Protokoll:
6181

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 6

  • date_rangeSitzungsnummer: 181

  • date_rangeDatum: 14. April 1972

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 12:15 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 181. Sitzung Bonn, Freitag, den 14. April 1972 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 10521 A Überweisung eines Entschließungsantrages zur Beratung des Agrarberichts 1972 an den Haushaltsausschuß 10521 B Amtliche Mitteilungen . . . . . . . 10521 B Jahresbericht 1971 des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages (Drucksache VI/3232) Dr. Wörner (CDU/CSU) 10522 B Buchstaller (SPD) 10529 D Jung (FDP) 10532 B Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär 10534 B Antrag der Abg. Spilker, Dr. Evers, Dr Kraske, Frau Griesinger, Glüsing (Dithmarschen), Hussing, Weber (Heidelberg), Windelen, Dr. Wörner, Dr. Riedl (München) und der Fraktion der CDU/CSU betr. Bundessportplan (Drucksache VI/3221) Spilker (CDU/CSU) 10538 D Schirmer (SPD) 10539 D Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes (Frau Stommel, Dr. Götz, Frau Schroeder [Detmold], Burger, Baier, Köster, Vogt, Winkelheide und Fraktion der CDU/CSU) (Drucksache VI/3258) — Erste Beratung — Burger (CDU/CSU) 10541 A Frau Eilers (SPD) 10542 C Geldner (FDP) 10544 A Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern (Drucksache VI/3295) — Erste Beratung — 10545 A Entwurf eines Gesetzes zum Schutz des Olympischen Friedens (CDU/CSU, SPD, FDP) (Drucksache VI/3202) ; Schriftlicher Bericht des Innenausschusses (Drucksache VI/3337) — Zweite und dritte Beratung — 10545 B Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft über die von der Bundesregierung erlassene Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs (Nr. 7/72 — Zollpräferenzen 1972 gegenüber Entwicklungsländern-EGKS) (Drucksachen VI/3303, VI/3332) . . . . . . .10545 C II Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 181. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. April 1972 Fragestunde (Drucksache 3313) Fragen des Abg. Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein (CDU/CSU) : Teilnahme des Bundesverkehrsministers Leber an dem Demonstrationsflug des Überschallflugzeugs Concorde am 22. April 1972 Haar, Parlamentarischer Staatssekretär . 10545 D, 10546 A, B, C, D, 10547 A, B Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein (CDU/CSU) . . . . 10546 A, B, D Mursch (Soltau-Harburg) (CDU/CSU) 10547 A, B Dr. Gruhl (CDU/CSU) 10547 B Frage der Abg. Frau Tübler (CDU/CSU) : Kosten für Anzeigen, Flugblätter und andere Wahlkampfaufwendungen der Bundesregierung seit Anfang 1972 Ahlers, Staatssekretär . 10547 D, 10548 A Ott (CDU/CSU) 10548 A Frage der Abg. Frau Tübler (CDU/CSU) : Aufwendungen der Bundesregierung für den Wahlkampf in Baden-Württemberg Ahlers, Staatssekretär . . . . 10548 A, C Frau Tübler (CDU/CSU) 10548 B Ott (CDU/CSU) . . . . . . . 10548 C Frage des Abg. Ott (CDU/CSU) : Äußerung des Bundeskanzlers über radikale Gruppen Dr. Ehmke, Bundesminister . . . . 10549 A Frage des Abg. Dr. Giulini (CDU/CSU) : Anerkennung der EWG durch die Sowjetunion und des Comecon durch die Bundesrepublik Deutschland Moersch, Parlamentarischer Staatssekretär . . 10549 B, D, 10550 A, C Dr. Giulini (CDU/CSU) . 10549 D, 10550 C Frage des Abg. Dr. Giulini (CDU/CSU) : Erwähnung des Art. 2 der Charta der Vereinten Nationen in dem deutschsowjetischen Vertrag Moersch, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 10551 B Fragen des Abg. Henke (SPD) : Maßnahmen gegen Preisabsprachen in der Bauwirtschaft Dr. Emde, Staatssekretär 10551 D, 10552 B, C Henke (SPD) . . . . . . . . 10552 A, B Staak (Hamburg) (SPD) . . . . 10552 B, C Nächste Sitzung 10553 C Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 10555 A Anlage 2 Ergänzende Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Biechele (CDU/CSU) betr. Umfang und Gefahren der sogenannten Arsen-Schlamm-Affäre und betr. giftigen Industriemüll . . . . 10555 C Anlage 3 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Engelsberger (CDU/CSU) betr. Ernennung von Professor Machens zum Präsidenten der Bundesanstalt für Bodenforschung 10556 C Anlage 4 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Schneider (Nürnberg) (CDU/CSU) betr. Antrag des Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz, Schrubbers, auf Versetzung in den Ruhestand 10557 A Anlage 5 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Müller (Mülheim) (SPD) betr. Wanderausstellung zum Umweltschutz 10557 B Anlage 6 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Storm (CDU/CSU) betr. Neuregelung der Auslandsbesoldung und betr. Auszahlung von Entschädigungen auf Grund des Häftlingshilfegesetzes 10557 D Anlage 7 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Warnke (CDU/CSU) betr. Zurverfügungstellung von Mitteln aus der Auflösung der Konjunkturausgleichsrücklage für Gemeinden in den Fördergebieten 10558 B Anlage 8 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Wüster (SPD) betr. Forschung auf dem Gebiet der Kohleverflüssigung und betr. Bereitstellung von Haus- Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 181. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. April 1972 III haltsmitteln für die Entwicklung der Verarbeitung des Wasserstoffes zu flüssigen Kohlenwasserstoffen 10558 B Anlage 9 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Luda (CDU/CSU) betr. Neubesetzung des Amtes des Präsidenten der Bundesanstalt für Bodenforschung . 10559 A Anlage 10 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Niegel (CDU/CSU) betr. wirtschaftliche Lage der Kinderwagenindustrie und Kinderwagenlieferungen aus der DDR 10559 A Anlage 11 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU) betr. Wirtschaftlage im Raum Braunschweig 10559 C Anlage 12 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU) betr. Maßnahmen zur Überbrückung der schwierigen Wirtschaftslage im Raum des Zonenrandgebietes Braunschweig . . . . . . . . . . 10559 D Anlage 13 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Dr. Abelein (CDU/CSU) betr. Förderung von regionalen Aktionsprogrammen 10560 A Anlage 14 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Roser (CDU/CSU) betr. Auswirkungen des von Nigeria erlassenen Afrikanisierungsgesetzes . . . . 10560 C Anlage 15 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Wolfram (SPD) betr. Anzeigen mit Angeboten von Steuervorteilen beim Kauf von Eigentumswohnungen 10560 D Anlage 16 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Dr. Ahrens (SPD) betr. Pauschbeträge für Körperbehinderte und Hinterbliebene . . . . . . . . . . 10561 B Anlage 17 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Scheu (SPD) betr. Besteuerung von zur Beförderung von mehr als sieben Personen bestimmten Kraftfahrzeugen . . . . . . . . . . . 10561 D Anlage 18 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Gölter (CDU/CSU) betr. einheitliche Weinsteuer für den Bereich der EWG . . . . . . . . . . 10562 A Anlage 19 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Maucher (CDU/CSU) betr. Ermäßigung der Kraftfahrzeugsteuer für Körperbehinderte . . . . . . . 10562 B Anlage 20 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Kater (SPD) betr. Weiterbestehen der nach § 226 RVO errichteten Krankenkassen im Zuge von Gebietsreformen 10562 D Anlage 21 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Mursch (Soltau-Harburg) (CDU/CSU) betr. Lage der deutschen Seeschiffahrt 10563 B Anlage 22 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Mursch (Soltau-Harburg) (CDU/CSU) betr. Kürzung der Ansätze für Seeschiffahrtshilfen . . . . . . . 10563 C Anlage 23 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen der Abg. Erpenbeck (CDU/CSU) und Baier (CDU/CSU) betr. Zahl der Bewilligungen für den Bau von Familienheimen und von Eigentumswohnungen . 10563 D Anlage 24 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Dr. Gatzen (CDU/CSU) betr. Zahl der in den nächsten zehn Jahren im öffentlichen Wohnungsbau zu bauenden Wohnungen und Zahl der fertiggestellten öffentlich geförderten Sozialwohnungen 10564 C Anlage 25 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Gleissner (CDU/CSU) betr. Beseitigung des Atommülls beim Betrieb von Kernkraftwerken . . . . 10564 D Anlage 26 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Dr. Rinderspacher (SPD) IV Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. April 1972 betr. Sicherheitsrisiko durch das bei Breisach geplante Atomkraftwerk und betr. Einwirkungen der zwischen Rheinfelden und Waldshut sowie auf der schweizerischen Seite geplanten Atomkraftwerke auf das sogenannte Kleinklima . . . . 10565 A Anlage 27 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Evers (CDU/CSU) betr. Verhandlungen mit der französischen Regierung über die durch den Bau von Atomkraftwerken bei Fessenheim und bei Breisach entstehenden Probleme 10565 C Anlage 28 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Hubrig (CDU/CSU) betr. die Feststellungen im Forschungsbericht IV über die Forschungspolitik der Vergangenheit 10565 D Anlage 29 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Ziegler (CDU/CSU) betr Ankündigung des Bundeskanzlers, die Betriebe zu „mobilisieren" 10566 B Anlage 30 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Dr. Wittmann (München) (CDU/CSU) betr. Aufwendungen der Bundesregierung für den Wahlkampf in Baden-Württemberg 10566 B Anlage 31 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Engelsberger (CDU/CSU) betr. Einsatz von Personal zur Beantwortung der Materialanforderungen durch aus den Anzeigen der Bundesregierung ausgeschnittene Coupons 10566 D Anlage 32 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Pöhler (SPD) betr. Hilfsmaßnahmen für Exilgriechen 10567 A Anlage 33 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Gewandt (CDU/CSU) betr. Pressemeldungen über Auflagen der Bundesregierung bei der Erneuerung der Betriebserlaubnis für die US-Sender „Radio Free Europe" und „Radio Liberty" 10567 B Anlage 34 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Suck (SPD) betr. Schrei- ben des Ministerpräsidenten des Landes Schleswig-Holstein an die EWG-Kommission zum Beitritt Dänemarks in die EWG 10567 C Anlage 35 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Engelsberger (CDU/CSU) betr. Tätigkeit der Sender „Radio Free Europe" und „Radio Liberty" . . . . 10568 A Anlage 36 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Niegel (CDU/CSU) betr Aufgliederung der Zahl der ehelichen Güterstände 10568 B Anlage 37 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Ott (CDU/CSU) betr. Vergabe des Auftrages zum Druck der Zeitschrift „Zivilschutz-Magazin" 10569 A Anlage 38 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Dr. Rinderspacher (SPD) betr. Beschränkung der Zahl der Motorboote auf dem Bodensee 10569 B Anlage 39 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Gnädinger (SPD) betr. Motorbootverkehr auf dem Bodensee . . 10569 D Anlage 40 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Dr. Schmitt-Vockenhausen (SPD) betr. Schutzbestimmungen für Geldtransportwagen 10570 B Anlage 41 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Hansen (SPD) betr. Folgerungen aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs in Sachen Bundesrepublik Deutschland gegen Bergmann & Co. im Hinblick auf § 19 des Schutzbaugesetzes 10571 A Anlage 42 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Biechele (CDU/CSU) betr. Zuwendungen für die Sanierung des Bodensees und betr. Lebensmittelkontrolle im Rahmen des Umweltschutzes . 10571 B Anlage 43 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Dr. Rinsche (CDU/CSU) betr. beamtenrechtliche Versorgungsbezüge 10571 D Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 181. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. April 1972 V Anlage 44 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Picard (CDU/CSU) betr. Zurückziehung von Filmen durch die Bundeszentrale für politische Bildung . . . 10572 B Anlage 45 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Biehle (CDU/CSU) betr. Ausdehnung des regionalen Aktionsprogramms für das unterfränkische Zonenrand- und Ausbaugebiet auf den Landkreis Lohr 10572 D Anlage 46 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Dr. Dübber (SPD) betr. das durchschnittliche Jahreseinkommen der niedergelassenen Ärzte . . . . . 10572 D Anlage 47 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Ott (CDU/CSU) betr. Auswirkung der Zinspolitik auf den Erwerb von Wohnungseigentum und betr. Wohnungsbaufinanzierung 10573 B Anlage 48 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Leicht (CDU/CSU) betr. Verschmutzung des Altrheinarmes bei Philippsburg . . . . . . . . . . . 10574 A Anlage 49 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Erpenbeck (CDU/CSU) betr. Verkauf der Vestisch Märkischen Wohnungsbaugesellschaft mbH Recklinghausen 10574 B Anlage 50 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Wohlrabe (CDU/CSU) betr. Zahlungen aus dem Bundeshaushalt an die DDR 10574 D Anlage 51 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Bay (SPD) betr. Verbot der Greifvogelhaltung und der Falknerei 10575 A Anlage 52 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Müller (Mülheim) (SPD) betr. Geheimhaltungspflicht für Vertrauensmänner der Schwerbeschädigten . 10575 C Anlage 53 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Link (CDU/CSU) betr. Gleichbehandlung von nichtbeamteten und beamteten Schwerbeschädigten . . 10576 A Anlage 54 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Gierenstein (CDU/CSU) betr. Verteilung der vom Vorstand der SPD herausgegebenen Zeitschrift „debatte" in einem Großbetrieb in Ingolstadt 10576 B Anlage 55 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Kater (SPD) betr. Einrichtung von Werksärztezentren . . . . 10576 C Anlage 56 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Hansen (SPD) betr. Beteiligung von im deutsch-türkischen Arbeitsvermittlungsbüro in Istanbul beschäftigt gewesenen Deutschen an der illegalen Vermittlung von türkischen Arbeitern 10577 A Anlage 57 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Seefeld (SPD) betr. Verteilung der Zeitschrift „Das Parlament" bei der Bundeswehr . . . . . . . . 10577B Anlage 58 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Zebisch (SPD) betr. Nachwuchskräfte für Berufe der Altenpflege 10577 D Anlage 59 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Dr. Jungmann (CDU/ CSU) betr. Cyclamat-Süßstoffe . . . . 10578 B Anlage 60 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Buschfort (SPD) betr. die Bestimmungen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes über eine Förderung der Kinder von Ausländern und betr. Anwendung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes auf deutsche Staatsangehörige mit ständigem Wohnsitz in einem EWG-Land 10578 D Anlage 61 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Dr. Abelein (CDU/CSU) betr. Finanzlage des Landeswohlfahrts- VI Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 181. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. April 1972 verbandes Württemberg-Hohenzollern und betr. Beteiligung des Bundes an der Finanzierung der Leistungen auf den Gebieten der Kriegsopferfürsorge, der Sozialhilfe und der Jugendhilfe 10579 A Anlage 62 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Haase (Kellinghusen) betr. den Bau der Ortsumgehung Wilster und der Ortsumgehung Kellinghusen . . 10579 D Anlage 63 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Biehle (CDU/CSU) betr. das Projekt der Nord-Süd-Umgehung im Bereich der Stadt Lohr am Main . . . 10580 A Anlage 64 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Berding (CDU/CSU) betr Auflösung der Bundesbahndirektion Münster 10580 B Anlage 65 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Dr. Kliesing (Honnef) (CDU/CSU) betr. Immissionsschutz beim Ausbau der Bundesautobahn A 221 im Raum Meckenheim-Merl . . . . . . 10580 C Anlage 66 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Wolfram (SPD) betr. gesetzliche Bestimmungen über den Einbau von Sicherheitsgurten in Kraftfahrzeugen 10581 A Anlage 67 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Haehser (SPD) betr. Altölvernichtung auf dem Rhein und auf der Mosel 10581 C Anlage 68 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Engelsberger (CDU/CSU) betr. Ausbau der B 299 im Landkreis Traunstein . . . . . . . . . . . 10582 A Anlage 69 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU) betr. das Ausbesserungswerk Braunschweig 10582 B Anlage 70 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Dr. Haack (SPD) betr. Beginn des Baus der Autobahnausfahrt Schnaittach 10582 C Anlage 71 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Dr. Gatzen (CDU/CSU) betr. Fertigstellung des Abschnittes Bliesheim-Wißkirchen der A 110 . . . . . 10582 D Anlage 72 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Dr. Schmitt-Vockenhausen (SPD) betr. Fernsprechanschlüsse für Nebenstellen der Wohlfahrtsverbände . 10583 A Anlage 73 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Dr. Hauser (Sasbach) (CDU/CSU) betr. Sonderpostwertzeichen der Stadt Baden-Baden . . . . . . . 10583 C Anlage 74 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Dr. Franz (CDU/CSU) betr. Kosten von Ferngesprächen nach München bei Inbetriebnahme der Knotenvermittlungsstellen Kirchseeon und Markt Schwaben im Landkreis Ebersberg . . . 10583 D Anlage 75 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. van Delden (CDU/CSU) betr. Tastatursystem der bei der Bundespost verwendeten Büro- und Buchungsmaschinen 10584 B Anlage 76 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Pfeifer (CDU/CSU) betr. Auflösung von Postämtern im Bezirk der Oberpostdirektion Tübingen im Zuge der kommunalen Neugliederung . . . . . 10584 D Anlage 77 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Dr. Haack (SPD) betr. Wohngeld für Bewohner eines Altenpflegeheimes . . . . . . . . . . 10585 B Anlage 78 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Dr. Evers (CDU/CSU) betr. das atomrechtliche Verfahren für das geplante Atomkraftwerk Breisach . . 10585 D Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 181. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. April 1972 VII Anlage 79 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Dr. Hubrig (CDU/CSU) betr. praktische Anwendungen der EDV- unterstützten Informationssysteme im Bereich der Forschungsförderung . . . . 10586 B Anlage 80 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Lenzer (CDU/CSU) betr. steuerliche Förderung der Tätigkeit von Stiftungen und Sonderabschreibungen für Forschungs- und Entwicklungsausgaben im Rahmen der EWG-Steuerharmonisierung 10586 C Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 181. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. April 1972 10521 181. Sitzung Bonn, den 14. April 1972 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Abelein 14. 4. Adams * 14. 4. Adorno 14. 4. Dr. Aigner * 14. 4. Dr. Arndt (Hamburg) 14. 4. Baeuchle 14. 4. Behrendt * 14. 4. Biehle 14. 4. Frau von Bothmer 14. 4. Breidbach 14. 4. Frau Dr. Diemer-Nicolaus 14. 4. Dr. Dittrich * 14. 4. Dr. Dollinger 14. 4. Engelsberger 14. 4. Dr. Erhard 14. 4. Dr. Evers 14. 4. Faller 14. 4. Frau Dr. Focke 14. 4. Dr. Franz 14. 4. Dr. Furler 14. 4. Gerlach (Emsland) * 14. 4. Gewandt 14. 4. Dr. Gleissner 14. 4. Graaff 14. 4. Frau Griesinger 14. 4. Freiherr von und zu Guttenberg 6. 5. Hauck 14. 4. Hösl 14. 4. Dr. Jungmann 14. 4. Dr. Kempfler 14. 4. Dr. h. c. Kiesinger 14. 4. Klinker * 14. 4. Dr. Kreile 14. 4. Frau Lauterbach 14. 4. Lemmrich ** 14. 4. Dr. Dr. h. c. Löhr 14. 4. Dr. Lohmar 14. 4. Dr. Martin 14. 4. Dr. Marx (Kaiserslautern) 14. 4. Memmel * 14. 4. Michels 14. 4. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller 14. 4. Müller (Aachen-Land) * 14. 4. Dr. Müller-Hermann 14. 4. Pfeifer 14. 4. Picard 23. 4. Pieroth 14. 4. Pöhler ** 15. 4. Dr. Probst 14. 4. Dr. Reischl * 14. 4. Richarts * 14. 4. Richter ** 14. 4. Dr. Rinderspacher ** 14. 4. Rollmann 14. 4. Scheu 14. 4. Schneider (Königswinter) 14. 4. Dr. Schulz (Berlin) 15. 4. Dr. Schwörer 14. 4. Seefeld * 14. 4. Anlagen zum Stenographischen Bericht Springorum * 14. 4. Dr. Starke (Franken) 14. 4. Steiner 14. 4. Strauß 14. 4. Frau Dr. Walz ** 14. 4. Weber (Heidelberg) 14. 4. Dr. Freiherr von Weizsäcker 14. 4. Wendelborn 14. 4. Werner 14. 4. Dr. Zimmermann 14. 4. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen der Beratenden Versammlung des Europarates Anlage 2 Ergänzende Schriftliche Antwort des Bundesministers Genscher vom 20. März 1972 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Biechele (CDU/CSU) (Drucksache VI/2556 Fragen 47 und 48) : Wie beurteilt die Bundesregierung Umfang und Gefahr (etwa durch die Vergiftung des Grundwassers) der sog. Arsen-SchlammAffäre, verursacht durch die skandalöse Ablagerung des Giftschlamms aus dem bei Mönchengladbach gelegenen Werk Nievenheim der Stolberger Zink AG, in Nordrhein-Westfalen und in Niedersachsen, die nach vielfachen Stellungnahmen durch den Kompetenz-Wirrwarr im Bereich der Abfallbeseitigung wesentlich verursacht worden sein soll? Ist die Bundesregierung in der Lage mitzuteilen, welche Mengen giftigen Industriemülls (Fässer mit cyanidhaltigen Salzen, die nach Pressemitteilungen hochgefährlich sind) ohne Umweltschutzmaßnahmen auf Abfalldeponien in Nordrhein-Westfalen und im ganzen Bundesgebiet abgelagert wurden (Beispiel: die Fässer mit cyanidhaltigen Salzen, die man im Müllteich in BochumGerthe gefunden hat), und kann sie über die damit verbundenen Gefahren vor allem für die Menschen Auskunft geben? Trotz mehrfacher Bemühungen war es mir bis heute nicht möglich, die zur Beantwortung der Frage 4 erforderlichen Angaben von den zuständigen Schweizer Stellen zu erhalten. Um die Beantwortung nicht länger zu verzögern, unterrichte ich Sie auf Grund der von den Ländern inzwischen eingegangenen Stellungnahmen zu Ihren Fragen. Die Frage 47 beantworte ich wie folgt: Elementares Arsen ist nicht giftig. Spuren davon sind zur Funktion des menschlichen Lebens unentbehrlich. Oxidiert Arsen aber zu arseniger Säure (Arsenik), eine leicht ablaufende Reaktion, dann wird es zum gefährlichen Gift. Wesentlich weniger giftig ist eine Reihe anderer Arsen-Verbindungen. Bei unsachgemäßer Ablagerung von arsenhaltigen Abfallstoffen ist die Gefahr der Grundwasserverunreinigung gegeben. In der Literatur sind einschlägige Fälle von Intoxikationen beschrieben, die über Trinkwasser (Brunnenwasser) erfolgten, das u. a. durch abgelagerte Giftgasgranaten aus dem ersten Weltkrieg verunreinigt war. 10556 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 181. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. April 1972 Nach den Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation darf Trinkwasser nur bis 0,05 mg/l Arsen enthalten. Für den Menschen sind 20 bis 40 mg Arsen je kg Körpergewicht und je nach seiner körperlichen Verfassung tödlich. Besonders gefährdet sind daher Kleinkinder. Die vom Trinkwasser ausgehenden Gefahren einer Arsen-Vergiftung sind besonders groß in Gegenden, die von kleineren und mittleren Wasserwerken versorgt werden. Dort verfügt man zumeist nicht über die bei größeren Wasserwerken üblichen Aufbereitungsanlagen mit Aktivkohlefiltern, die Arsen aus dem Rohwasser so gut wie ganz zurückhalten. Von den Ministerien für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten der Länder Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen wurde abschließend zum Fall der Kalkschlammablagerung des Werkes Nievenheim der Stolberg Zink AG mitgeteilt, daß insgesamt 3330 t arsenhaltiger Kalkschlamm auf folgenden Müllkippen abgelagert worden waren: Stetternich 896 t Köln-Liblar 106 t Köln-Niehl 93 t Köln-Ossendorf 95 t Frechen 51 t Grevenbroich 469 t Neukirchen 235 t Niederaußem 139 t Ennigerloh 323 t Remscheid 16 t Hohenlimburg 519 t WuppertalBeyenburg 11 t Bad Essen 52 t Bad Iburg 289 t Uedinghausen 12 t Dratum 25 t Die arsenhaltigen Abfälle wurden, teilweise vermischt mit häuslichen Abfällen, zum Werk Nievenheim zurücktransportiert und zwischenzeitlich abgelagert. Gegenwärtig werden die Vorbereitungen getroffen, um die Abfälle in einer von allen Fachbehörden als gefahrlos beurteilten Deponie endgültig ablagern zu können. Das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Düsseldorf weist darauf hin, daß die Giftvorfälle nicht durch einen angeblichen Kompetenz-Wirrwarr verursacht worden seien. Die Frage 48 beantworte ich wie folgt: Im August letzten Jahres wurde bekannt, daß in eine Mülldeponie in Bochum-Gerthe etwa 500 t cyanidhaltige Härtesalze eingebracht worden waren. Die Salze hatten sich teilweise in dem in der Deponie anstehenden Wasser gelöst, das unter Einsatz der Bundeswehr abgepumpt, entgiftet und in die Emscher abgeleitet werden mußte. Die unversehrten Fässer werden, geschützt durch eine Kunststoffolie, zwischenzeitlich noch auf der Deponie verwahrt. Die Stadt Bochum beabsichtigt, die Härtesalze durch Aufbereitung beseitigen zu lassen. Eine Gefahr für die menschliche Gesundheit erscheint somit ausgeschaltet. Die auf Grund der Vorfälle wesentlich verschärften Überwachungsmaßnahmen der Länder bleiben nicht ohne Erfolg. So konnte eine versuchte Ablagerung von cyanidhaltigen Härtesalzen auf der Mülldeponie in Wellesweiler im Saarland unterbunden werden. Anlage 3 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Hermsdorf vom 17. März 1972 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Engelsberger (CDU/CSU) (Drucksache VI/3243 Frage B 16) : Welche Gründe haben die Bundesregierung bewogen, Professor Eberhard Machens zum Präsidenten der Bundesanstalt für Bodenforschung zu ernennen, obwohl der bisherige Präsident Professor Richter-Bernbung und die Personalvertretungen der Bundesanstalt für Bodenforschung und des niedersächsischen Landesamts für Bodenforschung protestiert hatten mit der Begründung, daß ,,wesentlich geeignetere Fachkräfte" vorgeschlagen worden seien? Bei der Besetzung der Stelle des Präsidenten der Bundesanstalt für Bodenforschung ist die Bundesregierung von den Aufgaben dieser Anstalt ausgegangen, die zum großen Teil mit Auslandsprojekten in Verbindung stehen. Diese Projekte gewinnen durch den Zwang, für die deutsche Rohstoffversorgung im Ausland neue Quellen zu erschließen, zunehmend an Bedeutung. Als Präsident der Bundesanstalt für Bodenforschung kommt daher nur ein Geologe mit langjähriger einschlägiger Auslandspraxis in Frage. Von den für die Besetzung der Präsidentenstelle in Betracht gezogenen Persönlichkeiten ist Prof. Machens der Vorzug gegeben worden, weil er diesen Anforderungen in besonderem Maße gerecht wird. Durch seine fast 10jährige Tätigkeit in leitender Stellung im französischen Staatsdienst, im Schwester-Institut der Bundesanstalt für Bodenforschung (Bureau des Recherches Géologiques et Minières), ist er zu einem anerkannten Fachmann der praxisbezogenen Rohstoffversorgung geworden. Seine Frankreich-Erfahrungen prädestinieren ihn zudem, die unerläßliche Zusammenarbeit mit der französischen Schwester Organisation und innerhalb der EWG zu intensivieren. Diese Zusammenarbeit wird mit dem Ausbau der Wirtschafts- und Währungsunion politisch und organisatorisch immer wichtiger. Die Bundesanstalt nutzt bereits seit einiger Zeit die besonderen Erfahrungen und Verbindungen von Prof. Machens für die Beratung ihrer Auslandsmissionen. So befand er sich zur Zeit, als über seine Bestellung entschieden wurde, in dienstlichem Auftrag der Bundesanstalt für Bodenforschung in Übersee. In seiner Eigenschaft als Leiter der französischen geologischen Mission im Niger hat sich Prof. Machens in nicht unerheblichem Maße auch mit Fragen der Organisation und des Managements beschäftigt. Dadurch besitzt er die erforderliche Kenntnis administrativer Zusammenhänge. Die wissenschaftliche Befähigung von Prof. Machens ist von namhaften Hochschullehrern, die ihn und seine Leistungen unmittelbar kennen, eindeutig positiv beurteilt worden. Der frühere Präsident der Bundesanstalt für Bodenforschung, Prof. Dr. Richter-Bernburg, der mit Ablauf des Monats Februar 1972 in den Ruhestand getreten ist, hatte Gelegenheit, seine Auffassung über die Besetzung der Präsidentenstelle im Bundesministerium für Wirtschaft und Finanzen darzulegen. Deutscher Bundestag -- 6. Wahlperiode — 181. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. April 1972 10557 Auch der Vorsitzende des Personalrats der Bundesanstalt für Bodenforschung hat den für die Bundesanstalt zuständigen Abteilungsleitern des Ministeriums die Vorstellungen des Personalrats vorgetragen. Anlage 4 Schriftliche Antwort des Bundesministers Genscher vom 12. April 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Schneider (Nürnberg) (CDU 'CSU) (Drucksache VI/3313 Frage A 14) : Auf welche Weise und in welchem Maße hat die Bundesregierung Einfluß auf die Entscheidung des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hubert Schrübbers, genommen, zum 30. April 1972 gemäß § 42 Abs. 3 des Bundesbeamtengesetzes seine Versetzung in den Ruhestand zu beantragen? Die von mir veranlaßte Überprüfung der gegen ,den Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hubert Schrübbers, erhobenen Vorwürfe ist Anfang März dieses Jahres abgeschlossen worden. Die Überprüfung hatte folgendes Ergebnis: Die Tätigkeit von Präsident Schrubbers als Staatsanwalt war bei seiner Berufung zum Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz im Jahre 1955 bekannt. Sie ergibt sich aus den Personalakten. Das bezieht sich auch auf seine Tätigkeit in Hochverratsverfahren. Danach bestand kein Anlaß, gegen Präsident Schrubbers wegen eines Dienstvergehens dienstrechtliche Maßnahmen zu ergreifen. Dieses Ergebnis der Überprüfung habe ich Herrn Präsident Schrubbers mündlich eröffnet und außerdem der Öffentlichkeit bekannt gegeben. Herr Präsident Schrubbers hat seine Versetzung in den Ruhestand zum 30. April 1972 beantragt. Pressemeldungen, nach denen er sich angeblich wegen „mangelnder Rückendeckung" zu diesem Schritt entschlossen habe, ist Präsident. Schrubbers entgegengetreten. Dem hat die Bundesregierung nichts hinzuzufügen. Anlage 5 Schriftliche Antwort des Bundesministers Genscher vom 12. April 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Müller (Mülheim) (SPD) (Drucksache VI/3313 Fragen A 8 und 9) : Wird die Bundesregierung im Rahmen ihrer Bemühungen um ein verbessertes Umweltbewußtsein der Bevölkerung eine Wanderausstellung zum Umweltschutz einrichten? Könnte ggf ein Teil der mit vom Bund finanzierten Stuttgarter Ausstellung „Umwelt 72" die Grundlage für eine künftige Wanderausstellung bieten? Die Bundesregierung finanziert seit Jahren besondere Ausstellungsvorhaben auf dem Gebiet des Umweltschutzes. Für einige Fachgebiete, zum Beispiel Wasser, hat der Bund darüber hinaus die Trägerschaft für Sonderveranstaltungen übernommen. Seit 3'!a Jahren wird vom BMI in Zusammenarbeit mit den Ländern die Ausstellung „Lebenselement Wasser" als Wanderausstellung gestaltet und finanziert. Sie ist bisher in 39 Städten in 7 Bundesländern gezeigt worden, zuletzt in Bremen, wo sie des großen Interesses der Bevölkerung wegen verlängert werden mußte. Die Einrichtung einer Wanderausstellung, die abweichend von der bisher ausschließlich sektoralen Themenstellung sämtliche Bereiche des Umweltschutzes umfassen sollte, wird von der Bundesregierung angestrebt. Die von der Stadt Stuttgart veranstaltete Gesamtschau „Umwelt 72" könnte als eines der ersten Vorhaben dieser Art Schrittmacherdienste leisten. Die Bundesregierung wird mit dem weiteren Förderer, dem Land Baden-Württemberg, sowie der Stadt Stuttgart, Verhandlungen darüber aufnehmen, inwieweit Konzeption und Exponate der „Umwelt 72" auf den Bund übergehen und Grundlage für eine umfassende Umweltwanderausstellung sein können. Da mit der Einrichtung einer Wanderausstellung, die ständig auf dem neuesten Stand von Entwicklung und Erkenntnis gehalten werden muß, laufende Kosten verbunden sind, wäre ich dankbar, wenn das Vorhaben von den Kollegen im Haushaltsausschuß unterstützt werden könnte. Angesichts der erheblichen Förderung der „Umwelt 72" durch den Bund sowie des starken Interesses vieler Städte und Organisationen an der Übernahme der Stuttgarter Pavillons dürfte schon jetzt gewährleistet sein, daß die Exponate der Stuttgarter Informationsschau zumindest teilweise an anderen Orten der Bundesrepublik gezeigt werden. Anlage 6 Schriftliche Antwort des Bundesministers Genscher vom 12. April 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Storm (CDU/CSU) (Drucksache VI/3313 Fragen A 11 und 12) : Wie weit ist der Stand der Bearbeitung der Verordnung über die Angleichung der Auslandsbesoldung für Beamte des öffentlichen Dienstes, und ist mit einer entsprechenden Regelung noch in dieser Legislaturperiode zu rechnen? In welchem Umfang wurde die Auszahlung an den vom Häftlingshilfegesetz betroffenen Personenkreis bereits getroffen, und wurde die Rechtsverordnung für die Auszahlung im laufenden Rechnungsjahr bereits erlassen, bzw. zu welchem Termin kann damit gerechnet werden? 1. Ich darf Ihre Frage so verstehen, daß Sie über den Stand der Arbeiten an einer Neuregelung der Auslandsbesoldung unterrichtet werden möchten, und sie wie folgt beantworten: Die Ressortverhandlungen über eine solche Neuregelung, die den Empfehlungen der Kommission für die Reform des Auswärtigen Dienstes in allen wesentlichen Punkten Rechnung trägt, sind weitgehend abgeschlossen. Wegen der Einzelheiten der vorgesehenen Regelung darf ich auf die schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs im Auswärtigen Amt 10558 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 181. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. April 1972 Moersch vom 1. Dezember 1971 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Schmitt-Vockenhausen (Drucksache VI/2861 Frage B 1) Bezug nehmen (Anlage 16 zum Protokoll der 155. Sitzung des Deutschen Bundestages am 3. Dezember 1971, Seite 8962). Die beteiligten Ressorts sind weiterhin um die Klärung einiger noch offener Fragen bemüht. Ob die Neuregelung, die eine Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes erfordert, noch in dieser Legislaturperiode in Kraft treten kann, läßt sich zur Zeit nicht absehen. 2. Die 5. Novelle zum Häftlingshilfegesetz vom 29. Juli 1971 trat mit Wirkung vom 1. Juli 1971 in Kraft. Sie sieht Leistungen in Höhe von rd. 140 Millionen DM vor, von denen bisher rd. 27 Millionen DM an die Berechtigten ausgezahlt worden sind. In diesem Jahr stehen noch weitere 19 Millionen DM zur Verfügung. Die von der Bundesregierung beschlossene Rechtsverordnung wird am 1. Mai 1972 in Kraft treten, wenn ihr der Bundesrat am 14. April 1972 zustimmt. Die Rechtsverordnung stellt sicher, daß noch in diesem Jahr die Ausgleichsleistungen an alle Berechtigten ausgezahlt werden, die das 65. Lebensjahr vollendet haben; die zusätzlichen Eingliederungshilfen werden Antragstellern mit geringerem Einkommen gewährt. Anlage 7 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Rohwedder vom 12. April 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Warnke (CDU/CSU) (Drucksache VI/3313 Frage A 26) : Werden Mittel aus der Auflösung der Konjunkturausgleichsrücklage auch für Gemeinden in den Fördergebieten zur Verfügung gestellt und in welcher Höhe? Im Eventualhaushalt der Bundesregierung sind 300 Millionen DM für Investitionen der Gemeinden vorgesehen. Vom Konjunkturrat der öffentlichen Hand wird zur gegebenen Zeit zu beschließen sein, in welcher Höhe dabei die Gemeinden in den Fördergebieten bedacht werden sollen. Aufgrund neuester Konjunkturbeurteilungen, der Entwicklung der öffentlichen Kernhaushalte und der Diskontsenkung der Deutschen Bundesbank ist die Bundesregierung in Übereinstimmung mit dem Konjunkturrat für die öffentliche Hand und dem Finanzplanungsrat aber der Auffassung, daß es auf absehbare Zeit nicht notwendig sein wird, die Eventualhaushalte und die Konjunkturausgleichsrücklage freizugeben. Anlage 8 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Emde vom 14. April 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Wüster (SPD) (Drucksache VI/3313 Fragen A 27 und 28) : Ist die Bundesregierung bereit, im Hinblick auf die sich schon jetzt anbahnende Verknappung des Erdöls die Forschung auf dem Gebiet der Kohleverflüssigung voranzutreiben? Beabsichtigt die Bundesregierung, auf Grund der Förderung der Entwicklung der Generatoren zur Herstellung des Wasserstoffgases mit Hochtemperaturwärme aus gasgekühlten Kernreaktoren jetzt auch Haushaltsmittel für die Entwicklung der Verarbeitung des Wasserstoffes zu flüssigen Kohlenwasserstoffen bereitzustellen? 1. Es wird seit einigen Jahren versucht, die weltweit vorhandenen sehr großen Kohlenvorräte, beispielsweise über die Kohleverflüssigung, verstärkt zu nutzen und damit die Versorgung mit Mineralöl zu ergänzen und die Importabhängigkeit in diesem Bereich zu vermindern. Der Deutsche Bundestag hat in seiner 246. Sitzung am 2. Juli 1969 auf Antrag des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen beschlossen, daß der Bundesminister für wissenschaftliche Forschung im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft eine Studie in Auftrag geben sollte, mit dem Ziel, die Möglichkeiten einer Wiederaufnahme der Herstellung von Kraftstoffen aus Kohle in der Bundesrepublik Deutschand zu untersuchen. Die Studie sollte die technologischen und wirtschaftlichen Aspekte, aber auch die wirtschafts- und energiepolitischen Gesichtspunkte berücksichtigen und von unabhängigen Sachverständigen verfaßt werden. Die daraufhin von den Herren Professoren Pichler und Krüger (Karlsruhe) angefertige Studie, die dem Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen des Deutschen Bundestages im September 1971 zugeleitet worden ist, kommt in ihrem volkswirtschaftlichen Teil zu dem Ergebnis, daß es bei der augenblicklichen Preisrelation von Steinkohle zu Erdöl derzeit ausgeschlossen ist, zu wirtschaftlich vertretbaren Bedingungen Kraftstoff aus Kohle zu gewinnen. Die Bundesregierung verfolgt zwar aufmerksam die Weiterentwicklung der entsprechenden Verfahren im Ausland, beabsichtigt unter diesen Bedingungen zur Zeit jedoch nicht, selbst die Forschung auf diesem Gebiet voranzutreiben. 2. Bei den mit dieser Frage angesprochenen Fördermaßnahmen zur Wasserstoffherstellung mittels nuklear erzeugter Wärme handelt es sich um ein langfristiges Vorhaben, von dem erst in einigen Jahren greifbare Ergebnisse vorliegen werden. Vorerst soll lediglich die 1. Phase der Grundlagenuntersuchungen gefördert werden. Über die Fortsetzung des Projekts in die nächste Entwicklungsphase wird frühestens Ende 1974 entschieden. Eine Bereitstellung von Haushaltsmitteln für die Herstellung flüssiger Kohlenwasserstoffe aus Kohle unter Benutzung von mit nuklearer Prozeßwärme erzeugtem Wasserstoff ist nicht beabsichtigt. Anträge liegen der Bundesregierung auch nicht vor. Auch in diesem Zusammenhang ist auf die erwähnte, dem Haushalts- und Wirtschaftsausschuß des Deutschen Bundestages vorliegende Studie der Professoren Pichler und Krüger (Karlsruhe) zu verweisen, die zu dem klaren Ergebnis kommt, daß unter den Gegebenheiten in der Bundesrepublik eine wirtschaftliche Herstellung von Benzin aus Kohle, auch in Form der Benzinsynthese, nicht möglich ist. Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 181. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. April 1972 10559 Anlage 9 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Emde vom 14. April 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Luda (CDU/CSU) (Drucksache VI/3313 Frage A 29) : Aus welchem Grund ist die Neubesetzung des Amts des Präsidenten der Bundesanstalt für Bodenforschung nicht von dein nach der Geschäftsordnung des Bundeswirtschaftsministeriums für alle Angelegenheiten der Bodenforschungsanstalt zuständigen Staatssekretär Dr. Rohwedder, sondern von Staatssekretär Dr. Schöllhorn bearbeitet worden? Staatssekretär Dr. Rohwedder ist für die fachlichen Angelegenheiten der Bundesanstalt für Bodenforschung, Staatssekretär Dr. Schöllhorn für Personalfragen des Bereichs W und damit auch der Bundesanstalt zuständig. Anlage 10 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Emde vom 14. April 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Niegel (CDU/CSU) (Drucksache VI/3313 Fragen A 32 und 33) : Trifft es zu, daß die wirtschaftliche Lage der Kinderwagenindustrie, insbesondere der Betriebe im oberfränkischen Zonenrandgebiet, schwierig ist? Ist die Bundesregierung bereit, die Kinderwagenlieferungen aus der „DDR" auf ihren Dumpingcharakter zu prüfen? Es ist richtig, daß sich die Lage der deutschen Kinderwagenindustrie, die etwa 3500 Personen beschäftigt, in den letzten Jahren verschlechtert hat. Das beruht in erster Linie auf der seit 1964 rückläufigen Entwicklung der Geburten. Zwar haben verstärkte Bemühungen der Kinderwaaenindustrie zu beachtlichen Exportsteigerungen geführt, doch konnten die vorhandenen Kapazitäten dennoch nicht voll ausgelastet werden, obwohl auch die Importe seit 1965 rückläufige Tendenz haben. Von den vorhandenen Produktionsbetrieben befinden sich 30 (= 80 % der Produktionskapazität) im oberfränkischen Raum. Zu der Lage der Branche kommt daher die allgemeine Situation dieses Grenzgebietes erschwerend hinzu. Zur Frage der Kinderwagenlieferungen aus der DDR möchte ich folgendes bemerken: Auf Antrag des Verbandes der Korbwaren-, Korbmöbel- und Kinderwagenindustrie leitete das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft am 21. Mai 1970 ein Preisprüfungsverfahren für Kinderwagen aus der DDR ein. Im Rahmen dieses Verfahrens wurde festgestellt, daß diese Kinderwagen kaum billiger als vergleichbare westdeutsche Wagen waren. Die Bezüge im innerdeutschen Handel waren auch nach ihrem Umfang nicht geeignet, zu einer erheblichen Schädigung der heimischen Wirtschaft zu führen. Das Verfahren wurde deshalb am 20. Oktober 1970 eingestellt. 1971 sind die Bezüge aus der DDR weiter erheblich zurückgegangen. Da sich die Preissituation aber zwischenzeitlich geändert haben kann, ist die Bundesregierung selbstverständlich bereit, auf Antrag erneut ein Preisprüfungsverfahren durchführen zu lassen. Anlage 11 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Emde vom 14. April 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU) (Drucksache VI/3313 Frage A 34) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß die beabsichtigte Schließung der Werke Voigtländer, Imperial, Veko-Konserven zu einer großen Beunruhigung im Wirtschaftsraum Braunschweig geführt hat, die vom DGB Kreis Braunschweig-Wolfenbüttel mit der Forderung verbunden ist, daß „konkrete Schritte unternommen werden sollten, um einen Ausverkauf dieses Gebietes zu verhindern und gleichzeitig sicherzustellen, daß neue Industrien und Verwaltungen im grenznahen Raum angesiedelt werden", und sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, durch Ansiedlung von Bundesbetrieben und Bundesverwaltungen (Neugründungen) dem wirtschaftlich bedrohlichen Raum zu helfen? Durch Betriebsstillegungen in Braunschweig und Wolfenbüttel ist in der letzten Zeit leider der Eindruck entstanden, dieser Raum sei ein besonderes Problemgebiet unter den Fördergebieten der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur". Das ist jedoch nicht der Fall. So konnten in diesem Raum zwischen 1969 und 1971 Investitionen gefördert werden, durch die mehr als 4000 neue Arbeitsplätze entstehen. Das ist ein Vielfaches der Arbeitsplätze, die von den im Raum diskutierten Betriebsschließungen betroffen sind. Die Förderungsmöglichkeiten nach dem Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe und dem Zonenrandförderungsgesetz reichen aus, um Investitionsentscheidungen der Unternehmen auch weiterhin zugunsten dieses Raumes zu beeinflussen. Wie Sie wissen, ist die Durchführung der regionalen Wirtschaftspolitik Sache der Landesregierung, die sicher auch die Vorschläge des DGB Kreises Braunschweig-Wolfenbüttel berücksichtigen wird. Ihre Frage, ob die Bundesregierung Möglichkeiten sieht, durch Ansiedlung von Bundesbetrieben und Bundesverwaltungen dem Wirtschaftsraum Braunschweig zu helfen, könnte im Planungsausschuß der Gemeinschaftsaufgabe mit dem Land Niedersachsen erörtert werden. Ich möchte allerdings schon jetzt sagen, daß Investitionsentscheidungen in die Verantwortung der Organe von Unternehmen fallen. Auch die Errichtung von Behörden scheint mir keine nachhaltige Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur zu versprechen. Anlage 12 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Emde vom 14. April 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU) (Drucksache VI/3313 Frage A 35) : Ist die Bundesregierung bereit, zur Überbrückung der schwierigen Wirtschaftslage im Raum des Zonenrandgebietes Braunschweig folgende Maßnahmen durchzuführen: den Eventualhaushalt vorzeitig strukturell für den wirtschaftlich schwachen, grenznahmen Raum freizugeben, das Genehmigungsverfahren bei Strukturhilfen zu beschleunigen, jegliche Bewilligungs- und Genehmigungsverfahren wie z. B. Zollerklärungen zu überprüfen und vorn bürokratischen Ballast zu befreien? In der Antwort auf ihre erste Frage hatte ich gesagt, daß die Durchführung der regionalen Wirt- 10560 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 181. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. April 1972 schaftsförderung eine Angelegenheit der Länder ist und daß die erforderlichen Schritte in einem Planungsausschuß von Bund und Ländern gemeinsam beraten und beschlossen werden. Die von Ihnen angestellten Überlegungen wären ggfs. in diesem Gremium zu berücksichtigen. Allgemein möchte ich folgendes sagen: 1. Die Bundesregierung ist in Übereinstimmung mit dem Finanzplanungsrat und dem Konjunkturrat der Auffassung, daß eine Notwendigkeit, den Eventualhaushalt zu aktivieren, auf absehbare Zeit nicht besteht. Eine vorzeitige Freigabe von Mitteln des Eventualhaushalts für bestimmte Gebiete kann deshalb schon aus diesem Grund nicht in Betracht kommen. 2. Die Bundesregierung sieht keinen Anlaß allgemein vorgeschriebene Bewilligungs- und Genehmigungsverfahren aus regionalen Gründen zu ändern. Das gilt insbesondere für das Genehmigungsverfahren für regionale Strukturhilfen, bei dem ohnehin die gesamte Entscheidungsbefugnis auf die Länder delegiert wurde. Anlage 13 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Emde vom 14. April 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Abelein (CDU/CSU) (Drucksache VI/3313 Fragen A 36 und 37) : Stellt die Bundesregierung ÜUberlegungen an, die im Rahmen der neuen Gemeinschaftsaufgabe zu regelnden regionalen Aktionsprogramme auch dann zu fördern, wenn sie über Ländergrenzen hinwegreichen? Treffen Informationen zu, wonach künftig nur noch bestimmte Schwerpunktorte, nicht mehr aber Verflechtungsgebiete, gefördert werden sollen? 1. Im Zeichen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" werden grundsätzliche Überlegungen zur regionalen Wirtschaftsförderung vom Planungsausschuß dieser Gemeinschaftsaufgabe angestellt, in dem Bund und alle Länder vertreten sind. Neuerer Überlegungen hinsichtlich der Förderung Regionaler Aktionsprogramme, die über Ländergrenzen hinwegreichen, bedarf es nicht; denn schon vor dem Inkrafttreten dieser Gemeinschaftsaufgabe gab es Regionale Aktionsprogramme, die über Ländergrenzen hinausgingen. Die dabei gesammelten Erfahrungen sind als gut zu bezeichnen. Daher kann davon ausgegangen werden, daß auch in Zukunft hier keine Schwierigkeiten auftreten werden. 2. Herr Abgeordneter, Ihrer zweiten Frage liegt möglicherweise ein Mißverständnis zugrunde. Mit den Verflechtungsgebieten hat es folgendes auf sich: Die Fördergebiete im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" sind bislang nach Land- bzw. Stadtkreisen abgegrenzt worden. Zur Zeit wird geprüft, wie die Fördergebiete statt nach Kreisen nach sog. Verflechtungsbereichen für gewerbliche Schwerpunkte abgegrenzt werden können. Es geht in der gegenwärtigen Diskussion im Prinzip also lediglich darum, einen zweckmäßigeren Bezugsrahmen für die Fördergebiete zu finden. Das bewährte Prinzip der Schwerpunktorte, d. h. die räumliche Konzentration der Förderung auf die vom Planungsausschuß festgelegten Orte in der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur", wird nach wie vor angewandt werden. Anlage 14 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Emde vom 14. April 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Roser (CDU/CSU) (Drucksache VI/3313 Fragen A 38 und 39) : Wie beurteilt die Bundesregierung die Auswirkungen des von Nigeria erlassenen Afrikanisierungsgesetzes auf die Bereitschaft zu privaten deutschen Investitonen im Rahmen der Entwicklungshilfe, und was hat die Bundesregierung getan, um die nigerianische Regierung davon abzuhalten, einen Rückschlag in der wirtschaftlichen Entwicklung ihres Landes auszulösen? In welchem Umfange sind von dem nigerianischen Afrikanisierungsgesetz deutsche Staatsangehörige und deutsche Firmen betroffen, und was hat die Bundesregierung zu ihrem Schutz bzw. zu ihrer Entschädigung getan und gedenkt sie zu tun? Es muß abgewartet werden, wie die nigerianischen Behörden das Afrikanisierungsgesetz anwenden und in welchem Umfang sie von der generellen Ausnahmeklausel des Gesetzes Gebrauch machen werden. Erst wenn hierüber Erfahrungen vorliegen, werden sich die Auswirkungen des Gesetzes auf die Bereitschaft der deutschen Wirtschaft zu privaten Direktinvestitionen in Nigeria beurteilen lassen. Vor Erlaß des Afrikanisierungsgesetzes hat die deutsche Botschaft in Lagos nach Abstimmung mit den Botschaften anderer Länder der nigerianischen Regierung die Meinung der Bundesregierung zu der im Gesetz geregelten Materie zur Kenntnis gebracht und sie auf mögliche negative Folgen hingewiesen. In welchem Umfang deutsche Staatsangehörige und deutsche Firmen von diesem Gesetz wirklich betroffen werden, läßt sich noch nicht übersehen. Das hängt ebenfalls insbesondere davon ab, inwieweit und in welcher Weise die nigerianischen Behörden die Ausnahmeklausel des Gesetzes anwenden. Bisher ist von konkreten Auswirkungen des Gesetzes auf deutsche Firmen noch nichts bekannt. Die Frage des Schutzes bzw. der Entschädigung deutscher Firmen ist bisher nicht akut geworden. Den in Nigeria tätigen ausländischen Firmen ist eine Übergangsfrist bis zum 31. März 1974 eingeräumt, bis zu deren Ablauf sie sich den Vorschriften des Gesetzes anpassen müssen. Die Bundesregierung wird die Entwicklung aufmerksam verfolgen und gegebenenfalls überlegen, welche geeigneten Maßnahmen getroffen werden können. Anlage 15 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Emde vom 14. April 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 181. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. April 1972 10561 Wolfram (SPD) (Drucksache VI/3313 Frage A 40 und 41) : Da in letzter Zeit immer mehr Anzeigen veröffentlicht werden, in denen Eigentumswohnungen mit hohen Steuervorteilen angeboten werden, frage ich die Bundesregierung, ob in solchen Fällen die gesamte Rechtskonstruktion überhaupt möglich ist und ob im Einzelfall die Bauherreneigenschaft vorliegt? Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß es zweckmäßig wäre, wenn sie zu den einzelnen Fakten solcher Angebote, wie z. B. Absetzung von kapitalisierten Erbpachtzinsen als Werbungskosten und von vorausgezahlten Hypothekenzinsen, konkret Stellung nehmen würde? Die Entscheidung darüber, ob und inwieweit die seit Ende vorigen Jahres angebotenen Modelle zur Finanzierung des Baues von Eigentumswohnungen mit dem geltenden Recht in Einklang stehen, kann nicht allgemein, sondern nur nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles getroffen werden. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Finanzen hatte deshalb die obersten Finanzbehörden der Länder gebeten, die in ihrem Zuständigkeitsbereich bisher bekanntgewordenen Fälle prüfen zu lassen. Bei dieser Prüfung wird untersucht, ob in den unterschiedlich ausgestalteten Projekten die Erwerber einer Eigentumswohnung als Bauherren oder als Ersterwerber anzusehen sind. Das Ergebnis der Prüfung liegt noch nicht vor. Ich kann Ihnen deshalb Ihre erste Frage im gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht beantworten. Zu Ihrer zweiten Frage möchte ich darauf hinweisen, daß die Bundesregierung zur einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Erbbauzinsen bereits Stellung genommen hat. Sie kennen inzwischen den Erlaß des Bundesministeriums für Wirtschaft und Finanzen vom 15. März dieses Jahres an die Finanzminister bzw. -senatoren der Länder, den Ihnen Herr Parl. Staatssekretär Offergeld mit Schreiben vom 23. März 1972 zur Kenntnis gegeben hatte. Danach sind vorausgezahlte Erbbauzinsen Anschaffungskosten eines Erbbaurechts, die auf die Laufzeit des Erbbaurechts zu verteilen sind. Ob und inwieweit im voraus gezahlte Schuldzinsen sowie andere normalerweise laufend anfallende Aufwendungen — wie etwa Hypothekenzinsen und Betreuungsgebühren — hei den einzelnen Modellen einkommensteuerrechtlich zu behandeln sind, soll in diesen Tagen mit Vertretern der obersten Finanzbehörden der Länder auf Grund der durchgeführten Prüfungen erörtert werden. Ob die angestrebte Klärung bereits in dieser Sitzung möglich sein wird, läßt sich gegenwärtig noch nicht abschließend beurteilen. Anlage 16 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Emde vom 14. April 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Ahrens (SDP) (Drucksache VI/3313 Fragen A 42 und 43) : Hält die Bundesregierung die Pauschbeträge für Körperbehinderte und Hinterbliebene (1 65 EStDV, § 26 LStDV) in Anbetracht der die Körperbehinderten und Hinterbliebenen in besonderem Maße belastenden Kosten- und Preissteigerungen noch für angemessen? Ist die Bundesregierung bereit, die Angemessenheit der Pauschbeträge für Körperbehinderte und Hinterbliebene auch vor Durchführung der Steuerreform zu überprüfen? Die Pauschbeträge für Körperbehinderte und Hinterbliebene nach § 65 Einkommensteuer-Durchführungsverordnung und § 26 Lohnsteuer-Durchführungsverordnung stellen keine Steuervergünstigung, sondern eine Vereinfachungsmaßnahme dar. Ihre Festsetzung hat lediglich den Zweck, in einer möglichst großen Anzahl von Fällen den Einzelnachweis der tatsächlich entstehenden außergewöhnlichen Belastungen zu vermeiden und dadurch eine Vereinfachung sowohl bei den in Betracht kommenden Personen als auch bei den Finanzämtern zu erreichen. Die Frage, ob es zweckmäßig ist, die z. Z. geltenden steuerfreien Pauschbeträge zu erhöhen, ist erst im vergangenen Jahr wieder eingehend geprüft worden. Die hierbei von den Finanzbehörden der Länder angestellten Ermittlungen haben ergeben, daß die Pauschbeträge für Körperbehinderte in der Mehrzahl der Fälle immer noch ausreichen, um die mit einer Körperbehinderung zusammenhängenden außergewöhnlichen Belastungen zutreffend abzugelten. Das schließt nicht aus, daß sich in Einzelfällen die Pauschbeträge für Körperbehinderte tatsächlich als nicht ausreichend erweisen. In solchen Fällen haben die Betroffenen aber die Möglichkeit, statt der Inanspruchnahme des steuerfreien Pauschbetrages die außergewöhnlichen Aufwendungen in tatsächlicher Höhe geltend zu machen. Die Bundesregierung hält die Höhe der steuerfreien Pauschbeträge für Körperbehinderte und Hinterbliebene unter diesen Umständen für ausreichend. In diesem Zusammenhang möchte ich ergänzend auf eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs hinweisen, nach der z. B. Kosten einer Operation — selbst wenn diese im Zusammenhang mit dem Leiden steht, das die Minderung der Erwerbsunfähigkeit herbeigeführt hat — neben den steuerfreien Pauschbeträgen berücksichtigt werden. Insofern erfolgte hier indirekt eine weitere Erhöhung der Steuerentlastung, indem Aufwendungen, die früher als durch die steuerfreien Pauschbeträge abgedeckt galten, heute neben den Pauschbeträgen abgezogen werden können. Anlage 17 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Emde vom 14. April 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Scheu (SPD) (Drucksache VI/3313 Fragen A 44 und 45) : Ist es zutreffend, daß nach dem gültigen Kraftfahrzeugsteuergesetz ein Fahrzeug, das zur Beförderung von mehr als sieben Personen (einschließlich Kraftfahrzeugfahrer) geeignet ist, nach dem höchstzulässigen Gesamtgewicht versteuert wird, so daß zum Beispiel eine Familie mit sechs Kindern, die einen achtzitzigen PKW-Kombi besitzt, etwa 40 DM mehr Steuern bezahlen muß als andere Leute, so daß die geltende Regelung quasi als „Sondersteuer für Kinderreiche" wirkt? Hat die Bundesregierung vorgesehen, daß bei der Reform der Kraftfahrzeugsteuer eine solche Benachteiligung von kinderreichen Familien vermieden wird? Nach dem Kraftfahrzeugsteuerrecht gelten Fahrzeuge mit mehr als 7 Sitzplätzen nicht als Personen- 10562 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 181. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. April 1972 kraftwagen. Sie werden deshalb nicht nach dem Hubraum sondern nach dem zulässigen Gesamtgewicht besteuert. Es trifft zu, daß diese Regelung für viele 8- oder 9sitzige Fahrzeuge zu einer höheren Steuer führt, als sie sich bei Berechnung nach dem Hubraum ergeben würde. Bei einigen Fahrzeugen dieser Größe ist jedoch die Gesamtgewichtsbesteuerung günstiger als die Hubraumsteuer. Das geltende Recht führt also nicht allgemein zu einer höheren Besteuerung für 8- oder 9sitzige Fahrzeuge. Nach dem zur Diskussion stehenden Referentenentwurf eines neuen Kraftfahrzeugsteuergesetzes soll für die Steuer der verkehrsrechtliche Begriff des Personenkraftwagens gelten. Das bedeutet, daß künftig auch die Fahrzeuge mit 8 oder 9 Sitzen als Personenkraftwagen besteuert werden. Anlage 18 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Emde vom 14. April 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Gölter (CDU/CSU) (Drucksache VI/3313 Frage A 46) : Welche Schritte gedenkt die Bundesregierung gegen die Absicht der Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zu unternehmen, für den Bereich der EWG eine einheitliche Weinsteuer einzuführen? Die deutsche Delegation hat bei Verhandlungen in Brüssel stets der Absicht widersprochen, Wein in allen Mitgliedstaaten der EWG einer harmonisierten Verbrauchsteuer zu unterwerfen: In ihrem Beschluß vom 11. Juni 1971 zur Steuerreform hat die Bundesregierung die Einführung einer Weinsteuer in der Bundesrepublik ausdrücklich abgelehnt. Bei weiteren Verhandlungen in Brüssel wird die deutsche Delegation erneut nachdrücklich der Absicht der Kommission entgegentreten, alle Mitgliedstaaten der EWG zu verpflichten, eine Weinsteuer zu erheben. Anlage 19 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Hermsdorf vom 13. April 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Maucher (CDU/CSU) (Drucksache VI/3313 Fragen A 47 und 48) : Trifft es zu, daß sich bei der Ermäßigung der Kraftfahrzeugsteuer bei Gehbehinderten mit 30 und 40 % erhebliche Härten ergeben, und wenn ja, gedenkt die Bundesregierung entsprechende Verbesserungsmaßnahmen zu treffen? Ist die Bundesregierung bereit, den Pauschalsatz der Lohnsteuerjahresschuld von 2386 DM auf Grund der in der Zwischenzeit eingetretenen erheblichen Verteuerung zu erhöhen? 1. Nach dem geltenden Recht müssen beim Erlaß der Kraftfahrzeugsteuer für Körperbehinderte, die nicht Schwerkriegsbeschädigte oder diesen gleichgestellte Personen mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 50 v. H. sind, die wirtschaftlichen Verhältnisse der Berechtigten berücksichtigt werden. Die Länder, denen die Verwaltung der Kraftfahrzeugsteuer zusteht, haben hierzu einheitliche Richtlinien herausgegeben, um eine gleichmäßige Behandlung aller Berechtigten zu gewährleisten. Der Bundesregierung ist bisher nicht bekannt geworden, daß die Erlaßregelung für Körperbehinderte, deren Erwerbsfähigkeit um 30 oder 40 v. H. gemindert ist, zu einer besonderen Härte führt. Die Bundesregierung sah deshalb bislang auch keinen Anlaß, Verbesserungsmaßnahmen zu erwägen. 2. Diese Pauschbeträge müssen sich in ihrer Höhe nach den durchschnittlichen Beträgen der mit der Körperbehinderung im Zusammenhang stehenden außergewöhnlichen Belastung richten, die nach § 33 Einkommensteuergesetz steuerlich berücksichtigt werden können. Sie haben den Zweck, den Nachweis der durch die Körperbehinderung entstehenden außergewöhnlichen Belastungen entbehrlich zu machen. Der Sinn der Pauschbeträge besteht mithin darin, bei Körperbehinderten außergewöhnliche Belastungen steuerlich vereinfacht zu berücksichtigen. Die Frage, ob die geltenden steuerfreien Pauschbeträge für Körperbehinderte erhöht werden müssen, ist in jüngster Zeit wiederholt eingehend geprüft worden. Nach den Feststellungen der obersten Finanzbehörden der Länder sind bisher Anträge auf Berücksichtigung von außergewöhnlichen Belastungen über die Pauschbeträge hinaus nur in Ausnahmefällen gestellt worden. Mir erscheint deshalb die Annahme begründet, daß die Pauschbeträge, durch die lediglich die Mehraufwendungen der Körperbehinderten abgegolten werden sollen, auch gegenwärtig noch angemessen sind. Dies schließt natürlich nicht aus, daß sich in Einzelfällen die Pauschbeträge tatsächlich- als nicht ausreichend erweisen mögen. Hierdurch ergeben sich jedoch für die Betroffenen keine steuerlichen Nachteile. In solchen Fällen besteht vielmehr die Möglichkeit, auf die Inanspruchnahme des steuerfreien Pauschbetrags zu verzichten und die außergewöhnlichen Aufwendungen im einzelnen geltend zu machen. Diese führen nach den allgemeinen steuerlichen Grundsätzen insoweit zu einem steuerfreien Betrag, als sie ggf. mit anderen Belastungen die zumutbare Eigenbelastung übersteigen. Soweit daneben noch erhöhte Werbungskosten oder Sonderausgaben infolge der Körperbehinderung in Betracht kommen, können die nachgewiesenen Aufwendungen im Rahmen der dafür geltenden allgemeinen Vorschriften neben dem Betrag für außergewöhnliche Belastungen außerdem berücksichtigt werden. Nach alledem kann zur Zeit eine Erhöhung der Pauschbeträge für Körperbehinderte nicht in Aussicht gestellt werden. Anlage 20 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Rohde vom 11. April 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Kater (SPD) (Drucksache VI/3313 Fragen A 53 und 54) : Trifft es zu, daß im Zuge von Gebietsreformen, wie sie beispielsweise im Land Hessen anstehen, das Weiterbestehen der nach § 226 RVO errichteten Krankenkassen in Frage gestellt wird? Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 181. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. April 1972 10563 Hält die Bundesregierung die §§ 264 ff. RVO für ausreichend, die notwendig werdenden Veränderungen unter Berücksichtigung der Interessen der Versicherten und Bediensteten der Krankenkassen durchzuführen, oder ist sie bereit, Gesetzesänderungen vorzubereiten, die zweckmäßigerweise bis zum 30. September 1974, dem Zeitpunkt des Ablaufs der Amtszeiten der Selbstverwaltungsorgane, in Kraft treten sollten? Die bisherigen Gebietsreformen in den einzelnen Ländern haben das Weiterbestehen der nach § 226 RVO errichteten Krankenkassen grundsätzlich nicht in Frage gestellt. Anläßlich der 1. Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung über die Krankenversicherung der Landwirte hat der Bundesrat jedoch vorgeschlagen, den Landesregierungen die Möglichkeit zu eröffnen, erforderlichenfalls bei einer gebietlichen Neuordnung durch Rechtsverordnung die Bezirke bestehender Ortskrankenkassen den geänderten Verwaltungsgrenzen anzupassen. Diese Ermächtigung soll von den Landesregierungen den für die Sozialversicherung zuständigen obersten Landesbehörden übertragen werden können. Die Bundesregierung hat dieser Initiative des Bundesrates zugestimmt. Ihre Stellungnahme liegt den Ausschüssen des Deutschen Bundestages vor, die z. Z. den Gesetzentwurf über die Krankenversicherung der Landwirte behandeln. Zu Ihrer 2. Frage möchte ich noch anmerken: Soweit Gebietsreformen zu Änderungen der Kassenbezirke führen, sind die von Ihnen zitierten Vorschriften der Reichsversicherungsordnung über die Vereinigung, Ausscheidung, Auflösung und Schließung von Krankenkassen anzuwenden. Im Rahmen der Weiterentwicklung des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung wird unser Haus prüfen, ob auch diese Vorschriften insbesondere im Hinblick auf Gebietsreformen änderungsbedürftig sind. Falls sich künftig die Notwendigkeit zur Änderung des geltenden Rechts ergibt, werden wir den gesetzgebenden Körperschaften entsprechende Vorschläge unterbreiten. Anlage 21 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Haar vom 12. April 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Mursch (Soltau-Harburg) (CDU/CSU) (Drucksache VI/3313 Frage A 76) : Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß der Bericht des Seeverkehrsbeirates — Ausschuß Flaggenwechsel — die Situation der deutschen Seeschiffahrt zu negativ beurteilt, wenn er sagt, daß bei einer Fortsetzung der gegenwärtigen Entwicklung die Zielvorstellung des Verkehrspolitischen Programms und des Verkehrsberichtes 1970 „möglicherweise nicht verwirklicht werden wird", während die Bundesregierung lediglich von einer Erschwerung der Verwirklichung in der Drucksache VI/3241 spricht, wenn nicht durch geeignete Maßnahmen dieser Entwicklung entgegengewirkt wird? Die Bundesregierung ist nicht der Auffassung, daß der Bericht des Ad-hoc-Ausschusses „Flaggenwechsel" des Seeverkehrsbeirats die Situation der deutschen Seeschiffahrt zu negativ beurteilt. Mit der vom Bericht des Ausschusses „Flaggenwechsel" abweichenden Ausdrucksweise in ihrer Antwort hat die Bundesregierung nicht beabsichtigt, sich von der Beurteilung des Ausschusses zu distanzieren, wie dies auch in der Antwort — Drucksache VI/3241 — zu Frage Nr. 5 der Kleinen Anfrage generell zum Ausdruck kommt. Sie hat in der Drucksache VI/3241 zur Frage Nr. 6 vielmehr lediglich klargestellt, daß die Verwirklichung der Zielvorstellungen des verkehrspolitischen Programms ohne geeignete Maßnahmen gegen die fragliche Entwicklung erschwert würde. Über die Möglichkeit solcher Maßnahmen wird gegenwärtig unter den beteiligten Ressorts verhandelt. Anlage 22 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Haar vom 12. April 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Mursch (Soltau-Harburg) (CDU/CSU) (Drucksache VI/3313 Frage A 77) : Glaubt die Bundesregierung — obwohl die ungünstige Entwicklung in der deutschen Seeschiffahrt sich fortgesetzt hat —, ihre erklärte Zielsetzung, daß die Bundesrepublik Deutschland mit ihrem bedeutenden Überseehandel auf eine angemessene eigene Handelsflotte nicht verzichten kann, u. a. dadurch besser zu erreichen, daß sie die Mittel für Neubauhilfen — entgegen dem einmütig bekundeten Willen des Deutschen Bundestages und entgegen ihren Ausführungen in Ziffer 114 des Verkehrsberichtes im Haushaltsplan 1972 und in der mittelfristigen Finanzplanung drastisch kürzt? Zunächst darf ich auf die Antwort auf die Kleine Anfrage vom 7. März 1972 (VI/3241) verweisen, in der ausgeführt worden ist (Nr. 12 der Antwort), daß bei der bekannten allgemeinen Konjunktur- und Haushaltslage auch eine Kürzung der Ansätze für Seeschiffahrtshilfen in Kauf genommen werden mußte und im Zusammenhang mit der Prüfung der Untersuchungsergebnisse der Treuarbeit und der Dokumentation des Verbandes Deutscher Reeder auch die Frage etwaiger haushaltsmäßiger Konsequenzen geprüft werden wird. Die Prüfung ist durch eine Kommission des Haushaltsausschusses, in der alle Fraktionen und der Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen und der Bundesminister für Verkehr vertreten waren, erfolgt. Der Haushaltsausschuß hat am 12. April 1972 einstimmig die Verpflichtungsermächtigung in Kap. 1202 Tit. 89 202 von 60 Millionen DM auf 100 Millionen DM erhöht. Die auf Grund dieser Ermächtigung übernommenen Verpflichtungen sollen aus Haushaltsmitteln des Jahres 1974 (60 Millionen DM) und des Jahres 1975 (40 Millionen DM) erfüllt werden. Diese Mittel körnen als eine wesentliche Hilfe für die deutsche Seeschiffahrt angesehen werden. Anlage 23 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Ravens vom 14. April 1972 auf die Mündlichen Fragen der Abgeordneten Erpenbeck (CDU/CSU) und Baier (CDU/ CSU) (Drucksache VI/3313 Fragen A 90, 91 und 94) : Trifft es zu, wie aus einer Mitteilung des Bonner Städtebauinstituts vom 7. März 1972 ersichtlich, daß die Zahl der Bewilli- 10564 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 181. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. April 1972 gungen für den Bau von öffentlich geförderten Familienheimen von 83 400 in 1960/61 auf 24 800 in 1970/71 und für den Bau von eigengenutzten Eigentumswohnungen von 6691 in 1966'67 auf 2661 in 1970/71 zurückgegangen ist, und was gedenkt die Bundesregierung gegebenenfalls dagegen zu unternehmen? Wie verträgt sich gegebenenfalls mit dieser Feststellung die Behauptung des Bundesministers für Städtebau und Wohnungswesen vom gleichen Tag — veröffentlicht im Bonner GeneralAnzeiger vom 8. März 1972 —, wonach der Anteil der Eigentumswohnungen an dem mit öffentlichen Mitteln geförderten Wohnungsbau in den vergangenen Jahren weiter angestiegen sei? Treffen die Mitteilungen des Bonner Städtebauinstituts zu, wonach die Zahl der Bewilligungen für den Bau von Familienheimen innerhalb von zehn Jahren um 71 % d. h. von 1960/61 mit 83 400 his zum Jahre 1970/71 auf 24 800 Bewilligungen zurückgegangen sind? Das Bonner Städtebauinstitut hat die von Ihnen genannten Zahlen dem Bericht des Bundesministers für Städtebau und Wohnungswesen über die unerledigten Ansprüche auf Förderung von Familienheimen und Eigentumswohnungen entnommen, der im Februar-Heft des Bundesbaublatts veröffentlicht worden ist. Die Zahlen stimmen also. Sie lassen jedoch, da sich der „Bericht über die unerledigten Anträge auf Förderung von Familienheimen und Eigentumswohnungen", wie die entsprechende Sonderstatistik, nur auf den öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau, also auf den ersten Förderungsweg bezieht, alle diejenigen Eigentümerwohnungen außer Betracht, die entsprechend dem 1965 in das Zweite Wohnungsbaugesetz eingefügten § 88 im steuerbegünstigten Wohnungsbau gefördert worden sind. Förderungsmaßnahmen nach Art des § 88 spielen, wie Sie wissen, in den Wohnungsbauprogrammen einiger Länder seit der zweiten Hälfte der 60er Jahre gerade bei der Förderung der Eigentumsbildung eine tragende Rolle. Bezieht man diese mit dem Stichwort „zweiter Förderungsweg" gekennzeichneten Maßnahmen in die Betrachtung ein, und das muß man, so ergibt sich erst das richtige Gesamtbild. So wurden zum Beispiel im Jahre 1970 insgesamt 51 632 Eigentümerwohnungen, das sind vom Haus- oder Wohnungseigentümer selbst genutzte Wohnungen, gefördert; davon entfielen 43 687 auf Eigentümerwohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern und 7019 auf eigengenutzte Eigentumswohnungen. Für das Jahr 1971 fehlen noch die statistischen Daten für das 4. Quartal. Es kann aber davon ausgegangen werden, daß auch 1971 die Eigentumsbildung im sozialen Wohnungsbau eine bedeutende Rolle gespielt hat. Im übrigen wird die Förderung von Eigentumsmaßnahmen im Rahmen des sozialen Wohnungsbaues durch das im Herbst des vergangenen Jahres angelaufene Regionalprogramm des Bundes eine fühlbare Verstärkung erfahren. Zunächst ist richtigzustellen, daß Herr Bundesminister Dr. Lauritzen nicht von Eigentumswohnungen, sondern von den vom Haus- bzw. Wohnungseigentümer selbst genutzten „Eigentümerwohnungen" gesprochen hat. Der Anteil dieser Wohnungen an den insgesamt im sozialen Wohnungsbau geförderten Wohnungen, die sog. Eigentumsquote des sozialen Wohnungsbaues, betrug unter Einbeziehung des zweiten Förderungsweges 1969 30,0 v. H. 1970 31,3 v. H. in den ersten drei Quartalen des Jahres 1971 32,7 v. H. Auf diesen Anstieg der „Eigentumsquote" bezog sich die Erklärung des Herrn Ministers. Anlage 24 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Ravens vom 14. April 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Gatzen (CDU/CSU) (Drucksache VI/3313 Frage A 92 und 93) : Ist die Meldung der Deutschen Presse-Agentur Nr. 197 vom 6. März 1972 richtig, wonach der Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen am gleichen Tag in Trier erklärt haben soll, der Bau von fünf Millionen Wohnungen sei das „Minimalprogramm für den öffentlichen Wohnungsbau in den kommenden zehn Jahren"? Wieviel öffentlich geförderte Sozialwohnungen wurden im letzten Jahr im ersten und im zweiten Förderungsweg fertiggestellt? Nein, die Zahl von „fünf Millionen in den kommenden zehn Jahren" bezieht sich auf den Bau von Wohnungen insgesamt und nicht nur auf den öffentlichen bzw. öffentlich geförderten Wohnungsbau. Nach den vorläufigen Ergebnissen sind im Jahre 1971 168 800 Wohnungen fertiggestellt worden, die mit öffentlichen Mitteln gefördert waren, davon 136 400 im ersten und 32 400 im zweiten Förderungsweg. Anlage 25 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Raffert vom 14. April 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Gleissner (CDU/CSU) (Drucksache VI/3313 Frage A 96) : Durch welche Vorschriften ist zur Zeit die Beseitigung des Atommülls beim Betrieb von Kernkraftwerken in einer Form garantiert, die jegliche Gefährdung der Bevölkerung — vor allem auch für die Zukunft — ausschließt? Die Beseitigung radioaktiver Abfälle ist in § 42, der Schutz von Luft, Wasser und Boden in § 34 der Ersten Strahlenschutzverordnung geregelt. Diese Regelung erstreckt sich allerdings noch nicht auf den spezifischen Fall der zentralen Endlagerung hochaktiver Abfälle aus Kernkraftwerken, mit der voraussichtlich im Jahre 1976 begonnen werden muß. Die ersten hochaktiven Abfallösungen, die jetzt bei der Aufarbeitung abgebrannter Brennelemente aus Kernkraftwerken anfallen, werden bis 1976 vorläufig in gekühlten, doppelwandigen Edelstahlbehältern bei der Wiederaufarbeitungsanlage gelagert und dann vor der Endlagerung mit geeigneten Rohstoffen zu Gläsern geschmolzen. Die gesetzliche Regelung der zentralen Endlagerung dieser Abfälle wird im Rahmen einer Novellierung des Atomgesetzes und der Ersten Strahlenschutzverordnung erfolgen. Die Endlagerung der radioaktiven Abfälle in dem für diesen Zweck vorgesehenen und ausgebauten ehemaligen Salzbergwerk Asse II bei Wolfenbüttel Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 181. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. April 1972 10565 schließt aus geologisch inhärenten Gründen jegliche Gefährdung der Bevölkerung — auch für die Zukunft — aus, da die Abfälle dabei aus dem Biozyklus entfernt und tief unter der Erdoberfläche gelagert werden. Anlage 26 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Raffert vom 14. April 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Rinderspacher (SPD) (Drucksache VI/3313 Fragen A 97 und 98) : Wie beurteilt die Bundesregierung das Sicherheitsrisiko für Bevölkerung und Landschaft für das bei Breisach geplante Atomkraftwerk mit einer Stärke von 4000 bis 5000 Megawatt, das unweit von dem bei Fessenheim von Frankreich im Bau befindlichen Atomkraftwerk etwa der gleichen Stärke liegen wird, angesichts der geltenden Bestimmungen der amerikanischen Atomenergiebehörde, nach denen in den USA die Entfernung einer Reaktoranlage schon bei 1000 Megawatt Leistung mindestens 16 km zum nächsten Bevölkerungszentrum (Stadt mit 25 000 Einwohnern) betragen und die Sicherheitszone außerdem frei von intensiver Landwirtschaft sein soll? Sind bereits Untersuchungsergebnisse bekannt (eventuelle Zwischenergebnisse in bezug auf die zu erwartenden Einwirkungen auf das sogenannte Kleinklima, die durch die enormen Wasserdampfausstöße der zu errichtenden gewaltigen Kühltürme im Wein- und Obstbaugebiet des Kaiserstuhls oder in der Region des schmalen Oberrheintals zwischen Rheinfelden und Waldshut durch das dort geplante Atomkraftwerk und sein schweizerisches Gegenstrick entstehen werden)? In der amerikanischen Genehmigungspraxis gelten keine Bestimmungen der in dieser Frage angeführten Art. In USA werden zahlreiche Kernkraftwerke genehmigt, die wesentlich dichter an Siedlungsgebieten liegen. Bei Kernkraftwerk „Zion" beispielsweise wohnen im Umkreis von 8 Kilometern fast 200 000 Menschen. Bezogen auf den einen Aspekt „Bevölkerungsdichte in der Umgebung" wäre der Standort Breisach also durchaus mit genehmigten Standorten in den USA, im übrigen Ausland oder auch in der Bundesrepublik vergleichbar. Eine konkrete Aussage über die Genehmigungsaussichten des erst Ende 1971 beantragten Standortvorbescheides für ein Kernkraftwerk bei Breisach ist allerdings noch nicht möglich, da die dazu erforderlichen sorgfältigen Prüfungen der atomrechtlichen Genehmigungsbehörden, sowie der sonstigen, in ihren Zuständigkeiten berührten Behörden erst angelaufen sind. Die Bundesregierung ist sich ihrer großen Verantwortung bewußt und wird einer Genehmigung nur zustimmen, wenn die Sicherheit der Bevölkerung und der Landschaft weder durch ein einzelnes der dort geplanten Kernkraftwerke noch durch die Häufung solcher Anlagen im Raum Breisach-Fessenheim gefährdet wird. Die Bundesregierung verfolgt die geplante Häufung von Kernkraftwerken im Raum Breisach mit großer Aufmerksamkeit. Die möglichen meteorologischen Auswirkungen mehrerer großer Kühltürme bedürfen sorgfältiger Prüfung. Das für diese Fragen zuständige Bundesministerium des Innern erwägt deshalb, unabhängig von den bereits vorliegenden klimatologischen Gutachten des Meteorologischen Instituts der Universität Karlsruhe, im Einvernehmen mit der Genehmigungsbehörde des Landes Baden-Württemberg ein weiteres Gutachten über die gesamtklimatologischen Verhältnisse dieser Region einzuholen, falls sich der Bau von Kernkraftwerken in dem von Ihnen genannten Umfang (10 000 MW) tatsächlich konkretisieren sollte. Am Hochrhein zwischen Waldshut und Rheinfelden bestehen auf deutscher Seite allerdings keine Kraftwerkspläne für den Zeitraum bis etwa 1980. Die Verhandlungen mit der Schweiz über die Auswirkungen der dort geplanten Kernkraftwerke werden wieder aufgenommen, wenn die schweizerischen Behörden sich über die anzuwendenden Kühlverfahren klar geworden sind. Anlage 27 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Raffert vom 14. April 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Ewers (CDU 'CSU) (Drucksache VI/3313 Frage A 99) : Hat die Bundesregierung mit der französischen Regierung Verhandlungen darüber aufgenommen, daß im südlichen Oberrheingebiet besondere Probleme dadurch entstehen, daß sowohl auf französischer Seite bei Fessenheim wie auch auf deutscher Seite bei Breisach Atomkraftwerke im Bau bzw. in Planung sind, und ist die Bundesregierung bereit, Auskunft über das Ergebnis dieser Verhandlungen, insbesondere darüber zu gehen, ob es möglich gewesen ist, mit der französischen Seite zu einer Koordinierung der beabsichtigten Bauvorhaben zu kommen? Die Bundesregierung hat es wegen der Grenznähe des im Bau befindlichen französischen Kernkraftwerkes Fessenheim für notwendig angesehen, über die im EURATOM-Vertrag vorgesehene gegenseitige Unterrichtung der Mitgliedsländer hinaus Gespräche mit Frankreich zu führen. Im Hinblick auf die geplante Errichtung von Kernkraftwerken auf deutschem Gebiet bei Breisach liegt ein solcher Gedankenaustausch im gegenseitigen Interesse. Offizielle Gespräche mit französischen Stellen fanden bisher im Dezember 1971 und im März 1972 in Paris statt. Diese Gespräche haben zu der Vereinbarung geführt, daß Expertengruppen beider Seiten einen sicherheitstechnischen Vergleich des Kernkraftwerkes Fessenheim mit einer ähnlichen deutschen Anlage durchführen. Im Verlauf dieser Untersuchungen werden weitere Besprechungen stattfinden. Die Bundesregierung beabsichtigt, beim Auftreten von sicherheitstechnischen oder ökologischen Problemen erneut in gegenseitige Konsultationen einzutreten. Anlage 28 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Raffert vom 14. April 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Hubrig (CDU/CSU) (Drucksache VI/3313 Frage A 100) : Wie vereinbaren sich die Feststellungen im Forschungsbericht IV, daß die Forschungspolitik der Vergangenheit stark vereinfachend als „Imitationsphase" charakterisiert wird, mit den 10566 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 181. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. April 1972 Feststellungen im gleichen Forschungsbericht über die Forschungs- und Entwicklungsausgaben der öffentlichen Verwaltung für wichtige Aufgabengebiete, Übersicht 3, aus denen hervorgeht, daß für 1969 für die von der Bundesregierung angeführte gesellschaftlich relevante Forschung 2,935 Milliarden DM ausgegeben worden sind? Der von Ihnen offenbar vermutete Widerspruch besteht m. E. nicht, da während der „Imitationsphase" auch wichtige Aufgaben „imitiert" worden sind. Die Übersicht 4 des Bundesberichts Forschung IV (Drucksache VI/3251, S. 53) weist die Ausgaben der öffentlichen Verwaltung, insbesondere die des Bundes und der Länder, für Forschung und Entwicklung in wichtigen Aufgabengebieten aus. Sie betragen, um Zahlenangaben zu vervollständigen, für 1969 2 895 Millionen DM für 1970 3 345 Millionen DM für 1971 4 095 Millionen DM. Innerhalb dieser Aufgabengebiete sind die Schwerpunkte der Forschungsförderung des Bundes in der Vergangenheit — insbesondere in der Kern- und Weltraumforschung läßt sich das vielfach nachweisen — häufig in Anlehnung an ausländische, vor allem an amerikanische, Vorbilder entwickelt worden. Demgegenüber wird die jetzige Bundesregierung bei der Forschungspolitischen Zielsetzung die Schwerpunkte nicht an ausländischen Vorbildern orientieren, sondern zu einer aktiven Forschungspolitik übergehen. Diese Forschungspolitik wird vom gesellschaftlichen Bedarf ausgehen und auf die Verbesserung der sozioökonomischen Lebensbedingungen in den Industrie- und Entwicklungsländern ausgerichtet sein. Anlage 29 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. Ehmke vom 14. April 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Ziegler (CDU/CSU) (Drucksache VI/3313 Frage A 106) : Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, um, wie der Bundeskanzler angekündigt hat, die Betriebe zu „mobilisieren", damit sie an die Urne gehen, und wie vereinbart sich diese Äußerung mit dem im Betriebsverfassungsgesetz festgelegten Verbot parteipolitischer Betätigung und mit der Friedenspflicht im Betrieb? Auch diese Bemerkung hat der Herr Bundeskanzler in dem bereits erwähnten Informationsgespräch mit Journalisten gemacht. Aus dem Zusammenhang ergibt sich, daß er damit die Arbeitnehmerschaft gemeint hat. Auch Ihnen wird bekannt sein, daß die Ostpolitik dieser Bundesregierung bei der Arbeitnehmerschaft eine noch breitere Zustimmung findet, als sie ohnehin in der Bevölkerung hat. Anlage 30 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Ahlers vom 14. April 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Wittmann (München) (CDU/CSU) (Drucksache VI/3313 Fragen A 109 und 110) : Treffen Informationen zu, daß die Bundesregierung einen großen Teil der ihr für die Information der Öffentlichkeit zustehenden Steuermittel für den Wahlkampf in Baden-Württemberg einsetzt, um einen Wahlerfolg für SPD und FDP zu erreichen? Wie viele Zeitungsanzeigen der Bundesregierung und in welcher Gesamtauflagenhöhe sind seit Beginn des Wahlkampfes in Baden-Württemberg erschienen? Zu Frage 109: Nein, diese Informationen treffen nicht zu. Zu Frage 110: Speziell in Baden-Württemberg hat das Bundespresseamt überhaupt keine Aktionen gemacht. Dies würde auch meinen Prinzipien widersprechen. Aber selbstverständlich ist auch das Gebiet von Baden-Württemberg in alle unsere Aktionen miteinbezogen. Diese Aktionen sind weder durch Zeiträume noch durch regionale Abgrenzungen markiert. Seit dem 1. Januar dieses Jahres haben wir folgende Aktionen vorgenommen: 1. Anzeige zum Beitritt von vier weiteren Staaten in die Europäischen Gemeinschaften mit einer Auflagenhöhe von 7,6 Millionen in den überregionalen Zeitungen, den Straßenverkaufszeitungen und den politischen Wochenzeitungen; sie erschienen in der Woche vom 22. bis 28. Januar; 2. drei Informationsanzeigen über die Ostverträge mit einer Auflagenhöhe von jeweils 16,2 Millionen in den regionalen und überregionalen Zeitungen sowie in den Sonntagszeitungen, veröffentlicht in der Zeit vom 4. bis 6. März; 3. Anzeige zu den Ostverträgen in den Illustrierten STERN, BUNTE ILLUSTRIERTE, QUICK und NEUE REVUE mit einer Auflage von 6,2 Millionen Veröffentlichungen am 20. April; 4. zwei Anzeigen mit Aufrufen des Herrn Bundeskanzlers und des Herrn Bundesministers des Auswärtigen zu den Ostverträgen in den regionalen und überregionalen Tageszeitungen, Straßenverkaufs- und Sonntagszeitungen und in der Heimatpresse mit einer Auflage von je 21,3 Millionen in der Zeit zwischen dem 10. und 22. April 1972. Anlage 31 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Ahlers vom 14. April 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Engelsberger (CDU/CSU) (Drucksache VI/3313 Frage A 111) : Ist es richtig, daß zur Beantwortung der Materialanforderungen durch eingesandte Coupons, die aus den Anzeigen der Bundesregierung ausgeschnitten wurden, zusätzliches Personal eingesetzt werden muß? Für die Zusendung des auf Anzeigen-Coupons angeforderten Informationsmaterials hat das Presse- und Informationsamt kein zusätzliches Personal eingestellt. Auf jeden Coupon wird umfangreiches Material versandt, das die Vertragstexte und Kommentare zu den Verträgen von Moskau und Warschau, das Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 181. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. April 1972 10567 Viermächte-Abkommen über Berlin und die innerdeutschen Vereinbarungen mit den begleitenden Dokumenten sowie den Wortlaut der Debatten im Bundesrat und im Deutschen Bundestag umfaßt. Bereits jetzt liegen weit über 58 000 Anforderungen vor. Es liegt auf der Hand, daß der Versand des umfangreichen Materials an eine so große Zahl von Interessenten nicht von dem zuständigen Referat im Presse- und Informationsamt bewältigt werden kann. Wir bedienen uns daher einer darauf spezialisierten Firma; es ist anzunehmen, daß diese Firma kurzfristig Aushilfskräfte einstellt, wie es in der Branche üblich ist. Im Rahmen unseres Auftrags ist dies auch vorgesehen. Anlage 32 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Moersch vom 14. April 1972 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Pöhler (SPD) (Drucksache VI/3313 Frage A 112): Da der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für die Flüchtlinge bereit ist, aus einem besonderen Fond in Mitgliedsländern des Europarats lebende Exilgriechen zu unterstützen, die nach dem Staatsstreich von 1967 aus politischen Gründen ihre Heimat verlassen mußten und dadurch in eine unverschuldete Notlage gekommen sind, frage ich die Bundesregierung, ob sie entsprechend der Entschließung 508 (1972) der Beratenden Versammlung des Europarats dem Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für diese außerordentlichen Hilfsmaßnahmen finanzielle Mittel zur Verfügung stellen wird? Die Bundesregierung ist der Ansicht, daß die Frage der Behandlung von Ausländern, denen die Rückkehr in ihren Heimatstaat aus politischen Gründen verwehrt ist, in erster Linie das jeweilige Aufnahmeland betrifft. In diesem Zusammenhang darf auf das liberale Ausländerrecht der Bundesrepublik hingewiesen werden. Hinzu tritt eine Reihe von Fürsorgemaßnahmen privater Organisationen und Verbände, die vor allem auf Stipendienvergabe und Hilfe in sozialen Fällen gerichtet sind. Außerdem stellt ,die Bundesregierung dem Fonds des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen jährlich freiwillig einen Betrag von 2 Millionen DM zur Verfügung, aus dem Maßnahmen zur Linderung von Flüchtlingsnot und Beseitigung von Flüchtlingsproblemen finanziert werden. Die Bundesregierung sieht sich jedoch sowohl aus rechtlichen wie auch aus politischen Gründen nicht in der Lage, für eine Gruppe von Ausländern einer bestimmten nationalen Herkunft Sonderregelungen oder Maßnahmen besonderer Art zu treffen. Anlage 33 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Moersch vom 13. April 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Gewandt (CDU/CSU) (Drucksache VI/3313 Fragen A 113 und 114) : Treffen Pressemeldungen zu, nach denen die Bundesregierung die Erneuerung der Betriebserlaubnis für die beiden Münchener US-Sender „Radio Free Europe" und „Radio Liberty" mit der Auflage politischen Wohlverhaltens und der Forderung nach Unterstützung der Ostpolitik dieser Regierung verknüpft haben soll? Wie will die Bundesregierung gegebenenfalls sicherstellen, daß durch derartige Auflagen und Bedingungen die Pressefreiheit unangetastet bleibt? Es trifft nicht zu, daß die Lizenz für die Sender Radio Free Europe und Radio Liberty in jedem Jahr ausdrücklich erneuert werden. Sie verlängern sich vielmehr seit 1956 automatisch von Jahr zu Jahr. Das gilt auch für das laufende Jahr. Von politischen Auflagen, wie sie in der Frage erwähnt werden, kann daher nicht die Rede sein. Damit entfällt ,die Beantwortung der Frage 114. Anlage 34 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Moersch vom 14. April 1972 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Suck (SPD) (Drucksache VI/3313 Fragen A 115 und 116) : Trifft es zu, daß der Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein am 18. Januar 1972 an die Brüsseler EWG-Kommission ein Schreiben gerichtet hat. in dem gefordert wird, beim Beitritt Dänemarks in die EWG für die besonders gefährdeten Branchen Baustoffe, Nahrungsmittel, Papier, Holz und Futtermittel während der Übergangszeit besondere Grenzausgleichsabgaben an der deutsch-dänischen Grenze zu erheben? Wenn ja, hält die Bundesregierung die Forderung der Landesregierung für realisierbar, und wie sieht die Bundesregierung die Bilanz der Vor- und Nachteile eines Beitritts Dänemarks? Die Bundesregierung kann über ein Schreiben der Landesregierung Schleswig-Holstein, das nicht an sie gerichtet war, keine Auskünfte geben. Der Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein hat jedoch an den Bundesminister des Auswärtigen ein Schreiben gerichtet, das inhaltlich dem von dem Herrn Abgeordneten erwähnten Schreiben entsprechen dürfte. In diesem Schreiben werden die von dem Herrn Abgeordneten genannten Wirtschaftszweige als besonders. empfindlich bezeichnet und die Notwendigkeit hervorgehoben, die Übergangszeit zu strukturellen Anpassungsmaßnahmen zu nutzen. Es findet sich auch ein Hinweis auf die im Beitrittsvertrag vereinbarte allgemeine Schutzklausel. Eine Forderung auf Grenzausgleichsmaßnahmen wird für diese Sektoren jedoch nicht erhoben. Statt dessen ist von ihnen im Zusammenhang mit unterschiedlichen Energiekosten die Rede, die Unternehmen Schleswig-Holsteins mit energieintensiver Produktion benachteiligen sollen, ohne daß bereits eine konkrete Maßnahme verlangt würde. Die Landesregierung bemerkt selbst, daß im Vordergrund ihres Interesses die Harmonisierung der Heizölsteuer in der erweiterten Gemeinschaft steht. Die Beratungen über einen entsprechenden Kommissionsvorschlag werden in Kürze beginnen. Die Beteiligung Dänemarks ist im Rahmen des vereinbarten Konsultationsverfahrens für die Interimszeit sichergestellt. Eine Würdigung der Erweiterung der Europäischen Gemeinschaft ist in der Denkschrift der Bundesregierung zum Vertragswerk über den Beitritt Großbritanniens, Irlands, Dänemarks und Norwegens enthalten, die dem Bundestag in Kürze vorliegen wird. Die Bundesregierung hat die Erweite- 10568 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 181. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. April 1972 rung der Europäischen Gemeinschaften stets als ein aus politischen und wirtschaftlichen Gründen erstrebenswertes Ziel angesehen. Sie ist der Überzeugung, daß die wirtschaftlichen Vorteile des Abbaus der Handelsschranken gerade auch Schleswig-Holstein zugute kommen werden. Dieses Land hat bisher im Rahmen der Gemeinschaft geographisch und zum Teil auch wirtschaftlich eine Randstellung eingenommen. Seine Bdeutung als industrieller Standort und Umschlagplatz für den Handelsaustausch zwischen Skandinavien und dem übrigen Europa wird wesentlich zunehmen. Anlage 35 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Moersch vom 14. April 1972 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Engelsberger (CDU/CSU) (Drucksache VI/3313 Frage B 1) : Ist die Bundesregierung der Meinung, daß die Sender „Radio Free Europe" und „Radio Liberty" ihre Tätigkeit einstellen sollten oder stimmt sie vielmehr mit mir darin überein, daß die Volker Osteuropas, die von den Massenmedien ihrer Länder auch weiterhin nur im Sinne des kommunistischen Systems informiert werden, nach wie vor Anspruch auf eine wahrheitsgetreue Berichterstattung haben? Die Sendelizenzen für beide Sender verlängern sich wiederum automatisch um ein Jahr. Die Bundesregierung hat ihre Haltung zu den US-Sendern in den Fragestunden am 9. Juni und 25. Juni 1971 dargelegt. Diese Haltung ist unverändert. Ich darf daher auf die Protokolle der 126. und 132. Sitzung des Deutschen Bundestages sowie auf mein Schreiben vom 5. August 1971 in Beantwortung Ihrer Frage Nr. 284 verweisen. Anlage 36 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Bayerl vom 14. April 1972 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Niegel (CDU/CSU) (Drucksache VI/3313 Frage B 2) : Bestehen statistische Aufzeichnungen über die Aufgliederung der Zahl der ehelichen Güterstände nach Zugewinngemeinschaft, Gütertrennung und allgemeiner Gütergemeinschaft im allgemeinen und speziell von selbständig Tätigen in der Landwirtschaft? Amtliche statistische Unterlagen über die Verbreitung der ehelichen Güterstände im Bundesgebiet liegen nicht vor. Insbesondere lassen sich aus den in den Justizstatistiken enthaltenen Angaben über die Zahl der Eintragungen in das Güterrechtsregister keine hinreichend sichereren Schlüsse auf die Zahl und den Typ der abgeschlossenen Eheverträge ziehen. Denn Eheverträge bedürfen zu ihrer Wirksamkeit nicht der Eintragung in das Güterrechtsregister; diese Eintragung hat vielmehr nur Bedeutung für das Verhältnis zu Dritten, vgl. § 1412 BGB. Außerdem erfaßt die Justizstatistik die Eintragung des Abschlusses eines Ehevertrages nicht gesondert von anderen Rechtsvorgängen, die in das Güterrechtsregister eingetragen werden. Man wird aber davon ausgehen dürfen, daß der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft in der ganz überwiegenden Zahl der Ehe gilt, während die Vereinbarung eines vertragsmäßigen Güterstandes nur bei einem verschwindend kleinen Bruchteil der Ehen vorzukommen scheint. So sind seinerzeit Erhebungen bei den Landesjustizverwaltungen darüber durchgeführt worden, in welchem Umfang Ehegatten von der nach Artikel 8 I. Nr. 3 des Gleichberechtigungsgesetzes vom 18. Juni 1957 (Bundesgesetzbl. I S. 609) bis zum 30. Juni 1958 gegebenen Möglichkeit Gebrauch gemacht haben, durch einseitige Erklärung gegenüber dem Amtsgericht den Eintritt der Zugewinngemeinschaft auszuschließen. Hierbei hat sich ergeben, daß in den einzelnen Ländern nur in Größenordnungen zwischen 0,43 und 3 % der damals bestehenden Ehen von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht worden ist; verhältnismäßig am meisten ist dies in Stadtstaaten wie Hamburg geschehen. Interesse verdient auch eine private Erhebung, die 1971 von der Notarin Frau Dr. Lenz-Fuchs aus Diez/Lahn durchgeführt wure. Diese Erhebung erfaßt die im Oberlandesgerichtsbezirk Koblenz bei 28 größeren Notariaten in den letzten zehn Jahren abeschlossenen Eheverträge, wobei insgesamt 6790 Verträge ausgewertet wurden. Von diesen entfielen 5047 (74,4 % auf den Güterstand der Gütergemeinschaft, 1739 (25,5 %) auf den Güterstand der Gütertrennung. Die Eheverträge, mit denen der Güterstand der Gütergemeinschaft vereinbart wurde, entfallen zu 86 % auf ländliche und zu 14 % auf städtisch-industrielle Gebiete. Dagegen entfallen die Eheverträge, die Gütertrennung vorsehen, zu 60 % auf städtisch-industrielle und zu 40 % auf ländliche Gebiete. Die Gütergemeinschaft kommt danach in ländlichen Gebieten wesentlich häufiger vor als in Gebieten mit städtisch-industriellem Charakter, während die Verhältnisse beim Güterstand der Gütertrennung umgekehrt liegen. Offenbar werden in ländlichen Gebieten zudem verhältnismäßig mehr Eheverträge abgeschlossen als dies in Stadt- und Industriegebieten der Fall ist. So haben vier der 28 befragten Notare allein 52 % der bei der Erhebung erfaßten Eheverträge beurkundet; diese vier Notare haben ihren Sitz im Hunsrück und in der Hohen Eifel, also in Gebieten mit ausgeprägter landwirtschaftlicher Erwerbsstruktur. Inwieweit die Ergebnisse der Erhebung im Oberlandesgerichtsbezirk Koblenz als für das Bundesgebiet repräsentativ angesehen werden können, läßt sich — zumal im Hinblick auf die in den Ländern geltenden nicht einheitlichen höferechtlichen Bestimmungen — schwer beurteilen. Zu bemerken bleibt, daß Frau Dr. Lenz-Fuchs auf Grund ihrer Erhebungen unter Berücksichtigung der demographischen Gegebenheiten im Oberlandesgerichtsbezirk Koblenz den Anteil der Ehen, für die infolge eines von den Ehegatten abgeschlossenen Ehevertrages ein anderer als der gesetzliche Güterstand gilt, auf 0,5 % schätzt. Dies dürfte den tatsächlichen Verhältnissen nahekommen. Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 181. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. April 1972 10569 Anlage 37 Schriftliche Antwort des Bundesministers Genscher vom 12. April 1972 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Ott (CDU/CSU) (Drucksache VI/3313 Frage B 3) : Trifft es zu, daß der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Wolfram Dorn, Einfluß auf den Bundesverband für Selbstschutz genommen hat, einem mit ihm befreundeten Verleger in Altena (Westfalen) einen langjährigen Auftrag zur Herstellung des „ZS-Magazins" zu erteilen, durch den Pressemeldungen zufolge dem Bund in den nächsten drei Jahren Schäden in Höhe von rund 900 000 DM entstehen? Die in meinem Auftrag durchgeführte Überprüfung hat ergeben: Es trifft nicht zu, daß der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium Einfluß auf den Bundesverband für den Selbstschutz genommen hat, einem Verlag einen Auftrag zur Herstellung des ZS-Magazins zu erteilen, durch den dem Bund in den nächsten 3 Jahren Schäden in Höhe von rd. 900 000 DM entstehen. Der Parlamentarische Staatssekretär hat sich im Rahmen der ministeriellen Aufsicht als zuständiger Staatssekretär über das Verfahren berichten lassen, aber auf die Vergabe selbst weder direkt noch indirekt Einfluß genommen. Der Auftrag für die Herstellung der Zeitschrift ZS-Magazin ist auf Grund eines ordnungsgemäßen Ausschreibungsverfahrens nach den Regeln der Verdingungsordnung für Leistungen, Teil A, vergeben worden. 