Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Wir treten ein in die
Fragestunde
— Drucksache VI/3016 —
Zur Beantwortung der Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen ist der Herr Parlamentarische Staatssekretär Börner anwesend. Die Frage 73 wird vom Abgeordneten Müller gestellt:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß seit dem Abschluß der Berlin-Verhandlungen Briefe aus Polen nach West-Berlin, auf deren Umschlag zusätzlich zu der Berliner Anschrift die Buchstaben NRF, das heißt Bundesrepublik Deutschland, stehen, mit einem Aufkleber reit der Aufschrift: „Zurück an Absender, Berlin ist kein Teil der BRD" versehen sind?
Herr Präsident, die Antwort lautet nein, derartige Fälle sind nicht bekannt.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, was hat die Bundesregierung getan oder was gedenkt sie zu tun, um festzustellen, daß derartige Vorgänge, wie sie in meiner Frage 73 geschildert sind, unrichtig sind?
Herr Kollege, ich habe Ihnen gesagt, solche Vorgänge sind uns nicht bekannt. Wenn Sie über einen anderen Informationsstand verfügen, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mir Ihre Quellen bzw. Ihre Erkenntnisse mitteilen könnten. Ich bin gern bereit, später darauf zurückzukommen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ich darf Ihnen als Beweis dafür, daß meine Frage berechtigt ist, eine Unterlage meines Gewährsmannes nachreichen.
Dafür wäre ich dankbar.
Ich rufe die Frage 74 des Herrn Abgeordneten Müller auf:
Trifft es zu, daß die Sowjetunion seit einigen Monaten keine Postsendungen, die aus den Westsektoren Berlins abgeschickt werden und mit Briefmarken der Deutschen Bundespost mit dem Aufdruck „Berlin" versehen sind, mehr befördert und die Sendungen, die einen Westberliner Absender tragen, regelmäßig ohne jeden Vermerk an die Berliner Post zurückschickt?
Herr Kollege, das trifft zu, aber bereits seit Ende 1968. Die Zahl der ursprünglich in West-Berlin eingelieferten, von der UdSSR zurückgesandten Sendungen ist allerdings in den letzten Monaten ständig zurückgegangen. Während im August 1971 noch 131 Rücksendungen festgestellt wurden, waren es im Monat Dezember 1971 nur noch 25. Ob dieser Rückgang auf eine Änderung in der sowjetischen Haltung zurückzuführen ist, kann zur Zeit noch nicht abschließend beurteilt werden.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, wenn nicht hier, dann im Ausschuß darüber zu berichten, was die Regierung auf diesem Gebiet tut oder getan hat, um diese Dinge zu klären?
Ja, Herr Kollege, ich bin gern bereit, im zuständigen Ausschuß Einzelheiten dieses Komplexes bekanntzugeben. Da es sich hier um ein internationales Problem handelt, das keine große öffentliche Erörterung verträgt, bitte ich um Verständnis, daß ich Ihnen dieses Angebot mache.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Riedl.
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9428 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Januar 1972
Herr Staatssekretär, indem ich Ihnen in dieser Einschränkung nicht ganz zustimmen kann, darf ich Sie fragen — —
Herr Kollege, nicht „Einschränkung nicht zustimmen", sondern fragen.
Darf ich Sie fragen, Herr Staatssekretär, ob die Bundesregierung beim Weltpostverein gegen 'dieses vertragswidrige Verhalten der Postverwaltung der Sowjetunion protestiert hat.
Herr Kollege, wir haben uns auf die verschiedensten Weisen mit dem Verhalten auseinandergesetzt. Die Frage, die Sie anschneiden, betrifft das, was ich schon in der ersten Antwort habe anklingen lassen. Ich bin auch gern bereit, über unsere Schritte in dieser Richtung vor dem Ausschuß die entsprechenden Informationen zu geben.
Ich rufe die Frage 75 des Abgeordneten Dr. Riedl auf :
Welche jährlichen Einsparungen hat die Deutsche Bundespost seit Einführung der Postleitzahlen durch diese Rationalisierungsmaßnahme erzielt?
Herr Kollege, die Einsparungen an Personalkosten betragen auf der Kostenbasis von 1971 23,5 Millionen DM pro Jahr.
Zusatzfrage.
An sich hieß es in der Frage „seit Einführung der Postleitzahlen". Ich hatte angenommen, Herr Staatssekretär, daß Sie Angaben für den ganzen Zeitraum machen würden.
Noch eine Zusatzfrage dazu: Wie erklären Sie es sich, daß der Postkunde, der durch das Anbringen der Postleitzahlen auf weit über 95 % aller Briefsendungen einen ganz hervorragenden eigenen Anteil an diesen Einsparungen hat, dafür nicht nur nicht belohnt wird, sondern jetzt sogar eine Anhebung des Briefportos von 30 auf 40 Pf hinnehmen muß?
Herr Kollege, aus Ihrer früheren profunden Kenntnis des Post- und Fernmeldewesens sollte Ihnen bekannt sein, daß die Post ihrem Wesen nach eine Dienstleistungsverwaltung ist, daß die Personalkosten in den letzten Jahren erheblich gestiegen sind und daß sie teilweise bestimmte Rationalisierungserfolge auch überdecken können. Das ist sicher hier insgesamt gerechnet der Fall. Ich bitte auch um Verständnis, daß ich Ihnen hier nicht ein nach Jahren aufgeschlüsseltes Ergebnis gab. Ich nahme an, daß Sie auf einer Momentaufnahme dieser Einsparungen für ein bestimmtes Wirtschaftsjahr bestanden. Ich bin aber gern bereit, Ihnen die Auskunft über die verschiedenen anderen Jahre noch schriftlich nachzuliefern.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, kann man konsequenterweise davon ausgehen, daß das Briefporto, hätte der damalige Bundespostminister Richard Stücklen die Postleitzahlen nicht eingeführt, heute nicht 40, sondern 50 Pf betragen müßte?
Herr Kollege, hier handelt es sich nicht allein um das Verdienst eines Ministers — sicher hat auch er daran seinen Anteil —, sondern es handelt sich um eine Rationalisierungsmaßnahme, wie sie in allen ähnlichen Verwaltungen auf der ganzen Welt üblich ist. Diese Maßnahme hat hier zu einem bestimmten Ergebnis geführt. Die Post ist natürlich auch heute — bei veränderter politischer Leitung — verstärkt bemüht, hier weiter zu rationalisieren. Das wird sich auch entsprechend auf das Verhältnis zum Kunden auswirken können.
Herr Staatssekretär, ich "danke Ihnen. Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen beantwortet.Die Fragen 90 und 91 aus dem Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes werden hier nicht behandelt. Der Fragesteller, Herr Dr. Schulze-Vorberg, hat um schriftliche Beantwortung gebeten. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft und Finanzen auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Hermsdorf zur Verfügung.Die Fragen 26 und 27 sind von dem Herrn Abgeordneten Schlaga zurückgezogen worden.Die Frage 28 des Herrn Abgeordneten Offergeld wird wegen Abwesenheit schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.Ich rufe die Frage 29 des Herrn Abgeordneten Vogt auf:Wie hoch war in den Jahren 1970 und 1971 der Vermögensverlust ggf. der Substanzverlust der Geldvermögen aufgeteilt nach den Anlageformen: Sparen auf Konten mit gesetzlicher Kündigungsfrist, Termin- und Spargelder mit längeren Kündigungs- bzw. Festlegungsfristen, Lebensversicherungssparen und Sparen in festverzinslichen Wertpapieren auf Grund der Geldentwertung ausgedrückt im Anstieg der Lebenshaltungskosten, und Sparen auf Bausparkonten, auf Grund der Geldentwertung ausgedrückt in der Preissteigerungsrate für den Wohnungsbau, und in welcher Relation stehen diese Vermögensverluste bzw. Substanzverluste zu den finanziellen Aufwendungen der öffentlichen Hand zum Zwecke der Sparförderung?Herr Staatssekretär!
