Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Es liegt mir eine Liste von Vorlagen der Bundesregierung vor, die keiner Beschlußfassung bedürfen und nach § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden sollen:
Betr.: Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzhilfen und der Steuervergünstigungen für die Jahre 1969 bis 1972
Bezug: § 12 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft vom 8. Juni 1967
— Drucksache VI/2994 —
zuständig: Haushaltsausschuß , Ausschuß für Wirtschaft, Finanzausschuß
Betr.: Bericht der Bundesregierung über die Auswirkungen der Sparförderung
Bezug: Beschluß des Deutschen Bundestages vom 4. Juni 1970
— Drucksache VI/3186 —
zuständig: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung , Ausschuß für Wirtschaft, Finanzausschuß, Ausschuß für Städtebau und Wohnungswesen, Haushaltsausschuß
Erhebt sich gegen die beabsichtigte Überweisung Widerspruch? — Das ist nicht der Fall; dann ist so beschlossen.
Die Fraktion der CDU/CSU hat mit Schreiben vom 2. März 1972 für den Abgeordneten Dr. h. c. Schmücker, der als ordentliches Mitglied des Vermittlungsausschusses ausscheidet, den Abgeordneten Dr. Sprung benannt. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Der Abgeordnete Dr. Sprung ist als ordentliches Mitglied des Vermittlungsausschusses gewählt.
Ich komme nunmehr zuerst gemäß der interfraktionellen Vereinbarung zu Punkt 13 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Höcherl, von Bockelberg, Biehle, Krammig, Vogt, Picard, Reddemann, von Thadden, Berding, Müller und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes
— Drucksache VI/3111 —
Zur Begründung hat das Wort Herr Abgeordneter Höcherl.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für die CDU/CSU-Fraktion gebe ich folgende Erklärung ab. Der vorliegende Antrag der CDU/CSU-Fraktion 'sieht eine Anhebung der Einkommensgrenze bei der Steuerbefreiung für Zuschläge für Sonntags-, Feiertags-und Nachtarbeit von bisher 24 000 DM auf 36 000 DM vor. Diese Korrektur der derzeitigen Einkommensgrenze ist seit geraumer Zeit überfällig, da die inflationistisch geprägte Lohnentwicklung der letzten Zeit die Steuerbefreiung immer mehr aushöhlt und für viele Arbeitnehmer wirkungslos gemacht hat.Es hätte der Bundesregierung gut angestanden, einen derartigen Antrag von sich aus vorzulegen. Statt dessen hat sie in den Eckwerten angekündigt, sie wolle im Rahmen der Steuerreform — der „großen", Erzberger überbietenden Steuerreform — eine grundsätzliche Steuerbefreiung für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeitszuschläge einführen. Diese Ankündigung der Bundesregierung muß jedoch nach den dramatischen Beschlüssen des Bundeskabinetts von vorgestern in die Reihe derjenigen Reformversprechungen eingereiht werden, die nach langer, qualvoller Agonie eines plötzlichen Todes gestorben sind.
Auf dieser Liste standen schon ein Weihnachtsgeld für Rentner, Steuersenkungen, die Erhöhung des Arbeitnehmerfreibetrags sowie der Wegfall der Ergänzungsabgabe und vieles andere. Zwistigkeiten innerhalb der Bundesregierung und innerhalb der Koalitionsparteien haben wieder einmal — und wahrscheinlich nicht zum letztenmal — eine wichtige Reform unmöglich gemacht.Um so dringlicher ist dieses Anliegen geworden. Es wird selbst den Regierungsparteien schwerfallen, die von dem Antrag betroffenen Arbeitnehmer auch jetzt noch auf das Inkrafttreten eines neuen Einkommen- oder Lohnsteuergesetzes zu vertrösten. Nach Angaben der Bundesregierung wird dies frühestens am 1. Januar 1976 der Fall sein. Es gibt Leute, die darauf hinweisen, daß in dem dazwischenliegenden Zeitraum, nämlich 1973, eine Wahl ist. Ob diese Bundesregierung angesichts einer derartigen Entwicklung in bezug auf Reformen die Möglichkeit haben wird, überhaupt noch etwas zu entscheiden, wird sich herausstellen.In diesen Zusammenhang gehört auch ein überraschender Stellungswechsel der SPD-Fraktion. Noch
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Höcherlam Mittwoch dieser Woche wurde über dpa verbreitet, die SPD-Fraktion lehne diese Vorlage als Störfeuer gegen ihre große Einkommensteuerreform ab. Gestern erschien ein Dementi; jetzt ist sie dafür. Das ist ein großartiges Beispiel einer perfekten Planung und innerer Geschlossenheit — trotz Wehner!
— Herr Wehner, ich gebe Ihnen zu: Das ist schon großartig.Im Bonner General-Anzeiger findet sich ein interessanter Artikel, in dem der vorliegende Antrag der CDU/CSU-Fraktion als „auslösendes Moment für das endgültige Scheitern der Steuerreform" bezeichnet wird. Niemand wird auf den Gedanken kommen, daß diese Meldung von der CDU/CSU inspiriert sein könnte. Wenn dieses Gerücht aus der Küche der linksliberalen Koalition jetzt herhalten muß, um die Reformschwäche zu entschuldigen, ist es ziemlich weit gekommen. Hoffentlich bleibt die SPD bei ihrem letzten Dementi und unterstützt unseren Antrag.
Das Wort hat der Abgeordnete Porzner.
Herr Präsident! Meine verehr-
ten Damen und Herren! Die CDU/CSU hat geklagt, als die Bundesregierung die Grundsatzbeschlüsse zur Steuerreform gefaßt hatte; die CDU/CSU klagt nun, weil sie Sorgen hat, diese Grundsatzbeschlüsse würden nicht ausgeführt. Die CDU/CSU klagt immer. Eine klägliche Partei.
Nur wer Schicht arbeitet oder gearbeitet hat, weiß, was es bedeutet, außerhalb des normalen Tages-und Wochenrhythmus' leben zu müssen. Millionen machen das und nehmen jahre- und jahrzehntelang Nachteile hin, von denen andere gar nichts wissen. Deswegen ist es richtig, daß im Steuerrecht vorgesehen ist, Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeitszuschläge praktisch steuerfrei zu lassen. Durch die großen Erfolge der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung und der Tarifpolitik der Gewerkschaften haben wir in den letzten Jahren Einkommenssteigerungen, die dazu führen, daß ein Teil derer, die Sonntags-und Nachtarbeitszuschläge erhalten, über die Einkommensgrenze von 24 000 DM hinauswachsen, und für jene gibt es die Schwierigkeiten, die wir beseitigen wollen.
Die vom früheren Finanzminister Strauß eingesetzte Steuerreformkommission, die von dem CSU-Abgeordneten Eberhard geleitet wurde, hatte vorgeschlagen, die Zuschläge für Sonntags-, Feiertags-und Nachtarbeit in Zukunft voll zu besteuern.
Die Bundesregierung ist diesem Vorschlag nicht gefolgt; die Bundesregierung hat beschlossen, daß diese Zuschläge in Zukunft alle steuerfrei bleiben sollen, unabhängig davon, wie hoch das Einkommen des betreffenden Arbeitnehmers ist. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion stimmt diesem Beschluß auch zu. Wir wollen nicht durch einen Antrag ablenken lassen, der nur die Einkommensgrenze verändern soll.
Herr Höcherl, wenn Sie sagen, daß es vielleicht nicht zum letzten Mal war, daß man Beschlüsse faßt und über Beschlüsse ein weiteres Mal diskutiert, unterstellen Sie ja, daß diese Steuerpolitik, so wie sie konzipiert ist, von denen, die sie konzipiert haben, auch beschlossen werden wird. Sicher ist Steuerreform eine langfristige Aufgabe und kann nicht in einem Akt geschehen.
Die CDU/CSU kritisiert zwar die Steuerreformvorschläge der Bundesregierung, sie ist aber selbst nicht fähig, auch nur den Schimmer einer Andeutung erkennen zu lassen, welche Steuerpolitik sie selbst treiben würde.
Sie hat ein ganz bequemes Konzept. Die CDU/CSU, die Opposition, schreibt einzelne Teile des Programms der Bundesregierung ab, verändert sie geringfügig und stellt dies als eine eigene steuerpolitische Leistung dar.
Das ist quasi parlamentarische, das ist steuerpolitische Wilderei, was Sie hier betreiben.
Wir werden in den nächsten Monaten — davon gehen wir aus — noch öfter erleben, daß die CDU/CSU oder Gruppen aus der CDU/CSU-Fraktion einzelne Teile des Regierungsprogramms abschreiben, während — —
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Höcherl?
Bitte jetzt nicht, ich habe Sie auch nicht unterbrochen, obwohl es Anlaß gegeben hätte. Während die Opposition das Regierungsprogramm pauschal verteufelt, macht sie sich jetzt daran, die Rosinen herauszupicken, also im Grunde zu akzeptieren, daß dieses Steuerreformprogramm der Bundesregierung denen mit mittleren und kleinen Einkommen Vergünstigungen, Steuerentlastungen bringt
und selbstverständlich auch denen mit hohen Einkommen angemessene zusätzliche Steuerbelastungen. Mit scharfem Auge und Treffsicherheit picken Sie sich die Rosinen heraus, die Ihnen da am besten schmecken.Die Abgeordneten Höcherl, von Bockelberg und Genossen haben in ihrer Fraktion offensichtlich nicht die Mehrheit für ihren Antrag gefunden. Der Antrag ist jedenfalls nur von einer verschwindend kleinen
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PorznerMinderheit der CDU/CSU-Fraktion unterstützt, also nur von einer kleinen Zahl getragen.
Man hofft allerdings, daß für Betriebsratswahlen und andere Anlässe dieser Antrag seinen Zweck erfüllt.Übrigens ist die Rechnung der Antragsteller über die finanziellen Auswirkungen, wie wir das gewöhnt sind — es tut mir leid, das so sagen zu müssen —, falsch. Die Steuermindereinnahmen betragen nicht 15 bis 20 Millionen, sondern 40 Millionen DM; Sie haben sich um mehr als 100 % verrechnet.
Ich möchte gleich hinzufügen: es geht hier nicht um diesen Betrag, aber die finanzpolitische Auswirkung der Summe aller Gesetzentwürfe aus der CDU/CSU-Fraktion wäre für die Staatsfinanzen katastrophal. Allein im Finanzausschuß liegen Anträge aus der CDU/CSU-Fraktion vor, die ein Loch von 8900 Millionen DM in die Staatshaushalte reißen würden.
Diese Politik der Geschenke nach allen Seiten, ohne den geringsten Versuch, sich Gedanken über die finanzielle Deckung zu machen, würde zum Zusammenbruch der Staatshaushalte führen und steht im krassen Widerspruch zu dem, was Mitglieder der Opposition hier und draußen reden, wenn sie der Regierung vorhalten, sie halte die Staatsfinanzen nicht in Ordnung.
Solche Anträge finden Sie aus den Reihen der Koalitionsfraktionen nicht.Eine solche Politik, die sich in Anträgen und Gesetzentwürfen mit -zig Milliarden Mark Steuerausfällen ausdrückt, die nicht gedeckt sind, ist mit den Grundsätzen einer soliden Finanzpolitik nicht vereinbar. Sie nützt auch niemand. Sie schadet allen.Selbstverständlich stimmen wir der Überweisung des Antrages zu.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Funcke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Dem Gesetzentwurf der Kollegen Höcherl und Genossen kann man in der Sache sicherlich zustimmen. Wir gehen ja sogar noch einen Schritt weiter mit den Eckwerten, indem wir die Grenzen überhaupt aufheben wollen.. Wir haben in der Vergangenheit — das wissen wir alle, die wir in diesem Hause sind — stets in einem gewissen Zeitablauf die Freigrenzen, Höchstgrenzen oder Freibeträge überprüfen müssen, weil seit über 20 Jahren von Jahr zu Jahr Geldwertverschiebungen entstanden sind, denen man Rechnung tragen mußte und muß. Denn die einmal festgesetzten Grenzen entsprechen nicht mehr den Wertvorstellungen, die manursprünglich dabei gehabt hat. Das war immer so, das muß so bleiben. So haben wir 1965 in der damaligen Steuerreform eine Reihe von diesen Grenzen und Beträgen geändert, und das ist wieder vorgesehen für die vor uns liegende Steuerreform. Denn das, was Sie in Ihrem Antrag als nicht mehr ganz zutreffend in der Wertrelation ansehen, trifft für eine Menge anderer Freigrenzen und Freibeträge zu. Das trifft zum Beispiel zu — dazu haben Sie auch einen Antrag gestellt wie wir schon zuvor — auf die Freibeträge bei der Gewerbesteuer; das trifft aber auch zu auf die Grundfreibeträge in der Einkommensteuer, auf die Grenzen, bis zu denen die Proportionalstufe läuft, auf die Grenzen etwa bei den Sonderausgaben-Höchstbeträgen und vieles andere.Daß nur ein kleiner Kreis von Abgeordneten der CDU/CSU diesen Antrag stellt, könnte uns auf den Gedanken bringen, daß die CDU/CSU beabsichtigt, von nun an alle 14 Tage mit einer Gruppe von wenigen Leuten einen anderen Antrag zu stellen, so schöne „Rosinenanträge", und dann vertreten Sie diese populären Anträge draußen jeweils passend, den einen in Mittelstandskreisen, den anderen bei den Gewerkschaftlern, den dritten in Ihrem Wirtschaftsrat. Jeder einzelne klingt dann sehr schön, und jeder bekommt, was er möchte und jeder wird sagen: „Die CDU denkt an uns".
