Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die Tagesordnung ergänzt werden um die in der Ihnen vorliegenden Liste bezeichnete Vorlage. — Widerspruch erhebt sich nicht; das Haus ist damit einverstanden. Die Erweiterung der Tagesordnung ist damit beschlossen.
Der Abgeordnete Dr. Klaus-Peter Schulz hat dem Präsidenten mitgeteilt, daß er am 14. Oktober 1971 aus der Fraktion der SPD ausgeschieden ist.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung hat am 13. Oktober 1971 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Seiters, Gerlach, Dr. Ritz, Wolf, Franke , Erpenbeck, Ollesch und Genossen betr. Bombenabwurf
und Luftbodenschießplatz Nordhorn-Range - Drucksache VI/2637 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache VI/2699 verteilt.
Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat am 11. Oktober 1971 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Burger, Dr. Evers, Härzschel, Frau Schröder und Genossen betr. Vereinfachung und Einsparung beim Ärztlichen Dienst der Versorgungsverwaltungen — Drucksache VI/2348 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache VI 2704 verteilt.
Der Bundesminister der Justiz hat am 12. Oktober 1971 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. de With, Hirsch, Dr. Müller-Emmert, Frau Dr. Diemer-Nicolaus, Kleinert und der Fraktionen der SPD, FDP betr. Wirtschaftskriminalität — Drucksache VI/2626 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache VI/2703 verteilt.
Der Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen hat am 12. Oktober 1971 die Kleine Anfrage der Fraktion der CDU/ CSU betr. Neue Gefahren für den Wohnungsbau — Drucksache VI/2602 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache VI/2711 verteilt.
Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen hat am 12. Oktober 1971 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Strauß, Höcherl, Leicht, Dr. Althammer und der Fraktion der CDU/CSU betr. Finanzplanungsrat — Drucksache VI/2627 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache VI/2712 verteilt.
Ich rufe Punkt 24 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses über den Antrag des Bundesministers für Wirtschaft und Finanzen
betr. Übertragung der dem Bund bei Erhöhung des Grundkapitals der VEBA-AG zustehenden Bezugsrechte auf die Kreditanstalt für Wiederaufbau und ein Bankenkonsortium — Drucksachen VI/2535, zu VI/2535, VI/2633 —
Berichterstatter ist der Abgeordnete Bremer. Er hat das Wort. — Ist der Abgeordnete Bremer nicht im Saale? — Verzichtet das Haus auf den Bericht? — Dann können wir in die Aussprache eintreten.
Das Wort hat der Abgeordnete Vogt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen der Bundestagsfraktion der CDU/CSU darf ich erklären, daß meine Fraktion der Drucksache VI/2535 zustimmt, nach der der Bund die ihm bei einer Erhöhung des Grundkapitals der VEBA zustehenden Bezugsrechte je zur Hälfte auf die Kreditanstalt für Wiederaufbau und das Bankenkonsortium nach den in der Drucksache genannten Bedingungen überträgt. Das Verfahren jedoch, das die Bundesregierung in diesem Fall angewandt hat, und der Inhalt der Vorlage veranlassen die CDU/ CSU zu einigen kritischen Bemerkungen.Die Bundesregierung hat sich mit Fleiß bemüht, einen Haushalt für 1972 vorzulegen, der in seiner ausgewiesenen Steigerungsrate annähernd den konjunkturellen Erfordernissen genügt. Um dieses Ziel zu erreichen, hat sie Positionen, die aus Gründen der Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit eigentlich voll im Etat ausgewiesen werden müßten — wie etwa die 1 Milliarde DM, die den Gemeinden aus der geplanten Mineralölsteuererhöhung zufließen soll —, nicht im Haushalt aufgeführt. Dieses Verfahren, eine Politik „am Haushalt vorbei" zu treiben, setzt die Bundesregierung mit der Vorlage fort, die hier zur Beschlußfassung ansteht. Denn wie immer man die Übertragung der dem Bund bei einer Kapitalerhöhung der VEBA zustehenden Bezugsrechte auf die Kreditanstalt für Wiederaufbau und das Bankenkonsortium wertet — man kann sie etwa als Kreditaufnahme werten —, finanziell trifft sie den Bund, aber sie findet keinen Niederschlag im Haushalt. Dieser Politik am Haushalt vorbei muß die CDU/CSU widersprechen.Ein Zweites! Diese Regierung hat, wie sie selbst sagt, kein Geld, um die auf den Bund entfallenden neuen Aktien von nominell rund 83 Millionen DM aus der Kapitalerhöhung der VEBA zu übernehmen. Diese Regierung hat auch in ihrer mittelfristigen Finanzplanung keine Mittel für Kapitalerhöhungen bei den Unternehmen eingeplant, an denen der Bund beteiligt ist. Dabei weiß sie, daß der Kapitalbedarf dieser Unternehmen beachtlich ist und im Interesse der wirtschaftlichen Entwicklung dieser Unternehmen in absehbarer Zeit gedeckt werden muß.
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8162 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 142. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Oktober 1971
VogtIch muß daher die Bundesregierung fragen, wie sie eigentlich ihrer Verantwortung für diese Unternehmen künftig gerecht werden will. Offenbar ist die Bundesregierung zwar daran interessiert, ihre Beteiligungen an den Wirtschaftsunternehmen und damit ihren Einfluß auf sie aufrechtzuerhalten, aber die Pflicht eines Groß- bzw. eines Mehrheitsaktionärs, für eine gesunde Finanzstruktur dieser Unternehmen zu sorgen, scheint ihr lästig zu sein.Ein Weiteres! Diese Regierung redet davon, daß die Vermögensverteilung in der Bundesrepublik, insbesondere die Verteilung des produktiven Kapitals der Wirtschaft unbefriedigend, ja ungerecht sei und daß dieser Zustand geändert werden müsse. Aber welche Konsequenzen zieht sie praktisch aus dieser Forderung und zum anderen aus der Tatsache, daß sie keine Mittel für Kapitalerhöhungen zur Verfügung hat? Wie diese Vorlage der Bundesregierung zeigt, zieht sie daraus keine sachgerechte und politisch überzeugende Konsequenz. Sachgerecht und politisch überzeugend wäre es gewesen, wenn die Bundesregierung folgendes vorgeschlagen hätte. Erstens, der Bund verzichtet bei Kapitalerhöhungen bei Bundesunternehmen bis zu einer bestimmten Grenze auf sein Bezugsrecht, zweitens, die neuen Aktien werden der weiteren sozialen Privatisierung zugeführt.Hätte die Bundesregierung, meine Damen und Herren, diese Konsequenzen gezogen, hätte sie sich die Vorlage eines eigenen Gesetzentwurfes sparen können. Ein solcher Gesetzentwurf liegt nämlich diesem Hohen Hause in Gestalt des Entwurfs der CDU/CSU zur weiteren Privatisierung von Bundesunternehmen im Rahmen der Vermögensbildung — Drucksache VI/ 1434 — bereits seit dem 16. November 1970 vor. Die CDU hält an diesem Gesetzentwurf fest. Er sieht folgende Maßnahmen vor:Erstens. Auf dem Wege der Kapitalerhöhung sollen unter Ausschluß des Bezugsrechts des Bundes der Anteil des Bundes an der VEBA auf 26 % und der Anteil des Bundes an der VIAG auf 51 % gesenkt sowie die jungen Aktien nach den Grundsätzen der sozialen Privatisierung vor allem unteren und mittleren Einkommensgruppen angeboten werden. Zweitens. Es soll eine Aktiengesellschaft für Bundesbeteiligungen errichtet werden, in die alle Bundesbeteiligungen