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Januar 1972 9429
Herr Kollege Vogt, die Bundesregierung hat auf mehrere Anfragen der Opposition wiederholt dargelegt, daß sie es nicht für sinnvoll hält, hypothetische Berechnungen zur Frage nach den Substanzverlusten bei den Geldvermögen vorzunehmen. Die Errechnung von fiktiven Wertverlusten, noch dazu für willkürlich gewählte Zeiträume, führt zu Ergebnissen, die der Wirklichkeit nicht entsprechen. Die Bundesregierung hat mehrfach betont, daß die Sparer bei längerfristigen Sparanlagen keine Substanzverluste zu beklagen, sondern beachtliche Realerträge zu verzeichnen haben. Aussagen und Schätzungen zu den einzelnen Anlageformen sind unangebracht, weil die wechselnden sozialen Verhältnisse der Sparer und die damit wechselnde Bereitschaft, sich für bestimmte Anlagemöglichkeiten zu entscheiden, nicht einkalkuliert werden können. Solche mehr als angreifbaren Zahlen können sich negativ auf die Sparbereitschaft der Bevölkerung auswirken. Sie können darüber hinaus zu massiertem Nachfragedruck in bestimmten Bereichen führen und damit bereits vorhandene Preissteigerungstendenzen noch verstärken. Die Stabilitätsbemühungen von Bundesregierung und Bundesbank würden erschwert, wenn auf Grund solcher Schätzungen unsere traditionell hohe Sparquote beeinträchtigt würde.
Die finanziellen Aufwendungen der öffentlichen Hand für die Sparförderung und die Vermögensbildung betragen für das Jahr 1970 6,5 Milliarden DM.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, muß ich Ihrer Antwort entnehmen, daß die Sparer nach Meinung der Bundesregierung auf Grund der Inflationsrate 1970/71 überhaupt keine Vermögens- oder Substanzverluste erlitten haben?
Dies habe ich in so präziser Form nicht gesagt.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wenn Sie es ablehnen, die Vermögens- bzw. Substanzverluste der Sparer an Hand der in meiner Frage angegebenen Kriterien zu beziffern, muß ich Sie fragen: Nach welchen Preisindizes würden Sie solche Vermögensverluste berechnen?
Man darf eben nicht nur von den Preisindizes ausgehen. Man muß das Ganze vielmehr unter den Gesichtspunkten der unterschiedlichen Einlagemöglichkeiten, der unterschiedlichen Termine der Einlagemöglichkeiten und der unterschiedlichen
Zinssätze sehen. Man muß weiter sehen, daß neben der Spareinlage auch noch andere Sparmöglichkeiten gegeben sind.
Herr Vogt, wir haben diese Frage — wenn ich mich recht erinnere, kurz vor Weihnachten — hier bereits einmal in aller Ausführlichkeit diskutiert. Der Standpunkt der Bundesregierung in dieser Frage hat sich nicht geändert. Ich habe Ihnen auch gesagt, daß es fast unmöglich ist, das, was Sie von mir verlangen, exakt zu berechnen. Das ist beim besten Willen nicht zu machen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Müller.
Herr Staatssekretär, warum beziffert die Bundesregierung nicht auch die Vermögensverluste der Sparer, da ihr doch die Höhe der Einlagen auf Konten mit gesetzlicher Kündigungsfrist und die Steigerungsrate der Lebenshaltungskosten bekannt sind?
Ich bitte um Entschuldigung, dies habe ich nicht verstanden. Vielleicht können Sie die Frage wiederholen. Sie haben sich jetzt doch nur auf die längerfristigen Einlagen bezogen.
— Ich finde, daß es eben nicht in Ordnung ist, nur Konten mit gesetzlicher Kündigungsfrist zu nehmen. Die Spareinlagen liegen ja nicht nur auf Konten mit gesetzlicher Kündigungsfrist. Gerade für Spareinlagen mit gesetzlicher Kündigungsfrist kann sich der Zinssatz praktisch innerhalb von vier Wochen oder in noch kürzeren Abständen laufend ändern, so daß wir darüber überhaupt keine Zahlen im Raum haben. Es ist nicht möglich, sich hier hypothetisch auf irgend etwas einzulassen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Breidbach.
Herr Staatssekretär, in der von Ihnen angesprochenen Aussprache zu diesem Punkt vor Weihnachten haben Sie ebenfalls erklärt, — —
Herr Kollege Breidbach, Sie haben nach der Geschäftsordnung das Recht, eine Zusatzfrage zur Hauptfrage zu stellen. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie von diesem Recht Gebrauch machten.
Herr Staatssekretär, darf ich dann Ihrer ersten Antwort an Herrn Kollegen Vogt entnehmen, daß Sie die Zusage, die Sie mir vor Weihnachten gegeben haben, daß Ihnen unter Umständen eine Detailbetrachtung auf Grund von Berechnungen im Bundeswirtschaftsministerium über die Vermögensverluste durch die Inflationsrate möglich wäre, nicht mehr einhalten können?
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9430 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Januar 1972
Auch das würde ich nicht sagen, Herr Breidbach. Wir führen ja gerade miteinander einen Schriftwechsel auch über diesen Punkt. Wir werden uns bemühen, aber ich kann bis zur Stunde hier keine exakte Aussage machen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Gatzen.
Herr Staatssekretär, darf ich aus der Antwort, die Sie auf die Frage des Herrn Kollegen Müller gegeben haben, entnehmen, daß auch in Ihrem Hause die Auffassung vertreten wird, daß die Sparer, die auf Konten mit gesetzlicher Kündigungsfrist sparen, in der Tat nicht nur Zins-, sondern auch Substanzverluste erlitten haben?
Dies ist eine Interpretation von Ihnen, der ich widersprechen möchte.
Ich rufe die Frage 30 des Herrn Abgeordneten Vogt auf:
Muß der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. Arbeitsprogramm der Bundesregierung zu den inneren Reformen in der 6. Legislaturperiode „die durchschnittliche Verzinsung der Spareinlagen mit gesetzlicher Kündigungsfrist, die vielfach mehr unter Liquiditäts- als unter Renditegesichtspunkten angelegt werden, liegt seit kurzem etwas unter der Steigerungsrate der Lebenshaltungskosten" entnommen werden, daß die Bundesregierung der Meinung ist, solche Spareinlagen – sie machen immerhin etwa 60 °/o des Bestands an Geldvermögen aus — hätten nur Anspruch auf Verzinsung in Höhe des Anstiegs der Kosten der Lebenshaltung?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Die Antwort heißt: Nein, das kann der Antwort nicht entnommen werden. Die Bundesregierung hat darin lediglich festgestellt, daß seinerzeit — und auch heute — die Zinsen für Spareinlagen mit gesetzlicher Kündigungsfrist etwas unter dem Anstieg der Lebenshaltungskosten liegen.