Sie müssen nun aber damit rechnen, daß das, was zugunsten der einen Gruppe gesagt wird, auch von der anderen Gruppe gelesen wird. Und dann müssen Sie sich mit Recht fragen lassen: wie hängt das denn eigentlich alles zusammen? Und wie wollen Sie alle die Steuerminderungen finanziell ausgleichen? Darauf hat Herr Porzner mit Recht schon hingewiesen. Man kann zwar sagen: 15 bis 20 Millionen müssen schon irgendwo sein. Aber die Zahl ist falsch, und zudem entspricht eine solche Haltung nicht der nötigen Verantwortung für den Haushalt, erst recht nicht, wenn es in andere Größenordnungen geht. Sie müssen sich nicht vorstellen, die Bevölkerung nimmt Ihnen ab, daß Sie mit solchen „Rosinenanträgen" Ihrer Mitverantwortung für die Steuerreform gerecht werden. Sie kommen nicht darum herum — und wir werden Sie dazu mit den Eckwerten und durch die Vorlage dieser Gesetzentwürfe veranlassen —, eines Tages mal ein Gesamtkonzept vorlegen zu müssen. Das bleibt Ihnen nicht erspart.
Seit über einem Jahr liegt das Gutachten der Steuerreformkommission vor, das Ihr Minister einst angefordert hat. Wir warten mit aller Geduld darauf, daß uns die große Opposition dieses Hauses einmal sagt, wie sie über Steuern denkt. Mit diesen Minianträgen allerdings können Sie auf uns keinen großen Eindruck machen. Wir werden diesen Miniantrag, wie Sie wissen, in die Beratung der Gesamtsteuerreform nehmen. Sie dürfen überzeugt sein: wir werden ihn dann verbessert gemäß den Eckwerten der Regierung annehmen.
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Es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Ich schließe die Aussprache.
Ich schlage Ihnen vor, den Antrag zu überweisen an den Finanzausschuß — federführend , an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung zur Mitberatung und an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 14 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Anpassung der Unterhaltshilfe nach dem Lastenausgleichsgesetz
— Drucksache VI/3155 — Wird er begründet? — Nein.
Dann kommen wir zur Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Freiherr von Fircks.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem 2. Unterhaltshilfe-Anpassungsgesetz vom 5. Juli 1970 war die Grundversorgung der Empfänger von Kriegsschadensrente nach dem Lastenausgleichsgesetz letztmalig zum 1. Juni 1970 angehoben worden. Durch das von der Bundesregierung eingebrachte 4. Unterhaltshilfe-Anpassungsgesetz sollen die Sätze der Unterhaltshilfe für diesen Personenkreis nunmehr mit Wirkung ab 1. Januar 1972 der zwischenzeitlichen wirtschaftlichen Entwicklung und dem übrigen Sozialgefüge erneut angepaßt werden. Hierdurch sollen, wie in der Begründung der Bundesregierung zur Vorlage zum Ausdruck gebracht wird, insbesondere die Rentenverbesserungen durch das Dreizehnte und Vierzehnte Rentenanpassungsgesetz an die Empfänger der Unterhaltshilfe weitergegeben und gleichzeitig die Entwicklung der Verbraucherpreise im vergangenen und im laufenden Jahr berücksichtigt werden.Ich darf namens der CDU/CSU-Fraktion dazu erklären: Das Ausmaß der Erhöhung der Unterhaltshilfe bleibt nach dem vorliegenden Gesetzentwurf, der sie im Durchschnitt um 8,5 % anhebt, erheblich hinter der prozentualen Anhebung der Sozialversicherungsrenten durch die beiden letzten Anpassungsgesetze mit einer Durchschnittsanhebung von 11,8 % zurück. Die Auswirkungen dieses Gesetzesvorschlages würden daher für die Mehrzahl der Berechtigten dazu führen, daß ihnen nicht einmal ein Ausgleich für den tatsächlich eingetretenen Preisanstieg insbesondere in ihren Lebensbereichen gewährt werden würde und daß sie darüber hinaus von der Teilnahme am realen Anstieg des Sozialniveaus in der Bundesrepublik völlig ausgeschlossen würden. Die CDU/CSU-Fraktion hält es daher für erforderlich, daß im Rahmen des 4. UnterhaltshilfeAnpassungsgesetzes eine stärkere Anhebung der Sätze der Unterhaltshilfe, als im Regierungsentwurf vorgesehen, erfolgt.Auch der Bundesrat hat bei der ersten Beratung dieser Novelle unter Betonung, daß die Unterhaltshilfe nach dem bisher im Lastenausgleich geltenden Grundsatz stets rund 20 v. H. über den Sozialhilfesätzen liegen sollte und seit einiger Zeit tatsächlich hinter den Regelsätzen nach dem Bundessozialhilfegesetz zurückgeblieben ist, die Feststellung getroffen, daß die Erhöhung der Unterhaltshilfe in dem vorgesehenen Rahmen nicht ausreichend sei und daß die Unterhaltshilfe daher erheblich stärker angehoben werden müßte. Wörtlich stellt der Bundesrat fest:Die Erhöhung der Unterhaltshilfesätze in dem im Gesetzentwurf vorgesehenen Umfang ist nicht ausreichend.An einer anderen Stelle wird daraus folgende Folgerung gezogen:Die Unterhaltshilfesätze müßten daher erheblich angehoben werden.Die CDU/CSU-Fraktion begrüßt zwar die von der Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung zu der Stellungnahme des Bundesrates ausgesprochene Empfehlung, im weiteren Gesetzgebungsverfahren Überlegungen anzustellen, wie demjenigen Personenkreis geholfen werden könne, der ausschließlich auf die Unterhaltshilfe nach dem Lastenausgleichsgesetz angewiesen sei. Die CDU/CSU hält jedoch diese Empfehlung unter dem Gesichtspunkt einer möglichst gleichmäßigen Berücksichtigung aller Unterhaltshilfeempfänger für zu eng. Eine in soweit begrenzte Verbesserung des Gesetzentwurfes würde vor allem eine verstärkte Nivellierung der Leistungen an die Versorgungsberechtigten nach dem Lastenausgleichsgesetzes zur Folge haben.Dies würde um so mehr der Fall sein, als der Regierungsentwurf eine gleichzeitige Aufstockung des Zuschlages für ehemals Selbständige nicht vorsieht. Da aber rund 60 % der Bezieher von Unterhaltshilfe diesen Selbständigenzuschlag erhalten, entspricht der in dem Gesetzentwurf vorgesehene Umfang der Anhebung der Unterhaltshilfe für die Mehrheit der Unterhaltshilfeempfänger tatsächlich nur der Hälfte der prozentualen Erhöhung der Sozialversicherungsrenten nach den beiden letzten Rentenanpassungsgesetzen. Eine solche Schlechterstellung der ehemals Selbständigen gegenüber den Unterhaltshilfeempfängern ohne Selbständigenzuschlag erscheint nicht zumutbar, zumal nach den Erklärungen der Bundesregierung dieser Zuschlag ebenso wie die Unterhaltshilfe selbst ab 1973 nach dem Vorbild der gesetzlichen Rentenversicherung und der Kriegsopferversorgung dynamisiert werden soll.Durch die Tatsache, daß das im 4. UnterhaltshilfeAnpassungsgesetz festzulegende Leistungsniveau der Kriegsschadensrente die Ausgangsbasis für die im Rahmen der 25. Lastenausgleichsnovelle vorgesehene Dynamisierung bilden wird, erhält der vorliegende Gesetzentwurf seine ganz besondere Bedeutung. Fehler bzw. Fehlentscheidungen, selbst wenn sie heute klein sind, würden sich auf Grund der Gesetzmäßigkeit, die im Wesen der prozentualen Dynamisierung liegt, laufend vergrößern, und eine Korrektur wäre später nur noch außerordentlich schwer möglich.Darüber hinaus sind die im Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgesehene Anhebung der Zu-
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Freiherr von Firckslage für hilfs- und pflegebedürftige Berechtigte sowie die vorgeschlagene Erhöhung des Taschengeldes von sage und schreibe 3 DM pro Person für in Heimen untergebrachte Berechtigte angesichts der Höhe der vergleichbaren Leistungen in anderen Sozialbereichen auch unangemessen niedrig.Schließlich können nach der gegenwärtigen Rechtslage, die durch den Regierungsentwurf nicht geändert werden soll, ehemals Selbständige eine Kriegsschadensrente überhaupt nur dann erhalten, wenn sie bis zum 31. 12. 1971 die Altersgrenze erreicht oder bis zu diesem Zeitpunkt erwerbsunfähig geworden sind. Die CDU/CSU-Fraktion hält. diesen Zustand für unerträglich. Sie verweist in diesem Zusammenhang insbesondere auch auf die einstimmige Entschließung des Deutschen Bundestags vom 11. November 1970, durch welche die Bundesregierung aufgefordert wurde, bereits im Jahre 1971 eine abschließende Regelung für das Hineinwachsen weiterer Jahrgänge ehemals Selbständiger in die Kriegsschadensrente vorzulegen. Dies soll nach der Erklärung der Bundesregierung im Rahmen der 25. Lastenausgleichsnovelle geschehen. Den Berechtigten kann jedoch nicht zugemutet werden, meine Damen und Herren, bis zur Verabschiedung und insbesondere dann bis zum Wirksamwerden dieser 25. Lastenausgleichsnovelle über Monate hinwegwenn es nicht gar ein ganzes Jahr dauert auf die Möglichkeit, Unterhaltshilfe zu beziehen, warten zu müssen.Die CDU/CSU-Fraktion bedauert schließlich, daß der Gesetzentwurf der Bundesregierung, der eine, wenn auch sehr bescheidene Erhöhung der Leistungen an die Kriegsschadensrentner ab 1. Januar 1972 vorsieht, erst zu einem Zeitpunkt eingebracht wurde, der eine kontinuierliche und rechtzeitige Erhöhung der Leistungen für die Betroffenen von Anfang an unmöglich macht. Die CDU-Fraktion bedauert dies urn so mehr, als hierdurch eine Rentnergruppe betroffen wird, die in der Rentenskala ohnehin sehr weit unten, wenn nicht gar an letzter Stelle steht und daher durch die überdurchschnittliche Teuerung, die zwischenzeitlich eingetreten ist, besonders hart betroffen ist.Die CDU/CSU-Fraktion wird zu den angesprochenen Problemen in den Ausschußberatungen Stellung nehmen und Anträge zur Verbesserung des Entwurfs der Bundesregierung stellen, die auf einen weiteren sozial gerechten Ausbau der Kriegsschadensrente gerichtet sein werden. Im übrigen stimmen wir den Überweisungsvorschlägen des Ältestenrates zu.