12 Firmen waren zum Angebot aufgefordert worden; 5 Firmen hatten fristgerecht Angebote vorgelegt. Der Bundesverband für den Selbstschutz hat sich nach sorgfältiger Prüfung der Angebote durch einen eigens einberufenen Vergabeausschuß für das wirtschaftlichste Angebot entschieden. Der Bundesrechnungshof hat die gesamte Ausschreibung und Vergabe des Auftrags geprüft und nach den mir vorliegenden Prüfungsmitteilungen vom 13. Juli 1971 keine Einwendungen erhoben. Anlage 38 Schriftliche Antwort des Bundesministers Genscher vom 12. April 1972 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Rinderspacher (SPD) (Drucksache VI/3313 Fragen B 4 und 5) : Sind der Bundesregierung bereits konkrete Maßnahmen der Schweizer Regierung bekannt, die darauf abzielen, die Zahl der Motorboote auf dem Bodensee im Interesse der Sauberhaltung des Wassers zu reduzieren oder sie ganz zu verbieten? Ist die Bundesregierung bereit, diese Absicht durch entsprechende eigene Maßnahmen zu unterstützen und eventuell auf andere Binnengewässer auszudehnen? Ihre Fragen beantworte ich im Einvernehmen mit dem Herrn Bundesminister für Verkehr wie folgt: Der Bundesregierung sind keine konkreten Maßnahmen der Schweizer Regierung bekannt, die darauf abzielen, die Zahl der Motorboote im Interesse der Sauberhaltung des Wassers zu reduzieren oder sie ganz zu verbieten. In den zwischenstaatlichen Verhandlungen über ein neues Übereinkommen über die Schiffahrt auf dem Bodensee haben die Vertreter der schweizerischen Eidgenossenschaft vielmehr wiederholt zu erkennen gegeben, daß sie eine Kontingentierung der Zulassung von Motorbooten auf dem Bodensee oder ein Verbot der Motorboote ablehnen. Das Innenministerium in Baden-Württemberg hat mitgeteilt, daß aus schweizerischen Pressemeldungen hervorgehe, daß in den Kantonen St. Gallen und Thurgau neuerdings die Verringerung des Motorbootbestandes auf dem Bodensee diskutiert und eine Gesetzesvorlage eingebracht worden sein soll, die eine Beschränkung des Motorbootverkehrs auf dein Bodensee zum Ziele habe. Pressemeldungen zufolge sollte auch nach Ansicht der Regierung des Landes Vorarlberg die Zahl der Motorboote auf dem Bodensee so klein wie möglich gehalten werden. Zwischenstaatliche Gespräche haben darüber noch nicht stattgefunden. Das baden-württembergische Innenministerium teilte weiter mit, daß eine Kontingentierung der Zulassung von Motorbooten auf dem Bodensee sich im Interesse der Reinhaltung des Bodensees als notwendig erweisen kann. Diese könnte gegebenenfalls auf Art. 5 Abs. 4 des Übereinkommens über die Schiffahrt auf dem Bodensee gestützt werden. Mit dieser internationalen Vereinbarung soll der Rahmen geschaffen werden, innerhalb dessen solche Abmachungen getroffen werden können; der inzwischen paraphierte Entwurf des Übereinkommens läßt im Interesse des Umweltschutzes Maßnahmen zur Beschränkung der Schiffahrt zu. Weil die Gefahr der Verunreinigung des Wassers und auch sonstige Beeinträchtigungen der Umwelt von der Art des verwendeten Motors und der Bauart des Fahrzeuges abhängen, durfte gegebenenfalls insoweit eine Differenzierung wie auch eine einvernehmliche Bemessung der Kontingente in den einzelnen Uferstaaten unerläßlich sein. Diese Fragen bedürfen einer gemeinsamen Klärung. Es ist nicht Aufgabe der Bundesregierung, eigene Maßnahmen auf dem Bodensee zu ergreifen, sondern zunächst Sache der beteiligten Länder Baden-Württemberg und Bayern; die Bundesregierung ist bereit, die Bemühungen der Länder zu unterstützen, die darauf gerichtet sind, schädliche Beeinträchtigungen der Umwelt durch den Motorbootverkehr zu unterbinden. Eine Beschränkung des Motorbootverkehrs aus Gründen der Sauberhaltung des Wassers ist in erster Linie für Seen oder Talsperren von Bedeutung. Eine über die gegenwärtigen Begrenzungen hinausgehende Einschränkung des Motorbootverkehrs auf den bundeseigenen Binnengewässern, die überwiegend fließende Gewässer oder Schiffahrtskanäle sind, ist nicht vorgesehen. Anlage 39 Schriftliche Antwort des Bundesministers Genscher vom 12. April 1972 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Gnädinger (SPD) (Drucksache VI/3313 Fragen B 6 und 7) : Treffen Zeitungsmeldungen zu, denen zufolge die Bundesregierung bei der Beschränkung des umweltschädigenden Motorbootverkehrs auf dem Bodensee weniger einschneidende Maß- 10570 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode —181. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. April 1972 nahmen für richtig hält, als dies von den regionalen Behörden, insbesondere der „Technischen Kommission" zur Reinhaltung des Sees, als unbedingt notwendig angesehen wird? Ist die Bundesregierung bereit, in Verhandlungen mit der österreichischen und schweizerischen Regierung den Standpunkt der „Technischen Kommission" bezüglich der Zulassungsbeschränkung für Motorboote auf dem Bodensee zu unterstützen? Solche Zeitungsmeldungen treffen nicht zu. Eine Kontingentierung der Zulassung von Motorbooten auf dem Bodensee müßte im internationalen Rahmen erfolgen. Hierzu würde Artikel 5 Abs. 4 des inzwischen paraphierten Entwurfes des Übereinkommens über die Schiffahrt auf dem Bodensee die Grundlage bieten, der im Interesse des Umweltschutzes Maßnahmen zur Beschränkung der Schiffahrt zuläßt. Mit den Fragen der Reinhaltung des Bodensees und Maßnahmen zur Verhinderung seiner Verunreinigung befaßt sich die Internationale Gewässerschutzkommission für den Bodensee. Ihr gehören die Länder Baden-Württemberg und Bayern sowie die Schweiz und Österreich an. Die Sachverständigen dieser Kommission haben sich bereits im Januar 1972 mit der Frage der Ölverschmutzung des Bodensees durch Motorboote befaßt und Überlegungen angestellt, welche Maßnahmen dagegen zu ergreifen wären. Die Internationale Gewässerschutzkommission wird sich im Mai dieses Jahres mit den Vorschlägen ihrer Sachverständigen befassen. Es ist zunächst Sache der Länder Baden-Württemberg und Bayern, geeignete Maßnahmen unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten und Notwendigkeiten am Bodensee in die Wege zu leiten. Die Bundesregierung ist bereit, alle Bemühungen der Länder um den Bodensee, die darauf gerichtet sind, schädliche Beeinträchtigungen der Umwelt durch Motorboote zu unterbinden, erforderlichenfalls auch in internationalen Verhandlungen zu unterstützen. Anlage 40 Schriftliche Antwort des Bundesministers Genscher vom 12. April 1972 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Schmitt-Vockenhausen (SPD) (Drucksache VI/3313 Frage B 8) : Ist die Bundesregierung bereit, darauf hinzuwirken, daß entsprechende Schutzbestimmungen, wie sie für Schalter und Schalterhallen von Banken und Sparkassen bestehen, auch für Geldtransportwagen geschaffen werden? Ihre Frage beantworte ich im Einvernehmen mit dem für die Genehmigung der Unfallverhütungsvorschriften „Kassen" zuständigen Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung wie folgt: Die Zahl der Raubüberfälle auf Geldtransporte durch Boten und auf Geldtransportwagen ist zur Zeit im Verhältnis zu den Überfällen auf Banken und Sparkassen noch gering. So ereigneten sich in den Jahren 1970 und 1971 insgesamt 13 bzw. 17 Überfälle auf Geldtransporte, davon je 2 auf Geldtransportwagen. In den ersten drei Monaten dieses Jahres waren 5 Überfälle auf Geldtransporte zu verzeichnen, davon 4 auf Geldtransportwagen. Dieser Anstieg der Überfälle auf Geldtransportwagen mag daran liegen, daß das Bankgewerbe zum Schutz gegen Beraubung in verstärktem Umfang dazu übergeht, Geldtransporte mit Fahrzeugen durchzuführen. Dafür spricht auch, daß den 4 Überfällen auf Geldtransportfahrzeuge nur i Überfall auf einen Geldboten gegenübersteht. Der Transport von Bargeld wird von den Kreditinstituten je nach der Menge des zu befördernden Geldes, Lage der Institute sowie Art und Länge des Transportweges unterschiedlich gehandhabt. Geldtransporte werden mit Spezialfahrzeugen, mit Normalfahrzeugen und durch Boten vorgenommen. Welches Verfahren das zweckmäßigste und für die mit dem Transport beauftragten Personen sicherste ist, kann nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der vorliegenden örtlichen und sachlichen Voraussetzungen entschieden werden. Deswegen konnte auch bei Erlaß der Unfallverhütungsvorschrift (UVV) „Kassen" in den Jahren 1966 und 1967 nicht ein bestimmtes Verfahren vorgeschrieben werden. In die UVV (§§ 11 bis 13) wurden jedoch Bestimmungen aufgenommen über die Auswahl der für Geldtransporte einzusetzenden Personen, über deren Anzahl (Begleitpersonen zur Sicherung) sowie deren Verhalten beim Transport. Die UVV enthält daneben Vorschriften über die Organisation von Geldtransporten sowie zusätzliche konstruktive Anforderungen für Normalfahrzeuge, die zum Geldtransport eingesetzt werden. Entsprechende Empfehlungen finden sich auch in dem Merkblatt der Kriminalpolizei über Sicherheitsmaßnahmen gegen Überfälle auf Kassen, Kassierer und Geldtransporte sowie gegen Einbrüche in Kassen. Darüber hinaus bietet die Fahrzeugindustrie Spezialfahrzeuge für Geldtransporte an. Angesichts der jüngsten Entwicklung der Raubüberfälle auf Kassen und Geldtransporte hat der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung bereits im Oktober 1971 die zuständigen Träger der gesetzlichen Unfallversicherung ersucht, auch die Möglichkeiten zur Verbesserung des Schutzes der mit Geldtransporten beauftragten Personen zu prüfen. Zur Zeit erarbeitet ein besonderer Arbeitskreis „Kassen", in dem die gewerblichen und gemeindlichen Unfallversicherungsträger, die Tarifpartner und das Bank- und Sparkassengewerbe vertreten sind, eine analytische Übersicht über die Tatabläufe von Raubüberfällen im Bereich der öffentlichen und privaten Geldinstitute in den Jahren 1970 und 1971. Es ist zu erwarten, daß diese Analyse auch Anhaltspunkte dafür liefern wird, ob und in welcher Weise der technische Schutz für die mit Geldtransporten beauftragten Personen verbessert werden kann. Naturgemäß kommen technische Schutzmaßnahmen in erster Linie für die zum Geldtransport eingesetzten Fahrzeuge in Betracht. Daneben ist auf Empfehlung der Fachgruppe „Kassen" der gemeindlichen Unfallversicherungsträger eine Arbeitsgemeinschaft „Geldtransportfahrzeuge" gebildet worden. Diese erarbeitet zur Zeit ein Merkblatt über Baugrundsätze für Geld- Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 181. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. April 1972 10571 transportfahrzeuge. Wegen der Materialauswahl steht die Arbeitsgemeinschaft mit dem staatlichen Beschußamt Ulm in Verbindung. Mein Haus steht mit allen mit der Verbesserung des Schutzes vor Raubüberfällen befaßten Stellen im Bund, in den Ländern und in der Privatwirtschaft in ständigem Kontakt; die Erfahrungen und Arbeitsergebnisse werden regelmäßig ausgetauscht. Vertreter der zuständigen Bundesministerien wirken in mehreren Fachgremien mit. Die Bundesregierung unterstützt die Bemühungen der beteiligten Stellen. Sie wird mit Nachdruck darauf hinwirken, daß für die Gestaltung und Einrichtung von Geldtransportfahrzeugen die neuesten technischen Erkenntnisse nutzbar gemacht werden, um den Schutz der Personen, die mit Geldtransporten beauftragt sind, optimal zu gewährleisten und den Verbrechern den Anreiz zu Überfällen auf Geldtransportfahrzeuge zu nehmen. Anlage 41 Schriftliche Antwort des Bundesministers Genscher vom 12. April 1972 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Hansen (SPD) (Drucksache VI/3313 Frage B 9) : Welche Folgerungen wird die Bundesregierung aus dem Urteil des Bundesgerichtshofes in Sachen Bundesrepublik Deutschland gegen Bergmann & Co. vom 28. Mai 1971 — V ZR 121/68 — besonders im Hinblick auf den §19 des Schutzbaugesetzes ziehen? Welche Folgerungen die Bundesregierung aus dem genannten Urteil ziehen wird, ist noch nicht ausdiskutiert, zumal in einem ähnlich gelagerten Fall ein weiterer Prozeß beim Bundesverwaltungsgericht anhängig ist, dessen Ausgang für die Frage von Bedeutung sein wird. Anlage 42 Schriftliche Antwort des Bundesministers Genscher vom 12. April 1972 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Biechele (CDU/CSU) (Drucksache VI/3313 Fragen B 10 und 11): Welche Zuwendungen wird die Bundesregierung aus dem 5-Jahres-Leitprogramm für die Sanierung des Bodensees, des größten Trinkwasserspeichers Europas, für das Jahr 1972 bereitstellen, und nach welchen Prinzipien werden diese Zuwendungen vergeben? Teilt die Bundesregierung die Auffassung, die in einem Fachgutachten der Firma DORNIER-SYSTEM, Immenstaad, zu notwendigen und möglichen Maßnahmen des Umweltschutzes in Baden-Württemberg — erstellt im Auftrag des Innenministeriums Baden-Württemberg — dargelegt wird, daß der Lebensmittelkontrolle in der Rangordnung der Aufgaben des Umweltschutzes der erste Platz noch vor der Abwasserbeseitigung zukomme? Die Bundesregierung hat für die Jahre 1972 bis 1976 zur Sanierung von Rhein und Bodensee insgesamt 150 Millionen DM bereitgestellt. Im Haushalt 1972 sind hiervon 20 Millionen DM eingesetzt. In den folgenden Jahren 1973 bis 1975 sollen jeweils 30 Millionen DM, im Jahre 1976 40 Millionen DM aufgebracht werden. Die Bundesregierung hat frühzeitig Verhandlungen über die Verteilung der vorhandenen Bundesmittel mit den beteiligten Bundesländern aufgenommen, um mit Rücksicht auf die drängenden Probleme einen baldigen Abfluß dieser Mittel sicherzustellen. Ich erwarte, daß diese Verhandlungen noch in diesem Monat abgeschlossen werden können. Schon jetzt kann ich Ihnen versichern, daß ich mich angesichts der nicht ernst genug zu nehmenden Gefährdung des Bodensees nach Kräften einsetzen werde, im Rahmen einer gerechten Mittelverteilung die Maßnahmen zur Sanierung des Bodensees als herausragenden Schwerpunkt zu betrachten. Das von Ihnen erwähnte Gutachten der Firma Dornier-System in Immenstaad ist von meinem Hause angefordert worden. Zu den dort getroffenen Feststellungen vermag ich z. Z. leider noch nicht Stellung zu nehmen. Sie dürfen aber sicher sein, daß das Gutachten in den zuständigen Ressorts einer eingehenden Prüfung unterzogen werden wird. Allgemein kann ich jetzt schon sagen, daß es sich bei der Lebensmittelkontrolle wie beim Gewässerschutz und der Abwasserbeseitigung um wichtige Aufgaben des Umweltschutzes handelt. Ich würde es allerdings für falsch halten, eine genaue Rangfolge aller Aufgaben des Umweltschutzes aufstellen zu wollen. Keine dieser Aufgaben kann aus dem Gesamtzusammenhang aller erforderlichen Maßnahmen herausgelöst und isoliert betrachtet werden, schon weil jede Maßnahme Auswirkungen auf jede andere Maßnahme hat. Außerdem ist zu berücksichtigen, daß jedes Prioritäten-Bewertungsverfahren mit der Finanzplanung und den vorhandenen politischen Interessen in Einklang gebracht werden muß. Allein die Gesamtschau aller Aufgaben läßt hoffen, daß das Ziel einer Verbesserung der Umweltsituation erreicht wird. Anlage 43 Schriftliche Antwort des Bundesministers Genscher vom 12. April 1972 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Rinsche (CDU/CSU) (Drucksache VI/3313 Frage B 12) : Wie beurteilt die Bundesregierung die folgende, in einem Schreiben des Bundes der Ruhestandsbeamten und Hinterbliebenen im Deutschen Beamtenbund vom 29. Februar 1972 zum Ausdruck gekommene Feststellung „Bekanntlich hat man in den letzten Jahren immer wieder sogenannte strukturelle Besoldungsverbesserungen auf die aktiven Beamten beschränkt und so einen systematischen kalten Abbau der Beamtenpensionen betrieben. Da die Pensionen zudem im Gegensatz zu den Renten versteuert werden und Empfänger beamtenrechtlicher Versorgungsbezüge praktisch gezwungen sind, große Teile (oft his zu 20 %) ihres Einkommens für eine freiwillige Krankenversicherung aufzuwenden, sinkt die verbleibende Nettopension besonders in den unteren und mittleren Einkommensbereichen in der Regel unter vergleichbare Sozialrenten.", und was gedenkt die Bundesregierung zu tun, diese offenkundige Unterentwicklung der Pensionen zum Besseren zu wenden? Strukturelle Besoldungsverbesserungen, nämlich Hebungen von Ämtern im aktiven Bereich, sind an die vorhandenen Versorgungsempfänger weitergegeben worden. 10572 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 181. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. April 1972 Zum Ausgleich für die Verbesserungen der Stellenschlüssel im aktiven Bereich sind sogenannte Stellenplananpassungszuschläge von 8 bzw. 5 vom Hundert zu dem den Versorgungsbezügen zugrunde liegenden Grundgehalt gewährt worden. Die Frage weiterer Anpassungsmaßnahmen für Versorgungsempfänger im Anschluß an die weiteren Verbesserungen der Beförderungsverhältnisse im aktiven Bereich wird zu gegebener Zeit entschieden werden müssen. Hinsichtlich der Besteuerung der Beamtenpensionen hat die Bundesregierung beschlossen, im Zuge der Steuerreform den Pensionsfreibetrag auf 30 vom Hundert der Bezüge, höchstens jedoch 3 600 DM jährlich, zu erhöhen. Der Hinweis, daß Empfänger beamtenrechtlicher Versorgungsbezüge gezwungen sind, große Teile, oft his zu 20 % ihres Einkommens, für eine freiwillige Krankenversicherung aufzuwenden, ist nicht begründet. Lediglich bei Wahl eines ungünstigen Tarifs, bei verspätetem Eintritt. in die private Krankenversicherung oder bei Überversicherung kann eine solche Belastung eintreten. Bei einem geringen Teil der Mindestversorgungsempfänger kann die Belastung mit Krankenversicherungsbeiträgen etwa 13% betragen. Der Entwurf zur Änderung der Beihilfevorschriften sieht deshalb für diesen Personenkreis zusätzliche Verbesserungen vor. Mit dem Inkrafttreten dieser Vorschriften ist im Laufe des Jahres zu rechnen. Die beamtenrechtlichen Mindestversorgungsbezüge betragen einschließlich der mit Wirkung vorn 1. Januar 1972 vorgesehenen allgemeinen Erhöhung der Versorgungsbezüge z. Z. für einen verheirateten Ruhestandsbeamten ohne Kinder in Ortsklasse S = 767,63 DM und in Ortsklasse A = 760,48 DM für eine Witwe ohne Kinder in Ortsklasse S = 474,58 DM und in Ortsklasse A = 470,29 DM. Anlage 44 Schriftliche Antwort des Bundesministers Genscher vom 12. April 1972 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Picard (CDU/CSU) (Drucksache V/3313 Fragen B 13 und 14) : Trifft es zu, daß die Bundeszentrale für politische Bildung, wie in der Presse berichtet, oder eine andere Stelle, die Landesfilmdienste in den Bundesländern angewiesen hat, 33 Filme mit sofortiger Wirkung aus dein Verleih zu ziehen und aus Gründen der Kostenersparnis zu vernichten, wobei unter den zu vernichtenden Filmen u. a. die Filme „Vom Feldzeichen zum Bundeswappen", „Kontrolle in Bonn", „Rechte für alle" und „Ungarn in Flammen" sein sollen? Wer hat, falls die Frage 13 zu bejahen ist, aus welchem Grunde, welchem Konzept entsprechend und auf wessen Anregungen hin die in Frage 13 genannte Anordnung gegeben? Es trifft zu, daß die Bundeszentrale für politische Bildung 33 Filme aus dem Verkehr gezogen hat. Diese Maßnahme ist erfolgt, weil die Filme den heutigen qualitativen und pädagogischen Ansprüchen in der politischen Bildungsarbeit nicht mehr genügen. Unter diesen Filmen befinden sich auch die in der Frage genannten Titel. Von allen Filmen stehen Kopien und Ausgangsmaterial dem Bundesarchiv in Koblenz und der Bundeszentrale für politische Bildung für Sonderzwecke auch weiterhin zur Verfügung. Die Auswahl der Filme erfolgte nach von der Bundeszentrale gemäß Geschäftsverteilungsplan erarbeiteten Kriterien in Zusammenarbeit mit einem eigens hierzu berufenen überparteilichen Gutachtergremium aus Pädagogen, Praktikern und urteilsfähigen Rezipienten und in Abstimmung mit den Verleih-Organisationen (Landesfilmdienste, Landeszentralen für politische Bildung u. a.). Die Erstellung eines Katalogs, der Hinweise für die Verwendung unter pädagogischen Gesichtspunkten einschließt, macht eine Sichtung und Aussortierung der Filme notwendig. In diesem Katalog werden auch Hinweise für die zu Sonderzwecken zur Verfügung stehenden Kopien gegeben (z. B. für die Dokumentationsteile „Ungarn in Flammen"). Die Sichtung und Katalogisierung der Filme erfolgte routinemäßig ohne aktuellen Anlaß. Wegen der Fortsetzung und des Abschlusses der systematischen Überarbeitung des Filmbestandes der Bundeszentrale wird auf deren Planungsbericht für das Rechnungsjahr 1972 (S. 11 f.), der Ihnen in Ihrer Eigenschaft als Mitglied des Kuratoriums der Bundeszentrale zugänglich gemacht worden ist, Bezug genommen. Anlage 45 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Schöllhorn vom 12. April 1972 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Biehle (CDU/CSU) (Drucksache VI/3313 Frage B 17) : Ist die Bundesregierung bereit, Bestrebungen der Länder bei der kommunalen Gebietsreform im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten zu unterstützen und dabei die Förderungsmaßnahmen des regionalen Aktionsprogramms für das unterfränkische Zonenrand- und Ausbaugebiet auf den Landkreis Lohr auszudehnen, der bisher ausgeklammert war, aber ah 1. Juli 1972 mit den seither schon als Ausbaugebiete anerkannten Landkreisen Gemünden, Karlstadt und Marktheidenfeld zu einem neuen Landkreis „Mittelmain" zusammengelegt wird? Der Planungsausschuß der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur", dem der Bund und alle Länder angehören, hat beschlossen, daß Gebiets- und Verwaltungsreformen in den einzelnen Bundesländern an der Zugehörigkeit eines Kreises zu den Fördergebieten der o. g. Gemeinschaftsaufgabe nicht ändern. Dies gilt ganz allgemein für alle Fördergebiete dieser Gemeinschaftsaufgabe. Anlage 46 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Rohwedder vorn 13. April 1972 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Dübber (SPD) (Drucksache VI/3313 Frage B 18) : Ist die Behauptung der Hamburger Zeitschrift „Der Spiegel" richtig, wonach das durchschnittliche Jahreseinkommen der niedergelassenen Ärzte 125 000 DM (vor Steuern) jährlich beträgt? Die Bundesregierung verfügt zur Zeit noch nicht über amtliche Statistiken, die eine genaue Berech- Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 181. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. April 1972 10573 nung des jährlichen Durchschnittseinkommens der niedergelassenen Ärzte für das Jahr 1971 zulassen. Die Bundesregierung ist jedoch bestrebt, über die Einkommenssituation der Ärzte ständig informiert zu sein. Ihr stehen dabei insbesondere die Kostenstrukturstatistiken des Statistischen Bundesamtes zur Verfügung. Diese werden allerdings nur alle vier Jahre erstellt, wobei die letzte Statistik das Jahr 1967 erfaßt. Die Zahlen für 1971 können frühestens Anfang nächsten Jahres erwartet werden. In der Zwischenzeit ist die Bundesregierung auf Angaben und Mitteilungen der Krankenkassen- und Ärzteverbände sowie auf eigene Beobachtungen und Berechnungen angewiesen. Soweit sie dabei Zahlenwerte gewinnt, sind sie jedoch mit gewissen Unsicherheiten behaftet. Aufgrund der zur Verfügung stehenden Zahlen kann davon ausgegangen werden, daß im Jahre 1970 im Durchschnitt je Kassenpraxis ein Umsatz von 122 000 DM erzielt worden ist. Für 1971 muß mit einer Steigerung von ca. 20 % gerechnet werden. Von diesem Umsatz in Höhe von etwa 146 000 DM ist etwa 1/3 als Praxiskosten abzuziehen (Kostenstrukturstatistik 1967: 33,7 %). Das so gewonnene Reineinkommen erhöht sich dann noch um die entsprechenden Einnahmen aus der Privatpraxis, wobei das Verhältnis der Einnahmen aus der Kassenpraxis zur Privatpraxis 4 : 1 beträgt („Deutsches Ärzteblatt" 33/69). Damit könnte für das Jahr 1971 ein durchschnittliches Reineinkommen von 125 000 DM (vor Steuern) je niedergelassenen Arzt erzielt worden sein. Da es sich hierbei aber nur um Rechen- oder Schätzgrößen handelt, sind naturgemäß wesentliche Abweichungen nach oben oder nach unten möglich. In diesem Zusammenhang ist ferner noch darauf hinzuweisen, daß ganz allgemein erhebliche Einkommensunterschiede innerhalb der niedergelassenen Ärzteschaft bestehen. Anlage 47 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Schöllhorn vom 12. April 1972 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Ott (CDU/CSU) (Drucksache VI/3313 Frage B 19) : Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die sich abzeichnende Tendenz zu einer mehr oder weniger permanenten Hochzinspolitik den Erwerb von Wohnungseigentum für die Masse der Bevölkerung unmöglich macht und daß die geplante Steuer-und Realkreditgesetzgebung zu einer Verteuerung der Wohnungsbaulinanzierung beitrage? Die Bundesregierung teilt nicht die vereinzelt in der Öffentlichkeit laut gewordenen Befürchtungen, daß die Entwicklung des Kapitalmarktzinses den Erwerb von Wohnungseigentum für die Masse der Bevölkerung unmöglich mache. Wie die zinspolitische Entwicklung der vergangenen anderthalb Jahre zeigt, kann von einer permanenten Hochzinspolitik nicht die Rede sein. Gerade die erhebliche Einkommensverbesserung der unteren und mittleren Einkommensbezieher hat diese Schichten — verbunden mit den staatlichen Sparförderungsmaßnahmen — erst in die Lage versetzt, die für den Erwerb von Wohnungseigentum notwendigen eigenen Mittel anzusparen. In der Ansparzeit erleichtern hohe Marktzinsen sogar die Realisierung des Sparzieles. Die hohe Zahl von im vergangenen Jahr fertiggestellten und begonnenen Wohnungen beweist, daß weiterhin für viele der Erwerb von Wohnungseigentum möglich ist. Neben den verbesserten Möglichkeiten zum Ansparen des notwendigen Eigenkapitals sind dafür die im Vergleich zum Mietwohnungsbau unterschiedlichen Finanzierungspraktiken ausschlaggebend. Wichtigste Kreditgeber sind die Bausparkassen, deren Darlehenszinsen aufgrund des kollektiven Bausparsystems unabhängig von der Entwicklung des Kapitalmarktzinses auf einem niedrigen Niveau fixiert sind. Aber auch andere Kapitalquellen, wie Darlehen der Sozialversicherungsträger oder privater Versicherungen sind wegen der schon vorhandenen Rechtsbeziehungen häufig mit im Vergleich zum jeweiligen Marktzins günstigeren Konditionen ausgestattet. Schließlich folgen die mit beweglichen Zinssätzen ausgestatteten Hypotheken der Sparkassen und anderer Kreditinstitute allmählich den wieder gesenkten Zinsen für Spareinlagen. Die Zinssätze für Hypotheken sind wie alle anderen Zinssätze von der Marktentwicklung abhängig. Änderungen in der Gewinnbesteuerung einzelner Gruppen des Kreditgewerbes haben auf die Entwicklung ihrer Ertragslage zwar einen gewissen Einfluß; sie schlagen aber — wie auch die Auswirkungen der zum 1. Januar 1968 erfolgten Neuordnung der Körperschaft-, Gewerbe- und Vermögensteuervorschriften für bestimmte Gruppen von Kreditinstituten beweisen — nur unwesentlich auf das Zinsgefüge insgesamt durch. Gleiches gilt für die von der Bundesregierung dem Deutschen Bundestag vorgelegten Gesetzentwürfe zur Novellierung des Hypothekenbankgesetzes und des Öffentlichen Pfandbriefgesetzes. Die durch die vorgesehene Anpassung der Pfandbrieflaufzeiten an die Laufzeiten der Hypotheken zu erwartende Verkürzung der Laufzeiten von Pfandbriefen entspricht der bereits heute weitgehend von der Marktentwicklung erzwungenen Ausstattung derartiger Wertpapiere. Deswegen ist eine durch die Gesetzesnovellierung verursachte Erhöhung der Hypothekenzinsen nicht zu erwarten. Im übrigen gilt auch hier, daß die Höhe der Hypothekenzinsen entscheidend vom Markt bestimmt wird. Zu berücksichtigen ist ferner, daß durch die in den Realkreditgesetzen vorgesehene Erweiterung des Geschäftskreises der Hypothekenbanken die Rentabilität der Institute verbessern wird. Schließlich soll das Vertrauen des breiten Publikums in den Pfandbrief als Form der Kapitalanlage gestärkt werden, was ebenfalls der Wohnungsbaufinanzierung zugute kommen muß. Die verschiedenen Einflüsse auf die Rentabilität der Pfandbriefinstitute halten sich demnach zumindest die Waage, so daß insgesamt ungünstige Auswirkungen auf die Bildung der Marktzinssätze nicht zu erwarten sind. 10574 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 181. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. April 1972 Anlage 48 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Hermsdorf vom 13. April 1972 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Leicht (CDU/CSU) (Drucksache VI/3313 Frage B 20) : Welche Einflußnahme kann die Bundesregierung darauf nehmen, daß Vorfälle, wie am 14. März 1972 in einem Altrheinarm bei Philippsburg vorgekommen, wo bei Tankreinigungsarbeiten amerikanischer Streitkräfte durch Abfließen von Ölschmutz ein Fisch- und Vogelsterben verursacht wurde, verhindert werden? Der Ölunfall im Tanklager Huttenheim ist darauf zurückzuführen, daß der vorhandene Ölabscheider nicht ordnungsgemäß von den US-Streitkräften gewartet worden ist, so daß ungereinigtes Oberflächenwasser in die öffentliche Entwässerung und damit in den Altrhein bei Philippsburg gelangen konnte. Der Ölabscheider ist inzwischen gereinigt worden und befindet sich wieder im betriebsfähigen Zustand. Die Oberfinanzdirektion Karlsruhe hat die örtlich zuständigen amerikanischen Dienststellen darum gebeten, die für die Lagerung von wassergefährdenden Flüssigkeiten bestehenden Vorschriften sorgfältiger zu beachten, damit derartige Zwischenfälle künftig vermieden werden. Presseberichte oder Hinweise aus der Bevölkerung über ein durch den Ölunfall verursachtes Fisch- und Vogelsterben liegen weder dem Bundesvermögensamt Mannheim noch der Oberfinanzdirektion Karlsruhe vor. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Finanzen wird Ihre Anfrage zum Anlaß nehmen, auch an den Verbindungsoffizier der US-Streitkräfte bei der Amerikanischen Botschaft mit der Bitte heranzutreten, daß Headquarters USAREUR nochmals alle nachgeordneten Dienststellen zu sorgfältigerem Umgang mit wassergefährdeten Flüssigkeiten und genauer Beachtung der hierfür bestehenden Vorschriften anhält. Sofern durch die Ölverschmutzung Ersatzansprüche Dritter gegen die US-Streitkräfte entstanden sein sollten, können diese bei der zuständigen deutschen Behörde der Verteidigungslastenverwaltung geltend gemacht werden (Artikel 6 ff des Ausführungsgesetzes zum NATO-Truppenstatut (NTS) vom 18. August 1961 in Verbindung mit Artikel VIII Abs. 5. NTS). Anlage 49 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Hermsdorf vom 13. April 1972 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Erpenbeck (CDU/CSU) (Drucksache VI/3313 Fragen B 23 und 24) : Ist es richtig, daß die Vestisch-Märkische Wohnungsbaugesellschaft mbH Recklinghausen aus dem Bundesvermögen an die Stadt Recklinghausen verkauft werden soll, daß der Wohnungsbestand der Gesellschaft ausschließlich oder überwiegend mit Bergarbeiterwohnungsbaumitteln gefördert wird und daher kraft Gesetzes zweckgebunden ist und daß von den 6000 zum Verkauf angebotenen Wohnungen der Gesellschaft nur rund ein Viertel im Bereich der Stadt Recklinghausen liegt? Ist die Bundesregierung unter diesen Umständen nicht der Meinung, daß es zweckmäßiger wäre, das Unternehmen an eine Wohnungsbaugesellschaft zu verkaufen, die Bergarbeiterwohnungen baut, z. B. an die Treuhandstelle für Bergmannssiedlungen? Es trifft zu, daß der denn Bund gehörende Salzgitter-Konzern beabsichtigt, seine Beteiligung an der Vestisch-Märkischen Wohnungsbaugesellschaft mbH, Recklinghausen, zu veräußern. Der Konzern hat im Raum Recklinghausen keine wesentlichen wohnungswirtschaftlichen Interessen mehr, nachdem die früheren Konzern-Zechen in die Ruhrkohle AG eingebracht worden sind. Auch Ihre Angaben über den Wohnungsbestand der Gesellschaften treffen zu. Als Kaufinteressent ist zunächst die Stadt Recklinghausen aufgetreten. Mit Recklinghausen ist bereits ein Kaufvertrag abgeschlossen worden, der erst wirksam wird, wenn der Bund zustimmt. Inzwischen hat auch die Treuhandstelle für Bergmannswohnstätten, das wohnungswirtschaftliche Instrument der Ruhrkohle AG, Kaufinteresse bekundet. Sowohl die Stadt Recklinghausen als auch die Treuhandstelle haben für ihr Kaufinteresse gewichtige Gründe angeführt. Z. Z. prüfen die Beteiligten, ob eine wohnungswirtschaftliche Konzeption entwickelt werden kann, die den Interessen der Stadt und der Ruhrkohle AG Rechnung trägt und die ggf. im Rahmen einer gemeinsamen Beteiligung an der Vestisch-Märkischen Wohnungsbaugesellschaft mbH verwirklicht werden könnte. Der Bund wird erst nach Abschluß dieser Untersuchungen über die Veräußerung entscheiden. Anlage 50 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Hermsdorf vom 13. April 1972 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Wohlrabe (CDU/CSU) (Drucksache VI/3313 Fragen B 25 und 26) : Warum werden die Zahlungen aus dem Bundeshaushalt an die DDR gemäß Artikel 18 des Transitabkommens in Höhe von 234,9 Millionen DM jährlich sowie die erste Abschlagszahlung in Höhe von 10 Millionen DM zur Abgeltung von Visagebühren etc. für die Osterbesuchsregelung der Berliner auf ein Konto der Bank für Gemeinwirtschaft zur freien Verfügung der DDR-Regierung im Währungsgebiet West vorgenommen? Wie und auf welche Weise hat die Bundesregierung sichergestellt, daß durch die Regierung der DDR die bisher in einer Gesamthöhe von rund 245 Millionen DM gezahlten Beträge ausschließlich für Zwecke Verwendung finden, die mit dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland in Einklang zu bringen sind? Nach Artikel 18 Abs. 3 des Abkommens über den Transitverkehr bestimmt die DDR die Bank in der Bundesrepublik, auf die die vereinbarte Pauschalsumme von 234,9 Millionen DM zugunsten der Deutschen Außenhandelsbank AG in Berlin zu überweisen ist. Die DDR hat für 1972 ein Konto bei der Bank für Gemeinwirtschaft benannt. Bei der Besuchsregelung für Ostern und Pfingsten 1972 ist zwischen Senat von Berlin und der DDR vereinbart worden, daß die Vorauszahlung von 10 Millionen DM zur Abgeltung von Visagebühren ebenfalls auf ein Konto der Deutschen Außenhandelsbank bei der Bank für Gemeinwirtschaft gezahlt wird. Eine Einschränkung der freien Verfügbarkeit über die Pauschalsummen war angesichts des von der Bundesregierung vorrangig angestrebten und auch tatsächlich erreichten Zieles einer Erleichterung im Reiseverkehr nicht möglich. Die Regelung dient im Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 181. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. April 1972 10575 übrigen in den beiden von Ihnen genannten Fällen zur Abgeltung von Gebühreneinnahmen, die die DDR andernfalls — wie schon bisher - individuell erhoben hätte. Anlage 51 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Logemann vom 12. April 1972 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Bay (SPD) (Drucksache VI/3313 Fragen B 27 und 28) : Sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, den Bestand an freilebender Greifvögeln gegen die zunehmenden Auswirkungen der Greifvogelhaltung und Falknerei nachhaltig im Interesse des ökologischen Gleichgewichts durch ein gesetzliches Verbot der Greifvogelhaltung und der Falknerei zu schützen? Sieht die Bundesregierung für ein solches Verbot Möglichkeiten im Rahmen der bestehenden Gesetzgebungskompetenz? Zunächst darf ich vorausschicken, daß der von Ornithologen, Wildbiologen, Jägern und anderen Sachkundigen ermittelte Rückgang des heimischen Greifvogelbestandes während der letzten Jahrzehnte die Folge eines ganzen Komplexes von Ursachen sein dürfte. Frühere Bejagung und die Haltung von Greifvögeln können nur in engen Grenzen den Rückgang verursacht haben. Auch die schon seit längerer Zeit ganzjährig geschonten heimischen Arten, wie die meisten Adler, die Falken, die Milane, die Korn- und Wiesenweihe und die nicht zu den Greifvögeln zählenden Eulen kommen heute nach Darstellung der Sachverständigen zahlenmäßig weit weniger als früher vor. Der Bund und die meisten Länder haben unbeschadet der jagdlich nur beschränkt gegebenen Einwirkungsmöglichkeiten entsprechend der Rahmenkompetenz nach Artikel 75 GG und auf der Grundlage des Bundesjagdgesetzes eine ganze Reihe jagdlicher Vorschriften zum weiteren Schutz der Greifvögel erlassen, so daß im Ergebnis auch die restlichen Arten, wie Bussarde, Habichte und Sperber von der Bejagung praktisch ausgenommen sind. Das Aushorsten von Nestlingen und Ästlingen von Habichten und Sperbern wird nur noch im Einzelfall zu Beizzwecken von der Jagdbehörde genehmigt, wenn dies für die Bestandsentwicklung unbedenklich ist. Zur Frage des gesetzlichen Verbotes der Greifvogelhaltung in jagdlicher Form einschließlich einer geordneten Falknerei ist folgendes zu bemerken: 1. Die einschlägige Vorschrift des Bundesjagdgesetzes (§ 36 Nr. 5) ermächtigt die Länder aus Gründen der Hege nur, den Ankauf, Verkauf, Tausch und Verband von lebendem Wild zu regeln. Das Halten von Wild kann demnach derzeit nicht ohne weiteres geregelt werden. Zwei Länder sind trotzdem in dieser Frage tätig geworden. Die Bundesregierung erwägt nach Abstimmung mit den Ländern, den gesetzgebenden Körperschaften eine erneute Änderung des § 36 BJagdG vorzuschlagen, die sich unter Beachtung tierschutzrechtlicher Vorschriften auf das Halten von Wild erstreckt. 2. Für ein generelles Verbot kunstgerechter Falknerei gibt es nach dem gegenwärtigen Stand keine ausreichenden Gründe, wobei u. a. davon auszugehen ist, daß der in diesem Zusammenhang immer wieder erwähnte Wanderfalke im Bundesgebiet und in zahlreichen europäischen Ländern völligen rechtlichen Schutz genießt. Soweit andere Falkenarten und Steinadler fremdländischer Herkunft oder einheimische Habichte und Sperber in Betracht kommen, wird es möglich sein, sachgerechte Eingriffsnormen zu schaffen und einen entsprechenden Vollzug zu sichern. Der Greifvogelhandel sollte allerdings ganz untersagt werden. Ergänzende Maßnahmen zur Verhinderung der unqualifizierten Ausübung der Beizjagd sollten hinzukommen. Für die im einzelnen noch zu präzisierenden Maßnahmen des Bundes wird die Gesetzgebungskompetenz als gegeben angesehen. Anlage 52 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Rohde vorn 11. April 1972 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Müller (Mülheim) (SPD) (Drucksache VI/3313 Fragen B 29 und 30) : Hält es die Bundesregierung für richtig, daß die Vertrauensmänner der Schwerbeschädigten (II 32, 52 des Betriebsverfassungsgesetzes) nicht unter die Geheimhaltungspflicht des § 79 des Betriebsverfassungsgesetzes fallen? Wodurch könnte zu sichern sein, daß dieser Personenkreis, aber auch Sachverständige, die der Betriebsrat im Einzelfall zu seinen Sitzungen hinzuziehen kann, gegenüber den anderen Sitzungsteilnehmern nicht bevorrechtigt werden? Im Laufe der parlamentarischen Beratung des Betriebsverfassungsgesetzes ist das Teilnahmerecht des Vertrauensmannes der Schwerbeschädigten ohne Einschränkung auf alle Sitzungen des Betriebsrats ausgedehnt worden. Insofern habe ich Verständnis für Ihre Frage, ob der Vertrauensmann der Schwerbeschädigten insoweit nicht ebenso einer Verschwiegenheitspflicht zu unterwerfen ist wie der in § 79 BetrVerfG angesprochene Personenkreis. Nach unserer Ansicht läßt sich bereits aus den zwischen Arbeitgeber und Vertrauensmann bestehenden allgemeinen arbeitsrechtlichen Beziehungen eine Verschwiegenheitspflicht des Vertrauensmannes ableiten. Außerdem besteht die Möglichkeit, diese ausdrücklich in die arbeitsvertraglichen Pflichten einzubeziehen. Darüber hinaus ist vorgesehen, die Verschwiegenheitspflicht des Vertrauensmannes im Rahmen der beabsichtigten Novellierung des Schwerbeschädigtengesetzes, die u. a. umfassend die Stellung des Vertrauensmannes behandeln wird, gesetzlich zu regeln. Hinsichtlich der von Ihnen gleichfalls angesprochenen — vom Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben hinzugezogenen — Sachverständigen darf 10576 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 181. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. April 1972 ich darauf hinweisen, daß sie gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 BetrVerfG in vollem Umfang der Geheimhaltungspflicht nach § 79 BetrVerfG und ferner der Strafbestimmung des § 120 Abs. 1 Nr. 3 BetrVerfG unterliegen. Anlage 53 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Rohde vom 11. April 1972 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Link (CDU/CSU) (Drucksache VI/3313 Frage B 31) : Ist eine Gleichbehandlung von nichtbeamteten Schwerbeschädigten im Rahmen des Schadenausgleichs nach dem Bundesversorgungsgesetz gewährleistet gegenüber beamteten Schwerbeschädigten, die nach den beamtenrechtlichen Vorschriften einen besonderen Zuschlag zum Hundertsatz des Ruhegehalts erhalten? Die Gleichbehandlung aller Versorgungsberechtigten im Rahmen des Berufsschadensausgleichs für Beschädigte und des Schadensausgleichs für Witwen nach dem Bundesversorgungsgesetz wird dadurch gewährleistet, daß alle Einkünfte, die von einer Berufstätigkeit abgeleitet werden oder zur Sicherung des Lebensunterhalts dienen, bei der Ermittlung des Einkommensverlustes Berücksichtigung finden. Wie allerdings diese Einkünfte in den einzelnen Rechtsgebieten — seien sie privater oder öffentlich-rechtlicher Natur — ermittelt und festgestellt werden, ist ohne Einfluß auf die Bemessung der eingangs genannten Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz. Dies gilt auch für die beamtenrechtlichen Versorgungsbezüge, insbesondere für den Zuschlag zum Hundertsatz des Ruhegehalts nach § 181 a des Bundesbeamtengesetzes. Welche besonderen Probleme Sie in diesem Zusammenhang jedoch angesprochen wissen wollten, läßt sich aus der Fragestellung nicht erkennen. Ich bitte daher um Verständnis, wenn ich mich in meiner Stellungnahme auf allgemeine Ausführungen beschränke. Anlage 54 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Ehrenberg vom 12. April 1972 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Gierenstein (CDU/CSU) (Drucksache VI/3313 Frage B 32) : Hält es die Bundesregierung mit dem geltenden Betriebsverfassungsgesetz für vereinbar, wenn in einem Großbetrieb in Ingolstadt die vom Vorstand der SPD herausgegebene Parteizeitschrift „debatte" verteilt wird? Aus der von Ihnen gestellten Frage geht nicht hervor, von wem und wie im einzelnen die von Ihnen genannte Zeitschrift verteilt worden ist. Aus diesem Grunde fällt eine konkrete Antwort im Hinblick auf das Betriebsverfassungsgesetz schwer. Allgemein läßt sich sagen: Sollte die Zeitschrift von Arbeitnehmern außerhalb der Tätigkeit betriebsverfassungsrechtlicher Organe verteilt werden, so vermag die Bundesregierung hierin zumindest dann keinen Verstoß gegen das geltende Betriebsverfassungsgesetz zu erblicken, wenn hierdurch nicht der Betriebsfrieden gestört wird. Die Regelung des § 74 Abs. 2 Satz 3 Betriebsverfassungsgesetz spricht ausdrücklich nur von Betriebsrat und Arbeitgeber. Im übrigen ist es allgemein bekannt, daß vielfach gerade in Großbetrieben Propagandaschriften insbesondere extremer Gruppen verteilt werden oder zirkulieren. In Anbetracht dieser Tatsache ist die Bundesregierung der Auffassung, daß es verfehlt wäre, das Verteilen von Publikationen demokratischer und im Deutschen Bundestag vertretener Parteien generell zu unterbinden und es damit unmöglich zu machen, der Propaganda radikaler Kräfte in den Betrieben entgegenzutreten. Anlage 55 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Rohde vom 12. April 1972 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Kater (SPD) (Drucksache VI/3313 Fragen B 33 und 34) : Wie beurteilt die Bundesregierung im Rahmen ihrer vorgesehenen Maßnahmen zur Verbesserung und Förderung der Arbeitsmedizin die Einrichtung von Werksärztezentren für kleinere und mittlere Unternehmen? Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, die Einrichtung solcher Werksärztezentren zu fördern und zusätzliche Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten auf dem Gebiet der Arbeitsmedizin für solche bereits praktizierende Ärzte zu schaffen, die bereit wären, an derartigen Institutionen mitzuwirken? Die Frage der Verbesserung der Arbeitsmedizin ist Gegenstand eines Gesetzentwurfs über Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit, den die Bundesregierung vor kurzem den gesetzgebenden Körperschaften zugeleitet hat. Danach sollen die Arbeitgeber künftig generell verpflichtet werden, die betriebsärztliche Betreuung ihrer Arbeitnehmer zu gewährleisten. Ihnen obliegt in diesem Rahmen dann auch die Wahl der für ihren Betrieb jeweils geeigneten Organisationsform des betriebsärztlichen Dienstes, wobei eine spezielle Förderung bestimmter Arten betriebsärztlicher Dienste nicht vorgesehen ist. Die Bundesregierung hat im übrigen wiederholt — zuletzt im Unfallverhütungsbericht für 1968/69 — zum Ausdruck gebracht, daß sie in der Einrichtung von Betriebsarztzentren einen möglichen Weg sieht, um die angestrebte betriebsärztliche Betreuung insbesondere in kleineren und mittleren Betrieben zu verwirklichen. Wir begrüßen daher entsprechende Initiativen. Einrichtungen zur Fort- und Weiterbildung auf dem Gebiet der Arbeitsmedizin stehen allen interessierten Ärzten und damit auch solchen, die an überbetrieblichen Diensten mitwirken wollen, bereits seit Jahren zur Verfügung. Es handelt sich hierbei um die Akademie für Arbeitsmedizin in Berlin und um die Bayerische Akademie für Arbeits- und soziale Medizin in München. Neben diesen Einrich- Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 181. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. April 1972 10577 tungen, deren Kapazität im übrigen bisher noch nicht ausgeschöpft ist, bietet ein Fortbildungsseminar beim Staatlichen Gewerbearzt in Bochum die Möglichkeit zum Erwerb arbeitsmedizinischer Kenntnisse. Darüber hinaus werden auch die Ärztekammern und die ärztlichen Berufsverbände ihre Möglichkeiten zur Durchführung regionaler Fortbildungskuse über Arbeitsmedizin prüfen. Anlage 56 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Rohde vom 11. April 1972 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Hansen (SPD) (Drucksache VI/3313 Frage B 35) : Treffen Presseberichte zu, wonach zwei Deutsche, die im deutsch-türkischen Arbeitsvermittlungsbüro in Istanbul arbeiteten, an der illegalen Vermittlung von türkischen Arbeitern in die Bundesrepublik Deutschland beteiligt waren? Der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit hat mir mitgeteilt, daß sich nach den bisherigen Ermittlungen die Beschuldigungen gegen Angehörige der Bundesanstalt für Arbeit in der Auslandsdienststelle in Istanbul nicht bestätigt haben. Der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit hat die von Ihnen erwähnten Pressemeldungen durch eine Presseverlautbarung vom 6. April 1972 richtiggestellt. Anlage 57 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Berkhan vom 11. April 1972 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Seefeld (SPD) (Drucksache VI/3313 Frage B 36) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß sich Klagen über die schleppende Zustellung der Zeitschrift „Das Parlament", die von Ausbildern der Bundeswehr als wichtige Hilfe für die Gestaltung des staatsbürgerlichen Unterrichts bezeichnet wird, durch die Verteilungsstellen der Bundeswehr mehren (die Zeitung trifft bisweilen erst einige Wochen nach dem Erscheinungsdatum bei der Truppe ein), und wie kann Abhilfe geschaffen werden? Klagen über eine schleppende Zustellung der Zeitschrift „Das Parlament" von Ausbildern der Bundeswehr sind der Bundesregierung nicht bekannt. Die Zeitschrift „Das Parlament" wird in Hamburg gedruckt und von dort per Bundesbahnfracht an die acht Vorschriftenverteilerstellen der Bundeswehr verschickt. Dies dauert zwischen 4 und, in Ausnahmefällen, 10 Tagen. Beispiel: Ausgabe Nr. 8, Herausgabedatum 19. Februar, Versand von Hamburg 18. Februar, Eintreffen Vorschriftenverteilerstelle Ahrweiler 23. Februar. Ausgabe Nr. 9, Herausgabedatum 26. Februar, Versand von Hamburg 25. Februar, Eintreffen Ahrweiler 29. Februar. Ausgabe Nr. 12, Herausgabedatum 18. März, Versand von Hamburg 17. März, Eintreffen Ahrweiler 27. März. Sofern die Zeitschriften bis freitags 14 Uhr bei den Vorschriftenverteilerstellen eintreffen, werden sie mit der am nächsten Montag beginnenden Kurierfahrt bei den Einheiten angeliefert. Die Zeitschriften treffen somit im günstigsten Falle 10 Tage, im ungünstigsten etwa 3 Wochen nach Erscheinungsdatum bei der Truppe ein. Die Zeitschrift „Das Parlament" ist eine Hilfe für den staatsbürgerlichen Unterricht. Die aktuelle Information des für die Erteilung des staatsbürgerlichen Unterrichts zuständigen Vorgesetzten über das politische Geschehen erfolgt jedoch jedoch vor allem durch die Tageszeitungen. „Das Parlament" liefert Hintergrundmaterial. Dies geht schon daraus hervor, daß die Zeitschrift selbst bereits weiter zurückliegende Ereignisse aus dem parlamentarischen Bereich darstellt. So enthält z. B. die Nr. 14 vom 1. April 1972 sowohl Auszüge aus der 378. Sitzung des Bundesrates am 24. März 1972 als auch aus der 172. Sitzung des Bundestages am 24. Februar 1972. Ein früheres Eintreffen der Zeitschrift „Das Parlament" bei der Truppe wäre nur dann möglich, wenn die Verteilung durch den Verlag per Post erfolgte. Die hierbei entstehenden hohen Kosten stehen jedoch in keinem Verhältnis zum angestrebten Erfolg und wären deshalb haushaltsrechtlich kaum zu verantworten. Anlage 58 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Westphal vom 5. April 1972 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Zebisch (SPD) (Drucksache V/3313 Fragen B 37 und 38) : Wie beurteilt die Bundesregierung das Angebot an Nachwuchskräften für Berufe der Altenpflege? Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, in Zusammenarbeit mit den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege diese Berufszweige zu fördern? Die Bundesregierung beurteilt das Angebot an Nachwuchskräften für die Berufe der Altenpflege als nicht ausreichend. Es wäre wünschenswert, wenn sich Menschen in erheblich größerem Umfang für soziale Berufe allgemein, insbesondere aber für die Wahrnehmung von Aufgaben der Altenpflege entscheiden würden. Dabei wäre es zu begrüßen, wenn sich in stärkerem Maße jüngere Menschen diesen Aufgaben zuwenden würden. Die Möglichkeiten der Bundesregierung, die Berufe der Altenpflege zu fördern, sind angesichts der verfassungsmäßigen Zuständigkeitsregelung sehr begrenzt. Der Deutsche Bundestag hat das Gesetz zur Förderung Sozialer Hilfsdienste verabschiedet, das eine Reihe von Verbesserungen in 10578 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 181. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. April 1972 arbeits- und sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht für soziale Berufe vorsieht. Es kann erwartet werden, daß dieses Gesetz für interessierte Personen einen Anreiz bietet, sich für soziale Hilfsdienste, insbesondere auch für Aufgaben der Altenpflege zur Verfügung zu stellen. Die Bundesregierung bereitet gegenwärtig eine Rechtsverordnung zum Bundesausbildungsförderungsgesetz vor, das auch diejenigen Ausbildungen für Altenpflege in die Bundesförderung einbezieht, die sich nicht in schulischen Formen vollziehen. Die Ausbildung zum Beruf des Altenpflegers bzw. der Altenpflegerin ist landesrechtlich geregelt. Der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge in Frankfurt/Main hat unter Mitarbeit auch von Vertretern des Bundes Vorschläge für eine einheitliche Gestaltung einer Ausbildungsordnung für Altenpfleger erarbeitet, die gegenwärtig beraten werden. Die Bundesregierung hält es für wünschenswert, wenn in allen Bundesländern die Ausbildung in schulischer Form durchgeführt werden könnte, weil dies dazu beitragen kann, das Ausbildungsniveau zu heben, den Beruf attraktiver zu machen und damit Anreize, vor allem auch für junge Menschen, zu schaffen. Das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit stellt den Spitzenverbänden der freien Wohlfahrtspflege Mittel zur Wahrnehmung zentraler Aufgaben zur Verfügung, aus denen diese auch die bundeszentrale Fortbildung von Mitarbeitern der Altenpflege fördern können. Die Förderungsansätze sind im laufenden Haushaltsjahr wiederum erhöht worden. Anlage 59 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Westphal vom 5. April 1972 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Jungmann (CDU/CSU) (Drucksache VI/3313 Fragen B 39 und 40) : Sind der Bundesregierung irgendwelche Untersuchungen bekannt, die eine mutagene Wirkung der Cyclamat-Süßstoffe bzw. des Cychlohexylamin (= cha) oder Hinweise auf eine derartige Wirkung ergehen haben? Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß es nicht vertretbar wäre, eine Änderung der Bestimmungen über Süßstoffe schon zu einem Zeitpunkt vorzunehmen, in dem die z. Z. in der Bundesrepublik Deutschland, in Europa und den USA laufenden zahlreichen wissenschaftlichen Untersuchungen noch nicht abgeschlossen sind, womit innerhalb von zwölf Monaten zu rechnen ist? Zur Frage mutagener Effekte von Cyclamaten bzw. Cyclohexylamin sind verschiedene Untersuchungen durchgeführt worden, von denen nachstehende Arbeiten Hinweise auf eine mutagene Wirkung von Cyclohexylamin ergeben haben: M. S. Legator, K. A. Palmer, S. Green, K. W. Petersen, Cytogenetic Studies in Rats of Cyclohexylamine, a Metabolite of Cyclamate Science 165 (1969) 1139 D. R. Stoltz, K. S. Khera, R. Bendall, S. W. Gunner, Cytogenetic Studies with Cyclamate and Related Compounds, Science 167 (1970) 1501 S. Green, K. A. Palmer, M. S. Legator, In vitro Cytogenetic Investigation of Calcium Cyclamate, Cyclohexylamine and Triflupromazine, Fd. Cosmet. Toxicol., 8 (1970) 617 K. W. Petersen, M. S. Legator, F. H. J. Figge, Dominant-lethal Effects of Cyclohexylamine in C57 B1/Fe Mice Mut.Res. 14 (1972) 126 Unabhängig davon hat das Zentrallaboratorium für Mutagenitätsprüfung der Deutschen Forschungsgemeinschaft bereits eine Reihe von Untersuchungen zu dieser Frage durchgeführt, die zum Teil zu verdächtig erscheinenden Resultaten geführt haben. Zur Klärung der Frage einer mutagenen Wirkung ist die Kommission für Mutagenitätsfragen der Deutschen Forschungsgemeinschaft um eine Stellungnahme gebeten worden. Eine Entscheidung über die weitere Behandlung eines Entwurfs zur Änderung der Verordnung über diätetische Lebensmittel, in dem auch eine Änderung der Regelungen über die Verwendung von Cyclamaten vorgesehen ist, wird voraussichtlich erst nach Eingang der Stellungnahme der Kommission für Mutagenitätsfragen erfolgen können. Anlage 60 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Westphal vom 5. April 1972 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Buschfort (SPD) (Drucksache VI/3313 Fragen B 41 und 42) : Für welchen Zeitpunkt ist die Inkraftsetzung derjenigen Bestimmungen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes geplant, die eine Förderung der Kinder von Ausländern vorsehen? Wie werden deutsche Staatsangehörige behandelt, wenn sie ihren ständigen Wohnsitz in einem EWG-Land haben? Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß auch ausländischen Auszubildenden sobald als möglich Ausbildungsförderung geleistet werden soll nach Maßgabe der Vorschriften, die im Bundesausbildungsförderungsgesetz bereits enthalten sind, derzeit aber nach § 68 Abs. 2 Bundesausbildungsförderungsgesetz noch nicht vollzogen werden, da die hierzu erforderlichen Finanzmittel nicht zur Verfügung stehen. Die Bundesregierung wird über den Beginn der Leistung von Ausbildungsförderung an Ausländer im Rahmen der Beratungen über die Fortschreibung der mehrjährigen Finanzplanung entscheiden. Gemäß § 6 Bundesausbildungsförderungsgesetz kann Deutschen im Sinne des Grundgesetzes, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem ausländischen Staat — also auch einem EWG-Land — haben und dort eine Ausbildungsstätte besuchen, Ausbil- Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 181. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. April 1972 10579 dungsförderung gewährt werden, wenn die besonderen Umstände des Einzelfalls dies rechtfertigen. Art und Dauer der Leistungen sowie die Anrechnung des Einkommens und Vermögens richten sich nach den besonderen Verhältnissen im Aufenthaltsland. Wird ein deutscher Staatsangehöriger, der seinen ständigen Wohnsitz in einem EWG-Land hat, im Geltungsbereich des Gesetzes, also in der Bundesrepublik Deutschland einschließlich des Landes Berlin, ausgebildet, so hat er bei Vorliegen der Voraussetzungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz Anspruch auf die vollen Leistungen nach diesem Gesetz. Zusätzlich zu den üblichen Leistungen werden ihm die notwendigen Kosten für 2 Familienheimfahrten innerhalb eines Kalenderjahres als Ausbildungsförderung geleistet. Anlage 61 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Westphal vom 12. April 1972 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Abelein (CDU/CSU) (Drucksache VI/3313 Frage B 43 und 44) : Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, durch eine angemessene Beteiligung die katastrophale Finanzlage des Landeswohlfahrtsverbands Württemberg-Hohenzollern, die ihn zunehmend außerstande setzt, seine Aufgaben durchzuführen, zu verbessern? Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, sich an der Finanzierung der von ihr gesetzlich festgelegten Leistungen auf den Gebieten der Kriegsopferfürsorge, der Sozialhilfe und der Jugendhilfe zu beteiligen? Für die Bundesregierung besteht keine unmittelbare Möglichkeit, die Finanzlage des Landeswohlfahrtsverbandes Württemberg-Hohenzollern zu verbessern, da eine solche finanzielle Beteiligung mit der verfassungsrechtlichen Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern nicht vereinbar wäre. Nach Artikel 30 GG ist die Erfüllung der staatlichen Aufgaben Sache der Länder, soweit das Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zuläßt. Dieser Grundsatz gilt auch für die finanzielle Unterstützung von Verbänden oder Organisationen durch die öffentliche Hand. Insoweit besteht lediglich eine Zuständigkeit des Bundes für zentrale Einrichtungen oder Veranstaltungen nichtstaatlicher Organisationen, die für das Bundesgebiet als Ganzes von Bedeutung sind und deren Bestrebungen ihrer Art nach nicht durch ein Land allein wirksam gefördert werden können. Das soll in der noch im Rahmen der Finanzreform vorgesehenen Verwaltungsvereinbarung über die Finanzierung öffentlicher Aufgaben von Bund und Ländern (sog. Flurbereinigungsabkommen) ausdrücklich festgelegt werden. Die Voraussetzungen liegen beim Landeswohlfahrtsverband Württemberg-Hohenzollern nicht vor. Der Verband ist eine öffentlich rechtliche regionale Einrichtung, der von Land- und Stadtkreisen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben getragen wird. Die Sorge für die Finanzausstattung des Verbandes gehört daher nicht zum Aufgabenbereich des Bundes, sondern zu dem des zuständigen Landes und der Gemeinden. Das Bundessozialhilfegesetz und das Jugendwohlfahrtsgesetz, die mit Zustimmung des Bundesrates erlassen wurden, werden durch die Länder als eigene Angelegenheit ausgeführt (Artikel 84 Abs. 1 GG). Die Mittel für die Durchführung dieser Gesetze müssen daher von den Ländern bzw. den zuständigen Gebietskörperschaften aufgebracht werden. Der Bund trägt 80 v. H. der Aufwendungen für die Kriegsopferfürsorge sowie die Kriegsfolgenhilfe nach dem Ersten Überleitungsgesetz und 50 v. H. bestimmter Aufwendungen im Rahmen der Tuberkulosenhilfe. In bestimmten Fällen der Sozialhilfe für Deutsche im Ausland übernimmt der Bund die Kosten in vollem Umfang. Er trägt ebenfalls die Gesamtkosten der Kriegsopferfürsorge für Deutsche im Ausland. Es trifft zu, daß durch vermehrte Inanspruchnahme der Hilfen, auf die ein Rechtsanspruch besteht, und durch erhöhte Kosten besonders für die Hilfen in besonderen Lebenslagen und für die Heimerziehung Jugendlicher die Aufwendungen der Sozial- und Jugendhilfeträger stark gestiegen sind. Der Ausgleich dieser Mehraufwendungen kann nur durch den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern und zwischen Ländern und Gemeinden geschehen. Der Bund hat die Finanzkraft der Länder und Gemeinden durch verschiedene Maßnahmen gestärkt. Die Bundesregierung hat darauf in ihrer Stellungnahme zum Dritten Jugendbericht (Drucksache VI/3170) Nrn. 19 und 20 hingewiesen und zugleich ihre grundsätzlichen Bedenken gegen eine finanzielle Beteiligung des Bundes dargelegt und eine Überprüfung der Festlegung der Prioritäten bei den zuständigen Stellen der Länder und Gemeinden angeregt. Das dort Gesagte gilt in gleicher Weise auch für die Sozialhilfe. Anlage 62 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Haar vom 12. April 1972 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Haase (Kellinghusen) (SPD) (Drucksache VI/3313 Fragen B 45 und 46) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß durch den ständig anwachsenden Schwerlastverkehr aus dem Wirtschaftsraum Brunsbüttel über die B 5 in Richtung Hamburg im Bereich der Ortsdurchfahrt Wilster die Erschütterungsschäden an Wohn- und Geschäftsgebäuden erschreckend zunehmen, und wird die Bundesregierung deshalb bereit sein, der im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen in der Dringlichkeitsstufe I eingestuften Ortsumgehung Wilster einen notwendigen Vorrang einzuräumen? Kann damit gerechnet werden, daß eine entsprechende Vorrangeinräumung wegen gleicher Tatbestände auch für die Ortsumgehung Kellinghusen im Zuge der B 206 erfolgt? Der Bundesregierung ist die Bedeutung und die Dringlichkeit der genannten Maßnahmen bekannt. Die seit einiger Zeit im Gange befindlichen Planungsarbeiten zielen darauf ab, mit dem Bau der Umgehungsstraßen Wilster (B 5) und Kellinghusen (B 206) noch vor 1975 zu beginnen. Dem voraussichtlichen Planungsablauf entsprechend sind die 10580 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 181. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. April 1972 beiden Vorhaben im „1. Fünfjahresplan für den Ausbau der Bundesfernstraßen in den Haushaltsjahren 1971 bis 1975" berücksichtigt worden. Ob die zum Bau benötigten Mittel tatsächlich fristgerecht bereitgestellt werden können, läßt sich zum heutigen Zeitpunkt verständlicherweise nicht sagen. Anlage 63 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Haar vom 12. April 1972 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Biehle (CDU/CSU) (Drucksache VI/3313 Frage B 47) : Hat die Bundesregierung das Projekt der Nord-Süd-Umgehung als Osttangente zwischen der Staatsstraße 2315 und der B 26 im Bereich der Stadt Lohr am Main nach den vorgelegten Plänen des Bauträgers gebilligt, und ist sie bereit, diese Pläne als Grundlage zur Bezuschussung durch den Bund zu betrachten? Die Planunterlagen für die Nord-Süd-Umgehung der Stadt Lohr am Main mit Bau einer neuen Mainbrücke haben dem Bundesminister für Verkehr vorgelegen. Aus diesen Unterlagen war zu ersehen, daß dem genannten Projekt sowohl vom. Stadtrat Lohn/ Main als auch von den zu beteiligenden Behörden zugestimmt wurde. Der Bundesminister für Verkehr hat daher die Zustimmung zur Aufnahme in das Programm 1972 nach § 6 Abs. 2 des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) erteilt und ist bereit, das Projekt finanziell zu fördern. Anlage 64 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Haar vom 12. April 1972 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Berding (CDU/CSU) (Drucksache VI/3313) Frage B 48) : Treffen Pressemeldungen zu, wonach der ursprünglich vom Vorstand der Deutschen Bundesbahn geplante Termin für die Auflösung der Bundesbahndirektion Münster, der 1. April bzw. 1. Mai 1972, nicht mehr aktuell ist? Dies kann ich so generell nicht bestätigen. Die Auflösung der 6 Bundesbahndirektionen erfolgt nach dem vom Bundesminister für Verkehr genehmigten Antrag der Deutschen Bundesbahn in fünf Stufen. Davon wird das Kerngebiet um Münster erst in der fünften Stufe betroffen. Ein Zeitpunkt hierfür ist von dem dafür zuständigen Vorstand der Deutschen Bundesbahn noch nicht festgesetzt. Ich nehme an, daß es sich bei dem von Ihnen angesprochenen Termin um die für die dritte Stufe vorgesehene Überleitung des Raumes Oldenburg von der Bundesbahndirektion Münster nach der Bundesbahndirektion Hannover handelt. Nach Mitteilung der Deutschen Bundesbahn ist hierfür das nach dem Personalvertretungsgesetz erforderliche Verfahren noch nicht abgeschlossen. Aus diesem Grunde kann der Vorstand der Deutschen Bundesbahn auch für die Ausgliederung des Raumes Oldenburg z. Z. keinen endgültigen Termin nennen. Anlage 65 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Haar vom 12. April 1972 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Kliesing (Honnef) (CDU/CSU) (Drucksache VI/3313 Fragen B 49 und 50) : Wird die Bundesregierung es hinnehmen, daß das mit Zustimmung aller Fraktionen des Deutschen Bundestages als besonders schützenswert bezeichnete Recht des Menschen auf unschädliche Umwelt dadurch verletzt wird, daß die im Endausbau sechsspurige Bundesautobahn A 221 in einem Abstand von teilweise weniger als 30 m an dem reinen Wohngebiet Meckenheim-Merl — einem u. a. vom Bund geförderten Demonstrativbauvorhaben — entlanggeführt wird? Auf welche Weise beabsichtigt die Bundesregierung sicherzustellen, daß der Bau dieser Bundesautobahn auf der Grundlage einer Planung erfolgt, die — im Gegensatz zur bisherigen Planung — nicht im Widerspruch zu den Grundsätzen des Immissionsschutzes steht? Der Verlauf der gemäß Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen 4spurig — nicht 6spurig — geplanten B 257 (A 221) entspricht dem von den Professoren Lammers und Gassner im Auftrag der Entwicklungsgemeinschaft Meckenheim-Merl erarbeiteten Vorschlag vom Oktober 1964. Die Entwicklungsgemeinschaft Meckenheim-Merl hat in voller Kenntnis, daß hier eine Bundesfernstraße entstehen wird, unter Einhaltung der zum Schutz der Straße gesetzlich vorgeschriebenen Mindestabstände für die westlich angrenzenden Flächen mit Beteiligung der Gemeinde einen Bebauungsplan aufgestellt. Hierbei waren die zum Schutz der Anlieger erforderlichen Voraussetzungen zu berücksichtigen, denn gemäß § 1 Abs. 4 Bundesbaugesetz vom 23. Juni 1960 haben sich Bauleitpläne u. a. nach den Bedürfnissen der Bevölkerung, ihrer Sicherheit und Gesundheit zu richten. Soweit dem Bundesminister für Verkehr bekannt ist, plant dementsprechend die Entwicklungsgemeinschaft Meckenheim-Merl, entlang der Straße einen Lärmschutzwall zu errichten. Die Straßenplanung unterstützt diese Bemühungen durch eine gewisse Absenkung der Straße, wobei die hierdurch anfallenden Überschußmassen in den Lärmschutzwall eingebaut werden sollen. Nachdem die Trasse frühzeitig und auch rechtzeitig mit der Bauleitplanung abgestimmt worden ist, kann es nicht Aufgabe der Bundesfernstraßenplanung sein, einer unerwünschten städtebaulichen Entwicklung durch langwierige und kostenaufwendige Umplanungen — wenn sie überhaupt möglich sind — entgegenzuwirken. Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 181. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. April 1972 10581 Im vorliegenden Fall ist zudem bedeutsam, daß dem Bau der neuen B 257 (A 221) im Hinblick auf die überaus schwierigen Verkehrsverhältnisse in der Stadt Meckenheim besondere Dringlichkeit zukommt. Hierzu darf ich auf Ihre Frage in der Fragestunde vom 21. Januar 1972 (Anlage 40 zum amtlichen Protokoll der 164. Sitzung des Deutschen Bundestages) verweisen. Anlage 66 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Haar vom 12. April 1972 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Wolfram (SPD) (Drucksache VI/3313 Fragen B 51 und 52) : Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß angelegte Sicherheitsgurte das Risiko von Verletzungen bei Unfällen vermindern bzw. die Anzahl der Unfalltoten reduzieren können, und welche Maßnahmen hat sie — sofern die o. a. Auffassung geteilt wird — bei bundeseigenen Fahrzeugen ergriffen, um ein Anlegen von Sicherheitsgurten zu gewährleisten? Was hat die Bundesregierung bislang daran gehindert, den Einbau von Sicherheitsgurten vorzuschreiben, und welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zur Popularisierung des Unfallschutzes durch Sicherheitsgurte zu ergreifen? Die Bundesregierung teilt die Auffassung, daß angelegte Sicherheitsgurte — und hier besonders Dreipunktgurte — das Verletzungsrisiko bei der Mehrzahl der Unfälle mindern können. Ihr ist aber auch bekannt, daß es Unfallabläufe geben kann, in denen sich der angelegte Sicherheitsgurt nachteilig auswirkt. So muß u. a. schon aus diesem Grunde dem einzelnen überlassen bleiben, zu entscheiden, ob er den Gurt anlegt oder nicht. Die gleiche Auffassung hat der Bundesgerichtshof in einem Urteil bestätigt. Für die bundeseigenen Fahrzeuge sehen Richtlinien des Bundes bei der Beschaffung von Personenkraftwagen die Mitbeschaffung von Sicherheitsgurten vor. Außerdem ist den Bundesbediensteten empfohlen, die eingebauten Gurte zu benutzen; ein Anlegezwang wird dagegen nicht ausgeübt. Ein entscheidendes Hindernis war die Tatsache, daß bei uns nicht jede vernünftige Verhaltensweise erzwingbar ist. Ich möchte darauf hinweisen, daß mit der gesetzlichen Verpflichtung zum Einbau der Gurte Unfallfolgen nicht reduziert werden, solange bei den meisten Kraftfahrern keine Neigung zum Gebrauch der Gurte besteht. Es soll deshalb zunächst versucht werden, die Kraftfahrer im Wege der Aufklärung dazu zu bewegen, freiwillig Sicherheitsgurte in den Fahrzeugen anbringen zu lassen und diese auch zu benutzen. Hierzu ist im Rahmen des Deutschen Verkehrssicherheitsrates für das Jahr 1972 eine — durch verkehrspsychologische Untersuchungen vorbereitete — Aktion vorgesehen. Darüber hinaus wird die internationale Organisation zur Verhütung von Straßerverkehrsunfällen unter der Schirmherrschaft der Europäischen Konferenz der Verkehrsminister einen Plakat-Wettbewerb für die Vorbereitung einer Aktion „Anlegen des Sicherheitsgurts" auf europäischer Basis veranstalten. In den beiden genannten Aktionen wirkt der Bundesminister für Verkehr mit. Anlage 67 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Haar vom 12. April 1972 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Haehser (SPD) (Drucksache VI/3313 Fragen B 53 und 54) : Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Organisation der im Einzugsgebiet des Rheins liegenden Wasserwerke, daß die deutschen Schiffsführer der auf dem Rhein verkehrenden Wasserfahrzeuge das Verbot, Altöl (Bilgen) in den Rhein zu pumpen, fast hundertprozentig beachteten, während die Verantwortlichen auf ausländischen Booten es mit der Altölvernichtung weit weniger genau nähmen? Mit welchen Strafen haben Schiffsführer zu rechnen, wenn sie von der Wasserschutzpolizei beim Einleiten von Altöl in den Rhein oder in die Mosel gestellt und angezeigt werden, und hält die Bundesregierung die bisherige Strafpraxis für ausreichend? Leider kann dieser Auffassung nicht zugestimmt werden. Im Jahre 1971 wurden wegen Einleitens von Altölen in den Rhein zwischen Rolandseck und der niederländischen Grenze 78 Anzeigen erstattet, davon 50 (68 %) gegen Deutsche, 28 (32 %) gegen Ausländer. An dem Verkehr auf der genannten Strecke ist die deutsche Schiffahrt zu 32,5 %, die ausländische zu 67,5 % beteiligt (Zahlenangaben für 1970). Nach § 38 des Wasserhaushaltsgesetzes vom 27. Juli 1957 (BGBl I, S. 1110), zuletzt geändert durch das Erste Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 25. Juni 1969 (BGBl I, S. 645), ist vorsätzliches unbefugtes Einleiten wasserschädlicher Stoffe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren und mit Geldstrafe oder mit einer dieser Strafen bedroht. Fahrlässige Begehung ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bedroht. In der Praxis werden Geldstrafen von 500 DM bis zu 2000 DM verhängt. Die Bundesregierung kennt die den einzelnen Urteilen zugrunde liegenden Sachverhalte nicht und kann daher zu der Frage, ob die Strafpraxis als ausreichend anzusehen ist, keine Stellung nehmen. Durch das dem Deutschen Bundestag vorliegende Vierte Gesetz zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes (BT-Drucksache VI/2869) soll der Strafrahmen bei gewinnsüchtigem Handeln auf Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren, neben welcher eine Geldstrafe möglich ist, erhöht werden; für den Fall der Gefährdung wichtiger Rechtsgüter (Leben, Gesundheit, öffentliche Wasserversorgung) ist eine Frei- 10582 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 181. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. April 1972 heitsstrafe bis zu fünf Jahren bei Vorsatz, bis zu drei Jahren bei Fahrlässigkeit vorgesehen. Fahrlässige Verunreinigung eines Gewässers bedroht der Entwurf mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe; bei Ordnungswidrigkeiten ist eine Erhöhung der Geldbuße auf 100 000 DM vorgesehen. Anlage 68 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Haar vom 12. April 1972 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Engelsberger (CDU/CSU) (Drucksache VI/3313 Frage B 55) : Ist die Bundesregierung bereit, den dringend erforderlichen Streckenabschnitt der B 299 neu von der Einmündung in die BAB München—Salzburg bis an die nördliche Grenze des Landkreises Traunstein bevorzugt auszubauen, und bis zu welchem Zeitpunkt ist mit der wenigstens einspurigen Fertigstellung zu rechnen? Die Bundesregierung betrachtet den Neubau der Bundesstraße 299 im Abschnitt Altötting—Trostberg—Grabenstätt (BAB München—Salzburg) als vordringlich. Dieser Streckenabschnitt ist deshalb auch im Bedarfsplan für den Ausbau der Bundesfernstraßen in die 1. Dringlichkeitsstufe eingereiht worden. Eine Aufnahme in den 1. Fünfjahresplan (1971 bis 1975) war wegen des begrenzten Finanzvolumens und wegen der Vielzahl vordringlicherer Straßenbaumaßnahmen nicht möglich. Konkrete Angaben über das Volumen des 2. Fünfjahresplanes (1976 bis 1980) können zur Zeit noch nicht gemacht werden. Es liegen daher für den Neubau der B 299 im gesamten Abschnitt auch noch keine Bautermine fest. Anlage 69 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Haar vom 12. April 1972 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU) (Drucksache VI/3313 Fragen B 56 und 57) : Ist die Bundesregierung bereit, bei der Deutschen Bundesbahn darauf hinzuwirken, daß das Ausbesserungswerk Braunschweig die Genehmigung und die entsprechenden Voraussetzungen erhält, sämtliche vorhandenen Arbeitsplätze zu besetzen? Kann die Bundesregierung die Zusicherung geben, daß das Braunschweiger Ausbesserungswerk — im Zonenrandgebiet gelegen — auch nach dem Auslaufen der Dampflokausbesserung, als moderner Betrieb der Deutschen Bundesbahn bei voller Kapazitätsausnutzung, erhalten bleibt? Das Ausbesserungswerk Braunschweig beschäftigt z. Z. 530 Kräfte, davon rund 450 Lohnbedienstete. Der Strukturwandel im Zugförderungsdienst (Ersatz der Dampflok durch elektrische und Brennkraft-Triebfahrzeuge) wird voraussichtlich im Jahre 1977 abgeschlossen werden können. Im Zuge dieser Entwicklung wird sich auch die Zahl der für die Ausbesserung von Dampfloks benötigten Kräfte laufend vermindern. Das Ausbesserungswerk Braunschweig ist mit seinen Anlagen und Betriebsmitteln als ein Werk für die Unterhaltung von Dampflokomotiven gebaut worden. Für andere Fertigungen kann es nur mit nicht unerheblichen Investitionen umgestellt werden. Die Deutsche Bundesbahn prüft z. Z., ob und unter welchen Voraussetzungen das Ausbesserungswerk Braunschweig auf weite Sicht erhalten werden kann. Anlage 70 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Haar vom 12. April 1972 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Haack (SPD) (Drucksache VI/3313 Frage B 58) : Wann ist mit dem Baubeginn der Autobahnausfahrt Schnaittach im Zuge der Bundesautobahnstrecke Nürnberg—Hof zu rechnen, der ursprünglich schon für das vergangene Jahr vorgesehen war? Mit den Bauarbeiten zur Errichtung der Anschlußstelle Schnaittach im Zuge der BAB-Betriebsstrecke Nürnberg—Hof wird voraussichtlich gegen Ende dieses Jahres begonnen. Anlage 71 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Haar vom 12. April 1972 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Gatzen (CDU/CSU) (Drucksache VI/3313 Frage B 59) : Bis wann ist mit der Fertigstellung des Abschnittes Bliesheim—Wißkirchen der A 110 zu rechnen? Die in den Jahren 1970/71 eingetretenen Baupreissteigerungen haben zu Kostenerhöhungen geführt, die durch die Mineralölsteuererhöhung 1972 nur zum Teil abgedeckt werden können. Es bleibt somit eine Deckungslücke bestehen, die nicht ohne Auswirkungen auf die Planziele des 1. Fünfjahresplanes ist. Im Interesse der Einhaltung vordringlicherer Bauziele müssen daher Fertigstellungstermine einiger Autobahnneubaustrecken hinausgeschoben werden. Soweit zur Zeit übersehbar ist, wird sich daher aus finanziellen Gründen das für den Abschnitt Bliesheim—Wißkirchen der A 110 gemäß Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 181. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. April 1972 10583 1. Fünfjahresplan angestrebte Bauziel 1975 nicht halten lassen. Voraussichtlich werden die Bauarbeiten 1973 aufgenommen werden. Mit der Fertigstellung des Autobahnabschnittes ist dann in den ersten Jahren des 2. Fünfjahresplanes zu rechnen. Anlage 72 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Haar vom 12. April 1972 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Schmitt-Vockenhausen (SPD) (Drucksache VI/3313 Frage B 60) : Welche Möglichkeiten sieht die Deutsche Bundespost, um den Nebenstellen der Wohlfahrtsverbände hei Abwesenheit der Fahrer die Weiterschaltung zu anderen Zentralen schnell zu ermöglichen, zumal die technischen Voraussetzungen erfüllt werden können? Die Deutsche Bundespost ist bestrebt, den berechtigten Interessen und Wünschen der Wohlfahrtsverbände, Hilfswerke usw. weitgehend zu entsprechen. Dieses Bemühen kommt z. B. dadurch zum Ausdruck, daß eigens für diese Organisationen eine Reihe von Sonderregelungen getroffen wurden. Hierunter fällt u. a. auch das Zugeständnis, daß — wegen des turnusmäßigen Einsatzes der meist freiwilligen Helfer — die üblichen Nebenstellenanlagen mit zusätzlichen Leistungsmerkmalen ausgerüstet werden dürfen. Dadurch sind die Nachtschaltung und die Rufweiterschaltung ankommender Amtsverbindungen zu der Wohnung des diensthabenden Einsatzleiters, Unfallretters bzw. Fahrer des Rettungswagens möglich. Leider läßt sich jedoch nicht jede von den Hilfsorganisationen gewünschte technische Lösung realisieren. Auch dürfen durch die gewünschten Sonderregelungen die Organisationsgrundsätze der öffentlichen Netze und die Systematik des Benutzungsrechts nicht so erheblich berührt werden, daß — infolge der sicher zu erwartenden Berufungen anderer Bedarfsträger und der hierdurch verursachten Ausweitung — mit den Zugeständnissen für die Deutsche Bundespost unzumutbare Erschwernisse, betriebliche Mehrbelastungen und finanzielle Verluste entstehen. Das würde z. B. dann eintreten, wenn den von Ihnen angesprochenen Anträgen auf Zusammenschaltung von Ausnahmequerverbindungen mit Amtsleitungen des öffentlichen Fernsprechnetzes allgemein oder auch nur in Sonderfällen zugestimmt würde. Aus diesen Gründen habe ich u. a. einen Antrag des DRK, Kreisverband Main-Taunus in Hofheim, leider ablehnen müssen. In der Begründung für die Ablehnung wurde dem Antragsteller auch mitgeteilt, daß die technischen Voraussetzungen für die gewünschten Zusammenschaltungen nicht vorliegen und im Rahmen des öffentlichen Fernsprechnetzes auch nicht geschaffen werden können. Die zulässigen Höchstwerte der Dämpfung würde bei nur einer Verbindung bereits um 48 % und bei einer weiteren sogar um 88 % überschritten. Eine zufriedenstellende Gesprächsabwicklung auf diesen Amtsleitungen wäre nicht mehr möglich. Die Deutsche Bundespost wird sich jedoch wie in der Vergangenheit auch künftig im Rahmen ihrer Möglichkeiten bemühen, die dem Gemeinwohl dienende Tätigkeit der Wohlfahrtsverbände und Hilfswerke — erforderlichenfalls auch durch Sonderregelungen und Ausnahmegenehmigungen — zu erleichtern und zu unterstützen. Anlage 73 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Haar vom 12. April 1972 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Hauser (Sasbach) (CDU/CSU) (Drucksache VI/3313 Fragen B 61 und 62) : Aus welchen Gründen hat die Deutsche Bundespost in die dem Fremdenverkehr gewidmete, bereits seit 1969 laufende Sunderpostwertzeichenserie noch kein Motiv der weltbekannten Bäder-und Kongreßstadt Baden-Baden aufgenommen, obwohl diese Stadt schon längst zum „internationalen Salon der Bundesrepublik" geworden ist? Wird die Deutsche Bundespost bei Weiterführung dieser Sonderpostwertzeichenreihe der besonderen Bedeutung der Stadt Baden-Baden Rechnung tragen und sie ebenfalls in dieser Serie berücksichtigen? Die Deutsche Bundespost hat 1969 mit der Ausgabe einer Sonderpostwertzeichen-Serie begonnen, in der über einige Jahre hinweg mit jährlich 2 Sondermarken für Fremdenverkehrsorte in der Bundesrepublik Deutschland geworben werden soll. Bis 1971 sind die Ausgaben: Rothenburg ob der Tauber, Oberammergau, Cochem, Freiburg im Breisgau, Goslar und Nürnberg erschienen. Für 1972 sind Ausgaben für Heidelberg und Helgoland geplant. Das Land Baden-Württemberg ist bei diesen bisher insgesamt 8 Ausgaben mit zwei Marken vertreten. Um eine Monotonie bei der Ausgabe von Sonderwertzeichen zu vermeiden, muß die Serie nunmehr abgeschlossen werden. Die bisher noch nicht berücksichtigten Bundesländer sollen noch mit je einem Motiv berücksichtigt werden. Unter diesen Umständen bitte ich um Ihr Verständnis, sehr geehrter Herr Kollege, daß eine Ausgabe für Baden-Baden nicht mehr möglich ist. Anlage 74 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Haar vom 12. April 1972 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Franz (CDU/CSU) (Drucksache VI/3313 Fragen B 63 und 64) : Trifft es zu, daß im Zuge der Inbetriebnahme der Knotenvermittlungsstellen Kirchseeon und Markt Schwaben im Landkreis Ebersberg eine Verteuerung von Ferngesprächen nach München um 100 % vorgesehen ist? 10584 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 181. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. April 1972 Ist die Bundesregierung bereit, die vorgesehene Regelung nochmals zu überprüfen, um eine weitere wirtschaftliche Verflechtung des Landkreises Ebersberg mit der Region München nicht zu verhindern, die letztlich auch einer Entballung des Raumes München dient? Es trifft zu, daß im Juli d. J. die neuen Knotenvermittlungsstellen Kirchseeon und Markt Schwaben in Betrieb genommen werden. Die daran anzuschließenden Ortsnetze sind bisher an die Knotenvermittlungsstelle München angeschlossen, so daß die Gespräche aus diesen Ortsnetzen nach München und umgekehrt nach der Knotenbereichszone berechnet werden. Das heißt, es wird für eine Gesprächseinheit von 21 Pf eine Sprechdauer von 90 Sekunden gewährt. Aufgrund der Entfernungen der beiden neuen Knotenvermittlungsstellen zur Knotenvermittlungsstelle München werden diese Gespräche künftig mit 45 Sekunden Sprechdauer am Tage bzw. 67,5 Sekunden Sprechdauer abends und nachts je Gesprächseinheit berechnet. Die Inbetriebnahme der neuen Knotenvermittlungsstellen ist aus technischen und betrieblichen Gründen unerläßlich. Einmal wird dadurch eine dringend notwendige Verbesserung der Gesprächsabwicklung in diesem Raum und im Verkehr mit der Landeshauptstadt München erreicht, zum anderen ermöglicht die Bildung von zwei weiteren Ortsnetzen, nämlich Forstern und Kirchseeon, die Herstellung zahlreicher, zum Teil schon seit langem beantragter Fernsprechneuanschlüsse. Die erwähnten Gebührenkonsequenzen sind unabdingbar; sie sind in den Fernmeldegebührenvorschriften verordnet. Auch ließe der Grundsatz der Gleichbehandlung eine andere Regelung nicht zu, denn Maßnahmen, wie sie jetzt im östlichen Raum von München vorgesehen sind, wurden im Zuge des Ausbaus des Weitverkehrsnetzes überall im Bundesgebiet durchgeführt. Im Großraum München z. B. sind schon vor Jahren die Knotenvermittlungsstellen Freising, Dachau, Fürstenfeldbruck und Starnberg errichtet worden. Die Tatsache, daß zwischen München und den benachbarten Landkreisen eine enge wirtschaftliche Verflechtung besteht, trifft in gleicher Weise auf die Regionen einer jeden Großstadt, insbesondere einer jeden Landeshauptstadt zu. So gesehen läßt sich sogar feststellen, daß die Fernsprechteilnehmer des Kreises Ebersberg bislang eine Gebührenvergünstigung haben, die den Bewohnern anderer Landkreise in vergleichbarer Lage schon seit langem nicht mehr geboten werden kann. Anlage 75 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Haar vom 12. April 1972 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten van Delden (CDU/CSU) (Drucksache VI/3313 Frage B 65) : Ist es zutreffend, daß die Deutsche Bundespost eine Dalenfernsprechtastatur (System Siemens) einführen will, welche abweicht von der international bei Büro- und Buchungsmaschinen gebräuchlichen Zehnertastatur, und ist sie gegebenenfalls bereit, ihren Standpunkt zugunsten der oben erwähnten Bedienungsvereinheitlichung (Rationalisierung) zu überprüfen? Für die Zukunft plant die Deutsche Bundespost die Einführung von Tastenwahlapparaten bei Sprechstellen des öffentlichen Fernsprechnetzes. Die Anordnung der Tasten weicht zwar von der bei Buchungs- und Büromaschinen gebräuchlichen Zehnertastatur ab. Sie wird sich jedoch nach der Empfehlung des Internationalen Beratenden Ausschusses für Fernsprech- und Telegrafenwesen (CCITT) richten, die 1968 auf der Vollversammlung dieses Ausschusses von allen Fernmeldeverwaltungen der Internationalen Fernmeldeunion angenommen wurde. Zu den Tagungen der CCITT ist auch die ISO (International Standardization Organisation) zugelassen. Nach diesen Empfehlungen des CCITT werden die Tastaturen ,der Fernsprechapparate überall in der Welt gestaltet; in den USA sind schon Millionen von Apparaten mit dieser Tastatur in Betrieb. Die Anordnung der Tasten ist in drei Reihen zu je drei Tasten und einer vierten Reihe mit der Null-Taste in der Mitte. Links und rechts von der Null-Taste werden für besondere Dienste noch weitere Tasten zugelassen. Die Lesefolge ist wie üblich von links nach rechts und von oben nach unten, links oben beginnend mit „ 1 '' Die Deutsche Bundespost beabsichtigt nicht, bei ihren Fernsprechapparaten von dieser internationalen Norm abzugehen. Anlage 76 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Haar vom 12. April auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Pfeifer (CDU/CSU) (Drucksache VI/3313 Fragen B 66 und 67) : Trifft es zu, daß im Zuge der kommunalen Neugliederung Baden-Württembergs eine größere Anzahl von Postämtern aufgelöst werden soll, und wie viele Postämter sind davon gegebenenfalls im Bezirk der Oberpostdirektion Tübingen betroffen? Auf welche Weise wird die Bundesregierung in jedem einzelnen Fall vor der Auflösung eines Postamtes sicherstellen, daß den betroffenen Postbediensteten daraus keine wesentlichen sozialen Nachteile und den Postkunden keine unzumutbaren Erschwernisse entstehen? Vor Einleitung der kommunalen Neugliederung Baden-Württembergs waren im Bezirk der Oberpostdirektion Tübingen 3378 selbständige Gemeinden vorhanden. Bis zum 1. April 1972 haben 207 dieser Gemeinden ihre Selbständigkeit aufgegeben. In 84 der davon betroffenen Neuordnungsgebiete sind die postbetrieblichen Folgemaßnahmen bereits durchgeführt, in 123 Fällen werden sie gegenwärtig geprüft. In den abgeschlossenen 84 Fällen wurden 5 Postanstalten aufgehoben, davon 4 in Orten mit weniger als 200 Einwohnern. Die aufgehobenen Postanstalten wurden von der Bevölkerung in so geringem Umfang in Anspruch genommen, daß ihre Beibehaltung nach postbetrieblichen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht vertretbar war. Bei Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 181. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. April 1972 10585 33 Postanstalten wurden betriebsorganisatorische Änderungen durch Zusammenfassung des Posteingangs und der Zustellung innerhalb der neuen Verwaltungseinheiten vorgenommen, die aber für die Postkunden keine Auswirkungen haben. Personelle Schwierigkeiten und soziale Härten haben sich für das Personal der betroffenen Postanstalten nicht ergeben. Welche weiteren Auswirkungen die kommunalen Neuordnungsmaßnahmen im Bezirk der Oberpostdirektion Tübingen auf die Zahl und die Organisationsform der Postanstalten haben werden, kann erst festgestellt werden, wenn die kommunale Neugliederung in allen Einzelheiten festgelegt ist. Insgesamt ist jedoch festzustellen, daß alle postbetrieblichen Änderungen nach den den Oberpostdirektionen gegebenen Richtlinien so durchgeführt werden, daß die Postversorgung der betroffenen Orte nicht verschlechtert wird. Ebenso ist sichergestellt, daß die erforderlichen personellen Veränderungen unter Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte vorgenommen und Härten für das Personal vermieden werden. Ich darf Sie noch darauf hinweisen, daß die im Zusammenhang mit der kommunalen Neuordnung für die Deutsche Bundespost aufkommenden Fragen einschließlich der personellen Maßnahmen —ausführlich in dem Beitrag „Deutsche Bundespost und kommunale Neuordnung" von Herrn Staatssekretär Gscheidle im Bulletin der Bundesregierung Nr. 116 vom 4. August 1971 dargestellt sind. Anlage 77 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Ravens vom 13. April 1972 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Haack (SPD) (Drucksache VI/3313 Frage B 68) : Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß die neue Verwaltungsvorschrift zum 2. Wohngeldgesetz, nach der Bewohner eines Altenpflegeheimes, das räumlich und wirtschaftlich eine Einheit mit einem Altenheim bildet, beim Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen nur dann einen Anspruch auf Wohngeld haben, wenn die Bettenzahl im Altenpflegeheim geringer als im Altenheim ist, sachlich gerechtfertigt und rechtlich bedenkenfrei ist? Wohngeld wird zur wirtschaftlichen Sicherung angemessenen Wohnens gewährt. Deshalb haben auch Insassen von Heimen nach § 3 Abs. 1 Satz 2 des Zweiten Wohngeldgesetzes Anspruch auf Wohngeld, wenn das Heim „überwiegend Wohnzwecken dient". Das ist bei Altenwohnheimen der Fall. Bei einem Altenpflegeheim überwiegt dagegen die Betreuung der Heimbewohner gegenüber der Nutzung der Wohnräume. Hier steht der Pflegezweck im Vordergrund, weil nicht das Alter, sondern die Pflegebedürftigkeit für die Aufnahme entscheidend ist. Deshalb kann in diesen Fällen nach § 3 Abs. 1 Satz 2 des Zweiten Wohngeldgesetzes kein Wohngeld gewährt werden. Diese Vorschrift ist eindeutig. Ist ein Altenpflegeheim mit einem Altenwohnheim wirtschaftlich zu einer Einheit zusammengefaßt, verliert es seinen Charakter als Altenpflegeheim nur dann, wenn der Wohnheimteil größer und demgemäß die Bettenzahl im Altenpflegeheim geringer ist als im Altenwohnheim. Daran knüpft Nr. 3.3 Buchstabe c der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Zweiten Wohngeldgesetz an. Dies entspricht der z. Z. herrschenden Meinung. Diese auf den Charakter des Heims bezogene Betrachtungsweise ermöglicht eine klare Abgrenzung zwischen den Heimen, deren Bewohner ein Wohngeld erhalten, und den Heimen, deren Bewohner Wohngeld nicht erhalten. Dies dient auch der Verwaltungsvereinfachung, weil nicht in jedem Fall festgestellt werden muß, ob der Bewohner z. Z. der Antragstellung als Pflegebedürftiger anzusehen ist oder nicht. Wollte man eine auf den einzelnen Antragsteller bezogene Betrachtungsweise Platz greifen lassen, so würden zwar alle nicht aus Gründen der Pflegebedürftigkeit in Heimen untergebrachten Bewohner in den Kreis der Antragberechtigten einbezogen werden, jedoch müßten konsequenterweise die in Altenwohnheimen und anderen Heimen untergebrachten Bewohner, bei denen die Pflegebedürftigkeit und nicht die wohnliche Nutzung des Heimplatzes im Vordergrund steht, von der Wohngeldgewährung ausgeschlossen werden, obwohl sie nach den geltenden Vorschriften wohngeldberechtigt sind. Da die subjektive Betrachtung nach den Erfahrungen mit dem (ersten) Wohngeldgesetz für die Verwaltung größere Erschwernisse mit sich gebracht hat als eine an den Heimcharakter geknüpfte, hat der Gesetzgeber den Heimcharakter für ausschlaggebend erklärt. Hinzu kommt, daß wirtschaftliche Nachteile den Betroffenen in der Regel nicht entstehen. Die Bewohner eines Altenpflegeheimes, das mit einem Altenwohnheim wirtschaftlich zu einer Einheit zusammengefaßt ist, erhalten meist Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz und der Träger der Sozialhilfe kommt in voller Höhe für den Teil der Heimkosten, den die Antragsteller nicht aus eigenen Mitteln aufbringen können, auf. Da die von Ihnen aufgeworfene Frage Gegenstand mehrerer Verwaltungsstreitverfahren, insbesondere auch vor dem Bundesverwaltungsgericht anhängig ist, und ich von den Gerichten um Stellungnahme gebeten worden bin, wird diese Frage z. Z. in meinem Hause gemeinsam mit den beteiligten Bundesressorts nochmals geprüft. Ich werde Sie zu gegebener Zeit über das Ergebnis gern unterrichten. Anlage 78 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatsekretärs Raffert vom 14. April 1972 auf die Schriftlichen Fragen des Ab- 10586 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 181. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. April 1972 geordneten Dr. Evers (CDU/CSU) (Drucksache VI/3313 Fragen B 69 und 70) : Ist das atomrechtliche Verfahren gemäß § 7 Abs. 3 des Atomgesetzes für das geplante Atomkraftwerk Breisach bereits eingeleitet worden, und ist die Bundesregierung bereit, im Rahmen ihrer Rechts- und Fachaufsicht über die Genehmigungsbehörde der Länder gemäß Artikel 85 des Grundgesetzes über den Stand dieses atomrechtlichen Verfahrens Auskunft zu geben? Ist die Bundesregierung wegen der besonderen Problematik des geplanten Atomkraftwerkes von Breisach bereit, vor Abschluß des atomrechtlichen Verfahrens eine umfassende Unterrichtung des zuständigen Ausschusses des Deutschen Bundestages über das Ergebnis des atomrechtlichen Verfahrens vorzunehmen? Die Badenwerk Aktiengesellschaft hat am 2. Juni 1971 bei der zuständigen Genehmigungsbehörde des Landes Baden-Württemberg den Antrag auf Erteilung eines Standortvorbescheides gemäß § 7 a AtG für ein Kernkraftwerk auf einem Gelände in der Gemarkung Breisach gestellt. Am 8. Dezember 1971 schränkte die Badenwerk AG ihren Antrag, der ursprünglich auf eine geplante maximale Ausbauleistung von 4000 MW elektrischer Leistung lautete, auf eine Ausbauleistung von 2 Blöcken mit je 1300 MW ein. Die im Vorbescheidsverfahren vorgeschriebene Beteiligung aller Behörden des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der sonstigen Gebietskörperschaften, deren Zuständigkeitsbereich berührt wird (§ 7 Abs. 3 AtG), ist durch die Genehmigungsbehörde erfolgt. Zum Stand des atomrechtlichen Verfahrens ist zu sagen, daß die vom Antragsteller zu liefernden Antragsunterlagen noch nicht vollständig sind. Insbesondere fehlen noch Angaben über die seismischen und klimatischen Verhältnisse am vorgesehenen Standort. Erst wenn diese Unterlagen — voraussichtlich Anfang Mai 1972 — vorliegen, kann die Genehmigungsbehörde alle erforderlichen Gutachten und Stellungnahmen einholen sowie die öffentliche Bekanntmachung des Vorhabens und die Erörterung von Einwendungen durchführen. Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft wird unverzüglich nach Vorliegen der vollständigen Antragsunterlagen die Prüfung des Antrages durch die Reaktorsicherheitskommission veranlassen. Die Bundesregierung wird, sobald ausreichende Antragsunterlagen und die wichtigsten Gutachten vorliegen, den Bundestagsausschuß für Bildung und Wissenschaft über den Stand des atomrechtlichen Verfahrens informieren, sofern der Ausschuß es wünscht. Anlage 79 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Raffert vom 13. April 1972 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Hubrig (CDU/CSU) (Drucksache VI/3313 Frage B 72): Wie weit sind die praktischen Anwendungen der im Forschungsbericht IV, Textziffer 12, zitierten EDV-unterstützten Informationssysteme im Bereich der Forschungsförderung des BMBW gediehen? Am Ende der Ziffer 12 des Bundesforschungsberichts IV heißt es, mit der praktischen Anwendung der beiden EDV-gestützten Informationssysteme werde noch in diesem Jahr begonnen. Die Entwicklung dieser Systeme, die in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung mbH in Bonn (Birlinghoven) durchgeführt wird, ist also noch im Gange. Dabei ist das kompliziertere und aufwendigere Informationssystem für Förderungsvorhaben, das Sie in erster Linie interessieren dürfte, weniger weit fortgeschritten als das Informationssystem für Haushalts- und Finanzdaten; bei letzterem waren bei der Vorbereitung des Finanzplans 1972 bis 1976 bereits erste praktische Anwendungen (Ausdruck von Übersichtslisten und dergleichen) möglich. Anlage 80 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Raffert vom 13. April 1972 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Lenzer (CDU CSU) (Drucksache VI/3313 Fragen B 73 und 74): Ist die Bundesregierung bereit, die im Forschungsbericht IV, Absatz 29, getroffene Feststellung, daß „die Stiftungstätigkeit durch entsprechende steuerliche Regelungen weiter angeregt werden könnte", durch Vorschläge genauer zu präzisieren? Ist die Bundesregierung der Ansicht, daß der Wegfall der Sonderabschreibungen für Forschungs- und Entwicklungsausgaben im Rahmen der EWG-Steuerharmonisierung und unter Berücksichtigung der steuerlichen Forschungsförderung in den westlichen Industrieländern geeignet ist, die internationale Wettbewerbsposition der deutschen Wirtschaft einzuschränken? Die Bundesregierung ist der Meinung, daß das Stiftungswesen in der Bundesrepublik Deutschland noch stärker angeregt werden kann, wenn teilweise stiftungshemmende Wirkungen des geltenden Steuerrechts entfallen. Mit dem Gesetz über die Gewährung von Investitionszulagen und zur Änderung steuerrechtlicher und prämienrechtlicher Vorschriften (Steueränderungsgesetz 1969 - BGBl. I S. 1211 vom 21. August 1969) ist ein Fortschritt erzielt worden. So kann bei unentgeltlicher Überlassung eines Wirtschaftsgutes an eine Stiftung etc. im unmittelbaren Anschluß an seine Entnahme statt des Teilwertes der Buchwert angesetzt werden (Änderung und Ergänzung der §§ 6 Abs. 1 Ziff. 4, 10 b Abs. 1 EStG und des § 11 Ziff. 5 Buchst. a) KStG). Gegenwärtig werden im Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft weitere Überlegungen angestellt, die jedoch zunächst mit den übrigen Bundesressorts erörtert werden müssen. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß für die Zukunftssicherung der deutschen Wirtschaft Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen unbedingt erforderlich sind. Die Bewertungsfreiheit für abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die der Forschung oder Entwicklung dienen (§ 82 d EStDV), ist jedoch bereits bei ihrer Einführung im Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 181. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. April 1972 10587 Jahre 1965 als eine bis 31. Dezember 1970 befristete Maßnahme angesehen worden, weil sie mit den Bestrebungen zur Vereinfachung des Steuerrechts schlecht in Einklang zu bringen war und weil wirksamere steuerliche Hilfen zur Förderung von Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen geplant waren. Im Steueränderungsgesetz 1969 ist eine einmalige Verlängerung der Bewertungsfreiheit bis zum 31. Dezember 1974 vorgenommen worden. Sie sollte unbillige Härten in einer gewissen Übergangsphase vermeiden helfen. Der Schwerpunkt der steuerlichen Förderung ist ab 1970 auf die 10%ige Investitionszulage für Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die der Forschung oder Entwicklung dienen, verlagert worden, die — im Gegensatz zu dem nur zeitweiligen Steuerverzicht des Staates bei der Bewertungsfreiheit — eine auf die Dauer wirkende Förderung darstellt. Die Bundesregierung ist daher nicht der Ansicht, daß der Wegfall der Bewertungsfreiheit für Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen die internationale Wettbewerbsposition der deutschen Wirtschaft einschränkt.
Gesamtes Protokol
Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0618100000
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, nach einer Vereinbarung im Ältestenrat soll die Tagesordnung ergänzt werden um die in der Ihnen vorliegenden Liste bezeichneten Vorlagen:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutz des Olympischen Friedens
— Drucksache VI/3202 —
Schriftlicher Bericht des Innenausschusses (4. Ausschuß)