eingebracht werden. Aufgabe dieser AG für Bundesbeteiligungen soll es nach dem Vorschlag der CDU/CSU sein, das industrielle Bundesvermögen zu konsolidieren, um es einer späteren Privatisierung zugänglich zu machen.Warum, meine Damen und Herren, ist die Bundesregierung im Falle der Kapitalerhöhung der VEBA nicht diesen Weg gegangen, den ihr die CDU/ CSU vorgezeichnet hat? Warum trennt sie sich nicht in angemessener Form von den Bundesbeteiligungen? Denkt sie etwa noch immer daran, alle diese Beteiligungen in einem Konzern zusammenzufassen? Ist sie überhaupt daran interessiert, die Politik der sozialen Privatisierung fortzuführen?Nun, die Bundesregierung wird auf diese Fragen antworten, sie werde über die Neuordnung des Bundesbesitzes an Wirtschaftsunternehmen erst dann entscheiden, wenn das in Auftrag gegebene Gutachten vorliegt. Die CDU/CSU hat im Interesse einer sachlichen Erörterung der Probleme bereits erklärt, daß ihr Gesetzentwurf erst nach Vorlage dieses Gutachtens beraten werden soll. Wir warten deshalb auf dieses Gutachten, und wir erwarten, daß dieses Gutachten nicht als Vorwand dafür benutzt wird, die Beratungen unseres Gesetzentwurfes zu blockieren. Wir werden sofort nach Vorlage dieses Gutachtens die Beratung unseres Gesetzentwurfes fordern.Meine Damen und Herren, die Bundestagsfraktion der CDU/CSU stellt also fest: Erstens. Die Bundesregierung hat im Zusammenhang mit ihrem Antrag, die bei der Erhöhung des Grundkapitals der VEBA dem Bund zustehenden Bezugsrechte auf die Kreditanstalt für Wiederaufbau und das Bankenkonsortium zu übertragen, gegen die Grundsätze der Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit verstoßen. Zweitens. Die Bundesregierung hat keine Konzeption darüber, wie die Beteiligung des Bundes an Wirtschaftsunternehmen neu geordnet und die Politik der sozialen Privatisierung fortgeführt werden soll.Das muß die CDU bedauern, und sie kritisiert deshalb auch, daß die Bundesregierung angesichts der Kapitalerhöhung bei der VEBA nur eine unbefriedigende Zwischenlösung vorgeschlagen hat. Wenn meine Fraktion dennoch der Vorlage auf Drucksache VI/2535 zustimmt, dann nur deshalb, weil die Kapitalerhöhung im dringenden Interesse der VEBA, der Beschäftigten dieses Unternehmens und der Kleinaktionäre liegt.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Grobecker.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktion der Sozialdemokraten begrüßt es, daß sich die Opposition dazu entschlossen hat, diesem Antrag zuzustimmen, wenngleich wir auch über die Begründung, die Sie hier zum Verfahren gegeben haben, einigermaßen verwundert sind. Immerhin können wir darauf verweisen, daß haargenau das gleiche Verfahren 1968 bei der VIAG, Herr Vogt, Ihre Zustimmung gefunden hat, ohne daß Sie hier derlei Begründungen gegeben hätten. Immerhin, wir sind der Auffassung — das hatten wir in Ihrer Begründung schon vermutet —, daß wir einem Absinken des Bundesanteils bei den öffentlichen Betrieben, wie etwa die VEBA mit hohem Energieanteil, nicht zustimmen können. Sie hatten das ausdrücklich gesagt und dahin zielt Ihre Argumentation. Auch da befinden wir uns in sehr guter Gesellschaft, nämlich der Gesellschaft Ihres Herrn Burgbacher, der 1965 bei der Teilprivatisierung der VEBA ausdrücklich darauf hingewiesen hat, daß bei Gesellschaften wie der VEBA, die im Energiesektor tätig sind, der Bund seinen Mehrheitsanteil behalten muß.Im übrigen wird mit diesem Verfahren, das hier von der Bundesregierung vorgeschlagen wird, nichts
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Grobeckervorweggenommen, etwa einer Neuregelung des Bundesvermögens insgesamt. Wir lassen dort alles offen.Zu Ihren haushaltsrechtlichen Einwendungen darf ich sagen, daß sie insofern völlig überflüssig sind, als es sich hierbei um ein Verfahren handelt, das nach der Bundeshaushaltsordnung ausdrücklich möglich ist, weil es einen Stundungscharakter hat. Immerhin werden wir möglicherweise darüber debattieren müssen, wenn das Gutachten der Bundesregierung zur Neuordnung des Bundesvermögens vorliegt. Wir können uns dann hier und in den Ausschüssen wieder treffen. Ich wollte nur ausdrücklich darauf hinweisen, daß dieses Verfahren nicht anfechtbar ist, und zwar nicht nur deshalb, weil wir es 1968 zusammen und auf Ihre Initiative hin schon einmal praktiziert haben, sondern weil wir der Auffassung sind, daß es nach der Bundeshaushaltsordnung möglich ist, so zu verfahren.1m übrigen wissen wir, wie der Haushalt 1972 aussieht, und es wäre dann schon notwendig, daß Sie sagen, wo wir die 166 Millionen DM, die notwendig wären, um die Bezugsrechte auszuüben, wegnehmen sollen. Es wird nichts verbaut. Der Kreditanstalt für Wiederaufbau und dem Bankenkonsortium werden bestimmte Auflagen gemacht, so daß z. B. das Stimmrecht des Bundes damit nicht verloren geht.Wir stellen fest, daß Sie dieser Vorlage zustimmen. Insofern sind wir Ihnen nicht gram.
Das Wort hat der Abgeordnete Kirst.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann mich noch kürzer fassen als der Kollege Grobecker. Auch ich bin darüber erfreut, daß nach der kontroversen Diskussion und der kontroversen Abstimmung im Haushaltsausschuß heute hier in der Entscheidung Übereinstimmung besteht. Wir stimmen diesem Antrag ebenfalls zu. Es handelt sich dabei um eine rein pragmatische Lösung, die vertretbar ist, die gegen keine Vorschriften verstößt und die nichts präjudiziert, wie auch der Hinweis auf das Abwarten des bekannten Gutachtens beweist.
Meine Damen und Herren, wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich komme zur Abstimmung. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Auch keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen!
Ich rufe Punkt 25 der Tagesordnung auf:
a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Opiumgesetzes
— Drucksache VI/ 1877 —
— Drucksachen VI/2673, zu VI/2673
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Meinecke , Abgeordnete Frau Dr. Henze
b) Zweite Beratung des von den Abgeordneten Dr. Althammer und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung des Rauschgifthandels
— Drucksache VI/1414 —
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit — Drucksachen VI/2673, zu VI/2673 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Meinecke
, Abgeordnete Frau Dr. Henze
Ich danke den Berichterstattern und rufe in zweiter Beratung Artikel 1 des Gesetzes mit dem Umdruck 226 t) der Fraktion der CDU/CSU auf. Wer wünscht das Wort? — Frau Abgeordnete Dr. Henze, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte den Antrag der CDU/CSU-Fraktion auf Umdruck 226 begründen. Erlauben Sie mir, daß ich zur Begründung dieses Antrages etwas weiter aushole. Von Monat zu Monat, von Tag zu Tag häufen sich die alarmierenden Nachrichten über die Zunahme des Drogenkonsums, des Rauschmittelmißbrauchs, der Rauschmittelkriminalität und der Brutalität der Drogenszene. Aus kürzlich veröffentlichten Nachrichten und Berichten geht hervor, daß sich die Rauschgiftkriminalität in der Bundesrepublik im Zeitraum von 1966 bis 1970 um 2784,8 % erhöht hat, wobei die Dunkelziffer noch gar nicht berücksichtigt ist.
