Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.Meine Damen und Herren, die Fraktion der CDU/ CSU schlägt vor, an Stelle der ausscheidenden Abgeordneten Frau Griesinger die Abgeordnete Frau Brauksiepe und an Stelle des ausscheidenden Abgeordneten Adorno den Abgeordneten Dr. Wörner als stellvertretende Mitglieder des Gemeinsamen Ausschusses gemäß Artikel 53 a GG zu wählen. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich höre keinen Widerspruch. Dann sind die Abgeordneten Frau Brauksiepe und Dr. Wörner als stellvertretende Mitglieder des Gemeinsamen Ausschusses gewählt.Die Fraktion der CDU/CSU schlägt ferner vor, an Stelle des ausscheidenden Abgeordneten Adorno den Abgeordneten Krammig als stellvertretendes Mitglied des Vermittlungsausschusses zu wählen. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich höre keinen Widerpsruch. Dann ist der Abgeordnete Krammig als stellvertretendes Mitglied des Vermittlungsausschusses gewählt worden.Meine Damen und Herren, zum neunzehnten Mal jährt sich morgen jener denkwürdige Tag unserer Geschichte, an dem die arbeitende Bevölkerung in Ost-Berlin und in Mitteldeutschland ihre Arbeitsstätten verließ, um in einer mutigen Demonstration gegen die sie beherrschende Macht menschenwürdige Lebensbedingungen, Recht, Freiheit und Demokratie zu erkämpfen. Der 17. Juni 1953 hat sich in unserer Erinnerung als der Tag der deutschen Einheit eingeprägt. Mit dem damals in allen Teilen Deutschlands widerhallenden Ruf nach freien Wahlen hatte das in der Präambel unseres Grundgesetzes ausgesprochene Bekenntnis zur Selbstbestimmung unseres Volkes und damit zur Einheit unserer Nation in einer durch nichts zu überbietenden, spontanen und solidarischen Willensbekundung aller Deutschen seine nachhaltigste Bestätigung erfahren.Diejenigen, die sich die Erinnerung an die Ereignisse jener Tage bewahrt haben oder sie aus den Schilderungen von Augen- und Ohrenzeugen kennen, werden auch heute ehrend der Toten, der Opfer gedenken.Dennoch wird wieder, wie schon in den vergangenen Jahren, geäußert werden, es habe keinen Sinn mehr und es passe nicht mehr in unsere Zeit, dieses Gedenken heute und in Zukunft fortzusetzen. Wir kennen die Argumente mit dem Hinweis auf die Realitäten: die Teilung Deutschlands habe sich verfestigt, der trennende Graben sei ständig tiefer geworden, die DDR habe ihre innere Ordnung und ihre politische Macht konsolidiert, und im Verhältnis der Großmächte zueinander bahne sich eine Verständigung an, die auf eine endgültige Bestätigung des in der Folge des zweiten Weltkrieges Vollzogenen hinauslaufe. Das Ziel eines gesicherten Friedens, den alle an der europäischen Ordnung beteiligten Mächte anstreben, sei — so wird gesagt — unvereinbar mit einem weiteren Offenhalten der deutschen Frage für Lösungen, die dem Verlangen der Deutschen selbst entsprechen.Sollte nun nicht — so wird gefragt — der Zeitpunkt gekommen sein, einen Schlußstrich unter die vor neunzehn Jahren bekundete und auch danach immer wieder bewiesene nationale Solidarität zu ziehen, das Festhalten an der Einheit der Nation aufzugeben und damit anzuerkennen, daß die Trennung zwischen den Deutschen eine ein für allemal vollzogene, unwiderrufliche Tatsache sei?Wenn dies das Ergebnis der im Deutschen Bundestag während der vergangenen Monate geführten leidenschaftlichen Debatten über die Gestaltung unseres Verhältnisses zur Sowjetunion, zu Polen und zur DDR gewesen wäre, so wäre jenen zuzustimmen, die dem 17. Juni keine zukunftsweisende Bedeutung mehr zubilligen wollen. Aber gerade diese Auseinandersetzungen dürften dargelegt haben, wie sehr jeder von uns, auf welcher Seite er auch steht, von der Sorge um das Schicksal des ganzen Deutschland, um die Zukunft der Nation geleitet wird. Nicht darüber, wie die Trennung verfestigt, sondern darüber, wie das Trennende überwunden werden kann, ist hier unter der großen Anteilnahme der ganzen deutschen Öffentlichkeit gerungen worden.Es ist wichtig, gerade heute noch einmal daran zu erinnern, daß am Ende dieses Ringens von allen Seiten dieses Hauses erneut die Grundlagen und Ziele der Deutschlandpolitik festgestellt und bekräftigt wurden und daß wir uns in diesen Grundlagen und Zielen auf das Vermächtnis des 17. Juni 1953 berufen können, die Chancen der Freiheit zu nutzen, um dem Zusammenhalt unseres Volkes und der Einheit unserer Nation im Rahmen des Mög-
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11270 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Juni 1972
Präsident von Hassellichen zu dienen. Im Zusammenhang mit der vor einem Monat vollzogenen Verabschiedung der Verträge von Moskau und Warschau, in denen die Vertragspartner feierlich auf die Anwendung und die Androhung von Gewalt verzichten, hat der Deutsche Bundestag in seiner von allen drei Fraktionen eingereichten Entschließung unter anderem erklärt:Das unveräußerliche Recht auf Selbstbestimmung wird durch die Verträge nicht berührt. Die Politik der Bundesrepublik Deutschland, die eine friedliche Wiederherstellung der nationalen Einheit im europäischen Rahmen anstrebt, steht nicht im Widerspruch zu den Verträgen, die die Lösung der deutschen Frage nicht präjudizieren.Und weiter heißt es in dieser Entschließung:Die Bundesrepublik Deutschland tritt für die Normalisierung des Verhältnisses zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR ein. Sie geht davon aus, daß die Prinzipien der Entspannung und der guten Nachbarschaft in vollem Maße auf das Verhältnis zwischen den Menschen und den Institutionen der beiden Teile Deutschlands Anwendung finden werden.Dies sind die von uns gemeinsam gesteckten Zieleund die von uns gemeinsam vorgezeichneten Wege.In welchem Maße und innerhalb welchen Zeitraums die darin ausgedrückten Hoffnungen und Erwartungen in Erfüllung gehen werden, hängt nicht von uns alleine ab. Aber wir selbst werden nur dann auf diesen Wegen Fortschritte erzielen können, wenn wir in den unsere ganze Nation betreffenden Fragen auch in Zukunft unbeirrbar und in der Gemeinsamkeit aller Demokraten an diesen Zielen festhalten.Wie oft schon ist in den vergangenen Jahren der wohlgemeinte Rat erteilt worden, die Wiederherstellung der Einheit unserer Nation sei ein Phantom und wir sollten aufhören, davon zu reden. Wären wir diesen Ratschlägen gefolgt, hätten wir zu irgendeiner Zeit dieses Ziel aus den Augen verloren, so gäbe es für uns heute wohl kaum die Möglichkeit, über größere innerdeutsche Freizügigkeit zu verhandeln und in dem Ausbau der innerdeutschen Verbindungen einen Wertmesser für die Bereitschaft zu Entspannung, zu Frieden, zu Sicherheit und zu Zusammenarbeit zu sehen.Im vergangenen Jahr habe ich hier an dieser Stelle gesagt: Auch Hoffnungen können die Geschichte bewegen. Jeder, der mit Menschen im anderen Teil Deutschlands in Verbindung steht, kann von bewegenden Zeichen neuer Hoffnungen berichten. Sie beweisen, wie stark auch heute und selbst bei den nachwachsenden Generationen, die in dem Zustand einer beinahe hermetischen Absperrung groß geworden sind, die Beziehungen zwischen hüben und drüben, der unbehinderte Austausch von Personen und Ideen als das eigentlich Normale angesehen werden und in welchem Maße weiterhin die Zusammengehörigkeit unseres Volkes empfunden wird. Keiner sollte glauben, daß dieses Verlangen durch Gewalt, durch Schießbefehl und durch Abgrenzungsgebote erstickt werden könnte. DieseZeichen der Hoffnung sind die wirksamste Garantie dafür, daß auch in Zukunft für uns Deutsche Städte wie Leipzig, Dresden oder Rostock, Frankfurt, Lübeck oder München kein Ausland sein werden.Alle diese Hoffnungen in unserem Volk gründen sich darauf, daß sich in der gegenwärtigen Weltentwicklung reale Chancen zu einer allmählichen Überwindung der Konfrontation zwischen Ost und West ergeben möchten.Die Staaten des Westens und des Ostens sind auf dem Wege, wenn auch noch vorsichtig und mit tastenden Schritten, den Austausch zu erweitern und auf zahlreichen Gebieten, die für den Fortschritt Europas und darüber hinaus der Menschheit von so entscheidender Bedeutung sind, zu einer Zusammenarbeit zu finden. Es gibt sicherlich ermutigende Zeichen. Es gibt aber auch noch dunkle Flecken auf diesem Bild. Begriffe wie „Abgrenzung", „Feindschaft", „Feindbild" und „verstärkter Klassenkampf", wie wir sie jüngst wieder vernahmen, passen nicht in diese Landschaft. Dennoch brauchen wir uns von diesen Parolen nicht beirren zu lassen, wenn wir die Botschaft beherzigen, die uns die Demonstranten des 17. Juni 1953 hinterlassen haben: „Wir vertrauen auf den Wert und die Kraft der Freiheit. Ihr in der Bundesrepublik habt das Glück, in Freiheit leben zu können. Nutzt die Chance der Freiheit und vergeßt nie, daß eure Freiheit nicht nur ein Glück und ein Geschenk sind, sondern auch eine Verpflichtung."Das Wohl unserer Bürger, der Weg zu Entspannung und Frieden und zur Verständigung sind darauf angewiesen, daß die Verfassung der Freiheit in unserem Teil Europas von jedem Bürger mitgetragen und in der geistigen Auseinandersetzung mit den freiheitsfeindlichen Kräften unserer Zeit mitverteidigt wird. Freizügigkeit, ungehinderter Reise-, Brief- und Telefonverkehr, der Austausch von Meinungen und Gedanken in Wort, Schrift und Bild sind Elemente eines Ganzen, das wir Freiheit nennen. In dem Fortschreiten dieser Freiheit in ihren einzelnen, konkreten und praktischen Elementen liegt die Gewähr für die Erhaltung der Einheit unserer Nation.Der 17. Juni, der 1953 vom Widerstand gegen die Teilung und Trennung geprägt war, bleibt ein Tag der Mahnung und der Verpflichtung auf das Ziel des Friedens, der Selbstbestimmung auch der Deutschen und der Einheit unserer Nation.
