Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Seinen 65. Geburtstag feiert heute der Parlamentarische Staatssekretär Logemann. Ich spreche ihm die herzlichen Glückwünsche des Hauses aus.
Nach einer Vereinbarung des Ältestenrates soll die Tagesordnung um die in der Ihnen vorliegenden Liste bezeichneten Vorlagen erweitert werden:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes
— Drucksache VI/3430 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen , Rechtsausschuß
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Fünfundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes
— Drucksache VI/3447 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Innenausschuß , Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte
— Drucksache VI/3463 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung , Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO
Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD, FDP betr. Vergütungen im Spediteursammelgutverkehr
— Drucksache VI/3480 — Beschlußfassung
Das Haus ist damit einverstanden; damit ist die Erweiterung der Tagesordnung beschlossen.
Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
EG-Vorlagen
Verordnung des Rates
zur Festsetzung des Grundpreises und des Ankaufspreises für Tomaten
zur Festsetzung des Grundpreises und des Ankaufspreises für Pfirsiche
zur Festsetzung des Grundpreises und des Ankaufspreises für Zitronen
— Drucksache VI/3470 —
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates
zur Festlegung der Grundregeln für die Gewährung und die Finanzierung der Beihilfe auf dem Saatgutsektor
zur Festsetzung der Beihilfe auf dem Saatgutsektor für das Wirtschaftsjahr 1972/73
zur Festlegung der Grundregeln für die Festsetzung der Referenzpreise und für die Aufstellung der Frei-Grenze-
Angebotspreise für Hybridmais zur Aussaat
— Drucksache VI/3471 —
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes
— Drucksache VI/ 3395 —
a) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache VI/3484 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Riedl
b) Schriftlicher Bericht des Innenausschusses
— Drucksache VI/3482, zu VI/3482 —Berichterstatter: Abgeordneter Berger
Abgeordneter Wittmann
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? — Das Wort hat der Abgeordnete Berger.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der heute vom Hohen Haus in zweiter und dritter Beratung zu behandelnde Gesetzentwurf zur Änderung des Bundeswahlgesetzes geht zurück auf eine Entschließung des Deutschen Bundestages vom 8. Juni 1971, mit der die Bundesregierung gebeten worden war, spätestens bis zum 31. Dezember 1971 den „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes" vorzulegen; dabei sollte der Wahlkreiseinteilung der Gebietsstand vom 1. Juli 1972 zugrunde gelegt werden.Der Ausschuß hatte die Bundesregierung darüber hinaus ersucht, in den Entwurf nur die Grenzänderungen jener Wahlkreise einzubeziehen, deren Bevölkerungszahl von der durchschnittlichen Bevölkerungszahl der Wahlkreise um mehr als 33 1/3 v. H. nach oben oder unten abweicht, und keine Wahl-
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11100 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 190. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juni 1972
Bergerkreisverschiebungen von Land zu Land und keine kommunalen Grenzänderungen auf Grund der Verwaltungsreform über den Stichtag vom 1. Juli 1972 hinaus einzubeziehen.Die Bundesregierung ist diesen Wünschen in ihrem Entwurf im wesentlichen nachgekommen. Daß er erst im Mai 1972 dem Deutschen Bundestag zugeleitet werden konnte, liegt zum großen Teil daran, daß die kommunalen Neugliederungen in mehreren Bundesländern noch im Flusse sind. Deshalb mußte auch die Beschreibung einzelner Wahlkreise noch im laufenden Gesetzgebungsverfahren geändert werden. — Die nunmehr vorliegende Fassung wurde vom Innenausschuß einstimmig beschlossen. Ich bin auch als Berichterstatter in der angenehmen Lage, meine ergänzenden Bemerkungen zu dem Ihnen vorliegenden Schriftlichen Bericht nicht nur im Einvernehmen mit meinem Mitberichterstatter, Herrn Kollegen Wittmann, sondern im Namen des gesamten Innenausschusses zu machen.Der Gesetzentwurf enthält in der vom Ausschuß gebilligten Fassung neben der schon angesprochenen Änderung der Anlage zum Bundeswahlgesetz, die die Wahlkreiseinteilung und -beschreibung umfaßt, hauptsächlich redaktionelle Änderungen. Hier verdient vor allen Dingen die Anpassung der Bestimmungen der §§ 12 und 16 an die Änderung des Art. 38 Abs. 2 des Grundgesetzes vom 31. Juli 1970 durch die 27. Änderung des Grundgesetzes erwähnt zu werden, wonach das aktive Wahlalter von 21 auf 18 und das passive Wahlalter auf den Zeitpunkt der Volljährigkeit herabgesetzt worden ist.Der Ausschuß hat die von der Bundesregierung vorgesehene Erweiterung des Wahlrechts auf die in den europäischen Gebieten der Europäischen Gemeinschaften lebenden Deutschen nicht gebilligt, weil er der Auffassung ist, daß die verfassungsrechtliche und verfassungspolitische Problematik einer solchen Erweiterung und Beschränkung noch nicht hinreichend geklärt ist, um bereits jetzt eine befriedigende Lösung zu ermöglichen. Der Innenausschuß schlägt deshalb vor, die Bundesregierung in einer Entschließung zu ersuchen, diese Problematik — auch unter Berücksichtigung der Entwicklung in den übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften — weiter zu prüfen und den gesetzgebenden Körperschaften einen Lösungsvorschlag zu unterbreiten.Zu den Änderungen der Anlage zum Bundeswahlgesetz ist hervorzuheben, daß in fünf Wahlkreisen, nämlich in Stormarn-Herzogtum Lauenburg, Hamburg II, Wandsbek, Detmold-Lippe und München-Land, infolge einer Abweichung von mehr als 331/3 v. H. vom Bundesdurchschnitt Änderungen vorgeschlagen werden, um der Soll-Vorschrift des § 3 Abs. 3 zu genügen.Hier muß hervorgehoben werden, daß sich der Ausschuß davon überzeugt hat, daß die vorgeschlagenen Änderungen die Zustimmung der jeweils betroffenen Landesparteien gefunden haben. Dies gilt auch für die übrigen Veränderungen der Wahlkreisgrenzen.Allgemein ist zu der Anlage zum Bundeswahlgesetz zu sagen, daß im Ausschuß Einigkeit darüber herrscht, daß die jetzt vorgeschlagene Beschreibung und Zusammensetzung der Wahlkreise nur für die nächste Wahl zum Deutschen Bundestag gelten soll. Der Ausschuß hofft, daß bis zum Jahre 1976 die Neugliederungsvorhaben in allen Bundesländern so weit abgeschlossen sind, daß eine Neuschneidung und Neubezeichnung der Wahlkreise möglich wird und daß dann den Vorschlägen der Wahlkreiskommission entsprochen werden kann, wonach die Bevölkerung in den einzelnen Wahlkreisen nicht um mehr als 25 v. H. nach oben oder unten vom Durchschnitt aller Wahlkreise abweichen sollte.Hervorzuheben ist schließlich noch, daß sich der Ausschuß allen Empfehlungen des Bundesrates in dessen Stellungnahme vom 14. April 1972 angeschlossen hat.Um die Möglichkeit zu schaffen, für die nächste Bundestagswahl die Beschreibung einzelner Wahlkreise so korrekt wie möglich vorzunehmen und etwaige Mißverständnisse auszuschließen, schlägt der Innenausschuß vor, den Bundesminister des Innern zu ermächtigen, die Anlage zum Bundeswahlgesetz in der nach Inkrafttreten dieses Gesetzes geltenden Fassung dann erneut bekanntzumachen, wenn amtliche Bezeichnungen von Gemeinden oder Gemeindeverbänden nach diesem Zeitpunkt nochmals geändert worden sind. Diese Vorschrift ermächtigt den Bundesinnenminister nicht, den territorialen Bestand von Wahlkreisen zu ändern; aber sie ist notwendig, weil der Gesetzgeber bei der Wahlkreisbeschreibung nur solche kommunalen Neugliederungen berücksichtigen konnte, die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes bekanntgeworden und auch in Kraft getreten sind.Der Innenausschuß schlägt Ihnen schließlich vor, die Bundesregierung in einer Entschließung zu ersuchen, das Briefwahlsystem so zu verbessern, daß möglichst viele Wahlberechtigte an der Wahl teilnehmen können. Zu diesem Zweck soll die Bundeswahlordnung so geändert werden, daß mit der Wahlbenachrichtigung bereits ein Antragsformular auf Ausstellung eines Wahlscheins versandt wird und daß für die Beantragung eines solchen Wahlscheins eine Begründung nicht mehr erforderlich ist. Dies würde zudem auch eine Verwaltungsvereinfachung bedeuten.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.Wir kommen zur Einzelberatung in zweiter Lesung. Ich rufe die Art. 1, — 2, — 3, — 4, — Einleitung und Überschrift auf. — Das Wort wird nicht begehrt. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen!Wir kommen zurdritten Beratung .Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.Wer in dritter Lesung dem Gesetz zuzustimmenwünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegen-
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 190. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juni 1972 11101
Vizepräsident Frau Funckeprobe! — Enthaltungen? — Bei einer Enthaltung angenommen.Wer der Ziffer 2 des Ausschußantrags zuzustimmen wünscht, die dazu eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären, den bitte ich um das Handzeichen. — Es ist so beschlossen.Bei Ziffer 3 des Ausschußantrags geht es um den Entschließungsantrag. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen!Ich rufe die Zusatzpunkte 1 bis 3 der Tagesordnung auf:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes— Drucksache VI/3430 —Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Fünfundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes
— Drucksache VI/3447 —Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte— Drucksache VI/3463 —Ist das Haus mit den Überweisungsvorschlägen des Ältestenrates, die Sie aus der Vorlage ersehen, einverstanden? — Ich höre keinen Widerspruch. Demnach ist beschlossen, den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes an den Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen — federführend — und an den Rechtsausschuß, den Entwurf eines Fünfundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes an den Innenausschuß — federführend — und an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung, den Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung — federführend —, an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — zur Mitberatung — und an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung zu überweisen.Ich rufe den Zusatzpunkt 4 der Tagesordnung auf:Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD, FDP betr. Vergütungen im Spediteursammelgutverkehr— Drucksache VI/3480 —Zur Begründung hat Herr Abgeordneter Apel das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Koalitionsfraktionen haben dem Hohen Haus diesen Entschließungsantrag vorgelegt, weil wir festgestellt haben, daß die Arbeiten in den beteiligten Bundesressorts, eine gesetzliche Regelung an die Stelle der gegenwärtig laufenden Kundensatzverordnung zu setzen, nicht mehr rechtzeitig zum Abschluß gebracht werden können. Dann bestünde die Gefahr, daß wir am 30. 6. dieses Jahres für diesen Sektor einen tariflosen Zustand hätten; dieser Sektor des Verkehrswesens wäre dann überhaupt ohne tarifliche Regelung. Im Interesse der mittelständischen Struktur dieses Gewerbezweiges, aber auch im Interesse des Zonenrandes, der dann unter Umständen doch mit beträchtlichen Tarifanhebungen zu rechnen hätte, und schließlich im Interesse der deutschen Bundesbahn, die nach unseren Informationen weitere Defizite von 70 bis 90 Millionen DM hinnehmen müßte, wenn es hier zu einer völligen Liberalisierung käme, haben die Koalitionsfraktionen diesen Entschließungsantrag dem Hohen Hause vorgelegt.