Meine Damen und Herren, im Hinblick auf die Bedeutung des Themas möchte ich Sie doch bitten, Ruhe zu bewahren und Privatgespräche, wie sie rechts und links geführt werden, nach außerhalb des Saales zu verlegen.
Gleichzeitig erhöhte sich die Zahl der Einbrüche in Apotheken, um an das begehrte Rauschgift zu gelangen, von 31 im Jahre 1968 auf 820 im Jahre 1970. Dem Bericht der hessischen Landesregierung zufolge hat der Rauschmittelkonsum bereits die Mehrzahl der Schüler an den Oberstufen der Gymnasien und der beruflichen Schulen erfaßt. Danach haben 50 % mehrmals*) Siehe Anlage 2
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Frau Dr. HenzeRauschmittel gebraucht, 30 % nehmen sie regelmäßig bis häufig, 20 % sind unmittelbar gefährdet, abhängig zu werden, und 5 % schließlich sind bereits rauschmittelabhängig.Gab es vor Jahresfrist noch Stimmen, die Rauschmittel wie Haschisch verharmlosten, so ist inzwischen wohl eindeutig erkannt, wie gefährlich auch die sogenannten weichen Drogen sind. Es muß aber gesagt werden, daß sich verharmlosende Darstellungen, wie sie z. B. in dem Haschisch-Report von Rudolf Walter Leonhardt sowie in seiner Artikelserie in der „Zeit" enthalten waren, verheerend auswirkten. Nicht selten berufen sich noch heute Jugendliche auf den Haschisch-Report von Leonhardt, wenn ihnen die Gefährlichkeit der Rauschmittel vor Augen geführt werden soll. In der letzten Nummer von „konkret" setzt sich der Chefredakteur, Röhl, in nicht zu überbietender Deutlichkeit von den früheren Äußerungen ab, daß Hasch nicht gefährlicher sei als Alkohol oder Nikotin. Hasch macht unfähig zur Änderung der Gesellschaft. Röhl fordert zum organisierten Kampf der linken Jugendorganisationen gegen den kriminellen Rauschgifthandel auf.Die verheerenden Auswirkungen des Drogenmißbrauchs werden erst allmählich erkennbar. Fest steht, daß die Zahl der Frühinvaliden steigt. Ob die Zahl von 60 000 Frühinvaliden stimmt, ist umstritten. Es ist wahrscheinlicher, daß es zur Zeit erst 20 000 sind, die nicht mehr in der Lage sind, eine Berufsausbildung zu beenden oder ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.Auf die Allgemeinheit kommen ungeheure Kosten zu. Die „Frankfurter Rundschau" hat ausgerechnet, daß für die Heilung eines Süchtigen 100 000 DM nötig seien. Das Leid, das über Eltern und Familien kommt, wenn ein Kind drogenabhängig wird, ist unermeßlich. Diesen Eltern ist nicht mit unserem öffentlich bekundeten Mitleid geholfen. Es fragt sich, ob der Staat nicht mitverantwortlich wird, wenn er durch mangelnde Maßnahmen dem Drogenmißbrauch nicht wirkungsvoller entgegentritt.Mit Hochdruck haben wir in den zuständigen Ausschüssen das heute in zweiter und dritter Lesung zu beratende Opiumgesetz behandelt. Die beteiligten Ausschüsse haben die Beratungen mit größter Konzentration und Energie durchgeführt. Der vorliegende Bericht ist in kürzester Zeit ausgearbeitet worden. Es ist sicher nicht erstrebenswert, daß ein Bericht ohne Vorliegen der wichtigen Protokolle des Rechtsausschusses und des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit angefertigt wird. Wir haben das aber getan, weil wir auf jeden Fall sicherstellen wollten, daß die Verabschiedung des vorliegenden Gesetzes nicht noch weiter hinausgeschoben wird.Das vorliegende Gesetz ist in einigen wesentlichen Punkten neugefaßt. Ich möchte mich in meiner Begründung auf das Kernstück des Gesetzes beschränken, nämlich auf § 10, in dem die Straftatbestände geregelt sind. Hieran entzündete sich auch die Diskussion im Ausschuß, aber auch in der Öffentlichkeit.Das Gesetz sieht härtere Strafen für Rauschgifthändler vor. Frau Minister Strobel sprach auf dem Apothekertag in Berlin davon, daß Sinn der Novelle in erster Linie ist — wörtlich —,die Strafbestimmungen des Opiumgesetzes nachdrücklich zu verschärfen. Der gewissenlose, ja, verbrecherische illegale Handel mit Rauschgiften muß entsprechend den sozialen, körperlichen und geistigen Schäden, die er verursacht, hart bestraft werden können.Tatsächlich spielen sich auf dem Drogenmarkt immer erschreckendere und brutalere Szenen ab. Rauschgifthändler haben sich wie Spionageringe organisiert. Sie arbeiten international zusammen. In Frankfurt ist nach Angabe der Polizei jeder zweite „Dealer" bewaffnet. Darstellungen z. B. der Illustrierten „stern" in dieser Woche schildern in dramatischer Weise, was sich an den Drogenumschlagplätzen der Bundesrepublik abspielt. Die Rauschgifthändler sind in höchstem Maße sozialschädlich. Sie versuchen zur Zeit offensichtlich, den Markt für harte Drogen in der Bundesrepublik zu erschließen. Das geht so weit, daß an junge Menschen Rauschmittel, auch Heroin, billig oder gratis abgegeben werden, um sie abhängig zu machen. Es sollen auch Erpressungen vorkommen. Die „FAZ" berichtet, daß dem Bundeskriminalamt in Wiesbaden Fälle bekannt seien, wo skrupellose „Dealer" junge Leute gewaltsam „fixten".Was sieht das Gesetz nun an Strafe für illegale Rauschgifthändler vor? In § 10 Abs. 4 wird für besonders schwere Fälle Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren angedroht. Die Höchststrafe ist also von drei Jahren auf zehn Jahre hinaufgesetzt. Die Mindeststrafe aber beträgt nach wie vor ein Jahr. Dabei handelt es sich abweichend vom Regierungsentwurf bei den im folgenden aufgeführten schweren Fällen nur um Regelfälle. Der Richter kann also mit dem Strafmaß auch unter einem Jahr bleiben.Außerdem ist die Strafpraxis, daß Strafen bis zu zwei Jahren im Normalfall zur Bewährung ausgesetzt werden. Wer die richterliche Spruchpraxis kennt, weiß, daß sich das verhängte Strafmaß meist nach der Mindeststrafe richtet. Die Höchststrafe wird äußerst selten verhängt. Daß diese Strafandrohung eine Abschreckung für Rauschgifthändler bedeutet, möchte ich bezweifeln. Zeitungsüberschriften wie „Rosa Zeiten für Rauschgifthändler" unterstreichen dies.Wenn das angedrohte Strafmaß wirklich abschrekken soll, muß die Mindeststrafe drei Jahre betragen. Deshalb stellt die CDU/CSU-Fraktion den Antrag, den § 10 Abs. 4 entsprechend zu ändern. Man komme nicht mit dem Beispiel, daß dann harmlose Touristen, die aus dem Orient in ihrem Auto versteckt Haschisch als Souvenir einschmuggeln wollten, mit mindestens drei Jahren bestraft werden müßten. Schmuggel mit Rauschgiften ist keine harmlose Sache. Das sollte jeder wissen. Außerdem hat in einem solchen Fall der Richter Ermessensspielraum genug, um eine angemessene Strafe zu verhängen.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 142. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Oktober 1971 8165
Frau Dr. HenzeMit dem zur Verabschiedung anstehenden Gesetz zur Änderung des Betäubungsmittelgesetzes ist das Problem des anwachsenden Rauschmittelmißbrauchs nicht gelöst. Es ist eine Entwicklung im Gange, die große Teile unserer Jugend zu ruinieren droht und deren vielfältige Konsequenzen uns erst allmählich bewußt werden. Noch ist die Drogenszene in Europa nicht mit der in den USA vergleichbar, wo die Zahl der Heroin-Toten allein in New York mit jährlich 9000 bis 12 000 angegeben wird. Wenn auch eine Dramatisierung der Situation nicht angebracht ist, so sind doch alle Kräfte von Staat und Gesellschaft zu mobilisieren, um dem Drogenmißbrauch ein Ende zu setzen.Eines aber können wir hier und heute tun, nämlich die Rauschgifthändler mit harten Strafen zu bedrohen.