Das Wort hat der Abgeordnete Hofmann.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Namen meiner Fraktion gebe ich folgende Erklärung ab und darf hinzufügen, daß mich der Kollege Schmidt gebeten hat, hiermit auch in seinem Namen zu sprechen.Meine Damen und Herren, in der Bundesrepublik Deutschland leben noch etwa 440 000 Berechtigte, die mit der Unterhaltshilfe nach dem Lastenausgleichsgesetz Mindestversorgung erhalten. Diese Unterhaltshilfe wurde bisher ständig und wird auch ständig angepaßt, bis eine Dynamisierung, die vorgesehen ist, diese Anpassungen erübrigt.Wir hoffen, schon in den nächsten Wochen die Arbeit daran im Parlament und in den Ausschüssen beginnen zu können und schon vor der Sommerpause abgeschlossen zu haben. Hier werden, Herr Kollege von Fircks, auch die offenen Fragen — Selbständigenzuschlag usw. erörtert und diskutiert werden. Sie wissen, daß abwechselnd einmal die Unterhaltshilfe erhöht wurde, im nächsten Jahr der Freibetrag. Wir werden bei dieser Diskussion diese Probleme, die Sie hier angeschnitten haben, gründlichst diskutieren und Verbesserungen zu erreichen versuchen. Doch vor dieser Dynamisierung ist es noch erforderlich, die Unterhaltshilfe noch einmal in der herkömmlichen Weise anzupassen, einmal deshalb, weil im Vorjahr nur die Freibeträge angehoben wurden, und dann vor allem auch deshalb, weil ohne diese Anpassung die weitere Entwicklung in anderen Sozialbereichen wie auch die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung unberücksichtigt geblieben wären. Mit anderen Worten: Der ungedeckte Nachholbedarf wäre für die Berechtigten nicht nur als Lücke geblieben, sondern wäre auch dynamisiert worden.Die Bundesregierung schlägt daher unter anderem eine Erhöhung der Unterhaltshilfesätze um monatlich 20 DM für den Berechtigten, 15 DM für den Ehegatten und 7 DM je Kind vor. Der Bundesrat — Herr von Fircks hat darauf verwiesen — übte daran Kritik und meinte, daß durch diese zu geringe Anpassung der Unterhaltshilfeempfänger an die kommunalen Sozialämter verwiesen werde, um den notwendigen Lebensbedarf zu sichern. Das trifft so nicht zu. Der Bundesrat läßt unberücksichtigt, daß der weitaus größte Teil der Unterhaltshilfeempfänger auch andere und somit höhere Leistungen erhält. 60 % der Alleinstehenden erhalten zur Unterhaltshilfe einen Selbständigenzuschlag von 55 bis 115 DM monatlich. 80 % der Verheirateten erhalten einen Zuschlagsbetrag von 85 bis 175 DM monatlich. Zwei Drittel der Unterhaltshilfeempfänger, die außerdem Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und vergleichbare sonstige Versorgungsbezüge erhalten, haben anrechnungsfreie Beträge. Sie liegen beim Versicherten bei 87 DM, bei der Witwe bei 84 DM. 7,5 °/o der Unterhaltshilfeempfänger bekommen neben der Unterhaltshilfe Elternrente mit Freibeträgen von monatlich 53 DM bei Alleinstehenden und 78 DM bei Verheirateten. Freibeträge und Zuschläge kumulieren teilweise und können so weitaus höhere Leistungen ergeben. Die Gesamteinkünfte liegen damit wesentlich über den Leistungen der Sozialhilfe.Ich muß jedoch hinzufügen, daß für einen kleinen Personenkreis etwa 10 % der Unterhaltshilfeempfänger - nach diesem Entwurf die Sätze der Leistungen der Sozialhilfe nicht erreicht würden. Diesen Personenkreis, der allein auf die Sätze der Unterhaltshilfe angewiesen ist, werden wir nicht zu Sozialhilfeempfängern machen. Sie werden nicht der
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Hofmannöffentlichen Fürsorge, ,den Städten und Landkreisen, zur Last fallen. Für meine Fraktion bzw. für die Koalitionsfraktionen erkläre ich, daß wir im weiteren Gesetzgebungsverfahren diesem Personenkreis entschieden helfen werden. Die Bundesregierung hat in der Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrats ihre Bereitschaft zu gemeinsamen Überlegungen für weitere Verbesserungen zu erkennen gegeben. Wir werden den möglichen finanziellen Spielraum verantwortungsbewußt zum Wohle der Berechtigten nützen.Meine Damen und Herren, ich bitte Sie aus diesem Grunde um die Zustimmung zur Überweisung.
Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich schließe die Aussprache.
Es wird vorgeschlagen, den Gesetzentwurf an den Innenausschuß — federführend — und den Haushaltsausschuß sowohl zur Mitberatung als auch gemäß § 96 der Geschäftsordnung zu überweisen. — Widerspruch erfolgt nicht. Es ist so beschlossen.
Wir kommen zu Punkt 1 der Tagesordnung: Fragestunde
— Drucksache VI/3196 —
Zuerst die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft und Finanzen. Zunächst die Frage 22 des Abgeordneten Baeuchle:
Besitzt die Bundesregierung Zahlenmaterial darüber, in welcher Höhe Unternehmungen Steuervorteile haben durch Sozialfondsbildung für betriebliche Altersversorgungen in den letzten drei statistisch erfaßbaren Jahren?
Herr Staatssekretär Hermsdorf, ich darf bitten.
Herr Kollege Baeuchle, Sie gehen bei Ihrer Frage offenbar davon aus, daß die Unternehmen aus ihren Maßnahmen zur betrieblichen Altersversorgung für sich regelmäßig Steuervorteile erzielen. Das ist so allgemein nicht zutreffend.
Bei den von Ihnen als Sozialfondsbildung bezeichneten Aufwendungen der Unternehmen für die betriebliche Altersversorgung haben Sie sicherlich in erster Linie an die sogenannten Pensionsrückstellungen der Unternehmen gedacht. Die Unternehmen, die ihren Arbeitnehmern eine rechtsverbindliche Pensionszusage erteilt haben, können für die sich daraus ergebenden Verpflichtungen eine Rückstellung nach § 6 a des Einkommensteuergesetzes bilden. Die Bildung einer solchen Rückstellung ist keine besondere Steuervergünstigung, sondern beruht auf dem allgemeinen Grundsatz des Bilanzsteuerrechts, daß jede betriebliche Verpflichtung bilanzmäßig bereits bei ihrer Entstehung mit ihrem wahrscheinlichen Wert auszuweisen ist. Die Bildung einer Pensionsrückstellung führt auch zu keiner endgültigen Steuerersparnis, sondern nur zu einer Steuerverlagerung, die den Charakter einer Steuerstundung hat. Hierin liegt zwar ein gewisser Finanzierungseffekt durch Liquiditätsverbesserung und Zinsersparnisse. Dieser Finanzierungseffekt ist aber,
wie sich aus einem auf Veranlassung der Bundesregierung erstellten Gutachten ergibt, nicht derart hoch, daß er die Belastungen der Unternehmen aus den übernommenen Pensionsverpflichtungen ausgleicht.
Ein echter steuerlicher Vorteil ergibt sich bei der Bildung der Pensionsrückstellungen bisher nur insoweit, als die Rückstellungsbildung nach dem bestehenden Recht auch dann zulässig ist, wenn der Pensionsanspruch des Arbeitnehmers bei vorzeitigem Ausscheiden aus dem Unternehmen verfällt. Dieser Vorteil, der nach Auffassung der Bundesregierung ungerechtfertigt ist, soll im Rahmen der Steuerreform dadurch beseitigt werden, daß die Bildung von Pensionsrückstellungen künftig nur noch für unverfallbare Pensionsansprüche zugelassen wird.
Soweit die betriebliche Altersversorgung von den Unternehmen über selbständige Pensionskassen vorgenommen wird, liegt darin für die Unternehmen kein besonderer steuerlicher Vorteil, da die Unternehmen in diesem Fall an die Kassen entsprechende Beiträge leisten müssen und das Vermögen der Pensionskassen nach dem Versicherungsaufsichtsgesetz strengen Anlagevorschriften unterliegt und nur in beschränktem Umfang im Trägerunternehmen angelegt werden darf. Die Einhaltung der Anlagevorschriften wird von der staatlichen Versicherungsaufsicht überwacht.
Etwas anders liegen die Verhältnisse bei den Unterstützungskassen, da diese keiner Aufsicht unterliegen. Sie können ihr Vermögen in vollem Umfang im Trägerunternehmen anlegen. Es kommt hinzu, daß die nach dem bestehenden Recht steuerlich abzugsfähigen Zuwendungen an die Unterstützungskassen zum Teil nicht an den tatsächlichen Kassenleistungen orientiert sind, so daß sich verschiedentlich eine Überdotierung der Kassen ergeben hat. Diese Überdotierung soll im Rahmen der Steuerreform durch eine Einschränkung der abzugsfähigen Zuwendungen auf ein für die Aufrechterhaltung der Kassenleistungen angemessenes Maß beseitigt werden.
Die Höhe der Steuerstundungen, die durch die von Ihnen angesprochene „Sozialfondsbildung für betriebliche Altersversorgungen" eintreten, kann aus den Angaben der vorliegenden Einkommen- und Körperschaftsteuerstatistiken für 1957, 1961 und 1965 nur im Wege der Schätzung ermittelt werden. Sie kann für die genannten Statistikjahre wie folgt veranschlagt werden: 1957 rund 380 Millionen DM, 1961 rund 670 Millionen DM und 1965 rund 1 060 Millionen DM.
Dann die Frage 23 des Abgeordneten Baeuchle:
Wie groß ist die Zahl der Gemeinschaftszollämter der Bundesrepublik Deutschland mit angrenzenden Nachbarstaaten, und wo befinden sich die Standorte dieser Zollämter?
Es gibt zur Zeit 156 Gemeinschaftszollämter. Sie be-
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Freitag, den 3. März 1972
Parlamentarischer Staatssekretär Hermsdorffinden sich an allen Grenzen außer an den Übergängen zur CSSR und zur DDR.57 Gemeinschaftszollämter liegen auf deutschem Gebiet, 40 auf ausländischem Gebiet. Bei 59 Übergängen kann ein Teil der gemeinsamen Abfertigung auf deutschem Gebiet und der andere Teil auf ausländischem Gebiet stattfinden, z. B. deutsche Ausfuhrabfertigung und schweizerische Einfuhrabfertigung auf deutschem Gebiet, schweizerische Ausfuhrabfertigung und deutsche Einfuhrabfertigung auf schweizerischem Gebiet.Wenn Sie daran interessiert sind, bin ich gern bereit, Sie über Einzelheiten schriftlich zu informieren.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordnete Baeuchle.
Herr Staatssekretär, haben sich auch nach Auffassung Ihres Hauses diese Gemeinschaftszollämter als geeignet für die Beschleunigung der Abfertigung erwiesen, und besteht daher gegebenenfalls die Absicht, weitere derartige Anlagen zu erstellen?
Dies ist die Auffassung der Bundesregierung. Wir werden versuchen, in diesem Sinne Schritt für Schritt weiterzumachen.
Ich komme zur Frage 24 des Abgeordneten Dr. Luda.
Herr Kollege Dr. Luda, gestatten Sie, daß ich Ihre beiden Fragen zusammen beantworte?
Der Fragesteller ist einverstanden. Ich rufe also die Fragen 24 und 25 des Abgeordneten Dr. Luda zusammen auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die Erbschaftsbesteuerung der vertraglichen Hinterbliebenenbezüge, insbesondere der Witwenpensionen, ungerechtfertigt ist, weil die gesetzlichen Bezüge der Beamtenhinterbliebenen, die Versorgungsbezüge aus der Sozialversicherung und aus berufsständischen Pflichtversicheiungen zur Erbschaftsteuer nicht herangezogen werden?
Ist die Bundesregierung bereit, die vertragliche Hinterbliebenenversorgung ebenso wie die gesetzliche unverzüglich völlig von der Erbschaftsteuer freizustellen?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Die Bundesregierung hält den gegenwärtigen Rechtszustand, nach dem vertragliche Hinterbliebenenbezüge erbschaftsteuerpflichtig sind, Versorgungsbezüge kraft Gesetzes auf Grund eigenen Rechtsanspruchs dagegen nicht, für unbefriedigend. Sie beabsichtigt deshalb, im Rahmen des Zweiten Steuerreformgesetzes vorzuschlagen, daß der überlebende Ehegatte künftig neben dem allgemeinen Freibetrag in Höhe von 250 000 DM einen zusätzlichen besonderen Versorgungsfreibetrag in Höhe von weiteren 250 000 DM erhält. Die Bundesregierung gibt dieser Lösung den Vorzug gegenüber einer Regelung, die lediglich die vertraglichen Hinterbliebenenbezüge von der Erbschaftsteuer befreit, da die Neuregelung allen Hinterbliebenen zugute kommt, also auch denen, die ihre Versorgung aus den Erträgen oder dem Verbrauch des ererbten Vermögens sicherstellen müssen.
Die Bundesregierung hält es nicht für angebracht, Teilfragen der Reform des Erbschaftsteuerrechts aus dem Gesamtzusammenhang des Zweiten Steuerreformgesetzes herauszulösen und vorweg zu regeln. Die Arbeiten an der Steuerreform würden dadurch in nicht vertretbarer Weise verzögert.
Herr Dr. Luda!
