 2248 C Fragen A 4 und 5 des Abg. Schäfer (Appenweier) (SPD) : Aktion des Bundesgrenzschutzes vom 3. bis 17. April 1973 im Oberfinanzbezirk Saarbrücken Genscher, Bundesminister (BMI) . 2248 C, D, 2249 A, B Schäfer (Appenweier) (SPD) . . . 2248 D, 2249 A Frage A 9 der Abg. Frau Meermann (SPD) : Ausdehnung der für Beamtinnen und Richterinnen geltenden Regelungen bei Teilzeitbeschäftigung auf männliche Beamte und Richter Genscher, Bundesminister (BMI) . 2249 C, D Frau Meermann (SPD) . . . . . 2249 C, D Fragen A 14 und 15 des Abg. Gansel (SPD) : Einkommensverschlechterungen bei der Übernahme von Arbeitern und Angestellten in das Beamtenverhältnis Genscher, Bundesminister (BMI) . . 2251 A 2250 A, B, C, Gansel (SPD) 2250 B, C, 2251 A Frage A 29 des Abg. Freiherr von Fircks (CDU/CSU) : Änderung des Gesetzes über die Abwicklung der unter Sonderverwaltung stehenden Vermögen von Kreditinstituten, Versicherungsunternehmen und Bausparkassen Hermsdorf, Parl. Staatssekretär (BMF) 2251 B, C Freiherr von Fircks (CDU/CSU) . 2251 C Nächste Sitzung 2252 C Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 2253* A Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Juni 1973 III Anlage 2 Antwort des Bundesministers Genscher (BMI) auf die Fragen A 1 und 2 Drucksache 7/653 des Abg. Dr. Nölling (SPD) betr. Versorgung der Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes durch die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder — einheitliche Regelung für das Leistungsrecht der VBL und der kommunalen Zusatzversorgungskassen . . . 2253* C Anlage 3 Antwort des Bundesministers Genscher (BMI) auf die Fragen A 6 und 7 Drucksache 7/653 — des Abg. Engelsberger (CDU/CSU) betr. Wohlverhalten der Bundesregierung gegenüber der DKP und Verfassungsfeindlichkeit der DKP . . . 2254* D Anlage 4 Antwort des Bundesministers Genscher (BMI) auf die Frage A 8 — Drucksache 7/653 — des Abg. Dr. Glotz (SPD) betr. Bericht über die Lage der Massenmedien 2255* C Anlage 5 Antwort des Bundesministers Genscher (BMI) auf die Fragen A 10 und 11 — Drucksache 7/653 -- des Abg. Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) betr. Erkenntnisse Jülicher und Karlsruher Wissenschaftler über die Kühlung von Kernkraftwerken mit Flußwasser und betr. Abstimmung der Standorte für Kernkraftwerke mit den Erfordernissen des Umweltschutzes . . . 2256* A Anlage 6 Antwort des Bundesministers Genscher (BMI) auf die Frage A 12 — Drucksache 7/653 — des Abg. Wagner (Günzburg) (CDU/CSU) betr. konkurrierende Besoldungskompetenz der Bundesregierung für Ämter, die landesrechtliche Besonderheiten darstellen . . . . . . . . . 2256* C Anlage 7 Antwort des Bundesministers Genscher (BMI) auf die Frage A 13 — Drucksache 7/653 — des Abg. Wagner (Günzburg) (CDU/CSU) betr. Ausgleich der Leistungsdifferenzen zwischen Rentenversicherung und Beamtenversorgung bei vergleichbaren Funktionen von ehemals im öffentlichen Dienst Beschäftigten 2256* D Anlage 8 Antwort des Bundesministers Genscher (BMI) auf die Frage A 16 — Drucksache 7/653 — des Abg. Röhner (CDU/CSU) betr. Tag der Deutschen Einheit als gesetzlicher Feiertag . . . . . . . . . 2257* B Anlage 9 Antwort des Bundesministers Genscher (BMI) auf die Fragen A 17 und 18 — Drucksache 7/653 — des Abg. Dr. Schäuble (CDU/CSU) betr. Gespräche zwischen dem Deutschen Sportbund und dem Deutschen Turn- und Sportbund und Einbeziehung West-Berlins in alle Vereinbarungen zwischen dem DSB und dem DTSB . . . . 2257* D Anlage 10 Antwort des Bundesministers Genscher (BMI) auf die Fragen A 19 und 20 — Drucksache 7/653 — des Abg. Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein (CDU/ CSU) betr. Ausstattung des Kernkraftwerks Fessenheim im Elsaß mit Kühltürmen und Auswirkung auf die Wärmelast des Rheins 2258* B Anlage 11 Antwort des Bundesministers Genscher (BMI) auf die Frage A 21 — Drucksache 7/653 — des Abg. Breidbach (CDU/CSU) betr. Anrechnung der im Dienst der Entwicklungshilfe verbrachten Zeiten bei Eintritt in den öffentlichen Dienst . . . 2259* A Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf (BMF) auf die Fragen A 27 und 28 — Drucksache 7/653 — der Abg. Frau Dr. Neumeister (CDU/CSU) betr. Wiedereinführung der Umsatzsteuerfreiheit der Kassenlieferungen der Apotheken bei der Neuordnung des Arzneimittelmarkts . . 2259* D Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf (BMF) auf die Frage A 30 — Drucksache 7/653 — des Abg. Dr. Graf Lambsdorff (FDP) betr. Steuerausfälle der öffentlichen Hände in Auswirkung des Prinzips der Gemeinnützigkeit im Wohnungsbau 2260* B Anlage 14 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf (BMF) auf die Fragen A 31 und 32 — Drucksache 7/653 — des Abg. Wittmann (Straubing) (SPD) betr. Gewährung einer Billigkeitsmaßnahme nach § 131 AO hinsichtlich des bei der Berechnung der Stabilitätsabgabe nicht berücksichtigten Teils der Unterhaltsverpflichtungen — Erhebung der Stabilitätsabgabe als objektive Härte für Unterhaltsverpflichtete mit höherem Einkommen 2260* C Anlage 15 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf (BMF) auf die Frage A 34 — Druck- IV Deutscher Bundestag 7. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Juni 1973 sache 7/653 — des Abg. Niegel (CDU/ CSU) betr. erneutes Inkrafttreten der Regelung des § 7 b EStG am 1. Mai 1974 2261* A Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner (BMWi) auf die Frage A 37 — Drucksache 7/653 — des Abg. Dr. Warnke (CDU/ CSU) betr. Ausgleich der überproportionalen Belastungen der Bevölkerung und der Wirtschaft in revierfernen und wirtschaftsschwachen Räumen infolge der geplanten steuerpolitischen Maßnahmen . 2261* B Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner (BMWi) auf die Frage A 40 — Drucksache 7/653 — des Abg. Dr. Warnke (CDU/CSU) betr. Verbesserung der Lebensqualität der Bevölkerung in weniger dicht besiedelten und wirtschaftsschwachen Räumen durch das Auto 2261* D Anlage 18 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf (BMF) auf die Frage A 43 — Drucksache 7/653 — des Abg. Böhm (Melsungen) (CDU/CSU) betr. Differenzierung der Kilometerpauschale . . . . . . . . 2261 * D Anlage 19 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner (BMWi) auf die Frage A 44 — Drucksache 7/653 — des Abg. Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU) betr. Absicherung der Kohleproduktion durch ein Langzeitprogramm 2262* B Anlage 20 Antwort des Parl. Staatssekretärs Zander (BMBW) auf die Frage A 62 — Drucksache 7/653 — des Abg. Meinike (Oberhausen) (SPD) betr. Anrechnung abgeleisteter Berufsgrundbildungsjahre in Elektroberufen 2262* C Anlage 21 Antwort des Parl. Staatssekretärs Berkhan (BMVg) auf die Frage A 69 Drucksache 7/653 — des Abg. Pawelczyk (SPD) betr. Anfertigung von Bildern des Bundesministers der Verteidigung . . . . 2262* D Anlage 22 Antwort des Parl. Staatssekretärs Berkhan (BMVg) auf die Fragen A 71 und 72 — Drucksache 7/653 des Abg. Dr. Hornhues (CDU/CSU) betr. Besetzung von Notarztwagen der Bundeswehr mit zivilen Fahrern 2263* A Anlage 23 Antwort des Parl. Staatssekretärs Berkhan (BMVg) auf die Frage A 73 — Drucksache 7/653 — des Abg. Handlos (CDU/ CSU) betr. Auszeichnung von Bundeswehrangehörigen für Verdienste bei der Vorbereitung und Durchführung der Olympischen Spiele 2263* C Anlage 24 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hauff (BMFT/BMP) auf die Frage A 95 — Drucksache 7/653 — des Abg. Dr. Schmitt-Vockenhausen (SPD) betr. Leerung der Briefkästen an Sonntagen 2263* D Anlage 25 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hauff (BMFT/BMP) auf die Frage A 96 — Drucksache 7/653 — des Abg. Dr. Dollinger (CDU/CSU) betr. Behandlung und Zustellung von in der Bundesrepublik Deutschland aufgegebenen eingeschriebenen Briefen in die Sowjetunion . . . . 2264* A Anlage 26 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hauff (BMFT/BMP) auf die Frage A 97 — Drucksache 7/653 — des Abg. Dr. Graf Lambsdorff (FDP) betr. Verhalten der Postreklame GmbH bezüglich der Werbung der Kreditwirtschaft 2264* D Anlage 27 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hauff (BMFT/BMP) auf die Frage A 99 — Drucksache 7/653 — des Abg. Hoffie (FDP) betr. Zusammenlegung der Postsparkassenämter München und Hamburg 2265* A Anlage 28 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hauff (BMFT/BMP) auf die Frage A 100 — Drucksache 7/653 — des Abg. Hoffie (FDP) betr. Reduzierung der Zahl der Oberpostdirektionen . . . . . . . . 2265* B Anlage 29 Antwort des Parl. Staatssekretärs Zander (BMBW) auf die Fragen A 101 und 102 — Drucksache 7/653 — des Abg. Dr. Wagner (Trier) (CDU/CSU) betr. Entwicklung der Haushaltsmittel für die medizinischen Fakultäten und der Zahl der Studienplätze für die Medizinstudenten . . . . 2265* D Anlage 30 Antwort des Parl. Staatssekretärs Zander (BMBW) auf die Fragen A 103 und 104 — Drucksache 7/653 — des Abg. Dr. Müller Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Juni 1973 V (München) (CDU/CSU) betr. Ausbildung und Berufsbild des Sportlehrers . . . . 2266* D Anlage 31 Antwort des Parl. Staatssekretärs Moersch (AA) auf die Frage A 109 — Drucksache 7/653 — des Abg. Dr. Slotta (SPD) betr. Inkrafttreten des Kulturabkommens mit der UdSSR . . . . . . . . . . . 2267* B Anlage 32 Antwort des Parl. Staatssekretärs Moersch (AA) auf die Frage A 111 — Drucksache 7/653 — des Abg. Nordlohne (CDU/CSU) betr. Bemühungen um Entlassung des ehemaligen Reichsministers Rudolf Hess aus der Inhaftierung . . . . . . . . 2267* C Anlage 33 Antwort des Parl. Staatssekretärs Moersch (AA) auf die Frage A 116 — Drucksache 7/653 — des Abg. Tillmann (CDU/CSU) betr. Zusammenarbeit mit der UdSSR auf dem Gebiet des Sports 2267* D Anlage 34 Antwort des Parl. Staatssekretärs Moersch (AA) auf die Fragen A 117 und 118 — Drucksache 7/653 — des Abg. Dr. Evers (CDU/CSU) betr. Pressemeldungen über Absichten der UdSSR, bei Sportwettkämpfen die Bezeichnung „Bundesrepublik Deutschland/West-Berlin" durchzusetzen — Haltung der Sowjetunion hinsichtlich der Zugehörigkeit von Westberliner Sportlern zu den Sportorganisationen der Bundesrepublik Deutschland . . 2268* A Anlage 35 Antwort des Parl. Staatssekretärs Moersch (AA) auf die Fragen A 119 und 120 — Drucksache 7/653 — des Abg. Dr. Klein (Stolberg) (CDU/CSU) betr. Verhaftung des Bonner Professors Dr. D. Tsatsos in Griechenland 2268* C Anlage 36 Antwort des Bundesministers Genscher (BMI) auf die Fragen B 1 und 2 — Drucksache 7/653 — des Abg. Dr. MüllerEmmert (SPD) betr. Aufnahme des Rechts auf Sport in das Grundgesetz . . . . . 2268* D Anlage 37 Antwort des Bundesministers Genscher (BMI) auf die Frage B 3 — Drucksache 7/653 — des Abg. Dr. Evers (CDU/CSU) betr. Originalunterschrift unter Schreiben der Bundesministerien an Bürger , . . 2269* C Anlage 38 Antwort des Bundesministers Genscher (BMI) auf die Frage B 5 — Drucksache 7/653 — des Abg. Dr.-Ing. Oetting (SPD) betr. Abfindung von BGS-Beamten bei Wiedereintritt in den öffentlichen Dienst 2269* D Anlage 39 Antwort des Bundesministers Genscher (BMI) auf die Frage B 6 — Drucksache 7/653 — des Abg. Dr. Kunz (Weiden) (CDU/CSU) betr. vorläufige Waffenbesitzkarten und Munitionserwerbscheine . . 2270* B Anlage 40 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Bayerl (BMJ) auf die Frage B 7 — Drucksache 7/653 — des Abg. Stahl (Kempen) (SPD) betr. Entschädigung für „sogenannte" Handels- und Versicherungsvertreter 2270* D Anlage 41 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf (BMF) auf die Fragen B 8 und 9 — Drucksache 7/653 — des Abg. Lenders (SPD) betr. Steuereinsparungen für Kapitalgeber durch hohe abschreibungsbedingte Verlustzuweisungen bei Immobilien — Steuerverluste und Kapitalverluste von Anlegern . . . . . . . . 2271 * A Anlage 42 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf (BMF) auf die Frage B 10 — Drucksache 7/653 — des Abg. Ey (CDU/CSU) betr. Mehrwertsteuerbelastung für die Landwirtschaft durch die Mineralölsteuererhöhung 2271* B Anlage 43 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf (BMF) auf die Frage B 11 — Drucksache 7/653 — des Abg. Kiechle (CDU/ CSU) betr. Mehrwertsteuerbelastung bei Mühlenstillegungsprämien 2271* C Anlage 44 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf (BMF) auf die Frage B 12 — Drucksache 7/653 — des Abg. Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) betr. Übungsflüge der bei Schweinfurt stationierten Hubschrauber der US-Armee über Wohngebieten . 2272* A Anlage 45 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner (BMWi) auf die Frage B 13 — Drucksache 7/653 — des Abg. Ey (CDU/CSU) betr. Sicherung der Arbeitsplätze der in auf- VI Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Juni 1973 tragsschwachen Rüstungsbetrieben Beschäftigten 2272* C Anlage 46 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner (BMWi) auf die Frage B 14 — Drucksache 7/653 — des Abg. Engelsberger (CDU/ CSU) betr. angebliche Gefahr von Stromsperren wegen Verzögerungen im Bau von Kraftwerken 2272* D Anlage 47 Antwort des Bundesministers Ertl (BML) auf die Fragen B 15 und 16 — Drucksache 7/653 -- des Abg. Milz (CDU/CSU) betr. personelle Ausstattung des Referats für Naturschutz im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie betr. personelle Ausstattung der Bundesanstalt für Vegetationskunde, Naturschutz und Landschaftspflege 2273* B Anlage 48 Antwort des Parl. Staatssekretärs Rohde (BMA) auf die Frage B 17 — Drucksache 7/653 — des Abg. Katzer (CDU/CSU) betr. Beanstandung des Nachtragshaushalts der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte 2274* A Anlage 49 Antwort des Parl. Staatssekretärs Rohde (BMA) auf die Fragen B 18 und 19 — Drucksache 7/653 — des Abg. Ferrang (CDU/CSU) betr. Rentenversicherung von freigesetzten Arbeitnehmern in der Eisen-und Stahlindustrie im Saarland . . . . 2274* B Anlage 50 Antwort des Parl. Staatssekretärs Berkhan (BMVg) auf die Frage B 20 — Drucksache 7/653 — des Abg. Burger (CDU/ CSU) betr. Sparverträge von Wehrpflichtigen über vermögenswirksame Leistungen 2274* D Anlage 51 Antwort des Parl. Staatssekretärs Berkhan (BMVg) auf die Frage B 21 — Drucksache 7/653 — des .Abg. Dr.-Ing. Oetting (SPD) betr. Zuschüsse zur Krankenversicherung für Angehörige von Zeit- und Berufssoldaten 2275* B Anlage 52 Antwort des Parl. Staatssekretärs Berkhan (BMVg) auf die Frage B 22 — Drucksache 7/653 — des Abg. Wagner (Günzburg) (CDU/CSU) betr. Zahl der Unteroffiziere mit Portepee als Berufssoldaten 2275* D Anlage 53 Antwort des Parl. Staatssekretärs Westphal (BMJFG) auf die Frage B 23 — Drucksache 7/653 — des Abg. Kater (SPD) betr. statistische Daten stationärer Patienten nach Diagnose und Verweildauer in Akut- und Sonderkrankenhäusern . . . 2276* C Anlage 54 Antwort des Parl. Staatssekretärs Westphal (BMJFG) auf die Frage B 24 — Drucksache 7/653 — des Abg. Kater (SPD) betr. Aufbau eines sich ergänzenden Systems von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen . . . . . . . . . . 2276* C Anlage 55 Antwort des Parl. Staatssekretärs Westphal (BMJFG) auf die Fragen B 25 und 26 — Drucksache 7/653 — des Abg. Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein (CDU/ CSU) betr. Verwendung von polychloriertem Biphenyl . . . . . . . . . . 2276* D Anlage 56 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar (BMV) auf die Frage B 27 — Drucksache 7/653 — des Abg. Dr. Wittmann (München) (CDU/CSU) betr. Errichtung eines Rangierbahnhofs München-Nord . . . . 2277* B Anlage 57 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar (BMV) auf die Frage B 28 — Drucksache 7/653 — des Abg. Dr. Schmitt-Vockenhausen (SPD) betr. Nutzung leerer Räume im Gebäude des Bahnhofs Rüsselsheim . 2277* D Anlage 58 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar (BMV) auf die Frage B 29 — Drucksache 7/653 — des Abg. Schröder (Lüneburg) (CDU/CSU) betr. Bericht über den Fortgang der Verkehrserschließung des Zonenrandgebiets . . . . . . . . . 2278* A Anlage 59 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar (BMV) auf die Frage B 30 — Drucksache 7/653 — des Abg. Immer (SPD) betr. Haltepunkt auf der Bundesbahnschnellverkehrsstrecke von Köln über Siershahn und Limburg nach Groß-Gerau im Westerwald 2278* B Anlage 60 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar (BMV) auf die Frage B 31 — Drucksache 7/653 — des Abg. Dr. Eyrich (CDU/CSU) betr. Verkehrsverhältnisse in der Stadt Zell im Wiesental . . . . . . . . . 2278* B Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 90. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Juni 1973 VII Anlage 61 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar (BMV) auf die Frage B 32 — Drucksache 7/653 — des Abg. Dr. Marx (CDU/CSU) betr. Pressemeldung vom 17. Mai 1973 über einen besonders großen Flugkörper über Hamburg 2278* C Anlage 62 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar (BMV) auf die Fragen B 33 und 34 — Drucksache 7/653 — des Abg. Biehle (CDU/CSU) betr. Entlastungsstraße der B 26/27 in Karlstadt/Main . . . . . . 2278* D Anlage 63 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar (BMV) auf die Frage B 35 — Drucksache 7/653 — des Abg. Engelsberger (CDU/ CSU) betr. Auswirkungen der Anlage und des Betriebs des Flughafens Salzburg auf das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . 2279* B Anlage 64 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hauff (BMFT/BMP) auf die Fragen B 36 und 37 — Drucksache 7/653 — des Abg. Dr. Stavenhagen (CDU/CSU) betr. Auswirkungen der Gebührenpolitik der Deutschen Bundespost auf die Datenverarbeitung — Bedeutung der Datenfernverarbeitung für die Rationalisierung von Wirtschaft und Verwaltung . . . 2279* D Anlage 65 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hauff (BMFT/BMP) auf die Frage B 38 Drucksache 7/653 — des Abg. Benz (CDU/ CSU) betr. Gutachten über den Bau von Kernkraftwerken, insbesondere eines Kernkraftwerksverbunds im Meer . . . 2280* C Anlage 66 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hauff (BMFT/BMP) auf die Frage B 39 —Drucksache 7/653 — des Abg. Benz (CDU/ CSU) betr. Forschungsprojekte zum Problem des Transports von großen Elektrizitätsmengen — Einsatz von Wasserstoff als Energieträger 2280* D Anlage 67 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hauff (BMFT/BMP) auf die Fragen B 40 und 41 — Drucksache 7/653 — des Abg. Pfeffermann (CDU/CSU) betr. Einführung von Standardpaketen 2281* B Anlage 68 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hauff (BMFT/BMP) auf die Frage B 42 — Drucksache 7/653 — des Abg. Niegel (CDU/CSU) betr. Kraftpostreisedienst . . 2281* D 40. Sitzung Bonn, den 8. Juni 1973 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Juni 1973 2253* Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Abelein 8.6. Dr. Achenbach * 8.6. Adams * 8.6. Dr. Aigner * 8.6. Dr. Arndt (Berlin) * 8.6. Dr. Artzinger * 8.6. Dr. Bangemann * 8.6. Dr. Barzel 8.6. Dr. Becher (Pullach) 8.6. Behrendt * 8.6. Blumenfeld 8.6. Dr. Böger 8.6. Dr. Burgbacher * 8.6. Coppik 20.6. Dr. Corterier 8.6. van Delden 8.6. Dr. Evers 8.6. Fellermaier * 8.6. Flämig * 8.6. Frehsee * 8.6. Dr. Früh * 8.6. Frau Funcke 8.6. Gerlach (Emsland) * 8.6. Graaff 8.6. Dr. Haack 8.6. Haase (Fürth) 8.6. Härzschel * 8.6. Dr. Jahn (Braunschweig) * 8.6. Kater 8.6. Kiep 8.6. Dr. Klepsch * 8.6. Koblitz 20.6. Köster 8.6. Krall * 8.6. Dr. Kreile 8.6. Freiherr von Kühlmann-Stumm 8.6. Lange * 8.6. Lautenschlager* 8.6. Liedtke 20.6. Logemann 8.6. Lücker * 8.6. Dr. Martin 2.6. Memmel * 8.6. Müller (Mülheim) * 8.6. Müller (Remscheid) 8.6. Mursch (Soltau-Harburg) * 8.6. Frau Dr. Orth 20.6. Pieroth 8.6. Schmidt (München) * 8. 6. Schmidt (Wattenscheid) 9. 6. Dr. Schulz (Berlin) * 8. 6. Schwabe * 8. 6. Dr. Schwörer * 8. 6. Seefeld * 8.6. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim 8.6. Springorum * 8.6. * Für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Starke (Franken) * 8.6. Dr. Stienen 8.6. Strauß 20.6. Tillmann 8.6. Dr. Wagner (Trier) 8.6. Walkhoff * 8.6. Frau Dr. Walz * 8.6. Weber (Heidelberg) 8.6. Wiefel 20.6. Dr. Wittmann 8.6. Dr. Wörner 8.6. Wurbs 8.6. Anlage 2 Antwort des Bundesministers Genscher vom 8. Juni 1973 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Nölling (SPD) (Drucksache 7/653 Fragen A 1 und 2) : Ist die Bundesregierung der Meinung, daß die Versorgung der Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes durch die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) auch hinsichtlich der Zuwendungen nach den Maßstäben der Beamtenversorgung zu regeln ist? Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um eine einheitliche Regelung zwischen dem Leistungsrecht der VBL und den entsprechenden Vorschriften der kommunalen Zusatzversorgungskassen herzustellen? Zu Frage A 1: Mit der Frage der Gewährung von Zuwendungen an Versorgungsrentner der Zusatzversorgungskassen des öffentlichen Dienstes hat sich das Bundeskabinett bereits im September 1970 befaßt. Ich darf diesen damaligen Beschluß wörtlich zitieren: „1. Die Bundesregierung hält es zumindest zur Zeit nicht für möglich, der Forderung der Gewerkschaften nach Einführung jährlicher Sonderzuwendungen an die Empfänger von Versorgungsrenten aus den Zusatzversorgungskassen des öffentlichen Dienstes zu entsprechen. 2. Die Bundesregierung bittet die Länder und Gemeinden, sich dieser Auffassung anzuschließen." Für diesen Beschluß waren mehrere Gründe maßgebend. Einer dieser Gründe war, daß die den Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes jährlich gezahlten Zuwendungen in die Bemessung sowohl der gesetzlichen Rente als auch der Versorgungsrente der VBL schon einbezogen werden. Entsprechendes trifft für den Beamtenbereich nicht zu. Bei allem grundsätzlichen Streben nach einer leistungsmäßigen Angleichung der Zusatzversorgung der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes an die beamtenrechtliche Versorgung bestehen also - wie Sie an diesem Beispiel erkennen - zwischen beiden Versorgungsarten systembedingte Unterschiede, die zumindest eine differenzierte Betrachtung des von Ihnen angesprochenen Problems geboten erscheinen lassen. Das gilt um so mehr, als 2254* Deutscher Bundestag --- 7. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Juni 1973 diese Unterschiede durchaus nicht immer nur für die Arbeitnehmer von Nachteil sind. So wird auch die Auffassung vertreten, daß das auf der Grundlage der Gesamtversorgung beruhende System der Arbeitnehmerversorgung, insgesamt gesehen, für bestimmte Einkommensgruppen vorteilhafter sei als die Versorgung entsprechender Beamtengruppen. Die Bundesregierung hat daher, um von neutraler und sachverständiger Seite ein unabhängiges Urteil über diese Streitfragen zu erhalten, die Treuarbeit in Frankfurt beauftragt, die Versorgungssysteme für Arbeitnehmer und Beamte umfassend und vergleichend zu untersuchen. Es ist also keineswegs so, als ob die Einführung einer Zuwendung an Versorgungsrentner der VBL zwingend geboten sei. Außer dem eingangs erwähnten Grund lag im übrigen der Kabinettsentscheidung vom September 1970 die Befürchtung zugrunde, daß allein schon die Tatsache der Bewilligung von Zuwendungen an Versorgungsrentner nicht zu vermeidende sofortige Folgewirkungen auf die Empfänger von Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherungen und der Kriegsopferversorgung haben werde, denn auch für diese Bereiche werden immer wieder entsprechende Forderungen erhoben. Allein für die zuletzt genannten Bereiche sind finanzielle Folgewirkungen in Höhe von mehreren Milliarden DM jährlich errechnet worden. Entsprechende Auswirkungen auf andere Bereiche, wie z. B. auf die der Unfallversicherung, des Bundesentschädigungsgesetzes und des Lastenausgleichs-rechts, sind nicht auszuschließen. Zu diesen Überlegungen tritt hinzu, daß wegen der angespannten finanziellen Situation der Zusatzversorgungskassen der Bundesbahn und der Bundespost die im Falle der Einführung von Zuwendungen an Versorgungsrentner entstehenden Mehrausgaben voll aus dem Bundeshaushalt gezahlt werden müßten. Alle diese Gründe sind inzwischen bereits zweimal, und zwar im Frühjahr 1971 und 1972, überprüft worden. Die Prüfung hat jeweils ergeben, daß der Kabinettsbeschluß aufrechterhalten bleiben mußte. Zur Zeit werden die Grundlagen dieser Entscheidung erneut geprüft. Die Meinungsbildung unter den hauptbeteiligten Bundesressorts ist zur Zeit im Gange. Unabhängig davon, welche Auffassungen von diesen Ressorts vertreten werden, werde ich die Angelegenheit dem Bundeskabinett zur erneuten Beschlußfassung vorlegen. Zu Frage A 2 Die Entscheidung einiger kommunaler Zusatzversorgungskassen, in voller Kenntnis der im Kabinettsbeschluß vom September 1970 an die Länder und Gemeinden gerichteten Bitte, den Bund in seiner Gesamtverantwortung zu unterstützen, dennoch Zuwendungen an Versorgungsrentner zu gewähren, ist offensichtlich darauf zurückzuführen, daß die Kassen diese Frage lediglich von ihrem Kassenstandpunkt aus beurteilen. Das unterschiedliche Vorgehen der VBL und der anderen, die Lage des Bundes berücksichtigenden Kassen einerseits und dieser kommunalen Zusatzversorgungskassen andererseits ist owohl für die Gewerkschaften als auch für die Arbeitgeberseite in hohem Maße unerfreulich, zumal sich die Tendenz abzeichnet, daß weitere Zusatzversorgungskassen, die bisher auf den Bund Rücksicht genommen haben, dem Beispiel der erstgenannten Kassen folgen werden. Ob das Bundeskabinett in seiner noch zu treffenden Entscheidungen die unterschiedliche Behandlung der Versorgungsrentner untereinander zum Anlaß nehmen wird, seinen Beschluß vom September 1970 zu ändern, vermag ich angesichts der gewichtigen Gründe, die der Entscheidung des Bundeskabinetts zugrunde gelegen haben, nicht vorherzusagen. Sollte die Bundesregierung eines Tages sich für die Einführung von Zuwendungen an Versorgungsrentner entscheiden, so wird das sicherlich nur langfristig und unter Beseitigung des in der Beantwortung Ihrer ersten Frage dargelegten Unterschiedes in der Berücksichtigung der im Arbeitsleben erhaltenen Zuwendungen bei der Bemessung der Versorgung möglich sein. Anlage 3 Antwort des Bundesministers Genscher vom 8. Juni 1973 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Engelsberger (CDU/CSU) (Drucksache 7/653 Fragen A 6 und 7) : Muß aus der Tatsache, daß das Bundesinnenministerium die im sogenannten Schrübbers-Bericht aus dem Jahre 1971 getroffene Feststellung, „die DKP setzt die Arbeit der verbotenen KPD fort", dahin gehend abschwächt, es gebe keine „volle Identität", sondern lediglich „in einigen Bereichen eine gewisse Identität" zwischen beiden Parteien, nicht der Schluß gezogen werden, daß die Bundesregierung als Folge ihrer Ost-Politik und einer Zusage des Bundeskanzlers in Oreanda an den sowjetischen KP-Generalsekretär Breschnew über die legale Betätigung der DKP zu einem Wohlverhalten gegenüber dieser Partei verpflichtet ist? Ist durch die offensichtlich enge Verbindung der DKP mit der SED und der KPdSU nicht die Schlußfolgerung gerechtfertigt, daß die Deutsche Kommunistische Partei zumindest langfristig die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland mit Hilfe der kommunistischen Parteien des Ostblocks anstrebt und damit den Tatbestand der Verfassungsfeindlichkeit erfüllt? Zu Frage A 6: Die Frage geht von einigen Unterstellungen aus, denen zunächst entgegengetreten werden muß. Es handelt sich um die gleichen Behauptungen, die von Ihnen, Herr Abgeordneter, bereits in der Fragestunde des VI. Deutschen Bundestages am 30. September 1971 angeführt worden sind. Der Einfachheit halber wiederhole ich meine damalige Antwort. Sie lautete u. a.: „Wie ich bereits auf die Frage des Herrn Abgeordneten Niegel ausführte, hat der Bundeskanzler gegenüber dem sowjetischen Parteichef Breschnew nur zum Ausdruck gebracht, daß sich die DKP, wie jeder weiß, in der Bundesrepublik Deutschland legal betätigen kann, d. h. daß gegen sie Verbotsmaß- Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Juni 1973 2255* nahmen nicht ergangen sind. Ich wiederhole: Es handelt sich dabei weder um eine rechtliche noch um eine tatsächliche Bewertung, sondern um die Wiedergabe des in der Bundesrepublik jedermann bekannten Sachverhalts, daß gegen die DKP weder in der Amtszeit der Regierung Kiesinger noch in der Amtszeit der Regierung Brandt Verbotsmaßnahmen ergangen sind. Was die Frage nach dem sogenannten SchrübbersBericht angeht, so ist festzustellen, daß das Bundesamt für Verfassungschutz, wie der Präsident des Amtes selbst bestätigt hat, die in Rede stehende Äußerung in seinem Bericht über den Linksradikalismus im Jahre 1970 auch nicht als Terminus technicus im rechtlichen Sinne, sondern als Darstellung des ermittelten Tatsachenkomplexes verstanden wissen wollte. Eine rechtliche Subsumtion war darin nicht enthalten." Der sogenannte „Schrübbers-Bericht" aus dem Jahre 1971 — es handelte sich um den Jahresbericht des Bundesamtes für Verfassungschutz „Linksradikale Bestrebungen im Jahre 1970" — hat also weder eine rechtliche Bewertung getroffen, daß die DKP die Arbeit der verbotenen KPD fortsetze, noch ist in diesem oder einem anderen Bericht des BfV der Nachweis für eine volle Identität zwischen verbotener KPD und DKP geführt worden. Zum zweiten hat der Herr Bundeskanzler dem Generalsekretär der sowjetischen KP auch keine Zusage gegeben. Dieser Eindruck, den Sie mit Ihrer Fragestellung zu erwecken versuchen, trifft also nicht zu. Schließlich hat der Sprecher des Bundesinnenministeriums die Feststellungen des sog. „SchrübbersBerichts" auch nicht abgeschwächt. Er hat lediglich die — zutreffende — rechtliche Bewertung wiederholt, daß der ebenfalls vom Bundesamt für Verfassungsschutz stammende Bericht vom 20. April 1971 — um den es bereits in der Fragestunde vom 24. Mai 1973 ging und der nicht identisch ist mit dem sog. „Schrübbers-Bericht" — nicht den Nachweis für eine volle Identität zwischen verbotener KPD und DKP führt. Zu Ihrer Frage stelle ich fest: 1. Die in Ihrer Frage enthaltenen Unterstellungen weise ich zurück. 2. Seit der Gründung der DKP im Jahre 1968 —deren Ziele sich gar nicht und deren Führungskader sich seitdem nur unwesentlich geändert haben — haben die Regierung Kiesinger und die erste und zweite Regierung Brandt eine einheitliche Haltung gegenüber der DKP eingenommen. Dem entspricht die Haltung aller Landesregierungen. 3. Die Bundesregierung und die Landesregierungen handeln auch gegenüber der DKP allein im Rahmen ihrer verfassungsmäßigen Pflichten und Rechte. Die von Ihnen bevorzugte Bewertung weise ich namens der Bundesregierung, zugleich auch im Interesse aller Landesregierungen zurück. Zu Frage A 7: Wie ich schon wiederholt festgestellt habe, verfolgt die DKP verfassungsfeindliche Ziele im Sinne der Rechtsprechung, des Bundesverfassungsgerichts. Im Rahmen dieser ihrer langfristigen Zielsetzung verfolgt sie auch das Ziel, die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland zu beseitigen. Anlage 4 Antwort des Bundesministers Genscher vom 8. Juni 1973 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Glatz (SPD) (Drucksache 7/653 Frage A 8) : Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß der von der Bundesregierung angekündigte „Bericht über die Lage der Massenmedien" eine gute Grundlage für die weitere Gesetzgebungsarbeit auf dem Gebiet der Medienpolitik darstellen würde, und bis wann ist endgültig mit einer Verüffentlichung dieses Berichts zu rechnen? Die Bundesregierung hat am 27. April 1970 dem Deutschen Bundestag einen Zwischenbericht über die Lage von Presse und Rundfunk in der Bundesrepublik Deutschland (Drucksache VI/692) vorgelegt. Sie hat sich dabei auch auf die Aufforderung des 5. Deutschen Bundestages im Beschluß vom 2. Juli 1969 (Sten. Bericht der 246. Sitzung, S. 13 779 ff. sowie Drucksachen V/4344 und V/3856) gestützt, künftig regelmäßig über die Entwicklung der deutschen Presse zu berichten. Über den jetzigen Sachstand auf dem Gebiet der Medienpolitik habe ich schon in meinem Bericht über Planungen und Vorhaben des Bundesministeriums des Innern am 14. Februar 1973 vor dem Innenausschuß des Deutschen Bundestages berichtet. Der anstehende Bericht der Bundesregierung über die Frage von Presse und Rundfunk, der unter der Federführung von BMI, BMWi und BPA erstellt wird, ist noch in Arbeit. Der Bericht wird — wie das schon im Zwischenbericht vom 27. April 1970 der Fall war — insbesondere die Folgen der fortschreitenden Pressekonzentration untersuchen. Er wird sich dabei auch auf die wissenschaftlichen Untersuchungen stützen, die entsprechende Ankündigung in Teilziffer 14 des Zwischenberichts durchgeführt worden sind oder in Kürze abgeschlossen werden. Der Bericht der Bundesregierung wird natürlich auf das Problem der inneren Pressefreiheit eingehen, besonders im Zusammenhang mit der Mobilität der Journalisten. Dazu wird die Frage einer einheitlichen Zusatzversorgung für Journalisten aller Medien behandelt werden. Die Bundesregierung beobachtet sorgfältig die technische Entwicklung im Medienbereich und wird auch zu den Problemen Stellung nehmen, die sich daraus ergeben. Darin einbezogen ist die Untersuchung der Frage, wie sich für das immer dichter werdende Kommuni- 2256* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Juni 1973 kationsnetz die Übertragungs- und Vertriebswege zweckmäßig gestalten lassen. Ich rechne damit, daß der Bericht noch vor Jahresende dem Deutschen Bundestag vorgelegt werden kann. Anlage 5 Antwort des Bundesministers Genscher vom 8. Juni 1973 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) (Drucksache 7/653 Fragen A 10 und 11) : Wie lauten konkret und wie beurteilt die Bundesregierung die Erkenntnisse Jülicher und Karlsruher Wissenschattler, nach denen künftig keine Kernkraftwerke mehr mit Flußwasser als Kühlung gebaut werden sollen? Welche Pläne besitzt oder entwickelt die Bundesregierung, um die Standorte für Kernkraftwerke mit den Erfordernissen des Umweltschutzes abzustimmen, und welche Auswirkungen sollen diese Erwägungen auf das Genehmigungsverfahren haben? Im Rahmen der vom Bundesminister für Forschung und Technologie in Auftrag gegebenen Studienreihe „Technischer und wirtschaftlicher Stand sowie Aussichten der Kernenergie in der Kraftwirtschaft der BRD" wurde von den Kernforschungszentren Jülich und Karlsruhe im März 1973 der Teil IV fertiggestellt, der sich mit dem Thema „Kernenergie und Umwelt" auseinandersetzt. Zur Frage der Belastung der Gewässer durch Kühlwasser lautet die zusammengefaßte Schlußfolgerung wie folgt: „Das aus ökologischen Gründen beschränkte Wärmeaufnahmevermögen der Flüsse der BRD führt dazu, daß der Zubau von Kernkraftwerken mit Frischwasserkühlung höchstens bis Ende der 70iger Jahre möglich ist." Die Bundesregierung stellt fest, daß diese Aussage insbesondere die Ergebnisse des Wärmelastplans Rhein berücksichtigt, der 1972 von der Arbeitsgemeinschaft der Länder zur Reinhaltung des Rheins vorgelegt wurde. Die Bundesregierung sieht durch die Jülich-Karlsruher Studie neuerlich ihre Umweltpolitik bestätigt, die bei neuen Kraftwerken zur Vermeidung unzulässiger Flußwassererwärmung auf Rückkühlmöglichkeiten abzielt und die auch im internationalen Bereich entsprechende Vereinbarungen mit unseren Nachbarstaaten anstrebt, wie beispielsweise die Haager Ministerkonferenz der Rheinanliegerstaaten vom Oktober 1972 zeigt. Im Atomgesetz ist bereits bei den Genehmigungsvoraussetzungen für Kernenergieanlagen vorgeschrieben, daß u. a. der Wahl des Standorts einer solchen Anlage keine überwiegenden öffentlichen Interessen, insbesondere im Hinblick auf die Reinhaltung des Wassers, der Luft und des Bodens entgegenstehen dürfen und daß ferner in den Genehmigungsverfahren alle Behörden des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der sonstigen Gebietskörperschaften, deren Zuständigkeitsbereich berührt wird, beteiligt werden müssen. Für die Genehmigung von Kernkraftwerken steht deshalb das rechtliche Instrumentarium zur Verfügung, um Standort und Anlage mit den Erfordernissen des Umweltschutzes abzustimmen. Angesichts der Vielzahl der in Zukunft zu erwartenden Genehmigungsanträge für Kernkraftwerke hält es die Bundesregierung darüber hinaus für wünschenswert, zu einer langfristigen Vorausplanung von geeigneten Standorten für Kernkraftwerke zu gelangen. Hierbei müßten die volkswirtschaftlichen Bedürfnisse der Energieversorgung mit den Belangen von Reaktorsicherheit und Strahlenschutz, Umweltschutz, Landschaftsschutz und anderen möglicherweise berührten Bereichen im Rahmen raumordnerischer Maßnahmen optimal verknüpft werden. Die Bundesregierung entwickelt derzeit entsprechende Überlegungen Sie verspricht sich davon insbesondere eine von Termindruck befreite Standortgenehmigungspraxis. Anlage 6 Antwort des Bundesministers Genscher vom 8. Juni 1973 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Wagner (Günzburg) (CDU/CSU) (Drucksache 7/653 Frage A 12) : Will die Bundesregierung die konkurrierende Besoldungskompetenz auch für diejenigen Ämter aufrechterhalten, die landesrechtliche Besonderheiten darstellen und für die daher ein Bedürfnis für eine bundeseinheitliche Regelung nicht besteht (z. B. Flußmeisterlaufbahn in Bayern), und wie gedenkt sie, dieses Problem zu lösen? Gemäß Artikel 74 a des Grundgesetzes erstreckt sich die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz auf den Gesamtbereich der Besoldung und Versorgung. Für die weitere Fortführung der Besoldungsvereinheitlichung und -neuregelung sieht es die Bundesregierung als vordringlich an, ein einheitliches Besoldungsgesetz für Bund und Länder mit einheitlichen Besoldungsordnungen zu erarbeiten. Eine aus Vertretern der hauptbeteiligten Bundesressorts und der Länder bestehende Sachverständigenkommission unter dem Vorsitz meines Hauses erarbeitet hierzu Vorschläge und bereitet die Lösung der vielschichtigen Probleme vor. Bei den bisherigen Erörterungen wurde überwiegend die Auffassung vertreten, daß Ämter aus dem Länderbereich in eine für Bund und Länder gemeinsame Bundesbesoldungsordnung A nicht aufgenommen werden sollen, wenn für sie wegen Besonderheiten im Landesbereich ein Bedürfnis nach einer bundesgesetzlichen Regelung nicht besteht. Für die Laufbahn der Flußmeister wird die Kommission voraussichtlich vorschlagen, daß deren Ämter als landesrechtliche Besonderheiten in den Landesbesoldungsordnungen verbleiben sollen. Anlage 7 Antwort des Bundesministers Genscher vom 8. Juni 1973 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Wagner Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Juni 1973 2257* (Günzburg) (CDU/CSU) (Drucksache 7/653 Frage A 13:) In welcher Weise und his zu welchem Zeitpunkt gedenkt die Bundesregierung, die bestehenden Leistungsdifferenzen zwischen Rentenversicherung einerseits und Beamtenversorgung andererseits bei jeweils vergleichbaren Funktionen ehemals im öffentlichen Dienst Beschäftigter auszugleichen? Zur Untersuchung der — auch auf die verschiedenartigen Besteuerung zurückgehenden — Leistungsunterschiede zwischen Rentenversicherung einerseits und Beamtenversorgung andererseits habe ich der Treuarbeit AG in Frankfurt/Main den Auftrag erteilt, ein Gutachten zu erstellen, in dem das beamtenrechtliche Versorgungssystem mit dem Versorgungssystem der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes und der privaten Wirtschaft verglichen werden soll. Das Gutachten wird bis Ende des Jahres 1974 vorliegen. Die Bundesregierung möchte daher zunächst die Vorlage dieses Gutachtens abwarten. Erst dann kann geprüft werden, ob und welche Folgerungen daraus zu ziehen sind. Gleichwohl sind bereits besonders dringliche Probleme des Beamtenversorgungsrechts in Angriff genommen: 1. Eine Verbesserung des Ruhegehaltes der wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand getretenen Beamten und Berufssoldaten. Auf meine Antworten vom 17. Mai 1973 zu den diesbezüglichen Fragen der Herren Kollegen Berger und Volmer darf ich hinweisen. 2. Ferner prüft die Bundesregierung zur Zeit, wie aus ihrer Antwort vom 7. Mai 1973 zu einer Kleinen Anfrage der CDU/CSU hervorgeht, ob eine Teilnahme der Versorgungsempfänger an etwaigen künftigen strukturellen und quasistrukturellen Verbesserungen der aktiven Beamten-, Richter- und Soldatenbesoldung durch ein neues System der Anpassung der Versorgungsbezüge erreicht werden kann, das solche Verbesserungen fortlaufend mit durchschnittlichen Vomhundertsätzen an die vorhandenen Versorgungsempfänger weitergeben würde. Bezüglich der steuerrechtlichen Fragen weise ich auf die Antworten des Herrn Parlamentarischen Staatssekretärs Hermsdorf vorn 22. Februar 1973 zu den Fragen des Herrn Kollegen Berger hin. Auch bei der nach meiner Vorstellung noch in dieser Legislaturperiode zu verwirklichenden Vereinheitlichungen des Beamtenversorgungsrechts in Bund und Ländern durch ein Beamtenversorgungsgesetz werden die in Ihrer Frage angesprochenen Probleme nicht außer acht gelassen werden. Anlage 8 Antwort des Bundesministers Genscher vom 8. Juni 1973 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Röhner (CDU/CSU) (Drucksache 7/653 Frage A 16) : Bestehen seitens der Bundesregierung Pläne oder Überlegungen, den Tag der Deutschen Einheit künftig als gesetzlichen Feiertag aufzuheben oder zu ändern, nachdem von der Bundesregierung zum 20. Jahrestag des 17. Juni bisher weder offizielle Veranstaltungen vorgesehen sind, noch die sie tragenden Koalitionsparteien sich an der Veranstaltung dieses Jahrestages in Berlin beteiligen wollen? Überlegungen, ob es dem Charakter des 17. Juni als nationaler Gedenktag noch entspricht, daß er als gesetzlicher Feiertrag begangen wird, werden in der politischen Öffentlichkeit seit vielen Jahren diskutiert. Sie haben die Regierung Kiesinger schon im Jahre 1968 dazu veranlaßt, einen Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes über den Tag der Deutschen Einheit (Bundestags-Drucksache V/2818) im Bundestag einzubringen. Danach soll der 17. Juni als Feiertag zwar aufgehoben, aber weiterhin als nationaler Gedenktag begangen werden, weil die Art der Begehung dieses Tages als arbeitsfreier Feiertag mit der Zielsetzung des Gedenktags, die innere Verbundenheit zwischen den beiden getrennten Teilen Deutschlands zum Ausdruck zu bringen, nicht mehr im Einklang steht. Diese Auffassung teilt auch die jetzige Bundesregierung. Im übrigen ist auf dem West-Berliner Friedhof Seestraße eine Gedenkfeier am 17. Juni 1973 vorgesehen, bei der der Regierende Bürgermeister von Berlin einen Kranz niederlegen wird. An dieser Gedenkfeier werden, soweit ich unterrichtet bin, Vertreter des Berliner Senats und aller Fraktionen des Berliner Abgeordnetenhauses teilnehmen. Anlage 9 Antwort des Bundesministers Genscher vom 8. Juni 1973 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Schäuble (CDU/CSU) (Drucksache 7/653) Frage A 17 und 18) : Wie beurteilt die Bundesregierung den Ausgang der Gespräche zwischen dem Deutschen Sporthund und dem Deutschen Turn- und Sportbund vom 14. März 1973 in Dresden und vom 10. Mai 1973 in Frankfurt? Wird die Bundesregierung Bundesminister Bahr beauftragen, die Weigerung der DDR-Sportführung, West-Berlin vorbehaltlos in alle Vereinbarungen zwischen dem DSB und dem DTSB einzubeziehen, bei seinem nächsten Gespräch mit Herrn Staatssekretär Kohl zu erörtern und auf eine dem Geist des Berlin-Abkommens entsprechende Lösung zu drängen? Gegenstand der Gespräche zwischen dem Deutschen Sportbund und dem Deutschen Turn- und Sportbund vorn 14. März 1973 in Dresden und 10. Mai 1973 in Frankfurt waren grundsätzliche Fragen zur Entwicklung sportlicher Beziehungen und längerfristige Terminplanungen für sportliche Begegnungen. Konkrete Absprachen kamen noch nicht zustande. Es konnte insbesondere kein Einvernehmen über die vom Deutschen Sportbund unabdingbar erhobene Forderung hergestellt werden, daß der Deutsche Sportbund und seine Spitzenverbände den Landessportbund Berlin und dessen Fachverbände entsprechend der Praxis der internationalen Föderationen und des IOC uneingeschränkt vertritt. Der Landessportbund Berlin ist Gründungsmitglied des Deutschen Sportbundes. Die Anerkennung dieser Bindungen entspricht dem Geist des Vier-MächteAbkommens und dem Geist des Grundlagenvertrages. 2258* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Juni 1973 Die Bundesregierung bedauert, daß in dieser Frage bisher noch keine Einigung erzielt werden konnte. Über die Sitzung am 10. Mai 1973 in Frankfurt ist vom Deutschen Sportbund und vom Deutschen Turn- und Sportbund eine gemeinsam vereinbarte Mitteilung herausgegeben worden, in der im wesentlichen ausgeführt ist, daß — DSB und DTSB ihre Absicht bekräftigen, Vereinbarungen zur Entwicklung sportlicher Beziehungen zu treffen, — DSB und DTSB übereingekommen sind, die Gesprächsrunde am 2. Juli 1973 in der DDR festzusetzen und — zur Vorbereitung des nächsten Treffens eine Kommission eingesetzt wird, in die DSB und DTSB je fünf Vertreter entsenden. Die Bundesregierung sieht in dieser zwischen dem Deutschen Sportbund und dem Deutschen Turn- und Sportbund abgesprochenen Verfahrensregelung ein erstes Anzeichen für die Möglichkeit einer positiven Entwicklung. Eine solche Entwicklung muß auch erwartet werden, und zwar — nach dem Vier-Mächte-Abkommen über Berlin vom 3. September 1971, nach dem die Bindungen zwischen den Westsektoren Berlins und der Bundesrepublik Deutschland aufrechterhalten und entwickelt werden, und — im Hinblick auf die im Grundlagenvertrag abgegebene Erklärung über die Ausdehnung von Abkommen und Regelungen auf Berlin (West) in Übereinstimmung mit dem Vier-Mächte-Abkommen. Eine Regelung über die Entwicklung sportlicher Beziehungen, die eine dem Vier-Mächte-Abkommen entsprechende Lösung enthält, ist Sache der zuständigen Sportorganisationen, nämlich des Deutschen Sportbundes und des Deutschen Turn- und Sportbundes. Diese Organisationen setzen, wie Sie wissen, ihre Verhandlungen fort. Sollte es sich im Verlaufe der weiteren Verhandlungen des Deutschen Sportbundes mit dem Deutschen Turn- und Sportbund als notwendig erweisen, wird die Bundesregierung eine entsprechende Unterstützung gewähren. Dies steht im Einklang mit Abschnitt II Ziffer 8 des Zusatzprotokolls zum Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik. Danach unterstützen die Regierungen beider Staaten die zuständigen Sportorganisationen bei den Absprachen zur Förderung der Sportbeziehungen. Anlage 10 Antwort des Bundesministers Genscher vom 8. Juni 1973 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein (CDU/CSU) (Drucksache 7/653 Fragen A 19 und 20) : Was ist unternommen worden, um Frankreich zu veranlassen, sowohl das Kernkraftwerk Fessenhcim im Elsaß als auch das Nueinen noch offenen weiteren Standort am Rhein geplante Kernkraftwerk luit Kühltürmen auszustatten, und zu welchem Ergebnis haben die bisherigen Bemühungen geführt? Welche Auswirkungen auf die Wärmelast des Rheins werden für den Fall erwartet, daß Frankreich sich endgültig weigert, die Kernkraftwerke mit Kühltürmen zu versehen? Ihre Fragen beantworte ich im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt wie folgt: Fragen der Reinhaltung des Rheins, zu denen auch die Vermeidung schädlicher Aufwärmung gehört, werden von den Anliegerstaaten in der eigens hierfür gebildeten „Internationalen Kommission zum Schutze des Rheins gegen Verunreinigung" erörtert. Es ist oft schwierig, in dieser Kommission Einvernehmen über Maßnahmen zu erzielen, weil das Interesse und die Einschätzung der Möglichkeiten bei Ober- und Unterliegern am Strom nicht immer identisch sind. So war Frankreich z. B. trotz aller deutscher Bemühungen und Vorstellungen bislang nicht bereit, Einrichtungen zu treffen, um die überschüssige Wärme des im Bau befindlichen Kernkraftwerks in Fessenheim zeitweise statt in den Fluß, über Kühltürme an die Luft abgeben zu können, obwohl in der Bundesrepublik Deutschland die im Bau befindlichen Kernkraftwerke mit Kühltürmen ausgerüstet werden, die es erlauben, den Fluß in kritischen Zeiten, z. B. bei niedriger Wasserführung oder bei hohen Wassertemperaturen vor schädlicher Aufwärmung zu bewahren. Deshalb kommt dem Beschluß der Ministerkonferenz der Rheinanliegerstaaten in Den Haag vom Oktober 1972, daß alle zukünftigen Kraftwerke am Rhein mit geschlossenen Kühlsystemen oder gleichwertigen Systemen ausgerüstet werden sollen, ganz besondere Bedeutung zu. Der Beschluß der Ministerkonferenz ist geeignet, den Schutz des ganzen Rheins vor schädlicher Erwärmung sicherzustellen. Er gilt auch für künftige Erweiterungen des Kernkraftwerks in Fessenheim oder Kraftwerke an anderen Standorten. Die Internationale Kommission läßt zur Zeit von ihren Sachverständigen untersuchen, welche Auswirkungen ,der spätere Betrieb der ersten Stufen der Kernkraftwerke in Fessenheim, Philipsburg und Biblis auf den Rhein haben wird. Es wird ferner untersucht, welche Maßnahmen und welches Reglement erforderlich sein werden, um den Rhein in keinem Fall schädlich aufzuwärmen und mit welchen Aufwendungen hierbei auf französischer und auf deutscher Seite zu rechnen sein wird. Die schwierigen Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen; die Internationale Kommission wird über das Ergebnis beraten. Bereits vor der Ministerkonferenz in Den Haag hatte die Bundesregierung die französische Regierung wiederholt auf diplomatischem Wege auf die Notwendigkeit einer einvernehmlichen Regelung des Wärmeproblems, insbesondere beim Kernkraftwerk in Fessenheim, hingewiesen. Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Juni 1973 2259* Anlage 11 Antwort des Bundesministers Genscher vom 8. Juni 1973 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Breidbach (CDU/CSU) (Drucksache 7/653 Frage A 21): Was hat die Bundesregierung bisher unternommen, um eine Anrechnung der in Entwicklungshilfediensten verbrachten Zeiten bei einem späteren Eintritt in den öffentlichen Dienst sicherzustellen? Ich gehe davon aus, daß sich die gestellte Frage auf die Mitarbeiter der GAWI und die Bediensteten anderer privatrechtlich organisierter Entwicklungshilfedienste bezieht. Bei einem Eintritt in den öffentlichen Dienst können Zeiten einer vorausgegangenen anderen Tätigkeit im Besoldungs-, Versorgungs- und Tarifrecht von Bedeutung sein. 1. Für die Berücksichtigung von Dienstzeiten von GAWI-Mitarbeitern bei der Festsetzung des Besoldungsdienstalters gilt folgendes: 1.1 Nach dem Besoldungsrecht des Bundes können frühere Beschäftigungszeiten voll nur dann berücksichtigt werden, wenn sie im Dienst eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn abgeleistet worden sind. Dies trifft für eine Tätigkeit bei der GAWI nicht zu, denn die GAWI ist eine GmbH. 1.2 Das Besoldungsrecht geht in seiner Konzeption davon aus, daß der Beruf des Beamten als Lebensberuf, für den eine besondere Ausbildung erfolgt, angelegt ist, also nach Abschluß der Ausbildung ergriffen wird, soweit nicht schon die Ausbildung im Beamtenverhältnis erfolgt Bewerber im vorgerückten Lebensalter sollen nur dann eingestellt werden, wenn auf ihre in einer anderen Berufstätigkeit gewonnenen Kenntnisse und Erfahrungen besonderer Wert gelegt wird. Dem wird im Bundesbesoldungsgesetz dadurch entsprochen, daß die Zeit zwischen dem vollendeten 21. Lebensjahr und dem Eintritt in ein Beamtenverhältnis zur Hälfte auf das BDA gutgebracht wird. Das durch das Bundesbesoldungsgesetz eingeführte vereinfachte BDA-System müßte aufgegeben werden, wenn Beschäftigungszeiten bei der GAWI oder bei ähnlichen Einrichtungen des privaten Rechts, selbst wenn sie auch oder ausschließlich öffentlichen Zwecken dienen, in vollem Umfang bei der Berechnung des BDA berücksichtigt würden. Ich halte eine solche Änderung auch nicht für erforderlich, weil durch die erwähnte Halbanrechnung eine weitgehende Milderung etwa auftretender Härten eintritt und dieser Regelung alle in höherem Lebensalter in den öffentlichen Dienst eintretenden Personen unterworfen sind. 2. Im Beamtenversorgungsrecht sind grundsätzlich nur Beamtendienstzeiten als ruhegehaltfähig zu berücksichtigen. Da eine Dienstzeit bei der GAWI diese Voraussetzung nicht erfüllt, ist eine Anrechnung nur über die Ausnahmebestimmung I des § 116 Bundesbeamtengesetz möglich, wenn die erworbenen besonderen Fachkenntnisse notwendige Voraussetzung für die Wahrnehmung des Amtes sind, und zwar bis zur Hälfte und in der Regel bis zu 10 Jahren. Diese Vorschrift findet auch auf die GAWI-Mitarbeiter Anwendung. 3. Bei Angestellten des Bundes gilt folgendes: 3.1 Beschäftigungszeit (§ 19 BAT). Nach § 19 Abs. 1 BAT kommen für eine Anrechnung als Beschäftigungszeit nur solche Zeiten in Betracht, die ein Angestellter nach Vollendung des 18. Lebensjahres bei demselben Arbeitgeber im öffentlichen Dienst verbracht hat. Es bleiben also selbst Zeiten als Angestellter sonstiger vom BAT erfaßter Arbeitgeber (Länder, Gemeinden) unberücksichtigt. In besonders gelagerten Einzelfällen kann für Angestellte des Bundes u. U. eine ausnahmsweise Anrechnung von GAWI-Zeiten durch die für den betreffenden Angestellten zuständige oberste Dienstbehörde im Einvernehmen mit meinem Hause auf Grund des § 19 Abs. 4 BAT zugelassen werden. 3.2 Dienstzeit (§ 20 BAT). . Die Dienstzeit umfaßt grundsätzlich nur die nach Vollendung des 18. Lebensjahres als Beamter, Angestellter oder Arbeiter im öffentlichen Dienst verbrachten Zeiten. Zeiten einer beruflichen Tätigkeit können ganz oder teilweise auf Grund des § 20 Abs. 5 BAT als Dienstzeit berücksichtigt werden, wenn diese Tätigkeit Voraussetzung für die Einstellung in den öffentlichen Dienst war. Unter dieser Voraussetzung kann auch die Dienstzeit ehemaliger Mitarbeiter der GAWI um die von ihnen bei ihrem früheren Arbeitgeber verbrachten Zeiten verbessert werden. Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf vom 8. Juni 1973 auf die Mündlichen Fragen der Abgeordneten Frau Dr. Neumeister (CDU/CSU) (Drucksache 7/653 Fragen A 27 und 28) : Hat die Bundesregierung andere als fiskalische Gründe dafür, daß sie bei der von ihr noch für dieses Jahr angekündigten Neuordnung des Arzneimittelmarkts — anders als z. B. in Großbritannien, Italien, Belgien und Volland — bis jetzt offenbar weder an eine Wiedereinführung der bis 1968 bei uns geltenden Umsatzsteuerfreiheit der Kassenlieferungen der Apotheken noch an eine Ermäßigung des derzeitigen Mehrwertsteuersatzes von 11 % auf Arzneimittel denkt? Wie beurteilt die Bundesregierung die kürzlich bekanntgewordenen Berechnungen, wonach unter Berücksichtigung des — 1971 schon 1,5 Milliarden DM betragenden — Verwaltungsaufwands der gesetzlichen Krankenkassen für wirksame Preisverhandlungen mit den Arzneimittelherstellern letztlich selbst hei relativ einschneidenden Preisreglementierungen die Einsparungen der Krankenkassen auf Jahre hinaus geringer wären als bei einem Wegfall der Mehrwertsteuer? 2260* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Juni 1973 Zu Frage A 27: Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften wird demnächst einen neuen Richtlinienentwurf zur Harmonisierung der Umsatzsteuern in den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft vorlegen. Die Richtlinie wird auch einen Katalog der zulässigen Steuerbefreiungen enthalten. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, daß die Umsatzsteuerbefreiungen im gesamten Bereich der Europäischen Gemeinschaften einheitlich geregelt werden. Schon wegen dieser Sachlage ist bisher davon abgesehen worden, die Frage einer Freistellung der Arzneimittel von der Umsatzsteuer in die Arbeiten über eine Neuordnung des Arzneimittelmarktes einzubeziehen. Im übrigen möchte ich folgendes in Erinnerung rufen: Sie haben in Ihrer Frage auf die Umsatzsteuerregelung vor 1968 hingewiesen. Die damals bestehende Regelung lief im Ergebnis auf eine unterschiedliche Steuerbegünstigung der Kassen-und Privatpatienten hinaus. Bei der Einführung der Mehrwertsteuer ging der Gesetzgeber seiner Zeit bewußt neue Wege, um zu einer Gleichbehandlung von Kassen- und Privatpatienten zu gelangen. Die auf Umsätze an Sozialversicherungsträger beschränkte Befreiung wurde aufgegeben. Bestimmte Umsätze wurden ohne Einschränkung, d. h. auch für Umsätze an Privatpatienten begünstigt, und zwar im einzelnen durch Steuerbefreiungen für die Heilberufe und bestimmte Krankenanstalten sowie durch Steuerermäßigungen für orthopädische Hilfsmittel und Heilbäder. Andere Umsätze im Gesundheitsbereich, so vor allem die Arzneimittellieferungen, wurden dagegen dem allgemeinen Steuersatz unterworfen. Im Ergebnis kam es damit nur zu einer geringfügigen Mehrbelastung, die der Gesetzgeber damals bewußt in Kauf genommen hat. Zu Frage A 28: Eine Befreiung der Arzneimittel von der Umsatzsteuer würde zu Steuermindereinnahmen von mindestens 500 Millionen DM im Jahre führen. Davon entfallen auf die gesetzliche Krankenversicherung etwa 55 bis 60 %. In welchem Verhältnis der sich hieraus ergebende Betrag zu den möglichen Einsparungen der Krankenkassen im Zusammenhang mit der Neuordnung des Arzneimittelmarktes steht, wird von dem Ergebnis der Bemühungen um die Neuordnung abhängen. Ich möchte jedoch darauf hinweisen, ,daß es bei den Arbeiten zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes vor allem um die Intensivierung des Wettbewerbs auf diesem Gebiet geht. Ich darf hierzu auf Punkt 18 des Stabilitätsprogramms der Bundesregierung Bezug nehmen. Irgendwelche Begünstigungen der Arzneimittel bei der Mehrwertsteuer können kein Ersatz für die preis- und wettbewerbspolitischen Überlegungen der Bundesregierung sein. Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf vom 8. Juni 1973 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Graf Lambsdorff (FDP) (Drucksache 7/653 Frage A 30) : Wie hoch beziffert die Bundesregierung die Steuerausfälle der öffentlichen Hände die jährlich durch das Prinzip der Gemeinnützigkeit im Wohnungsbau entstehen? Die Bundesregierung hat die Steuermindereinnahmen der öffentlichen Hände aus der Steuerbefreiung der gemeinnützigen Wohnungs- und Siedlungsunternehmen im Dritten Subventionsbericht für die Jahre 1971 und 1972 auf jeweils rund 100 Millionen DM geschätzt. Davon entfallen auf die Körperschaftsteuer pro Jahr etwa 45 Millionen DM, auf die Vermögensteuer je 50 bis 55 Millionen DM und auf die Gewerbesteuer jeweils weniger als 10 Millionen DM. Anlage 14 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf vom 8. Juni 1973 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Wittmann (Straubing) (SPD) (Drucksache 7/653 Fragen A 31 und 32) : Sieht die Bundesregierung angesichts der Tatsache, daß die Unterhaltsverpflichtungen bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens nur sehr unvollständig berücksichtigt werden und die zusätzliche Stabilitätsabgabe daher für Unterhaltszahler mit doppelten Haushaltsverpflichtungen, wie zum Beispiel geschiedene Väter, eine außerordentliche Härte bedeuten kann, die Möglichkeit, hinsichtlich des hei der Berechnung der Stabilitätsabgabe nicht berücksichtigten Teils der Unterhaltsverpflichtungen eine Billigkeitsmaßnahme nach § 131 AO zu gewähren? Teilt die Bundesregierung die Ansicht, daß für Unterhaltsverpflichtete mit höheren Einkommen die Erhebung der Stabilitätsabgabe eine „objektive Härte" darstellt, da bei der Ausgestaltung des § 33 a EStG die Erhöhung der Steuerlast durch die Stabilitätsabgabe nicht berücksichtigt worden ist, so daß für die Unterhaltsverpflichteten durch die Minderung des verfügbaren Einkommens hei gleichbleibender Höhe der Unterhaltspflicht und des davon höchstens absetzbaren Anteils eine doppelte Verschlechterung eingetreten ist? Zu Frage A 31: Die vom Bundestag beschlossene Stabilitätsabgabe knüpft jeweils an die Einkommensteuerschuld der Jahre 1973 und 1974 an. Das bedeutet, daß die von Ihnen als unbefriedigend empfundene einkommensteuerliche Berücksichtigung von Unterhaltsaufwendungen sich auch auf die Stabilitätsabgabe auswirkt. Nach geltendem Recht können Unterhaltsaufwendungen bis zu 1 200 DM im Kalenderjahr als außergewöhnliche Belastung vom Einkommen abgezogen werden. In der Steuerreform ist eine Anhebung des Höchstbetrages auf 1 800 DM vorgesehen. Unbefriedigende Regelungen bei der Einkommensteuer können nur durch eine Änderung des Einkommensteuerrechts im Rahmen der Steuerreform berücksichtigt werden. Sie können bei der Erhebung der Stabilitätsabgabe, die, wie ich bereits ausgeführt habe, an das geltende Einkommensteuerrecht anknüpft, grundsätzlich nicht durch eine Billigkeitsmaßnahme ausgeglichen werden. Zu Frage A 32: Ihre Auffassung, daß für Unterhaltsverpflichtete mit höheren Einkommen die Erhebung der Stabilitätsabgabe eine „objektive Härte" bedeute, kann ich nicht teilen. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist eine objektive Härte, der durch eine Billigkeitsmaßnahme Rechnung getragen werden kann, nur dann gegeben, wenn anzunehmen ist, daß Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Juni 1973 2261' der Gesetzgeber die angestrebte Billigkeitsregelung im Gesetzeswege getroffen haben würde, wenn ihm die Härte bekannt gewesen wäre. Davon kann hier jedoch nicht die Rede sein, da dem Gesetzgeber bei Einführung der Stabilitätsabgabe bekannt war, daß das geltende Einkommensteuerrecht im Hinblick auf die Berücksichtigung von Unterhaltsverpflichtungen als problematisch angesehen werden kann, und da er gleichwohl die Stabilitätsabgabe an die Einkommensteuerschuld angeknüpft hat. Anlage 15 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf vom B. Juni 1973 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Niegel (CDU/CSU) (Drucksache 7/653 Frage A 34) : Können Bauwillige für ein Familienheim damit rechnen, daß die bis i. Mai 1974 ausgesetzte Finanzierungshilfe durch die Sonderabschreibung nach § 7 b EStG ab 1. Mai 1974 in unveränderter Form weitergeführt wird, oder besteht Anlaß zu der Meinung, daß nach dem 1. Mai 1974 die Regelung des § 7 b EStG überhaupt nicht mehr oder nur in veränderter bzw. stark einschränkender Form gelten könnte? Aufgrund der durch das Stabilitätsgesetz geschaffenen Ermächtigung hat die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundestages und des Bundesrates durch die Dritte Verordnung über steuerliche Konjunkturmaßnahmen den § 7 b des Einkommensteuergesetzes für 1 Jahr ausgesetzt. Die Aussetzung endet am 30. April 1974. Das bedeutet, daß für Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser und Eigentumswohnungen, für die der Antrag auf Baugenehmigung nach dem 30. April 1974 gestellt wird, die Steuervergünstigung des § 7 b wieder in Anspruch genommen werden kann. Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner vom 7. Juni 1973 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Warnke (CDU/CSU) (Drucksache 7/653 Frage A 37) : Welche Maßnahmen wären nach Ansicht der Bundesregierung geeignet, die durch die geplanten steuerpolitischen Maßnahmen herbeigeführten überproportionalen Belastungen der Bevölkerung und der Wirtschaft in revierfernen und wirtschaftsschwachen Räumen auszugleichen? Die Hypothese Ihrer Frage, daß die Fördergebiete einseitig und überproportional durch das Stabilitätsprogramm der Bundesregierung belastet werden, kann ich nicht akzeptieren. Die Gesamtentwicklung der Fördergebiete einschließlich des Zonenrandgebietes wird nach Ansicht der Bundesregierung durch das Stabilitätsprogramm insgesamt nicht über Gebühr tangiert. So hat die Bundesregierung und am 24. Mai 1973 der Planungsausschuß der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" zwar eine Streckung der Mittel um 10 °/o für das Jahr 1973 beschlossen, wobei entsprechender Streckungsbeschluß vom Bundesminister und von den 11 Landeswirtschaftsministern bzw. Senatoren einstimmig, d. h. mit Zustimmung der I von der CDU/CSU gestellten Länderwirtschaftsminister, gefällt worden ist. Das bedeutet jedoch auch, daß diese Mittel in das Jahr 1974 übertragen werden und daß es in der mittelfristigen Finanzplanung bei dem vorgesehenen Rahmen bleiben soll. Bei anderen Maßnahmen wie z. B. der vorgesehenen Kürzung der Investitionszulage handelt es sich um eine Reduzierung dieser Fördermaßnahmen auf die bei der seinerzeitigen Parlamentsentscheidung vorgesehene Größenordnung. Die Rationalisierungszulage für das Zonenrandgebiet wurde darüber hinaus von der Reduzierung überhaupt ausgenommen. Auch bei der Erhöhung der Mineralölsteuer wurde, wie ich bereits in der Antwort auf die Frage des Abgeordneten Jobst (Frage 35) erklärt habe, für den Werkfernverkehr im Zonenrandgebiet ein Ausgleich innerhalb der Gasölbetriebsbeihilfe geschaffen. Ebenso wird insgesamt die im Verhältnis zu den übrigen Fördergebieten überproportionale Beteiligung des Zonenrandgebietes an den zur Verfügung stehenden Mitteln wie bisher auch gewahrt. Weitere Ausnahmen sind im Hinblick auf das dringliche stabilitätspolitische Ziel nicht vertretbar. Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner vom 7. Juni 1973 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. t Warnke (CDU/CSU) (Drucksache 7/653 Frage A 40) : Wie will die Bundesregierung der Tatsache Rechnung tragen, daß das Auto für die Bevölkerung in weniger dicht besiedelten und wirtschaftsschwachen Räumen eine entscheidende Voraussetzung für die Verbesserung der Lebensqualität darstellt? Die regionale Strukturpolitik von Bund und Ländern hat das Ziel der Verbesserung der Lebensqualität zur Grundlage; das Ziel heißt: Einkommensteigerung bei Vollbeschäftigung. Durch Mobilisierung ungenutzter oder schlecht genutzter Produktionsfaktoren werden Arbeitsplätze und Einkommen geschaffen, die es auch der Bevölkerung der struktur- und wirtschaftsschwachen Gebiete ermöglichen, zu gleichwertigen Lebensverhältnissen wie im übrigen Bundesgebiet zu gelangen. Das Auto ist ein Transportmittel und kann ein Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität sein. Die entscheidende Voraussetzung ist es aber sicherlich nicht. Anlage 18 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf vom 8. Juni 1973 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Böhm (Melsungen) (CDU/CSU) (Drucksache 7/653 Frage A 43) : Ist die Bundesregierung bereit zu prüfen, ob eine differenzierte Kilometerpauschale eine geeignete Maßnahme sein könnte, die der unterschiedlichen Bedeutung des Autos für die Verbesserung der Lebensqualität in der Stadt und auf dein Lande Rechnung trägt? 2262* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Juni 1973 Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß es nicht möglich ist, nach städtischen und ländlichen Gebieten differenzierte Kilometer-Pauschbeträge einzuführen. Die Verkehrsverhältnisse, durch die Arbeitnehmer gezwungen werden könnten, ein Kraftfahrzeug zu benutzen, sind in ländlichen Gebieten nicht einheitlich schlecht und in Stadtgebieten nicht immer gut. Eine Begünstigung ländlicher Regionen müßte deshalb verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen und würde häufig zu ungerechten Ergebnissen führen. Jeder Versuch, im Einzelfall abzugrenzen, ob der höhere oder niedrigere Kilometer-Pauschbetrag zu gewähren wäre, z. B. nach den Möglichkeiten der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, könnte aber letzten Endes nur unbefriedigend gelöst werden. Für die Steuerverwaltung dürfte eine Nachprüfung solcher Voraussetzungen nahezu unmöglich sein. Im übrigen ist die Bundesregierung der Auffassung, daß sich durch besondere lohnsteuerliche Vergünstigungen die vorhandenen Standortnachteile nicht wirksam beseitigen lassen. Sie gibt vielmehr, wie bereits in der Fragestunde am 16. März 1973 auf eine Frage des Kollegen Dr. Jobst hervorgehoben wurde, einer aktiven und gezielten Strukturpolitik den Vorzug. Anlage 19 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner vom 7. Juni 1973 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU) (Drucksache 7/653 Frage A 44) : Ist die Bundesregierung bereit, bei der EWG dafür einzutreten, daß bei ständig steigendem Energiebedarf die Kohleproduktion durch ein Langzeitprogramm so abgesichert wird, daß sie als stabilisierender Faktor auf wirtschafts- und sozialpolitischem Gebiet voll zur Wirkung kommt? Ja, sie hat dies bei der Tagung des Ministerrats über Energiefragen am 22. Mai 1973 nachdrücklich getan. Die Bundesregierung betrachtet die in der Gemeinschaft geförderte Kohle energiepolitisch als Risikopolster, und zwar nicht nur für die Förderländer, sondern für die Gemeinschaft als Ganzes. Sie setzt sich daher dafür ein, daß die Gemeinschaft eine Politik betreibt, die eine optimale Nutzung dieses Sicherheitsfaktors ermöglicht. Der vordringlichste Schritt in dieser Richtung ist eine befriedigende Beihilferegelung der Gemeinschaft für Kokskohle. Die Ratstagung der EG vom 22. Mai 1973 brachte hier wichtige Fortschritte. Die Kokskohlenentscheidung soll bis spätestens 25. Juni 1973 vom Rat verabschiedet werden. Weitere positive Ansätze für eine langfristig orientierte Kohlepolitik der Gemeinschaft sind in dem Vorschlag der Kommission zu sehen, das Kohleförderpotential der Gemeinschaft so stark wie möglich zur Energieversorgung heranzuziehen und hierfür mittelfristige Orientierungen festzulegen. Die Bundesregierung unterstützt diesen Vorschlag. Bei den mittelfristigen Orientierungen muß der Gedanke der Versorgungssicherheit berücksichtigt werden. Die Bundesregierung erwartet, daß die Kommission diese Vorstellungen rasch durch Vorschläge konkretisiert. Anlage 20 Antwort des Parl. Staatssekretärs Zander vom 7. Juni 1973 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Meinike (Oberhausen) (SPD) (Drucksache 7/653 Frage A 62) : Wie beurteilt die Bundesregierung Presseverlautbarungen, daß aufgrund fehlender Koordinierung abgeleistete Berufsgrundbildungsjahre bei einer Ausbildung in den neuen Elektro-Berufen nicht angerechnet werden? Die in Ihrer Frage angesprochenen Probleme der Absolventen von Berufsgrundschuljahren im Bereich der Elektrotechnik sind auf Übergangsschwierigkeiten zurückzuführen. Die Zusammenhänge habe ich bereits in den Sitzungen am 14. Februar sowie insbesondere am 8. und 16. Mai 1973 auf die Anfragen der Herren Abgeordneten Meinecke, Wüster und Wernitz dargelegt. Dabei habe ich bereits ausgeführt, daß von der Bundesregierung nach eingehender Beratung der Probleme mit den beteiligten Gewerkschaften, Fachverbänden und Spitzenorganisationen der Wirtschaft sowie im Bundesausschuß für Berufsbildung konkrete Maßnahmen zur Überwindung dieser Übergangsschwierigkeiten eingeleitet worden sind. Eine zufriedenstellende Lösung der aufgetretenen Probleme erwartet die Bundesregierung von der bereits im letzten Jahr eingeleiteten Abstimmung zwischen den Ausbildungsordnungen des Bundes und den Rahmenlehrplänen der Länder. Für die berufliche Grundbildung im Bereich der Elektrotechnik ist eine Abstimmung bis Ende 1973 vorgesehen. Anlage 21 Antwort des Parl. Staatssekretärs Berkhan vom 7. Juni 1973 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Pawelczyk (SPD) (Drucksache 7/653 Frage A 69) : Ist es richtig, daß das Verteidigungsministerium — wie der Bund der Steuerzahler behauptet — Bilder des Bundesministers der Verteidigung anfertigen ließ und dafür einen Betrag von über 100 000 DM aufgewendet hat? Es ist richtig, daß das Verteidigungsministerium Bilder des Bundesministers der Verteidigung anfertigen ließ. Insgesamt 6 500 Bilder wurden inzwischen an alle Dienststellenleiter im Bereich des Bundesministers der Verteidigung verteilt. Es ist nicht richtig, daß das Bundesministerium der Verteidigung für die Anfertigung dieser Bilder über 100 000 DM aufgewendet hat. Die Bilder wurden im eigenen Bereich im Kunstdruckverfahren hergestellt und kosten 2 254,86 DM. Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Juni 1973 2263* Anlage 22 Antwort des Parl. Staatssekretärs Berkhan vom 7. Juni 1973 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Hornhues (CDU/CSU) (Drucksache 7/653 Fragen A 71 und 72): Ist es rechtlich gegenwärtig völlig ausgeschlossen, einen Notarztwagen der Bundeswehr bei der generellen Verwendung für zivile Zwecke von Zivilpersonen fahren zu lassen, auch wenn von kommunaler Seite versicherungstechnisch für eventuelle Schäden aufgekommen wird? Sollte die Besetzung eines Notarztwagens der Bundeswehr mit zivilem Fahrer gegenwärtig rechtlich ausgeschlossen sein: besteht die Absicht, einen solchen Einsatz künftig zu ermöglichen, wenn ein großes öffentliches Interesse vorliegt und ein solcher Einsatz auch im Interesse der Bundeswehr liegt? Das geltende Straßenverkehrsrecht läßt durchaus zu, daß Bundeswehrkraftfahrzeuge von nicht der Bundeswehr angehörenden Zivilpersonen gefahren werden. Jedoch legen die internen Dienstvorschriften der Bundeswehr fest, daß Bundeswehrkraftfahrzeuge ausschließlich von ständig dafür eingeteilten Bundeswehrangehörigen mit Bundeswehrführerschein zu fahren sind. Diese Einschränkung ist notwendig, weil die Bundeswehrfahrzeuge nicht für allgemeine Dienste der öffentlichen Hand, sondern für militärische Zwecke beschafft wurden und je nach Fahrzeugtyp aus Gründen der Verkehrssicherheit eine besondere Fahrerausbildung erfordern. Dies gilt auch für die bei den Bundeswehrkrankenhäusern stationierten Notarztwagen der Bundeswehr, die nicht zur generellen Verwendung für zivile Zwecke, sondern zur Versorgung von Soldaten bestimmt sind. Ich darf Sie auch darauf aufmerksam machen, daß die Organisation des Rettungswesens nicht Aufgabe der Bundeswehr ist. Mit ihren Notarztwagen unterstützt die Bundeswehr vielmehr den örtlichen zivilen Rettungsdienst aufgrund allgemeiner Verpflichtungen aus Gesichtspunkten der dringenden Nothilfe, soweit sie dazu aus technischen und personellen Gründen in der Lage ist. Die versicherungstechnische Schadensdeckung durch die zivile Seite beim Einsatz von fremden Fahrten ist dabei von nachgeordneter Bedeutung. Es ist nicht beabsichtigt, die geltenden bundeswehrinternen Regelungen zu erweitern und der Bundeswehr nicht angehörenden Zivilpersonen das Führen von Bundeswehrkraftfahrzeugen zu gestatten. Die Bundesregierung ist bemüht, die in einzelnen Fällen aufgetretenen personellen Engpässe bei der Besetzung der Notarztwagen mit Fahrern zu beheben, um dadurch einen noch umfangreicheren Einsatz der Notarztwagen auch für zivile Zwecke zu ermöglichen. Zwar bejahe auch ich das dringende öffentliche Interesse am Ausbau der Rettungsdienste, ich muß jedoch nochmals darauf 'hinweisen, daß das Rettungswesen nach dem verfassungsmäßigen Auftrag nicht Aufgabe der Bundeswehr ist. Es besteht auch an einem verstärkten Einsatz kein unmittelbares dienstliches Interesse ,der Bundeswehr, weil die bestehenden Sanitätseinrichtungen ausreichende Ausbildungsmöglichkeiten auf dem Gebiet des Rettungswesens für das vorhandene Sanitätspersonal gewährleisten. Anlage 23 Antwort des Parl. Staatssekretärs Berkhan vom 7. Juni 1973 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Handlos (CDU/CSU) (Drucksache 7/653 Frage A 73): Trifft es zu, daß von seiten des Bundesverteidigungsministeriums Anweisung erging, Angehörige der Bundeswehr, die sich anläßlich der Vorbereitung und Durchführung der 20. Olympischen Spiele in Kiel, München und den übrigen Austragungsorten besonders verdient gemacht haben, von seiten der Bundesregierung auszuzeichnen, und wenn ja, bis zu welchem Zeitpunkt kann damit gerechnet werden? Der Bundesminister der Verteidigung hat am 12. September 1972 allen Soldaten und zivilen Mitarbeitern für ihren Einsatz und die geleistete gute Arbeit während der Spiele in einem Tagesbefehl gedankt. Allen an der Vorbereitung und Durchführung Beteiligten wurde je nach Einsatzdauer ein Sonderurlaub von 2-5 Tagen gewährt. Darüber hinaus wird der Bundesminister der Verteidigung den Soldaten, Beamten und Arbeitnehmern, die sich bei der Vorbereitung, Durchführung und Abwicklung der Spiele der XX. Olympiade durch hervorragenden Einsatz besonders ausgezeichnet haben, voraussichtlich noch in diesem Monat im Ministerialblatt des Bundesministeriums der Verteidigung seine Anerkennung aussprechen. Neben diesen Anerkennungen war ursprünglich vorgesehen, dem Herrn Bundespräsidenten vorzuschlagen, auch einigen Soldaten, Beamten und Arbeitnehmern die Bundesverdienstmedaille bzw. den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland zu verleihen. Hiervon wurde nach Absprache mit dem Bundespräsidialamt aus Gründen der Einheitlichkeit Abstand genommen, weil andere an den Spielen beteiligte Ressorts eine solche Auszeichnung nicht in Erwägung gezogen hatten. Anlage 24 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hauff vom 6. Juni 1973 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Schmitt-Vockenhausen (SPD) (Drucksache 7/653 Frage A 95) : Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, daß die Deutsche Bundespost die Leerung der Briefkästen, die an Sonntagen fast nur noch vormittags erfolgt, auf die Nachmittags- bzw. Abendstunden verlegt, damit alle, die ihre Post an Sonntagen aufarbeiten oder Grüße versenden, auch die Gewähr haben, daß die Sendungen noch am Sonntag zur Beförderung kommen? Gegenwärtig ist die Leerung der Briefkästen an Sonn- und Feiertagen so geregelt, daß die eingelieferten Sendungen im allgemeinen am folgenden Werktag auch im Fernbereich zur Zustellung bzw. Abholung vorliegen. In größeren Orten wird 2264* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Juni 1973 darüber hinaus eine weitere Leerung in den Abendstunden durchgeführt. Die Sendungen aus dieser Leerung gelangen jedoch am folgenden Werktag nur noch im Nahbereich des Einlieferungsortes an die Empfänger. Die Bundesregierung sieht keine Möglichkeiten, die Leerung der Briefkästen an Sonn- und Feiertagen generell in die Nachmittags- bzw. Abendstunden zu verlegen, weil dann auch die überwiegende Zahl der Sendungen für den Fernbereich dort nicht am folgenden Werktag zur Zustellung oder Abholung vorliegen würde. Anlage 25 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hauff vom 8. Juni 1973 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Dollinger (CDU/CSU) (Drucksache 7/653 Frage A 96) : Ist die Antwort des Bundespostministeriums auf die Frage (Nr. 132, Drucksache 7/511) nach ordnungsgemäßer Behandlung und Zustellung von in der Bundesrepublik Deutschland aufgegebenen eingeschriebenen Briefen in die Sowjetunion — daß von fast 3 000 Sendungen von Januar 1972 bis Januar 1973 1 918 Sendungen reklamiert und schließlich in 53 Fällen Nachweis der Auslieferung erbracht worden sei - so zu verstehen, daß gem. Verfügung des Bundespostministeriums 115-5-2260-vom 7. Mai 1973 der Empfänger im Ausland nicht unterschriftlich quittiert haben muß, sondern ein entsprechender Postvermerk mit Tagesstempel ausreiche, obwohl doch auch im Bundespostministerium bekannt sein dürfte, daß die Mehrzahl der Adressaten in der Sowjetunion des Schreibens kundige Akademiker sind, gilt das neue Verfahren auch für andere Staaten außerhalb des Ostblocks, und denkt die Deutsche Bundespost vielleicht daran, dieses neue System auch in der Bundesrepublik Deutschland in bestimmten Fällen einzuführen? Die Verträge des Weltpostvereins enthalten keine eigenen Vorschriften über die Formalitäten bei der Aushändigung von Postsendungen und über die rechtsgültige Vollziehung von Rückscheinen. Hierfür sind dann nach Art. 24 der Satzung des Weltpostvereins allein die Inlandsregelungen jedes Bestimmungslandes maßgebend. Diesem Grundsatz entsprechend enthält das in der Vollzugsordnung zum Weltpostvertrag von Tokio verbindlich vorgeschriebene Formblattmuster unter anderem nachstehenden Vordruck, der in der deutschen Übersetzung folgendermaßen lautet: „Dieser Schein muß vom Empfänger oder von einer nach den Bestimmungen des Bestimmungslandes hierzu bevollmächtigten Person oder, wenn diese Bestimmungen es zulassen, vom Beamten des Bestimmungsamts unterzeichnet und mit nächster Post unmittelbar an den Absender zurückgesandt werden." Demzufolge sind aus dem Ausland zurückgelangende Rückscheine, die lediglich die Aushändigungsbescheinigung eines Postbeamten sowie den Stempelabdruck des ausländischen Bestimmungsamts, aber keine Unterschrift des Empfängers tragen, als ordnungsgemäß vollzogen anzusehen. Für eine Reklamation der fehlenden Unterschrift des Empfängers der Sendung besteht deshalb keine Rechtsgrundlage. Die in Ihrer Anfrage erwähnte Verfügung des Bundespostministeriums vom 7. Mai 1973 sollte den Dienststellen der Deutschen Bundespost lediglich diese seit Bestehen des Rückscheindienstes im internationalen Postverkehr unveränderte Regelung ins Gedächtnis zurückrufen. Bei der Vollziehung von Rückscheinen durch das Bestimmungspostamt einer fremden Postverwaltung handelt es sich zwar um ein von der derzeit geltenden deutschen Regelung abweichendes, aber keineswegs um ein neues oder nicht zulässiges Verfahren. Diese Art der Aushändigungsbescheinigung ist seit Jahrzehnten durch die Weltpostverträge zugelassen und wird auch außerhalb des Ostblocks angewandt. Die Deutsche Bundespost hat keinen Einfluß auf die Inlandsvorschriften fremder Postverwaltungen. Es steht ihr auch nicht zu, innerpostalische Vorschriften anderer Länder wenn sie den Bestimmungen des Weltpostvertrages entsprechen — zu beanstanden. Mit Recht könnte eine fremde Postverwaltung eine derartige Beanstandung als unzulässige Einmischung in ihre Angelegenheiten und als unberechtigte Kritik an der Arbeitsweise ihrer Dienststellen ansehen. Im übrigen denkt die Deutsche Bundespost keineswegs daran, in Zukunft in ihrem Bereich die Empfangsbestätigung auf Rückscheinen durch Postbedienstete vollziehen zu lassen. Anlage 26 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hauff vom 8. Juni 1973 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Graf Lambsdorff (FDP) (Drucksache 7/653 Frage A 97) : Wie beurteilt die Bundesregierung das Verhalten der Postreklame GmbH, die eine Werbung der Kreditwirtschaft daan, nicht zuläßt, wenn damit posteigene Wettbewerbszweige umnittelbar betroffen werden, und welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu unternehmen, um diesen Mißstand zu beseiligen? Es entspricht den als selbstverständlich und berechtigt anerkannten Gepflogenheiten des Wirtschaftslebens, Konkurrenzwerbung im eigenen Unternehmensbereich nicht zuzulassen. Es sind keine Gründe erkennbar, dies der öffentlichen Hand zu verwehren. Die Deutsche Bundespost steht, was ihr Dienstleistungsangebot im Scheck- und Sparkassendienst angeht, mit dem Kreditgewerbe im Wettbewerb. Daher erscheint es notwendig, daß sie sich gegen die Werbung der Kreditwirtschaft abschirmt, soweit für Dienstleistungen geworben wird, die sie selbst anbietet. Die Konkurrenzlage ist die gleiche wie zwischen den einzelnen Kreditinstituten untereinander. Postscheck- und Postsparkassendienst sind voll integrierte Bestandteile der Deutschen Bundespost, die als Bundesverwaltung organisatorisch und wirtschaftlich eine Einheit darstellt. Jede wirtschaftliche Beeinträchtigung einzelner Dienstleistungsbereiche beenträchtigt die Deutsche Bundespost als Gesamtheit. Die Deutsche Bundespost ist insofern nicht etwa gleichzusetzen mit den gegenüber den rechtlich selbständigen Sparkassen als Gewährsträger fungierenden Gebietskörperschaften. In einem jüngst beim Bundeskartellamt vom Deutschen Sparkassen- und Giroverband gegen die Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Juni 1973 2265* Deutsche Postreklame angestrengten Verfahren wegen angeblich unzulässiger Wettbewerbsbeschränkungen in Fernsprechhäuschen hat auch das Bundeskartellamt in den bestehenden Einschränkungen keinen Verstoß gegen das Kartellgesetz gesehen. Die Deutsche Bundespost hat im übrigen Mitte Mai d. J. in einem Spitzengespräch mit der Kreditwirtschaft ihre Bereitschaft erklärt, Gespräche über die bestehenden Wettbewerbsbedingungen zu führen. Anlage 27 Anwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hauff vom 8. Juni 1973 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Hoffie (FDP) (Drucksache 7/653 Frage A 99) : Welche Gründe — außer historischen — sprechen dafür, daß bei der Deutschen Bundespost zwei Postsparkassenämter, nämlich München und Hamburg, eingerichtet sind, und würde die Bundesregierung in der Zusammenlegung beider Ämter einen Rationalisierungseffekt sehen und wenn ja, wann wäre mit einer entsprechenden Maßnahme zu rechnen? Die Frage der Zusammenlegung der beiden Postsparkassenämter wurde wiederholt geprüft. Eine Zusammenlegung ist theoretisch denkbar, hätte jedoch keinen erheblichen Rationalisierungseffekt, weil nur geringe Personaleinsparungen zu erwarten sind. Dagegen sind die Risiken einer Zusammenlegung beträchtlich. So dürfte nur der geringste Teil der Kräfte des aufzulösenden Amtes mit einer Beschäftigung an einem anderen Ort einverstanden sein, der zusätzliche Personalbedarf müßte am Ort der Zusammenlegung gedeckt werden. Bei der derzeitigen Arbeitsmarktlage erscheint dies kurzfristig unmöglich. Die Überleitung müßte daher als längerfristiger, sich über mehrere Jahre erstreckender Vorgang durchgeführt werden. Auch dann bleibt die Unsicherheit groß, ob die benötigten Kräfte gewonnen werden können. Sollte das nicht gelingen, müßte das Amt wieder aufgeteilt werden, was kaum ohne betriebliche Störungen möglich wäre. Für die Zeit der Überleitung, die zusätzliche Kosten verursachen würde, sind betriebliche Schwierigkeiten nicht auszuschließen, die zeitweilig den geordneten Betriebsablauf gefährden und den Kundendienst beeinträchtigen können. Insgesamt gesehen sind die Nachteile und. Risiken einer Zusammenlegung der Postsparkassenämter schwerwiegender als die nur auf längere Sicht zu erwartenden wirtschaftlichen Vorteile. Die Bundesregierung sieht deshalb von einer Zusammenlegung der beiden Postsparkassenämter ab. Anlage 28 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hauff vom 8. Juni 1973 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Hoffie (FDP) (Drucksache 7/653 Frage A 100) : Ist die Bundesregierung der Meinung, daß die heutige Vielzahl von Oberpostdirektionen noch sinnvoll ist, und hält es die Bundesregierung in diesem Zusammenhang für vertrelbar, daß es Oberpostdirektionen mit komplett ausgestatteten Fernmeldeabteilungen gibt, die nur ein einziges Fernmeldeamt betreuen? Gestützt auf zahlreiche Gutachten ist die Bundesregierung der Auffassung, daß die Effektivität der regionalen Verwaltungseinheit mit ihrer Größe zunimmt. Ein Vergleich der gegenwärtigen Oberpostdirektionen zeigt, daß die größten Einheiten am wirtschaftlichsten arbeiten. Kleine und kleinste Oberpostdirektionen arbeiten bedeutend unwirtschaftlicher und verhindern deshalb ein möglichst rationelles Betriebsergebnis. Zu den zahlreichen Vorhaben der Deutschen Bundespost zur Verbesserung der Struktur gehört deshalb auch der Plan, die Oberpostdirektionen regional neu zu gliedern. Die gegenwärtig laufenden Planungen haben Vorschläge zur Schaffung möglichst leistungsstarker und leistungsgleicher Einheiten im regionalen Bereich zum Ziel. Die vorgesehene Neuordnung wird deshalb aller Voraussicht nach zu einer Verringerung der Zahl der Oberpostdirektionen führen und damit auch den Zustand beseitigen, daß eine Direktion nur ein einzelnes Fernmeldeamt betreut. Anlage 29 Antwort des Parl. Staatssekretärs Zander vorn 8. Juni 1973 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Wagner (Trier) (CDU/CSU) (Drucksache 7/653 Fragen A 101 und 102) : Verfügt die Bundesregierung über Unterlagen, aus denen sich einerseits die Entwicklung der Haushaltsmittel für die medizinischen Fakultäten in den letzten zehn Jahren und andererseits die Entwicklung der Zahl der Studienplätze für die Medizinstudenten in den letzten zehn Jahren ergibt? wird durch diese Unterlagen der weithin bestellende Eindruck bestätigt, daß die Erhöhung der Zahl der Studienplätze - auch unter Berücksichtigung der gestiegenen Kosten in einem krassen Mißverhältnis zum Ansteigen der Haushaltsmittel steht? Zu Frage A 101: Die Bundesregierung verfügt nicht über eigene Unterlagen, aus denen sich clïe Entwicklung der Haushaltsmittel für die medizinischen Fakultäten ergibt; in der amtlichen Finanzstatistik sind nur die Ausgaben für Hochschulkliniken gesondert ausgewiesen. Nach einer Schätzung des Statistischen Bundesamtes haben sich die Ausgaben für die medizinischen Fakultäten insgesamt wie folgt entwickelt: Ausgaben in Milliarden DM Jahr Per- sonst. Investitionen Gesamt Anteil sonal lfd. (Sp. 2-4) Kliniken 1 2 3 4 5 6 1963 0,4 0,3 0,2 0,9 . 1967 . . 1,8 1,4 1969 1,2 0,6 0,6 2,4 1,7 1970 2,8 2,0 1971 . 3,7 2,6 2266* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Juni 1973 Die Entwicklung der Zahl der Studienplätze in der Medizin läßt sich bisher nur indirekt über das Ansteigen der Studentenzahlen verfolgen, da noch kein einheitliches Verfahren zur Kapazitätsfeststellung vorliegt. Der Planungsausschuß für den Hochschulbau erarbeitet z. Z. Flächenrichtwerte für den Bereich der Klinischen Medizin. Bis dahin behilft sich auch die Rahmenplanung mit der wenig befriedigenden Annahme der Identität von Studenten- und Studienplatzzahl. Die Zahl der Studenten, die wegen der steigenden Zahl der Fachwechsler jedenfalls eine bessere Annäherung an die Kapazitäten der Hochschulen darstellt als die Zahl der erstimmatrikulierten Studienanfänger oder der Zulassungen, ist wie folgt gestiegen: Jahr Zahl Mehr der Studenten gegenüber 1963 1963 27 479 . 1971 rund 32 000 16 °/o 1972 rund 36 200 32 °/o Die Zahl der Zulassungen zum Studium der Allgemeinen Medizin hat sich nach den Statistiken der Zentralen Registrierstelle wie folgt entwickelt: Jahr Zulassungen zum Medizinstudium 1) Allg. Zahnmedizin Insgesamt Medizin 1965 5 308 1 085 6 393 1966 5 781 1 152 6 933 1967 1968 6 423 1 576 7 999 Kurzschul jahre 1969 4 457 971 5 428 1970 4 627 1 012 5 639 1971 5 128 1 066 6 194 1972 5 607 997 6 604 1) 1965 und 1966 jeweils Sommersemester und folgendes Wintersemester, 1967 und 1968 wegen Schuljahresumstellung Sommersemester 1967, Wintersemester 1967/68, Sommersemester 1968, ab 1969 Wintersemester und folgendes Sommersemester. Diese Zulassungszahlen enthalten die Erstimmatrikulationen und Fachwechsler. Die tatsächliche Studienanfängerzahl im Fach Medizin weicht davon jedoch ab, weil einerseits nicht alle Zugelassenen mit dem Studium beginnen und andererseits die Hochschulen unabhängig von der Zentralen Registrierstelle ausländische Studienanfänger und Härtefälle (etwa 10 %) zulassen. Zu Frage A 102: Die genannten Zahlen vermitteln den Eindruck, daß bei dem erheblichen Anstieg der Haushaltsmittel für die medizinischen Fakultäten die Ausbildungskapazität stärker zugenommen haben müßte als die Studentenzahl. Allerdings muß bei einem Vergleich der Entwicklung der Ausgaben einerseits und der Studentenzahlen andererseits berücksichtigt werden, daß ein erheblicher Teil der Ausgaben auf die Hochschulkliniken und damit auch auf die Verbesserung der Krankenversorgung entfällt und daß insbesondere ein großer Teil der Investitionsausgaben im Bereich der Medizin für Ersatz oder die Sanierung überalterter Gebäude aufgewandt werden mußte. Die Bundesregierung ist jedoch in der Tat der Auffassung, daß im Verlauf der weiteren Rahmenplanung für den Hochschulbau die Arbeiten an einer neuen Bedarfsschätzung für Mediziner und zur Ermittlung der Ausbildungskapazität in der Medizin mit Vorrang vorangetrieben und die Zulassungszahlen entsprechend dem Entwurf des Bildungsgesamt-plans festgesetzt werden müssen. Anlage 30 Antwort des Parl. Staatssekretärs Zander vom 8. Juni 1973 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Müller (München) (CDU/CSU) (Drucksache 7/653 Fragen A 103 und 104) : Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß das in der Zeitschrift „Analysen" der Bundesanstalt für Arbeit skizzierte Ausbildungs- und Berufsbild des Sportlehrers zutrifft? Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um gemäß ihrer Aussage im „Sportbericht der Bundesregierng" (Drucksache VI/1122) und im „Bildungsplan" (Drucksache VI/92.5) im Rahmen von Bund- und Ländervereinbarungen Modelle für Ausbildungs-, Studien- und Prüfungsordnungen für Sportlehrer zu entwickeln, und wie stellt sich die Bundesregierung die Lösung der von ihr im Sportbericht" (Drucksache V1/1122) aufgezeigten Probleme im Zusammenhang mit der Aus- und Fortbildung, aber auch der vollen Integration in die Lehrerlaufbahn der Sportlehrer vor, die keine Staatsprüfung für das Lehramt an einer Schule abgelegt haben? Zu Frage A 103: Der in der Anfrage zitierte Artikel in der Zeitschrift „Analysen" (1973, Heft 3, S. 14 ff.) ist ein Beitrag zu der augenblicklichen Diskussion über die inhaltliche Neubestimmung des Schulsports. Die Bundesregierung vertritt die Auffassung, daß durch die Einbeziehung gesellschaftsbezogener Lernziele der Gegensatz zwischen lebenslanger Befähigung zu Freude bzw. Interesse an selbstbestimmtem Sport und der einseitigen Betonung des Leistungssports überwunden wird. Beide Prinzipien bedingen einander und müssen in den Lehrplänen der Schulen und in den Studiengängen für Sportlehrer gleichrangig berücksichtigt werden. Zu Frage A 104: Die Bundesregierung geht bei ihren Überlegungen zur Aus-, Fort- und Weiterbildung von Sportlehrern Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Juni 1973 2267* — ebenso wie bei den anderen Lehrergruppen — von dem in der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung entwickelten Stufenlehrerkonzept aus. den Ländern sind während der letzten 10 Jahre — bedingt durch den Lehrermangel — Sportlehrkräfte mit sehr unterschiedlicher Vor- und Ausbildung eingestellt worden. Darüber hinaus gibt es in den einzelnen Ländern unterschiedliche Kriterien für die Übernahme der Lehrer zur Erteilung von Sportunterricht in den Schulen. Diese doppelte Zersplitterung erschwert konkrete Maßnahmen zur Aus-, Weiter- und Fortbildung im Rahmen von Modellversuchen, weil für eine Förderung durch den Bund u. a. die überregionale Bedeutung der Versuche Voraussetzung ist. Trotz dieser Schwierigkeiten hat sich die Bundesregierung erfolgreich bemüht, in den Beratungen zum Aktionsprogramm für den Schulsport, in den zuständigen Fachausschüssen der Deutschen Sportkonferenz und in zweiseitigen Verhandlungen mit einzelnen Ländern Maßnahmen in Gang zu setzen, welche eine Veränderung der bisherigen unbefriedigenden Lage zur Folge haben werden. So prüft z. B. das Land Nordrhein-Westfalen im Benehmen mit dem Bund die fachlichen und rechtlichen Voraussetzungen, unter denen Diplom-Sportlehrern, die keine Staatsprüfung für das Lehramt an einer Schule absolviert haben, ein berufsbegleitendes Ergänzungsstudium angeboten werden kann. Dabei ist an einen Fernstudienlehrgang im Medienverbund gedacht, durch den eine Integration des Diplom-Sportlehrers in die entsprechende Lehrerlaufbahn erreicht wird. Der Bund ist bereit, auch für die anderen Sportlehrergruppen ähnliche Vorhaben zu fördern, sofern die Länder entsprechende Anträge stellen. Anlage 31 Antwort des Parl. Staatssekretärs Moersch vom 8. Juni 1973 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Slotta (SPD) (Drucksache 7/653 Frage A 109) : Wann werden die, wie es im „Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über kulturelle Zusammenarbeit" in Artikel 17 heißt, „erforderlichen innerstaatlichen Voraussetzungen" in der Bundesrepublik Deutschland erfüllt sein, und wann rechnet die Bundesregierung mit dem Inkrafttreten des Kulturabkommens mit der UdSSR? Gemäß der Lindauer Absprache vom 14. November 1957 zwischen Bund und Ländern soll insbesondere bei Kulturabkommen das Einverständnis der Länder herbeigeführt werden. Es soll vorliegen bevor die Verpflichtung völkerrechtlich verbindlich wird. Die Ständige Vertragskommission der Länder hat sich in einer Sitzung am 3. Mai d. J. mit dem deutschsowjetischen Kulturabkommen befaßt und danach den Bundesländern empfohlen, dem Abkommen zuzustimmen. Die Bundesländer dürften im Laufe der nächsten 4-6 Wochen zustimmen. Sobald dies geschehen ist, wird der sowjetischen Seite mitgeteilt werden, daß die innerstaatlichen Voraussetzungen auf deutscher Seite vorliegen. Die sowjetische Seite wird entsprechend mitteilen, sobald auch dort die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind. Sobald diese Mitteilungen ausgetauscht sind, bzw. sobald die letzte diesbezügliche Mitteilung vorliegt, tritt das Abkommen in Kraft. Anlage 32 Antwort des Parl. Staatssekretärs Moersch vom 8. Juni 1973 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Nordlohne (CDU/CSU) (Drucksache 7/653 Frage A 111) : Wird sich die Bundesregierung entsprechend dem Ersuchen der Hilfsgemeinschaft „Freiheit für Rudolf Hess" e. V. vom 16. Mai 1973 bei der Europäischen Menschenrechtskommission in Straßburg für eine Entlassung des nunmehr achtzigjährigen ehemaligen Reichsministers Rudolf Hess aus der inzwischen 32 Jahre andauernden Inhaftierung in der Haftanstalt Berlin-Spandau einsetzen? Die Bundesregierung sieht sich nicht in der Lage, den gegen Großbritannien gerichteten Antrag der Hilfsgemeinschaft „Freiheit für Rudolf Hess" e. V. vom 27. April 1973 zu unterstützen. Die Europäische Kommission für Menschenrechte hat den Antrag auf Freilassung von Rudolf Hess bereits am 30. Mai 1973 wegen fehlender Aktivlegitimation der Hilfsgemeinschaft abgelehnt. Nach Artikel 25 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten können nämlich Anträge nur von Personen oder Organisationen gestellt werden, deren eigene Rechte verletzt wurden. Anlage 33 Antwort des Parl. Staatssekretärs Moersch vom 8. Juni 1973 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Tillmann (CDU/CSU) (Drucksache 7/653 Frage A 116) : Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um gemäß Artikel 9 des Kulturabkommens mit der UdSSR die „Zusammenarbeit und den Austausch auf dem Gebiet des Sports und der Leibesübungen zu ermutigen"? Die Bundesregierung hat ganz allgemein den Meinungsaustausch mit dem DSB gerade auch in Fragen des Sportaustauschs mit osteuropäischen Staaten in letzter Zeit erheblich intensiviert und wird in diesem Rahmen bemüht sein, den Ausbau des Sportaustausches mit der Sowjetunion zu fördern. Mit der Verdoppelung der Mittel des Auswärtigen Amtes zur Förderung von Sportkontakten mit der UdSSR und den anderen osteuropäischen Ländern wurde bereits im Haushalt 1973 die finanzielle Grundlage für eine Erweiterung der Sportkontakte auch über den vom Bundesministerium des Innern geförderten Hochleistungssport hinaus geschaffen. Damit sind von deutscher Seite die Voraussetzungen für die Verstärkung des Sportaustausches mit der UdSSR wesentlich verbessert worden. 2268* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Juni 1973 Anlage 34 Antwort des Parl. Staatssekretärs Moersch vom 6. Juni 1973 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Evers (CDU/CSU) (Drucksache 7/653 Frage A 117 und 118) : Kann die Bundesregierung Pressemeldungen widerlegen, wonach die Sowjetunion angedeutet hat, daß sie bei Sportwettkämpfen mit Auswahlmannschaften der Fachverbände des Deutschen Sportbundes, zu denen auch Teilnehmer aus West-Berlin gehören, die Bezeichnung „Bundesrepublik Deutschland/WestBerlin" durchsetzen will? Liegen der Bundesregierung Meldungen vor, wonach für die Sowjetunion die Zugehörigkeit von Westberliner Sportlern zu den Sportorganisationen der Bundesrepublik umstritten ist, und wie läßt sich diese Haltung gegebenenfalls mit dem Moskauei Vertrag und dem Berlin-Abkommen vereinbaren? Zu Frage A 117: Anläßlich des Leichtathletik-Länderkampfes zwischen der UdSSR und der Bundesrepublik Deutschland am 9. und 10. Juni 1972 in Moskau (Zehnkampf der Männer und Fünfkampf der Frauen) äußerte ein Vertreter des Komitees für Körperkultur und Sport beim Ministerrat der UdSSR gegenüber dem damaligen Sportwart des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, Herrn Fallak, es bestünden grundsätzlich keine Bedenken, daß Westberliner Sportler in der Mannschaft der Bundesrepublik Deutschland an Länderkämpfen mit der Sowjetunion teilnehmen; die UdSSR lege jedoch Wert darauf, daß bei künftigen sportlichen Begegnungen die Mannschaft in solchen Fällen als „Bundesrepublik Deutschland/West-Berlin" bezeichnet werde. Darüber hinaus sind der Bundesregierung keine Erklärungen der sowjetischen Seite zu dem Thema Ihrer Fragen bekannt. Die Bundesregierung hat bereits in ihrer Antwort auf die Frage des Kollegen Cantzler vom 11. August 1972 darauf hingewiesen, daß Berlin (West) nicht in der Bezeichnung erscheinen darf, wenn Westberliner gemeinsam mit Teilnehmern aus der Bundesrepublik Deutschland am internationalen Austausch teilnehmen. Darüber hinaus sind der Bundesregierung keine Erklärungen der sowjetischen Seite in dem in Ihrer Frage genannten Sinn bekannt. Zu Frage 118: Der Bundesregierung ist bekannt, daß am Rande der Olympischen Spiele in München im September vergangenen Jahres zwischen Mitgliedern des Präsidiums des Deutschen Sportbundes und Vertretern des sowjetischen Komitees für Körperkultur und Sport Gespräche über eine Intensivierung des bilateralen Sportverkehrs stattgefunden haben. Dabei haben die sowjetischen Vertreter zum Ausdruck gebracht, daß Sportler aus Berlin (West) in den bilateralen Sportverkehr nicht einbezogen werden könnten. Eine solche Auffassung ist mit dem ViermächteAbkommen über Berlin vom 3. September 1971 nicht vereinbar, das eine Teilnahme von Westberlinern gemeinsam mit Teilnehmern aus der Bundesrepublik Deutschland am internationalen Austausch ausdrücklich gestattet. Die Bundesregierung wird eine Diskriminierung von Westberliner Sportlern nicht hinnehmen und den Deutschen Sportbund in seiner Haltung unterstützen, daß Berlin (West) in den Sportverkehr mit der Sowjetunion einbezogen werden muß. Im übrigen ist der Bundesregierung nicht bekannt, daß die sowjetische Seite aus ihrer oben wiedergegebenen Äußerung Konsequenzen gezogen hat. Anlage 35 Antwort des Parl. Staatssekretärs Moersch vom 8. Juni 1973 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Klein (Stollberg) (CDU/CSU) (Drucksache 7/653 Fragen A 119 und 120) : Sieht die Bundesregierung die Verhaftung des Bonner Professors Dr. D. Tsatsos als fühlbare Belastung für das deutschgriechische Verhältnis an? Welche konkreten Schritte hat die Bundesregierung bislang unternommen oder beabsichtigt sie, um die Freilassung von Professor Tsatsos zu erwirken, und insbesondere inwieweit ist die Bundesregierung bereit, einen Zusammenhang herzustellen zur geplanten Reise des Bundesaußenministers nach Griechenland, um die Chancen einer Freilassung von Professor Tsatsos zu verbessern? Die Bundesregierung hat in der Fragestunde vom 11. Mai 1973 bereits ihrer Besorgnis über die Verhaftung von Professor Tsatsos Ausdruck gegeben. Seitdem sind keine neuen und für den Fall relevanten Tatsachen bekanntgeworden. Ich beziehe mich deshalb auf meine damalige Antwort. Ich darf noch einmal in Erinnerung rufen, daß es sich bei Prof. Tsatsos um einen griechischen Staatsangehörigen handelt und daß deshalb die Möglichkeiten der Bundesregierung sehr begrenzt sind. Die Bundesregierung muß bei allen Schritten dem völkerrechtlichen Grundsatz der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten fremder Staaten Rechnung tragen. Zu Ihrer Frage 2 ist zu sagen, daß es weder im Interesse der deutsch-griechischen Beziehungen noch im Interesse des verhafteten Prof. Tsatsos ist, im einzelnen darzulegen, auf welche Weise die Bundesregierung sich um eine Klärung der Angelegenheit bemüht. Ich darf Ihnen jedoch versichern, daß diese Bemühungen im Rahmen des völkerrechtlich Möglichen auch künftig fortgesetzt werden. Anlage 36 Antwort des Bundesministers Genscher vom 7. Juni 1973 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Müller-Emmert (SPD) (Drucksache 7/653 Fragen B 1 und 2) : Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, bei künftigen Änderungen des Grundgesetzes (z. B. für den Umweltschutz) auch das Recht der Bürger auf Sport ausdrücklich in das Grundgesetz aufzunehmen? Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß Spiel und Sport in unserer Gesellschaft wichtige Lebensnotwendigkeiten sind und somit der Staat insgesamt die Verpflichtung hat, hierfür die erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen? Zu Frage B 1: Der Herr Bundeskanzler hat am 18. Januar 1973 in der Regierungserklärung vor dem Deutschen Bundestag u. a. ausgeführt: „Die Menschen insgesamt haben ein elementares Recht auf eine menschenwürdige Umwelt, dem Verfassungsrang zukommen sollte." Die Überlegungen darüber, mit welchem Inhalt dieses Recht im Grundgesetz verankert werden sollte, sind innerhalb der Bundesregierung noch nicht abgeschlossen. Als sicher darf jedoch gelten, daß jede Regelung, die dem Recht des Bürgers auf eine menschenwürdige Umwelt angemessenen verfassungsrechtlichen Ausdruck verleiht, auch dem Sport und dem an sportlicher Betätigung interessierten Bürger zugute kommen wird. Eine solche Vorschrift würde nämlich in Verbindung mit den die Verfassung insoweit aktualisierenden Umweltschutzmaßnahmen der staatlichen Organe sicherstellen, daß der gesundheitsfördernde und gesundheitserhaltende Beitrag des Sports nicht durch Umweltbedingungen wieder in Frage gestellt wird, die der Gesundheit des Menschen abträglich sind. Im übrigen schließt das durch Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes gewährleistete Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit das Recht des einzelnen auf individuelle sportliche Betätigung ein. Die Vereinigungsfreiheit des Art. 9 Abs. 1 des Grundgesetzes schützt darüber hinaus das Recht jedes Staatsbürgers, in Gemeinschaft mit anderen Vereinigungen zu bilden, bestehenden Zusammenschlüssen beizutreten und sich vereinsmäßig zu betätigen. Mit diesen Grundrechtsgarantien erscheint das Recht des Bürgers auf Sport von Verfassungs wegen sowohl in individueller als auch in kooperativer Hinsicht gesichert. Zu Frage B 2: Die Bundesregierung teilt die Auffassung, daß Spiel und Sport in unserer Gesellschaft wichtige Lebensnotwendigkeiten sind. Immer mehr setzt sich die Erkenntnis durch, daß insbesondere die spielerischen Elemente des Sports im Rahmen des Freizeitsystems einer hochtechnisierten Gesellschaft große Bedeutung haben. Sport und Spiel dienen der physischen und psychischen Gesundheit sowie der geistigen Entfaltung. Sie vermitteln die Freude an der Bewegung und Geselligkeit und sind ein hervorragendes Mittel aktiver Erholung. Dieser Auffassung der Bundesregierung entspricht es, daß es die öffentliche Hand schon bisher als ihre Aufgabe angesehen hat, die erforderlichen Voraussetzungen für Spiel und Sport zu schaffen. Für erforderlich werden solche Maßnahmen gehalten, die von den auf dem Gebiet des Spiels und Sports tätigen privaten Organisationen nicht selbst getroffen oder finanziert werden können. Dies gilt in erster Linie für die Finanzierung des Baus von Spiel-, Sport- und Freizeitanlagen. Die finanzielle Förderung der öffentlichen Hand ist hier eine Form staatlicher Daseinsvorsorge. Anlage 37 Antwort des Bundesministers Genscher vom 7. Juni 1973 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Evers (CDU/CSU) (Drucksache 7/653 Frage B 3) : Teilt die Bundesregierung meine Auffassung, daß es einem demokratischen und dem Bürger gegenüber aufgeschlossenen Verwaltungsstil entspricht, wenn Schreiben der Bundesministerien an Bürger nicht mit einem Beglaubigungsvermerk versehen, sondern mit der Originalunterschrift des verantwortlich zeichnenden Beamten dem Empfänger zugeleitet werden? Die Bundesregierung ist nicht der Auffassung, daß die Beglaubigung der Unterschrift auf den Reinschriften einem demokratischen und dem Bürger gegenüber aufgeschlossenen Verwaltungsstil nicht entspreche. Die Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien — Allgemeiner Teil — schreibt in § 46 vor, daß die Unterschrift auf den Reinschriften regelmäßig zu beglaubigen ist. Diese Regelung ist getroffen worden, um den Geschäftsgang innerhalb der Ministerien zu erleichtern und die Absendung der Antworten zu beschleunigen. Die Beglaubigung der Reinschriften hat einen rationellen und kostensparenden Zweck, vergleichbar etwa mit dem Telegrammstil, bei dem im Interesse der Gebührenersparnis bestimmte Wendungen entfallen. In einfachen Fällen werden im übrigen Entwurf und Reinschrift gleichzeitig gefertigt. Hier ist es üblich, daß die Schlußzeichnung handschriftlich erfolgt. Darüber hinaus wird in vielen Fällen eine handschriftliche Unterzeichnung angeordnet. Der gesamte Komplex wird im Zuge einer von mir eingeleiteten Überprüfung der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien neu überdacht. Anlage 38 Antwort des Bundesministers Genscher vom 7. Juni 1973 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Oetting (SPD) (Drucksache 7/653 Frage B 5) : Welche Konsequenzen will die Bundesregierung aus der Erkenntnis ziehen, daß die BGS-Beamten gegenüber allen anderen Beschäftigten im öffentlichen Dienst, auch den Soldaten, dadurch bevorzugt sind, daß sie beim Ausscheiden selbst dann ihre Abfindungssummen erhalten, wenn sie wiederum eine Position im öffentlichen Dienst annehmen? Ich gehe davon aus, daß Ihre Frage sich auf die den Polizeivollzugsbeamten im Bundesgrenzschutz auf Widerruf nach dem Bundespolizeibeamtengesetz (BPolBG) gewährte Übergangsversorgung bezieht. Diese besteht aus den Übergangsgebührnissen und der Übergangsbeihilfe (§§ 17, 18 BPolBG) und entspricht hinsichtlich der Voraussetzungen und der Höhe der Leistungen insoweit im wesentlichen der Dienstzeitversorgung, die auch den Soldaten auf 2270' Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Juni 1973 Zeit gewährt wird. Die Übergangsversorgung der Polizeivollzugsbeamten und Soldaten trägt den Eigenarten der Rechtsverhältnisse dieser Personen Rechnung. Ihr Dienstverhältnis wird von vornherein nur auf eine begrenzte Zeit (bis zu 12 Jahren bzw. 15 Jahren bei Soldaten auf Zeit) begründet. Danach müssen sie in der Regel in einen anderen Beruf übertreten. Der Erleichterung des Übergangs in den späteren Beruf dienen die erwähnten Leistungen. Ein Bedürfnis, gleiche Leistungen auch beim Ausscheiden anderer Beamten vorzusehen, deren Beamtenverhältnis in der Regel auf Lebenszeit ausgerichtet ist, wird nicht gesehen. Treten die Polizeivollzugsbeamten im BGS auf Widerruf nach dem Ausscheiden aus dem BGS in eine neue Verwendung im öffentlichen Dienst über, so werden die Übergangsgebührnisse neben den neuen Dienstbezügen nur bis zum Erreichen einer bestimmten Höchstgrenze gezahlt (§ 17 Abs. 5, § 27 a BPolBG); die Übergangsbeihilfe wird unter bestimmten Voraussetzungen um 25 v. H. gekürzt (§ 18 Abs. 3 BPolBG). Gleiche Regelungen gelten grundsätzlich auch für Soldaten auf Zeit. Eine ungerechtfertigte Bevorzugung der BGS-Beamten gegenüber anderen Angehörigen des öffentlichen Dienstes liegt wegen der besonderen Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses dieser Beamten daher nicht vor. Anlage 39 Antwort des Bundesministers Genscher vom 7. Juni 1973 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Kunz (Weiden) (CDU/CSU) (Drucksache 7/653 Frage B 6) : Ist die Bundesregierung in der Lage, dafür Sorge zu tragen, daß fünf Monate nach Inkrafttreten des Waffengesetzes vom 19. September 1972 den zuständigen Behörden endlich die vorgeschriebenen Vordrucke für Waffenbesitzkarten und Munitionserwerbscheine zur Verfügung gestellt werden, damit die unerträgliche Beeinträchtigung der Sportschützen, Jäger und Waffengeschäfte beendigt wird, und ist die Bundesregierung gegebenenfalls bereit, den zuständigen Behörden die Ausstellung vorläufiger Waffenbesitzkarten und Munitionserwerbscheine zu gestatten? Der Deutsche Bundestag hat das neue Waffengesetz aus Gründen der inneren Sicherheit verhältnismäßig kurzfristig nach seiner Verabschiedung in Kraft gesetzt. Aus diesem Grunde war es nicht möglich, alle erforderlichen Durchführungsvorschriften bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes (1. Januar 1973) zu erlassen. Die für die Anwendung des Gesetzes unbedingt notwendigen Rechtsverordnungen — es handelt sich um die Erste Verordnung zum Waffengesetz vom 19. Dezember 1972 und die Zweite Verordnung zum Waffengesetz vom 20. Dezember 1972 — ,sind jedoch zusammen mit dem Gesetz in Kraft getreten. Darüber hinaus lagen die Entwürfe für die allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die auch die Muster für die amtlichen Vordrucke für die Waffenbesitzkarte, den Munitionserwerbsschein und den Waffenschein enthielten, bereits vor dem 1. Januar 1973 vor. Der Bundesminister des Innern und der Bundesminister für Wirtschaft haben diese Entwürfe im Dezember 1972 den obersten Landesbehörden mit der Bitte übersandt, ihre nachgeordneten Behörden anzuweisen, vorläufig danach zu verfahren. Die für den Vollzug des Gesetzes zuständigen Landesbehörden waren deshalb auf Grund dieser Entwürfe seit Anfang dieses Jahres imstande, waffenrechtliche Erlaubnisse auszustellen. Soweit mir bekannt, ist dies in dringenden Fällen auch geschehen. Die allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Waffengesetz ist nunmehr am 29. Mai 1973 in der Beilage zum Bundesanzeiger Nr. 100 veröffentlicht worden. Mit der Herstellung der amtlichen Vordrucke konnte erst nach der am 13. April 1973 erfolgten Zustimmung des Bundesrates zu der allgemeinen Verwaltungsvorschrift begonnen werden. Die Bundesdruckerei hat die Vordrucke inzwischen fertiggestellt und liefert diese seit etwa zwei Wochen in der Reihenfolge der eingegangenen Bestellungen an die zuständigen Behörden aus. Von den 750 000 bestellten Vordrucken sind ungefähr 50 % an die Besteller versandt worden. Die Auslieferung der zweiten Hälfte soll nach Mitteilung der Bundesdruckerei noch vor Pfingsten abgeschlossen werden. Damit hat die Bundesregierung das Ihre getan, um die Landesbehörden in die Lage zu versetzen, die beantragten waffenrechtlichen Erlaubnisse möglichst rasch zu erteilen. Diejenigen Waffenbesitzer, die ihre Waffen innerhalb der vom Gesetz (§ 59 Abs. 1) bestimmten Frist von sechs Monaten, d. h. bis zum 30. Juni 1973, anmelden, brauchen nicht zu befürchten, wegen illegalen Waffenbesitzes zur Verantwortung gezogen zu werden. Das Gesetz stellt allein auf die Anmeldung ab. Ich werde die Länder in einem Rundschreiben auf diese Rechtslage hinweisen. Anlage 40 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Bayerl vom 6. Juni 1973 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Stahl (Kempen) (SPD) (Drucksache 7/653 Frage B 7) : Ist die Bundesregierung bereit, noch vor der langfristig anstehenden europäischen Regelung eine Änderung des § 89 Abs. 3 Satz 1 des Handelsgesetzbuchs, der die Entschädigung für „sogenannte" Handels- und Versicherungsvertreter regelt, wegen der auch von der Bundesregierung zugegebenen Mißstände (siehe Stenographischer Bericht der 34. Sitzung S. 1891) vorzunehmen? Wie ich bereits am 18. Mai 1973 bei der Beantwortung Ihrer früheren Anfrage zum Ausdruck gebracht habe, hält es die Bundesregierung nicht für zweckmäßig, die von Ihnen angesprochene Einzelfrage isoliert und ohne Zusammenhang mit der im Rahmen einer europäischen Harmonisierung anstehenden Überarbeitung des deutschen Handelsvertreterrechts neu zu regeln. Auch nach nochmaliger Überprüfung hält die Bundesregierung an dieser Auffassung fest. Ich bin im übrigen nicht der Meinung, daß im Zusammenhang mit dem geltenden Recht schon von Mißständen gesprochen werden kann, ,die ein sofor- Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Juni 1973 2271* tiges Eingreifen des Gesetzgebers erforderlich machten. Den unbestreitbaren bedauerlichen Härten in bestimmten Einzelfällen kann schon vor einer gesetzlichen Neuregelung entgegengewirkt werden. Wie Ihnen bekannt ist, hat die Rechtsprechung einiger Gerichte bereits Wege gewiesen, wie dem aus Krankheits- oder Altersgründen ausscheidenden Handelsvertreter der Ausgleichsanspruch erhalten werden kann. Außerdem ist die Problematik inzwischen in Kreisen der Betroffenen so bekanntgeworden, daß die Parteien des Handelsvertretervertrages als selbständige und eigenveranwortliche Kaufleute durch vertragliche Regelungen selbst Vorsorge dafür treffen können, solche Härten zu vermeiden. Anlage 41 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf vom 7. Juni 1973 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Lenders (SPD) (Drucksache 7/653 Fragen B 8 und 9) : Ist der Bundesregierung die Zahl der Unternehmen bekannt, die in der Bundesrepublik Deutschland auf dem Immobilien- und Kapitalmarkt immer wieder für Beteiligungen werben, die durch hohe abschreibungsbedingte Verlustzuweisungen dem Kapitalgeber erhebliche Steuereinsparungen versprechen, und wie hoch war sie in den einzelnen Jahren seit 1969? Wie hoch schätzt die Bundesregierung die Steuerverluste, die durch Wahrnehmung solcher Angebote durch private Kapitalanleger entstanden sind, und wie hoch schätzt die Bundesregierung die Kapitalverluste von Anlegern, die unseriösen oder bankrott gegangenen Firmen dieser Branche ihre Spargelder anvertraut haben? Die Bundesregierung besitzt kein statistisches Material über Zahl und Geschäftsumfang der Unternehmen, die in der Bundesrepublik Deutschland für Beteiligungen werben und durch abschreibungsbedingte Verlustzuweisungen dem Kapitalgeber Steuereinsparungen versprechen. Es ist auch nicht bekannt, welche Kapitalverluste bisher im Zusammenhang mit diesen z. T. unseriösen Praktiken entstanden sind. Eine Befragung der Finanzverwaltung der Länder müßte angesichts der sehr komplexen Zusammenhänge auf diesem Gebiet eine sehr arbeitsintensive Verarbeitung der in den einzelnen Steuerakten vorhandenen Materialien zur Folge haben, so daß bislang auf eine solche Geschäftsstatistik verzichtet worden ist. Zudem muß berücksichtigt werden, daß die Finanzverwaltung von entsprechenden Fällen in vollem Umfang erst nachträglich im Zuge der Steuerveranlagung erfährt. Anlage 42 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf vom 7. Juni 1973 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Ey (CDU/CSU) (Drucksache 7/653 Frage B 10) : Wie hoch schätzt die Bundesregierung die durch die Mineralölsteuererhöhung anfallende Mehrwertsteuerbelastung für die Landwirtschaft im kommenden Jahr? Bei einem Verbrauch der Landwirtschaft an Dieselöl von rd. 1,1 Millionen t jährlich würde die Erhöhung der Mineralölsteuer um 5 Dpf/l insgesamt 66 Millionen DM betragen. Diese unmittelbare Mineralölsteuermehrbelastung der Landwirtschaft soll nach dem StÄndG 1973 durch eine entsprechende Anhebung der Gasölbeihilfe voll ausgeglichen werden. Trotz Ausgleich der Mineralölsteuermehrbelastung werden sich die Verbraucherpreise der Landwirtschaft für Dieselöl jedoch geringfügig erhöhen, weil die Mehrwertsteuerbelastung, die auf dem Mineralöl liegt, nicht direkt, sondern indirekt durch den pauschalierten Vorsteuerabzug ausgeglichen wird. Insgesamt wird die Umsatzsteuermehrbelastung für die Landwirtschaft im kommenden Jahr rd. 7 Millionen DM betragen. Anlage 43 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf vom 7. Juni 1973 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Kiechle (CDU/CSU) (Drucksache 7/653 Frage B 11): Warum hat die Bundesregierung bei ihrer Antwort auf die Frage des Abgeordneten Braun bezüglich Mehrwertsteuer bei Mühlenstillegungsprämien in der Fragestunde vom 18. Mai 1973 im vorletzten Absatz den einstimmigen Beschluß des Ernährungsausschusses des Deutschen Bundestages in der Sitzung vom 8. Juni 1972 zu einem Antrag des Abgeordneten Lensing, Drucksache VI/2817, nicht berücksichtigt, mit dem klargestellt wurde, daß weder der federführende Ausschuß noch die Bundesregierung eine Mehrwertsteuerbelastung bei Mühlenstillegungsprämien gewollt hatten? Im vorletzten Absatz meiner von Ihnen zitierten Antwort habe ich die Schlußfolgerung wiedergegeben, die nach Auffassung der Bundesregierung aus den Materialien auf den Willen des Gesetzgebers im Zeitpunkt des Erlasses des Mühlenstrukturgesetzes zu ziehen sind. Dabei habe ich mich auf die maßgebliche Stelle aus der Begründung gestützt, in der allgemein gegen steuerliche Vergünstigungen für die Abfindungen Stellung genommen wurde. Der Ernährungsausschuß des Deutschen Bundestages hat erst im Jahre nach der Verabschiedung des Mühlenstrukturgesetzes, und zwar am 8. Juni 1972, im Rahmen der Beratungen ides Entwurfs eines 2. Umsatzsteuer-Änderungsgesetzes auf Veranlassung des Kollegen Lensing empfohlen, die aus öffentlichen Mitteln geförderte Stillegung von Mühlen von der Umsatzsteuer freizustellen. Wie Sie wissen, wurde jedoch der Gesetzentwurf vom Deutschen Bundestag in der vergangenen Legislaturperiode nicht mehr verabschiedet. Der Gesetzentwurf und die Empfehlung des Ernährungsausschusses sind damit gegenstandslos geworden. Unter diesen Umständen habe ich keine Veranlassung gesehen, die Empfehlung des Ernährungsausschusses bei der Antwort auf die Frage des Kollegen Braun zu berücksichtigen. Im übrigen möchte ich darauf aufmerksam machen, daß sich der Vertreter der Bundesregierung bei dem 2272* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Juni 1973 erwähnten Beschluß des Ernährungsausschusses gegen eine Begünstigung der Mühlenstillegung ausgesprochen und ausdrücklich vor Berufungsfällen gewarnt hat. Der Vertreter der 'Bundesregierung hat lediglich Formulierungshilfe geleistet, falls der Ernährungsausschuß eine Umsatzsteuervergünstigung empfehlen würde. Es trifft deshalb nicht zu, daß die Bundesregierung für die Einführung einer Steuerbefreiung bei Mühlenstillegungen eingetreten ist. Anlage 44 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hermsdorf vom 7. Juni 1973 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) (Drucksache 7/653 Frage B 12) : Kann die Bundesregierung erreichen, daß die bei Schweinfurt stationierten Hubschrauber der US-Armee, vor allem auch an den Wochenenden, ihre zahlreichen Übungsflüge möglichst nicht über Wohngebieten (Niederwerrn, Geldersheim) durchführen, um so die Lärmbelästigungen zu vermindern? Das Bundesministerium der Finanzen hat Ihre Anfrage zum Anlaß genommen, mit der Amerikanischen Botschaft in Verbindung zu treten und dabei zu versuchen, eine Verminderung der Lärmbelästigung durch US-Hubschrauber über Wohngebieten im Raume Schweinfurt zu erreichen. Diese Bemühungen haben zu folgendem Ergebnis geführt: 1. Das Überfliegen der Gemeinde Niederwern ist nunmehr verboten worden. Ein Verbot, die Gemeinde Geldersheim zu überfliegen, kann nicht erlassen werden, weil sich der Anflugsektor für den instrumentalen Flugbetrieb über dem Gebiet dieser Gemeinde befindet. Es ist aber angeordnet worden, daß die Gemeinde Geldersheim nur in Höhen über 1 000 m überflogen werden darf. 2. Die Tätigkeit des amerikanischen Fallschirmspringer-Clubs, die sich hauptsächlich auf die Wochenenden konzentrierte, wurde eingestellt. 3. Übungsflüge an den Wochenenden werden weitgehend eingeschränkt, wenngleich bis zum Ende eines jeden Monats und ebenso bis zum Ende eines jeden Trainingsflugjahres eine bestimmte Anzahl von Flugstunden nachweislich erbracht werden muß. In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, daß auch eine bestimmte Anzahl von Nachtflugstunden für die Erlangung und Erhaltung der Nachtflugqualifikation nachgewiesen werden muß. In Monaten mit kürzeren Nächten könnte der Eindruck entstehen, daß der Nachtflugbetrieb verstärkt würde. Dies ist jedoch nicht der Fall. 4. Am Sonntag, dem 20. Mai 1973, morgens um 5.00 Uhr, mußten deutsche Truppen im Rahmen der Übung „Golden Arrow" mit 7 Hubschraubern in das Übungsgebiet geflogen werden. Eine dadurch verursachte Lärmbelästigung war ein Ausnahmefall. 5. Die örtlichen US-Dienststellen sind zu einer intensiven Zusammenarbeit mit den zuständigen deutschen Behörden angehalten worden. Ich hoffe, daß durch diese Maßnahmen unzumutbare Lärmbelästigungen künftig vermieden werden können. Anlage 45 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner vom 7. Juni 1973 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Ey (CDU/CSU) (Drucksache 7/653 Frage B 13) : Welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung, um di Arbeitsplätze der in auftragsschwachen Rüstungsbetrieben beschäftigten Menschen zu sichern, wie z. B. in Liebenau? Die Bundesregierung hat im Rahmen der regionalen Strukturpolitik die Möglichkeit, zusammen mit den Ländern struktur- und wirtschaftsschwache Gebiete zu fördern. Hierzu gehört auch der Landkreis Nienburg, in dem Liebenau liegt. Die Ansiedlung und Erweiterung von gewerblichen Betrieben wird hier z. B. im Schwerpunktort Nienburg mit 15 %- Investitionszuschüssen und -zulagen gefördert; weiterhin ist die Förderung der Umstellung oder grundlegenden Rationalisierung von Betrieben in Höhe bis zu 10 °/o der Investitionskosten möglich. Damit — sowie durch Maßnahmen der Infrastrukturförderung — werden einerseits neue qualitiv wertvolle Dauerarbeitsplätze geschaffen, andererseits bestehende Arbeitsplätze nachhaltig gesichert. Die Situation der Rüstungsindustrie in Liebenau, die zur Zeit von der Bundesregierung eingehend geprüft wird, kann somit durch die gezielten Maßnahmen des Bundes und des Landes Niedersachsen im Rahmen der regionalen Wirtschaftspolitik verbessert werden. Anlage 46 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner vom 8. Juni 1973 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Engelsberger (CDU/CSU) (Drucksache 7/653 Frage B 14) : Teilt die Bundesregierung die Auffassung des VEBA-Vorsitzenden von Benningsen-Förder, daß es wahrscheinlich noch in diesem Jahrzehnt Stromsperren wie in der Nachkriegszeit geben werde, da die Umweltschutzmaßnahmen den Bau von Kraftwerken verzögerten, und welche Konsequenzen will bejahendenfalls die Bundesregierung aus dieser Prognose ziehen? Die Bundesregierung beobachtet mit Besorgnis, daß sich im Bereich des Kraftwerksausbaues Verzögerungen ergeben. Auf Grund der bereits im Bau befindlichen Kraftwerke kann jedoch bei Aufrechterhaltung der Verfügbarkeit der bestehenden Kraftwerke damit gerechnet werden, daß bis etwa 1978 eine Kraftwerkskapazität erstellt sein wird, welche den für diese Zeit zu erwartenden Strombedarf zu decken in der Lage ist. Für die Deckung des Bedarfs Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode 40. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Juni 1973 2273* in der darauf folgenden Zeit wird es allerdings notwendig sein, daß die heute in der Planung befindlichen Kraftwerke rechtzeitig gebaut werden. Die Schwierigkeiten, die auch in der Kollision der Ziele von sicherer Energieversorgung und Umweltschutz bestehen, sind hinreichend bekannt. Die Bundesregierung ist jedoch der Auffassung, daß dieser Konflikt gelöst werden kann und muß. Bundesregierung, Regierungen der Länder, Industrie und Elektrizitätswirtschaft werden hierzu gemeinsame Anstrengungen unternehmen müssen. Wie bereits in der Antwort zur Bundestagsanfrage VI/3625 in der Drucksache VI/3661 vom 14. Juni 1972 erwähnt, werden zusätzliche Maßnahmen von den für die Überwachung einer sicheren und ausreichenden Stromversorgung zuständigen Wirtschaftsministerien des Bundes und der Länder erörtert. Die Maßnahmen betreffen insbesondere Hilfen bei der Vorsorge für knüftige Standorte. Daneben wird eine bessere Information seitens aller Beteiligten notwendig sein, um die Menschen, die in der Nähe von vorgesehenen Standorten für Großkraftwerke wohnen, bereits in den ersten Planungsstadien über Sinn und Zweck dieser Vorhaben aufzuklären. Anlage 47 Antwort 1 des Bundesministers Ertl vom 6. Juni 1973 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Milz (CDU/ CSU) (Drucksache 7/653 Fragen B 15 und 16) : Auf welchen Gründen beruht die Ausstattung des Naturschutzes mit nur einem einzigen Referat im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und der dort tätigen Personenzahl (ein Referent, zwei Hilfsreferenten, teilweise zwei abgeordnete Wissenschaftler bzw. Beamte des höheren Dienstes), wenn man zum Vergleich die Ausstattung in den Länderressorts oder aber für vergleichbare Gebiete wie Raumordnung (wo der Bund auch nur eine Rahmenkompetenz besitzt) und Umweltschutz (bis 1912 auch nur Rahmenkompetenzen) im Bundesinnenministerium heranzieht? Aus welchen Gründen waren in der Bundesanstalt für Vegetationskunde, Naturschutz und Landschaftspflege 1972 nur neun Beamte als planmäßige wissenschaftliche Kräfte tätig, von denen die Mitarbeiter für die Vegetationskunde abgezogen werden müssen, so daß tatsächlich nur drei planmäßige Wissenschaftler das Potential der Bundesanstalt für Naturschutz und Landschaftspflege ausmachen? Zu Frage B 15: Bei Übernahme meines Amtes im Jahre 1969 bestand im BML das Referat „Grundsätzliche Angelegenheiten der Forstwirtschaft, Naturschutz", welches neben anderen Aufgabenbereichen zuständig war für den Bereich „Naturschutz, Naturparke". Dieses Referat war mit einem Referenten, einem Hilfsreferenten und zwei Sachbearbeitern besetzt. Die Angelegenheiten des Naturschutzes wurden seinerzeit im wesentlichen vom Referenten und einem Sachbearbeiter wahrgenommen. In der Zwischenzeit hat der Umweltschutz im ländlichen Raum an Bedeutung erheblich zugenommen, so daß am 15. Oktober 1970 in meinem Ministerium eine Projektgruppe geschaffen worden ist, deren Aufgabe darin bestand, den Umweltschutz im ländlichen Raum zu verstärken durch a) Entwicklung eines umfassenden Programms für die Aufgabenbereiche Naturschutz und Landschaftspflege und b) Vorlage eines Entwurfs eines Gesetzes zum Schutz der Natur und zur Pflege der Landschaft. Diese Projektgruppe bestand aus 6 Referenten bzw. Hilfsreferenten sowie 1 Wissenschaftler der Bundesanstalt für Vegetationskunde, Naturschutz und Landschaftspflege. Am 6. Dezember 1971 habe ich einen Beamten meines Ministeriums zum Sonderbeauftragten für Umweltangelegenheiten berufen und unter Auflösung der Projektgruppe eine Arbeitsgruppe „Landespflegegesetz" geschaffen, die mit 1 Referenten und 5 Hilfsreferenten besetzt war. Mit der Bildung dieser Arbeitsgruppe konnten die gesetzgeberischen Arbeiten intensiviert und beschleunigt werden. Nach Fertigstellung des Gesetzentwurfes wurde im Zuge der Umorganisation des BML innerhalb der Abteilung 5 „Entwicklung des ländlichen Raumes, Umwelt und Naturschutz" eine Gruppe „Umwelt, Naturschutz" mit den Referaten „Umweltangelegenheiten" und „Naturschutz und Landschaftspflege, Erholungslandschaft" geschaffen. Diese Gruppe arbeitet zusammen mit dem Referat „Programmplanung und grundsätzliche Angelegenheiten der Abteilung 5" an den Aufgaben „Umweltangelegenheiten im Bereich der Agrar- und Ernährungswirtschaft sowie Naturschutz und Landschaftspflege". Das Naturschutz-Referat ist mit 1 Referenten, 2 Hilfsreferenten (ab 15. Juni 1973 3 Hilfsreferenten) und 2 Sachbearbeitern besetzt. Ich bin ,der Ansieht, daß trotz restriktiver Haushaltspolitik eine solche personelle Ausstattung des Aufgabenbereichs „Naturschutz" unter besonderer Berücksichtigung der organisatorischen Einbindung und des Zusammenwirkens in der Gruppe ein sichtbarer Fortschritt gegenüber den Verhältnissen im Jahre 1969 ist. Gegenwärtig können alle Aufgaben dieses Bereichs wahrgenommen werden. Das wird auch künftig möglich sein, da — wie die Rückschau zeigt durch gezielten Personaleinsatz wachsende Anforderungen in einem gewissen Umfang abgefangen werden können. Aus Vergleichen mit anderen Ressorts in Bund und Ländern können Meßgrößen für die zutreffende Besetzung von Referaten meines Ministeriums schwerlich abgeleitet werden. Zu Frage B 16: Die Bemühungen ,des BML, die personelle Ausstattung der Bundesanstalt für Vegetationskunde, Naturschutz und Landschaftspflege insbesondere für die Arbeitsgebiete Naturschutz und Landschaftspflege zu verbessern, konnten wegen der restriktiven Haushaltspolitik noch nicht voll wirksam werden. Der Bundesforschungsanstalt sind daher Forschungsaufträge erteilt worden, aus denen 14 Mitarbeiter, davon 5 Wissenschaftler, für Aufgaben des Naturschutzes und der Landschaftspflege beschäftigt werden. 2274* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Juni 1973 Nähere Angaben über die Personalausstattung der Bundesforschungsanstalt habe ich bereits in der Antwort zur Frage 70 Drucksache 7/156 in der Fragestunde am 16. Februar 1973 gemacht. Anlage 48 Antwort des Parl. Staatssekretärs Rohde vom 5. Juni 1973 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Katzer (CDU/CSU) (Drucksache 7/653 Frage B 17): Hat die Beanstandung des Nachtragshaushalts der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte durch das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung eine Verzögerung bei der Verwirklichung der Fortführung der Rentenreform vom September 1972 (flexible Altersgrenze, Verbesserung von Kleinrenten, Öffnung der Rentenversicherung für Selbständige) zur Folge, und gedenkt die Bundesregierung bejahendenfalls von der Beanstandung abzusehen? Es kann davon ausgegangen werden, daß die Verwirklichung der Rentenreform durch den von Ihnen genannten Beschluß nicht verzögert wird. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) hat die Stellen seit 1970 um etwa 40 % vermehrt und verfügt nunmehr über rd. 11 500 Stellen. Allein für dieses Jahr sind wegen der wachsenden Anforderungen und angesichts der Folgearbeiten nach der Rentenreform im ordentlichen Haushalt der BfA bereits über 1 200 neue Stellen vorgesehen worden. Die Bundesregierung geht davon aus, daß die BfA im Rahmen des gegenwärtigen Stellensolls alles unternehmen wird, um einen reibungslosen Arbeitsablauf sicherzustellen. Im übrigen waren bei der BfA am 1. April 1973 insgesamt mindestens 450 Stellen nicht besetzt. Anlage 49 Antwort des Parl. Staatssekretärs Rohde vom 5. Juni 1973 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Ferrang (CDU/CSU) (Drucksache 7/653 Fragen B 18 und 19) : Befürwortet die Bundesregierung eine Änderung der gesetzlichen Bestimmungen über die Rentenversicherung, durch die Arbeitnehmer, die infolge von Umstrukturierungsmaßnahmen in der Eisen- und Stahlindustrie im Saarland freigesetzt werden, den Bergleuten gleichgestellt werden? Wird die Bundesregierung insbesondere eine Initiative ergreifen, um diesen Arbeitnehmern der Eisen- und Stahlindustrie den früheren Rentenbezug entsprechend dem Knappschaftsgesetz zu ermöglichen? Die im Bereich der knappschaftlichen Rentenversicherung vorgesehenen besonderen Hilfen für Bergleute waren notwendig geworden, um den in Ausmaß und Wirkung weitgehenden Strukturveränderungen gerade dieses Wirtschaftszweiges Rechnung zu tragen und die Rationalisierungsmaßnahmen im deutschen Bergbau sozialpolitisch abzusichern. Der Umfang dieser Strukturveränderungen ist schon daraus zu ersehen, daß die Zahl der Beschäftigten im deutschen Bergbau seit 1957 um rund 60 v. FI. zurückgegangen ist. Die Gründe für die besonderen sozialpolitischen Hilfen für Bergleute liegen daher in der wirtschaftlichen Entwicklung der gesamten Bergbauindustrie in der Bundesrepublik Deutschland. Die vorgesehenen Hilfen zielen auf die besonderen sozialpolitischen Belange des Bergbaus ab. So kommen die in der knappschaftlichen Rentenversicherung vorgesehenen Leistungen nicht allen im Bergbau tätigen Arbeitnehmern zugute, sondern nur den Bergleuten, d. h. den ständig unter Tage Beschäftigten. Voraussetzung für die von Ihnen angesprochenen besonderen Leistungen ist dabei grundsätzlich eine mindestens 25jährige Tätigkeit unter Tage. Die Arbeitnehmer, die diese Voraussetzungen erfüllen, erhalten die besonderen Leistungen nicht nur wegen ihres Alters, sondern gerade wegen der erhöhten Verschleißerscheinungen als Folge der Arbeit unter Tage. Die übrigen Arbeitnehmer sind grundsätzlich sozial durch das Arbeitsförderungsgesetz und die Rentenversicherungsgesetze abgesichert. Hierbei sei vor allem auf die möglichen Maßnahmen der Bundesanstalt für Arbeit zur Förderung der beruflichen Fortbildung oder Umschulung, zur Förderung der Arbeitsaufnahme sowie auf ihre Leistungen zur Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen hingewiesen. Ferner ermöglicht es die durch das Rentenreformgesetz verwirklichte flexible Altersgrenze den älteren Arbeitnehmern, früher als bisher das Altersruhegeld in Anspruch zu nehmen. Parallel hierzu wird im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung ein Gesetzentwurf zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung vorbereitet, der u. a. die betriebliche Altersversorgung an die flexible Altersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung angleichen soll. Außerdem sind durch das Rentenreformgesetz die Voraussetzungen für den vorgezogenen Altersruhegeldbezug bei Arbeitslosigkeit erleichtert worden. Gerade die Gewährung des vorgezogenen Altersruhegeldes wurde vom Gesetzgeber geschaffen, damit diejenigen, die ohne eigenes Verschulden aus dem Erwerbsleben ausscheiden und wegen ihres fortgeschrittenen Alters trotz ernstlicher Arbeitsbemühungen keine Arbeit erhalten, gesichert sind. Schließlich sei hier noch auf das im neuen Betriebsverfassungsgesetz eingeräumte echte Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates hingewiesen (§ 112 BetrVerfG), wonach u. a. bei Betriebsstilllegungen zum Ausgleich der Interessen die Aufstellung eines Sozialplans erzwungen werden kann. Anlage 50 Antwort des Parl. Staatssekretärs Berkhan vom 7. Juni 1973 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Bürger (CDU/CSU) (Drucksache 7/653 Frage B 20) : Warum können Sparverträge von Wehrpflichtigen über vermögenswirksame Leistungen nach dem Dritten Vermögensbildungsgesetz nicht nach dem Unterhaltssicherungsgesetz übernommen werden? Zweck des USG ist es, den Lebensbedarf des Wehrpflichtigen und seiner Angehörigen für die Dauer des Wehrdienstes sicherzustellen. In diesem Rahmen soll ihm ermöglicht werden, bestimmte laufende Verpflichtungen einzuhalten, die er vor seiner Einberufung eingegangen ist. Entsprechend diesem Grundsatz werden dem Wehrpflichtigen nach § 7 b Abs. 2 Nr. 6 d USG auch die Beträge für prämienbegünstigte Sparverträge erstattet. Voraussetzung ist jedoch u. a., daß der Wehrpflichtige zur Leistung dieser Sparbeträge während des Wehrdienstes verpflichtet ist. Eine derartige Verpflichtung ist im Falle des sogenannten Sparvertrages über vermögenswirksame Leistungen (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 Sparprämiengesetz) nicht gegeben. Das Wesen dieser Verträge ist es, daß sich der Sparer gegenüber dem Sparinstitut nur zu Leistungen verpflichtet, die sein Arbeitgeber für ihn erbringt. Erhält der Arbeitnehmer diese Leistungen nicht mehr, z. B. weil das Arbeitsverhältnis aufgelöst wird — oder wie im Falle des Wehrdienstes — ruht, so entfällt auch die Sparverpflichtung gegenüber dem Sparinstitut. Da Sparverträge über vermögenswirksame Leistungen nach dem USG somit nicht übernommen werden können, raten die Sparkassen und Banken ihren Kunden, die noch keinen Wehrdienst geleistet haben, andere Vertragsformen zu wählen, z. B. prämienbegünstigte Sparverträge mit festgelegten Sparraten abzuschließen (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 Sparprämiengesetz), da auch diese Sparverträge mit vermögenswirkamen Leistungen erfüllt werden können. Die Zahlungsverpflichtung läuft bei diesen Verträgen weiter, auch wenn das Arbeitsverhältnis während des Wehrdienstes ruht. Eine solche Beratung der Sparinstitute ist jedoch nicht allgemein gewährleistet und die Zahl der Wehrpflichtigen, die in Unkenntnis der Rechtslage zu ihrem Nachteil Sparverträge über vermögenswirksame Leistungen vor der Einberufung abschließen, ist nicht unerheblich. Die Möglichkeit, vor der Einberufung begonnene Sparvorhaben während des Wehrdienstes mit Mitteln der Unterhaltssicherung fortzuführen, hängt also im Ergebnis vom Zufall einer richtigen vorvertraglichen Beratung ab. Dieses Ergebnis wird allgemein und auch von mir als unbefriedigend angesehen. Vor einer Änderung des geltenden Rechts bedarf es der Klärung der grundsätzlichen Frage der Vermögensbildung für Wehrpflichtige. Diese Angelegenheit ist nicht nur von erheblich finanzieller Bedeutung, sie steht auch im engen Zusammenhang mit den noch nicht abgeschlossenen Reformarbeiten zur Sparförderung. Mit einer kurzfristigen Entscheidung ist daher nicht zu rechnen. Bis dahin beabsichtige ich, in Kürze den betroffenen Wehrpflichtigen im Wege des Härteausgleichs (§ 23 USG) zu helfen. Die Vorbereitungen hierfür sind inzwischen abgeschlossen. Anlage 51 Antwort des Parl. Staatssekretärs Berkhan vom 7. Juni 1973 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Oetting (SPD) (Drucksache 7/653 Frage B 21): Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Juni 1973 2275* Wann will die Bundesregierung Zuschüsse zur Krankenver- (C Sicherung für Angehörige von Zeit- und Berufssoldaten vorsehen und damit die in der Privatwirtschaft übliche Regelung übernehmen, daß tarifvertraglich ein Zuschuß des Arbeitgebers zur Krankenversicherung gezahlt wird, in der üblicherweise die Angehörigen des Arbeitnehmers mitversichert sind? Ihre Frage zur Zahlung von Zuschüssen zur Krankenversicherung für Angehörige von Zeit- und Berufssoldaten beantworte ich im Einvernehmen mit dem Bundesminister des Innern wie folgt: Angehörige von Zeit- und Berufssoldaten gehören zu den Personen, die Ansprüche auf Beihilfen nach den Verwaltungsvorschriften des Bundes haben. Sie unterscheiden sich dadurch von den Arbeitnehmern in der Privatwirtschaft, die ihrerseits einen Zuschuß zu den Krankenversicherungsbeiträgen von ihrem Arbeitgeber erhalten. Mit der Neufassung des § 405 Reichsversicherungsordnung in der Fassung des Zweiten Krankenversicherungsänderungsgesetzes haben nicht versicherungspflichtige Angestellte — auch die im öffentlichen Dienst — Ansprüche auf einen Arbeitgeberzuschuß zu den Krankenversicherungsbeiträgen. Dies hat zur Folge, daß den Angehörigen des öffentlichen Dienstes die Leistungen der bezuschußten Krankenversicherung in voller Höhe auf die Beihilfen angerechnet werden. Für die Angehörigen von Zeit- und Berufssoldaten stellt sich in der Tat ebenso wie für die Beamten, Versorgungsempfänger und deren Angehörige die Frage nach der Gewährung eines Zuschusses zu den Krankenversicherungsbeiträgen. Sie ist so bedeutsam, daß sie in Bund und Ländern für den genannten Personenkreis einheitlich entschieden werden muß. Dies gilt um so mehr, als der Deutsche Bundestag in seiner Entschließung vom 3. März 1971 die Bundesregierung ersucht hat, das Beihilferecht in Bund und Ländern zu vereinheitlichen und anzupassen. In den Gesprächen, die in diesem Zusammenhang mit den Ländern geführt worden sind, ist nahezu einhellig die Auffassung vertreten worden, daß die Übernahme einer dem § 405 Reichsversicherungsordnung in der Fassung des Zweiten Krankenversicherungsänderungsgesetzes entsprechenden Regelung wegen der unterschiedlichen Systematik zu einer erheblichen Ausweitung des Beihilferechts führen, eine Vereinheitlichung dieses Rechtsgebietes erschweren, wenn nicht unmöglich machen würde, und aus finanziellen Erwägungen vorerst nicht zu verwirklichen ist. Gleichwohl bezieht die Bundesregierung die Möglichkeit der Gewährung eines Beitragszuschusses in ihre Überlegungen ein. Die Gespräche über diese Frage werden mit den Ländern fortgeführt. Anlage 52 Antwort des Parl. Staatssekretärs Berkhan vom 7. Juni 1973 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Wagner (Günzburg) (CDU/CSU) (Drucksache 7/653 Frage B 22) : 2276* Deutscher Bundestag - 7. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Juni 1973 Wie erklärt die Bundesregierung angesichts des bekannten Mangels an Unterführern in der Bundeswehr die Tatsache, daß trotz Vorhandenseins einer weitaus größeren Zahl geeigneter Bewerber nicht mehr als 1000 Unteroffiziere mit Portepee Berulsso!daten werden können? Der von Ihnen angesprochene Mangel an Unterführern in der Bundeswehr besteht, abgesehen von wenigen Fachrichtungen, nur bei den jungen Unteroffizieren, die im Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit für eine begrenzte Zeit Wehrdienst leisten. Hingegen besteht an Unteroffizieren, die das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten anstreben, kein Mangel; hier übertrifft die Zahl der Bewerber den Bedarf beträchtlich. Daher muß unter Berücksichtigung einer ausgewogenen Altersstruktur des Berufsunteroffizierkorps eine Auswahl getroffen werden. Für die Übernahme von Unteroffizieren mit Por tepee in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten sind Art und Zahl der Verwendungsmöglichkeiten von entscheidender Bedeutung. Nur ein Teil der Funktionen für Dienstgrade vom Feldwebel an aufwärts kann von Unteroffizieren wahrgenommen werden, die bis zum Erreichen der Altersgrenzen im Dienst verbleiben. Der Anteil dieser Dienstposten ist in den Teilstreitkräften unterschiedlich. Ließe man den Grundsatz der Verwendungsmöglichkeit bis zur Altersgrenze bei den Übernahmen. von Berufsunteroffizieren unberücksichtigt, könnten zwar mehr Unteroffiziere auf Zeit Berufssoldat werden; in kurzer Zeit ergäben sich aber schwerwiegende Folgen für die gesamte Unteroffizierlage. Die älteren Unteroffiziere müßten zunächst in Verwendungen bleiben, die in der Regel den jüngeren Kräften vorbehalten sind. Die früher oder später ohnehin erforderliche Ablösung einer größeren Zahl von Berufsunteroffizieren aus der Truppe würde außerordentlichen Schwierigkeiten begegnen. Selbst wenn hier in gewissem Umfang Aushilfen — z. B. durch zusätzliche Stellen — gefunden werden könnten, würde sich durch das längere Verbleiben in Verwendungen für jüngere Unteroffiziere die Heranbildung von Nachwuchskräften in der Truppe über Gebühr verzögern. Es entstünde dort ein Fehl, das kaum geschlossen werden könnte. Darüberhinaus schränkt die über die Verwendungsmöglichkeiten hinausgehende Übernahme zum Berufsunteroffizier die Aussichten der jeweils nachfolgenden Unteroffizierjahrgänge ein. Auf weitere Sicht ergäbe sich ein regelloser Altersaufbau der Berufsunteroffiziere. Schließlich führten die vermehrten Übernahmen dazu, daß sich die Beförderungsaussichten der Unteroffiziere auf Zeit, insbesondere zum Oberfeldwebel und Hauptfeldwebel, immer ungünstiger gestalten. Diese nachteilige Entwicklung würde in kurzer Zeit die gesamte Nachwuchslage in bedenklicher Weise verschlechtern. Anlage 53 Antwort des Parl. Staatssekretärs Westphal vom 6. Juni 1973 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Kater (SPD) (Drucksache 7/653 Frage B 23) : Wann wird die Bundesregierung im Rahmen ihrer Möglichkeiten durch das Krankenhausfinanzierungsgesetz eine Verordnung verabschieden, uni dadurch statistische Daten stationärer Patienten nach Diagnose und Verweildauer in Akut- und Sonderkrankenhäusern zu erhalten? Eine Verordnung nach § 28 Krankenhausfinanzierungsgesetz über statistische Daten der stationären Versorgung setzt umfangreiche fachliche und rechtliche Vorarbeiten voraus, die nur gemeinsam mit Sachverständigen aus den verschiedensten Bereichen geleistet werden können. Die Bundesregierung hat die Vorarbeiten eingeleitet und ist zur Zeit bemüht, die von verschiedenen Stellen bereits angestellten Überlegungen zusammenzufassen. Sie mißt dem Erlaß dieser Verordnung erhebliche Bedeutung bei. Genaue Terminplanungen sind zur Zeit noch nicht möglich. Anlage 54 Antwort des Parl. Staatssekretärs Westphal vom 6. Juni 1973 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Kater (SPD) (Drucksache 7/653 Frage B 24) : Was gedenkt die Bundesregierung zu veranlassen bzw. anzuregen, um gemeinsam mit den Ländern, Gemeinden und freien Trägern von Krankenhäusern Lösungen zu schaffen, durch die ein sich ergänzendes System von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen in der Bundesrepublik Deutschland aufgebaut werden kann? Der Aufbau eines aufeinander abgestimmten Systems von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen ist ohne eine genaue Bedarfsermittlung nicht möglich. Sie liegt noch nicht vor. Insoweit beziehe ich mich auf meine Antwort auf Ihre Frage A 103 (Anl. 22 zum Prot. der 31. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 11. Mai 1973). Die Bundesregierung hat zur Klärung der damit zusammenhängenden Fragen institutioneller und finanzieller Art Gespräche auf verschiedenen Ebenen aufgenommen. Die Beratungen haben noch zu keinen abschließenden Ergebnissen geführt. Anlage 55 Antwort des Pari. Staatssekretärs Westphal vom 6. Juni 1973 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein (CDU/CSU) (Drucksache 7/653 Frage B 25 und 26) : Welche Schritte sind eingeleitet worden, um entsprechend dem Beschluß der OECD vom 13. Februar 1973 in der Bundesrepublik Deutschland die Verwendung von polychloriertem Biphenyl Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 90. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Juni 1973 2277* (PCB) zu verbieten bzw. sie auf geschlossene Systeme (Kondensatoren, Transformatoren etc.) zu beschränken? Wann kann mit dem Erlaß einer entsprechenden Vorschrift gerechnet werden? Zu Frage B 25: Durch freiwillige Einschränkung der Produktion und des Vertriebs höherchlorierter PCB's für Verwendung in offenen Systemen durch den einzigen Hersteller in der Bundesrepublik wird bereits ein wesentlicher Teil der Anforderungen erfüllt. Diese Maßnahme wird unterstützt durch entsprechendes Verhalten der wenigen ausländischen Hersteller, so daß mit einer Einschränkung der Verwendung von PCB's in offenen Systemen und damit in der Umwelt gerechnet werden kann. Damit wird den Anforderungen der OECD weitgehend entsprochen. Zur Klärung der Fragen über den Verbleib, insbesondere den Eintritt in die Nahrungsketten, sowie über die toxikologische Relevanz dieser Stoffgruppe ist im übrigen ein umfassendes Forschungsprogramm in Angriff genommen worden. Für die sonstigen Empfehlungen der OECD-Beschlüsse sind auch noch andere Bundesressorts zuständig. In Ressortbesprechungen soll in Kürze geklärt werden, ob und ggf. welche weiteren Maßnahmen zu den OECD-Beschlüssen entwickelt werden müssen. Zu Frage B 26: Über den Verkehr mit PCB's wird voraussichtlich noch im Laufe dieser Legislaturperiode durch das im Referentenentwurf vorliegende „Giftgesetz" eine Regelung getroffen. Im Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit wird außerdem eine umfassende Regelung für die Festsetzung von zulässigen Höchstmengen in Lebensmitteln für eine Reihe von Umweltchemikalien vorbereitet, in die auch die PCB's aufgenommen werden sollen. Anlage 56 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar vom 6. Juni 1973 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Wittmann (München) (CDU/CSU) (Drucksache 7/653 Frage B 27): Treffen Informationen zu, daß die Deutsche Bundesbahn trotz der schwebenden Planfeststellungs- und Raumordnungsverfahren im Zusammenhang mit der geplanten Errichtung eines Rangierbahnhofs München-Nord Grundstückskäufe im Bereich des Allacher Forstes vornimmt und mit der Gesellschaft für wirtschaftliche Bautechnik mbH" wegen einer Überbauung der Gleisanlagen des geplanten Rangierbahnhofs verhandelt, und wird durch diese Maßnahmen die Entscheidung über den Standort nicht präjudiziert? Wie mir die Deutsche Bundesbahn mitteilt, werden von ihr z. Z. keine Grundstückskäufe im Bereich des Allacher Forstes vorgenommen. Die „Gesellschaft für Wirtschaftliche Bautechnik" in München hat von der Deutschen Bundesbahn im März d. J. den Auftrag erhalten, eine Studie mit Vorentwürfen für eine umweltfreundliche Gestaltung des geplanten Rangierbahnhofs München-Nord zu erarbeiten. Es handelt sich dabei um ein neutrales Gutachten zu den bisher vorgebrachten Stadt- und entwicklungsplanerischen Einsprüchen sowie um gutachtliche Äußerungen und Vorschläge für die künftige städtebauliche Zielsetzung und Entwicklung des in Frage kommenden Gebiets und zwar unter Berücksichtigung der Anlage des Rangierbahnhofs einschließlich der hierzu notwendigen strukturellen verkehrlichen und sonstigen Notwendigkeiten. Es gehören hierzu vor allem Vorschläge für den Lärmschutz, den Grundwasserschutz, den Immissionsschutz sowie für das Erscheinungsbild mit den notwendigen Freiraum- und Grünplanungen. Die im Benehmen mit der Stadt zu liefernden Vorplanungen für den kritischen Abschnitt des geplanten Rangierbahnhofs sollen detaillierte Lösungen für die umweltfreundliche Gestaltung und eine günstige Eingliederung des Bahnhofs in die vorhandenen Siedlungsgebiete und in das Gesamtlandschaftsbild aufweisen. Die Vorschläge der Studie können eine tellweise Überbauung von Gleisanlagen mit einschließen. Die Entscheidung über den endgültigen Standort des neuen Rangierbahnhofs wird hierdurch keineswegs präjudiziert. Dies trifft insbesondere für den Fall zu, daß der Plan gemäß § 36 Abs. 3 des Bundesbahngesetzes vom Bundesminister für Verkehr festgestellt werden muß. Anlage 57 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar vom 6. Juni 1973 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. SchmittVockenhausen (SPD) (Drucksache 7/653 Frage B 28) : Was gedenkt die Deutsche Bundesbahn zu tun, um die seit sieben Jahren im Gebäude des Bahnhofs Rüsselsheim leerstehenden und nicht genutzten Räume zweckentsprechend zu nutzen? Die Vermietung von Räumen in Gebäuden der Deutschen Bundesbahn (DB) fällt nach dem Bundesbahngesetz in die Zuständigkeit der DB. Nach deren Mitteilung steht im Bahnhof Rüsselsheim nur ein großer Raum im 1. Stock leer, der früher im Zusammenhang mit der Bahnhofsgaststätte verpachtet war. Da der Raum aber nur über einen Treppenaufgang aus der Schalterhalle des Bahnhofs ohne Verbindung mit der im Erdgeschoß liegenden Gaststätte zu erreichen ist und deshalb schlecht als Restaurationsraum genutzt werden konnte, wurde er aus dem Pachtvertrag herausgenommen. Alle Überlegungen, den Raum wieder als Nebenbetrieb zu nutzen, scheiterten bisher an der dafür nachteiligen baulichen Gestaltung: kein separater Eingang und Schließung des Bahnhofs während der Nachtzeit. Die Bundesbahndirektion Frankfurt/M. bemüht sich seit langem erfolglos, einen geeigneten Mieter zu finden, der am Tage an einer Nutzung des Raumes interessiert ist. Zur Zeit prüft die DB daher, den Raum für 2238e Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Juni 1973 Bundesbahnzwecke, z. B. als Unterrichtsraum, zu nutzen. Die Überlegungen sind noch nicht abgeschlossen. Anlage 58 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar vom 6. Juni 1973 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Schröder (Lüneburg) (CDU/CSU) (Drucksache 7/653 Frage B 29) : Wann gedenkt die Bundesregierung, gemäß Beschluß des Bundestags vom 22. Januar 1969 den bereits im vergangenen Jahr fälligen Bericht über den Fortgang der Verkehrserschließung des Zonenrandgebiets vorzulegen? Der Bericht 1972 über den Fortgang der Verkehrserschließung des Zonenrandgebietes wurde dem Parlament mit Bundestagsdrucksache 7/64 vom 16. Januar 1973 vorgelegt. Der Ausschuß für Verkehr hat bereits am 14. März 1973 den Bericht in seiner 4. Sitzung behandelt. (Tagesordnungspunkt 4). Anlage 59 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar vom 6. Juni 1973 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Immer (SPD) (Drucksache 7/653 Frage B 30) : Trifft die Ankündigung der Landesregierung von Rheinland-Pfalz zu, daß auf der geplanten Bundesbahnschnellverkehrsstrecke von Köln über Siershahn und Limburg nach Groß-Gerau im Westerwald ein Haltepunkt eingerichtet wird, der eine Anbindung an die Bundesbahnstrecken des Kreises Altenkirchen erhält? Die geplante Trassenführung der Neubaustrecke der Deutschen Bundesbahn (DB) von Köln nach Groß Gerau schließt die Anbindung des Westerwaldes durch einen Haltepunkt im Raum Altenkirchen nicht aus. Insoweit könnte auch eine Äußerung der Landesregierung von Rheinland-Pfalz — die allerdings in der von Ihnen zitierten bindenden Form bei der DB nicht bekannt ist — nur verstanden werden. Grundsätzlich sollen die Neubaustrecken der DB leistungsfähige Verbindungen mit hohen Reisegeschwindigkeiten und wenig Zughalten zwischen den wichtigsten Siedlungs- und Wirtschaftsgebieten herstellen. Auf Grund dieser Zielsetzung und des derzeit überschaubaren Verkehrsaufkommens kann eine planmäßige Anbindung des Raumes Altenkirchen an die Neubaustrecke zunächst nicht vorgesehen werden. Anlage 60 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar vom 6. Juni 1973 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Eyrich (CDU/CSU) (Drucksache 7/653 Frage B 31): Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Verkehrsverhältnisse I in der Stadt Zell im Wiesental durch den steigenden Verkehr auf der Bundesstraße 317 für die Bewohner zu einer fast unerträglichen Belastung geworden sind, und kann die Bundesregierung einen genauen Zeitpunkt nennen, zu dem Mittel vorhanden sind, um die geplante Umgehungsstraße zu bauen? Die schwierigen Verkehrsverhältnisse auf der Bundesstraße 317 im Bereich der Stadt Zell im Wiesental sind der Bundesregierung bekannt. Die Planung für eine Ortsumgehung von Zell, die im Bedarfsplan in der 1. Dringlichkeitsstufe enthalten ist und seit Jahren genehmigt vorliegt, konnte allerdings noch nicht in das Planfeststellungsverfahren gebracht werden, da die betroffenen Gemeinden nachträglich Änderungen verlangt haben. Die Verhandlungen zwischen den Betroffenen und der dafür im Auftrage des Bundes zuständigen Landesstraßenbauverwaltung haben bislang noch nicht zu einem vertretbaren Abschluß geführt. Der Zeitpunkt der Bauausführung wird von der weiteren Entwicklung der Bauvorbereitungen, wie z. B. der evtl. notwendigen Planungsüberarbeitung und der Durchführung des Planfeststellungsverfahrens, sowie von den dann bestehenden Finanzierungsmöglichkeiten abhängen. Nähere Angaben sind bei diesem Sachstand bedauerlicherweise noch nicht möglich. Anlage 61 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar vom 6. Juni 1973 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Marx (CDU/CSU) (Drucksache 7/653 Frage B 32) : Trifft es zu, daß, wie DDP am 17. Mai 1973 meldete, ein besonders großer Flugkörper stundenlang über Hamburg schwebte, ohne daß die amtlichen Stellen des Bundes mitteilen konnten, um welches Objekt es sich dabei handele und wie dieses über Hamburg aufgetaucht sei? Der Bundesregierung sind die Berichte über einen über Hamburg beobachteten Flugkörper aus der Presse bekannt. Dabei handelt es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um einen großen Forschungsballon, dessen Herkunft nicht nachgewiesen ist. Auf Grund der am Beobachtungstag herrschenden Windschichtung könnten lediglich grobe Schlüsse über den Flugweg des Ballons gezogen werden. Es erschien nicht erforderlich, aufwendige Nachforschungen nach der Beschaffenheit und Herkunft eines solchen Flugkörpers anzustellen, solange nicht erkennbar die Sicherheit — im Sinne von Landesverteidigung oder auch Flugsicherheit — beeinträchtigt ist. Dies war nicht der Fall. Anlage 62 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar vom 6. Juni 1973 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Biehle (CDU/CSU) (Drucksache 7/653 Fragen B 33 und 34) : Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Juni 1973 2279' Welchen Stand hat das Planfeststellungsverfahren der kleinen Umgehungs- bzw. Entlastungsstraße der B 26/27 in Karlstadt/ Main, bzw. wann wird es durchgeführt und abgeschlossen, und wann kann mit dem Bau des Projektes einschließlich der Straßenüberführung des schienengleichen Überganges in Karlstadt-Nord gerechnet werden? Trifft es zu, daß Planungen der Deutschen Bundesbahn zur Erweiterung der Gleisanlagen auf der Bundesbahnstrecke Würzburg—Gemünden bzw. im Bahnhofsbereich Karlstadt das Umgehungsstraßenprojekt (B 26/27) verzögern oder in Frage stellen, und wie sehen dafür die Planungen bzw. der Geländebedarf im Stadtbereich Karlstadt aus? Das Planfeststellungsverfahren für Baumaßnahmen im Zuge der B 26/27 in Karlstadt läuft z. Z. noch. In diesem Verfahren hat die Deutsche Bundesbahn gegen die Planung, soweit Bahnanlagen betroffen sind, vorsorglich den Einwand erhoben, daß erst geprüft werden müsse, ob die Bahnlinie GemündenWürzburg zweigleisig bleiben kann oder künftig zusätzliche Gleise erhalten muß. Diese Prüfung ist noch nicht abgeschlossen. Ein abschließendes Ergebnis wird gegen Jahresende vorliegen. Von diesem Ergebnis hängt es auch ab, ob für Bundesbahnplanungen im Stadtbereich Karlstadt Gelände in Anspruch genommen werden muß und ggf. in welchem Umfang. Durch die Einwendungen der Deutschen Bundesbahn im Planfeststellungsverfahren ist eine Verzögerung des Baubeginns kaum zu erwarten, weil nach dem 1. Fünfjahresplan für den Ausbau der Bundesfernstraßen (1971 und 1975) der Baubeginn der Maßnahme ohnehin erst im Jahre 1975 vorgesehen ist. Ich darf insoweit auf Seite 101 lfd. Nr. 33 des ) 1. Fünfjahresplanes verweisen. Anlage 63 Antwort des Parl. Staatssekretärs Haar vom 6. Juni 1973 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Engelsberger (CDU/CSU) (Drucksache 7/653 Frage B 35) : In welchem Stadium befinden sich derzeit die Verhandlungen über den deutsch-österreichischen Staatsvertrag bezüglich der Auswirkungen der Anlage und des Betriebs des Flughafens Salzburg auf das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland, und wann ist für die betroffene Bevölkerung auf bayerischem Gebiet mit einer spürbaren Verbesserung der augenblicklich unerträglichen Lärmsituation zu rechnen? Der Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Auswirkungen der Anlage und des Betriebs des Flughafens Salzburg auf das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland ist am 19. Dezember 1967 unterzeichnet worden. Es bedarf der Zustimmung durch die gesetzgebenden Körperschaften in Form eines Vertragsgesetzes. Die Bundesregierung hat einen entsprechenden Gesetzentwurf dem Bundesrat am 9. Februar 1973 zugeleitet. Der Bundesrat hat in der 391. Sitzung vom 23. März 1973 als Stellungnahme gemäß Artikel 76 Abs. 2 GG beschlossen, die Bundesregierung zu bitten, anläßlich des Austauschs der Ratifikationsurkunden gegenüber der Republik Österreich in geeigneter Weise folgende Erklärung abzugeben: 1. Das in der Präambel angesprochene Vertragsziel „Abwehr von Gefahren für die Allgemeinheit" umfaßt nach deutscher Auffassung insbesondere auch die Verhinderung und Verminderung von Lärmeinwirkungen und sonstigen Immissionen auf die Stadt Freilassing und das umliegende Gebiet. 2. Die deutsche Seite setzt voraus, daß die Republik Österreich im Rahmen des Vertrages alle nach dem jeweiligen Stand der Technik möglichen Maßnahmen ergreifen wird, um die Belästigung der deutschen Bevölkerung auf das unvermeidbare Maß zu beschränken. 3. Die Bewährung des Vertrages als Instrument zum Schutz der betroffenen deutschen Bevölkerung wird die deutsche Haltung zur Geltungsdauer wesentlich mitbestimmen. Die Bundesregierung bereitet eine Gegenäußerung vor, nach der gegen diesen Beschluß Einwendungen nicht erhoben werden und wird den Gesetzentwurf alsdann dem Deutschen Bundestag zur Zustimmung zugeleitet. Die Vorschriften des Vertrages ermöglichen es der deutschen Seite, auf die vom Flughafen Salzburg auf deutsches Hoheitsgebiet ausgehenden Lärmeinwirkungen Einfluß zu nehmen. Im Hinblick auf den Vertrag werden bereits vor dessen Inkrafttreten Maßnahmen zur Verbesserung der Lärmsituation getroffen. Der vom Betrieb des Flughafens Salzburg ausgehende Fluglärm berührt auf deutscher Seite im wesentlichen die Bewohner von Freilassing und Ainring. Aktuelle Fluglärmfragen dieses Raumes werden in einer deutsch-österreichischen Kommission, an der auch diese Orte beteiligt sind, behandelt. Die Kommission hat zuletzt am 27. April 1973 getagt. Eine spürbare Verbesserung der Lärmsituation wird mit der noch in diesem Sommer bevorstehenden Einführung lärmmindernder Abflugrouten, die das österreichische Bundesministerium für Verkehr auf Wunsch des Bundesverkehrsministeriums vorbereitet hat, eintreten. Ein kürzlich auf dem Flughafen Salzburg errichteter optischer Gleitweganzeiger (VASIS) erleichtert anfliegenden Piloten die Einhaltung der vorgeschriebenen Mindestflughöhe über Freilassing. Anlage 64 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hauff vom 4. Juni 1973 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Stavenhagen (CDU/CSU) (Drucksache 7/653 Fragen B 36 und 37) : Ist die Bundesregierung mit mir der Meinung, daß die Deutsche Bundespost durch ihre Gebührenpolitik die Datenfernverarbeitung behindert und somit im Widerspruch zur Forderung der Datenfernverarbeitung durch das Bundesministerium für Forschung und Technologie steht? 2280* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Juni 1973 Wie beurteilt die Bundesregierung die Bedeutung der Datenfernverarbeitung für die Rationalisierung von Wirtschaft und Verwaltung? Zu Frage B 36: Die Bundesregierung ist nicht der Meinung, daß die Gebührenpolitik der Deutschen Bundespost die Entwicklung der Datenfernverarbeitung behindert. Zunächst ist festzustellen, daß die Deutsche Bundespost auf dem Gebiete der Datenübertragung keine von ihren üblichen Grundsätzen abweichende Gebührenpolitik verfolgt. Für die Übertragung von Daten im Fernsprech-, Telex- oder Datexnetz werden dieselben Gebühren erhoben wie für die Übertragung anderer Nachrichten. Die Gebühren für die Überlassung von Stromwegen sind unabhängig davon, ob Daten übertragen werden sollen oder nicht. Nach Untersuchungen der Deutschen Bundespost, die in Zusammenarbeit mit Betreibern von Datenfernverarbeitungssystemen durchgeführt wurden, beträgt der Anteil der Datenübertragungskosten an den Gesamtkosten eines Datenfernverarbeitssystems etwa 5 %. Dieser Prozentsatz verringert sich, wenn die Software-Kosten in die Betrachtung mit einbezogen werden. D. h., die Entwicklung der Datenfernverarbeitung wird wesentlich stärker von den Kosten der Hard- und Software als von den Gebühren der Deutschen Bundespost bestimmt. Die Deutsche Bundespost ist dennoch bemüht, durch den Aufbau speziell für die Datenübertragung geeigneter Fernmeldenetze ihr Leistungsangebot zu erhöhen und die Übertragungskosten zu senken. Sie hat in den vergangenen Jahren dieses Ziel konsequent verfolgt, obwohl sichere Prognosen über Art und Umfang des Datenverkehrs nicht möglich waren, und heute ist sie in der Lage, als erste Fernmeldeverwaltung in der Welt mit dem Aufbau eines Datenwählnetzes zu beginnen. Zu Frage B 37: Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die Datenfernverarbeitung eine Schlüsselrolle für die Rationalisierung in Wirtschaft und Verwaltung einnehmen wird. Insbesondere im personalintensiven tertiären Sektor der Volkswirtschaft (Dienstleistungssektor) wird die Datenfernverarbeitung entscheidend zur Leistungssteigerung und Kostensenkung beitragen können. Die gesellschaftspolitischen Folgen der Datenfernverarbeitung etwa im Bereich der Sozialverwaltung, der Bildung, der Dokumentation und Information bedürfen dabei allerdings einer sorgfältigen Prüfung. Wegen der großen Bedeutung der Datenfernverarbeitung hat die Bundesregierung die Forderung der Datenverarbeitung mit der Planung der Datenübertragungsdienste (Dateidienste) unter einem Minister zusammengefaßt. Im Rahmen der Überlegungen für den Ausbau des technischen Kommunikationssystems wird die Planung und Förderung der Datenfernverarbeitung einen Schwerpunkt bilden. Anlage 65 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hauff vom 4. Juni 1973 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Benz (CDU/CSU) (Drucksache 7/653 Frage B 38) : Ist das Bundesministerium für Forschung und Technologie bereit, ein Gutachten zu vergeben zum Problem des Baus von Kernkraftwerken, insbesondere eines Kernkraftwerksverbunds im Meer? Zu allgemeinen Fragen des Einsatzes von Kernkraftwerken sind vom BMFT bereits mehrere Studien und Gutachten vergeben worden, weitere sind in Vorbereitung. Diese Studien befassen sich mit den langfristigen Aspekten des Kernenergieeinsatzes zur Elektrizitätserzeugung, zur Bereitstellung von Prozeßwärme (z. B. Kohlevergasung) sowie als Antriebsenergie für große und schnelle Schiffe. Dabei werden in einer Studie insbesondere die Umwelteinflüsse behandelt. Probleme der Kernkraftwerksinseln werden z. Z. mit Nachdruck in den USA behandelt, wo die Firma Offshore Power Systems, eine Tochter von Westinghouse und Tenneco, weit fortgeschrittene Projekte verfolgt und von einer Gruppe von Elektrizitätsversorgungsunternehmen Ende 1972 einen Auftrag für zwei Kraftwerksinseln (je 1 100 MWe) erhalten hat. Die beiden Anlagen Atlantic 1 und 2 — sollen 3 Meilen vor der Küste von Atlantic City, N. J., verankert werden und 1980/81 ihren Betrieb aufnehmen. Die Anlagen sollen in einer neuen Fertigungsstätte komplett hergestellt und dann an ihren Standort geschleppt werden. Das BMFT und die Reaktorbauindustrie verfolgen diese Vorhaben aufmerksam. Vorbereitungen für eine Untersuchung der Möglichkeiten solcher Inseln vor der deutschen Küste sind in Abstimmung zwischen der Gesellschaft für Kernenergieverwertung in Schiffbau und Schifffahrt (GKSS) und der Kraftwerk-Union (KWU) bereits vor einem halben Jahr angelaufen. Bei dieser Untersuchung wird zu beachten sein, daß die Standortverhältnisse vor der deutschen Küste ungünstiger sind als in den USA (dort ist eine ausreichende Wassertiefe an langen Küstenstreifen vorhanden; 42 °/o des heutigen Elektrizitätsbedarfs entstehen in einem 200 Meilen breiten Küstenstreifen). Die Probleme der Abwärmeableitung an das Meer, des Energietransports und der atomrechtlichen Genehmigungsvoraussetzungen müssen zunächst genau untersucht werden. Anlage 66 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hauff vom 4. Juni 1973 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Benz (CDU/CSU) (Drucksache 7/653 Frage B 39) : Welche Forschungsprojekte zum Problem des Transports von großen Elektrizitätsmengen werden zur Zeit vom Bundesministerium für Forschung und Technologie gefördert, und wie beurteilt man die Möglichkeit des Einsatzes von Wasserstoff als Energieträger der Zukunft? Deutscher Bundestag -- 7. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Juni 1973 2281' a) Folgende Forschungsprojekte zum Thema „Transport großer Mengen von Elektroenergie" werden z. Z. vorn BMFT gefördert: - 2 Projekte über Supraleitungskabel (NT 171: Siemens und NT 196: AEG, Kabelmetall, Linde, VDK) - 3 Projekte Liber kunststoffisolierte Kabel (NT 301: AEG -- NT 339: Siemens und NT 420: Kabelgruppe) — 1 Projekt über Umwelteinflüsse auf elektrische Anlagen zur Energieübertragung (NT 302: Siemens) — 1 Projekt über Höchstspannungs-Energieübertragung (NT 303: Siemens) ; weiterhin - 2 Projekte über Energieverteilung, insbesondere Hochleistungs-Schaltanlagen (NT 342: AEG und NT 295: Siemens). Eine Studie mit dem Titel „Elektrische Hochleistungsübertragung" ist im Dezember 1972 fertiggestellt worden (Anlage 1). Weiterhin befinden sich 2 Forschungsanträge über druckgasisolierte Höchstspannungsleitungen, 1 Antrag über wassergekühlte Höchstleistungskabel sowie 1 Antrag über Kunststoffkabel in der Begutachtung; eine Entscheidung erfolgt in Kürze. Über die bereits laufenden Projekte wird der demnächst vorliegende Forschungsförderungskatalog 1972 eine detaillierte Auskunft geben. b) Der Einsatz von Wasserstoff als Energieträger verdient zweifellos stärkste Beachtung. Bei den Technologien zur Wasserstofferzeugung steht die Entwicklung - zumindest was wirtschaftliche Verfahren betrifft — noch in den Anfängen. Das BMFT hat zu diesem Thema bereits eine viel beachtete Studie durchführen lassen, es handelt sich um die „Studie über die wirtschaftlichen Aussichten von mit nuklearer Prozeßwärme erzeugtem technischem Wasserstoff" (Fichtner-Studie). Weitere diesbezügliche Untersuchungen sind im Gange, vor allem befaßt sich auch die Anlage Ispra der Gemeinsamere Forschungsstelle von Euratom seit einer Reihe von Jahren mit dem Problem, F E — Projekte bestehen noch nicht. Technologien zur Anwendung von Wasserstoff werden bereits seit einigen Jahren intensiv vom BMFT (vormals BMBW) gefördert; es handelt sich hier um größere F i- E-Vorhaben auf dem Gebiet der Brennstoffzellen, die mit hohem Wirkungsgrad und ohne jegliche schädliche Emissionen elektrische Energie aus Wasserstoff gewinnen. Mit Hilfe dieser Förderungsmaßnahmen hat die deutsche Industrie hier eine führende Position erlangt. Anlage 67 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hauff vom 7. Juni 1973 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Pfeffermann (CDU/CSU) (Drucksache 7/653 Fragen B 40 und 41) : Nachdem Staatssekretär Di. Hauff auf eine entsprechende Anfrage im Bundestag zur Frage einer Quantifizierung der Rationalisierungsmöglichkeit für die Einführung von Standardpaketen ausgeführt hat, daß die Einführung eines Normpakets Vorteile für das Be- und Entladen, das Sortieren und die Stapelfähigkeit der Pakete mit sich bringen würde, frage ich die Bundesregierung, ob diese Antwort auch beinhaltet, daß mit der Einführung einer Standardisierung der Paketgrößen Kostenersparnisse erzielt worden können. Ist mil der Einführung des Normpakets daran gedacht, die zur Zeit als Sperrgut zugelassenen nicht bandfähigen Paketsendungen künftig von der Postbeförderung auszuschließen, um durch die notwendig werdende zweigleisige Bearbeitung von Paketsendungen Kostenersparnisse zu erzielen, und wie stellt sich in diesem Zusammenhang die Bundesregierung die Versorgung der Bevölkerung auf dem flachen Land mit sperrigen Paketsendungen vor, wenn die Deutsche Bundespost ihren derzeitigen Dienst einschränkt, und wie sieht sie vor allem die Entwicklung der Beförderungsgebühren, wenn eine Verlagerung der Beförderung und insbesondere Verteilung solcher Postsendungen auf private Unternehmen stattfindet und das Problem entsteht, ob die dann entstehenden Gebühren nach den Selbstkosten berechnet oder unter Berücksichtigung allgemeinpolitischer Gesichtspunkte, wie sie zur Zeit bei der Deutschen Bundespost gelten, festgesetzt werden, und wenn zu entscheiden ist, wer dann das entstehende Defizit trägt? Die Einführung von Standardmaßen im Paketdienst würden Vorteile für das Be- und Entladen, das Sortieren und die Stapelfähigkeit der Pakete mit sich bringen. Im Zusammenhang mit anderen Vorhaben, z. B. der Einführung von Kleinbehältern, würden auch Kostenersparnisse erzielt werden können. Es ist im Augenblick nicht beabsichtigt, dann die als sperrig zugelassenen Pakete von der Beförderung auszuschließen, so daß also die Versorgung — auch die der Bevölkerung auf dem flachen Lande — mit sperrigen Paketen durch die Deutsche Bundespost auch weiterhin sichergestellt sein wird. Es wer-, den z. Z. auch keinerlei Überlegungen dahin gehend angestellt, die bestehende Gebührengleichheit im Raum zugunsten eines gesplitteten und auf einzelne Verkehrsrelationen bezogenen Tarifs zu ändern. Gute, d. h. kostengünstige — und schlechte Relationen werden auch weiterhin durch eine einheitliche Gebühr ausgeglichen werden. Anlage 68 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hauff vom 7. Juni 1973 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Niegel (CDU/CSU) (Drucksache 7/653 Frage B 42) : Trifft es zu, daß die Deutsche Bundespost den Kraftpostreisedienst zum Ende dieses Jahres abgeben will, und welche Folgen hat dies für das beschäftigte Personal sowie für die betroffenen Gebiete unter Berücksichtigung der Verkehrsversorgung für die Bevölkerung? Im Rahmen einer vom Kabinett beschlossenen Überprüfung der finanziellen Situation der Deutschen Bundespost hat eine interministerielle Arbeitsgruppe den Auftrag erhalten, vorrangig Lösungsvorschläge für die defizitären Dienstzweige zu erarbeiten. Der Postreisedienst ist ein Personenbeförderungsdienst neben vielen anderen Personenbeförderungsunternehmen. Sein Verkehrsumfang — gemessen am Gesamtverkehr ist sehr niedrig (rd. 8 v. H.). Die Arbeitsgruppe wird deshalb auch die Frage prüfen, ob es noch Aufgabe der Deutschen 2282* Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Juni 1973 Bundespost sein kann, diesen Dienstzweig aufrechtzuerhalten, oder ob es sinnvoller ist, ihn abzugeben. Welche Lösungsmöglichkeit die Arbeitsgruppe erarbeitet, muß abgewartet werden. Von der Abgabe des Postreisedienstes würden rd. 7000 Kräfte betroffen. Diese Kräfte genießen bei der Deutschen Bundespost einen umfassenden Rationalisierungsschutz. Für die Kunden würde eine Abgabe des Postreisedienstes keine fühlbaren negativen Auswirkungen haben. Das nachweisbare Verkehrsbedürfnis muß von jedem Verkehrsnachfolger der Deutschen Bundespost genauso bedient werden wie bisher von der Post. Hierauf würden schon die Genehmigungsbehörden, die für einen reibungslosen Verkehr verantwortlich sind, drängen. Zu ersatzlosen Einstellungen von notwendigen Verkehrsverbindungen würde es demnach nicht kommen.
Gesamtes Protokol
Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0704000000
Meine Damen und Herren! Die Sitzung ist eröffnet.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die Tagesordnung um die in der Ihnen vorliegenden Liste aufgeführte Vorlage ergänzt werden:
Beratung der aufhebbaren Verordnung der Bundesregierung über die Begrenzung der Kreditaufnahme durch Bund, Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 1973
— 7/Drucksache 682 —
Überweisungschlag des Ältestenrates: Haushaltsausschuß
— Das Haus ist damit einverstanden. Die Erweiterung der Tagesordnung, meine Damen und Herren, ist beschlossen.
Folgende amtliche Mitteilung wird ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Vorsitzende des Innenausschusses hat mit Schreiben vom 7. Juni 1973 mitgeteilt, daß der Ausschuß gegen die nachfolgende, bereits verkündete Vorlage keine Bedenken erhoben hat:
Verordnung (Euratom, EGKS, EWG) des Rates zur Anpassung der Berichtigungskoeffizienten, die auf die Dienst- und Versorgungsbezüge der Beamten und sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften anwendbar sind
— Drucksache 7/434 —
Ich rufe Punkt 42 der verbundenen Tagesordnung auf:
a) Große Anfrage der Abgeordneten Rollmann, Frau Stommel, Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein, Burger, Dr. Götz, Kroll-Schlüter, Dr. Kempfler, Dr. Fuchs und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU
betr. Rauschmittel- und Drogenmißbrauch — Drucksachen 7/227, 7/620 —
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Rollmann, Kroll-Schlüter, Lampersbach, Pohlmann, Frau Schleicher und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU betr. Rauschmittel- und Drogenmißbrauch
— Drucksache 7/671 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit
Ich frage, meine Damen und Herren, wer das Wort zur Begründung wünscht? — Herr Abgeordneter Rollmann, Sie haben das Wort.