Es stimmt, daß wir mit der Vorlage dieses Entschließungsvortrages eigentlich einen etwas ungewöhnlichen Weg gehen, indem wir die Bundesregierung ersuchen, eine ihr allein zustehende Befugnis zum Erlaß einer Verordnung zur Verlängerung einer bestehenden Regelung wahrzunehmen. Aber wir halten diesen Weg im Interesse der Bundesbahn, im Interesse des Mittelstandes und im Interesse des Zonenrandes für notwendig und verweisen in diesem Zusammenhang insbesondere auf die von diesem Hause im Jahre 1970 einstimmig angenommene Entschließung, mit der die Bundesregierung in die gleiche Richtung, in die jetzt unser Entschließungsantrag geht, gedrängt wurde.
Unser Entschließungsantrag bedeutet konkret folgendes. Die Bundesregierung kann so schnell wie möglich eine gesetzliche Regelung treffen, die dann durch dieses Hohe Haus laufen müßte. Würde sie unsere Zustimmung finden, würde natürlich auch die Verlängerung der gegenwärtigen Kundensatzregelung vorzeitig auslaufen können. In jedem Fall wird durch diese Zweijahresfrist die Möglichkeit gegeben, daß alle Seiten, auch alle Beteiligten, neu nachdenken können, um zu einer vernünftigen Regelung zu kommen. Wir bitten das Hohe Haus, bereits heute über diesen Entschließungsantrag abzustimmen, weil hier ein Termin, nämlich der 30. 6. dieses Jahres, zur Debatte steht.
Wird weiterhin das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist einstimmig beschlossen.Damit sind die Zusatzpunkte erledigt. Wir kommen zurFragestunde— Drucksache VI/3468 —Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Zur Beantwortung ist Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dorn erschienen. Ich rufe die Frage 18 des Herrn Abgeordneten Spilker auf. Der Herr Kollege ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird in der Anlage abgedruckt.
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11102 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 190. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juni 1972
Vizepräsident Frau FunckeDie Frage 19 des Herrn Abgeordneten Stücklen soll auf Bitten des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird in der Anlage abgedrucktDie Fragen 20 und 21 des Herrn Abgeordneten Dr. Schneider werden schriftlich beantwortet, da der Herr Abgeordnete nicht im Saal ist. Die Antworten werden in der Anlage abgedruckt.Nunmehr sind die Fragen 59 und 60 des Herrn Abgeordneten Dr. Stark aufzurufen. Da der Herr Abgeordnete nicht im Saal ist, werden auch diese Fragen schriftlich beantwortet. Die Antworten werden in der Anlage abgedruckt.Damit ist der Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern abgeschlossen. Ich danke Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.Ich rufe den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts auf. Der Herr Staatssekretär ist zwar angekündigt, aber noch nicht anwesend.
Herr Kollege von Fircks, ich muß Sie bitten, eine Sekunde zu warten, obgleich dies ein Ungleichgewicht ist; denn wenn Sie nicht anwesend sind, wird die Frage übergangen. Aber ohne den Herrn Staatssekretär können wir nichts machen.
Zur Beantwortung steht nunmehr Herr Parlamentarischer Staatssekretär Moersch zur Verfügung. Ich rufe die Frage 4 des Herrn Abgeordneten Freiherr von Fircks auf:Durch wehte Mitteilungen oder Zusicherungen, die zur Interpretation der Verträge verwendet werden können, haben die Vertragspartner in Moskau und Warschau kundgetan — laut „Sozialdemokratischer Pressedienst" Nr. 13/1972 vom 22. März dieses Jahres —, daß das „Recht auf Selbstbestimmung und Heimat durch die Ostverträge nicht berührt" werde?
Herr Abgeordneter, Ihre Anfrage bezieht sich auf eine Sonderbeilage des „Sozialdemokratischen Pressedienstes" zum Thema „Selbstbestimmung und Eingliederung" vom 28. März 1972. Darin wird der Kollege Wehner mit der Äußerung zitiert, daß das Recht auf Selbstbestimmung und Heimat durch die Verträge mit Moskau und Warschau nicht berührt werde.
Dies geht eindeutig aus den Verträgen selbst hervor und bedarf insofern keiner Zusicherung der Vertragspartner. Im übrigen handelt es sich hier um unveräußerliche Rechte, die durch Verträge nicht in Frage gestellt werden können.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, dürfen die Heimatvertriebenen hoffen, daß die Bundesregierung auch den Vertragspartnern entgegentritt, wenn diese versuchen, den Heimatvertriebenen das Recht zu beschneiden, nach Abschluß der Verträge ihr Heimatrecht zu akzentuieren?
Herr Abgeordneter, Sie können davon ausgehen, daß die Bundesregierung pflichtgemäß die Interessen aller deutschen Staatsbürger wahrnimmt. Die Bundesregierung wird sich allerdings nicht zum Schiedsrichter in der wissenschaftlich nicht geklärten Frage des Heimatrechts machen, von der Sie wissen, daß sie in der Völkerrechtspraxis erst langsam wirksam zu werden beginnt.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, würden Sie aber mit mir im Zusammenhang mit dem doch wohl sehr viel geklärteren Begriff des Selbstbestimmungsrechts einer Meinung sein, nämlich daß für die Ostdeutschen das Recht, für ihr Selbstbestimmungsrecht einzutreten, auch mit sich bringt, daß sie das Recht haben, sich darum zu bemühen, daß ihre Heimatgebiete nach einem Friedensvertrag wieder zu einem wiedervereinigten Deutschland gehören?
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung hat ihren Standpunkt zu der Gesamtfrage in der Ratifikationsdebatte ausführlich dargelegt. Ich glaube, es wäre der Realität nicht angemessen, wenn, was eine künftige friedensvertragliche Regelung und eine europäische Friedensordnung betrifft, hier der Eindruck erweckt würde, als ob irgendeine Bundesregierung noch eine Chance hätte, den Nationalstaat im Sinne des Jahres 1871 wiederherzustellen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Arndt.
Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, den Herrn Fragesteller darauf hinzuweisen, daß die rechtliche Begründung der von Ihnen soeben gegebenen Antworten nach 66 Stunden Beratung bereits im Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages in der gleichen Weise gegeben worden ist?
Herr Abgeordneter, der Abgeordnete von Fircks, der die Frage gestellt hat, ist nicht Mitglied des Rechtsausschusses. Ich muß das Recht jedes Abgeordneten verteidigen, hier noch einmal die Fragen öffentlich zur Sprache zu bringen, die den Fachgelehrten längst bekannt sind.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Hupka.
Herr Staatssekretär, da Sie soeben von dem Nationalstaat von 1871 gesprochen haben, frage ich Sie: Sind wir nicht bisher von Deutschland in den Grenzen von 1937 ausgegangen? Das hat ja wohl nichts mit 1871 zu tun.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 190. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juni 1972 11103
Herr Abgeordneter, ich habe von der Idee des Nationalstaates im Sinne des 19. Jahrhunderts in verkürzter Form gesprochen. Ich habe aus allen Fraktionen dieses Hauses wiederholt Äußerungen gehört, daß diese europäische Ordnung, die wir alle als eine friedliche Ordnung wünschen, zunächst nicht durch eine Rückkehr zu einer Politik des 19. Jahrhunderts im Sinne des 18. Januar 1871 erreicht werden könne, daß das geschichtliche Tatsachen und keine Tatsachen der Gegenwart sind.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Hofmann.