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht bereit, mir zuzustimmen, wenn ich sage, daß Ihre Wertung „unbefriedigend" der Sachlage offensichtlich nicht entspricht, nachdem festzustellen ist, daß nicht nur der kapitalisierte Rentenbetrag der Erbschaftsteuer unterliegt, sondern darüber hinaus anschließend natürlich auch die monatlichen Zahlungen der Einkommensteuer unterworfen sind, und sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß es wegen dieser groben Ungerechtigkeit den Beteiligten nicht zuzumuten ist, auf eine Neuregelung so lange zu warten, bis ein Teil der Steuerreform in Kraft tritt, nachdem wir nunmehr wissen, daß der Zeitpunkt des 1. Januar 1974 auf gar keinen Fall eingehalten werden kann?
Herr Dr. Luda, es ist sicher eine Wertung, ob man den Zustand für unbefriedigend hält oder ob man ein anderes Wort dafür verwendet. Ich halte ihn für unbefriedend. Aber nachdem dieser Zustand seit vielen Jahren besteht und wir bereit sind, ihn jetzt im Rahmen der Steuerreform zu ändern, sehe ich nicht ein, warum man diesen Punkt aus der Reform herausschneiden und vorweg regeln sollte. Das ist genau die Debatte, die wir vorhin gehabt haben.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß im Hinblick auf die Tatsache, daß dieserhalb drei Prozesse beim Bundesfinanzhof anhängig sind, in denen die Verfassungswidrigkeit gerügt worden ist, in sehr vielen in der Vergangenheit eingetretenen Erbfällen die entsprechenden Erbschaftsteuerbescheide nicht rechtskräftig geworden sind in der Erwartung der Hinterbliebenen, daß der Gesetzgeber die anerkanntermaßen ungerechte Rechtslage alsbald ändern werde, und meinen Sie nicht, daß es eine unzumutbare Härte ist, diese Vielzahl von Familien noch jahrelang auf eine Klärung durch eine entsprechende Änderung der Rechtslage warten zu lassen?
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10192 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Freitag, den 3. März 1972
Herr Dr. Luda, wir wissen, daß in dieser Frage drei Prozesse beim Bundesfinanzhof laufen. Die Bundesregierung ist diesen Prozessen beigetreten. Wir sind in Übereinstimmung mit den Ländern der Auffassung, daß diese Regelung nicht verfassungswidrig ist.
Keine weitere Zusatzfrage.
Die Frage 26 des Abgeordneten Kiechle ist inzwischen vom Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten beantwortet worden.
Ich rufe die Frage 27 des Abgeordneten Maucher auf.
Herr Präsident, darf ich die beiden Fragen des Herrn Abgeordneten Maucher zusammen beantworten?
Der Fragesteller ist einverstanden. Ich rufe also die Fragen 27 und 28 des Abgeordneten Maucher zusammen auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß durch den unveränderten Mindestbetrag bei Vermögensabgabe bei älteren Leuten, die das 65. Lebensjahr vollendet haben, eine nicht zu vertretende Härte besteht?
Ist die Bundesregierung bereit, den Einkommensfreibetrag von 4500 DM auf Grund der Preissteigerungen der letzten beiden Jahre den veränderten Verhältnissen anzupassen?
Herr Kollege Maucher, der von Ihnen genannte Pauschbetrag von 4500 DM galt für die Jahre 1969 und 1970. Mit Wirkung vom 1. Januar 1971 an ist er bereits auf 4800 DM erhöht worden. Dadurch ist im Grunde genommen Ihre Frage gegenstandslos.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Maucher.
Wie hoch wird dann der Betrag ab 1. Januar 1972 sein?
Das kann ich im Augenblick nicht übersehen.
Eine zweite Zusatzfrage.
Ist aber damit zu rechnen, daß er tatsächlich entsprechend angepaßt wird?
Die Pauschbeträge werden entsprechend der Entwicklung der Lebenshaltungskosten angepaßt. Dies ist laufend geschehen und wird auch in Zukunft laufend erfolgen.
Keine weitere Zusatzfrage.
Zu Frage 29 hat der Abgeordnete Härzschel um schriftliche Beantwortung gebeten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Die übrigen Fragen zu diesem Geschäftsbereich sind von den Fragestellern zurückgezogen.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Ich rufe die Frage 92 des Abgeordneten Dr. Ahrens auf:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, der mit der Resolution 492 der Beratenden Versammlung des Europarats vorgeschlagenen und inzwischen vom Ministerkomitee gebilligten Europahymne bei Veranstaltungen in der Bevölkerung Resonanz zu verschaffen?
Herr Staatssekretär Moersch, ich darf bitten.
Herr Abgeordneter, die Antwort lautet:
Die Bundesregierung hat die Entschließung 492 der Beratenden Versammlung, die „Ode an die Freude" aus dem 4. Satz der 9. Sinfonie von Ludwig van Beethoven als europäische Hymne zu verwenden, als geeigneten Schritt begrüßt, der fortschreitenden Verbundenheit der europäischen Völker Ausdruck zu verleihen. Sie hat sich deshalb im Ministerkomitee des Europarats für die Annahme der Empfehlung der Beratenden Versammlung ausgesprochen. Der Empfehlung der Beratenden Versammlung entsprechend wird die Bundesregierung die Hymne bereits zum diesjährigen Europatag, dem 5. Mai 1972, herausstellen. Zur Verbreitung der Hymne wird sie sich auch mit den Bundesländern in Verbindung setzen und im besonderen auch auf die Massenmedien wie Rundfunk- und Fernsehanstalten einwirken.
Die Bundesregierung geht im übrigen davon aus, daß die Europahymne, einmal offiziell eingeführt, bei allen Veranstaltungen „europäischen" Charakters gespielt wird. Das könnte insbesondere auch auf der Ebene der Gemeinden bei Besuchen aus Partnerschaftsstädten des europäischen Auslands der Fall sein. Zur Verbreitung der Hymne wird im übrigen beitragen, daß die „Ode an die Freude" in weiten Kreisen der Bevölkerung gut bekannt ist.
Ich komme zur Frage 93 des Abgeordneten Dr. Hermesdorf :
Wie ist der Stand der Verhandlungen im Ministerkomitee des Europarats zur Einführung eines internationalen Ausweises für Schwerbeschädigte, nachdem das Ministerkomitee bereits im Dezember 1970 diese Frage in sein Arbeitsprogramm aufgenommen hat?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Herr Abgeordneter, das Ministerkomitee des Europarats hat den an die Versammlung gerichteten Antrag der Abgeordneten Grussemeyer und anderer vom 22. September 1970, Doc. 2834, auf Einführung einer europäischen Identitätskarte für behinderte Personen
Parlamentarischer Staatssekretär Moersch
dem Regierungssozialausschuß überwiesen. Der Regierungssozialausschuß hat in seiner 32. Tagung im Oktober 1971 beschlossen, daß sich mit der Ausarbeitung einer Identitätskarte eine fünfköpfige Arbeitsgruppe befassen soll, an der Vertreter Frankreichs, Italiens, der Niederlande, der skandinavischen Länder und der Bundesrepublik Deutschland teilnehmen können. Es ist vorgesehen, für die Arbeitsgruppe einen deutschen Vertreter zu benennen. Die Bundesregierung wird sich im Ministerkomitee für die Errichtung der Arbeitsgruppe einsetzen. Es ist damit zu rechnen, daß die Arbeitsgruppe ihre Tätigkeit in diesem .Jahre aufnehmen wird, nachdem der Europarat die anstehende Frage bereits in sein Arbeitsprogramm aufgenommen hat.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hermesdorf.
Herr Staatssekretär, können Sie angeben, bis wann der internationale Ausweis geschaffen werden kann?
Herr Abgeordneter, darüber ist in den Unterlagen nichts zu finden gewesen. Wir werden uns bemühen, das über die zuständigen Stellen herauszufinden. Wir sind auf diesem Gebiet mit Hinweisen sehr dünn versehen.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hermesdorf.
Herr Staatssekretär, sind die Befürchtungen der Verbände der Beschädigten zutreffend, daß nach den bisherigen, Planungen des Ministerkomitees die Hilfe und die Erleichterungen, die den Inhabern eines internationalen Schwerbeschädigtenausweises im Ausland gewährt werden sollen, in Art und Ausmaß so weit hinter den Vergünstigungen im jeweiligen Heimatland zurückbleiben, daß der Ausweis praktisch wertlos ist?
Herr Abgeordneter, ich kann mir nicht vorstellen, daß diese Befürchtungen zutreffend sind; denn sonst wäre in der Tat die Schaffung eines solchen Ausweises nicht sehr sinnvoll. Ich werde mich aber gerne bemühen, der Sache nachzugehen.
Ich komme zur Frage 94 des Abgeordneten Gewandt:
Treffen Pressemeldungen zu, wonach der sowjetische Außenminister Gromyko von Staatssekretär Bahr Reparationen in Hohe von mehr als 20 Milliarden DM gefordert haben soll?
Herr Abgeordneter, die Antwort lautet nein. Die Frage wurde bereits mehrfach, zuletzt am 20. Oktober 1971 durch mich in diesem Hause beantwortet.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gewandt.
Herr Staatssekretär, warum hat, wenn keine Ansprüche geltend gemacht worden sind, die Bundesregierung dies dann in ihrem Vertrag mit der Sowjetunion nicht so festgelegt wie das Deutsche Reich in seinen Abmachungen nach dem ersten Weltkrieg?
Herr Abgeordneter, wir haben keinen Friedensvertrag geschlossen. Das bitte ich zu beachten.
Zweitens: Wie kämen wir dazu, eine Frage, die die andere Seite nicht stellt und von der wir keinen Gewinn haben können, von uns aus aufzuwerfen? Wir haben eindeutige sowjetische Äußerungen — die veröffentlicht sind, die in diesem Hause wiederholt zitiert worden sind —, daß die Sowjetunion keine Reparationsforderungen mehr stellt. Sie hatte diese Forderungen auf Grund des Potsdamer Protokolls an die DDR gestellt und hat sich vor 18 Jahren bereit erklärt, keine weiteren Reparationsforderungen mehr zu erheben. Das ist in diesem Hause verschiedene Male von amtlicher Seite deutlich festgestellt worden. Ich sehe keinen Nutzen darin, eine Frage zu erörtern, die vor 18 Jahren erledigt war.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gewandt.
Herr Staatssekretär, sind auch keine Forderungen anderer Art geltend gemacht worden?
Nein, Herr Abgeordneter. Ich verweise hier auf die Schriftliche Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage Ihrer Fraktionskollegen. Diese Antwort ist vom 20. November 1970. Ich verweise ferner auf die Antwort, die ich Ihrem Kollegen Dr. Hubrig im Oktober 1971 in diesem Hause gegeben habe.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmidt .
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Auffassung, daß Pressemeldungen dieser Art und ihre Verwendung hier im Plenum den Bemühungen der Bundesregierung um ein besseres Verhältnis zu unseren östlichen Nachbarn zuwiderlaufen?
Herr Abgeordneter, ich bin der Meinung, daß das Wiederholen von längst festgestellten Tatbeständen, d. h. das Wiederholen von unrichtigen Tatbeständen überhaupt nichts nützt, am wenigsten der vernünftigen Beurteilung einer Politik.
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10194 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Freitag, den 3. März 1972
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Jenninger.
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, wo und wann und in welchem Schriftstück die Sowjetunion der Bundesregierung gegenüber erklärt hat, daß sie keine Reparationsforderungen an die Bundesrepublik Deutschland stellen wird?
Herr Abgeordneter, ich bin selbstverständlich in der Lage, das zu erklären. Ich will Ihnen das gleich vorlesen. Ich habe auch nicht gesagt, der Bundesregierung gegenüber, sondern der Welt gegenüber, d. h. ich habe auf das Potsdamer Abkommen Bezug genommen. Ich möchte Sie wirklich bitten, sich mit den Tatbeständen auseinanderzusetzen. Die Sowjetunion ist bei der Erhebung von Reparationsforderungen im Potsdamer Abkommen auf die von ihr besetzten Gebiete verwiesen worden wie umgekehrt die Westmächte auf ihre Gebiete. Die Sowjetunion hat im Jahre 1953 eine deutliche Erklärung hierzu abgegeben. Ich habe das hier im Bundestag mitgeteilt. Außerdem gibt es einen bekannten Zusammenhang mit dem Londoner Schuldenabkommen, das wir mit dem Westen geschlossen hatten und das für uns seit 19 Jahren in dieser Frage verpflichtend ist.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Engelsberger.
Herr Staatssekretär, wie hoch schätzt die Bundesregierung die Wiedergutmachungsansprüche des Ostens ein, die von der Bundesregierung zugestanden und als legal bezeichnet werden?
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung hat hierzu keine Erklärung abgegeben. Ich verstehe, offen gestanden, nicht, worauf Sie sich mit Ihrer Frage beziehen. Die Bundesregierung hat auch keine Erklärungen zu Zahlen abzugeben. Sie hat ausdrücklich erklärt, daß sie nicht der Adressat irgendwelcher Forderungen dieser Art sei.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Baeuchle.
