Gesamtes Protokol
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet.
Die folgende amtliche Mitteilung wird ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesminister für Verkehr hat mit Schreiben vom 14. Februar 1973 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Schneider, Dr. Jobst, Gerlach , Niegel, Schedl, Engelsberger, Ziegler, Kiechle und Genossen betr. Verwendung von Spikesreifen - Drucksache 7/84 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 7/187 verteilt.
Wir beginnen mit der
Fragestunde
— Drucksache 7/156 —
Ich rufe den Geschäftsbereich des Herrn Bundesministers für Verkehr auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Haar zur Verfügung.
Die Fragen 108 und 109 des Herrn Abgeordneten Wawrzik werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 110 des Herrn Kollegen Dr. Riedl auf, der sich früh auf den Weg gemacht hat:
Beabsichtigt die Bundesregierung, in dem Konsortialvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland, dem Freistaat Bayern und der Landeshauptstadt München über die Errichtung des Großflughafens München II dem Weiterbetrieb des Flughafens München-Riem „his zu einem Beschluß der Vertragspartner" zuzustimmen, und ist sich die Bundesregierung darüber im klaren, daß eine solche Regelung den Fortbestand des Flughafens München-Riem bedeuten würde?
Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.
Danke, Herr Präsident. Herr Kollege Riedl, es ist die Absicht der Bundesregierung, den Vertrag zu unterzeichnen, und zwar nach Verabschiedung des Haushaltsgesetzes 1973. Nach § 4 Abs. 1 des Konsortialvertrages wird der Flughafen München-Riem bis zu einem Beschluß der Vertragspartner weiterbetrieben. Die Vertragspartner gehen dabei übereinstimmend davon aus, daß München-Riem zum schnellstmöglichen Zeitpunkt nach Inbetriebnahme des Flughafens München II geschlossen wird. Der Bundesregierung sind die Anliegen der Bevölkerung Münchens auf schnellstmögliche Schließung des Flughafens Riem durchaus bekannt, und sie werden berücksichtigt.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege.
Herr Staatssekretär, was hindert die Bundesregierung daran, die Schließung des Flughafens München-Riem jetzt schon definitiv festzulegen? Und darf ich Sie insbesondere fragen, welchen Zeitbegriff Sie Ihrer Aussage „schnellstmöglicher Zeitpunkt" zugrunde legen.
In der Planung für den Großflughafen München II, Herr Kollege, der auch mein Haus zugestimmt hat, ist die Aufnahme auch der allgemeinen Luftfahrt vorgesehen, d. h. auch der von Ihnen erwähnte Sport- und Privatflugverkehr. Insoweit teilen wir nicht die Befürchtung, die Sie im zweiten Teil Ihrer Frage ausgesprochen haben.
Sie haben eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege.
Herr Staatssekretär, ich gehe doch richtig in der Annahme, daß zum jetzigen Zeitpunkt die Schließung des Flughafens München-Riem noch nicht feststeht, und des weiteren ist doch meine Annahme richtig, daß das Bundesverkehrsministerium dazu ganz offensichtlich noch bestimmte Hinderungsgründe vorliegen hat?
Der § 4, Herr Kollege, lautet:
Der Flughafen München-Riem wird bis zu einem Beschluß der Vertragspartner weiterbetrieben.
Der Zeitpunkt ist praktisch die Inbetriebnahme des neuen Flughafens München II.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Probst.
Herr Staatssekretär, darf ich das so verstehen, daß vor der Inbetriebnahme
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648 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 15. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Februar 1973
Dr. Probstdes neuen Flughafens keine Entscheidung fällt und daß zweitens für Sie feststeht, daß der neue Flughafen München IT gebaut wird?
Die Bundesregierung geht in Übereinstimmung mit den künftigen Vertragspartnern Freistaat Bayern und Landeshauptstadt München von einer Schließung München-Riems nach Inbetriebnahme des Flughafens München II aus. Die Schließung Riems beinhaltet eine Änderung des Gesellschaftszwecks der Flughafen München GmbH, weshalb der in § 4 des Konsortialvertrages vorgesehene Beschluß der Konsorten erforderlich ist. Darüber hinaus bestimmt § 4 Abs. 1 das Wirksamwerden der Folgerungen, die sich aus Abs. 2, der sogenannten Liquidationsklausel, ergeben.
Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Dr. RiedelMartiny.
Herr Staatssekretär, hält die Bundesregierung eine Entlastung des Flughafens München-Riem vom innerdeutschen Flugverkehr durch den beginnenden Ausbau eines Schnellbahnsystems für finanziell und technisch möglich?
Solche Überlegungen werden angestellt. Ich kann im Augenblick eine verbindliche Antwort auf die Frage nach Entwicklungen, die sich in diesem Bereich ergeben, noch nicht geben.
Zu einer letzten Zusatzfrage der Herr Kollege Wittmann.
Herr Staatssekretär, was hat die Partner des Konsortialvertrages gehindert, in § 4 Abs. 1 des Konsortialvertrages bereits vorzusehen, daß man an die Schließung herangehen will? Es hätte ja schon im Vertrag geregelt werden können.
Das ist ja in § 4 dieses Vertrages vorgesehen. Ich habe auf die Schwierigkeiten bereits bei der Beantwortung vorheriger Zusatzfragen hingewiesen.
Der Herr Kollege Dr. Probst hat die von ihm eingebrachte Frage 111 zurückgezogen.
Damit sind die Fragen aus Ihrem Geschäftsbereich abgeschlossen. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär!
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen auf. Die Frage 14 ist von dem Herrn Abgeordneten Dr. Wittmann gestellt:
Trifft die Meldung des „Tagesspiegel" vom 30. Januar 1973 zu, das Auswärtige Amt habe den deutschen Botschaftern empfohlen, die Bezeichnung „Der Deutsche Botschafter" in „Botschafter der Bundesrepublik Deutschland" umzuwandeln, und wie vereinbart - bejahendenfalls - die Bundesregierung diese Empfehlung mit ihrer Ankündigung, auf den Gebrauch des Adjektivs „deutsch" nicht zu verzichten?
Zur Beantwortung steht der Herr Parl. Staatssekretär Moersch zur Verfügung. Bitte!
Herr Kollege Dr. Wittmann, es trifft zu, daß die Auslandsvertretungen und ihre Leiter angewiesen wurden, im amtlichen, protokollarischen und gesellschaftlichen Verkehr die Bundesrepublik Deutschland mit ihrem vollen Namen zu bezeichnen. Dies bedeutet, daß die Vertretungen nunmehr grundsätzlich die amtliche Bezeichnung verwenden sollen. Diese lautet seit jeher — ich zitiere — „Botschaft der Bundesrepublik Deutschland" oder „Botschafter der Bundesrepublik Deutschland" usw. Neben diesen amtlichen Bezeichnungen wurden bisher auch Kurzformen wie „Deutsche Botschaft", „Deutscher Botschafter" vor allem in Ländern verwendet, die nur zur Bundesrepublik Deutschland diplomatische Beziehungen unterhielten. Die Anpassung an die amtliche Bezeichnung trägt dem Umstand Rechnung, daß wir in Zukunft dort mit der diplomatischen Präsenz der DDR zu rechnen haben. Das Nebeneinander diplomatischer Vertretungen der beiden deutschen Staaten läßt es nicht zuletzt im Interesse unserer Beziehungen zum jeweiligen Gastland als zweckmäßig erscheinen, durch eine klare Namensführung die Möglichkeit von Mißverständnissen und Verwechslungen auszuschließen.
Mit dem Verzicht auf den Gebrauch des Wortes „deutsch" hat das nichts zu tun. Herr Abgeordneter, dieses Wort ist ein Element unseres Staatsnamens. Auch die Deutsche Demokratische Republik führt es in ihrer Bezeichnung. In der Präambel des Grundvertrages ist ausdrücklich von beiden deutschen Staaten die Rede. Unsere Auslandsvertretungen werden sich selbstverständlich auch in Zukunft nicht davon abhalten lassen, die Begriffe „Deutschland", „Deutscher", „deutsch" dort zu verwenden, wo dies sachlich geboten ist.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß diese Weisung, die Sie herausgegeben haben, praktisch ein Zeichen dafür ist, daß die Bundesrepublik Deutschland ihre Identität mit dem Deutschen Reich aufgeben will oder aufgibt, obwohl sie in der Beantwortung der Großen Anfrage meiner Fraktion vom Herbst 1971 noch etwas anderes behauptet hat?
Herr Abgeordneter, wenn ich diese Frage mit Ja beantworten müßte, hätten Sie in Ihrer Fraktion sicherlich eine Mehrheit für die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts gefunden.
— Ja, sicher!
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 15. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Februar 1973 649
Ich rufe die Frage 15 des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja auf:
Hat die Bundesregierung durch Vereinbarung mit der Volksrepublik Polen sichergestellt, daß die von der Bundesrepublik Deutschland zur Verfügung gestellten 100 Millionen DM in vollem Umfang an die Opfer der pseudomedizinischen Menschenversuche in der Volksrepublik Polen persönlich zur Auszahlung kommen?
Herr Staatssekretär!
Die Bundesregierung hat in dem am 16. November 1972 mit der Volksrepublik Polen abgeschlossenen Abkommen vereinbart, daß die Verteilung des festgesetzten Betrages dem Ermessen der polnischen Seite überlassen bleibt. Eine solche Vereinbarung entspricht nicht nur internationaler Praxis, sondern hält sich auch an das Muster ähnlicher Verträge. So wurde z. B. auch in den Verträgen mit den westlichen Staaten über pauschale Wiedergutmachungsleistungen die Verteilung des Betrages dem Vertragspartner überlassen. Solange die Auszahlung im Wege der Individualentschädigung über das Internationale Komitee des Roten Kreuzes in Genf erfolgte, legte die polnische Seite in jedem Einzelfall eine Quittung des Empfängers vor. Die Bundesregierung kann daher davon ausgehen, daß die Entschädigungsleistungen auch weiterhin an die Verfolgten persönlich zur Auszahlung kommen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, geht das Ermessen so weit, daß auch Teile dieser Summe nicht direkt an die so schwer betroffenen Opfer pseudomedizinischer Menschenversuche ausgezahlt werden können?
Herr Abgeordneter, ich gehe davon aus, daß die Praxis die gleiche ist wie in vielen anderen Fällen, die keinerlei Kritik gefunden haben, z. B. auch mit unseren westlichen Nachbarstaaten.
Eine weitere Zusatzfrage.
Ist die Praxis in vergleichbaren Fällen, insbesondere bei der Auszahlung der Mittel in der Tschechoslowakei, die ebenfalls pauschal zur Verfügung gestellt wurden, so klar gewesen, daß sich Beschwerden, insbesondere jüdischer Bürger, nicht ergeben haben?
Herr Abgeordneter, ich darf Ihnen die bisherige Praxis vielleicht einmal vortragen. Wir haben unabhängig von der Entschädigung nach dem Bundesentschädigungsgesetz durch Kabinettsbeschluß vom Jahre 1951 aus humanitären Gründen, und zwar ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, eine Sonderregelung zugunsten aller Opfer pseudomedizinischer Versuche in Konzentrationslagern getroffen. Danach erhalten Personen, die sich in Konzentrationslagern pseudomedizinischer Versuche unterziehen mußten und dadurch Gesundheitsschäden erlitten haben, auf Antrag eine Beihilfe der Bundesregierung. Soweit die Antragsteller im Ausland außerhalb des Ostblocks wohnen, entscheidet ein interministerieller Ausschuß. Über die Anträge aus den osteuropäischen Staaten entschied im Einzelfall eine neutrale Kommission des internationalen Komitees des Roten Kreuzes in Genf. Da sich dieses Verfahren als langwierig erwiesen hat, schloß die Bundesregierung mit Jugoslawien, mit der CSSR, mit Ungarn und nun auch mit Polen Pauschalabkommen, um den Opfern eine schnelle und wirksame Hilfe zuteil werden zu lassen. Mit anderen Worten: Das Abkommen, das wir geschlossen haben, bringt für die Betroffenen ganz offensichtlich eine Verbesserung.
Ich rufe die Frage 16 des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja auf:
Liegen schon Erfahrungen dahin vor, daß in der Volksrepublik Polen vereinbarungsgemäß verfahren wird?
Herr Staatssekretär!
Die erste Rate von 50 Millionen D-Mark, Herr Abgeordneter, ist erst Ende Dezember 1972 vereinbarungsgemäß an das polnische Gesundheitsministerium überwiesen worden. Die zweite Rate wird am 1. November 1973 fällig sein.
Die Federführung für die Verteilung der Entschädigung liegt beim polnischen Gesundheitsministerium, das sie zusammen mit dem polnischen Roten Kreuz in der Hauptkommission für die Verfolgung von NS-Verbrechen beim Justizministerium durchführen wird.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, wenn weitere Erfahrungen, insbesondere Nachweise über die Auszahlung an die Opfer, die Sie selbst angekündigt haben, vorliegen, darüber hier oder im Auswärtigen Ausschuß Bericht zu erstatten?
Selbstverständlich, Herr Abgeordneter.
Eine weitere Zusatzfrage.
Wurde analog zu diesen Bestimmungen, die Sie soeben genannt haben, auch die Wiedergutmachung der Verbrechen fremder Gewalt zur Sprache gebracht, deren Opfer Deutsche sind?
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650 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 15. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Februar 1973
Herr Kollege, die Frage steht nicht in dem unmittelbaren Zusamenhang mit der eingebrachten Frage, wie die Richtlinien der Fragestunde das erfordern. Aber wenn der Herr Staatssekretär darauf vorbereitet ist, lasse ich sie dennoch zu.
Herr Abgeordneter, ich bin sicher, daß Sie darüber bei einem Ihrer Fraktionskollegen ganz genau Auskunft bekommen können. Ich kann das nicht; denn das ist im Jahre 1961 begonnen worden.
Die Frage 17 des Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Der Abgeordnete Dr. Häfele hat seine beiden Fragen 18 und 19 zurückgezogen.
Ich rufe die Frage 20 des Abgeordneten Dr. Jobst — die letzte Frage aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes — auf:
Trifft es zu, daß die im Auftrag des Auswärtigen Amtes geplante Architekturausstellung in der bulgarischen Hauptstadt deshalb von den bulgarischen Behörden unterbunden wurde, weil im deutschen Ausstellungskatalog die Formulierung „deutsche Architekten" und „Bundesrepublik Deutschland" enthalten und weil Fotos von West-Berliner Bauten vorgesehen waren?
Herr Staatssekretär!
Herr Abgeordneter, es ist nicht richtig, daß die Ausstellung von bulgarischer Seite unterbunden wurde. Der Sachverhalt ist vielmehr folgender. Wir haben die Bulgaren um Verschiebung der Ausstellung gebeten, weil einige technische Probleme in der Kürze der Zeit zwischen bulgarischer Terminnennung und dem Eröffnungstermin nicht mehr zufriedenstellend geregelt werden konnten. Es handelt sich um die Vorbereitung der Multivision und der Tonbildschau sowie um die endgültige Formulierung der Ausstellungsbroschüre. Hierzu gehöre auch die vom Fragesteller erwähnte Formulierung „deutsche Architekten", nicht jedoch „Bundesrepublik Deutschland". Photos von WestBerliner Bauten standen nicht zur Diskussion.
Was angebliche Schwierigkeiten beim Zeigen von Photos West-Berliner Bauten betrifft, so ist festzustellen, daß derartige Exponate für die Ausstellung nicht vorgesehen waren. Die Konzeption der Ausstellung in Sofia baut auf — ebenso wie die Ausstellung in Belgrad 1972 — auf den Erfahrungen der 1971 in Bukarest gezeigten Ausstellung mit dem Thema „Mensch, Umwelt, Architektur — dargestellt an den Ballungszentren Rhein-Ruhr, Rhein-Main, Rhein-Neckar".
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, der Begriff technische Schwierigkeiten ist natürlich ein sehr dehnbarer Begriff; Sie haben einige Gründe angegeben. Aber liegt der wahre Grund nicht darin, daß in dem Ausstellungskatalog eben doch Formulierungen enthalten waren, die man heute aus dem diplomatischen Sprachgebrauch entfernen möchte?
Herr Abgeordneter, ich habe die Gründe hier genannt, d. h. ich habe den einen Grund angegeben. Der andere Grund, der behauptet wurde, trifft nicht zu.
Ich habe aber vor allem gesagt, daß es eine sehr kurze Terminierung war. Wir haben versucht, dieser kurzen Terminierung nachzukommen; das war von unserer Seite zu diesem Zeitpunkt ursprünglich keineswegs vorgesehen.
Daraus haben sich nun in der Tat einige Schwierigkeiten in der praktischen Vorbereitung und in der Abstimmung auch der Texte ergeben, wobei ich hinzufügen muß, daß der Katalog diesmal ja ganz anders — nämlich mehr allgemein verständlich und volkstümlich — aufgebaut werden sollte, während der Katalog bei den früheren Ausstellungen, wenn ich das recht sehe, mehr fachlich-sachlich war, also nicht ganz unseren eigenen Bedürfnissen entsprach. Hätte man den alten Katalog übernommen, wäre das ganze sicher technisch weniger schwierig gewesen. Aber im Interesse eines Erfolges der Ausstellung ist so verfahren worden.
Mir kam es vor allem darauf an, hier klarzustellen, daß die bulgarische Seite eben nicht diese Ausstellung unterbunden hat, sondern daß wir bereit sind, diese Ausstellung dann durchzuführen, wenn wir glauben, das aufbauen zu können und aufgebaut zu haben, was nach unserem eigenen Verständnis gezeigt werden sollte.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich aus Ihrer Antwort also schließen, daß die Verschiebung dieser geplanten Ausstellung nicht auf einen Einspruch von DDR-Stellen zurückzuführen ist?
Davon war in diesem Zusammenhang nicht die Rede.
Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes beantwortet.Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern auf. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Bundesminister Genscher zur Verfügung.Frage 21 wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.Die nächste Frage, Frage 22, ist von dem Herrn Abgeordneten Sieglerschmidt eingebracht:In welchen Punkten ist ein Beamter deutscher Staatsangehörigkeit, der von einer europäischen Institution, die in der Anlage zu den Entsenderrichtlinien aufgeführt ist, zu einem Dienstherrn
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 15. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Februar 1973 651
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausenim Bundesgebiet überwechseln will, anders gestellt, als er es bei einem Wechsel von einem Dienstherrn im Bundesgebiet zum anderen wäre, wenn er von einem Dienstherrn im Bundesgebiet zu der europäischen Institution entsandt wurde oder ohne eine solche Entsendung bei der europäischen Institution beschäftigt wurde?
Herr Präsident, ich bitte um die Erlaubnis, die Fragen 22 und 23 zusammen beantworten zu dürfen.
Ist der Fragesteller damit einverstanden? — Dann rufe ich zusätzlich Frage 23 des Herrn Abgeordneten Sieglerschmidt auf:
Hält die Bundesregierung eine Regelung, nach der der Übergang von einer europäischen Institution der genannten Art zu einem Dienstherrn im Bundesgebiet so behandelt wird wie eine Versetzung nach § 18 Abs. 2 des Beamtenrechtsrahmengesetzes, für erstrebenswert, und welche Hindernisse stehen gegebenenfalls einer solchen Regelung entgegen?
Bitte!
Der zu einer internationalen Organisation entsandte Beamte wird für die Dauer der Entsendung vom nationalen Dienst beurlaubt, ohne seinen bisherigen Dienstherrn zu verlieren. Daneben tritt er in ein Dienstverhältnis zu dem internationalen Dienstherrn, das von dem nationalen Dienstverhältnis unabhängig ist.
Scheidet der entsandte Beamte aus dem internationalen Dienst aus, so endet seine Beurlaubung, und er hat seinen nationalen Dienst wieder aufzunehmen. Die im internationalen Dienst verbrachte Zeit gilt laufbahn-, besoldungs- und versorgungsrechtlich als im nationalen Dienst verbracht. Eventuelle Versorgungszahlungen oder Kapitalabfindungen beim Ausscheiden aus dem internationalen Dienst muß sich der entsandte Beamte teilweise anrechnen lassen, sofern sie mit nationalen Dienstoder Versorgungsbezügen zusammentreffen.
Eine dem § 18 Abs. 2 des Beamtenrechtsrahmengesetzes entsprechende Regelung ist für den entsandten Beamten entbehrlich, weil die Betreffenden im nationalen Dienst verbleiben.
Der nicht enstandene Bedienstete, der aus dem Dienst einer internationalen Organisation ausscheiden und in den deutschen öffentlichen Dienst eintreten will, müßte unter erstmaliger Begründung eines Beamtenverhältnisses in den öffentlichen Dienst eingestellt werden. Die Voraussetzungen für die Einstellung richten sich nach den jeweiligen Beamtengesetzen. Die im internationalen Dienst verbrachte Zeit wird dabei im Bundesdienst besoldungs- und versorgungsrechtlich berücksichtigt. Soweit die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind, kann der Bundespersonalausschuß Ausnahmen zulassen.
Die Schaffung einer dem § 18 Abs. 2 des Beamtenrechtsrahmengesetzes entsprechenden Regelung für nicht entsandte Bedienstete internationaler Organisationen, die im übrigen nicht allein Sache des deutschen Gesetzgebers wäre, sondern völkerrechtliche Vereinbarungen mit den internationalen Organisationen voraussetzt, bliebe in ihrer praktischen Anwendung ohne Bedeutung; denn jeder Dienstherr im internationalen wie im nationalen Bereich verfügt über eine eigene Personalhoheit und legt die Voraussetzungen für die Einstellung in seinen Dienst nach eigenen Maßstäben fest, und er muß vor einer Versetzung seine Zustimmung erteilen.
Nach § 18 Abs. 2 des Beamtenrechtsrahmengesetzes finden bei einer Versetzung auf die beamten- und besoldungsrechtliche Stellung die im Bereich des neuen Dienstherrn geltenden Vorschriften Anwendung. Daraus ergibt sich, daß der nach einer dem § 18 Abs. 2 entsprechenden Regelung versetzte Bedienstete nicht besser stünde als derjenige, der sich ohne Versetzung von der internationalen Organisation unmittelbar bei einem nationalen Dienstherrn um Aufnahme in den öffentlichen Dienst bewirbt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Minister, kann ich Ihren Worten entnehmen, daß diejenigen Bewerber, die aus einer internationalen Organisation, aus einer europäischen Institution kommen, ohne vorher entsandt worden zu sein, nach dem jetzigen Verfahren sozial-wirtschaftlich — darauf allein kommt es mir in diesem Zusammenhang an — praktisch so gestellt sind, als wenn sie von einem Dienstherrn im Bundesgebiet kämen? Ich denke hierbei an Anrechnung der Dienstzeiten usw.
Insoweit ja, Herr Abgeordneter, nicht aber hinsichtlich ihres Anspruches, bei einem deutschen Dienstherrn beschäftigt zu werden. Ich glaube aber, daß bei der zunehmend notwendigen Zusammenarbeit deutscher Behörden mit internationalen Einrichtungen der Erfahrungsgewinn, den die Betreffenden bei ihrer Tätigkeit in internationalen Organisationen gehabt haben, von deutschen Dienstherren gern genutzt wird, so daß sich hier wahrscheinlich Einstellungsprobleme in der Regel nicht ergeben werden.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Minister, kann man nach den bisherigen Erfahrungen heute wirklich schon sagen, daß für die zurückkehrenden Beamten — ich meine jetzt beide Kategorien, sowohl die entsandten als auch die anderen — im Hinblick auf das, was sie nach ihrer Rückkehr erwartet, tatsächlich ein Anreiz besteht, zu einer internationalen Institution zu gehen, oder wäre es nicht notwendig, noch weitere Maßnahmen ins Auge zu fassen, um möglichst qualifizierten deutschen Beamten stärkere Anreize zu bieten, zu einer internationalen Organisation, vor allen Dingen im europäischen Bereich, zu gehen?
Herr Abgeordneter, das Problem, das nicht nur Sie, sondern auch die Bundesregierung bewegt, hat, wie Sie wissen, im Dezember 1971 den Deutschen Bundestag
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652 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 15. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Februar 1973
Bundesminister Genscherbeschäftigt. Die Bundesregierung ist damals aufgefordert worden, dem Parlament über Maßnahmen zu berichten, die Probleme der von Ihnen geschilderten Art abmildern oder ganz beseitigen können. Dieser Bericht ist von der Bundesregierung fertiggestellt. Er wird dem Parlament in Kürze zugeleitet werden. Sie werden darin eine Reihe von Vorschlägen finden, die genau in die von Ihnen gewünschte Richtung gehen.
Danke! Die Fragen der Abgeordneten Frau Dr. Walz werden auf Wunsch der Fragestellerin schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Die Frage 26 ist von dem Herrn Abgeordneten Dr. Wittmann eingebracht worden:
Auf welche Weise werden die besonderen Belastungen ausgeglichen, denen Soldaten, Beamte, Angestellte und Arbeiter des Bundes bei ihrer Tätigkeit im Schichtdienst in geschlossenen unterirdischen Räumen im Bereich der Nachrichtenübermittlung, der elektronischen Luftüberwachung oder in anderen vergleichbaren Tätigkeiten ausgesetzt sind, und denkt die Bundesregierung insbesondere daran, eine entsprechende Zulage vorzusehen?
Herr Minister!
Nach den derzeit geltenden Regelungen erhalten Beamte und Soldaten eine steuerfreie Aufwandsentschädigung für das Einfahren in noch nicht fertiggestellte unterirdische Anlagen. Hiermit werden besondere Belastungen berücksichtigt, die sich wegen der noch in Gang befindlichen Bauarbeiten am Arbeitsort ergeben. Für Arbeitnehmer sehen die meisten tariflichen und außertariflichen Regelungen eine Zulage ebenfalls nur bei Vorliegen der genannten oder ähnlicher Voraussetzungen vor.