— Drucksache VI/3337 —
Berichterstatter: Abgeordneter Liedtke
Abgeordneter Dr. Schneider (Nürnberg)

Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft (8. Ausschuß) über die von der Bundesregierung beschlossene Verordnung zur Änderung des Deutschen TeilZolltarifs (Nr. 7/72 — Zollpräferenzen 1972 gegenüber Entwicklungsländern — EGKS)
— Drucksachen VI/3303, VI/3332 — Berichterstatter: Abgeordneter Kater
Ich höre keinen Widerspruch. Damit ist die Erweiterung der Tagesordnung beschlossen.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll der Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/ CSU zur Beratung des Agrarberichts 1972 der Bundesregierung — Umdruck 268 — noch dem Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung überwiesen werden. Ich höre auch hier keinen Widerspruch. Dann ist auch dieses so beschlossen.
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen hat am 10. April 1972 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Mick, Erpenbeck und der Fraktion der CDU/CSU betr. Wohnungsbau — Drucksache VI/3288 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache VI/3326 verteilt.
Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat am 30. März 1972 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Kiechle, Ehnes, Dr. Früh, Bremm, Dr. Ritz, Dr. Jobst, Niegel, Hösl, Biehle, Dr. Prassler, Weigl, Engelsberger, von AltenNordheim und Genossen betr. Agrar-Strukturpolitik — Drucksache VI/3227 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache VI/3333 verteilt.
Der Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat mit Schreiben vom 5. April mitgeteilt, daß der Ausschuß gegen die nachfolgenden, zwischenzeitlich verkündeten Verordnungen keine Bedenken erhoben habe:
Verordnung des Rates (EWG) über die Regelung für Erstattungen bei der Erzeugung für Weißzucker, der bei der Herstellung der im Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 765/68 aufgeführten Erzeugnisse verwendet wird
— Drucksache VI/2874 —Verordnung (EWG) des Rates zur Ergänzung der Verordnung (EWG) Ni. 805/68 bezüglich der Vorausfestsetzung der Abschöpfung für Rindfleisch
— Drucksache VI/2907 —
Verordnung des Rates (EWG) zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 888/68 in bezug auf die Begriffsbestimmung der Rindfleischkonserven
— Drucksache VI/2908 —
Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 359/67/EWG über die gemeinsame Marktorganisation für Reis
— Drucksache VI/2985 —Verordnung (EWG) des Rates zur Festsetzung der monatlichen Zuschläge zum Marktrichtpreis, zum Interventionspreis und zum Schwellenpreis für Olivenöl für das Wirtschaftsjahr 1971/1972
— Drucksache VI/2733 —
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
EG-Vorlagen
Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie vom 20. Juli 1970 über die Einführung gemeinschaftlicher Probenahmeverfahren und Analysemethoden für die amtliche Untersuchung von Futtermitteln —— Drucksache VI/3318 —
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (federführend), Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates (EWG) zur Änderung der Verordnungen über die Finanzierung von Interventionsausgaben auf dem Binnenmarkt für Agrarerzeugnisse.
— Drucksache VI/3319 —
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie vom 14. Juni 1966 über den Verkehr mit Betarübensaatgut, über den Verkehr mit Futterpflanzensaatgut, über den Verkehr mit Getreidesaatgut, über den Verkehr mit Pflanzkartoffeln, der Richtlinie vom 30. Juni 1969 über den Verkehr mit Saatgut von 01- und Faserpflanzen und der Richtlinien vom 29. September 1970 über den Verkehr mit Gemüsesaatgut und über einen gemeinsamen Sortenkatalog für landwirtschaftliche Pflanzenarten
— Drucksache VI/3320 —
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates (EWG) zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 656/71 des Rates vom 30. März 1971 über die Regelung für Mais mit Ursprung in der Vereinigten Republik Tansania, der Republik Uganda und der Republik Kenia
— Drucksache VI/3321 —
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat



Vizepräsident Dr. Jaeger
Entscheidung des Rates über die statistische Erfassung des grenzüberschreitenden Personenverkehrs mit Kraftomnibussen im Gelegenheitsverkehr
— Drucksache VI/3322 —
überwiesen an den Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen mit der Bitte um Vorlage des Berichts redit-zeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates (EWG) zur Aufstellung allgemeiner Regeln für die Bezeichnung und Aufmachung der Weine und der Moste
— Drucksache VI/3323 —
überwiesen an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit (federführend), Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Fünfte Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer — Einführungen der Mehrwertsteuer in der Italienischen Republik —— Drucksache VI/3324 —
überwiesen an den Finanzausschuß (federführend), Haushaltsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung (EURATOM, EGKS, EWG) Nr. 600/72 des Rates vom 23. März 1972 zur Angleichung der Berichtigungskoeffizienten auf die Dienst- und Versorgungsbezüge der Beamten und sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften
überwiesen an den Innenausschuß (federführend), Haushaltsausschuß mit der Bitte um Berichterstattung innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen den Vorschlag erhoben werden
Wir kommen nunmehr zu Punkt 11 der gemeinsamen Tagesordnung:
Beratung des Jahresberichts 1971 des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages
— Drucksache VI/3232 —
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wörner.

Dr. Manfred Wörner (CDU):
Rede ID: ID0618100100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich diese Aussprache damit eröffnen, daß ich dem abwesenden, kranken Bundesverteidigungsminister für meine Fraktion und für meine Person herzliche Wünsche zur gesundheitlichen Besserung übermittle.

(Beifall.)

Bei aller Kritik, die ich in dem einen oder anderen Punkt zu üben habe, empfinde ich Dankbarkeit und Respekt gegenüber der rastlosen Hingabe an sein Amt, dem dieser Mann seine Gesundheit geopfert hat.
Noch steckt die Bundeswehr nicht in einer Krise, noch ist sie in der Lage, ihre Aufgabe, ihren Auftrag zu erfüllen. Aber sie befindet sich unleugbar in einer äußerst kritischen Phase ihrer Entwicklung, die jeden gutmeinenden Betrachter besorgt stimmen muß. So falsch es wäre, die Bundeswehr in eine Krise hineinzureden, so verhängnisvoll wäre es, diese Entwicklung zu bagatellisieren und die bedenklichen Erscheinungen nicht wahrhaben zu wollen. Wenn der Bundesverteidigungsminister bei der Amtseinführung von Admiral Zimmermann als neuem Generalinspekteur erklärt, er sehe keine Anzeichen für eine geringere Bereitschaft der Soldaten, im Gefechtsdienst oder in der Spezialverwendung ihre Pflicht zu tun, dann steht diese Aussage in klarem Widerspruch zu den Feststellungen des Wehrbeauftragten und der Wirklichkeit des Truppenalltags, wie sie Ihnen gerne jeder Unteroffizier und Offizier bestätigen wird. Wer die kritischen Zustände, die der Wehrbeauftragte aufgedeckt hat, herunterzuspielen versucht, tut der Bundeswehr einen schlechten Dienst. Und wenn der Bundesverteidigungsminister in einem Interview mit dem Westdeutschen Rundfunk erklärt: „Die Unruhe ist eigentlich erst entstanden durch den Bericht des Wehrbeauftragten; vorher war sie nicht da", dann kommt mir das so vor, wie wenn jemand das Fieberthermometer dafür verantwortlich machen will, daß das Fieber des Patienten gestiegen ist.
Ganz sicher wissen auch wir, daß der erste Maßstab für die Funktionsfähigkeit einer Armee ihre Leistung in militärischer Hinsicht ist, und auch wir anerkennen dankbar, daß die Bundeswehr bei Übungen und Manövern noch immer gute, teilweise sogar sehr gute Leistungen erbringt. Aber ich sage hier — und ich sage es namens meiner Fraktion —: Wenn sich die Entwicklung vor allem im disziplinären Bereich so fortsetzt und wenn der Bundesverteidigungsminister die Lage nicht in den Griff bekommt, dann werden darunter, und zwar binnen kurzem, auch die Leistungsfähigkeit und die Kampfkraft dieser Truppe leiden. Darum, meine sehr verehrten Damen und Herren, darf ich jetzt sagen, gilt es, die Dinge beim Namen zu nennen, nach den Ursachen zu forschen und die Mißstände an den Wurzeln zu packen.
Zunächst lassen Sie mich aber dem Wehrbeauftragten und seinen Mitarbeitern herzlich Dank sagen für die Offenheit, mit der er gerade dies getan hat. Diese Institution hat eine Entwicklung genommen, die man an sich nur dankbar begrüßen kann. Aus einer Institution, die zum Teil dem Mißtrauen gegenüber den Soldaten entsprang, ist eine Art Barometer für die Stimmung in der Truppe geworden, eine Stelle, die die Sorgen und Nöte dieser Truppe, und zwar ungetrübt durch politische Zweckmäßigkeitsüberlegungen und nicht gefiltert durch bürokratische Ängstlichkeit, dem Bundestag und der deutschen Öffentlichkeit übermittelt.
Ich pflichte dem Urteil eines sehr bekannten und auch sehr fähigen militärpolitischen Journalisten, des Herrn Weinstein, bei, der in einem beachtlichen Artikel folgendes schrieb:
Unsere Bundeswehr hat Schwächen. Der Wehrbeauftragte deckt sie schonungslos auf. Er zerreißt den Rauchschleier, den der Verteidigungsminister mit der Fülle seiner Reformideen um zahlreiche ungelöste Probleme dieser Bundeswehr gezogen hat.
Jetzt kommt es darauf an, entschlossen und konsequent zu handeln. Ich persönlich bin überzeugt, daß dazu noch immer Zeit ist. Allerdings nicht mehr sehr lange. Jeder Tag, der ungenützt verstreicht, verschlimmert die Lage.
Auf die Bundeswehr kommen — wir alle wissen das — in der Mitte der 70er Jahre schwere, schwerste Probleme zu, die außergewöhnliche Belastungen mit sich bringen. Ich denke etwa an die Folge der finanziellen Engpässe für die Rüstungsplanung oder an die Umstrukturierung der Bundeswehr, vor der wir stehen. Wenn wir es bis dahin nicht geschafft haben, die Bundeswehr innerlich zu stabilisieren, ihr also ein gesichertes inneres Gefüge und ein ungebrochenes Selbstverständnis zu geben,



Dr. Wörner
dann wird die Bundeswehr diesen zusätzlichen Belastungen kaum gewachsen sein.
Woran krankt nun diese Bundeswehr insbesondere? Erstens an einem deutlichen Nachlassen der Disziplin. Man würde der Mehrzahl der Wehrpflichtigen Unrecht tun, wenn man dieses Urteil unzulässig verallgemeinern wollte. Es gibt Truppenteile und Einheiten, bei denen es besser, andere, bei denen es schlechter ist. Die Mehrzahl der Wehrpflichtigen verhält sich noch immer diszipliniert. Dennoch schrecken die zunehmenden Symptome.
Die unerlaubte Entfernung von der Truppe hat, wie wir alle wissen, in geradezu beängstigendem Umfange zugenommen. Wir haben in einem Jahr Steigerungsraten um fast drei Viertel. Die Suchkosten nach eigenmächtig Abwesenden betragen in einem einzigen Feldjägerdienstkommando der Bundesrepublik bereits in einem Jahr über 40 000 DM. Es kommt vor, daß Soldaten bis zu zehnmal im Jahr der Truppe eigenmächtig fernbleiben.
Auch der Ungehorsam vor allem gegenüber jüngeren Vorgesetzten ist im Steigen. Man versucht häufig, sich vor unangenehmen Diensten durch Krankmeldungen zu drücken, und der Einsatz bei körperlichen Anstrengungen läßt zu wünschen übrig, Zapfenstreichüberschreitungen sind an der Tagesordnung und Fahrlässigkeit beim Umgang mit Gerät nicht eben selten.
Zweitens krankt diese Bundeswehr an einem immer schlechteren äußeren Erscheinungsbild. Nicht nur die Haare, sondern auch Gruß, Anzug, Haltung, Pflege der persönlichen Ausrüstung sind häufig mangelhaft. Die Sauberkeit läßt zu wünschen übrig. Auch das Verhalten in der Öffentlichkeit entspricht häufig nicht unseren Vorstellungen.
Lassen Sie mich eines klarstellen, weil der Herr Bundesverteidigungsminister es ja immer als eine Äußerung modischer Anpassung bezeichnet: Es geht hier nicht um eine Frage der Mode. Niemand hat etwas dagegen, wenn auch der Soldat mit der Mode geht. Niemand denkt daran, dem Soldaten modischen Schick, etwa — wenn wir schon bei der Frage der Haare sind — einen modischen halblangen Haarschnitt verwehren zu wollen.

(Abg. Wehner: Er will zeigen, daß er welche hat!)

--- Ja, Herr Kollege Wehner, Sie haben recht. Ich persönlich empfinde beim Anblick langer Haare meistens nur noch eines, und das ist Neid.

(Heiterkeit.)

Ganz im Gegenteil: auch eine Armee soll mit der Zeit gehen und dem modischen Empfinden Rechnung tragen. Aber bei den Dingen, die wir beanstanden, geht es um etwas ganz anderes, nämlich um Unsauberkeit und Unordentlichkeit, und das dürfen eine Armee und auch eine politische und militärische Führung nicht zulassen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Nun gibt es manchen, der da sagt: Es kommt gar nicht darauf an, wie eine Truppe nach außen auftritt; entscheidend ist, daß sie etwas leistet. Leider ist das bestenfalls die halbe Wahrheit. Zum einen deswegen, weil die Bevölkerung — und zwar nicht nur bei uns im Inland, sondern auch im Ausland; man denke nur etwa an den Truppenbesuch in Brest — die Qualität einer Armee nicht zuletzt nach ihrem Auftreten und ihrer Haltung beurteilt.
Daß der „geniale" Einfall mit den Haarnetzen einiges dazu beigetragen hat, einen Teil der Bundeswehr oder einige Soldaten der Lächerlichkeit preiszugeben, scheint mir jedenfalls außer Zweifel zu stehen. Man müßte einmal untersuchen — wenn ich das hier ironisch hinzufügen darf —, ob nicht die neue Form der Haarnetze einen Verstoß gegen die Menschenwürde eher in sich schließt als manches andere.

(Zustimmung und Heiterkeit bei der CDU/ CSU.)

Wie oft hören wir — und zwar nicht nur von Vorgestrigen und Reaktionären in unserer Bevölkerung — die Meinung, daß eine Armee, die so aussehe, auch nicht viel taugen könne. Dieses Urteil mag ungerecht sein; es ist in dieser Härte zweifelsohne ungerecht. Es kann uns aber nicht gleichgültig lassen; denn das Ansehen einer Armee ist für die Verankerung dieser Armee in der Gesellschaft, für das Selbstwertgefühl der Soldaten und damit allein schon für die Nachwuchswerbung unerläßlich. Wer es zuläßt, daß das Ansehen einer Armee Schaden leidet, der kann auf die Dauer die Qualität einer Armee auch nicht halten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Zum anderen — auch das sei gesagt — ist es eine unleugbare praktische Erfahrung, die jeder Truppenführer draußen bestätigen wird, daß im Regelfall zwischen äußerer Einstellung und innerer Haltung ein enger Zusammenhang besteht. Wer schlampig und unordentlich auftritt, erfüllt auch seine militärischen Aufgaben, jedenfalls in der Regel, eher nachlässig als zuverlässig.
Für mich steht die Frage der Haare — ich sagte das schon mehrfach — nicht im Vordergrund. Ich sehe darin allerdings ein wichtiges Symptom. Mit dem Nachgeben in dieser Frage hat man einen Damm eingerissen. Selbst der scheidende Generalinspekteur de Maizière hat das in seinem Interview mit Gaus, wie ich glaube, recht eindrucksvoll bestätigt. Man hat mit diesen Erlassen die klare Grenze verwischt, und man hat damit ganz unzweifelhaft die Vorgesetzten verunsichert. Viele Soldaten — auch das wird niemand bestreiten können — sehen in diesem Erlaß um die Haar- und Barttracht einen Freibrief für eine großzügige und nachlässige Ausführung von Befehlen, insbesondere beim Einhalten der Anzugsordnung, im militärischen Auftreten und im Verhalten in und außer Dienst.
Ich darf hier noch einmal jenen Journalisten zitieren, der geschrieben hat:
Für den Verteidigungsminister ist die Kritik am Äußeren seiner Soldaten nun zu einem Tabu geworden. Für den Haar- und Barterlaß trägt er die Verantwortung. Er wird nicht gerne daran erinnert. Er möchte als Mode herunter-



Dr. Wörner
spielen, was insgesamt als Protest gegen die Streitkräfte begriffen werden kann.
Dem habe ich nichts hinzuzufügen.
Drittens krankt diese Bundeswehr an einer zunehmenden Unlust und Unwilligkeit der Wehrpflichtigen. Sicher — auch das muß man hier sagen —kommt noch immer ein großer Teil der Wehrpflichtigen willig seinen Pflichten nach; aber Umfragen und Untersuchungsbefunde beweisen: die Abneigung gegen die allgemeine Wehrpflicht wächst. Jüngere Altersklassen und höhere Bildungsschichten äußern gegenüber Ansehen und Notwendigkeit der Bundeswehr eine deutlich schlechtere Haltung. Und dann soll mir jemand erklären wollen, daß angesichts dieser Haltung, die von der Unlust bis hin zum offenen Protest reicht, der Dienst nicht behindert sei, die Aufgaben des Vorgesetzten nicht schwieriger würden und die Erfüllung der Aufgaben in der Bundeswehr nicht schwerer würden. Ich nehme ihm das jedenfalls nicht ab.
Viertens ein weiteres Symptom: Die Bundeswehr leidet an einer wachsenden und bis hin zur Resignation reichenden Enttäuschung im Unteroffiziers- und Offizierskorps, und zwar, nicht nur etwa bei älteren, sondern auch — ich möchte sogar sagen: gerade — bei jüngeren Unteroffizieren und Offizieren. Das ist nach meiner Auffassung die gefährlichste Entwicklung, jedenfalls auf lange Frist gesehen; denn dieses Offiziers- und Unteroffizierskorps ist das größte Kapital, das wir in dieser Armee haben. Gerade die jungen Unteroffiziere und Offiziere zeichnen sich durch fachliches Können und ein hohes Maß an innerem Engagement und an Bereitschaft, ihren Dienst zu versehen, aus. Sie können und sie wollen etwas leisten, und sie sind voll guten Willens, aber sie fühlen sich zunehmend im Stich gelassen. Manche geben es auf, sich gegen gefährliche Tendenzen zu stemmen. „Das hat ja doch keinen Zweck" ist ein Urteil, das von uns jedenfalls, die wir die Truppe gelegentlich besuchen, jeder schon gehört hat.. Dieses Wort „Es hat doch keinen Zweck" mag übertrieben sein; dennoch dürfen wir es, wenn es immer häufiger gesagt wird, nicht überhören.
Sicher gibt es immer noch eine große Zahl von Offizieren und Unteroffizieren, die nach dem Motto „Jetzt erst recht!" ihre schwierige Aufgabe versehen. Aber keiner von uns sollte übersehen, daß wir diesen Unteroffizieren und Offizieren zuviel zumuten, wenn wir es ihnen überlassen, auf sich selbst gestellt mit den Versäumnissen dieser Gesellschaft fertig zu werden.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Sie sind ganz einfach überfordert, wenn man von ihnen das erwartet und verlangt, was die Schule versäumt, nämlich Staatsbürger zu erziehen, die eben nicht nur um ihre Rechte wissen, sondern auch bereit sind, ihre Pflichten wahrzunehmen, und zwar auch dann, wenn diese Pflichten lästig sein mögen und wenn sie Opfer an Freizeit und Freiheit kosten.
Hier sind wir bereits beim Kern des Problems, bei der Frage nach den Ursachen. Es ist nicht übertrieben, wenn wir feststellen: die Bundeswehr krankt vor allem an unserer Gesellschaft. Keine Armee in einer freien Gesellschaft kann auf die
Dauer besser sein, als die Gesellschaft es zuläßt, die sie trägt. Dies gilt vor allen Dingen dann, wenn es sich um eine Wehrpflichtigenarmee handelt. Wenn die Gesellschaft in Unruhe ist, kann — das wissen wir alle — die Bundeswehr nicht ruhig sein. Wenn von der Integration des Soldaten in die Gesellschaft gesprochen wird, dann ist das eine Forderung, die — was häufig übersehen wird — ihre zwei Seiten hat. Die Integration des Soldaten in die Gesellschaft ist nicht nur eine Forderung der Gesellschaft an den Soldaten, sondern es ist noch viel mehr und gerade in unserer Zeit eine Forderung des Soldaten an die Gesellschaft.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Die Bundeswehr ist so gut und so schlecht, wie es die Einstellung der Bürger zur Verteidigung zuläßt, und Verteidigung — das ist das, was wir Politiker diesem Volk immer und immer wieder in Erinnerung rufen müssen — ist nicht nur die Sache des Soldaten, sondern Verteidigung ist die Sache des ganzen Volkes.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wenn in einem Volk der Wille zur Verteidigung und zur Selbstbehauptung nachläßt, läßt sich auch die Qualität einer Armee auf die Dauer nicht behaupten. In dieser Situation sind wir heute. Es gibt einen sehr deutlich zu konstatierenden Rückgang der Verteidigungsbereitschaft in unserem Volk, den wir nicht ernst genug nehmen können. Das Ansteigen der Zahlen der Wehrdienstverweigerer aus verschiedenen Gründen ist ein weiteres deutliches Symptom für diesen Rückgang der Verteidigungsbereitschaft.
Wo liegen die Ursachen? Ganz sicher liegen sie natürlich zunächst in der langen Zeit äußerer Sicherheit, die man genossen hat, die selbstverständlich geworden ist. Keiner überlegt sich mehr, daß das ausschließlich die Frucht eben unserer Verteidigungsanstrengungen im Bündnis war und bleibt. Aber mit Gedankenlosigkeit, mit Bequemlichkeit allein läßt sich diese Entwicklung nicht erklären.
Die Verteidigungsbereitschaft hängt von zwei Faktoren ab: zum ersten vom Wissen um die Bedrohung und zum zweiten von der Einstellung zu der politischen Ordnung, die es zu verteidigen gilt. Je weniger der Bürger sich bedroht fühlt, um so geringer wird seine Bereitschaft, für die Verteidigung Opfer zu bringen. Meine Damen und Herren, hier trifft die Bundesregierung die unmittelbare Mitverantwortung für das Nachlassen der Verteidigungsbereitschaft, denn sie überzeichnet die Chancen der Entspannung aus innenpolitischen Gründen fortlaufend.

(Abg. Dr. Klepsch: Sehr gut!)

Sie unterschlägt zunehmend die Rüstungsanstrengungen der Sowjetunion, und sie verschweigt vielfach die Tatsache, daß sich das militärische Kräfteverhältnis in den vergangenen Jahren eindeutig zugunsten der Sowjetunion verändert hat.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Während in den Vereinigten Staaten von Amerika
auch in einem Wahljahr der Präsident wie der



Dr. Wörner
Verteidigungsminister nicht müde werden, die Öffentlichkeit auf diese bedrohliche Tatsache hinzuweisen und davon zu reden, daß die Aufrüstung der Sowjetunion nicht nur defensive Ziele haben könne, erleben wir es, daß der Bundeskanzler, selbst wenn er vor Soldaten in Ulm spricht, auch nicht mit einem Wort auf diese Tatsache zu verweisen wagt.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

Wenn in der neuen Ausgabe einer Publikation, die das Bundesverteidigungsministerium allen Wehrpflichtigen zustellt, jeder Hinweis auf dieses Kräfteverhältnis und auf die Bedrohung fehlt, dann, meine Damen und Herren, braucht sich doch niemand zu wundern, wenn die Wehrpflichtigen uns zunehmend die Frage stellen: Ja, warum eigentlich noch Bundeswehr, und warum müssen wir Wehrdienst leisten?

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Man weist immer auf das Weißbuch hin; und in der Tat, im Weißbuch der Bundesregierung findet man eine sehr deutliche Beschreibung dieses Gleichgewichts. Aber das genügt eben nicht; denn wer liest das schon?! Entscheidend ist die tägliche Wirklichkeit, sind die täglichen Reden; entscheidend ist unser Auftritt vor der Bevölkerung. Da genügt eben auch nicht der Hinweis, den man ab und zu noch anstandshalber anbringt, daß neben der Entspannung immer noch die Sicherheit nötig sei. Das genügt eben nicht. Es bedarf gezielter, ständiger und nüchterner Information auch über diese unangenehmen, harten Fakten. Wer davon redet, daß der Friede sicherer geworden sei, aber nicht mehr die Rüstungsanstrengungen der Sowjetunion erwähnt, und wer von der Entspannung, aber nicht mehr von der Bedrohung redet, der braucht sich nicht zu wundern, wenn das Bewußtsein von der Notwendigkeit der Verteidigung in unserem Volk schwindet.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Noch mit etwas anderem hängt die Verteidigungsbereitschaft aufs engste zusammen. Ich sagte schon, man ist nur dann bereit, etwas zu verteidigen, wenn man es für wert hält, verteidigt zu werden. Auch diese Überzeugung ist in Teilen der jungen Generation im Schwinden begriffen. Wie häufig trifft man bereits Schüler — wir alle wissen das —, die einem erklären, die Ordnung in der Bundesrepblik Deutschland sei nicht verteidigenswert. Dafür steigt die Bereitschaft, die Zustände in der DDR und im Ostblock zu verharmlosen. Noch ist dies eine Minderheit, aber die Tendenz ist steigend, wie die Umfragen und der Bericht des Wehrbeauftragten zu Recht ausdrücken und wie jeder von uns feststellen kann, wenn er vor allem höhere Schulen besucht. Niemand — lassen Sie mich das klarstellen — denkt daran, die wachsende Staatsverdrossenheit und Gleichgültigkeit allein oder überwiegend der Bundesregierung anzulasten. Wir alle tragen hier unser Stück Verantwortung. Aber man bessert dies nicht, wenn man fast nur noch von den Mängeln unserer Gesellschaftsordnung, aber kaum mehr von ihren Vorzügen redet.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Man bessert es auch nicht, wenn man aus lauter
Scheu — und inzwischen besteht eine solche Scheu,
als Antikommunist verdächtigt zu werden — die Zustände drüben nicht mehr beim Namen nennt.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Es geht gar nicht um Schwarzweißmalerei, und es geht auch nicht um Propaganda. Es geht darum, daß wir an unseren Schulen nicht nur Wissen vermitteln, sondern auch Haltung und Bereitschaft zu innerem Engagement heranbilden und daß wir den jungen Menschen zu einer inneren Bejahung der demokratischen Grundwerte und zu einer wertorientierten, positiven Einstellung zu diesem Staat erziehen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Dabei, meine Damen und Herren, müssen wir — wir alle — den Mut haben, wieder etwas mehr von den Pflichten gegenüber dieser Gemeinschaft zu reden und davon, daß es ohne Menschen, die diese Pflichten erfüllen, einen funktionsfähigen Staat und eine in Ordnung befindliche Gesellschaft nicht geben kann. Wir alle reden viel zuwenig von den Errungenschaften unserer freien Ordnung — und ich gebrauche hier dieses Wort von den Errungenschaften bewußt —, davon, daß es noch nie in Deutschland Verhältnisse gegeben hat, die auch nur annähernd so rechtlich, so freiheitlich und so sozial gewesen wären wie heute. Wir müssen wieder dazu übergehen, in unseren Schulen die staatlichen und gesellschaftlichen Ordnungen unserer Zeit in Ost wie in West nicht nur wertneutral, sondern wertend und vergleichend nebeneinanderzustellen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Schließlich, meine Damen und Herren, muß in den Schulen aller Bundesländer durchgesetzt werden, daß über Aufgabenstellung, Sinn und Struktur der Bundeswehr sachlich informiert wird, und zwar so, daß die Notwendigkeit der Landesverteidigung eingesehen wird — darauf kommt es an —, wie das übrigens in anderen europäischen und außereuropäischen Ländern — ich will einmal ganz von denen des Ostblocks absehen — selbstverständlich ist. Die CDU wird in allen Landtagen des Bundesgebiets in diesem Sinne wirken. Das gleiche gilt übrigens auch von der Lehrerbildung. Wir müssen, meine Damen und Herren, von den Lehrern erwarten, daß sie im Gemeinschaftskundeunterricht diese Informationspflicht erfüllen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Soweit sie dazu nicht in der Lage sind, stehen Jugendoffiziere der Bundeswehr zur Verfügung. In dieser Frage sind wir uns sicher in diesem Parlament einig. Nur muß das auch durchgesetzt werden. Das aber kann uns nur wieder gelingen, wenn alle Parteien geschlossen zusammenstehen.
Es war gut und richtig, daß der Bundeskanzler einen Brief an die Kultusminister der Länder geschrieben hat, und ich bin dem Bundesverteidigungsminister dankbar, daß er sich in einer Klarheit, die nichts zu wünschen übrig ließ, mit dem GEW-
Vorsitzenden Frister auseinandergesetzt hat. Es ist aber untragbar — und ich sage das ohne Polemik —, daß Mitglieder der gleichen Partei, nämlich Jungsozialisten in der SPD — wie übrigens auch Jungdemokraten in der FDP —, draußen im Lande



Dr. Wörner
und an der Basis einen erbitterten Kampf gegen beispielsweise eben jenen Erlaß des Kultusministers von Baden-Württemberg Professor Hahn führen, der vom Bundesvorsitzenden der gleichen Partei gewünscht worden ist. Das geht doch nicht!

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wenn eine Partei glaubwürdig sein will, dann darf sie eine solche Entwicklung in ihren eigenen Reihen nicht unwidersprochen hinnehmen. Wenn sie noch nicht einmal in der Lage ist, die Erkenntnis von Sinn und Notwendigkeit der Landesverteidigung in den eigenen Reihen durchzusetzen, wie wollen Sie das dem Schüler, dem Lehrer und dem Bürger klarmachen?

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Natürlich kann man in einer Partei verschiedener
Meinung sein. Darum geht es hier aber gar nicht.

(Zurufe von der SPD.)

— Nein, Herr Buchstaller, darum geht es nicht, sondern es geht darum, daß Mitglieder der gleichen Partei, der auch der Bundesverteidigungsminister angehört, bundeswehrfeindliche Aktionen an den Schulen und außerhalb der Schulen durchführen. Ich habe ein Flugblatt hier mitgebracht. Ich will es mir ersparen, das vorzulesen, weil es für Ihre Partei noch nicht typisch ist. Aber wenn das so weitergeht, könnte es typisch werden, und dann droht Gefahr.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Deswegen sage ich: Sie müssen das in Ihrer eigenen Partei in Ordnung bringen.
Wir können und wollen, meine Damen und Herren, diese Bundeswehr nicht isolieren und auch nicht hermetisch gegen diese Gesellschaft abschließen. Aber gerade darum müssen wir die Bundeswehr besser in den Stand setzen, mit den Schwierigkeiten und Spannungen fertig zu werden, mit denen sie noch auf Jahre hinaus zu kämpfen haben wird. Wir müssen mit jungen Wehrpflichtigen zurechtkommen, die mit ganz anderen Verhaltensweisen und Einstellungen zur Bundeswehr kommen und denen die Welt des Soldatischen zunächst einmal völlig fremd ist. Der junge Mann, der vor dem Kasernentor steht, kennt eben noch keine Befehle, keine Gehorsamspflicht, keine Kasernierung, kein Gemeinschaftsleben, keine Freizeitbeschränkung und vor allen Dingen keine fest gegliederte Hierarchie. Nun plötzlich wird er in der Bundeswehr mit all diesen Erscheinungen konfrontiert. Hier ist es ganz zwangsläufig, daß es zu Spannungen und Schwierigkeiten kommt, besonders dann, wenn der Wehrpflichtige von der Notwendigkeit der Landesverteidigung und also vom Sinn seines Wehrdienstes nicht überzeugt ist. Und je egalitärer, je konsum- und freizeitorientierter sich unsere Gesellschaft darstellt, desto schwieriger wird die Anpassung werden. Mit diesem Dilemma werden wir alle —gleichgültig, wer auch immer regieren mag — zu kämpfen haben. Dieses Dilemma ist — und das muß man, glaube ich, klar sehen — unauflöslich. Auch eine weitgehend technisch-bürokratische Armee, auch eine Armee in der Demokratie wird auf Hierarchie, wird auf Befehl und Gehorsam und auf Disziplin nicht verzichten können und nicht verzichten dürfen.
Von daher — vom Auftrag und von der Ausbildung zum Kampf her — bleibt ein Unterschied zu anderen, zivilen Großorganisationen. Selbst ein gewiß nicht als reaktionär abzustempelnder Soziologe wie von Friedeburg hat das einmal so ausgedrückt:
Es bleibt jener Rest, der selbst die höchstmechanisierten Streitkräfte von anderen bürokratisch-technischen Großorganisationen prinzipiell unterscheidet. Ihre Funktion, Gewalt abzuschrecken, erfordert es, sich auf vielfältige Situationen wechselseitiger Gewaltanwendung und damit auf empfindliche Verluste auch an technischen Mitteln einzustellen.
Es geht hier um die Frage, vor der wir alle stehen, um die Frage, vor der übrigens auch die Soldaten und Politiker der ersten Stunde — hier auf dem Präsidentenstuhl sitzt auch einer von ihnen, dem ich bei dieser Gelegenheit stellvertretend für andere für diese seine Arbeit danken möchte — gestanden haben. Ob nun Soldaten wie Baudissin oder Karst, de Maiziére oder Schnez: sie alle standen vor dem Problem, wie man diese Spannung wenn nicht auflösen, so doch mildern könne und, wenn ja, wie dies eben zu meistern sei.
Man hat in den vergangenen Jahren — das ist eine sehr interessante Entwicklung — immer ausgeprägter versucht, den Konflikt dadurch zu lösen, daß man die Bundeswehr mehr und mehr dem zivilen Bereich angepaßt und den Normen der Industriegesellschaft angeglichen hat. Man betonte die Gemeinsamkeit mit zivilen Dienstleistungsbetrieben; man sprach von der Bundeswehr als von einem Industriebetrieb zur Produktion von Sicherheit und vom Soldatenberuf als von einem Beruf wie jedem anderen auch. Man kam dem Zeitgeist und den zivilen Verhaltensmustern sehr weit entgegen, und das Militärische rückte dabei immer mehr in den Hintergrund.
Hat man — das ist für mich eine interessante Frage, eine Frage, die auch bis zum letzten noch nicht ausgetragen und beantwortet ist — dabei den Konflikt gelöst oder auch nur gemildert? Mir scheint, nein. Die Angleichung an den zivilen Bereich hat den Rollenkonflikt des Wehrpflichtigen eher verschärft. Je kleiner die Restgröße des Militärischen, um so lästiger, unbequemer und ungewohnter wird sie empfunden, wenn der Wehrpflichtige eben plötzlich doch — und das ist unvermeidbar — mit einem Befehl und mit dem Anspruch auf Gehorsam konfrontiert wird. Um so härter wird dann der Zusammenprall und um so geringer das Verständnis des Wehrpflichtigen.
Ganz sicher wäre es auch keine Lösung des Konflikts, nun ins andere Extrem zu verfallen und das Militärische überzubetonen. Eine Armee kann nicht hinter ihre Zeit zurück. Sie muß den gewandelten Verhältnissen und dem Empfinden der Zeitgenossen Rechnung tragen.

(Abg. Wehner: Hört! Hört!)




Dr. Wörner
Das ist — ich weiß nicht, wer das „Hört! Hört!" gesagt hat — eine Erkenntnis, die Gott sei Dank nicht erst seit dem Jahre 1969 gewachsen ist, meine Damen und Herren.

(Abg. Wehner: Hört! Hört!)