Wenn noch immer ein großer Teil der Sparer diese kurzfristige Anlageform als einzige Sparmöglichkeit sieht, so beruht das vor allem auf der zeitlich nur begrenzten Festlegung der Spareinlagen, die durchschnittlich nur etwa 18 bis 20 Monate gehalten werden. Für Spareinlagen mit gesetzlicher Kündigungsfrist verkürzt sich diese Frist noch weiter.
Im übrigen ist das Kreditgewerbe nach wie vor aufgefordert, den Sparer zu einer Verbesserung der Verzinsung seiner Ersparnisse anzuregen und ihn in noch stärkerem Maße auf die längerfristigen Anlagemöglichkeiten hinzuweisen. Damit wird ein wertvoller Beitrag zur Erhöhung der realen Verzinsung der privaten Ersparnisse geleistet. Geeignete längerfristige Anlagemöglichkeiten werden heute in reicher Zahl angeboten. Ich möchte davon hier nur den Bundesschatzbrief sowie ihm ähnliche Sparschuldverschreibungen der Kreditinstitute nennen. Sie erbringen eine Rendite, die die gegenwärtige Steigerungsrate der Lebenshaltungskosten deutlich übersteigt.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Vogt.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie bejaht haben, daß die Sparer, die auf Konten mit gesetzlicher Kündigungsfrist sparen, Anspruch auf reale Verzinsung ihrer Spareinlagen haben, darf ich Sie fragen, ob Sie mit mir darin übereinstimmen, daß die Sparer im Jahre 1971 diesen Anspruch wegen der inflationären Entwicklung nicht realisieren konnten.
Ich stimme mit Ihnen nicht überein.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wann ist nach Ihrer Ansicht damit zu rechnen, daß der Anstieg der Lebenshaltungskosten unter die Höhe des Zinssatzes für Spareinlagen mit gesetzlicher Kündigungsfrist fallen wird?
Sie kennen die Bemühungen der Bundesregierung zur Wiedererlangung der Stabilität. Wir haben hier dem Hause eine ganze Reihe von Maßnahmen vorgeschlagen. Sie selbst haben sich diesen Maßnahmen nicht anschließen können. Wir sind der Auffassung, daß die Maßnahmen der Bundesregierung Erfolg haben, wenn wir zu einer sichtbaren Stabilität kommen. Darauf würde ich mich zeitlich nicht festlegen wollen. Auf alle Fälle zeigt sich aber heute bereits, daß die Stabilitätsbemühungen der Bundesregierung Erfolg haben.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Breidbach.
Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden, daß Sie gerade ausgeführt haben, bei einer Preissteigerungsrate von etwa 5,8 % und bei einer Realverzinsung im Schnitt von 4 3/4 % sei bei den kurzfristigen Spareinlagen ein Substanzverlust nicht entstanden?
Sie haben mich richtig verstanden.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wagner .
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Januar 1972 9431
Da die Frage des Kollegen Vogt, ob die Sparer mit Konten mit gesetzlicher Kündigungsfrist im vergangenen Jahr ihren Anspruch auf eine reale Verzinsung verwirklichen konnten, von Ihnen bejaht wurde, möchte ich Sie doch fragen, wie das geschehen ist, nachdem eine Differenz von 1 1/2% zwischen dem Anstieg der Lebenshaltungskosten und der Verzinsung von Einlagen auf diesen Konten zuungunsten der Sparer verzeichnet werden muß.
Sie stellen eine Frage, die nicht mehr im Zusammenhang mit der behandelten Hauptfrage steht. Wir behandeln jetzt die Frage 30. Sie beziehen sich aber auf die vorhergehende Frage.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Erpenbeck.
Herr Staatssekretär, ich hatte mich schon zu der Frage 29 gemeldet, aber meine Frage steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Frage 30. - Da es sich bei dem Bausparen um ein langfristiges Zwecksparen handelt und gerade auf diesem Sektor in der letzten Zeit die Preissteigerungen enorm hoch waren, möchte ich Sie fragen: hat die Bundesregierung oder Ihr Haus Überlegungen angestellt, wie hier der Vermögensverlust ausgeglichen werden soll?
Herr Kollege, ich habe vorhin in meiner Antwort darauf aufmerksam gemacht, welche Maßnahmen die Bundesregierung zur Wiedererlangung der Stabilität ergriffen hat. Im Augenblick sehe ich keine Möglichkeit für die Bundesregierung, darüber hinaus neue zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen, insbesondere deshalb nicht, weil wir jetzt dieses Ziel der Stabilität langsam erreichen und weil die Konjunkturlage inzwischen einen anderen Verlauf genommen hat, als er noch im Vorjahr zu beobachten war. Im übrigen ist es natürlich gut, wenn wir alle diese Fragen hier offen erneut diskutieren. Aber ich muß Ihnen sagen, daß sich der Standpunkt der Regierung, den ich in meiner Antwort vor Weihnachten dargelegt habe, bis heute nicht geändert hat.
Ich rufe die Frage 31 des Herrn Abgeordneten Dr. Jahn auf:
Hält die Bundesregierung es für möglich, den Warenverkehr mit der „DDR" als Bestandteil des innerdeutschen Handels für die Zukunft aufrechtzuerhalten?
Herr Dr. Jahn, die Bundesregierung sieht den Warenverkehr mit der DDR als Bestandteil des innerdeutschen Handels für die Zukunft als nicht gefährdet an. Die handelspolitische Stellung der DDR im Rahmen der EWG beruht auf dem Protokoll über den innerdeutschen Handel, das Bestandteil des EWG-Vertrages ist. Danach bleibt das System des innerdeutschen Handels von den Vorschriften des EWG-Vertrages unberührt. Die sich daraus ergebende besondere Stellung der DDR im Handelsverkehr mit der Bundesrepublik ist rechtlich eindeutig abgesichert und bislang weder von den Mitgliedstaaten noch von der Kommission in Frage gestellt worden.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Jahn.
Herr Staatssekretär, nach dem „Protokoll über den innerdeutschen Handel und den damit zusammenhängenden Fragen" wie das Deutschlandprotokoll genau heißt —, hat nicht nur die Bundesrepublik gewisse Rechte, sondern dieses Protokoll gestattet auch den anderen Mitgliedstaaten Maßnahmen zu ergreifen, um Schwierigkeiten zu verhindern, die ihnen aus dem Warenverkehr der Bundesrepublik mit der „DDR" erwachsen können. Von dieser Ermächtigung hat Frankreich im letzten Jahr Gebrauch gemacht. Es hat eine Vorschrift erlassen, nach der alle Einfuhren von ostdeutschen Waren aus der Bundesrepublik sowie aus anderen Mitgliedstaaten nach Frankreich lizienzpflichtig sind. Was ist das Ergebnis dieses französischen Vorgehens? Haben weitere Staaten davon Gebrauch gemacht?