Herr Staatssekretär, sind Ihnen die Zahlen der Umfrageergebnisse im Zusammenhang Selbstbestimmungsrecht und alte Heimat, daß etwa 74 % der Vertriebenen nicht mehr in ihre alte Heimat zurück wollen, bekannt?
Herr Abgeordneter, ich glaube nicht, daß ein unmittelbarer Zusammenhang mit der grundsätzlichen Problematik der künftigen europäischen Friedensordnung besteht. Aber ich bin ganz sicher, daß ein großer Teil unseres Volkes die Lage des deutschen Volkes nach dem zweiten Weltkrieg selbst durchaus realistisch erkennt.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Czaja.
Würden Sie im Zusammenhang mit Ihrer Antwort bestätigen, daß sich diese Statistik, die auf Grund einer Befragung von 500 Personen erfolgt ist, auf eine Rückkehr in eine kommunistisch beherrschte Heimat bezieht?
Herr Abgeordneter, ich bin nicht in der Lage, Fragen, die ich selbst nicht gestellt habe, sondern die mir gestellt worden sind und die allesamt ebenso wie Ihre Frage rein hypothetischer Natur sind, im einzelnen zu erörtern. Das ist nicht Aufgabe der Bundesregierung.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 5 des Abgeordneten Freiherr von Fircks auf:
Kann die Bundesregierung bestätigen, daß die Heimatvertriebenen ihren Anspruch auf das Selbstbestimmungsrecht und auf ihr Heimatrecht ohne die Einrede, dieses sei gegen Buchstaben und Geist der Verträge, in der Bundesrepublik Deutschland auch vertreten können, nachdem die Verträge ratifiziert sind?
Herr Abgeordneter, inzwischen ist ja die von Ihnen im Konditional gestellte Frage nach einer eventuellen Ratifizierung der Verträge mit Moskau und Warschau von diesem Hohen Hause beantwortet worden.
Wie Sie sicherlich festgestellt haben werden, ist seitdem auch der Anspruch auf das Selbstbestimmungsrecht nicht aufgegeben worden.
Die Verträge von Moskau und Warschau sind Staatenverträge und greifen nicht in das innere Recht der Vertragspartner ein. Insbesondere beeinträchtigen sie nicht die im Grundgesetz verankerten Grundsätze der Meinungs- und Versammlungsfreiheit in der Bundesrepublik Deutschland, die, wie bekannt, jedermann das Recht garantieren, unter anderem auch für politische Ziele und Prinzipien einzutreten. Das gilt auch für das von Ihnen genannte Heimatrecht.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich in diesem Zusammenhang nochmals bitten, doch ganz unpolemisch auf folgende Frage zu antworten: Ist die Bundesregierung bereit, gegenüber den Vertragspartnern das den Heimatvertriebenen soeben von Ihnen bestätigte Recht zu vertreten und anderslautenden Äußerungen der Regierungen oder offizieller Presseorgane entgegenzutreten?
Herr Abgeordneter, das hat die Bundesregierung in jedem Fall getan. Die Bundesregierung ist der Verfassung verpflichtet. Art. 5 des Grundgesetzes hat ja einen klaren Wortlaut. Ich bitte aber angesichts Ihrer Fragestellung um Verständnis dafür, wenn umgekehrt von anderer Seite bei uns wegen Äußerungen von Abgeordneten interveniert werden sollte, was für eine Regierung insgesamt keine angenehme Sache ist.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Czaja.
Würden Sie darüber Auskunft geben, in welcher Form und ob berechtigterweise interveniert worden ist und was die Regierung darauf geantwortet hat?
Herr Abgeordneter, ich bin bereit, jeden Einzelfall zu klären, wenn Sie ihn geklärt haben wollen.
Keine weitere Zusatzfrage.Die Fragen 6 und 7 des Abgeordneten Riedel werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
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11104 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 190. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juni 1972
Vizepräsident Frau FunckeIch rufe die Frage 8 des Herrn Abgeordneten Dr. Jobst auf:Wie beurteilt die Bundesregierung die Erklärung des polnischen Außenministers Olszowski vom 25. Mai 1972 zur Ratifizierung des Vertrages mit der Bundesrepublik Deutschland, in der er ausgeführt hat: „Das ist eine endgültige völkerrechtliche Anerkennung, und aus völkerrechtlicher Sicht sowie hinsichtlich der aus dem Vertrag resultierenden Verpflichtungen besitzt keiner der in der einseitigen Bundestagsresolution enthaltenen Vorbehalte eine bindende Kraft."?Bitte schön, Herr Staatssekretär!
Herr Abgeordneter, Art. 1 des Warschauer Vertrages verpflichtet die Bundesrepublik Deutschland — aber nur sie selbst —, die Oder-Neiße-Grenze als Westgrenze der Volksrepublik Polen nicht mehr in Frage zu stellen. Nicht mehr und nicht weniger besagt die Grenzaussage des Warschauer Vertrages, der insofern kein Grenzvertrag im klassischen Sinne ist.
Daß die Bundesrepublik Deutschland beim Abschluß des Warschauer Vertrages nur für sich selbst gehandelt hat, ist der polnischen Seite gegenüber in den Verhandlungen zum Ausdruck gebracht worden. Eine entsprechende Klarstellung findet sich auch in dem aus Anlaß der Paraphierung des Warschauer Vertrages mit den Westmächten geführten Notenwechsel, der der polnischen Seite am 20. April 1970 notifiziert worden ist. Die von Ihnen genannte Ausführung des polnischen Außenministers Olszowski ändert an dieser Rechtslage nichts.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Jobst.
Herr Staatssekretär, muß ich auf Grund Ihrer Antwort jetzt davon ausgehen, daß die Bundesregierung die polnische Deutung der Rechte und Pflichten aus dem Vertrag trotz der Entschließung des Bundestages teilt?
Herr Abgeordneter, ich gestehe offen, daß ich einen Sachzusammenhang hier nicht klar erkennen kann. Ich habe nachher noch zwei Fragen zu beantworten, die damit in Zusammenhang stehen; vielleicht wird es dann klarer. Der Vertragstext ist verbindlich, und die hier gefaßte Entschließung wird dem Inhalt der Verträge gerecht.
Zweite Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir zu, daß die polnische Regierung nach der Erklärung ihres Außenministers den Standpunkt vertritt, daß es sich bei dem Warschauer Vertrag um einen Grenzanerkennungsvertrag und nicht nur um einen Gewaltverzichtsvertrag handelt?
Herr Abgeordneter, der Standpunkt der Bundesregierung hierzu ist ausführlich sowohl im Plenum dieses Hohen
Hauses wie in den Ausschüssen dargelegt worden. Daß der Warschauer Vertrag nicht ein reiner Gewaltverzichtsvertrag ist, ist hier deutlich von der Bundesregierung auch in der Begründung des Ratifikationsgesetzes gesagt worden. Es ist ebenso gesagt worden, daß er die Bundesrepublik Deutschland bindet, nicht einen gesamtdeutschen Souverän. Die Frage der Zukunftserwartung ist damit nicht vorweggenommen.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Hupka.
Herr Staatssekretär, ist nicht die Bundesregierung auf Grund des Deutschlandvertrages — Art. 7 — gehalten, die Grenze, so wie sie jetzt festgelegt worden ist, immer wieder in Frage zu stellen? Sie ist ja Vertragspartner dieses Deutschlandvertrages.
Herr Abgeordneter, die Vorgeschichte dieses Deutschlandvertrages und die Meinung unserer Partner über diese Grenzfragen wären sicher eine Erörterung im Auswärtigen Ausschuß wert.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Niegel.
Herr Staatssekretär, wenn Sie davon sprachen, daß der Warschauer Vertrag kein Grenzvertrag im klassischen Sinne sei, so bestätigen Sie indirekt, daß er ein Grenzvertrag nichtklassischer Art ist.
Herr Abgeordneter, das ist eine zwingende Logik sprachlicher Art.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneter Müller.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie fragen — auf Grund der Antwort, die Sie dem Herrn Abgeordneten Hupka gegeben haben —, ob die Bundesregierung an sich nicht nach dem Grundgesetz verpflichtet ist, auf jede Äußerung hin, die aus Polen oder aus der Sowjetunion kommt, daß es ein Grenzvertrag sei, ständig zu wiederholen, daß wir es nicht als Grenzvertrag, sondern nur als Gewaltverzichtsvertrag sehen.
Herr Abgeordneter, ich verstehe offen gestanden nicht, wie die Bundesregierung permanent in irgendwelchen derartigen Fragen tätig werden sollte, die Meinungsäußerungen der anderen Seite sind.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 190. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juni 1972 11105
Parlamentarischer Staatssekretär MoerschEs könnte ja sonst umgekehrt der gleiche Fall eintreten. Ich weiß nicht, ob das eine sinnvolle Art politischer Beziehungen wäre, wenn etwa permanent von anderer Seite ständig zu unseren Dingen Stellung genommen würde.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Czaja.