Um was es wirklich geht, hat General Trettner einmal sehr richtig wie folgt ausgedrückt — ich finde dieses Zitat ausgezeichnet und möchte es mit Ihrer Genehmigung, Herr Präsident, vortragen —:
Das Problem ist, das richtige Maß der Anpassung an die sich verändernde Gesellschaft zu finden, den Grad der Liberalisierung zu bestimmen, der notwendig ist, um den allzu freizügig aufgewachsenen und erzogenen jungen Menschen das Leben in einer Zwangsorganisation erträglicher zu machen, ohne den Zusammenhalt und die Kampfkraft einer Institution zu beeinträchtigen, die auf Hierarchie und Normen, auf Befehl und Gehorsam angewiesen ist, weil sie der Situation äußerster Gefahr und Bedrohung entsprechen muß.
Darum gilt es, einen vernünftigen Mittelweg einzuschlagen. Und das heißt nach unserer Auffassung erstens, sich offen, bewußt und nicht verschämt zu den Eigentümlichkeiten des Militärischen zu bekennen, die sich aus der Besonderheit des Kampfauftrages der Bundeswehr ergeben.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Zweitens. Der Motivation des Wehrpflichtigen muß viel mehr Aufmerksamkeit als bisher geschenkt werden. Es gilt — und zwar von der ersten Stunde an —, sein Verständnis dafür zu wecken, daß und warum eine Bundeswehr eben andere Gesetzmäßigkeiten als ein ziviles Dienstleistungsunternehmen kennt.
Drittens. Die gemeinsame soldatische Basis ist wieder stärker zu betonen. Das hat nichts mit einer Privilegierung des Soldaten zu tun. Ich halte auch, um das ganz offen zu sagen, den Streit um den Begriff des Soldatenberufs als eines Berufs sui generis nicht für besonders nützlich, nicht für besonders hilfreich, auch nicht für besonders sinnvoll. Es gibt aber — das muß gerade auch in dieser Zeit herausgestellt werden — unbestreitbare Gemeinsamkeiten soldatischen Auftrags und Besonderheiten des soldatischen Dienstes, die ihn von anderen unterscheiden.
Wir sollten auch und gerade bei der Nachwuchswerbung diese Gemeinsamkeiten und Besonderheiten nicht verstecken, sondern herausstellen. Wir brauchen junge Unteroffiziere, junge Offiziere, junge Soldaten, denen Soldatsein Spaß macht, die Freude an der besonderen Führungsverantwortung, an der Bewährung in schwierigen Situationen, am Handeln in die Gefahr hinein und auch an soldatischer Gemeinschaft haben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Viertens. Wir müssen allen Versuchen von Kräften außerhalb des Parlaments und außerhalb der politischen Parteien, jedenfalls aller derer, die hier im Bundestag sind, energisch entgegentreten, die den Soldaten diffamieren oder moralisch diskreditieren wollen. Keiner braucht sich zu schämen, Soldat zu sein. Soldatsein ist auch und, ich sage, gerade in unserer Zeit nichts Anrüchiges. Ganz im Gegenteil, der soldatische Dienst verdient und braucht die Wertschätzung der Gesellschaft. Er bezieht seinen Wert und seine Würde aus seinem Auftrag der Friedenssicherung, des Schutzes und der Verteidigung unserer Gesellschaft.
Fünftens. Der Bundeswehr müssen mehr Möglichkeiten der Selbstdarstellung gegeben werden.
Sechstens. Die militärische Ausbildung darf nicht abgewertet werden. Das ist ein Gedanke, auf den wir besonders bei der Verwirklichung des Konzepts der Bildungsreform in der Bundeswehr achten müssen. Es darf auch keine Benachteiligung der Kampftruppen geben.
Die meisten Mißverständnisse, meine Damen und Herren, ranken sich um den Begriff der inneren Führung, um dessen Klärung sich der Wehrbeauftragte und sein Vorgänger in den letzten Jahren große Verdienste erworben haben. Auch in diesem Jahr hat der Wehrbeauftragte dazu beachtliche Aussagen gemacht, denen die CDU/CSU-Fraktion zustimmt.
Lassen Sie mich noch einmal in einigen wesentlichen Punkten klarstellen, was innere Führung für uns bedeutet und was nicht.
Erstens bedeutet innere Führung das uneingeschränkte Bekenntnis zur Integration der Soldaten in die demokratische Gesellschaft und der Bundeswehr in diesen Staat. Sie bedeutet allerdings, meine Damen und Herren, ein ebenso uneingeschränktes Nein zu allen Forderungen nach Demokratisierung der Armee, insbesondere soweit darunter etwa die Forderung nach Mitbestimmung im dienstlichen Bereich verstanden wird.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

„Wir wissen, daß es keine demokratische Armee geben kann. Eine Armee muß auf den Ordnungsprinzipien von Befehl und Gehorsam beruhen. Die demokratische Gesellschaft bildet ihren Willen auf andere Weise, nämlich durch Diskussion und Abstimmung. Worauf es ankommt, ist also nicht, eine diskutierende Armee zu schaffen, sondern dieser auf Befehl und Gehorsam beruhenden Armee den richtigen Ort in unserer demokratischen Gesellschaft anzuweisen." Das ist ein hervorragendes Zitat eines Sozialdemokraten, ein Zitat von Fritz Erler aus dem Jahr 1963 im Bundestag. Dem ist auch heute und unter den gewandelten Verhältnissen nichts hinzuzufügen, und davon ist auch nichts abzustreichen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Zweitens bedeutet innere Führung die politische Kontrolle der Streitkräfte als eines Teils der Exekutive. Um jedes Mißverständnis zu vermeiden: Darunter ist nicht nur die Kontrolle durch den Bundesverteidigungsminister, sondern gerade auch die Kontrolle durch dieses Parlament und seine Aus-



Dr. Wörner
schösse gemeint. Ich sage das im Blick auf vergangene Dinge.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Drittens. Die Geltung der Grundrechte auch für den Soldaten und sein Anspruch auf menschenwürdige Behandlung sind .ein selbstverständlicher Bestandteil der inneren Führung.
Viertens. Innere Führung heißt auch zeitgemäße Menschenführung. Auch wir bekennen uns zu einem kooperativen Führungsstil, der in einer hochtechnisierten Armee im übrigen selbstverständlich ist, bei dem also „nicht nur befohlen, sondern auch koordiniert und in dem nicht nur gehorcht, sondern auch kooperiert wird". Das war ein Wort von General Schnez. Auch Teamwork jedoch darf jedenfalls in einer Armee die klare Verantwortlichkeit des Vorgesetzten nicht verwischen. Wir sagen auch ja zur Diskussion als einem Führungsmittel, wenngleich es — um das auch so deutlich zu sagen — in der Praxis oftmals außerordentlich schwierig ist, dieses Führungsmittel adäquat anzuwenden. Die Diskussion findet aber ihre klare Grenze an der Gehorsamspflicht, an der in einer Armee einfach nicht gerüttelt werden darf. Zeitgemäße Menschenführung heißt schließlich auch Information und Offenheit, nicht nur von unten nach oben, sondern auch von oben nach unten.
Wir werden bei der Beratung der Grundsätze der inneren Führung im Bundestag entsprechend den Forderungen des Wehrbeauftragten darauf drängen, sie so zu konkretisieren, daß sie verhaltensleitende Kraft zu entwickeln vermögen und nicht nur im Vagen und Unverbindlichen steckenbleiben.
Auf disziplinärem Gebiet hat die politische Führung nach unserer Auffassung weitgehend versagt. Hier hat man die Dinge mehr oder weniger treiben lassen. Der Bundesverteidigungsminister hat — und das ist ein interessantes Wort — selbst von dem schmalen Weg zwischen Zugeständnissen an den Zeitgeist und der militärischen Notwendigkeit, Diszpilin zu lernen und zu wahren, gesprochen. Er selbst ist von diesem schmalen Weg auf die breite Straße der Zugeständnisse an den Zeitgeist abgewichen, wenn ich etwa an verschiedene seiner Interviews oder wenn ich an einige seiner Erlasse denke, die ja auch der Wehrbeauftragte zu Recht kritisiert. Die Bundesregierung hat den Fehler gemacht, in diesem Bereich zu weit nachzugeben, und hat damit die unabweisbaren Probleme dieser Bundeswehr gerade im disziplinären Bereich, ich sage: unnötig verschärft.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Keine Armee der Welt kommt ohne Disziplin aus, gerade im 20. Jahrhundert, und zwar auch nicht ohne formale Disziplin. Disziplin ist kein Selbstzweck. Ohne Disziplin und ohne soldatische Ordnung kann eine Armee den ihr erteilten Auftrag im Ernstfall nicht erfüllen. Das ist eine so selbstverständliche Erkenntnis, und zwar quer durch die politischen Überzeugungen und quer durch die Systeme dieser Welt, daß man sich fast scheut, sie noch einmal zu erwähnen. Maßstab für das notwendige Maß an Disziplin und Ordnung müssen die Verhaltensweisen sein, die im Ernstfall von den Soldaten zu fordern wären. Als unverzichtbare äußere Mittel der Disziplinierung — ich wiederhole das — gehören dazu auch bestimmte militärische Formen. Hier geht es nicht darum, das Formale überzubetonen. Schon gar nicht plädieren wir für überzogenen Kasernenhofdrill oder gar Schikane. Aber man muß wissen — und ich bin General de Maizière dankbar, daß er das auch noch mal in diesem Fernsehinterview unterstrichen hat —, daß wir jetzt das unabdingbare Maß auch an formaler Disziplin wieder zu betonen und durchzusetzen haben. Man muß wissen, daß im Ernstfall Disziplin nur aufrechterhalten werden kann, wenn sie schon in Friedenszeiten zur geübten Selbstverständlichkeit geworden ist.
Die Unterscheidung zwischen funktionaler und formaler Disziplin, die in Mode gekommen ist, mag theoretisch reizvoll sein. Für die Praxis, sage ich Ihnen, taugt diese Unterscheidung, ich sage, fast nichts. Ich habe manchmal den gegenteiligen Eindruck.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Ich habe den Eindruck, daß man mit dieser Unterscheidung und ihrer Akademisierung bis ins Blasse, Unverbindliche hinein den Feldwebel draußen, den Zugführer, den Gruppenführer und den Kompaniechef nur verunsichert und Spielraum geschaffen hat für besonders geschickte Wehrpflichtige, die mit dieser Unterscheidung gelegentlich versuchen, sich den Anordnungen zu entziehen. Das ist die Wirkung, die diese Diskussion heraufbeschworen hat.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Denn wir haben es doch, ich sage: leider nicht nur mit erfahrenen und gut und vorbildlich ausgebildeten Ausbildern zu tun, sondern wir haben es zum Teil zu tun mit W 18- oder Z 2-Soldaten.
Was muß geschehen? Lassen Sie mich das zum Schluß aus unserer Sicht beantworten.
Erstens. Zunächst muß von der politischen und militärischen Führung wieder klar die Notwendigkeit und Bedeutung von Disziplin und soldatischer Ordnung dargestellt und begründet werden.
Zweitens. Es bedarf klarer, konkreter, praxisbezogener Führungsanweisungen, d. h. einer praktikablen militärischen Führungslehre.
Drittens. Es gilt, wieder eine gemeinsame verbindliche Auffassung von Disziplin und soldatischer Ordnung zu prägen und durchzusetzen. Nicht zu Unrecht beanstandet der Wehrbeauftragte das Fehlen geistiger Impulse der politischen Führung. Das ist besonders wichtig für junge Vorgesetzte, die häufig noch unsicher sind und dazu neigen, den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen.
Viertens — und das ist entscheidend, glaube ich —: Den Vorgesetzten muß wieder Mut gemacht werden, dieses als verbindlich erklärte Maß an Diszplin und ein anständiges Erscheinungsbild auch mit den ihnen verfügbaren disziplinären Möglichkeiten durchzusetzen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)




Dr. Wörner
Sie müssen wissen, daß sie sich dabei auf die politische wie auf die militärische Führung verlassen können, daß sie sie hinter sich haben.
Fünftens. Der Haar- und Bart-Erlaß ist - wie es der Wehrbeauftragte fordert — neuzufassen.
Sechstens. Es ist zu prüfen, ob die rechtlichen Möglichkeiten nicht ausgeweitet werden müssen, um die eigenmächtige Abwesenheit einzudämmen. Ich denke an folgendes
a) Die Kosten der Fahndung sollten dem Betreffenden auferlegt werden.
b) Er sollte die Zeit, die er eigenmächtig abwesend war, nachdienen müssen.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

c) Man sollte sich überlegen — weil das häufig die Ursache ist —, ob man nicht Erleichterungen für Wehrpflichtige mit besonderen finanziellen Verbindlichkeiten oder Schulden schaffen sollte.
d) Ich sage Ihnen ganz offen: Ich persönlich halte es nicht für sinnvoll, Wehrpflichtige mit drei oder mehr Kindern einzuziehen. Das gibt fast immer unlösbare Konflikte und führt dann gelegentlich auch zum Entgleisen.
e) Man sollte sich auch noch überlegen, wie ich glaube, ob es nicht Möglichkeiten geben könnte, den Mißbrauch des Beschwerderechts, den ja einige wenige zur Genüge treiben, einzudämmen.
Als siebente Forderung der CDU/CSU-Fraktion möchte ich aufstellen: Die Ausbilder müssen pädagogisch und im Blick auf ihre Führungsverantwortung stärker ausgebildet werden. Dazu eignet sich die Schule der Bundeswehr für innere Führung in Koblenz. Auch hier stimmen wir dem Wehrbeauftragten zu, der verlangt, daß die Einheitsführerlehrgänge wieder an diese Schule zurückverlegt werden.
Achtens. Um den Problemen der Wehrdienstverweigerer — und nicht nur ihnen, sondern auch den Problemen derer, die sonst nicht gezogen werden können — gerecht zu werden, strebt meine Fraktion eine Zusammenfassung der Dienste nach Art. 12 des Grundgesetzes an. Wir müssen alles daransetzen, so schnell wie möglich im zivilen Bereich hinreichend Plätze zu schaffen, mindestens so viele, daß jeder, der den Wehrdienst verweigert, zu einem zivilen Dienst einberufen wird, und zwar unverzüglich. Dann, möchte ich meinen, haben wir ein weiteres Ansteigen dieser Zahlen nicht zu befürchten.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren, ich bin überzeugt, daß eine Armee, in der Kampfkraft und Leistungsfähigkeit Richtschnur sind, in der Disziplin in zeitgemäßer Form verwirklicht ist, im inneren Gefüge stabiler und nach außen attraktiver sein wird. Es ist eine alte Erfahrung, daß da, wo die Truppe, der Soldat — auch der Wehrpflichtige —, gefordert wird, wo man einen sinnvollen Einsatz verlangt, wo vernünftige Ziele und lohnende Aufgaben gesteckt werden, wo Qualität vor Quantität geht, die Einsatzfreude und die Befriedigung steigen und das Selbstvertrauen der Soldaten wächst. Darauf sind wir angewiesen.
Gerade heute brauchen wir die Bundeswehr notwendiger als je. Ihr und dem Bündnis danken wir es, wenn uns keine fremde Macht ihren Willen aufzwingen kann. Die Bundeswehr bleibt auf absehbare Zeit die sicherste Garantie unserer freiheitlichen Ordnung. Nur auf diesem festen Boden stehend, vermögen wir Entspannung und Abrüstung zu suchen. Unser Volk muß wissen — und wir Politiker aller demokratischen Parteien in diesem Hause müssen es immer und immer wieder verdeutlichen , daß diese Bundeswehr einen lebenswichtigen Auftrag für unser Volk und unsere staatliche Gemeinschaft erfüllt, daß sie ihn aber nur so lange erfüllen kann, als sie nicht nur modern ausgerüstet und ausgebildet, sondern in ihrem Auftreten einwandfrei, in ihrer inneren Ordnung fest, in ihrem Selbstvertrauen ungebrochen und in ihrem Selbstverständnis gefestigt ist. Dabei müssen wir ihr helfen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wir dürfen die Bundeswehr nicht in Frage stellen, und wir dürfen nicht zulassen, daß sie verunsichert wird. Wir, die politisch Verantwortlichen, müssen ihr beistehen, um so mehr, je schwieriger ihre Aufgabe wird.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0618100200
Das Wort hat der Abgeordnete Buchstaller.

Werner Buchstaller (SPD):
Rede ID: ID0618100300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Erklärung, die ich im Namen der SPD-Bundestagsfraktion zum Jahresbericht des Wehrbeauftragten abzugeben habe, möchte ich ein paar Bemerkungen voranschicken.
Erstens. Ich unterstreiche, was vorgestern Frau Schroeder (Detmold), Kollegin der Oppositionsfraktion, in einer anderen Sache hier im Hause festgestellt hat. Sie vermerkte dort in ihrem Diskussionsbeitrag:
Die wenigen unerfreulichen Fälle machen Schlagzeilen, die vielen guten und positiven Bemühungen wirken in der Stille und werden wenig gesehen. Wo es klappt, nimmt man wenig Notiz davon.
Zweitens. Der Gefahr negativer Schlagzeilen ist naturgemäß der Bericht des Wehrbeauftragten in besonderem Maße ausgesetzt, weil sich im Amt des Wehrbeauftragten die kritischen Erfahrungen und negativen Erscheinungsformen und Einzelerscheinungen konzentriert darstellen.

(Abg. van Delden: Aber wenn die von Jahr zu Jahr zunehmen, Herr Buchstaller?)

Drittens. In diesem Punkt hat der Wehrbeauftragte mit Nachdruck darauf hingewiesen, daß er die Berichte des Wehrbeauftragten als eine Zustandsschilderung aus der Sicht seines Amtes versteht, die keinesfalls als Grundlage für ein Pauschalurteil zu werten sei. Es ist bedauerlich, Herr



Buchstaller
Dr. Wörner, daß Sie als Sprecher der Opposition nicht aus dieser Sicht an die Dinge herangegangen sind, sondern Einzeldarstellungen des Wehrbeauftragten versucht haben zu einer verallgemeinernden Polemik gegen den Bundesverteidigungsminister zusammenzufassen und so zu werten. Wer es ernst meint mit den Fragen unserer Sicherheit, den Problemen der Bundeswehr und den Sorgen und Nöten der Soldaten, sollte sich von billiger parteitaktischer Polemik frei machen.
In diesem Sinne würdigt die SPD-Bundestagsfraktion den Bericht des Wehrbeauftragten. Der Jahresbericht 1971 des Wehrbeauftragten hat sowohl in der Öffentlichkeit als auch innerhalb der Bundeswehr eine beachtenswerte Resonanz gefunden. Dieser Widerhall wird auch darauf zurückzuführen sein, daß sich unsere Gesellschaft mitsamt ihren Institutionen, also auch der Bundeswehr, in einem Wandlungsprozeß befindet. Diesen Institutionen wird ständig die Anpassung an die neu geschaffene und sich ständig wandelnde Umwelt abverlangt. Die hierbei auftretenden Konflikte zwischen den bewahrenden und den fortschrittlichen Kräften müssen sachlich ausgetragen werden, und, was wesentlich ist, sie müssen zu einem praktikablen Kompromiß auch für den Dienstablauf in der Bundeswehr führen.
Die Diskussion des Jahresberichts 1971 des Wehrbeauftragten hat sowohl innerhalb als auch außerhalb der Bundeswehr teilweise zu Überspitzungen und unerfreulichen Verallgemeinerungen geführt. Ich begrüße es im Namen der SPD-Bundestagsfraktion, daß der Herr Wehrbeauftragte durch eine Reihe von Erklärungen dazu beigetragen hat, die Diskussion wieder auf den Boden sachlicher Würdigung und Wertung zurückzuführen.
Der uns vorliegende Jahresbericht 1971 ist der bisher umfangreichste Bericht eines Wehrbeauftragten an das Parlament. Durch 74 Truppenbesuche sowie die Erledigung von knapp 8000 Eingaben hat sich der Wehrbeauftragte tatkräftig bemüht, seinem Auftrag als Hilfsorgan des Parlaments gerecht zu werden. Für diese Bemühungen und den vorliegenden Jahresbericht darf ich Ihnen, Herr Wehrbeauftragter, und Ihren Mitarbeitern den Dank der SPD-Bundestagsfraktion aussprechen.
Der Jahresbericht 1971 wird besonders durch die dort festgelegten Schwerpunkte gekennzeichnet: Innere Führung, hierbei besonders die Disziplin, das Verhältnis zwischen Außen- und Sicherheitspolitik und die Probleme der Kriegsdienstverweigerung. In jedem dieser angeführten Bereiche werden positive und negative Beobachtungen geschildert. Das liegt im Wesen von Detailbeschreibungen, die in ihrer Summe erst Grundlage einer Gesamtbeurteilung sein können. Dabei muß der innere Zusammenhang aller Untersuchungsbereiche gesehen und herausgearbeitet werden.
So sind die Einzelaspekte der inneren Führung eng mit den Bereichen der Disziplin verbunden. Mit der Verdeutlichung der außenpolitischen Zielsetzung der Bundesregierung als dem einen Gesichtspunkt unserer Sicherheitspolitik und bei der Verdeutlichung der Notwendigkeit der Wehrpflicht für unsere Demokratie ist sachgerechte aufklärende Information in der Bundeswehr und — ich möchte das unterstreichen — auch in der Schule notwendig. Wie der Wehrbeauftragte in seinem Bericht richtig feststellt, darf hier die Bundeswehr nicht allein gelassen werden.
Bei der Erörterung der inneren Führung gibt der Wehrbeauftragte die Anregung, eine allgemeine militärische Führungslehre unter pädagogischen Aspekten zu entwickeln. Diese Anregung erscheint uns richtig und wichtig. Die Bundeswehr hat jetzt das Institut für Erziehung und Bildung in den Streitkräften. Damit wurde die Voraussetzung dafür geschaffen, diese Anregungen in die Tat umzusetzen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, in diesem Zusammenhang möchte ich auch die vom Verteidigungsminister veranlaßte Neufassung der Zentralen Dienstvorschrift „Hilfen für die innere Führung" anführen und sie als erste Maßnahme begrüßen. Immerhin haben vor Helmut Schmidt drei Verteidigungsminister vergeblich versucht, Vorstellungen einer zeitgemäßen Menschenführung im militärischen Bereich zu Papier zu bringen. Sie sind über die Papierkorbebene nie hinausgekommen. Die in dieser Vorschrift enthaltenen neuen Leitsätze und Beispiele werden sicherlich dazu beitragen, den Vorgesetzten die Handhabung zeitgemäßer Menschenführung zu erläutern und zu erleichtern. Das wird nach Auffassung der SPD-Bundestagsfraktion auch seine Auswirkungen auf die erforderliche Disziplin untergebener Soldaten haben.
Der Jahresbericht 1971 geht auf die Probleme der militärischen Ordnung und Disziplin besonders ausführlich ein. Die Aufgaben des modernen Soldaten sind weit gefaßt, die Organisation, in der sich der Soldat befindet, ist weit verzweigt und für den einzelnen kaum mehr überschaubar geworden. Dadurch sind auch die Einzelleistungen, die Einzelaktivitäten des Soldaten kaum mehr zu kontrollieren. Es geht nicht darum, den Soldaten zu zwingen, die Befehle auszuführen — die Durchführung ist im militärischen Bereich eine Selbstverständlichkeit —, sondern es geht darum, dem militärischen Untergebenen die Zweckmäßigkeit und den Sinn von Befehlen so klarzumachen, daß er sich dem Gehorsam voll öffnet und sich ihm nicht verschließt.

(Zuruf von der CDU/CSU.)

— Ach, wissen Sie, mit den einfachen Formeln, die hier postuliert werden, werden wir auf Dauer weder die Probleme unserer Gesellschaft noch die Probleme unserer Bundeswehr lösen können.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Sie, Herr Dr. Wörner, haben ebenfalls die Notwendigkeit vor allem der Ausbildung der Ausbilder auch im pädagogischen Bereich angeschnitten, weil wir ohne das Mittel einer klaren und überzeugenden Erziehung die Probleme der Disziplin in der Bundeswehr einfach nicht werden bewältigen können. Das Prinzip der Erziehung, die Dialektik zwischen Freiheit und Zwang, läßt sich in seiner Vielschichtigkeit eben nicht nur in der bisherigen Praxis von militärischen Lehrgängen erledigen.



Buchstaller
Im übrigen darf ich gerade auf Ihre Bemerkungen hin noch folgendes feststellen. Es wäre grundfalsch, anzunehmen, daß den Problemen der Disziplin, der Unterordnung und der Einordnung nur die Staaten mit einer demokratischen Grundordnung konfrontiert seien. Da zeigen sich zwar diese Fragen am ausgeprägtesten, weil sich hier die Freiheitsrechte des einzelnen und der Zwang zur Dienstleistung für das Ganze am deutlichsten begegnen. Aber auch in der DDR z. B., wo man sowohl den preußischen Drill als auch den kollektiven Haarschnitt und sogar den Stechschritt beibehalten hat, wird sich in Kürze eine Sondertagung der Bataillonskommandeure im Bereich der NVA mit den, wie es dort heißt, „immer stärker werdenden disziplinaren Sorgen der obersten Führung" befassen. Dem Vernehmen nach haben nicht nur die Ergebnisse beim bataillonsinternen Wettbewerb in allen Fächern stark nachgelassen, sondern auch die Benotungen beim öffentlichen Auftreten der Soldaten. Im Bereich der Kommandantur Berlin hat es in einem Monat mehr als 100 schwere Strafen wegen Befehlsverweigerung, tätlicher Angriffe auf Vorgesetzte, schlampiger Uniform und Alkoholmißbrauchs gegeben.
Die NVA hat natürlich ein Mittel dagegen und wendet es auch an, von dem erfreulicherweise keiner in diesem Hause spricht, weil es keine Fraktion haben will. In dem nüchternen Bericht über die Disziplin der NVA wird u. a. festgestellt, leider habe sich die Zahl der Soldaten, die zur Bewährung zu Baubataillonen versetzt worden seien, im Vergleich zum Vorjahr um 14 % erhöht. Ich wollte damit nur zum Ausdruck bringen, daß die Strukturwandlung, die Bereitschaft zur Einordnung und auch zur Unterordnung von der jungen Generation unserer Zeit anders verstanden und anders gesehen wird, als es militärischer Tradition im allgemeinen entspricht.
Herr Wehrbeauftragter, Sie haben das uns alle bedrückende Problem der Kriegsdienstverweigerung angesprochen. Hier haben Sie festgestellt, daß die Zahl der Antragsteller zwar gestiegen, aber die Dienstverweigerung aus der Truppe heraus relativ seltener geworden sei. Die letztere Tendenz ist ohne Zweifel zu begrüßen, weil dadurch die Truppe entlastet wird. Mit dem Problem der steigenden Zahl von Kriegsdienstverweigerern ist das Streben nach größerer Wehrgerechtigkeit verbunden. Es hat sich herausgestellt, daß die Chance der Inpflichtnahme zur Ableistung eines Dienstes für die Gesellschaft beim Ersatzdienst weitaus geringer als bei der Bundeswehr ist. Daraus erklärt sich auch die wachsende Zahl der Antragsteller zum zivilen Ersatzdienst. Dieser Art von Spekulation mit dem Gewissen müssen wir entgegentreten. Deshalb fordert die SPD-Fraktion — wir haben das wiederholt im Verteidigungsausschuß getan — die Opposition auf, das Gesetz zur Änderung wehrrechtlicher, ersatzdienstrechtlicher und anderer Vorschriften so schnell wie möglich mit zu verabschieden. Dann wird eine Gleichbehandlung aller zum Dienst heranstehenden jungen Männer erreicht und eine Regelung dieses wichtigen Problems der Wehrgerechtigkeit eingeleitet. Jeder Aufschub oder jede Verzögerung dieser Gesetze bedeutet täglich vermehrte Ungerechtigkeit und mehr Unwillen unter den Wehr- und Dienstpflichtigen.
Zusammenfassend kann ich aus dem Jahresbericht 1971 des Wehrbeauftragten festhalten:
Erstens. Die Bundeswehr ist einbezogen in das Spannungsfeld unserer Gesellschaft. Sie reflektiert ebenso die positiven wie die negativen Erscheinungen unserer Zeit. Die augenblicklich die Streitkräfte berührenden Probleme wie zeitgemäße Menschenführung, Disziplin und Autorität, Motivation der Wehrpflichtigen, optimale Gleichbehandlung aller junger Männer, Ausbildung und Bildung in den Streitkräften sind nicht unlösbar. Ihre Regelung kann und darf nicht durch den vermeintlich einfacheren Rückgriff auf traditionelle militärische Vorstellungen erfolgen. Vielmehr müssen in verstärktem Maße wissenschaftliche Erkenntnisse in die Institution Bundeswehr einfließen. Die Hilfe der Wissenschaft bleibt unverzichtbar zur Erklärung und Handhabung zeitgemäßer Menschenführung in der Bundeswehr.
Zweitens. Der Bundeswehr ist es, wie der Wehrbeauftragte in einer Schlußbemerkung feststellt, besser als manch anderen staatlichen Einrichtungen gelungen, die Unruhe unter der Jugend aufzufangen und für die Gesellschaft nutzbar zu machen. Die hierfür erforderlichen Anstrengungen aller Verantwortlichen im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung weiß die SPD-Bundestagsfraktion zu würdigen, und ihnen gebührt Dank und Anerkennung.
Drittens. Der Auftrag der Bundeswehr, den Frieden im Rahmen der NATO durch präsente Streitkräfte zu sichern oder aber im Ernstfall das Territorium der Bundesrepublik Deutschland erfolgreich verteidigen zu wollen, wird durchgeführt und ist in keiner Weise gefährdet.
Viertens. Die im Zusammenhang mit der Wehrpflicht auftretenden Schwierigkeiten können beim Zusamenwirken aller politisch verantwortlichen Kräfte abgebaut und geregelt werden. Bei diesem Bestreben kommt der schnellen Verabschiedung der betreffenden Gesetze gesteigerte Bedeutung zu, worum ich dieses Haus bitte.
Fünftens. Die am Anfang seines Berichts aufgeworfenen Fragen der Zuständigkeit und des Wirkungsfeldes des Wehrbeauftragten werden noch im Verteidigungsausschuß behandelt werden müssen.
Sechstens. Gerade dann, wenn man die Bundeswehr und den Dienst und das Verhalten der Soldaten einer kritischen Betrachtung und Wertung unterzieht, sollte man diejenigen nicht unerwähnt lassen, die als Wehrpflichtige, Soldaten auf Zeit und Berufssoldaten täglich ihren harten Dienst verrichten. Zehntausende von Wehrpflichtigen leisten dabei mehr und sind in Verantwortungsbereiche gestellt und werden dabei mehr gefordert, als ihnen der Gesetzgeber im Frieden eigentlich abverlangen dürfte. Das sind die Männer, auf denen unsere Sicherheit beruht. Ihnen gebührt unser Dank für ihre große Leistungen. Schließlich schlägt ein einziges durch den Einsatz der Bundeswehr oder die



Buchstaller
Hilfsbereitschaft der Soldaten gerettetes Menschenleben mehr zu Buche als die ganzen Schlagzeilen über die Haarnetze der Bundeswehr.
Ein Letztes. Herr Dr. Wörner, Sie bitte ich, folgendes zu überdenken. Verteidigungsbereitschaft kann auch dadurch gelähmt werden, daß ich dieser unserer Jugend militärpolitische Ohnmacht suggeriere; Verteidigungswillen kann auch dadurch gelähmt werden, daß ich die Übermächtigkeit des Gegners so überzeichne, daß Verteidigung sinnlos erscheint.

(Zurufe von der CDU/CSU: Na, na! — Abg. Kiep: Die Gefahr scheint mir nicht gegeben zu sein!)

Ich sage Ihnen ganz offen: Die Taktik, der ständige Versuch, Ohnmacht gegenüber einem riesigen Gegner an die Wand zu werfen,

(Abg. van Delden: Aber Herunterspielen ist noch viel schlimmer!)

diese Schwarzweißmalerei, diese ständige Konfrontation mit dem Übermächtigen

(Zurufe von der CDU/CSU: Ihr malt rosarot! — Siehe Weißbuch! — Abg. Dr. Wörner meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

— Herr Dr. Wörner, ich bin am Schluß meiner Bemerkungen —, das kann die Verteidigungskraft in der Bundeswehr mehr lähmen als die Aktionen radikaler Gruppen.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Klepsch: Das war eine Konzession an die Linke!)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0618100400
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Jung.

Kurt Jung (FDP):
Rede ID: ID0618100500
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! In den wenigen Wochen, in denen uns der Jahresbericht 1971 des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages vorliegt, ist er viel besprochen, gelobt und wohl auch kritisiert worden. Alle diejenigen, die den Wehrbeauftragten Fritz Rudolf Schulz als Abgeordneten der FDP und als Wehrexperten meiner Partei in diesem Hohen Hause erlebt haben, wissen, daß er sich schon damals seine Aufgabe nicht leichtgemacht hat. So ist er auch diesmal im Bewußtsein der Schwere seines Amtes an die Arbeit herangegangen.
Vor uns liegt sein Bericht, der keine Probleme der Bundeswehr unangesprochen läßt, für die der Wehrbeauftragte nach Art. 45 b GG und dem Gesetz des Wehrbeauftragten vom 26. Juni 1957 zuständig ist.
Ich möchte, nachdem heute früh ja schon sehr viele Probleme andiskutiert wurden, nur einige Fragen herausgreifen. Im Mittelpunkt des Berichtes steht die Disziplin in der Bundeswehr. Das hat auch die Presse in ihren Stellungnahmen hervorgehoben, und Herr Kollege Wörner ist ja wohl zu einem großen Teil seines Vortrages auf diese Probleme eingegangen.
Der Wehrbeauftragte hat versucht, zahlreiche Schwierigkeiten und Probleme im inneren Gefüge der Streitkräfte auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Für die Belastung, der das innere Gefüge der Streitkräfte ausgesetzt ist, werden im wesentlichen gesamtgesellschaftliche Einflüsse und Entwicklungen verantwortlich gemacht, an denen die Bundeswehr kaum etwas ändern kann. Ihre eigentlichen, tieferen Ursachen sind viele Unzulänglichkeiten und Mängel in der zivilen Gesellschaft.
Hier, Herr Kollege Wörner, möchte ich auf einige Dinge eingehen, die Sie angesprochen und die Sie besonders herausgestellt haben. Sie sagten, die Entwicklung im disziplinären Bereich müsse der Minister in den Griff bekommen, und stellten an erster Stelle ein deutliches Nachlassen der Disziplin heraus. Hier sprachen Sie von den Fällen der unerlaubten Entfernung von der Truppe, von den 40000 DM Kosten, die ein Feldjägerdienstkommando habe. Sie sagten mit Recht: Wir alle tragen hier ein Stück Verantwortung. Wir alle!
Herr Kollege Wörner, Sie haben sich später nicht verkneifen können, insbesondere den Sozialdemokraten ihre Jungsozialisten und uns unsere Jungdemokraten vorzuhalten. Sie haben Ihre Junge Union vergessen; denn die hat auch wie die gesamte Jugend ihre Vorstellungen über die Bundeswehr und die Disziplin.

(Abg. Dr. Wörner: Nein, nein; das stimmt nicht, Herr Jung! — Abg. Kiep: Die Jungdemokraten haben doch keine Vorstellung von der Bundeswehr! — Abg. Dr. Wörner: Erzählen Sie mir einmal, wo!)

— Ich werde Ihnen jetzt zeigen, wie doppelzüngig hier gearbeitet wird, wenn Sie sagen, die Bundesregierung habe auf dem Gebiet der Disziplin versagt. Ich teile Ihre Meinung, daß man nicht nachgeben soll, sondern daß man die Kosten, die entstehen, denjenigen auferlegen soll, die sich z. B. unerlaubt von der Truppe entfernen.
Herr Kollege Wörner, das folgende Beispiel entbehrt ja nicht einer gewissen Pikanterie. Wer Disziplin fordert, muß auch selbst mit gutem Beispiel vorangehen. Mit dieser Feststellung möchte ich mich an alle in diesem Hause wenden, die immer nach Law and Order schreien. Wenn ein CDU-Bundestagsabgeordneter sich zu einer mehrwöchigen Übung einberufen läßt — nicht Sie, Herr Kollege Wörner; Sie wissen genau, wen ich meine —, kann er sich nach drei Tagen nicht einfach von der Truppe entfernen, ohne sich abzumelden. Er muß mit gutem Beispiel vorangehen, Herr Kollege Wörner.

(Abg. Kiep: Das ist ja wohl das letzte!)

Man kann nämlich nicht nur von Wehrpflichtigen Disziplin fordern und dann selber ein so schlechtes Beispiel geben.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Kiep: Können Sie nicht noch ein bißchen tiefer gehen?)

— Ich will das jetzt nicht vertiefen, Herr Kollege Wörner,

(Abg. Kiep: Das ist schon unter der Gürtellinie!)




Jung
aber ich meine, das muß angesprochen werden, wenn man hier immer und immer wieder von Disziplin spricht.

(Abg. Kiep: Das ist schon unterhalb der Sockenhalter! — Abg. Wörner: Ja, das ist schon unterhalb der Sockenhalter, noch nicht einmal nur unterhalb der Gürtellinie! — Abg. van Delden: Jetzt können Sie mal Frau Schroeder zitieren! Werden Sie doch nicht polemisch; das ist doch sonst nicht Ihre Art!)

— Ja, das sind einzelne schlechte Beispiele; aber Sie sollten hier nicht aus parteitaktischen Gründen den anderen vorwerfen, daß sie dazu beitrügen, und die Bundesregierung nicht angreifen, daß sie nicht bereit sei, die Disziplin in den Griff zu bekommen.

(Abg. van Delden: Privat reden Sie ganz anders!)

Herr Kollege, wir sind dazu bereit, und wir tun alles dazu.
Entscheidende Verbesserungen und Veränderungen lassen sich aber nur erreichen, wenn die zivile Gesellschaft sich auch ihrerseits dieser Probleme in stärkerem Maße annimmt. Eine derartige Entwicklung ist gegenwärtig jedoch nicht erkennbar. Dennoch sollte nach Ansicht des Wehrbeauftragten nicht unerwähnt bleiben, daß die Bundeswehr bisher mit den zusätzlichen Problemen, die überwiegend von außen auf sie eindringen, noch weithin fertig geworden ist. Den Streitkräften ist es besser als mancher anderen Institution unserer Gesellschaft gelungen, die Unruhe der Jugend aufzufangen. Diesen Worten des Wehrbeauftragten schließt sich meine Fraktion an.
Der Verteidigungsausschuß wird sich im Rahmen seiner Zuständigkeit Gedanken machen müssen, wo hier der Hebel angesetzt werden muß. Es ist gewiß kein Zufall, daß der Entwurf für eine Vorschrift über die innere Führung, die ZDv 10/1 — Ausschußdrucksache VI/145 —, derzeit dem Verteidigungsausschuß vorliegt. Wir werden diese Vorschrift schnellstens behandeln, damit sie endlich an die Stelle des überholten Handbuches und der Richtlinien für die innere Führung treten kann. Die neue Vorschrift wird zwar keine Wunder wirken; sie wäre aber für viele Vorgesetzte vor allem in der Truppe eine wesentliche Arbeitshilfe.
In diesem Zusammenhang lege ich Wert darauf, daß in der vorgesehenen Dienstvorschrift folgende Gesichtspunkte besonders hervorgehoben werden:
— Die Streitkräfte sind selbstverständlicher Ausdruck der Souveränität eines Staates.
— Der Staatsbürger, der den Schutz seiner Rechte und seiner persönlichen Integrität durch den Staat in Anspruch nimmt, hat die Pflicht, einen angemessenen Beitrag zur Gewährleistung dieser Sicherheit zu übernehmen.
Wir erwarten, daß dem Einheitsführer neben der verständlichen und transparenten Darstellung des Konzepts, verbunden mit prägnant gefaßten Leitsätzen, gleichzeitig auch eine Fallsammlung an die Hand gegeben wird. Ich empfehle ebenso wie der Wehrbeauftragte, der Schule der Bundeswehr für innere Führung mit ihrer bewährten Funktion als zentrale Ausbildungsinstitution für Disziplinarvorgesetzte die Einweisung in die neue Vorschrift zu übertragen.
Über den Zusammenhang zwischen. Disziplin und äußerem Erscheinungsbild der Soldaten — hier geht es nicht nur um die Haar- und Barttracht — sei nur so viel gesagt, daß nach Ansicht des Wehrbeauftragten der ordentliche militärische Anzug ein Erziehungsfaktor ist, der sich mittelbar auch vorteilhaft auf die Funktionsausübung auswirkt. Deshalb begrüßen wir die Stellungnahme des Bundesministers der Verteidigung vor der Tagung der Vertrauensleute der Unteroffiziere in Plön, aus der zu entnehmen ist, daß der Verteidigungsminister ein provozierendes Ausnutzen der von ihm selbst verordneten und geübten Toleranz nicht länger hinzunehmen gewillt ist.
Zur Diskussion über die Haar- und Barttracht, der der Wehrbeauftragte allein neun Seiten in seinem Bericht widmet, findet sich auch in der Geschichte eine Parallele. Ich habe hier einen Auszug aus der Arcana historia - das ist das historische Geheimarchiv des Kaisers Justinian —, in der sich der byzantinische Geschichtsschreiber Prokop um 550 ähnlich über die verworrenen Zustände der CircusParteien aussprach, und auch die Haar- und Barttracht kritisierte. Er schreibt:
Das erste war, daß sich die Unruhestifter eine andere Haartracht zulegten. Sie ließen sich nämlich nicht wie die übrigen Römer ihre Haare schneiden, ließen weder Schnurrbart noch Kinnbart abnehmen, sondern trugen sich mit üppigem Haarwuchs bedeckt wie die Perser. Vom Haupthaar beseitigten sie nur den vorderen Teil bis zu den Schläfen hin, während sie die übrigen Haare unsinnig lang herunterhängen ließen.
Und dann nannte er dies die „hunnische Haarmode".

(Abg. Wehner: Bei uns scheint es mir einfach die Vorstufe zur Wiedereinführung des Zopfes zu sein! -Heiterkeit. — Zuruf von der CDU/CSU: Wir schneiden die alten Zöpfe ab!)

Meine Kollegen, es gibt also auch in der Geschichte Beispiele dafür. Ich will nur feststellen, daß wir recht bald eine Überarbeitung des jetzigen Erlasses des Verteidigungsministeriums erwarten, die eine rechtlich eindeutige und praktikable Handhabung zuläßt. Vielleicht wird Herr Kollege Staatssekretär Berkhan einiges dazu sagen können. Aber 258 Eingaben allein in dieser Frage an den Wehrbeauftragten sind meines Erachtens mehr als genug. Vielleicht ist der Hinweis hilfreich, doch einmal auch den Erlaß des Bundesinnenministers für den Bundesgrenzschutz hier mit heranzuziehen und dann vielleicht aus beiden einen insgesamt positiven Erlaß zu konzipieren.



Jung
Aufmerksam haben wir die Probleme des Wehrbeauftragten im Spannungsfeld zwischen Bundeswehr und Parlament zur Kenntnis genommen. Die unterschiedlichen Auffassungen zwischen dem Wehrbeauftragten und der Bundeswehr in verschiedenen Fragen werden im Verteidigungsausschuß zu erörtern sein. Das gleiche gilt auch für die voneinander abweichenden Absichten über die Amtsbefugnis des Wehrbeauftragten. Wir werden uns demnächst im Verteidigungsausschuß mit dieser Frage beschäftigen. Ich will hier also nicht vorgreifen. Aber wir sind mit dem Wehrbeauftragten der gleichen Ansicht, daß er nicht dem Verteidigungsausschuß untersteht. § 2 Abs. 2 des Wehrbeauftragtengesetzes legen wir so aus, daß der Wehrbeauftragte bei der Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgaben lediglich dem Präsidenten des Deutschen Bundestages verantwortlich ist. Auch diese Frage werden wir im Verteidigungsausschuß zu besprechen haben.
Abschließend glaube ich aber feststellen zu können — der Bericht gibt uns ein Bild davon —, daß die Institution des Wehrbeauftragten zum festen Bestandteil in unserer Demokratie geworden ist. Vor allem die Angehörigen der Bundeswehr sind sich dieser Tatsache bewußt. Gelegentlicher Mißbrauch dieser Einrichtung wird dabei in Kauf genommen werden müssen. Ich möchte nicht versäumen, im Namen meiner Fraktion dem Wehrbeauftragten unseren besonders herzlichen Dank auszusprechen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0618100600
Das Wort hat der Staatssekretär Berkhan.

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0618100700
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich, bevor ich zu der Erklärung komme, die ich hier für die Bundesregierung abzugeben habe, ein paar Bemerkungen zur Debatte machen. Hoffentlich gelingt es mir, das so unterkühlt zu tun, daß ich damit nicht eine neue Diskussion entfache. Nur so, Herr Dr. Klepsch, dürfen Sie meine Zurückhaltung verstehen, nur so, weil ich die Geschäftsführer nicht in die Lage bringen will, erneut verhandeln zu müssen, wie der Zeitplan am Freitag einzuhalten ist. — Herr Wagner, ich danke Ihnen, daß ich wenigstens Ihre Zustimmung finde.
Lieber Herr Wörner, ich will Ihnen dankbar sagen, daß ich mich gefreut habe, daß Sie meinem Minister Helmut Schmidt einen Gruß gesagt haben. Hoffentlich war es nur ein Versehen, als Sie davon sprachen, daß er seine Gesundheit geopfert habe. Ein Opfer ist unwiderbringlich. Ich habe mit den behandelnden Ärzten gesprochen, und einer der Ärzte, ein namhafter, hat mir gesagt: Sie werden sich wundern, wie gesund der Mann noch wird!

(Abg. Dr. Wörner: Herr Berkhan, Sie dürfen davon ausgehen, daß niemand ihm so sehr die Wiederherstellung seiner Gesundheit wünscht, und zwar aufrichtig, wie ich!)

— Ich habe das doch unterstellt, und ich weiß auch, daß Sie so denken. Nur, Herr Wörner, ein bißchen Anklang in diesen Wünschen ist eben in dem ganzen Stil Ihrer Rede wiederzufinden.
Sie haben einmal — so schnell kann man ja nicht mitschreiben; ich werde das sehr sorgfältig nachlesen — von der Unlust und Unwilligkeit bei Wehrpflichtigen gesprochen und haben dann daraus geschlossen, daß bei Offizieren und Unteroffizieren zu einem Teil Resignation entsteht und daß sich diese Soldaten im Stich gelassen fühlen. Nachdem Sie dieses schwarze Gemälde vor der Öffentlichkeit und dem Parlament ausgebreitet haben, sagen Sie anschließend: Aber eine große Zahl sagt: jetzt erst recht. So geht es ein paarmal in ihrer Rede. Ich will hier nur noch zwei Punkte nennen.
Sie haben Herrn Weinstein zitiert; es konnte gar nicht anders sein. Ich war darauf vorbereitet, daß Sie den zitieren. Ich hatte natürlich den Artikel da. Aber Sie haben dann nicht zitiert, daß derselbe Herr Weinstein in dem gleichen Artikel schreibt:
„Nun verliert das abstoßende Bild, das ungepflegte junge Männer in Uniform bieten, von seiner Häßlichkeit, wenn man sie im Dienst erlebt."
Oder an anderem Ort:
„Nur eine Minderheit dieser Aufbegehrenden in Uniform ist wirklich radikal."
Ein letztes Zitat — ich will Sie nicht langweilen —:
„Denn sie sind nur den Moralgesetzen gefolgt, die heute für die Wirtschaft gelten. Den Job kann man wechseln. Die Arbeit wird nicht ernst genommen."

(Abg. Wehner: Hört! Hört!)

Ich will mich der Polemik enthalten. Aber ich kann mich ganz gut erinnern, zu welchen Zeiten das Huhn erfunden worden war, welches goldene Eier legt, und die Frage gestellt wurde: Hast du auch schon Kommunalobligationen? und niemals die Frage aufgeworfen wurde: Was seid Ihr denn bereit für diesen Staat und diese Gesellschaft zu leisten?

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich habe mir auch schnell noch heraussuchen lassen, Herr Wörner, was Umfragen verschiedener Art — eine haben wir im eigenen Bereich gemacht, und da können Sie natürlich sagen, die sei vielleicht unzulänglich; die ist in einer Division gemacht worden — zu der Wehrwilligkeit junger Männer ergeben haben. Hier handelt es sich um Abiturienten. Von den befragten Soldaten, also Abiturienten, waren 65 % ohne Einschränkung zum Wehrdienst bereit. Jeder fünfte allerdings — ich will das gar nicht verniedlichen — lehnte den Wehrdienst mehr oder weniger ab, 13 % waren wehrunwillig, und 7 % lehnten ihn grundsätzlich ab. Ähnliche Ergebnisse finden wir bei einer Repräsentativumfrage, die Ihnen aus den Informationen des Informations- und Pressestabes vom 8. Dezember bekannt sein wird; sonst bin ich gern bereit, sie Ihnen noch einmal zuzustellen. Auch hier stellen wir fest, daß insbesondere die Gruppe der jungen Männer zwischen 19 und 24



Parlamentarischer Staatssekretär Berkhan
Jahren eine sehr gesunde Einstellung zur Landesverteidigung hat. Das wird dann auch in einer dpa-Mitteilung bestätigt. Hier heißt es wörtlich, seit der letzten Meinungsanalyse im Jahre 1969 sei die Zahl der für die Bundeswehr Einsatzwilligen von 62 auf 71 % gestiegen. Ich nehme das nicht für die Regierung Brand oder gar für den Verteidigungsminister in Anspruch, sondern ich nehme das dafür in Anspruch, Herr Wörner, daß die Situation nicht gar so grau und so schlecht ist, wie Sie sie hier gemalt haben.
Lassen Sie mich jetzt zu meiner Erklärung kommen.
Der Wehrbeauftragte hat in seinem Jahresbericht 1971 abschließend festgestellt, daß die Bundeswehr bisher mit den zusätzlichen Problemen, die überwiegend von außen auf sie eindringen, fertig geworden ist. Nach Meinung des Wehrbeauftragten ist es der Bundeswehr besser als mancher anderen Institution unserer Gesellschaft gelungen, die Unruhe unter der Jugend aufzufangen, obwohl doch gerade die Bundeswehr für viele ideologisch vorprogrammierte Gesellschaftskritiker ein bevorzugtes Angriffsobjekt darstellt.
Dieser Auffassung des Wehrbeauftragten kann ich nur zustimmen. Die Erfahrungsberichte aus der Truppe und die Besuche bei Inspektionen und durch Inspekteure haben erwiesen, daß die Streitkräfte den ihnen vom Verfassungsgeber gestellten Auftrag voll erfüllen können. Das ist auch die Meinung der NATO-Gremien. Ich darf hier also mit Befriedigung feststellen, daß mit dem vorliegenden Jahresbericht den Streitkräften bescheinigt wird: sie erfüllen ihren Auftrag. Das ist die wichtigste Aussage des Jahresberichtes, und die sollte auch vom Parlament zur Kenntnis genommen werden.
Der Schwerpunkt im Bericht hat sich — im Vergleich zu früher — verlagert. Früher standen der Schutz der Grundrechte für Soldaten und die Integration der Streitkräfte in Staat und Gesellschaft im Vordergrund. Heute verlangen mangelnde Disziplin und Autoritätsverlust von Vorgesetzten unsere besondere Aufmerksamkeit. Diese Entwicklung haben wir bereits in den Weißbüchern 1970/71 und 1971/72 und bei der vor einem Jahr eingebrachten Novelle zum Wehrdisziplinarrecht festgestellt. Im Weißbuch 1971/72 heißt es wörtlich: „Das Leben in einer Gemeinschaft schafft Probleme. Reibungen können nicht ausbleiben. Bei den Streitkräften ist dies augenfälliger als sonst."
Im Anschluß an diese Aussage macht das Weißbuch dann konkrete Angaben zum Sachverhalt. Allerdings will ich hinzufügen, daß ich in der Beurteilung dieser Entwicklung nicht uneingeschränkt mit dem Wehrbeauftragten übereinstimme. Im einzelnen will ich mich mit vier Problemen beschäftigen, auf die der Bericht des Wehrbeauftragten besonders eingeht: erstens Grundrechtsverletzungen, zweitens politische Betätigung von Soldaten, drittens Nachlassen der Disziplin und Autoritätsverlust und viertens Innere Führung.
Ich komme zum Problemkreis „Grundrechtsverletzungen". Die Zahl von Verstößen militärischer
Vorgesetzter gegen die Grundrechte von Soldaten blieb im Berichtsjahr gering. Dies ist vor allem auf mehr Sicherheit in der Handhabung zeitgemäßer Führungsmethoden zurückzuführen. Zweifelhaft erscheint dagegen ein weiterer Grund, den der Wehrbeauftragte nennt: daß nämlich Vorgesetzte gegenüber ungehorsamen Soldaten Konzessionen machen und sich insoweit nicht zu Grundrechtsverletzungen verleiten lassen. Ein Teil der Wehrpflichtigen — das muß zugegeben werden — neigt allerdings immer mehr dazu, die ihnen von der Verfassung und vom Gesetz zugebilligten Rechte über Gebühr auszunutzen. Andere hingegen nehmen es mit ihren Pflichten ernst.
Durch diese Situation wird Menschenführung in den Streitkräften schwieriger, als sie vorher war. Schwierigkeiten treten vor allem im Zusammenhang mit dem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung zutage. Dieses Grundrecht ist für Soldaten zusätzlich in § 15 des Soldatengesetzes eingeschränkt. Gesetze, Vorschriften, Erlasse und Befehle über die soldatischen Ordnung bieten aber nach meiner Meinung Handhabe genug, um Verstößen entgegentreten zu können. Wir müssen erwarten, daß sich die Vorgesetzten gerade in schwierigen Situationen immer erneut mit dem Inhalt und dem Geist dieser Gesetze, Vorschriften, Erlasse und Befehle vertraut machen. Bestraft aber ein Vorgesetzter Verstöße, nachdem er sich mit all diesen Vorschriften erneut genügend vertraut gemacht hat, so muß er bei seinen Vorgesetzten, vor allem aber in der Öffentlichkeit und auch im Parlament Unterstützung finden.