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß es unseren Interessen abträglich ist, diese Frage im Plenum des Deutschen Bundestages immer wieder zu stellen?
Herr Abgeordneter, ich möchte hier keinerlei Wertungen abgeben, sondern nur darauf hinweisen, daß die Regierung in der Debatte zu diesen Behauptungen Stellung genommen hat. Ich bedaure es, wenn Kollegen in diesem Hause in der Debatte nicht ihre abweichende Meinung dazu gesagt haben. Ich habe in der letzten Woche keine abweichende Meinung zur Regierungserklärung gehört.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Sperling.
Herr Staatssekretär, können Sie die entsprechenden Pressemeldungen und die Äußerungen von Oppositionspolitikern nicht auch als eine freundliche Hilfe dafür verstehen, daß die Bundesregierung wieder einmal Unsinn dementieren soll?
Herr Abgeordneter, ich halte dies für ein Thema einer Debatte. Ich möchte hier niemand eine Absicht unterstellen. Aber ich würde jedem Kollegen empfehlen, sich sehr genau die schriftlichen Dokumente dieses Hauses anzusehen. Denn all das, was wir heute hier behandeln, ist in diesem Haus längst klargestellt worden.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Leicht.
Nur damit kein falscher Eindruck entsteht, Herr Staatssekretär
— ich bin schon dabei —: Wären Sie bereit, zuzugeben, daß Länder des Ostblocks — ich meine jetzt ein bestimmtes, wo schon Dinge laufen — in gewisser Beziehung — ich will jetzt nicht werten, als was
— finanzielle Forderungen gestellt haben? Ich sage das nur, damit solche Fragen, wie sie Herr Sperling gestellt hat, nicht im Raum stehenbleiben. Wir können dann weiterreden; ich kann noch weitere Fragen stellen.
Herr Kollege Leicht, dann würde ich Sie wirklich bitten, das Land zu nennen, um das es sich hier handelt; Sie haben vom Ostblock gesprochen. Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, daß es unter den Ländern, die Sie möglicherweise nennen, eines gibt, das in den damaligen Verhandlungen sozusagen nicht einer bestimmten Gruppe zugeteilt war. Wenn Sie dieses Land meinen, haben Sie recht. Aber es gehört nicht zum Warschauer Pakt.
— Das eben wird von diesem Land bestritten.
Ich rufe die Frage 95 des Abgeordneten Gewandt auf:Treffen Pressemeldungen zu, denen zufolge die Bundesregierung bereits einen interministeriellen Ausschuß zur Berechnung der Höhe möglicher Reparationszahlungen gebildet haben soll,
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Freitag, den 3. März 1972 10195
Vizepräsident Dr. Jaegerund kann daraus der Schluß gezogen werden, daß die Bundesregierung die Forderungen der Sowjetunion dem Grunde nach bereits anerkannt hat?Herr Staatssekretär, ich darf bitten.
— Ich bitte, die Frage nicht schon mit Zurufen zu bedenken, sondern nur mit ordnungsgemäß angemeldeten Fragen.
Die Bundesregierung hat keinen interministeriellen Ausschuß zur Berechnung der Höhe möglicher Reparationsforderungen gebildet und auch zu keiner Zeit Leistungen von Reparationen in Erwägung gezogen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Gewandt.
Dementieren Sie damit, Herr Staatssekretär, die Äußerungen des ehemaligen Bundesfinanzministers Möller, daß im Zusammenhang mit den Ostverträgen erhebliche finanzielle Forderungen zu erwarten sind?
Diese Äußerung ist hier bereits im Bundestag klargestellt worden. Ich habe den damaligen Klarstellungen nichts hinzuzufügen. Ich verweise wiederum auf die Drucksache VI/1462. Herr Abgeordneter, ich halte es nicht für sinnvoll, hier die ganze Drucksache zu verlesen. Aber wenn es notwendig erscheint, bin ich trotzdem bereit, es zu tun.
Zu einer zweiten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Gewandt.
Worauf führen Sie es zurück, daß in der Öffentlichkeit über die Tätigkeit dieses Ausschusses so detaillierte Angaben gemacht wurden?
Herr Abgeordneter, ich kann die Frage nicht beantworten, worauf das zurückzuführen sei. Vermutlich könnte das in Kreisen geklärt werden, die der Bundesregierung nicht nahestehen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Sperling.
Herr Staatssekretär, warum möchten Sie den Kollegen Gewandt nicht nach dem Motto behandeln „wer nicht lesen will, soll hören"?
Herr Abgeordneter, es ist doch das gute Recht, in diesem Parlament die Information zu erhalten, die man sich auch auf andere Weise hätte beschaffen können.
Die Fragen 96 und 97 des Abgeordneten Möhring werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Die Fragen 98 und 99 des Abgeordneten Dr. Schmude wurden bereits vom Bundesminister des Innern beantwortet.
Ich rufe die Frage 100 des Abgeordneten Engelsberger auf:
Wie ist die Aussage der Bundesregierung, daß durch die Ostverträge die Grenzen nicht festgeschrieben, sondern nur beschrieben würden und ein wiedervereinigtes Deutschland an diese Grenzregelung nicht gebunden sei, in Einklang zu bringen mit dem Kommentar der „Prawda" zum Gewaltverzichtsvertragsentwurf der CSU, daß „revanchistische Kräfte in der Bundesrepublik . . . auch weiterhin in der Bevölkerung die Illusion anheizen möchten, daß eine Abänderung der europäischen Grenzen möglich sei"?
Herr Präsident, ich beantworte die Frage wie folgt: Das angeführte Zitat findet sich in der „Prawda" vom 4. Februar 1972 und lautet wörtlich:
Und so ist der „Entwurf" unter Berücksichtigung der Forderungen revanchistischer Kräfte in der Bundesrepublik erstellt worden, die auch weiterhin unter der Bevölkerung Illusionen über die Möglichkeit einer Umgestaltung der europäischen Grenzen entfachen möchten.
Dieses Zitat steht ausdrücklich in Bezug zu dem im Vertragsentwurf der CSU gebrauchten Wort „Demarkationslinie".
Die Bundesregierung geht davon aus, daß die Wiedervereinigung — und was sich daraus für die innerdeutsche Grenze ergibt — in einem längeren politischen Entwicklungsprozeß angebahnt werden muß, an dessen Ende ein Zustand des Friedens steht, in dem das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung seine Einheit wiedererlangt. Der „Prawda"-Artikel polemisiert offensichtlich nicht gegen eine solche Konzeption, sondern knüpft an politische Vorstellungen zu dieser Frage an, die auch wir heute nicht mehr als realistisch bezeichnen können.
Im übrigen würde es die Bundesregierung nicht für richtig halten, sich zu jeder Pressestimme des kommunistischen Machtbereichs zu äußern.
Eine Zusatzfrage, Abgeordneter Engelsberger.
Herr Staatssekretär, ist der Kommentar in der „Prawda" zum Gewaltverzichtsvertragsentwurf der CSU, wo eine künftige Abänderung der europäischen Grenzen als Illusion bezeichnet wird, nicht ein Beweis dafür, daß unsere östlichen Vertragspartner davon ausgehen, daß durch die Ostverträge die Grenzen unwiderruflich festgeschrieben sind, und warum versucht die Bundesregierung, gegenüber Parlament und deutscher Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, daß nach Inkrafttreten der Verträge eine spätere Korrektur der Grenzen möglich sei?
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10196 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Freitag, den 3. März 1972
Herr Abgeordneter, ich bedauere, daß Sie meine Antwort vorhin nicht zur Kenntnis genommen haben. Ich habe Ihr Zitat richtiggestellt. Sie haben das Zitat, das Sie gebraucht haben und das nicht ganz zutreffend war, hier eben noch einmal verwandt. Es handelt sich bei dein Begriff der Illusion in dem Zitat tatsächlich um „Illusionen in der Bevölkerung", was die gesamte deutsche Frage betrifft, Ich habe keinen Anlaß, meiner Antwort von vorhin hier etwas hinzuzufügen.
Eine zweite Zusatzfrage, Abgeordneter Engelsberger.
Herr Staatssekretär, ist durch das in den Ostverträgen gewählte Wort, daß die Grenzen auch nach einem Friedensvertrag unverletzlich seien, das nach dem russischen Originaltext noch viel schärfer als „unverbrüchlich" und „felsenfest" übersetzt werden kann, nicht einerseits der Forderung der Sowjets Rechnung getragen worden, daß damit kein Anspruch von deutscher Seite besteht, die Grenzen jemals wieder zu verändern, andererseits aber der Versuch unternommen worden, die Verfassungskonformität der Verträge auf deutscher Seite zu erreichen?
Herr Abgeordneter, der deutsche Text des Vertrages ist der authentische Text. Ich bin nicht in der Lage, hier im Augenblick russische Semantik zu betreiben. Die Frage ist auch hier in diesem Hause längst klargestellt worden.
Aber eines möchte ich nun doch sehr deutlich zum Ausdruck bringen. Im Gegensatz zu dem, was Sie in Ihrer Frage als Meinung mitgeteilt haben, ist die Bundesregierung der Auffassung, daß Grenzen unverletzlich sind und daß sie nur in gegenseitigem Einvernehmen verändert oder aufgehoben werden können. Das gilt selbstverständlich auch für Grenzen, die in irgendeinem Friedensvertrag irgendwann einmal festgelegt worden sind. Wir glauben, daß der Gewaltverzicht ein umfassender Gewaltverzicht sein muß, wenn er überhaupt einer friedlichen Entwicklung dienen soll. Ein relativer Gewaltverzicht, wie ich aus einigen Reden in diesem Hause in der letzten Woche gehört habe, ist eben im Grunde genommen kein wirklicher Gewaltverzicht und dient nicht dem Frieden, sondern führt zur weiteren Konfrontation.
Ich komme zur Frage 101 des Abgeordneten Engelsberger:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Meinung der polnischen Nachrichtenagentur PAP, daß es zwischen den sozialistischen Ländern und der Bundesrepublik Deutschland Differenzen über die Interpretation der Ostverträge gebe und der Kampf um die eindeutige Auslegung das nächste Stadium des politischen Ringens in Europa sein werde und erst dann von einer Erfüllunq der Verträge gesprochen werden könne, wenn die Bundesregierung die Interpretation des Ostens erfülle?
Ihre Frage, Herr Abgeordneter, beruft sich ohne weitere Angaben schlicht auf - ich zitiere— „die Meinung der polnischen Nachrichtenagentur PAP". Ich kann deshalb nur vermuten, daß Sie sich auf eine Meldung des englischsprachigen Dienstes dieser Agentur vom 21. Januar 1972 beziehen, die in den vom Presse-und Informationsamt der Bundesregierung herausgegebenen „Ostinformationen" am 24. Januar in deutscher Übersetzung abgedruckt wurde. Dabei, Herr Abgeordneter, handelt es sich allerdings nicht um eine Stellungnahme oder um eine Meinungsäußerung der polnischen Presseagentur, sondern um einen Auszug aus einem Artikel der polnischen katholischen Wochenzeitung „Kierunski" —die der Pax-Bewegung nahesteht —, der die Ratifizierungsaussichten für die Ostverträge behandelt, wobei auch von einem Kampf um die Auslegung der Verträge die Rede ist.
Gegenüber den Spekulationen eines polnischen katholischen Kommentators kann ich nur erneut feststellen, was in der Ratifizierungsdebatte eingehend und wiederholt dargelegt wurde: Maßgebend für die Bundesregierung sind die Texte der beiden Ostverträge und der dazugehörenden Dokumente. Die Bundesregierung hat deshalb keine Veranlassung, sich mit Meinungen einzelner osteuropäischer Zeitungskommentatoren auseinanderzusetzen.
Eine Zusatzfrage, Abgeordneter Engelsberger.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß die Sowjets in diesem Zusammenhang häufig die polnische Presse benutzen, um ihre Ansichten zu publizieren, und daß diese Meldung der polnischen Nachrichtenagentur PAP nicht die Ansicht eines einzelnen Journalisten wiedergibt — dies wäre gegen jede Gepflogenheit in kommunistischen Staaten , so daß man dieser Meldung große Bedeutung beimessen muß?
Herr Abgeordneter, ich habe die Meinung der Bundesregierung über die Bedeutung hier mitgeteilt. Aber daß die Sowjetunion ausgerechnet die polnische Pax-Bewegung zur Verbreitung ihrer Ansichten einschalten sollte, das wäre für mich in der Tat eine Neuigkeit.