Herr Staatssekretär, sind Sie nach Ihrer vorherigen Antwort der Auffassung, daß die Bundesrepublik Deutschland berechtigt ist, nichtklassische Grenzverträge vor friedensvertraglichen Regelungen und ohne Grundgesetzänderung abzuschließen?
Herr Abgeordneter, ich möchte mich zunächst einmal nicht auf eine solche Begriffsdefinition festnageln lassen. Sie haben sicherlich die Art der Fragestellung und die Art der Antwort hier richtig wahrgenommen. Sie selbst sind lange genug Zeuge unserer Gespräche im Auswärtigen Ausschuß gewesen. Ich bin sicher, daß Sie den gesamten Hintergrund dieser Antwort genau kennen.
Eine Zusatzfrage? — Dann rufe ich die Frage 9 des Herrn Abgeordneten Dr. Jobst auf:
Wird die Bundesregierung dieser Erklärung widersprechen?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Die Antwort lautet folgendermaßen. Die Rechtsauffassung der Bundesregierung, die im Warschauer Vertrag und in den sie begleitenden Dokumenten ihren Niederschlag gefunden hat, ist klar. Sie ist der polnischen Seite bekannt. Die Bundesregierung sieht deshalb keine Veranlassung, polnischen Äußerungen, die andere Akzente setzen, zu widersprechen.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, wie kann der polnische Außenminister dann eine solche Erklärung abgeben, nachdem die Bundesregierung — wie Sie heute erneut erklärt haben — versichert hat, daß die Grenzen durch den Warschauer Vertrag nicht festgeschrieben werden?
Herr Abgeordneter, im bilateralen Verkehr von Staaten herrscht keine gegenseitige Zensur von Äußerungen von Regierungsmitgliedern. Die Frage ist deshalb nicht an uns zu richten. Aber ich darf Sie doch daran erinnern, daß seit genau 27 Jahren von polnischer Seite und nicht nur von polnischer Seite immer
Äußerungen dieser Art abgegeben worden sind und daß die Bundesregierung immer in diesem Hause deutlich gemacht hat, daß es ihr nicht möglich war und daß es auch nicht Sinn dieser Verhandlungen war — die ja keine Friedensverhandlungen waren —, irgendeine grundsätzliche Änderung solcher Haltungen zu erreichen. Es war nicht möglich, in diesen Verhandlungen die Dinge zu korrigieren, die eben 1945 entstanden sind.
Zweite Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, ich frage Sie noch einmal: trifft es zu, daß die Ostverträge einen ganz anderen Inhalt haben und nicht mit der Entschließung des Bundestages übereinstimmen?
Herr Abgeordneter, ich habe die Frage vorhin beantwortet. Es trifft selbstverständlich nicht zu. Außerdem ist eine Entschließung eine Willensäußerung des Parlaments. Ich gehe davon aus — und ich habe Grund, davon auszugehen —, daß diese Entschließung dem Inhalt der Verträge gerecht wird.
Keine weitere Frage.
Dann rufe ich die Frage 10 des Herrn Abgeordneten Engelsberger auf.
Frau Präsidentin, ich darf wegen des Sachzusammenhangs vielleicht bitten, die beiden Fragen 10 und 11 zusammen beantworten zu dürfen.
Sie sind einverstanden, Herr Kollege? — Dann rufe ich die Fragen 10 und 11 gemeinsam auf:
Wie sind die Erklärungen der Regierungen der Sowjetunion und der Volksrepublik Polen, für die Interpretation der Ostverträge sei allein der Vertragstext völkerrechtlich wirksam und maßgebend, vereinbar mit der Erklärung der Bundesregierung, daß sie die gemeinsame Entschließung des Bundestages zu den Verträgen in völkerrechtlich wirksamer Weise den Vertragspartnern zur Kenntnis bringen werde?
Wie ist die Erklärung bei den Beratungen im Auswärtigen Ausschuß und im Rechtsausschuß des Sejm, daß die gemeinsame Entschließung des Bundestages „einseitig und wertlos" sei, und die Erklärung des polnischen Außenministers Olszowski, daß der Vertrag mit der Bundesrepublik Deutschland den „unveränderlichen und endgültigen" Charakter der Oder-Neiße-Linie anerkannt habe, zu vereinbaren mit den Erklärungen der Bundesregierung, daß es sich bei den Verträgen jeweils um einen Gewaltverzichtsvertrag und nicht um einen Grenzvertrag handle?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Abgeordneter, ich darf dann diese Fragen im Zusammenhang wie folgt beantworten.Zu Ihrer ersten Frage bemerke ich, daß die Auslegung völkerrechtlicher Verträge von dem auszugehen hat, was unter den Vertragspartnern vereinbart und was von ihnen einvernehmlich in den Zusammenhang der Verträge einbezogen worden ist. Das
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Parlamentarischer Staatssekretär Moerschergibt sich aus dem allgemeinen Völkerrecht. In diesem Sinne hat sich auch der Herr Bundeskanzler vor diesem Hohen Hause am 10. Mai 1972 geäußert. Die gemeinsame Entschließung des Bundestages, die im Zusammenhang mit der Abstimmung über die Ostverträge angenommen worden ist, bedeutet nicht eine Änderung oder Ergänzung der Texte der Verträge. Sie gibt der Auffassung des Bundestages von dem Inhalt der Verträge Ausdruck.Die Bundesregierung hat diese Entschließung, nachdem ihr auch der Bundesrat zugestimmt hatte, der Sowjetunion und der Volksrepublik Polen als ein Dokument der Bundesrepublik Deutschland zur Kenntnis gebracht. Herr Abgeordneter, da die Entschließung von dem Text der Verträge ausgeht, bedeutet es keinen Widerspruch, wenn die andere Seite erklärt, maßgebend sei der Vertragstext.Zu Ihrer weiteren Frage nach den Ausführungen vor dem polnischen Parlament bemerke ich zunächst, daß Art. I des Warschauer Vertrages, wie vor diesem Hohen Hause wiederholt dargelegt worden ist, die Bundesrepublik Deutschland, aber nur sie selbst, verpflichtet, die Oder-Neiße-Grenze als Westgrenze der Volksrepublik Polen nicht mehr in Frage zu stellen. Nicht mehr und nicht weniger besagt der Warschauer Vertrag, der insofern kein Grenzvertrag — ich wiederhole das Wort — „im klassischen Sinne" ist. Die von Ihnen genannten Erklärungen der polnischen Seite ändern an dieser Rechtslage nichts.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung tatsächlich der Meinung, daß die gemeinsame Entschließung des Bundestages mit den Ausführungen Gromykos vor dem Obersten Sowjet und den Ausführungen des polnischen Außenministers im Sejm in Einklang zu bringen ist, und welchen völkerrechtlichen Wert besitzt diese Entschließung des Bundestages angesichts dieser Erklärungen?
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung hat ihre Meinung zu der Entschließung hier soeben noch einmal dargelegt. Der Wert dieser Entschließung ist von der Bundesregierung sowohl in der Debatte als auch von mir hier ebenfalls noch einmal dargelegt worden. Ich bin aber bereit, die Antwort noch einmal zu wiederholen: Das ist eine Interpretation unserer Auffassung.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist aus der Äußerung des sowjetischen Außenministers Gromyko „Zentraler und wichtigster Punkt der Verträge ist für die Sowjetunion die Grenzfrage" nicht zu schließen, daß es den östlichen Vertragspartnern bei den Verträgen in erster Linie um eine Grenzanerkennung und nicht um einen Gewaltverzichtsvertrag gegangen ist, und wird aus der Veröffentlichung Henri Nannens im „stern" vom 21. Mai 1972 auch die Meinung der Bundesregierung deutlich, indem es dort heißt:
Der Warschauer Vertrag war von vornherein ein Grenzvertrag, und jeder wußte das. Aber da das Grundgesetz für Gebietsverträge eine Zweidrittelmehrheit des Parlaments fordert und da man annehmen mußte, daß eine solche Mehrheit unter den gegebenen Verhältnissen nicht zu erreichen war, kleidete man die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie in den Mantel des Gewaltverzichts.?
Herr Abgeordneter, ich bin wirklich in einer schwierigen Lage, denn jetzt, nach dieser langen Frage, könnte man die Ratifizierungsdebatte natürlich noch einmal eröffnen.
Ich war der Meinung, wir hätten sie in diesem Hause geführt.
Eines möchte ich hier aber deutlich sagen: Zwischen dem Bulletin der Bundesregierung und dem „stern" besteht ein erheblicher Unterschied.
Eine weitere Frage, Herr Kollege.
Eine letzte Frage. Herr Staatssekretär, warum hat die Bundesregierung den Austausch der Ratifikationsurkunden vorgenommen, obwohl die gemeinsame Entschließung im Widerspruch zu den sowjetischen und polnischen Erklärungen über die Interpretation der Ostverträge steht? Hätte man den Dissens nicht vorher klären und dann erst die Ratifikationsurkunden überreichen und die Verträge in Kraft setzen sollen?