Meine Damen und Herren, nach dem Tagesordnungspunkt 28 kommen wir zurFragestunde— Drucksache VI/3495 —Wir müssen zunächst die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft und Finanzen behandeln. Ich rufe die Frage 31 des Abgeordneten Dr. Schneider auf. — Ist der Abgeordnete im Saal? — Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
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Präsident von HasselIch rufe die Frage 32 des Abgeordneten Müller auf:Ist sich die Bundesregierung bewußt, daß die — im Gegensatz zu den in den letzten Jahren erheblich gestiegenen Löhnen bzw. Einkommen und Preisen — gleichgebliebenen Einkommensteuerfreibeträge, wie z. B. Arbeitnehmerfreibetrag, Kinderfreibetrag, Werbungskosten- und Sonderausgabenpauschale, Altersfreibeträge usw., längst nicht mehr die ihnen zugedachte soziale Funktion erfüllen?Zur Beantwortung Herr Parlamentarischer Staatssekretär Hermsdorf, bitte!
Herr Präsident, gestatten Sie, daß ich die beiden Fragen des Herrn Abgeordneten Müller zusammen beantworte?
Haben Sie Bedenken, Herr Kollege? — Der Fragesteller ist damit einverstanden, daß die beiden Fragen zusammen beantwortet werden. Ich rufe also auch die Frage 33 des Herrn Abgeordneten Müller auf:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um das bestehende Mißverhältnis zwischen Einkommensteuerfreibeträgen und der Lohn- und Preisentwicklung zu beseitigen und die ursprüngliche Relation in etwa wiederherzustellen?
Die Bundesregierung ist sich des von Ihnen angesprochenen Problems bewußt. Die von Ihnen genannten Freibeträge und Pauschalsätze sind zwar in den letzten Jahren teilweise angehoben worden; sicherlich aber haben sich nicht alle Beträge entsprechend der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung verändert.
Beispielsweise ist der Altersfreibetrag im Jahre 1962 von 360 DM auf 600 DM und im Jahre 1966 von 600 DM auf 720 DM angehoben worden. Auf der anderen Seite beträgt z. B. der Weihnachtsfreibetrag seit 1960 100 DM.
Soweit die Freibeträge konstant geblieben sind, hat sich ihre Bedeutung für den einzelnen relativiert. Darin drückt sich natürlich auch eine positive Entwicklung aus. Die Einkommen sind eben Jahr für Jahr erheblich angestiegen mit der Folge, daß die Freibeträge heute nicht mehr die Bedeutung haben, die sie zur Zeit ihrer Einführung hatten. An dieser Behauptung kann auch festgehalten werden, wenn die Preisentwicklung berücksichtigt wird.
Sofern mit dem Gleichbleiben einzelner Freibeträge Probleme verbunden sind, werden diese im Rahmen der Steuerreform aufgegriffen und gelöst. Die Einzelheiten sind Ihnen sicherlich aus dem Referentenentwurf eines Einkommensteuergesetzes 1974 bekannt. Wie Sie wissen, soll gerade durch die dort vorgesehene Systemänderung — an die Stelle des bisherigen Abzugs der genannten Freibeträge von der Bemessungsgrundlage soll der Abzug von der Steuerschuld treten — eine Besserstellung eines Großteils der Steuerpflichtigen, und zwar gerade der Arbeitnehmer, erreicht werden. Dabei sind dem Bund jedoch durch die haushaltsmäßigen Möglichkeiten Grenzen gesetzt.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Müller .
Herr Staatssekretär, können Sie Angaben darüber machen, um wieviel der Realwert der einzelnen Steuerfreibeträge seit ihrer Festsetzung in der heutigen Höhe bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt gesunken ist, oder darüber, wie sich die Relation der Steuerfreibeträge in dieser Zeit z. B. zum durchschnittlichen Bruttolohn-eines Arbeitnehmers — Arbeitnehmerhaushalt mit zwei unterhaltsberechtigten Kindern — zuungunsten der Freibeträge verändert hat?
Herr Kollege Müller, aus dem Stegreif kann ich dazu keineswegs Angaben machen. Ich werde Ihnen das aber, wenn Sie daran interessiert sind, gern schriftlich nachreichen.
Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Müller.
Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, mir schriftlich darüber Auskunft zu geben und vielleicht noch einige Beispiele hinzuzufügen, etwa wie sich bei einem 30jährigen pensionierten Beamten die Relation verschoben hat?
Dazu bin ich gern bereit.
Eine dritte Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Müller .
Herr Staatssekretär, würden Sie mir zustimmen, wenn ich sage: je größer das Mißverhältnis der Steuerfreibeträge zu den jeweils aktuellen Bruttoeinkommen wird, um so mehr muß der kleine Einkommensbezieher — gemessen an der Wirtschaftskraft der Einkommensbezieher insgesamt — zum Steueraufkommen, d. h. zur Finanzierung der öffentlichen Aufgaben beitragen?
Nein, da würde ich Ihnen nicht zustimmen. Vielleicht kann man dies im Hinblick auf einzelne Fälle feststellen, aber generalisieren läßt sich eine solche Aussage keinesfalls.
Eine letzte Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Müller.
Herr Staatssekretär, Sie sagten, daß alle diese Fragen im Rahmen der Steuerreform berücksichtigt werden sollen. Bis wann ist mit dieser Steuerreform zu rechnen?
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11272 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Juni 1972
Die Steuerreform wird diesem Hohen Hause termingemäß vorgelegt werden, und zwar nach der Sommerpause.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Krammig.
Herr Staatssekretär, Ihre letzte Antwort ist meines Erachtens unbefriedigend, da doch feststeht, daß die Steuerreform termingemäß, d. h. zu dem von der Bundesregierung ursprünglich beabsichtigten Zeitpunkt, nicht in Kraft treten wird, mit anderen Worten — —
Verzeihen Sie, Herr Kollege Krammig, Sie sprachen jetzt von der Steuerreform. Die hier zugrunde liegenden Fragen 32 und 33 befassen sich aber mit etwas ganz anderem, nämlich mit den Freibeträgen, nicht mit der Steuerreform. Ich bitte Sie, sich ganz kurz zu fassen, wenn Sie dazu noch etwas zu fragen haben.
Der Herr Staatssekretär hatte in seiner Antwort auf die Steuerreform verwiesen. Im Hinblick darauf möchte ich jetzt die Frage stellen, ob nicht in Anbetracht des Umstandes, daß der Termin völlig offen ist, etwas vorweg geschehen müßte, um diese Freibeträge der Entwicklung anzupassen?
Herr Kollege Krammig, ich kann mich dieser Auffassung nicht anschließen. Es wäre sinnlos, jetzt vorweg gewisse Regelungen zu treffen und damit der Steuerreform vorzugreifen. Wenn man ein System mit der Steuerreform ändert, kann man nicht diesen oder jenen Punkt im voraus aufgreifen und damit das ganze Gebäude gefährden.
Eine letzte Zusatzfrage, der Abgeordnete Krammig.
Herr Staatssekretär, muß ich davon ausgehen, daß Sie die Funktion der Freibeträge völlig verkennen, wenn Sie diese Antwort geben?
Nein, davon müssen Sie nicht ausgehen, sondern vom Gegenteil. Ich kenne die Funktion der Freibeträge ganz genau.
Keine weiteren Zusatzsatzfragen. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes auf. Frage 90 des Abgeordneten Dr. Jahn , ist der Herr Abgeordnete im Saal? — Er ist nicht im Saal; die Frage wird schriftlich beantwortet, Frage 91 ebenfalls. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 92 auf, Abgeordneter Wohlrabe:
Ist die Bundesregierung dem Wunsch der israelischen Regierung nachgekommen, sich bei der libanesischen Regierung dafür zu verwenden, daß diese die Einstellung der Tätigkeit der Terrorgruppen, die den Libanon als Basis für Gewaltakte gegen Israel mißbrauchen, erwirkt?
Zur Beantwortung Herr Parlamentarischer Staatssekretär Moersch!
Herr Abgeordneter, diese Frage wird im Lichte unserer Möglichkeiten noch geprüft. Dabei wird auch die besondere Lage des Libanon im Nahostkonflikt zu berücksichtigen sein. Die nachdrückliche Verurteilung derartiger Terroranschläge durch die Bundesregierung wird in der von mir bei Beantwortung der Frage des Abgeordneten Blumenfeld erwähnten Erklärung der Bundesregierung zum Ausdruck kommen. Die Regierung im Libanon hat die Bundesregierung ihrerseits davon unterrichtet, daß sie gegenüber dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen Gewaltakte verurteilt habe, deren Opfer unschuldige, am Konflikt nicht beteiligte Personen seien. Weiter hat die Regierung des Libanon versichert, in den Anschlag von Lod in keiner Weise verwickelt zu sein.
Eine Zusatzfrage, Abgeordneter Wohlrabe.
Wenn ich Sie recht verstanden habe, Herr Staatsekretär, haben Sie eben ausgeführt, daß die Frage der Einwirkung der Bundesrepublik Deutschland auf den Libanon noch geprüft wird. Könnten Sie etwas über den Stand dieser Prüfung mit der Zielrichtung bekanntgeben?
Die Zielrichtung ist völlig eindeutig: wir wollen keine Gewaltakte haben.
Eine zweite Zusatzfrage, der Abgeordnete Wohlrabe.
Ist dann die Bundesregierung, Herr Staatssekretär, auch bereit, Überlegungen anzustellen und, wenn ja, welche, wie den Terroristen, die nun einmal nachweislich auf dem Gebiet des Libanon agieren, die Basis entzogen werden kann, so wie es der Gewerkschaftstag der ÖTV z. B. auch gefordert hat?
Herr Abgeordneter, ich bin im Moment nicht in der Lage, die Anspielung am Schluß ganz zu verstehen. Aber eines möchte ich doch hier zum Ausdruck bringen. Die Bundesrepublik Deutschland ist ein Land wie hundert andere Länder, die mit großer Besorgnis diese Dinge sehen. Der Libanon ist ein souveränes Land,
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Juni 1972 11273
Parlamentarischer Staatssekretär MoerschIsrael ist ein souveränes Land. Es handelt sich um bilaterale Probleme. Die Regierung des Libanon hat dazu Stellung genommen. Es gibt einen Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Wir gehören den Vereinten Nationen nicht an, aber wir unterstützen jede Politik, die Gewalt als Mittel der Politik ausschließt. Nicht mehr und nicht weniger kann ich dazu sagen. Wir haben keine spezielle Funktion im einzelnen wahrzunehmen. Ich möchte wissen, wie wir das tun sollten.
Ich rufe die Frage 93 des Abgeordneten Wohlrabe auf:
Gibt es Anhaltspunkte dafür, daß die offensichtlich geldlich gut ausgestatteten arabischen Terroristen und die von ihnen gedungenen Attentäter ihre finanzielle Basis aus dem Lösegeld der Bundesrepublik Deutschland von ca. 15 Millionen DM rekrutiert haben?
Zur Beantwortung, Herr Staatssekretär.
Die Antwort lautet: nein.
Zusatzfrage? — Keine.
Ich rufe die Frage 94 des Abgeordneten Blumenfeld auf:
Hat die Bundesregierung zu dem abscheulichen Massenmord an unschuldigen Zivilisten des internationalen Flugverkehrs im Flughafen Lod/Israel am 30. Mai 1972 auf dem üblichen Weg über das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung offiziell eine Erklärung abgegeben?