Dietrich-Wilhelm Rollmann (CDU):
Rede ID: ID0704000100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unsere Große Anfrage zum Rauschmittel- und Drogenmißbrauch und die Antwort der Bundesregierung geben uns Gelegenheit, erstmalig in dieser Legislaturperiode in diesem Hause die Probleme des Rauschmittel- und Drogenmißbrauchs in der Bundesrepublik Deutschland zu debattieren. Und so wie die Bundesregierung in ihrer Beantwortung unserer Großen Anfrage sich nicht auf die Fragen beschränkt hat, die wir gestellt haben, so möchte auch ich heute umfassender auf die Situation des Rauschmittel- und Drogenmißbrauchs eingehen dürfen.
Wie sind die Fakten? Seit 1969 greift der Rauschmittel- und Drogenmißbrauch in der Bundesrepublik Deutschland wie ein Steppenbrand um sich. Bei einer hohen Dunkelziffer stieg die Zahl der bekanntgewordenen Rauschgift- und Drogendelikte von 1 349 im Jahre 1967 auf 4 761 im Jahre 1969, auf 16 104 im Jahre 1970, auf 25 287 im Jahre 1971 und schließlich auf 25 679 im Jahre 1972. Um an Rauschmittel und Drogen heranzukommen, wurde 1968 31mal, 1970 820mal, 1971 1 915mal und 1972 2 385mal in Apotheken, pharmazeutische Großhandlungen und Arztpraxen eingebrochen. Der Anteil der minderjährigen Täter zwischen 14 und 21 Jahren stieg nach den Angaben des Bundeskriminalamtes von 8,6 % im Jahre 1960 auf 67% im Jahre 1970, auf 70,4% im Jahre 1971, um dann im Jahre 1972 auf 61,2% leicht abzusinken.
30 bis 40 % aller jungen Menschen im Alter von 15 bis 25 Jahren haben bereits Rauschmittel- und Drogenerfahrung. 400 000 junge Menschen im Alter von 12 bis 25 Jahren — das sind 4 % der ganzen Altersgeneration — sind Gelegenheitskonsumenten, 40 000 — das sind 0,4 % der ganzen Altersgeneration — sind bereits Dauerkonsumenten und 10 000 — das sind 0,1 % der ganzen Altersgeneration — injizieren sich Rauschmittel und Drogen in die Blutbahn, sind Fixer, sind abhängig, sind süchtig. Entweder haben wir heute bereits in der Bundesrepublik Deutschland jene durch Rauschmittel- und Drogengenuß arbeitsunfähig gewordenen 60 000 Jungrentner, von denen die Diplompsychologin Lilo Süllwold von der Frankfurter Universität spricht, oder wir werden sie in wenigen Jahren haben, wie die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme vom 2. November zu unserer Großen Anfrage zum Rauschmittel- und Drogenmißbrauch in der letzten Legislaturperiode des Bundestages annimmt.