Herr .Abgeordneter, der Austausch der Ratifikationsurkunden ist ordnungsgemäß und rechtmäßig erfolgt. Daß es auf der anderen Seite politische Wertungen über die zukünftige Entwicklung gibt, ist eine andere Sache. In einer Debatte können wir die Diskussion über dieses Thema sicher vertiefen. Sie selbst und Ihre Fraktion haben ja eine Kleine Anfrage zu diesem ganzen Themenkreis gestellt. Ich möchte Sie bitten, die Antwort auf diese Anfrage abzuwarten. Sie haben dann sicherlich weiter Gelegenheit, Fragen zu stellen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Petersen.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 190. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juni 1972 11107
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, ob die Entschließung des Deutschen Bundestages, die Sie eben selber als Dokument der Bundesrepublik Deutschland bezeichnet haben, in der polnischen oder russischen Presse in irgendeiner Form vollständig oder unvollständig veröffentlicht worden ist?
Ja, Herr Abgeordneter, das ist geschehen. Die polnische Regierung hat dafür Sorge getragen, daß diese Entschließung in der Zeitschrift „Forum" vollständig abgedruckt worden ist.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Czaja.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie vorher erklärt haben, das, was von den Vereinbarungen in die Verträge einbezogen worden ist, gelte, frage ich Sie, warum Sie sich hier in Verbindung mit Art. I in einer Diktion geäußert haben bzw. sich auf Formeln berufen haben, die in Art. I in keiner Weise enthalten sind. Ich meine insbesondere die Formulierung „in Frage stellen", die seit Februar von der Bundesregierung verwandt wird. Sie ist in Art. I nicht enthalten. Warum dies, warum also eine Abweichung von Art. I?
Herr Abgeordneter, ich muß den in der Frage enthaltenen Vorwurf, ich sei von der bisherigen Auffassung der Bundesregierung abgewichen, hier zurückweisen. Ich betone noch einmal, Herr Abgeordneter: Sie selbst hatten Gelegenheit, in der Ratifikationsdebatte Ihre Meinung darzulegen. Es geht hier um nichts anderes als um Wertungen politischer Art. Ich bitte Sie, das, was rechtlich möglich war und was rechtlich getan worden ist, und das, was man politisch für sinnvoll hält, zu unterscheiden.
Herr Abgeordneter Czaja, hier gehen unsere Meinungen — Ihre Meinung und meine persönliche Meinung — zweifellos auseinander.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Niegel.
Herr Staatssekretär, welche Arten von Grenzverträgen gibt es denn jetzt nach Ihrer neueren Definition „klassische und nicht klassische Art von Grenzverträgen", und wie sind diese Arten von Grenzverträgen mit unserem Grundgesetz vereinbar? Ist für sie eine Zweidrittelmehrheit erforderlich oder nicht?
Herr Abgeordneter, die Frage ist in diesem Zusammenhang zweifellos um sechs Wochen zu spät gestellt. Denn der Bundestag hat nun entschieden, und das Bundesverfassungsgericht ist nicht angerufen worden, auch nicht von der bayerischen Landesregierung, die das zunächst erwogen hatte.
Ich gehe also davon aus, daß das völlig rechtmäßig geschehen ist.
Aber ich darf Sie darauf aufmerksam machen, Herr Abgeordneter, daß in der Ratifikationsdebatte von dieser Bundesregierung ausführlich dargelegt worden ist, daß die Lage Deutschlands, und zwar Deutschlands als Ganzen, eine besondere ist, die wegen des Fehlens eines Friedensvertrages nach wie vor dem Vorbehalt der Verantwortung der Vier-Mächte für Berlin und Deutschland als Ganzes unterliegt.
Daraus ergibt sich alles weitere. Die Lage, die der Zweite Weltkrieg geschaffen hat, ist zweifellos in keinem Lehrbuch des Völkerrechts vorgesehen gewesen. Es war auch nicht vorgesehen gewesen, daß das Deutsche Reich von einem Verrückten geführt wird.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Hupka.
Herr Staatssekretär, besteht bezüglich Ihrer Interpretation des Warschauer Vertrages als eines Grenzvertrages im nicht klassischen Sinne eine Übereinstimmung mit der Haltung der Warschauer Regierung? Oder sieht die Warschauer Regierung darin eben doch einen Grenzvertrag im klassischen Sinne?
Herr Abgeordneter, die Warschauer Regierung sieht in dem Vertrag das, was rechtlich darin steht.
Die rechtliche Beurteilung ist ja Gegenstand der Verhandlungen gewesen. Daß die Warschauer Regierung bei der Eröffnung der Verhandlungen ein anderes Ziel hinsichtlich der rechtlichen Qualifikation des Vertrages verfolgt hat, ist Ihnen und uns sehr wohl bekannt. Daß diese Rechtsposition der Bundesrepublik Deutschland, nämlich der Vorbehalt, im Vertrag und im Zusammenhang mit dem Vertrag, aufrechterhalten worden ist, ist eine Sache. Daß die polnische Seite deswegen nicht auch von ihrer politischen Auffassung abgegangen ist, die nicht nur sie seit 1945 vertritt, sondern die in zunehmendem Maße — jedenfalls ohne Widerspruch — in der
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11108 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 190. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juni 1972
Parlamentarischer Staatssekretär Moerschganzen Welt hingenommen worden ist, ist eine Tatsache, die man hier ebenfalls realistisch zur Kenntnis nehmen muß.
Keine weitere Zusatzfrage. — Ich danke Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft und Finanzen. Zur Beantwortung ist der Herr Parlamentarische Staatssekretär Hermsdorf anwesend.
Ich rufe die Fragen 30 und 31 des Herrn Abgeordneten Metzger auf. — Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 32 des Herrn Abgeordneten Baier auf. Sie soll auf Bitte des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Fragen 33 und 34 des Herrn Abgeordneten Haase auf. — Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Fragen 35 und 36 des Herrn Abgeordneten Wolfram auf. — Der Abgeordnete ist auch nicht da. Die Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Fragen 37 und 38 des Herrn Abgeordneten Höcherl auf. Der Fragesteller bittet um schriftliche Antwort. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 39 des Herrn Abgeordneten Dasch auf. — Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Fragen 40 und 41 des Herrn Abgeordneten Dr. Frerichs auf. - Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 42 des Herrn Abgeordneten Dr. Freiwald auf. — Der Fragesteller ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Fragen 43 und 44 des Herrn Abgeordneten Dr. Abelein auf. Der Fragesteller hat um schriftliche Beantwortung gebeten. Die Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 45 des Herrn Abgeordneten Josten auf:
Ist die in der Fragestunde am 22. Januar 1971 für dieses Jahr angekündigte Gesamtunterbringung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit im Allianz-Hochhaus in Frage gestellt?
Bitte schön, Herr Staatssekretär! Sie sind also nicht vergeblich gekommen.
Herr Kollege Josten, das Allianz-Hochhaus wird entgegen früheren Erwartungen erst im Frühsommer 1973 vom Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft geräumt werden, weil dieses Ministerium erst dann sein neues Dienstgebäude beziehen kann. Inzwischen ist insofern eine neue Situation eingetreten, als der Präsident dieses Hohen Hauses die Bundesregierung auf Grund des Ihnen bekannten dringenden Raumbedarfs des Deutschen Bundestages nachdrücklich gebeten hat, die im Allianz-Hochhaus frei werdenden Räume dem Bundestag zur Verfügung zu stellen. Die Bundesregierung wird diesem Wunsche entsprechen, wenn eine anderweitige Unterbringung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit in einem Gebäude möglich ist. Hierüber laufen zur Zeit Verhandlungen, die eine den berechtigten Interessen des BMZ gerecht werdende Lösung erwarten lassen. Ich bitte um Verständnis dafür, daß ich Einzelheiten hierüber noch nicht mitteilen kann, um die Mietsverhandlungen nicht zu erschweren.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, kann ich nach Ihren Ausführungen davon ausgehen, daß von Ihrem Hause aus alles getan wird, damit eine Gesamtunterbringung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit, wie Sie sie vorhin erwähnten, auf andere Weise möglichst bald erfolgt?
Herr Kollege, Sie können davon überzeugt sein, daß die Bundesregierung alles tun wird, um den derzeitig unbefriedigenden Zustand der Unterbringung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit so bald wie möglich zu ändern.
Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, mir etwa bis zum Oktober eine schriftliche Mitteilung zukommen zu lassen, in der Sie mir die Entscheidung Ihres Ministeriums mitteilen?
Dazu bin ich gern bereit.
Ich rufe die Frage 46 des Herrn Abgeordneten Vogt auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, das Einkommensteuerrecht so zu ändern, daß der Kindergartenbeitrag der Eltern steuerlich abzugsfähig wird, nachdem anerkannt ist, daß der Kindergarten im Elementarbereich des Bildungssystems einen eigenständigen Bildungsauftrag hat?