Im übrigen darf ich hinzufügen, daß es in Polen in bestimmten Fragen keinen Unterschied nach Ideologien gibt, sondern daß es hier einen allgemeinen polnischen Standpunkt gibt. Auch das ist in der Debatte hier dargelegt worden.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Engelsberger.
Herr Staatssekretär, wird durch die Meldung der polnischen Nachrichten-
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 176. Sitzung, Bonn, Freitag, den 3. März 1972 10197
Engelsberger
agentur PAP nicht zum Ausdruck gebracht, daß die osteuropäischen Länder die Ostverträge anders beurteilen als die Bundesregierung, daß sie auf ihrer Interpretation bestehen und nur bereit sind, diese zu akzeptieren, und daß die Sowjets erst von der Erfüllung des Vertrages sprechen, wenn die Bundesregierung die einseitigen Interpretationen Moskaus akzeptiert?
Herr Abgeordneter, wir haben diese Fragen in einer dreitägigen Debatte behandelt. Ich bedauere, daß Sie sich an dieser Debatte nicht beteiligt haben, denn Sie hätten dort Gelegenheit gehabt, diese Fragen im Dialog mit dem Minister zu stellen.
Ich möchte Ihnen aber, um jedes Mißverständnis zu vermeiden, noch einmal sagen — ich habe es hier wiederholt, und zwar auch Ihnen gegenüber, getan -, daß diese Verträge rechtlich Modus-vivendiCharakter haben, daß aber die Meinung auf polnischer Seite, die Rückgabe der Gebiete östlich von Oder und Neiße scheide für alle Polen auch in einer Friedensvertragsregelung aus, einen politischen Standpunkt wiedergibt, den die polnische Seite, gleich welcher Couleur, seit 1945 unverändert vertreten hat. Daß die Verträge keine Friedensverträge sind und deswegen auch nicht zur Änderung dieser Meinung beitragen können, ist in diesem Hause nun weiß Gott gründlich genug dargelegt worden.
Keine Zusatzfrage. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Die Frage 4 des Abgeordneten Dr. Schmitt-Vockenhausen wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Wie beurteilt die Bundesregierung die Möglichkeit, mit Hilfe von Luftschiffen Immissionsmessungen zur Überwachung und Entdeckung von Immissionsquellen vorzunehmen, nachdem bereits das Ausland ein derartiges Verfahren anwenden will?
Herr Staatssekretär Dorn, ich darf bitten.
Herr Kollege Müller, mit Hilfe verschiedener Meßmethoden der InfrarotMeßtechnik, z. B. Sichtweitenmessung, Temperaturmessung, ist es möglich, Luft- und Wasserverunreinigungen aus der Luft zu erkennen und zu lokalisieren. Da praktisch alle industriellen und sonstigen Verunreinigungen eine etwas höhere Temperatur - manchmal etwas niedriger — als die Umgebungsluft oder die aufnehmenden Flüsse und Seen haben, können Verunreinigungsquellen bei Temperaturunterschieden von 1 ° C bereits erkannt und lokalisiert werden.
Die Verfahren sind bekannt und werden vor allem in den USA angewandt. Das japanische Vorhaben beruht auf gleichen Methoden. In Deutschland arbeitet die Deutsche Forschungs- und Versuchsanstalt
für Luft- und Raumfahrt auf diesem Gebiet. Die Messungen werden von Satelliten und Flugzeugen aus durchgeführt. Luftschiffe bieten keine speziellen Vorteile. Der Trend geht vielmehr zu Satelliten.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller .
Herr Staatssekretär, da zwischen diesem Hohen Hause und der Bundesregierung in allen Fragen des Umweltschutzes weitgehende Übereinstimmung besteht, muß ich Ihnen wegen der größeren Zusammenhänge die Frage stellen, ob angesichts der Tatsache, daß Luftschiffe ungleich weniger Lärm erzeugen als beispielsweise Flugzeuge, das nicht auch ein zu wertender Gesichtspunkt in der Gesamtüberlegung sein sollte.
Das kann ohne Zweifel ein Gesichtspunkt sein, Herr Kollege Müller, der in die Beratungen und Überlegungen einbezogen werden könnte. Aber so, wie die Dinge liegen, ist das Satellitensystem nach den in den Vereinigten Staaten gemachten Erfahrungen wahrscheinlich brauchbarer.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller .
Herr Staatssekretär, würden Sie mir aber zugeben, daß immer mehr Flugkörper — ich will sie einmal vergröbernd so nennen -, also auch Flugzeuge, zum Einsatz insbesondere bei Wasserverunreinigungen kommen und daß beispielsweise die DDR bei der Überwachung der Verunreinigungen der Ostsee zunehmend mehr Flugzeuge einsetzt?
Das ist uns bekannt, ja.
Wir kommen zur Frage 6 des Abgeordneten Müller :
Gedenkt die Bundesregierung unter Berücksichtigung der nach dem kiinftigen Bundesimmissionsschutzgesetz notwendigen Immissionsmessungen beim Ausbau eines Meß- und Überwachungssystems derartige Entwicklungen zu fördern?
Herr Kollege Müller, die Bundesregierung wird diese Verfahren einsetzen, soweit es sich in der Zukunft als notwendig erweisen wird. Diese Meßverfahren ersetzen jedoch keinesfalls die Meß- und Überwachungsstellen am Boden, die zur Überwachung der Verunreinigungen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz erforderlich sind. Sie dienen vor allem der Bestimmung günstiger Aufstellorte für Überwachungsstationen und zur Erforschung weiträumiger Transportvorgänge. Die geringe geographische Erstreckung der Bundesrepublik läßt den Einsatz dieser Meßmethoden zur Zeit nicht als primär notwendig erscheinen.
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10198 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Freitag, den 3. März 1972
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller .
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung, gestützt auf ihre wiederholten Erklärungen, in ständigem Erfahrungsaustausch mit unseren europäischen Nachbarn und auch auf internationaler Ebene dennoch bereit sein, diesen Entwicklungen ihre Aufmerksamkeit zu schenken, obschon, wie Sie bemerkt haben, einige Überlegungen, die sich aus der spezifischen Lage der Bundesrepublik ergeben, dem hinderlich entgegenstehen?
Das wird die Bundesregierung ohne Zweifel auch in Zukunft tun, Herr Kollege Müller.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller .
Herr Staatssekretär, darf ich davon ausgehen, daß Sie, wenn eine gewisse Zeit abgelaufen ist, die betroffenen Fachausschüsse gelegentlich darüber informieren werden, mit welchem Erfolg man sich bemüht hat, hier einen internationalen Erfahrungsaustausch zu betreiben?
Dazu bin ich gern bereit, ja.
Wir kommen zur Frage 7 des Abgeordneten Dr. Jahn . — Er ist nicht im Saal. Dann wird die Frage schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Wir kommen zur Frage 8 des Abgeordneten Helms:
Sind der Bundesregierung Presseveröffentlichungen sowie das Problem bekannt, wonach landwirtschaftliche Grundstücke beiderseits der Bundesautobahnen und stark befahrener Bundesstraßen durch Kraftfahrzeugabgase insoweit beeinträchtigt werden, als das auf diesen Grundstücken — speziell das auf den Weiden — wathsende Futter so vergiftet wird, daß die darauf weidenden Kühe erkranken und „schlechte", gesundheitsbeeinträchtigende Milch geben?
Ist er im Saal? — Bitte sehr!
Herr Präsident, ich wäre dankbar, wenn ich wegen des Sachzusammenhangs beide Fragen gemeinsam beantworten könnte.
Bitte schön! Dann rufe ich noch die Frage 9 des Abgeordneten Helms auf:
Wenn ja, wie können die Eigentümer der betroffenen Grundstücke, abgesehen von der Verminderung des Bleigehalts im Benzin auf Grund des Bleibenzingesetzes, vor den Abgasimmissionen geschützt werden?
Herr Kollege Helms, der Bundesregierung ist aus deutschen Untersuchungen
und einem Bericht der Schweizerischen Bundesanstalt für Agrikulturchemie bekannt, daß der Bleigehalt von Futterpflanzen bis zu 100 m Entfernung vom Straßenrand stellenweise das Zehnfache dessen übersteigt, was die Futtermittelrechtskommission der Europäischen Gemeinschaften für höchstzulässig ansieht. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß schon mit dem ersten Schritt des Benzinbleigesetzes eine wesentliche abhelfende Maßnahme zum Schutz landwirtschaftlicher Grundstücke in der Nähe von Bundesautobahnen und stark befahrenen Bundesstraßen getroffen worden ist. Inwieweit andere in Kraftfahrzeugabgasen enthaltene Stoffe, die sich ebenfalls auf Futterpflanzen ablagern, die Gesundheit beeinträchtigen, bedarf noch der Prüfung. Ich habe veranlaßt, daß derartige Untersuchungen im Rahmen der laufenden Untersuchungsprogramme durchgeführt werden. Es ist zu erwarten, daß die zweite Stufe des Benzinbleigesetzes sowie die übrigen Maßnahmen der Bundesregierung zur Verminderung der Emission aller Schadstoffe in den Kraftfahrzeugabgasen auch zu einer geringeren Ablagerung solcher Stoffe auf Futterpflanzen in der Nähe von Verkehrswegen führen werden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie in der Lage, darüber Auskunft zu geben, welche Entschädigungsansprüche den Eigentümern bzw. den Bewirtschaftern der betroffenen Grundstücke gegen die Bundesrepublik Deutschland als Straßenbaulastträger wegen der schädlichen Einwirkungen der Abgase auf die Grundstücke im Sinne meiner Anfrage zustehen?
Herr Kollege Helms, Sie werden verstehen, daß ich diese Frage hier nicht ad hoc beantworten kann. Aber ich bin gern bereit, Ihnen diese Frage schriftlich zu beantworten.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller .
Herr Staatssekretär, würden Sie bereit sein, meiner Schlußfolgerung zuzustimmen, daß die hier aufgeworfene Frage gleichzeitig die Frage enthält, was mit den Menschen ist, die gesundheitliche Schäden dadurch nehmen, daß sie Produkte von den betroffenen Landstrichen zu sich nehmen und deshalb möglicherweise Schadensersatzansprüche gegenüber dem Bund geltend machen können?
Herr Kollege Müller, ich glaube, man muß bei allen Überlegungen hinsichtlich schädlicher Einwirkungen durch Umweltgefahren davon ausgehen, daß nur eine Gleichbehandlung aller betroffenen Kreise und aller betroffenen Anlieger in Frage kommt.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Freitag, den 3. März 1972 10199
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Rinderspacher.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß Menschen, die in einem solchen Abstand von Autostraßen wohnen müssen wie er vorhin genannt wurde, nicht noch weit mehr gefährdet sind als die Pflanzen? Sind nicht die gesundheitlichen Schäden unmittelbarer Art bei diesen Menschen wesentlich größer als die Schäden, die den Menschen durch den Genuß von verseuchten Nahrungsmitteln mittelbar zugefügt werden? Ich denke dabei an die Produkte der Kühe, die auf diesen Grundstücken weiden.
Herr Kollege, ob die mittelbaren oder unmittelbaren Schäden für den einzelnen größer sind, muß man, glaube ich, medizinischen Untersuchungen überlassen. Ich bin nicht dazu in der Lage, hier im Parlament eine vollständig befriedigende Erklärung abzugeben.
Eine zweite Zusatzfrage haben Sie nicht, Herr Abgeordneter.
Die Fragen 98 und 99 sind vom Fragesteller zurückgezogen worden. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich komme nunmehr zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Ist Herr Abgeordneter Meister im Saal? — Das ist nicht der Fall. Dann werden die Fragen 38 und 39 schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe ,die Frage 40 des Abgeordneten Härzschel auf:
Hält die Bundesregierung eine Änderung des § 26 RVO im Blick auf Vermögensanlagen bei Privatbanken für erforderlich, und trifft es zu, daß der Verband der Rentenversicherungsträger Vermögensanlagen nach § 26 RVO bei privaten Großbanken auch ohne Sicherheitsleistungen für möglich hält?
Herr Parlamentarischer Staatssekretär Rohde, ich darf bitten.
Herr Kollege Härzschel, den ersten Teil Ihrer Frage kann ich mit Ja beantworten. In ihrem Bericht über die Untersuchung der Wettbewerbsverschiebungen im Kreditgewerbe und über eine Einlagensicherung vom 18. November 1968 hat die Bundesregierung bereits angekündigt, daß § 26 der Reichsversicherungsordnung u. a. wegen seiner unbefriedigenden Regelung über Bankeinlagen geändert werden soll. Diese Auffassung teilt die Bundesregierung auch heute noch. Die angekündigte Änderung wird zur Zeit im Rahmen des Sozialgesetzbuchs vorbereitet.