Das liegt im Interesse der gefährdeten Kinder und Jugendlichen und deren Eltern. Sie wollen wir schützen. Deshalb bitte ich das Hohe Haus, dem Antrag meiner Fraktion zuzustimmen und die Mindeststrafe in § 10 Abs. 4 auf drei Jahre festzusetzen.
Der Änderungsantrag Umdruck 226 ist begründet. Wird das Wort zur Aussprache gewünscht? — Bitte sehr, Herr Abgeordneter Dr. Meinecke.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte als Berichterstatter kurz zu dem Antrag Umdruck 226 Stellung nehmen. Die CDU/CSU-Fraktion will, wie Sie vernommen haben und wie soeben begründet wurde, in § 10 Abs. 4, der die Tatbestände der besonders schweren Fälle charakterisiert, die Mindeststrafe von einem Jahr auf drei Jahre erhöhen.
Erstens. In der Begründung wurde gesagt, daß die Gerichte im allgemeinen auf die Mindeststrafe schielen und versuchen, mit dieser auszukommen, und daß die Höchststrafe nicht relevant sei. Meine Damen und Herren, das ist eine Legende, die wir nicht gelten lassen können. Der Gesetzgeber hat sehr deutlich gesagt, welche Tatbestände er meint und daß er für diese die Höchststrafe von drei Jahren drastisch auf zehn Jahre erhöht haben will. Hiernach wird sich die Rechtsprechung richten müssen.
Zweitens. Es ist ferner eine Legende, wenn behauptet wird, im Ausland werde mit wesentlich schärferen Strafen operiert. Wir haben in den Ausschußberatungen eine Synopse vorgelegt bekommen. Nach dieser Synopse stimmt diese Behauptung nur vereinzelt. Der Beweis aber, daß in solchen Industrienationen, die mit wesentlich höherem Strafmaß operieren, eine Eindämmung erfolgt ist und ein Abschreckungseffekt erzeugt wurde, ist bisher leider nicht erbracht.
Wir Sozialdemokraten möchten zwei Gesichtspunkte in die Diskussion bringen. Wonach richten
wir uns bei der Beurteilung des Strafmaßes? Einmal natürlich berücksichtigen wir die Schwere der Tat und ihre Bedeutung für die verletzte Rechtsordnung. Mit der Fixierung der Höchststrafe auf zehn Jahre haben wir hier eben die Verwerflichkeit des strafwürdigen Verhaltens herausgestellt. Auf der anderen Seite müssen wir aber grundsätzlich auch den Grad der persönlichen Schuld eines Täters berücksichtigen. Gerade in der Erkenntnis aber, daß die individuelle Verwertbarkeit einer Tatbestandsverwirklichung bei drogenabhängigen Dealern gering ist und darum auch eine Freiheitsstrafe von nur einem Jahr manchmal angemessen sein kann, obwohl der Tatbestand eines besonders schweren Falles vorliegt, sind wir der Meinung, daß die Spanne von einem Jahr bis zu zehn Jahren den Gerichten die notwendige Möglichkeit gibt, jeden Fall individuell zu beurteilen. Und darauf kommt es an.
Frau Kollegin Dr. Henze, es gibt kein Gesetz in der Bundesrepublik, das bei einer Höchststrafe von zehn Jahren von einem Mindeststrafmaß von drei Jahren ausgeht. Dann hätten Sie konsequenterweise die Höchststrafe auf fünfzehn Jahre heraufsetzen müssen, vergleichbar den Delikten der Kindestötung, der Aussetzung mit Todesfolge, der Körperverletzung mit Todesfolge. Wir sind ausgegangen vom Straftatbestand der schweren Körperverletzung. Bei der schweren Körperverletzung aber reicht der Strafrahmen ebenfalls von einem Jahr bis zu zehn Jahren.
Ich bitte Sie daher, diesem Antrag der CDU die Zustimmung zu verweigern.
Das Wort hat der Abgeordnete Spitzmüller.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich persönlich und viele meiner Freunde haben für den Antrag der CDU durchaus Verständnis. Wir haben das im Ausschuß ja auch zum Ausdruck gebracht. Nur, meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU, ist es doch so, daß die gesamten Straftatbestände im Strafrechtssonderausschuß einmal überprüft werden müssen, und es wäre ein Vorgriff, wenn wir hier den neuen Strafrahmen von drei bis zehn Jahren einführten.Ich darf noch auf folgendes hinweisen. Kein Mensch denkt daran, den Rauschgifthandel oder den Besitz von Rauschgift zu verharmlosen. Wir Jugendpolitiker — wenn ich einmal so sagen darf — haben im Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit ja entgegen den Empfehlungen des Rechtsausschusses das Mindestalter für den Fall eines schweren Verstoßes bereits herabgesetzt, so daß bereits der 19- oder 20jährige Schüler, der seinem Mitschüler unter 18 Jahren ein solches Rauschgift gibt, bereits den Tatbestand der besonders schweren Handlung erfüllt, auch wenn er keinen Gewinn hat. In diesem Fall aber wäre doch eine Mindeststrafe von drei Jahren Gefängnis schon außerordentlich hoch und unverantwortlich.
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SpitzmüllerUnd ein Weiteres: Ein schwerer Fall ist nach § 10 Abs. 1 Nr. 6 bereits dann gegeben, wenn jemand Betäubungsmittel, die in § 9 genannt sind, besitzt, ohne daß das Gesundheitsamt eine Ausnahme zugelassen hat. Wenn ein solcher Fall aber mit drei Jahren Mindeststrafe bedroht wird, kann das den Richter in große Schwierigkeiten bringen.Meine Damen und Herren, lassen Sie mich auf ein Beispiel hinweisen, das die Kollegen, die diesem Haus länger angehören, sicherlich noch in Erinnerung haben. Es gab einmal eine kleine Gruppe von drei Menschen, die sehr erbost über den Bau der Mauer waren. Sie haben mit gutem Willen, aber mit falschen Mitteln einen Dynamitanschlag auf die Mauer unternommen. Nach dem damals geltenden Recht hätten sie mit dem Mindeststrafmaß von fünf Jahren Zuchthaus bestraft werden müssen. Wir alle in diesem Haus waren der Meinung, daß das individuell nicht zu verantworten und zu vertreten ist. Wir alle waren dann gezwungen, das Gesetz zu ändern, weil wir einsehen mußten, daß das Mindeststrafmaß einfach zu hoch angesetzt war.Ich bin überzeugt, daß im Laufe der nächsten Jahre schwere Fälle auf den Tisch der Richter kommen, die dann bei uns im Parlament als Petitionen landen würden und bei denen wir sagen müßten: wir haben mit dem Strafmaß von mindestens drei Jahren zu hoch gegriffen.
Herr Abgeordneter Spitzmüller, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Arndt?
Bitte schön!