Herr Kollege Vogt, die Bundesregierung beabsichtigt nicht, das Einkommensteuerrecht so zu ändern, daß der Kindergartenbeitrag steuerlich abzugsfähig ist. Die neue Kindergeldregelung nach den Vorschlä-
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 190. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juni 1972 11109
Parlamentarischer Staatssekretär Hermsdorfgen der Bundesregierung über Eckwerte und Grundsätze der vorgesehenen Steuerreformen geht ebenso wie die jetzige Regelung der steuerlichen Kinderfreibeträge von dem Grundsatz aus, daß Kindergartenbeiträge zu den üblichen Unterhaltsaufwendungen gehören, die mit dem Kindergeld bzw. dem Kindergeldfreibetrag abgegolten sind. Die neue Kindergeldregelung sieht allerdings vor, daß die durch Kinder bedingte Unterhaltsbelastung stärker als bisher und einheitlich ausgeglichen wird. Eine gesonderte steuerliche Berücksichtigung der Kindergartenbeiträge kann schon deshalb nicht in Betracht gezogen werden, weil sie zu einer von der Progression des Einkommensteuertarifs abhängigen unterschiedlichen Auswirkung bei den Steuerpflichtigen führen würde, die mit dem vorgesehenen einheitlichen Kindergeld nicht zu vereinbaren wäre.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie in Ihrer Antwort auf die Neuregelung des Kindergeldes Bezug genommen haben, darf ich Sie fragen: Wann ist mit der Realisierung der Eckwerte der Bundesregierung in dieser Frage zu rechnen?
Die Bundesregierung hat die Termine, wann wir die Gesetze einreichen werden, hier mitgeteilt. An diesen Terminen hat sich nichts geändert.
Eine Zusatzfrage; bitte zur Frage selbst, nicht zu den Eckwerten. Die gehören da nicht so genau hin.
Das war der Bezug des Staatssekretärs in seiner Antwort. — Herr Staatssekretär, mir ging es nicht um die Einreichung der Gesetze, sondern um den Zeitpunkt der Realisierung dieser Regelung.
Das hängt von dem Hohen Hause ab. Ich habe einen viel zu hohen Respekt vor diesem Hohen Hause, als daß ich mich da einmischen würde.
Damit sind die Fragen aus diesem Geschäftsbereich beantwortet. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen. Zur Beantwortung ist Herr Parlamentarischer Staatssekretär Haar anwesend.
Frage 65 des Herrn Abgeordneten Rollmann. — Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet, Frage 66 ebenfalls. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 67 des Herrn Abgeordneten Dr. Jahn auf. — Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Dann wird die Frage schriftlich beantwortet, ebenfalls die Frage 68. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Die Fragen 69 und 70 sollen auf Bitten des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 71 des Herrn Abgeordneten Dr. Oetting auf:
Ist die Bundesregierung bereit zu erklären, daß sie aus strukturpolitischen Gründen und aus Gründen der Weiterentwicklung der innerdeutschen Beziehungen nicht beabsichtigt, an der jetzigen Führung des Transitverkehrs nach Berlin etwas zu ändern, und daß sie entsprechend auf den Vorstand der Deutschen Bundesbahn einwirken will?
Bitte schön!
Herr Kollege, die Bundesregierung hat keine gesetzliche Möglichkeit, in dieser Angelegenheit auf den Vorstand der Deutschen Bundesbahn einzuwirken.
Im übrigen bleibt es beim Reiseverkehr bis auf weiteres bei der jetzigen Linienführung über Braunschweig. Im Transitgüterverkehr wird es möglich sein, den verkehrlich und kostenmäßig günstigsten Weg zu wählen. Die verkehrliche Bedienung des Braunschweiger Raums wird nach Auffassung meines Hauses dadurch nicht beeinträchtigt.
Eine Zusatzfrage.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, würden Sie mir recht geben, wenn ich sage, daß die Bedeutung eines Wirtschaftsraumes sicherlich auch dadurch hervorgehoben und gesteigert werden kann, daß eine wichtige Personenverkehrslinie der Eisenbahn nicht 15 km nördlich an dem Zentrum dieses Raumes vorbeigeführt, sondern durch es hindurchgeführt wird?
Selbstverständlich, Herr Kollege, bin ich damit einverstanden. Andererseits werden Sie nicht verkennen, daß auch betriebswirtschaftliche Überlegungen beim Vorstand der Deutschen Bundesbahn in der angesprochenen Weise Berücksichtigung finden müssen.
Keine weitere Zusatzfrage. Dann rufe ich die Frage 72 des Herrn Abgeordneten Dr. Oetting auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß der niedersächsische Minister für Wirtschaft und öffentliche Arbeiten erklärt hat, das Land Niedersachsen würde für eine angemessene finanzielle Entlastung der Deutschen Bundesbahn bei der Elektrifizierung der Strecke Lehrte—Braunschweig—Helmstedt sorgen, wenn die Bundesregierung mitteilt, daß sich an der derzeitigen Führung des Transitverkehrs nach Berlin nichts ändert?
Die Bundesbahn ist nach wie vor an einer Elektrifizierung der Strecke Lehrte–Braun-
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11110 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 190. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juni 1972
Parlamentarischer Staatssekretär Haar schweig–Helmstedt interessiert, vorausgesetzt, daß das Land Niedersachsen in der Weise Finanzhilfe leistet, wie dies die Bundesbahn in den vergangenen Jahren wiederholt vorgeschlagen hat. Die Verhandlungen zwischen der Deutschen Bundesbahn und dem Land Niedersachsen über Elektrifizierungsmaßnahmen im Raume östlich Hannover wurden, soweit ich informiert bin, nicht zuletzt durch Ihre Initiative, Herr Kollege, in jüngster Zeit wieder aufgenommen und werden auch fortgesetzt. Nach Mitteilung der Deutschen Bundesbahn sieht sie durchaus Möglichkeiten, zu einer Übereinkunft mit dem Land zu gelangen.
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 73 des Herrn Abgeordneten Dr. Riedl auf:
Hält es die Bundesregierung im Hinblick auf die angestrebte Vereinheitlichung des europäischen Straßenverkehrsrechts für vertretbar, den Einbau von Sicherheitsgurten nicht vorzuschreiben, obwohl nach Angaben des ADAC bereits Belgien, Frankreich, Großbritannien, die Republik Irland, die Niederlande, Norwegen, Schweiz, Dänemark, Portugal, Polen, Schweden, die CSSR und die DDR den Einbau von Gurten gesetzlich vorgeschrieben haben, und ist der Bundesregierung bekannt, zu welchem Anteil Kraftfahrzeuge in der Bundesrepublik Deutschland bereits jetzt mit Sicherheitsgurten ausgerüstet sind?
Der Bundesminister für Verkehr läßt zur Zeit den Entwurf einer Rechtsverordnung über den Einbau von Sicherheitsgurten vorbereiten. Die Bundesregierung bejaht, daß auch auf diesem Gebiet in Europa einheitliche Regelungen bestehen sollten. Deshalb wird sie dieses Problem in der nächsten Woche der Konferenz der europäischen Verkehrsminister unterbreiten. Der Anteil der Kraftfahrzeuge mit Sicherheitsgurten wird auf 25 % aller Pkws in unserem Lande geschätzt.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, bis wann, glauben Sie, wird diese gesetzliche Vorschrift in Deutschland Wirklichkeit werden?
Ich würde Sie bitten, noch etwas abzuwarten, Herr Kollege, bis die Kontakte auf internationaler Ebene abgeschlossen sind.
Im übrigen liegt bereits eine Kleine Anfrage vor. In der Antwort darauf werden wir auf Einzelheiten eingehen.
Keine weitere Zusatzfrage. Dann rufe ich die Frage 74 des Herrn Abgeordneten Dr. Riedl auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die Propagierung des Anlegens von Sicherheitsgurten erst dann voll wirksam werden kann, wenn die Gurte tatsächlich in möglichst vielen, wenn nicht allen Kraftfahrzeugen eingebaut sind, und sind der Bundesregierung konkrete Fälle bekanntgeworden, in denen sich angelegte Sicherheitsgurte bei einem Unfall mit Kraftfahrzeugen nachteilig ausgewirkt haben?
Die Auffassung der Bundesregierung ergibt sich aus der Tatsache, daß der Erlaß der notwendigen Rechtsverordnung vorbereitet wird. Im übrigen kann nicht bezweifelt werden, daß das Anlegen geeigneter Sicherheitsgurte — und nur auf das Anlegen kommt es an — in aller Regel Unfallfolgen verhindert oder verringert.
Keine weitere Zusatzfrage.
Die Fragen 75, 76, 77, 78 und 79 bitten die Fragesteller schriftlich zu beantworten. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 80 des Herrn Abgeordneten Dr. Arndt auf:
Hat die Deutsche Bundespost auf Grund meiner Anregung in der Fragestunde am 11. März 1971 mit dem Deutschen Roten Kreuz oder anderen Wohlfahrtsverbänden Verhandlungen über die Verwertung alter Fernsprechbücher geführt?
Bitte schön, Herr Staatssekretär!
Frau Präsidentin, gestatten Sie, daß ich die beiden Fragen des Herrn Abgeordneten Dr. Arndt zusammen beantworte, sofern er damit einverstanden ist?
Der Fragesteller ist einverstanden. Ich rufe also auch die Frage 81 des Herrn Abgeordneten Dr. Arndt auf:
Ist es gegebenenfalls zu Vereinbarungen mit den Wohlfahrtsverbänden über die Verwertung alter Fernsprechbücher gekommen?