Herr Kollege Dr. Jahn, ich sehe im Augenblick nicht ganz den unmittelbaren Sachzusammenhang mit der Hauptfrage, der in den Richtlinien für die Fragestunde gefordert wird. Ich muß es daher dem Herrn Staatssekretär überlassen, ob er jetzt diese Frage hier beantworten will.
Ich muß offen bekennen, daß ich im Augenblick überfordert bin. Selbstverständlich bin ich gern bereit, dem Kollegen Jahn eine schriftliche Antwort auf seine Frage zu geben.
Vielen Dank.
Das war der Grund für meine Einschränkung.Ich rufe die Frage 32 des Herrn Abgeordneten Dr. Jahn auf:Hat die Bundesregierung über den innerdeutschen Handel -der von den Mitgliedstaaten der EWG in immer stärkerem Umfang als vertrags- und systemwidrig kritisiert wird — Verhandlungen mit dem Rat und der Kommission geführt, um zu erreichen, daß im Zuge der weiteren politischen Aktionen Mitteldeutschland, das bisher als Teil einer deutschen Zollunion im Verein mit der Bundesrepublik Deutschland bewertet wurde, nicht Drittland, das heißt Ausland wird, und wenn ja, mit welchem Erfolg?Bitte, Herr Staatssekretär!
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9432 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Januar 1972
Zur Frage 32 sage ich nein. Die Bundesregierung hat angesichts der rechtlich eindeutigen Absicherung ihres Handelsverkehrs mit der DDR keine Veranlassung zu derartigen Verhandlungen gesehen.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß die EWG-Partner zur Zeit bei ihren Verhandlungen und Diskussionen in den Kommissionen in Brüssel darüber sprechen, ,daß der Warenverkehr zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der „DDR" ein „Loch" im EWG-Gemeinschaftsraum sei, und werden Sie nun, nachdem ich Ihnen diese Mitteilung gemacht habe, alles tun, um diesen Eindruck, der sich laufend verstärkt, abzubauen?
Ich möchte sagen, daß wir selbstverständlich verpflichtet sind, alles zu unternehmen, um diesen Eindruck abzubauen.
Der Herr Abgeordnete van Delden hat darum gebeten, daß seine Fragen die Fragen 33 und 34 — schriftlich beantwortet werden. Die gleiche Bitte hat der Herr Abgeordnete Dr. Haack — Frage 35 — geäußert. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 36 des Herrn Abgeordneten Matthöfer auf:
Welche Ergebnisse hatte bisher die vom Bundesrechnungshof zur Vermeidung von Steuerausfällen und zur Verhinderung der Inanspruchnahme nicht gerechtfertigter Steuervorteile vorgeschlagene verstärkte und zeitnahe Überprüfung der sogenannten Abschreibungsgesellschaften, die in den letzten Jahren zur Finanzierung durch Sonderabschreibungen begünstigter Investitionen gegründet wurden?
Herr Staatssekretär!
Die Bundesregierung beobachtet die Tätigkeit der sogenannten Abschreibungsgesellschaften sehr sorgfältig. Um der ungerechtfertigten Inanspruchnahme von Steuervergünstigungen durch diese Unternehmen und ihre Gesellschafter entgegenzuwirken, hat der Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen die obersten Finanzbehörden der Länder im vergangenen Jahr gebeten, Abschreibungsgesellschaften verstärkt und zeitnah prüfen zu lassen. Die Bundesländer haben nach meiner Kenntnis ihren Finanzämtern entsprechende Anweisungen erteilt. Mit den Betriebsprüfungsreferenten der Länder ist ein Erfahrungsaustausch über die bei diesen Prüfungen gemachten Feststellungen eingeleitet. Zahlenmäßige Anschreibungen über die Prüfungsergebnisse werden nicht geführt, da sie mit erheblichem Verwaltungsaufwand verbunden sind und die gegenwärtige Personallage der Finanzämter sehr angespannt ist.
Ich hitte auch zu bedenken, daß die steuerlichen Auswirkungen solcher Prüfungen im wesentlichen nicht bei den geprüften Gesellschaften selbst, sondern bei ihren Gesellschaftern eintreten.
Außerdem, Herr Kollege Matthöfer, hatten Sie noch gefragt, warum wir erst etwas getan hätten, nachdem uns der Rechnungshof auf diese Dinge aufmerksam gemacht habe. Ich meine, daß der Rechnungshof geradezu ein Instrument ist, um uns auf solche Dinge aufmerksam zu machen, falls man sie nicht vorher schon bemerkt hat.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Matthöfer.
Glauben Sie, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, daß die Finanzbehörden personalmäßig ausreichend ausgestattet sind, um diese zeitnahe und gründliche Prüfung durchführen zu können?
Herr Kollege Matthöfer, ich habe bereits gesagt, daß die personelle Anspannung der Finanzämter außerordentlich stark ist. Wir haben aber auf Grund der Tatsache, daß wir durch Anzeigen und anderes mehr aufmerksam geworden sind, den Versuch gemacht, hier schärfer zu prüfen, als das im Normalfall geschehen würde.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Wäre es vielleicht zweckmäßig, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, bei den Prüfungen der Anträge zum Lohnsteuerjahresausgleich großzügiger zu verfahren und sich auf diese größeren Brocken zu konzentrieren?
Ich weiß, daß das ein spezieller Wunsch von Ihnen ist. Ich kann aber Ihre Frage nicht mit einem eindeutigen Ja beantworten.
Herr Staatssekretär, damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft und Finanzen beantwortet. Ich danke Ihnen.Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Städtebau und Wohnungswesen auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Ravens zur Verfügung. Die erste Frage — Frage 76 — hat der Herr Abgeordnete Baier eingebracht:Ist dein Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen bekannt, daß sich bei der Deutschen Bau- und Bodenbank für Maßnahmen der Vor- und Zwischenfinanzierung aus Bundesmitteln im Jahre 1970 das reduzierte Kreditvolumen insoweit besonders nachteilig auswirkte, als die Bank einer erhöhten Nachfrage nach Förderungsmitteln für Eigentumsmaßnahmen trotz des Einsatzes eigener Mittel nicht voll entsprechen konnte und gegenüber dem Vorjahr 800 Objekte infolge Mittelknappheit weniger gefördert werden konnten?Herr Staatssekretär!
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Januar 1972 9433
Herr Kollege, das Kreditvolumen der Deutschen Bau- und Bodenbank AG für Vor- und Zwischenfinanzierungszwecke nach § 21 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes war im Jahre 1970 nicht geringer als im Vorjahr. Der Gesamtbetrag der zur Verfügung gestellten Mittel konnte vielmehr um 4 Millionen DM auf 132 Millionen DM erhöht werden. Die angegebene geringere Förderungszahl - trotz der höheren Mittel — erklärte sich aus der Tatsache, daß höhere Bereitstellungen im Einzelfall erforderlich waren.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Baier.
Herr Staatssekretär, das räumt natürlich den Tatbestand nicht aus, daß die Nachfrage sehr groß ist. Darf ich Sie fragen, ob die Bundesregierung angesichts dieses Tatbestands bereit ist, zu prüfen, ob der Deutschen Bau- und Bodenbank nicht angesichts der immer wieder proklamierten Notwendigkeit der Förderung des Eigentumswohnungsbaues mit verstärkten Mitteln die Möglichkeit gegeben werden kann, die Vor- und Zwischenfinanzierungsmaßnahmen, die für Bauwillige eine wertvolle Hilfe sind, möglichst in vollem Umfang durchzuführen.