Rollmann
Während die Zahl der Probierer und Gelegenheitskonsumenten abnimmt, erhöht sich die Zahl der Dauerkonsumenten und Fixer, wird nach dem Motto „Heroin hält, was Hasch verspricht" zunehmend von den weicheren Drogen auf die härteren Stoffe umgestiegen, verlagert sich der Rauschmittel- und Drogenmißbrauch mehr und mehr auf die jüngeren Jahrgänge, das weibliche Geschlecht, die Lehrlinge und Berufsschüler sowie auf die junge Generation auf dem Lande und in den kleinen Städten. Von den 12- bis 13jährigen haben bereits 0,5 % Rauschmittel-und Drogenerfahrung, und der 12- bis 13jährige Fixer ist, um mit der Bundesregierung selbst zu sprechen, immer noch eine Seltenheit, aber leider kein Einzelfall mehr.
Wie sieht es nun mit der Bekämpfung des Rauschmittel- und Drogenmißbrauchs aus? Seit 1970 haben wir das mit viel Getöse verkündete und verbreitete „Aktionsprogramm der Bundesregierung zur Bekämpfung des Rauschmittel- und Drogenmißbrauchs". Und wir alle haben wohl auch noch die markigen Worte des Herrn Bundeskanzlers in der Regierungserklärung vom 18. Januar 1973 im Ohr, wo er sagte:
Wir können, wir dürfen es nicht hinnehmen, daß viele unserer jungen Menschen durch die Profitinteressen weniger Rauschgifthändler in eine verhängnisvolle Abhängigkeit getrieben werden. Der Handel mit harten Drogen ist die Anstiftung zum Selbstmord auf Raten.
Auf vielen Seiten, umfänglich und wohlformuliert, hat die Bundesregierung in ihren Antworten und Stellungnahmen auf unsere Großen und Kleinen Anfragen dargelegt, was sie alles zur Verwirklichung ihres Aktionsprogramms und der Ankündigung des Herrn Bundeskanzlers getan hat. Nun, es wird im einzelnen noch darüber zu sprechen sein, daß die Konzeption der Bundesregierung zur Bekämpfung des Rauschmittel- und Drogenmißbrauchs nicht ausreicht, daß das Aktionsprogramm der Bundesregierung mehr „Programm" geblieben als „Aktion" geworden ist und daß sich die Worte des Herrn Bundeskanzlers vollends als Schaum erwiesen haben. Nichts ist auf Grund der Worte des Herrn Bundeskanzlers in seiner Regierungerklärung zusätzlich geschehen.
Was uns hier und die Menschen in diesem Lande in erster Linie interessiert, das sind nicht Worte und Programme, sondern das ist die Wirksamkeit, das ist die Effektivität der Politik der Bundesregierung auch auf diesem Feld. Und da beweisen nun einmal die Zahlen, daß in der Regierungszeit dieser Bundesregierung nicht nur eine Rauschgift- und Drogenepidemie unser Land überzogen hat, sondern daß die Bundesregierung dieser Rauschgift- und Drogenepidemie auch nicht Herr geworden ist.