Zur Beantwortung, Herr Staatssekretär.
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung hat zum Anschlag auf den Flughafen von Lod am 31. Mai 1972 die folgende Erklärung veröffentlicht — ich zitiere —:
Die Bundesregierung verurteilt aufs schärfste diese neue Terroraktion gegen unschuldige Passagiere. Sie gibt ihrem Bedauern Ausdruck über die hohe Zahl von Todesopfern und die noch größere Zahl Verletzter, die durch diese Gewalttat getroffen wurden.
So weit das Zitat. Diese Verlautbarung wurde vom Auswärtigen Amt als dem zuständigen Ressort abgegeben.
Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Blumenfeld.
Herr Staatssekretär, erinnern Sie sich, daß die Bundesregierung bei früheren Anlässen den üblichen Weg gegangen ist, nämlich über das Bundespresse- und Informationsamt eine Stellungnahme abzugeben, und halten Sie es nicht für eine etwas ungewöhnliche Maßnahme, daß diese auf Anforderung über das Auswärtige Amt gemacht worden ist?
Herr Abgeordneter, Sie werden sicherlich nicht die Bedeutung des Auswärtigen Amtes verkennen. Die Stellungnahme ist als Erklärung der Bundesregierung gekennzeichnet gewesen. Wir sind das federführende Ressort. Ich glaube nicht, daß irgendwelche politische Bedeutung unterstellt werden kann, wenn das zuständige Ressort diese Erklärung abgibt und nicht das Bundespresse- und Informationsamt.
Eine zweite Zusatzfrage, der Abgeordnete Blumenfeld.
Herr Staatssekretär, würden Sie mit mir darin übereinstimmen, daß es bedauerlich ist, daß sich die Stellungnahme der Bundesregierung wegen dieses eingeschlagenen Weges in der Presse nur in geringem Maße niedergeschlagen hat?
Herr Abgeordneter, diese Zusatzfrage impliziert die Meinung, daß Verlautbarungen des Presse- und Informationsamtes einen höheren Publikationswert hätten als Verlautbarungen einzelner Ministerien. Ich kann nur sagen: die Agenturen haben diese Meldung übernommen, und es liegt im Ermessen der Zeitungen, sie abzudrucken oder nicht. Wenn die großen Nachrichtenagenturen diese Erklärung gebracht haben, dann müssen nicht automatisch die Zeitungen sie abdrucken. Das würde auch bei einer Herausgabe des Bundespresseamtes um kein Haar anders gewesen sein.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wohlrabe.
Herr Staatssekretär, wie erklären Sie sich dann, daß nicht ein einzelnes Ministerium, sondern die Bundesregierung am 30. Dezember 1968 durch den damaligen stellvertretenden Regierungssprecher Ahlers erklärte, die Bundesregierung bedauere offiziell das Übermaß der israelischen Reaktion auf das Athener Flugzeugattentat der beiden Libanesen? Eine Reaktion Israels an sich sei zwar zu verstehen, aber dieses Übermaß, nämlich die Zerstörung von elf libanesischen Zivilmaschinen auf dem Flughafen von Beirut durch israelische Militärhubschrauber, würde — so betonte der stellvertretende Regierungssprecher Ahlers — nicht den gewünschten Zweck der Abschreckung vor weiteren Attentaten dienen; vielmehr bestünde die Gefahr einer weiteren Eskalation. Teilen Sie nicht die Auffassung, daß eine ähnliche Erklärung der Bundesregierung — und nun einmal in die andere Richtung — hier sehr am Platze gewesen wäre? Sie war zu vermissen.
Herr Abgeordneter Wohlrabe, ich wiederhole das, was ich vorhin gesagt habe. Die Stellungnahme, die wir abgegeben haben, war als Stellungnahme der Bundesregierung gekennzeichnet. Warum sie 1968 vom stellvertretenden Regierungssprecher so abgegeben worden
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11274 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Juni 1972
Parlamentarischer Staatssekretär Moers&ist, ist eine Frage, die an seinen damaligen Dienstvorgesetzten zu richten ist. Das war Bundeskanzler Kiesinger.
Ich rufe die Frage 95 des Herrn Abgeordneten Blumenfeld auf:
Hat die Bundesregierung politische Konsultationen mit den europäischen Partnerregierungen aufgenommen, um angesichts der sich wieder häufenden Terrorakte und Luftpiraterie Maßnahmen zu ergreifen, welche die Regierungen einiger arabischer Länder veranlassen würden, energisch gegen die Kommandozentralen sowie Ausbildungslager der Terroristen vorzugehen und somit weitere kriminelle Aktivitäten zu unterbinden?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär.
Herr Abgeordneter, die Frage beantworte ich wie folgt. Die für die Frage von Flugzeugentführungen zuständige internationale Organisation ist die ICAO, in deren Rahmen die Bundesrepublik Deutschland mit den anderen Mitgliedstaaten zusammenarbeitet. Bisher sind unter maßgeblicher Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland folgende internationale Übereinkommen getroffen worden: erstens das Übereinkommen von Den Haag zur Bekämpfung der widerrechtlichen Inbesitznahme von Luftfahrzeugen vom 17. Dezember 1970, in Kraft getreten am 14. Oktober 1971 — dieses Übereinkommen liegt gegenwärtig dem Bundestag vor —, zweitens das Übereinkommen von Montreal zur Bekämpfung von widerrechtlichen Handlungen gegen die Sicherheit der Zivilluftfahrt vom 23. September 1971; dieses Abkommen ist noch nicht in Kraft getreten.
Am 19. Juni 1972 wird sich der ICAO-Rat auf seiner Sitzung in Montreal mit weiteren Maßnahmen zum Schutz gegen Flugzeugentführungen befassen. Von dieser Tagung sind weitere Fortschritte zu erwarten, zu denen die Bundesrepublik Deutschland wiederum ihren Beitrag leisten wird.
Darüber hinaus besteht seit Beginn der Flugzeugentführungen eine Zusammenarbeit mit allen interessierten Regierungen. Zu ihnen gehören selbstverständlich auch die europäischen Partnerregierungen. Der Meinungsaustausch umfaßt eine Vielzahl von Fragen und schließt Maßnahmen zur Verhinderung weiterer Flugzeugentführungen ein.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Blumenfeld.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie dahin gehend verstehen, daß die Bundesregierung gewillt ist, nunmehr auch im europäischen und internationalen Rahmen gegen Terroristen und Ausbildungslager von Terroristen im Ausland gemeinsam mit anderen ebenso energisch vorzugehen, wie sie es hier im eigenen Lande zu tun beabsichtigt?
Herr Abgeordneter, ich darf Ihnen versichern, daß wir in den zuständigen Gremien der internationalen Organisationen, denen die Bundesrepublik Deutschland angehört, wiederholt auf dieses Problem aufmerksam gemacht haben. Sie wissen aber so gut wie ich, daß hier die Übereinstimmung im Prinzipiellen nicht die Übereinstimmung im konkreten Fall einschließt, in dem die einzelnen Regierungen verantwortlich sind.
Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Blumenfeld.
Herr Staatssekretär, würden Sie nicht mit mir darin übereinstimmen, daß die Bundesregierung derzeit ein ganz besonderes Interesse hat, diese Ausbildungslager für Terroristen im Libanon, wenn ich das einmal so sagen darf, zur Stillegung zu bringen, angesichts der Tatsache, daß eine unmittelbare Verbindung zwischen dem verbrecherischen Treiben der Baader-Meinhof-Bande und diesen arabischen Terroristen besteht, was nachgewiesen ist? Neuerdings sind ja auch Anschläge auf in Charterflugzeugen reisende deutsche Zivilisten usw. angedroht.
Herr Abgeordneter, Sie dürfen davon ausgehen, daß die Bundesregierung dort, wo die Interessen der Bundesrepublik Deutschland berührt sind, auch bisher schon nichts unversucht gelassen hat, solche Möglichkeiten einzudämmen. Soweit wir Betroffene sind, reagieren wir hier in jedem Fall. Aber ich möchte ausdrücklich den Eindruck vermeiden, als ob wir sozusagen in die Souveränität anderer Staaten eingreifen sollten oder könnten. Es ist völlig unbestritten, daß auch andere Staaten, die hier Betroffene sein können, ein großes Interesse daran haben, mit solchen Problemen im eigenen Lande fertig zu werden, und sie wissen genau: wenn sie das nicht tun könnten und wir die Betroffenen sind, werden die Beziehungen zu uns belastet. Wir haben zum Teil gute Beziehungen zu den Staaten, die hier genannt worden sind, und wir werden diese guten Beziehungen nützen, um jede Art von Gewaltanwendung und Gewaltvorbereitung, die sich gegen unsere Interessen richtet, zu unterbinden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wohlrabe.
Herr Staatssekretär, könnten Sie erklären, inwieweit die Bundesregierung insbesondere bei der ägyptischen Regierung vorstellig geworden ist, um dagegen zu protestieren, daß durch führende Politiker der ägyptischen Regierung und insbesondere auch durch das halbamtliche Regierungsorgan „Al-Achram" diese Gewaltanschläge verherrlicht worden sind?
Keiner Regierung
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Juni 1972 11275
Parlamentarischer Staatssekretär Moerschin der Welt ist unser Standpunkt hierzu unbekannt. Wir haben uns dazu sehr deutlich geäußert. Ich habe die Äußerung vorhin zitiert. Sie müssen auch, glaube ich, unterscheiden zwischen Staaten, mit denen wir diplomatische Beziehungen haben, und solchen, mit denen wir keine diplomatische Beziehungen haben.
Keine weitere Zusatzfrage.
Die Fragen 96, 97 und 98 werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden in der Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 99 des Abgeordneten Niegel auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, in den Publikationsorganen des Presse- und Informationsamtes oder auf diplomatischem Wege zu den Vorgängen in Burundi Stellung zu nehmen, insbesondere zu dem Umfang der Ermordungen, und kann sie Gründe angeben, warum die Weltöffentlichkeit und viele Regierungen der Welt gegen dieses Massaker in Schwarz-Afrika keinen Protest im Gegensatz zu gelegentlichen Zwischenfällen in Südafrika erhoben haben?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär.
Die Bundesregierung hat sich gegenüber den tragischen Vorgängen in Burundi, die zu einer großen Anzahl von Opfern unter allen Bevölkerungsteilen des Landes geführt haben, nicht gleichgültig verhalten. Sie stand ständig mit befreundeten Regierungen, insbesondere der belgischen, der amerikanischen und der französischen Regierung, im diplomatischen Kontakt und hat sich dem gemeinsamen Appell westlicher Missionschefs in Bujumbura an Staatspräsident Micombéro angeschlossen, alles in seiner Macht Stehende zu tun, den blutigen Unruhen Einhalt zu gebieten.