Herr Kollege Spitzmüller, wären Sie bereit, den Kollegen der CDU/ CSU zu bestätigen, daß nach jahrzehntelanger Gerichtserfahrung so hoch angesetzte Mindeststrafen bei den Gerichten in der Praxis dazu führen, daß die Richter alle Hebel in Bewegung setzen, um nicht zu einem schweren Fall zu kommen, daß im Ergebnis also genau das Umgekehrte von dem herauskommt, was die Kollegen der CDU/CSU mit ihrem Antrag wollen?
Ich nehme das gern zur Kenntnis, Herr Kollege Arndt. Da ich nicht Jurist bin, ist das auch für mich eine sehr wichtige Mitteilung, die ich gern im Protokoll des Parlaments vermerkt weiß.
Wir Freien Demokraten sind der Meinung, daß das gesamte System der Strafrahmen im Strafrechtssonderausschuß einmal neu überdacht werden muß. Als wir den Gesetzentwurf im Ausschuß beschlossen, haben wir nicht alles übernommen, was der Rechtsausschuß empfohlen hat. Nach unserer Meinung reicht eine Mindeststrafe von einem Jahr, wie sie vorgesehen ist, aus, um den Taten individuell Rechnung tragen zu können. In einem besonders schweren Fall können dann fünf, sieben, acht oder zehn Jahre verhängt werden. Aber in dem schweren Fall, der einer besonderen individuellen Würdigung bedarf, wird dem Richter auch die Möglichkeit gegeben, unter drei Jahre, d. h. auf ein, anderthalb oder zwei Jahre zu gehen. Damit ist keine Verharmlosung verbunden, meine Damen und Herren, sondern damit wollen wir nur einen Strafrahmen schaffen, der dem Richter den erforderlichen Spielraum gibt, einerseits den Rauschgifthandel mit harten Strafen zu bekämpfen, andererseits aber in einem individuell gesondert gelagerten Fall nicht gleich mit der vollen Härte des Staates eingreifen zu müssen, die der Antrag der CDU/CSU beinhaltet.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Pinger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ohne die Mindeststrafe von drei Jahren würde das eigentliche Ziel des neuen Gesetzes verfehlt. Der Zweck dieses Gesetzes muß es sein, ein scharfes Mittel gegen den Rauschgifthandel zu schaffen. Ein Gesetz als Mittel der Abschreckung ist sicher nicht in allen Lebensbereichen gleich wirksam. Wenn aber irgendwo die abschreckende Wirkung eines Strafgesetzes tatsächlich vorhanden ist, dann bei denen, die sich aus illegalen Geschäften bereichern wollen. Das kalkulierbare Risiko der Rauschgifthändler muß durch eine Mindeststrafe so heraufgesetzt werden, daß die Gewinnchance auf Kosten des Lebens und der Gesundheit vorwiegend Jugendlicher nicht mehr lohnend ist.
Meine Damen und Herren, ich will noch einmal klarstellen, daß es hier nicht um die Normalfälle des Verstoßes gegen das Rauschgiftgesetz, sondern um, wie es im Gesetz heißt, besonders schwere Fälle geht.
Das sind, wie schon gesagt, diejenigen Fälle, in denen Händler auf Kosten der Gesundheit und des Lebens vorwiegend Jugendlicher ihre Geschäfte mit der Sucht anderer betreiben. Wir sind der Meinung, daß in solchen Fällen die volle Härte des Gesetzes eingreifen muß. Wir sind der Meinung, daß es eine verfehlte liberale Einstellung wäre, wenn man hier großzügig sein wollte. Wir sind ferner der Auffassung, daß es im Hinblick auf das geschützte Rechtsgut eine außerordentlich schwere Tat ist, wenn ein Händler aus Gewinnsucht solche Geschäfte betreibt, und wir sind auch der Meinung, daß die persönliche Schuld des einzelnen in solchen Fällen nicht gering ist.Sie, von der SDP/FDP-Koalition sagen, im Einzelfall könnte die Schuld nicht so groß sein, daß eine so hohe Strafe gerechtfertigt wäre. Wir weisen aber darauf hin, daß es sich schließlich um eine Regelstrafe handelt und der Richter nicht mehr, wie in früheren Fällen, in Verlegenheit kommt, das Gesetz auch in diesem Fall anwenden zu müssen.Bei den Händlern, die wir treffen wollen, handelt es sich vorwiegend um internationale Händler. Wenn diese feststellen, daß die Strafvorschriften in
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Dr. Pingerder Bundesrepublik milder als im Ausland sind, laden wir sie geradezu ein, ihre Geschäfte in der Bundesrepublik zu tätigen.
Ich möchte dafür zwei Beispiele geben. Im Gesetz ist unter den besonders schweren Fällen die Einfuhr von Rauschgiften aufgeführt. Das französische Gesetz vom 31. Dezember des vergangenen Jahres sieht in diesem Fall vor — ich darf daraus zitieren —:Besteht die Zuwiderhandlung in der Einfuhr, der Herstellung oder der Ausfuhr der genannten Stoffe oder Pflanzen, erhöht sich die Freiheitsstrafe auf zehn bis zwanzig Jahre.Das heißt, das französische Gesetz fängt an bei 10 Jahren, wo unser Gesetz aufhört.
Ein zweites Beispiel. Wir haben in unserem Gesetzentwurf in § 10 Abs. 4 für besonders schwere Fälle eine erhöhte Strafe vorgesehen: Danach wird u. a. ein erwachsener Täter, der wiederholt Betäubungsmittel an Personen unter 18 Jahren abgibt, mit einer Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren bedroht. Nach unserem Antrag soll die Mindeststrafe hier auf drei Jahre Freiheitsstrafe heraufgesetzt werden. Nach dem französischen Gesetz ist es nicht erforderlich, daß einer wiederholt handelt oder daß es sich um Personen unter 18 bis zu 21 Jahren handelt, sondern im französischen Gesetz ist als Strafe angedroht -- ich zitiere wieder —:Wird der Gebrauch der genannten Stoffe oder Pflanzen einem Minderjährigen unter 21 Jahren ermöglicht, erhöht sich die Freiheitsstrafe auf fünf Jahre bis zu zehn Jahren.Das heißt, auch in diesem Fall ist die Strafandrohung mindestens fünf Jahre, und zwar nicht als Regelstrafe, sondern als zwingende Mindeststrafe.Wir sehen also, daß die internationalen Bestimmungen, und zwar vor allem die des Nachbarlandes Frankreich, noch schärfer sind als das, was wir vorschlagen. Wir meinen, daß man auf keinen Fall unter die drei Jahre als Regelstrafe heruntergehen darf.Es wurde hier soeben gesagt, es sei eine Legende, daß sich die Richter nicht an der Mindeststrafe orientierten. Dazu müssen wir feststellen, daß Richter erfahrungsgemäß tatsächlich bei der Festsetzung des Strafmaßes im ersten Drittel der angedrohten Strafen bleiben und die Mindeststrafe durchaus eine Marke ist, an der sich die Richter orientieren.Sie haben uns entgegengehalten, der Tatbestand der schweren Körperverletzung sei nach Ihrer Auffassung diejenige Form, an der man sich zu orientieren habe. Nun, es ist richtig: die schwere Körperverletzung wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bedroht. Aber dies ist ein Delikt, bei dem die schwere Folge fahrlässig verursacht worden sein kann.
Wenn aber Rauschgifthändler am Werk sind, handeln sie mit Vorsatz, jedenfalls mit bedingtem Vorsatz.