(Abg. Anbuhl: Gehen Sie doch mal ins Ausland! — Weitere Zurufe von der SPD.)

Es ist richtig, daß diese Epidemie 1972 statistisch nicht weiter angewachsen ist, sondern auf einem hohen Niveau stagniert; dafür aber sind weithin aus den Gelegenheitskonsumenten milder Drogen von
clamals die Dauerkonsumenten harter Drogen von heute geworden
Sie waren es doch, meine Damen und Herren von der Koalition, die leichtfertig und vermessen am Beginn Ihrer Regierungszeit versprochen haben, den Teil der unruhigen jungen Generation, der sich aus angeblicher Unzufriedenheit mit den staatlichen und gesellschaftlichen Verhältnissen in diesem Lande in den Haschischgenuß und in die APO geflüchtet hatte, wieder mit diesem Staat und dieser Gesellschaft zu versöhnen. Wie muß es heute eigentlich um die Zustände in Staat und Gesellschaft bestellt sein, wenn sich dieser Teil der unruhigen jungen Generation nicht mehr dem Hasch hingibt, sich nicht mehr in der APO befindet — das waren offensichtlich goldene Zeiten —, sondern längst entweder zu den harten Drogen oder zu den Kommunisten übergegangen ist!

(Lachen und Zurufe von der SPD. — Abg. Fiebig: Sie haben ja keine Ahnung!)

Nun zu Ihrem Aktionsprogramm und seiner Verwirklichung. Wir erkennen die Erfolge an, die bei der Aufklärung der Bevölkerung und der jungen Generation über die Gefahren des Rauschmittel-und Drogenmißbrauchs erzielt worden sind. Heute weiß man in diesem Lande, was es heißt, zu Rauschmitteln und Drogen zu greifen, mit welchen Gefahren für Gesundheit und Leben dieses verbunden ist. Wir meinen, daß diese Aufklärungsarbeit fortgesetzt und vor allen Dingen in der Richtung intensiviert werden muß, daß die Bundesregierung klare und überzeugende Beweise für die Gefährlichkeit des Genusses der Hanfprodukte, des Haschisch und des Marihuana, vorweist. Die Gefährlichkeit dieser Produkte ist nicht nur in der Drogenszene selbst, sondern auch in der öffentlichen Meinung nach wie vor stark umstritten.
Die unbestreitbaren Erfolge in der Information und Aufklärung werden allerdings durch eine Literatur immer wieder gefährdet, die den Genuß von milden Drogen, ja, von harten Rauschmitteln verharmlost und propagiert. In dem ro-ro-ro aktuell Nr. 1543 „Helft euch selbst!" — „Release-Report gegen die Sucht" wird zum Beispiel die ReleaseInformation I wiedergegeben, in der es heißt:
The cool user injiziert nicht (und wenn er es tut, achtet er darauf, daß sein Werkzeug sauber und daß keine Luft innerhalb der Pumpe ist). Macht keine Experimente mit unbekannten Drogen. Stellt hohe Anforderungen an die Qualität der Drogen sowie an die Vertrauenswürdigkeit des Dealers. Gebraucht nicht irgendeine Kombination von Drogen. Raucht und trinkt nur in vertrauenswürdiger Gesellschaft und entspannter Umgebung. Gönnt sich selbst mindestens einen Tag für einen Trip. Wartet ein paar Wochen nach einem schlechten Trip, bevor er den Versuch macht, eine neue Reise zu unternehmen. Weiß, daß Drogen zur Realität gehören, aber auch, daß Realität mehr ist als ausschließlich Drogen.
Zu Marihuana und Haschisch heißt es dann unter
anderem: „Intelligenter Gebrauch ist harmlos."

Rollmann
Manche dieser Schriften sind doch richtige Rezeptbücher für die Anrichtung und für den Genuß von Drogen!
Wir sind der Meinung, daß diese Schriften, die die junge Generation in diesem Lande zu Rauschmittel-und Drogenmißbrauch verleiten, jugendgefährdend sind und nach dem Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften indiziert werden müssen. Wir haben die Bundesregierung, die wie niemand sonst in diesem Lande einen Überblick über diese Schriften hat, mehrfach aufgefordert, die entsprechenden Indizierungsanträge bei der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften zu stellen. Die Bundesregierung hat das aus Gründen, die wir nicht akzeptieren, abgelehnt — zuletzt noch in der Antwort auf unsere Große Anfrage — und sich auf einen wirkungslos gebliebenen offenen Briefwechsel mit dem Vorsitzenden des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels beschränkt.
Wir werden nun in der Frage der Indizierung den Weg über die christlich-demokratisch regierten Länder gehen. Es ist unserer Auffassung nach ein Unding, auf der einen Seite Millionen Mark für die Aufklärung der Bevölkerung über die Gefahren des Rauschmittel- und Drogenmißbrauchs auszugeben und auf der anderen Seite in den Buchhandlungen und Kiosken dieses Landes eine drogenfreundliche Literatur zu tolerieren.

(Abg. Dr. Ritz: Sehr wahr!)

Der nächste Punkt, dem ich mich im Rahmen unserer Großen Anfrage zuwenden möchte, ist die Beratung und Behandlung der Rauschmittel- und Drogenkonsumenten. Hier sieht es schon sehr viel düsterer aus. Niemand bestreitet, daß die Bundesregierung in den vergangenen Jahren vieles an Maßnahmen und Einrichtungen der Beratung und Behandlung angeregt und manches gefördert hat; aber das alles ist doch ohne eine datenmäßig abgesicherte Konzeption geschehen. Die Bundesregierung hat es bis heute versäumt, sich die notwendigen Daten für ein sinnvolles staatliches Handeln in diesem Bereich zu schaffen. Der Bundesregierung ist nur ungefähr bekannt, wie viele Rauschgift- und Drogenkonsumenten, wie viele Rauschgift- und Drogenabhängige es wirklich gibt, wie und wo sie sich verteilen. Sie weiß nichts Genaues über den Bestand und Fehlbestand an Einrichtungen der Beratung und Behandlung, über den Bestand und Fehlbestand an Mitarbeitern. Sie kennt nur grob die Mittel, die die Länder und Gemeinden sowie die freien Träger des Kampfes gegen den Rauschmittel- und Drogenmißbrauch aufwenden, und was sie damit finanzieren.
Und so gibt es hier eine Drogenberatungsstelle und dort keine, so bestehen hier Möglichkeiten der ambulanten und stationären Behandlung und dort nicht, so existieren hier sozialtherapeutische Wohn-und Arbeitsgemeinschaften und dort keine. So mangelt es hier an Mitarbeitern und dort nicht. Die Bundesrepublik Deutschland ist im Kampfe gegen den Rauschmittel- und Drogenmißbrauch eine Fleckenkarte. An der einen Stelle passiert etwas, wird Menschen geholfen, die sich in Not befinden, und an der anderen Stelle, wo es genauso wichtig ist, passiert nichts, werden gefährdete und kranke Menschen sich selbst überlassen. Insgesamt fehlt es in der Bundesrepublik Deutschland nach wie vor an Einrichtungen der Beratung und Behandlung, an sozialtherapeutischen Wohn- und Arbeitsgemeinschaften, an haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern in der Drogenszene.
Jedes Defizit, wo auch immer es sich befindet, bedeutet eine weggeworfene Chance, einem gefährdeten und kranken Menschen zu helfen. Die Bundesregierung aber weiß nicht, was fehlt, wo es fehlt, und sie besitzt bis heute kein Konzept, wie und bis wann die Defizite in der Bekämpfung des Rauschmittel- und Drogenmißbrauchs in diesem Lande beseitigt werden sollen. Wen wundert es da eigentlich noch, daß wir mit der Bekämpfung des Rauschmittel-und Drogenmißbrauchs in den vergangenen Jahren nicht besser vorangekommen sind?
Die Bundesregierung versteckt sich hinter ihrer mangelnden Zuständigkeit und verweist auf die Länder und die Gemeinden, als ob angesichts der wahrhaft nationalen Bedeutung dieses Problems sie sich damit jemals entschuldigen könnte und als ob nicht die Bundesregierung unter dem Zeichen des kooperativen Föderalismus mit den Ländern und den Gemeinden sowie den freien Trägern gemeinsame Planungsgrundlagen zu schaffen, gemeinsame Konzepte zu entwerfen und gemeinsame Vorstellungen zu verwirklichen hätte.
Nehmen wir doch die Bundesregierung beim Worte ihres Kanzlers: Wir können, wir dürfen es nicht hinnehmen, daß viele unserer jungen Menschen in eine verhängnisvolle Abhängigkeit von Rauschmitteln und Drogen getrieben werden. Wir fordern die Bundesregierung durch unseren Antrag auf der Drucksache 7/671 heute erneut auf, gemeinsam mit den Bundesländern und den Gemeinden sowie den freien Trägern den Bestand und Fehlbestand an Einrichtungen und Mitarbeitern in der Aufklärung, Beratung und Behandlung von Rauschmittel- und Drogengefährdeten festzustellen und ein finanziell abgesichertes Mehrjahresprogramm für die Beseitigung dieses Fehlbestandes aufzustellen und zu verwirklichen.
Wir sehen wie die Bundesregierung die Parallelen zwischen dem Rauschmittelmißbrauch, dem Alkoholismus, der Tablettensucht und der Selbstmordquote — man könnte noch einiges andere hinzufügen —, und wir sehen mit der Bundesregierung, wie das alles oftmals einer Quelle entspringt: der Unfähigkeit vieler Menschen, mit sich selbst und ihrer Umwelt zurechtzukommen. Wir stimmen der Bundesregierung auch darin zu, wenn sie die Stärkung der Erziehungskraft der Familie als eines der Mittel zur Bekämpfung des Drogenmißbrauchs ansieht, fragen uns dann aber, warum die Bundesregierung in den vergangenen Jahren so wenig für die Familie getan hat. Es ist ein Hohn, wenn sie auf die Verbesserung des Familienlastenausgleichs hinweist, wo sich — bis auf kleine, geringfügige Verbesserungen — die Politik der Bundesregierung doch in der Ablehnung der Anträge der CDU/CSU-Fraktion, die auf eine Verbesserung des Familienlastenausgleichs hinziel-



Rollmann
ten, erschöpft hat. Niemals ist es den Familien in diesem Lande doch schlechter gegangen als in diesen vergangenen Jahren der Regierung der sozialliberalen Koalition und der Inflation, die sie herbeigeführt hat.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)

Wenn wir jetzt bei der Bundesregierung aber auf eine Tendenz treffen, den Kampf gegen den Rauschmittel- und Drogenmißbrauch in den Kampf gegen den Alkoholismus, die Tablettensucht und die Selbstmordquote einzuordnen und, wie die Bundesregierung sagt, ihn zu einem Teil eines „neu zu entwickelnden psycho-hygienischen Programmes" werden zu lassen, wenn die Bestands- und Bedarfsdaten an Einrichtungen und Mitarbeitern in der Rauschmittel- und Drogenszene nach Meinung der Bundesregierung erst „als ein Teilaspekt der Gesamterhebung zur Lage der Psychiatrie anzusehen und in diese langfristige Planung einzubeziehen" sind, dann sagen wir dazu nein. Denn das wäre das Ende unseres aktuellen Kampfes gegen den Rauschmittel- und Drogenmißbrauch. Das wäre die Verschiebung dieses Kampfes auf einen Tag, von dem wir nicht wissen, ob und wann er je kommen wird.
Der Alkoholismus, die Tablettensucht und die Selbstmordquote sind so alte Probleme in diesem Lande, die so wenig angepackt, die so wenig gelöst sind, daß wir dem Kampf gegen den Rauschmittel- und Drogenmißbrauch seine Vitalität nehmen, wenn wir ihn in diesen Kampf eingliedern. Bleibt der Kampf gegen den Rauschmittel- und Drogenmiß-brauch nicht Gegenstand unserer besonderen Sorge, nicht Gegenstand eines eigenen Programmes, dann werden wir in diesem Kampf unterliegen, und Tausende von Menschen werden dieses Unterliegen nicht nur mit ihrer Gesundheit, sondern mit ihrem Leben zu bezahlen haben.
Ich möchte im Namen der CDU/CSU-Fraktion allen danken, die in den vergangenen Jahren an vorderster Front den Kampf gegen den Rauschmittel- und Drogenmißbrauch in diesem Lande geführt haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

den Männern und Frauen in den Drogenberatungsstellen, den Ärzten und Schwestern in der ambulanten und stationären Behandlung, den Therapeuten in den Wohn- und Arbeitsgemeinschaften, den Beamten der Polizei und des Zolls, allen haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern und Helfern in der Drogenszene. Sie leisten eine Arbeit, die mühevoll ist und manchmal hoffnungslos erscheint. Diese Arbeit verdient die Anerkennung des gesamten Parlamentes.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0704000200
Sie haben die Begründung der Großen Anfrage gehört. Wir treten in die Aussprache ein. Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär Westphal beim Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0704000300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Rollmann, nun hatte ich mich so auf diese Diskussion und Debatte gefreut in der Hoffnung, in der Begründung der Großen Anfrage Neues und Interessantes zu diesem wichtigen und schwierigen Thema zu hören. Der Eindruck, den man nach dieser Rede haben mußte, Herr Rollmann, war doch der: sie war schon vor der Beantwortung der letzten Großen Anfrage veraltet.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Da war doch nichts, aber auch nichts an neuem Gedankengang. Leider war auch nicht zu erkennen, daß Sie das, was wir, als Regierung verpflichtet, Ihnen als Antwort auf Ihre Große Anfrage gegeben haben, auch nur gelesen hatten.
Herr Rollmann, nehmen Sie nur — damit ich nicht allzuviel Zeit darauf verwende — dieses eine Beispiel heraus, bei dem Sie sagen, wir hätten in der Frage der Indizierung von Schriften, die den Drogenmißbrauch verharmlosen oder gar verherrlichen, von uns aus nicht geprüft und nichts getan. Da steht im ersten Teil des Absatzes der Antwort auf Ihre Frage zu diesem Thema:
Eine Prüfung von Publikationen, in denen Drogenprobleme behandelt wurden, führte zu den' Ergebnis, daß der Wissenschaftsvorbehalt des § 1 Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften einer Indizierung möglicherweise entgegensteht. Unabhängig davon ist die Bundesregierung der Auffassung, daß eine Aufnahme verführender Drogenliteratur in die Liste der jugendgefährdenden Schriften möglich und ratsam ist.
Die Bundesprüfstelle hat inzwischen mit ihrer Entscheidung Nr. 2384 vom 6. Oktober 1972 die Indizierung von zwei Ausgaben einer Jugendzeitschrift u. a. ausdrücklich damit begründet, daß der Reifungsprozeß jugendlicher Leser durch die Empfehlung von Drogenkonsum verhindert oder erschwert werde.
Es werden dann weitere Indizierungen angeregt.

(Abg. Rollmann: Das waren doch nicht Ihre Anträge, Herr Westphal; das waren Anträge von CDU-regierten Ländern! Die Bundesregierung hat doch nichts gemacht!)

— Wenn die Länder etwas tun, finde ich das erfreulich. Ich finde Ihre Anregung gar nicht schlecht. Unsere Überlegung — dies steht auch dort erneut — haben wir Ihnen schon oft gesagt:

(Zuruf von der CDU/CSU: Sie sollen nicht überlegen, Sie sollen etwas tun!)

Dieses Bundesministerium hat für die Bundesprüfstelle gleichzeitig auch die Dienstaufsicht. Wir möchten nicht in Interessenkonflikte kommen. Wir haben immer gewünscht und erwartet, daß die Länder ihre Verpflichtung erfüllen, über die obersten Jugendbehörden Anträge zu stellen. Die Möglichkeit hierzu ist gegeben, und es ist auch davon Gebrauch gemacht worden.



Parl. Staatssekretär Westphal
Auch Ihr Antrag, Herr Rollmann, geht doch dahin, daß wir wiederum weiter nichts tun sollen als Berichte und Statistiken schreiben. Das ist doch der einzige Inhalt Ihres Antrags.

(Abg. Rollmann: Sie sollen Ihr Jahresprogramm machen!)

Sie halten die Verantwortlichen in den Ländern und Gemeinden und auch auf der Bundesebene von der Arbeit an den Problemen ab, wenn Sie verlangen, daß wir uns weiterhin darum bemühen, Statistiken zu schreiben.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Sie sagen, es sei zur Ausfüllung des Programms von 1970 nichts geschehen. Ich kann Ihnen nicht alles vorlesen, was in der Antwort auf die Große Anfrage steht. Ich habe soeben nur einmal rasch durchgezählt. Zu all den wichtigen Bereichen, in denen es um die Veränderung der Gesetzgebung geht, ist Ihnen unter zehn Spiegelstrichen in unserer Antwort Auskunft gegeben worden. Zehn verschiedene Dinge sind geschehen. Im Hinblick auf die Verbrechensbekämpfung gibt es elf Darlegungen über das, was auf diesem Gebiet seit dem 10. November des Jahres 1970 vollzogen ist. In der Frage der Aufklärung ist von nicht weniger als 23 unterschiedlichen Maßnahmen die Rede. In der Frage von Forschung und Dokumentation sind weitere zehn Fakten aufgezählt. Nachlesen, Herr Rollmann! Und was die internationale Zusammenarbeit angeht, sind in der Antwort Hinweise auf 16 Maßnahmen enthalten.
Nun wende ich mich von Ihnen, Herr Rollmann, ab und dem zu, was zur Sache zu sagen ist.

(Abg. Dr. Götz: Ab von der Polemik und hin zum Sachlichen!)

Die CDU/CSU-Fraktion hat uns in diesem Sinne die Gelegenheit gegeben, zu diesem Thema Neues, sozusagen nach dem Stand von heute, zu sagen. In der Ihnen vorgelegten Antwort hat sich die Bundesregierung umfassend geäußert und nicht nur die speziellen Einzelfragen beantwortet. Sie hat dies getan, um einen vollständigen Überblick zu geben und nicht lediglich einzelne Tatbestände herausgreifen, über die man durchaus unterschiedlicher Auffassung sein kann.
Wenn heute über die Drogengefährdung eines Teils der Jugend debattiert wird, dann kann dies nicht ohne die gleichzeitige Erörterung der sozialen Zusammenhänge geschehen, aus denen heraus sich das Mißbrauchsverhalten überhaupt erst erklären läßt. Wer dies unberücksichtigt läßt, bleibt zwangsläufig an der Oberfläche und kann keinen konstruktiven Beitrag zur Lösung der Grundstörungen, die uns in der Form des Mißbrauchs von Drogen und Rauschmitteln begegnen, geben.
Wir wissen aus einer Vielzalhl von Einsendungen, daß es eine unterschwellige Meinung gibt, die mit der Forderung nach drakonischen Strafen, der Einrichtung von Arbeitslagern für Drogenabhängige und sogar einer makabren Form von Sterbehilfe verbunden ist, bei der Abhängigen Drogen kostenfrei gegeben werden sollen, weil sie sich, wie man meint, sowieso totfixen würden. Das sind Symptome
für eine Einstellung, die für eine sich menschlich und sozial nennen wollende Gesellschaft unerträglich ist, eine Einstellung, .die gefährlich ist, gefährlich deshalb, weil sie das Verständnis dafür blokkiert, wie es zu derart abweichendem Verhalten kommen kann. Gerade dies aber ist die Frage, mit der wir uns sehr intensiv zu beschäftigen haben und bei der schon eine erste unvoreingenommene Betrachtung zeigt, daß hier Zusammenhänge erkennbar werden, die für unsere Gesellschaft ganz allgemein von außerordentlicher Bedeutung sind.
Diese Debatte, meine Damen 'und Herren, in der die Bundesregierung Gelegenheit hat, offengebliebene Fragen zu erläutern und nachzuweisen, daß ihr Aktionsprogramm die erwartete Soforthilfe gebracht hat, kann wichtige Impulse für eine Neuorientierung der Gesundheits- und Jugendpolitik geben, die sich zunehmend stärker als integrierte Bestandteile der Gesellschaftspolitik begreifen müssen.
In der Ihnen vorliegenden Antwort zur Situation der Drogengefährdung eines Teils unserer jungen Menschen ist ein deutlicher Hoffnungsschimmer gegeben, die Gesamtsituation in absehbarer Zeit unter Kontrolle zu haben. Nicht nur der Rückgang der Zahl derjenigen, die Drogen einmal probiert oder über längere Zeit, jedoch in größeren Abständen, genommen haben also diejenigen, die wir Probierer nennen —, ist dafür verantwortlich. Wichtiger erscheint mir die Feststellung, daß die Vorverlagerung auf immer jüngere Jahrgänge doch wohl nur Einzelerscheinungen sind, die wegen ihrer Besonderheit große Öffentlichkeitswirkung haben und auch den Eindruck erwecken, die Epidemie sei nunmehr in das Kindesalter vorgedrungen. 0,5 °/o der Zwölf-und Dreizehnjährigen hat Drogenerfahrung. Das ist eine Zahl, aber sie ist im Vergleich zu dem, was wir befürchten mußten, nicht so, wie sie hätte werden können. Und selbst diese Zahl scheint noch ein oberer Wert zu sein, wenn man einmal genauer hinsieht, was von den Jugendlichen — von den Kindern, muß man in diesem Falle wahl sagen — darunter verstanden wird.
Erfreulich ist auch, daß die Maßnahmen von Polizei und Zoll offenbar Erfolge gehabt haben und man heute nicht mehr so leicht an die illegalen Drogen herankommen kann. Hier deutet sich wohl eine Entwicklung zum Bessern an. Bemerkenswert erscheint mir, daß erstmals seit 1968 die Rauschgiftkriminalität praktisch nicht weiter zugenommen hat, daß der Anteil jugendlicher Tatverdächtiger sogar deutlich zurückging und ebenso eine Abnahme der Zahl schwerer Rauschgiftdelikte im Jahre 1972 verzeichnet werden konnte. Insgesamt scheint es, daß die epidemische Ausbreitung zum Stillstand gekommen ist.
Kürzlich wurden aus Nordrhein-Westfalen erste Ergebnisse einer großen Untersuchung bekannt, die sich ziemlich genau mit den Angaben decken, die für die Beantwortung der Großen Anfrage ermittelt worden sind. In den Zeitungen war dazu allerdings nicht zu lesen, daß der Drogenmißbrauch nachgelassen habe und nicht mehr, wie für 1971 angenommen werden mußte, jeder dritte Jugendliche Drogenerfahrung hat, sondern nur noch jeder sechste. Die



P
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0704000400
„Jeder sechste Schüler hat Rauschdrogen genommen."
Das ist es, meine Damen und Herren, was ich eingangs meinte: Dramatisierung statt sachlich nüchterner Vergleich. Ich werde meinerseits nichts tun — das ist ganz klar um das Problem zu verniedlichen. Der ganze Ernst und die Schwierigkeit muß jedem von uns ständig bewußt bleiben. Aber in solchen Zeitungsmeldungen spiegelt sich ein mit Furcht durchsetztes Interesse, das in Resignation umschlägt, wenn der Eindruck aufkommt: Es hat alles nichts genutzt; Millionenbeträge haben nichts ausrichten können. Dann wird man wieder — bezogen auf d i e Jugend — von selbstverschuldeter Gefährdung sprechen und fordern, die Hilfen einzustellen und die Drogenabhängigen sich selbst zu überlassen — eine im Grunde doch wohl inhumane Einstellung, die in einem sozialen Staat nicht aufkommen darf.
Die Drogengefährdung eines Teiles der Jugend folgt den Grundsätzen, die wir von ansteckenden Krankheiten kennen. Die zu ihrer Bekämpfung einzusetzenden Maßnahmen haben sich entsprechend auszurichten. Zuerst muß die Ausbreitung der Epidemie verhindert werden. Bei ansteckenden Krankheiten kann man dies durch Schutzimpfungen und Erschwerung der Übertragbarkeit tun. Bei sozialen Epidemien — und darum handelt es sich in diesem Falle — kann man, muß man durch Information, Beratung und auch Warnung, selbstverständlich auch durch die Einschränkung der Verfügbarkeit gefährlicher Drogen, die Anfälligkeit verringern, die Abwehrhaltung verstärken. Dies ist in großem Umfang durch den Einsatz vielfältiger Aufklärungsmedien erfolgt, und — wie an dem gewachsenen Informationstand besonders der jungen Leute ablesbar ist — mit Erfolg. Die Abwehrhaltung bei den nicht konsumierenden Jugendlichen ist teilweise so stark geworden, daß sie die Minderheit der Drogen konsumierenden Jugendlichen ablehnen und diese dadurch vielleicht noch mehr ins Abseits treiben und sogar zu Minderheitenreaktionen veranlassen, die wiederum mit verstärkter Gefährdung verbunden sind. Deshalb wurden die Aufklärungsmaßnahmen weiterentwickelt und nicht nur auf die Drogen selbst beschränkt, sondern erweitert, damit man verstehen lernt, warum Jugendliche zu Drogen greifen.
Dieser Ansatz wird auch künftig von uns verfolgt. Wir haben dafür jetzt, um ein Beispiel zu nennen, sogar ganze Unterrichtseinheiten entwickelt und werden diese in Kürze den Kultusministern zur Prüfung zuleiten.
Darüber hinaus werden in verstärktem Maße Eltern und Erzieher angesprochen werden, damit sie auf die Entstehungsbedingungen der psychosozialen Grundstörungen achten lernen, die schließlich den Griff zu Drogen auslösen.
Der zweite Bereich des Reagierens auf das epidemiologische Geschehen ist die Behandlung der Erkrankten, einerseits damit sie wieder gesund werden und andererseits damit sie nicht andere anstekkenu. Das ist bei sozialen Epidemien, die ja immer mit einem veränderten Verhalten des Betroffenen verbunden sind, nicht leicht. Die Bundesregierung hat deshalb gemeinsam mit den Ländern ein Großmodell geschaffen und finanziert, mit dem Erfahrungen mit sehr verschiedenen Ansätzen der Beratung und Behandlung gewonnen werden sollten.
Die jetzt vorliegenden Erfahrungen werden derzeit ausgewertet, und wir hoffen, damit bessere Behandlungsmethoden und -verfahren zu finden, die wesentlich größere Heilungsaussichten versprechen, als wir sie im Augenblick haben. Die Besonderheit dieser Behandlungen ist darin zu sehen, daß der drogenabhängige Jugendliche zunächst einmal drogenfrei werden muß, ohne daß seine individuellen Grundstörungen damit schon beseitigt wären. Er muß deshalb lernen, seine Schwierigkeiten zu erkennen und sie zu überwinden oder auszugleichen.
Da der Mißbrauch von Drogen über längere Zeit seinerseits noch Schädigungen, insbesondere Reifungsverluste, bedingt, müssen auch diese noch ausgeglichen, muß auch die Reifung noch nachgeholt werden. Diese therapeutische Aufgabe ist so schwierig, daß man die bisher geringen Erfolge nicht zum Maßstab dafür machen kann, was auf diesem Gebiet getan worden ist und erreicht werden kann.
Wir glauben, auf Grund der Ergebnisse dieser Erfolgskontrolle und der Erkenntnisse gezielter Forschungsaufträge in absehbarer Zeit in der Lage zu sein, geschlossene Therapieketten als Modelle zu entwickeln, die diesen ungewöhnlichen medizinischen und sozialtherapeutischen Ansprüchen gen. Da es sich um eine Langzeittherapie mit einer Dauer von zwei bis vier Jahren handelt, benötigen wir sehr verschiedene, aufeinander abgestimmte Einrichtungen, die in einer solchen Therapiekette zusammengeschlossen sind.
Der klinischen Entgiftung und der Behandlung von Begleiterkrankungen folgt dann der psychische Entzug mit dem Ziel der Drogenfreiheit. Dann kommt die erste Stufe der Wiedereingliederung, für die Einrichtungen in Form von Heilstätten vorzusehen sind, in der die Selbstfindung und die Überwindung der persönlichen Schwierigkeiten erfolgen soll —ein Prozeß, der auch schon während des psychischen Entzugs eingeleitet werden kann.
Danach folgt in einer offenen Einrichtung, etwa in einer therapeutischen Wohngemeinschaft, die weitere Phase der Wiedereingliederung, verbunden mit dem Ausgleich des schulischen oder beruflichen Rückstandes und der weiteren Festigung der Person. Schließlich wird, ebenfalls in Wohngemeinschaften oder anderen geeigneten Einrichtungen, die Stabilisierung folgen, bei der mit steigenden Belastungen die Eingliederung in die Gesellschaft und in einen den individuellen Fähigkeiten entsprechenden Beruf vorgenommen werden kann.
Das ist ein langwieriger Weg. Wer aber hier die Frage nach den Kosten anschließt und vielleicht die Meinung hat, daß diese der Gesellschaft nicht angelastet werden können, sollte sich fragen lassen, ob er nicht möglicherweise ein falsches Sozialverständnis hat. Wer sozial sein will, muß denen, die



Parl. Staatssekretär Westphal
sozial unterprivilegiert sind, mehr an sozialer Hilfe zugestehen als anderen.

(Abg. Rollmann: Bravo!)

Die Gewährung von Hilfe kann und darf nicht abhängig sein von persönlicher Schuld oder NichtSchuld des Hilfebedürftigen an seiner eigenen Notlage. Daran, daß viele, wenn nicht die Mehrzahl derjenigen, die von Drogen abhängig werden, in vielfältigster Form psychosoziale Defizite aufweisen, kann heute kein Zweifel mehr sein. Die Frage, wer an diesen Defiziten schuld ist, geht mindestens nicht an der Gesellschaft vorbei. Zu den für ein solches epidemisches Geschehen notwendigen Maßnahmen gehören die Ursachenforschung und die an der Wurzel angreifende Vorbeugung. Wir stehen dabei nicht mehr am Anfang, und wir sehen nunmehr den Fortgang des Problems, welches sich mit der Drogengefährdung eines Teils der Jugend zu erkennen gibt. Dabei ist der Drogenmißbrauch nur eine Ausdrucksform jenes Geschehens. Der wachsende Alkoholismus bei Jugendlichen gehört ebenso dazu wie andere Fehlverhaltensweisen, die vom Leistungsnihilismus bis zu bestimmten Formen der Jugendkriminalität reichen und auch diejenigen einschließen, die mit ihrem Leben überhaupt nichts anzufangen wissen, daran verzweifeln und es wegwerfen. Die Zahl der Selbstmorde der jungen Menschen zwischen 15 und 25 Jahren liegt bei mehr als 1 000 jährlich und liegt damit wohl zehnmal höher als die Zahl der durch Drogenmißbrauch umgekommenen jungen Menschen.
Es geht man möchte fast sagen: wie immer -
um Defizite im Erziehungsbereich oder im sozialen Nahraum des jungen Menschen. Da ist die Unvollständigkeit der Familie, bei der einfach ein Element der Zuneigung, der Hilfe, der Geborgenheit, der Erziehung für den jungen Menschen fehlt. Da sind die Kinder aus zerrütteten Ehen, bei denen es zwischen den Eltern wie zwischen den Eltern und dem Kind keine wirklichen Bindungen gibt. Da ist in manchen Fällen auch der Mangel an Geschwistern oder die unterentwickelte Fähigkeit, Freunde zu finden und sich an andere anzuschließen. Da ist vielleicht auch das fehlende Erfolgserlebnis in der Schule oder in der beruflichen Ausbildung, das soziale Milieu in der Randgruppe, in die ein Kind hineingeboren wird, die vom Kind nicht abwendbare Situation, im Heim aufwachsen zu müssen, die elterliche Prestigeentscheidung für einen vorn Kind nicht gewollten oder nicht erfolgreich vollziehbaren schulischen oder beruflichen Ausbildungsweg, das Erlebnis von Ungerechtigkeit, ohne kräftig genug zu sein, sie abwenden zu können. All solche erzieherischen und sozialen Hintergründe sind es, die in verschiedenen Kombinationen das abweichende Verhalten junger Menschen vorbereiten. Es gibt in unserer Gesellschaft eine größere Anzahl junger Menschen, die in ihrer psychosozialen Entwicklung zu kurz gekommen sind, und deshalb mit Ersatzbefriedigungen das zu übertönen versuchen, was ihnen fehlt.
Was ist die Antwort der Gesellschaft auf diese Situation? Stehen wir ratlos und hilflos vor solcher Problematik? Ich möchte sagen: nein. Wir können wenn wir wollen, die Bedingungen verändern, unter denen junge Menschen in unserer Gesellschaft aufwachsen. Wir können Eltern anregen, Erziehung zu lernen, und wir können dafür ein Angebot machen. Wir können die frühkindliche Erziehung verbessern. Wir haben bereits in der Bildungsplanung die Priorität auf den Bereich des Kindergartenwesens, der Elementarerziehung gelegt. In Zusammenarbeit mit den. Ländern steht die Verbesserung der Erziehungsberatung an. Die Neugestaltung des Adoptionsrechts ist ein Thema, das dieses Haus zur Zeit beschäftigt. Die Reform des elterlichen Sorgerechts wird vorbereitet. Ein Diskussionsentwurf für ein neues Jugendhilferecht liegt vor. Die Weiterentwicklung der Jugendförderung, gerade auch im außerschulischen Bereich, ist unser ständiges Thema. Die Ausdehnung der Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte junger Menschen, bezogen auf die eigene Lebensgestaltung und vornehmlich am Arbeitsplatz, aber auch in den Rechten des jungen Menschen in der Gesellschaft, ist unsere emanzipatorisch tendierende Antwort auf dieses Problem.
Aber seien wir ehrlich: So richtig und grundlegend diese Bemühungen darauf gerichtet sind, die gesellschaftliche Situation zu verändern, in der der junge Mensch aufwächst, so sehr bleibt daneben richtig, daß dies allein nicht genügt. Zur erfolgreichen Überwindung von Defizitsituationen im sozialen und erzieherischen Nahraum gehören auch Dinge, die der Gesetzgeber nicht beschließen kann. Zuneigung, elterliche Liebe kann man nicht anordnen. Doch es ist offenbar, daß der junge Mensch ein primär soziales Wesen ist und auf den menschlichen Kontakt angewiesen ist, der für ihn oftmals mehr bedeutet als nebeneinander zu arbeiten, zu wohnen und sich gelegentlich am Mittagstisch zu treffen.
in diesen Bereich hinein gibt es dann wohl nur die Möglichkeit des Appells, vornehmlich des Appellierens an die Eltern, sich selbstkritisch zu prüfen, ob sie sich wirklich genügend bemühen, um für ihre Kinder keine Mangelsituationen eintreten zu lassen, auch des Appellierens an uns alle, zur Verfügong zu stehen für Hilfe für diejenigen jungen Menschen, die keine Eltern haben. Heimerziehung sollte in Zukunft wohl die letzte der Antworten sein. Vorher müssen alle Wege für familiennahe Erziehungsformen, auch für diejenigen, die keine Eltern haben, ausgeschöpft werden.
Appellieren möchte ich aber in diesem Zusammenhang auch an die jungen Menschen selbst. Ein Verhalten, daß die Dinge treiben läßt, ist nicht akzeptabel. Vieles, aber nicht alles Fehlverhalten, läßt sich gesellschaftlich begründen. Ohne eigene Willensanstrengung läßt sich keine Schwierigkeit überwinden.

(Abg. Burger: Sehr richtig!)