Herr Kollege, Sie wissen aus den Beratungen im Haushaltsausschuß, dessen Mitglied Sie sind, daß die rechtlichen Voraussetzungen für eine Erhöhung um 20 Millionen DM durch die Änderung des § 21 des Wohnungsbauänderungsgesetzes 1971 geschaffen und daß im Haushaltsgesetz 1972 die entsprechenden Konsequenzen daraus gezogen worden sind. Ob sich allerdings Bodensatzmittel — und um die handelt es sich in diesem Fall ja — in vollem Umfang des neu geschaffenen Rahmens bilden werden, läßt sich zur Zeit noch nicht übersehen.
Keine weitere Zusatzfrage.
Dann rufe ich die Frage 77 des Herrn Abgeordneten Dr. Gatzen auf:
Wie hoch sind die Mittel, die die Bundesregierung his 1975 in ihrer Finanzplanung für die Förderung des echten sozialen Wohnungsbaus eingesetzt hat?
Herr Staatssekretär!
Herr Kollege, die Bundesregierung hat den Finanzplan des Bundes von 1971 bis 1975 dem Hohen Hause Anfang Oktober 1971 als Drucksache VI/2651 zugeleitet. Sie hat im Abschnitt II Ziffer 9 auf der Seite 9 zu den Mittelbereitstellungen im Bereich Städtebau und Wohnungswesen Stellung genommen. Die dort genannten, auf den Wohnungsbau entfallenden Beträge sind in der Tabelle 3 — Ausgabenbedarf nach Aufgabenbereichen — unter der
Position 5.10 auf Seite 66 — Förderung des Wohnungsbaues — näher erläutert. Ich darf im einzelnen hierauf verweisen.
Trotzdem darf ich Ihnen die Zahlen zu Ihrer Unterrichtung noch einmal vorlesen. Für 1971 ergibt sich ein Soll von 1147 Millionen DM, für 1972 ein Soll von 1497,7 Millionen DM, für 1973 ein Soll von 1530 Millionen DM, für 1974 ein Soll von 1430 Millionen DM und für 1975 ein Soll von 1480 Millionen DM. Der Rückgang in den beiden Jahren 1973 und 1974 ist im wesentlichen auf das Auslaufen der Zinszuschüsse des Zweiten Konjunkturprogramms von dem die letzte Teilrate 1973 zu zahlen ist, zurückzuführen. Im übrigen steigt das Volumen des langfristigen Programms in dem betreffenden Jahr um etwa 60 Millionen DM.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, wie werden sich nach den Berechnungen ihres Hauses im Jahre 1975 Kostenmiete einerseits und Sozialmiete andererseits zueinander verhalten?
Herr Kollege, das ist heute nicht zu berechnen. Das hängt einmal ab von den Entwicklungen der Baupreise; es hängt zweitens davon ab, ob es gelingt, neue Technologien und ein höheres Maß an Industrialisierung in die Bauwirtschaft hineinzubringen; und es wird drittens abhängig sein nicht nur von den Bewilligungen des Bundestages und der Bereitstellung der Mittel der Bundesregierung, sondern in hohem Maße — das wissen Sie — auch von den Bereitstellungen der Bundesländer, mit denen wir ja den sozialen Wohnungsbau gemeinsam finanzieren.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie dann ungefähr sagen, auch bezogen auf das Jahr 1975, welche Haushaltsmittel es erfordert, um die Miete global um 1 DM zu senken?
Herr Kollege, wir senken im Augenblick die Miete in Zusammenarbeit mit den Ländern in unterschiedlichen Höhen. Hierbei besteht die Schwierigkeit für eine einheitliche Aussage darin, daß es keinen einheitlichen Förderungssatz und kein einheitliches Förderungssystem in der Bundesrepublik gibt, sondern das Förderungssystem in jedem Lande anders ist. Eine Berechnung ist einfach deswegen unmöglich, weil Sie die Frage differenziert zu prüfen haben, wie eine Senkung über Aufwendungsdarlehen von welchem Zinssatz her , wie eine Senkung über Aufwendungszuschüsse — ebenfalls von welchem Zinssatz der Fremdmittel her — möglich ist oder welche Haushaltsmittel bereitgestellt werden
Parlamentarischer Staatssekretär Ravens
müssen, um mit zinsfreien Darlehen des Bundes und der Länder zu arbeiten. Das würde einer differenzierten Berechnung unterzogen werden müssen, ist aber für die zukünftige politische Entscheidung dieses Hauses wohl noch nicht von Bedeutung.
Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Meermann.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, da Sie vorhin die Haushaltszahlen genannt haben, möchte ich fragen: ist nicht für die wohnungspolitischen Aktivitäten des Bundes der jeweilige jährliche Bewilligungsrahmen aussagefähiger? Würden Sie bitte auch dazu noch einige Auskünfte geben!
Sie haben recht, Frau Kollegin. An dem auf das Auslaufen der Aufwendungsdarlehen aus dein Zweiten Konjunkturprogramm zurückzuführenden Rückgang der Haushaltszahlen 1973 wird deutlich, daß wir mit einem wenn Sie so wollen - „time lag" die Mittel haushaltsmäßig bereitstellen müssen, die für den Wohnungsbau gefordert werden.
Aussagekräftiger über die Fähigkeit unseres Hauses, den öffentlichen Wohnungsbau zu fördern, sind .die Bewilligungsrahmen, die ons jeweils eingeräumt wurden. Dazu darf ich Ihnen die Vergleichszahlen nennen. Wir haben - um das einmal deutlich zu machen — im Jahre 1966 für den öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau einen Bewilligungsrahmen von 501,1 Millionen DM, also knapp einer halben Milliarde DM. Der Bewilligungsrahmen des Jahres 1971 stieg durch das langfristige Wohnungsbauprogramm auf 2,811 Milliarden DM; infolge der konjunkturell notwendigen Streichungen und Kürzungen standen 2,02 Milliarden DM zur Verfügung. Der Bewilligungsrahmen für das Jahr 1972 ist im Haushalt für den öffentlich geförderten Wohnungsbau mit 3,009 Milliarden DM angegeben; das bedeutet eine Versechsfachung der öffentlichen Mittel seit 1966.
Ich rufe die Frage 78 des Herrn Abgeordneten Erpenbeck auf:
Trittt die Auflassung des Bonner Städtebauinstituts zu, daß ab 1972 jährlich etwa 15 000 Eigenheime und Eigentumswohnungen welliger gebaut werden können, wenn von diesem Zeitpunkt an die Aufbaudarlehen für den Wohnungsbau nicht mehr gewährt werden?
Herr Kollege, Ihre in der Frage zum Ausdruck kommenden Befürchtungen sind unbegründet, weil Aufbaudarlehen für den Wohnungsbau auch noch in den Jahren 1972 bis 1974 gewährt werden können. Ich darf hier verweisen auf die Beschlüsse des Hohen Hauses vom 10. Dezember 1971, die in der 158. Sitzung gefaßt worden sind Protokoll Seite 9091 A —, und die Beschlüsse des Bundesrates vom 17. Dezember 1971 entsprechend der Bundesratsdrucksache 719/71.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Erpenbeck.