Wenn wir uns da schon orientieren wollen, müßten wir als Orientierungspunkt die Fälle nehmen, in denen einer den Tod eines Menschen vorsätzlich herbeiführt, also die Fälle des Totschlags. Es ist richtig, daß der Rauschgifthändler die Person, die er in die Gefahr des Todes bringt, nicht genau kennt. Aber den Tod nimmt er in Kauf; er handelt also vorsätzlich, so daß wir uns nicht nach dem Delikt, bei dem die Todesfolge fahrlässig herbeigeführt wird, richten dürfen, sondern daß wir uns nach den vorsätzlichen Tötungs- und Körperverletzungsdelikten richten müssen.
Gestatten Sie eine Frage des Herrn Abgeordneten Dürr? — Bitte!
Herr Kollege Pinger, sind Sie mit mir darüber einig, daß die letzten Sätze, die Sie gesagt haben, ein gutes Plädoyer für die wesentliche Erhöhung der Höchststrafe waren, die wir in den Ausschüssen gemeinsam beschlossen haben?
Herr Kollege, es ließe sich durchaus noch darüber diskutieren, ob die Höchststrafe nicht noch höher angesetzt werden müßte.
Nur: da wir schon Schwierigkeiten in diesem Hause haben, die Mindeststrafe durchzusetzen, sind wir allerdings der Meinung, daß wir dann in der Höchststrafe lieber etwas zurückstecken sollten,
und zwar wiederum im Hinblick darauf, daß die Mindeststrafe die Marke ist, an der sich der Richter im Zweifel orientiert.
Wir können nur noch einmal festhalten: wenn dieses Gesetz die Wirkung haben soll, die wir wollen — hier liegt der Schwerpunkt dieses Gesetzes —, müssen Sie unserem Antrag zustimmen. Wir bitten jedenfalls darum.
Meine Damen und Herren, wird weiter das Wort gewünscht? — Das Wort hat der Abgeordnete Kleinert.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Dürr hat es so kurz gemacht, wie es an sich mit Rücksicht auf die Substanz Ihres Antrages richtig wäre. Die Frage von Herrn Dürr bezeichnet nämlich ganz präzise den Kern der Sache. Herr Pinger hat hierzu etwas gesprochen, was in Ihrem Antrag überhaupt nicht steht.
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KleinertEs wäre durchaus konsequent und erwägenswert — wir wären die letzten, die sich solchen Erwägungen verschließen würden —, hier mit der Höchststrafe höher zu gehen. Aber ein rechtspolitisches und rechtssystematisches Problem, nämlich die überaus schwierige Frage, wie man die Mindeststrafe ansetzen und dann bei den katalogisierten besonders schweren Fällen darüber hinausgehen soll und ob man überhaupt diese besonders schweren Fälle katalogisieren soll, umzumünzen in eine demagogische Maßnahme, in einen Antrag, der nur draußen zeigen soll, daß Sie für law and order sind, und dann noch nicht einmal den Mut zu haben, das einzig Wirksame zu tun,
nämlich eine Erhöhung der Höchststrafe zu verlangen, das ist nicht in Ordnung.
Was denken Sie eigentlich von unseren Richtern? Wir haben übereinstimmend und, wie ich meine, aus sehr zutreffenden Erwägungen für dieses überaus schändliche Delikt eine Höchststrafe von zehn Jahren vorgesehen. Jeder Richter in dieser Bundesrepublik hat die Möglichkeit, eine zehnjährige Freiheitsstrafe gegen diejenigen zu verhängen, die den Tatbestand erfüllen. Woher nehmen Sie denn dieses enorme Mißtrauen, daß unsere Richter auf einmal geneigt wären, bei einer ohnehin gegebenen Mindeststrafe von einem Jahr hier wesentlich unter der Höchststrafe zu bleiben oder nicht mindestens die von Ihnen angesetzten drei Jahre Freiheitsstrafe zu verhängen, wenn es sich auch nur annähernd um den Grad von Verwerflichkeit handelt, den wir alle gemeinsam meinen? Ich meine, die Höchststrafe zu diskutieren wäre ein redliches Unternehmen. Aber ein rechtssystematisches Problem abzufälschen zu einer Maßnahme, mit der Sie sich denjenigen, die über diese Dinge nicht genug wissen, draußen empfehlen wollen, — das ist nicht gut, und das machen wir nicht mit.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Althammer.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der letzte Diskussionsbeitrag hat mich veranlaßt, hier noch einige Worte zu sagen.
Ich habe mich der Mühe unterzogen, diesen Gesetzesantrag der CDU/CSU auszuarbeiten. Wenn Sie, Herr Kollege, hier jetzt sagen, das sei nur ein Schaufensterantrag gegenüber draußen, dann möchte ich Ihnen sagen, daß ich in einem sehr langen und sorgfältigen Gespräch mit dem ehemaligen Präsidenten des Bundeskriminalamts, Herrn Dickopf, gerade diese Frage sehr genau besprochen habe.
Der frühere Präsident des Bundeskriminalamts, der selber Rauschgiftspezialist ist, hat mich beschworen, in den Gesetzesantrag diese Mindeststrafe für schwere Fälle aufzunehmen, weil überhaupt nur so eine wirksame Bekämpfung der Rauschgifthändler als der Täter im dunkeln möglich ist.
Ich möchte Ihnen noch eines sagen. Wir sollten uns in diesem Hause darüber einig sein, daß es dringend notwendig ist, dieses ganz schwere Problem anzupacken. Ich halte es nicht für sachdienlich, wenn Sie solche demagogischen Unterstellungen hier hereinbringen.
Herr Abgeordneter Dr. Althammer, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Dr. Diemer-Nicolaus?
Herr Kollege Althammer, haben Sie sich die einzelnen Fälle angesehen und festgestellt, was hier alles als besonders schwerer Fall qualifiziert ist? Und wäre Herr Dickopf — ich bezweifle das — damit einverstanden, daß ein 20jähriger, der einem 18jährigen eine Marihuanazigarette gibt, mit der von Ihnen beantragten Mindeststrafe, nämlich mit drei Jahren Freiheitsstrafe, bestraft wird?
Frau Kollegin, zum ersten: All diese Einzelfälle sind, so wie sie hier stehen, mit Herrn Präsident Dickopf abgesprochen.
Zum zweiten, Frau Kollegin: Wir sind doch beide .Juristen! Aber auch der Nichtjurist weiß, daß das Gericht erst einmal feststellen muß, daß ein besonders schwerer Fall vorliegt. Und das Beispiel, das Sie gebracht haben, ist doch weiß Gott kein besonders schwerer Fall!
Ich meine, wir sollten in diesen Dingen redlich miteinander umgehen. Weiter meine ich, wir alle in diesem Hohen Hause sollten uns gegenseitig unterstellen, daß wir mit unseren Anträgen im Sinne der Sache die bestmögliche Lösung wollen.
Herr Abgeordneter Dr. Althammer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Riedl?
Herr Kollege Althammer, sind Sie bereit, der Kollegin Frau Dr. Diemer-Nicolaus mitzuteilen, daß mit der Auffassung des Präsidenten Dickopf nicht nur die Präsidenten der Landeskriminalämter übereinstimmen, sondern auch der bei der SPD ja sehr wohl bekannte Münchener Polizeipräsident Dr. Schreiber?
Herr Kollege Riedl, ihr Beispiel zeigt wiederum, daß die Leute, die an
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Dr. Althammerder Front der Bekämpfung stehen, die Entwicklung mit großer Besorgnis sehen.
Das war ja der Sinn und der Hintergrund des Antrags: Diese Leute, die draußen mit den Dingen täglich zu tun haben, beschwören uns hier, ihnen das Instrument in die Hand zu geben, das eine wirksame Bekämpfung ermöglicht.
Wird des weiteren das Wort gewünscht? - Im Augenblick nicht.
Dann kommen wir zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU Umdruck 226. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Danke sehr! Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Meine Damen und Herren, wer dem Art. 1 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Ich rufe Art. 2, 3, 4, 5, Einleitung und Überschrift auf. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, wir kommen zur
dritten Beratung.