Im übrigen werden Besonderheiten, die sich aus dem Schichtdienst ergeben, schon jetzt tarifrechtlich und bei Beamten nach der Verordnung zur vorläufigen Regelung der Erschwerniszulagen vom 19. Dezember 1972 abgegolten. Die Abgeltung nach der Verordnung ist zunächst nur eine befristete Regelung, die lediglich den schon bisher bestehenden Zustand fortschreibt.
Im Rahmen einer in Vorbereitung befindlichen weiteren Verordnung über Erschwerniszulagen werden Sachentscheidungen über weitere Tatbestände getroffen werden. Hierbei wird auch die von verschiedenen Seiten erhobene Forderung zu prüfen sein, ob die Tätigkeit in schon fertiggestellten unterirdischen Anlagen zusätzlich in Geld abgefunden werden soll. Die Verordnung muß mit den Ländern abgestimmt werden. Sie bedarf außerdem der Zustimmung des Bundesrates.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Minister, ich habe Sie also richtig verstanden, daß über die Frage, ob es so etwas wie eine Zulage für eine Tätigkeit in fertiggestellten Einrichtungen geben soll, noch nicht entschieden ist?
Darüber ist noch nicht entschieden. Sie sehen aber, daß die Bundesregierung das von Ihnen angeschnittene Problem kennt und in Zusammenarbeit mit den Ländern prüft, wie es gelöst werden kann.
Die beiden nächsten Fragen sind von dem Herrn Kollegen Schmidt eingereicht worden. Ich sehe den Herrn Fragesteller nicht. Die Fragen werden daher schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 29 des Herrn Abgeordneten Lambinus auf:
Ist der Bundesregierung der tatsächliche Grund für die Stilllegung des Versuchsatomkraftwerkes Kahl am Main bekannt, und ist die Bundesregierung in der Lage, eine Sicherheitsgarantie bezüglich eines etwaigen Radioaktivitätsaustritts für die betroffene Bevölkerung des bayerischen Untermaingebiets auszusprechen?
Herr Minister!
Herr Kollege, die Bundesregierung kennt den Grund für die Stillegung des Versuchsatomkraftwerkes Kahl. Sie ist über die aufgetretenen Schwierigkeiten und die von der zuständigen Aufsichtsbehörde veranlaßten Maßnahmen voll informiert und hat zusätzlich die Reaktorsicherheitskommission eingeschaltet. Eine Zustimmung zur Wiederinbetriebnahme der Anlage wird erst erfolgen, wenn auch die letzten noch ausstehenden Untersuchungen bestätigen, daß die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden, insbesondere gegen einen Austritt radioaktiver Stoffe in die Umgebung, getroffen sind.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Lambinus.
Herr Minister, ist die Bundesregierung bereit, im Rahmen ihrer Möglichkeiten dafür zu sorgen, daß die Öffentlichkeit künftig rechtzeitig über derartige Stör- oder Schadensfälle informiert wird, damit unnötige Beunruhigungen in der Bevölkerung vermieden werden können?
Ich halte gerade in diesem Bereich eine Öffentlichkeitsarbeit für dringend notwendig, Herr Abgeordneter, um zum Teil Übertreibungen, auf der anderen Seite aber auch Verniedlichungen des Tatbestands entgegenwirken zu können.
Keine weiteren Zusatzfragen. — Ich rufe die Frage 30 des Herrn Abgeordneten Löffler auf. Der Herr Abgeordnete Löffler hat um schriftliche Beantwortung der eingereichten Frage gebeten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.Ich rufe die Frage 31 des Herrn Abgeordneten Dr. Slotta auf. Er hat ebenfalls um schriftliche Beantwortung seiner Frage gebeten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 15. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Februar 1973 653
Vizepräsident Dr. Schmitt-VockenhausenIch rufe die Frage 32 des Herrn Abgeordneten Dr. Klein auf:Trifft es zu, daß, wie Pressemitteilungen besagen, kommunistischen Organisationen in der Bundesrepublik Deutschland, darunter der Deutschen Kommunistischen Partei, der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend und dem Studentenbund Spartakus aus der Deutschen Demokratischen Republik finanzielle Mittel in der Größenordnung von ca. 100 Millionen DM zufließen, und was gedenkt die Bundesregierung bejahendenfalls dagegen zu tun?Herr Minister!
Die Pressemitteilungen, kommunistische Organisationen in der Bundesrepublik Deutschland, darunter die DKP, erhielten aus der Deutschen Demokratischen Republik finanzielle Mittel in der Größenordnung von 100 Millionen DM, können, soweit sie die Höhe des Geldbetrages betreffen, nicht bestätigt werden.
Nach den Rechenschaftsberichten, die die DKP dem Präsidenten des Deutschen Bundestages gemäß § 23 des Parteiengesetzes eingereicht hat
und denen ausschließlich die eigenen Angaben der DKP zugrunde liegen - Ihre Heiterkeit, Herr Abgeordneter, ist bereits dadurch überholt, daß ich diesen Einschub gemacht habe —, hat sie aus Mitgliedsbeiträgen, Spenden und anderen insgesamt eingenommen: 1969 2,485 Millionen DM — das galt damals für neun Monate —, 1970 6,062 Millionen DM und 1971 6,789 Millionen DM.
Nach vorliegenden Erkenntnissen liegt der tatsächliche finanzielle Aufwand der DKP jedoch wesentlich über den von ihr angegebenen Beträgen. Es liegen auch Anhaltspunkte dafür vor, daß der DKP zur Deckung dieses Bedarfs erhebliche Zuwendungen aus der DDR zufließen.
Zuwendungen an Parteien, andere Organisationen oder Vereinigungen im politischen Bereich können nicht unterbunden werden. Das gilt auch für Zuwendungen, die von Stellen außerhalb der Bundesrepublik Deutschland kommen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, sehen Sie einen Zusammenhang zwischen den Zuwendungen, die nach Ihren Ausführungen aus der DDR an kommunistische Organisationen in der Bundesrepublik fließen und der bereits in der gestrigen Debatte zitierten Bestimmung des Art. 8 Abs. 2 der DDR-Verfassung, wonach es das Ziel der DDR ist, eine Wiedervereinigung auf der Grundlage des Sozialismus herbeizuführen?
Herr Abgeordneter, ich entnehme Ihrer Fragestellung eine hohe Bewertung von Verfassungsbestimmungen der DDR. Ich teile das nicht in vollem Umfang; aber wir wissen, daß wir immer, solange kommunistische Organisationen in der Bundesrepublik Deutschland tätig waren, registrieren mußten, daß Zuwendungen aus der DDR in die Bundesrepublik geflossen sind.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, sind Sie mit mir der Meinung, daß es in der DDR-Verfassung Bestimmungen gibt, die die DDR-Regierung ernster nimmt, und solche, die sie weniger ernst nimmt?
Das wird sie, wie das in allen Ländern ist, die ich nicht für demokratische Rechtsstaaten halten würde, nach Belieben tun.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Opitz.
Herr Minister, sind Sie auch in der Lage, uns zu sagen, von wem und in welcher Höhe die „Nationalzeitung" unterstützt wird?
Ich bin auf diese Frage nicht vorbereitet, Herr Abgeordneter.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Hammans.
Herr Bundesminister Genscher, halten Sie es nicht für möglich, daß auf diese Weise Gebühren, die die Bundesrepublik Deutschland an die DDR zahlt, zur Unterstützung der DKP wieder in die Bundesrepublik zurückfließen?
Herr Abgeordneter, das ist eine Problematik, mit der sich diese Regierung ebenso wie ihre Vorgängerinnen auseinanderzusetzen hat.
Eine Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, können Sie bestätigen, daß die Zuwendungen aus der DDR an kommunistische Organisationen in der Bundesrepublik in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen sind?
Das kann ich nicht bestätigen, Herr Abgeordneter.
Eine letzte Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Althammer.
Herr Minister, bestehen irgendwelche Möglichkeiten, etwas dagegen zu unternehmen, daß Parteien erweislich falsche Angaben über die Höhe ihrer Mittel nach dem Parteiengesetz machen, wie Sie ja soeben hier bestätigt haben.
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654 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 15. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Februar 1973
Hier ist ohne Zweifel eine Lücke im Parteiengesetz.
Ich rufe die nächste Frage, die Frage 33 des Herrn Abgeordneten Dr. Klein , auf:
Hält die Bundesregierung insbesondere eine derartige Finanzierung soldier Organisationen in der Bundesrepublik Deutschland durch die Deutsche Demokratische Republik bzw. durch Organisationen mit Sitz in der DDR für vereinbar mit den Bestimmungen des Vertrags über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik, in denen zum Ausdruck gebracht wird, daß die beiden Staaten ihre Unabhängigkeit und Selbständigkeit in inneren und äußeren Angelegenheiten zu respektieren die Absicht haben?
Nach Inkrafttreten des Grundvertrages, Herr Abgeordneter, wird sich auch diese Frage neu stellen.
Keine weiteren Zusatzfragen. — Ich rufe die nächste Frage auf, die Frage 34 des Herrn Abgeordneten Walther:
Wer ist für die Betreuung amnestierter ehemaliger Häftlinge in der DDR, welche in die Bundesrepublik Deutschland entlassen wurden, zuständig, und mit welchen Hilfen hat dieser Personenkreis nach seinem Eintreffen in der Bundesrepublik Deutschland auf Grund welcher Rechtsgrundlagen zu rechnen?
Die in der Regel in geschlossenen Transporten aus der DDR einreisenden ehemaligen Häftlinge werden dem Notaufnahmelager Gießen zugeführt. Ihre Betreuung während des Lageraufenthalts übernimmt das Land liessen. Der Bund führt in dieser Zeit das Notaufnahmeverfahren durch. Am Ende steht die Einweisung in die einzelnen Bundesländer nach einem bestimmten Verteilerschlüssel.
Vor Verlassen des Lagers erhält jeder die Begrüßungsgabe der Bundesregierung in Höhe von 150 DM für die Bestreitung der ersten Bedürfnisse, bis das Einweisungsland seine Betreuung übernimmt. Es würde an dieser Stelle zu weit führen, Herr Kollege, die vielfältigen Betreuungsmaßnahmen im einzelnen zu nennen. Herausgreifen möchte ich nur die Arbeitsvermittlung und die Versorgung mit Wohnraum. Soweit die Amnestierten politische Häftlinge sind, stehen ihnen die Vergünstigungen des Häftlingshilfegesetzes zu. Im allgemeinen werden ihnen dann schon vor Erteilung der Häftlingsbescheinigung das Entlassungsgeld von 200 DM und die Übergangsbeihilfe von 300 DM ausgezahlt und unter Umständen auch ein Erholungsaufenthalt ermöglicht.
Eine Zusammenfassung der wesentlichen Betreuungsmaßnahmen enthält die von meinem Ministerium herausgegebene Broschüre „Wegweiser für Heimkehrer und für ehemalige politische Häftlinge sowie deren Angehörige und Hinterbliebene". Sie werden in Ihrem Fach ein Exemplar vorfinden.
Außerdem nehmen die ehemaligen Häftlinge, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, an den Leistungen des Lastenausgleichsgesetzes, des Flüchtlingshilfegesetzes, des Berufsausbildungsförderungsgesetzes und anderer einschlägiger Gesetze teil.
Eine Zusatzfrage. — Dann rufe ich die nächste Frage, die Frage 35 des Herrn Abgeordneten Dr. Althammer, auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß der Beschluß der Ministerpräsidenten aller Bundesländer, keine Extremisten in den öffentlichen Dienst einzustellen, politisch bedenklich sei?
Bitte, Herr Minister!
Ich wäre dankbar, Herr Kollege, wenn ich die Fragen wegen des Zusammenhangs zusammen beantworten dürfte.
Herr Kollege, Ihr Zusatzfragerecht wird nicht verkürzt. — Dann sind Sie mit der gemeinsamen Beantwortung einverstanden. Ich rufe daher auch die Frage 36 des Herrn Abgeordneten Dr. Althammer auf:
Falls dies nicht der Fall ist, wird die Bundesregierung darauf hinwirken, daß eine einheitliche Anwendung des Beschlusses erfolgt und so dem Prinzip der Gleichbehandlung Rechnung getragen wird?
Bitte, Herr Minister!
Nach den Vorschriften der Beamtengesetze des Bundes und aller Länder darf in das Beamtenverhältnis nur berufen werden, wer die Gewähr dafür bietet, daß er jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintritt. Nach den Vorschriften der Tarifverträge müssen sich die Angestellten durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen, Arbeiter müssen sich durch ihr gesamtes Verhalten zur demokratischen Staatsauffassung bekennen. Allein diese gesetzlichen und tariflichen Vorschriften bilden für die Bundesregierung und die Regierungen der Länder die Grundlage für die Entscheidung, ob ein Bewerber in den öffentlichen Dienst eingestellt werden kann oder nicht.Der Beschluß des Bundeskanzlers und der Regierungschefs der Länder hat kein neues Recht geschaffen oder bestehendes Recht verändert. Das konnte und das wollte er nicht. Der Beschluß ist vielmehr Ausdruck der Entschlossenheit der Regierungen in Bund und Ländern, den öffentlichen Dienst nicht Verfassungsfeinden auszuliefern. Er soll darüber hinaus die Entscheidungsvorbereitung der Verwaltung im Interesse einer einheitlichen Rechtsanwendung erleichtern. Die Bundesregierung ist daher nicht der in Ihrer ersten Frage zitierten Auffassung.Ihrer Frage nach der einheitlichen Anwendung des Beschlusses liegt die Forderung nach möglichst einheitlicher Entscheidungspraxis zugrunde. Diese Forderung ist berechtigt. Sie bedeutet gleiche Entscheidung bei gleichem Sachverhalt. Solche Gleichheit des Sachverhalts ist in der Praxis meist nicht gegeben. Deshalb verlangt der Beschluß des Bundeskanzlers und der Ministerpräsidenten der Länder ausdrücklich, daß jeder Einzelfall sorgfältig und ge-
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Bundesminister Genscherwissenhaft geprüft wird. Das schließt eine pauschaleund generalisierende Regelung von vornherein aus.Für einen Rechtsstaat wie die Bundesrepublik Deutschland ist die Bindung der vollziehenden Gewalt an Gesetz und Recht, wie sie das Grundgesetz in Art. 20 Abs. 3 normiert, eine Selbstverständlichkeit. Diese Bindung bietet grundsätzlich die Gewähr für eine größtmögliche Einheitlichkeit der behördlichen Entscheidungen im Sinne der Rechtsgleichheit. Divergierende Entscheidungen der Verwaltung sind hier wie bei allen auf den Einzelfall abgestellten Entscheidungen nicht auszuschließen. Das gilt übrigens auch für die Rechtsprechung. Daher dient — und das begrüßt die Bundesregierung ausdrücklich — die zu erwartende höchstrichterliche Rechtsprechung in dieser Frage, indem sie zu einer einheitlichen Rechtsanwendung beiträgt, zugleich auch der Rechtssicherheit.Die Bundesregierung wird im übrigen alle Bemühungen fördern, die auf eine einheitliche Rechtsanwendung gerichtet sind.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Minister, nachdem Sie laut „General-Anzeiger" erklärt haben, daß für den Bereich des Bundes Durchführungsvorschriften nicht erforderlich seien: Wie stellen Sie sich zu den bereits erlassenen Durchführungsvorschriften in den einzelnen Ländern?
Ich habe das nicht erklärt.
Eine weitere Zusatzfrage.
Wie stellt sich die Bundesregierung zu der Frage, ob die Mitgliedschaft bei einer eindeutig verfassungswidrigen Organisation genügt, um einen öffentlich Bediensteten aus dem Dienst zu entlassen oder eine Einstellung abzulehnen?
Herr Abgeordneter, ich habe schon in der Antwort die gemeinsame Interpretation des Beschlusses des Bundeskanzlers und der Ministerpräsidenten gegeben. Danach ist in jedem Falle eine Einzelfallentscheidung notwendig, keine generalisierende Entscheidung. Es kann also nicht sklavisch an die Mitgliedschaft angeknüpft werden. Dabei ist zu bemerken, daß die Frage, ob eine Partei verfassungswidrig ist, nicht im Entscheidungsermessen der Bundesregierung steht. Sie kann sich nur dazu äußern — und sie tut das —, ob eine solche Partei eine verfassungsfeindliche Zielsetzung hat.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Minister, wie stellen Sie sich zu der Tatsache, daß Fälle bekanntgeworden sind, in denen in einem einzelnen Bundesland ein Bewerber zurückgewiesen wurde und eine Gerichtsentscheidung ergangen ist, daß diese Zurückweisung zu Recht erfolgt sei, derselbe Bewerber dann aber trotzdem in einem anderen Bundesland beschäftigt worden ist?
Herr Abgeordneter, das unterstreicht die Notwendigkeit, die auch in Ihrer Frage zum Ausdruck kommt, auf eine einheitliche Rechtsanwendung hinzuwirken.
Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage.
Herr Minister, nachdem Sie das eben festgestellt haben, frage ich Sie: Was wird die Bundesregierung ihrerseits unternehmen, um diese einheitliche Rechtsanwendung sicherzustellen?
Wir sind bemüht, das im Zusammenwirken mit den Ländern zu tun.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Gansel.
Herr Minister, Sie haben gesagt, daß eine generalisierende und pauschalierende Ablehnung nicht ausreichend ist. Darf ich das so verstehen, daß Sie es rechtsstaatlich für bedenklich halten, wenn die Begründung so erfolgt, wie im Falle einer Landesregierung — ich darf die Begründung mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren, da die komplette Begründung so kurz ist, daß sie den Rahmen eines Zitats nicht sprengt —:
Betr. Antrag auf Einstellung in den Schuldienst des Landes Schleswig-Holstein
Ich bestätige dankend den Eingang Ihres oben aufgeführten Schreibens, mit dem Sie um Übernahme in den Schuldienst des Landes Schleswig-Holstein bitten. Nach dem Landesbeamtengesetz, insbesondere den §§ 9, 10, 18 ff. darf in das Beamtenverhältnis nur berufen werden, wer die dort genannten Voraussetzungen erfüllt. Diese Voraussetzungen erfüllen Sie nicht in vollem Umfang . Ihre Bewerbung kann ich daher leider nicht berücksichtigen.
Hochachtungsvoll
Herr Minister!
Herr Abgeordneter, ich kann aus der von Ihnen zitierten Begründung den Sachinhalt der Begründung nicht
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Bundesminister Genscherentnehmen, kann also nicht sagen, ob sich diese Begründung auf die formale Mitgliedschaft in einer Partei oder Organisation stützt oder ob die anstellende Behörde der Entscheidung einen anderen Sachverhalt zugrunde gelegt hat.
Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Klein.
Herr Bundesminister, ich habe Sie eben wohl richtig dahin gehend verstanden, daß Sie sagen, eine sklavische Anknüpfung an die Mitgliedschaft in bestimmten Organisationen sei deshalb nicht hinreichend, weil es nicht im Ermessen der Bundesregierung stehe, über die Verfassungsfeindlichkeit von politischen Parteien zu entscheiden. Halten Sie diese Meinung auch im Hinblick auf die DKP aufrecht, oder sind Sie mit mir der Auffassung, daß die DKP eine Nachfolgeorganisation der 1956 vom Bundesverfassungsgericht verbotenen KPD ist?
Herr Abgeordneter, Sie haben mich zunächst mißverstanden. Ich habe mich in meiner Antwort auf eine der Zusatzfragen des Herrn Kollegen Althammer zu zwei Komplexen geäußert, einmal zu der Frage, ob in jedem Falle die Anknüpfung an die Mitgliedschaft zu einer Nichteinstellung führen soll oder nicht. Hier habe ich gesagt, daß es auch nicht in der Absicht der Ministerpräsidenten lag, eine sklavische Anknüpfung an die Mitgliedschaft vorzunehmen.
Im Rahmen derselben Beantwortung habe ich mich zu dem anderen Sachverhalt geäußert, weil der Kollege Althammer von verfassungswidrigen Parteien gesprochen hat, und habe dazu gesagt, daß es zwar das Recht und aus dein Gesichtspunkt des positiven Verfassungsschutzes auch die Pflicht der Bundesregierung sei, wenn sie der Meinung ist, daß eine Partei verfassungswidrige Ziele verfolgt, dies sehr wohl zum Ausdruck zu bringen. Ob die Partei verfassungswidrig ist, kann allein das Bundesverfassungsgericht feststellen.
Das vorausgeschickt, ist es so, daß die Bundesregierung ihre Auffassungen über das Verhältnis der Deutschen Kommunistischen Partei zur früheren und verbotenen Kommunistischen Partei Deutschlands, also zur KPD, hat. Sie weichen im wesentlichen nicht von Erkenntnissen ab, die seit langem vorliegen. Es ist Ihnen bekannt, daß sich die Zielsetzung der DKP seit ihrer Gründung nicht verändert hat. Ihre Zielsetzung und ihre personelle Führungsgruppe — falls Sie auf den Gesichtspunkt der Personalidentität aus sein sollten — haben sich seit ihrer Gründung im Jahre 1968 nicht verändert. Diese Bundesregierung -- wie ihre Vorgängerin — sieht in diesem Zeitpunkt keinen Anlaß, gegen die DKP vorzugehen. Sie befindet sich übrigens in dieser Frage in Übereinstimmung_ mit allen Landesregierungen; ich betone: mit allen, Herr Abgeordneter.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wohlrabe.
Herr Bundesminister, teilen Sie die durch das Mitglied der FDP-Fraktion im baden-württembergischen Landtag Jürgen Morlock zum Ausdruck gebrachte Auffassung — die zum Teil auch von Mitgliedern Ihrer Fraktion hier, insbesondere jedoch von Mitgliedern der FDP-Fraktion im baden-württembergischen Landtag geteilt wird — , nach der der Beschluß der Regierungschefs zu „Gesinnungsschnüffelei, Gesinnungsterror, zur Einschränkung freier Meinungsäußerung und politischer Betätigung" führe? So das Zitat aus der „Süddeutschen Zeitung" vom 13. Februar 1973.
Herr Abgeordneter, zunächst finde ich, daß wir uns hier in einer Fragestunde und nicht in einer Zensurstunde über Äußerungen von Abgeordneten der Parlamente befinden, und zwar unabhängig davon, ob das der Bundestag oder ein Landtag ist.
Um mir nicht den Vorwurf gefallen lassen zu müssen, ich wolle in der Sache ausweichen, möchte ich aber hinzufügen, daß ich mich gerade bei einer Äußerung von diesem Gewicht gern auf die Originaläußerung und nicht auf eine Wiedergabe beziehen möchte. Da es sich um einen liberalen, also rechtsstaatlich orientierten Abgeordneten handelt, vermute ich, daß er hat sagen wollen, daß ein solcher Beschluß sehr wohl dazu führen könne, wenn er nicht rechtsstaatlich angewendet werde. Sicher wollte er den Beschluß als solchen nicht so qualifizieren.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Hansen.
Herr Minister, da Sie nachdrücklich auf die Notwendigkeit der sorgfältigen Prüfung eines jeden Einzelfalles hingewiesen haben und damit mit dem Kommentar von Karl Hermann Ule, der auch von dem Kollegen Wehner in dem Artikel der Esslinger Zeitung zitiert wurde, voll im Einklang stehen, wo es heißt, daß dem Bewerber die politische Zuverlässigkeit nicht allein deshalb abgesprochen werden kann, weil die Partei, der er angehört oder zu der er sich bekennt, nach der Meinung des Dienstherrn verfassungswidrig ist, sondern die Entscheidung dieser Frage nach Art. 21 Abs. 2 des Grundgesetzes allein dem Bundesverfassungsgericht zusteht, möchte ich Sie fragen, ob Sie solche Praktiken, wie sie nach der Frage meines Kollegen Gansel offenbar in Schleswig-Holstein üblich sind, nicht doch als sehr bedenklich und rechtswidrig ansehen.
Ich darf noch einmal sagen, daß aus dem Zitat, das hier von Herrn Kollegen Gansel verlesen worden ist, nicht erkennbar ist, ob die Anstellungsbehörde auf die formale Mitgliedschaft oder auf andere Tatbestände
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Bundesminister Genscherabgestellt hat. Ich vermute, daß das im Rahmen des möglichen und vermutlich auch eingeleiteten Verfahrens deutlich werden wird.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Vogel.
Herr Minister, teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß ein Bewerber für den öffentlichen Dienst, der einer radikalen Partei angehört, nur dann abgewiesen werden darf, wenn das Bundesverfassungsgericht diese Partei verboten hat, und daß entsprechend Angehörige von Organisationen, die radikal sind, nur dann abgewiesen werden dürfen, wenn diese Organisationen verboten sind?
Herr Abgeordneter, diese Meinung teilt die Bundesregierung nicht, und das hat gute Gründe. Ich darf darauf verweisen, daß wir — Sie heben ja mit Ihrer Frage auf das Parteienprivileg ab — in der Tat das Parteienprivileg haben, das Ausdruck einer besonderen Toleranz auch gegenüber den radikalen Parteien ist. Wenn Angehörige dieser Parteien nur dann vom öffentlichen Dienst ferngehalten werden könnten, wenn man die Parteien verbietet, würde das dazu führen, daß man, um sie fernzuhalten, ein Parteienverbot, also das wesentlich schärfere Mittel einsetzen müßte, welches unter dem Gesichtspunkt eines freiheitlichen Rechtsstaats nur als letztes Mittel anzusehen ist. Schon der Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit auch beim Schutz unseres freiheitlichen Rechtsstaats ist nach unserer Auffassung ein gewichtiges Argument, nicht so zu verfahren.