Herr Staatssekretär, was hat die Bundesregierung bewogen, im 24. Lastenausgleichsänderungsgesetz eine Bereitstellung von Mitteln für Aufbaudarlehen über das Jahr 1971 hinaus zunächst nicht vorzusehen?
Das im 23. Lastenausgleichsänderungsgesetz vorgesehene Auslaufen der Mittelbereitstellung im Jahre 1971 ! Die 23. Novelle nahm eine Weiterführung dieser Maßnahme ausdrücklich aus. Darüber hat es lange Beratungen und Verhandlungen mit dem Lastenausgleichsfonds gegeben.
Sie wissen, Herr Kollege, daß aus vielen Bereichen — auch aus diesem Haus und aus Ihrer Fraktion — in der Vergangenheit an die Bundesregierung immer wieder die Aufforderung herangetragen worden ist, auf bestimmte Einnahmen für den Lastenausgleichsfonds zu verzichten. Die Lastenausgleichsbank sah sich im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens veranlaßt, der Bundesregierung mitzuteilen, daß unter der Voraussetzung, daß in diesem Hause unter Umständen durch Verzicht auf die Hereinnahme von Lastenausgleichsabgaben eine Kürzung der Einnahmen beschlossen würde, die Bereitstellung für weitere Jahre nicht gesichert werden könne. Weitere intensive Beratungen haben dann dazu geführt, daß wir diese 100 Millionen DM jährlich für die beiden nächsten Jahre zur Verfügung stellen können.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Erpenbeck.
Herr Staatssekretär, kann die Bundesregierung bestätigen, daß die im Jahre 1970 gegebenen Mittel für Aufbaudarlehen zu mehr als 80 % für Eigentumsmaßnahmen bei Familienheimen und Eigentumswohnungen verwendet worden sind und daß damit ein erheblicher Beitrag zur Eigentumsbildung geleistet worden ist?
Ich kann das bestätigen. Das wird auch in Zukunft so sein. Aus dem Vorschlag der Bundesregierung, in der 24. Novelle diese Mittel zunächst nicht wieder bereitzustellen, ist nicht zu schließen, daß die Bundesregierung der Schaffung von Eigentum für Heimatvertriebene nicht eine besondere Bedeutung beimißt.
Ich rufe die Frage 79 des Herrn Abgeordneten Erpenbeck auf:
Weiche Konsequenzen gedenkt die Bundesregierung daraus zu ziehen, daß nach Auffassung vor allem der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft die echte Kostenmiete im sozialen Wohnungsbau heute pro Quadratmeter monatlich zwischen 4,50 DM und 5,50 DM liegen müßte, während z. T. nur eine monatliche Kostenmiete von 3,50 DM im Bundesdurchschnitt anerkannt wird?
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode 163. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Januar 1972 9435
Herr Kollege, die Tatsache, daß die echte Kostenmiete der im sozialen Wohnungsbau geförderten Wohnungen im allgemeinen höher ist als die von der Bewilligungsstelle genehmigte Miete, ist wie folgt zu erklären:
1. Der Gesetzgeber selber hat im Jahre 1968 in § 8 b des Wohnungsbindungsgesetzes die Möglichkeit eines auf sechs Jahre befristeten Verzichts des Bauherrn auf den Ansatz laufender Aufwendungen in der Wirtschaftlichkeitsberechnung vorgesehen. Damit soll der Aufwand an öffentlichen Förderungsmitteln begrenzt und die Förderung einer möglichst großen Zahl von Sozialwohnungen erreicht werden.
2. Der pauschalierte Ansatz für Instandhaltungskosten in der Wirtschaftlichkeitsberechnung ist zuletzt Anfang 1968 an die Kostenentwicklung angepaßt worden. Inzwischen ist der Preisindex für die Instandhaltung von Mehrfamilienhäusern um rund 30 v. H. gestiegen. Die Ansätze der Berechnungsverordnung für die Instandhaltung sind somit nicht mehr kostendeckend. Der Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen hat bereits in der Länderministerkonferenz am 22. Oktober 1971 zugesagt, das Problem der Anpassung der Instandhaltungspauschale durch eine kleine Novelle zur Zweiten Berechnungsverordnung vorab zu lösen, sobald ein diesbezügliches Gutachten einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vorliegt. Dieses Gutachten ist vor kurzem eingegangen. Damit ist die Voraussetzung für eine baldige Vorlage und Verabschiedung der kleinen Novelle zur Zweiten Berechnungsverordnung gegeben. Dadurch wird dann eine Verbesserung der Kostensituation für die Bauträger im öffentlich geförderten Wohnungsbau eintreten.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Erpenbeck.
Herr Staatssekretär, können Sie schon in etwa einen Termin angeben, wann diese Novelle zur Berechnungsverordnung vorgelegt werden kann?
Herr Kollege, uns haben die Unterlagen in der Weihnachtspause erreicht. Sie wissen, daß es nach der Geschäftsordnung der Bundesregierung jetzt der Besprechung mit den beteiligten Ressorts und den beteiligten bzw. davon betroffenen Verbänden bedarf. Nichtsdestoweniger hoffen wir, daß wir im Frühjahr dieses Jahres, April bis Mai, diese Novelle, bei der es sich ja um eine Verordnung handelt, dem Bundesrat zuleiten können.
Eine Zusatzfrage, Frau Kollegin Meermann.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, teilen Sie die in der Frage des Herrn Kollegen Erpenbeck zum Ausdruck gekommene
Schätzung über den Aufwendungsverzicht der gemeinnützigen Wohnungsunternehmen, und hat das Städtebauministerium vielleicht eigene Berechnungen darüber angestellt?
Frau Kollegin, ich teile die von Herrn Kollegen Erpenbeck genannten Zahlen nicht. Sicherlich gibt es in Extremfällen, und zwar auf relativ teurem Grund und Boden, in besonders intensiv zu nutzenden oder besonders günstigen Lagen, relativ hohe Kostenmieten, bedingt durch großen Erschließungsaufwand oder hohe Bodenpreise. Wir gehen davon aus, daß der augenblickliche Aufwandsverzicht von den gemeinnützigen Wohnungsunternehmen oder von denen, die im Rahmen des öffentlich geförderten Wohnungsbaus bauen, im Durchschnitt etwa 50 Pf je Quadratmeter Wohnfläche und Monat ausmachen. Bei einer solchen Zahl ist der Gesetzgeber aber bei § 8 b des Wohnungsbindungsgesetzes von 1968 davon ausgegangen, daß der Entschuldungsgewinn im Rahmen des öffentlich geförderten Wohnungsbaus dem Eigentümer später in vollem Umfang zufließt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Erpenbeck.
Herr Staatssekretär, habe ich Sie recht verstanden, daß sich die von mir in meiner Frage genannten Zahlen nach Ihrer Auffassung auf Extremfälle beziehen? Können Sie nicht bestätigen, daß es inzwischen echte Kostenmieten im sozialen Wohnungsbau gibt, die noch weit über diesen von mir genannten Beträgen liegen?