Was den zweiten Teil Ihrer Frage betrifft, darf ich bemerken, daß nach der Praxis des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger und der ihm angeschlossenen Versicherungsanstalten n u r Betriebsmittel ohne Sicherheitsleistung bei privaten Großbanken deponiert werden. Diese Praxis entspricht dem geltenden Recht, weil Betriebsmittel nicht unter den Anlagekatalog des § 26 Abs. 1 Satz 3 der Reichsversicherungsordnung fallen. Im übrigen wäre in den gesetzlichen Rentenversicherungen eine darüber hinausgehende Praxis durch die Vorschrift des § 1383 b Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung gedeckt, wonach (die Liquiditätsreserve u. a. in Termin- und Spareinlagen mit einer Laufzeit oder Kündigungsfrist bis zu 12 Monaten bei allen Kreditinstituten, also auch bei Privatbanken, bereitgehalten werden kann.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Härzschel.
Herr Staatssekretär, sind Sie, wenn die Bundesregierung eine Änderung vorhat, nicht der Meinung, daß man diese Regelung jetzt schon durch eine entsprechende Anweisung an den Verband der Rentenversicherungsträger in Kraft treten lassen könnte?
Herr Kollege, die Regelung soll, wie ich Ihnen sagte, im Rahmen des Sozialgesetzbuches getroffen werden. Ein Gesetzentwurf soll nach der Absicht der Bundesregierung dem Parlament noch in dieser Legislaturperiode vorgelegt werden. An seiner Vorbereitung ist die Sachverständigenkommission für das Sozialgesetzbuch beteiligt, die sich mit allen mit diesem Komplex in Zusammenhang stehenden Fragen befaßt. Den Entschließungen der Kommission möchten wir auch aus sachlichen Gründen nicht vorgreifen.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Härzschel.
Herr Staatssekretär, muß ich aus Ihrer Antwort entnehmen, daß Sie der Meinung sind, daß nach wie vor Anlagen, die für länger als 12 Monate getätigt werden, nicht ohne Sicherheitsleistungen getätigt werden können?
Herr Kollege, ich habe Ihnen den Sachverhalt dargestellt und auch deutlich gemacht — wenn ich das noch einmal unterstreichen darf —, ,daß wir auf dem von uns in Aussicht genommenen Wege eine Änderung anstreben.
Keine weitere Zusatzfrage.
Die nächsten beiden Fragen des Abgeordneten Orgaß, also die Fragen 41 und 42, werden auf seinen Wunsch schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Wir kommen zu Frage 43 des Abgeordneten Lenzer.
Herr
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10200 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Freitag, den 3. März 1972
Parlamentarischer Staatssekretär RohdeKollege Lenzer, ich würde gern wegen des Sachzusammenhangs beide Fragen gemeinsam beantworten.
Bitte schön! Dann rufe ich die Fragen 43 und 44 gemeinsam auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die unzureichende Definition der Begriffe Erwerbsunfähigkeit und Berulsunfähgkeit —§§ 1246 und 1247 RVO --, und hält sie es in diesem Zusammenhang für möglich, beide Begriffe zu einem Versicherungsfall zusammenzufassen, wie auch bereits vom Deutschen Sozialqerichtsverband angeregt und in einem Entscheid des Großen Senats des Bundessozialgerichts vom Dezember 1969 dargelegt worden ist?
Hält es die Bundesregierung für möglich, die Kompetenzen der für Beitragsstreitigkeiten und abgelehnte Hilfsmaßnahmen bei den Selbstverwaltungsorganen der Versicherungsträger bestehenden Widerspruchstelle derart auszuweiten, daß diese auch in Streitfragen bei Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit mit den Landesversicherungsanstalten Entscheidungsbefugnisse erhält?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Die Begriffe „Erwerbsunfähigkeit" und „Berufsunfähigkeit" sind seinerzeit vom Gesetzgeber so gefaßt worden, um für eine den Verhältnissen sich anpassende Auslegung Raum zu lassen. Nachdem der Große Senat des Bundessozialgerichts in der von Ihnen zitierten Entscheidung zur Abgrenzung beider Begriffe Grundsätze aufgestellt hat und diese Grundsätze durch die Rechtsprechung einzelner Senate weiter ergänzt worden sind, ist sowohl der Verwaltung als auch den Gerichten eine praktikable Anwendung dieser Begriffe möglich. Die von Ihnen vermerkte Kritik an diesen Begriffen in einer Veranstaltung des Deutschen Sozialgerichtsverbands lag im übrigen vor der erwähnten Entscheidung des Großen Senats des Bundessozialgerichts.
Was die von Ihnen weiter angesprochene Zusammenfassung der jetzt unterschiedlichen Versicherungsfälle zu einem Versicherungsfall anlangt, hat der Gesetzgeber 1957 ganz bewußt die Trennung eingeführt, um den unterschiedlichen Grad der Erwerbsminderung besser berücksichtigen zu können. Eine Zusammenfassung beider Begriffe, die auf einem mittleren Stand mit schärferen Anforderungen erfolgen würde — etwa dem der früheren „Invalidität" in der Arbeiterrentenversicherung —, wäre gegenüber der heutigen differenzierten Handhabung sicherlich ein Rückschritt.
Zu Ihrer zweiten Frage möchte ich folgendes bemerken. Die Bundesregierung hält es für möglich und für wünschenswert, die Kompetenzen der bei den Selbstverwaltungsorganen der Versicherungsträger bestehenden Widerspruchstellen zu erweitern und ihnen Entscheidungsbefugnis auch in Streitfragen bei Berufs- bzw.. Erwerbsunfähigkeit einzuräumen. Sie hat deshalb in ihrem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes eine entsprechende Neufassung des § 78 des Sozialgerichtsgesetzes vorgesehen. Der Gesetzentwurf liegt zur Zeit den Ausschüssen des Bundestages zur Beratung vor.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Lenzer.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie die zweite Frage in einer, wie ich einräumen muß, auch für mich befriedigenden Weise beantwortet haben, wodurch gewährleistet sein könnte, daß der Antragsteller, der ja in der Regel nicht über große Kenntnisse im Versicherungswesen verfügt und auch in einer gewissen Existenzbedrohung steht, weil die Rente bis zu einem rechtskräftigen Entscheid nicht gezahlt wird, möchte ich Sie aber zu der ersten Frage noch fragen, ob Sie die Auffassung teilen, daß das Problem der Erwerbsunfähigkeit bzw. Berufsunfähigkeit nicht dadurch gelöst werden kann, daß man den Betroffenen auf den Arbeitsmarkt verweist? Denn es stehen ja in der Praxis nicht so viele Arbeitsplätze zur Verfügung, die dann noch in Frage kämen, wie es in den Definitionen der Gerichte oft heißt: Arbeiten leicht, körperlich, halbschichtig, vorwiegend im Sitzen und in geschlossenen Räumen.
Ich verstehe den Sinn Ihrer Frage, Herr Kollege, und darf in dieser Beziehung auf die Entscheidung und die Leitsätze des Großen Senats des Bundessozialgerichts hinweisen. Nach diesen höchstrichterlichen Richtlinien dürfen die Versicherungsträger nicht ohne Rücksicht auf die Arbeitsmarktlage — auf die Sie abgehoben haben — ihre Entscheidung über die Rente treffen, sondern sie müssen in bezug auf den Arbeitsmarkt, der dem Versicherten in seiner konkreten Situation offen ist, bestimmte Feststellungen treffen. Das führt dazu, daß im Durchschnitt mehr Renten wegen vorzeitiger Minderung der Erwerbsfähigkeit zu zahlen sind, als dies früher der Fall war.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Lenzer.
Herr Staatssekretär, sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, zu verhindern, daß die Krankenkassen länger erkrankte Versicherte oft schon nach wenigen Wochen auffordern, einen Rentenantrag auf Zeit zu stellen, obgleich ein Anspruch auf 18 Monate Krankengeld besteht und der Versicherte andererseits Schaden bei der endgültigen Rentenberechnung erleiden würde?
Herr Kollege, wenn Sie solche Fälle vorliegen haben, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie sie mir mitteilten. Das würde ich zum Anlaß nehmen, mit den zuständigen Stellen im Bereich der Krankenversicherung darüber zu sprechen.
Keine Zusatzfrage mehr. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit. Der Abgeordnete Seefeld hat um
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Freitag, den 3. März 1972 10201
Vizepräsident Dr. Jaegerschriftliche Beantwortung seiner Frage 51 gebeten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Aus welchen Gründen hat der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit die von mir mit Schreiben vom 10. Januar 1972 erbetene Klärung der Frage, ob der in Heft 1/72 der Zeitschrift „TV Hören und Sehen" geschilderte Sachverhalt zutrifft, nicht herbeigeführt?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich darf zu Ihrer Frage in Übereinstimmung mit meinem Schreiben an Sie vom 16. Januar 1972 und in Übereinstimmung mit der Antwort des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit auf eine frühere Frage des Abgeordneten Enders in der Fragestunde vom 5. Dezember 1967 feststellen, daß das in der UdSSR hergestellte Margulis-Schubladse-Serum kein neues Medikament ist, daß seine Wirksamkeit von Wissenschaftlern und auch vom Hersteller zurückhaltend beurteilt wird, daß die Frage der Unschädlichkeit umstritten ist und daß das Mittel über mehrere Importfirmen in der Bundesrepublik bezogen werden kann.
An der Tatsache, Herr Abgeordneter, daß es der Wissenschaft noch nicht gelungen ist, die Ursache der multiplen Sklerose aufzudecken, und daß es zur Zeit noch nicht möglich ist, diese Krankheit zu heilen, hat sich nichts geändert. Im Verlaufe der Erkrankung, insbesondere im Anfangsstadium, kommt es gewiß häufig zu spontanen Besserungen, die irrtümlich als Heilung gedeutet werden können. Diese sogenannten Remissionen treten bei den verschiedensten Behandlungsmethoden auf, manchmal auch dann, wenn keine Behandlung durchgeführt wird. Deshalb ist eine sichere Aussage darüber, ob im Einzelfall eine bestimmte Behandlungsmethode wirksam war, bisher nicht möglich. Andererseits wären Zweifel an der Wirksamkeit des MargulisSchubladse-Serums zur Zeit nicht zu belegen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Mursch.
Mursch (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, würden Sie die Freundlichkeit haben, die von mir gestellte Frage noch einmal durchzulesen; denn das, was Sie hier vorgetragen haben, ist mir aus Ihrem Brief und aus der früher in der Fragestunde gegebenen Antwort bekannt. Ich habe Sie danach gefragt, ob der in der Zeitschrift „TV Hören und Sehen" geschilderte Sachverhalt zutrifft oder nicht. Diese Frage habe ich bereits in meinem Brief an Sie gerichtet. Auch in der Antwort auf meinen Brief haben Sie diese Frage nicht beantwortet. Daher jetzt meine Frage in der Fragestunde.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wir glauben, daß wir auf die von Ihnen gestellte Frage sowohl in der Antwort auf Ihre erste Anfrage als auch in der Antwort auf die heute
anstehende Frage durchaus eingegangen sind. Man müßte sich dann darüber unterhalten, was Sie unter „Sachverhalt" verstehen: ist damit die eintretende Besserung, die Wirkung des Schubladse-Serums, der Import dieses Serums gemeint oder was sonst?
Herr Abgeordneter, Sie haben noch eine Zusatzfrage. Ich darf Sie bitten, nur eine Frage zu stellen und keine Sachaussage zu machen.
Mursch (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, halten Sie es für richtig, daß, wie es in der Zeitschrift „TV Hören und Sehen" in dem erwähnten Artikel geschehen ist, eine personelle und parteipolitische Werbung mit dem Leid und der Krankheit von Menschen in Verbindung gebracht wird?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich glaube, es steht mir nicht an, jetzt zu den Verlautbarungen einzelner Presseorgane wertend Stellung zu nehmen.
Ich rufe die nächste Frage des Abgeordneten Mursch auf:
Welche Maßnahmen beabsichtigt gegebenenfalls der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit zu ergreifen, um falsche Hoffnungen an multipler Sklerose erkrankter Menschen zu vermeiden, die durch Presseveröffentlichungen geweckt werden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, es ist dem Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit nicht möglich, zu der Frage der Wirksamkeit einzelner Arzneispezialitäten Stellung zu nehmen, schon gar nicht, wenn die Informationen so lückenhaft sind und sein müssen wie in diesem Fall.