Es hat die Bundesregierung in der Tat erstaunt, daß die afrikanischen Regierungen zum Fall Burundi so lange geschwiegen haben. Erst am 12. Juni hat der Ministerrat der OAU, die zur Zeit in Rabat tagt, beschlossen, dem burundischen Präsidenten eine Botschaft zukommen zu lassen. Darin dankt der Ministerrat für Micombéros Bericht zur Lage in Burundi nach den jüngsten blutigen Ereignissen und sichert ihm „Verständnis und Unterstützung" zu. Die Bemühungen des burundischen Staatschefs „um eine friedliche Lösung des Konflikts und um die Wahrung der nationalen Einheit" trügen zur Wiederherstellung von Frieden und Stabilität in jener Region bei. Von einer Verurteilung der Ereignisse ist allerdings nicht die Rede.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Niegel.
Herr Staatssekretär, Sie sagen, Sie haben mit den übrigen Missionschefs dagegen protestiert. Aber es war doch mehr oder weniger ein lautloser Protest, weil man in der Öffentlichkeit nicht viel davon vernommen hat.
Herr Abgeordneter, die Öffentlichkeit ist ja z. B. soeben unterrichtet worden. Aber der Erfolg von Maßnahmen, die die Bundesregierung trifft, hängt eben gelegentlich davon ab, daß das nicht in aller Öffentlichkeit stattfindet. Ich bitte das zu beachten.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Niegel.
Wie sähe es aus, Herr Staatssekretär, wenn man auch die Maßnahmen der Entwicklungshilfepolitik überprüfte und die Regierungen wissen ließe, daß sie, wenn solch blutige Vorgänge in ihrem Lande stattfinden, künftig mit Entwicklungshilfemaßnahmen nicht mehr rechnen können?
Herr Abgeordneter, ich verstehe nicht ganz den Zusammenhang Ihrer Zusatzfrage mit dem, was hier gefragt worden war. Es kann doch gar keinem Zweifel unterliegen, daß durch diese Unruhen Burundi um viele Jahre in seiner Entwicklung zurückgeworfen worden ist. Wie soll also die Bundesregierung Maßnahmen gegen eine Regierung ergreifen, deren Aufgabe es ist, die bei den Unruhen entstandenen Schäden, soweit das möglich ist, zu mildern?
Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Josten.
Herr Staatssekretär, ist dem Auswärtigen Amt die Zahl der Todesopfer bekannt, da durch die in der deutschen Presse genannten sehr unterschiedlichen Zahlen keine Klarheit über das Ausmaß dieser Katastrophe zu gewinnen ist?
Herr Abgeordneter, es ist völlig unmöglich, irgendwo gesicherte Erkenntnisse über das Ausmaß dieser Katastrophe zu gewinnen. Seit Cäsars „Gallischem Krieg" ist ja der Zahlenschwindel auf dem Gebiet relativ groß und verbreitet.
Keine weiteren Zusatzfragen. Ich danke Ihnen für die Beantwortung der Fragen aus Ihrem Geschäftsbereich, Herr Staatssekretär.Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern auf und teile folgendes mit: Die Fragen 4, 5 und 6 werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.Ich rufe die Frage 7 des Abgeordneten Dr. Schneider auf. Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet; die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
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11276 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Juni 1972
Präsident von HasselAuf Wunsch der Fragestellerin werden die Fragen 8 und 9 schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.Ich rufe die Frage des Abgeordneten Riedel auf. Ist der Abgeordnete im Saal? — Ich sehe ihn nicht; die Frage 10 wird ebenso wie die Frage 11 desselben Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.Ich rufe die Frage 12 des Abgeordneten Dr. Gruhl auf:Hält die Bundesregierung ihre in der Antwort auf die Frage des Abgeordneten Dr. Rinsche zum Ausdruck gebrachte positive Meinung über den Trend zur Zweitwohnung" in Erholungsgebieten angesichts der zunehmenden Klagen von Gemeinden, insbesondere von Kurorten, über die negativen Auswirkungen des Baus von Zweitwohnungen unein geschränkt aufrecht?Zur Beantwortung der Herr Bundesminister des Innern.
Der Trend zu Zweitwohnungen in geeigneten Gebieten, die hinter der allgemeinen Entwicklung zurückgeblieben sind oder zurückzubleiben drohen, wird von der Bundesregierung nach wie vor begrüßt und grundsätzlich unterstützt. Allerdings muß diese wichtige gesellschaftspolitische Aufgabe mit differenzierten fachlichen und politischen Mitteln bewältigt werden.
Wie aus der Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage des Abgeordneten Dr. Rinsche bereits hervorgeht, bedarf die Errichtung von Zweitwohnungen in Form von Wochenendwohnungen und Ferienhäusern einer auf lange Sicht angelegten Planung im Rahmen der Landes-, Regional- und Bauleitplanung. Hierbei muß einerseits einer Zersiedlung der Landschaft durch Freizeitwohnungen entgegengewirkt werden; andererseits muß eine Überlastung von Erholungsräumen vermieden werden.
Die Nachfrage nach Wochenendwohnungen und Ferienhäusern soll deshalb in geeigneten Gebieten auf erhaltenswerte Siedlungen gelenkt und dort in die vorhandene Bebauung integriert werden. Zur optimalen Nutzung der örtlichen Infrastruktur sollten darüber hinaus zusammenhängende Gebiete für Wochenendwohnungen und Ferienhäuser z. B. als „Wochenendhausgebiete" im Rahmen der Bauleitplanung an regionalplanerisch ausgewählten Standorten ausgewiesen werden.
Die Bundesregierung wird gemeinsam mit den Landesregierungen im Bundesraumordnungsprogramm Ziele für die räumliche Entwicklung des Bereiches Freizeit und Erholung festlegen.
Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Gruhl.
Herr Bundesminister, kann ich aus dieser Antwort schließen, daß der Bundesregierung die Problematik bekannt ist, die darin besteht, daß z. B. im bayerischen Alpenraum der Bau von Zweitwohnungen zu einer völligen Zersiedlung der Landschaft führt, wobei diese Bauten von den Eigentümern verhältnismäßig wenig in Anspruch genommen werden?
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung sieht diese Entwicklung mit großer Sorge. Die von mir soeben genannten Bemühungen der Bundesregierung, im Zusammenwirken mit den Ländern im Bundesraumordnungsprogramm Zielvorstellungen niederzulegen, sollen der von uns mit Sorge beobachteten Entwicklung entgegenwirken.
Eine zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Gruhl.
Herr Bundesminister, ich konnte leider einen Teil Ihrer Antwort akustisch nicht verstehen. Darum möchte ich noch folgende Frage stellen: Stellt die Bundesregierung Erwägungen an, in nächster Zeit an der steuerlichen Begünstigung etwas zu ändern?
Herr Abgeordneter, zu dieser Frage habe ich in meiner Antwort nicht Stellung genommen. Man wird diese Frage nicht pauschal beantworten können. Wir glauben, daß hier vor allen Dingen die Planungsvorstellungen und weniger die steuerlichen Möglichkeiten entscheidend sind.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Gleissner.
Herr Bundesminister, glauben Sie nicht, daß gerade die steuerliche Förderung der Zweit- und Drittwohnungen, besonders in den Erholungs- und Fremdenverkehrsgebieten — ich will das im einzelnen nicht detaillieren —, mit zur Zersiedlung beiträgt, und halten Sie es nicht für richtig, darauf hinzuwirken, daß künftig nur noch eine Wohnung steuerbegünstigt bleibt, während alle weiteren Wohnungen ausgenommen werden?
Herr Abgeordneter, ich weiß nicht, ob die Befriedigung des noch immer nicht gedeckten Wohnungsbedarfs nicht behindert würde, wenn generell nur eine Wohnung steuerlich begünstigt würde. Ich meine, daß wir der Zersiedlung, die wir mit großer Sorge beobachten und der wir entgegenwirken wollen — ich nenne als Beispiel einmal die Probleme, die im Allgäu entstanden sind —, nicht unbedingt mit steuerlichen Maßnahmen begegnen müssen, sondern daß es dafür auch bei Aufrechterhaltung steuerlicher Begünstigungen andere Möglichkeiten gibt, die ich anzudeuten versucht habe.
Ich rufe die Frage 13 des Herrn Abgeordneten Josten auf:Ist die Bundesregierung bereit, in Verbindung mit den Ländern dafür einzutreten, daß zukünftig die Zuständigkeit für das Sprengstoffrecht auf den Bund übertragen wird?Zur Beantwortung der Herr Bundesminister.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Juni 1972 11277
Nach der gegenwärtigen Rechtslage teilt sich das Sprengstoffrecht entsprechend der Kompetenzregelung des Grundgesetzes in zwei Bereiche.
Das Sprengstoffgesetz des Bundes vom 25. August 1969 regelt den Umgang und Verkehr mit explosionsgefährlichen Stoffen im wirtschaftlichen und Arbeitnehmerbereich sowie die Beförderung und die Einfuhr explosionsgefährlicher Stoffe, mithin Tatbestände, die auf die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 Nrn. 11 und 12 des Grundgesetzes gestützt sind. Es enthält dagegen keine Regelungen über den Umgang und Verkehr mit explosionsgefährlichen Stoffen im privaten Bereich, in Schulen und Universitäten und in der öffentlichen Verwaltung, es sei denn, daß im Gefahrenbereich der explosionsgefährlichen Stoffe Arbeitnehmer beschäftigt sind.
Für den nichtwirtschaftlichen Bereich gilt das Gesetz gegen den verbrecherischen und gemeingefährlichen Gebrauch von Sprengstoffen vom 9. Juni 1884, das inzwischen Landesrecht geworden ist. Nach § 1 dieses Gesetzes sind „die Herstellung, der Vertrieb und der Besitz von Sprengstoffen nur mit Genehmigung zulässig".
Die geltende Regelung hat zu einem komplizierten Nebeneinander von unterschiedlichem Bundes- und Landesrecht geführt. Die sich daraus ergebenden Mängel liegen insbesondere darin begründet, daß in beiden Bereichen unterschiedliche Begriffe verwendet werden und eine lückenlose Abgrenzung sowie eine enge Verzahnung auf erhebliche Schwierigkeiten stoßen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß sich aus den unterschiedlichen Regelungen für die Zukunft auch Nachteile für die öffentliche Sicherheit ergeben.
Aus diesen Gründen kann es — wie im Bereich des Waffenrechts — sachgerecht sein, dem Bund auf dem Gebiete des Sprengstoffrechts auch für den geringen Restbereich, der gegenwärtig den Ländern zusteht, die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit zu übertragen.
Nach den Arbeits- und Sozialministern der Bundesländer, die sich auf Grund einer Umfrage überwiegend für eine entsprechende Grundgesetzänderung ausgesprochen haben, hat sich auch die Ständige Konferenz der Innenminister der Länder am 8. Juni 1972 mit dieser Frage befaßt. Dieser Konferenz der Innenminister der Länder war ein Vortrag des Präsidenten des Bundeskriminalamtes am Pfingstmontag vor der Innenministerkonferenz vorausgegangen, in dem dieser für den Bundesminister des Innern die Notwendigkeit einer Verschärfung des Sprengstoffrechts betont hatte. Eine gewisse Bereitschaft, dem Bund die Gesetzgebungsbefugnis auch für die zur Zeit den Ländern vorbehaltenen Gebiete des Sprengstoffrechts einzuräumen, war in der Konferenz am 8. Juni 1972 erkennbar. Die Meinungsbildung der Länder in dieser Frage ist jedoch noch nicht abgeschlossen. Sollte sie zu dem Ergebnis führen, daß die Länder die Begründung einer Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes für das gesamte Sprengstoffrecht befürworten, wird die Bundesregierung solche Bemühungen mit Nachdruck unterstützen.
Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Josten.
Herr Minister, wird die Bundesregierung nicht nur für die Zuständigkeit für das Sprengstoffrecht eintreten — was Sie erwähnten —, sondern auch für eine Verschärfung der bestehenden Bestimmungen?
Herr Abgeordneter, ich hatte bereits zum Ausdruck gebracht, daß der Präsident des Bundeskriminalamtes für den Bundesinnenminister am Pfingstmontag vor der Innenministerkonferenz eine solche Verschärfung ausdrücklich gefordert hat.
Eine zweite Zusatzfrage, der Abgeordnete Josten.
Herr Minister, ist damit zu rechnen, daß angesichts der Sprengstoffanschläge in den vergangenen Wochen eine Vereinheitlichung des Sprengstoffrechts im ganzen Bundesgebiet einschließlich Berlin bald verwirklicht wird?
Herr Abgeordneter, ich sagte Ihnen bereits, daß die Innenministerkonferenz dieses Problem sieht und daß wir bemüht sind, es im Einvernehmen mit den Ländern einer Regelung zuzuführen.
Wir sind damit am Ende der Beantwortung der Fragen aus Ihrem Geschäftsbereich. Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister.Ich teile mit, daß die Fragen 51 bis 57 aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf Wunsch aller Fragesteller schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung.Die Frage 58 wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.Die Frage 59 ist zurückgezogen worden.Ich rufe die Frage 60 des Herrn Abgeordneten Schmidt auf. — Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.Ich rufe die Frage 61 des Abgeordneten Baier auf:Trifft es zu, daß der Personalrat beim Kreiswehrersatzamt Heidelberg in der Frage der Zusammenlegung der Kreiswehrersatzämter Heidelberg — Mosbach — Mannheim bis heute überhaupt nicht gehört wurde, obwohl die offizielle Prüfung der Frage der Zusammenlegung so gut wie abgeschlossen ist und eine Entscheidung bevorsteht?Zur Beantwortung Herr Staatssekretär Wetzel.
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11278 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Juni 1972
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, die Entscheidung über die Organisation der Behörden der Bundeswehrverwaltung trifft das Bundesverteidigungsministerium nach den Vorschriften des Personalvertretungsgesetzes unter Mitwirkung des Hauptpersonalrats, der die Interessen der betroffenen Beamten und Arbeitnehmer vertritt. Im Rahmen des Mitwirkungsverfahrens beteiligt der Hauptpersonalrat die örtlich zuständige Personalvertretung.
Im vorliegenden Fall ist das Mitwirkungsverfahren am 29. Mai 1972 mit einem Schreiben des Bundesverteidigungsministeriums an den Hauptpersonalrat eingeleitet worden. Die Einschaltung des Personalrats beim Kreiswehrersatzamt Heidelberg obliegt nunmehr dem Hauptpersonalrat. Die Beteiligung ist hier keine Formsache. Wenn sich neue Gesichtspunkte ergeben, werden weitere Untersuchungen angestellt. Die Entscheidung wird danach in etwa sechs bis acht Wochen fallen.
Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Baier.
Herr Staatssekretär, haben Sie für diese für den Raum Heidelberg—Mannheim wichtige Entscheidung auch einmal die verantwortlichen Kommunalvertreter gehört, oder werden Sie dies vor Ihrer endgültigen Entscheidung über den Sitz noch tun?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Solche Befragungen sind in diesen Fällen immer üblich; sie sind auch im Gange. Es ist durchaus denkbar, daß noch weitere Befragungen stattfinden werden.
Zweite Zusatzfrage, der Abgeordnete Baier.
Kann davon ,ausgegangen werden, daß diese Befragungen und Anhörungen nicht nur eine Formsache sind und Sie Ihre endgültige Entscheidung erst treffen werden, wenn Sie diese Anhörungen durchgeführt haben?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das ist richtig.
Wir sind am Ende der Fragen aus Ihrem Geschäftsbereich angelangt. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit auf, und zwar zunächst die Frage 62 des Abgeordneten Fiebig:
Welche Anstrengungen hat die Bundesregierung in ihren Verhandlungen in Brüssel unternommen, um der Entschließung des Deutschen Bundestages vom 4. November 1971 zur EWG-Prüfrichtlinie zur Verwirklichung zu verhelfen, in der der Deutsche Bundestag gefordert hat, daß bei Arzneispezialitäten aus bekannten Stoffen, deren Unschädlichkeit und Wirksamkeit allgemein als vorhersehbar gilt, die Vorlage von Sachverständigengutachten über die Unschädlichkeit und Wirksamkeit in Verbindung mit wissenschaftlichen Unterlagen über die Bestandteile der Arzneispezialität ausreicht und daß die Anpassungsfrist des Artikels 24 der Richtlinie des Rates vom 26. Januar 1965 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneispezialitäten auf 15 Jahre ausgedehnt wird?
Der Fragesteller ist anwesend. Zur Beantwortung Herr Parlamentarischer Staatssekretär Westphal.
Herr Kollege Fiebig, darf ich Ihre beiden Fragen gemeinsam beantworten?
Keine Bedenken: Frage 63 wird mit aufgerufen:
Welchen Erfolg hat die Bundesregierung in dieser Sache bisher erzielt?
Die Bundesregierung bemüht sich schon seit langem, die Vorstellungen zu realisieren, die zuletzt in der Entschließung des Bundestages vom 4. November 1971 zur EWG-Prüfrichtlinie zum Ausdruck gebracht worden sind. Die Schwierigkeiten, die diesen Bemühungen entgegenstehen, sind nicht gering. Die Vorstellungen lassen sich nur durch eine Änderung der sogenannten 1. Pharmazeutischen Richtlinie realisieren. Diese Richtlinie ist bekanntlich im Jahre 1965 einstimmig im EWG-Ministerrat beschlossen worden. Auch eine Änderung kann nur einstimmig beschlossen werden. Die Zustimmung der anderen Mitgliedstaaten zu einer Änderung läßt sich allenfalls bei der Verabschiedung des sogenannten pharmazeutischen Pakets erreichen, das aller Voraussicht nach aus neun weiteren Richtlinien des pharmazeutischen Bereichs besteht.
Sie dürfen versichert sein, Herr Abgeordneter, daß die Bundesregierung alle Anstrengungen unternimmt, um die Entschließung des Bundestages vom 4. November 1971 bei der Verabschiedung dieses pharmazeutischen Paketes zu verwirklichen.
Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Fiebig.
Herr Staatssekretär, welche Perspektiven haben sich in dieser Frage nach dem Beitritt Großbritanniens zur EWG ergeben? Welche Haltung vertritt also die englische Regierung?
Herr Kollege Fiebig, ich kann Ihnen dies so nicht beantworten. Es ist aber denkbar, daß das Problem des pharmazeutischen Pakets, von dem hier die Rede war, noch in diesem Jahr zu einer Behandlung kommt und damit vor dem Zeitpunkt, zu dem neue Mitglieder in der EWG dabei sind. Daß sich in dieser Frage vielleicht neue Perspektiven ergeben könnten, wenn die neuen Mitglieder in der EWG sind, wird selbstverständlich auch bei uns in die Prüfungen und Möglichkeiten des Verhandelns einbezogen werden.
Keine Zusatzfrage.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Juni 1972 11279
Präsident von HasselDie Frage 64 des Abgeordneten Dr. Schmitt-Vockenhausen wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.Ich rufe die Frage 65 des Abgeordneten Dr. Jungmann auf. — Der Fragesteller ist nicht anwesend. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Das gleiche gilt für die Frage 66 des Abgeordneten Dr. Probst, die auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden soll.Frage 67 des Abgeordneten Dr. Hammans:Trifft es zu, daß Waren beim Import nicht auf unzulässige Zusätze geprüft, also auch den Vorschriften nicht entsprechende Lebensmittel zollamtlich abgefertigt werden, und mit welchem Erfolg sind Maßnahmen ergriffen worden, um den Handel mit phosphathaltigem und somit nichtverkehrsfähigem Schinken zu unterbinden?Zur Beantwortung Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Herr Kollege Hammans, nach dem Lebensmittelgesetz ist es verboten, importierte Lebensmittel oder Bedarfsgegenstände in den Verkehr zu bringen, die den für die Bundesrepublik geltenden lebensmittelrechtlichten Vorschriften nicht entsprechen. Diesem Verbot steht die zollamtliche Abfertigung nicht entgegen, soweit nicht besondere gesetzliche Vorschriften eine obligatorische Einfuhruntersuchung unter zollamtlicher Mitwirkung vorschreiben.
Jede Sendung von Fleischwaren wird bei der Einfuhr nach den Vorschriften der Auslandsfleischbeschau-Verordnung stichprobenweise untersucht. In Verdachtsfällen können die Proben auch einer bakteriologischen, histologischen, serologischen oder chemischen Prüfung unterworfen werden. Diese Verdachtsuntersuchungen führten zu Beginn des Jahres 1971 zu der Feststellung phosphathaltiger Zusätze bei Kochschinken ausländischer Herkunft. Das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit hat daraufhin im Juli 1971 die für die Lebensmittelüberwachung zuständigen obersten Landesbehörden gebeten, zum Import anstehende Kochschinken einer verstärkten Kontrolle zu unterwerfen. Auf Grund dieser Kontrollen sind im Verlauf des Jahres 1971 einzelne Sendungen von der Einfuhr zurückgewiesen worden. In jüngster Zeit sind mir Feststellungen über Phosphatzusätze bei Kochschinken nicht mehr bekanntgeworden.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Hammans.
Herr Staatssekretär, versprechen Sie sich von der Novelle des Fleischbeschaugesetzes eine Verbesserung der Kontrollen in diesem Bereich?
Es wird jedenfalls darauf abgezielt, eine Verstärkung der Kontrollen in diesem Sinne herbeizuführen.
Zu einer zweiten Zusatzfrage der Abgeordnete Dr. Hammans.
Was hat die Bundesregierung inzwischen unternommen, nachdem bei den öffentlichen Anhörungen mit großer Deutlichkeit Ausdruck gekommen ist, daß die Kontrollen unzureichend sind?
Herr Kollege Hammans, die Durchführung des Gesetzes ist Länderaufgabe. Wir bemühen uns dabei, die zuständigen obersten Landesbehörden so schnell wie möglich zu unterrichten. In dieser Richtung ist, wie Sie auch aus meiner Beantwortung der F rage entnehmen können, immer gearbeitet worden.
Keine weitere Zusatzfrage.
Die Fragen 68 und 69 werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 70 des Abgeordneten Schmidt auf. Der Fragesteller ist nicht anwesend; die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 71 des Abgeordneten Härzschel auf. — Der Fragesteller ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet; die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Gleiches gilt für die Frage 72.