Ich sage noch einmal, daß es unbenommen ist, die Zielsetzungen radikaler Parteien zu bewerten. Das ergibt sich auch aus den Aufgaben, die das Grundgesetz und das Gesetz über den Verfassungsschutz der Bundesregierung und den Länderregierungen übertragen. Aber man muß bedenken — und deshalb finde ich die Diskussion dieser Frage manchmal etwas vordergründig —, daß natürlich die verfassungsfeindliche Haltung eines Bewerbers nicht etwa nur durch die Mitgliedschaft in einer Partei zum Ausdruck kommen kann. Es kann ja auch jemand gegen die Verfassung sein, ohne Mitglied einer Partei zu sein. Wir sollten uns vor einer Verengung dieser Problematik hüten. Ich könnte mir sogar vorstellen, daß besonders gefährliche Leute die Mitgliedschaft in einer solchen Partei meiden, damit sie um so unerkannter in den Staatsdienst eintreten können.
Insgesamt muß man sagen, daß die Mitgliedschaft in einer nicht verbotenen Partei nicht von der durch die Beamtengesetze gebotenen und konkretisierten Verfassungstreue entbindet.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Schmude.
Herr Minister, verstehe ich Ihre Darlegungen richtig, wenn ich ihnen entnehme, daß die Bundesregierung der verschiedentlich vertretenen Auffassung ausdrücklich zustimmt, es sei politisch und verfassungsrechtlich bedenklich, allein aus der Zugehörigkeit zu einer nicht verbotenen Partei einen Grund für die Ablehnung des Bewerbers um die Aufnahme in den öffentlichen Dienst herzuleiten.
Herr Abgeordneter, das ist nicht nur die Meinung der Bundesregierung, sondern das lag auch der Entscheidungsfindung der Ministerpräsidenten zugrunde.
Zur letzten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Gerlach.
Herr Minister, haben Sie aus der bisherigen Anwendung des Beschlusses der Regierungschefs den Eindruck gewonnen, daß er auch als Handhabe dient, Sozialdemokraten, Gewerkschaftlern und Unorganisierten den Eintritt in den öffentlichen Dienst zu verwehren, wie es kürzlich in einem Brief an den Herrn Bundeskanzler gesagt wurde?
Ich habe diesen Eindruck nicht gewonnen.
Ich rufe die Frage 37 des Abgeordneten Dr. Waffenschmidt auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß mit der Ausschreibung eines neuen Bundeswettbewerbs ,,Geordnete Mülldeponie in den Gemeinden" wertvolle Beitrage für eine landschaftsgerechtere, den Bedürfnissen der Bevölkerung nach Sicherheit und Gesundheit entsprechende Beseitigung fester Abfallstoffe geleistet werden könnten?
Herr Minister!
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung teilt diese Meinung. Im Umweltprogramm der Bundesregierung wurde bereits eindringlich auf die Tatsache hingewiesen, daß erhebliche Mengen an Siedlungsabfällen ohne ausreichende hygienische Vorsichtsmaßnahmen im Gelände abgelagert werden und nur ein kleiner Teil der Abfallplätze als geordnet und befriedigend im Sinne des Umweltschutzes angesehen werden kann.
Aus diesen Gründen erscheint es notwendig, über das Abfallbeseitigungsgesetz hinaus auch durch nachahmenswerte Beispiele im Rahmen eines solchen Wettbewerbs zu guten Leistungen anzuregen.
Die Deutsche Gartenbaugesellschaft hat von meinem Haus im Herbst 1972 den Auftrag zur Vorbereitung eines Bundeswettbewerbs „Geordnete Abfalldeponie in der Landschaft" erhalten. Nach Fertigstellung der Ausschreibungsunterlagen wird der Wettbewerb voraussichtlich noch im Sommer 1973 anlaufen können.
Zusatzfrage.
Herr Minister, ist sichergestellt, daß ein solcher Bundeswettbewerb
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Dr. Waffenschmidtdurch entsprechende Landeswettbewerbe vorbereitet wird, wie wir das auch bei anderen Bundeswettbewerben kennen und es sich als hilfreich erwiesen hat?
Es ist noch nicht sichergestellt, aber wir wollen uns darum bemühen, Herr Abgeordneter.
Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage.
Ist von Ihnen beabsichtigt, in den Ausschreibungsrichtlinien für den Bundeswettbewerb auch Möglichkeiten für Bürgergruppen und Bürger zu eröffnen, sich mit hilfreichen Vorschlägen zur Bewältigung dieses wichtigen Abfallproblems zu beteiligen?
Ich halte diese Anregung für sehr erwägenswert.
Ich danke Ihnen, Herr Minister. Damit sind die Fragen aus Ihrem Geschäftsbereich beantwortet.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf. Die Frage 68 ist von dem Herrn Abgeordneten Dr. Hammans gestellt:
Was gedenkt die Bundesregierung gegen Pläne zu unternehmen, die in der letzten Zeit häufig in der Presse dargelegt wurden und nach denen in der Bundesrepublik Deutschland Stierkämpfe spanischer Prägung in der Öffentlichkeit durchgeführt werden sollen?
Herr Kollege Hammans, gemäß § 3 Nr. 4 des Tierschutzgesetzes vom 24. Juli 1972 ist es verboten, ein Tier zu einer Schaustellung oder zu einer ähnlichen Veranstaltung heranzuziehen, sofern damit offensichtlich erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden für das Tier verbunden sind. Stierkämpfe spanischer Prägung erfüllen diesen Tatbestand. Ihre Ausführung ist damit in der Bundesrepublik Deutschland untersagt. Nach § 15 Abs. 1 des Tierschutzgesetzes vom 24. Juli 1972 obliegt die Ausführung der Vorschriften dieses Gesetzes und die Überwachung ihrer Einhaltung den nach Landesrecht zuständigen Behörden. Wie mir aus Pressemitteilungen bekannt ist, haben diese, soweit sie mit der Frage konfrontiert worden sind, bisher in ähnlichem Sinne entschieden.
Zusatzfrage.
Herr Bundesminister Ertl, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß ich, da ich als Berichterstatter für das Tierschutzgesetz damit eingehend beschäftigt war, wie der Herr Präsident sicher gerne bestätigen wird, diese Frage eigentlich nur gestellt habe, um zu erreichen, daß in der Öffentlichkeit ein für allemal das Planen von Stierkämpfen spanischer Prägung hier beendet ist?
Ich bin gern bereit, das zur Kenntnis zu nehmen. Ich glaube auch, Ihre Frage hat zu einer eindeutigen Klarstellung — und ich hoffe, für lange Zeit — in Deutschland geführt. Ich möchte diese Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, ohne diesem Parlament für die Unterstützung bei der Verabschiedung eines modernen Tierschutzgesetzes im Sinne der Reformpolitik dieser Bundesregierung zu danken.
Die Frage 69 ist von dem Herrn Abgeordneten Milz gestellt:
Trifft es zu, daß die materielle und personelle Ausstattung des Naturschutzreferates im Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten völlig unzureichend geblieben ist und den allgemeinen Anforderungen und den Ankündigungen im Umweltprogramm der Bundesregierung nicht in genügender Weise Rechnung getragen wird?
Herr Minister!
Herr Kollege, trotz der — wie ich meine, im Sinne aller Fraktionen dieses Hohen Hauses -- restriktiven Haushaltspolitik ist es dem BML durch interne Maßnahmen in den letzten Jahren gelungen, die personelle Ausstattung des Referates, das die Aufgaben des Naturschutzes in erster Linie wahrnimmt, entsprechend seiner vielseitigen Aufgabenstellung zu verbessern. Es umfaßt zur Zeit fünf Angehörige des höheren Dienstes und einen Angehörigen des gehobenen Dienstes. Daneben hat das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten durch die Bildung von Arbeits- und Projektgruppen zusätzlich Fachkräfte des Ministeriums eingesetzt, die bestimmte Schwerpunktaufgaben auf den Gebieten des Naturschutzes und der Landschaftspflege bearbeitet haben. Ausdruck dieser Arbeit war, wie Sie wissen, die Vorlage eines Gesetzes über Naturschutz und Landschaftspflege in der letzten Legislaturperiode des Bundestages. Darüber hinaus sind weitere Fachreferate des Ministeriums an speziellen Aufgaben des Naturschutzes und der Landschaftspflege maßgeblich beteiligt.
Lassen Sie mich zur finanziellen Seite etwas sagen. Die finanziellen Aufwendungen des Bundes für Naturparke und Landschaftsschutzmaßnahmen sind von 900 000 DM im Jahre 1969 auf zirka 10 Millionen DM im Jahre 1972 erhöht worden. Außerdem konnten die Forschungsmittel im Umweltbereich mehr als verdoppelt werden. Für Umweltschutzmaßnahmen sind im Haushalt des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten für 1973 insgesamt 35 Millionen DM vorgesehen. Ich meine, diese Ausstattung sollte unter zwei Gesichtspunkten gewürdigt werden, nämlich erstens der fortdauernden und nicht zuletzt auch konjunkturpolitisch notwendigen restriktiven Haushaltspolitik und zweitens der zu meinem Leidwesen immer noch unzureichenden Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes für Naturschutz und Landschaftspflege.
Zusatzfrage.
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Herr Minister, wie erklären Sie sich dann den Widerspruch zwischen dem, was Sie hier vorgetragen haben, und der Begründung für den Rücktritt des Professors Grzimek, der in seiner Begründung für eben diesen Rücktritt ausdrücklich erklärt, daß die personelle und finanzielle Ausstattung dieser Abteilung Ihres Hauses unzureichend sei, obwohl er von Ihnen in dieser Richtung mehrfach Versprechen gemacht bekommen hat?
Verehrter Herr Kollege, ich möchte dazu sehr klar folgendes sagen. Herr Professor Grzimek, dessen Ausscheiden ich bedaure, hat sicherlich mit Recht gesagt, man müsse in meinem Hause für die Behandlung der Fragen des Naturschutzes und der Landschaftspflege möglicherweise eine Unterabteilung schaffen. Ich habe gesagt, ich hätte nichts dagegen, soweit sich konkrete Aufgaben ergäben. Die konkreten Aufgaben aber stellen sich erst nach Verabschiedung des Gesetzes. Aus haushaltsrechtlichen Gründen, aber auch aus meiner Gesamtverantwortung für den Haushalt habe ich meinen ganzen Ehrgeiz darin gesetzt, mit relativ wenigen zusätzlichen Kräften auf der Basis der vorhandenen Fachkräfte dem Hohen Hause einen auch von Herrn Professor Grzimek — das hat er mir in seinem letzten Brief ausdrücklich bestätigt — voll anerkannten Entwurf für ein Naturschutz- und Landschaftspflegegesetz vorzulegen.
Zusatzfrage.
Herr Minister, stellt die Bundesregierung zur Zeit Überlegungen an, wer Nachfolger von Herrn Professor Grzimek werden sollte, oder ist die Bundesregierung der Auffassung, daß man jetzt dieses Aushängeschild von 1969 der stromlinienförmigen Politik opfern und diese Stelle nicht mehr besetzen sollte?
Herr Kollege, für uns war Herr Professor Grzimek nie ein Aushängeschild, sondern wir haben versucht, uns seine Anregungen zu eigen zu machen. Insoweit habe auch ich mit Herrn Professor Grzimek wiederholt sehr nützliche und fruchtbare Gespräche geführt. In welcher Form die Bundesregierung das Instrument eines Beauftragten beibehalten wird, kann ich im Moment nicht beantworten; denn noch befindet sich Herr Grzimek in Afrika, und wie Sie aus der Presse ersehen haben, will der Herr Bundeskanzler nach Rückkehr von Herrn Grzimek aus Afrika zunächst mit ihm ein Gespräch führen. Ich meine nicht, daß man das Fell bereits zu einem Zeitpunkt verteilen sollte, zu dem eine betroffene Person noch in einem fernen Kontinent ist.
Ich rufe die Frage 70 des Herrn Abgeordneten Milz auf:
Trifft es zu, daß die Ausstattung der für den Naturschutz zuständigen Bundesforschungsanstalt trotz weitgehender Versprechungen der Bundesregierung weit hinter international vergleichharen Einrichtungen — so in Großbritannien, Schweden und Niederlande - zurückgeblieben ist?
Ich darf den Fragesteller darauf aufmerksam machen, daß es von seiner Kollegialität abhängt, ob die Kollegen, die heute morgen sehr früh hier waren, ihre Fragen noch persönlich beantwortet bekommen. — Bitte, Herr Minister!
Für den Natur- und Umweltschutz ist nicht nur — ich bedanke mich für die Gelegenheit, das hier einmal in der Öffentlichkeit sagen zu können — die Bundesanstalt für Vegetationskunde, Naturschutz und Landschaftspflege, die in der Frage angesprochen wird, zuständig, sondern hier sind nahezu alle Forschungsanstalten im Fachbereich des BML maßgeblich beteiligt. Sie haben im vergangenen Jahr eine umfangreiche Dokumentation über den Umweltschutz in der Land- und Forstwirtschaft vorgelegt. Ich bin gerne bereit, Ihnen, Herr Kollege Milz, diese Dokumentation zuzuleiten. Ich glaube, sie ist des Studiums wert. Zumindest kann ich zu meiner Freude feststellen, daß die gesamte internationale Fachwelt erklärt hat, das sei die umfangreichste Dokumentation einer Bestandsaufnahme des Naturhaushalts sowie der tierischen und pflanzlichen Produktion. Die Dokumentation hat aus diesem Grunde natürlich eine große Beachtung gefunden.Die Bundesanstalt für Vegetationskunde, Naturschutz und Landschaftspflege verfügte im Haushaltsjahr 1969 über insgesamt 32 etatmäßige Planstellen und Stellen, über 9 weitere Stellen für den Sonderauftrag „Anfertigung einer Karte der natürlichen potentiellen Vegetation in der Bundesrepublik Deutschland" und über ein Gesamthaushaltsvolumen von 1 303 000 DM. Seit mehreren Jahren ist das BML bemüht, die Ausstattung der Anstalt zu verbessern. Erstmalig im Haushalt 1972 ist es gelungen, mit dem weiteren Ausbau der Anstalt zu beginnen. Bis zum Jahre 1972 hat sich das gesamte Haushaltsvolumen der Bundesanstalt auf nahezu 1,7 Millionen DM erhöht. Zusätzlich erhält die Anstalt seit 1971 Forschungsaufträge in Höhe von 400 000 DM, aus denen etwa 14 weitere Bedienstete beschäftigt werden. Die Bemühungen um den weiteren Ausbau der Anstalt werden in meinem Hause fortgesetzt. Ich kann mit gutem Grund sagen, daß sich mein Haus bemüht hat, soweit es wiederum im Rahmen der allgemeinen Haushaltspolitik möglich ist, sehr gute Arbeitsvoraussetzungen für diese Bundesanstalt zu schaffen.Verehrter Herr Kollege Milz, ich benutze Ihre Frage, um generell auch vor diesem Hohen Haus etwas in aller Öffentlichkeit klar zu beantworten. Mir fehlt jedes Verständnis, wenn ein Wissenschaftler, der einer Bundesanstalt angehört, wissenschaftliche Aufträge des Bundes als Schularbeiten bezeichnet. Dann muß er sich an eine freie Hochschule begeben. Die Bundesanstalten sind dazu da, das Ressort und die Bundesregierung wissenschaftlich zu beraten und grundlegendes Material zu erarbeiten. Wer das als Schularbeiten auffaßt, der muß woanders hingehen.
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660 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 15. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Februar 1973
Zusatzfrage.
Milz : Herr Minister, auch Professor Grzimek weist in der Begründung seines Rücktritts darauf hin, daß wir dem internationalen Vergleich auf diesem Gebiet nicht standhalten. Ist dies so? Wenn nein, wie kommt es dann, daß Sie auch den Rücktritt von Herrn Professor Grzimek bedauern? Hier ist doch ein offensichtlicher Widerspruch.
Ich sehe gar gar keinen Widerspruch. Zunächst einmal kenne ich keine solche Statistik. Wenn Sie die Zahlen betrachten, die ich Ihnen soeben verlesen habe, sowohl was das finanzielle Volumen wie was das personelle Volumen angeht, dann werden Sie mir recht geben, daß man nicht sagen kann, auf diesem Sektor könne nicht gearbeitet werden. Ich betone noch einmal, wenn einer Bundesanstalt immerhin 1,3 Millionen DM und zusätzlich 400 000 DM für Forschungszwecke und ein beachtlicher Personalapparat zur Verfügung stehen, dann kann man nicht mit gutem Grund behaupten, da seien keine Arbeitsvoraussetzungen gegeben.
Ein weiteres möchte ich hier sehr deutlich sagen. So notwendig sicherlich manche zusätzliche Aufgabe in meinem Ressort ist — ich habe erst vor kurzem bei einem Besuch in Berlin festgestellt, daß wir, was ebenfalls mit der Umwelt zusammenhängt, für die Kontrollen nach dem Pflanzenschutzgesetz personell nicht genügend ausgestattet sind — und sosehr ich mich im Prinzip durchaus bemühe, die personelle Situation auch bei der Bundesanstalt zu verbessern, muß ich dennoch sagen: An Planstellen allein kann man die Qualität der öffentlichen Arbeit nicht messen, auch nicht die der Forschung.
Ich rufe die Frage 71 des Herrn Abgeordneten Niegel auf:
Bestehen seitens der Bundesregierung oder der EG-Kommission Pläne bzw. Vorschläge zur Weizen-Regionalisierung mit dem Ziel, die volle Frachtbelastung wirksam werden zu lassen?
Es ist die letzte Frage aus diesem Geschäftsbereich, und ich rufe sie noch auf in der Hoffnung, daß wir damit diesen Geschäftsbereich ohne weitere Zusatzfragen abschließen können.
Verehrter Herr Kollege, weder bei der Bundesregierung noch bei der EWG-Kommission bestehen konkrete Pläne bzw. Vorschläge zur Weizenpreisregionalisierung mit dem Ziel, die volle Frachtbelastung wirksam werden zu lassen. Da die Wasserstraßenmühlen in Nordrhein-Westfalen im Dezember 1972 nur noch 33,8% ihres Bedarfs an Inlandsweizen vermahlten, hat mein Haus in enger Fühlungnahme mit Getreideexperten der Wirtschaft die Ursachen dieser Entwicklung über-
prüft. Dabei wurde festgestellt, daß die nicht mehr mit den Transportkosten übereinstimmende Preis-regionalisierung bei Brotgetreide die Wettbewerbsfähigkeit deutschen Getreides in den Hauptzuschußgebieten der Bundesrepublik stark beeinträchtigt. So wurden im Wirtschaftsjahr 1971/72 aus der EWG, und zwar überwiegend aus Frankreich, rund 1,1 Millionen Tonnen Mahlweizen und 300 000 Tonnen denaturierter Weizen in das Bundesgebiet verbracht, während im gleichen Zeitraum bei 950 000 Tonnen inländischem Weizen interveniert werden mußte. Es ist daher offensichtlich, daß die derzeitige Getreidepreisregionalisierung den Zufluß vor allem französischen Getreides in die Hauptzuschußgebiete der Bundesrepublik zu Lasten deutschen Getreides begünstigt. Daher ist es, um die Wettbewerbsposition des deutschen Getreides zu verstärken und auch dem Getreidemarkt wesentlich funktionsfähiger zu machen als bisher, erforderlich, sich Gedanken zu machen, wie man eine vernünftigere — vernünftiger natürlich unter Rücksichtnahme auf die Probleme der Erzeugereinkommen —Getreidepreisregionalisierung finden kann.
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, können aus Ihren Ausführungen — trotz allen Verständnisses für die Marktlage - Befürchtungen herausgelesen werden, daß in frachtungünstigen Gebieten wie etwa Bayern bestimmte Belastungen auf den Erzeuger zukommen bzw. daß er geringere Erlöse haben wird als bisher?
Herr Kollege Niegel, Ihre Frage geht von einer langfristig nicht ganz richtigen Annahme aus. Ich glaube, man tut der deutschen Landwirtschaft einen größeren Gefallen, wenn es so weit wie irgend möglich gelingt, das Einkommen über Marktpreise und nicht über Interventionspreise zu erzielen. Interventionspreise haben in der Politik unserer Gesellschaftsordnung immer nur die Aufgabe eines Netzes, d. h. die Aufgabe, nach unten aufzufangen. Wer eine dynamische Entwicklung der Landwirtschaft will — ich glaube, wir alle in diesem Hause wollen sie —, muß den Versuch machen, die Produktion so zu gestalten, daß sie den Marktspielraum weitgehend ausnutzen kann. Das sollten wir als Priorität nehmen. Man wird unseren Bauern langfristig mehr dienen, wenn es gelingt, sie davon zu befreien, daß ihr Getreide in die Interventionsstellen kommt, während französisches Getreide in deutschen Mühlen vermahlen wird. Ich glaube, das ist die Frage. Hier muß man eine vernünftige Lösung finden, und zwar im Interesse der Landwirte, der Konsumenten und auch der Steuerzahler. Alle drei Punkte sind hier angesprochen.
Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Herrn Bundesministers Ertl beantwortet. Herr Minister, ich danke Ihnen!
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 15. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Februar 1973 661
Vizepräsident Dr. Schmitt-VockenhausenDamit sind wir am Ende der Fragestunde. Die nicht erledigten Fragen werden schriftlich beantwortet, soweit sie nicht zurückgezogen sind.Meine Damen und Herren, heute feiert der Herr Kollege Vizepräsident Dr. Jaeger seinen 60. Geburtstag. Ich spreche ihm dazu die Glückwünsche des Hauses aus.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die Tagesordnung um die in der Ihnen vorliegenden Liste bezeichneten Vorlagen ergänzt werden:1. Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Bundespersonalvertretungsgesetzes- Drucksache 7/176 —2. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Wirtschaft
zu der von der Bundesregierung beschlossenen Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs
zu der von der Bundesregierung beschlossenen Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs
— Drucksachen 7'57, 7 53, 7/183 - Berichterstatter: Abgeordneter Suck2. Beratung des Berichts und des Antrags des Ausschusses für Wirtschaft
zu der von der Bundesregierung beschlossenen Verordnung zer Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs
Drucksachen 7:54, 7/184 — Berichterstatter: Abgeordneter SuckIst das Haus damit einverstanden? — Die Erweiterung der Tagesordnung ist damit beschlossen.Meine Damen und Herren, entsprechend unseren interfraktionellen Vereinbarungen rufe ich nunmehr Punkt 39 der ausgedruckten Tagesordnung auf:Einbringung des Agrarberichts 1973 der Bundesregierung— Drucksachen 7/146, 7/147, 7/148 —Zur Einbringung hat der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ertl das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus Anlaß der Einbringung des Agrarberichts 1973 habe ich heute zum vierten Male die Gelegenheit, dem Hohen Hause in einer umfassenden Darstellung die bisherige und die voraussichtliche Entwicklung im Agrar- und Ernährungsbereich sowie die Ziele und Schwerpunktaufgaben der Agrar- und Ernährungspolitik dieser Bundesregierung darzulegen. Ich kann mich dabei auf einen in Form und Aussage weiter verbesserten Agrarbericht stützen. Dafür gebührt meinen Mitarbeitern mein besonderer Dank. Dank gebührt allerdings auch jenen Landwirten, die aus ihren Testbetrieben die Betriebsergebnisse zur Verfügung gestellt haben.
Wie vor drei Jahren bin ich in der glücklichen Lage, an eine Regierungserklärung anknüpfen zu können, die die Agrarpolitik in den Rang einer der Schwerpunktaufgaben dieser Regierung hebt. Sie enthält ein klares Konzept für die Arbeit der nächsten vier Jahre, das mit dem Begriffspaar „Kontinuität," und „Fortentwicklung" umschrieben werden kann. Die Kontinuität ist mit der wiederum in den Mittelpunkt der agrarpolitischen Zielsetzung gestellten Forderung gewahrt, daß die in der Landwirtschaft arbeitenden Menschen an der allgemeinen Einkommens- und Wohlstandsentwicklung teilnehmen sollen. Die inzwischen vollzogene Fortentwicklung der Agrarpolitik kommt in dem klaren Bekenntnis zum Ausdruck, daß sie in unserer Zeit Politik für die Menschen im ländlichen Raum sein muß.Damit hat die Agrar- und Ernährungspolitik ihren Standort neu umrissen. Zielgruppen sind nicht mehr nur die Landwirte als Produzenten von Agrarprodukten und die Verbraucher als Konsumenten, sondern auch all diejenigen Menschen, die auf dem Lande wohnen, arbeiten und Erholung suchen bzw. aus seiner ökologischen Ausgleichsfunktion Nutzen ziehen.Auch auf europäischer Ebene gilt es nach der Erweiterung der Gemeinschaft, unseren Standort neu zu bestimmen. Stand bisher die Agrarpolitik für mehr als ein Jahrzehnt immer im Brennpunkt der Integrationsbestrebungen, so gilt es nunmehr, in diesem Bereich in eine Phase der Konsolidierung einzutreten. Die Europapolitik braucht neue Schwerpunkte des Integrationsbemühens. Die eben gerade durchgestandene Währungskrise sollte als erneuter Anlaß gesehen werden, sich nunmehr mit festem Willen zum Erfolg den übergeordneten Integrationsaufgaben zu widmen. Dabei gebührt der Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion höchste Priorität.Die Einkommen der Landwirte sind zwar dank der von der Bundesregierung im März 1972 in Brüssel durchgesetzten Grundsatzbeschlüsse zum Grenzausgleich ausreichend abgesichert, jedoch sind Währungsschwierigkeiten noch immer Sand im Getriebe der EWG gewesen. Sie gefährden eine kontinuierliche Weiterentwicklung der gemeinsamen Agrarpolitik und machen Interimslösungen wie den Grenzausgleich unausweichlich.Deshalb möchte ich in aller Deutlichkeit hinzufügen: Das auf der Pariser Gipfelkonferenz erneut bekräftigte Ziel einer Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion bis zum Ende dieses Jahrzehnts wird nicht allein durch die Schaffung einiger technischer Einrichtungen zu realisieren sein.