Die Unterrichtung der Multiple-Sklerose-Kranken über den Stand der wissenschaftlichen Forschung und über die gegebenen Behandlungsmöglichkeiten ist eine wesentliche Aufgabe der eigens dazu von uns geförderten Deutschen Multiplen-Sklerose-Gesellschaft in Frankfurt, die mit einem großen Teil der Multiplen-Sklerose-Kranken dieserhalb in Verbindung steht.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Mursch.Mursch (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, hätten Sie es nicht für zweckmäßig gehalten, den Kollegien Dr. Müller-Emmert, auf den wohl der Artikel zurückgeht, wenigstens entsprechend zu informieren, insbesondere deshalb, weil dieses Medikament von Ihnen und von der Deutschen Multiplen-Sklerose-Gesellschaft so negativ beurteilt wird?Dr. von Manger-Koenig, Staatssekretär im Bundesministerium für Jugend, Familie und Ge-
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10202 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Freitag, den 3. März 1972
Staatssekretär Dr. von Manger-Koenigsundheit: Herr Abgeordneter, wir hätten das nicht nur tun sollen, sondern wir haben den Abgeordneten Müller-Emmert entsprechend informiert.
Eine zweite Zusatzfrage.
Mursch (CDU/CSU) : Meinen Sie nicht, Herr Staatssekretär, daß eine solche Werbung, von ,der ich soeben sprach, um so mehr zu verurteilen ist, als es sich um ein Medikament handelt, das negativ beurteilt wird, und als durch diese Werbung bei kranken Menschen Hoffnungen und Illusionen erweckt werden, die in Wirklichkeit durch dieses Medikament nicht erfüllt werden können?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es ist leider festzustellen, daß publizistisch sehr oft Hoffnungen erweckt werden, die mit den objektiven therapeutischen Chancen nicht in Übereinstimmung zu bringen sind.
Keine weitere Zusatzfrage.
Der Abgeordnete Dr. Gölter bittet um schriftliche Beantwortung der Frage 54. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 55 des Abgeordneten Dr. Rinderspacher auf:
Warum sind die Aufputschmittel ANI und Rosimon-Neu, die nach wissenschaftlichen Untersuchungen von einem nicht unbeträchtlichen Teil der drogensüchtigen Jugendlichen regelmäßig konsumiert werden, noch immer rezeptfrei zu erhalten?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Gestatten Sie, Herr Abgeordneter, daß ich Ihre beiden Fragen wegen des Sachzusammenhangs zusammen beantworte?
Bitte!
Dann rufe ich zusätzlich die Frage 56 des Abgeordneten Dr. Rinderspacher auf:
Ist die Bundesregierung bereit, diese und etwaige ähnliche Aufputschmittel so schnell wie möglich aus dem freien Verkehr zu ziehen, um die leichte Beschaffbarkeit dieser Mittel zu unterbinden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Daß die Arzneispezialität AN 1 auch bei bestimmungsmäßigem Gebrauch — und darauf, Herr Abgeordneter, kommt es bei der Unterstellung eines Stoffes unter die Verschreibungspflicht an — eine suchtfördernde Wirkung habe, war bisher keineswegs unbestritten. Erst in letzter Zeit sind einige wissenschaftlich-analytische Mitteilungen über den Zerfall des wirksamen Bestandteiles der Arzneispezialität AN1 im Organismus erschienen, die von der hohen Wahrscheinlichkeit sprechen, daß als Spaltprodukt u. a. Amphetamin entsteht; bewiesen ist das noch nicht.
Der Beirat nach § 35 des Arzneimittelgesetzes, der vor Erlaß einer Rechtsverordnung zur Verschreibungspflicht zu hören ist, hat sich gleichwohl auf seiner letzten Sitzung im Januar 1972 erneut mit der Frage der Verschreibungspflicht von AN1 beschäftigt. Er hat festgestellt, daß auf Grund der sich aus der Struktur der Substanz ergebenden zentralsympathikomimetischen Wirkung auch bei bestimmungsmäßigem Gebrauch eine Gefährdung der Gesundheit sich nicht ausschließen lasse, und hat deshalb die Unterstellung des Stoffes unter die Verschreibungspflicht empfohlen. Ich werde dem Votum des Beirats folgen und den Stoff in eine Änderungsverordnung zur Verordnung nach § 35 des Arzneimittelgesetzes aufnehmen.
Ich beabsichtige ebenfalls, den wirksamen Bestandteil der Arzneispezialität Rosimon-Neu der Verschreibungspflicht zu unterstellen. Bisher war allerdings — ich betone das noch einmal der Beirat, der vom Gesetzgeber dazu eigens eingesetzt worden ist, stets der Auffassung gewesen, die Voraussetzungen dazu seien nicht gegeben. Mit dem Bundesgesundheitsamt wird zur Zeit geprüft, ob weitere, in der Struktur ähnliche Wirkstoffe der Verschreibungspflicht unterstellt werden müssen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Rinderspacher.
Herr Staatssekretär, außer dem Dank, den ich Ihnen aussprechen darf, möchte ich Sie fragen, ob in absehbarer Zeit damit zu rechnen ist, daß diese Anordnung herauskommt und diese angesprochenen Mittel rezeptpflichtig gemacht werden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Verordnung ist in Vorbereitung; sie wird im Juni wirksam werden.
Keine Zusatzfrage. Frau Abgeordnete von Bothmer hat ihre Frage, die Frage 57, zurückgezogen. — Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich komme zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesminsters für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen.
Der Abgeordnete Jungmann hat um schriftliche Beantwortung seiner Frage, der Frage 58, gebeten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 59 des Abgeordneten Peiter auf. Er ist offenbar nicht im Saal.
Ich rufe auch die Frage 60 des Abgeordneten Peiter auf. Die Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Freitag, den 3, März 1972 10203
Vizepräsident Dr. Jaeger
Ich rufe die Frage 61 des Abgeordneten Niegel auf. Der Abgeordnete hat um schriftliche Beantwortung seiner Frage gebeten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 62 des Abgeordneten Dr. Jobst auf. Der Abgeordnete hat seine Frage zurückgezogen.
Dann rufe ich. die Fragen 63 und 64 des Abgeordneten Dr. Hubrig auf. Auch er ist nicht im Saal. Die Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Herr Staatssekretär, ich brauche Sie nicht in Anspruch zu nehmen. Ich danke Ihnen für Ihr Kommen.
Meine Damen und Herren, ich komme zu den Fragen aus dem Geschäfstbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen und sehe, daß hier überhaupt keine Frage mehr übriggeblieben ist; der Herr Staatssekretär wußte das offenbar.
Dann komme ich zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft.
Ich rufe die Fragen 72 und 73 des Abgeordneten Dr. Probst auf. Er ist nicht im Saal. Die Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Fragen 74 und 75 des Abgeordneten Dr. Dr. h. c. Bechert auf. Die beiden Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 76 des Abgeordneten Leicht auf:
Bekennt sich die Bundesregierung noch zu dem Grundsatz, daß Lehre und Forschung an den Bedürfnissen von Staat, Gesellschaft und Wirtschaft ausgerichtet sein müssen?
Herr Kollege Leicht, die Antwort auf Ihre Frage lautet selbstverständlich ja. Allerdings ist es nicht ganz leicht für mich, die Dreiteilung Staat, Gesellschaft und Wirtschaft nachzuvollziehen.
Eine Zusatzfrage.
Da ich eine Zusatzfrage habe, möchte ich Sie jetzt fragen: Warum ist Ihnen das nicht möglich, Herr Kollege von Dohnanyi?
Weil Gesellschaft und Wirtschaft wohl überschneidende Bereiche sind und auch Staat und Gesellschaft in dem Sinne kaum trennbar sind. Aber das war nur eine Nebenbemerkung. Die Antwort ist ja.
Ich bin mit der Antwort natürlich zufrieden.
Sie haben keine Zusatzfrage mehr. Der Herr Abgeordnete Sperling hat eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, meinen Sie, daß die Bedürfnisse des Menschen durch die Dreiteilung der Begriffe Staat, Gesellschaft und Wirtschaft schon mit erfaßt sind und daß man nicht sagen darf, daß außer den Bedürfnissen von Staat, Gesellschaft und Wirtschaft auch noch individuelle Bedürfnisse des Menschen mit ausgefüllt sein müssen?
Das ist sicherlich richtig, Herr Kollege Sperling.
Ich rufe die Frage 77 des Abgeordneten Leicht auf:
Sieht die Bundesregierung in den Praktiken einiger Hochschulinstitute nicht eine Gefährdung dieses Grundsatzes?
Herr Kollege Leicht, Divergenzen zwischen dem Grundsatz und der Realität gab es immer. Zum Teil resultierten sie, wie wir wissen, aus der traditionellen Hochschulstruktur. Aber es ist unzweifelhaft, daß Probleme auch unter neuen Hochschulgesetzen gelegentlich auftreten. Die Bundesregierung kann aber Praktiken von Hochschulinstituten im einzelnen nur beurteilen, wenn sie sich dabei auf entsprechende Tatsachenfeststellungen stützen kann. Diese sind in der Regel für uns schwer zu ermitteln, weil sie in den Zuständigkeitsbereich der Länder fallen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Leicht.
Bemüht man sich, Herr von Dohnanyi, in Zusammenarbeit mit den Ländern solche Tatbestände, die Sie ansprechen und die sicherlich immer sehr schwer festzustellen sind, zu erörtern, sie festzustellen und den Ländern, den Betroffenen — ich hoffe, Sie haben das so, wie ich es meine erfaßt — dann auch unterstützend beizustehen?
Darüber besteht gar kein Zweifel, Herr Kollege Leicht. Die Bundesregierung hat aus diesem Grunde ein Hochschulrahmengesetz vorgelegt, um auch auf diese Weise den Grundsatz, den Sie formuliert haben, sicherzustellen.
Eine zweite Zusatzfrage.
Weil Sie selbst das Hochschulrahmengesetz gerade erwähnt haben, möchte ich Sie fragen, ob wir damit rechnen können, daß sehr bald die Möglichkeit besteht, dieses Gesetz in diesem Hause zu verabschieden?
10204 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 176. Sitzung, Bonn, Freitag, den 3. März 1972
Herr Leicht, Sie fragen die Bundesregierung, Sie müssen das Hohe Haus fragen.
Eine Zusatzfrage bitte, Herr Abgeordneter Engholm.
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß die Grundsätze der Freiheit von Forschung und Lehre auch und besonders im Rahmen der Universität Bremen, jener von der CDU/ CSU vielfach inkriminierten Hochschule, heute in extenso gewahrt sind?
Wir haben dazu, Herr Kollege, in diesem Haus mehrfach Stellung genommen. Wir teilen Ihre Auffassung.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wohlrabe.
Herr Staatssekretär, ich würde gern wissen, ob Sie, nachdem der Kollege Engholm für Bremen gefragt hat, die gleichen Grundsätze auch für alle Hochschulinstitute der Freien Universität Berlin als gewährleistet ansehen?
Führen Sie jetzt auf die ursprüngliche Frage zurück oder auf die Frage des Kollegen Engholm? Ich weiß nicht, Herr Präsident, weil dies ein ganz neuer Bereich ist, der hier als — —
An sich brauchen Sie nur Fragen zu beantworten, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Ursprungsfrage stehen. Das ist natürlich bei solchen Fragen schwer zu entscheiden.
Ich bin aber gerne bereit, die Frage zu beantworten.
Wenn Sie der Meinung sind, daß kein unmittelbarer Zusammenhang besteht, kann Herr Abgeordneter Wohlrabe seine Frage ja als selbständige Frage für die nächste Fragestunde einbringen.
Ich komme zur Frage 78 des Abgeordneten Dr. Wagner . — Ich sehe, er ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich komme zur Frage 79 des Abgeordneten Dr. Gölter:
Ist die Bundesregierung der Meinung, daß das schon vielfach praktizierte Kollektivexamen noch ihren Vorstellungen vom Leistungsprinzip entspricht?
Herr Kollege Gölter, nach Auffassung der Bundesregierung können Prüfungen, die Gruppenarbeiten zum Gegenstand haben, insbesondere z. B. bei interdisziplinären wissenschaftlichen Fragestellungen, durchaus eine zweckmäßige Methode der Leistungsmessung sein. Die Bundesregierung hat jedoch in § 37 Abs. 1 des Entwurfs zum Hochschulrahmengesetz ausdrücklich klargestellt, daß auch in diesen Fällen die Hochschulprüfung der Feststellung dient, ob der Student, also der einzelne, sein Studienziel erreicht hat. Das heißt: die Leistung des einzelnen muß auch bei Einbeziehung einer kollektiven Prüfung, wie Sie sie genannt haben, zu unterscheiden und individuell bewertbar sein.
Wir stehen am Ende der Fragestunde. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich berufe die nächste Sitzung auf Mittwoch, den 15. März 1972, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.