Es gibt in unserem Lande die vielfältigsten Möglichkeiten der Selbstorganisation von Jugendlichen. Die Gruppe Gleichaltriger ist für jeden eine Hilfe. Die Erkenntnis der eigenen Rechte und Interessen und deren verantwortungsbewußte Wahrnehmung wächst in der Gemeinschaft.
Sie sehen, meine Damen und Herren, die Drogengefährdung in ihrer jetzigen Form bringt uns auf



Parl. Staatssekretär Westphal
eine sehr komplexe Problematik, von der aus sich immer wieder soziale Epidemien ausbreiten können, und zwar nicht nur in der Form des Mißbrauchs von Drogen und Rauschmitteln, sondern in allen Ausdrucksformen abweichenden Verhaltens. Die isolierte Bekämpfung des Drogenmißbrauchs wäre deshalb nur ein Herumkurieren an Symptomen; die Ursachen bleiben dann unverändert.
Dies bedeutet nicht, die Sofortmaßnahmen, die derzeit mit großem Aufwand betrieben werden, in all den Bereichen aufzugeben. Es bedeutet aber, sich über dieses vordergründige Problem hinaus um grundlegende Veränderungen zu bemühen. Man könnte sagen, daß all das, um was es dabei geht und was hier sowohl in seinen materiellen und rechtlichen Bezügen als auch unter dem Aspekt vorbildhaft wirkenden Verhaltens angesprochen worden ist, ergänzt und zum Teil unter dem Begriff „Psychohygienisches Langzeitprogramm" zusammengefaßt werden könnte.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

Dazu gehören dann auch Beratungs- und Bildungsangebote die, wenn sie einmal unterbreitet und wahrgenommen werden, mehr für das Soziale in unserer Gesellschaft erreichen können als den Abbau bestimmter Fehlverhaltensformen.
Das Drogenproblem und die ihm zugrunde liegenden Ursachen sind für uns alle ein Denkanstoß. Sie zeigen uns sehr genau, wo es der Verbesserung von Lebensqualität bedarf. Wir sollten das nicht vergessen, wenn es darum geht, später auch gerade in diesem Haus die Entscheidungen darüber zu treffen, wie für die Stärkung der Erziehungsfähigkeit der Familie und für die Durchsetzung gerade auch eines neuen Jugendhilferechts und dessen mögliche Ausfüllung die Zustimmung aller und die Beschaffung der Mittel dafür erreicht werden kann. Es handelt sich um einen Denkanstoß von bestürzender Dirnension, der vieles von dem in Frage stellt, was wir als selbstverständlich hinnehmen — einen Denkanstoß, dem sich keiner entziehen darf, der will, daß es für alle in dieser unserer Gesellschaft besser wird.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0704000500
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Meinecke.

Dr. Rolf Meinecke (SPD):
Rede ID: ID0704000600
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich vorab eine Bemerkung machen. Den Trick des Redners der Opposition, am Ende seiner demagogischen Ausführungen den Beifall des ganzen Hauses dadurch einzuheimsen, daß er mit dem Schluß seiner Rede gleichzeitig den Dank an die vielen Menschen verband, die auf diesem Sektor arbeiten, konnten wir leider nicht unterstützen. Denn unser Beifall sollte nicht einer Rede gelten, die bisher — leider - wesentlich den Stil dieser Debatte bestimmt hat.
Natürlich dankt auch die sozialdemokratische Bundestagsfraktion den vielen Pflegern, Therapeuten, Sozialberatern, Krankenschwestern, Ärzten, Polizeibeamten und Zollbeamten, die alle auf ihrem jeweiligen Gebiet gearbeitet und gewirkt haben. Ich
möchte das ganz gerne klarstellen, weil wir uns hier Ihrem Beifall natürlich nicht anschließen konnten.
Wenn der Herr Kollege Rollmann davon ausgeht, daß 1968, wie er sagte, wie ein Steppenbrand eine Rauschgiftepidemie unser Land überzogen hätte, und letzten Endes beim Aufsuchen der ursächlichen Faktoren zu dem Schluß kommt: „Wie muß es um einen Staat bestellt sein, in dem eine so große Zahl von Süchtigen aus gesellschaftlichen Gründen nicht wieder gesund wird und nicht zum richtigen Weg zurückgeführt werden kann", dann kann ich doch nur sagen: wenn dies im Jahre 1968 hier begonnen hat — es gibt Anzeichen dafür, daß es bereits 1965 begonnen hat —, wer hat denn eigentlich die inner-gesellschaftlichen Verhältnisse in diesem Land, wer hat denn die gesellschaftliche Situation in der Zeit zu verantworten gehabt?

(Beifall bei der SPD.)

Nun werden Sie mir sagen, 1968 hätten wir ja mitregiert. Das ist richtig.

(Abg. Kroll-Schlüter: Hören Sie auf!)

- Beruhigen Sie sich, Herr Kollege; ob ich aufhöre
oder nicht, werde ich bestimmen. Sie werden zuhören, wie wir auch den Ausführungen von Herrn Rollmann zugehört haben.

(Beifall bei der SPD.)

Wer hier so ungeheure Unterstellungen in die Landschaft stellt, muß sich gefallen lassen, daß darauf erwidert wird. Es ist doch ein fundamentales Mißverständnis gesellschaftlicher Zusammenhänge, wenn Sie der Meinung sind, daß der Staat, der zur Zeit von irgendeiner politischen Kraft regiert wird, unverzüglich auch die gesellschaftlichen Bedingungen ändern kann. Dies sind doch Entwicklungsprozesse, die Jahrzehnte währen.
Das gleiche fundamentale Mißverständnis hat meiner Meinung nach der Kollege Rollmann erkennen lassen, als er nachdachte und reflektierte über die Wirksamkeit von staatlichen Aktionen und deren gesellschaftspolitische Auswirkungen und deren Erfolg. Sie wissen doch ganz genau, daß wir es hier mit einer großen Gruppe von Menschen zu tun haben, die — so ist doch die allgemeine Auffassung und so haben wir es gestern in dem internationalen Abkommen als Grundsatz beschlossen — in der ganzen Welt einmütig als Kranke bezeichnet werden. Sie kommen nun mit staatlichen Aktionen, Sie kommen mit Administration, Sie kommen mit Gesetzen, Sie kommen mit Indizierung von Büchern usw. und glauben, daß Sie damit eine Krankheit kausal bekämpfen können. Dies alles können doch nur Hilfsmaßnahmen und Hilfsaktionen sein.
Das dritte fundamentale Mißverständnis über diese Debatte ist meiner Auffassung nach, daß Sie, anstatt sich den Dingen zu widmen und zu versuchen, die Entwicklung nachzuvollziehen und zu beobachten, wieder in dem allgemeinen Kriseneintopf herumrühren, wobei natürlich das Wort Inflation und inflationäre Entwicklung nicht fehlen darf.
Ich meine, wir sollten die Auseinandersetzung nicht in diesem Stil führen. Der Herr Staatssekretär



Dr. Meinecke (Hamburg)

hat doch soeben dargelegt, daß die gerechte und sachliche Beurteilung der Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage der Opposition umfassend, ausführlich und eingehend ist und daß das breite Spektrum der staatlichen Aktivitäten über die einzelnen Ressortgrenzen hinaus die Gesamtverantwortung der Regierung erkennen läßt. Die Regierung hat damit auch bewiesen, — —

(Abg. Rollmann meldet sich zu einer Zwischenfrage.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0704000700
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Rolf Meinecke (SPD):
Rede ID: ID0704000800
Ja, wenn ich meinen Satz zu Ende gesprochen habe, dürfen Sie reden, Herr Rollmann.
Die Regierung hat auch bewiesen, daß sie den zahlreichen Anregungen aus dem Hause, aus dem Parlament, den Wünschen in den letzten zwei, drei Jahren in den wesentlichsten Gesichtspunkten gefolgt ist.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0704000900
Bitte, Herr Kollege.

Dietrich-Wilhelm Rollmann (CDU):
Rede ID: ID0704001000
Herr Kollege Dr. Meinecke, Sie haben mit Recht von der Gesamtverantwortung der Regierung gesprochen. Können Sie uns vielleicht erklären, warum sich diese Gesamtverantwortung dieser Regierung heute morgen nur durch die Anwesenheit eines Parlamentarischen Staatssekretärs ausdrückt? Wo ist denn der zuständige Minister für diesen Bereich?

(Abg. Immer: Was ist denn bei euch los? Weitere Zurufe von der SPD.)


Dr. Rolf Meinecke (SPD):
Rede ID: ID0704001100
Herr Kollege Rollmann, Sie können offenbar vom Gleis der Demagogie nicht abweichen. Wenn ich genauso demagogisch wäre, würde ich, da Sie hier auf die Zusammenarbeit von Bundesregierung, Ländern und Gemeinden hinweisen, die Gegenfrage stellen: Wo sind denn die von Ihnen gestellten Landesregierungen,

(Zuruf der Abg. Frau Dr. Wex)

die offenbar zu dieser Kooperation bereit sind und die mithelfen und mitwirken wollen? Es liegt eben daran, daß diese Debatte heute morgen wahrscheinlich zu einem falschen Zeitpunkt und mit einem falschen Ansatzpunkt geführt wird. Nur so kann ich mir das jedenfalls erklären.
Ich sagte — und wir sollten uns das vor Augen führen --: der fundamentale Irrtum liegt in der falschen Einschätzung der Einwirkungsmöglichkeiten staatlicher administrativer Maßnahmen, wenn es sich darum handelt, auf gesellschaftspolitische Fehlentwicklungen einzuwirken. Unser Staat, Herr Kollege Rollmann, ist eben kein Obrigkeitsstaat, und jedes gesetzliche und administrative Eingreifen kann doch in diesen Fällen nur ein Lenken, ein Leiten, ein Warten sein, das Initiieren langfristiger Programme und Entwicklungen, von denen man allmählich Besserung und Änderungen erwarten und erhoffen kann.
Auch bei dem Fragenkatalog haben Sie eindeutig bewiesen, daß Sie dies nicht berücksichtigt haben. Sie haben doch überhaupt nicht versucht, die Regierung analytisch zu fragen und sie aufzufordern, erst einmal die einzig wichtige politische Frage darzustellen: Hat sich auf Grund der Bemühungen dieses Hauses, der Bundesregierung, der Landesregierungen und der Gemeinden die Situation in den letzten zwei, drei Jahren geändert, oder hat sie sich nicht geändert? Diese Frage haben Sie nicht einmal gestellt. Sie haben diese Frage zwar 1972 gestellt; das will ich gern zugeben. Aber Sie haben 1972 wieder einen fundamentalen Irrtum erkennen lassen. Damals fragten Sie in Ihrer Frage 3: Kann die Bundesregierung schon jetzt Angaben darüber machen, wie sich die Novellierung des Opiumgesetzes — jetzt das Betäubungsmittelgesetz — vom 22. Dezember 1971 auf die Rauschmittel- und Drogenkriminalität ausgewirkt hat? Das war Anfang 1972, genau ein halbes Jahr nach Inkrafttreten dieses Gesetzes. Herr Kollege Rollmann, was haben Sie für Vorstellungen von diesen gesellschaftlichen Fehlentwicklungen und den Möglichkeiten, durch Gesetze und durch administrative Maßnahmen darauf einzuwirken? Sie haben falsche Vorstellungen, und Ihre Vorstellungen werden der Sache nicht gerecht. Ich muß Ihnen das hier leider ganz offen sagen.
Die Antwort der Bundesregierung versucht wenigstens, Ihren Fragen zuvorkommend, diesen Problemen gerecht zu werden. Es scheint tatsächlich so zu sein, daß sich das Bild gewandelt hat. Die Zahl der absolut Drogensüchtigen nimmt ab. Das ist eindeutig zu beweisen. Es steigen mehr aus als ein! Das ablehnende Verhalten in breiten Kreisen von Jugendlichen und jungen Menschen nimmt zu. Die Rangliste der Zugriffsmotive zeigt einen Rückgang der gesellschaftskritischen Motivierung und eine Zunahme der nebensächlichen Motivierung im Sinne der Ersatzbefriedigung. Die Abnahme der gesellschaftskritischen Motivierung beweist doch gerade, daß Ihre Anschuldigung — „Wie muß es um einen Staat bestellt sein?" — nicht richtig ist, sondern daß sich im Gegenteil jahrelange Bemühungen auf dem Gebiet der Sozialpolitik, der Gesellschaftspolitik und der Bildungspolitik jetzt langsam auszuwirken beginnen!
Es ist eindeutig beweisbar -- sehen Sie in die vielen Berichte aus den einzelnen Bundesländern! —, daß Angst und Hoffnungslosigkeit, Unwissenheit und Intoleranz gegenüber diesem Problem abgenommen haben. Man redet hierüber unbefangen miteinander, man redet in den Schulen miteinander, man spricht sich offen aus. Man ist sich klar darüber, was Sucht ist, was es bedeutet, abhängig zu sein. Wohin führt der Weg, wie können wir allgemein dieser Entwicklung begegnen, was können wir neben den notwendigen gesetzlichen Maßnahmen dagegen tun? Aber wenn wir darüber eine Debatte führen wollen, dann sollten wir diese beiden Themenkreise doch fein säuberlich voneinander trennen. Ich hatte heute



Dr. Meinecke (Hamburg)

morgen tatsächlich befürchtet, es beginne hier eine kriminalpolitische Debatte. Sie haben bei der Heranziehung von schrecklichen statistischen Daten, um diesen „Steppenbrand" so richtig zu untermalen, von der großen Zahl der Apothekeneinbrüche gesprochen. Natürlich; aber woher kommt das denn? Sie müssen sich doch darüber im klaren sein, daß die wirksame Methode, der Epidemie zu begegnen, indem man staatlicherseits den Zugriff zu den Drogen blockiert, einen Nachteil zur Folge hat: daß nämlich der Zugriff erneut mit Hilfe krimineller und anderer Handlungsweisen herbeigeführt wird, solange man nicht der Sucht selber in ihrem ursprünglichen Problem, in ihrer Tiefe, in ihren Motivationen, die gesellschaftlich bedingt sind, Herr wird. Das wird immer so bleiben. Wenn Sie morgen verordnen, daß die Apotheken eiserne Scherengitter vor ihre Räume setzen, dann werden übermorgen andere Phänomene eintreten. Das wird sich erst im Laufe der Jahre ändern.
Es hat im Laufe dieser Woche — falls Sie bei der Lektüre der letzten „Spiegel"-Nummer über die ersten Seiten und das Titelbild hinausgekommen sein sollten — einen ganz interessanten Artikel aus den Vereinigten Staaten gegeben. Hier wird durch viele wissenschaftliche Gesellschaften eindeutig bewiesen, daß dort ein aufregendes Zurückgehen des Gebrauchs und Mißbrauchs von harten Drogen wie Heroin zu verzeichnen ist. Es gibt amerikanische Zeitungen, die sagen, es sei jetzt zum erstenmal Licht am dunklen Horizont zu sehen. Nun, meine Damen und Herren, ich will hier ganz gewiß nicht Silberstreifen an den Horizont malen, ohne daß die realen optischen Effekte beweisbar wären. Aber ich glaube tatsächlich, daß wir vor einer gewissen Entspannung, vor einer vernünftigen Entwicklung stehen und daß wir in den nächsten Jahren, wenn wir alle zusammen in unseren Bemühungen fortfahren, diese Situation nicht mehr als so hoffnungslos und nicht mehr als so dramatisch betrachten werden. Natürlich bedeutet das keine Entdramatisierung, aber haben Sie, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, Verständnis dafür, daß zu dramatisierenden Effekten in der Beurteilung der Lage hier die Gegensätze und die Kontrapunkte gesetzt werden mußten.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0704001200
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Burger.

Albert Burger (CDU):
Rede ID: ID0704001300
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie, Herr Staatssekretär Westphal, haben soeben beim Beginn ihrer Rede deutlich gesagt, daß die Große Anfrage der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion Ihnen Gelegenheit gibt, Neues vom Stand von heute an der Drogenfront zu berichten. Damit haben Sie doch selbst zugeben müssen, daß es Neues gibt und daß die große Aktualität Rauschmittelmißbrauch und Drogenbekämpfung immer noch gegeben ist. Es ist, wenn man so will—und ich glaube, Sie haben das kürzlich einmal in einer Rede auch so formuliert --, heute eine andere Aktualität als vor ein oder zwei Jahren, aber auch Ihre Ausführungen und die Antwort auf unsere Große

( einer Lösung des Rauschmittelproblems entfernt sind. Ich glaube, es ist kein Argument, wenn Sie sagen, daß unsere parlamentarische Aktivität die Bürokratie beschäftigt und sie von anderer Arbeit abhält. Ich meine, daß es Sinn und Aufgabe parlamentarischer Initiativen ist, daß man sich gründlich mit einem aktuellen Problem befaßt, daß man den Versuch einer klaren Diagnose wagt und daß man nach neuen Wegen Ausschau hält. Dies wird sicherlich mit gelegentlichen Prisen polemischer Art gewürzt das ist ganz klar —, aber der Kern dieser Ausführungen und auch der Ausführungen meines Kollegen Rollmann war doch im Grundtenor sehr ernst und auch in der Aussage überzeugend. Sie selbst, Herr Staatssekretär, haben in Ihrer Rede, die Sie vor knapp einem Jahr vor der Kaufmännischen Krankenkasse in Lübeck gehalten haben, im Grunde ähnlich argumentiert. Ich darf einige Ihrer Statements von damals heute vortragen. Sie erklärten damals, daß trotz einer zahlenmäßigen Stagnation, trotz des Rückgangs der Benutzerfrequenz bei den älteren Jugendlichen und trotz ihrer besseren Kenntnis von der Gefährlichkeit auch scheinbar harmloser Drogen sich die Situation eher verschärft als erleichtert habe. Sie führten weiter aus, daß man sich von einer zahlenmäßigen Stagnation nicht täuschen lassen dürfe. Ebenso sei es falsch, sich ausschließlich auf diejenigen zu beziehen, die drogenabhängig und süchtig werden, die dem Staat zur I Last fallen oder an einer Überdosis sterben. Man dürfe die Dauerschäden nicht übersehen, die durch Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit und den Verlust an persönlichem Glück sich bei vielen Probierern ergeben haben. Sie sagten weiter wörtlich: Das größere Angebot harter Drogen, die Kriminalisierung und Organisation des illegalen Handels, die veränderten Rauscherwartungen der jüngeren Drogenprobierer, die größere Risikobereitschaft und die geringere Kritikfähigkeit, welche mit ihrer Entwicklungsstufe verbunden sind, und der aus demselben Grunde veränderte Motivhintergrund, dies alles — so meinten Sie — kann jene verhängnisvolle Kette bilden, die dazu führt, daß zunehmend mehr Jugendliche der Droge zum Opfer fallen. Wir haben also allen Grund, nso meinten Sie größte Anstrengungen zu unternehmen, dieses Problem zu lösen. Ich glaube, meine Damen und Herren, daß diese Aussage vor einem Jahr heute noch aktuell ist. Die Drogenszene ist im Grunde unverändert. Dies beweisen auch Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage des Landes Baden-Württemberg, die alle übrigen deutschen Ergebnisse bestätigt. Auch sie läßt erkennen, daß sich Drogengewohnheiten auf ländliche Bezirke erstrecken, daß also eine regionale Ausweitung stattgefunden hat, daß die sogenannten Burger Drogenkarrieren rascher verlaufen und der Schritt zur harten Droge eher einsetzt. Zwar ist der Informationsstand der Jugend überraschend gut, und gerade die kritische Jugend hat eine distanziertere Haltung dazu eingenommen. Aber die neue Generation der Konsumenten gibt neue Probleme auf, weil deren unzureichende persönliche Differenziertheit und Beeinflußbarkeit das kritische Einsichtsvermögen blockieren und die therapeutischen und helfenden Aktivitäten zusätzlich behindern. Es bedarf heute nicht mehr sosehr der dialektischen Auseinandersetzung. Statt dessen steht der Helfer heute vor Aufgaben, die zwar intellektuell weniger reizvoll sein mögen, aber desto schwerer zu bewältigen sind. Im übrigen, sehr verehrter Herr Dr. Meinecke, ist es wohl nicht so, daß die Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse verschiedene Drogenabhängige veranlaßt hat, auf eine größere Distanz zu gehen. Ich darf an einen Aufruf von Röhl in „konkret" erinnern, der meinte, nicht die gesellschaftlichen Verhältnisse hätten sich verändert, sondern wir, die wir empfohlen hätten, sich durch Rauschmittelgebrauch freizumachen, hätten uns geirrt, wir hätten eine falsche Therapie vorgeschlagen. Der Griff zur Droge bringe keine Freiheit, sondern neue Abhängigkeiten. Vor allen Dingen diese Einsicht, sehr geehrter Herr Dr. Meinecke, hat nach meiner Auffassung eine gewisse Distanziertheit zur Droge bewirkt. Sicherlich gebührt auch in der Zukunft der Aufklärung und der Prävention der Vorzug. Wie auf keinem anderen Gebiet aber kommt es gerade im Bereich der Drogenbekämpfung auf persönliche Hilfen und Initiativen an. Fähige und opferbereite Helfer sind daher wichtiger als Geld. Wir begreifen deshalb nicht, daß es die Bundesregierung nicht verstanden hat, die vorhandenen erfahrenen Kräfte optimal zu aktivieren und voll in die Maßnahmen des Programms zu integrieren. Das „Aktionsprogramm der Bundesregierung zur Bekämpfung des Rauschmittelund Drogenmißbrauchs" vom November 1970 wurde nicht mit den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege abgesprochen, Viele Facheinrichtungen dieser Träger sind vom Förderungsprogramm praktisch deshalb ausgeschlossen, weil keinerlei Information über die Möglichkeiten der Förderung rechtzeitig erfolgt ist. Ich kenne einen Verband, der etwa 70 qualifizierte Einrichtungen zur Beratung und Therapie Drogenabhängiger unterhält. Er verzeichnet nur eine Förderung aus Bundesund Landesmitteln von fünf Einrichtungen. Dagegen finden Sie auf der Liste der mit Bundesmitteln geförderten Modelleinrichtungen solche, die ihre Arbeit bereits wieder eingestellt haben. Ja, es könnten sogar solche Einrichtungen dabei sein, die überhaupt nie praktisch gearbeitet haben. Wer die Antwort der Bundesregierung auf unsere Große Anfrage genau liest, findet darin das Eingeständnis einer falschen Planung. Gerade aber die Förderung der bewährten und erfahrenen ambulanten Einrichtungen ist von allergrößter Wichtigkeit. Die stationäre Therapie in Heilstätten und Kliniken ist nur dann sinnvoll und erfolgversprechend, wenn neben guter Vorbereitung auch eine qualifizierte und langfristige ambulante Nachbetreuung gewährleistet wird. Erst sie garantiert die eigentliche Stabilisierung und Rehabilitation. Sogenannte Modellkliniken für Drogenabhängige sind ihr Geld nicht wert, wenn sie auf der therapeutischen grünen Wiese gebaut werden. Mit derartigen Einrichtungen werden nur Hoffnungen geweckt, die auf Grund der mangelnden Nachsorge unerfüllbar bleiben müssen. Damit wird letztlich die Resignation bei den Therapeuten, den Betroffenen und der Gesellschaft nur gefördert. Ich erinnere mich, daß bei dem öffentlichen Hearing zur Lage der Psychiatrie im Landeskrankenhaus Emmendingen der Chefarzt der Psychoanalytischen Klinik des Allgemeinen Krankenhauses HamburgBarmbek die Chance eines Heilungserfolgs als fast hoffnungslos bezeichnet hat, dies insbesondere wohl deshalb, weil es noch nicht gelungen ist, die von Ihnen, Herr Staatssekretär, vorhin geschilderte Rehabilitationskette — ich möchte das unterstreichen — sinnvoll zu schließen. Dieser Gesamtprozeß der Gesundung und der Eingliederung der Drogenbefallenen ist heute noch nicht garantiert, ist heute noch nicht voll gegeben. Hier könnte und müßte doch der Bund in Absprache mit den Ländern und den Spitzenverbänden der freien Wohlfahrtspflege unter Umständen über Vergaberichtlinien für Zuschüsse eine wichtige Koordinationsarbeit leisten. Es wäre wünschenswert, daß zwischen den wichtigen Schlüsselpersonen und -organisationen auf dem Gebiet der Bekämpfung des Drogenmißbrauchs ein ständiger Informationsaustausch stattfindet. Wir schlagen vor, daß an den regelmäßigen Treffen der Länderbeauftragten für Drogenfragen mit dem Fachministerium auch je ein Vertreter der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege teilnimmt. Ich möchte hier auf ein Zweites kritisch hinweisen. Beim Besuch unseres Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit beim Bundesgesundheitsamt in Berlin Anfang dieser Woche lasen wir wohl alle völlig überrascht in einem uns vorgelegten schriftlichen Bericht folgende aktuelle Bemerkung: Auf dem Gebiet der Rauschgiftbekämpfung konnte die Bundesopiumstelle bisher praktisch nicht tätig werden, da eine entsprechende Ausstattung noch nicht erfolgt ist. Wer ist für dieses Versäumnis verantwortlich? Zwei Jahre nach Inkrafttreten des Aktionsprogrammes teilt eine Bundesoberbehörde dem Fachausschuß schriftlich mit, daß sie bisher nicht tätig werden konnte, da eine entsprechende Ausstattung noch nicht erfolgt ist! Im übrigen zeigen sich auch einige neue schwache Stellen, die eine Zunahme der Rauschgiftkriminalität geradezu herausfordern. Während die Apotheken ihre Schutzeinrichtungen für gelagerte Betäubungsmittel verbessern und die Lagerbestände Burger kleinhalten, bietet der Großhandel immer noch geradezu ideale Verhältnisse für Einbrüche. Dort werden größere Mengen von Betäubungsmitteln vielfach noch ungenügend geschützt gelagert. Wie zu Großvaters Zeiten haben Kontrollbeamte noch Eichenschränke ältester Art als Lager angetroffen, in denen größere Mengen von Drogen aufbewahrt werden. Die Drogenstelle beim Bundesgesundheitsamt unterhält zur Zeit nur eine Fachkommission, die in der Bundesrepublik Kontrollen beim Großhandel und in Fabriken durchführt. Zwölf Kommissionen wären notwendig — so hat man uns gesagt —, um in zwei Jahren wenigstens einmal alle in Frage kommenden Stellen zu kontrollieren. Lediglich zwei Kommissionen sind genehmigt. Nur eine arbeitet; eine zweite wird eben gebildet. Auch die Arbeitsmöglichkeiten dieser Kommissionen müßten in mancherlei Hinsicht der besonderen Aufgabenstellung angepaßt werden. Beamtenrecht, Reisekostenrecht und andere Details behindern den optimalen Einsatz dieser Mitarbeiter, die sich ihrer Aufgabe mit großem Engagement widmen. Meine Damen und Herren, gerade diese Erfahrungen anläßlich unseres Besuches beim Bundesgesundheitsamt in Berlin zeigen deutliche Widersprüche zwischen den Aussagen des Aktionsprogramms und der Wirklichkeit im Alltag auf. Da es sehr schwierig ist, bestimmte Drogen unter Kontrolle zu halten, könnte man doch erwägen, einige völlig aus dem Verkehr zu ziehen. Auf Kodein, Morphium und anderes kann heute verzichtet werden. Diese Mittel können durch synthetische ersetzt werden, die leichter zu kontrollieren sind. Ein Letztes. Herr Dr. Böhringer vom Institut für Bildungsberatung und Studieninformation in Baden-Württemberg nannte als Motiv für den Rauschgiftkonsum u. a. sowohl fehlende Liebe und Geborgenheit für die Kinder als auch ihre Verwöhnung. Häufig seien die Eltern selbst negative Vorbilder, wenn sie vor Konflikten in den Rausch fliehen. Das Wichtigste, was Eltern vorbeugend tun können, scheint deshalb zu sein, den Kindern eine Erziehung zu geben, in der Probleme aktiv und produktiv angegangen werden und in der die Kinder in bestimmten Bereichen auch begreifen müssen, daß sie nicht alles bekommen, sondern Abstriche und Verzichte hinnehmen müssen. Sonst züchten wir geradezu den Typ, der die Droge zur Lösung seiner Probleme braucht. Weder das Leben noch die Gesellschaft sind ein mildes, warmes Aquarium. Die Hinführung zu einem sozialen Verantwortungsbewußtsein durch Eltern, Lehrer, Erzieher und die Träger der Jugendhilfe scheint mir ein wesentliches Element der Prävention gegen Drogenabhängigkeit zu sein. Die Große Anfrage soll dazu beitragen, die Hilfe für Drogenabhängige weiter zu verbessern. Mit Recht hat die Bundesregierung die Rauschmittelsucht mit einer Epidemie verglichen. Sie verbreitete sich tatsächlich wie eine Seuche im ganzen Lande. Wer aber eine Seuche bekämpfen will, muß sicherlich zweierlei tun: er muß sich um die Voraussetzungen und Bedingungen kümmern, welche die Entstehung und Verbreitung begünstigen; aber genauso notwendig ist es, mit allen geeigneten Mitteln Gefährdungen konkret abzuwehren und Befallene zu heilen und zu rehabilitieren. So wie man die Lungen-Tbc nicht allein durch Verbesserung der sozialen und hygienischen Verhältnisse eindämmen konnte, wird man auch den Rauschmittelmißbrauch nicht allein dadurch beheben können, daß man sich mehr allgemein der Verbesserung der Lebensqualität zuwendet. Nicht nur die Armut hat böse Folgen, auch die Überflußgesellschaft hat ihre Probleme. Der Kampf gegen den Mißbrauch von Rauschmitteln muß mit allen geeigneten Mitteln fortgesetzt werden. Bei verbesserter Koordination und sinnvollem und planvollem Einsatz der Einrichtungen und der finanziellen Mittel kann noch mehr erreicht werden. Meine Damen und Herren, das Wort hat Herr Abgeordneter Christ. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist zwar verständlich, daß die Opposition die Dinge kritischer sieht als die Regierungskoalition und unseren gedämpften Optimismus nicht teilt. Aber, Herr Kollege Rollmann, es ist geradezu gefährlich, in eine undifferenzierte Schwarzmalerei zu verfallen, weil damit die notwendige Hilfsbereitschaft, die wir, die Verantwortlichen, in der Bevölkerung brauchen, leicht in eine Resignation umschlagen kann. Damit schaden Sie der gemeinsamen Sache mehr, als Sie ihr nutzen. Das muß ich Ihnen sagen. Das wußten Sie wahrscheinlich auch, als Sie Ihre Rede hielten. Lassen Sie mich nun auf die Antwort der Bundesregierung näher eingehen, die der Kollege Rollmann — den Eindruck muß man nach Ihrer Rede leider gewinnen — möglicherweise gar nicht oder nur höchst oberflächlich gelesen hat. Wer die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der CDU/CSU eingehend studiert, wird nämlich zu dem Ergebnis kommen, daß der Erfolg unserer Anstrengungen entscheidend davon abhängt, in welchem Grad es gelingt, die Maßnahmen des Bundes, der Länder, der Gemeinden, der freien Träger und der privaten Gruppen nach gemeinsamen Richtlinien zu koordinieren. Der gefährdete oder abhängige Jugendliche muß ein differenziertes Netz von Einrichtungen vorfinden, die ihm gemäß seiner jeweiligen Situation die notwendige Hilfe und Unterstützung geben können. Die Palette reicht hier von der gezielten Aufklärung der unterschiedlichen Altersgruppen über die therapeutische Langzeitbehandlung, z. B. in offenen Einrichtungen, bis hin zur beruflichen Rehabilitation. Die öffentliche Diskussion um das Drogenproblem ist erfreulicherweise in eine sachlichere Phase eingetreten, so daß die Stimmen, die ein energisches Durchgreifen nach dem aggressiven Strafprinzip gefordert haben, in den Hintergrund getreten sind. Zunehmend wird erkannt, daß das Drogenproblem Christ nicht als Ursache, sondern als Symptom für einen psychosozialen Zustand bei einem Teil unserer jungen Generation begriffen werden muß, der tiefer liegende gesellschaftliche Ursachen hat. Wenn man in diesem Zusammenhang noch die Gruppe der Alkoholabhängigen einbezieht, deren Zahl zunehmend höher wird und dann vielleicht noch über der der Drogenabhängigen liegt, und auch die erschreckende Zahl von zirka 1000 Selbstmordfällen bei Jugendlichen pro Jahr berücksichtigt, ergibt sich doch die Notwendigkeit, diese Probleme in einer übergeordneten Gesamtschau zu sehen. Es ist deshalb zu begrüßen, daß die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Große Anfrage diesen Aspekt besonders betont und auf die wichtige Aufgabe der Jugendhilfe als ein bedeutsames Instrument zur familienbegleitenden Erziehung verweist. Die Reform des Jugendhilferechts wird uns im nächsten Jahr Gelegenheit geben, die Erkenntnisse aus der Bewältigung des Drogenproblems geeignet zu verwerten. Eines — und da befinden wir uns sicherlich im Widerspruch Herr Kollege Rollmann — läßt sich heute aus unserer Sicht mit Befriedigung feststellen: das Aktionsprogramm der Bundesregierung vom November 1970 hat seine erste Bewährungsprobe bestanden. Das schließt nicht aus, daß es laufend ergänzt und fortgeschrieben werden muß. Wer aber heute eine Zwischenbilanz zieht — und die Große Anfrage der Opposition ist dazu sicherlich ein geeigneter Anlaß —, wird bestätigen können, daß insgesamt eine gewisse Beruhigung eingetreten ist, insbesondere die Zahl der Probierer und der milden Konsumenten einen ersten Rückgang zu verzeichnen hat. Dies ist sicherlich ein Erfolg der unermüdlichen Aufklärungsbemühungen, so daß heute bei der jungen Generation eine andere Einstellung zur Droge vorherrscht als noch vor zwei Jahren. Es ist glücklicherweise nicht mehr „in", zu den Probierern oder milden Konsumenten zu gehören. Auch haben die Kenntnisse der Jugendlichen über gesundheitliche Gefährdung durch Drogenmißbrauch erheblich zugenommen. Allerdings — das gestehe ich auch ganz offen — stehen wir bei dem „harten Kern" immer noch vor schwierigen Problemen, vor allem auch deswegen, weil sich strukturelle Veränderungen ergeben haben, die eine spezifische Behandlung erfordern. Die innerstrukturellen Veränderungen beim „harten Kern" im Sinne einer schwerpunktmäßigen Verlagerung von den oberen auf die unteren sozialen Schichten zwingt uns zu neuen Überlegungen bzw. zu veränderten Formen der Aufklärung, Beratung und therapeutischen Behandlung. In diesem Zusammenhang ist es aber beruhigend, wenn nun festgestellt wird, daß die ersten Anzeichen, die für eine breite Vorverlagerung des Einstiegsalters sprachen, einen falschen Eindruck über die Tendenz entstehen ließen, so daß diese Befürchtungen nicht voll gerechtfertigt sind. Offensichtlich trifft diese Vorverlagerung des Einstiegsalters nur auf eine kleine Teilgruppe zu, die wegen der besonderen Umstände schnell erfaßt und behandelt werden kann. Der eben erwähnte „harte Kern" stellt uns aber auch deswegen noch vor so schwierige Probleme, weil hier der Kriminalisierungseffekt voll zum Durchbruch kommt und durch den Umstieg auf die harten Drogen die Drogenabhängigkeit auf gefährliche Weise verstärkt wird. Hier werden die Bemühungen sicherlich verbessert werden müssen, damit nicht ein epidemischer Restkern entsteht, der immer wieder neue Ansteckungseffekte initiiert. Gerade bei der Beschäftigung mit dem „harten Kern" der Drogenabhängigen wird auch der internationale Aspekt dieses Problems deutlich. Es ist erfreulich, daß die internationale Zusammenarbeit —eingeschlossen die amerikanischen Militärdienststellen — in der Bundesrepublik inzwischen funktioniert, so daß die Kontrolle und Eindämmung des internationalen Rauschgifthandels, der mit eine der Hauptursachen für die Drogengefährdung in der Bundesrepublik ist, zunehmend Aussicht auf Erfolg bietet. Ein besonderer Schwerpunkt bei der Bekämpfung des Drogenmißbrauchs — das kommt in der Antwort der Bundesregierung zum Ausdruck — ist das sogenannte Großmodell, mit dem das Ministerium für Jugend, Familie und Gesundheit seit 1971 118 örtliche Hilfseinrichtungen für drogengefährdete und drogenabhängige Jugendliche unterstützt. Interessanterweise läßt sich hier eine Verlagerung der Träger dieser Einrichtungen feststellen. Während nämlich zu Beginn dieser Aktion der größere Teil der Anträge auf finanzielle Unterstützung von spontan gebildeten privaten Gruppen kam, ist seit einiger Zeit zu registrieren, daß mit der Ausweitung der Aufgaben die klassischen Träger der freien Wohlfahrtspflege wieder stärker in den Vordergrund treten. Auf Grund dieser erfolgten Aufgabenverlagerung von der reinen informativen Beratung zur ambulanten Behandlung und Behandlung in stationärer Therapie, z. B. in Wohnund Arbeitsgemeinschaften, entstehen nämlich mehr Großprojekte mit hohen Investitionskosten, die eben von den Selbsthilfegruppen trotz Zuschüssen kaum mehr bewältigt werden können. Den Anträgen auf finanzielle Unterstützung der Träger der freien Wohlfahrtspflege — darin kann ich Ihnen, Herr Kollege Burger, zustimmen — ist leider nicht in allen Fällen entsprochen worden. Aber das liegt daran, daß die finanziellen Mittel des Bundes und auch der Länder — nicht nur des Bundes dazu in dem Umfang nicht ausreichen. Offene Einrichtungen mit therapeutischem Langzeitcharakter sind aber eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Entwöhnungskur mit anschließenden Rehabilitationsmaßnahmen, so daß hier die finanziellen Möglichkeiten noch einmal überprüft werden sollten. Die Große Anfrage der CDU/CSU —das muß man hier wohl sagen versucht den Eindruck zu erwecken, als habe die Bundesregierung sämtliche rechtlichen Instrumentarien zur Bekämpfung des Drogenmißbrauchs in ihrer Hand. Daß dies nicht der Christ Fall ist, darauf hat die Bundesregierung in ihrer Antwort bereits hingewiesen. Ich will aber über diese Feststellung hinausgehen und diejenigen Eltern und Erwachsenen ansprechen, die die Bekämpfung des Drogenmißbrauchs ausschließlich als ein Problem der politisch Verantwortlichen und der Behörden betrachten und dabei nach Strafe, Zwangsisolierung und anderen obrigkeitsstaatlichen Maßnahmen rufen. Wer bei der Beschäftigung mit dem Drogenproblem die Ursache nicht sehen will, der wird verständlicherweise zu einer solchen Haltung kommen. Es ist aber dringend notwendig, bei der präventiven Abwehr der Drogengefährdung einen Schritt früher anzusetzen, nämlich bei den Ursachen. In diesem Zusammenhang wurde gelegentlich von der kinderfeindlichen Gesellschaft gesprochen, was sicherlich einiges erklärt. Die Rangfolge der Zugriffsmotive von Drogengefährdeten zeigt interessanterweise einen Rückgang der gesellschaftskritischen Begründung und einen Anstieg der Ersatzbefriedigungen als Reaktion auf eine Gesellschaft, die auf die Frage nach dem Sinn seiner gesellschaftlichen Rolle dem Jugendlichen nicht immer eine glaubwürdige Antwort geben kann. Hier haben wir ein weites Feld von gesellschaftlichen Konfliktsituationen, wo der Jugendliche zu oft allein gelassen wird und zuwenig überzeugende Orientierungsmöglichkeiten für seine Selbstverwirklichung findet. Die Bekämpfung des Drogenmißbrauchs — darüber sind wir uns wohl einig — wird noch lange Jahre eine anstrengende Aufgabe aller Beteiligten sein. Wenn es jedoch gelingt, die sich abzeichnende Tendenzwende zu verstärken und das Problem besser in den Griff zu bekommen, besteht die Aussicht, die gefährdeten Jugendlichen durch aufklärende, beratende, ambulante und therapeutische Maßnahmen von der zerstörerischen Wirkung dieser Suchtstoffe zu befreien. Dabei kommt der Unterbindung des internationalen Drogenhandels in der Bundesrepublik eine besondere Bedeutung zu, weil nämlich durch den Rückgang des Angebotsdrucks die Drogengefährdung wesentlich gemildert werden kann. Das Aktionsprogramm der Bundesregierung vom November 1970, das offensichtlich seine Bewährungsprobe bestanden hat, sollte durch den ständigen Erfahrungsaustausch mit den Drogenbeauftragten der Bundesländer und insbesondere mit den freien Trägern ergänzt werden. Ich möchte Ihnen, Herr Kollege Burger, recht geben: Wir sollten bei unseren späteren Diskussionen die freien Träger möglichst frühzeitig einbeziehen. All das ist notwendig, um dieses Großmodell, wenn es einer ersten kritischen Erfolgskontrolle unterzogen worden ist, zu verbessern. Eines möchte ich zum Schluß tun und das scheint mir wichtig zu sein : ich möchte an die Jugendlichen selbst appellieren, diejenigen nicht allein zu lassen, die der Droge verfallen sind, sondern zur Unterstützung unserer Bemühungen Wege zur Selbstorganisation zu finden, die die Wiedereingliederung in die Gesellschaft erleichtern. Das Wort hat der Abgeordnete Anbuhl. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem Herr Kollege Rollmann uns mit einer Vermanschung von Drogenkonsum, Kommunismus, Inflation und überholten literarischen Belegen berauscht hat und sich nachher durch die Beiträge aller Kollegen die Diskussion versachlicht hat, darf ich einige Bemerkungen zu dem pädagogischen Aspekt dieser Frage machen. Erstens. Es besteht unter uns allen doch trotz der unterschiedlichen Sichtweise hinsichtlich des Problems und der Methoden der Lösung darüber kein politischer Streit, daß der Genuß von Rauschmitteln ein Symptom für eine komplizierte gesellschaftliche Krankheit ist. Der Drogenkonsum, Herr Rollmann, der ja kein nationales, sondern ein internationales Phänomen, besonders der Wohlstandsländer, ist, muß als Zeichen dafür gewertet werden, daß sich in zunehmendem Maße junge Menschen in der Gesellschaft nicht zurechtfinden, weil sie die Frage nach dem Sinn ihrer Existenz in dieser Gesellschaft nicht beantworten können. Zweitens. Wir müssen uns darüber im klaren sein, daß wir das Drogenproblem durch eine noch so effektive Aufklärung durch gut funktionierende Beratungsund Behandlungsstellen nicht aus der Welt schaffen können, wenn wir im Bewußtsein der jungen Leute nicht eine Veränderung bewirken können, die sie in ein neues Verhältnis zur Gesellschaft stellt, und umgekehrt, wenn wir die gesellschaftlichen Zustände nicht durch ein breites Angebot von bildungspolitischen Maßnahmen verbessern können. Ich bin überhaupt der Überzeugung, daß dieses Problem nicht ein medizinisches oder juristisches, sondern ein gesellschaftspolitisches Problem ist, dem wir mit bildungspolitischen Maßnahmen begegnen müssen. Wir würden uns allerdings, meine Damen und Herren, in die eigene Tasche lügen, wenn wir annähmen, wir könnten die Leistungen in kurzer Zeit oder als einzelnes Land isoliert erbringen. Drittens. Gerade wenn wir uns die Schwierigkeiten vergegenwärtigen, müssen wir anerkennen, daß im pädagogischen, aufklärerischen Bereich die Bundesregierung, die Länder und die Gemeinden und natürlich auch die vielen freien Träger einen bemerkenswerten Teilerfolg erzielen konnten; das hat Herr Kollege Christ eben auch unterstrichen. Bis zum Beginn der siebziger Jahre, also bis zur Verkündung des Aktionsprogrammes, hatten wir die schmerzliche Tendenz zu verzeichnen, daß gerade junge, intelligente, engagierte Leute sich aus der Realität in die Illusion des Rausches flüchteten und diese Flucht als einen Schritt zur Veränderung des Bewußtseins in dieser Gesellschaft politisch motivierten. In der Zwischenzeit hat sich das Bewußtsein zweifelsohne geändert; einmal auf Grund der guten Aufklärungssituation, die die Bundesregierung und die anderen Stellen geschaffen haben, zum anderen natürlich auch durch die persönlichen schmerzlichen Erfahrungen, die einzelne gehabt Anbuhl haben. Wer heute Rauschgift benutzt, gilt zumindest in der Gruppe der sogenannten ersten Drogengeneration nicht mehr als „in". Bei diesen Jugendlichen, zum großen Teil Studenten und Schüler, setzt sich allgemein die Erkenntnis durch, daß niemand die Gesellschaft menschlicher gestalten kann, der sich vor der Realität flüchtet, daß vielmehr allein aktives politisches und soziales Engagement zur Verbesserung dieser Gesellschaft beiträgt. Viertens. Leider müssen wir auf der anderen Seite feststellen, daß dieser Prozeß der Veränderung und Erweiterung des Bewußtseins sich nicht auf die sogenannte zweite Drogengeneration bezieht. Heute flüchten sich immer mehr jüngere Jahrgänge in den Rausch, Kinder besonders aus sozial unterprivilegierten Schichten. Sie suchen den betäubenden Gefühlsrausch, weil sie mit ihren eigenen Problemen in der Schule oder im Elternhaus nicht fertig werden und an einem kritischen Punkt ihres Sozialisationsprozesses stehengeblieben sind. In diesem Bereich müssen wir meiner Ansicht nach einen wichtigen Schwerpunkt unserer Bemühungen sehen. Deswegen unterstützen wir die Bemühungen der Bundesregierung, kindliche und besonders frühkindliche Sozialisationsprozesse erforschen zu lassen und Modelle der Hilfe zu entwickeln. Wir halten in diesem Zusammenhang den Ausbau der schulärztlichen Untersuchungen zur Früherkennung von Drogengefährdung besonders in den Ballungszentren und die Verstärkung der Schulpsychologischen Dienste für eine vordringliche Maßnahme. Wir sind der Meinung, daß mit dem Wechsel der Drogenszene auch neue Methoden der Aufklärung erarbeitet werden müssen, um die neue Gruppe der Konsumenten bzw. der potentiellen Konsumenten ansprechen zu können. Die neue Gruppe der Drogenbenutzer ist gewiß mit den alten Mitteln nicht anzusprechen. Darum lassen Sie mich abschließend anregen, daß in einer zeitlich begrenzten konzentrierten gemeinsamen Aktion die Bundesregierung, die Länderkultusminister und die Verantwortlichen in den Medienbereichen über das anstehende Problem unterrichten, Lösungsmöglichkeiten aufzeigen, damit wir gemeinsam in den nächsten Jahren dieses Problem in den Griff bekommen. Das Wort hat Frau Abgeordnete Schleicher. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da im Laufe der Aussprache zur Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage unserer Fraktion betreffend Rauschmittel und Drogenmißbrauch bereits grundsätzlich eingegangen wurde, möchte ich in meinem Beitrag einzelne Punkte herausgreifen, einerseits, weil ich sie für wesentlich halte, andererseits aber auch, weil sie mir als symptomatisch aufgefallen sind, wie z. B. in der Vorbemerkung: „Wesentliches Kennzeichen der derzeitigen Situation ist eine gewisse Beruhigung." Es ist richtig, daß sich die Situation auf Grund der Anstrengungen der Länder eingependelt hat, und zwar leider bei einem hohen Stand von behandlungsbedürftigen Drogenabhängigen, die mit Kranken gleichzusetzen sind. Kurz darauf folgt der Vergleich, daß es „ein schlimmeres Alarmzeichen sei, wenn Jahr für Jahr mehr als tausend Jugendliche einer bestimmten Altersgruppe Selbstmord begehen". Ich möchte dies als außerordentlich makaber bezeichnen. Der Drogenund Rauschmittelmißbrauch ist doch keine Alternative zur Lösung von Konflikten in diesem Alter. Auch ein übergeordneter Zusammenhang ist kaum zu sehen. Wenn der Drogenmißbrauch durch Jugendliche nicht als jugendtypisches Phänomen gesehen werden soll, was zu unterstreichen ist, dann müssen auch gesellschaftsbzw. familienpolitische Maßnahmen ergriffen werden. Ein psychohygienisches Programm kann dabei nur einen Teilaspekt darstellen. Die Bundesregierung sollte vor allem verdeutlichen, was sie eigentlich unter einem psychohygienischen Programm versteht. Bei der Darstellung der epidemiologischen Situation geht die Bundesregierung von Prozentzahlen aus, die sicher nicht bestritten werden können. Bei der Angabe der Größe des sogenannten „harten Kerns" schwenkt sie aber auf Ergebnisse um, die das Land Baden-Württemberg an Hand einer Umfrage im Juli 1971 hochgerechnet hat und die besagen, daß 3,74 °/o Opium, Morphium oder Heroin öfter oder täglich genommen haben, worbei dies zu dem genannten Zeitpunkt allein in Raden-Württemberg 8 584 Personen der Altersgruppe zwischen 14 und 21 Jahren waren. Es ist deshalb nicht folgerichtig, wenn die Bundesregierung die von ihr ermittelte Zahl von 40 000 der 12bis 25jährigen um 75 °/o, also um drei Viertel, verkleinert und damit den „echt abhängigen Kern" nur mit 10 000 beziffert. Es wird auf verschiedene Erhebungen Bezug genommen, etwa auf die Wiederholungsbefragungen, die im Auftrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung Anfang 1973 durchgeführt worden sind und die auf eine Repräsentativerhebung in Baden-Württemberg und auf eine Untersuchung aus Schleswig-Holstein zurückgehen. Dabei wird nur von der Gesamtgruppe der auf repräsentativer Basis befragten 12bis 15jährigen gesprochen. Daraus wird deutlich, daß es bisher an einer eingehenden repräsentativen Erhebung zum Drogenproblem auf Bundesebene fehlt. Deshalb ist auch gleich die Frage anzuknüpfen, warum der Bund bisher auf eine eingehende Repräsentativerhebung zum Drogenproblem verzichtet hat, obwohl eine solche Übersicht für die Aktivitäten der Bundesregierung sicherlich wichtig — ich möchte sogar sagen, ausschlaggebend — wäre. Bayern z. B. hat eine kostenaufwendige Repräsentativbefragung in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse etwa bis Juli 1973 vorliegen werden. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, daß z. B. die Heranziehung der Musterungsergebnisse der Bundeswehr sicher irreführend ist, denn der harte Kern fluktuiert stark und ist deshalb von den Erfassungsbehörden kaum vollständig zu greifen. Ein mehrjähriger Fixer wird sich nämlich sicher nicht mit Narben und Infektionsstellen dem Musterungsarzt stellen; dagegen werden sogenannte DrogenFrau Schleicher konsumenten ohne schwerwiegende körperliche oder seelische Schäden den Ärzten bei diesen Routineuntersuchungen sicher nicht auffallen. Bei der Statistik fällt dann auf, daß aus einem Anstieg von 1,6 °/o der Schluß gezogen wird, die Rauschgiftkriminalität sei praktisch zum Stillstand gekommen, leider allerdings bei einem Höchststand von 25 679 Fällen im Jahre 1972. Wenn auch der Anteil Jugendlicher an der Gesamtkriminalität auf dem Rauschgiftsektor zurückgegangen ist, so deutet leider der gleichzeitige Anstieg bei der Gruppe der Heranwachsenden eher darauf hin, daß sich der Handel weiter professionalisiert und sich mit anderen kriminellen Delikten wie Waffenschmuggel und Autoschmuggel verschlungen hat. Die zusammenfassende Feststellung in der Vorbemerkung zum Bericht läßt den Eindruck entstehen, der bisherige Erfolg bei der Bekämpfung des Drogenund Rauschmittelmißbrauchs sei vor allem dem Aktionsprogramm der Bundesregierung zuzuschreiben. Hierzu möchte ich gerade aus der Sicht des von mir vertretenen Landes Bayern folgendes sagen. Das bayerische Innenministerium hat das Aktionsprogramm der Bundesregierung vom November 1970 im Interesse eines Zusammenwirkens aller Kräfte bei der Drogenbekämpfung begrüßt. Ebenso wie die anderen Länder hat jedoch Bayern eine Reihe von Maßnahmen bereits getroffen oder für die Zukunft vorgesehen, die nicht durch das Aktionsprogramm der Bundesregierung ausgelöst worden sind. In Bayern sind diese Maßnahmen vielmehr das Ergebnis der Zusammenarbeit der beteiligten Landesministerien in einer Arbeitsgruppe, die ihre Tätigkeit bereits vor 1970 aufgenommen hat. Die bisherigen Erfolge in der Drogenund Rauschmittelbekämpfung gehen sicherlich zu einem wesentlichen Teil auf die Aktivitäten der Länder zurück und nicht auf das Aktionsprogramm der Bundesregierung. Bei der Erwähnung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zu dem Internationalen Einheitsübereinkommen über Suchtstoffe vom 30. März 1961 drängt sich die Frage auf, warum die Bundesregierung diesen Entwurf zu einem Abkommen aus dem Jahre 1961 erst so spät vorlegt und ob dies, weil man wohl davon ausgehen muß, daß das Abkommen durch die neuere Entwicklung zumindest teilweise überholt ist, überhaupt noch sinnvoll ist. Bei der Bekämpfung des Drogenhandels durch Polizei, Bundesgrenzschutz, Zoll und Justiz wurde nach den konkreten Maßnahmen der Bundesregierung zur Verwirklichung des Aktionsprogramms gefragt. Auch hier Enttäuschung auf der ganzen Linie, da es sich wiederum nahezu ausschließlich um Zuständigkeiten und Maßnahmen der Länder handelt: spezielle Dienststellen der Kriminalpolizei, Verstärkung des Einsatzes von Polizeikräften zur Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität, finanzielle und technische Ausstattung von Polizeidienststellen, Weiterentwicklung der Ermittlungsmethoden. Dies wird noch ergänzt durch Einzelmaßnahmen von einer Reihe wichtiger Einrichtungen. Die Bundesregierung berichtet über ein Symposion im November 1972, dessen Ergebnis in dem Bericht „Die Drogensituation in den USA" zusammenfassend als Empfehlung einer deutschen Studiengruppe im Auftrag der Bundesregierung vorgelegt wurde. Es geht leider aus den Angaben der Bundesregierung nicht hervor, inwieweit die Ergebnisse und Empfehlungen auch von der Bundesregierung berücksichtigt werden. Bei Forschung und Verkehr interessiert mich insbesondere zu erfahren, wie es mit dem Forschungsauftrag „Drogen im Straßenverkehr" steht. Gerade im Zusammenhang mit der Unfallverhütung im Straßenverkehr erscheint mir die Vergabe eines Forschungsauftrags für Verfahren zum Nachweis von Drogen außerordentlich dringlich. Es ist deshalb mehr als erfreulich, daß die Bundesregierung laut Drogenbericht bereits einen Auftrag vergeben hat. Ich bitte aber um konkrete Angaben über den Forschungsauftrag. Es erscheint mir unverständlich, daß in der Sitzung des Ständigen Arbeitskreises der Drogenbeauftragten des Bundes und der Länder vor ungefähr einer Woche der Vorsitzende zum Ausdruck brachte, daß man einen Forschungsauftrag vergeben wolle, die Kosten jedoch vergleichsweise hoch seien und deshalb noch mit dem Bundesministerium für Verkehr verhandelt werden müsse. Offenbar ist also ein solcher Forschungsauftrag noch nicht vergeben, obwohl das in dem Bericht angegeben ist! Auch bei den Finanzen bleibt der gleiche Eindruck wie bei den anderen Maßnahmen. Die Länder sind finanziell stärker engagiert als der Bund; denn tatsächlich wurden zwei Drittel von den Ländern und nur ein Drittel vom Bund an Haushaltsmitteln ausgewiesen. Zum Schluß sei noch auf eine Sonderheit in der Beantwortung der Bundesregierung hingewiesen. Die Berechnung der Ausgaben je Drogenund Rauschgiftabhängigen bringt einen beispiellosen Vergleich, der das schöne Niederbayern z. B. mit dem Bundesland Hessen gleichstellt. Es zeigt sich wiederum, daß keine exakten Ergebnisse vorliegen. Aus den vorliegenden Angaben sind kaum Schlüsse zu ziehen, wenn die Ausgaben pro Kopf der Einwohner und nicht pro Kopf der Rauschgiftabhängigen gezählt werden. Denn es ist sicher ein Unterschied, ob der vorgegebene Betrag für die Gesamtbevölkerung gebraucht wird oder wie im Falle Niederbayern nur für insgesamt zwölf stationär zu behandelnde Fälle. Damit wird wahrscheinlich gerade das Gebiet mit den wenigsten Fällen als Muster herausgestellt?! Abschließend möchte ich feststellen, daß die Bundesregierung sich die Beantwortung der Großen Anfrage unserer Fraktion sicher nicht leichtgemacht hat. Gerade deshalb erstaunt es, daß eine Reihe von Widersprüchen auftaucht, die eine Vermutung meiner Vorredner nur verstärken, daß nämlich Papieraktionen gestartet wurden, jedoch bisher kaum in Taten umgesetzt. Sie, Herr Staatssekretär Westphal, fordern auf, die extreme Diskussion in der Bevölkerung zu vermeiden, führen aber gerade diesen Standpunkt als Beweis für eine Neuorientierung der Gesundheitspolitik an. Frau Schleicher Ich möchte deshalb zusammenfassend die drei grundsätzlichen Punkte betonen: Erstens. Hilfe und möglichst Heilung für Süchtige bzw. Abhängige. Zweitens. Ausbau von Vorsorge und Warnung für solche, die in Gefahr stehen, und Eingehen auf Ursachen, um Schlimmeres zu verhüten. Das bedeutet unter anderem auch Kampf gegen die Händlerringe. Drittens. Aber auch Schutz der Bevölkerung vor Radikalisierung einer kranken Minderheit, wenn sie die Toleranzgrenze überschreitet; und dies ist Aufgabe der Bundesregierung. Ich möchte deshalb meinen Bericht nicht schließen, ohne nochmals darauf hinzuweisen, daß bei einem Süchtigen pro Hundert der Bevölkerung ein Leben in unserer Gesellschaft nicht mehr möglich sein wird. Wenn ich die Zahlen vergleiche — 4 % der 15bis 25jährigen nehmen Rauschdrogen zu sich, und 0,4 °/o der gleichen Altersgruppe gehören bereits zum sogenannten harten Kern —, dann sehe ich Alarmstufe 1 und habe größte Bedenken für unsere Gesellschaft der 80er Jahre. Greifen wir deshalb heute auf, was zu verwirklichen ist, ehe wir morgen verspielt haben! Das Wort hat Frau Abgeordnete Schuchardt. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Art der Rede von Herrn Rollmann erleichtert mir den polemischen Einstieg. Herr Rollmann, Ihr jugendpolitisches Engagement muß doch insofern stutzig machen, als nicht irgendeines der CDUoder CSU-regierten Länder längst auf den Gedanken gekommen ist, Sie zum jugendpolitischen Minister zu machen. Dann, glaube ich, hätten wir in diesem Lande sicher eine Rauschgiftoase und andere Länder und die Bundesregierung könnten sich dann dieses Vorbild zu eigen machen. Herr Rollmann, Sie haben hier mit sehr viel Engagement gesprochen und so getan, als ob Ihnen die Unterstützung der Gesamtfraktion sicher sei. Nun muß ich sagen, daß bei dieser Anfrage während der ganzen Zeit nicht einmal 10 % Ihrer Fraktionsangehörigen anwesend waren. Als Frau Schleicher zu sprechen begann, war nicht einmal ein einziger ihrer CSU-Kollegen da. (Abg. Dr. Carstens [Fehmarn] : Während Ihre Fraktion vollständig zur Stelle ist, nicht wahr?!)