Sicherlich, aber Herr Kollege, hier liegt es zum Teil auch im Risiko des Bauträgers. Er selber muß sich fragen, ob mit einem Aufwandsverzicht in den ersten Jahren bei einer besonders günstigen Lage und unter Berücksichtigung des Zuwachs- und des Entschuldungsgewinns für ihn langfristig nicht ein Aufwandsverzicht in den ersten Jahren zu vertreten ist. Sicherlich gibt es in Extremfällen höhere, aber die von Ihnen genannten Zahlen sind keine Durchschnittszahlen. Nach unseren Ergebnissen rechnen wir im Augenblick mit einem durchschnittlichen Aufwandsverzicht von 50 Pfennig per Quadratmeter, Monat und Wohnfläche, wobei ja auch die von Ihnen genannte Zahl von 3,50 DM nur ein gegriffener Durchschnitt ist. Sie wissen, daß wir von 2,80 DM bis 4,20 DM genehmigte Kostenmieten im öffentlich geförderten Wohnungsbau je nach Land und Art der Finanzierung haben. Von daher helfen uns beiden also Durchschnittssätze nicht sehr viel weiter. Aber wir können nicht davon ausgehen, daß die durchschnittliche Kostenmiete im sozialen Wohnungsbau für die Wohnungswirtschaft bei 4,40/5,50 DM liegen wird, zumal ich noch einmal daran erinnern möchte, daß der Gesetzgeber aus wohlerwogenen Gründen für die ersten sechs Jahre einen Aufwandsverzicht bei den Wohnungsbauträgern erwartet.
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9436 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Januar 1972
Ich rufe die Frage 80 des Herrn Abgeordneten Balkenhol auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Bonner Städtebauinstituts, wonach zur Deckung des bis 1985 notwendigen Wohnungsbedarfs über 600 Milliarden DM erforderlich sind?
Herr Staatssekretär, bitte!
Herr Kollege, eine so viele Jahre umfassende Voraussetzung des Finanzierungsbedarfs für den Wohnungsbau erreicht zwangsläufig eine nur schwer vorstellbare Größenordnung. Da sich die Prognose des Bonner Städtebauinstituts, das, wie Sie wissen, von den privaten Bausparkassen getragen wird, in ihren Anstäzen auf eine Projektion des Bundesministeriums für Wirtschaft und Finanzen, und zwar auf die Projektion der Bauinvestitionen nach Bausparten bis 1985 stützt, besteht für die Bundesregierung keine Veranlassung, die Zahl von 600 Milliarden DM in Frage zu stellen. Aber um dieser Zahl ihren Schrecken zu nehmen, Herr Kollege Balkenholz, möchte ich daran erinnern, daß wir im Augenblick mit jährlichen Bauinvestitionen im Wohnungsbau von etwa 50 Milliarden DM rechnen. Wenn wir also von 1971 bis 1985 nur den augenblicklichen jährlichen Aufwand weiterrechnen würden, würden wir schon auf einen Betrag kommen, der über 700 Milliarden DM liegen würde. Hier ist also kein Grund zum Erschrecken.
Eine Zusatzfrage.
Wenn wir also unterstellen, daß eine jährliche Preissteigerung von mindestens 10 % im Wohnungsbau in den nächsten Jahren vorhanden sein wird, werden wir da nicht bis 1985 auf weit über 700 Milliarden kommen?
Herr Kollege, diese ganze Hochrederei von vorgegebenen Preissteigerungen gegenüber einzelnen Wirtschaftsbereichen vermag ich nicht mitzumachen. Ich denke, es muß eine der Aufgaben sowohl der Bauindustrie als auch der Politik sein, alles zu unternehmen, um — ich habe es zu einer vorherigen Frage schon einmal gesagt — durch einen hohen Einsatz von Technik, durch einen höheren Einsatz von neuen Technologien und durch Rationalisierung zu einer vernünftigen Stabilisierung in diesem Bereich zu kommen und gleichzeitig zu einer Ausweitung des möglichen Bauangebots zu gelangen. Das ist eine der Aufgaben, die sich uns gemeinsam stellt und die von vielen in der Bundesrepublik -- nicht nur von dieser Bundesregierung — zu leisten ist. Sie wissen, daß wir daran arbeiten.
Keine weitere Zusatzfrage?
Ich rufe Ihre Frage 81 auf, Herr Kollege Balkenhol:
Teilt die Bundesregierung die Ansicht des Bonner Städtebauinstituts, wonach die genannten 600 Milliarden DM nur aufgebracht werden können, „wenn der Strom privater Finanzierungsmittel in den Wohnungsbau nicht beeinträchtigt wird"?
Herr Staatssekretär!
Herr Kollege, die Bundesregierung ist der Auffassung, daß der Strom privater Finanzierungsmittel in den Wohnungsbau auch künftig weiter fließen wird. Dazu darf ich Ihnen vielleicht eine auch für Sie glaubwürdige Stelle zitieren. Die angesehene Zeitschrift „Der Langfristige Kredit" hat sich zu Ihrer Frage wie folgt geäußert:
Von den Belastungen, die die Steuerreform bringt, wird der Wohnungsbau am wenigsten betroffen, weil hier zwar die Höhe der Vorteile vermindert, dafür aber mindestens teilweise das geförderte Sparvolumen erhöht wird.
Ich habe dieser nach meiner Auffassung zutreffenden Beurteilung über die mutmaßliche Entwicklung nichts hinzuzufügen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, will denn die Bundesregierung nicht die steuerlichen Vergünstigungen für den Wohnungsbau, insbesondere die degressive Abschreibung, abbauen?
Herr Kollege, hier geht es gar nicht darum, was im einzelnen abgebaut oder korrigiert wird. Wenn in den Eckwerten bestimmte Bereiche im Rahmen der Sonderabschreibungen verändert werden, geschieht dies unter dem Gesichtspunkt der sozialen Gerechtigkeit. Diese Bundesregierung vermag nicht einzusehen, daß jemand mit einem Einkommen, das in eine Steuerklasse mit 53 % Steuerbelastung hineinwächst, aus der Möglichkeit der erhöhten Abschreibung für sein Wohngebäude durch die Steuerzahler einen Steuervorteil in Höhe der Hälfte seiner Abschreibungsmöglichkeiten erhält, während ein Einkommensbezieher mit einer Steuerbelastung von 20 % vom Finanzamt nur ein Fünftel erstattet bekommt. Hier geht es um ein Mehr an Gerechtigkeit. Die Bundesregierung bemüht sich andererseits, die Sparfähigkeit der Bezieher kleinerer Einkommen zu erhöhen. Ich darf hier an das 624-DM-Gesetz und an die Wirkungen im tarifvertraglichen Bereich erinnern. Von hier gehen zusätzliche Impulse auf die Sparfähigkeit und damit auch auf die Einnahmen der Bausparkassen aus. Ich glaube, hier liegen die Impulse an der richtigen Stelle, nämlich bei denen, die sonst, aus eigener Kraft, nicht in der Lage wären, Eigentum zu bilden.
Haben Sie eine weitere Zusatzfrage?
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Januar 1972 9437
Stoppen Sie aber nicht den Strom privater Finanzierungen, wenn Sie degressive Abschreibungen weiter abbauen?
Ich würde den Strom spekulativen Kapitals stoppen. Ich glaube, auf dem Wohnungsmarkt hat spekulatives Kapital eigentlich nichts zu suchen.