Ihre Anregung, Herr Kollege Dr. Arndt, hat die Deutsche Bundespost sofort aufgegriffen und die Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege, der auch das Deutsche Rote Kreuz angeschlossen ist, um Stellungnahme gebeten. Im Oktober 1971 teilte die Bundesarbeitsgemeinschaft dann mit, daß der Vorschlag in ihrer Vertreterversammlung von den Vertretern der einzelnen Spitzenverbände sehr begrüßt worden sei.Die Verhandlungen mit dem Deutschen Roten Kreuz sind noch nicht abgeschlossen. Zunächst werden erste Erfahrungen in einigen Bezirken gesammelt. So sind bei der Ausgabe der Amtlichen Fernsprechbücher in Hamburg im Januar/ Februar dieses Jahres die Bürger aufgefordert worden, die alten Fernsprechbücher in vom Deutschen Roten Kreuz aufgestellten Behältern abzulegen. Bei dieser Aktion wurden 1433 t Altpapier eingesammelt, die annähernd 15 000 DM Reinerlös erbracht haben. Auch in Berlin ist die Ausgabe der neuen Amtlichen Fernsprechbücher mit dem Aufruf an die Bevölkerung verbunden worden, die alten Bücher in Behälter des Deutschen Roten Kreuzes abzuwerfen. Bei weiteren Aktionen im Laufe dieses Jahres sollen zusätzliche Erfahrungen gesammelt werden. Auf ihrer Grund-
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 190. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juni 1972 11111
Parlamentarischer Staatssekretär Haarlage wird es dann voraussichtlich zu einer allgemeinen Regelung mit dem Deutschen Roten Kreuz kommen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretät, können Sie bestätigen, daß allein im Bereich der Oberpostdirektion Hamburg dem Deutschen Roten Kreuz aus der von mir damals angeregten Aktion in diesem Jahr ein voll ausgerüsteter Unfallwagen kostenlos zur Verfügung gestellt werden konnte und daß noch ein Überschuß für weitere Aktionen im nächsten Jahr vorhanden ist?
Ich kann bezüglich der Erträgnisse auf Grund der mir vorliegenden Unterlagen keine konkreten Angaben machen. Aber ich gehe davon aus, daß die Zahlen in bezug auf die zurückliegenden Aktionen zutreffen, Herr Kollege.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist die Deutsche Bundespost und sind die Wohlfahrsverbände gemeinsam bereit, eine Konsequenz aus der Tatsache zu ziehen, daß dieses Ergebnis in Hamburg bei einer Abgabequote von etwa 60 % der Bücher erzielt wurde, daß also noch mehr erlöst werden kann, wenn alle Bücher abgegeben werden?
Wenn eine entsprechende Aufklärungsaktion stattgefunden hat und, wie bereits in der Beantwortung Ihrer beiden Fragen ausgeführt, auch Verständnis dafür geweckt worden ist und die organisatorischen Voraussetzungen geschaffen werden, verspreche ich mir weitere Möglichkeiten im Sinne Ihrer Anregungen, Herr Kollege.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Die Fragen 82, 83 und 84 werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir kommen zur Frage 85 des Herrn Abgeordneten Mursch . — Der Fragesteller ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet, die Antwort als Anlage abgedruckt.
Ich danke Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen. Zur Beantwortung ist Herr Parlamentarischer Staatssekretär Herold anwesend.
Zunächst die Frage 86 des Abgeordneten Spilker. — Der Fragesteller ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet, die Antwort als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 87 des Abgeordneten Dr. Warnke auf :
Trifft die Meldung der Süddeutschen Zeitung vom 2. Mai 1972 zu, nach der in Regierungskreisen Erwägungen angestellt werden, die Förderung des Zonenrandgebiets auf die Stadt- und Landkreise an der Grenze gegenüber der DDR zu beschränken und die „nasse Grenze" zwischen Lübeck und Flensburg sowie die bayerischen Gebiete entlang der Grenze zur CSSR zwischen Hof und Passau bei dieser Förderung zumindest begrifflich auszusparen?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Frau Präsidentin, ich darf die Frage wie folgt beantworten:
Die Meldung trifft in diesem Umfang nicht zu; sie ist unzutreffend. Die Bundesregierung war bei der Beratung des im letzten Jahr verkündeten Gesetzes zur Förderung des Zonenrandgebiets gemeinsam mit allen Fraktionen des Deutschen Bundestages und den Zonenrandländern der Auffassung, daß sich die bisherige Abgrenzung des Zonenrandgebiets insgesamt bewährt hat und nicht geändert werden sollte. An dieser Auffassung hält die Bundesregierung auch weiterhin fest. Insbesondere beabsichtigt sie nicht, Initiativen zu ergreifen, die die besondere Zonenrandförderung auf die Kreise und Gemeinden unmittelbar an der Demarkationslinie zur DDR beschränken.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß der Deutsche Bundestag bereits in seiner 1. Legislaturperiode am 2. Juli 1953 beschlossen hat, die damals zunächst nur für die Gebiete an der Demarkationslinie vorgesehenen Förderungsmaßnahmen auch auf das Gebiet entlang der Grenze zur CSSR auszudehnen, da dieser Raum durch die Sperrmaßnahmen der tschechoslowakischen Behörden ebenso benachteiligt war wie das eigentliche Zonenrandgebiet. Dieser Beschluß, der nunmehr in § 9 des Zonenrandförderungsgesetzes seinen gesetzlichen Niederschlag gefunden hat, gilt auch heute noch und wird von der Bundesregierung im vollen Umfang anerkannt.
Wieso die „Süddeutsche Zeitung" aus meiner als Anlage 14 im Protokoll der 184. Bundestagssitzung vom 28. April 1972 abgedruckten Antwort auf eine Schriftliche Frage des Herrn Vizepräsidenten Dr. Schmitt-Vockenhausen nach der Erhaltung des Staatstheaters in Flensburg etwas Gegenteiliges entnehmen zu können glaubt, ist mir persönlich unerfindlich. Die Abgrenzung des Zonenrandgebiets ist weder in dieser Frage noch in meiner Antwort auch nur andeutungsweise angesprochen worden. Es bestand dazu auch keinerlei Anlaß.
Eine Zusatzfrage.
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11112 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 190. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juni 1972
Herr Staatssekretär, können Sie in Anbetracht der Verknüpfung zwischen der Benennung des Zonenrandgebietes und seinem Umfang zu den Nachrichten Stellung nehmen, nach denen die Bundesregierung mit der DDR über eine Umbenennung des Zonenrandgebietes verhandelt?
Mir ist nicht bekannt, daß wir mit der DDR über die Umbenennung dieses Gebietes verhandeln.
Die zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, bestehen im Ministerium für innerdeutsche Beziehungen Absichten, dem Zonenrandgebiet von sich aus eine andere Benennung zu geben?
Ich weiß nicht, Herr Dr. Warnke, was diese Frage mit der zu tun hat, die Sie mir als erste gestellt haben.
Sie brauchen sie nicht zu beantworten. — Keine weitere Zusatzfrage.
Die Fragen 88 und 89 werden auf Bitte des Fragestellers, des Kollegen Reddemann, schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe Frage 90 des Abgeordneten Kunz auf :
Hält die Bundesregierung es für zulässig, daß unter Berufung auf die Ostverträge Ortshinweisschilder, die die Namen von Städten in der DDR und in den Gebieten jenseits von Oder und Neiße tragen, entfernt werden?
Frau Präsidentin, wenn der Fragesteller einverstanden ist, würde ich gern die Fragen 90 und 91 gemeinsam beantworten.
Bitte sehr! Ich rufe dann zusätzlich Frage 91 des Herrn Abgeordneten Kunz auf:
Ist die Bundesregierung bereit, alles zu veranlassen, damit nicht unter Hinweis auf die Ostverträge diese Ortshinweisschilder entfernt werden?
Herr Staatssekretär!
Die Aufstellung bzw. Entfernung von Schildern, die auf Städte in der DDR oder in den ehemaligen deutschen Ostgebieten hinweisen, geschieht außerhalb der Verantwortung der Bundesregierung.
Diese Schilder sind, soweit es sich nicht um wirkliche Verkehrshinweisschilder handelt, damals aufgestellt worden, um einem politischen Willen Ausdruck zu verleihen. Die Bundesregierung betrachtet das als eine persönliche und freie Meinungskundgebung. Sie sieht aber keine Veranlassung, sich im
Sinne dieser oder jener politischen Meinungsäußerung für oder gegen deren Demonstration zu verwenden.
Verfassungskonforme, also zulässige politische Meinungsäußerungen kann und will die Bundesregierung nicht reglementieren. Deshalb kann sie die Aufstellung oder Entfernung derartiger Hinweisschilder nicht unterbinden. Wer solche Schilder aufstellt oder entfernt, handelt in eigener Verantwortung.
Eine Zusatzfrage? — Bitte!
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß — im Gegensatz zu der in Ihrer Antwort zum Ausdruck gebrachten Auffassung — durch derartige Maßnahmen Jahrhunderte deutscher Geschichte aus dem Bewußtsein gelöscht werden können, und sehen Sie die Möglichkeit, so etwas zu unterbinden?