Vielmehr bedarf es dazu eines breiten politischen Willens der Mitgliedstaaten, der auch vom Bewußtsein der Öffentlichkeit getragen wird.
Die deutsche Landwirtschaft wird mehr noch als bisher ihr Hauptaugenmerk darauf zu richten haben, sich in der EWG der Neun zu behaupten und die bestehenden Chancen zu nutzen. Die Bundesregierung wird sie dabei nach Kräften unterstützen.Die Erweiterung der Gemeinschaft setzt auch neue weltpolitische Akzente. Die EWG ist durch die Erweiterung zu einem noch größeren Wirtschafts- und Handelsfaktor geworden. Daraus erwächst ihr eine besondere Verantwortung. Sie muß mehr noch als
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662 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 15. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Februar 1973
Bundesminister Ertlbisher an einem weltweiten Ausgleich auf den Agrarmärkten unter besonderer Berücksichtigung der Produktions- und Exportinteressen der Entwicklungsländer mitwirken. Noch in diesem Jahr stehen im GATT, in der Welthandelskonferenz und in der FAO Verhandlungsrunden bevor, in denen ein Beitrag der EWG zur Lösung der anstehenden Probleme erwartet wird. Allerdings sollte dabei der Grundsatz des „do ut des" beachtet werden. Soweit in diesem Zusammenhang die Exportinteressen der USA berührt sind, so ist festzuhalten, daß von 1970/71 auf 1971/72 der Agrarexport der USA in die EWG wiederum um 7 O/0 zugenommen hat.Meine Damen und Herren, lassen Sie mich nach diesen grundsätzlichen Vorbemerkungen nunmehr auf die aktuelle Lage der Landwirtschaft eingehen, die im Agrarbericht ausführlich dargestellt ist. Ich kann mit einiger Befriedigung an meine Einbringungsrede vom vergangenen Jahr anknüpfen. Ich hatte 1972 davor gewarnt, aus den Rückschlägen in der Einkommensentwicklung des Wirtschaftsjahres 1970/71 voreilige Rückschlüsse zu ziehen und aus der engen Sicht eines Jahres die von mir eingeleitete Agrarpolitik in Frage stellen zu wollen. Diese Politik, meine ich, ist bestätigt worden, denn im Wirtschaftsjahr 1971/72 ist der Anschluß an den langfristigen Trend wiedergewonnen worden. Wir sollten daraus gemeinsam den Schluß ziehen, daß eine moderne Agrarpolitik nur dann erfolgreich sein kann, wenn sie auf ein solides und langfristiges Konzept aufbaut. Mit einer Politik, die von der Hand in den Mund lebt, und mit voreiligen Entschlüssen ist es nicht getan.
Wir haben nicht zuletzt deshalb in den diesjährigen Agrarbericht als Neuerung ein Kapitel „Allgemeine Ziele der Agrar- und Ernährungspolitik" mit einer klaren Strukturierung der Gesamtheit der altrar- und ernährungspolitischen Ziele aufgenommen. In ihnen kommt die längerfristige Strategie dieser Regierung zum Ausdruck; gleichzeitig stellen sie einen konkreten Bezug zu den Maßnahmen der Agrar- und Ernährungspolitik her. Sie bilden eine verbesserte Grundlage für den Planungsprozeß und die Entscheidungsfindung und werden auch für die Arbeit der parlamentarischen Gremien von Nutzen sein.Meine Damen und Herren, der diesjährige Agrarbericht zeigt, daß die Durststrecke des Wirtschaftsjahres 1970/71 für die Mehrzahl der Betriebe überwunden ist. Im Durchschnitt der Testbetriebe stieg das Betriebseinkommen je Arbeitskraft um 35 % auf nahezu 16 000 DM an. Damit wurde nicht nur das ungünstige Vorjahresergebnis ausgeglichen, sondern auch das Ergebnis des relativ guten Jahres 1969/70 um 22 % übertroffen. Mit diesem Resultat für die ersten beiden Jahre, für die die sozialliberale Koalition voll verantwortlich zeichnet, können wir, so glaube ich, zufrieden sein, zumal die wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen der Landwirte weitere erhebliche Verbesserungen durch zusätzliche Leistungen auf dem Gebiet der Agrarsozialpolitik erfahren haben.
Hervorzugeben ist dabei das Abschneiden der Grünland- und Futterbaubetriebe. Diese Betriebsgruppe hat 1971/72 das Einkommensniveau der Getreidebaubetriebe nahezu erreicht und hat auch gegenüber den Hackfruchtbaubetrieben deutlich aufgeholt. Damit sind auf Grund einer gezielten Preis- und Strukturpolitik dieser Regierung, unterstützt — und das sei auch offen zugegeben — durch günstige Marktentwicklungen, Verbesserungen vor allem in den Betriebsgruppen ermöglicht worden, die bisher immer am unteren Ende der Einkommensskala gestanden haben.Meine Damen und Herren, die Befriedigung über das gute Ergebnis des Wirtschaftsjahres 1971/72 ist ebensowenig ein Anlaß zur Euphorie, wie das letztjährige Ergebnis ein Anlaß zur Panikmache gewesen ist.
Wir haben festzuhalten, daß die Vergleichsrechnung nach wie vor einen beträchtlichen Einkommensabstand zu den übrigen Wirtschaftsbereichen ausweist und daß der starke Kostenanstieg auch weiterhin erhebliche Anforderungen an die Anpassungsfähigkeit der Landwirtschaft stellt.In diesem Zusammenhang sollte nicht übersehen werden, daß die erfreuliche Tatsache ständig steigender Einkommen in den außerlandwirtschaftlichen Bereichen unserer Volkswirtschaft in erheblichem Umfange mitbestimmend für das Ausmaß des Zurückbleibens der landwirtschaftlichen Einkommen ist. Die Sogwirkung dieser Entwicklung im außerlandwirtschaftlichen Bereich hat nicht zuletzt dazu beigetragen, daß 1972 wiederum 6,8 % der Vollarbeitskräfte aus der Landwirtschaft ausgeschieden sind. Damit wird weiterhin eine große Anpassungsbereitschaft der Landwirtschaft an die Erfordernisse der Industriegesellschaft dokumentiert. Sie sollte all diejenigen eines Besseren belehren, die meinen, nach einem günstigen Wirtschaftsjahr darauf hinweisen zu müssen, daß für die Landwirtschaft ein Einkommensproblem eigentlich gar nicht mehr existiere.Die Tendenz zu einer gewissen Konsolidierung des Strukturwandels zeigt sich in einem Rückgang der Abwanderungsrate der landwirtschaftlichen Erwerbstätigen von 5,5 % 1971 auf 4,8 % im Jahre 1972. Damit wird deutlich, daß sich der Anpassungsprozeß heute immer mehr in der Form eines Übergangs zu Berufs- und Einkommenskombinationen äußert. Das ist eine begrüßenswerte Entwicklung, die sehr zu einem organischen Ablauf der Strukturveränderungen beiträgt. Sie deckt sich im übrigen voll mit unserem gesellschaftspolitischen Konzept, möglichst viele Menschen auf dem Lande zu halten und eine breite Eigentumsstreuung sicherzustellen.Die in Brüssel von der Bundesregierung für die Wirtschaftsjahre 1971/72 und 1972/73 erreichten Preiserhöhungen für Marktordnungswaren haben wesentlich zur Verbesserung der Betriebsergebnisse im abgelaufenen Wirtschaftsjahr 1971/72 beigetragen und werden sich auch im Ergebnis des laufenden Wirtschaftsjahres niederschlagen. Eine für die Landwirtschaft günstige Marktentwicklung — teilweise bedingt auch durch eine weltweite Knappheit
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Bundesminister Ertlbei bestimmten Produkten - trug dazu bei, daß die Erzeugerpreise 1971/72 im Durchschnitt um 8,6 % angestiegen sind. Durch diese Erhöhung der Agrarpreise konnte der starke Preiseinbruch des Jahres 1970/71 ausgeglichen werden.Auch im längerfristigen Trend sind die Agrarpreise keineswegs überdurchschnittlich angestiegen. In den letzten zehn Jahren sind die Agrarpreise wesentlich schwächer gestiegen als die Betriebsmittelpreise und die Lebenshaltungskosten. Während die land wirtschaftlichen Erzeugerpreise von 1962 bis 1972 nur um 21 % gestiegen sind — wobei ich sagen möchte, „nur" gilt immer in Relation zu den anderen , haben sich die Betriebsmittelpreise um 33 % und die Lebenshaltungskosten um 38 % erhöht, Damit, meine ich, gilt nach wie vor die Feststellung, daß die Landwirtschaft insgesamt im langfristigen Trend gesehen einen wesentlichen Beitrag zur Stabilisierung der Preisentwicklung geleistet hat.
Die bei einigen Produkten günstigen Preisentwicklungen der letzten Monate haben für den Landwirt den erfreulichen Aspekt, daß das EWG-Marktordnungssystem durchaus noch die Kräfte des Marktes zum Tragen kommen läßt und daß es sich für die Landwirte lohnt, wachsam die Chancen des Marktes zu nutzen.Im Zusammenhang mit der Einkommenssituation führt uns der Agrarbericht einen weiteren Umstand deutlich vor Augen. Die Einkommensunterschiede innerhalb der Landwirtschaft sind nach wie vor erheblich größer als der durchschnittliche Einkommensabstand zwischen Landwirtschaft und übriger Wirtschaft. Die Ursachen für diese große Einkommensstreuung liegen nur teilweise bei den natürlichen und wirtschaftlichen Standortbedingungen. Besonders groß ist der Einfluß der unternehmerischen Fähigkeiten des Betriebsleiters. Anders wären die großen Unterschiede zwischen Betrieben gleicher Produktionsrichtung, Betriebsgröße und regionaler Lage nicht zu erklären. Das muß für Bund und Länder Anlaß sein, im Rahmen ihrer Kompetenzen noch größere Anstrengungen auf die Verbesserung des Faktors „Betriebsleiterqualität" zu verwenden.
In allen Regionen, Bodennutzungssystemen und Betriebsgrößen gibt es Betriebe, denen die Anpassung an die schnell fortschreitende Entwicklung trotz aller Schwierigkeiten immer wieder gelingt. Dies ist ein hoffnungsvolles Zeichen, auch für die Jugend in der Landwirtschaft, der ich die Empfehlung geben möchte, sich nicht nur an globalen Durchschnittsvergleichen zu orientieren, sondern auch an dem, was nach dem Ergebnis des Agrarberichts von Erfolgreichen erreicht werden kann.Besondere Aufmerksamkeit widmet der diesjährige Agrarbericht den Erwerbs- und Einkommenskombinationen in der Landwirtschaft. Einer vorgezogenen Auswertung der Landwirtschaftszählung 1971 ist zu entnehmen, daß nicht nur die Nebenerwerbsbetriebe, sondern auch bereits 51 % der Haupterwerbsbetriebe ihr landwirtschaftliches Einkommen durch nennenswerte außerbetriebliche Einkommen aufstocken. Die Einkommenskombination, meine Damen und Herren, ist keine generelle Lösung für die gesamte Landwirtschaft. In vielen Fällen ist sie jedoch die einzige Möglichkeit einer sinnvollen Nutzung freier Kapazitäten. Als solche werden wir sie in Zukunft bei der Beurteilung der Einkommen — und damit auch bei der Auswahl der Berichterstatterbetriebe — mit zu berücksichtigen haben.Aus den Ergebnissen der Landwirtschaftszählung 1971 kann für die nebenberufliche Landwirtschaft festgestellt werden, daß bei einem durchschnittlichen Gesamteinkommen je Betriebsleiterehepaar von 18 000 DM allein 12 400 DM aus außerbetrieblichen Quellen stammten. Um die immer noch unzureichende Information über die Nebenerwerbslandwirtschaft zu verbessern, ist die Bundesregierung dabei, ein spezielles Testbetriebsnetz für Zu- und Nebenerwerbsbetriebe zu errichten.Meine Damen und Herren, lassen Sie mich aus dem Ergebnis des Agrarberichts 1973 folgendes Fazit ziehen:Die Landwirtschaft hat während der bisherigen Regierungszeit der sozialliberalen Koalition gemäß ihrer Zielsetzung aus dem Jahre 1969 an der allgemeinen Einkommens- und Wohlstandsentwicklung teilgenommen. Auch im laufenden Wirtschaftsjahr wird sich die günstige Einkommensentwicklung der Landwirte fortsetzen. Im Durchschnitt aller Betriebssysteme wird das Betriebseinkommen je Arbeitskraft voraussichtlich um 10 bis 14 % ansteigen. Damit wird die Einkommensentwicklung in den hauptberuflich bewirtschafteten Betrieben insgesamt etwa der im außerlandwirtschaftlichen Bereich entsprechen.Es wäre sicherlich reizvoll, nun im einzelnen die Leistungen aufzuzählen, mit denen diese Koalition in den vergangenen Jahren Agrarpolitik gemacht hat. Ich möchte mir dies ersparen, weil das Ergebnis für sich spricht. Erlauben Sie mir nur auf vier besondere Schwerpunkte unserer Arbeit hinzuweisen und darauf aufbauend dann die weiteren Schlußfolgerungen für die Zukunft zu ziehen:Erstens. In Brüssel wurde nach Jahren preispolitischer Enthaltsamkeit das Prinzip einer an der allgemeinen Kosten- und Einkommensentwicklung orientierten Preispolitik durchgesetzt. Damit wurde dem Grundsatz dieser Regierung entsprochen, daß der notwendige Strukturwandel nicht unter einer Politik des Preisdrucks betrieben werden sollte.Zweitens. Die Zusage, keine Einkommensverluste der Landwirtschaft auf Grund von Veränderungen der Wechselkurse zuzulassen, wurde eingehalten und durch die Ministerratsbeschlüsse vom März 1972 erneut bestätigt.Drittens. In der Strukturpolitik wurde ein neues modernes Förderungskonzept eingeführt, das einen breiten Fächer von Maßnahmen anbietet, die auf die Bedürfnisse des einzelnen zugeschnitten sind. Das Grundkonzept dieses Förderungsprogramms wurde Richtschnur für ein koordiniertes Vorgehen auf europäischer Ebene. Das überzogene Strukturkonzept der Kommission aus dem Jahre 1968 wurde damit zu den Akten gelegt.
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664 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 15. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Februar 1973
Bundesminister ErtlViertens. Schließlich haben wir mit der Einführung der Krankenversicherung die Grundzüge eines geschlossenen Systems der sozialen Sicherung für die Landwirte vollendet. Wesentliche Leistungsverbesserungen bei der Altershilfe und bei der Landabgaberente haben die Voraussetzungen dafür geschaffen, daß sich der weiter notwendige strukturelle Wandel ohne soziale Härten vollziehen kann.Ich möchte mich nun den zukünftigen Schwerpunktaufgaben zuwenden.Im Rahmen einer Agrar- und Ernährungspolitik, die sich als Politik zur Lösung zentraler Probleme der Gesellschaft versteht, muß auch weiterhin sichergestellt sein, daß die Landwirte an der allgemeinen Einkommensentwicklung teilnehmen können. Das Ziel läßt sich am ehesten dann verwirklichen, wenn es gelingt, auf europäischer Ebene die Preisstabilität wiederzugewinnen.
Das Bemühen um mehr Stabilität steht daher mit an oberster Stelle im Katalog der wirtschaftspolitischen Aufgaben. Selbstverständlich hat auch die Landwirtschaft ihren Beitrag zur Stabilität zu leisten. Stabilitätsbewußtes Verhalten kann aber nicht nur von der Landwirtschaft verlangt werden.Die Bundesregierung hält auch in Zukunft eine Verbesserung des Agrarpreisniveaus durch gezielte Preisanhebungen unter Berücksichtigung der allgemeinen Einkommens- und Kostenentwicklung und der gesamtwirtschaftlichen Erfordernisse für unerläßlich. Sie wird dieses preispolitische Konzept auch in Zukunft nicht leichtfertig durch die Vorschläge derjenigen in Frage stellen lassen, die meinen, sie hätten ein neues agrarpolitisches Patentrezept gefunden.Neue agrarpolitische Denkmodelle — die immer zu begrüßen sind —, die z. B. die Preispolitik durch generelle direkte Einkommenübertragungen ersetzen wollen, gibt. es in nicht geringer Zahl. Ich erinnere nur an den im Auftrag der Europäischen Kommission erstellten sogenannten Uri-Bericht und an den daran anknüpfenden sogenannten Spinelli-Plan, die im vergangenen Jahr heftig diskutiert wurden. Meines Erachtens ist der Beweis bisher noch nicht erbracht, daß eine solche grundlegende, generelle Richtungsänderung der Agrarpolitik für die öffentliche Hand langfristig billiger ist und zudem garantiert, daß weniger Überschüsse verursacht werden, dennoch der Strukturwandel gefördert wird und auch keine untragbaren sozialen Härten für die betroffenen Menschen entstehen. Ich habe die große Befürchtung, daß einige dieser kühn konstruierten Modelle die Landwirtschaft nur noch tiefer in die staatliche Bevormundung bringen würden.
Dies aber verträgt sich nicht mit unserer Zielsetzung, die Landwirtschaft zu einem gleichrangigen Teil unserer modernen Volkswirtschaft zu entwickeln.
Die Bundesregierung geht davon aus, daß auch in Zukunft ein starker Kern landwirtschaftlicher Vollerwerbsbetriebe das Gerüst unserer Agrarstruktur bilden muß. Diese Betriebe müssen auch in Zukunft ihr Einkommen über den Markt erwirtschaften können, damit sie in der Lage sind, sich aus eigener Kraft weiterzuentwickeln. Es wäre das Ende des freien Unternehmertums in der Landwirtschaft, wenn der Staat ihnen in zunehmendem Maße die Eigenverantwortung für die betriebliche Entwicklung abnähme.Auch unsere Nebenerwerbsbetriebe sind in vielen Fällen auf eine sinnvolle Kooperation in Produktion und Absatz mit den Vollerwerbsbetrieben angewiesen. Die Frage der Entwicklungsmöglichkeiten unserer Betriebe sollte auch unter dem Aspekt der jüngsten Entwicklungen auf den Weltmärkten gesehen werden, die uns zeigen, daß eine allzu große Abhängigkeit unserer Ernährungswirtschaft von den Weltmärkten auf die Dauer auch zu Nachteilen für die Verbraucher führen kann.
Diese grundsätzlichen Bemerkungen schließen selbstverständlich nicht aus, daß alles versucht wird, das gegenwärtige System der Agrarstützung wirkungsvoller, praktikabler und weniger aufwendig zu machen. Alle Vorschläge, die geeignet sind, hier gezielt Verbesserungen herbeizuführen, werden die volle Unterstützung dieser Bundesregierung finden. Dabei ist nicht ausgeschlossen, daß auch in Zukunft gezielte direkte Ausgleichsmaßnahmen zum Ausgleich akuter Härten ergriffen werden müssen.Eine wesentliche Voraussetzung der angesprochenen Agrarpreispolitik wird in Zukunft die Beherrschung der Agrarmärkte sein. Dies gilt besonders unter den Bedingungen einer auf neun Mitglieder erweiterten Gemeinschaft, in der mehr Stimmen als bisher für Zurückhaltung in der Preispolitik plädieren werden. Unter diesem Stichwort sind nicht nur administrative Regelungen angesprochen. Vielmehr wird es darauf ankommen, die Mitwirkung des Berufsstandes bei dieser Aufgabe zu verstärken. Das betrifft insbesondere solche Bereiche, die durch EWG-Marktordnungen weniger stark abgesichert sind, z. B. Kartoffeln, Obst und Gemüse, Qualitätsgetreide und Schlachtvieh.Neben der wichtigen Aufgabe einer Rationalisierung der Produktion, der qualitativen Verbesserung und Zusammenfassung des Angebots müssen die Zusammenschlüsse der Erzeuger aktiv am Marktgeschehen teilnehmen. Dabei gilt es, systematisch Marktlücken zu erfassen, neue Absatzmärkte zu erschließen und günstige Preischancen durch Anpassung der Produktion zu realisieren.In diesem Zusammenhang messe ich der vertraglichen Zusammenarbeit zwischen Erzeugern und Unternehmen des Vermarktungsbereichs große Bedeutung bei. Der Staat kann bei dieser wichtigen Zukunftsaufgabe durch Förderung der Erzeugergemeinschaften und des Agrarmarketings nur unterstützend eingreifen, jedoch nicht Initiativen der Erzeuger ersetzen.
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Bundesminister ErtlDie großen Erfolge, die unsere Land- und Ernährungswirtschaft in den letzten Jahren auf den Exportmärkten erzielt hat, zeigen, daß sie sich auf dem richtigen Wege befindet. Exporterlöse für Güter der Ernährungswirtschaft in Höhe von 5,9 Milliarden DM — das ist gegenüber 1971 eine Zunahme von 16,6 % — zeigen, daß die deutsche Agrarwirtschaft sich längst nicht mehr mit der Verteidigung von Marktanteilen begnügt, sondern offensiv in der ganzen Welt neue Absatzmärkte erschließt.Neben der Markt- und Preispolitik bleibt der zweite Grundpfeiler unserer Agrarpolitik eine moderne Struktur- und Regionalpolitik. Diese muß sich an den Bedürfnissen der Menschen im ländlichen Raum orientieren und gleichzeitig die wachsenden Ansprüche derjenigen berücksichtigen, die dort Ruhe und Erholung suchen.Das erfolgreiche Konzept unserer einzelbetrieblichen Förderung ist nunmehr in den Rahmen der europäischen Strukturrichtlinien einzubetten. Wir haben dabei darauf zu achten, daß die europäischen Rahmenbestimmungen genügend Flexibilität für die Durchführung der Einzelmaßnahmen in den Mitgliedstaaten lassen. Der Drang zur Perfektion, dem die EWG auf dem Marktsektor erlegen ist, sollte auf dem Struktursektor nicht wiederholt werden.
Diesen Grundsatz werde ich — wie schon bisher — auch bei den noch laufenden Prüfungsverfahren mit Nachdruck vertreten und gegebenenfalls offene Fragen zur Entscheidung in den Ministerrat bringen.Ich begrüße, daß die Kommission in Ergänzung der Modernisierungsrichtlinie nunmehr Grundzüge für die besondere Förderung von Landwirten in Berggebieten und in bestimmten anderen benachteiligten Gebieten erarbeitet hat. Mit diesen Vorschlägen wird einem langjährigen deutschen Anliegen Rechnung getragen, das vor allem auf unsere Veranlassung hin im vergangenen Jahr in den EWG- Strukturrichtlinien verankert wurde. Wir werden die Vorschläge in engster Zusammenarbeit mit den Ländern sorgfältig prüfen.In einigen Gebieten wird sicherlich die zunehmende Abwanderung der ländlichen Bevölkerung durch gezielte Maßnahmen verhindert werden müssen, wenn diese Regionen ihre Funktion als natürlicher Erholungsraum und ökologischer Ausgleichsfaktor aufrechterhalten sollen. Wenn sie in diesem Zusammenhang echte Leistungen für die Öffentlichkeit erbringen, erscheint eine besondere Förderung auch gesellschaftspolitisch berechtigt.
In den kommenden Jahren wird es darauf ankommen, das schwierige Instrument der „Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur", deren erster Rahmenplan am 1. Januar 1973 in Kraft getreten ist, so zu handhaben, daß Bund und Länder jeweils in optimaler Weise ihren Planungsbeitrag im Interesse der betroffenen Gebiete und Menschen gestalten können. Agrarstrukturpolitik muß dabei im Sinne einer integralen Neuordnungspolitik für den ländlichen Raum fortentwickelt werden, was eine enge Abstimmung mit der Gemeinschaftsaufgabe „Regionale Wirtschaftsförderung" verlangt.Die Gemeinschaftsaufgabe ist kein bloßes Instrument des Geldverteilens. Sie bedeutet vielmehr gemeinsame Planung von Bund und Ländern nach verbindlichen Grundsätzen. Der Bund hat dabei vor allem die Aufgabe, eine ausreichende Koordinierung zwischen seinen Zielvorstellungen und Maßnahmen auf nationaler und supranationaler Ebene und den Zielen und Maßnahmen der regionalen Strukturpolitik herzustellen.Neben dem Strukturprogramm werde ich wie bisher für eine befriedigende Vollendung der Eingliederung der Vertriebenen sorgen.Eine moderne Strukturpolitik für den ländlichen Raum setzt die Entwicklung eines zeitgemäßen Bodenrechts voraus. Dieses muß gewährleisten, daß der hohe Flächenbedarf für die Verbesserung der Produktionsstruktur sowie für die Schaffung attraktiver Wohn-, Arbeits- und Freizeitbedingungen in den ländlichen Regionen gedeckt werden kann. Dazu sind die vorhandenen gesetzlichen Regelungen des Bodenrechts fortzuentwickeln.Das Stichwort „Bodenpolitik" scheint heute bei vielen Leuten die Wirkung eines roten Tuches zu haben. Dadurch wird eine sachliche Diskussion erschwert. Panikmacher glauben, an der Bodenpolitik ihr Süppchen kochen zu können, und verkünden überall, daß diese Regierungskoalition den Eigentumsbegriff zunehmend aushöhlen werde. Sie versuchen, den Leuten einzureden, daß die Regierung auf kaltem Wege insbesondere über eine Bodenwertzuwachssteuer, eine Sozialisierung des landwirtschaftlichen Grund und Bodens durchführen wolle.Diese Verdächtigungen entbehren jeder Grundlage.