Ich rufe die Frage 73 des Abgeordneten Baier auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, daß durch eine neuerliche Kürzung des französischen Anteils für das deutschfranzösische Jugendwerk auf französischer Seite für 1972 lediglich 23 612 500 FF zur Verfügung stehen, was einem Gegenwert von 16,2 Millionen DM entspricht?
Zur Beantwortung der Herr Parlamentarische Staatssekretär.
Herr Kollege Baier, Kürzungen von Haushaltsansätzen sind selten ein erfreulicher Vorgang. Sie sind es ganz sicher nicht, wenn sie das Deutsch-Französische Jugendwerk treffen.
Der Staatssekretär für Jugend und Sport beim französischen Ministerpräsidenten, Herr Prof. Comiti, wird zu Konsultationsgesprächen am kommenden Montag, dem 19. Juni, bei Frau Bundesminister Strobel in Bonn zu Gast sein. Sie werden sicher verstehen, daß ich den Gesprächen, die sich bestimmt auch mit der in Ihrer Frage angesprochenen Problematik befassen werden, jetzt nicht vorgreifen möchte.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Baier.
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11280 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Juni 1972
Herr Staatssekretär, wie vereinbart sich Ihre so wohlwollende Äußerung hinsichtlich einer Verstärkung der Mittel mit der Tatsache, daß der Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen — sicherlich im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit — am 13. Juni 1972, also in diesen Tagen, dem Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages vorgeschlagen hat, den deutschen Beitrag zum Deutsch-Französischen Jugendwerk von 18 Millionen um 2,5 Millionen auf 15,5 Millionen DM zu kürzen?
Herr Kollege Baier, das Problem ist die rechtliche Situation. Wir sind Partner eines Vertrages, der zwischen der Französischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen worden ist und in dem von der Gleichheit der Größenordnung der jährlichen Beiträge ausgegangen wird. Diese Tatsache zwingt uns, gleichzuziehen, wenn es um die Mittel geht. Daß wir in der gegenwärtigen Lage, wo Ihre Partei noch viel größere Kürzungsvorschläge zwar nicht macht, aber fordert
— nicht macht, aber fordert; ich kenne keine, Herr Kollege Baier —, nicht umhinkönnen, auch vertraglich vorgeschriebene Dinge in die Kürzungen miteinzubeziehen, bitte ich zu verstehen. Sie stehen vor den Beratungen des Haushaltsausschusses in dieser Frage und werden darüber miteinander sprechen. Auch uns liegt daran, das Deutsch-Französische Jugendwerk ungeschoren zu lassen. Aber wenn schon die Einsparungen alle Bereiche treffen müssen, muß man auch wohl oder übel die Dinge miteinbeziehen, bei denen die vertraglichen Voraussetzungen heute noch so sind.
Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Baier.
Herr Staatssekretär, da die Leistungsfähigkeit des Deutsch-Französischen Jugendwerks nicht nur durch die Kürzung der Haushaltsmittel, sondern insbesondere auch durch die Konsequenzen des neuen Umrechnungskurses beeinflußt wird, möchte ich Sie fragen, ob Sie, um aus diesem Dilemma herauszukommen, die von Ihrem Abteilungsleiter für Jugendfragen angestellten präzisen Überlegungen zur Verbesserung der Lage des Deutsch-Französischen Jugendwerks noch weiter verfolgen.
Herr Kollege Baier, eigentlich steht das in der Antwort auf die Frage der Frau Kollegin Klee, aber ich will gerne, ohne die andere Antwort dann auszulassen, einen Teil davon vorwegnehmen.
Selbstverständlich unterlassen wir diese Bemühungen nicht. Wir haben zwei Gegenüber. Das eine Gegenüber ist die französische Regierung. Deswegen hatte ich auf die Gespräche mit Herrn Comiti hingewiesen; aber die werden möglicherweise auch erst für die Zukunft eine Rolle spielen können.
Das zweite Gegenüber ist unser Finanzminister, der auch von der Auslegung des Vertrages ausgeht, die heute vorhanden und bisher immer befolgt worden ist. Wir haben eine Aussage des Finanzministers vor uns, die besagt, daß er bei dieser Vertragssituation keine Änderung erkennen kann. Aber er ist bereit, mit uns weiter darüber zu verhandeln. Das heißt also, ein Gespräch auf Abteilungsleiterebene steht in absehbarer Zeit bevor. Wir bemühen uns weiter in dieser Richtung.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Josten.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, anläßlich der vorgesehenen Begegnung bei Frau Ministerin Strobel am 19. Juni darauf hinzuweisen, daß vor ca. 14 Tagen bei den zahlreichen Veranstaltungen der deutsch-französischen Freundschaftsbegegnungen in Rheinland-Pfalz auch unsere französischen Freunde einen noch stärkeren Jugendaustausch wünschten?
Selbstverständlich sind wir bereit, darauf hinzuweisen, denn dies ist unsere Position. Es sind die deutschen und die französischen jungen Menschen, die meinen, man sollte in diese Aufgabe auch weiterhin eine große Menge Geld stecken, damit gute Begegnungen zustande kommen können.
Keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe Frage 74 der Abgeordneten Frau Klee auf:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um den deutschfranzösischen Jugendaustausch so stark wie nur möglich zu fördern, obwohl die Zuschüsse zum deutsch-französischen Jugendwerk von der französischen Regierung um weitere 1,6 Millionen FF gekürzt worden sind?
Frau Kollegin Klee, die Bundesregierung ist an den Vertrag über das Deutsch-Französische Jugendwerk gebunden, der jedes der beiden Länder verpflichtet, jährlich die Mittel für die Tätigkeit des Jugendwerks zu gleichen Teilen zur Verfügung zu stellen. Das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit bemüht sich um die Zustimmung der Beteiligten dazu, diesen Grundsatz nicht nominal, sondern funktional zu interpretieren.Die entsprechenden Verhandlungen haben bisher noch nicht zu einem Erfolg geführt, der es erlauben würde, die im Haushalt des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit vorgesehenen Mittel auch dann ganz oder wenigstens zum Teil für die deutsch-französische Jugendbegegnung zu verwenden, wenn sie über das nominale Äquivalent zum französischen Haushaltsansatz hinausgehen.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Juni 1972 11281
Eine Zusatzfrage? — Bitte, Frau Kollegin Klee!
Herr Staatssekretär, darf ich dieser Ihrer Antwort entnehmen, daß die Bundesregierung der Jugend einen entscheidenden Anteil an der Ausfüllung des deutsch-französischen Vertrages beimißt und es begrüßt, daß auf diese Weise die deutsche Jugend Gelegenheit bekommt, die französische Sprache zu erlernen und damit die französische Kultur kennen- und liebenzulernen?
Frau Klee, selbstverständlich dürfen Sie daraus entnehmen, daß wir uns standig bemühen, diese Frage in eine neue Richtung zu drängen, und daß wir damit helfen wollen, daß das, was Sie ausgesprochen haben, in guter Weise durchgeführt werden kann. Sie sehen, wie schwierig es ist. Vertragsveränderungen haben auch ihre Schwierigkeiten in sich. Hier geht es um die Frage der Auslegung des Vertrages oder der Änderung des Vertrages. Es ist mir nicht möglich, dazu inhaltlich jetzt mehr zu sagen. Aber es bleibt das Ziel der Bundesregierung, das Deutsch-Französische Jugendwerk im Rahmen der deutsch-französischen Zusammenarbeit nach oben weiterzuentwickeln.
Eine weitere Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Klee.
Herr Staatssekretär, darf ich demnach annehmen, daß der Bundeskanzler das routinemäßige Gipfeltreffen mit Staatspräsident Pompidou, das Anfang Juli stattfinden wird, nutzen wird, um diese Frage anzusprechen, damit das Deutsch-Französische Jugendwerk in der Tat den Rahmen ausfüllen kann, der ihm im deutsch-französischen Vertrag gesetzt worden ist?
Frau Kollegin Klee, ich kann nicht über die Tagesordnung des Herrn Bundeskanzlers für dieses Gespräch bestimmen. Aber seitens des Hauses, das in diesen Fragen die Federführung hat, wird es selbstverständlich den Vorschlag geben, daß der Herr Bundeskanzler mit dem französischen Staatspräsidenten über diese Fragen sprechen soll.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Baier.
Herr Staatssekretär, würden Sie, wenn Sie meine, Auffassung teilen, daß die plötzliche und starke Verminderung der Mittel des Deutsch-Französischen Jugendwerkes eine schwierige Finanzlage hervorruft, da ja die Verwaltungsausgaben angesichts der steigenden Personalkosten beim Deutsch-Französischen Jugendwerk nicht gesenkt werden können und somit durch die Kürzungen nur die Zweckausgaben zur Förderung von Aktivitäten betroffen werden, mit mir übereinstimmen, daß es künftighin nicht mit Lippenbekenntnissen über den Wert der deutsch-französischen Jugendbewegung getan ist, sondern gemeinsame Bemühungen unternommen werden müssen, um wenigstens die früheren finanziellen Ansätze auf beiden Seiten wiederherzustellen?
Herr Kollege Baier, es geht nicht um Lippenbekenntnisse, sondern um die harte Realität von Haushaltsansätzen, und zwar in zwei Ländern: in Frankreich und in der Bundesrepublik. Die französische Regierung hat uns wissen lassen, daß sie ihrem Parlament einen Kürzungsvorschlag über das hinaus, was zur Zeit die sich aus den Währungsparitäten ergebenden Veränderungen bewirkt haben, gemacht hat. Die Entscheidungen über den Haushalt stehen auch in Frankreich noch aus. Aber man muß wohl erwarten, daß es so kommt, wie die französische Regierung vorgeschlagen hat.
Bei uns ist das Problem, daß wir es mit einem Vertrag zu tun haben, an den wir gebunden sind, und mit einer Haushaltsenge, von der Sie, wie gesagt, meinen, sie sei von dieser Regierung noch nicht scharf genug angegangen worden. Sie müßten also wahrscheinlich Vorschläge machen, wenn Sie meinen, es müsse noch mehr gekürzt werden. Vielleicht haben Sie andere Ideen als wir; wir werden es sehen. Bis jetzt gibt es solche Äußerungen der Opposition bekanntlich noch nicht. Was immer getan werden könnte, um solche förderungswürdigen Dinge wie diese gut zu dotieren, wir würden es gern unterstützen.