Das ist Ihre Annahme. Ich teile diese Auffassung nicht.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie, wobei ich den Herrn Kollegen Wehner darauf hinweise, daß ich nach seiner Antwort nicht gefragt habe,
nunmehr fragen, ob Ihnen bekannt ist, daß im Abgeordnetenhaus von Berlin gestern hierzu glücklicherweise eine Antwort gegeben wurde, die befriedigender ist als die Ihre. -
Ich bin für diese Dinge, die in Berlin auf diesem Gebiet und in diesem Fall passieren, nicht zuständig. Ich habe hier die Meinung der Bundesregierung ganz eindeutig vertreten. Die Willensäußerung am Ort kann ohne weiteres anders aussehen; dagegen ist ja von hier aus überhaupt nichts zu sagen.
Herr Kollege Kunz, sind damit Ihre Fragen erledigt? —
Damit ist Ihr Geschäftsbereich abgeschlossen. Ich danke Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.Wir kommen nunmehr zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Raffert zur Verfügung.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 190. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juni 1972 11113
Vizepräsident Frau FunckeDie Fragen 92 und 93 des Herrn Abgeordneten Lenzer sollen auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.Die Fragen 94 und 95 des Herrn Abgeordneten Dr. Fuchs sind vom Fragesteller zurückgezogen worden.
Ich rufe Frage 96 des Herrn Abgeordneten Hansen auf:Ist der Bundesregierung bekannt, daß auf Grund von Mehrfachbewerbungen für das Fach Biologie an den Universitäten in Nordrhein-Westfalen 69 Studienplätze in diesem Numerus-clausus-Fach unbesetzt geblieben sind?Bitte schön, Herr Staatssekretär!
Frau Präsident, ich möchte — wie ich hoffe, mit Einverständnis des Fragestellers — die Fragen 96 und 97 zusammen beantworten.
Dann rufe ich auch Frage 97 des Abgeordneten Hansen auf:
Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, damit die vorhandene Kapazität an Studienplätzen an allen Universitäten der Bundesrepublik Deutschland — ganz besonders in Numerus-clausus-Fächern — voll ausgenutzt wird?
Bitte!
Herr Kollege, die Darstellung des Vorfalls, auf den Sie sich in Ihrer Frage 96 beziehen und der sich im Wintersemester 1970/71 ereignet hat, kann man ja in der Broschüre nachlesen, die der Herr Minister für Wissenschaft und Forschung Ihres Bundeslandes Nordrhein-Westfalen unter dem Titel „Numerus clausus — Was wir tun — Was Sie tun können" herausgegeben hat.
Leider handelt es sich, das muß man sagen, nicht um einen Einzelfall. Selbst in solchen Fächern, in denen die Zulassung über die zentrale Registrierstelle in Hamburg erfolgt — und das Fach Biologie ist erst ein Jahr nach dem erwähnten Vorfall mit in diese Fächer einbezogen worden —, sind Studienplätze zum Semesterbeginn auch da, wo Engpässe vorhanden sind, noch verfügbar, weil sich die Bewerber, denen sie einige Wochen vorher zugewiesen worden waren, in der Zwischenzeit entweder in einem anderen Studienfach oder an einer anderen Hochschule eingeschrieben haben, ohne die Hochschule, die ihnen diese Zulassung auch gegeben hatte, vorher zu benachrichtigen.
Die Bundesregierung hat leider von sich aus keine Möglichkeit, sicherzustellen, daß zugewiesene Studienplätze tatsächlich von den Bewerbern in Anspruch genommen oder aber an solche Bewerber verteilt werden, die zunächst abgewiesen werden mußten. Zulassungsverfahren und Immatrikulation sind Angelegenheiten, die in die alleinige Zuständigkeit der Länder bzw. der Hochschulen gehören.
Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß sich dieses Problem auf die Dauer nur durch folgende Maßnahmen zufriedenstellend lösen läßt: Die Zuweisung eines Studienplatzes erfolgt unter der Auflage, daß der Bewerber binnen kurzer Frist verbindlich seine Bereitschaft gegenüber der Hochschule erklärt, den ihm angebotenen Studienplatz tatsächlich in Anspruch zu nehmen. Geht eine solche Erklärung der Hochschule nicht fristgerecht zu, hat diese die Möglichkeit, über den Studienplatz anderweitig zu verfügen. Noch besser wäre es natürlich für diesen Fall, die Immatrikulationsfristen entsprechend vorzuverlegen, so daß nach Ablauf der Frist den Hochschulen bis zum Vorlesungsbeginn noch genügend Zeit bliebe, die nicht in Anspruch genommenen Studienplätze an zunächst abgewiesene Bewerber zu vergeben.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Ihnen ähnliche Vorfälle wie der von mir aus Nordrhein-Westfalen geschilderte aus anderen Bundesländern bekannt?
Ja, es gibt leider immer wieder in allen Bundesländern solche Fälle. Es kann allerdings auch ein Bundesland geben, in dem das in den letzten zwei oder drei Semestern nicht vorgekommen ist.
Eine weitere Zusatzfrage.
Darf ich Sie weiter fragen, Herr Staatssekretär, welche gesetzlichen Verbesserungen die Bundesregierung im einzelnen vornehmen will.
Herr Kollege, wir sind einmal in der Lage, unseren Einfluß über den Planungsausschuß nach dem Hochschulbauförderungsgesetz geltend zu machen. Da ist auf Vorschlag des Bundes kürzlich eine Arbeitsgruppe eingesetzt worden, die sich mit der intensiveren Nutzung der räumlichen und apparativen Ausstattung und den Möglichkeiten eines besseren Personaleinsatzes im Hochschulbereich befassen soll. In dieser Arbeitsgruppe wollen wir vom Bund her dieses Problem auch zur Erörterung stellen.Zweitens ist gestern — Sie waren ja daran beteiligt, Herr Kollege — im Bundestagsausschuß für Bildung und Wissenschaft der Entwurf des Hochschulrahmengesetzes verabschiedet worden. In diesem Entwurf haben wir nachträglich unsere schon ursprünglich vorhandene Absicht ausgebaut, die Anforderungen, an die der Erlaß von Zulassungsbeschränkungen geknüpft ist, zu verschärfen. Ehe Studienbewerber künftig abgelehnt werden, muß zunächst einmal dafür Sorge getragen werden, daß sie an jene Hochschulen vermittelt werden, die noch über freie Studienplätze in dem angestrebten Studienfach verfügen. Das ist eine dankenswerte An-
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11114 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 190. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juni 1972
Parlamentarischer Staatssekretär Raffertregung, die gerade aus Nordrhein-Westfalen, wo sich der von Ihnen angezogene Vorfall zugetragen hat, an uns gekommen ist und die wir aufgegriffen haben.
Weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ich gehe davon aus, daß die Zentrale Registrierstelle gerade zu dem Zweck geschaffen worden ist, um solche Fehldispositionen besonders in Fächern mit totalem Numerus clausus zu vermeiden, und deshalb möchte ich Sie fragen: Wann, glauben Sie, wird die zentrale Registrierstelle in Hamburg in der Lage sein, ein für allemal und wenn auch nicht mit absoluter, so doch annähernder Sicherheit zentral solche Fehldispositionen zu verhindern?
Herr Kollege, Sie wissen: die Registrierstelle in Hamburg ist keine Einrichtung des Bundes und auch keine Einrichtung der Länder. Sie ist der WRK zugeordnet und leistet eine Art Service für die Hochschulen in bestimmten Fächern. Für den Haushalt gibt es ein Kuratorium, in dem wir vom Bund aus mit zwei Stimmen vertreten sind. Gegenüber der Ländermehrheit ist unser Einfluß dort aber nicht durchgreifend.
Unsere Wünsche, die zentrale Registrierstelle in dieser Weise auszustatten, damit sie auch dort helfen kann, wo solche Probleme auftauchen, wie wir sie heute besprechen, sind bisher nicht in Erfüllung gegangen. Ich kann leider auch keinen Zeitpunkt nennen, zu dem aus unserer Perspektive erwartet werden darf, daß die Registrierstelle so weit kommt.
Ich will Ihnen zeigen, welche Schwierigkeiten wir als Bund in der Beziehung haben. Wir haben z. B. im Haushalt des vorigen Jahres 722 000 DM eingesetzt, die wir der zentralen Registrierstelle zur Verfügung stellen wollten. Sie sind nicht abgerufen worden. Wir haben ungeachtet dieser Schwierigkeit in diesem Haushalt wiederum 950 000 DM in unserem Einzelplan eingesetzt, damit ein solches Angebot zur Weiterentwicklung mit Bundeshilfe gemacht werden kann. Ich kann an dieser Stelle nur die Hoffnung aussprechen, daß die WRK und die Länder dieses unser Angebot annehmen und dann auf dem Weg, den Sie sich wünschen, vorwärtskommen.
Ich teile diese Hoffnung.
Keine weitere Zusatzfrage. Ich danke Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Wir sind damit am Ende der Fragestunde.
Es liegt noch eine Bitte um Korrektur unserer Überweisungen von heute morgen vor. Der Haushaltsausschuß hat darum gebeten, daß der soeben dem Innenausschuß — federführend — und dem Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung zur Mitberatung überwiesene Entwurf eines Fünfundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes auch an ihn, d. h. den Haushaltsausschuß, gemäß § 96 der Geschäftsordnung überwiesen werden möge. Das Haus ist damit einverstanden.
Wir sind damit am Ende unserer heutigen Sitzung. Ich berufe das Haus auf Mittwoch, den 14. Juni 1972, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.