Ich betone nochmals: Das Eigentum mit seiner sozialen Bindung bleibt die Grundlage der Bodenrechtspolitik in unserem Land. Als liberaler Politiker bekenne ich mich zu der Auffassung, daß Eigentum Freiheit schafft. Allerdings wird es nur dann gelingen, das Eigentum auf Dauer zu sichern und zu erhalten, wenn gleichzeitig Reformen mit Vernunft und Augenmaß die Auswüchse des geltenden Bodenrechts, nämlich Bodenwucher und Bodenspekulation, verhindern.
Neue, umfassende Aufgaben kommen aus dem Bereich des Umweltschutzes auf uns zu. Er berührt fast alle wichtigen Bereiche der Agrar- und Ernährungswirtschaft. Ich meine, daß sich die Aktivitäten meines Hauses auf diesem Gebiet durchaus sehen lassen können.Für eine ins einzelne gehende Darstellung ist hier nicht der Platz. Nur soviel sei gesagt: Ich habe in meinem Hause und in den Forschungsanstalten die finanziellen und organisatorischen Voraussetzungen für eine aktive Umweltpolitik geschaffen. Zahlreiche
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Bundesminister ErtlVerordnungen, die den Umweltschutz betreffen, sind erarbeitet worden und in der Zwischenzeit in Kraft getreten. Für 1973 sind im Einzelplan 10 Ausgaben in Höhe von rund 35 Millionen DM für Umweltschutzmaßnahmen enthalten.Wir haben im vergangenen Jahr die Entwürfe für ein Naturschutz- und Landschaftspflegegesetz und für ein Bundeswaldgesetz im Kabinett verabschiedet. Sie werden unverzüglich wieder eingebracht. Im Zusammenhang mit dem Naturschutz- und Landschaftspflegegesetz wird sich die Bundesregierung nachdrücklich um die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit bemühen.Ein weiterer Grundpfeiler unserer Agrarpolitik ist eine fortschrittliche Agrarsozialpolitik. Nach der Abrundung des sozialen Sicherungssystems in der Landwirtschaft im vergangenen Jahr werden in dieser Legislaturperiode weitere Leistungsverbesserungen bei den einzelnen Maßnahmen im Vordergrund stehen. Langfristiges Ziel ist es dabei, die volle soziale Parität für die landwirtschaftliche Bevölkerung herzustellen. Zunächst werden die landwirtschaftlichen Unfallrenten um ca. 18 % angehoben. Weiterhin steht die 7. Novelle zum Altershilfegesetz auf unserem Programm. Mit ihr wird die langjährige Forderung nach einer Dynamisierung der Altershilfe und der Landabgaberente erfüllt werden.Die Rentenreform hat, vor allem durch die Rente nach Mindesteinkommen, auch für die landwirtschaftlichen Arbeitnehmer Verbesserungen gebracht. Strukturelle Nachteile der Vergangenheit konnten hierdurch zum Teil ausgeglichen werden. Die Bundesregierung verfolgt die Bemühungen der Tarifvertragsparteien in der Landwirtschaft, noch bestehende Nachteile durch eine zusätzliche Altersversicherung abzubauen, mit Interesse.„Politik für die Menschen im ländlichen Raum" heißt auch, sich aktiv mit den hier bestehenden Gegebenheiten im Bildungsbereich auseinanderzusetzen und optimale Verhältnisse anzustreben. Eine fundierte Allgemeinbildung und eine breit angelegte berufliche Bildung müssen heute jedem zugänglich gemacht werden. Ich werde mich insbesondere dafür einsetzen, daß der Ausbildungsstand der in der Landwirtschaft Tätigen weiter verbessert wird. Dies soll auch dazu beitragen, daß Personen, die durch den Strukturwandel in ihrem jetzigen Tätigkeitsbereich betroffen werden, verbesserte Chancen zur Aufnahme einer anderen Erwerbstätigkeit im Bereich der Agrarwirtschaft erhalten. Ich denke hier insbesondere an die Bereiche Betriebshelferdienste, überbetriebliche Zusammenarbeit und Agrarmarketing. Eine derartige Erweiterung der beruflichen Möglichkeiten wird auch dazu beitragen, dem Berufsnachwuchs im eigentlichen landwirtschaftlichen Bereich bessere Zukunftsaussichten zu geben.Ein weiterer Schwerpunkt unserer zukünftigen Arbeit wird darin liegen, die Erzeugung qualitativ hochwertiger Nahrungsmittel zu fördern und eine gesunde Ernährung zu angemessenen Preisen sicherzustellen. Die Ernährungspolitik hat dafür zu sorgen, daß ein kritischer und informierter Verbraucher einen funktionsfähigen Markt für Ernährungsgüter vorfindet. Dazu ist es u. a. notwendig, bereits bei der landwirtschaftlichen Erzeugung sowie bei Nahrungsmitteleinfuhren Wertmaßstäbe anzulegen, die eine einwandfreie Nahrungsmittelqualität garantieren.Die Voraussetzungen für die Erreichung dieser Ziele sind nicht ungünstig. Sie werden sich in der erweiterten Gemeinschaft dank eines harten Wettbewerbs einer noch größeren Zahl von Anbietern weiter verbessern. Die Verbraucher geben heute im Durchschnitt in der Bundesrepublik weniger als 25 °/o ihres Einkommens für Nahrungsmittel aus. Dabei sind die Ansprüche an Qualität und Aufbereitung von Jahr zu Jahr gestiegen.Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch eines betonen: Frische und hochwertige Nahrungsmittel lassen sich nicht ausschließlich aus der Konserve besorgen.
Dazu bedarf es einer verbrauchsnahen Landwirtschaft. Auch das ist einer der Gründe, weshalb wir auf eine angemessene Agrarproduktion im eigenen Lande nicht verzichten können und wollen.Die zunehmend geringer werdende Belastung durch Nahrungsmittelausgaben und die Vielfalt des Angebots haben teilweise dazu geführt, daß sich viele Verbraucher weniger kritisch verhalten, als dies ihrem Status als „König Kunde" angemessen wäre. Durch marktgerechtes Käuferverhalten -z. B. durch Ausweichen auf Komplementärprodukte, so bei Fleisch und Geflügelfleisch, wenn die Preise bestimmter Produkte infolge eines zu knappen Angebotes steigen — kann auch der Verbraucher einen Beitrag zur Preisstabilisierung leisten. Gleichzeitig kann er damit seinen Nahrungsmitteletat entlasten.
— Die gibt es, Herr Kollege Wehner; Sie kriegen von mir eine Sonderlieferung.
— Es gibt auch noch andere. Ich werde schauen, daß ich ein paar herbringe.
— Dafür müßte ich in Zukunft jede Woche einen Verbraucherdienst fürs Parlament herausgeben.
— Wir könnten ja hier einen kleinen Markt eröffnen. Das wäre ein gutes Beispiel für manchen Verbraucher.Eine unserer Zukunftsaufgaben wird es also sein, durch verstärkte Verbraucheraufklärung und -information dazu beizutragen, daß der Verbraucher seine Funktion am Markt erfüllen kann.
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 15. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Februar 1973 667
Bundesminister ErtlFür 1973 ist für den Agrarhaushalt des Bundes ein Plafond von über 5,4 Milliarden DM vorgesehen. Damit wurde gegenüber 1972 eine Steigerungsrate von 919 Millionen DM erreicht. In erster Linie sind für diese hohen Steigerungsraten die Verbesserungen auf agrarsozialpolitischem Gebiet maßgebend. Dabei ist gegenüber der Öffentlichkeit zu betonen, daß viele der im Agraretat verankerten Maßnahmen im Sinne ihrer umfassenden gesellschaftspolitischen Zielsetzung der gesamten Bevölkerung zugute kommen; ich erinnere nur an die zunehmend umweltrelevanten Maßnahmen der Wasserwirtschaft, den Küstenschutz oder die heute als integrale Neuordnungsmaßnahme für den ländlichen Raum durchgeführte Flurbereinigung.Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß und fasse zusammen:1. Die Ergebnisse des Agrarberichts machen deutlich, daß die in der Landwirtschaft Tätigen an der allgemeinen Einkommens- und Wohlstandsentwicklung teilgenommen haben. Die Ergebnisse sind vor allem ein Resultat der Tüchtigkeit unserer Betriebsleiter. Darüber hinaus sind sie auf die konstruktive Agrarpolitik der Regierung und eine günstige Entwicklung auf den Märkten zurückzuführen.2. Die Bundesregierung wird sich bemühen, die Ergebnisse der letzten beiden Jahre auch langfristig abzusichern. Sie wird die Voraussetzungen dafür schaffen, daß der unternehmerisch handelnde Landwirt, der seine Chancen am Markt erkennt und nutzt, seinen Betrieb auch in Zukunft aus eigener Kraft fortentwickeln kann.3. Durch eine aktive Preispolitik und durch ein breit gefächertes Angebot struktur-, sozial- und bildungspolitischer Maßnahmen wird die Bundesregierung den Strukturwandel auch weiterhin sozial erträglich gestalten.4. Die Bundesregierung hält den bisher beschrittenen Weg einer Erweiterung der Agrarpolitik zu einer umfassenden Politik für den ländlichen Raum für richtig und wird ihn weiterentwickeln. Sie wird dabei stets den Menschen in den Mittelpunkt ihrer Bemühungen stellen.5. Die Bundesregierung wird der Erhaltung einer lebenswerten Umwelt, die allen Teilen der Bevölkerung dient, höchste Priorität einräumen und die Interessen der Verbraucher wahren.6. Die Bundesregierung hält schließlich die Vollendung des Gemeinsamen Marktes für eine wesentliche Voraussetzung einer erfolgreichen Agrar- und Ernährungspolitik in der Zukunft. Chancengleichheit im Wettbewerb der EWG-Partner, die Wiedergewinnung der Stabilität und die Schaffung der Wirtschafts- und Währungsunion müssen dabei höchste Priorität haben.Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich schließen mit dem Dank an all jene, die — sei es als Voll- oder Nebenerwerbslandwirte — manche zusätzliche Mühe auf sich nehmen und dennoch ihr Tagewerk als Landwirt oder als oft schwer geplangte Bäuerin oder als Landjugend leisten. Ich glaube, sie verdienen unsere volle Anerkennung und auch unsere Bemühungen, damit sie das Gefühl haben, vollwertige Glieder unserer Gesellschaft zu sein.
Meine Damen und Herren, damit ist der Agrarbericht 1973 der Bundesregierung eingebracht. Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister. Die Aussprache wird in der nächsten Woche erfolgen.Meine Damen und Herren, wir sind gestern abend am Schluß der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 21. Dezember 1972 zwischen der Bundesrepulik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik — Drucksache 7/153 — stehengeblieben. Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe die Beratung.Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, die Vorlage dem Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen — federführend — und dem Rechtsausschuß — mitberatend — zu überweisen. Es liegen keine anderen Überweisungsvorschläge vor. — Es ist so beschlossen.Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir, daß ich jetzt die Punkte 6 bis 38 der gedruckten Tagesordnung aufrufe:6. Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und anderer Gesetze— Drucksache 7/63 —7. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 20. August 1971 über die Internationale Fernmeldesatelliten-organisation „INTELSAT"— Drucksache 7/120 —8. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 21. Oktober 1971 zur Änderung des Zusatzabkommens vom 3. August 1959 zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen— Drucksache 7/119 —9. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 19. Februar 1972 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Singapur zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen— Drucksache 7/106 —10. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu derVizepräsident Dr. Schmitt-VockenhausenVereinbarung vom 3./4. Mai 1971 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der italienischen Republik über Erleichterungen der fiskalischen Behandlung des grenzüberschreitenden deutsch-italienischen Straßengüterverkehrs- Drucksache 7/113 -11. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 5. November 1971 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland über die steuerliche Behandlung von Straßenfahrzeugen im internationalen Verkehr- Drucksache 7/107 -12. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 18. März 1971 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Island zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen- Drucksache 7/99 -13. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 3. März 1971 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über die Krankenversicherung für alte Rentner- Drucksache 7/110 -14. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen Nr. 129 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 25. Juni 1969 über die Arbeitsaufsicht in der Landwirtschaft- Drucksache 7/109 -15. Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu der Vereinbarung vom 9. November 1969 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien zur Durchführung des Abkommens vom 12. Oktober 1968 über Soziale Sicherheit- Drucksache 7/108 -16. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen Nr. 115 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 22. Juni 1960 über den Schutz der Arbeitnehmer vor ionisierenden Strahlen- Drucksache 7/105 -173. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem internationalen Einheits-Übereinkommen vom 30. März 1961 über Suchtstoffe- Drucksache 7/126 -18. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 22. Juli 1964 überdie Ausarbeitung eines Europäischen Arzneibuches- Drucksache 7/125 -19. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Europäischen Übereinkommen vom 13. Dezember 1968 über den Schutz von Tieren beim internationalen Transport- Drucksache 7/127 -20. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 29. Oktober 1971 zum Schutz der Hersteller von Tonträgern gegen die unerlaubte Vervielfältigung ihrer Tonträger- Drucksache 7/121 -21. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den Haager Kaufrechtsübereinkommen vom 1. Juli 1964- Drucksache 7/115 -22. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 15. Dezember 1971 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Osterreich über die Führung von geschlossenen Zügen der Österreichischen Bundesbahnen über Strecken der Deutschen Bundesbahn in der Bundesrepublik Deutschland- Drucksache 7/134 -23. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 25. Mai 1971 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Mauritius über die Förderung und den gegenseitigen Schutz vor Kapitalanlagen- Drucksache 7/104 -24. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den Abkommen vom 12. Mai 1972 über eine Assoziation betreffend den Beitritt von Mauritius zum Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und den mit dieser Gemeinschaft assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar sowie zur Änderung des am 29. Juli 1969 in Jaunde unterzeichneten Internen Abkommens über die Finanzierung und die Verwaltung der Hilfe der Gemeinschaft- Drucksache 7/132 -25. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Konsularbeamten, ihre Aufgaben und Befugnisse
- Drucksache 7/131 -26. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Einheitlichen Gesetzes über den internationalen Kauf beweglicher Sachen- Drucksache 7/123 -
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 15. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Februar 1973 669
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen27. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines einheitlichen Gesetzes über den Abschluß von internationalen Kaufverträgen über bewegliche Sachen— Drucksache 7/124 —28. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Hypothekenbankgesetzes und des Schiffsbankgesetzes— Drucksache 7/114 —29. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmungen und Bausparkassen— Drucksache 7/100 —30. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Börsengesetzes— Drucksache 7/101 —31. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Pfandbriefe und verwandte Schuldverschreibungen öffentlich-rechtlicher Kreditanstalten— Drucksache 7/112 —32. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Finanzstatistik— Drucksache 7/98 —33. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Eichgesetzes— Drucksache 7/103 —34. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Einheiten im Meßwesen— Drucksache 7/102 —35. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Viehzählungsgesetzes— Drucksache 7/128 —36. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Beruf des Diätassistenten— Drucksache 7/116 —37. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Fleischbeschaugesetzes— Drucksache 7/122 38. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Unterhaltssicherungsgesetzes und des Arbeitsplatzschutzgesetzes— Drucksache 7/129 — Ferner rufe ich folgende Zusatzpunkte auf:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Geflügelfleischhygienegesetzes — GFlHG —— Drucksache 7/155 —Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Bundespersonalvertretungsgesetzes— Drucksache 7/176 —Das Wort dazu wird nicht gewünscht. Die Überweisungsvorschläge des Ältestenrates bitte ich der Tagesordnung zu entnehmen. Zu Punkt 6 der Tagesordnung schlägt Ihnen der Ältestenrat zusätzlich den Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau als mitberatenden Ausschuß vor. Ich sehe und höre zu den vorgeschlagenen Überweisungen keinen Widerspruch. Damit sind überwiesen:Der Gesetzentwurf zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und anderer Gesetze — Drucksache 7/63 — an den Rechtsausschuß und den Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau,der Gesetzentwurf zu dem Übereinkommen über die Internationale Fernmeldesatellitenorganisation „INTELSAT" — Drucksache 7/120 — an den Auswärtigen Ausschuß — federführend — und den Ausschuß für Forschung und Technologie und für das Post- und Fernmeldewesen,der Gesetzentwurf zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen — Drucksache 7/119 — an den Auswärtigen Ausschuß — federführend —, den Verteidigungsausschuß und den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung,der Gesetzentwurf zu dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Singapur zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen — Drucksache 7/106 — an den Finanzausschuß,der Gesetzentwurf zu der Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der italienischen Republik über Erleichterungen der fiskalischen Behandlung des grenzüberschreitenden deutsch-italienischen Straßengüterverkehrs — Drucksache 7/113 — an den Finanzausschuß — federführend — und den Ausschuß für Verkehr,der Gesetzentwurf zu dem Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung des Vereinigten Königreichs Großbritanniens und Nordirland über die steuerliche Behandlung von Straßenfahrzeugen im internationalen Verkehr — Drucksache 7/107 — an den Finanzausschuß — federführend — und den Ausschuß für Verkehr,der Gesetzentwurf zu dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Island zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom
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670 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 15. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Februar 1973
Vizepräsident Dr. Schmitt-VockenhausenVermögen — Drucksache 7/99 — an den Finanzausschuß,der Gesetzentwurf zu dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über die Krankenversicherung für alte Rentner — Drucksache 7/110 — an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung,der Gesetzentwurf zu dem Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation über die Arbeitsaufsicht in der Landwirtschaft — Drucksache 7/109 — an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung — federführend — und den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten,der Gesetzentwurf zu der Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien zur Durchführung des Abkommens über Soziale Sicherheit — Drucksache 7/108 — an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung,der Gesetzentwurf zu dem Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation über den Schutz der Arbeitnehmer vor ionisierenden Strahlen —Drucksache 7/105 — an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung,der Gesetzentwurf zu dem internationalen Einheits-Übereinkommen über Suchtstoffe — Drucksache 7/126 — an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit — federführend —, den Rechtsausschuß und den Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO,der Gesetzentwurf zu dem Übereinkommen über die Ausarbeitung eines Europäischen Arzneibuches — Drucksache 7/125 — an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit,der Gesetzentwurf zu dem Europäischen Übereinkommen über den Schutz von Tieren beim internationalen Transport Drucksache 7/127 — an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten,der Gesetzentwurf zu dem Übereinkommen zum Schutz der Hersteller von Tonträgern gegen unerlaubte Vervielfältigung ihrer Tonträger — Drucksache 7/121 — an den Rechtsausschuß,der Gesetzentwurf zu den Haager Kaufrechtsübereinkommen — Drucksache 7/115 - an den Rechtsausschuß,der Gesetzentwurf zu dem Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über die Führung von geschlossenen Zügen der Österreichischen Bundesbahnen über Strecken der Deutschen Bundesbahn in der Bundesrepublik Deutschland — Drucksache 7/134 — an den Ausschuß für Verkehr,der Gesetzentwurf zu dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Mauritius über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen — Drucksache 7/104 — an den Ausschuß für Wirtschaft — federführend — und den Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit.der Gesetzentwurf zu dem Abkommen über eine Assoziation betreffend den Beitritt von Mauritius zum Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und den mit dieser Gemeinschaft assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar sowie zur Änderung des Internen Abkommens über die Finanzierung und die Verwaltung der Hilfe der Gemeinschaft — Drucksache 7/132 — an den Ausschuß für Wirtschaft — federführend — und den Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit,der Entwurf eines Konsulargesetzes — Drucksache 7/131 — an den Auswärtigen Ausschuß — federführend — und den Rechtsausschuß,der Entwurf eines Einheitlichen Gesetzes über den internationalen Kauf beweglicher Sachen — Drucksache 7/123 — an den Rechtsausschuß,der Entwurf eines einheitlichen Gesetzes über den Abschluß von internationalen Kaufverträgen über bewegliche Sachen — Drucksache 7/124 — an den Rechtsausschuß,der Gesetzentwurf zur Änderung des Hypothekenbankgesetzes und des Schiffsbankgesetzes — Drucksache 7/114 — an den Finanzausschuß — federführuend —, den Ausschuß für Wirtschaft, den Rechtsausschuß und den Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau,der Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmungen und Bausparkassen-Drucksache 7/100 — an den Finanzausschuß - federführend —, den Ausschuß für Wirtschaft, den Rechtsausschuß, den Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau,der Gesetzentwurf zur Änderung des Börsengesetzes — Drucksache 7/101 — an den Finanzausschuß — federführend —, den Ausschuß für Wirtschaft und den Rechtsausschuß,der Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes über die Pfandbriefe und verwandte Schuldverschreibungen öffentlich-rechtlicher Kreditanstalten— Drucksache 7/112 - an den Finanzausschuß— federführend —, den Ausschuß für Wirtschaft, den Rechtsausschuß und den Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau,der Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes über die Finanzstatistik — Drucksache 7/98 — an den Haushaltsausschuß — federführend —, den Finanzausschuß, den Innenausschuß und den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung,der Gesetzentwurf zur Änderung des Eichgesetzes— Drucksache 7/103 — an den Ausschuß für Wirtschaft,der Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes über Einheiten im Meßwesen — Drucksache 7/102 — an den Ausschuß für Wirtschaft,der Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Viehzählungsgesetzes — Drucksache 7/128 — an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — federführend —, den Innenausschuß und den Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO,der Gesetzentwurf über den Beruf des Diätassistenten — Drucksache 7/116 — an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit,
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 15. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Februar 1973 671
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausender Gesetzentwurf zur Änderung des Fleischbeschaugesetzes — Drucksache 7/122 — an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit — federführend — und den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten,der Gesetzentwurf zur Änderung des Unterhaltssicherungsgesetzes und des Arbeitsplatzschutzgesetzes — Drucksache 7/129 — an den Verteidigungsschuß — federführend —, den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung und den Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO,der Entwurf eines Geflügelfleischhygienegesetzes — Drucksache 7/155 - an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit — federführend —, den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und den Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO,der Entwurf eines Bundespersonalvertretungsgesetzes — Drucksache 7/176 — an den Innenausausschuß — federführend —, den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung und den Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO,Meine Damen und Herren, ich rufe jetzt noch den Punkt 4 der Zusatzliste auf:Wahl der Mitglieder des Gremiums gemäß § 9 Abs. 1 des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses— Drucksache 7/159 —Wer dem dazu vorliegenden Antrag — Drucksache 7/159 — zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — Stimmenthaltungen? — Es ist einstimmig so beschlossen. Damit sind die Mitglieder des Gremiums gemäß § 9 Abs. 1 des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses gewählt.Ich rufe nunmehr noch die Zusatzpunkte 2 und 3 auf:Beratung des Berichts und des Antrags desAusschusses für Wirtschaft
zu der von der Bundesregierung beschlossenen Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs
zu der von der Bundesregierung beschlossenen Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs
— Drucksachen 7/57, 7/53, 7/183 —Beratung des Berichts und des Antrags desAusschusses für Wirtschaft
zu der von der Bundesregierung beschlossenen Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs
— Drucksachen 7/54, 7/184 —Ich frage, ob der Herr Berichterstatter das Wort wünscht. — Das ist nicht der Fall. Ich frage, ob das Wort zur Aussprache gewünscht wird. — Auch das ist nicht der Fall. Ich frage, ob das Haus einverstanden ist, daß wir der Einfachkeit halber gemeinsam abstimmen. — Ich höre und sehe keinen Widerspruch.Wir kommen zur Abstimmung über die Ausschußanträge auf den Drucksachen 7/183 und 7/184. Wer ihnen zustimmen will, den bitte ich um das Zeichen. — Ich danke Ihnen. Gegenprobe! -Stimmenthaltungen? — Es ist einstimmig so beschlossen.Meine Damen und Herren, ich rufe nunmehr den Punkt 5 der Tagesordnung auf :Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zur Charta der Vereinten Nationen— Drucksache 7/154 —Für die Fraktion der CDU/CSU hat der Herr Abgeordnete Dr. Marx das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es war der Wille der Bundesregierung, auf die Tagesordnung dieser Woche nicht nur die erste Lesung des sogenannten Grundvertrages zu setzen, sondern auch den Entwurf eines Gesetzes zum Beitritt der Bundesrepublick Deutschland zur Charta der Vereinten Nationen diesem Hause vorzulegen. Die Fraktion der CDU/CSU weist ausdrücklich darauf hin, daß es sich um zwei verschiedene Tagesordnungspunkte, um zwei verschiedene Themen handelt und daß sie ihre Haltung zu den vorgelegten Entwürfen aus der jeweiligen Materie, aus den jeweiligen Texten, deren politische Absichten und Folgewirkungen herleitet.
Natürlich verkennt niemand, daß die Bundesregierung den Entwurf zum UN-Beitritt in einem gewissen Zusammenhang mit dem Grundvertrag und nach ihm vorlegt und daß es zwischen beiden Themen eine von der Bundesregierung und ihrem Ostberliner Partner gewollte Beziehung gibt.Wir, die CDU/CSU, verstehen nach wie vor die Vereinten Nationen als eine große Möglichkeit, im Zusammenwirken möglichst vieler Staaten und Völker dem Frieden zu dienen und den in vielen Teilen der Welt gequälten Menschen zu mehr Freiheit zu verhelfen, zur Freiheit von Unterdrückung, vonWillkür, von Armut, von Hunger, Krankheit und Unwissenheit, und ihnen den Zugang und die Nutzung der Menschenrechte immer weiter und umfassender zu eröffnen. Wir begrüßen deshalb, wenn sich durch unsere Mitwirkung als Vollmitglied die Chance ergibt, mehr politische Verantwortung für die drängende Probleme auch der Staaten und Völker in der dritten Welt zu tragen.Es war hier am gestrigen Tage z. B. vom Wettbewerb mit Staaten anderer innerer Ordnung die Rede, mit Staaten anderer Philosophien und grundsätzlich anderer Vorstellungen. Natürlich wird ein Eintritt unseres Landes in die UN mit der wachsenden politischen Verantwortung auch die außenpolitischen Schwierigkeiten anwachsen lassen; denn dann muß
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672 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 15. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Februar 1973
Dr. Marxentschieden werden bei vielen Fragen, manchen Fragen auch, die nicht mit Formeln zugedeckt werden können, Fragen, in denen die Grundprobleme unserer Existenz, unseres Verständnisses von Freiheit und Frieden auf der Waage liegen. Natürlich wird sich dann vieles auch in diesem Hause wiederspiegeln und manches, was in New York getan worden ist, zu neuen Diskussionen und Kontroversen Anlaß geben.