Damit, Herr Staatssekretär, sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Städtebau und Wohnungswesen beantwortet. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär, und rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. von Dohnanyi zur Verfügung.
Die erste Frage ist von dem Herrn Abgeordneten Varelmann eingereicht:
Steht es mit dem Gleichheitsgrundsatz der Bundesrepublik Deutschland in Einklang, daß in den finanzstarken Ländern mit hohem Pro-Kopf-Einkommen die Lernmittel unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden, dagegen in den finanzschwachen Ländern mit einem geringen Pro-Kopf-Einkommen diese Lernmittel bezahlt werden müssen?
Herr Staatssekretär!
Herr Kollege Varelmann, das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach festgestellt, daß die Verfassungsmäßigkeit eines Landesgesetzes grundsätzlich nicht schon deshalb in Zweifel gezogen werden könne, weil das Landesgesetz von verwandten Regelungen in anderen Bundesländern abweicht. Der Landesgesetzgeber ist mit Rücksicht auf die föderalistische Struktur der Bundesrepublik Deutschland nur gehalten, den Gleichheitsgrundsatz innerhalb des Geltungsbereichs der Landesverfassung zu wahren. In Abwägung dieser Grundsätze liegt die Gewährung von Lernmittelfreiheiten im Ermessensspielraum des Landesgesetzgebers.
Die Bundesregierung ist andererseits bemüht, eine möglichst einheitliche Entwicklung des Bildungswesens und der Bildungschancen in der Bundesrepublik herzustellen. Im Rahmen der der Bundesregierung gegebenen Zuständigkeiten, z. B. im Rahmen der gemeinsamen Bildungsplanung nach Art. 91 b des Grundgesetzes, unternimmt die Bundesregierung die entsprechenden Schritte.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Varelmann.
Herr Staatssekretär, verliert auf Grund der gegebenen Tatsachen insbesondere in den Grenzgebieten Niedersachsens nach Nordrhein-Westfalen, nach Bremen und nach Hamburg der Gleichheitsgrundsatz in der Bundesrepublik nicht an Vertrauen, wenn man dort feststellt, daß in den Nachbarländern eine Einkindfamilie mit einem sehr hohen Einkommen die Lernmittelfreiheit genießt, dagegen in Niedersachsen eine große kinderreiche Familie nicht?
Herr Kollege, die Bundesregierung hat diese Gefahr in der Entwicklung des Bildungswesens erkannt. Sie hat deswegen großen Wert auf eine gemeinsame Bildungsplanung mit den Ländern gelegt. Aber wie die Verfassungslage ist, ist die Bundesregierung nicht in der Lage, derartige Unterschiede von sich aus durch Gesetzgebung auszugleichen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist es nicht Aufgabe der Bundesregierung, intensiver darum bemüht zu sein, das finanzielle Gleichgewicht der Länder herzustellen, damit sie unbedingt den Aufgaben gerecht werden? Ist der Bundesregierung zusätzlich bekannt, daß die Landesregierung in Niedersachsen sich demnächst nicht mehr in der Lage sieht, zu den Fahrkosten der Schüler beizusteuern, und wird dadurch der Zustand nicht noch verschlimmert?
Herr Kollege, Sie wissen, daß die Bundesregierung jeden Versuch macht, hier für einen gerechten Ausgleich zu sorgen. Aber Ihnen ist auch bekannt, daß auch in dieser Beziehung den Möglichkeiten der Bundesregierng auf Grund der Verfassungslage Grenzen gezogen sind.
Ich rufe die Frage 83 des Herrn Abgeordneten Varelmann auf:
Ist die Bundesregierung bereit, in den Ländern, wo die Kostenfreiheit der Lernmittel nicht besteht, den Eltern für diesen Aufwand eine Steuervergünstigung zu bieten?
Herr Staatssekretär!
Ich kann Ihre Frage im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen wie folgt beantworten. Nach dem geltenden Steuerrecht sind die Aufwendungen für die Unterhaltung und Ausbildung der Kinder durch die Kinderfreibeträge pauschal abgegolten . Dabei wurde in Kauf genommen, daß diese Aufwendungen unter Umständen unterschiedlich hoch sein können, weil eine weitergehende Differenzierung nicht möglich erscheint.
Eine Zusatzfrage.
Besteht diese Steuerfreiheit nicht in allen Ländern, und sind damit die Bürger in den Ländern, in denen keine Kostenfreiheit für Lernmittel besteht, nicht auch steuerrechtlich gegenüber den Bürgern in anderen Ländern im Nachteil?
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9438 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. Januar 1972
Das Steuerrecht, Herr Kollege, ist in dieser Beziehung in den Ländern gleich. Die Möglichkeiten, auf Grund anderer Entscheidungen, z. B. Entscheidungen zur Lernmittelfreiheit, gewisse Vorteile zu haben, sind unterschiedlich. Dazu habe ich aber in meiner ersten Antwort bereits gesagt, welche Möglichkeiten die Bundesregierung hat und welche Grenzen ihr gezogen sind.
Sie stellen keine weitere Zusatzfrage mehr. — Herr Abgeordneter Hansen!
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, zusammen mit den Ländern Überlegungen anzustellen, wie man sozial schwachen Eltern mit Kindern im Vorschulalter helfen kann, vor dem Hintergrund, daß die Vorschulpädagogik für die Chancengleichheit aller einen immer höheren Stellenwert erhält und daß Lernmittel, d. h. in diesem Falle Lernspiele, sehr teuer sind und deshalb meistens nur von Begüterten angeschafft werden können?
Herr Kollege, die Bundesregierung hat in ihrem Beitrag zur Formulierung des Zwischenberichts zum Bildungsgesamtplan klargemacht, welche Bedeutung sie der Vorschule in sozialer Hinsicht gibt. Sie hat deswegen dafür gesorgt, daß ihr Vorschlag, Vorschulen in erster Linie dort zu schaffen, wo sozial benachteiligte Schichten wohnen, in den Zwischenbericht einbezogen wurde. Ich möchte auf diesen Zusammenhang hinweisen und damit klarmachen, daß die Bundesregierung natürlich bemüht sein wird, auch alles das zu tun, was notwendig ist, um die Nutzung der Vorschule den sozial benachteiligten Schichten zu ermöglichen.
Die Frau Abgeordnete Huber ist nicht im Saal. Ihre Fragen 84 und 85 werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Herr Abgeordneter Engelsberger hat um schriftliche Beantwortung seiner Frage 86 gebeten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Die Frage 87 des Herrn Abgeordneten Dr. Gatzen ist bereits vom Bundesminister des Innern beantwortet worden.
Herrn Abgeordneten Dr. Probst sehe ich nicht, so daß auch seine beiden Fragen 88 und 89 schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Meine Damen und Herren, aus dem Ablauf der Fragestunde bitte ich zu entnehmen, daß die Chancen der Fragesteller, daß ihre Fragen mündlich beantwortet werden können, erheblich gefördert worden sind. Ich hoffe, das trägt dazu bei, daß die Kollegen, die schon aus einer gewissen Verzweiflung wegbleiben, wieder Mut schöpfen.
Ich danke Ihnen und schließe die Fragestunde.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Freitag, den 21. Januar 1972, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.