Das Wort hat der Abgeordnete Burger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Drogen und Rauschmittel dringen in der Bundesrepublik Deutschland vor. Dem muß durch Vorbeugung, durch Therapie, durch Rehabilitation und Durchsetzung der Rechtsordnung Einhalt geboten werden. Zur Durchsetzung der Rechtsordnung wird heute der Bundestag einen Schritt tun. Wir bedauern außerordentlich, daß unser Antrag auf Erhöhung der Mindeststrafe in schweren Fällen abgelehnt wurde. Hier hätten wir Gelegenheit gehabt, eine der Bedeutung der Delikte angemessene Marke zu setzen und deutlich zu machen, daß wir die verantwortungslosen Händler energisch bestrafen wollen.
Meine Damen und Herren, mit der Durchsetzung der Rechtsordnung allein ist es aber nicht getan. Es muß bei der Aufklärung über die Gesundheitsgefährdung und Sozialschädlichkeit des Drogenmißbrauchs und bei der Hilfe zur Befreiung aus der Abhängigkeit noch viel mehr getan werden. Unbestreitbar ist die Vorsorge das erste und Wichtigste, was zu geschehen hat. Aber Aufklärung und Beratung sind nur dann sinnvoll, wenn dabei der Ton angeschlagen wird, der bei der Jugend ankommt. Die Beratung muß schon bei den Eltern beginnen. Vordringliche Aufgabe wird es sein, sachlich und eindringlich darüber zu informieren, was sich auf diesem Gebiet tut. Dies darf nicht mit dem routinemäßig erhobenen Zeigefinger geschehen, sondern muß durch wohlfundierte Fakten und wissenschaftliche Erkenntnisse untermauert sein. Verhüten ist besser als Heilen. Daher mehr und bessere Aufklärung zur Verhütung der Drogenabhängigkeit!Oft wird gefragt: Warum nehmen die Menschen Drogen? Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten. Unsere Zeit zeigt ja ganz allgemein eine Suchttendenz. Man nimmt abends ein Beruhigungsmittel, um schlafen zu können, und morgens ein Aufputschmittel, um den Forderungen der Leistungsgesellschaft gewachsen zu sein. Viele Jugendliche experimentieren aus Neugier. Dazu kommt eine Auflehnung gegen die Elterngeneration. Der Drogenmißbrauch läßt sich auch nicht von der allgemeinen Gesellschaftspolitik trennen. Jugendliche, die mit der allgemeinen Lebensordnung nicht einverstanden sind, wollen die Verhältnisse ändern; sie wissen aber nicht, wie sie sie bessern können. Dabei kommt es zu verschiedenen Reaktionen. Ein Teil neigt zum militanten Aufstand, der andere resigniert.Es ist auch bekannt, daß bestimmte Umweltbedingungen die Suchtgefährdung begünstigen, so unglückliches Familienleben, Erziehungsfehler oder schwere körperliche Leiden. Gefährdet sind auch verhaltens- und lerngestörte Kinder. Wir fordern daher einen energischen und intensiven Ausbau der Erziehungsberatungsstellen, die insbesondere diesen lern- und verhaltensgestörten Kindern helfen sollen.Schließlich dürfte auch die Industrialisierung und Urbanisierung und die damit zusammenhängende Bindungslosigkeit des modernen Menschen sowohl in bezug auf höhere Werte als auch in bezug auf den Mitmenschen dieser verstärkten Flucht vor den Umweltanforderungen mittels Drogen entgegenkommen.Auf die Frage: „Was tun?", gibt es nur eine Antwort: Eltern, seid für die Kinder da, wenn sie euch brauchen, klärt sie auf, verhelft ihnen zu echten Erlebnissen, damit sie nicht von chemischen Erlebnissen verschlungen werden! In der Schule wird man die Aufklärung über Suchtgefahren in der Mittel- und Oberstufe energisch ansetzen müssen. Auch die Jugendverbände haben hier eine große Aufgabe. Der junge Mensch muß sich selbst gegen die Droge wehren können, und wir müssen ihm dazu verhelfen, sich zu wappnen.Meine Damen und Herren, eine beachtliche Rolle in der Zunahme des Rauschmittelmißbrauchs spielt der organisierte Protest gegen die Gesellschaft und die dazugehörige Ideologie. Kennzeichnend und typisch für die geistige Situation der „Grünen Revolution" ist das Preislied eines Hippies. Dort heißt es:Du mußt nicht lernen und studieren, du mußt nicht nach Wissen und Wahrheit suchen, du mußt nicht danach streben, deinen Weg zu finden, du mußt nicht versuchen, in der Welt Erfolg zu haben. Das alles sind nur Illusionen der Älteren, und du bist nach falschen Richtlinien erzogen worden. Alles, was du brauchst, ist, dich unserem Kreise anzuschließen, die Droge zu nehmen. Und schon wirst du die Wahrheit finden.
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BurgerDies, meine Damen und Herren, ist eine Aufforderung. Es wird den Jugendlichen eingehämmert, daß es progressiv und modern sei, zu haschen und high zu sein.Wie aber sieht die Wahrheit über die Droge aus? Die jungen Menschen, die ausziehen, die Gesellschaft zu verändern, um eine bessere Welt zu schaffen, die die sogenannten Repressionen der Gesellschaft mit drastischen Mitteln überwinden wollen, enden in einem entsetzlichen Irrweg und reißen viele mit. Wer nicht mitmachen will, wird „Mönch" oder „Nonne" genannt. Das Flippen, Fixen und Schießen wird mit Statussymbolen umgeben. Man läßt sich als Held feiern, der einer Gefahr kühn begegnet und damit Reife und Erfahrung beweist. Diese primitiven Funktionen, die sich auf diese Weise über Statussymbole abwickeln, sind etwa der Situation im Kindergarten vergleichbar, wo sich die Kleineren um den großen Sprecher scharen und sich eine Sensation erhoffen.Die Folgen, meine Damen und Herren, sind verheerend. Die Presse berichtet darüber. Aus jungen Menschen werden hohlwangige, ausgebrannte Irrlichter, die nie eine Revolution machen werden. 60 000 Jungrentner gibt es schon, die nach Meinung der Fachleute den Absprung kaum noch schaffen werden. Im nächsten Jahr werden es vielleicht schon 120 000 sein.Nun setzt der große Katzenjammer ein. Die stark zunehmende Zahl rauschgiftsüchtiger Jugendlicher hat auch und gerade jene aufgeschreckt, die glaubten, für die Droge werben zu müssen. Wie überschrieb doch Klaus Rainer Röhl in der Zeitschrift „konkret" seinen Artikel? Er schrieb: „Genossen, wir haben Scheiße gebaut." Mit Slogans zur Leistungsverweigerung und der Empfehlung zur Droge hatte man sich stark gemacht. Nun konstatiert Röhl: „Die Folgen sind verheerend. Die Sensibilität ist ausgeblieben, geblieben ist bewußtlose Besoffenheit."Das ist die Wahrheit über die Droge. Sie wollten sich von den Abhängigkeiten befreien und haben sich selbst mit der größten Abhängigkeit gefesselt.Noch schwerer als Aufklärung und Vorsorge sind die Anstrengungen zur Heilung, zur Rehabilitation und zur Integration. Niemand darf sich auf die traditionellen Entziehungskuren verlassen. Trotz beachtlicher Bemühungen soll die Rückfallquote bei 98 % liegen. Die als geheilt Entlassenen kehren regelmäßig in die bekannte Gruppe zurück. Die nach ärztlicher Behandlung und klinischer Entwöhnung Entlassenen bedürfen einer intensiven nachgehenden Fürsorge. Die Suchtbekämpfung verlangt persönliches Engagement. Läßt man die stationär Behandelten im Stich, werden sie neue Infektionsherde. Geholfen werden kann also nicht allein durch apersonale Hilfsmittel wie Medikamente und Kuren, sondern vor allem durch personale Hilfe, d. h. durch intensive, direkte Betreuung.Meine Damen und Herren, die CDU/CSU-Fraktion stimmt diesem Gesetz zu. Sie bedauert, daß ihr Antrag nicht durchkam. Sie stellt aber deutlich heraus, daß neben der harten Bestrafung der Händlervor allem die Beratung der Gefährdeten und die Behandlung der Abhängigen mit in den Vordergrund zu treten haben.