(Abg. Wehner: Sehr wahr!)

Ich komme zur politischen Betätigung der Soldaten. Die Entwicklung radikaler politischer Gruppen in unserem Lande macht vor den Kasernentoren natürlich nicht halt. Das ist eine unvermeidbare Begleiterscheinung der Wehrpflicht, die dadurch gekennzeichnet ist, daß nicht nur solche jungen Männer Wehrdienst leisten, die von sich aus dazu bereit sind; es gibt auch junge Männer, die unwillig in die Kasernen kommen, und schließlich gibt es noch jene, die nicht nur unwillig sind, sondern das politische System der Bundesrepublik Deutschland bekämpfen und daher nicht bereit sind, unsere Verfassungsordnung zu verteidigen.
Die von den zuletzt Genannten betriebene politische Agitation überschreitet heute häufiger als früher die klaren Grenzen, die das Soldatengesetz zieht. Wir werden mehr als bisher darauf zu achten haben, daß diese Grenzen nicht überschritten werden und Mißbrauch unterbunden wird.
Die Methoden des politischen Angriffs von außen auf die Streitkräfte haben sich verfeinert. Flugblattaktionen wurden ersetzt durch eine nachdrückliche Beratung zur Kriegsdienstverweigerung, durch Bereitstellung von Material über das Grundrecht der Kriegsdienstverweigerung und durch Anleitungen zum taktischen Vorgehen. Von außen gesteuerte Zellenbildungen radikaler Gruppen treten auf und gefährden u. a. die Kameradschaft.

Dr. Friedrich Zimmermann (CSU):
Rede ID: ID0618100800




Parlamentarischer Staatssekretär Berkhan
Eine Wehrpflichtarmee wie die unsrige ist kein keimfreier, vor jeder Infektion ungefährdeter Organismus. Sie kann es nicht und will es auch nicht sein. Ein bestimmtes Maß von Infektion ist sogar therapeutisch nützlich, weil es zur Immunisierung des gesamten Körpers Bundeswehr beitragen kann.

(Abg. Haase [Kassel] : Aber nur sehr bedingt! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

Die Grenze ist dort, darüber kann es keinen Zweifel geben, wo, von welcher Seite auch immer, die Erfüllung der verfassungsmäßigen Verteidigungsaufgabe der Bundeswehr gefährdet wird.
Ich weiß nicht, Herr Wörner, ob Ihnen dieses Zitat zu unklar ist oder ob Sie meinen, es würde dadurch besser, daß man es immer wiederholt. Ich bin der Meinung, ständige Wiederholungen führen nur zur Abnutzung.
Ich komme zu dem Teil „Nachlassen der Disziplin und Autoritätsverlust der Vorgesetzten". Das ist ein Hauptthema im Bericht des Wehrbeauftragten. Er stellt dort fest, daß die Disziplinlosigkeit zunimmt und Vorgesetzte die Entschlossenheit verlieren, sich zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten voll einzusetzen. Ich teile diese Sorgen des Wehrbeauftragten zwar ganz allgemein, meine allerdings, es ist kein Grund, gegenüber diesen Erscheinungen nun Überbewertung Platz greifen zu lassen. Daher wäre es falsch, auf Grund der bisherigen Beobachtungen zu grundlegenden Änderungen zu kommen oder sie zu verlangen.
Ich sehe das Problem der Disziplinlosigkeit und der schwindenden Autorität der Vorgesetzten vor folgendem Hintergrund. Es ist sicher, daß die jungen Menschen, die als Wehrpflichtige in die Streitkräfte kommen, oft Sinn und Notwendigkeit des Wehrdienstes nicht erfaßt haben. — Gestatten Sie mir, Herr Kollege Wörner, eine kleine Einschiebung, die nicht in meinem Text der Erklärung hier steht. Die Ausbildung in den Schulen beginnt ja nicht erst im Jahr 1969. Sie ist alt. Es gibt Länder, die sehr lange unter der Hoheit eines CDU-Kultusministers stehen, und es gibt Länder, die sehr lange unter der Hoheit eines SPD-Kultusministers stehen, und es gibt Länder, die zeitweise liberale Kultusminister hatten.

(Abg. Dr. Wörner: Ich glaube nicht, daß Sie behaupten können, daß ich Ihnen hieraus einen einseitigen Vorwurf mache!)

— Schönen Dank! Ich will das ja nur ergänzen.

(Abg. van Delden: Herr Wörner hat gesagt: alle Länder!)

— Ja, ja. Ich will das ja nur ergänzen. Herr van Delden, daß Sie immer so ungeduldig sind! Ich bin jetzt fast in Versuchung, etwas zu tun, was — —

(Abg. van Delden: Ich habe mich aber nie von Hamburg entfernt!)

— Eines will ich Ihnen nur sagen: In all diesen Ländern sind die Ergebnisse im letzten Grunde gleich.
Wenn wir uns hier Gedanken zu machen haben, dann müssen wir in unseren Parteien und in unseren Länderparlamenten darüber nachdenken, wie wir der Pflicht der Schulen Rechnung tragen können, über Geist und Inhalt des Grundgesetzes in all seinen Teilen gleichmäßig und gleichwertig zu unterrichten.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

In einem allerdings habe ich Sie entweder wieder falsch verstanden, oder ich muß sagen, daß ich hier anderer Auffassung bin. Ich glaube nach wie vor, daß das Normale der Wehrdienst ist und die Ausnahme die im Grundgesetz festgelegte Verweigerung des Kriegsdienstes mit der Waffe.

(Abg. Dr. Wörner: Das ist selbstverständlich!)

— Na gut, dann haben wir uns ja nicht falsch verstanden. Daher wollen wir bei der Debatte, wie ich Ihnen zugesagt habe, über allgemeine Dienstgerechtigkeit oder über Ihre Vorschläge gemeinsam darauf achten, daß das Normale nicht in einen Topf mit der Ausnahme kommt. Darauf werden wir gemeinsam zu achten haben.

(Beifall auf allen Seiten.)

Dann darf ich mit meinem Katalog fortfahren. Es gibt Einzelfälle, die zwar bedauerlich sind, bei denen aber unter Einfluß von Alkohol die Situation der Auflehnung verschärft wird, hier insbesondere die Auflehnung gegen die militärische Ordnung. Beispielsweise erfolgten in den letzten beiden Jahren fast die Hälfte aller Fälle von Bedrohung von Vorgesetzten und ungefähr zwei Drittel der tätlichen Angriffe auf Vorgesetzte unter Alkoholeinfluß. Das muß uns generell nachdenklich stimmen. Aber nicht nur, Herr Kollege, bei den Soldaten.
Ich jedenfalls will hier noch in einem anderen Punkt sagen, daß ich begründete Zweifel habe, ob die Rechtsprechung immer die Besonderheiten des militärischen Dienstes und damit schließlich den Verfassungsauftrag der Streitkräfte angemessen berücksichtigt. Ein Beispiel. Von allen Gerichtsstrafen nach dem Wehrstrafgesetz, die 1970 auf Gefängnis oder Strafarrest lauteten — und das waren 81% der gesamten Urteile —, wurden 75 % auf Bewährung ausgesetzt. Nun ist unbestritten, daß Strafaussetzung zur Bewährung im normalen zivilen Fall sicherlich ein erfolgreiches Mittel ist, straffällig gewordenen Menschen zu helfen. Das ist das Ziel aller Strafrechtsreformen. Ich muß jedoch daran zweifeln, ob eine solche Anhäufung von Strafaussetzungen zur Bewährung ihren Sinn noch erfüllt in der Zeit, in der die junge Mannschaft in Kasernen gemeinsam leben muß.
Solange Kriegsdienstverweigerer eine große Chance haben, jeglicher Dienstleistung zu entgehen, wird dies den Unwillen der Wehrpflichtigen, die dienen müssen, noch vermehren.
Heute nehmen in den Streitkräften viele junge Soldaten als Wehrpflichtige oder Zeitsoldaten die Funktion von Unterführern wahr. Wir werden darauf zu achten haben, daß ihre Autorität entsprechend gestärkt wird, ihre Autorität, die sie natürlich auf Grund ihrer Lebenserfahrung und ihres Ausbildungszustandes noch nicht zureichend haben.



Parlamentarischer Staatssekretär Berkhan So weit zum Hintergrund.
Die in den Streitkräften festzustellende Erscheinung von Disziplinlosigkeit und Autoritätsschwund zeigt sich bei vier Sachverhalten am deutlichsten: eigenmächtige Abwesenheit hat zugenommen, den Hauptanteil bei Gehorsamsverweigerungen haben die nicht anerkannten Kriegsdienstverweigerer, die Bedrohung von Vorgesetzten, und ganz allgemein das Nachlassen der Disziplin. Die Feststellungen des Wehrbeauftragten decken sich mit den Erkenntnissen des Ministeriums. Sie beruhen ja schließlich auch auf dem Zahlenmaterial, das ihm vom Ministerium der Verteidigung zur Verfügung gestellt worden ist.
Viele Straftatbestände hängen auch mit dem Autoritätsmangel einiger Vorgesetzter zusammen. Ich will offenlassen, welche Quellen oder welche Hauptquellen möglicherweise solcher Autoritätsmangel hat. Es ist aber wohl nicht zu übersehen, daß beispielsweise die bereits von mir erwähnten relativ jungen Unterführer in diesem Zusammenhang eine besondere Rolle spielen. Ferner spielt gelegentlich die Überbetonung der persönlichen Autorität eine Rolle und schließlich und endlich auch teilweise das Beharren auf einem überholten Disziplinbegriff. Manche Vorgesetzte aller Grade und auch manche zivilen Kritiker, so scheint es, neigen dazu, Dinge wie Disziplin allzu stark idealtypisch zu betrachten. Sie erfahren oft schmerzlich, wie wenig idealtypisch die Wirklichkeit ist. Mit dieser Erscheinung korrespondiert ein Wandel der Untergebenendisziplin. Hier haben wir es im wesentlichen mit gesellschaftlichen Einflüssen zu tun, etwa mit einer zunehmend extremen antiautoritären Haltung der Jugend und wohl auch mit einer zunehmenden Gleichgültigkeit gegenüber Staat und Gesellschaft.

(Abg. Wehner: Da gibt es viele Varianten, Herrn Strachwitz zum Beispiel!)

— Ja, da gibt es viele Varianten, Herr Wehner. Es ist hier ein Beispiel genannt, und ich will die Kette nicht erweitern.

(Abg. Wehner: Die Kette nicht um Sie legen!)

Ich könnte natürlich noch ein Beispiel nennen. Ob es wirklich gut ist, daß Parteien so tun, als ob sie ihre Regierung nicht in der Öffentlichkeit, sondern in einer Offizierschule vorstellen müssen, jedenfalls teilweise,

(Abg. Wehner: Sehr gut!)

wage ich sehr stark kritisch zu betrachten.

(Abg. Dr. Wörner: Es muß wehgetan haben!)

— Nein, es hat nicht wehgetan. Wie können Sie mir wehtun? Sie sind einige Pfunde zu leicht, um mir wehzutun.

(Heiterkeit bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)

Die Mittel, in der Truppe Disziplin aufrechtzuerhalten, genügen aber nach meiner Meinung, obwohl sie hier und da mit formalen Erschwernissen, etwa mit dem umfangreichen Papierkrieg, verbunden sind. Das Bundesministerium der Verteidigung wird weiter auf die Stärkung der Autorität von Vorgesetzten hinwirken, damit einer Aushöhlung der Disziplin vorgebeugt werden kann. Hierzu dient u. a. die Novellierung der Wehrdisziplinarordnung, und ich bitte das Haus, insbesondere die zuständigen Ausschüsse, alsbald zur Verabschiedung dieser Ordnung zu kommen. Wir warten dringend darauf.
Vor allem müssen wir auf Methoden bedacht sein, mit denen jungen Führern und Unterführern bereits zu Anfang ihrer Tätigkeit als Vorgesetzte geholfen werden kann. Es muß auch mehr auf das notwendige Maß formaler Disziplin und auf ein besseres Bild in der äußeren Erscheinung geachtet werden. Die Ergänzung der rein formalen durch die funktionale Disziplin in Teilgebieten darf aber nicht als die Ablösung der Disziplin schlechthin mißverstanden werden und so schließlich das System von Befehl und Gehorsam in Frage stellen.
Zum Kreis der Inneren Führung: Die Befürchtungen des Wehrbeauftragten, daß Innere Führung heruntergespielt werden solle, trifft nicht zu. Im Gegenteil! Die Innere Führung hat ihren festen Rang und Platz in der Bundeswehr längst gefunden. Daraus erklärt sich auch, warum — wie er doch selbst festgestellt hat — Verstöße gegen die Grundrechte der Staatsbürger in Uniform durch Vorgesetzte verhältnismäßig selten sind.
Der Bundesminister der Verteidigung hat — ich zitierte die Rede schon — bei der Amtseinführung des Generalinspekteurs zur Inneren Führung folgendes gesagt:
Seit ich in diesem Amte bin, habe ich es abgelehnt, mich an dem Glasperlenspiel zu beteiligen, zu den vielen Definitionen von Innerer Führung eine neue hinzuzuliefern. Ich habe aber niemals Unklarheit darüber gelassen, daß es an ihren verfassungskonformen gesetzlichen Grundlagen nichts zu deuteln gibt.
Die neue „Zentrale Dienstvorschrift 10/1" befindet sich in der Arbeit; sie wird Begriffe und Leitsätze der Inneren Führung erläutern. Zwei Teile des Entwurfs haben dem Verteidigungsausschuß bereits zur Information vorgelegen. Insofern kommen wir dem Monitum des Wehrbeauftragten bereits entgegen.
Der in den Anfangsjahren notwendigen Diskussion über die Grundsätze der Inneren Führung ist längst die Praktizierung im Truppenalltag gefolgt. Diese Entwicklung enthebt uns jedoch nicht der Pflicht, am passenden Ort und zu passender Zeit über den Sinn der Inneren Führung zu reflektieren, vornehmlich bei der Ausbildung unserer Unteroffiziere und Offiziere.
Es ist ein Irrtum, zu glauben, Innere Führung sei Ideologie und benötige gar eine eigene Organisation. Innere Führung wird als Menschenführung in allen Schulen und Akademien der Bundeswehr gelehrt. Rund ein Drittel des Lehrstoffes der Stabsakademie z. B. widmet sich dem Themenkreis „Soldat, Staat und Gesellschaft". Daher, Herr Wörner, glaube ich, daß wir Ihrer Mahnung nachgekommen



Parlamentarischer Staatssekretär Berkhan
sind, daß die Kommandeure auf diesen Auftrag hin auszubilden sind. Alle Stabsoffiziere werden vor allem im Hinblick auf ihre spätere Kommandeurtätigkeit gründlich mit gesellschaftlich-politischen Zusammenhängen vertraut gemacht. Es bedarf daher keiner Übertragung zusätzlicher Lehraufgaben der Inneren Führung.
Die Kapazität der Schule für Innere Führung in Koblenz erlaubte auch schon früher nicht die Ausbildung aller Einheitsführer und Kommandeure. Der Wehrbeauftragte meint, die Einheitsführerlehrgänge seien an die Wehrakademie verlegt worden. Das ist so nicht richtig. Vielmehr wurde dort ein Lehrgang „Staatsbürgerlicher Unterricht" eingerichtet. Dieses wichtige Lehrgebiet ist in der Truppe den Einheitsführern übertragen worden. Bis zur Herausgabe der „Zentralen Dienstvorschrift 12/1" gelten die kürzlich erlassenen „Vorläufigen Richtlinien für den staatsbürgerlichen Unterricht in der Bundeswehr". Sie waren in der Lage, davon Kenntnis zu nehmen; wir haben sie veröffentlicht.
Die Schule für Innere Führung widmet sich jetzt vorwiegend der Ausbildung der Lehrenden anderer Schulen, also der Multiplikatoren. Wir kommen damit dem Wunsch von Herrn Wörner entgegen, die Lehrer in den Stand zu setzen, über diese Themen überhaupt unterrichten zu können.
Forschungsaufgaben für das Gebiet Innere Führung könnten in Zukunft z. B. auch an Bundeswehrhochschulen bearbeitet werden. Lassen Sie mich an dieser Stelle ganz deutlich vermerken: Ich halte mehr davon, wenn auch in diesem Fall dem Volk aufs Maul geschaut wird, mit anderen Worten: wenn sich Forschung auf diesem Gebiet stärker an der Praxis der Truppe als an abstrakten Lehrsätzen orientiert.

(Abg. Dr. Klepsch: Das war gerade bei der Schule für Innere Führung gewährleistet!)

— Herr Kollege, wir haben den wissenschaftlichen Stab nicht aus der Schule herausgenommen. Sie wissen ja, wann das passiert ist. Ich kann Ihren Vorwurf nicht ganz verstehen.
Alles in allem: Die Vorgesetzten haben gelernt, Innere Führung zu praktizieren. Sie handeln im Sinne unserer Verfassungsordnung und gemäß den gesetzlichen Vorschriften. Voller Genugtuung kann ich die Feststellung des Wehrbeauftragten bestätigen, daß die Zahl von Vorfällen auf dem Gebiet der Inneren Führung, soweit Ausbildung, Erziehung und Dienstgestaltung betroffen sind, auf den niedrigsten Stand seit 1963 gesunken ist.
Ich fasse zusammen. Der Jahresbericht des Wehrbeauftragten 1971 leistet Hilfe. Dies nicht zuletzt deshalb, weil ein Organ des Deutschen Bundestages Parlament und Öffentlichkeit auf die Probleme hinweist, die wir zu lösen haben. Wir müssen fertig werden mit der Spannung zwischen den im Grundgesetz verbürgten Freiheitsrechten des einzelnen und den ebenfalls durch Grundgesetz bestätigten Ansprüchen des Staates auf Dienst für die Gemeinschaft, wie es das Bundesverfassungsgericht am 26. Mai 1970 ausdrücklich entschieden hat. Alle müssen helfen, Bundestag, Bundesregierung, Landesregierungen, Rechtspflege, Hochschulen, Schulen, die Männer, die die öffentliche Meinung beeinflussen, und diejenigen, die sich in der Öffentlichkeit äußern, nicht zuletzt die Bundeswehr selbst.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0618100900
Meine Damen und Herren, wird noch das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann ist dem Herrn Staatssekretär offenbar trotz aller Zwischenrufe die vorgefaßte Zurückhaltung gelungen.
Der Ältestenrat schlägt vor, den Bericht an den Verteidigungsausschuß zu überweisen. — Es erhebt sich kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich komme zu Punkt 13 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Spilker, Dr. Evers, Dr. Kraske, Frau Griesinger, Glüsing (Dithmarschen), Hussing, Weber (Heidelberg), Windelen, Dr. Wörner, Dr. Riedl (München) und der Fraktion der CDU/ CSU betr. Bundessportplan
— Drucksache VI/3221 —Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Spilker.

Dr. Karl-Heinz Spilker (CSU):
Rede ID: ID0618101000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der dem Hohen Haus vorgelegte Bundessportplan der CDU/CSU-Fraktion will die Sportförderung durch den Bund in den nach dem Grundgesetz gegebenen verfassungsrechtlichen Möglichkeiten und Grenzen weiterentwickeln, systematisieren und auf Dauer zu einem Element zukunftsorientierter Gesellschaftspolitik gestalten.
Nach dem Grundgesetz und in der Verfassungswirklichkeit gibt es bei uns gottlob einen freien und unabhängigen Sport. Geht man davon aus, daß etwa 10 Millionen Menschen in zirka 40 000 Vereinen in der Bundesrepublik sportlich organisiert und darüber hinaus weitere 10 Millionen bemüht sind, sportlich tätig zu sein, und geht man weiter vor allem davon aus, daß der Sport auch für die Gesundheit der anderen Menschen unentbehrlich ist, dann erkennt man sofort die hohe Verpflichtung der öffentlichen Hand dem Sport und damit den Menschen gegenüber. Diese Verpflichtung scheint mir unbestritten zu sein.
Da der Staat selbst nicht Sport betreibt und nach dem soeben Gesagten auch nicht Sportfunktionär sein darf, kann er dem freien und unabhängigen Sport nur durch Förderungsmaßnahmen helfen, die leider heute noch sehr unübersichtlich sind. Wir wollen mit unserem Antrag die Förderungsmaßnahmen des Bundes für den Sport in ein übersichtliches System bringen, um mit ihnen optimale Wirkungen zu erzielen. Wir gehen dabei davon aus, daß solche Maßnahmen, d. h. die Gewährung von Steuergeldern durch die öffentliche Hand, nur dann den größten Nutzen haben, wenn sie zum richtigen Zeitpunkt, an der richtigen Stelle und für den richtigen Zweck ausgegeben werden.



Spilker
Nach dem Antrag der CDU: CSU-Fraktion sollen die bisherigen Sportförderungsmaßnahmen des Bundes — immer im Rahmen seiner Zuständigkeit —, wie sie von früheren Bundesregierungen eingeleitet und von der jetzigen Bundesregierung fortgeführt wurden, zusammengefaßt werden, allerdings ergänzt um zentrale Modellmaßnahmen im Rahmen der Anregungskompetenz. Durch den Plan soll schließlich ein sytematisch geordnetes Förderungswerk des Bundes für den Sport begründet werden, das im Augenblick nicht da, aber dringend notwendig ist. Wir wollen also keine weitere Diskussionsgrundlage für die künftige Gestaltung des Sports — ich meine, davon haben wir nun genug —, sondern ein unmittelbar vollziehbares Aktionsprogramm, das, wie gesagt, dem Sport und damit allen Menschen zugute kommen soll.
Meine Damen und Herren, das Nebeneinander von Staat und Sport ist glücklicherweise in den letzten Jahren zu einem Miteinander geworden. Es besteht nunmehr wohl auch Einigkeit darüber, daß der Sport nicht mehr nur die schönste Nebensache der Welt ist, die man getrost sich selbst oder denen überlassen kann, die Spaß daran haben. Der Sport ist vielmehr in unserer Massengesellschaft vor allem angesichts der Bedingungen, unter denen Millionen von Menschen gerade in den Ballungsgebieten zu leben haben, eine gesellschaftspolitische, eine gesundheitspolitische, aber auch eine bildungspolitische Notwendigkeit. Stellt man ihn in diesen politischen Rahmen, muß man allerdings nach unserer Auffassung zwei Einschränkungen machen bzw. beachten. Eine deutete ich schon an. Um es konkret zu sagen, ich halte es für eine der wichtigsten Forderungen, daß die Unabhängigkeit des Sports trotz staatlicher Förderung erhalten bleibt. Obwohl der Staat, wie ich bereits betonte, zur nachhaltigen Förderung des Sports in seinem und seiner Bürger ureigenstem Interesse verpflichtet ist und dies nicht etwa nur aus einer gönnerhaften Laune tut, darf er auch nicht im mindesten den Eindruck erwecken, als wollte er sich mit den von ihm zur Verfügung gestellten Mitteln Einflußmöglichkeiten verschaffen. Deshalb sollten alle öffentlichen Stellen, die mit der Verwaltung und Hergabe von öffentlichen Mitteln zwangsläufig verbundenen Funktionen so zurückhaltend wie eben möglich ausüben.
Meine Damen und Herren, meine zweite Forderung mag paradox klingen, sie ist aber nicht minder wichtig. Der Sport ist, wie bemerkt, zu einem Politikum geworden, d. h. zu einer Sache von öffentlichem Rang und Interesse. Trotzdem oder gerade deswegen sollte man sich vor jeder Politisierung des Sports hüten. Dieses erfordert von beiden Seiten, vom Sport ebenso wie von der Politik, insbesondere bei den politischen Parteien, ein erhebliches Maß an Zurückhaltung, die bis heute auch in der Regel gewahrt worden ist. Dies scheint mir eine ganz erfreuliche Feststellung in diesem Hohen Hause zu sein und berechtigt mich auch zu der Hoffnung, daß die Beratungen dieses Bundessportplanes in den Ausschüssen zügig vorankommen werden.
Der von uns vorgelegte Bundessportplan sieht u. a. vor: erstens die Einordnung des Sports in die Gesellschaftspolitik, zweitens die verbindliche Festlegung von Grundsätzen, nach denen die Situation des Sports in der Bundesrepublik Deutschland beurteilt werden kann, mit dem Ziel, zuverlässige Unterlagen für eine kontinuierliche Sportförderung zu gewinnen, drittens klare Aufgabenverteilung und Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, viertens Regelung der Zusammenarbeit zwischen öffentlicher und freier Sportverwaltung und fünftens Festlegung der Förderungsarten und -projekte sowie der allgemeinen Maßstäbe für die Einzelförderung.
Ein jährlicher Durchführungserlaß, der rechtzeitig zu den Haushaltsberatungen vorgelegt werden soll, soll die Kontinuität des Bundessportplans sichern, seine Durchführung flexibel dem notwendigen Bedarf anpassen und dabei vor allem auch neuen Entwicklungen, die es immer wieder geben wird, Raum geben. Wir sind der Meinung, daß dieser Plan die Länder zu ergänzenden Landessportplänen anregen könnte, um so zu einer aufeinander abgestimmten Sportförderung in der gesamten Bundesrepublik zu kommen.
Die CDU/CSU-Fraktion ist sich durchaus der angespannten Finanzlage von Bund, Ländern und Gemeinden bewußt. Weil auch die Opposition keine Mehrkosten verursachen möchte, sieht der Sportplan daher zunächst nur in begrenztem Umfang neue Förderungsmaßnahmen vor. Sein Ziel ist es, wie gesagt, die Maßnahmen des Bundes in ein übersichtliches System zu bringen, das auch für die Förderung des Sports durch die Länder und Gemeinden richtungweisend sein kann, ein System im übrigen, mit dein bessere Wirkungen erzielt werden sollen.
Die Fraktion geht allerdings davon aus, daß als Basis für die finanzielle Ausstattung der im Bundessportplan zusammengefaßten Förderungsmaßnahmen diejenigen Aufwendungen gelten, die der Bund im Olympiajahr 1972 bereitstellt. Der in der Öffentlichkeit befürchtete Rückgang der Sportförderungsmittel nach den Olympischen Spielen darf einfach nicht eintreten. Schließlich hat auch der Sport bzw. haben seine Organisationen unter den bekannten Preissteigerungen zu leiden. Seine Aufgaben im öffentlichen Interesse entwickeln sich aber weiter.

(Vorsitz: Vizepräsident Frau Funcke.)

Abschließend darf ich sagen: Nach den erwähnten Aufgabenstellungen ist der Sport ohne jeden Zweifel für alle da. Er soll Gesunde schützen und Kranken helfen; er soll jungen und alten Menschen Spaß und Freude bringen, er soll schließlich zu einem festen Glied unserer freien Gesellschaftsordnung werden und als solches dann aber auch der Beachtung, Würdigung und Unterstützung durch die öffentlichen Hände sicher sein.

(Beifall.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0618101100
Das Wort hat der Abgeordnete Schirmer.

Friedel Schirmer (SPD):
Rede ID: ID0618101200
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Für die Fraktionen der SPD und FDP darf ich die folgende Erklärung abgeben:



Schirmer
Die Koalitionsfraktionen haben in diesem Hohen Hause den Antrag für einen Sportförderungsplan der Bundesrepublik Deutschland eingebracht, den wir weiterhin als geeignete Grundlage eines umfassenden Förderungsprogramms für den Sport ansehen. Die breite Zustimmung dazu aus dem Bereich der staatlichen Organe, der Hochschulen und der Sportorganisationen hat uns in dieser Ansicht bestärkt. Für die Ausschußberatungen dieses Antrags der Koalitionsfraktionen wurde zur Erleichterung der Diskussion eine schriftliche Ergänzung gegeben, die außerdem zu wesentlichen Punkten mündlich erläutert worden ist. Im weiteren Verlauf der Beratungen im Sonderausschuß für Sport und Olympische Spiele hat die CDU/CSU angekündigt, sie werde eine eigene Konzeption vorlegen. Das ist nun mit der hier heute zu behandelnden Drucksache geschehen. Die Koalitionsfraktionen begrüßen das.

(Abg. Rösing: Sehr gut!)

Bei den Beratungen im Ausschuß wollen wir uns darum bemühen, die Auffassungen der Fraktionen dieses Hauses möglichst zu einem gemeinsam zu vertretenden Konzept zu entwickeln. Erlauben Sie mir jedoch schon jetzt einige grundsätzliche Anmerkungen zum vorliegenden Antrag der Opposition.
Erstens. Bei der von uns gewollten und zu würdigenden Selbstverwaltung des Sports, die Herr Kollege Spilker zu Recht herausgestellt hat, dürfte es dem Deutschen Bundestag kaum möglich sein, einen Bundessportplan zu verabschieden, wie er von der CDU/CSU gefordert wird. Realisierbar ist dagegen, eine umfassende Konzeption für die Förderung des Sports anzustreben.
Zweitens. Der Bundesregierung ist es seit 1969 gelungen, sich mit dem Deutschen Sportbund, dem Nationalen Olympischen Komitee und den Bundessportfachverbänden, sich dabei stützend auf die Arbeiten der vorherigen Bundesregierungen, auf einen gemeinsamen Planungs- und Finanzmodus zu einigen und die gelegentlich und zeitweilig zuvor bestehenden Schwierigkeiten zu überwinden.
Drittens. Wir wollen nicht die Funktion und die Aufgaben der von uns gemeinsam gewollten und geschaffenen Deutschen Sportkonferenz beschneiden, sondern ihre Möglichkeiten mit einbeziehen und stärken, damit eine wirkungsvolle Koordination mit dem Sport, mit den Bundesländern und den Gemeinden erreicht werden kann. Hier wird ein wesentlicher Unterschied zwischen den beiden vorliegenden Anträgen deutlich: Die Koalition ersucht die Bundesregierung, in der Deutschen Sportkonferenz bestimmte Grundsätze für die künftigen Maßnahmen der Sportförderung zu vertreten. Demgegenüber soll nach dem vorliegenden Antrag der Fraktion der CDU/CSU die Bundesgierung einen Bundessportplan ausarbeiten und dem Deutschen Bundestag zur Beratung und Verabschiedung vorlegen.
Viertens. Nach der Verfassungslage haben sich die Bundesregierung und die Länderregierungen über die Zuständigkeiten für die Förderungsmaßnahmen weitgehend geeinigt. Der Deutsche Sportbund hat sich dazu positiv geäußert.
Fünftens. Nach der Darstellung der vorliegenden Drucksache soll es das Ziel eines jährlichen Durchführungserlasses sein, den zu fördernden Trägern des Sports bei der Aufstellung ihrer Jahresarbeitspläne Gewißheit über die Höhe und über die Berechnung der zu erwartenden Bundesmittel zu geben. Dieses Ziel ist durch die Bundesregierung während dieser Legislaturperiode in Zusammenarbeit mit den Bundessportfachverbänden bisher erreicht worden. Die Planungsgespräche mit dem Bundesausschuß zur Förderung des Leistungssports und mit den Verbänden haben in den vergangenen beiden Jahren so frühzeitig geführt werden können, daß die Verbände rechtzeitig wußten, wie hoch die ihnen gewährten Bundesmittel sein und für welche Zwecke sie gegeben würden.
Sechstens. Wir sind mit den Antragstellern der Auffassung — das haben wir im Sonderausschuß für Sport und Olympische Spiele verdeutlicht —, daß sich der Bund noch mehr als bisher darum bemühen soll, zentrale Modellmaßnahmen zu fördern zur Verbesserung der Vereinsstruktur im Versehrten-, Behinderten-, Alten- und Familiensport, für den Sport am Arbeitsplatz, für die Resozialisierung durch den Sport und für kombinierte Freizeit- und Erholungszentren.
Siebtens. Wir teilen die Auffassung, alle Sportförderungsmaßnahmen des Bundes aus den verschiedenen Ressorts übersichtlich zu verdeutlichen. Über die Einzelheiten wird zu beraten sein.
Achtens. Wir stimmen darin überein, die Förderung des Sports durch den Bund auch künftig sachlich und finanziell zu sichern. Das wird vor allem und uneingeschränkt auch für die Zeit nach den Olympischen Spielen 1972 zu gelten haben. Der Maßstab dafür muß der tatsächliche Bedarf für den Sport sein, wobei die Möglichkeiten unseres Haushaltes die Grenzen aufzeigen werden.
Auch nach diesen kritischen Anmerkungen ist nicht zu verkennen, daß es sich bei dem vorliegenden Antrag um einen beachtenswerten Beitrag handelt. Wir begrüßen das und sehen darin eine Grundlage für die nun weiterzuführenden Beratungen in unserem Ausschuß, für die die beiden vorliegenden Anträge die Basis bilden werden.
Für die Fraktionen der SPD und FDP bitte ich, den Antrag nach der Empfehlung des Ältestenrates an die Ausschüsse zu überweisen.

(Beifall.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0618101300
Meine Damen und Herren, Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Der Ältestenrat empfiehlt, den Antrag unter den Buchstaben A bis C an den Sonderausschuß für Sport und Olympische Spiele — federführend — sowie an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit — mitberatend -- und unter Buchstaben D an den Ältestenrat zu überweisen.
Wer damit einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Es ist so beschlossen.



Vizepräsident Frau Funcke
Ich rufe dann Punkt 15 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Frau Stommel, Dr. Götz, Frau Schroeder (Detmold), Burger, Baier, Köster, Vogt, Winkelheide und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes
— Drucksache VI/3258 —Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Burger.

Albert Burger (CDU):
Rede ID: ID0618101400
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes beantragt die CDU/CSU-Fraktion erneut die Verbesserung der Kindergeldsätze um je 10 DM monatlich ab viertem Kind, nachdem ihre Anträge zum Zweiten und Dritten Gesetz zur Verbesserung des Kindergeldes, durch welche gezielt die materielle Lage der kinderreichen Familien verbessert werden sollte, von der Regierungskoalition mit der Begründung abgelehnt worden waren, daß die Mittel für diese Leistungsverbesserungen innerhalb der Ansätze der mehrjährigen Finanzplanung nicht vorhanden seien.
Inzwischen hat sich unsere damalige Auffassung als zutreffend erwiesen. Bereits im Jahre 1971 wäre eine Anhebung der Kindergeldleistungen ab viertem Kind im Rahmen des Haushaltsansatzes 1971 und im Rahmen des Finanzplanes 1970 bis 1974 gesichert gewesen. Die Endabrechnung für 1971 hat nämlich ergeben, daß von dem Ansatz von 3,29 Milliarden DM 72,5 Millionen DM nicht verausgabt worden sind.
Wir haben es nicht zu verantworten, daß die Bundesregierung bei der Fortschreibung der mehrjährigen Finanzplanung in den Jahren 1972 bis 1975 die Kindergeldansätze um 100 Millionen DM im Jahre 1972, um 150 Millionen DM im Jahre 1973 und um 220 Millionen DM im Jahre 1974 gekürzt hat, nachdem leider bereits auch in früheren Finanzplänen Kürzungen vorgenommen worden sind.
Auch nach diesen inzwischen erfolgten Kürzungen der Ansätze für das Kindergeldgesetz besteht immer noch ein Spielraum für die Anhebung ab viertem Kind vom Mai dieses Jahres an. Die Kosten für unseren Antrag von rund 100 Millionen DM für dieses Jahr und von rund 150 Millionen DM für die Folgejahre werden voll durch Minderausgaben ausgeglichen, die auf Grund der starken Geburtenrückgänge der letzten Monate und mindestens temporär durch einen Rückgang der Zahlungsverpflichtungen für Kinder ausländischer Arbeitnehmer entstanden sind und weiter entstehen.
Die Aufstockung des Kindergeldes beim vierten und bei den weiteren Kindern ist unerläßlich, um wenigstens für einen Teil der kinderreichen Familien ein Absinken unter das sozialkulturelle Existenzminimum zu vermeiden. Der sozialkulturelle Mindestbedarf für ein Kind wird nach den neuesten wissenschaftlichen Feststellungen im Jahre 1972 mit etwa 160 DM angegeben. Tatsächlich aber sind die Aufwendungen schon in den Haushaltungen von Arbeitern und Angestellten mit einem mittleren Einkommen durchschnittlich etwa um ein Viertel höher; also betragen die Aufwendungen zur Zeit monatlich für ein Kind etwa 200 DM.
Der wissenschaftliche Beirat für Familienfragen schließt deshalb aus dieser Entwicklung wie folgt: In Familien mit drei Kindern läge das Lebensniveau — verglichen mit dem eines kinderlosen Ehepaares der gleichen Einkommenstufe — um nahezu die Hälfte niedriger. Die Tatsache — so wird weiter ausgeführt —, daß sich mit wachsender Familiengröße einerseits die Startchancen der Kinder verschlechterten und andererseits die Sozialisationsfunktion der Eltern beeinträchtigt werde, unterstreicht nach Ansicht des wissenschaftlichen Beirates für Familienfragen die Notwendigkeit eines entsprechenden Familienlastenausgleiches.
Meine Damen und Herren, wo bleibt die Chancengleichheit für die Mehrkinderfamilie, wo das Versprechen auf mehr soziale Gerechtigkeit, wenn diese Familien in ihrer Existenz durch erhebliche Preissteigerungen verunsichert werden? Unter Berücksichtigung der Lebenshaltungskosten allein des letzten Jahres müßten an sich großzügigere Verbesserungen vorgeschlagen werden. Ich möchte hier an die Koalitionsparteien appellieren, mit der Opposition wenigstens diese Anhebung zu beschließen.
Bei einer Wertung unseres Antrages wird man sich auch der Tatsache nicht verschließen können, daß ab 1. Juni 1972 die Regelbedarfssätze in der Sozialhilfe wie in jedem Jahr erneut an die wirtschaftliche Entwicklung angepaßt werden. Damit wird die Zahl der im Vollerwerb stehenden größeren Familien, die neben dem Arbeitseinkommen, dem Kindergeld und einem eventuellen Wohngeld zusätzlich Sozialhilfe beziehen können, noch ansteigen. Leider sind schon qualifizierte Facharbeiter und Angestellte mit abgeschlossener Ausbildung betroffen. Es bleibt uns beinahe nichts anderes mehr übrig, als diese Familien aufzufordern, bei der Sozialhilfe Anträge zu stellen, wenn es uns nicht gelingt, wenigstens die von uns vorgeschlagenen Verbesserungen Gesetz werden zu lassen.
Wir kommen dabei allmählich in eine Situation, in der sich für Ernährer kinderreicher Familien das Bemühen um beruflichen und wirtschaftlichen Aufstieg, das Streben nach einem gesicherten Arbeitsplatz nicht mehr lohnt, weil diese Bemühungen nicht mehr zu einer Verbesserung des Lebensstandards führen, sondern lediglich zu einer Kürzung der Leistung in der Sozialhilfe. Viele Betroffene hätten kaum noch eine Chance, über die Schwelle des sozial-kulturellen Existenzminimums hinauszuwachsen. Diese Entwicklung schlägt sich bereits nieder. Rund 59 % aller Familien wünschen sich heute nur noch ein bis zwei Kinder.
Zusammenhänge zwischen der Zahl der Geburten und dem Familienlastenausgleich werden damit deutlich. Die Geburtenzahlen sind weiter rückläufig. Im Januar dieses Jahres wurden noch 59 750 Kinder gegenüber 65 242 im Vorjahr geboren. Im Februar dieses Jahres wurden noch 60 148 Kinder gegenüber 63 645 im Vorjahr geboren. Wir können ja nicht



Burger
ernsthaft annehmen, daß in einer Umwelt, in der das Streben nach höherem Lebensstandard zum Lebensmerkmal für die Mehrheit der Bevölkerung geworden ist, junge Familien bereit sind, einer größeren Kinderzahl zuliebe einen niedrigen Lebensstandard hinzunehmen und eineinhalb bis zweieinhalb Jahrzehnte auf Güter und Dienstleistungen zu verzichten, die zu einem gehobenen Lebensstandard gehören.
In unserem Staat ist wirklich etwas nicht in Ordnung, wenn Familien mit vier und mehr Kindern, die allmählich eine kleiner werdende Minderheit unserer Bevölkerung ausmachen, zunehmend das Gefühl haben müssen, vergessen zu werden. Wir können der Bundesregierung den Vorwurf nicht ersparen, daß sie der materiellen Förderung der Familie nicht die Priorität zuweist, die ihr zukommt.
Die einzige Reaktion neben der Entwicklung eines Modells für die Neuordnung des Familienlastenausgleichs, für dessen Realisierung vor 1976 kaum eine Chance besteht, ist der Hinweis auf vermeintliche familienpolitische Versäumnisse der CDU/CSU in der Zeit bis zum Herbst 1969. Dabei wird verschwiegen, daß die heutigen Regierungsparteien nacheinander in der Mitverantwortung standen, und in dieser Zeit nicht den geringsten Anstoß für die Verbesserung der materiellen Lage der Familien gegeben haben. Im übrigen sind die Lebenshaltungskosten noch nie so stark gestiegen wie in den letzten beiden Jahren.
Der Preisindex für die einfache Lebenshaltung eines Kindes — auf der Basis des Jahres 1962 — 100 - lag zum Zeitpunkt der Schaffung des Bundeskindergeldgesetzes im Jahre 1964 bei 105,3. Der Index stieg in den Jahren 1964 bis 1969, also in fünf Jahren, von 105,3 auf 120,4 Punkte. Er ist in den wenigen Jahren des Bestehens der bisherigen Koalition wesentlich stärker angestiegen und betrug im März dieses Jahres bereits 137,1 Punkte, also in fünf Jahren ein Anstieg von 15 Punkten, in den zweieinhalb zurückliegenden Jahren von bereits 17 Punkten.
Die Stärkung der wirtschaftlichen Basis der Familie ist also deshalb eine zwingende Voraussetzung dafür, daß diese Familien ihre naturgegebenen Funktionen erfüllen und daß der Bestand unserer Gesellschafts- und Sozialordnung in späteren Jahrzehnten und Generationen gesichert ist. Auch die Sozialisation in der Mehrkinderfamilie ist ernsthaft gefährdet. Unter diesen Gesichtspunkten sind ausreichende Mittel für die Familie genauso lebensnotwendig für die Gesellschaft, wie es erforderlich ist, einen erheblichen Teil des Sozialprodukts zu investieren statt zu konsumieren. Wer angesichts der jüngsten Entwicklung den Familien die wirtschaftliche Basis für ihre Entfaltung entzieht, treibt einen Raubbau an der wirtschaftlichen und sozialen Zukunft unseres Volkes.
Namens meiner Fraktion möchte ich die Regierungsparteien auffordern, unsere Initiative in den Ausschüssen unverzüglich zu beraten. Die hier vorgeschlagenen Leistungsverbesserungen stehen einer sinnvollen Reform des Familienlastenausgleichs nicht entgegen. Sie sind unerläßlich, um den Familien mit größerer Kinderzahl das Gefühl zu geben, daß die Gesellschaft wenigstens bereit ist, im Rahmen der derzeitigen finanziellen Möglichkeiten zu helfen.
Ich beantrage die 'Überweisung unseres Gesetzentwurfes federführend an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit, mitberatend an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung und gemäß § 96 der Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0618101500
Das Wort hat Frau Abgeordnete Eilers.

Elfriede Eilers (SPD):
Rede ID: ID0618101600
Frau Präsidentin: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende CDU/ CSU-Antrag auf Erhöhung des Kindergelds für kinderreiche Familien deckt sich inhaltlich mit einer Initiative der Länder Bayern und Rheinland-Pfalz im Bundesrat. Der Bundesrat hat jedoch in seiner Sitzung am 24. März, also noch vor wenigen Wochen, dieses Begehren ausdrücklich abgelehnt. Für die Entscheidung des Bundesrates waren in erster Linie finanzpolitische Erwägungen maßgebend.
Die Erhöhung des Kindergelds, wie sie nach dem Scheitern der Länder-Initiative heute nun von der CDU/CSU-Fraktion gefordert wird, würde eine finanzielle Mehraufwendung von jährlich 150 Millionen DM erfordern. Diese Mittel sind in der mittelfristigen Finanzplanung des Bundes nicht gedeckt.

(Abg. Frau Stommel: Doch!)

Es fehlt dem CDU/CSU-Antrag also eine solide finanzielle Grundlage, auch wenn von der Opposition etwas Gegenteiliges gesagt wird.
Die Behauptung der CDU/CSU, angesichts sinkender Geburtenzahlen würden die Ansätze in der mittelfristigen Finanzplanung ausreichen, so daß eine zusätzliche Deckung nicht erforderlich sei, ist irreführend. Denn erstens überschreitet der sich aus dem CDU/CSU-Antrag ergebende Mehraufwand von jährlich 150 Millionen DM — selbst bei Leichtgläubigkeit - bei weitem die in den Ansätzen der mittelfristigen Finanzplanung hineininterpretierten finanziellen Spielräume, und zweitens scheint sich hinsichtlich der Geburtenzahlen eine neue Entwicklung anzubahnen. Das lassen gewisse neue Zahlen vermuten. Es kommt hinzu, daß die Ungewißheit über das Ausmaß der Zunahme der anspruchsberechtigten ausländischen Arbeitnehmer zur Zeit nicht unerheblich ist. Das alles macht deutlich, daß es finanzpolitisch leichtfertig wäre, mit rein hypothetischen Haushaltsreserven Leistungsverbesserungen finanzieren zu wollen. Deshalb muß ich für meine Fraktion zu äußerster Zurückhaltung auffordern.
Neben diesen finanzpolitischen Erwägungen vertrat der Bundesrat die Auffassung, daß eine weitere Verbesserung des Kindergeldrechts auch im Hinblick auf die Bestrebungen um eine grundlegende Umgestaltung des Familienlastenausgleichs im Rahmen der Steuerreform vorläufig unterbleiben sollte.

(Abg. Frau Stommel: Wann kommt das denn?)




Frau Eilers
In der Tat wurden durch weitere isolierte gesetzliche Regelungen — das will ich gerade sagen, Frau Kollegin — im Bereich des Kindergeldes die Reformbestrebungen, an denen die Bundesregierung, wie sie mehrfach erklärt hat, unbeirrt festhält, politisch weiter erschwert.
Diese und andere Tatsachen, die dem Bundesrat Veranlassung gegeben haben, eine Initiative zur Erhöhung des Kindergeldes abzulehnen, werden wir im Ausschuß gemeinsam ernsthaft prüfen müssen. Denn es ist unseren Familien weder damit gedient, daß der Gesetzgeber finanzpolitisch ungesicherte Wechsel auf die Zukunft ausstellt, noch damit, daß er durch weitere isolierte Regelungen eine umfassende Reform des Familienlastenausgleichs erschwert und sich damit familienpolitisch selbst blockiert.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0618101700
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwislchenfrage der Frau Abgeordneten Stommel?

Elfriede Eilers (SPD):
Rede ID: ID0618101800
Es geht um eine Erklärung, und ich glaube, wir sollten sehen, daß wir zügig vorwärts kommen. Wir haben auch eben nicht unterbrochen, obwohl ich einige Fragezeichen zu setzen gehabt hätte, speziell bei Herrn Kollegen Burger bezüglich der Entwicklung des Lebensstandards und der Entwicklung der Löhne im gleichen Zeitraum. Ich habe es mir verkniffen, damit wir hier zügig weiterkommen können.

(Beifall bei der SPD.)

Aber lassen Sie mich in diesem Zusammenhang für meine Fraktion noch auf folgendes hinweisen: Bei der Diskussion der Kindergeldfrage darf nicht übersehen werden, daß die Familienpolitik nicht allein aus der Zahlung von Kindergeld besteht. Die staatlichen Leistungen für Familien sind von der sozialliberalen Koalition in den letzten beiden Jahren auf den verschiedensten Gebieten ganz wesentlich verbessert worden. Das ist auch von den Familienverbänden und auch von einem Teil der Kollegen der Opposition durchaus anerkannt worden. Diese Leistungsverbesserungen müssen bei der politischen Beurteilung des vorliegenden Antrags der Opposition unbedingt mit berücksichtigt werden. Ich will hier nur auf die Einbeziehung der 11 Millionen Kinder in Kindergärten, Schüler und Studenten in die gesetzliche Unfallversicherung erwähnen, die für die Familien von ganz erheblicher sozial- und gesundheitspolitischer Bedeutung ist. Ich möchte weiter auf die Einführung der Vorsorgeuntersuchung für die 2,5 Millionen Kinder unter 4 Jahren hinweisen, die für die Lebenschancen dieser Kinder von großer Bedeutung sind. Jeder, der die Geschichte unserer sozialen Sicherung kennt, weiß, daß damit ein bedeutender Fortschritt für die Familien in unserem Land erreicht worden ist.
Das gleiche gilt nicht zuletzt auch für den Ausbau der Ausbildungsförderung, der eine der wichtigsten familienpolitischen Leistungen darstellt. Durch das am 1. Juli 1970 in Kraft getretene erste Ausbildungsförderungsgesetz und die Einführung einer bundeseinheitlichen Ausbildungsförderung zum 1. Oktober 1971 ist ein großer Durchbruch zu mehr Chancengerechtigkeit für die jungen Menschen erreicht worden. Während im Bund im Jahre 1969 für die individuelle Ausbildungsförderung lediglich 97 Millionen DM aufzuwenden waren, sind im Haushaltsjahr 1972 rund 700 Millionen DM vorgesehen. Das bedeutet eine Steigerung der Ausgaben in drei Jahren um mehr als 600 %. Durch Bereitstellung von Mitteln in einer solchen Größenordnung erhält die Familienpolitik im Vergleich zu dem, was bisher auf diesem Feld getan worden ist, eine neue Dimension.
In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, daß die Verplanung möglicher Reserven in Etatansätzen aus grundsätzlichen Erwägungen bedenklich ist. Der Etatansatz für die Ausbildungsförderung z. B. im Jahre 1972 wird nach Berechnungen des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit höchstwahrscheinlich um mehr als 200 Millionen DM überschritten werden. Das sind die Folgewirkungen der von der Bundesregierung kürzlich durchgeführten Werbeaktion, durch die die Familien ermuntert wurden, von dem neuen Rechtsanspruch im Interesse der Kinder Gebrauch zu machen. Wir sind froh darüber, daß die Inanspruchnahme jetzt in diesem Maße stattfindet.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Es wäre ein finanzpolitisch als recht fragwürdig anzusehender Zustand, wenn auf der einen Seite eine ganz erhebliche Überschreitung eines finanzpolitischen Etatpostens als selbstverständlich hingenommen würde und auf der anderen Seite darüber hinaus nicht ausgeschöpfte Reserven eines anderen familienpolitischen Etatansatzes für weitere isolierte Leistungsverbesserungen verplant würden. Der familienpolitische Haushalt muß als eine Einheit angesehen werden, wenn man nicht zu finanzpolitisch unübersehbaren Konsequenzen kommen will.
Aber auch die deutliche Verbesserung des Wohngeldes insbesondere für kinderreiche Familien und die Verbesserung des Kindergeldrechts vom 4. November 1970 mit einem zusätzlichen Finanzvolumen von jährlich rund 400 Millionen DM, von denen annähernd 200 Millionen den kinderreichen Familien zugute kommen, sollten nicht unerwähnt bleiben. Sie sind Ausdruck für die Bemühungen der sozialliberalen Koalition, trotz aller finanzpolitischen Schwierigkeiten die wirtschaftliche Lage der Familien zu verbessern.
Das ist eine familienpolitische Leistungsbilanz, die sich, so meine ich, durchaus sehen lassen kann. Auf jeden Fall bedeutet diese Leistungsverbesserung insgesamt mehr Reformen, als in der Vergangenheit in einem gleichen Zeitraum jemals für unsere Familien erreicht worden sind,

(Zuruf von der CDU/CSU: Für Kinderreiche?)

wenn sich das auch nicht konkret in Kindergeldzahlungen darstellt.
Selbstverständlich wissen wir, daß noch manche berechtigten Wünsche unserer Familien offen sind, und es fällt uns nicht leicht, die Erfüllung dieser Wünsche aus finanzpolitischer Verantwortung und zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zusagen zu kön-



Frau Eilers
nen; wohl aber werden wir sie prüfen. Ein ehrliches Wort nützt nach meiner Meinung den Familien sicherlich mehr, als wenn wir heute Hoffnungen erwecken würden, die unter Umständen nicht erfüllt werden könnten. Aber die Familien in diesem Lande sollen wissen: die sozialliberale Koalition wird wie bisher weiter daran arbeiten, die Lebensfähigkeit unserer Familien zu stärken und die Chancengerechtigkeit für unsere junge Generation weiterhin auszubauen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0618101900
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Geldner.