(Beifall bei der CDU/CSU.)





(Abg. Prinz zu Sayn-WittgensteinHohenstein: Hört! Hört!)

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0704001400




(Beifall bei der CDU/CSU.)

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0704001500
Herbert Christ (FDP):
Rede ID: ID0704001600







(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0704001700
Jürgen Anbuhl (SPD):
Rede ID: ID0704001800

(Beifall bei der SPD.)




Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0704001900
Ursula Schleicher (CSU):
Rede ID: ID0704002000

(Beifall bei der CDU/CSU.)





(Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)





(Beifall bei der CDU/CSU.)

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0704002100
Helga Schuchardt (FDP):
Rede ID: ID0704002200

(Beifall bei der SPD.)


(Beifall bei den Regierungsparteien.)


(Abg. Dr. Jaeger: Und bei Ihrer Rede?! — Zuruf des Abg. Dr. Carstens [Fehmarn].)

— Ich glaube, der große Unterschied ist doch wohl ganz eindeutig darin zu sehen, daß die Initiative von Ihnen ausgeht und Sie uns hier meinten vorwerfen zu müssen, daß wir nicht so engagiert seien.
Ich glaube, man muß dieses Problem wohl von zwei Seiten betrachten und somit auch getrennt diskutieren. Da ist zum einen der Nachfragebereich,
also der Konsument. Dies ist wohl ein rein soziales Problem und langfristig nur durch vorbeugende Maßnahmen abzubauen. Zum anderen ist da der Bereich des Angebots, d. h. hier der Händler. Dies ist in allererster Linie ein Problem der Verbrechensbekämpfung.
Die Anfrage der CDU/CSU beschäftigt sich in der Hauptsache mit Fragen, wie man bereits das bestehende Problem in den Griff bekommt. Lediglich in einer Frage bemüht man sich darauf einzugehen, inwieweit man vorbeugend tätig werden könnte. Das ist die Frage der Indizierung verführender Drogenliteratur — also auch wiederum eine Verbotsmaßnahme.
Die Antwort auf die Große Anfrage erforderte deshalb eine längere Vorbemerkung, in der sowohl die Gruppe der Suchtgefährdeten insgesamt umschrieben wurde als auch auf das Gesamtproblem und die Entwicklung in den letzten Jahren hingewiesen werden mußte.
Ich möchte aber zunächst auf die insgesamt erfolgreich zu nennende Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität eingehen. Ich meine, hier hat der Bund wohl das in seiner Macht Liegende getan. Ich denke hier an die Bildung der „Ständigen Arbeitsgruppe Rauschgift" beim Bundeskriminalamt, in der sowohl Bundesländer als auch das Ausland zusammenarbeiten. Ich denke darüber hinaus auch an die zentrale Sammlung und Auswertung der Daten von Rauschgiftdelikten beim Bundeskriminalamt.
Diese Voraussetzung kann wohl auch die Opposition nicht übersehen, und ich meine, daß das, was diesen Bereich betrifft, von seiten der Regierung voll und ganz wirksam geworden ist.
Nun wird es jedem einleuchten, daß die Verfolgung das letzte taugliche Mittel ist, um dieses Problem langfristig zu lösen. Eine Untersuchung der Ursachen und deren Bekämpfung sollte dazu beitragen, vorbeugend tätig zu werden, um die Verbrechensbekämpfung weitgehend überflüssig zu machen.
Drogengefährdet sind — das haben zugegebenermaßen alle Seiten festgestellt — in erster Linie diejenigen Jugendlichen, die ohnehin geistig-seelischen Gefährdungen generell stärker unterliegen, so wie es auch in der Vorbemerkung anklingt. Es scheint mir auch zulässig zu sein, hier die 100 Todesfälle von Jugendlichen zwischen 15 und 25 Jahren auf Grund von Rauschgiftkonsum den 1 000 Selbstmorden gegenüberzustellen, um den Tiefgang des Gesamtproblems in irgendeiner Weise zu erfassen.
Ich weise deshalb darauf hin, weil die erfreulicherweise stagnierende Zahl von Konsumenten auch darauf hindeuten kann, daß die Jugendlichen anderen Gefährdungen unterliegen. So deutet ja die Zunahme der Alkoholsucht leider darauf hin. Es ist deshalb wichtig, zu wissen, daß die Bundesregierung diese Drogengefährdung nicht als gebannt ansieht, sondern weiterhin in ihren Maßnahmen flexibel bleiben wird, um bei entsprechenden Entwicklungen wieder eingreifen zu können.
Ich meine, man sollte an dieser Stelle die freien Initiativen besonders unterstützen. Hier kann ich



Frau Schuchardt
mich Herrn Dr. Meinecke anschließen; auch uns war es nicht möglich, als Sie dieses aussprachen, Herr Rollmann, das zu unterstützen, da wir damit Ihre ansonsten sicherlich etwas zu überzeichnete Rede unterstützt hätten.
Die Phase der Verharmlosung der Droge in der Literatur ist im wesentlichen vorbei, Herr Rollmann. Insofern kommt dieser Teil Ihrer Rede nun wirklich zu spät. Wir haben einen ganz eindeutigen Beweis dafür, daß Aufklärung, daß vernünftige Auseinandersetzung mit einem Problem stärker durchgreifen als das Verbot oder die Indizierung irgendwelcher Literatur.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Wenn hier darauf hingewiesen wurde, daß z. B. in „Konkret" Herr Röhl selbst eingestanden hat, daß er sich geirrt hat, als er bzw. „Konkret" zu der Zeit, als Hasch „in" war, dieses verharmloste, so liegt in diesem Zugeben eine vorbildliche politische Haltung. Ich kann nur sagen, daß ich so etwas bisher selten von CDU-Leuten gehört habe.

(Abg. Rollmann: Wir haben das nicht propagiert, Frau Kollegin!)

Wollen wir nicht weiterhin bestehende Mängel mit großem Kostenaufwand in Grenzen halten, sondern versuchen, Mängel, noch ehe sie entstanden sind, zu verhindern, so wird man vorbeugende Maßnahmen entwickeln müssen. Ich meine, daß hierbei die Parteien, Gewerkschaften und vor allem auch die Jugendorganisationen eine wesentliche bildungspolitische Aufgabe haben, um die Jugendlichen zu politisieren, und dies sollte verstärkt unterstützt werden. Ich finde es sehr bedauerlich, daß wir nicht die Chance hatten, weil die Fragestellung anders lag, uns hier mit diesen Problemen etwas stärker auseinanderzusetzen.
Für mich, die ich noch nicht lange in diesem politischen Geschäft stehe, ist es eine ausgesprochen eigenartige Erfahrung, immer wieder festzustellen, daß sich die politischen Kräfte, und zwar sicherlich aller Parteien, die große Chance der Investitionen entgehen lassen, so daß sie dadurch immer in Zugzwang kommen, Versäumnisse durch Subventionen abfangen zu müssen.

(Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)

Ich bin fest davon überzeugt, daß wir gesamtgesellschaftlich so weniger ökonomisch arbeiten, als wenn wir zur rechten Zeit investierten.

(Beifall.)

Ich möchte zum Schluß mit dem schließen, was wohl der Hauptinhalt Ihrer Anfrage ist, Herr Rollmann. Sie erwarten eine Reihe von Daten, die so frei eben nicht da liegen, sondern die man erst mit einem enormen Aufwand zusammentragen müßte. Ich meine, Daten allein, um sich ein paar schöne Stunden zu machen, sollten nicht der Sinn einer Großen Anfrage sein. Die Daten, über die wir verfügen, reichen aus, um politische Schlußfolgerungen daraus zu ziehen. Ich kann nur sagen, wir entscheiden uns gegen einen großen Verwaltungsapparat und dafür,
daß solche Mittel eher in die aktiven Maßnahmen fließen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0704002300
Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär Baum vom Bundesinnenministerium.

Gerhart Rudolf Baum (FDP):
Rede ID: ID0704002400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich noch einige wenige Bemerkungen aus der Sicht des Bundesinnenministeriums machen.
Die Drogensucht hat mannigfaltige Ursachen, und sie erfordert vielschichtige Gegenmaßnahmen. Das haben wir heute schon von allen Rednern gehört. Diese Gegenmaßnahmen können letzlich nur dann effektiv sein, wenn sie aufeinander abgestimmt sind. Die Bundesregierung hat die Notwendigkeit einer in sich geschlossenen Konzeption frühzeitig erkannt und bereits im Jahre 1970, wie Sie wissen, ein Aktionsprogramm vorgelegt. Eingebettet in dieses Programm ist der Bereich, in dem der Bundesminister des Innern die Verantwortung trägt, nämlich die Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität. Der Bundesinnenminister hat wiederholt auch in diesem Hause darauf hingewiesen, daß Verbrechensbekämpfung nicht isoliert für sich allein betrachtet werden kann. Sie kann nur verwirklicht werden im Rahmen einer Zielprojektion, durch die die Bedingungen der Kriminalität erkannt und verändert werden können. Ursachenforschung, aufklärende und erzieherische Maßnahmen sowie vorbeugende und therapeutische Hilfen sind daher unabdingbare Voraussetzungen. Darauf haben meine Vorredner hier schon hingewiesen. Gleichzeitig bedarf es aber auch intensiver polizeilicher Anstrengungen, um Rauschgifttätern und -händlern so rasch wie möglich das Handwerk zu legen und sie damit an der Verbreitung der für die . Volksgesundheit so gefährlichen Droge zu hindern. Kein Straftäter soll damit rechnen können, in unserem Land sein sozialschädliches Handeln unerkannt und ungestraft fortführen zu können.
Die Bundesregierung hat diese Überlegungen konsequent bei ihrem Konzept zur Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität berücksichtigt. Ich fasse es wie folgt zusammen.
Gemäß dem „Sofortprogramm zur Modernisierung und Intensivierung der Verbrechensbekämpfung" vorn 29. Oktober 1970 sind die erforderlichen organisatorischen Maßnahmen für eine wirksamere und umfassendere polizeiliche Ermittlungstätigkeit des Bundeskriminalamtes getroffen worden.
Mit dem „Schwerpunktprogramm Innere Sicherheit" vom 22. März 1972 ist der personelle und finanzielle Ausbau des Bundeskriminalamtes weiter vorangetrieben worden. Diese Maßnahmen kamen in besonderem Grade auch der Aufgabe zustatten, wirksame Vorkehrungen für die Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität zu treffen.
Ich möchte in diesem Zusammenhang aber auch die Verdienste und Erfahrungen der Länder bei der Schaffung von Spezialdienststellen betonen,



Parl. Staatssekretär Baum
denen hier eine große Aufgabe zukommt. Ihre Bedeutung ist, wenn auch mit einem besonderen Akzent, hier schon von der bayerischen Kollegin gewürdigt worden.
Für die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern hat das „Programm für die Innere Sicherheit in der Bundesrepublik Deutschland" vom 17. Juni 1972 auch auf dem Gebiet der Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität erhebliche Verbesserungen in die Wege geleitet: Die originäre Ermittlungszuständigkeit für den international organisierten Rauschgifthandel liegt danach künftig beim Bundeskriminalamt; die dazu notwendige gesetzliche Änderung ist am 24. Mai 1973 in diesem Hause in dritter Lesung beschlossen worden. Die Zuständigkeit für überörtliche Rauschgiftdelikte wird bei den Landeskriminalämtern zentralisiert, mit denen das Bundeskriminalamt eng zusammenarbeitet.
Daten über Rauschgiftdelikte werden zentral beim Bundeskriminalamt gesammelt und ausgewertet. Die dort mit großem Kostenaufwand eingerichtete elektronische Datenverarbeitungsanlage, die bereits jetzt im benachbarten Ausland auf großes Interesse stößt, wird mit einer speziellen Datei für die Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität nutzbar gemacht. Besondere Richtlinien für den Meldeweg in Rauschgiftsachen stellen sicher, daß alle Dienststellen der Polizei in Bund und Ländern, des Zolls und der Grenzschutzbehörden in kürzester Zeit über die für sie notwendigen Informationen verfügen. Absprachen zwischen Bund und Ländern stellen eine enge Zusammenarbeit aller Beteiligten für den exekutiven Zugriff im Einzelfall sicher.
Die eingeleitete Kooperation hat inzwischen zur Bildung einer „Ständigen Arbeitsgruppe-Rauschgift" beim Bundeskriminalamt geführt, in der alle beteiligten Dienststellen der Bundesrepublik zusammenarbeiten und an der auch Vertreter ausländischer Staaten beteiligt sind. Eine besonders enge Zusammenarbeit besteht mit Vertretern des amerikanischen „Bureau of Narcotics and Dangerous Drugs". Ich darf hierfür an dieser Stelle der Regierung der Vereinigten Staaten unseren besonderen Dank aussprechen, auch für die Unterstützung, die sie für die Spezialausbildung unserer Rauschgiftsachbearbeiter gewährt. Die „Ständige Arbeitsgruppe-Rauschgift" beim Bundeskriminalamt ist im benachbarten Ausland stark beachtet worden. Wir hoffen, daß sie zu einem Modellfall für eine konstruktive internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Verbrechensbekämpfung wird.
Ich habe bereits angedeutet, daß der Rauschgiftkriminalität mit Hilfe rein nationaler Maßnahmen allein nicht wirksam entgegengetreten werden kann. Es bedarf vielmehr einer verstärkten internationalen Zusammenarbeit, um das Übel an der Wurzel zu packen. Die Bundesregierung hat daher auch zu den Staaten, in denen Rauschgift angebaut und durch die es durchgeführt wird, Kontakte geknüpft, um eine gemeinsame Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität zu erreichen.
Das Bundeskriminalamt arbeitet mit den Polizeibehörden aller in Betracht kommender Länder über
die Internationale Kriminalpolizeiliche Organisation zusammen; darüber hinaus sind wir bestrebt, weitere bilaterale Verbindungen herzustellen.
Im Bereich der Europäischen Gemeinschaft ist die Zusammenarbeit auf diesem Gebiet auch auf Grund einer Initiative des franzöischen Staatspräsidenten besonders weit fortgeschritten. Die Mitgliedstaaten haben auf einer Ministerkonferenz in Rom am 4. und 5. Oktober 1972 gerade auf dem Gebiet der repressiven Maßnahmen entscheidende Beschlüsse gefaßt.
Meine Damen und Herren, es scheint, als sei in der Bundesrepublik der Kulminationspunkt der Rauschgiftkriminalität überschritten. Während von 1966 bis 1971 die Zahl der Rauschgiftdelikte sprunghaft angestiegen ist, trat im Jahr 1972 im Verhältnis zum Vorjahr bei einem Zuwachs von nur 1,6 % erfreulicherweise eine Stagnation ein. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, daß infolge der Umstellung der polizeilichen Kriminalstatistik ab 1. Januar 1971 zur Vermeidung von Doppelzählungen die Fälle nicht in die Statistik 1971 aufgenommen wurden, die bereits für das Jahr 1970 als „Eingangsfälle" erfaßt worden waren. Im Jahre 1972 wurden dagegen alle „Eingangsfälle" des Jahres 1971 mitgezählt, so daß die Zuwachsraten 1972 im Verhältnis zum Vorjahr statistisch überhöht dargestellt sind. Es ist auf Grund der vorliegenden statistischen Zahlen nicht zu verkennen, daß die verstärkten Bemühungen von Bund und Ländern zur Eindämmung der Rauschgiftkriminalität erste Erfolge zeigen. Erfreulich ist insbesondere auch, daß im Gegensatz zu den Vorjahren der Anteil der jugendlichen Tatverdächtigen erstmals abgenommen hat.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Die Statistik des Jahres 1972 hat im Verhältnis zu den sprunghaften Zuwachsraten der Vorjahre, wie ich schon sagte, eine Wende zum Besseren signalisiert. Dennoch nimmt die Bundesregierung das Problem der Rauschgiftkriminalität nach wie vor sehr ernst und kann vor einer Verharmlosung des Betäubungsmittelmißbrauchs, der immer noch sehr hoch ist, nur warnen. Die Bundesregierung wird deshalb in ihren Bemühungen nicht nachlassen, zur Eindämmung der Rauschgiftkriminalität die Bekämpfungsmaßnahmen und -methoden zu verbessern und die Zusammenarbeit im nationalen und internationalen Bereich zu intensivieren.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0704002500
Meine Damen und Herren, wir stehen am Ende der Aussprache. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Ich schlage Ihnen vor, daß wir den Antrag der Abgeordneten Rollmann und anderer auf der Drucksache 7/671 dem Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit überweisen. — Ich sehe und höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe nunmehr Punkt 43 der verbundenen Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes



Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
zur Reform des Ehe- und Familienrechts (1. EheRG)

— Drucksache 7/650 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Rechtsausschuß (feclerführend)

Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Innenausschuß
Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO
Zur Begründung hat das Wort der Herr Bundesjustizminister.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0704002600
Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren! Namens der Bundesregierung lege ich den Entwurf des Ersten Gesetzes zur Reform des Ehe- und Familienrechts vor. Damit werden die bereits in der vergangenen Wahlperiode erarbeiteten Vorschläge erneut aufgenommen und in einer Vorlage zusammengefaßt. Es geht um die Neuordnung materieller Vorschriften des Eherechts, des gesamten Ehescheidungs- und Scheidungsfolgenrechts sowie des Verfahrensrechts bei Ehescheidungen.
Die Reform des Eherechts ist dringend; seit 50 Jahren wird sie erörtert. Es ist an der Zeit, zu Entscheidungen zu kommen. Die Unzulänglichkeiten und Ungerechtigkeiten des geltenden Rechts werden von vielen Bürgern seit langer Zeit beanstandet. Ihre Erwartungen an den Gesetzgeber sind groß. Deshalb konnte und wollte die Bundesregierung auch nicht den vielleicht bequemeren Weg wählen und nur einzelne besonders änderungsbedürftige Bestimmungen des geltenden Rechts überprüfen. Sie erfüllt mit der Vorlage vielmehr den wesentlichen Teil des Auftrages des Deutschen Bundestages vom 8. November 1967, das gesamte Ehe-und Scheidungsrecht umfassend zu erneuern. Die vom Bundesminister der Justiz daraufhin eingesetzte Kommission hat mit ihren bedeutsamen Empfehlungen die Grundlage für diesen Entwurf geschaffen. ihr sei für ihre vorbildliche und zügige Arbeit auch an dieser Stelle gedankt.
In den Entwurf eingegangen sind weiter die Ergebnisse der umfangreichen wissenschaftlichen und öffentlichen Diskussion, die ich seit 1970 gesucht habe. Die rechtliche Regelung der Ehe, der Ehescheidung und ihrer Folgen berühren oder können doch jeden Bürger berühren. Die Diskussion mit dem Bürger war deshalb ebenso notwendig wie nützlich. Aus ihr sind wir in den beiden Leitlinien des Entwurfs nachdrücklich bestätigt worden. Das neue Eherecht gestaltet die Beziehungen der Ehepartner auf der Grundlage gleicher Rechte in Selbstbestimmung und Selbstverantwortung. Und es soll auch die soziale Chancengleichheit beider Ehepartner besser gewährleisten.
Das geltende Recht beruht in seinem Kern auf den Vorstellungen, die im Jahre 1900 beim Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches herrschten. Es ist von der gesellschaftlichen, sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung überholt. Seine Grundannahmen sind unserer Zeit fremd geworden. Das gilt in besonderem Maße von der Stellung der Frau in der Gesellschaft und damit auch in der Ehe. Trotz zahlreicher Änderungen im Laufe der Zeit ist bis
zum heutigen Tage ein einseitiger Vorrang des Mannes aufrechterhalten geblieben. Das hat nicht nur zur rechtlichen Benachteiligung der Frauen in der Ehe geführt. Gerade in den Fällen, in denen die Ehe scheitert, ergeben sich vielfältige soziale und rechtliche Nachteile, die nicht länger bestehenbleiben dürfen. Ziel des Entwurfs ist ein Eherecht, das dem partnerschaftlichen Eheverständnis entspricht, ein faires und ehrliches Scheidungsrecht und ein gerechtes Scheidungsfolgenrecht.
Der Entwurf setzt für die Reform fünf Schwerpunkte.
1. Die Rechtsstellung der Ehepartner, insbesondere ihr Verhältnis zueinander, wird vom Grundsatz der Gleichberechtigung von Mann und Frau bestimmt.
2. Die Ehe ist auf Lebenszeit angelegt. Ist aber dieses Ziel, eine Gemeinschaft auf Lebenszeit zu führen, unerreichbar geworden, so darf die staatliche Rechtsordnung keinen Zwang zur Aufrechterhaltung der Ehe ausüben. Sie muß vielmehr ein Verfahren anbieten, das eine Auflösung der Ehe unter glaubwürdigen und den Bürgern zumutbaren Bedingungen erlaubt. Die bisher in der Regel notwendige Frage nach der Schuld am Scheitern der Ehe entspricht diesen Anforderungen nicht. Sie muß durch die objektive Frage ersetzt werden, ob die Ehe endgültig gescheitert ist.
3. Die Folgen der Scheidung sind immer eine auch schwere wirtschaftliche Last. Die Verteilung dieser Last nach dem Grundsatz des Verschuldens führt häufig zu sozialen und wirtschaftlichen Ungerechtigkeiten. In Zukunft soll entscheidender Maßstab die wirtschaftliche Lage der Beteiligten nach Auflösung der Ehe sein. Ehe- und familienbedingte Nachteile müssen unter sozialen Gesichtspunkten ausgeglichen werden.
4. Besondere Schwierigkeiten ergeben sich für geschiedene Eheleute in der Altersversorgung. Vor allem nicht in einem Beruf außerhalb des Haushalts tätige Ehefrauen sind benachteiligt. Der als völlige Neuerung vorgeschlagene Versorgungsausgleich soll in Zukunft beide Ehegatten an der während der Ehe erarbeiteten Altersversorgung gleichmäßig beteiligen.
5. Scheidung und Regelung der Scheidungsfolgen gehören zusammen. Sie sollen in einem Verfahren geregelt werden. Diese Verfahren müssen von besonders sachkundigen und erfahrenen Richtern behandelt werden. Dazu sollen eigene Familiengerichte neu eingeführt werden.
Diese fünf Grundentscheidungen sind das tragende Gerüst der Reform des Eherechts. Sie stehen in Einklang mit den Erkenntnissen und Einsichten aller großen gesellschaftlichen Gruppen unseres Landes. An ihnen sollte festgehalten werden. Für die Ausgestaltung im einzelnen bieten sich teilweise verschiedene Lösungen an. Bei der Neuordnung eines so wichtigen Rechtsgebietes kann das auch nicht anders sein. Die Bundesregierung hat ihre Vorschläge im Entwurf dargelegt. Sie wird aber an den Beratungen der Ausschüsse in der Absicht mitwirken, die Diskussion weiterzuführen und sich an



Bundesminister Jahn
der Erarbeitung der bestmöglichen Entscheidungen zu beteiligen.
Die fünf Grundentscheidungen, die ich hier genannt habe, beruhen auf folgenden Erwägungen:
Das Recht des Bürgerlichen Gesetzbuches geht von einer überkommenen Aufgabenverteilung zwischen Mann und Frau aus und räumt dem Manne Vorrechte ein, die weder begründet noch mit dem Verfassungsgebot der Gleichberechtigung vereinbar sind. Anders als der Mann soll die Frau, selbst wenn sie dieselbe Ausbildung hat wie der Mann, nur berufstätig sein dürfen, „soweit" — ich zitiere den Gesetzestext — „dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist". Der Ehename der Frau, der Familienname der Kinder muß stets der Name des Mannes sein. Solche Regelungen entsprechen nicht mehr dem Verständnis und den Verhältnissen unserer Zeit.
Heute sind die meisten verheirateten Frauen in der ersten Zeit der Ehe noch erwerbstätig, immer mehr bleiben es, immer mehr kehren nach kürzerer oder längerer Unterbrechung wieder in den Beruf zurück. Unter diesen Umständen darf die überholte gesetzliche Festschreibung der Ehe als Hausfrauenehe nicht länger fortbestehen. Sie soll allerdings auch nicht durch ein anderes Leitbild, etwa das der Ehe der berufstätigen Frau, ersetzt werden. Es ist nicht Aufgabe des Gesetzgeber, den Ehepartnern vorzuschreiben, nach welchem Leitbild sie ihre Ehe zu führen haben. Der Gesetzgeber hat lediglich den rechtlichen Rahmen zu schaffen, in dem die Partner sich frei entscheiden können. Es ist allein Sache der Ehegatten, sich in eigener Verantwortung darüber zu verständigen, wie sie die Aufgaben in der Ehe verteilen wollen. Beide müssen auf die Belange des anderen und die der ganzen Familie Rücksicht nehmen. Welche Entscheidung im Einzelfall richtig ist, weiß nicht der Gesetzgeber. Das wissen allein die Eheleute selbst.
Indem der Entwurf die Aufgabenteilung in der Ehe der freien Entscheidung der Ehegatten überläßt, rückt er auch ihre gemeinsame Verantwortung für die Pflege und Erziehung der Kinder, für die Erwirtschaftung des Familienunterhalts und die Haushaltsführung in den Vordergrund. Der Beitrag zum Familienunterhalt durch Haushaltsführung steht dem durch Erwerbstätigkeit geleisteten Beitrag gleich. Damit erkennt der Entwurf auch rechtlich eindeutig an, daß Hausfrauentätigkeit der Berufsausübung außer Haus uneingeschränkt gleichwertig ist. Diese Bewertung der Hausarbeit findet folgerichtig auch in der zukünftigen Regelung des Unterhalts nach der Ehescheidung und in der Regelung des Versorgungsausgleichs ihren Niederschlag. Auch die sonstigen Regelungen des geltenden Rechts, die nur aus der früheren Vorrangstellung des Mannes zu erklären sind ich nenne hier z. B. die Bestimmung des Mannesnamens zum Ehe- und Familiennamen und die sogenannte Schlüsselgewalt der Frau —, werden durch verfassungsgemäße Lösungen ersetzt. Hier kann die Rechtspolitik einen wichtigen Beitrag zur Emanzipation der Frau leisten, und wenn sie es kann, sollte sie es auch tun.
Für das neue Scheidungsrecht ist der Übergang vom Schuld- zum Zerrüttungsprinzip nicht mehr umstritten. Das geltende Schuldprinzip hat sich nicht bewährt. Danach kann eine Ehe in der Regel nur geschieden werden, wenn ein Ehegatte schuldhaft die ehelichen Pflichten verletzt hat und ihm diese Eheverfehlungen nachgewiesen werden können. Um die Scheidung zu erreichen, muß im Streitfalle möglichst viel Nachteiliges über den anderen Ehegatten im Prozeß vorgetragen werden. Sind beide Ehegatten zur Scheidung entschlossen, ohne daß eine Eheverfehlung vorliegt, müssen sie das Gericht täuschen und tatsächlich gar nicht begangene Eheverfehlungen behaupten. In jedem Falle ist das Verfahren belastend oder unwürdig. Überzeugend und glaubhaft ist die schwierige Frage nach der Schuld am Scheitern einer Ehe ohnehin nicht zu beantworten.
Deshalb sieht der Entwurf als Voraussetzung für eine Scheidung des Scheitern der Ehe vor. Nicht jede, nur die endgültige Zerrüttung kann zur Scheidung führen. Deshalb verwendet der Entwurf nicht den herkömmlichen Begriff der Zerrüttung, sondern führt den des Scheiterns neu ein.
Als Grundtatbestand ist vorgesehen, daß eine Ehe geschieden werden kann, wenn sie gescheitert ist. Ferner gibt es zwei Tatbestände, wenn das Scheitern der Ehe nach bestimmten Trennungszeiten gesetzlich vermutet wird, und schließlich eine immaterielle Härteklausel, wonach eine Ehe, obwohl sie gescheitert ist, wegen außergewöhnlicher Umstände nicht geschieden werden soll.
In der Frage der Trennungsfristen, insbesondere darüber, ob die gesetzliche Vermutung des Scheiterns der Ehe nach dreijähriger Trennung unwiderleglich oder widerlegbar ausgestaltet sein sollte, gehen die Auffassungen auseinander. Der Entwurf schlägt vor, daß auch bei einer dreijährigen Trennung solche Tatsachen vorgebracht werden können, die das Scheitern der Ehe widerlegen können. Ich verkenne nicht, daß damit der dogmatische Grundsatz durchbrochen wird. Ich bezweifle aber, daß ein starres dogmatisches System geeignet ist, einem so schwierigen, immer wieder einmaligen, höchstpersönlichen Lebensvorgang wie dem einer Ehescheidung voll gerecht zu werden.
Der Kritik an der Härteklausel muß eingeräumt werden, daß sie gleichfalls, auch in der vorgeschlagenen Form der immateriellen Härteklausel, nicht nahtlos in die reine Lehre vom Zerrüttungsprinzip hineinpaßt. Aber im Gegensatz zu dem mit Recht viel kritisierten Widerspruchsrecht des geltenden § 48 Abs. 2 des Ehegesetzes kann diese Härteklausel nur in ganz außergewöhnlichen Fällen, gerade dort, wo eben aus menschlichen Gründen eine solche Ausnahme unerläßlich erscheint, angewendet werden. Wirtschaftliche und soziale Umstände bleiben außer Betracht. Sie werden durch das verbesserte Unterhaltsrecht des Entwurfs aufgefangen. Es ist auch mit dem Wesen der Ehe nicht vereinbar, sie aus rein wirtschaftlichen Gründen aufrechterhalten zu wollen. Die vorgeschlagene Härteklausel des Entwurfs kommt trotz Vorliegens außergewöhnlicher Umstände - anders also als bei § 48 Abs. 2 des gelten-



Bundesminister Jahn
den Ehegesetzes — nicht schon dann zur Anwendung, wenn sich der scheidungsunwillige Ehegatte darauf beruft. Das Gericht muß vielmehr die Belange beider Ehegatten gegeneinander abwägen. Beide Regelungen des Entwurfs beruhen auf der Einsicht, daß schematische oder automatische Lösungen meist keine befriedigende Antwort auf umfassende Lebensvorgänge geben können.

(Abg. Erhard [Bad Schwalbach] : Sehr richtig!)

Damit muß sich auch die Kritik auseinandersetzen. Wenn sie bessere Lösungen zu finden vermag, werden wir sie gerne aufgreifen.
Auch im Unterhaltsrecht nach der Scheidung geht der Entwurf neue Wege. Nach geltendem Recht hat der Ehegatte, der die alleinige oder überwiegende Schuld an der Scheidung trägt, keinen Anspruch auf Unterhalt. Diese Folge hat überwiegend die Eigenschaft einer Strafe. Sie trifft besonders die nichterwerbstätige Frau schwer. Das ist nicht sachgerecht. Bei der Regelung der Folgen einer Scheidung darf nicht gestraft oder belohnt werden. Es geht allein um gerechten Ausgleich der wirtschaftlichen und sozialen Belange beider Ehepartner.
Daß ein Ehegatte auf Unterhaltszahlung des anderen angewiesen ist, hat seinen Grund darin, daß die Eheleute eine bestimmte Aufgabenteilung in der Ehe vorgenommen haben. Ein Ehegatte versorgt den Haushalt, der andere bleibt weiter erwerbstätig. Je länger die Ehe dauert, um so mehr steigt die wirtschaftliche Abhängigkeit des nichterwerbstätigen
Teils vom anderen. Auch für die absehbare Zukunft werden Frauen hier häufiger benachteiligt sein als Männer, selbst wenn sich die eigentlich selbstverständliche Forderung nach voller Berufsausbildung der jungen Frauen stärker durchsetzen und die Berufstätigkeit zunehmen wird.
Der Entwurf schlägt eine wirtschaftlich und sozial ausgewogene Lösung vor. Zerbricht die Ehe, so hat der wirtschaftlich stärkere Teil so lange und so weit Unterhalt zu leisten, als eine Abhängigkeit des wirtschaftlich schwächeren Teils fortbesteht und dieser nicht auf eigenen Füßen stehen kann. Der Unterhaltsbedürftige hat die ihm zumutbaren Anstrengungen zu unternehmen und sich gegebenenfalls umschulen zu lassen, wenn er hierzu die Fähigkeiten besitzt und die Umschulung zur Aufnahme einer angemessenen Erwerbstätigkeit erforderlich ist.
Auf diesen Grundsätzen beruht das Unterhaltsrecht mit seinen fünf Haupttatbeständen. Danach hat ein geschiedener Ehegatte Anspruch auf Unterhalt:
1. Wenn er ein gemeinschaftliches Kind betreut und deswegen von ihm keine Erwerbstätigkeit erwartet werden kann;
2. wenn von ihm wegen seines Alters im Zeitpunkt der Scheidung oder bei Beendigung der Betreuung eines Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht mehr erwartet werden kann;
3. wenn er wegen Krankheit im Zeitpunkt der Scheidung an der Ausübung eines Berufs gehindert ist;
4. solange er keine angemessene Erwerbstätigkeit findet, wobei der Anspruch wiederauflebt, wenn eine dauerhafte Wiedereingliederung in das Erwerbsleben mißglückt, etwa weil er seine Kräfte überschätzt hat.
Das entspricht, abgesehen davon, daß die Bedürfnislage zu bestimmten Zeitpunkten vorliegen muß, dem Katalog des geltenden Rechts, der von der Rechtsprechung herausgebildet worden ist. Die wesentliche Verbesserung liegt darin, daß in Zukunft die Ursachen des Scheiterns der Ehe ohne Bedeutung sind.
Hinzu kommt ein neuer, fünfter Tatbestand, der ein Stück Chancengleichheit mehr verwirklichen soll. Ein Ehegatte, der in Erwartung oder während der Ehe seine Ausbildung abgebrochen hat, kann Unterhalt einschließlich der Ausbildungskosten vom anderen Ehegatten für die Zeit verlangen, in der die von ihm gewählte Ausbildung im allgemeinen abgeschlossen ist. Meist wird es die junge Frau sein, die wegen der Ehe ihre Ausbildung abbricht. Ihr soll künftig nicht mehr zugemutet werden, nach der Scheidung einen Beruf ausüben zu müssen, der unter ihren tatsächlichen Fähigkeiten liegt. Den ehebedingten Ausbildungsverlust soll billigerweise derjenige Ehegatte ausgleichen, der in seinem beruflichen Werdegang keine Einbußen erlitten hat. Nicht zuletzt liegt es auch im Interesse der unterhaltspflichtigen Ehegatten selbst, daß der andere eine Tätigkeit aufnehmen kann, die seinen gesamten angemessenen Lebensbedarf deckt.
Für Maß und Umfang des Unterhaltsanspruchs werden auch weiterhin die ehelichen Lebensverhältnisse bestimmend sein. Hierfür war der Gesichtspunkt maßgebend, daß Erwerbstätigkeit und Haushaltsführung gleichwertig sind und beide Ehegatten dieselbe soziale Stellung haben.
Eine der wichtigsten Neuerungen des Entwurfs stellt die Einführung des Versorgungsausgleichs dar. Diese dem geltenden Recht unbekannte, neuartige rechtliche Regelung ist dringend geboten. Soweit die Frau nicht selbst oder nicht voll erwerbstätig ist, erwirbt sie keine oder keine ausreichende Alterssicherung. Sie bleibt abhängig von Unterhaltsleistungen und Leistungsfähigkeit des Mannes im Alter. Wird sie schuldig geschieden, erhält sie nichts. Ihre Lebensleistung in der Ehe findet keine Entsprechung in der Altersvorsorge. Das ist eine unvertretbare Benachteiligung.
Der Entwurf folgt mit seiner Lösung dem im Vermögensrecht anerkannten Gedanken des Zugewinnausgleichs. So wie in der Regel der Vermögenszuwachs während der Ehe nach deren Ende geteilt werden muß, so soll auch die Alterssicherung, die ebenfalls auf der gemeinsamen Lebensleistung beider Ehepartner während der Ehe beruht, berücksichtigt werden.
Es ist deshalb angemessen, die Anrechte auf Altersversorgung ebenfalls zur Hälfte zwischen den Ehegatten auszugleichen, wenn die Ehe geschieden wird. Der Versorgungsausgleich hat nicht nur den Gesichtspunkt individueller Gerechtigkeit für sich, sondern er ist gleichzeitig ein erster Schritt



Bundesminister Jahn
zur Verwirklichung einer wichtigen sozialpolitischen Aufgabe unserer Zeit: der eigenständigen Invaliditäts- und Alterssicherung für alle nicht erwerbstätigen Ehefrauen.
Dieses Ziel ist nicht einfach und nicht kurzfristig zu erreichen. Aber wir müssen jede Möglichkeit schon jetzt ergreifen, um zu mehr sozialer Sicherheit, besonders auch für ältere Frauen, zu gelangen. Hier im Rahmen des Scheidungsfolgenrechts, wo die Probleme besonders dringend sind, bietet sich ein Ansatz, der gewiß noch viele Fragen offenläßt, gegenüber dem geltenden Recht aber ein wichtiger Schritt zu mehr Sicherheit für die älteren Frauen ist.
Schließlich ein Wort zur Neuordnung des Eheverfahrens. Bereits durch die Änderungen bei den Scheidungsvoraussetzungen wird das Scheidungsverfahren in Zukunft anders ablaufen als bisher. Der Übergang zum Zerrüttungsprinzip und insbesondere die gesetzlichen Vermutungen für das Scheitern der Ehe werden das Verfahren entkrampfen und versachlichen. Der Streit um das Verschulden entfällt. Scheinverfahren mit fingierten Schuldvorwürfen und unwahren Geständnissen werden überflüssig. Die neuen Verfahrensregeln bringen zusätzliche Verbesserungen zum Schutze der Interessen der Beteiligten. Das rechtspolitisch Bedeutsame ist, daß in Zukunft über die Scheidung und die Scheidungsfolgen eigene Spruchkörper, nämlich die Familiengerichte mit erfahrenen, für diese Aufgabe besonders geeigneten Richtern befinden sollen. Beides, der Scheidungsausspruch und die Regelung der Scheidungsfolgen, sollen grundsätzlich in einem und demselben Verfahren erledigt werden. Die Eheleute sollen wissen, was die Scheidung für sie bedeutet. Niemand soll eine neue Ehe eingehen, bevor nicht die Rechtsbeziehungen aus der vorangegangenen geklärt sind. Heute glauben viele, mit dem Scheidungsausspruch vor dem Landgericht sei ihre Lebensgemeinschaft schon aufgelöst. In Wahrheit beginnt nach dem gegenwärtigen Verfahrensrecht in bis zu 14 verschiedenen Verfahren vor unterschiedlichen Gerichten erst dann der hartnäckigste Kampf um die Kinder, den Unterhalt, die Ehewohnung, den Hausrat.
Dadurch, daß alle diese Fragen zusammen behandelt und vor der Entscheidung über die Ehescheidung geregelt sein sollen, wird zudem ein zusätzlicher Schutz für den wirtschaftlich schwächeren Ehegatten geschaffen.
Verehrte Damen! Meine Herren! Die Reform des Ehe- und Familienrechts muß das Eherecht für die Betroffenen so formen, daß es ihrer eigenen Verantwortung Raum gibt und ihnen hilft, die Schwierigkeiten im rechtlichen Bereich zu lösen, die sich aus einem Scheitern der Ehe ergeben. Es geht weder darum, die Ehescheidung zu erleichtern, noch darum, sie zu erschweren.
Ein noch so gutes Eherecht kann keinen Beitrag dazu leisten, daß es weniger Scheidungen und weniger Unglück aus gescheiterten Ehen gibt. Hier sind uns deutliche Grenzen gesetzt. Zerrüttete Ehen und Ehescheidungen wird es ebenso wie soziale Not und Krankheit geben, solange es Menschen mit
ihren Schwächen und individuellen Eigenschaften gibt. Das Recht kann menschliche Unzulänglichkeiten und Schicksalsschläge nicht verhindern, es kann nur versuchen, die daraus entstehenden Belastungen einigermaßen gerecht zwischen den Betroffenen auszugleichen. Das sollten wir versuchen. Das ist das Ziel des Entwurfs.

(Beifall bei den Regierungsparteien und vereinzelt bei der CDU/CSU.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0704002700
Meine Damen und Herren, damit ist der Gesetzentwurf der Bunderegierung eingebracht.
Wir treten in die Aussprache ein. — Das Wort hat Herr Abgeordneter Engelhard.

Hans A. Engelhard (FDP):
Rede ID: ID0704002800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Reform des Ehe- und Familienrechts behandelt thematisch ein Kernstück der Rechtspolitik der sozialliberalen Koalition. Gleichzeitig nimmt er alte Forderungen der Freien Demokraten auf, nämlich die verwirklichte Gleichberechtigung in der Ehe über die schüchternen Ansätze des Gleichberechtigungsgesetzes von 1957 hinaus, im Ehescheidungsrecht die Abwendung vom Verschuldensprinzip, den Übergang zum Zerrüttungsprinzip und damit den Verzicht des Staates darauf, in den intimsten Bereich zweier Menschen subjektiv wertend einzugreifen und letzte Instanz spielen zu wollen, gleichzeitig das Bemühen, nach der erfolgten Scheidung die Lösung der materiellen Probleme jedenfalls im Grundsatz nicht mehr an Schuld oder Unschuld der Partner, sondern allein an ihrer wirtschaftlichen Lage und an ihrer sozialen Situation zu messen, und schließlich die sachlich gebotene Konzentration des Verfahrens über die Scheidung selbst und die Scheidungsfolgen bei einem Gericht und in einem Verfahren.
Nach unserer Auffassung und auch in der sozialen Wirklichkeit in unserem Lande ist an die Stelle der patriarchalisch bestimmten Ehe oder auch an die Stelle der Ehe mit männlichem Stichentscheid zunehmend eine partnerschaftlich gestaltete Ehe getreten. Es ist überhaupt nicht zu übersehen, daß bis weit in mehr traditionsbestimmte Bevölkerungsschichten hinein eine breite Emanzipationsbewegung der Frau festzustellen ist. Die Frau beginnt, sich teilweise Rechte nur zurückzuholen. Ich sage „zurückholen" und verweise in diesem Zusammenhang auf Ausführungen meiner Fraktionskollegin Frau Funcke, welche sie hier im Hause in anderem Zusammenhang gemacht hat. Sie hat meines Erachtens sehr richtig darauf hingewiesen, daß der Frau, wenn sie im Mittelalter auch in der Kirche zu schweigen hatte und vom öffentlichen Leben weitgehend ausgeschlossen war, damals nach der ganzen sozialen Wirklichkeit doch ein breiter Verantwortungsbereich, der weit über das heutige Haushaltsgeschehen hinausgeht, zugefallen ist.
Im Zuge der technischen und arbeitsteiligen Entwicklung unserer Gesellschaft wurde die Frau zunehmend abgedrängt, etwa in den Bereich eines typischen Vierpersonen-Arbeitnehmerhaushalts in



Engelhard
relativ kleiner Wohnung, in einer Stadt, wo für die Frau zwar die Arbeit viel sein mag, wo ihr aber die soziale Geltung außerhalb der Familie oft weitgehend versagt bleibt.
Es ist nicht die Aufgabe eines Gesetzes, in die einzelne Ehe einzugreifen und eine bestimmte Rollenverteilung aufzuzwingen; das muß klar gesagt werden. Auch bei dem neuen Recht steht es den Eheleuten frei, in freier Übereinkunft die Rollen zu verteilen und ihr Leben so zu gestalten, wie sie das für richtig halten. Aufgabe des Gesetzes ist es nur, die Gleichberechtigung von Mann und Frau, wie sie in unserer Verfassung verankert ist, als Angebot, aber als ein durch Rechtsanspruch abgesichertes Angebot, zu geben und dieses Angebot in ein neue Familienrecht zu übersetzen.
Diese Neugestaltung muß allerdings ohne Wenn und Aber erfolgen. Wenn ich mir die Stellungnahme des Bundesrates einmal ansehe, so muß ich feststellen, daß man bereits beim Namen versucht, den Ehemann in gewisser Weise doch wieder zu begünstigen. Man sagt in der Begründung, eine vielhundertjährige Tradition im deutschen Rechtsleben und die darauf fußende Überzeugung des weitaus überwiegenden Teils der Bevölkerung rechtfertige dies. Wir sollten uns überlegen, ob nicht gerade das Namensrecht eine Art Hebel ist, um einiges über den Familienbereich hinaus gesellschaftlich zu verdeutlichen; denn wenn wir im Namensrecht zu einer wirklichen Gleichstellung kommen, dann wird auch in mehr traditionsbestimmten Familien der Freude über einen Stammhalter die gleiche Freude über eine Stammhalterin ebenbürtig sein.
Ich darf ein Erlebnis wiedergeben. Es ist noch nicht so lange her — erst einige Jahre , daß ein Bauer vom oberbayerischen Samerberg auf die Frage, wie viele Kinder er denn habe, stolz, aber doch zugleich differenziert, wie folgt antwortete: „Drei Buam und etliche Deand'ln." Auf hochdeutsch: Drei Knaben und einige Mädchen.

(Abg. Dr. Hammans: Der konnte wohl nicht bis sieben zählen! — Abg. Erhard [Bad Schwalbach] : Das war wohl ein bayerischer FDP-Wähler?)

— Ich sagte: stolz aber differenziert, und er hat differenziert. Das hat nicht zuletzt, Herr Kollege, sicherlich mit dem Namensrecht etwas zu tun.
Meine Damen und Herren, ich sehe Veranlassung, hier einige allgemeine Bemerkungen einzuschieben. Der Ansatzpunkt eines neuen Scheidungsrechts wird sicherlich nicht sein, bessere Möglichkeiten zu schaffen, wieder auseinanderzugehen, sondern dieser Ansatzpunkt ist ein ganz anderer; nämlich die Respektierung des Willens beider oder auch eines Ehegatten in einem Bereich, der der Zwangsvollstreckung nicht zugänglich ist. Ehe und Familie werden in unserer Verfassung dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung empfohlen. Damit wird ganz allgemein die Institution der Ehe geschützt. Sicherlich wird auch die einzelne Ehe vor unzulässigen staatlichen Eingriffen und vor der Vorenthaltung der ihr zustehenden Anerkennung in der Öffentlichkeit geschützt. Aber wenn wir die Dinge etwas durchdenken, kommen wir an dem Tatbestand nicht vorbei, daß sich der Bestand der einzelnen Ehe in der Lebenswirklichkeit einzig und allein auf den Willen der beiden Ehepartner zur ehelichen Gemeinschaft gründet.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung des Abg. Dr. Schmude.)

Und wo dieser Wille gebrochen ist, bleibt dem Stadt ganz einfach nur die Feststellung eines objektiv eingetretenen Zustands, und zwar ohne die Frage nach dem Warum, weil diese Frage der Klärung oder auch nur der Aufhellung durch die Justiz in den meisten Fällen überhaupt nicht zugänglich ist.
Natürlich wird die materielle Seite einer klaren und für den schwächeren Teil befriedigenden Regelung bedürfen. Wir werden die Fragen des Unterhalts künftig — jedenfalls im Grundsatz — nicht mehr am Verschulden, sondern an der wirtschaftlichen und sozialen Situation zu messen haben, ganz einfach deswegen, weil die materiellen Folgen einer Ehe, die immer eine Haftungsgemeinschaft in Solidarität — auch im Wirtschaftlichen — darstellt, nicht aufgehoben werden, wenn die Ehe selbst zerbricht. Das neue Unterhaltsrecht orientiert sich an solchen Überlegungen.
Man wird weiterhin zu begrüßen haben, daß dieses Unterhaltsrecht gleichzeitig jeden Partner nach der Scheidung ermuntert und nötigenfalls auch zwingt, eigenverantwortlich auch auf dem materiellen Sektor tätig zu werden. Es wird und soll künftig nicht mehr möglich sein, daß ein jüngerer Ehepartner, der durchaus arbeiten könnte, nach der Scheidung nur einfach deshalb Unterhalt bezieht, weil er einmal geheiratet hat.

(Abg. Erhard [Bad Schwalbach] : Das gibt es doch schon heute gar nicht!)

Andererseits muß die Mutter mit den jüngeren Kindern, die der Pflege und Erziehung bedürfen, müssen die älteren, traditionsgemäß meist nie erwerbstätig gewesenen Hausfrauen, muß der kranke und erwerbslose Ehepartner nach der Scheidung wirtschaftlich völlig sicher gestellt sein. Das muß klargestellt werden, und das wird in der Vorlage der Bundesregierung klargestellt.
Es ist auch zu begrüßen, daß Versuche gemacht werden, demjenigen, der seine Erwerbstätigkeit oder eine Ausbildung lediglich infolge der Ehe abgebrochen hat, Starthilfen zu geben; es ist zu begrüßen, daß die Dinge nicht mehr statisch, sondern dynamisch betrachtet werden.
Man konnte auf der anderen Seite auf eine Billigkeitsklausel in § 1580 des Bürgerlichen Gesetzbuches nicht verzichten. Wir sehen darin keine systemfremde Regelung, denn hier geht es nicht um Rechtsprechung im Intimbereich, sondern um Entscheidungen über materielle Folgen der Ehescheidung. Und es wären, hätten wir diese Billigkeitsklausel nicht, immerhin Fälle denkbar, in denen völlig zu Unrecht und unbillig wirtschaftlich begünstigt würde, wer — auf der Seite des Mannes — als chronischer Tunichtgut während der Ehe zum Familienunterhalt überhaupt nichts beigetragen hat oder wer — auf der



Engelhard
Seite der Frau — als Giftmischerin im Familienbereich bei der Tat im Versuch steckengeblieben ist.
Ein besonderes Problem ist die Frage der Alters-und Invaliditätssicherung. Viele Ehegatten — meist Frauen — waren nur zeitweise oder nie erwerbstätig. Sie besitzen heute keinen Altersversorgungsanspruch aus eigenem Recht. Dem soll jetzt abgeholfen werden durch den Versorgungsausgleich. Ich gebe aber an dieser Stelle bereits zu bedenken, daß das in vielen Fällen zu unerwünschten Kleinstrenten führen könnte. Um es ganz klar zu sagen: Im Verhältnis der beiden Ehepartner ist das gerecht. Es ist gerechtfertigt unter dem Gesichtspunkt des Einstehens füreinander in materieller Hinsicht, auch nach Scheidung der Ehe. Aber es ist ganz sicherlich sozialpolitisch unerwünscht. Wenn man daraus nicht gleich die Folgerung ziehen will und zum Leitbild der Erwerbstätigen-Ehe übergeht, dann sollte man zumindest in die Beratungen sehr intensiv den Vorschlag der Eherechtskommission einbeziehen, die ein Kombinationsmodell anbietet. Die Eherechtskommission schlägt vor, die nichterwerbstätige Ehefrau in Höhe von 30 °/o des Arbeitsverdienstes des Mannes versicherungspflichtig zu machen. Im Falle der Scheidung wären dann im Versorgungsausgleich nicht hundert Punkte durch zwei zu teilen, sondern es kämen 130 Punkte zur Verteilung, was hinsichtlich der Höhe der Renten die beim jetzt vorgeschlagenen Modell aufkommenden Bedenken bereits weitgehend abmildern könnte.
Zu begrüßen ist auch, daß wir beim Familiengericht zur Verfahrenskonzentration kommen. Das schafft — das wurde gesagt — Klarheit über die Folgeentscheidungen im Rahmen eines Verfahrens und beseitigt auch endlich die dem Laien völlig unverständliche Aufsplitterung auf eine Fülle von Gerichten bei der Entscheidung über einen letztlich einheitlichen Lebensvorgang. Nur werden wir Bedacht darauf nehmen müssen, daß dadurch keine unzumutbare Verlängerung des Scheidungsverfahrens eintritt.
Der Kern des Entwurfs ist ,das Scheidungsrecht. Es ist ganz einfach deswegen der Kern, weil die intakte Ehe im Familienrecht lediglich eine gewisse Ordnungsfunktion zu sehen hat. Für die intakte Ehe wird es wichtiger sein, daß wir das richtige Mietrecht und die richtige Sozialpolitik haben. Für die gescheiterte Ehe aber hat das Eherecht ein klares, aber auch handhabbares Recht bereitzuhalten, und daran hat es bisher gefehlt. Das trifft besonders für jene Zeit zu, seit die CDU/CSU im Jahre 1961 mit ihrer absoluten Mehrheit in § 48 Abs. 2 des Ehegesetzes ein Instrument konstruiert hat zur Ehe wider Willen und damit Tausende von Bürgern in diesem Land in die familienrechtliche Illegalität gestoßen hat,

(Beifall bei den Regierungsparteien)

ohne dadurch - und das wollen wir ganz deutlich dazu sagen dem verlassenen Ehepartner in irgendeiner Weise helfen zu können. Die Fraktion der FDP hat bereits im Februar 1967 eine Änderung des § 48 Abs. 2 des Ehegesetzes vorgeschlagen. Sie hat damals in diesem Hause leider nicht die notwendige Unterstützung gefunden. Jetzt, bei der
neuen Diskussion des Ehescheidungsrechts, melden sich schon die Stimmen, die Bedenken haben und sagen, das alles gehe zu weit. Das beginnt mit der Auffassung des Bundesrates, man könne nicht sagen, eine Ehe sei gescheitert. Er meint das, weil das ein besonderes Unwerturteil über die Ehe als solche enthalte und weil zudem die Zerrüttung der gängige und bereits eingeführte Begriff sei.
Mit Recht und erfreulicherweise hat sich die Bundesregierung das nicht zu eigen gemacht. Sie weist darauf hin, daß es allein auf den objektiven Zustand der Ehe zum Zeitpunkt der Scheidung ankomme, woran das Ehescheidungsrecht anzuknüpfen habe.
Wir befinden uns hier zwar nicht in einem germanistischen Hauptseminar, aber ich darf doch einmal darauf hinweisen, daß es ein Scheiterungsprinzip sprachlich nur schwerlich gibt. Um im Bild der Prosa zu bleiben, stelle ich die Frage: Was spricht dagegen, die Ehe mit einem Schiff zu vergleichen — das ist ganz wertneutral —, das im Einzelfall auf Grund von Navigationsfehlern oder unsichtbaren Unterwasserklippen aufgelaufen und dann eben gescheitert ist?

(Zuruf von der CDU/CSU.)

Aber ich habe den Verdacht — dieser Verdacht kann belegt werden —, daß es dem Bundesrat gar nicht so sehr um die sprachliche Grazie dieses Gesetzes und — mit seinen abweichenden Vorstellungen — noch weniger um seine Klarheit geht. Das beweisen die Vorschläge, die er zu diesem Gesetzentwurf unterbreitet hat.
Da soll auch die gescheiterte Ehe erst nach Ablauf eines Jahres, im streitigen Verfahren erst nach Ablauf von fünf Jahren, außer im Falle der Unzumutbarkeit, geschieden werden können. Denn der Bundesrat fordert im Falle der streitigen Scheidung die Erhöhung der Frist von drei auf fünf Jahre. Da soll, auch wenn beide Partner die Scheidung wünschen, das einjährige Getrenntleben nur eine widerlegbare Vermutung für das Scheitern der Ehe darstellen. Da wird eine erweiterte Härteklausel gewünscht, die die Scheidung unmöglich macht, wenn die Aufrechterhaltung der Ehe zum Wohl der Kinder notwendig ist — § 48 Abs. 2 des Ehegesetzes in neuer Fassung! Da wird weiter eine Härteklausel gewünscht, die, im Verhältnis zum anderen Ehegatten, auch die wirtschaftliche Situation mit einbezieht.

(V o r s i t z: Vizepräsident Dr. Jaeger.)

Hier wird der Verdacht doch ganz deutlich, daß der brüchige Kitt des § 48 Abs. 2 des geltenden Ehegesetzes neu angerührt und in neuen Formen wieder einmodelliert werden soll. Gegen dieses Verfahren, gegen diese Absicht — besonders, wenn sich die Opposition diese Vorschläge hier im Plenum und im Ausschuß zu eigen machten sollte — darf ich namens meiner Fraktion den härtesten Widerstand ankündigen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Die Bundesregierung hat sich die von mir zitierten Vorschläge des Bundesrates erfreulicherweise



Engelhard
— aber wie erwartet — nicht zu eigen gemacht. Ich stelle aber die Frage, ob der Versuch wesentlicher, politisch relevanter Teile in diesem Lande, das Rad dort zu belassen, wo es ist oder es gar zurückzudrehen, nicht eine Tendenz deutlich macht, die für den Herrn Bundesjustizminister und uns alle besonderer Anlaß sein sollte, zu prüfen, ob nicht auch im vorgelegten Entwurf — ungewollt — bestimmte Gefahren schlummern, die ein Festhalten am jetzigen, unerfreulichen Zustand in der Praxis mit sich bringen könnten.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Der Entwurf eines neuen Ehe- und Familienrechts ist von den Kommentatoren zum Teil mit viel Pessimismus verfolgt worden. Ich will dem nicht durchweg folgen, aber man sollte die Stimmen ernst nehmen.
Es ist vielleicht nicht uninteressant, daß ein jüngerer engagierter Jurist, Hermann Jülkenbeck, in seiner Schrift „Vorschlag für ein neues Scheidungsrecht auf sozialwissenschaftlicher Grundlage" bereits im Herbst 1971 ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren — folgendes schrieb:
Die Ersetzung des Verschuldens- durch das Zerrüttungsprinzip wird vor allem formaler Natur sein, weil die voraussichtlichen Scheidungsbeschränkungen eine ähnliche Wirkung wie das geltende Widerspruchsrecht haben werden. Die Scheidungsreform dürfte damit ein Schicksal erleiden, das aus der Sicht des Fachmannes zu erwarten war: sie gelangt an ihren Ausgangspunkt zurück, § 48 Abs. 2 Ehegesetz kehrt in anderer Form wieder.
Das ist gewiß hart, und ich teile es nicht durchweg, aber es sollte uns — und deswegen habe ich es zitiert — die Pflicht zu erhöhter Wachsamkeit auferlegen.
Nach der Auffassung meiner politischen Freunde müssen die Trennungsfristen von einem bzw. drei Jahren bei der Diskussion von vornherein als Maximalfristen betrachtet werden.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Lenz [Bergstraße] : Wollen Sie in die Diskussion einsteigen?)