Meine Damen und Herren, mit Überlegungen, in den Vereinten Nationen oder ihren Organisationen mitzuarbeiten, befassen wir uns nicht erst seit heute, auch nicht erst seit jenem Zeitpunkt, zu dem die gegenwärtige Regierung hier begonnen hat. Bereits am 10. November 1950, also zu Beginn so könnte man sagen — der ersten Regierung Adenauer, wurde die Bundesrepublik Deutschland Mitglied der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen. Man muß heute daran zurückdenken und manchem Zeitgenossen dies in Erinnerung rufen,
man muß vielen überhaupt erst klarmachen, welch wichtigen Durchbruch es aus der damaligen weltweiten Isolierung für die Deutschen bedeutete, nach Krieg und Feindschaft in die erste Organisation der Vereinten Nationen aufgenommen zu werden.
Der damalige amerikanische Delegierte begrüßte— es war ein für die deutsche Geschichte sehr belasteter Tag, nämlich der 9. November —
damals die deutsche Delegation mit folgenden Worten.
— Herr Wehner, ich meine, daß der 9. November für uns nicht nur eine schlimme Belastung, sondern an diesem Tage auch ein neuer und, wie ich glaube, zukunftsweisender, positiver Anfang war. Das möchte ich damit ausdrücken.
Jetzt zitiere ich den amerikanischen Delegierten. Er sagte:Diese Politik soll Deutschland in zunehmend engere Verbindung mit der Gemeinschaft der freien Nationen bringen, und zwar in jeder Weise, die die sich entwickelnde Verantwortlichkeit der Bundesrepublik unter den herrschenden internationalen Umständen gestattet.Meine Damen und Herren, ich erinnere auch daran daß wenige Monate später, im Jahre 1951, die Bundesrepublik Deutschland Mitglied der UNESCO wurde, Mitglied der Weltgesundheitsorganisation und der Internationalen Arbeitsorganisation. Und im Jahre 1952, wieder ein Jahr später, erhielten wir die Mitgliedschaft beim Entwicklungsprogramm der UN, dem Weltkinderhilfswerk, beim Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, beim Hilfswerk für arabische Flüchtlinge und bei der Weltbank. Bis zum Jahre 1966, also bis zu der Zeit, da hier die Große Koalition begründet wurde, hatte die Bundesrepublik Deutschland die Mitgliedschaft in sämtlichen Sonderorganisationen der Vereinten Nationen,
in der Internationalen Atomenergieorganisation und in den wichtigsten Unterorganisationen erworben.
Die DDR gehörte keinem dieser wichtigen Gremien an, weil die überwiegende Mehrheit der Staaten der rechtsstaatlich geordneten freiheitlichen Bundesrepublik Deutschland, in der sie d e n wichtigen Partner und d e n wahren Vertreter der deutschen Interessen und des deutschen Volkes sah, den Vorzug gab.Herr Kollege Mattick hat gestern früh gehöhnt, wir hätten damals ja den Antrag stellen können, gemeinsam mit der DDR in die UNO aufgenommen zu werden. Aber, Herr Kollege Mattick, ich glaube, mit Bemerkungen dieser Art kann man nicht die Geschichte korrigieren. Ich habe mich zur Vorbereitung noch einmal mit all dem befaßt, was wir zusammen immer wieder zu diesem Thema gesagt haben. Sie hätten uns damals in den 50er und in den 60er Jahren als national nicht ganz zuverlässig bezeichnet und als Leute, die Gesamtdeutschland im Stich ließen und die die gemeinsamen deutschlandpolitischen Beschlüsse verletzten. Das war jene Politik, die wir gemeinsam mit unseren Verbündeten formuliert haben. Wir sollten auch nicht vergessen, daß alle in diesem Hause dankbar und zufrieden waren, wenn es politische Erklärungen gab, die etwa wie die nachfolgende, die ich zitieren will, lauteten:Die Delegation der Vereinigten Staaten, Frankreichs und des Vereinigten Königreiches wiederholen in Erwiderung auf die Bekanntgabe eines Antrags der sogenannten Deutschen Demokratischen Republik auf Aufnahme in die Vereinten Nationen, daß nur die Regierung der Bundesrepublik Deutschland berechtigt ist, als Vertreter des deutschen Volkes in internationalen Angelegenheiten für Deutschland zu sprechen.
Da die sogenannte Deutsche Demokratische Republik kein Staat ist, hat sie überhaupt kein Recht, zu der Organisation der Vereinten Nationen zugelassen zu werden.Meine Damen und Herren, diese Darlegung der westlichen Alliierten stammt vom 3. März 1966. Sie hat damals nicht nur hier, sondern auch in der Öffentlichkeit eine breite Zustimmung gefunden.
Niemand wird abstreiten, daß wir von Anfang an uns durch erhebliche finanzielle Mittel an den UN-Unterorganisationen beteiligten und daß wir gemeinsame friedensfördernde Aktionen unterstützt haben. Allein im Jahrzehnt von 1960 bis 1970 haben wir für die Aufgaben und Zwecke der UN, wenn meine Zusammenstellung richtig ist und ich alle
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 15. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Februar 1973 673
Dr. MarxPosten erfaßt habe, mehr als 2,2 Milliarden DM aufgebracht. Das ist kein geringer Beitrag für ein Land, dem es durch die Haltung der Sowjetunion immer verwehrt blieb, auch Vollmitglied zu werden, das aber die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen, besonders den Gewaltverzicht und die internationale Zusammenarbeit, von Anfang an zum Inhalt seiner Politik gemacht hat.
Uns ist es wichtig, in diesem Zusammenhang auch daran zu erinnern, daß der Beobachterstatus, den die damalige Regierung Adenauer bereits im Jahre 1952 erreichte, zunehmend einer Quasi-Mitgliedschaft entsprach, zumal die Bundesrepublik Deutschland durch ihre erheblichen wirtschaftlichen, finanziellen, ideellen und politischen Beiträge in der sachbezogenen Tätigkeit der UN ein wachsendes Gewicht und ein erhebliches Ansehen gewann.Trotz all dieser Tatsachen war die Sowjetunion nie geneigt, dem demokratischen Deutschland eine Vollmitgliedschaft zuzugestehen, ohne gleichzeitige Aufnahme der von ihr, gegen den Willen der Deutschen, geschaffenen DDR. Es war ihr erklärtes westpolitisches und deutschlandpolitisches Ziel, zwei voneinander getrennte deutsche Staaten in die Vereinten Nationen zu bringen und damit die Anerkennung der DDR in der Staatenwelt durchzusetzen. Dies zeigt, daß die auch gestern hier gehörten Behauptungen, erst der sogenannte Grundvertrag öffne den Weg zum Eintritt der Bundesrepublik in die Vereinten Nationen, irreführend und falsch ist.
Allerdings - natürlich sehen wir, was auf dem Tisch liegt — haben die Festlegungen von Bahr und Kohl außerhalb des Vertrages jetzt eine Koppellung der beiden Problemkreise begründet.
Diese Absprachen neben den Verträgen gehen auf die Durchsetzung der sowjetischen Wünsche im Frühjahr 1970 zurück. Darüber ist gestern sehr ausführlich, z. B. vom Kollegen Mertes, gesprochen worden. Denn obwohl der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung vom späten Herbst 1969 versichert hatte, daß eine völkerrechtliche Anerkennung der DDR nicht in Betracht komme, ließ er zu, daß sein Emissär in Moskau, Egon Bahr, entsprechend den Vorstellungen des sowjetischen Außenministers Gromyko schriftlich die Bereitschaft erklärte — ich zitiere —, „den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik zur Organisation der Vereinten Nationen und zu deren Sonderorganisationen zu fördern".In den 20 Punkten aus dem Frühsommer 1970, die vom Bundeskanzler in Kassel Willi Stoph vorgetragen wurden, wird im letzten Punkt ebenfalls die Aufnahme der beiden Teile in die UNO behandelt. Es wird eindeutig davon gesprochen, daß — ich zitiere wieder — „auf der Grundlage des zwischen ihnen zu vereinbarenden Vertrages" beide Seiten „die notwendigen Vorkehrungen treffen, um ihre Mitgliedschaft und Mitarbeit in internationalen Organisationen zu regeln".Auch in Oreanda auf der Krim hat der Bundeskanzler seinem sowjetischen Gesprächspartner — so zeigt es das Kommunique — versichert, daß er mithelfen wolle, die DDR in die Vereinten Nationen zu bringen.Natürlich hätten wir in früheren Jahren gerne auch als Vollmitglied in der UNO unsere internationale und nationale Arbeit geleistet, aber wir haben, um die Chance der deutschen Einheit dort nicht zu verschütten, damals darauf verzichtet, denn wir hätten wegen des drohenden Vetos der Sowjetunion sonst die gleichzeitige Aufnahme der DDR provoziert. Den heute von der Bundesregierung hergestellten und mit Ost-Berlin abgesprochenen Mechanismus der etwa gleichzeitigen Aufnahme beider Teile Deutschlands als Staaten in die UN hat diese Bundesregierung zu verantworten.Das gleiche gilt für den Grundvertrag. Diesen lehnen wir, wie die Kollegen aus der Fraktion der CDU/CSU gestern deutlich gemacht haben, aus vielen schwerwiegenden Gründen ab. Die überaus spektakuläre und propagandistische Art, mit der die Regierung die Gespräche und Verhandlungen, die Paraphierung und dann auch die Unterzeichnung des Grundvertrages vorbereitet und begleitet hat, hat bereits, vor allen Dingen auf dem Felde der Psychologie, Wirkungen ausgelöst, die eine ganz erhebliche Aufwertung der DDR bedeutet haben, die eine Welle der Anerkennungen und die rasch aufeinanderfolgende Etablierung von vielen Botschaften, darunter von Botschaften unserer Verbündeten, in Ost-Berlin mit sich brachten und bringen. Inzwischen hat die DDR sogar den Beobachterstatus erhalten. Sie ist in die UNESCO aufgenommen worden. Es ist daher unser Überzeugung nach nicht damit zu rechnen, daß eine Ablehnung der UN-Aufnahme vorlorengegebene Positionen in der Deutschlandpolitik zurückgewinnen ließe. Im übrigen hat der sogenannte Grundvertrag bereits neue Fakten geschaffen. Wir wissen, daß wir bei unserer künftigen politischen Überlegung und Handlung diese von uns so nicht gewollten Fakten natürlich nicht unberücksichtigt lassen können. Ich füge hinzu, daß zu diesen Überlegungen und diesem Handeln unsere Einstellung zu dem vorliegenden Entwurf gehört. Wir lassen uns aber auch in Zukunft — ich füge hinzu: natürlich unter ungleich schwereren Bedingungen — nicht davon abhalten, unsere Politik, die auf mehr Freiheit und Freizügigkeit, auf mehr Verwirklichung der Menschenrechte und auf mehr Selbstbestimmung der Menschen auch im anderen Teile Deutschlands gerichtet ist, fortzusetzen.
Wir sind grundsätzlich für eine Aufnahme der Bundesrepublik Deutschland in die Vereinten Nationen, wollen aber einige äußerst wichtige Probleme rechtzeitig geklärt wissen, Probleme, die merkwürdigerweise in der — ich bitte mir das zu erlauben — inhaltsarmen Denkschrift der Bundesregierung zu dem vorliegenden Entwurf gar nicht angesprochen sind. In dieser Denkschrift versichert die Bundesregierung, daß sie als vollberechtigtes Mitglied der Vereinten Nationen neben anderem — ich zitiere —
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674 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 15. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Februar 1973
Dr. Marxder Verwirklichung der Menschenrechte und des Selbstbestimmungsrechts, ... besondere Beachtung schenkenwolle. Diese Formel gibt nicht viel für die Vorstellung her, was die Bundesregierung künftig und konkret, und zwar auch und vor allem für die Menschen drüben leisten will. Im übrigen: Sie bleibt durch das Grundgesetz verpflichtet und wird zusätzlich als UN- Mitglied verpflichtet, für die Menschenrechte, für die Selbstbestimmung aktiv einzutreten. Ich weiß, daß man nicht passiv eintreten kann. Aber wir haben gewisse Beispiele auch passiven Eintretens erlebt. Deshalb sage ich: aktiv eintreten.
Bitte bedauern Sie, schelten Sie nicht unsere Hartnäckigkeit; aber was ich jetzt sage, ist hervorgerufen durch einen, wie ich meine, unglaublichen Satz des Kollegen Bahr in seiner gestrigen Rede, einer Rede übrigens, deren Wertneutralität uns sehr befremdet hat und auf die wir noch bei anderer Gelegenheit zurückkommen müssen. Minister Bahr sagte, wenn ich das richtig mitgeschrieben habe, es müsse damit gerechnet werden, daß an der Grenze in Deutschland auch künftig geschossen werde, solange die Feindseligkeit anhalte. Was heißt das? Wessen Feindseligkeit? Ich glaube, wir haben hier ein neues Beispiel für eine unklare Sprache und für die Verwischung der Wirklichkeit.Ich sage Ihnen: Es wäre für niemanden in der Welt zu verstehen, wenn wir bereit wären, dem anderen, dem kommunistischen Deutschland, den Weg in die Organisation der Staatengemeinschaft ohne weiteres freizugeben, obwohl immer noch mitten in unserem Land trotz aller Beteuerungen und Beschwörungen, trotz aller Behauptungen, daß Grundvertrag und UN-Aufnahme als großartige Signale für die Entspannung zu werten seien, auf unsere deutschen Landsleute geschossen wird.
Wir sagen das ja nicht, weil uns das irgendein oppositionelles Vergnügen macht, sondern weil es uns immer auf das tiefste betrifft, wenn wir auf der einen Seite hören, daß war Schritt um Schritt die Entspannung erreichen, und dann lesen, daß wieder einer gezielt oder automatisch zusammengeschossen und wegtransportiert wurde. Ich bitte, das doch zu sehen. Und wir müssen das für die anderen, drüben, auch sagen, damit sie wissen, was der Akt, von dem wir jetzt sprechen, bedeutet. Denn zum Gewaltverzicht gehören eben nicht nur geschickte Formeln, sondern — wenn Worte die Wirklichkeit meinen sollen — Verzicht auf Androhung und Anwendung von Gewalt.
Herr Bundeskanzler, ich werfe namens der Fraktion der CDU/CSU jetzt einige Fragen auf, deren Beantwortung hier natürlich im einzelnen in den Ausschüssen unsere Haltung und Zustimmung bestimmen wird.Erstens. Besonders wichtig ist es für die CDU/CSU zu wissen, ob die Bundesregierung bereit ist, ihre Beitrittserklärung zu den Vereinten Nationen mit konkreten Inhalten zu füllen und durch ausdrücklichen Vorbehalt klarzumachen, daß der Beitritt der DDR in die UN und unser eigenes Wirken dort keine völkerrechtliche Anerkennung des anderen Staates bedeutet.
Ich muß hier noch eine kritische Bemerkung machen. Den Entwurf der Beitrittserklärung dem Deutschen Bundestag jetzt nicht vorzulegen, ist für meinen Begriff ein starkes Stück. Ich frage mich, ob der Text vorher mit wem abgesprochen worden ist und ob er uns erst dann als eine vollendete Tatsache zur Kenntnis gebracht wird, getreu, Herr Kollege Bahr, der merkwürdigen und für mich sehr deprimierenden Devise, die Sie in Ihrer Jungfernrede dargelegt haben und die uns für einen Augenblick Einblick in Ihr Denken und in Ihre politischen Wertvorstellungen erlaubte.
Es ist für die Fraktion der CDU/CSU eine Zumutung, hier zu diskutieren, wenn die Beitrittserklärung der Regierung nicht vorliegt. Denn ich glaube, die besondere Bedeutung eines solchen Textes wird niemand leugnen und niemand verkennen wollen. Unsere Forderung, unsere Bitte ist also, daß wir diese Beitrittserklärung rasch sehen und prüfen und uns zu ihr dann äußern können.
Zweitens. Wir fordern die Bundesregierung auf, für die Wahrung der Menschenrechte in der DDR mit allem Nachdruck einzutreten. Meine Damen und Herren, der andere Staat in Deutschland will in die UN. In der Charta der Vereinten Nationen — Art. 1, Abs. 3 — steht wörtlich, daßdie Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten für alle ... zu fördern und zu festigensei. Alle Mitglieder der Vereinten Nationen sind in Art. 2 Abs. 2 aufgefordert, die ihnen „aus der Mitgliedschaft erwachsenden Rechte und Vorteile zu sichern" und „die Verpflichtungen, die sie mit dieser Charta übernehmen", „nach Treu und Glauben" zu erfüllen.Kaum jemand in unserem Land weiß, daß die UN- Menschenrechtskonventionen vom 16. Dezember 1966 von der DDR immer noch nicht unterzeichnet sind. Ein Staat aber, der Mitglied der UN nur dadurch werden kann, daß die Bundesrepublik zur gleichen Zeit die Mitgliedschaft erwirbt, muß, wenn nicht der Vorgang als ein Akt des Zynismus verstanden werden soll,
die Forderungen der Menschenrechtskonventionen in vollem Sinne erfüllen. Und unser Land — das ist unsere Pflicht — muß ihm dabei, wenn die Dinge schon so gekoppelt werden, nachdrücklich helfen.
Herr Bundeskanzler, ich denke, daß wir Sie auch auffordern sollten, jetzt, nachdem seit der Unter-
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 15. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Februar 1973 675
Dr. Marxzeichnung der Konvention - in Ihrer Regierungszeit, Herr Kollege Kiesinger — rund fünf Jahre vergangen sind, das Ratifikationsgesetz möglichst umgehend diesem Hause vorzulegen. Sie, die Bundesregierung, soll dann die in diesen Menschenrechtskonventionen vorgesehene Einsetzung eines Untersuchungsausschusses der Vereinten Nationen verlangen, damit dieser die Anwendung der Menschenrechte in Deutschland prüfen und darüber der Weltöffentlichkeit einen Bericht vorlegen kann.
Ich frage also drittens die Bundesregierung, ob sie bereit ist, dem zu folgen. Denn wir, meine Damen und Herren, sehen in solchem konkreten Handeln und nicht nur im Formulieren allgemeiner Prinzipien reale Möglichkeiten für die Erhaltung und für die Verwirklichung unveräußerlicher Menschenrechte auch für die anderen, die jenseits der Demarkationslinie leben.An dieser Stelle möchte ich gern daran erinnern, daß es einen ähnlichen Ausschuß der Vereinten Nationen bereits früher einmal gab und daß die DDR mit der Art, wie sie ihn behandelte, ihre Verachtung vor dem erklärten Willen der Vereinten Nationen zeigte.Ich darf dazu einen ganz kurzen historischen Exkurs machen. Auf Anregung der ersten Regierung Adenauer und auf Antrag unserer westlichen Hauptverbündeten wurde jener Untersuchungsausschuß damals nach Deutschland geschickt. Er war in der Vollversammlung der Vereinten Nationen vom 20. Dezember 1951 mit 45 gegen 6 Stimmen bei 8 Enthaltungen beschlossen worden. Seine Aufgabe war es, die Voraussetzungen für die Abhaltung freier Wahlen im ganzen Lande zu prüfen.Diese Kommission der Vereinten Nationen konnte in der Bundesrepublik und in West-Berlin ungehindert ihre Tätigkeit ausüben. Es waren damals, um dies zu erreichen, Herr von Brentano und Herr Reuter — also Vertreter aus beiden großen Parteien — zur Vorbereitung in New York. Ich sagte: der Ausschuß konnte hier seine Tätigkeit ganz unbeirrt ausüben. Der Zutritt in die DDR aber wurde ihm von der Ostseite verwehrt. Die Ostberliner Regierung weigerte sich — es gibt darüber eine Rede von Herrn Grotewohl —, den UN-Beschluß überhaupt anzuerkennen. Der sowjetische Delegierte bei den Vereinten Nationen Wyschinskij sah in ihm ein „Mißtrauen" gegenüber dem deutschen Volk, und der fügte hinzu, daß man dieses nicht ähnlich behandeln könne „wie so rückständige Kolonialvölker in Tunesien und Marokko".
Es verdient, meine Damen und Herren, festgehalten zu werden, daß der damalige Chef der sowjetischen Kontrollkommission in Ost-Berlin auf die Schreiben der UN-Delegierten, Schreiben, in denen sie die Möglichkeit erwirken wollten, in die DDR einreisen zu dürfen, und zwar Schreiben vom 22. Februar, 10. März, 26. März und 9. April 1952, überhaupt nicht antwortete und daß die UN-Kommission, nachdem sie dann den Vereinten Nationen einen resignierenden Bericht vorgelegt hatte, sicham 5. August 1952 auf unbestimmte Zeit vertagte.Ich frage viertens die Bundesregierung, ob sie bereit ist, beim Beitritt eine Vorbehaltserklärung bezüglich der Rechte und Verantwortlichkeiten der Vier Mächte für Deutschland als Ganzes und für Berlin abzugeben. Wir gehen davon aus, daß auch der Friedensvertragsvorbehalt in gehöriger Weise niedergelegt wird.Wir wollen fünftens wissen, ob die Bundesregierung zweifelsfrei sicherstellt, daß die Bundesrepublik Deutschland das Land Berlin in der UN vertritt,
soweit natürlich die Rechte und Verantwortlichkeiten der alliierten Behörden in Übereinstimmung mit dem Viermächteabkommen über Berlin nicht berührt werden.
— Herr Mattick, es geht mir nicht um das Einbringungsgesetz, sondern es geht mir um die Vertretung des Landes Berlin, wobei ich nicht „Berlin , das wir auch Land Berlin nennen", sage, sondern ich halte mich an das, was uns die Verfassung aufträgt, und sage ausdrücklich „Land Berlin".
Ich frage sechstens, ob die Bundesregierung bereit ist, darauf hinzuwirken, daß eine eindeutige Feststellung über die Nicht-mehr-Geltendmachung der sogenannten Feindstaatenartikel 53 und 107 der Charta der Vereinten Nationen erfolgt, daß also, um es anders auszudrücken, die Bundesrepublik Deutschland durch die Aufnahme in die UN die Qualität eines Feindstaates verliert.
Wir haben hier in diesem Hohen Hause, vor allem im Zusammenhang mit dem Atomwaffensperrvertrag, oft über diese für uns Deutsche wichtige Frage gesprochen. Ich will diese sehr vielschichtige Diskussion nicht neu beleben. Aber die Bundesregierung hat uns als Anlage zum Gesetzentwurf die Charta im Wortlaut zugestellt, und dort finden wir die beiden genannten Artikel, durch deren Weitergeltung wir ein Staat minderen Rechts in den Vereinten Nationen sein würden, ein Staat, der von militärischer Intervention bedroht werden kann, ohne daß er sich an dieselben Vereinten Nationen um Hilfe wenden könnte. Für uns war es erstaunlich, Herr Bundeskanzler, daß die Bundesregierung hierzu keinerlei Fußnoten, keinerlei Anmerkung, etwa die Wiederholung Ihrer früheren Darlegungen, dies alles sei obsolet, hier und jetzt angebracht hat. Das wäre wichtig gewesen. Wir intervenieren bei diesem Punkt deshalb, weil wir einen diskriminierenden Status für unser Land nicht hinnehmen werden.
Meine Damen und Herren, diese hier aufgeworfenen sechs Fragen — ich sagte es bereits und wiederhole es — sind für uns besonders wichtig.
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676 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 15. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Februar 1973
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Wehner?
Gerne, Frau Präsidentin!
Herr Dr. Marx, würden Sie bei dieser Gelegenheit und nach der soeben beendeten Passage die Freundlichkeit haben, darauf aufmerksam zu machen, daß diese Bestimmungen, die Sie so bezeichnen, wie Sie es gerade getan haben, aus der Kriegszeit stammen und andere Staaten, die damals auch nicht zu der Allianz gehörten, die gegen Hitler und andere gekämpft haben, ebenso betrifft wie uns, die längst Mitglieder sind, und daß eine Änderung der Satzung, die ich genauso wünschte wie Sie, die alle diese Staaten betreffen müßte, doch wohl aus anderen Gründen und nicht unserer oder Ihrer Gründe wegen bisher unterblieben ist.
Herr Kollege Wehner, ich danke für die Frage, weil sie mir Gelegenheit gibt, in aller Ruhe — ich denke, wir sind uns zumindest darüber einig — folgendes zu sagen.
Natürlich wissen wir, daß, wenn irgend jemand eine völlige Änderung, Streichung oder ganze Neuformulierung dieser oder jener Passage in der Charta wünscht, 50 oder 60 andere Forderungen hinsichtlich anderer Passagen angemeldet werden und daß man dies natürlich nicht will. Ich habe aus diesem Grunde ja auch dahin gehend formuliert, daß wir wünschen, die Regierung würde eindeutig die Nichtgeltendmachung der sogenannten Feindstaaten-Artikel feststellen und eine Formulierung vorlegen, aus der eindeutig und zweifelsfrei hervorgeht, daß die Bundesrepublik Deutschland, wenn sie in die Vereinten Nationen eintritt, damit die Qualität als Feindstaat verliert.