Karl Geldner (FDP):
Rede ID: ID0618102000
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Namens der Fraktion der Freien Demokraten gebe ich zum vorliegenden Gesetzentwurf folgende Erklärung ab.
Die Opposition begründet ihren Vorschlag, die Kindergeldsätze vom vierten Kind an monatlich um je 10 DM anzuheben, mit der wirtschaftlichen Entwicklung. Es ist in diesem Hause unbestritten, daß auch die Familien einen Anspruch auf Teilnahme an der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung haben, auch dann, wenn dieser Anspruch nicht durch gesetzliche Anpassungsvorschriften festgelegt ist.
Ich sage dies deshalb bewußt, weil die Argumentation der Opposition den falschen Eindruck erwecken könnte, als sei hier nichts geschehen. Familienpolitik und Leistungen für die Familie, die ihr direkt oder indirekt zugute kommen, erfolgen ja nicht nur auf dem Wege der Kindergeldzahlungen. Es erscheint erforderlich, darauf hinzuweisen, daß die sozialliberale Koalition in einer ganzen Reihe gesetzlicher Maßnahmen Leistungen und Leistungsverbesserungen beschlossen hat, die gerade für die kinderreichen Familien eine Verbesserung der Lebenssituation und speziell auch der Ausbildungsmöglichkeiten bedeuten.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Wenn die Freien Demokraten in der Zeit der Großen Koalition durch ihren Gesetzentwurf nicht das Startsignal für eine allgemeine Ausbildungsförderung gegeben hätten und die Sozialdemokraten nicht bereit gewesen wären, trotz des massiven Widerstandes der CDU/CSU mitzuziehen, hätten wir in dieser Legislaturperiode den jetzigen Stand der Ausbildungsförderung wahrscheinlich noch nicht erreicht.

(Abg. Dr. Schellenberg: Sehr wahr! — Gegenruf des Abg. Dr. Götz: Nicht ganz so wahr, wie Sie sagen!)

Wer die Probleme kennt und weiß, wie schwer es vielen Eltern gefallen ist, ihren Kindern eine qualifizierte Ausbildung zu gewähren, und wieviel schwerer noch, wenn das aus finanziellen Gründen nicht möglich war, weiß auch, daß durch dieses Ausbildungsförderungsgesetz den Betroffenen wesentlich mehr geholfen ist als durch gelegentliche Anpassung der Kindergeldsätze.
Es war auch nicht nur die Ausbildungsförderung, die für viele Familien eine wesentliche finanzielle Hilfestellung bedeutete, sondern ebenso das Wohngeldgesetz, das seit 1971 wesentliche Leistungsverbesserungen vorsieht. Bei drei und mehr Kindern ist immerhin auch dann noch eine Förderung möglich, wenn das Monatseinkommen 2000 DM beträchtlich übersteigt.
Vertreter der CDU/CSU-Opposition neigen gerade momentan im Wahlkampf dazu, die Behauptung aufzustellen, daß ohne eine solche Anpassung die Großfamilien in immer stärkerem Maße auf Leistungen der Sozialhilfe angewiesen wären.

(Abg. Frau Stommel: Das können Sie doch nicht bestreiten!)

Dort, wo dies tatsächlich der Fall war und ist, wurde das Problem auch in der Vergangenheit nicht durch eine Verbesserung der Kindergeldsätze gelöst. Das sind die Tatbestände.
Im übrigen muß auch einmal gesagt werden, daß in keiner Phase so viel familienpolitische Abstinenz von einer Regierung geübt wurde wie unter der Ressortverantwortung des Arbeitsministers Katzer und des Finanzministers Strauß.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Frau Stommel: Aber Sie hätten doch helfen können!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Situation der Familien läßt sich nicht an der Entwicklung der Kindergeldbeträge nach dem Kindergeldgesetz beurteilen. Wer dies tut oder versucht, betreibt absichtlich oder aus Unkenntnis eine gewisse Irreführung der Öffentlichkeit. Aus einer Veröffentlichung des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit vom 7. April 1972 ist ein umfassender Leistungskatalog zu entnehmen. Ich glaube, daß diejenigen, die der jetzigen Regierung Vorwürfe machen, keinen Grund dazu haben angesichts eines Vergleichs mit der Vergangenheit, in der Ihr Minister die Verantwortung getragen hat.
Wir Freien Demokraten sind bereit, die Möglichkeiten zur Leistungsverbesserung überall dort zu prüfen, wo sich eine Gelegenheit bietet. Wir können aber aus gesamtpolitischer Verantwortung nicht ein Geschäft unterstützen, wie es die CDU als Opposition betreibt, überall dort, wo es populär erscheint, zusätzlich öffentliche Leistungen aus Steuermitteln zu versprechen und gleichzeitig in anderen Zirkeln eine Einschränkung öffentlicher Ausgaben durch andere Vertreter zu fordern.

(Abg. Wehner: Sehr wahr!)

Es gibt keine geteilte politische Verantwortung. Wer mehr ausgeben will, meine Damen und Herren, muß auch den Mut haben, es denen zu sagen, die die höheren Steuern und sonstigen Lasten zu tragen haben. Die Ausschußberatungen werden zeigen, ob in dieser oder einer anderen Form Leistungsverbesserungen möglich sind. In diesem Zusammenhang wird die CDU/CSU-Opposition auch die Gelegenheit haben, darzulegen, ob sie überhaupt langfristige Vorstellungen über eine Kindergeldpolitik



Geldner
im Rahmen der Familienpolitik hat und wie sie dies finanzieren will.

(Abg. Frau Stommel: Sie können sich darauf verlassen, daß das kommt!)

Mit der Forderung nach höheren Leistungen und einer Verdammung anderer Vorschläge, wie wir es zur Zeit im Hinblick auf die Steuereckwerte erleben, ist es allerdings nicht getan.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0618102100
Das Wort wird nicht mehr gewünscht.
Wir stimmen über den Überweisungsvorschlag des Ältestenrats ab. Vorgeschlagen wird Überweisung an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit — federführend — sowie an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung zur Mitberatung, außerdem an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung. Wer damit einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 16 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern
— Drucksache VI/3295 —
Zur Einbringung wird das Wort nicht gewünscht. Wird das Wort in der allgemeinen Aussprache gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Der Ältestenrat schlägt Überweisung an den Finanzausschuß — federführend — sowie an den Haushaltsausschuß zur Mitberatung und gemäß § 96 der Geschäftsordnung vor. Wer damit einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Es ist so beschlossen.
Nun kommen wir zu den Zusatzpunkten. Erster Zusatzpunkt:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutz des Olympischen Friedens
— Drucksache VI/3202 —Schriftlicher Bericht des Innenausschusses (4. Ausschuß)

— Drucksache VI/3337 —Berichterstatter: Abgeordneter Liedtke Abgeordneter Dr. Schneider (Nürnberg)

Wird das Wort zur Begründung begehrt? — Das Wort in der allgemeinen Aussprache? — Beides ist nicht der Fall.
Wer in der zweiten Beratung den §§ 1, 2, 3, 4, 5 sowie Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Das Wort wird nicht gewünscht. Wer in der dritten Beratung dem Gesetzentwurf zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Einstimmig beschlossen.
Wir haben noch über Nr. 2 des Antrags des Ausschusses abzustimmen, die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären. — Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe nun den zweiten Zusatzpunkt auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft (8. Ausschuß) über die von der Bundesregierung beschlossene Verordnung zur Änderung des Deutschen TeilZolltarifs (Nr. 7/72 — Zollpräferenzen 1972 gegenüber Entwicklungsländern-EGKS)
— Drucksachen VI/3303, VI/3332 — Berichterstatter: Abgeordneter Kater
Wird das Wort dazu begehrt? — Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.
Damit sind wir am Ende der Sachpunkte. Wir kommen zur
Fragestunde
— Drucksachen VI/3313, VI/3327 —
Es sind zwei Dringlichkeitsfragen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen eingegangen; Drucksache VI/3327. Zur Beantwortung ist der Herr Parlamentarische Staatssekretär Haar anwesend. Ich rufe die erste Dringliche Mündliche Frage des Herrn Abgeordneten Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein auf:
Wie vereinbart sich nach Auffassung der Bundesregierung die beabsichtigte Teilnahme des Bundesverkehrsministers Leber an dem Demonstrationsflug des Überschallflugzeuges Concorde am 22. April 1972 zur Luftfahrtschau in Hannover mit den vielfaltigen Bemühungen zur Verstärkung des Schutzes der Bevölkerung vor den schädlichen Auswirkungen des Fluglärms, insbesondere denen des Überschallverkehrs, und könnte mit der Teilnahme des Bundesverkehrsministers an dem Flug der Concorde eine unerwünschte Präjudizierung künftiger Entscheidungen verbunden sein?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!

Ernst Haar (SPD):
Rede ID: ID0618102200
Herr Kollege, die alle zwei Jahre stattfindende Luftfahrtschau ist, darin werden Sie mir zustimmen, für die Bundesrepublik ein bedeutsames Ereignis, dessen internationale Resonanz sehr groß ist. Der Wunsch, aus diesem Anlaß dem Messepublikum die Concorde vorzustellen, ist daher ebenso verständlich wie die auch bei anderen Erstlingsflügen übliche Einladung an den jeweiligen Verkehrsminister, an diesem Fluge teilzunehmen. Die Annahme der Einladung ist ein Akt internationaler Höflichkeit. Weder dürfen an Einladungen solcher Art vom Einladenden Erwartungen hinsichtlich künftiger Entscheidungen des Eingeladenen geknüpft



Parlamentarischer Staatssekretär Haar
werden, noch präjudizieren sie denjenigen, der eine solche Einladung annimmt. Ein ziviler Überschallverkehr über der Bundesrepublik Deutschland wird, wie schon wiederholt vor diesem Hohen Haus betont worden ist, nicht zugelassen werden. Daß trotz gewisser Schwierigkeiten insbesondere hinsichtlich des Überschallknalls und auch des Startlärms die Entwicklung der Concorde eine große technische Leistung darstellt, steht sicher auch für Sie außer Frage. Auch der Anerkennung dieser Leistungen der guten europäischen Zusammenarbeit dient die Teilnahme an dem Flug, ferner aber auch dazu, das Verkehrsmittel, das zu beurteilen ist, kennenzulernen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0618102300
Eine Zusatzfrage.

Prinz Botho zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein (CDU):
Rede ID: ID0618102400
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, mir darin zuzustimmen, daß die Teilnahme des Verkehrsministers am Demonstrationsflug in klarem Widerspruch zu den Aussagen steht, die Ihr Vorgänger im Amt, der Parlamentarische Staatssekretär Börner, hier bei der Beantwortung von Fragen gemacht hat, nämlich: daß Flüge, bei denen die negativen Auswirkungen für die Bevölkerung größer sind als die von Flügen mit herkömmlichen Luftfahrzeugen, nicht zugelassen werden?

Ernst Haar (SPD):
Rede ID: ID0618102500
In meiner Antwort habe ich bereits die Haltung der Bundesregierung deutlich gemacht. Daß der Bundesverkehrsminister der Einladung des englischen Verkehrsministers folgt, ist ein Akt der Höflichkeit, Herr Kollege.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0618102600
Zweite Zusatzfrage.

Prinz Botho zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein (CDU):
Rede ID: ID0618102700
Herr Staatssekretär, Sie können es doch nicht als einen Akt der Höflichkeit bezeichnen, wenn die Teilnahme eines Verkehrsministers im Widerspruch steht zu den Äußerungen, die er für die Regierung hier abgegeben hat. Ich frage Sie noch einmal: hält die Bundesregierung an der Äußerung fest — und ich zitiere jetzt mit Genehmigung eine andere Aussage des Parlamentarischen Staatssekretärs —, daß Überschallflugzeuge nur dann eine Landegenehmigung bekommen, wenn sie keine stärkeren Lärmemissionen erzeugen als andere Luftfahrzeuge?

Ernst Haar (SPD):
Rede ID: ID0618102800
Frau Präsidentin, ich könnte auf diese Frage im Zusammenhang mit der Beantwortung der Frage 2 des Herrn Kollegen eingehen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0618102900
Einverstanden! Dann wird die zweite Frage mit aufgerufen, und anschließend werden die beiden Fragen zusammen behandelt:
Kann die Genehmigung zu Start und Landung der Concorde in Hannover am 22. April 1972 im Hinblick auf die zu erwartende Belästigung der Flughafenbenutzer und Anlieger verantwortet werden, nachdem bekanntgeworden ist, daß der Lärmpegel (Seitenlärm) bei der Concorde mit 135 dB 4- his 5fach höher sein wird als von Flugzeugen, wie sie zur Zeit verwendet werden, und sind bei diesen Werten nicht sogar gesundheitliche Schäden zu befürchten?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Ernst Haar (SPD):
Rede ID: ID0618103000
Die Belästigungen der Flughafenanlieger durch einen einzigen Start der Concorde in Hannover wird sich in erträglichen Grenzen halten. Der Flug bietet die Möglichkeit, die Vermutungen über extrem hohe Lärmentwicklungen durch Messungen und durch Erfahrungen zu überprüfen. Nach den mir bekannten Daten wird das später im Linienverkehr eingesetzte Flugzeug an den für herkömmliche Flugzeuge festgelegten Meßpunkten insgesamt nicht lauter sein als bekannte Langstreckenflugzeuge. Auch die heute fliegenden Prototypen dürften nicht wesentlich lauter sein. Gesundheitliche Schäden sind durch den einen Start der Concorde in Hannover jedenfalls nicht zu erwarten.
Der von Ihnen, Herr Kollege, unterstellte Wert von 135 dB liegt außerhalb jedes bisher nach internationalen Maßstäben festgelegten Wertes. Beispielsweise liegt der nach internationalen Maßstäben gerechnete Seitenlärm des Unterschallflugzeuges VC 10 über dem der Concorde. Darüber haben wir Zahlenangaben.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0618103100
Zusatzfrage!

Prinz Botho zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein (CDU):
Rede ID: ID0618103200
Herr Staatssekretär, sind der Bundesregierung nicht die Messungen des Professors Calvet/Frankreich bekannt, der genau diese Werte ermittelt hat, und sind Ihnen weiterhin nicht die Aussagen offizieller Stellen, etwa der Swissair oder des Dekans des Aeronautischen Instituts am Institute of Technology in Massachusetts, bekannt, wonach die Lärmwerte weitaus höher sind als bei den Flugzeugen herkömmlicher Bauart?

Ernst Haar (SPD):
Rede ID: ID0618103300
Unser Haus verläßt sich auf die Daten, die vom Hersteller inzwischen bekanntgegeben worden sind. Ich habe hier einen Vergleich mit der Boeing 707 bezüglich des Seitenlärms beim Überflug und bei der Landung zur Verfügung. Das gilt aber auch für die VC 10 oder die DC 8-50. Ich stelle Ihnen diese Zahlen gerne zur Verfügung, Herr Kollege.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0618103400
Noch eine Zusatzfrage.

Prinz Botho zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein (CDU):
Rede ID: ID0618103500
Sind die Werte, die der Hersteller dem Bundesverkehrsminister zur Verfügung stellt, immer Maßstab für die Zulassung oder die Erteilung von Lande- und Starterlaubnissen? Wäre es nicht



Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein
richtiger, sich auf Meßergebnisse und Aussagen von unabhängigen Wissenschaftlern zu verlassen?

Ernst Haar (SPD):
Rede ID: ID0618103600
Herr Kollege, es handelt sich um eine einmalige Landeerlaubnis, bei der Meßwerte jetzt zusätzlich festgestellt werden.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0618103700
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Mursch.
Mursch (Soltau-Harburg) (CDU/CSU): Herr Kollege Haar, mir ist aus Ihrer Antwort nicht ganz klar geworden: Wird der Flug der Concorde nach Hannover mit Überschallgeschwindigkeit oder mit Unterschallgeschwindigkeit erfolgen? Würde er mit Überschallgeschwindigkeit erfolgen, verstieße er gegen die westeuropäische Einigung in dieser Frage.

Ernst Haar (SPD):
Rede ID: ID0618103800
Entsprechend einer Absprache können Sie davon überzeugt sein, daß mit einer Geschwindigkeit angeflogen wird, die Messungen ermöglicht, und zwar eben unter dem Gesichtspunkt des Überfliegens bewohnten Gebietes im Unterschall.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0618103900
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Gruhl.

Dr. Herbert Gruhl (CDU):
Rede ID: ID0618104000
Herr Staatssekretär, berücksichtigt die Bundesregierung bei ihren Überlegungen die Frage des Überschallknalls, der bekanntlich dazu führt, daß, wenn drei Überschallflugzeuge die Bundesrepublik — Norddeutschland, Mitteldeutschland und Süddeutschland überfliegen, eine Schleppe erzeugt wird, die das gesamte Bundesgebiet mit dem Überschallknall bedeckt?

Ernst Haar (SPD):
Rede ID: ID0618104100
Ich habe Ihre Frage im Grundsatz bereits bei der Beantwortung der ersten Frage Ihres Herrn Kollegen beantwortet.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0618104200
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Mursch.
Mursch (Soltau-Harburg) (CDU/CSU) : Herr Kollege Haar, hat sich eigentlich an der Einstellung der westeuropäischen Staaten, wie sie durch die Vereinbarung bei der Weltluftfahrtkonferenz im Jahre 1968 in Buenos Aires zum Ausdruck kam, etwas geändert, daß grundsätzlich das Überfliegen der Mitgliedsländer der Westeuropäischen Konferenz mit Überschallgeschwindigkeit nicht erfolgen darf und auch in Zukunft nicht vorgesehen ist?
Haar, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0618104300
An dieser Grundhaltung hat sich bis zum Augenblick noch nichts geändert.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0618104400
Keine weitere Zusatzfrage.
Vielen Dank, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Haar!
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Zur Beantwortung ist Herr Parlamentarischer Staatssekretär Moersch anwesend. Ich rufe die Frage 112 des Herrn Abgeordneten Pöhler auf. — Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird in der Anlage abgedruckt.
Ich bin jetzt in einer schwierigen Lage. Es fehlte soeben noch das Bundeskanzleramt. Inzwischen ist Herr Staatssekretär Ahlers gekommen. Ich bitte um Verständnis, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Moersch, wenn wir in der Reihenfolge bleiben, weil möglicherweise die Kollegen im Hause sich darauf eingerichtet haben.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramts auf. Zur Beantwortung ist Herr Staatssekretär Ahlers erschienen.
Zunächst die Frage 107 der Abgeordneten Frau Tübler:
Trifft es zu, daß die Bundesregierung noch in der Vorwoche der Wahlen in Baden-Württemberg Großanzeigen des Bundeskanzlers, des Bundesaußenministers sowie eine Sonderbeilage des Bundesministers des Innern in der überregionalen und regionalen sowie der Heimatpresse erscheinen lassen wird und daß gleichzeitig auf Kosten der deutschen Steuerzahler Flugblätter in Millionenauflage in Baden-Württemberg verteilt werden sollen, die sich an gezielte Wählergruppen wenden und die von Herrn Gert von Paczensky, dem neuen Leiter des Referats Innenpolitik im Bundespresseamt, mitentworfen sind?
Bitte schön!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0618104500
Erlauben Sie mir, Frau Abgeordnete, daß ich Ihre Sammelfrage den einzelnen Komplexen nach beantworte.
Erstens. Es trifft zu, daß heute eine Anzeige des Bundesaußenministers zur Ostpolitik erschienen ist und morgen eine Anzeige des Bundeskanzlers in ähnlicher Form erscheinen wird. Diese Anzeigen werden, zeitlich etwas versetzt, in allen deutschen Tageszeitungen - abgeschlossen ist die Aktion am Montag — publiziert. Sie ergeben sich aus den heftigen Auseinandersetzungen über die Ostpolitik und sind nicht durch den Wahlkampf in Baden-Württemberg veranlaßt.
Zweitens. Es trifft weiter zu, daß in diesen Wochen eine Beilage zum Thema innere Sicherheit erscheinen wird, und zwar in Tageszeitungen und in Boulevardzeitungen. Sie ergibt sich ebenfalls aus dem großen Interesse der Bevölkerung daran, was die Bundesregierung und was auch das Parlament in diesen Fragen tun.
Drittens. Es trifft nicht zu, gnädige Frau, daß Flugblätter in Baden-Württemberg verteilt werden sollen. Das Bundespresseamt stellt zur Zeit überhaupt keine Flugblätter her.
Viertens. Herr von Paczensky ist als neuer Leiter des Referates Innenpolitik im Bundespresseamt na-



Staatssekretär Ahlers
türlich an allen seinen Arbeitsbereich betreffenden Aufgaben beteiligt. Dazu gehört im übrigen auch ein Auftrag meinerseits — darauf geht, glaube ich, dieses Mißverständnis zurück —, sich einmal Gedanken über die Verwendung von Flugblättern für die Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung zu machen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0618104600
Herr Abgeordneter Ott!

Anton Ott (CSU):
Rede ID: ID0618104700
Herr Staatssekretär, sind Sie in der Lage, zu erklären, wie hoch die Aufwendungen für diese Propagandaaktion der Bundesregierung, die in sattsam bekannter Weise allmählich der Vergangenheit sehr nahe kommt, sind?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0618104800
Herr Abgeordneter, selbstverständlich sehr gern. Nur ist das dann gleich meine Antwort auf die nächste Frage der Frau Abgeordneten Tübler.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0618104900
Dann rufe ich auch die Frage 108 der Abgeordneten Frau Tübler auf:
Wie hoch sind die Gesamtkosten, die die Bundesregierung seit Jahresbeginn 1972 für Anzeigen, Flugblätter und ähnliche Wahlkampfaufwendungen ausgegeben bzw. veranschlagt hat?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0618105000
Es war die Frage gestellt worden, ob wir hier Wahlkampfaufwendungen machen. Wie gesagt, ich stehe auf dem Standpunkt, daß wir das nicht tun. Das ergibt sich schon daraus, daß wir keine Flugblätter verteilen.

(Lachen bei der CDU/CSU.)

Dann hat Frau Abgeordnete Tübler die Frage gestellt, wieviel Geld wir seit dem Beginn des Wahlkampfes ausgegeben hätten. Es ist sehr schwer, den genauen Zeitpunkt festzustellen, wann ein Wahlkampf beginnt. Ich habe deshalb für die Berechnung der Aufwendungen das Datum des 1. Januar genommen. Seitdem haben wir für Anzeigen und Beilagen 2,6 Millionen DM ausgegeben bzw. veranschlagt, weil ja einzelne Aktionen noch laufen. In diesem Betrag sind die in der vorigen Antwort genannten Dinge enthalten.
Ich möchte nur hinzufügen, daß sich das durchaus im Rahmen der Ausgabenplanung des Bundespresseamtes hält. Wir haben summa summarum etwas mehr als 6 Millionen DM für diesen Zweck zur Verfügung. Wir haben jetzt 2,6 Millionen DM ausgegeben bzw. veranschlagt. Das entspricht also absolut dem Verlauf des Jahres und bedeutet keine zusätzlichen Aufwendungen für irgendeinen Landtagswahlkampf.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0618105100
Eine Zusatzfrage, Frau Kollegin Tübler.

Irma Tübler (CDU):
Rede ID: ID0618105200
Herr Staatssekretär, Sie nannten mir soeben den Betrag, der bisher ausgegeben worden ist. Er wird ja sicher bereits aus dem Haushalt 1972 gezahlt. Halten Sie sich in diesem Rahmen an die haushaltsrechtlichen Maßnahmen und Anordnungen, daß nur ein gewisser Prozentsatz des veranschlagten Jahresetats in Anspruch genommen werden darf?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0618105300
Jawohl, gnädige Frau, das ist selbstverständlich. Aber nicht nur daran halten wir uns, sondern natürlich auch an die Anordnung des Herrn Staatssekretärs Emde für die vorläufige Haushaltsführung.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0618105400
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Ott.

Anton Ott (CSU):
Rede ID: ID0618105500
Herr Staatssekretär, Sie sagten vorhin, daß Sie über diese Anzeigen der Bevölkerung die Meinung und Stellung der Bundesregierung bekanntgeben wollen. Sind Sie immer noch der Auffassung, daß die mehr als 200 in Bonn bei der Bundesregierung akkreditierten Journalisten aus der Bundesrepublik nicht in der Lage sind, so objektiv zu berichten, daß damit auch die Meinung der Bundesregierung der Bevölkerung breit genug kundgetan wird?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0618105600
Herr Abgeordneter, ich bin nie dieser Auffassung gewesen. Was wir tun, ist ein zusätzliches Mittel, um die Öffentlichkeit über die Arbeit der Bundesregierung zu informieren. Nur um Ihnen einmal zu zeigen, welche Bedeutung so etwas haben kann: Wir haben bei den Anzeigenaktionen zur Ostpolitik mit eingedruckten Kupons gearbeitet, die ausgeschnitten und eingesandt werden konnten. Wir haben bis heute einen Eingang von 58 394 Kupons. Wir verschicken an alle Einsender nicht nur das Material der Bundesregierung, sondern z. B. auch den vollen Wortlaut der Debatten im Bundestag und im Bundesrat einschließlich der Reden der Opposition. Ich glaube, damit erfüllen wir in hohem Maße die Informationspflicht, die dem Bundespresseamt aufgegeben ist.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0618105700
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 109 des Herrn Abgeordneten Dr. Wittmann (München) auf. — Der Herr Kollege ist nicht im Saal.

(Parlamentarischer Staatssekretär Moersch: Er ist im Rechtsausschuß!)

Auch begründete Entschuldigungen helfen nicht weiter. Wer nicht da ist, bekommt seine Antwort nach der Geschäftsordnung schriftlich. Das gilt auch für die Frage 110 des Herrn Abgeordneten Dr. Wittmann (München). Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Die Frage 111 des Herrn Abgeordneten Engelsberger soll auf Bitten des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.



Vizepräsident Frau Funcke
Ich rufe nun die Frage 105 des Herrn Abgeordneten Ott auf:
Welche Gruppen meinte der Bundeskanzler, als er laut Tageszeitung „Die Welt" vom 13. März 1972 sagte: „Es gibt in diesem Land nicht nur wild gewordenes Kleinbürgertum", und welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung gegen diese Gruppen zu ergreifen?
Zur Beantwortung Herr Bundesminister Ehmke.

Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0618105800
Zunächst, Herr Kollege Ott, möchte ich darauf hinweisen, daß die Meldung, die Sie zu Ihrer Anfrage veranlaßt hat, nicht in der „Welt", sondern im „Münchner Merkur" vom 13. März stand. Der Herr Bundeskanzler hat die Äußerung, die dort zitiert wird, in einem informellen Gespräch mit Journalisten während einer Wahlkampfreise in Baden-Württemberg getan. Er hat damit, wie dem Zitat unschwer zu entnehmen ist, sein Vertrauen in die politische Urteilsfähigkeit der deutschen Bevölkerung ausdrücken wollen; denn er sagt damit, daß die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung dieser Gruppe des „wildgewordenen Kleinbürgertums" nicht angehört. Und ich bin froh, daß dies so ist.
Damit radikale Randerscheinungen auch in Zukunft keine Chance in unserer Gesellschaft haben, sollten wir gemeinsam den Gefahren von rechts und links begegnen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0618105900
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 106 des Herrn Abgeordneten Ziegler auf. — Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet; die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich bedanke mich, Herr Bundesminister, ebenso bei Herrn Staatssekretär Ahlers.
Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts auf. Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Moersch zur Verfügung.
Die Fragen 113 und 114 des Herrn Abgeordneten Gewandt sollen auf Bitten des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden ebenfalls als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 115 des Herrn Abgeordneten Suck auf. — Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet; die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Das gilt auch für die Frage 116 des Abgeordneten Suck.
Ich rufe die Frage 117 des Herrn Abgeordneten Dr. Giulini auf:
Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um das Breschnew-Angebot verbindlich zu gestalten, wonach eine Anerkennung der EWG abhängig von der Anerkennung des Comecon ist?
Bitte schön, Herr Staatssekretär!

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0618106000
Herr Abgeordneter, in Ihrer Frage beziehen Sie sich offenbar auf Pressewiedergaben von Erklärungen des sowjetischen Parteichefs Breschnew. Nach dem Wortlaut, der mir vorliegt, ist das eine nicht ganz zutreffende
Wiedergabe. Ich darf deshalb zum Sachverhalt folgendes ausführen:
Tatsächlich hat der Generalsekretär der KPdSU in seinen Ausführungen vor dem sowjetischen Gewerkschaftskongreß am 20. März weder ausdrücklich von der Möglichkeit einer Anerkennung der EWG durch die sowjetische Regierung gesprochen, noch hat er vor allem die „Anerkennung" des Comecon durch die EWG zur Vorbedingung einer solchen gemacht. Es gibt also kein „Angebot" des sowjetischen Pateichefs, das in irgend einer Weise durch „Maßnahmen der Bundesregierung verbindlich gemacht" werden könnte.
Im übrigen wird die Bedeutung der Frage der Anerkennung der EWG sicherlich vielfach überschätzt. Die Rechtsfähigkeit der europäischen Gemeinschaften im Sinne des internationalen Rechts beruht auf den Römischen Verträgen bzw., was die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl betrifft, auf dem Pariser Vertrag. Einer besonderen Anerkennung der Gemeinschaft bedarf es insofern nicht.
Im Verhältnis der Gemeinschaft zur Sowjetunion geht es auch gar nicht um eine formale „Anerkennung" im Sinne des Völkerrechts, sondern darum, ob die Sowjetunion die Tatsache, daß ab 1973 Handelsverträge nicht mehr mit den einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, sondern nur noch mit der Gemeinschaft geschlossen werden können, daß also die Vertragsschließungskompetenz in diesem Bereich entsprechend dem EWG-Vertrag ab 1973 auch im Verhältnis zu den Staatshandelsländern auf die Gemeinschaft übergeht, akzeptiert und die nötigen praktischen Folgerungen daraus zieht. Das ist eine Frage, die allein durch die sowjetischen Interessen bestimmt wird, zu der wir an sich nichts beitragen können.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0618106100
Eine Zusatzfrage.

Dr. Udo Giulini (CDU):
Rede ID: ID0618106200
Herr Staatssekretär, dürfte ich Ihnen drei Sätze aus der Rede von Breschnew übersetzt vorlesen? Ist es erlaubt?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0618106300
Selbstverständlich, Herrr Abgeordneter. Ich bin aber auch in der Lage, Ihnen den Wortlaut hier bekanntzugeben.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0618106400
Wollen wir einmal hören, wie jeder übersetzt hat? — Bitte schön!

Dr. Udo Giulini (CDU):
Rede ID: ID0618106500

Die Sowjetunion ignoriert keinesfalls die reale gegebene Lage in Westeuropa, darunter auch die Existenz solcher ökonomischer Gruppierungen kapitalistischer Länder wie den Gemeinsamen Markt. Wir beobachten aufmerksam die Tätigkeit des Gemeinsamen Marktes und ihre Evolution. Unsere Beziehungen zu den Teilnehmern dieser Gruppierung werden, versteht sich, abhängen davon, in welchem Maße sie



Dr. Giulini
ihrerseits die Realität der anderen Seite, innerhalb des sozialistischen Teils Europas, anerkennen, besonders die Interessen der Mitglieder des Rates für ökonomische Gegenseitigkeitshilfe. Wir sind für gleiches Recht in ökonomischen Beziehungen und gegen Diskriminierungen.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0618106600
Herr Abgeordneter, ich beneide Sie um Ihre russischen Sprachkenntnisse. Ich muß mich hier auf die Übersetzung aus unserem Hause bzw. auf die Abschrift aus dem „Neuen Deutschland" verlassen, der offensichtlich ein Agenturbericht zugrunde liegt, der von russischer Seite ins Deutsche übersetzt worden ist. Ich darf die Sätze noch einmal der Klarheit halber zitieren und daran einige Erläuterungen anschließen. Übrigens scheint ein Satz doch von Bedeutung zu sein, den ich ebenfalls zitieren darf. Breschnew sagt:
Sie
— nämlich bestimmte Kräfte —
suggerieren beispielsweise den unsinnigen Gedanken, der Vorschlag für die Durchführung der Konferenz
- es handelt sich um die Sicherheitskonferenz —
und unsere Europapolitik überhaupt seien darauf gerichtet, die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft oder, wie sie gewöhnlich genannt wird, den Gemeinsamen Markt zu unterminieren.
Breschnew sagt also, das sei ein unsinniger Gedanke. Das ist immerhin eine bemerkenswerte Äußerung, die im Grunde eine Antwort auf das Argument von deutschen Oppositionssprechern gibt, diese Sicherheitskonferenz solle den Europäischen Markt unterminieren oder werde ihn gefährden. Das ist eine Feststellung, die man, glaube ich, registrieren muß.
Zum zweiten ist hier gesagt - Sie haben das zitiert, und da kommt es, jedenfalls in meiner Übersetzung, wirklich auf jedes Wort an —:
Wir verfolgen aufmerksam die Aktivitäten des Gemeinsamen Marktes und seine Evolution. Unsere Beziehungen zu den Teilnehmern dieser Gruppierung werden natürlich davon abhängen, wieweit sie ihrerseits die Realitäten im sozialistischen Teil Europas, besonders die Interessen der Mitgliedsländer des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe, anerkennen. Wir sind für Gleichberechtigung in den Wirtschaftsbeziehungen und gegen Diskriminierung.
Herr Abgeordneter, ich habe mich auch darum bemüht, bei unseren Verbündeten eine Interpretation dieser Sätze zu finden. Denn es gibt in dieser Richtung Gespräche bilateraler Art zwischen den Verbündeten und der Sowjetunion aus früheren Wochen und Tagen. Unsere Verbündeten halten die sowjetische Haltung weder für besonders neu noch für in irgendeiner Weise bedenklich. Ich schließe mich dieser Meinung an, denn es ist doch gar keine
Frage, daß man in den bilateralen Beziehungen jeweils auch die Interessen der anderen Seite berücksichtigt.
Der Unterschied zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe besteht darin, daß die Gemeinschaft ganz bestimmte Kompetenzen und Aufgaben übertragen bekommen hat, während der Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe ein Koordinierungsinstrument ist. Mit dem Rat können also keine Verträge abgeschlossen werden — er hat diese Vertragskompetenz nicht —, sondern nur mit den einzelnen Mitgliedstaaten. Wenn Parteichef Breschnew auf die Interessenwahrung dieser Staaten hinweist und uns sozusagen aufgibt, uns so zu verhalten, wie es einer Politik des Modus vivendi entspricht — ich kann das sehr wohl aus der Erklärung herauslesen —, dann ist das für die Bundesregierung eine Feststellung, die sie weder überrascht noch irgendwie beunruhigen kann. Im Gegenteil, das ist eine Feststellung, die den Realitäten entspricht.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0618106700
Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Udo Giulini (CDU):
Rede ID: ID0618106800
Ohne zu weit einsteigen zu wollen, frage ich Sie: Glauben Sie nicht, Herr Staatssekretär, daß das von russischer Seite aus als Brücke hätte verstanden werden können?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0618106900
Herr Abgeordneter, ich glaube, in dieser Frage liegen sehr viele Mißverständnisse vor. Es gibt Probleme, die Politiker der Opposition überhaupt erst geschaffen haben, die jetzt gelöst werden müssen, die es ohne diese Äußerungen von deutscher Seite möglicherweise gar nicht gegeben hätte. Insofern ist es also eine Art von Urzeugung publizistischer Möglichkeiten, die zu diesem Thema entstanden ist. Die Bundesregierung ist schon lange der Meinung, daß Staaten nach ihren Interessen handeln. Allen Staaten ist klar, daß die Gemeinschaft ab 1973 Handelsverträge nur noch als Gemeinschaft abschließen kann und daß es einer formalen Anerkennung als Völkerrechtssubjekt nicht bedarf. Die Anerkennung oder Respektierung einer Gemeinschaft besteht z. B. darin, daß man mit ihr Verträge abschließt. Das ist, wenn Sie so wollen, eine faktische Anerkennung. Eine zweite Möglichkeit würde darin bestehen, daß man einen Botschafter entsendet. Das haben verschiedene Staaten gegenüber der Gemeinschaft bisher unterschiedlich gehandhabt.

(Abg. Rösing: Das haben wir vorgeschlagen!)

— Herr Kollege Rösing, ich entnehme Ihrem Nicken, daß Sie das offensichtlich für geboten halten. Ich bin der Meinung, es geht hier vor allem darum, daß die Gemeinschaft feststellt, daß sie nur unter ganz bestimmten Bedingungen Handelsvereinbarungen abschließen kann. Wenn die andere Seite auf solche Handelsvereinbarungen Wert legt, wird sie Kontakte mit der Gemeinschaft aufnehmen. Wir hatten bisher mit vielen Staaten gute wirtschaftliche Beziehungen ohne formelle Handelsvereinbarungen. Ich



Parlamentarischer Staatssekretär Moersch
halte Handelsverträge und Handelsvereinbarungen in der Tat gerade im Verkehr mit Staatshandelsländern für nützliche Instrumente.
Es geht aber bei diesem Komplex, glaube ich, auch um etwas ganz anderes das steht im Hintergrund —, nämlich um die Befürchtung von Dritten eine Befürchtung, die nicht auf eine bestimmte Region beschränkt ist —, daß sich die Gemeinschaft zu einem Instrument entwickeln könnte, das Dritte benachteiligen würde, oder daß sie sich abschließen könnte. Und eben so haben wir die Gemeinschaft nie verstanden. Diese Bundesregierung hat sehr viel dafür getan, daß die Gemeinschaft ihre Weltoffenheit beweist und daß den anderen gesagt wird, daß sich die Gemeinschaft gegen niemanden richtet ich betone ausdrücklich: gegen niemanden —, sondern daß sie allen die Gelegenheit gibt, ihre Teilnahme an einer arbeitsteiligen Weltwirtschaft zu verstärken. Diese Feststellung zu treffen, schien uns immer sehr notwendig zu sein, und davon werden wir nicht abgehen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0618107000
Keine weiteren Zusatzfragen.
Dann rufe ich die Frage 118 des Herrn Abgeordneten Giulini auf:
Kann die Bundesregierung mit der UdSSR verbindlich vereinbaren, daß die Erwähnung des Artikels 2 der Uno-Charta auf die Gesamtverbindlichkeit der Uno-Charta hinweist und damit auch das in dieser Uno-Charta verankerte Selbstbestimmungsrecht aller Völker und ihrer Menschen?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0618107100
Herr Abgeordneter, es ist eines der Ziele der Vereinten Nationen
— ich zitiere ,
freundschaftliche, auf der Achtung vor dem Grundsatz der Gleichheit und Selbstbestimmung der Völker beruhende Beziehungen zwischen den Nationen zu entwickeln.
So, wie ich es zitiert habe, sagt es Art. 1 Nr. 2 der Charta der Vereinten Nationen.
Wenn die Bundesrepublik Deutschland und die UdSSR in Art. 2 des Moskauer Vertrages, der diesem Hohen Hause zur Zustimmung vorliegt, vereinbaren, daß sie sich ich zitiere —in ihren gegenseitigen Beziehungen sowie in Fragen der Gewährleistung der europäischen und internationalen Sicherheit von den Zielen und Grundsätzen, wie sie in der Charta der Vereinten Nationen niedergelegt sind, leiten lassen
werden, so ist damit die Achtung vor dem Grundsatz der Gleichheit und Selbstbestimmung der Völker auch im gegenseitigen Verhältnis beider Staaten in Bezug genommen. Ebenso bestätigt die Bezugnahme auf die Ziele und Grundsätze der Charta im zweiten Präambelabsatz, daß das Selbstbestimmungsrecht auch bei der Gestaltung der deutsch-sowjetischen Beziehungen gilt.
Der in Ihrer Frage, Herr Abgeordneter, angesprochene Art. 2 der Charta der Vereinten Nationen behandelt demgegenüber die Grundsätze, nach denen die Vereinten Nationen und ihre Mitglieder in Verfolg der in Art. 1 der Charta dargelegten Ziele handeln. Hierher gehören insbesondere die Verpflichtung zur friedlichen Streitregelung, Art. 2 Nr. 3, das Gewaltverbot, Art. 2 Nr. 4, und das Prinzip der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten, Art. 2 Nr. 7 der Charta der Vereinten Nationen. Art. 2 der Charta ist deshalb in Art. Satz 2 des Moskauer Vertrages, der den eigentlichen Gewaltverzicht enthält, besonders hervorgehoben worden.
Eine bilaterale Vereinbarung mit der Sowjetunion über die Gesamtverbindlichkeit der UNO-Charta erschien der Bundesregierung dagegen nicht angezeigt; denn die Charta der Vereinten Nationen insgesamt mit allen ihren Rechten und Pflichten kann nur für die Mitglieder der Vereinten Nationen verbindlich sein. Sie kann für die Bundesrepublik Deutschland also nur dadurch verbindlich werden, daß wir den Vereinten Nationen beitreten.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0618107200
Keine Zusatzfrage. Dann sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes beantwortet. Haben Sie vielen Dank, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Moersch.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft und Finanzen auf. Zur Beantwortung steht Herr Staatssekretär Emde zur Verfügung. Die Fragen 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24 und 25 sind von den Fragestellern zurückgezogen worden. Die Frage 26 des Abgeordneten Dr. Warnke wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Fragen 27 und 28 des Herrn Abgeordneten Wüster auf. Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Die Frage 29 des Abgeordneten Dr. Luda soll auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 30 des Herrn Abgeordneten Henke auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Kartellbehörden des Bundes und der Länder, daß Preisabsprachen in der Bauwirtschaft durch das Kartellrecht nur unzureichend verhindert werden können und deshalb zusätzliche Maßnahmen zu deren Eindämmung notwendig sind?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0618107300
Herr Abgeordneter, gestatten Sie, daß ich die Fragen 30 und 31 zusammen beantworte?

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0618107400
Der Fragesteller ist einverstanden. Dann rufe ich auch die Frage 31 des Herrn Abgeordneten Henke auf:
Wenn ja, welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, durch Maßnahmen des Bundes künftig Submissionsabsprachen in der Bauwirtschaft zu verhindern?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0618107500
Die Erfahrung hat gezeigt, daß in der Bauwirtschaft Preisabsprachen vorkommen, die mit kartellrechtlichen Mitteln alleine



Staatssekretär Dr. Emde
nicht verhindert werden können. Zwar ist das genaue Ausmaß solcher Praktiken angesichts der wahrscheinlich hohen Dunkelziffer nicht bekannt, jedoch sind wegen der schädlichen Auswirkungen dieser Preisabsprachen in jedem Fall wirksame zusätzliche Maßnahmen erforderlich. Ich beantworte also Ihre erste Frage mit Ja.
Zur zweiten Frage. Die Kartellreferenten des Bundes und der Länder haben auf ihrer Sitzung am 16. und 17. März dieses Jahres eine Entschließung gefaßt, in der den bauvergebenden Stellen verschiedene praktische Maßnahmen empfohlen werden. Diese Vorschläge zielen insbesondere darauf ab, den Baumarkt übersichtlicher zu machen und zu verhindern, daß die Unternehmen durch Kartellabsprachen vor der Angebotsabgabe den Wettbewerb beschränken können. Die Bundesregierung sieht hierin ein nützliches Mittel, die in der Bauwirtschaft auftretenden Submissionsabsprachen vorbeugend zu bekämpfen. Sie wird die Auswirkungen der Entschließung beobachten und prüfen, ob weitere Maßnahmen erforderlich sind. Sie hat ferner eine „Enquete über die Bauwirtschaft" in Auftrag gegeben. Diese Untersuchung schließt auch Fragen der Beeinflussung des Wettbewerbsverhaltens ein.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0618107600
Eine Zusatzfrage.

Erich Henke (SPD):
Rede ID: ID0618107700
Herr Staatssekretär, nachdem sich gezeigt hat, daß das System der Bußgelder offenbar nicht abschreckend genug wirkt, möchte ich Sie fragen, ob man daran denkt, möglicherweise durch die Einführung von Betrugsklagen oder den künftigen Ausschluß bei Vergaben von öffentlichen Aufträgen hier noch schärfere Instrumente einzubauen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0618107800
Wenn wir mit den Maßnahmen, die ich in Beantwortung Ihrer zweiten Frage genannt habe, keinen Erfolg haben, werden wir solche Überlegungen anstellen müssen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0618107900
Eine weitere Zusatzfrage.

Erich Henke (SPD):
Rede ID: ID0618108000
Herr Staatssekretär, können Sie einen Zeitpunkt angeben, zu dem man erwarten kann, daß neue Erkenntnisse vorliegen und möglicherweise neue Instrumente eingebracht werden?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0618108100
Ich würde sagen, daß eine solche Möglichkeit besteht, nachdem die „Enquete über die Bauwirtschaft" vorliegt. Ich glaube, daß wir uns noch im Laufe dieses Jahres zu dem Problem erneut äußern können.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0618108200
Eine Zusatzfrage. Bitte schön!

Werner Staak (SPD):
Rede ID: ID0618108300
Herr Staatssekretär, teilen Sie nicht die Auffassung, daß diese Submissionskartelle in entscheidendem Ausmaße auch Rationalisierungsbemühungen der Bauindustrie verhindern?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0618108400
Es ist durchaus möglich, daß Kartellabsprachen dieser Art Rationalisierungsmöglichkeiten verhindern oder verlangsamen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0618108500
Eine zweite Zusatzfrage, bitte schön!

Werner Staak (SPD):
Rede ID: ID0618108600
Herr Staatssekretär, am 3. Dezember hat die Bundesregierung eine entsprechende Anfrage des Abgeordneten Wolfram dahin gehend beantwortet, daß sie bei Verstößen gegen das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen stets für möglichst hohe Geldbußen eingetreten sei, jedoch keinen Anlaß sehe, die bisher von den Ländern festgesetzten Beträge als unangemessen zu bezeichnen. Sind Sie auf Grund der durch die Presse gegangenen neuen Fälle von Submissionskartellen zu neuen Erkenntnissen gekommen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0618108700
Herr Abgeordneter, ich hatte auf Ihre Frage meine Meinung gesagt. Ich bin nicht so sehr mit diesen einzelnen Details befaßt — wie Sie wissen, bin ich der Staatssekretär des Finanzbereichs —, daß ich mich zu diesen detaillierten Problemen äußern könnte. Ich werde aber Ihre Argumente im Bereich „Wirtschaft" des Ministeriums noch einmal überprüfen lassen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0618108800
Keine Zusatzfrage.
Die Fragen 32 und 33 sollen schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Frage 34 des Herrn Abgeordneten Dr. Jahn (Braunschweig). — Der Abgeordnete ist nicht da; die Frage wird schriftlich beantwortet, ebenso die Frage 35. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Die Fragen 36, 37, 38 und 39 sollen schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Frage 40 des Herrn Abgeordneten Wolfram. — Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird ebenso wie die Frage 41 schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 42 des Herrn Abgeordneten Dr. Ahrens auf. — Er ist ebenfalls nicht im Saal. Die Fragen 42 und 43 werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Die Fragen 44 und 45 des Herrn Abgeordneten Scheu müssen schriftlich beantwortet werden. Die Fragen 46, 47, 48 sollen schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär Dr. Emde. Die Fragen Ihres Ressorts sind damit beantwortet.



Vizepräsident Frau Funcke
Wir kommen zum Ressort des Bundesministers für Städtebau und Wohnungswesen. Auf sämtliche Fragen — die Fragen 90 bis 94 — sind schriftliche Antworten erbeten worden. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Das gleiche gilt — mit Ausnahme der Frage 95, die zurückgezogen wurde — für den Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft. Die Ressorts sind inzwischen verständigt. Ich danke Ihnen.
Damit sind wir am Ende der Fragestunde und zugleich am Ende der heutigen Sitzung.
Ich berufe das Haus auf Mittwoch, den 26. April, 9 Uhr. Die Sitzung ist geschlossen.