Das wird schon deswegen nahegelegt, weil immer übersehen wird, daß natürlich insbesondere bei der einverständlichen Scheidung der Anrufung des Gerichts eine Überlegenszeit der Ehepartner vorausgeht. Diese Zeit ist gar nicht so kurz. Leider haben wir hier eine etwas ungenügende Rechtstatsachenforschung, aber es liegen aus dem Bereich der USA Zahlen vor. Selbst in Großstädten kommen wir bei jüngeren Frauen, die dazu neigen werden, schneller Entschlüsse zu fassen, auf recht beträchtliche Zeiten von immerhin mehreren Monaten oder oft auch von mehr als einem halben Jahr oder auch von einem Jahr. Wenn man das berücksichtigt, wird man die Fristen von einem Jahr und von drei Jahren etwas kritischer betrachten müssen. Vor allem sehen wir keinen vernünftigen Grund, im Falle der streitigen Scheidung die Dreijahresfrist widerlegbar zu machen. Nach unserer Auffassung muß durch die
dreijährige Trennung eine unwiderlegliche Vermutung begründet werden.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich glaube, das wird im vorliegenden Gesetzentwurf auch in der Begründung ganz deutlich. Auch der Gesetzentwurf sieht es so, sagt aber dann schließlich, man habe Rücksicht zu nehmen auf einen Teil der Bürger, der sich nicht von überkommenen Vorstellungen lösen kann. Eben das kann aber nicht der Grund sein, das so im Gesetz zu formulieren, Die Sache hat eine eminent praktische Bedeutung. Der Entwurf meint, so oft sei es gar nicht möglich, im Prozeß eheerhaltende Tatsachen vorzutragen; das werde sich auf ganz wenige Fälle beschränken. Von der Praxis her frage ich aber: Wo ist jener Zauberkünstler von einem Anwalt, der es fertigbringen wird, von seiner Mandantschaft dargebotene eheerhaltende Tatsachen oder was diese Mandantschaft dafür hält, im Prozeß nicht vorzutragen? Deswegen ist ganz einfach voraussehbar, daß im streitigen Scheidungsverfahren künftig stets eheerhaltende Tatsachen vorgetragen werden und von hier aus schon die Gefahr besteht, zum alten Verschuldungsprinzip zurückzukehren.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Zuruf des Abg. Dr. Lenz [Bergstraße].)

- Herr Kollege Dr. Lenz, es geht weiter: Wir sollten einen Punkt nicht unterschätzen, das ist die zumindest nicht ehefördernde Wirkung dieser Vorschrift. Wir haben ja Gott sei Dank in § 1567 Abs. 2 die Bestimmung, daß ein kurzes Zusammenleben nach Eintritt der Trennung, um eine Versöhnung herbeizuführen oder zu versuchen, nicht fristhemmend oder gar fristunterbrechend wirkt. Wo aber, frage ich, wird sich im Falle der voraussichtlich streitigen Scheidung noch ein Ehepartner bereitfinden, so etwas auch nur zu unternehmen? Ich habe gehört, auch aus dem Bereich der Opposition haben Anwaltskollegen bereits darauf hingewiesen, daß in diesem Falle ein Anwalt seiner Mandantschaft nur anraten kann, während der Trennungszeit erstens nicht zurückzukehren und zweitens keine übertriebenen Freundlichkeiten oder allgemein menschlichen Regungen wie etwa die eigenhändige Übergabe eines Geburtstagsgeschenks zu zeigen.

(Heiterkeit bei der FDP.)

Denn das alles kehrt nach der dreijährigen Frist im Falle der widerleglichen Vermutung schriftsätzlich wieder: Es könnte ja auch nicht der Ausdruck allgemeiner Menschlichkeit, sondern einer wieder aufkeimenden ehelichen Gesinnung sein. Deswegen wird sich gerade diese Bestimmung in der Praxis sehr problematisch auswirken, würde sie in dieser Form Gesetz.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Lassen Sie mich noch darauf hinweisen, daß auch die Klausel für den Fall immaterieller Härte natürlich mit schwerer Problematik beladen ist. in der Begründung wird kaum der Versuch unternommen — und es ist offensichtlich auch kaum möglich —, konkrete Beispiele zu liefern. Das legt von vornherein die Gefahr einer exzessiven und örtlich völlig



Engelhard
verschiedenen Rechtsprechung nahe, was immer sonst in der Begründung niedergelegt ist und was immer wir hier dazu sagen. Als Beispiele werden schwere Krankheit oder eine Zeit besonders schwerer Schicksalsschläge angeführt. Aber wie wird man unterscheiden können, wie wird man die Frage beantworten können, ob die besonders schwere Härte gegenüber dem verlassenen Ehepartner nicht bereits im Scheidungsbegehren als solchem und in der möglicherweise darin liegenden menschlichen Kränkung liegt, oder ob diese besonders schwere Härte erst durch die Scheidung als solche ausgelöst wird — und nur das wird von der Härteklausel erfaßt —? Wenn man an eine Klausel für den Fall immaterieller Härte denkt, dann sollte man sie zumindest zeitlich eng befristen, wie es z. B. die Eherechtskommission vorgeschlagen hat. Denn es ist natürlich keine Lösung, zu sagen, es solle einer an der Härteklausel nicht zeitlebens festgehalten sein. Was soll der Betroffene tun? Soll er von Jahr zu Jahr immer erneut in Form eines Antrags bei Gericht anfragen, was jetzt zur Frage der schweren Härte gemeint werde?
Ich glaube, insgesamt wird es — und wir nehmen das sehr ernst — unsere Aufgabe bei den folgenden Beratungen sein, die Position eines Wächters einzunehmen und dafür zu sorgen, daß wir bei gerechtem Ausgleich aller wirtschaftlichen Folgen für den sozial Schwächeren zu einem Scheidungsrecht kommen, das vom staatlich verordneten Festhalten an der Ehe Abstand nimmt, die nicht wertlos sein mag, aber laut gerichtlicher Feststellung gescheitert
ist.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0704002900
Das Wort hat der Abgeordnete Erhard (Bad Schwalbach).

Benno Erhard (CDU):
Rede ID: ID0704003000
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wäre reizvoll, auf verschiedene Elemente der Aussage des Kollegen Engelhard, aber auch auf einige Feststellungen des Herrn Ministers unmittelbar jetzt zu antworten. Ich will versuchen, einiges von dem, was als Antwort notwendig ist, in die Stellungnahme zum vorgelegten Entwurf hineinzupacken, aber mich dabei um äußerste Zurückhaltung bemühen; denn erstens ist die erste Lesung nicht eine Auseinandersetzung über einzelne Begründungselemente, die hier vorgetragen sind, und zweitens sollte die zeitliche Dauer der Diskussionen am Freitag vor Pfingsten sicherlich in unser aller Interesse abgekürzt werden.
Die CDU/CSU-Fraktion hat schon bei der Vorlage des ersten und des zweiten Entwurfes eines Ersten Gesetzes zur Reform des Ehe- und Familienrechts ihre Stellungnahme hier sehr deutlich und eingehend durch den Mund des Herrn Professor Mikat abgegeben. Wir stehen nach wie vor zu dem, was wir damals gesagt haben.
Wir sind erstens der Meinung, daß das Recht der Ehe und der Ehescheidung ein so wesentliches Element nicht etwa unserer Gesellschaft, sondern unseres menschlichen Zusammenlebens ist, daß wir
danach streben müssen, für den Einzelfall Lösungen zu bieten, die gerecht sind und auf das Gefühl und die Vorstellung von Gerechtigkeit stoßen. Das, was unter Ehe und unter Familie bei uns verstanden wird, darf durch die gesetzte Rechtsordnung nicht verkehrt werden. Davon ausgehend stimmen wir durchaus der Vorstellung und dem hier entwickelten Gedanken zu, daß eine Ehe, die unheilbar zerrüttet ist und als endgültig gescheitert bezeichnet wird, auch geschieden werden kann.
Wir sind zweitens der Meinung, daß die Folge davon eine grundsätzliche Veränderung der Unterhaltsfrage nach sich ziehen muß. Aber wir sind nicht der Meinung, daß das Unterhaltsrecht nunmehr eine schematische Folge allgemeiner Entscheidungen sein könne jenseits von Einzelfallgerechtigkeit und vor allen Dingen auch jenseits von gegebener Bedürftigkeit.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Wir meinen drittens, daß der Gedanke des Zugewinnausgleichs sich konsequenterweise in einem Versorgungsausgleich fortsetzen soll. Wir versprechen uns davon eine gewisse Verbesserung der Situation vor allem der geschiedenen älter oder alt gewordenen Ehefrauen. Wir erwarten davon aber keine Lösung, die dann wirkt, wenn die Frau noch nicht im versorgungsberechtigenden Alter ist. Genau an dieser Stelle sind die eigentlichen Probleme, die wir im Leben vorfinden, auch nach dem Entwurf nicht gelöst. Es gibt eine Reihe von Bedenken; ich werde sie gleich vortragen.
Wir halten es viertens für notwendig, das Verfahren der Ehescheidung zu konzentrieren, im Familiengericht die verschiedensten Entscheidungen zusammenzufassen und möglichst in einem einheitlichen Spruch Scheidung und Scheidungsfolgen festzustellen oder zu entscheiden.
Wir sind fünftens der Meinung, daß die Ehewirkungen sorgfältig betrachtet werden müssen und daß kein Anlaß zu der Vorstellung besteht, die man hier hören konnte, dieser Entwurf wäre durch die Einführung des Zerrüttungsprinzips bei der Scheidung etwas, das man in Zusammenhang mit der Emanzipation der Frau bringen könnte.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich habe vielmehr die Sorge, daß vor lauter Vorstellungen, reinen Denkschemata wie Emanzipation — und damit Emotionen — genau das versäumt werden könnte, was wir zum Schutz des Schwächeren und zur Erhaltung von dem, was wir Vertrag auch in der Ehe nennen, für erforderlich halten und daß die längst emanzipierte Frau zur Benachteiligten werden könnte. Auch darüber werde ich noch einiges sagen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich komme jetzt im einzelnen zu den fünf Schwerpunkten, die Sie, Herr Minister Jahn, hier vorgetragen haben und die mit unseren Vorstellungen weitestgehend übereinstimmen. Ich sage das ausdrücklich, damit wir uns nicht mißverstehen, wenn ich Ihnen sage, wo wir nicht übereinstimmen.

Erhard (Bad Schwalbach)

Zunächst zum Zerrüttungsprinzip. Sicherlich kann man ein Ehescheidungsverfahren auf den Tatbestand der zerrütteten, der gescheiterten Ehe aufbauen. Da liegt aber nicht das Problem, sondern es liegt schlicht und einfach dort, wo dadurch krasses Unrecht entstehen kann. Unrecht entsteht in aller Regel nicht dort, wo die Eheleute auseinandergehen wollen, wo sie fest entschlossen sind, nicht zusammenzubleiben, und deswegen, was wir heute haben, die sogenannte vereinbarte Scheidung exerzieren. Das wird man auch in Zukunft tun, mag unsere Rechtsordnung sagen, was sie will.
Herr Jahn, Sie haben mit Recht gesagt: Es ist nicht möglich, Eheleute durch die Rechtsordnung in Treue zusammenzuhalten. Das können wir nicht. Aber wir müssen eine Ordnung anbieten, die es unmöglich macht, das jemand aus eigenem Versagen, aus eigenem Wollen, vielleicht aus Bosheit oder aus Schwäche, ganz egal, aus welchem Grund, aber aus einem sicherlich von ihm zu verantwortendem Verhalten, den anderen von sich stößt und daraus Rechte für sich herleitet. Das darf die Rechtsordnung nicht ermöglichen.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Hauser [Sasbach] : Sehr richtig!)

Das Problem, wann eine Ehe nach bisheriger Rechtsprechung zerrüttet, nach unseren Begriffsvorstellungen gescheitert ist, liegt ja nicht bei zweien, sondern liegt nur bei einem. Wenn sich der eine endgültig abwendet, so sagt es auch schon die heutige Rechtsprechung, dann ist die Ehe gegebenenfalls endgültig nach dem heutigen Sprachgebrauch zerrüttet oder gescheitert. Der andere dagegen will an der Ehe festhalten. Das sind die Fälle der heute meist streitigen Ehescheidung, und das werden auch künftig diejenigen sein, auf die unser Recht abgestellt bleiben muß.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

In anderen Ländern der Welt ist das Zerrüttungsprinzip in Kraft. Ich muß sagen, das Studium dieser Rechtsordnungen zeigt, daß man zumindest im angelsächsischen Bereich nicht vom Prinzip spricht, etwas nicht zum Prinzip erhebt, wozu wir neigen, sondern auf Einzelfallgerechtigkeit abstellt. Die Regierung sagt in diesem Entwurf nur: Wenn Trennungszeiten vorliegen, dann ist das ein Indiz, eine Vermutung, und zwar eine nicht widerlegbare oder eine widerlegbare Vermutung dafür, daß die Ehe endgültig gescheitert ist. Andere Kriterien zu nennen wird tunlichst vermieden, um solche Feststellungen treffen zu können.
Welche Kriterien werden denn wohl auftauchen? Nun, es werden genau die Kriterien auftauchen, die wir heute schon kennen. Das haben auch die Engländer gesehen.
Und was haben Sie gemacht? Sie haben erklärt: wir können den Mißbrauch dieser Zerrüttungsbestimmung durch jemanden, der eine Ehe nur auf Kündigung führt, nicht verhindern. Diesen Mißbrauch ermöglichen Sie mit diesem Gesetz. Derjenige, der an der Ehe festhält, wird, wenn der Entwurf Gesetz werden sollte, weniger Schutz genießen als der Mieter vor dem Vermieter.

(Abg. Dr. Lenz [Bergstraße] : Hört! Hört!)

Das ist nicht das richtige Bild von der Ehe, das wir eigentlich haben sollten.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Es muß, wie es die Engländer getan haben, unmöglich gemacht werden, daß jemand unter Berufung auf sein eigenes Fehlverhalten die Zerrüttung, das Scheitern der Ehe begründen kann.

(Erneuter Beifall bei der CDU/CSU.)

Wir kennen in unserem gesamten Recht der langfristigen Vertrags- und der Dauerschuldverhältnisse — das wissen Sie sehr gut, Herr Minister Jahn — nicht die Möglichkeit, daß sich jemand auf eigenes Fehlverhalten, auf eigene Vertragsbrüchigkeit beruft, um damit .aus dem Vertrag herauszukommen. Bei der Ehe soll das künftig gehen! Hier muß also eine Sicherheit eingebaut werden. Ich verweise darauf, daß der Bundesrat mit ganz konkret ausformulierten Vorschlägen auch einen Weg aufzeigt, wie man dieses Problem lösen kann.
Herr Minister Jahn, mir scheint, daß Sie die Problematik — zumindest an anderer Stelle, aber wohl auch heute — gesehen haben und dazu auch grundsätzliche Ausführungen gemacht haben. So haben Sie z. B. in einer Rede — Sie werden wissen, in welcher — gesagt, daß die Rechtspolitik nicht zum Spielball von Emotionen werden dürfe und daß die Rechtsordnung keine grobschlächtigen Lösungen vertrage. Sie haben weiter gesagt, Sie hätten in Ihrer Ministerzeit .die Erfahrung gemacht, daß die Rechtspolitik nicht auf dem Altar politischer Zweckmäßigkeiten und populärer Stimmungen geopfert werden dürfe. Ich beziehe mich hier auf das Problem der sogenannten Emanzipation. Sie haben schließlich auch gesagt, die rechtsstaatliche Ordnung sei ein viel zu empfindliches Instrument, als daß sie zum Seismographen tagespolitischer Beben gemacht werden dürfe. Wir stimmen Ihnen darin völlig zu. Herr Minister, ich kann nicht ohne Schmunzeln daran erinnern, daß das mit fast denselben Worten das ist, was ich Ihnen nach Ihrem Amtsantritt als Justizminister in der ersten Aussprache hier im Bundestag als Empfehlung mit auf den Weg gegeben habe. Hätten Sie sich in der Vergangenheit daran gehalten, wäre Ihr Weg etwas leichter gewesen.
Dieser grundsätzlichen Aussage, die Sie vor dem Juristentag gemacht haben und der wir zustimmen, sollten wir, so meine ich, in der konkreten Ausgestaltung des Gesetzes folgen. Dies ist ein Appell an die Regierung, insoweit den Vorstellungen des Bundesrates zu folgen. Es darf nicht so sein, daß der Ehemann - das ist die Lebenswirklichkeit — die älter werdende Frau und Mutter, wenn die Kinder vielleicht aus dem Dreck sind und der Ehemann nunmehr meint, eine Jüngere sei schöner, verstoßen kann. Das geht nicht. Dies ist eine von den häufigen, dem Scheidungsanwalt durchaus geläufigen Erscheinungen unserer Wirklichkeit. Hier muß die Rechtsordnung zumindest bremsend eingreifen. Ich könnte

Erhard (Bad Schwalbach)

Ihnen hier einige konkrete Beispiele nennen; dies würde heute aber zu weit führen.
Wenn wir einiges, was wir aus dem Lager der Regierung, z. B. in der Regierungserklärung, gehört haben, ganz ernst nehmen, werden wir hier an dieser Stelle, wo wir es meines Erachtens mit gesetzlich ermöglichtem Unrecht zu tun haben, nachdenken müssen. Wir werden vor allen Dingen über die Qualität des Lebens nachdenken müssen, die ja besser werden soll, und zwar nicht nur für diejenigen, die aus der Ehe heraus wollen. „Die Qualität des Lebens ist zu einem zentralen Begriff unserer politischen Arbeit geworden", hat uns der Bundeskanzler gesagt. Sie heißt, so fährt er fort, für uns Freiheit, „auch Freiheit von Angst und Not, Sicherheit auch durch menschliche Solidarität". — Soll die menschliche Solidarität in der Ehe kleinergeschrieben werden als bisher?

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Haben Sie in streitigen Ehescheidungsverfahren — die meisten wohl kaum, ich aber in vielen Fällen — nicht schon die Not der Frau erlebt, die alleingelassen worden ist? Ich könnte Ihnen aus den jüngsten Monaten einige Beispiele nennen. Es sind Frauen zu mir gekommen — im letzten Fall war es sogar ein Mitglied der Sozialdemokratischen Partei —, die gesagt haben: Das kann doch nicht möglich und erlaubt sein. Es muß doch bestraft werden, wenn der Mann mich einfach verläßt!

(Abg. von Schoeler: Das ist wirklich unter Niveau!)

- Das Niveau bestimme ich. Wenn Sie, Herr Referendar, einmal die Gelegenheit gehabt haben, in Ehescheidungsverfahren selbst beratend tätig geworden zu sein, werden Sie gemerkt, gehört und erlebt haben, daß es so ist, wie ich es eben dargestellt habe. Wenn Sie keine persönlichen Erfahrungen in dieser Hinsicht haben, ist das nicht mein Verschulden, sondern Ihr Problem!

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Moersch: Sie wissen schon, was ein Rechtsanwalt ist! — Abg. Kleinert: Er führt Autoritätsbeweise!)

— Der schon viele Ehescheidungen durchgeführt hat, Herr Kollege.
Wir haben im übrigen bei dem Problem des Unterhalts einiges anzumerken. Schon im Diskussionsentwurf waren Ansätze, die eine Gedankenstruktur enthielten, als wäre mit der ausgesprochenen Scheidung zwischen den Parteien im Grunde alles zu Ende. Auf Grund der Diskussion ist dann — nicht im Gesetzentwurf — die Aussage gemacht worden, daß die Ehe auch nach den Vorstellungen der Regierung auf Lebenszeit angelegt sei.
Nun ist in den Vorschlägen über das Unterhaltsrecht nach der Scheidung und für das Unterhaltsrecht während der Trennung der Eheleute ganz Bestimmtes ausgesagt. Während der Trennung der Eheleute wird generell ein Unterhaltsanspruch zugebilligt, auch demjenigen, der sich — nach bisherigen Vorstellungen: schuldhaft — davonmacht; ich will das so einfach sagen. Nach unserer Auffassung muß
auch für die Zeit während des Getrenntlebens eine Klausel in das Gesetz, die die unbillige Geltendmachung eines Anspruchs unmöglich macht. Es muß wahrscheinlich auch eine Einschränkung insoweit mit in das Gesetz hinein, daß derjenige, der die Kinder z. B. versorgt oder mitgenommen hat, trotzdem Unterhaltsanspruch hat. Dies während der Ehe.
Nach der Scheidung muß die Aufzählung des Unterhaltsanspruchs, wie es der Gesetzentwurf vornimmt, zu Lücken und zu Ausschließungen von Unterhaltsansprüchen führen. Wir sind der Auffassung, daß, wenn schon Zerrüttungsprinzip, dann auch generell der Unterhaltsanspruch nach Scheidung bestehen muß und daß dann durch eine konkrete Ausnahmeregelung die Einzelfallgerechtigkeit hergestellt wird. Es wäre schwer verständlich, wenn z. B. — wollen wir einmal nicht immer den Mann als den Bösen bezeichnen — die Frau, die dem Mann davonläuft, ihn mit Kindern oder auch ohne Kinder allein läßt, um einem Leben nachzugehen, das nicht auf Unterhaltserwerb ausgerichtet ist, sondern um sich ganz einfach gehenzulassen — will ich vorsichtig sagen —, einen x-beliebig wechselnden Verkehr mit Freunden zu haben, trotzdem Unterhaltsanspruch geltend machen könnte. Das ist im Rahmen von Gerechtigkeitsempfindungen im Einzelfall nicht vertretbar.
Außerdem muß der Unterhaltsanspruch im Falle der Not wiederaufleben können. Wenn das bei der weiteren Gesetzgebung berücksichtigt werden sollte, dann werden wir diesen Unterhaltsvorstellungen unsere Zustimmung auch nicht versagen.
Drittes Problem: der Versorgungsausgleich. Sie haben im Versorgungsausgleich einige Unebenheiten. Herr Minister, das wissen Sie. Zunächst muß beim Versorgungsausgleich darauf geachtet werden, daß die heute unterhaltsberechtigte geschiedene Ehefrau nicht in sehr vielen Fällen schlechter gestellt wird durch die Einführung des Versorgungsausgleichs, was nach der jetzigen Regelung einträte.
Eine Verschlechterung des Rechtes der geschiedenen Frau, glaube ich, will eigentlich niemand. Trotzdem schreibt die Regierung auf das Monitum des Bundesrates in ihrer Stellungnahme, man könne eben die guten Sachen aus der jetzigen Rechtsordnung nicht gleichzeitig mit den guten Sachen des Versorgungsausgleichs verbinden. Es geht nicht um gute Sachen hier und dort, sondern es geht darum, vernünftige und gute Regeln, die wir haben, nicht ausgerechnet zu Lasten der geschiedenen Ehefrau zu verkleinern.

(Abg. Dr. Lenz [Bergstraße] : Erprobte gute Sachen durch neue schlechte zu ersetzen!)

Weiterhin wird unbedingt notwendig sein, die Folgen, die sicherlich niemand will, zu vermeiden, die jetzt eintreten würden. Gerade dort, wo die Schwächsten angesprochen werden, nämlich die Waisen, würde eine Verschlechterung eintreten. Denn die Waisenrentenbezieher würden in vielen Fällen gegenüber der heutigen Regelung benachteiligt. Auch die Halbwaisen würden sich in vielen Fällen schlechter stehen als heute — in anderen Fällen besser -, und zwar ohne erkennbare logi-



Erhard (Bad Schwalbach)

sehe Konzeption. Diese reine Willkür der Einzelregelung muß beseitigt werden.
Ich meine, daß diese bedenklichen Regelungen neben jenen, die sich aus dem Verfahren und aus den sehr kompliziert formulierten Bestimmungen ergeben — ,darauf habe ich in der vorigen Wahlperiode bereits hingewiesen —, verbessert werden müssen. Der Bundesrat erhebt die gleichen Bedenken. Jedenfalls müssen solche Regeln und gesetzlichen Bestimmungen von uns geschaffen werden, die das einheitliche Verfahren der Ehescheidung mit Folgewirkungen nicht über die Schwierigkeiten des Versorgungsausgleichs zu einem endlosen Verfahren machen und damit von den Gerichten nicht angenommen werden. Es dürfen nicht erst wie viele Sachverständige gehört werden müssen, um festzustellen, welcher Versorgungsausgleich denn nun konkret gilt, welcher Rentenanspruch der Frau und welcher dem Manne zufällt. Wenn aber, wie es leider der Fall wäre, in vielen Fällen fast regelmäßig nur mit Sachverständigen gearbeitet werden könnte, würde die gesamte Reform in ihrer ganzen Wirkung gefährdet. Herr Jahn, wir sind darüber einig, daß das beste Recht beim Stillstand der Rechtspflege nichts wert ist. Hier übersetzt: das beste Recht taugt nichts, wenn die Entscheidung nicht einigermaßen zeitgerecht gefällt werden kann.
Wir sind beim vierten Problem, bei den Wirkungen der Scheidung. Hier haben wir Bedenken anzumelden. Die Wirkungen des Scheidungsrechtes können auch auf das Verständnis von der Ehe zurückwirken. Es wäre wesentlich besser, wenn eine allgemeine Bestimmung über die Grundsätze, die wir für die Ehe als notwendig und richtig erachten, in das Gesetz aufgenommen würde, z. B. über den Grundsatz, daß die Ehe auf Lebenszeit angelegt ist.
Ferner sollten wir sagen, welche Pflichten die Ehegatten in der Ehe haben. Denn eine Ehe, die nur aus Rechten besteht, gibt es nicht. Daß aber eine Ehe Pflichten auslöst, sollten wir nicht zu verschweigen versuchen. Die Nichterfüllung der Pflichten ist ja meist das, was die Schwierigkeiten auslöst. Wir meinen, daß man z. B. durchaus dem französischen Recht folgen könnte. Die Franzosen sagen nämlich grundsätzlich, daß sich die Ehegatten gegenseitig Treue, Hilfe und Beistand schulden.
Warum hält die Regierung in ihrer Vorlage eine solche allgemeine Aussage in Form eines Paragraphen für den Unterhalt — § 1570 — für notwendig, wenn sie dazu selber sagt, daß diese Bestimmung keinen Anspruch begründe und nur notwendig sei, um das Verständnis des Gesetzes zu erleichtern, aber keine selbständige Rechtsgrundlage für irgendwelche Ansprüche darstelle? Das ist auf Seite 122 der Begründung nachzulesen. Diese Leitlinie, die hier ausgedrückt werden soll, möchten wir gern auch für die Ehe haben. Denn ohne diese Leitlinie fehlen ja die Kriterien für den Inhalt. Nur noch die „Trennung der Ehegatten" soll den Inhalt der Ehepflichten wiedergeben, und das ist zuwenig. Die Rechtsprechung hat die Probleme sehr wohl ausgearbeitet. Wenn nämlich die Verschuldenstatbestände wegfallen, dann ist ,das Kriterium für die Pflichten, die
sich als Umkehrschluß ergeben, nicht mehr im Gesetz enthalten.
Lesen Sie einmal den Entwurf! Zu dem, was die Rechtsprechung als äußersten Maßstab für die Lebensgemeinschaft festgestellt hat — nämlich daß die Ehegatten eine einigermaßen normale Durchschnittsehe führen werden; so die Prognose—, sagt dieser Entwurf ausdrücklich: „Diese Betrachtungsweise kann nicht beibehalten werden".
Was geschieht denn hier mit dem Begriff der Ehe? Wir fürchten — auch auf Grund einiger Aussagen, die soeben gemacht wurden —, daß im Grundverständnis unter Ehe etwas anderes gemeint sein soll als bisher, daß im Bewußtsein eine Veränderung des Begriffs dessen herbeigeführt werden soll, was als Grundrecht in Art. 6 des Grundgesetzes festgelegt ist. Dagegen aber sprechen wir uns mit größtem Nachdruck aus.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wir vermissen in dem ganzen Entwurf den Gedanken, daß die Ehe in der Regel zur Familie wird und daß sich daraus eine gedankliche und gesetzliche Konsequenz ergeben muß.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Herr Minister Jahn und Herr Engelhard, wenn Sie die Ehe ohne Kinder wollen und glauben, die Ehescheidung würde da, wo Kinder vorhanden sind, in der Regel nicht die Kinder am schwersten treffen, gehen Sie an der Wirklichkeit vorbei. Unsere heutige Rechtsordnung kennt im sozialpolitischen Bereich den Schutz des Schwächsten, nämlich der Kinder aus der geschiedenen Ehe, so gut wie überhaupt nicht. Wir haben schon vor vier Jahren hier im Bundestag gesagt, es sei eine dringende Notwendigkeit, das Recht der „Scheidungswaisen" neu zu regeln. Das haben wir bei der Verabschiedung des Nichtehelichenrechts in einer Entschließung festgestellt.
Leider tut man so, als gehe es nicht um die Kinder. Wir möchten, daß sowohl das Grundrecht der Ehe nicht durch inhaltliche Veränderung verwässert und verfälscht wird als auch dem Grundrecht des Schutzes der Familie in diesem Zusammenhang mehr und fühlbarer Achtung zuteil wird.
Im übrigen werden wir uns mit Eifer an der Gesetzesberatung beteiligen. Ich hoffe, wir kommen zu einer Regelung, die im ganzen klar Einzelgerechtigkeit ermöglicht und die Ordnung von Ehe und Familie nicht langfristig und wesentlich zum Nachteil der Frauen und Kinder verändert.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0704003100
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Schmude.

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0704003200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Etwa vier Monate, nachdem dieser Bundestag sich konstituiert hat, hat es die Bundesregierung bereits geschafft, uns dieses nicht nur äußerlich umfangreiche, sondern auch inhaltlich bedeutende Gesetzeswerk zur ersten Lesung vorzulegen. Viele Anstöße aus Fachkreisen und aus der Bevölkerung haben uns gezeigt, wie dringend dieses



Dr. Schmude
Gesetz erwartet wird und wie sehr sein Ausbleiben in der letzten Wahlperiode auch bittere Kritik hervorgerufen hat. Ich möchte für diese schnelle und trotzdem sorgfältige Arbeit Ihnen, Herr Justizminister, und der Bundesregierung ausdrücklich danken. Diese Arbeit wird es uns ermöglichen, die Beratungen sogleich nach der Sommerpause aufzunehmen.
Die bisher geführten Diskussionen haben in vielen Einzelfragen Klärungen erbracht, die uns bei unseren Beratungen hilfreich sein werden. Es hat aber in der Diskussion auch ein Stadium gegeben, in dem zweifelhaft erschien, ob überhaupt eine fruchtbare gemeinsame Arbeit möglich sein würde. Ich meine jene Zeit im Herbst 1970, als der Diskussionsentwurf des Bundesjustizministeriums vorlag und gleichzeitig Landtagswahlen in zwei Bundesländern anstanden. In dieser Zeit haben wir vor allem von bayerischen Oppositionspolitikern so markante Polemiken gehört wie die Begriffe „Vielweiberei auf Raten", „sukzessive Polygamie" oder „Ehe mit Kündigungsfrist". Obwohl ich im ganzen das weitaus sachlicher gewordene Klima der Auseinandersetzung und Diskussion begrüße, bedauere ich, Herr Kollege Erhard, daß Sie den Begriff der „Ehe auf Kündigung" heute nahezu unverändert wieder in die Diskussion hineinbringen. Ich glaube, es hilft uns nicht weiter, wenn wir das so plakativ und auch so primitiv machen.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Lenz [Bergstraßen: Dann müssen wir das Gesetz entsprechend umarbeiten!)

Jedenfalls gibt mir die Erinnerung an das, was wir in dieser Auseinandersetzung gemeinsam erlebt haben, noch einmal Veranlassung, Herr Bundesminister, Ihnen dafür zu danken, daß Sie sich nicht den leichteren Weg gesucht haben, von dem der Kollege Erhard sprach, sondern daß Sie, ungeachtet dieser Angriffe und Anfeindungen, unbeirrt an der intensiven Vorbereitung dieses Gesetzeswerks weiter gearbeitet haben.

(Beifall bei der SPD.)

Immerhin hat sich nicht nur die Form der Diskussion versachlicht, sondern es ist auch zum Inhalt deutlich geworden, daß die Angriffe gegen die Reformvorstellungen von Koalition und Bundesregierung nicht gerechtfertigt und die damit bewußt erzeugten Sorgen nicht begründet sind. Allen anderslautenden Unterstellungen entgegen, geht auch das im Entwurf vorliegende neue Eherecht von der auf Lebenszeit geschlossenen Ehe aus, auch wenn das im neuen Gesetz so wenig wie im alten ausführlich drinsteht. Was unser früherer Kollege Martin Hirsch an dieser Stelle im Februar 1971 dazu gesagt hat, kann ich heute unverändert wiederholen, und ich zitiere mit Genehmigung des Herrn Präsidenten:
Die Eherechtskommission, der Juristentag und
jede Äußerung von uns sagen: Selbstverständlich wird die Ehe auf Lebenszeit geschlossen.
Dem ist nichts hinzuzufügen. Davon geht nicht nur
der heute vorliegende Entwurf aus, davon geht auch
unsere Rechtsordnung im übrigen aus mit der Gesamtheit ihrer ehefördernden und eheschützenden und begünstigenden Vorschriften. Ganz nebenbei entspricht dies auch schließlich unser aller privater Praxis, die nicht nach politischen Gruppierungen unterschiedlich, sondern bei uns allen sicherlich gleich ist.
So wenig sich diese Anlage des Entwurfs aber in allen Fällen zwingend verwirklichen läßt, so wenig ist das Recht überhaupt in der Lage, einen Lebenssachverhalt wie die Ehe nach einer idealtypischen Vorstellung zwingend zu gestalten. Wenn uns von der Opposition in der bisherigen Diskussion in Form des Appells entgegengehalten wird, wir sollten nicht mit dem Recht ein bestimmtes Modell der Ehe verwirklichen wollen, so kann ich das nur zurückgeben und zur eigenen Berücksichtigung empfehlen. Wenn Sie etwa heute vorschlagen, konkrete Pflichten in das Gesetz hineinzuschreiben, empfiehlt sich eine solche Berücksichtigung durchaus; denn wir meinen, daß ein Eherecht seinen Zweck optimal erfüllt, wenn es den Ehegatten unter Stärkung ihrer Würde und ihrer Gleichberechtigung die Freiheit zur eigenen Gestaltung ihrer Ehe gewährleistet und für den Konfliktfall den Schutz berechtigter Interessen vorsieht.

(Abg. Dr. Lenz [Bergstraße] : Was ändert sich denn da eigentlich?)

Wir werden uns auch der Frage zu stellen haben, warum wir die Ehe einschließlich ihrer Auflösung nicht völlig der Verfügungsfreiheit der Ehegatten überlassen; diese Frage kommt zwangsläufig in der bevorstehenden Diskussion. Aber einer solchen Regelung würde unsere durch Art. 6 GG unterstützte Überzeugung von der Schutzwürdigkeit von Ehe und Familie entgegenstehen, die ja auch außerhalb des eigentlichen Eherechts in vielen schon erwähnten Vorschriften ihren Ausdruck findet. Dem Schutz der Ehe dient es, daß über ihre Auflösung nur nach einem geordneten gerichtlichen Verfahren entschieden werden kann, daß zunächst sorgfältig zu prüfen ist, ob ihre Erhaltung nicht doch möglich ist.
Niemand kann sich aber der Erkenntnis verschließen, daß die Entscheidung über die Fortführung der Ehe letztlich doch bei den Ehegatten selbst liegt. Gegen ihren Willen kann kein noch so strenges Gesetz die Ehe als Lebensgemeinschaft erhalten. Schon in unserem heutigen Recht kommt das, wie Herr Engelhard zutreffend gesagt hat, dadurch zum Ausdruck, daß die Vollstreckung eines Urteils auf Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft ausdrücklich im Gesetz ausgeschlossen wird.

(Abg. Erhard [Bad Schwalbach]: Heute schon!)

Wir müssen weiterhin zur Kenntnis nehmen — unbeschadet aller Wertungen, die wir damit verbinden , daß die eheliche Lebensgemeinschaft eben auch von einem Ehegatten gegen den Willen des anderen auf Dauer zerstört werden kann. An diesen Tatsachen findet der Verfassungsauftrag des Art. 6 GG irgendwo seine Grenzen; denn belastende Rechtsnormen, die diese Tatsachen ignorieren, zur Erreichung des Gesetzeszwecks aber erkennbar ungeeignet sind, werfen die Frage nach dem Konflikt mit dem Rechtsstaatsprinzip auf.



Dr. Schmude
Die Konsequenz aus der Einsicht in die begrenzten Möglichkeiten des Eherechts ist nun nicht einfach die Erleichterung der Scheidung. Insofern ist es auch unangebracht, Herr Kollege Erhard, daß Sie im Zusammenhang mit diesem Gesetzentwurf wieder das Gespenst der Verstoßung aufgreifen.

(Abg. Erhard [Bad Schwalbach] : Das ist kein Gespenst, sondern Wirklichkeit! Abg. Dr. Hauser [Sasbach] : Das ist aber doch eine Verstoßung!)

Der im neuen Scheidungsrecht vorgesehene und im Grundsatz ja auch von Ihnen begrüßte Übergang zum Zerrüttungsprinzip orientiert sich, vielmehr bei der Entscheidung über die Auflösung der Ehe allein an dem, was die Ehe wirklich ausmacht, nämlich an der ehelichen Lebensgemeinschaft. Ist diese auf Dauer entfallen, so ist es für die Beurteilung der Ehe nach unserer Auffassung völlig nebensächlich, wen die Schuld an dieser Entwicklung trifft.

(Abg. Dr. Lenz [Bergstraße] : In dem Punkt unterscheiden wir uns! Abg. Erhard [Bad Schwalbach] : Darf ich eine Frage stellen?)

- Ja, bitte, wenn mir die Zeit nicht angerechnet
wird, Herr Präsident.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0704003300
Das wird nicht der Fall sein.

Benno Erhard (CDU):
Rede ID: ID0704003400
Herr Kollege Schmude, wie erklären Sie sich dann die auch in der Eherechtskommission durchaus schon zu Papier gebrachten Tendenzen, unter dem Gesichtspunkt der völligen Freiheit auch die Namensehe als möglich anzusehen? Würden Sie sie auch als möglich ansehen?

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0704003500
Die Namensehe? Könnten Sie kurz erläutern, was Sie damit meinen?

Benno Erhard (CDU):
Rede ID: ID0704003600
Daß man nur um des Namens willen, den man sich dadurch verschaffen kann, oder nur um ein Erbrecht zu erhalten heiratet!

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0704003700
Das ist ein Sachverhalt, Herr Erhard, der meines Erachtens der gesetzlichen Regelung und rechtlichen Nachprüfung gar nicht zugänglich ist. Dies liegt im Rahmen der Gestaltungsfreiheit der Ehegatten,

(Abg. Erhard [Bad Schwalbach] : Gut, diese Antwort wollte ich haben! Danke schön!)

die es so oder so gestalten können.
Ich meine — um zum Verschulden zurückzukommen —, es ist menschlich verständlich, daß unser Rechtsempfinden dazu neigt, dem schuldigen Teil die Scheidung zu versagen. Aber mit Rücksicht auf die Ehe müssen wir uns darin selbst korrigieren. Das öffentliche Ansehen der Ehe als eines Rechtsinstituts und einer Lebensform wird geschädigt, wenn sie im Rechtssinne zu bloßen Strafzwecken aufrechterhalten wird.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Dies hat Herr Kollege von Schoeler an den Ausführungen des Herrn Kollegen Erhard mit Recht kritisiert. Und um auf diesen Punkt zurückzukommen: Wenn ich, Herr Kollege von Schoeler, hier die Bezeichnung „Referendar" verwenden würde, wäre das ein Glückwunsch für Ihre ungeachtet der politischen Belastungen, denen Sie ausgesetzt sind, vorhandene juristische Leistungsfähigkeit und keine Geringschätzung, wie sie hier vorhin bedauerlicherweise zum Ausdruck kam.

(Beifall bei der SPD.)

Die Überlegung, die ich soeben dargestellt habe — die Ehe darf nicht zu bloßen Strafzwecken aufrechterhalten werden —, gilt aber auch für den Versorgungszweck. Hier kann ich wiederum Martin Hirsch zitieren, der sagte:
Die Aufrechterhaltung einer reinen Papierehe, einer völlig gescheiterten Ehe gefährdet die Institution der Ehe, und sie gefährdet die Menschen, die in dieser Ehe festgehalten werden, weil sie nämlich daran krank werden.

(Zustimmung bei der SPD.)

Unter diesem, wie wir meinen, allein sachgemäßen Gesichtpunkt ist der Übergang zum konsequent durchgeführten Zerrüttungsprinzip weder Reformstreben um seiner selbst willen noch bloße Bevorzugung der reinen Lehre, sondern er ist eben die allein angemesse und auch der Gerechtigkeit dienende Entscheidung.
Wenn wir ein Verschulden am Scheitern der Ehe im Scheidungsrecht grundsätzlich nicht berücksichtigen wollen, so hat das weiterhin seinen Grund in der Erfahrung, daß solche Schuld einer gerichtlichen Feststellung letztlich gar nicht zugänglich ist. Hier kann ich mich auf das beziehen, was Herr Kollege Engelhard dazu ausgeführt hat.
Dies alles sollten die Kritiker des vorgelegten Entwurfs bedenken, wenn sie dem „Schuldigen" die Scheidung versagen wollen, weil eine einseitige vorsätzliche Zerrüttung der Ehe nicht prämiiert werden dürfe, wie es so schön heißt. Dies ist eine an Strafzwecken orientierte Betrachtungsweise, die außer acht läßt, daß eben auch ein Ehegatte die Ehe so nachhaltig zerstören kann, daß ihr rechtlicher Fortbestand in dem tatsächlichen Lebensverhältnis keine Entsprechung mehr findet.
In solchen Fällen können sich immaterielle Härten daraus ergeben, daß der der Scheidung widerstrebende Ehegatte mit dem Scheidungsbegehren geradezu überfallen wird und keine Möglichkeit hat, sich in ausreichender Zeit seelisch und praktisch umzustellen. Hier hat eine immaterielle Härteklausel ihren Sinn und ihren Zweck. Noch weiter zu gehen und vor Ablauf von Fristen die Scheidung von der Unzumutbarkeit für den Begehrenden abhängig zu machen, halten wir für bedenklich. Dies wäre ein Rückfall in die Verschuldensrechtsprechung zum Scheidungsrecht. Der Grundsatz, daß die Ehe bei endgültig entfallener ehelicher Lebensgemeinschaft geschieden werden kann, darf nur in extremen Ausnahmefällen durchbrochen werden. Ich bin sicher, daß uns dieses Problem in den Aus-



Dr. Schmude
schußberatungen beschäftigen wird, in denen wir durchaus noch über diesen Entwurf hinweggehen oder von ihm abweichen können. Ich danke dem Bundesjustizminister dafür, daß er seine Mithilfe bei dieser Weiterarbeit ausdrücklich zugesagt hat.
Es erscheint uns fraglich, ob eine immaterielle Härteklausel nach einer dreijährigen Trennungsfrist noch ihre Berechtigung haben kann. Einen Überraschungseffekt gibt es hier nicht mehr. Die Trennung liegt vor, die Lebensgemeinschaft ist tatsächlich gelöst, und auch der Hinweis auf das Kindeswohl hilft hier nicht weiter. Denn die Kinder haben die Trennung schon jahrelang erleben müssen. Betrachtet man diesen Fall, so fehlt es an überzeugenden Anwendungsfällen, die uns geschildert werden. Was die Regierungsbegründung dazu darlegt, nämlich es dürfe jemand nicht in einer schwierigen Situation alleingelassen werden, greift ja nicht; denn die Trennung, das Verlassen liegt bereits vor. Wir werden das zu prüfen haben und gegebenenfalls von dieser Härteklausel Abstand nehmen, um Anwendungsfälle auszuschließen, von denen wir meinen, daß sie nicht hierher gehören, und vor allem um einen Rückfall in den Strafgedanken auszuschließen, der ja sogar von Ihnen, Herr Kollege Erhard, hier ausdrücklich wieder vorgetragen worden ist.

(Abg. Erhard [Bad Schwalbach]: „Strafgedanken"?)

Wir wollen vermeiden, daß langjährige Papierehen auch in Zukunft möglich sind, die fünf, zehn und mehr Jahre bestehen.
Zum Thema der Widerlegbarkeit der Scheiternsvermutung nach der Trennung kann ich mich ebenfalls auf das beziehen, was Herr Kollege Engelhard hier ausgeführt hat. Denn in der Tat wirkt eine solche Widerlegbarkeit abschreckend im Hinblick auf jeden Versöhnungsversuch. Sie hat keinen Nutzen; die Praktiker raten übereinstimmend von ihr ab. Sie wird nur Schaden bringen.
Die materielle Härteklausel hingegen erscheint uns deshalb unangebracht, weil Versorgungsfragen und Unterhaltsfragen zu regeln Aufgabe des Unterhaltsrechts ist. Das wird Frau Kollegin Dr. Lepsius noch darstellen. Es ist aber im vorliegenden Unterhaltsrecht unseres Erachtens in einem Umfang gelungen, der bereits Kritik ausgelöst hat, Kritik nunmehr von der Männerseite, während früher die Kritik von der Seite der Frauen gekommen ist.
Wir halten den Entwurf im ganzen für ausgewogen und sorgfältig erarbeitet. Wir haben die Befürchtungen, meine Damen und Herren Kollegen von der Opposition, daß Sie zwar das Zerrüttungsprinzip formal bejahen, aber so viele Durchbrechungen vornehmen wollen, daß die Gefahr sinnentleert fortbestehender Ehen durchaus weiter besteht. Sie haben uns oft vorgeworfen, nur Minireformen oder gescheiterte Reformen zustande zu bringen. Wir fürchten einen solchen Fall, falls wir Ihren Anregungen hier folgen, und machen schon heute deutlich — auch wieder in Übereinstimmung mit Herrn Kollegen Engelhard —, daß wir eine solche Entwertung der anstehenden Reform nicht zulassen werden.
Noch wenige Worte zum Verfahrensrecht. Wir begrüßen die Zusammenfassung aller mit der Ehescheidung zusammenhängenden Gerichtsentscheidungen in einer Entscheidung. Wir werden freilich zu prüfen haben, etwa bei der Entscheidung über Zugewinnausgleich oder Versorgungsausgleich, wieweit hier einerseits Eilbedürftigkeit vorliegt und andererseits die Gefahr besteht, daß ein Scheidungsverfahren allzu langwierig verzögert wird. Wir halten es auch für richtig, das neue Familiengericht beim Amtsgericht einzurichten und es mit einem Einzelrichter zu besetzen, der besonders qualifiziert und erfahren sein sollte. Zweifellos wird bei unseren Beratungen die Frage der besoldungsrechtlichen Hervorhebung wieder eine Rolle spielen. Wir nehmen gerne zur Kenntnis, daß die CDU dieser Konzeption in ihrem vor der Bundestagswahl vorgelegten rechtspolitischen Programm entgegen früheren hier vorgetragenen Bedenken zugestimmt hat. Im ganzen werden die bevorstehenden Beratungen sicherlich auf allen Seiten von dem Bestreben gekennzeichnet sein, sachgemäße Lösungen zum Besten der betroffenen Menschen zu finden. Dabei wird es durchaus auch Abweichungen von dem vorliegenden Entwurf geben. Das zeitliche Ziel werden wir jedoch nicht aus den Augen verlieren. Nach allzu langen Verzögerungen — das soll kein Vorwurf gegen die Bundesregierung sein — soll das geltende Eherecht mit seinen Mängeln spätestens am 1. Januar 1975 der Vergangenheit angehören.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0704003800
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Lenz (Bergstraße).

Dr. Carl Otto Lenz (CDU):
Rede ID: ID0704003900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur einige kurze Bemerkungen machen, zu denen mich meine Vorredner inspiriert haben.
Zunächst möchte ich einmal sagen, daß ich mich bei dieser Debatte darüber freue, ein Abgeordneter der Opposition sein zu können.

(Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller: Oh!)

Ich gehe ohne weiteres davon aus, daß der Herr Justizminister Lob verdient, jedoch meine ich, daß hier heute des Guten ein bißchen zu viel getan worden ist.

(Abg. Matthöfer: Die Freude werden wir Ihnen noch lange machen!)

— Diese Rolle ist mir persönlich gar nicht unsympathisch, Herr Kollege Matthöfer.
Hier ist, meine Damen und Herren, ein Bild vom geltenden Recht und seinen Wirkungen gezeichnet worden, das man beim besten Willen als mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmend bezeichnen kann.

(Abg. Erhard [Bad Schwalbach] : Sehr richtig!)

Man kann über das geltende Recht sagen, was man will, Herr Minister Jahn: aber unter diesem Recht hat eine Entwicklung innerhalb der Familie, hinsichtlich der Stellung der Frau in der Gesellschaft



Dr. Lenz (Bergstraße)

stattgefunden, die, glaube ich, weit über das hinausgeht, was sich Juristen vorher ausdenken können. Wir sollten hier, glaube ich, nicht den Eindruck erwecken, als sei das geltende Recht starr und lebensfeindlich gewesen; das stimmt einfach nicht!

(Beifall bei der CDU/CSU. Zuruf des Abg. Dr. Schmude.)

Herr Kollege Schmude, Sie haben hier vom Strafgedanken gesprochen. Ich möchte Ihnen sagen, daß für mich beim Ehevertrag wie bei jedem anderen Vertrag die Frage im Vordergrund steht: Kann ich auf das Wort meines Partners bauen? Ich frage mich, Herr Kollege Schmude, ob ein Mensch bei Anlegung normaler Maßstäbe noch auf das Wort eines anderen bauen kann, wenn ihm das Recht eingeräumt wird, nach einem offensichtlichen Vertragsbruch diesen auch noch zum Anlaß zu nehmen, aus dem Vertrage auszusteigen. Das ist genau der Punkt, um den es hier bei dieser Scheidungsklausel geht; das ist auch der Punkt, den der Herr Kollege Erhard eingeschränkt sehen möchte.

(Zuruf des Abg. Dr. Schmude: Also Bestrafung?! — Gegenruf des Abg. Erhard [Bad Schwalbach] : Das ist doch keine Bestrafung!)

— Nein, Herr Kollege, ich würde nicht sagen: Bestrafung, sondern ich halte es für eine Selbstverständlichkeit, daß man sein gegebenes Wort hält. Das ist keine Strafe, sondern die freiwillig übernommene Rechtspflicht eines mündigen Menschen.
Was die Frage der Versorgung angeht, so hat der
Herr Kollege Erhard hier ein ganz deutliches Beispiel angeführt. Ist es wirklich möglich, jemandem einen Versorgungsanspruch zu geben, der seine ehelichen Pflichten — aber das Wort kennen Sie ja auch nicht mehr, wie wir soeben gehört haben — gegenüber seinem Vertragspartner, seinem Ehepartner, in eklatanter Weise verletzt hat?
Ich glaube, Herr Kollege Schmude, es gibt keinen Rechtsgrund und kein vernünftiges Rechtsprinzip, das eine derart unsinnige Regelung rechtfertigen kann. Ich meine, wir täten uns allen einen Gefallen, wenn wir — das möchte ich hier sagen, Herr Minister Jahn — die durchaus anerkennenswerten Ansätze, Entwicklungen und Überlegungen, die in Ihrem Entwurf enthalten sind, nicht durch solche Ungereimtheiten, die dem normalen Rechtsempfinden eklatant widersprechen, verwässern würden.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0704004000
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Lepsius.

Dr. Renate Lepsius (SPD):
Rede ID: ID0704004100
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich abschließend hier kurz noch etwas die Fragen des Unterhaltsrechts erläutern.
Nach geltendem Recht hat der Ehegatte, der die alleinige oder überwiegende Schuld an der Scheidung trägt, keinerlei Anspruch auf Unterhalt. Dies, Herr Kollege Lenz, ist der jetzige Zustand, der ganz und gar nicht rosig ist und der im getenden Recht
zu ganz unbarmherzigen Härten für geschiedene Frauen geführt hat, und zwar in einem ganz anderen Sinne, als es seinerzeit etwa Ernst Benda meinte, nämlich zu wahrhaft frauenfeindlichen Lösungen. Denken Sie etwa nur an die Witwenrente geschiedener Frauen.
Die Verbindung von Scheidungsschuld und Unterhaltsanspruch hat sich also zuungunsten der Frauen und ihrer Kinder ausgewirkt. Da zudem auch die Verwirklichung von Unterhaltsansprüchen von der Leistungsfähigkeit der Männer abhängig ist, ist es natürlich gar nicht überraschend, daß die Gruppe der geschiedenen Frauen unter den erwerbstätigen Müttern prozentual am stärksten vertreten ist.
Dies alles aber — das möchte ich einschieben — ist nur vordergründig. Dahinter verbergen sich unzählige Probleme, menschliches Elend — das sehen wir alle — und große soziale Aufgaben, die wir gesellschaftspolitisch überhaupt noch nicht gelöst haben. Ich meine, es ist das große Verdienst dieser Bundesregierung, daß sie diese Aufgaben überhaupt in Angriff genommen hat. Die Anerkennung der Hausfrauentätigkeit — —

(Abg. Dr. Lenz [Bergstraße] : Das war doch schon in der Großen Koalition beschlossene Sache!)

— Sie hat aber diesen ganz guten Entwurf vorgelegt, und das ist das Verdienst dieser Bundesregierung.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Lenz [Bergstraße] : Ob er gut ist, wird sich zeigen!)

Nun, über die einzelnen Regelungen werden wir nachher streiten können.
Die Anerkennung der Hausfrauentätigkeit bei langer Ehe und Pflege und Erziehung der Kinder findet jetzt ihren Niederschlag in der Neuregelung des Unterhalts, dem Vorrang des ersten Ehegatten nach einer Scheidung und in den künftigen Regelungen des Versorgungsausgleiches. Meine Damen und Herren, ich möchte behaupten, daß das Abrücken vom Schuldprinzip uns erst den Blick für eine unsentimentale Betrachtung der strukturellen und gesellschaftspolitischen Probleme im Scheidungsfolgenrecht freigemacht hat, nämlich der unentgeltlich verrichteten Arbeit der Frauen im Haushalt und bei der Kindererziehung und — als Konsequenz dazu — ihrer mangelnden Einbeziehung in das System der sozialen Sicherung von Leistung, Entgelt, Alterssicherung sowie ihrer unzureichenden Ausbildungssituation.
Im Scheidungsfall wurde ja die Diskriminierung der Frau besonders sichtbar. Schuld, Strafe und Wohlverhalten — Sie von der Opposition haben sehr viel davon geredet —, dies wird künftig nicht mehr ein Kriterium für das Unterhaltsrecht sein. Das neue Verständnis der Ehe als einer partnerschaftlichen Verbindung und Aufgabenteilung macht objektiveren Maßstäben Platz. Das wollen wir jedenfalls.
Lassen Sie mich zu den einzelnen Regelungen im Unterhaltsrecht folgendes feststellen: Nach dem



Frau Dr. Lepsius
Scheitern einer Ehe hat der wirtschaftlich Stärkere dem wirtschaftlich Schwächeren Unterhalt zu gewähren. Die Unterhaltsverpflichtung ist von der Scheidungsschuld unabhängig, und der Entwurf sieht, wie Ihnen allen bekannt ist, sechs Grundtatbestände für einen Unterhaltsanspruch vor.
Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang ist verschiedentlich der Vorwurf erhoben worden, daß die neuen Regelungen im Unterhaltsrecht von der Regel einer Erwerbstätigkeit ausgingen und damit die Hausfrau diskriminiert würde, also gerade jene Frauen, die während der Ehe den Haushalt und die Kinder versorgt haben. Lassen Sie mich dazu folgendes sagen: Das geltende Unterhaltsrecht nimmt auf den Hausfrauenstatus einer geschiedenen Frau keinerlei Rücksicht; im Gegenteil, es zwingt die Frau je nach Schichtzugehörigkeit in unterschiedlichem Maße erwerbstätig zu werden. In der Regel wird also Frauen eine Erwerbstätigkeit zugemutet. Daß Mütter von Kindern mit einer der wichtigsten Aufgaben befaßt sind, der Säuglingspflege, der Kleinkindererziehung und der Hilfe zur Verselbständigung der Jugendlichen, bleibt auch heute noch ihr alleiniges Risiko, ist als ihre Privatsache.
Gerade hier wird im Regierungsentwurf einiges Neues vorgeschlagen. Gerade die Bedeutung der Kindererziehung wird besonders herausgestellt, einmal natürlich im allgemeinen Unterhaltsanspruch, der auf jeden Fall dann besteht, wenn eine Frau Kinder zu erziehen hat, und zweitens — und das ist das eigentlich Neue — gewährt die Regelung des Unterhaltsvorranges der Frau mit kleinen Kindern, also der Restfamilie, einen besonderen Schutz. Hier also, Kollege Erhard, geht es uns um den Schutz auch für die Kinder. Meine Fraktion begrüßt diesen Vorrang der ersten Frau ganz besonders. Künftig wird also eine geschiedene Frau, die Kinder versorgt -- genauso übrigens wie die ältere und kranke Frau —, nicht mehr befürchten müssen, daß ihr Unterhaltsanspruch durch eine Wiederheirat ihres ehemaligen Mannes gemindert wird. Hier wird sogar bewußt eine Hypothek auf die zweite Ehe in Kauf genommen. Trotz der verfassungsrechtlichen Bedenken, die sich aus dem Schutz ,der Ehe und Familie für eine zweite Familie ergeben, möchte ich noch einmal unterstreichen, daß dieser Vorrang der ersten Frau besonders dann durchgreift, wenn ihre Ehe von langer Dauer war und sie ein entsprechendes Alter erreicht hat.
Nun wird auch im Hinblick auf den Unterhaltsanspruch beim Übergang ins Berufsleben der Begriff einer angemessenen Tätigkeit ausdrücklich beschrieben und festgelegt, daß unter bestimmten Voraussetzungen der an sich nicht mehr bestehende Unterhaltsanspruch wieder aufleben kann, nämlich dann, wenn eine Wiedereingliederung ins Erwerbsleben mißlungen ist. Angemessen ist hiernach eine Erwerbstätigkeit dann, wenn sie der Ausbildung, den Fähigkeiten, dem Lebensalter wie auch den ehelichen Lebensverhältnissen entspricht.
Meine Damen und Herren, damit ist endlich der fragwürdige, im Grunde für uns Frauen diskriminierende Begriff der Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit, den wir noch im geltenden Recht haben, fallengelassen. Hier hat nun ganz offensichtlich die öffentliche Diskussion zu einer sehr weitgehenden Verbesserung des ursprünglichen Entwurfs geführt. Wir begrüßen das. Denn problematisch sind ja alle jene Fälle, in denen der Mann während einer langen Ehe einen wirtschaftlichen und sozialen Aufstieg erlebte, an der die Frau Anteil genommen hat. Künftig soll es — das ist das Ziel — nicht mehr möglich sein, die Frauen nach der Ehescheidung wieder auf ihren vorehelichen sozialen Status zu verweisen. Sie werden also — das ist die Absicht — vor sozialem Abstieg geschützt, dies übrigens auch durch den sogenannten Differenzunterhalt, der zusätzlich gewährt werden kann.
Ich möchte den im Regierungsentwurf vorgesehenen Ausbildungsunterhalt hier noch einmal besonders herausstellen. Wir messen ihm einen großen Stellenwert zu. Er wird gerade für jüngere Frauen bedeutsam sein, wenn man berücksichtigt, daß heute ein Großteil der geschiedenen Frauen unter 35 Jahre alt ist und daß viele von ihnen in Erwartung der Ehe ihre Berufsausbildung abgebrochen haben. Diesen Ausbildungsunterhalt hat es im geltenden Recht nicht gegeben. Allerdings sollten wir in diesem Zusammenhang die Bedeutung des Ausbildungsunterhalts für die älteren Frauen nicht überbewerten. Da gibt es einfach Altersgrenzen, an denen eine Wiedereingliederung ins Berufsleben scheitert. Dies müssen wir sehen. Allerdings trägt dem auch der Regierungsentwurf Rechnung.
Mit anderen Worten: eine geschiedene Frau, die als Hausfrau jahrelang den sozialen Aufstieg der Familie mit erarbeitet hat, aber dem Berufsleben entfremdet ist, wird nach der Scheidung künftig nicht länger schutzlos sein. Darauf legen wir Wert. Wir sind der Ansicht, daß bei einer Scheidung die wirtschaftliche und soziale Sicherung des nicht oder nicht dauerhaft erwerbstätigen Ehepartners erfolgen muß. Wir sind aber auch der Meinung, daß der Chancenverlust, den Mütter um der Kinder willen erleiden, indem sie auf eine eigene Berufskarriere verzichten, ausgeglichen werden muß.
Wir meinen aber drittens, daß eine Rückkehr in das Erwerbsleben erleichtert und den Frauen dort, wo immer es möglich ist, zur wirtschaftlichen Selbständigkeit und Eigenverantwortung verholfen werden muß. Unser Ziel ist es, die Frauen auf eigene Beine zu stellen.