Keine weiteren Zusatzfragen. Wir sind am Ende der Behandlung der Fragen aus diesem Geschäftsbereich. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.Bevor wir fortfahren, darf ich Ihnen folgendes sagen. Ich erhalte soeben eine Fernschreibmeldung. Danach ist die Anführerin der Baader/Meinhof-Gruppe, die ehemalige Journalistin Ulrike Meinhof, heute morgen auf dem Flughafen Hannover-Langenhagen festgenommen worden. In ihrer Begleitung befand sich ein bisher noch nicht identifizierter Mann. Ich glaube, ich darf im Namen des Hauses allen an der Festnahme Beteiligten unseren Dank aussprechen.Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen.Die Fragen 75 und 76 des Abgeordneten Dr. Häfele werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.Die Fragen 77 und 78 des Abgeordneten Jung werden schriftlich beantwortet, da der Fragesteller nicht anwesend ist. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
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11282 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Juni 1972
Präsident von HasselIch rufe die Frage 79 des Abgeordneten Dr. Gleissner auf:Hat sich die Bundesregierung, zur Verhinderung der jährlich wiederkehrenden Auseinandersetzungen über Besoldung und Arbeitsbedingungen der Fluglotsen, bereits mit Vorschlägen befaßt, nach denen Fluglotsen künftig als Angestellte des Bundes tätig sein sollen, damit die einengenden Bestimmungen des Beamtenrechts entfallen und eine, den besonderen Umständen entsprechende sachgerechte Regelung der Besoldung und der Arbeitsbedingungen ermöglicht würde?Zur Beantwortung Herr Parlamentarischer Staatssekretär Haar.
Ja, Herr Kollege. Die Prüfung aller mit einer solchen Lösung verbundenen Fragen ist aber zur Zeit noch nicht abgeschlossen. Darüber hinaus sind eingehende Verhandlungen mit den Beteiligten erforderlich, die inzwischen eingeleitet worden sind.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Gleissner.
Welche Mehrkosten entstehen voraussichtlich durch die Beilegung des Konflikts mit den Fluglotsen? Und ist beabsichtigt, die steigenden Unkosten für die Dienste der Flugsicherung eventuell dadurch abzudecken, daß die Start- und Landegebühren erhöht werden, und zwar bis zu einer Grenze, daß mit diesen Gebühren neben den Betriebs- und Kapitalkosten für die Flughäfen auch die anteiligen Flugsicherungskosten der Zivilluftfahrt gedeckt werden?
Herr Kollege, ich darf Sie darauf hinweisen, daß in diesem Zusammenhang völlig unabhängig von dem künftigen Status der Beschäftigten im Augenblick Besoldungsfragen zur Diskussion stehen. Gebührenfragen stehen damit nicht in einem engen Zusammenhang.
Zu einer zweiten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Gleissner.
Herr Staatssekretär, haben die Vorschläge der Bundesregierung zur Beilegung des Konflikts mit den Fluglotsen auch zum Ziel, daß die Besoldungsfragen künftig in der Hauptsache zwischen den eigentlichen Interessen, nämlich den Flugleitern und den Fluggesellschaften, ausgehandelt werden, während der Bund durch den Bundesverkehrsminister die Oberaufsicht, im besonderen in allen technischen Fragen der Flugsicherung, behält?
Herr Kollege, ich gehe davon aus, daß Sie die Zuständigkeiten innerhalb der einzelnen Ministerien dieser Bundesregierung akzeptieren, wie sie üblich sind. Das heißt, in Fragen der Besoldung im öffentlichen Dienst ist selbstverständlich das Innenministerium federführend. Das war nie anders, und daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern.
Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Mursch.
Mursch (CDU/CSU) : Herr Kollege Haar, sehen Sie beamtenrechtliche Schwierigkeiten bei der Umwandlung des beamtenrechtlichen Status der Fluglotsen in einen Angestelltenstatus und gegebenenfalls welche?
Ich sehe solche Schwierigkeiten nicht, Herr Kollege, vorausgesetzt, daß die Betroffenen selbst ihre Entscheidung treffen.
Ich rufe die Frage 80 des Abgeordneten Mursch auf:
Aus welchem Anlaß hat die Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn die Broschüren „DB 1957 — 1972" und „Schnell und bequem zur Arbeit" herausgegeben?
Zur Beantwortung Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Herr Präsident, wegen des Sachzusamenhangs bitte ich die beiden Fragen des Herrn Kollegen Mursch gemeinsam beantworten zu dürfen, sofern der Herr Kollege einverstanden ist.
Keine Bedenken. Dann wird auch die Frage 81 des Abgeordneten Mursch aufgerufen:
Wie hoch sind Auflage und Kosten?
Die genannten Broschüren sind Bestandteil der Öffentlichkeitsarbeit der Deutschen Bundesbahn. In der Darstellung „DB 1957-1972" wird ein geschlossener Überblick über die wichtigsten Entwicklungen im Bereich der Deutschen Bundesbahn während der letzten Jahre gegeben. Damit wird die Praxis des Pressereferats der Bundesbahn fortgesetzt, das in gewissen Zeitabständen die interessierte Öffentlichkeit durch Publikationen dieser Art zu unterrichten pflegt. Vorhergehende Broschüren dieser Art tragen z. B. die Titel „Zehn Jahre Wiederaufbau", „Treffpunkt DB" und „Ausbauprogramm der Deutschen Bundesbahn". Einer der Gründe, die Broschüre „DB 1957-1972" jetzt erscheinen zu lassen, war naturgemäß der Wechsel innerhalb des Vorstandes der Deutschen Bundesbahn. Für die Herausgabe der S-Bahn-Broschüre „Schnell und bequem zur Arbeit" im jetzigen Zeitpunkt war vor allem der Gedanke maßgebend, im Zusammenhang mit der Eröffnung des neuen, umfassenden Nahschnellverkehrsnetzes im Münchener Raum auf die Gesamtheit der Einrichtungen der Deutschen Bundesbahn für den Nahverkehr hinzuweisen und für
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Juni 1972 11283
Parlamentarischer Staatssekretär Haarderen Benutzung auch zu werben. Ich glaube, das veränderte Leistungsbild der Bundesbahn sollte in solchen Broschüren deutlich dargestellt werden.Die Auflage der Broschüre „DB 1957-1972" beläuft sich auf 10 000 Exemplare, diejenige der S-Bahn-Broschüre auf 30 000 Exemplare. Im ersten Falle waren Gesamtkosten in Höhe von 50 500 DM, im zweiten Falle in Höhe von 22 380 DM aufzuwenden. In diese Beträge eingeschlossen sind die Honorare, die Aufwendungen für die Beschaffung und Wiedergabe der Fotos und Graphiken und auch der Druck.
Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Mursch.
Mursch (CDU/CSU) : Herr Kollege Haar, können Sie mir in groben Zügen sagen, an wen diese beiden Broschüren verteilt worden sind.
Die Verteilung erfolgt ohne Einschaltung unseres Hauses. Ich kann bezüglich des Empfängerkreises nur die Vermutung aussprechen, daß die Kunden der Deutschen Bundesbahn, soweit sie Bezieher von „Rad und Schiene" und derartiger Veröffentlichungen sind, in jedem Falle über die Dienststellen der Bundesbahn und die Generalvertretungen in den Besitz dieser Broschüren kommen.
Letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Mursch.
Mursch (CDU/CSU) : Ich habe noch drei Zusatzfragen.
Sie haben sie im Grunde genommen. Aber ich möchte mich bemühen, in den noch zur Verfügung stehenden sieben Minuten alle Fragen mit Rücksicht darauf zu behandeln, daß alle Fragesteller anwesend sind. Ganz kurz, bitte!
Mursch (CDU/CSU) : Hat das Bundesverkehrsministerium sich darüber Gedanken gemacht, Herr Staatssekretär Haar, ob bei diesen Broschüren Kosten und Nutzen in einem ausgewogenen Verhältnis stehen, gerade im Hinblick auf die gegenwärtige Finanzlage der Deutschen Bundesbahn?
Im Hinblick auf die Situation, in der die Bundesbahn mit ihrem sicher auch von Ihnen anerkannten verbesserten Leistungsbild steht, halten wir Kosten und Nutzen für durchaus im Einklang.
Dritte Zusatzfrage, der Abgeordnete Mursch.
Mursch (CDU/CSU) : Herr Kollege Haar, wenn Sie sich die Broschüre „DB 1957 bis 1972" anschauen, werden Sie feststellen, daß zwei Drittel des Berichtszeitraums in die Zeit des Vorgängers des gegenwärtigen Bundesverkehrsministers fallen. Wie erklären Sie sich, daß in dieser Broschüre eine ganzseitige Aufnahme von Verkehrsminister Leber erscheint, aber sein Amtsvorgänger, in dessen Zeit es der Bundesbahn, wie jedermann weiß, wesentlich besser ging als heute, nicht einmal mit einer Aufnahme, die sein Werk würdigt, in dieser Broschüre in Erscheinung tritt?
Herr Kollege, wir haben keine Zensur über derartige Veröffentlichungen der Bundesbahn auszuüben. Ich kann dazu eine Erklärung nicht abgeben. Ich nehme an, die verantwortlichen Herren der Bundesbahn haben sich die Gestaltung dieser Broschüre eingehend überlegt und auf die Veränderungen innerhalb der Bundesbahn in dem Schwerpunktzeitraum der letzten sechs Jahre besonders hinweisen wollen.
Eine letzte Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Mursch.
Mursch (CDU/CSU) : Können Sie mir dann sagen, Herr Kollege Haar, wie Ihre persönliche Meinung zu dem Punkt ist, den ich soeben in meiner dritten Zusatzfrage angesprochen habe?
Ich hätte nichts dagegen gehabt, wenn auch ein Bild des Vorgängers des amtierenden Verkehrsministers unter Hinweis auf die Verdienste dieses Amtsvorgängers in der deutschen Verkehrspolitik in der Broschüre veröffentlicht worden wäre.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Wende.
Herr Staatssekretär, können Sie meine Vermutung bestätigen, daß der Herr Kollege Mursch offensichtlich den tiefen Ernst, der den Veröffentlichungen zugrunde liegt, nicht recht zu erfassen in der Lage war, da doch gerade die hauptsächliche verkehrspolitische Aufgabe bei der Bewältigung der Verkehrsprobleme in unseren Ballungsräumen darin besteht, die Bürger darauf hinzuweisen, daß es sehr nützlich und auch vorteilhaft ist, die angebotenen Möglichkeiten des Personennahverkehrs auf der Schiene wahrzunehmen und vom Individualverkehr, also vom Gebrauch des eigenen Kraftfahrzeugs, in diesen Räumen abzugehen, so daß insofern diese Veröffentlichungen außerordentlich zu begrüßen sind und gerade zum richtigen Zeitpunkt kommen?
Verzeihung, Herr Kollege, war das eine Frage, eine Feststellung, eine Wertung?
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11284 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Juni 1972
Ich frage, ob der Herr Staatssekretär dies bestätigen kann.
Das liegt so ein bißchen an der Grenze der Möglichkeiten der Fragestunde. —Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege Wende, ich teile Ihre Auffassung. Im übrigen bitte ich um Verständnis, wenn ich in eine Wertung im Sinne der mir gestellten Frage nicht eintreten möchte.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schmidt .
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir zu, wenn ich feststelle, daß ein Unternehmen von der Bedeutung, wie sie die Bundesbahn hat, durchaus berechtigt sein sollte, die Öffentlichkeit gelegentlich über ihre Ziele und Leistungen zu unterrichten?