Und eine zweite Bemerkung als Antwort auf Ihre Frage, Herr Wehner. Natürlich gibt es auch andere Staaten, die damals gegen das, was sich Anti-HitlerKoalition nannte, im Kriege waren und heute Mitglieder der Vereinten Nationen sind. Sie wissen genausogut wie ich, daß z. B. die Japaner gewisse Vorstellungen entwickelt haben, auch darauf hinzuwirken, daß ihnen deutlich gesagt wird: Jetzt seid ihr Mitglieder dieser großen Völkergemeinschaft, und die Vorbehalte aus Artikel 53 und 107 gelten nicht mehr, weil soviel Zeit vergangen ist, weil es ganz neue geschichtliche Tatbestände gibt, weil euer demokratisches Verhalten vor der ganzen Welt nicht mehr bezweifelt werden kann und weil ihr auch soviel für den Gedanken der Vereinten Nationen geleistet habt. Das möchte ich mit dieser Frage, die uns alle berührt und die nicht Gegenstand parteipolitischer Auseinandersetzungen sein soll, erreichen, und ich denke, nicht nur ich, nicht nur diese Fraktion, sondern auch, so hoffe ich doch, dieses ganze Haus.
Herr Kollege, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?
Wenn die dafür notwendige Zeit, Frau Präsidentin, nicht von meiner Redezeit abgezogen wird, ja.
Herr Kollege Marx, ist Ihnen nicht bekannt, daß oberstes Prinzip der Vereinten Nationen der Gleichheitsgrundsatz der Staaten ist, die Mitglieder der Vereinten Nationen sind, und daß die Artikel 53 und 107 ein Ausnahmerecht darstellen und daß folglich durch den Eintritt der Bundesrepublik in die Vereinten Nationen dieses Ausnahmerecht außer Kraft gesetzt wird?
Dies ist auch Auffassung in der völkerrechtlichen Lehre.
Herr Kollege Geßner, ich darf wohl sagen, daß ich mich wirklich darum bemüht habe, dieses Problem auch aus völkerrechtlicher Sicht zu beleuchten. In der Völkerlehre gibt es zu dem Problem, wer z. B. auf Grund der Artikel 53 und 107 eingreifen könnte, sehr viele verschiedene Meinungen, wie das auch hinsichtlich vieler anderer Probleme in dieser Disziplin fast immer der Fall ist. Deckungsgleiche Meinungen gibt es nicht. Aber ich möchte Ihre Frage gern noch einmal zum Anlaß für die Begründung unserer Forderungen nehmen. Wenn dies nämlich alles so ist, wie Sie sagen, frage ich Sie: Warum wird es denn nicht endlich aktenkundig gemacht?
Warum nicht? Sie haben sicher gemerkt, daß ich gefragt habe, warum die Regierung, wenn sie uns die Charta im Wortlaut zuleitet was natürlich richtig und wichtig ist —, nicht zumindest eine Anmerkung bei den Artikeln macht und sagt: Dies ist, darüber sind wir mit den anderen einig — jetzt übernehme ich eine Formel der Regierung —, obsolet. Aber nicht einmal das steht drin. Sie können von uns nicht erwarten, daß wir darüber zur Tagesordnung übergehen.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Mertes?
Bitte sehr.
Herr Kollege Marx, sind Sie bereit, die Herren Kollegen Wehner und Geßner daran zu erinnern, daß die Bundesrepublik Deutschland der einzige ehemalige Feindstaat ist, von dem die Sowjetunion sagt, seine politische Zielsetzung erfülle den Tatbestand der aggressiven Politik im Sinne des Art. 53?
Dann möchte ich Sie, Herr Kollege Schäfer, an die Noten der Sowjetunion aus den Jahren 1967 und 1968 erinnern, die Sie genauso gut kennen wie ich, in denen die Fortsetzung einer Politik, die auf die Wiedervereinigung dieses Lan-
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 15. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Februar 1973 677
Dr. Marxdes gerichtet ist, als eine aggressive Politik bezeichnet wird. Ich habe vorhin Herrn Wyschinskyj genannt. Natürlich kann man nachlesen, daß er sich damals unter ausdrücklichem Hinweis auf Art. 107 gegen eine UN-Delegation in Deutschland gewandt hat. Wir wollen uns bitte, wenn es möglich ist, darüber nicht streiten, sondern versuchen, etwas, von dem ich glaube, daß es staatspolitisch notwendig ist, gemeinsam zu fordern. Je deutlicher dieses Haus sich bei einer solchen Thematik findet, desto größer wird die Wirkung sein, die wir bei unseren Freunden, bei den Neutralen und bei denjenigen brauchen, um deren Mitarbeit wir werben und von denen um unsere Mitarbeit geworben wird. Das ist der Sinn der Sache.
Gestatten Sie noch eine Frage des Herrn Abgeordneten Hirsch?
Bitte schön.
Herr Kollege Marx, Sie haben .Japan genannt. Ist Ihnen bekannt, daß es auch andere — europäische - sogenannte Feindstaaten gegeben hat, die inzwischen Mitglied der Vereinten Nationen sind, und wären Sie so liebenswürdig, in Ihren Ausführungen nun gleich darzustellen, wie diese, z. B. Italien, das von Ihnen diskutierte Scheinproblem gelöst haben?
Dr. Marx : Verzeihung, ich habe vorhin bereits darauf hingewiesen. Aber, verehrter Herr Kollege, was wir nun hier tun — und Herr Mertes hat eben auf die ausdrückliche Verschärfung und Verdeutlichung hingewiesen, die gerade uns, die Bundesrepublik Deutschland, anlangt —, ist unsere Sache, ist unsere Aufgabe. Natürlich könnte man auch das Thema Ungarn, das Thema Rumänien usw. nehmen. Es gab hier einmal eine Debatte mit dem Herrn Kollegen Ehmke, in dieser Sache. Das wollen wir doch alle, wie ich vorhin sagte, nicht wiederholen. Aber sie befinden sich doch in einem noch anderen Zustand als wir. Die sind von keinem der westlichen Staaten unter Berufung auf die Art. 53 und 107 bedroht worden, aber wir, dieses Land; und hier ist sein Parlament, und hier muß über diese Frage — ich hoffe doch, auch mit Ihrer Zustimmung, mit Ihrem politischen Engagement — in der Weise gesprochen werden, -wie ich es versucht habe.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Frage des Herrn Abgeordneten Wehner?
Herrn Wehner kann ich eine Frage nicht verwehren. Bitte sehr.
Ich bitte Sie um Entschuldigung; ich bin auch bereit, Herrn Dr. Marx, Ihnen das, was ich fragen will, schriftlich zu geben, weil ich mich, gerade um diesen Punkt klären zu helfen, wenn er klärbar ist, auf jene interessante Einleitung berufen möchte, die Herr Dr. Wilhelm Grewe zu dem Buch „Die Satzung der Vereinten Nationen", herausgekommen 1948 in der zweiten Auflage, gegeben hat, wo deutlich gemacht wird, daß es sich um etwas handelt, das keineswegs uns allein betrifft, sondern das aus dem Entstehen der United Nations und aus ihrem Unterschied zum Völkerbund der vorigen Zeit zu erörtern ist. Es • führt jetzt sicher zu weit, wenn ich Sie so lange unterbreche, um Ihnen diesen kleinen Absatz vorzulegen. Aber Sie sollten mindestens bei den Ausschußberatungen — und das ist meine Frage, ob Sie dazu bereit sind; Sie kennen es sicher – diesen Dingen auch Ihre Aufmerksamkeit zuwenden, Oder halten Sie das für überholt?
Herr Kollege Wehner, wir werden natürlich all diesen Überlegungen nicht nur jetzt, sondern auch in den Ausschüsen den entsprechenden Raum öffnen. Das ist ganz klar. Wir versuchen doch nicht, eine einseitige Überlegung vorzutragen. Aber ich bitte Sie doch, wenn sie Herrn Grewe mit dem Vorwort aus dem Jahr 1948 zitieren, folgendes zu bedenken. Ich habe eben darauf hingewiesen, daß im Jahre 1951 von Wyschinskyj trotz dieses Vorwortes -- ob er es kannte oder nicht, weiß ich nicht interveniert worden ist.
Um was es uns geht, darf ich noch einmal mit aller Klarheit deutlich machen. Wir haben bei der Diskussion um den Atomwaffensperrvertrag erlebt, was etwa die Sowjetunion und was unsere westlichen Verbündeten gesagt haben. Das war überhaupt nicht deckungsgleich. Die Amerikaner waren sogar veranlaßt, zu sagen, daß eine einseitig von der Sowjetunion in Anspruch genommene Berufung auf diesen Artikel eine ganz schlimme Entwicklung mit sich brächte. Ich erinnere an den damaligen Sprecher des Weißen Hauses, der sogar gesagt hat, dies wäre der Casus belli. Meine Damen und Herren, das sind doch Äußerungen, die wir zur Kenntnis nehmen und aus denen wir für uns Folgerungen ziehen müssen.
Ich weise noch einmal darauf hin: Ich habe hier nicht eine Forderung mit dem Ton der Unbedingtheit und der schroffen Endgültigkeit gestellt, sondern meine Bitte ist — und ich wiederhole das —, daß dieses Haus und die Regierung darauf hinwirken, daß einwandfrei feststeht, daß die weitere Geltendmachung dieser Artikel nicht mehr in Frage kommt und daß unser Land — und für dieses haben wir hier zu sprechen — die Qualität — wenn ich diesen etwas schillernden Ausdruck verwenden kann als Feindstaat, sobald es in die UN eintritt, verliert. Darum geht es mir.
Gestatten Sie noch eine Frage des Herrn Abgeordneten Wehner?
Bitte, Herr Wehner!
Herr Dr. Marx, wären Sie bereit, in Aussicht zu nehmen, den Sekretär der Kommission der Vereinten Nationen, die Sie jetzt wieder-
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678 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 15. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Februar 1973
Wehnerholt erwähnt haben, einmal einzuladen, um sich möglicherweise für die Ausschußberatungen auch darüber unterrichten zu lassen,
daß damals zu meinem Bedauern — das ist seinerzeit mein Bedauern gewesen — ein Antrag der Schweden in den Vereinten Nationen leider keine Unterstützung fand, der uns eigentlich behilflich sein wollte, weil er die Tatsache der besonderen Verantwortlichkeit der Vier Mächte für Deutschland zum Ausgangspunkt dafür nahm, den Auftrag dieser Kommission mit einer Forderung an die Vier Mächte zu verquicken, den United Nations einen Bericht vorzulegen? Das würde jetzt zu weit führen, aber das gehört mit zur Erforschung der Unterschiedlichkeit. Ich sage Ihnen das und frage Sie. Ich könnte Ihnen behilflich sein; seit der Zeit ist der Sekretär mein persönlicher Freund — ich habe mich damals darum gekümmert — und ist es geblieben.
Meine Damen und Herren, ich möchte gern dem Kollegen Wehner auf den ersten Teil seiner Frage anworten: Es könnte uns in dieser wichtigen und in anderen wichtigen Fragen — uns allen — nichts gelegener kommen als die Chance, den Sekretär oder den Generalsekretär der Vereinten Nationen dazu zu hören. Ich würde dies für eine wichtige und begrüßenswerte Sache halten.
Zum zweiten Teil der Frage: Wenn dies möglich wäre, könnte natürlich auf den damaligen Antrag Schwedens, vielleicht — das möchte ich gern hinzufügen — dann auch auf vieles andere eingegangen werden, was im Laufe der Jahre in den Vereinten Nationen in Beschäftigung mit dem deutschen Problem gesagt worden ist. Das ist alles schon Geschichte geworden, aber manchmal wirkt die Geschichte noch sehr lebendig fort. Ich würde dies, wenn es eine der möglichen Entwicklungen aus unserer Intervention hier wäre, sehr begrüßen. I c h sehe, wenn Sie mir erlauben, das zu sagen, Herr Wehner, an der Ernsthaftigkeit und Gründlichkeit und auch am Ton dessen, was hier gefragt worden ist — „ich hoffe, Sie antworten mir" —, und S i e entnehmen dem Ton der A n t w o r t, die ich zu geben versuchte, daß wir uns in dieser Sache gemeinsam bemühen wollen.
Frau Präsidentin, ich muß bitten, mir das nicht auf meine Redezeit anzurechnen. — Ich denke, daß ich es in fünf Minuten vollends geschafft habe.
Die eben von mir aufgeworfenen sechs Fragen sind — und deshalb sind sie so formuliert worden — für uns besonders wichtig. Von der Bereitschaft und Tätigkeit der Bundesregierung, diese Fragen in einem für alle Deutsche förderlichen Sinne zu behandeln, hängt es ab — ich wiederhole das —, wie wir uns endgültig einlassen werden.
Einige weitere Vorstellungen und Wünsche, wie ich sagen möchte, von denen ich gar nicht glauben kann, daß sie zwischen uns zu Kontroversen führen werden, füge ich hier an:
1. Die Bundesregierung sollte uns ihr nachdrückliches Bemühen um einen Sitz der Bundesrepublik Deutschland im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zusichern.
2. Wir fordern die Bundesregierung auf, sich um die Einführung der deutschen Sprache in den Vereinten Nationen zu bemühen. Ich muß nicht darauf aufmerksam machen, daß es da bereits einige Präjudizier in Unterorganisationen gibt.
3. Wir erwarten die Bereitschaft der Bundesregierung, sich um eine angemessene Vertretung der Bundesrepublik Deutschland — übrigens auch als einer der fünf wichtigsten Beitragszahler — in allen besonderen Gremien der UN zu bewerben und einen angemessenen deutschen Anteil im ständigen Stab der UN in Zukunft zu haben.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß und fasse zusammen:
1. Die Debatte des gestrigen Tages hat deutlich gemacht: Die Fraktion der CDU/CSU stimmt dem sogenannten Grundvertrag nicht zu.
2. Dem Antrag auf Aufnahme in die UN stimmen wir in Verfolg unserer seit 1950 praktizierten Haltung dann zu, wenn einige uns besonders wichtige politische und auch in den moralischen Bereich hineingehende Fragen positiv geklärt werden.
3. Wir fordern die Bundesregierung auf, alles in ihren Kräften Stehende zu tun, damit ein Beitritt zu den Vereinten Nationen in der Welt nicht als Siegel verstanden werde, das die Deutschen selbst auf die ihnen von außen auferlegte Spaltung drücken, damit die Menschen in der DDR nicht jede Hoffnung auf eine Besserung ihrer Lebensqualität und nicht jede Chance verlieren, eines Tages mehr Freiheit und mehr praktiziertes Recht zu haben, und damit wir — wir alle hier, meine Damen und Herren —, wenn man uns eines späteren Tages fragen wird, was wir heute für die Menschen getan haben, eine offene Antwort geben können. Die Geschichte wird, davon bin ich überzeugt, dies, was wir hier, auch bei der eben behandelten Frage tun, genau prüfen, und sie wird uns wägen und wiegen.
Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär Moersch.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Dr. Marx hat eine Reihe von Fragen angeschnitten, auf die ich im Verlauf meiner Darlegungen in der in diesem Plenum gebotenen Weise eingehen möchte. Es gibt darunter, Herr Dr. Marx, einige Fragen — die Frage des Sicherheitsrates, die Frage der deutschen Sprache und andere —, bei denen wir sicherlich in den Ausschüssen das Für und Wider erörtern müßten, und möglicherweise werden dann aus Ihren Fragen einige gegenstandslose Folgerungen zu ziehen sein.
Die Frage der Bereitschaft zur Gewährung eines angemessenen Anteils an deutscher Besetzung ist
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Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 15. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Februar 1973 679
Parl. Staatssekretär Moerschvöllig unumstritten. Ich hatte Gelegenheit, in der vergangenen Woche in New York mit dem amtierenden Stellvertretenden Generalsekretär auch diese Frage zu erörtern. Sie dürfen davon ausgehen, daß eine große Bereitschaft besteht, diese angemessene Vertretung, auch im Ständigen Sekretariat, zu gewähren. Das setzt natürlich ein Angebot unsererseits an Personen voraus, das den Anforderungen dort entspricht. Ich bin sicher, wir werden hier helfen können. Ich darf nur bemerken: es ist in der Bundesrepublik Deutschland z. B. beklagt worden, daß wir nicht überall in den Sonderorganisationen angemessen vertreten seien; bei näherer Nachprüfung hat sich dann herausgestellt, daß bestimmte Qualifikationen eben von unserer Seite nicht angeboten worden sind, nicht zuletzt deswegen, weil auch deutsche Behörden egoistisch genug sind, ihre wirklich qualifizierten Leute nicht gern in solche Organisationen abzustellen.Die anderen Fragen darf ich zum Teil beantworten, ohne jede Schärfe, aber doch mit Klarheit.Die Zwischenfrage von Herrn Dr. Mertes hat den Eindruck erweckt, als ob sich seit dem Jahre 1968, seit der letzten sowjetischen Note, in der ein solcher Terminus, wie Sie, Herr Dr. Mertes, ihn benutzt haben, vorgekommen war, nichts geändert habe. Darf ich die verehrten Vertreter der Opposition darauf aufmerksam machen, daß die entscheidende Änderung seither der deutsch-sowjetische Vertrag ist, und eben dieser hat die Voraussetzung dafür geschaffen, daß diese Befürchtungen, die Sie geäußert haben, nicht mehr gegeben sind.
Es wäre in der Logik der Sache, wenn Sie von sich aus das einmal respektieren wollten.
— Wir sprechen gern darüber, Herr Dr. Mertes; wir haben auch schon darüber gesprochen. Aber die Tatsachen sind auch hier auf unserer Seite — die beweisbaren Tatsachen.
— Herr Dr. Marx, die eigentliche Frage ist, ob Sie einen Beweis als solchen anerkennen. Es gibt objektive Tatsachen und subjektive Empfindungen, und ich habe wiederholt erlebt, daß es auch Mitglieder in diesem Hause gibt, die ungern von ihren eigenen Vorurteilen in diesem Zusammenhang Abschied nehmen.
Ich darf aber noch einmal sagen, Herr Dr. Marx: Beide Vorgänge, der Abschluß des Grundvertrages mit der DDR und der Beitritt beider deutschen Staaten zu den Vereinten Nationen, stellen — das bitte ich bei der Bewertung auch in Ihrer Fraktion noch einmal sehr gründlich zu beachten — maßgebliche Schritte im Rahmen der Politik dieser Bundesregierung dar, die darauf gerichtet ist, der allgemeinen politischen Entspannung zu dienen und insbesondere die Entkrampfung des Verhältnisses zur DDR zu fördern.Ich glaube, ich habe damit einen Teil Ihrer Einlassung beantwortet und dargelegt, warum wir auch von uns aus die Zulassung der DDR zu den Vereinten Nationen als gegeben anzusehen haben, und ich möchte nicht versäumen, hier hinzuzufügen — das sage ich nun als ein Vertreter meiner Partei ausdrücklich für mich —, daß der Eindruck falsch ist, der erweckt wird, daß etwa bei den Besprechungen unseres Kollegen Bahr in Moskau im Jahre 1970 die Frage der Aufnahme beider deutscher Staaten in die Vereinten Nationen sozusagen erfunden worden wäre. Ich darf ausdrücklich darauf verweisen, daß die FDP als Opposition dies in ihrer Wahlkampfplattform für 1969 in Nürnberg als ein wesentliches Mittel einer Politik der Entspannung bezeichnet hat und daß wir Freien Demokraten diese Politik initiiert und hier auch aus voller Überzeugung zu vertreten haben.Es ist die Politik der Bundesregierung insgesamt. Es darf nicht der Eindruck bestehen bleiben, daß hier sozusagen ein einzelner eine Entscheidung dieser Art getroffen habe. Davon kann überhaupt keine Rede sein, sondern diese Entscheidung liegt in der Logik einer Entspannungspolitik, einer Modus-vivendi-Politik, die allerdings von seiten der Opposition nicht so gesehen worden ist; ich habe es jedenfalls bisher nicht bemerkt.Der Beitritt der Bundesrepublik Deutschland und der DDR zu den Vereinten Nationen steht also — ich sage es noch einmal betont — in einem engen politischen Zusammenhang mit der Politik der Entspannung in Europa und — das ist gerade für die betroffenen Menschen besonders wichtig — insbesondere im Zusammenhang mit der Entkrampfung des Verhältnisses zwischen den beiden deutschen Staaten.Herr Dr. Marx, schon in der Regierungserklärung dieser sozialliberalen Koalition Brandt/Scheel vom 28. Oktober 1969 ist die Absicht bekundet worden, in den Vereinten Nationen und anderen internationalen Organisationen verstärkt mitzuarbeiten. Der von Ihnen erwähnte Punkt 20 der Kasseler Erklärung ist eine Konsequenz aus dieser Erklärung. Es ist also nicht etwas, was uns etwa von anderer Seite oktroyiert worden wäre, sondern eine Entscheidung, die wir aus voller politischer Überzeugung und nach langem Nachdenken über die Fehler der Vergangenheit getroffen haben, ein Denkprozeß, der bei uns nach dem Bau der Mauer im Jahre 1961 vehement eingesetzt hat und der dann schon im März 1962 zu entsprechenden Denkschriften meines Freundes Schollwer geführt hat, die mit einigen Überlegungen von Egon Bahr aus dieser Zeit korrespondieren.Die Bundesregierung hat ihr Ziel, nach einem Grundvertrag mit der DDR den Beitritt zu den Vereinten Nationen anzustreben, bereits — auch das ist eine Antwort auf Ihre Fragen — in einem frühen Stadium mit unseren drei Hauptverbündeten abgestimmt. Alle Einzelentscheidungen von gemeinsamem Interesse, die in Verfolgung dieses Ziels zu treffen waren, sind mit den drei Hauptverbün-
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680 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 15. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Februar 1973
Parl. Staatssekretär MoerschBeten in intensiver Arbeit auf allen Ebenen konsultiert worden. Wir haben Alleingänge vermieden und werden auch im Fall des UN-Beitritts unser Ziel auf der Basis der westlichen Solidarität erreichen. Eine Abstimmung erfolgte auch mit der Sowjetunion. Das lag nahe; denn bisher haben ihre Willenserklärungen in diesem Punkt immer dort ihr Ende gefunden, wo die Vetomöglichkeit einer der Vier Mächte gegeben war.Schon der Grundvertrag beweist, daß von der Bestätigung der Teilung Deutschlands nicht die Rede sein kann; denn in der Präambel dazu ist klar gesagt, daß eine Einigung in der nationalen Frage nicht möglich war. Überdies hat die Bundesregierung die Westmächte bereits in einem frühen Stadium gebeten, zusammen mit der Sowjetunion die Rechte und Verantwortlichkeiten, die alle Vier Mächte für Deutschland als Ganzes haben, aus Anlaß der Aufnahme beider deutscher Staaten in die Vereinten Nationen erneut zu bestätigen. Dies haben die Vier Mächte mit ihrer Erklärung vom 9. November 1972, die Ihnen vorliegt, getan. Ich habe darauf gestern hier schon verwiesen.Mit dieser Erklärung das möchte ich hier nocheinmal sagen, weil ich den Eindruck hatte, daß das, was von uns hier schon vorgetragen wurde und übrigens auch in der Denkschrift steht, doch nicht ganz realisiert worden ist machen die Vier Mächte unmißverständlich klar, daß auch der Beitritt der beiden deutschen Staaten zu den Vereinten Nationen die Rechte und Verantwortlichkeiten der Vier Mächte nicht berührt und daher die Deutschlandfrage weiterhin ungeregelt läßt. Diese Erklärung, Herr Dr. Marx, wird dem Generalsekretär der Vereinten Nationen im Zuge des Aufnahmeverfahrens notifiziert und mit der Bitte um Verteilung als VN- Dokument zirkuliert werden.
Es kann danach kein Zweifel sein, daß von einer etwaigen Bestätigung der Teilung Deutschlands in diesem Zusammenhang überhaupt nicht die Rede sein kann.
— Herr Dr. Marx, wir werden in den Ausschüssen darüber sprechen. Ich kann Ihnen das jetzt im einzelnen hier nicht darlegen; das würde auch technisch zu weit führen. Aber daß die Bundesregierung sozusagen vorausgedacht hat, mehr als Sie vielleicht heute morgen zu hoffen wagten, darf ich Ihnen noch einmal ausdrücklich bestätigen.
— Ich höre die Worte gern, Herr Dr. Mertes. Ich habe bei Ihnen nie daran gezweifelt, obwohl ich mich manchmal frage, ob es denn gar nicht möglich ist, daß Sie noch einmal Ihre Denkgrundlagen, die zu bestimmten Beurteilungen führen, jetzt einfach im Lichte neuer Tatsachen überprüfen; das wäre jedenfalls ein wichtiger Zug im Rahmen einer Kooperation.
Eine solche Wirkung kann insbesondere auch dann nicht eintreten, wenn ein Staat in unserem Falle die Bundesrepublik Deutschland — immer wieder ausdrücklich seine Vorbehalte in diesem Zusammenhang angemeldet hat.
Wie steht es nun mit Berlin? Sie haben auch darauf hingewiesen. Hier sind Zweifel erhoben worden, ob die Bundesrepublik Deutschland rechtlich und tatsächlich in der Lage sei, Berlin in den Vereinten Nationen und in ihren Organisationen zu vertreten. Die Lage ist folgende.