(Abg. Dr. Lenz [Bergstraße] : Also doch gesellschaftliches Leitbild!)

— Herr Kollege Lenz, wir schlagen Regelungen im
Unterhaltsrecht vor — Sie sprechen von der Verstoßungsehe —,

(Abg. Dr. Lenz [Bergstraße] : Habe ich nicht getan!)

weil wir wissen, daß der Staat der Frau den Mann nicht zurückgeben kann, wenn dieser sie verstoßen hat, oder aber umgekehrt auch dem Mann die Frau nicht zurückgeben kann, wie es nun in philologisch feiner Unterscheidung heißt, wenn diese böse Frau ihren Mann verlassen hat. Das wissen wir; das ist die Realität, von der wir ausgehen müssen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)




Frau Dr. Lepsius
Damit komme ich zu dem umstrittenen Problem, das hier angesprochen worden ist. Wir wissen natürlich auch, daß es Situationen gibt, in denen die Zahlung von Unterhalt ungerecht und unzumutbar ist. Auch der Regierungsentwurf sieht eine Härteklausel im Unterhaltsrecht vor, nach der unter bestimmten Voraussetzungen, allerdings — darin unterscheiden wir uns - unter Nennung von einzelnen Tatbeständen die Unterhaltspflicht entfällt. Wenn ich richtig verstanden habe, hat sich die Opposition klar festgelegt auf das, was auch der Bundesrat dazu gesagt hat, nämlich eine allgemeine Billigkeitsklausel an diese Stelle zu setzen und die Einzelfälle nur beispielhaft aufzuführen.

(Abg. Dr. Lenz [Bergstraße] : Wie das in anderen Zerrüttungsrechten auch der Fall ist!)

Dies ist — das gebe ich zu — der ganz entscheidende Punkt. Denn hier taucht für uns die Frage auf: Wie können wir verhindern, daß über eine allgemeine Billigkeitsklausel wieder Elemente des Verschuldens durch die Hintertür hineinschlupfen. Es ist merkwürdig, daß hierbei nun von unseren Kollegen immer die exotischen Ausnahmen zitiert werden, wo solch eine Unterhaltszahlung durch die Frau an den Mann unbillig und unzumutbar wäre. Das ist doch nicht der Alltag. Sie, Herr Kollege Engelhard, haben hier dieses Beispiel von dem chronischen Trunkenbold gebracht. Das sind doch nicht die eigentlichen Fälle, um die es geht.

(Abg. Dr. Lenz [Bergstraße] : Es war die Rede von dem Schiffskapitän!)

Ich habe — um es ganz deutlich zu sagen — den Eindruck, daß Sie hier vorne die materielle Härteklausel hereinnehmen wollen und hinten wieder durch eine generelle Klausel das Schlupfloch, wo man bestraft, so daß Sie hier im Grunde genommen nicht das wollen, was Sie vorgeben zu wollen, einen Schutz, sondern daß Sie hier eine Männerschutzklausel wollen. Dagegen bin ich nun allerdings.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller: Unerhört!)

Von der Frage des Verschuldens wollen wir, wie wir ganz deutlich sagen, weg. Hier besteht, meine ich, die Gefahr, daß aus Gründen der Gerechtigkeit der Keim für neue Ungerechtigkeiten gelegt wird. Ich jedenfalls kann für meine Fraktion deutlich machen: wir lehnen eine solche allgemeine Billigkeitsklausel ab. Auch wir haben — das gebe ich zu — in den Diskussionen festgestellt, daß wir noch nicht das Ei des Kolumbus gefunden haben. Wir sollten im Ausschuß darüber reden.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch zu meinem letzten Punkt, dem Versorgungsausgleich, kommen. Damit hat die Bundesregierung nun endlich eine der schwierigsten Fragen in Angriff genommen, die es zu lösen gilt. Dies ist der eigentlich neue systematische Schritt und, wie ich meinen möchte, der eigentliche Kern der Frauenemanzipation. Künftig werden die Frauen, gleichgültig, ob sie berufstätig sind oder nicht, bei einer Scheidung einen Rechtstitel auf die während der Ehe gemeinsam erarbeitete Altersversorgung haben. Dieses brennende Problem im Bereich der sozialen Sicherung, wo ja die Frauen unterprivilegiert waren, wurde besonders im Falle der Scheidung deutlich, weil der Mann die während der Ehe gemeinsam erarbeiteten Versorgungsansprüche in vollem Umfang wieder aus der Ehe herausnehmen konnte, während der Frau keinerlei Anspruch verblieb.
In dem vorliegenden Reformentwurf ist vorgesehen, daß die in der Ehe erworbenen Versorgungsanwartschaften zwischen den Ehegatten aufgeteilt werden und daß dieser Ausgleich durch ein Rentensplitting oder eine Begründung von Rentenanwartschaften erfolgen soll. Hier wird ein langwieriger Prozeß eingeleitet. Es ist klar, daß es sich bei dieser Maßnahme nur um einen ersten Schritt auf einem langen Wege handeln kann. Auf die Dauer gesehen sollte diese Teilung von Versorgungsanrechten nicht auf den Fall der Scheidung beschränkt bleiben. Ich möchte hier ausdrücklich auf die Regierungserklärung des Bundeskanzlers verweisen, wonach die Bundesregierung das Fernziel einer eigenen, eigenständigen, unabhängigen sozialen Sicherung der Frau ansteuern will. Ich habe nur die herzliche Bitte, das neue Recht dann systematisch auf dieses Fernziel hin anzulegen.
Die Öffnung der Rentenversicherung für die Frauen durch das Rentenreformgesetz, die Möglichkeit einer freiwilligen Rentenversicherung und der Nachentrichtung von Beiträgen haben bereits zu einer Verbesserung der Alterssicherung der Frauen geführt.

(Abg. Dr. Lenz [Bergstraße] : Eine alte Forderung der CDU/CSU!)

— Es geht zu Lasten der Opposition, also Ihrer Fraktion, Herr Kollege Lenz, daß wir das Baby-Jahr noch nicht haben.

(Abg. Dr. Lenz [Bergstraße] : Was hat das mit Scheidungsrecht zu tun?)

Vergessen wir aber nicht, daß der Kreis der Berechtigten bei der Geschiedenen-Witwenrente inzwischen in zwei Fällen erweitert wurde. Allerdings meine ich, daß wir, was die Geschiedenen-Witwenrente betrifft, immer noch eines der dunkelsten Kapitel der Sozialgesetzgebung vor uns haben. Hier werden wir noch viel sozialpolitische Phantasie aufbringen müssen.
Meine Damen und Herren, die Reform des Ehe-und Familienrechts wird von uns Frauen seit der Weimarer Republik verlangt. Es wird an uns allen in diesem Hause liegen, dieses ungerechte Scheidungsfolgenrecht, zu dem ich zu sprechen hatte, so zu reformieren, daß dem wirtschaftlich Schwächeren auch soziale Gerechtigkeit widerfährt.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0704004200
Meine Damen und Herren, die Rednerliste ist erschöpft. Ich schließe die Aussprache.
Ich schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf an den Rechtsausschuß — federführend —, den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit, den Ausschuß



Vizepräsident Dr. Jaeger
für Arbeit und Sozialordnung und den Innenausschuß — mitberatend — sowie an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung zu überweisen. Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe den Zusatzpunkt auf, der heute früh auf die Tagesordnung gesetzt wurde:
Beratung der aufhebbaren Verordnung der Bundesregierung über die Begrenzung der Kreditaufnahme durch Bund, Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 1973
— Drucksache 7/682 —
Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Haushaltsausschuß vor. Widerspruch erfolgt nicht; dann ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, wir kommen damit zum letzten Punkt der Tagesordnung, zur
Fragestunde
— Drucksache 7/653 —
Ich rufe zuerst die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung auf. Die Frage 69 wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 70 des Abgeordneten Horstmeier auf:
Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, aufgrund des immer notwendiger werdenden Betriebshelfereinsatzes in der Landwirtschaft, eher bei dem Mangel an Ersatzkräften, die Einsatzwilligen bei langfristiger Verpflichtung vom Wehrdienst freizustellen?
Herr Staatssekretär Berkhan, ich darf bitten.

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0704004300
Herr Kollege Horstmeier, ich beantworte Ihre Frage folgendermaßen. Eine Befreiung landwirtschaftlicher Betriebshelfer vom Wehrdienst ist nach der derzeitigen Rechtslage nicht möglich. Dies gilt auch dann, wenn ein Wehrpflichtiger sich für den Betriebshelfereinsatz langfristig verpflichtet. Die Bundesregierung beabsichtigt auch nicht, dem Deutschen Bundestag eine Änderung der entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen vorzuschlagen, weil die Befreiung der landwirtschaftlichen Betriebshelfer vom Wehrdienst eine einseitige Bevorzugung einer bestimmten Berufsgruppe bedeuten und damit dem Grundsatz der Gleichbehandlung aller Wehrpflichtigen widersprechen würde.
Eine Sonderregelung ist im Interesse der deutschen Landwirtschaft aber auch nicht erforderlich. Im Einzelfall kann durch eine befristete Unabkömmlichkeitstellung des jeweiligen Betriebshelfers die Fortführung des Betriebes gesichert werden. Im gleichen Sinne habe ich bereits in den Fragestunden vom 7. Oktober 1970 und 13. November 1970 zum selben Thema Stellung genommen. Im Rahmen der damals angestellten Erhebungen haben die Landesbauernverbände in keinem Falle darüber Klage geführt, daß die Belange der Landwirtschaft bei der Unabkömmlichkeitstellung landwirtschaftlicher Betriebshelfer nicht berücksichtigt worden wären.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0704004400
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Horstmeier.

Martin Horstmeier (CDU):
Rede ID: ID0704004500
Herr Staatssekretär, es geht ja um die Begründung der Freistellung. Ist die Bundesregierung nicht auch der Meinung, daß neben der landwirtschaftlichen Tätigkeit in diesem Zusammenhang auch der Dienstleistungsfaktor zur Erhaltung der Kulturlandschaft — es handelt sich hier meines Erachtens durchaus um einen Dienst an der Allgemeinheit — eine Rolle spielt? Wäre das, für die Zukunft gesehen, eine Freistellungsmöglichkeit?

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0704004600
Ich gehe davon aus, daß Ihr Argument in der Prüfung berücksichtigt wird, muß Ihnen aber sagen, daß dieses Argument natürlich für viele Berufe gilt. So würden z. B. alle Angehörigen von Müllabfuhrunternehmen einer ähnlichen Bewertung unterliegen. Ich will die Fragestunde jetzt nicht überdehnen, aber ich könnte Ihnen noch ein paar andere Beispiele nennen. Sie wissen, daß immer wieder die Frage gestellt wird, ob beispielsweise die Tätigkeit eines Lehrers in einer Schule, in der vielleicht ein Lehrermangel herrscht, nicht höher als der Wehrdienst anzusetzen wäre. Sie müssen, wenn Sie eine einzelne Berufsgruppe herausgreifen und Argumente finden, inwieweit diese einzelne Berufsgruppe für die Allgemeinheit tätig ist, berücksichtigen, daß es viele Berufsgruppen gibt, die im weiten Sinne allgemeines Wohl fördern.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0704004700
Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Horstmeier.

Martin Horstmeier (CDU):
Rede ID: ID0704004800
Die Betriebshilfsdienste sind ja gesetzlich geregelt. Es mangelt aber an Personen, ,die sich zum landwirtschaftlichen Betriebshelferdienst bereit finden. Außerdem geht es hier um eine langfristige Verpflichtung. Wäre die Bundesregierung bereit, die Dinge unter diesem Gesichtspunkt noch einmal zu überprüfen und nicht endgültig zu den Akten zu legen?

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0704004900
Die Prüfung hat stattgefunden. Ich habe Ihnen ganz klar gesagt, daß man in den Fällen, wo Not vorliegt, mit einer Unabkömmlichkeitstellung helfen kann und daß uns keine Fälle bekanntgeworden sind, in denen irgendwo eine besondere Not entstanden ist und in denen nicht Abhilfe geschaffen worden ist. Verehrter Herr Kollege, es ist darüber hinaus so, daß ich als Parlamentarischer Staatssekretär in einem Ressort tätig bin, in dem wir bei längerdienenden Soldaten mindestens unter dem gleichen Mangel leiden wie beispielsweise die Landwirtschaft bei den landwirtschaftlichen Betriebshelfern. Die Situation in beiden Bereichen ist also gleich. Wenn ich Ihrer Argumentation folgte, würden alle Verbände — Industrieverbände, Kammern und dergleichen — uns gegenüber den Beweis antreten, daß bei ihnen ein besonderer Mangel an Nachwuchskräften besteht. Die



Parl. Staatssekretär Berkhan
Zahl der ausländischen Arbeitskräfte, die bei uns als Gastarbeiter tätig sind, belegt dies ja.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0704005000
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Immer.

Klaus Immer (SPD):
Rede ID: ID0704005100
Herr Staatssekretär, ich unterstelle, daß Ihnen bekannt ist, daß nicht nur in der Landwirtschaft — dort allerdings vorwiegend —, sondern auch in anderen Berufen die Existenz eines Betriebes oft davon abhängt, ob er von dem Erben weitergeführt wird. Sie wissen auch, daß landwirtschaftliche Betriebe im Rahmen des Förderungsprogramms der Bundesregierung in besonderer Weise gefördert werden. Ist es nicht eine Inkonsequenz, wenn auf der einen Seite ganz bestimmte Typen von Familienbetrieben gefördert werden und auf der anderen Seite die Existenz dieser Betriebe häufig in Frage gestellt werden kann? Wäre hier nicht zumindest eine bessere Ausgestaltung der Ausnahmeregelungen erforderlich?

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0704005200
Herr Kollege, § 12 des Wehrpflichtgesetzes sagt in Abs. 4 Nr. 2:
wenn der Wehrpflichtige für die Erhaltung und Fortführung eines eigenen oder elterlichen landwirtschaftlichen Betriebes oder Gewerbebetriebes unentbehrlich ist,
kann er zurückgestellt werden. Diese Zurückstellung kann unter Umständen mehrfach wiederholt werden. Ich glaube, daß wir mit dieser gesetzlichen Regelung Ihrem Anliegen Rechnung tragen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0704005300
Die Fragen 71, 72 und 73 sollen auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich komme zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen. Herr Staatssekretär Moersch steht zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 107 des Abgeordneten Wohlrabe auf:
Was bedeutet in bezug auf Berlin die im Schlußdokument mit Generalsekretär Leonid Breschnew ausgehandelte Formel „die strikte Einhaltung und volle Anwendung dieses Abkommens sind eine wesentliche Voraussetzung für eine dauerhafte Entspannung im Zentrum Europas und für eine wesentliche Verbesserung der Beziehungen zwischen den entsprechenden Staaten, insbesondere zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion" konkret?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0704005400
Herr Abgeordneter, der Bundeskanzler hat bereits in seiner Erklärung vor dem Deutschen Bundestag am 23. Mai dieses Jahres darauf hingewiesen, daß die sowjetische Haltung zur Praktizierung des Viermächteabkommens von uns als Funktion in unseren bilateralen Beziehungen zur Sowjetunion angesehen wird. Diese können insgesamt nicht besser sein, als es die Lage in Berlin ist,
Die Formulierungen — ich zitiere — „strikte Einhaltung und volle Anwendung" spiegeln wider, daß hierbei nicht mir die Feststellung, daß Berlin (West) kein konstitutiver Teil der Bundesrepublik Deutschland ist, zu berücksichtigen ist, sondern daß auch den Bindungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) Rechnung getragen werden muß. In den Gesprächen bestand Einvernehmen, daß noch bestehende praktische Schwierigkeiten sorgfältig geprüft und für sie Lösungen gefunden werden sollen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0704005500
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wohlrabe.

Jürgen Wohlrabe (CDU):
Rede ID: ID0704005600
Herr Staatssekretär, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie ein Wort zur Interpretation des Viermächteabkommens insbesondere unter dem Gesichtspunkt sagen könnten, daß Berlin nicht nur nicht konstitutiver Bestandteil sein soll, sondern daß es in alle Bindungen einbezogen wird. Ist das durch die Vereinbarung und durch die Absprache, die getroffen worden ist, gewährleistet?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0704005700
Herr Abgeordneter, im Viermächteabkommen selbst ist das definiert, und die Praxis der Bundesregierung ist eindeutig. Ich darf in Ihre Erinnerung zurückrufen, daß diese Bindungen ja in den jetzt geschlossenen Abkommen durch die Berlin-Klausel bestätigt worden sind, sehr im Unterschied zu Abkommen, die frühere Bundesregierungen, die von Ihren Parteifreunden geführt worden sind, damals abgeschlossen haben.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0704005800
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wohlrabe.

Jürgen Wohlrabe (CDU):
Rede ID: ID0704005900
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir darin zu, daß sich die Sowjetunion bis zum heutigen Tage mehrfach geweigert hat und weigert, Berlin in Maßnahmen einzubeziehen, bei denen es nach dem Viermächteabkommen nach der Auffassung der Bundesregierung und auch nach unserer Meinung einbezogen werden sollte?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0704006000
Herr Abgeordneter, es dient der Sache überhaupt nicht, wenn Sie generelle Feststellungen treffen, die mit den Tatsachen nicht in jedem Falle übereinstimmen.
Wir haben mehrere Abkommen geschlossen — ich habe Ihnen das soeben gesagt —, in denen in den Fragen, die nicht die Sicherheit und den Status von Berlin betreffen, mit der Sowjetunion jetzt Vereinbarungen getroffen worden sind. Das Viermächteabkommen gibt dazu einen generellen Rahmen. Es ist unsere Aufgabe — das ist hierbei auch die Meinung der Westmächte —, in den Abkommen, die wir speziell schließen, die entsprechenden Bindungen durch eine Berlin-Klausel festzustellen.
Das ist in jedem Einzelabkommen geschehen, das die Bundesregierung mit der Sowjetunion seitdem



Parl. Staatssekretär Moersch
unterzeichnet hat. Ich glaube, das ist ein deutlicher Hinweis auf die tatsächliche Lage.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0704006100
Keine weitere Zusatzfrage.
Dann rufe ich die Frage 108 des Abgeordneten Wohlrabe auf:
Hat Bundeskanzler Brandt in seinen Gesprächen mit Generalsekretär Breschnew die Auffassung durchgesetzt, daß Berlin in völkerrechtliche Vereinbarungen und Abmachungen der Bundesrepublik Deutschland — ohne Widerspruch der Sowjets — einbezogen wird, und ist nunmehr der einseitigen Interpretation des Vier-Mächte-Abkommens durch die Sowjetunion ein Ende gesetzt?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0704006200
Herr Abgeordneter, in alle Abkommen, die von uns mit der Sowjetunion nach Inkrafttreten des Viermächteabkommens abgeschlossen wurden — ich habe das soeben schon in der Antwort auf eine Zusatzfrage gesagt —, ist Berlin (West) einbezogen worden, so wie das 1952/54 von den Drei Mächten festgelegt wurde. Die Bundesregierung hat wiederholt erklärt und die sowjetische Seite während des Besuches erneut darauf hingewiesen, daß für sie der Abschluß von Verträgen, soweit nicht Vorbehaltsrechte der Drei Mächte berührt sind, ohne Einbeziehung von Berlin (West) nicht in Betracht kommt. Sie hat ja bisher auch immer entsprechend gehandelt.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0704006300
Eine Zusatzfrage,
Herr Abgeordneter Wohlrabe.

Jürgen Wohlrabe (CDU):
Rede ID: ID0704006400
Herr Staatssekretär, wie erklären Sie sich dann die offensichtlich unterschiedliche Auslegung der Frage der Einbeziehung Berlins durch die Bundesregierung und die Sowjetunion — z. B. beim Sportverkehr, bei einer Ausstellung der Sowjetunion in Berlin, oder wenn es um das Hissen der Bundesflagge geht —, und was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um hier Abhilfe zu schaffen?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0704006500
Herr Abgeordneter, ich sehe auf Grund Ihrer Frage, daß es jetzt notwendig wäre, hier eine genaue Information zu geben. Das hat die Bundesregierung im Auswärtigen Ausschuß getan.
Sie bringen hier Dinge ins Spiel, die wir zum Teil schon geklärt hatten. Was den Sportverkehr betrifft, so werde ich nachher einige Fragen von Kollegen zu beantworten haben, die dieses Thema berühren.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0704006600
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wohlrabe.

Jürgen Wohlrabe (CDU):
Rede ID: ID0704006700
Ich gehe also nicht fehl in der Annahme, Herr Staatssekretär, daß die Punkte, die ich als kritische Gesichtspunkte angesprochen habe, auch von der Bundesregierung kritisch betrachtet werden?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0704006800
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung ist in diesen Fragen immer hellwach gewesen. Es ist natürlich nützlich, wenn ein Abgeordneter sie dabei unterstützt.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0704006900
Keine Zusatzfrage.
Dann kommen wir zu Frage 109 des Herrn Abgeordneten Dr. Slotta. — Er ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Wir kommen zu Frage 110 des Abgeordneten Reiser:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß sich die ARD seit Jahren vergeblich bemüht, ein Reporterbüro in Madrid einzurichten, und sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, im Hinblick auf diese Schwierigkeiten bei der spanischen Regierung zu vermitteln, nachdem spanische Journalisten in der Bundesrepublik seit jeher ungehindert tätig sein können?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0704007000
Herr Abgeordneter, die Antwort lautet Ja. Unsere Botschaft in Madrid ist vom Hessischen Rundfunk im März dieses Jahres über die Bemühung der ARD unterrichtet worden, in Madrid ebenso wie das ZDF einen Korrespondenten akkreditieren zu lassen. Die Botschaft hat auch die ARD beraten, wie die Akkreditierung am besten geschehen kann. Gegenwärtig bestehen weiterhin Kontakte mit dem Hessischen Rundfunk in dieser Angelegenheit.
Die Bundesregierung begrüßt es grundsätzlich, daß die Berichterstattung über das Ausland, wenn I irgend möglich, durch eigene Korrespondenten der deutschen Massenmedien geschieht. Sie tut im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten alles, was die Arbeit der deutschen Korrespondenten im Ausland erleichtern kann.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0704007100
Keine Zusatzfrage.
Wir kommen zur Frage 111 des Abgeordneten Nordlohne. Er ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Wir kommen zu Frage 112 des Abgeordneten Dr. Beermann:
Ist die Bundesregierung bereit, auf Grund der Tatsache, daß der deutsche Staatsangehörige Rudolf Hess — unter Freispruch von der Anklage, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen zu haben, vom interalliierten Militärgerichtshof in Nürnberg wegen Verschwörung und Verbrechen gegen den Frieden zu lebenslanger Haft verurteilt — bereits seit seinem Flug nach England im Jahre 1941 — also seit mehr als 30 Jahren, davon die letzten in Einzelhaft — gefangengehalten wird, noch im Jahre 1973 bei den für den Vollzug der Haft zuständigen Regierungen dahin gehend zu intervenieren, daß diese gegenüber dem nun 80jährigen Greis Gnade vor Recht ergehen lassen und ihm die Freiheit wiedergeben?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0704007200
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung steht seit Jahren mit den drei Mächten, die zusammen mit der Sowjetunion die Entscheidung über eine Freilassung von Rudolf Hess zu treffen hätten, in Verbindung. Sie ist dort mit dem Wunsch, Rudolf Hess aus humanitären Gründen frei-



in dieser Frage den humanitären Argumenten der Bundesregierung entgegengetreten ist?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0704007300
Herr Abgeordneter, ich bin im Augenblick nicht in der Lage, das zu tun. Ich bin aber gerne bereit, Ihnen darüber eine Mitteilung zugehen zu lassen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0704007400
Wir kommen zu Frage 113 der Abgeordneten Frau von Bothmer:
Wie hoch sind die Gesamtaufwendungen des Bundes und der Länder für den Bau und die personelle und technische Ausstattung und Unterhaltung deutscher Schulen in Südafrika, und wie hoch ist der zahlenmäßige Anteil deutscher Staatsangehöriger an der Gesamtschülerzahl?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0704007500
In Südafrika, Frau Abgeordnete, werden von der Bundesregierung — nicht von den Ländern — vier größere und vier kleine, von örtlichen Schulvereinen getragene Privatschulen gefördert. Im Jahr 1971 belief sich die Gesamtaufwendung auf 3 780 000 DM. Außerdem hat die Bundesregierung seit dem Jahre 1960 9 500 000 DM — in 12 Jahren - an Baubeihilfen gezahlt. Die Schulen werden von insgesamt 2 687 Schülern besucht. Von dieser Gesamtzahl sind 2 302 deutschsprachige Schüler. Von den deutschsprachigen Schülern wiederum besitzen 1 022 die deutsche Staatsangehörigkeit.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0704007600
Eine Zusatzfrage.

Lenelotte von Bothmer (SPD):
Rede ID: ID0704007700
Herr Staatssekretär, die Mittel, die wir auch in diesem Jahr im Haushalt wieder für die Schulen beantragt haben, sind ja verhältnismäßig hoch. Ist es nicht eine Aufgabe unserer Politik, die sich ja gegen die Apartheid wendet, solche Schulen auch andersfarbigen Schülern und Lehrern zugänglich zu machen?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0704007800
Das ist ein Aspekt der Prinzipien, die ja in unseren Leitsätzen zur auswärtigen Kulturpolitik niedergelegt sind. Sie wissen, daß sich auch eine Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages mit diesen Fragen befaßt. Die Bundesregierung ist selbstverständlich bereit, entsprechende Folgerungen zu ziehen. Wir sind auch in anderen Teilen der Welt überall dafür eingetreten, daß es keine sozialen und keine rassischen Beschränkungen für solche Schulen gibt, die wir aus kulturpolitischen Interessen mitfinanzieren.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0704007900
Eine weitere Zusatzfrage.

Lenelotte von Bothmer (SPD):
Rede ID: ID0704008000
Wäre es in diesem Zusammenhang nicht gerade auch zu bedenken, daß in Namibia die Kulturhoheit Südafrikas widerrechtlich ist, wir für die Schulen dort also eigentlich einen anderen Maßstab anlegen müßten?
Parl. Staatssekretär Moersch
) zulassen, auf Verständnis gestoßen. Sie hat in der gleichen Frage außerdem mit der Sowjetunion gesprochen. Die Bundesregierung bedauert, .daß ihre Bemühungen bis heute keinen Erfolg hatten. Sie wird auch in Zukunft jede ihr Erfolg versprechende Möglichkeit wahrnehmen, sich bei den vier Gewahrsamsmächten für die Freilassung von Rudolf Hess aus humanitären Gründen einzusetzen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0704008100
Eine Zusatzfrage.

Dr. Friedrich Beermann (SPD):
Rede ID: ID0704008200
Herr Staatssekretär, wäre es Ihnen in diesem Zusammenhang wohl möglich, dem Hohen Hause einige Informationen über die Sicherheitsmaßnahmen gegenüber dem nun 80jährigen Hess zu geben, für den der deutsche Steuerzahler, wenn ich recht informiert bin, jährlich etwa 1 Million DM zu zahlen hat?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0704008300
Herr Abgeordneter, ich will zunächst darauf hinweisen, daß etwa gleichstarke Kontingente der Vier Mächte die Bewachung des bundeseigenen Militärgefängnisses in Berlin-Spandau durchführen. Eine genaue Aufschlüsselung dieser Kontingente würde hier zu weit führen.
In der Öffentlichkeit sind Zahlen genannt worden, die früher etwa bei 460 Personen lagen. Ich habe hier im Augenblick eine Zahl parat: die Vereinigten Staaten stellen zur Zeit, soweit uns bekannt ist, 33 Wachsoldaten, von denen jeweils 13 den Wachdienst versehen.
Die von Ihnen genannte Summe ergibt sich ungefähr für das Jahr 1972 insgesamt. Davon sind ein Teil vom Berliner Justizhaushalt und ein Teil vom Besatzungskostenhaushalt in Berlin zu tragen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0704008400
Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Friedrich Beermann (SPD):
Rede ID: ID0704008500
Herr Staatssekretär, wäre es nicht angemessen, bei den Gewahrsamsmächten anzuregen, die getroffenen, sicherlich beachtlichen, aber keineswegs vollkommenen Sicherheitsmaßnahmen etwa noch durch eine Hubschrauberstaffel und eine Flottille auf der Spree zu vervollständigen, um dem doch sicherlich einmal zu erwartenden Ausbruchsversuch des 80jährigen Hess auf jeden Fall erfolgreich begegnen zu können?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0704008600
Herr Abgeordneter, ich bin sicher, daß die Gewahrsamsmächte das Protokoll des Deutschen Bundestages und damit auch Ihre Frage aufmerksam studieren werden.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0704008700
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Mertes.

Dr. Alois Mertes (CDU):
Rede ID: ID0704008800
Herr Staatssekretär, können Sie dem Hohen Hause mitteilen, mit welchen Argumenten die sowjetische Regierung




Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0704008900
Gnädige Frau, ich muß Sie darauf aufmerksam machen: Ihre Frage hat sich auf Südafrika bezogen, und meine Antwort war auch auf Südafrika abgestellt,

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0704009000
Ich komme zu der Frage 114 des Herrn Abgeordneten Wrede:
Wie beurteilt die Bundesregierung im Zusammenhang mit dem jetzt mit der UdSSR abgeschlossenen Kulturabkommen die weitere Entwicklung der Zusammenarbeit zwischen dem Deutschen Sportbund (DSB) und den sowjetischen Sportorganisationen?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0704009100
Herr Abgeordneter, die Antwort lautet positiv. Mit der Einbeziehung des Sports in das Kulturabkommen hat die Bundesregierung die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen, daß sich die Sportbeziehungen, die vom Deutschen Sportbund und den ihm angeschlossenen Spitzenorganisationen in eigener Zuständigkeit durchgeführt werden, verstärken und intensivieren können. Die Bundesregierung weiß, daß die deutschen Sportverbände gewillt sind, ihre Möglichkeiten in dieser Hinsicht voll auszuschöpfen. Sie wird dabei ideell und finanziell behilflich sein. So wurden die Mittel des Auswärtigen Amts zur Förderung von Sportkontakten mit der Sowjetunion und anderen osteuropäischen Ländern für das Jahr 1973 mehr als verdoppelt.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0704009200
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 115 des Herrn Abgeordneten Wrede auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, ob in den zur Zeit gültigen Vereinbarungen zwischen dem Deutschen Sportbund (DSB) und den sowjetischen Sportorganisationen die Westberliner Verbände und Vereine in angemessener Weise einbezogen sind?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0704009300
Der Deutsche Sportbund und das Komitee für Körperkultur und Sport beim Ministerrat der UdSSR sind sich einig, daß 1973 ein Programm von 55 Veranstaltungen auf Grund von Einzelabsprachen der Spitzenverbände durchgeführt wird. Der Deutsche Sportbund und alle ihm angeschlossenen Organisationen werden dabei von ihrer bisherigen Haltung nicht abgehen, daß, nachdem die Westberliner Verbände zu den Spitzenverbänden des Sports in der Bundesrepublik und damit zum Bereich des Deutschen Sportbundes gehören, diese Verbände und ihre Mitglieder in den Sportaustausch mit der Sowjetunion gemäß ihrem Leistungsstand und ihren organisatorischen Möglichkeiten in angemessener Weise einbezogen werden. Die Bundesregierung und der Deutsche Sportbund sind sich einig, daß die bisherige gute Zusammenarbeit und gegenseitige Unterstützung gerade in der Frage der Einbeziehung der Sportverbände von Berlin (West) und ihrer Mitglieder fortgesetzt werden soll. Darüber hinaus ist die Bundesregierung der Ansicht, daß die Einbeziehung der Westberliner Sportler in die Sportorganisation der Bundesrepublik auch dadurch besonders abgesichert ist, daß der Sport als Gegenstand der beiderseitigen Förderung in das Kulturabkommen mit der Sowjetunion hineingenommen und das Abkommen auf Berlin (West) ausgedehnt worden ist.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0704009400
Keine Zusatzfrage.
Die Frage 116 wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Auch die Fragen 117 und 118 des Herrn Abgeordneten Dr. Evers werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Wir kommen zu den Fragen 119 und 120 des Herrn Abgeordneten Dr. Klein (Stolberg). — Er ist nicht im Saal. Seine beiden Fragen werden ebenfalls schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich komme zum Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Zunächst die Frage 1 des Herrn Abgeordneten Dr. Nölling. Er ist nicht im Saal. Die Fragen 1 und 2 werden daher schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Frage 3 des Abgeordneten Freiherr von Fircks:
Ist die Bundesregierung mit mir der Auffassung, daß die von dem Bundesminister des Innern im Rahmen des Berichts über sein Arbeitsprogramm in der 7. Wahlperiode vor dem Innenausschuß des Deutschen Bundestages als regierungsseitig vorgesehene Leistungsverbesserungen zugunsten der Flüchtlinge aus Mitteldeutschland in bezug auf die Verzinsung ihrer Hauptentschädigungen und die Zahlung des Entwurzelungszuschlags nicht unter die Ziffer 11 des Stabilitätsprogramms der Bundesregierung fällt, da bei der Novellierung von Leistungsgesetzen im Haushaltsentwurf 1973 nur solche Leistungsverbesserungen zurückgestellt werden sollen, die von der Bundesregierung nicht vorgesehen waren?
Herr Bundesminister Genscher, bitte sehr!

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0704009500
Herr Abgeordneter, Ihre Frage geht von einer unzutreffenden Voraussetzung aus. In meinem Bericht über mein Arbeitsprogramm in der 7. Wahlperiode habe ich die von Ihnen genannten Leistungsverbesserungen im Lastenausgleich nicht als regierungsseitig vorgesehen bezeichnet. Ich habe vielmehr wörtlich gesagt und darf das wiederholen:
Offen sind noch Fragen wie z. B., ob die Flüchtlinge aus der DDR auch in bezug auf die Verzinsung ihrer Hauptentschädigung und die Zahlungen des Entwurzelungszuschlags den Vertriebenen in vollem Umfange gleichgestellt werden sollen.
Im übrigen wissen Sie, daß die genannten Leistungsverbesserungen zunächst dem Sondervermögen/Ausgleichsfonds zur Last fallen würden und daß die etwa zu erwartenden Auswirkungen auf den Bundeshaushalt auf Grund seiner Defizithaftung nicht in dem Zeitraum eintreten würden, auf den das zweite Stabilitätsprogramm der Bundesregierung ausgerichtet ist. Ein Zusammenhang zwischen den in Ihrer Frage erwähnten etwaigen Leistungsverbesserungen und Ziffer 11 des Stabilitätsprogramms besteht also nicht.
2248 Deutscher Bundestag 7. Wahlperiode — 40. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Juni 1973

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0704009600
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.

Freiherr Otto von Fircks (CDU):
Rede ID: ID0704009700
Herr Minister, wenn ich das eben so schnell verfolgen konnte, dann war Ihr wörtliches Zitat aus der Sitzung des Innenausschusses vom 14. Februar 1973. Können Sie uns bestätigen, daß in der Sitzung am 21. Februar, als auf meine Bitte dieses Problem nochmals behandelt wurde, Sie wörtlich gesagt haben ich zitiere —:
Was die Lastenausgleichsgesetzgebung angeht, so denke ich bei dem, was ich für vordringlich halte,
— allerdings mit der Hintertür
sofern etwas möglich wird, in der Tat an die z. B. genannten Vorhaben.
Herr Minister, Sie haben sicher wie ich — und können das bestätigen — gespürt, daß die Betroffenen dies als eine regierungsseitige Zusage, diese beiden in der Frage genannten Vorhaben in dieser Legislaturperiode zu erfüllen, aufgefaßt haben.

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0704009800
Sie würden diese Äußerungen, die Sie sicher richtig wiedergegeben haben, ohne daß ich das jetzt nachprüfen kann, richtiger interpretieren, wenn Sie sagen, daß in meiner Erklärung der ernsthafte Wille der Bundesregierung zum Ausdruck kam, das Mögliche zu tun; denn daß es sinnvoll wäre, solche Entscheidungen zu treffen, wissen wir. Aber wir wissen auch, daß wir häufig aus finanziellen Gründen gehindert sind, alle sinnvoll und berechtigt erscheinenden Entscheidungen in dem Zeitpunkt zu treffen, in dem die Berechtigten das verständlicherweise wünschen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0704009900
Eine zweite Zusaztfrage, Freiherr von Fircks.

Freiherr Otto von Fircks (CDU):
Rede ID: ID0704010000
Herr Bundesminister, könnten Sie uns dann sagen, ob Sie unter den jetzt gegebenen Aspekten — welcher Art auch immer, stabilitätspolitischen, finanzpolitischen und sonstigen — dieses für möglich halten?

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0704010100
Ich kann das noch nicht mit der Verläßlichkeit sagen, Herr Abgeordneter, mit der Sie es aus verständlichen Gründen gern hören möchten. Da ich nicht zu denen gehöre, die Hoffnungen erwecken, die dann nicht realisiert werden, kann ich nur noch einmal wiederholen, daß die Bundesregierung das Problem sieht, es ernst nimmt, Verständnis für diese Forderungen hat und sich bemühen wird, sie zu erfüllen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0704010200
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Meermann.

Hedwig Meermann (SPD):
Rede ID: ID0704010300
Herr Präsident, nur eine Zusatzfrage zum Verfahren. Ist das üblich oder habe ich das bisher nicht gehört, daß wir im Plenum Interpretationen von Äußerungen verlangen
und geben, die in Ausschüssen irgendwann mal gemacht worden sind?

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0704010400
Erstens ist es nicht üblich, den Präsidenten zu fragen. Zweitens habe ich nicht den Eindruck, daß es sich um vertrauliche Ausschüsse gehandelt hat.
Herr Minister, Sie haben schon geantwortet; die Frage ist damit erledigt.

Harald B. Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0704010500

Trifft es zu, daß es im Zusammenhang mit der Aktion des Bundesgrenzschutzes vom 3. bis 17. April 1973 im Oberfinanzbezirk Saarbrücken zu Grenzverletzungen durch BGS-Beamte gekommen ist?

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0704010600
Dem Bundesgrenzschutz, Herr Kollege, obliegen nach den §§ 1 und 2 des BGS-Gesetzes die polizeiliche Überwachung der Grenzen und die polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs. Auf Grund von Erkenntnissen über illegale Einschleusungen von Ausländern über die deutsch-französische Grenze im Bereich des Saarlandes hatte ich den Einsatz eines BGS-Verbandes in diesem Grenzabschnitt vom 3. bis 17. April 1973 angeordnet. Nach meinen Feststellungen ist es dabei nicht zu Grenzverletzungen durch Beamte des BGS gekommen. Es liegen übrigens auch keine Beschwerden über solche Grenzverletzungen von der französischen Seite vor. Die Hundertschaftsführer des eingesetzten Verbandes waren zu Beginn des Einsatzes durch die örtlichen Zollkommissare in den Grenzverlauf eingewiesen worden. Bei der eingesetzten Abteilung handelt es sich um einen Grenzschutzverband, dessen Beamte auf Grund jahrelangen Grenzüberwachungsdienstes besondere Erfahrung mit der Respektierung von Grenzen haben.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0704010700
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schäfer.

Harald B. Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0704010800
Herr Minister, ist Ihnen das Schreiben des Bundes der deutschen Zollbeamten vom 17. April 1973 an den Bundesminister der Finanzen mit den darin enthaltenen Vorwürfen bekannt? Wenn ja, haben Sie auch die anderen Vorwürfe außer dem der Grenzverletzung überprüft, und halten diese Vorwürfe einer Überprüfung stand?

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0704010900
Herr Abgeordneter, dieses Schreiben ist mir nicht bekannt, was nicht heißt, daß es nicht möglicherweise in meinem Hause liegt. Ich habe von Ihnen eine Frage gestellt bekommen, die ich Ihnen, wie ich hoffe, befriedigend beantwortet habe
Ich darf noch einmal darauf hinweisen, daß die französischen Seite nicht auf die Idee gekommen ist, eine Grenzverletzung zu rügen. Es ging immerhin darum, Herr Abgeordneter, Leuten das Handwerk zu legen, die ihr schmutziges Geld damit verdienen, daß sie versuchen, illegal Gastarbeiter in unser Land einzuschleusen, die dann hier in eine abhän-



Bundesminister Genscher
gige Position kommen, da sie nicht über ordentliche Papiere verfügen.
Hier haben die Beamten ihr Bestes getan, und ich bin manchmal erstaunt, welches Maß an Aufmerksamkeit die Frage erregt,

(Zustimmung bei der FDP)

ob möglicherweise deshalb, weil drei Patronenhülsen zwei Meter jenseits der Grenze liegen, zu vermuten sei, daß auch einer der Beamten die Grenze überschritten habe. Aber nach allen Feststellungen hat nicht einmal dieses Vergehen — das ich hier allerdings nicht als Vergehen bezeichnen würde — irgend jemand begangen.

(Sehr gut! bei der FDP.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0704011000
Die zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schäfer.

Harald B. Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0704011100
Herr Minister, würden Sie mir zugestehen, daß meine Fragestellung keinen Zusammenhang mit der möglichen Notwendigkeit des Einsatzes des BGS gegen Schmuggel herstellt?

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0704011200
Herr Abgeordneter, ich habe von Erregungen darüber in der Öffentlichkeit gesprochen und nicht über unser bilaterales Gesprächsverhältnis, das sich, wie Sie sehen, in den freundlichsten Formen abspielt.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0704011300
Ich komme zu Frage 5 des Herrn Abgeordneten Schäfer:
Tst die Aktion des Bundesgrenzschutzes vorn 3. bis 17. April 1973 zuvor mit dem Bundesministerium der Finanzen abgestimmt worden?

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0704011400
Durch Erlaß des Bundesministers des Innern vom 30. März 1973 ist der Einsatz des BGS-Verbandes kurzfristig angeordnet worden. Darüber ist neben dem Minister des Innern des Saarlandes auch der Bundesminister der Finanzen durch nachrichtliche Übersendung der Einsatzanordnung nach fernmündlicher Vorankündigung am gleichen Tage unterrichtet worden. In der Einsatzanordnung war u. a. bestimmt, daß der Einsatz über das Grenzschutzamt Saarbrücken mit der Bundeszollverwaltung zu koordinieren sei.
Am 2. April 1973, also schon vor dem Eintreffen des Verbandes, hat eine Besprechung beim Grenzschutzamt Saarbrücken unter Teilnahme des Grenzreferenten der Oberfinanzdirektion Saarbrücken stattgefunden. An einer Einsatzbesprechung am 4. April 1973 haben neben dem Grenzreferenten auch die zuständigen Zollkommissare teilgenommen. Am gleichen Tage erfolgte die Einweisung der Hundertschaftsführer durch die zuständigen örtlichen Zollkommissare. Von diesem Tage bis zum Ende des Einsatzes befand sich ein leitender Zollbeamter in der Einsatzleitung.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0704011500
Keine Zusatzfrage. Dann komme ich zu Frage 6 des Abgeordneten Engelsberger. — Er ist nicht im Saal. Dann wird
diese Frage ebenso wie Frage 7 schriftlich beantwortet, und die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Die Frage 8 des Abgeordneten Dr. Glotz wird ebenfalls schriftlich beantwortet; die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe Frage 9 der Abgeordneten Frau Meermann auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, die für Beamtinnen und Richterinnen geltenden Regelungen bei Teilzeitbeschäftigung auch auf männliche Beamte und Richter auszudehnen?
Bitte sehr, Herr Bundesminister!

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0704011600
Ja, Frau Abgeordnete. In dem Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Änderung beamtenrechtlicher und richterlicher Vorschriften ist vorgesehen, alle Vorschriften über Teilzeitbeschäftigung und langfristige Beurlaubung auch auf männliche Beamte und Richter auszudehnen.
Dieser Entwurf hat den Bundesrat bereits im ersten Durchgang passiert. Er wird dem Hohen Hause schon in der allernächsten Zeit zur Beratung vorliegen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0704011700
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Meermann.

Hedwig Meermann (SPD):
Rede ID: ID0704011800
Vielen Dank, Herr Minister! Werden Sie dann auch im Bundeshaushalt die erforderlichen Konsequenzen ziehen? Bisher gibt es ja im Bundeshaushalt noch gar keine Stellen für Teilzeitbeschäftigte, obwohl die Regelung für Frauen schon seit längerer Zeit besteht.

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0704011900
Frau Abgeordnete, ich glaube, daß uns auch die zügigste Beratung des Gesetzentwurfs nicht in die Lage versetzen wird, diese Konsequenzen schon im Haushalt 1973 ziehen zu müssen. Aber es ist ganz selbstverständlich, daß der Haushalt insoweit den Entscheidungen des Gesetzgebers zu folgen hat.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0704012000
Eine zweite Zusatzfrage.

Hedwig Meermann (SPD):
Rede ID: ID0704012100
Herr Minister, dies alles, was Sie sagen, als richtig vorausgesetzt, möchte ich doch fragen: Würden Sie dann, wenn diese Gesetzgebung noch ein bißchen dauert, wenigstens schon die erforderlichen Konsequenzen im Haushalt 1974 im Hinblick auf die jetzige Möglichkeit einer Teilzeitbeschäftigung der weiblichen Beamten ziehen?

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0704012200
Das freundliche Gesicht des Herrn Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesminister der Finanzen wird mich dazu ermutigen, einmal beim Finanzministerium anzufragen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0704012300
Die Fragen 10 und 11 des Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg sowie die



Vizepräsident Dr. Jaeger
Fragen 12 und 13 des Abgeordneten Wagner (Günzburg) werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe Frage 14 des Abgeordneten Gansel auf:
Wie gedenkt die Bundesregierung sich zu verhalten, wenn von Arbeitern und Angestellten der verschiedenen Verwaltungen die Übernahme ins Beamtenverhältnis organisiert verweigert wird, da die ungleiche Behandlung von Angestellten und Arbeitern (vor allem im technischen Bereich) einerseits im Verhältnis zu den Beamten andererseits bei der Übernahme in das Beamtenverhältnis unmittelbar zu Einkommensverschlechterungen führt?
Ich darf bitten, Herr Bundesminister!

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0704012400
Die Bundesregierung geht gegenwärtig nicht davon aus, daß Arbeiter und Angestellte verschiedener Verwaltungen die Übernahme in das Beamtenverhältnis organisiert verweigern. Es gibt allerdings Fälle, in denen es wegen der Einkommensverluste, die bei Übernahme in das Beamtenverhältnis unmittelbar entstehen können, nicht zu einer Übernahme kommt. Aufs Ganze gesehen kann jedoch festgestellt werden, daß das Interesse der Arbeitnehmer an einer Übernahme in das Beamtenverhältnis trotz der teilweise entstehenden vorübergehenden Einkommensverluste fortbesteht.
Die Ursachen für die in bestimmten Fällen entstehenden Einkommensverluste bei Übernahme in das Beamtenverhältnis sind bekannt. Ich habe hierzu am 12. Mai 1972 an den Vorsitzenden des Innenausschusses des Deutschen Bundestages einen Bericht erstattet und unter anderem darauf hingewiesen, daß die Einkommensverluste letztlich auf der unterschiedlichen Struktur der Bezahlungssysteme des Besoldungs- und des Tarifbereichs beruhen. Die Bundesregierung ist bemüht, das Problem der Einkommensverluste bei Übernahme in das Beamtenverhältnis einer angemessenen Lösung zuzuführen. Die Arbeiten hierzu sind im Gange, jedoch gegenwärtig noch nicht abgeschlossen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0704012500
Eine Zusatzfrage!

Norbert Gansel (SPD):
Rede ID: ID0704012600
Nachdem nun die Lust der Angestellten, Beamte zu werden, merklich abgenommen hat, weil Einkommensverschlechterungen bis zu 20 % eintreten können, möchte ich Sie fragen, ob die Bundesregierung bereit ist, zugunsten der Beamten Initiativen zur Anhebung der Eingangsstufen und zur Abschaffung der Mindestwartezeiten für Beförderungen zu unternehmen.

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0704012700
Herr Abgeordneter, ich habe Ihnen gesagt, daß wir das Problem einer Lösung zuführen wollen. Wie diese Lösung aussehen soll, kann heute noch nicht abschließend beantwortet werden. Ich glaube aber auch nicht, daß Ihre generelle Feststellung berechtigt ist, daß die Lust der Angestellten, Beamte zu werden, abnehme. Das gilt für bestimmte Bereiche ohne Zweifel; vor allen Dingen im Bereich der Betriebsverwaltungen und für bestimmte Gruppen spielt das eine große Rolle. Aber ich würde das nicht generell sagen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0704012800
Noch eine Zusatzfrage!

Norbert Gansel (SPD):
Rede ID: ID0704012900
Herr Minister, nachdem das Problem erkannt worden ist und Sie sich mit Lösungsmöglichkeiten beschäftigen, möchte ich Sie fragen: Besteht eine grundsätzliche Bereitschaft, die Vorschläge des Bundespostministeriums z. B. zur Neuordnung der Laufbahnen im Fernmeldewesen auch für den technischen Dienst anderer Verwaltungen — hier ist das Problem ja besonders dringlich — als Modell zu übernehmen?

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0704013000
Herr Abgeordneter, wir können generell zu lösende Fragen nicht für einzelne Verwaltungen lösen, und auch die einzelnen Verwaltungen sind darauf angewiesen, ein Gesamtkonzept sowohl für die Laufbahnen als auch für die Besoldungsfragen, die Sie zunächst angeschnitten hatten, zu erarbeiten. Das ist das Bemühen der Bundesregierung in ihrer Gesamtheit.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0704013100
Ich rufe die Frage 15 des Abgeordneten Gansel auf:
Ist die Bundesregierung bereit, Tarifvereinbarungen abzuschließen, um für Arbeiter und Angestellte die gleichen Aufstiegsverhältnisse zu schaffen wie für Beamte?

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0704013200
Bei einer Beurteilung der Aufstiegschancen von Beamten einerseits sowie von Angestellten und Arbeitern andererseits müssen zunächst die unterschiedlichen Systeme von Beamtenbesoldung und Angestelltenvergütung bzw. Arbeiterlöhnen gesehen werden, die einen Vergleich nur bedingt erlauben. So werden Angestellte und Arbeiter in die Vergütungs- bzw. Lohngruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmale sie erfüllen. Auf diese Eingruppierung haben sie einen Rechtsanspruch. Im Beamtenrecht besteht eine geringere Verbindung zwischen Funktion und Besoldung, da sich letztere in erster Linie nach dem ausgeübten Amt richtet. Das Vorwärtskommen der Beamten ist im Gegensatz zum Arbeitnehmerbereich ganz wesentlich von laufbahnrechtlichen Erfordernissen abhängig.
Diese unterschiedlichen Systeme und die beiden voneinander unabhängigen Rechtsquellen — hier Tarifvertrag, dort Gesetz — lassen trotz der ständig fortschreitenden Tendenz der Angleichung beider Rechtsgebiete nicht immer völlig gleiche Entwicklungen zu. Vor- und Nachteile gegenüber der anderen Gruppe sind in beiden Bereichen nach wie vor festzustellen. Sie können aber davon ausgehen, daß die Bundesregierung von dem Grundsatz gleicher Behandlung aller Gruppen der öffentlich Bediensteten bei gleichen Voraussetzungen ausgeht.
Der von der Studienkommission für die Reform des öffentlichen Dienstes jetzt vorgelegte Bericht enthält eine Fülle von Material und Empfehlungen zu dem von Ihnen angesprochenen Problem. Unabhängig davon sind zur Zeit aber Tarifverhandlungen zwischen den Tarifpartnern des öffentlichen Dienstes über eine Neufassung der Tätigkeitsmerkmale für die Angestellten und Arbeiter des Bundes,



Bundesminister Genscher
der Länder und der Gemeinden anhängig, bei denen gerade die Ihrer Frage zugrunde liegenden Sachverhalte eine besondere Rolle spielen. Einzelheiten hin sichtlich des Ergebnisses und des Zeitpunktes ihrer Verwirklichung können heute allerdings noch nicht vorausgesagt werden.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0704013300
Eine Zusatzfrage!

Norbert Gansel (SPD):
Rede ID: ID0704013400
Herr Minister, steht die Bundesregierung bei den von Ihnen erwähnten Tarifverhandlungen diesem Vorschlag der Verbesserung der Aufstiegsmöglichkeiten positiv gegenüber?

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0704013500
Ja, Herr Abgeordneter.

Norbert Gansel (SPD):
Rede ID: ID0704013600
Danke sehr!

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0704013700
Die Fragen 16, 17, 18, 19 und 20 werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 21 des Herrn Abgeordneten Breidbach auf. — Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Auch diese Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen.
Ich rufe die Fragen 27 und 28 der Frau Abgeordneten Dr. Neumeister auf. Sie ist nicht im Saal. Die Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 29 des Herrn Abgeordneten Freiherr von Fircks auf:
Ist die Bundesregierung bereit, eine Änderung des Gesetzes über die Abwicklung der unter Sonderverwaltung stehenden Vermögen von Kreditinstituten, Versicherungsunternehmen und Bausparkassen vorzunehmen, die es der Ausgleichsverwaltung ermöglicht, mit der Auszahlung an die Berechtigten unverzüglich zu beginnen?
Herr Staatssekretär Hermsdorf, ich darf bitten.

Hans Hermsdorf (SPD):
Rede ID: ID0704013800
Herr Präsident, ich halte es für ein merkwürdiges Verfahren, daß Freiherr von Fircks mein Haus gebeten hat, die Frage schriftlich zu beantworten, jetzt aber hier im Saal ist. Ich bin deshalb ein bißchen überfordert, weil ich die Unterlagen nicht hier habe.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0704013900
Ich nehme an, daß sich das irgendwie aufklären wird; jedenfalls können Sie die Frage im Augenblick nicht beantworten.

Hans Hermsdorf (SPD):
Rede ID: ID0704014000
Im übrigen muß ich Herrn von Fircks darauf aufmerksam machen, daß die Fraktionen der SPD und FDP bereits am 23. Mai 1973 einen Gesetzentwurf initiativ eingebracht haben, der dem Anliegen, daß der Freiherr hier zum Ausdruck bringt, Rechnung trägt.
Die Bundesregierung stellt sich hinter diesen Entwurf.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0704014100
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Freiherr von Fircks.

Freiherr Otto von Fircks (CDU):
Rede ID: ID0704014200
Herr Staatssekretär, können Sie dem Haus bestätigen, daß Ihr Geschäftsbereich für die gestrige Fragestunde vorgesehen war und ich, da ich durch eine Fraktionssitzung verhindert war, für gestern um schriftliche Beantwortung gebeten habe und daß es, glaube ich, natürlich ist, daß ich heute dann trotzdem da sein kann?

Hans Hermsdorf (SPD):
Rede ID: ID0704014300
Herr von Fircks, ich kann das nicht bestätigen; denn ich habe gerade noch einmal rückgefragt.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0704014400
Ich rufe die Frage 30 des Abgeordneten Dr. Graf Lambsdorff auf. — Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Die Fragen 31 und 32 des Herrn Abgeordneten Wittmann (Straubing) werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Die Frage 33 des Herrn Abgeordneten Peiter ist vom Fragesteller zurückgezogen worden.
Ich rufe die Frage 34 des Herrn Abgeordneten Niegel auf. Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Die Fragen 35 bis 42 sind bereits beantwortet.
Die Frage 43 soll auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär; es ging sehr schnell.
Ich komme zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie und für das Post- und Fernmeldewesen.
Ich rufe die Frage 92 des Herrn Abgeordneten Dr. Stavenhagen auf. — Ist jemand für die Bundesregierung da? — Ein Vertreter der Bundesregierung ist erst auf dem Wege. Daher können wir ein anderes Ressort vorziehen.
Ich komme zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft.
Ich rufe die Fragen 101 und 102 des Herrn Abgeordneten Dr. Wagner (Trier) auf. — Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Fragen 103 und 104 des Herrn Abgeordneten Dr. Müller (München) auf. — Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Fragen werden



Vizepräsident Dr. Jäger
schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Die Frage 62 des Herrn Abgeordneten Meinike (Oberhausen), die ursprünglich vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung beantwortet werden sollte, wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Wir sind am Ende Ihres Geschäftsbereichs, Herr Staatssekretär. Sie wurden nicht benötigt; ich danke Ihnen schön für Ihre Anwesenheit.
Jetzt muß ich wieder auf den Geschäftsbereich des
Bundesministers für Forschung und Technologie und
für das Post- und Fernmeldewesen zurückkommen.
Ein Vertreter dieses Geschäftsbereichs ist noch
immer nicht da; das ist sehr bedauerlich. Wir können hier, meine Damen und Herren, nicht sitzen bleiben und nichts tun.
An dieser Stelle darf ich noch darauf aufmerksam machen, daß die Fragen 92, 93, 94 und 98 von den Fragestellern zurückgezogen worden sind.
Ich denke, wir stehen am Ende der Fragestunde und damit am Ende der heutigen Plenarsitzung. Ich wünsche Ihnen angesichts der kurzen Pfingstzeit besonders erholsame und ruhige Tage.
Ich schließe die Sitzung und berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 13. Juni 1973, 14 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.