Ich teile voll Ihre Auffassung. Die gemeinwirtschaftlichen Aufgaben der Bundesbahn erfordern derartige Maßnahmen und auch die Darstellung der Notwendigkeiten im gesellschaftspolitischen Sinne.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 82 des Abgeordneten Josten auf:
Wie weit sind die Baumaßnahmen der Entlastungsstraße B 9 fortgeschritten?
Zur Beantwortung, Herr Staatsekretär, bitte!
Die Neubaustrecke der A 14 — linksrheinische Autobahn — von Krefeld über Ludwigshafen bis zum Anschluß an die BAB Frankfurt—Heilbronn bei Hockenheim ist 367 km lang, Herr Kollege. Bis jetzt sind 113 km unter Verkehr. Ende 1972 werden insgesamt 176 km dieser Autobahn fertiggestellt sein. Die Finanzierung ist darauf abgestellt, daß die A 14 bis 1975 durchgehend von Moers bis Hockenheim verkehrsbereit sein wird.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Josten.
Herr Staatssekretär, im Hinblick auf die Tatsache, daß die B 9 durch viele Städte und Gemeinden führt und somit vielfach — wie z. B. in Bad Breisig — der Straßenverkehr unerträgliche Formen annimmt, darf ich fragen: Werden in Ihrem Hause Überlegungen angestellt, ob gegebenenfalls fertige Teilstrecken der neuen Autobahn zum gegebenen Zeitpunkt einbahnig dem Verkehr übergeben werden sollten?
Ich werde das gern überprüfen und Ihnen eine schriftliche Antwort zukommen lassen, Herr Kollege.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 83 des Herrn Abgeordneten Löher auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß aus der Tatsache der Gleichwertigkeit der Tätigkeiten bei den verschiedenen Laufbahnen des gehobenen Dienstes der Deutschen Bundespost umgehend besoldungspolitische Konsequenzen zu ziehen sind und deshalb die Zulagen und Stellenpläne der Beamten des gehobenen Betriebs- und Verwaltungsdienstes der Deutschen Bundespost an die Zulagen und Stellenpläne der Beamten des gehobenen technischen Dienstes der Deutschen Bundespost anzupassen sind?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär.
Im Bereich der Deutschen Bundespost sind Bleiwertige Ämter sowohl des gehobenen nichttechnischen als auch des gehobenen technischen Dienstes denselben Besoldungsgruppen zugeordnet. Im Rahmen der Stellenplangestaltung für die Funktionsgruppen haben die gehobenen technischen Beamten jedoch in der Zwischenzeit günstigere Beförderungsmöglichkeiten erhalten. Außerdem sind für die Beamten des gehobenen technischen Dienstes höhere Zulagen festgesetzt worden als für die Beamten des gehobenen nichttechnischen Dienstes.
Inwieweit die Stellenpläne und Zulagen der einzelnen Laufbahnen des gehobenen Dienstes bei der Deutschen Bundespost einander anzupassen sind, muß dem Ergebnis der Überprüfung des gesamten Laufbahn- und Besoldungsrechts vorbehalten bleiben. Das ist also nicht nur eine Frage der Prüfung der Besoldungssituation und der Stellenplansituation bei der Deutschen Bundespost.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Löher.
Herr Staatssekretär, was gedenkt nun die Bundesregierung konkret zu tun, um gleichwertige Tätigkeit gleich zu entgelten, wie es in einem Brief des Bundespostministers vom 24. Juni 1971 heißt?
Sie kennen die interfraktionellen Bemühungen um eine Harmonisierung innerhalb des Besoldungs- und Laufbahnwesens. Ich glaube, wir können nicht für einzelne Gruppen eine Regelung vorziehen. Das wäre auch nicht im Sinne der Beschlüsse dieses Hauses.
Eine letzte Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Löher.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Juni 1972 11285
Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung denn die Auffassung, daß der bestehende Zustand sowohl gegen den Grundsatz der Gleichwertigkeit als auch gegen die moralische Verpflichtung, gleichen Lohn für gleiche Arbeit zu zahlen, verstößt?
Ich weiß nicht, ob diese Frage, Herr Kollege, nicht etwas überspitzt formuliert ist. Natürlich gibt es nicht ohne weiteres eine Möglichkeit. Sie kennen sicher die Bemühungen dieses Hauses und der Bundesregierung in den letzten Jahren, zu gerechten Anstellungs- und Beförderungsbedingungen wie auch Bewertungen zu kommen. Aber die Funktionsgruppenregelung ist nicht von heute auf morgen so vorzunehmen und so zu ändern, daß nicht nur eine sachbezogene Auswahl und Bewertung der Funktionsgruppen gegeben ist, sondern gleichzeitig auch für alle Laufbahnen des gehobenen Dienstes bei der Bundespost zahlenmäßig genau übereinstimmende Beförderungschancen erzielt werden können. Als Fachmann können Sie sich darüber sicher ein eigenes Urteil bilden.
Wir sind am Ende Ihres Geschäftsbereiches angelangt; ich darf Ihnen danken.
Ich stehe vor folgender Frage. Die Fragestunde ist im Grunde genommen abgelaufen; aber wir haben nur noch zwei Fragesteller; beide sind da, und der Herr Minister ist ebenfalls da. Können wir uns dahin verständigen, diese Fragen ohne Zusatzfragen schnell abzuhandeln? Einverstanden.
Ich rufe die Frage 84 des Abgeordneten Dr. Ritgen auf:
Trifft es zu, daß der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit die „Aktion Selbstbesteuerung — Friede durch gerechte Entwicklungspolitik", die in unsachgemäßer Weise dafür plädiert, daß der Zuckerrübenanbau in der EWG zugunsten des Absatzes von Rohrzucker aus den Entwicklungsländern eingeschränkt werden soll, aus Steuermitteln finanziell unterstützt hat?
Zur Beantwortung Herr Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit Dr. Eppler.
Herr Kollege Dr. Ritgen, es ist richtig, daß mein Haus der „Aktion Selbstbesteuerung — Friede durch gerechte Entwicklungspolitik" im Jahre 1971 einen Zuschuß für ihre entwicklungspolitische Öffentlichkeitsarbeit gewährt hat. Bei der Bewilligung wurde aber zur Bedingung gemacht, daß diese Mittel nicht für die sogenannte „Rohrzuckerkampagne" verwendet werden dürfen, an der auch die Aktion Selbstbesteuerung mitwirkte.
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe Frage 85 des Abgeordneten Dr. Ritgen auf:
Kann die Bundesregierung bestätigen, daß Zucker das denkbar schlechteste Beispiel ist, um eine Änderung der Wirtschafts- und Produktionsstruktur in der EWG zugunsten der Entwicklungsländer herbeizuführen?
Bitte, Herr Minister!
Herr Kollege, die Bundesregierung ist der Auffassung, daß Zucker zur Zeit kein besonders geeignetes Beispiel ist, um die Benachteiligung der Entwicklungsländer im Welthandel deutlich zu machen. Während man in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre eine scharfe Konkurrenz von Industrie- und Entwicklungsländern um die Zuckermärkte feststellen konnte, besteht gegenwärtig auf dem Weltmarkt für Zucker eine ausgesprochene Zuckerknappheit außerhalb der EWG. Das hat eine außerordentliche Erhöhung der Weltmarktpreise für Zucker zur Folge gehabt. Immerhin ist der Zucker insofern ein brauchbares Beispiel für die Forderung nach einer besseren Beteiligung der Entwicklungsländer am Welthandel, als der Zucker in den Entwicklungsländern sehr gut angebaut werden kann, während andere Produktionen nur unter größerer Schwierigkeit aufgebaut werden können.
Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die Deckung der entstandenen und in Zukunft zu erwartenden Bedarfslücke in der Regel den Entwicklungsländern überlassen werden sollte und daß die Politik der Europäischen Gemeinschaft, keine Ausweitung der Zuckeranbaufläche zu unterstützen, beibehalten werden sollte. Die Bundesregierung wird ihren Einfluß in den zuständigen Gremien der Europäischen Gemeinschaften in diesem Sinne geltend machen.
Ich rufe Frage 86 des Abgeordneten Dr. Gruhl auf:
Ist die Bundesregierung der Meinung, daß ein wesentlicher Gesichtspunkt bei der Entwicklungshilfe sein sollte, auch solche Projekte zu fördern, die eine Erhaltung oder Wiederherstellung der Natur und des ökologischen Gleichgewichts, z. B. die Anlage von Nationalparks, zum Ziel haben?
Bitte, Herr Minister!
Herr Kollege Dr. Gruhl, die Bundesregierung beschäftigt sich auch im Bereich der Entwicklungspolitik mit Fragen der Erhaltung des ökologischen Gleichgewichts in den Entwicklungsländern. Dazu dienen zahlreiche Projekte im Bereich der Wasserwirtschaft, des Siedlungswesens und der Land- und Forstwirtschaft. So schafft der Neubau von Staudämmen, die Erforschung und Förderung von Grundwasser die Voraussetzung für eine intensive Bewässerungswirtschaft und damit Beschäftigung und eine ausreichende Ernährungsbasis im ländlichen Bereich. Das hilft, die Landflucht und die Versteppung von Landschaften zu stoppen und die Slumbildung in den Großstädten zu bremsen.
In landwirtschaftlichen Projekten wird demonstriert, wie eine einseitige Ausnutzung des Bodens vermieden wird, wie man Versalzungen begegnet und wie durch die richtige Anlage der Felder eine Abschwemmung des Mutterbodens verhindert wird. Auch die Beratung auf dem Gebiet der Tierhaltung, vor allem um eine Überweisung zu vermeiden, sowie Maßnahmen zur Erhaltung des Waldes und der Aufforstung dienen dem Erosionsschutz.
11286 Deutscher Bundestag 6. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. Juni 1972
Bundesminister Dr. Eppler
Forstwirtschaftliche Projekte mit dieser Zielsetzung werden z. B. in Afghanistan, Bolivien, den Philippinen und Marokko durchgeführt. Die Bundesregierung beteiligt sich an überregionalen Ausbildungszentren für Naturschutz und Wildbewirtschaftung in Kamerun und Tansania. In der zuletzt genannten Ausbildungsstätte wurden bisher 150 Beamte aus 13 Ländern ausgebildet.
Die Bundesregierung wird sich in den kommenden Jahren verstärkt bemühen, trotz steigender Landnot bei einer ständig wachsenden Bevölkerung Naturlandschaften in weitgestreuten Nationalparks zu schützen. Überdies werden alle Projekte der Kapital- und technischen Hilfe auf ihre Wirkung auf die Umwelt hin geprüft. Die Bundesregierung ist bereit,
Vorhaben, die dem Umweltschutz und der Erhaltung des ökologischen Gleichgewichts dienen, zu fördern und die Entwicklungsländer entsprechend zu beraten.
Damit sind wir mit den Fragen Ihres Geschäftsbereiches fertig; ich darf Ihnen für die Beantwortung danken, Herr Bundesminister.
Wir sind am Ende unserer Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Plenarsitzung auf Mittwoch, den 21. Juni 1972, 9 Uhr und schließe die heutige Sitzung.