— Von anderer Seite, wie Sie wissen. Wir lesen ja auch Zeitungen und gelehrte Ausführungen, die dann hier gelegentlich zitiert werden, die aber eben nur im Stile der Gelehrsamkeit geschrieben sind, aber manchmal an der Sache vorbeigehen.Die Bundesregierung wird Berlin in dem durch das Viermächte-Abkommen gesteckten Rahmen in ihren Beitritt zu den Vereinten Nationen einbeziehen. Ich verweise ausdrücklich auf das Viermächte-Abkommen. Dies entspricht unserer ständigen Übung und geschieht im Interesse der Lebensfähigkeit der Stadt, insbesondere um ihre Teilnahme an den immer bedeutsamer werdenden Tätigkeiten der Vereinten Nationen auf dem Gebiete der internationalen wirtschaftlichen und sozialen Zusammenarbeit zu sichern.Die Bundesregierung muß sich dabei allerdings bewußt sein, und sie ist sich bewußt, daß die Charta der Vereinten Nationen naturgemäß weitgehend Themen der Sicherheit und des Status behandelt oder doch berührt, Themen also, bei denen eine Ausdehnung eines internationalen Abkommens auf Berlin nach den Bestimmungen des Viermächte-Abkommens durch die Bundesrepublik Deutschland nicht möglich ist. Es geht darum, unter Berücksichtigung dieser vorgegebenen Grenzen das Erreichbare für Berlin zu tun. Dem entspricht die in Art. 2 des Gesetzes enthaltene Berlin-Klausel mit ihrem Vorbehalt zugunsten der Rechte und Verantwortlichkeiten der alliierten Behörden einschließlich derjenigen, die Angelegenheiten der Sicherheit und des Status betreffen. Im Verhältnis zur Organisation der Vereinten Nationen wird die Bundesregierung anläßlich ihres Beitrittsantrages eine entsprechende Erklärung gegenüber dem Generalsekretär der Vereinten Nationen abgeben. Die Drei Mächte werden sich ihrerseits zum Vorbehalt von Sicher-
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Parl. Staatssekretär Moerschheit und Status offiziell äußern, sowohl in Berlin als auch gegenüber den Vereinten Nationen. Wir glauben, daß dieses Verfahren, das bis in die Einzelheiten mit den Drei Mächten konsultiert wird, alle in dieser delikaten Frage in Erwägung zu ziehenden Gesichtspunkte berücksichtigt: die Bindungen zwischen Berlin und dem Bund, die Stellung der Drei Mächte, unserer Hauptverbündeten in der Stadt, wie auch Text und Sinn des Viermächte-Abkommens. Praktisch bedeutet im übrigen die Einbeziehung Berlins in den Beitritt der Bundesrepublik zu den Vereinten Nationen nichts Neues, da die Bundesrepublik Deutschland schon bisher Berlin in den Sonderorganisationen der Vereinten Nationen vertreten hat. Auch in zahlreichen Abkommen im Bereich der Vereinten Nationen, denen die Bundesrepublik Deutschland beigetreten ist, wurde Berlin einbezogen.
Auf das Konkurrenzverhältnis und das Nebeneinander der beiden deutschen Staaten, das in dritten Ländern und den internationalen Organisationen entsteht, ist von Herrn Dr. Marx verwiesen worden; auch darauf sind wir eingestellt. Herr Dr. Marx, das ist ein Teil unserer Politik des Modus vivendi. Wir werden auch draußen das Verhältnis eines friedlichen und geregelten Nebeneinander anstreben, das möglichst auch zu einem Miteinander führen soll. Wir sind zur Zusammenarbeit mit der DDR im Bereich der Vereinten Nationen und anderer internationaler Organisationen bereit.Ich darf jetzt, Herr Dr. Marx, noch ein Wort sagen zu der Frage der Menschenrechte und Ihnen noch einmal die Situation darlegen, wie sie sich im Zusammenhang mit dem Beitritt zu den Vereinten Nationen darstellt.Unsere Bemühungen um die stärkere Verwirklichung der Menschenrechte in der Welt darf ich als bekannt voraussetzen oder vielleicht doch noch einige Stichworte erwähnen. Die Bundesrepublik Deutschland hat etliche Übereinkommen, die sich mit den Menschenrechten befassen, ratifiziert, u. a. die Übereineinkommen gegen Völkermord, über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, gegen die Rassendiskriminierung, die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten des Europarates.
Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Jäger?
Bitte schön.
Jäger (CDU; CSU) : Herr Staatssekretär, habe ich Sie vorhin falsch verstanden, als Sie davon sprachen, daß unsere Erklärungen gegenüber den Vereinten Nationen im Hinblick auf die Vertretung Berlins nur die Unterstützung unserer drei westlichen Verbündeten unter den für Berlin zuständigen Vier Mächten gefunden hat, und falls ich Sie in diesem Punkt nicht falsch verstanden habe: wird sich die Bundesregierung darum bemühen, auch die Zustimmung der vierten für Berlin zuständigen Macht, nämlich der Sowjetunion, für diesen Schritt zu gewinnen?
Sie haben mich insgesamt nicht ganz verstanden, Herr Jäger. Ich habe auf die Konsultation mit allen hingewiesen. Ich habe auf das Berlin-Abkommen hingewiesen. Ich darf verweisen auf die langen Erörterungen in diesem Hause und in den entsprechenden Ausschüssen, auch im Rechtsausschuß, die diese Frage bereits im Zusammenhang mit dem Berlin-Abkommen berührt haben. Sie können sicher sein, daß die Bundesrepublik das rechtlich und politisch Notwendige getan hat, um Zweifel auszuschließen. Es würde zu weit führen, jetzt noch einmal die ganze Vorgeschichte hier vorzutragen. Das läge sicher auch nicht im Sinne des ganzen Hauses. Ich bin bereit, Ihnen im Ausschuß auch noch einmal die Unterlagen zur Verfügung zu stellen, in denen diese Fragen behandelt sind. Ich glaube, daß wir uns hier in einer angemessenen Weise verhalten haben. Wir haben jedenfalls nach allen Seiten hin dieses Problem behandelt und auch in unserem Sinne regeln können. Das geht nicht zuletzt eben aus dem Viermächteabkommen über Berlin hervor.Aber ich darf zu dem Thema zurückkehren, bei dem wir bereits waren, zur Frage der Menschenrechte. Auch die wichtigen UNO-Pakete über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte sowie überbürgerliche und politische Rechte haben wir unterzeichnet. Die Ratifizierungsverfahren stehen bevor. Diese Pakete sind gleichsam die völkerrechtliche Kodifizierung der Menschenrechtsdeklaration der Vereinten Nationen.
- Sie stehen unmittelbar bevor.Nun zur DDR! Demgegenüber ist das Verhältnis der DDR zu der Verwirklichung der Menschenrechte bisher, wie wir wissen, problematisch. Auch das ist bekannt. Die DDR ist in dieser Hinsicht nicht der einzige Staat, in dem diese Problematik besteht.
Der Beitritt der beiden deutschen Staaten zur UNO verschlechtert die Möglichkeiten der Verwirklichung der Menschenrechte in Mitteleuropa nicht, er kann vielmehr die Aussichten auf menschliche Erleichterungen nur verbessern. Auch die DDR weiß, daß sie hei ihrem veränderten Status gegenüber den Vereinten Nationen ein anderes Verhältnis zu den Menschenrechten erhält und daß die von der großen Mehrheit der UNO-Mitgliedstaaten bedauerten Gewaltmethoden an den Grenzen der DDR zur Bundesrepublik Deutschland von den Vereinten Nationen mit Sorge betrachtet werden.Unsere Politik wird sich auf das einzustellen haben, was unmittelbar den Betroffenen nützt. Ich glaube, es wäre falsch, sich schon hier in einer solchen Debatte im einzelnen auf Prozeduren festlegen zu wollen. Wir behalten uns vor, diese Frage nach dem Eintritt gründlich zu prüfen und auch mit unseren Freunden und Verbündeten zu besprechen. Ich
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682 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 15. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Februar 1973
Parl. Staatssekretär Moerschmöchte es nicht versäumen, darauf hinzuweisen, daß es ja die erklärte Absicht der Bundesrepublik Deutschland ist — die bisher auch schon praktiziert wurde —, uns mit den Bündnispartnern im Westen insgesamt, vor allem aber in der Gruppe der Neun in der Europäischen Gemeinschaft, gerade auch in unserem Verhalten in den Vereinten Nationen zu konsultieren und abzustimmen, was bereits bisher in einer erfolgreichen Weise geschehen ist, wenn auch nicht so spektakulär. Ich gebe zu, daß die Opposition vielleicht nicht in jedem Fall ausreichend darüber informiert sein konnte. Ich möchte die Opposition aber bitten, solche falschen Schlüsse über die Zusammenarbeit im Bündnis, wie ich sie gestern wiederholt gehört habe, nicht mehr zu ziehen, weil sie im eklatanten Widerspruch zu den Tatsachen stehen, gerade auch was die Erfahrung der Abstimmung von bestimmten Verhaltensweisen unserer Bündnispartner mit uns in den Vereinten Nationen betrifft. Unser Beobachter bei den Vereinten Nationen, Botschafter Gehlhoff, hat mir ausdrücklich bestätigt, daß der Kontakt mit unseren Partnern in allen uns gemeinsam berührenden Fragen ausgezeichnet ist. Und die Fragen, die hier angeschnitten werden, sind zweifellos gemeinsam berührende Fragen, auch etwa die Frage eines Verhaltens innerhalb der Vereinten Nationen.Herr Kollege Marx, Sie haben — das war nach den Zeitungsmeldungen nicht mehr überraschend — sozusagen erwartungsgemäß das Problem der Feindstaatenklausel angeschnitten. Ich muß Ihnen offen gestehen, ich hatte eigentlich geglaubt, daß nach der ausgiebigen Diskussion beim Moskauer Vertrag dieses Thema für die Opposition nicht mehr sehr brennend sei, zumal das kann ich hier nur feststellen — bei den Beratungen im Bundesrat und in seinen Ausschüssen nur ganz am Rande von Ihren Parteifreunden darüber gesprochen worden war.
— Ich war an zwei Ausschußsitzungen beteiligt, Herr Dr. Marx, und ich kann aus eigener Erfahrung sprechen.
— In der Sitzung, die dafür eigens einberufen worden war, nämlich in der Sitzung des Auswärtigen Ausschusses des Bundesrates, hat die Beratung ganze zehn Minuten gedauert.
— Ich habe vom Bundesrat gesprochen,
Ich hatte geglaubt-aber das mag ein Irrtum gewesen sein —, daß ein so bedeutender Parteifreund wie Ihr Kollege Kohl aus Rheinland-Pfalz und Kollege Stoltenberg aus Schleswig-Holstein, die ja gleichzeitig stellvertretende Vorsitzende der CDU sind, sichsolcher Themen annehmen würden, wenn es sich um Themen der gesamten Opposition handelt. Aber es scheint so — das ist ja auch ganz erklärlich —, daß gelegentlich eine gewisse Kontaktschwäche zwischen der Opposition im Bundestag und Ihren Ländervertretern im Bundesrat besteht.
Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Marx?
Herr Kollege Moersch, sind Sie einverstanden, wenn ich darauf hinweise, daß wir hier soeben offenbar ein Mißverständnis hatten? Sie sprachen davon, daß im Zusammenhang mit den Ostverträgen in den Ausschüssen sehr eingehend darüber gesprochen worden ist. Mein Zwischenruf hat sich auf diese damaligen Ausschußsitzungen des Deutschen Bundestages bezogen, keineswegs auf jene des Bundesrates. Natürlich weiß ich, wie sich dort der Rechtsausschuß verhalten hat. Mein Ziel ist es, daß uns dies auch hier in diesem Hause gelingt.
Herr Dr. Marx, das war ein Hörfehler, kein Mißverständnis. Ich bitte das zu entschuldigen. Morgens bin ich manchmal noch etwas gehemmt.
Aber ich war ehrlich der Meinung, daß wir jetzt nach der langen Behandlung im Bundestag eigentlich bald sozusagen die nötigen Doktorarbeiten über dieses Thema schreiben könnten. Nun gut, zur Sache selbst soll dies hier vorgetragen werden.Die Bedeutung der Feindstaatenklausel in der Charta der Vereinten Nationen wird vielerseits überschätzt. Die Art. 53 und 107 resultieren, wie ihre Entstehungsgeschichte ergibt — das ist hier in Zwischenfragen schon zum Ausdruck gekommen — und wie der damalige UN-Generalsekretär U Thant schon 1968 gesagt hat, aus den besonderen Bedingungen, die 1945 am Ende des zweiten Weltkriegs herrschten.
— Seien Sie doch ein bißchen geduldig, Herr Dr. Wittmann. Ich weiß, daß Sie sachverständig auf dem Gebiet sind. Ich kann vielleicht ein bißchen dazu beitragen, Ihre Argumente zu stärken, wenn Sie sie brauchen; das weiß ich natürlich nicht.
Wenn dementsprechend von Feindstaaten, nämlich „enemy states", die Rede ist, so waren damit diejenigen Staaten gemeint, die nicht zum Kreis der Vereinten Nationen gehörten. Schon hieraus dürfte sich ergeben, daß ein Staat, der in die Vereinten Nationen als Mitglied aufgenommen wird, im Sinne der Charta kein Feindstaat mehr sein kann.Parl. Staatssekretär MoerschDiese beiden Artikel enthalten im übrigen keinerlei Rechtsgrundlage für die Anwendung von Gewalt gegenüber der Bundesrepublik Deutschland. Das möchte ich ganz deutlich feststellen. Auch für die Bundesrepublik Deutschland gilt schon bisher das allgemeine völkerrechtliche Gewaltverbot ebenso wie für alle anderen Staaten. Das ist durch die Londoner Schlußakte vom 3. Oktober 1954 und durch Art. 2 des Moskauer Vertrages vom 12. August 1970 für das Verhältnis zu den vier Siegermächten unter Bezugnahme auf den Art. 2 der Charta der Vereinten Nationen besonders dargestellt und bekräftigt worden. Innerhalb der Vereinten Nationen ist der Sicherheitsrat für die Sicherung des Weltfriedens zuständig. Die Charta gibt ihm zu diesem Zweck besondere Befugnisse. Kein Mitgliedstaat der Vereinten Nationen kann von dieser Zuständigkeit des Sicherheitsrates ausgenommen werden. Die Bundesrepublik Deutschland wird insofern nach ihrem Beitritt zu den Vereinten Nationen durch die Zuständigkeit des Sicherheitsrates ebenso geschützt sein wie jeder andere Mitgliedstaat der Vereinten Nationen.Zu den Zwischenrufen, die hier dazu noch gemacht worden sind, Herr Dr. Wittmann, möchte ich doch einmal eine allgemeine Bemerkung anschließen dürfen, nämlich die, daß ich es einfach nicht für sehr zweckdienlich halte, wenn in der Welt der Eindruck entsteht, es gebe in diesem Hause oder anderswo in der deutschen Publizistik Kräfte, die partout daran interessiert seien, alle Möglichkeiten herauszufinden, die man zu irgendeinem Zeitpunkt einmal gegen unsere eigenen Interessen ausspielen könnte. Ich weiß, daß dies nicht Ihre Absicht ist. Aber alle rechtswissenschaftliche Akribie, die Sie gelegentlich hier aufwenden, sollten Sie auch einmal unter dem politischen Gesamtaspekt selbst prüfen. Eine solche selbstkritische Prüfung könnte gerade in diesem Zusammenhang sehr nützlich sein.
Ich möchte jetzt, bevor ich dieses Thema ganz abschließe, doch noch eine kurze Bemerkung zu einer Einlassung des Kollegen Reddemann und einer Zwischenfrage des Kollegen Dr. Lenz von gestern abend machen. Ich wollte die Debatte gestern nicht mehr verlängern. Ich bitte, dies jetzt sozusagen nur als eine tatsächliche Feststellung zu betrachten. Denn die Dinge können nicht so stehenbleiben, wie sie heute morgen im Protokoll zu finden waren.Der Herr Kollege Reddemann hat gestern im Zusammenhang mit dem Berlin-Abkommen die Behauptung aufgestellt — ich zitiere —:Die drei westlichen Alliierten haben die menschlichen Erleichterungen für Deutsche vertraglich besser abgesichert als die Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland.
— Herr Wohlrabe, ich hatte eigentlich auf Ihren Zwischenruf gewartet; das war fällig.
Ich frage Sie, Herr Abgeordneter, was dieses andauernde Ausspielen unserer wichtigsten Verbündeten gegen die Bundesregierung eigentlich soll. Ist das Ihre besondere Art der Pflege unserer Beziehungen zu den drei westlichen Alliierten?
Meine Damen und Herren, die Besuchsregelung ist doch wohl von unserer Seite ausgehandelt worden. Alles, was die westlichen Alliierten vereinbart haben, haben sie doch in enger Kooperation mit uns, auf unseren Wunsch und zugunsten der betroffenen Menschen getan. Was soll es also, daß Sie der Bundesregierung dieses gute Verhältnis und diese hervorragende Zusammenarbeit zum Vorwurf machen? Hätte denn die Bundesregierung durch ihre westlichen Alliierten weniger durchsetzen sollen, um Ihren eigenartigen Vorwurf zu vermeiden? Diese Frage müssen Sie sich doch selbst einmal stellen, wenn Sie hier solche gesuchten Argumente gegen die Bundesregierung ins Feld führen zu können glauben. Herr Wohlrabe, ich möchte Ihnen empfehlen, einmal über das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung im Berlin-Abkommen nachzudenken. Ich empfehle Ihnen, sich das sehr genau anzusehen und zu prüfen, was denn die Gegenleistung der westlichen Alliierten beispielsweise dafür war. Von Ihrer Seite ist diese Gegenleistung aber abgelehnt worden.
- Ich kenne die Meinung der CDU/CSU aus dieser Zeit: Sie wollte den Fünfer haben, aber den Wecken gleichzeitig auch noch dazu. Beides zusammen ist eben sehr schwierig gewesen. Man mußte eben auch etwas anderes, nämlich ganz bestimmte Bundesfragen in Berlin, gleichzeitig mit anbieten. Daran ist früher alles das gescheitert, was hier zur Vorlage gemacht worden war.
— Doch, ich will das jetzt hier sagen, weil es uns um das Verhältnis zu den Alliierten geht. Das muß hier noch einmal gesagt werden. Ich hätte das gern heute morgen in der Fragestunde im Zusammenhang mit einem anderen Thema, im Zusammenhang mit einer Frage behandelt, die ein Kollege eingereicht hat, der aber dann nicht anwesend war. Da ich meine, daß die Öffentlichkeit einen Anspruch auf eine Antwort hat, will ich auch auf dieses Thema noch einmal eingehen, weil es in engem Zusammenhang mit eben Ihrer Behauptung über Berlin steht.Herr Dr. Lenz hat gestern in einer Zwischenfrage an den Kollegen Reddemann behauptet, die „Information" der polnischen Regierung über die Umsiedlung von Deutschen sei ursprünglich Voraussetzung für den Warschauer Vertrag gewesen und sei offen-
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684 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 15. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Februar 1973
Parl. Staatssekretär Moerschbar inzwischen in Wegfall geraten. Ich erkläre hier in aller Deutlichkeit, daß davon keine Rede sein kann. Die Verhandlungen über die Umsiedlung waren integraler Bestandteil der Ergebnisse, die zum Warschauer Vertrag geführt haben. Die Bundesregierung betrachtet die in der „Information" gegebenen Zusagen als verbindlich und geht davon aus, daß die polnische Regierung sie erfüllt. Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, wenn Sie allerdings tagtäglich fortfahren zu sagen, die Zehntausende von Deutschen, die inzwischen aus der Volksrepublik Polen ausreisen durften, nachdem, wie Sie ja wissen, der Eindruck entstanden war, diese Ausreise sei ein für allemal beendigt gewesen, seien überhaupt nichts — —
— Das ist auch von polnischer Seite erklärt worden, wie Sie wissen.
— Ja, sicher!
- Herr Dr. Marx, Sie wußten, bevor die Vertragsverhandlungen begannen, ganz genau, daß dies offensichtlich die Meinung der anderen Seite gewesen war.
— Die Behauptung, Herr Dr. Marx, die Sie eben hier aufstellen, ist nicht belegbar. Das ist eine subjektive Meinung von Ihnen. Die Tatsachen sprechen aber wiederum dagegen. Sie tun so, als ob das, was wir erreicht haben, überhaupt nichts sei. Ich mache Sie, wenn Sie weiter so tun, darauf aufmerksam und dafür verantwortlich, daß die polnische Regierung auf diese Weise den Eindruck gewinnen könnte, wir seien ohnedies nicht zufriedenzustellen.Es wäre sehr fatal, wenn dieser Eindruck auf der anderen Seite gefestigt würde.
Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Marx?
Ja.
Bitte schön!
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, mir zuzustimmen, daß erstens eine Neuaufnahme dieses sehr schwierigen und natürlich nicht mit einem Satz zu beantwortenden Problems jetzt sicher nicht richtig ist und daß zweitens diese Opposition natürlich auf die Einhaltung der polnischen Information, die entgegen Ihren früheren Darlegungen in diesem Hause in Polen nicht veröffentlicht ist, Wert legen und darauf drängen muß und daß sie nicht bereit ist, von Ihnen das Wort entgegenzunehmen, Sie würden uns verantwortlich machen, wenn die Umsiedlung nicht weitergeht?
Ich bitte, genau nachzuprüfen, was ich gesagt habe. Ich habe — leider, muß ich sagen — diese Frage heute morgen nicht mündlich beantworten können, die einer Ihrer Kollegen sehr ausführlich gestellt hatte. Aber ich fühlte mich verpflichtet, doch einmal auf diesen Tatbestand hinzuweisen, gerade im Interesse der Bemühungen, die wir unternehmen, weil ich glaube, daß bestimmte Äußerungen, die gestern abend hier von Ihrem Kollegen Reddemann gefallen sind, der Sache eben nicht dienlich sein konnten, die wir sicherlich gemeinsam vertreten wollen. Ich hielt es an der Zeit, das hier zu sagen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Marx?
Ja.
Herr Kollege Moersch, ich darf mich ganz allgemein in Frageform ausdrücken: Sind Sie bereit, anzuerkennen, daß in einer so — wie ich noch einmal sage: wie wir natürlich wissen- schwierigen, geschichtlich belasteten und durch politische Überlegungen der anderen Seite zusätzlich belasteten Frage die Intelligenz und die Handlungsfähigkeit einer Regierung — ich meine jetzt die Bundesregierung — auch daran zu erkennen ist, wie sie das verantwortliche Handeln der Opposition in ihren außenpolitischen Überlegungen einsetzt?
Herr Dr. Marx, das ist absolut zutreffend. Wir hatten angeboten, in dieser Frage alle Details und alle Probleme, die hier aufgetreten sind, die wir alle kennen und die ich im Plenum in der Fragestunde dreimal in vorsichtiger Form dargestellt habe, mit den interessierten Kollegen im Auswärtigen Ausschuß gründlich zu besprechen. Der Beitrag des Kollegen Reddemann war eben genau kein Beitrag im Sinne Ihrer Frage. Weil das in aller Offenheit hier in einer falschen Diktion dargestellt
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Parl. Staatssekretär Moerschworden ist, mußte ich auch in aller Offenheit darauf antworten.
- Was Sie müssen, das müssen Sie selber verantworten, Herr Dr. Wittmann. Ich habe aus dem Zuruf Ihres Fraktionsvorsitzenden entnommen, daß er in der Zielsetzung mit der Bundesregierung einig ist. Aber, Herr Dr. Barzel, ich frage Sie als Fraktionsvorsitzenden, ob es dann in Ihrem Sinne sein kann, daß die Fragen vor allem auch die Zusatzfragen — die in den letzten Wochen wieder im Plenum gestellt worden sind, im Sinne der Einlassung sind, die Sie soeben gemacht haben.
- Ich bitte Sie wirklich, einmal die gestrigen abendlichen Darlegungen des Kollegen Reddemann daraufhin zu überprüfen.
- Wenn ausgerechnet Sie, Herr Wohlrabe, mir den Vorwurf mangelnder Liberalität machen, würde ich Ihnen gern ein Lexikon geben, in dem die Liberalität definiert ist.
Dann sollten Sie das einmal an Ihren eigenen Zwischenrufen überprüfen.
- Das gilt natürlich für alle, meine Damen und Herren.
— Sehr richtig, Herr Blumenfeld, als Fortsetzung einer Fortsetzung. Einverstanden. Und Sie haben dabei nicht gestört. Das darf ich Ihnen ausdrücklich bescheinigen.Ich hatte einiges zum UN-Beitritt zu sagen. Ich kann mich zunächst auf diese Bemerkungen beschränken. Ich will zusammenfassend noch einmal feststellen: Wir werden uns als Mitglied der Vereinten Nationen von den gleichen Prinzipien leiten lassen, die auch unsere Politik in Europa bestimmen: die Sicherung des Friedens durch Ausbau der Zusammenarbeit, Stabilität durch Überwindung der wirtschaftlichen und sozialen Unterschiede, Offenheit Westeuropas für den Austausch mit der übrigen Welt. Und ich möchte Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, bitten, nicht nur diesem Beitritt zu den Vereinten Nationen zustimmen, sondern sich selbst auch noch einmal ernsthaft daraufhin zu prüfen, ob Ihre Haltung zum Grundvertrag nicht mit Ihrer Haltung zu dem Beitritt zu den Vereinten Nationen koordiniert werden kann, ob Sie also weiterhin eine doppelte Haltung in diesen beiden Fragen einnehmen wollen.
— Sie beurteilen jeden Punkt nach seinem Inhalt?Ich sage Ihnen noch einmal, es gibt Dinge, die in derPolitik zusammengehören, sogar für die Opposition.
Meine Damen und Herren, wird das Wort noch gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung der Vorlage an den Auswärtigen Ausschuß — federführend — sowie an den Rechtsausschuß und an den Haushaltsausschuß zur Mitberatung. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dann ist so beschlossen.
Damit, meine Damen und Herren, sind wir am Ende unserer heutigen Sitzung. Ich berufe das Haus für Mittwoch, den 21. Februar 1973, 14 Uhr, zur Fragestunde ein.
Die Sitzung ist geschlossen.