Meine Damen und Herren, es ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, den Ablauf der heutigen Tagesarbeit zu unterbrechen und eine traurige Pflicht zu erfüllen.
Heute nacht verstarb unser Kollege Will Rasner. Noch wissen wir die genaue Ursache seines Todes nicht. Aber wir wissen, daß eine heimtückische Krankheit ihn nach langem Leiden dahingerafft hat. Es entsprach dem Wesen unseres Kollegen Rasner, daß er diesem Leiden nicht nachgegeben hat, daß er sich ihm entgegengestemmt hat, daß er bis in die vorige Woche hinein seine Pflichten als Parlamentarischer Geschäftsführer erfüllt hat.Wir alle in diesem Hause können es bezeugen: er hat seine Pflicht getan. Parlamentarischer Geschäftsführer zu sein, das ist wahrlich kein leichtes Amt. Der Titel eines Parlamentarischen Geschäftsführers der CDU/CSU-Fraktion könnte zu der Annahme verleiten, er habe nur die Geschäfte dieser Fraktion besorgt. Dies hat er sicherlich auch und zur besonderen Zufriedenheit seiner Freunde getan. Aber noch bedeutsamer ist die Aufgabe des Parlamentarischen Geschäftsführers, die Geschäfte des ganzen Hauses gemeinsam zu besorgen. Gerade dies hat Will Rasner getan.Dabei zeichnete er sich vor allem durch eine Eigenschaft aus: mit derselben Entschiedenheit, mit der er sich des Standpunktes seiner Partei im Ältestenrat und bei anderen Gelegenheiten annahm, vertrat er die einmal getroffenen interfraktionellen Vereinbarungen vor seinen eigenen Parteifreunden. Vielleicht ist beides nicht immer die beste Methode, um sich im Augenblick beliebt zu machen. Aber auf die Dauer hat in diesem Hause nur der Abgeordnete ein Gewicht, dessen Wort nach allen Seiten und in allen Situationen stets den gleichen Wert und die gleiche Bedeutung hat.Will Rasner ist nicht alt geworden. Am 14. Juni 1920 wurde er in Spellen bei Wesel geboren. Nach seinem Abitur 1939 wurde er für sechs .Jahre Soldat. 1945 wurde er Journalist, schon ein Jahr später, im April 1946, stellvertretender Chefredakteur des „Flensburger Tageblattes". Seit 1953 gehörte er als Abgeordneter diesem Haus an. Wie kaum sonst jemand hat er sich um den Arbeitsstil dieses Hauses bemüht.Es gibt viele, die Fragen der Geschäftsordnung, des inneren Arbeitsablaufs des parlamentarischen Alltags für rein formale Fragen halten, für Fragen, die eigentlich politisch irrelevant seien. Sie vergessen dabei, daß dieser formale Rahmen überhaupt erst den Ablauf der materiellen Auseinandersetzung ermöglicht, sie vergessen, daß bei allen Meinungsverschiedenheiten in der Sache das nicht umstrittene Fundament der Prozedur ein unverzichtbarer Bestandteil der parlamentarischen Demokratie ist.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 142. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Oktober 1971 8171
Vizepräsident Dr. JaegerAuch darum, daß dieses Fundament in seinem Kern unangefochten bleibt, hat sich Will Rasner redlich bemüht. Dafür danken wir ihm in dieser Stunde.Sie haben sich zu Ehren unseres verstorbenen Kollegen Rasner von den Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen.Ich unterbreche die Sitzung bis 10.45 Uhr.
Meine Damen und Herren, die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Meinecke.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Zitat eines Amtsgerichtsdirektors ging unlängst durch die deutsche Presse. Er hat gesagt: „Wenn ich daran denke, wie wenigen Suchtkranken in unserem Lande geholfen wird, dann kann ich nachts nicht mehr schlafen." Das ist die andere Seite der Medaille, die hier angesprochen werden muß und die, so meine ich, bei der Aussprache zur zweiten Lesung zu kurz gekommen ist.
Kollegen von der CDU/CSU haben in Wirklichkeit nicht über den Gesetzentwurf geredet, der uns von der Regierung vorgelegt wurde und den wir im Ausschuß überarbeitet, in wesentlichen Inhalten neu formuliert und in der zweiten Lesung verabschiedet haben, sondern sie haben über ihren eigenen Gesetzentwurf geredet, der, aus wohlberechtigtem Interesse und auch in vielen Dingen begründet, nur eine Seite der Medaille sah, nämlich die kriminalpolitische Seite.
Darum muß ich hier erklären, daß für uns Sozialdemokraten der Tag heute nicht so sehr Anlaß zu Genugtuung und Zufriedenheit ist, nun endlich etwas Handfestes vollbracht zu haben und nunmehr eine wirkungsvolle Kontrolle des Verkehrs, des Handels und des Umgangs mit Rauschmitteln in der Hand zu haben, sondern eher Anlaß und Aufforderung zur Selbstbesinnung und somit zu der Erkenntnis, mit diesem Gesetz nur einen ersten Schritt zur Lösung des Problems der Drogenabhängigkeit, des Rauschmittelmißbrauchs und der Zunahme der Suchterkrankungen getan zu haben.
Wir sind, wie wir alle wissen, von der Rauschgiftwelle, die in anderen Ländern bereits mehrere Jahre zuvor aufgetreten ist, fast überrollt worden. Wir waren gezwungen, gleichzeitig und nebeneinander Motivforschung über die Entstehungsursachen zu betreiben, aber auch die Schädlichkeit der in Mode gekommenen Substanzen vernünftig einzuschätzen Wir haben hier recht gehabt und sind konstant geblieben, beispielsweise in der Einschätzung der Drogen, die vom indischen Hanf abgeleitet werden. Wir haben über prophylaktische Maßnahmen der Aufklärung und über die Belehrung nachdenken und ein Gesamtproblem entwickeln müssen. Wir haben über therapeutische und rehabilitierende Maßnahmen nachdenken und Versuche machen müssen,
diese zu fördern, und letztlich das Instrument der Gesetzgebung verbessern müssen.
Nun, meine Damen und Herren — auch das ist bei der Würdigung dieses Gesetzes zu kurz gekommen —, die Kehrseite der Medaille, die auf der einen Seite Strafverschärfung, Erhöhung der Höchststrafe heißt, ist natürlich die Notwendigkeit, die sogenannten passiven Täter, die Ersttäter und damit die ungeheuer große Zahl der Labilen, die sich auf dem Weg in die Sucht befinden, zu entkriminalisieren und somit die Rückkehr in die Gesellschaft und zu einem sinnvollen Dasein nicht zu versperren.
So haben die Amtsrichter auf ihren Versammlungen, ihren Kongressen gefordert: Wir Richter wollen nicht mehr strafen, wir wollen helfen! — Das ist in der Debatte zur zweiten Lesung zu kurz gekommen.
Ich habe gesagt, daß uns eine Epidemie überrollt hat. Gegen eine Epidemie muß man aber auch impfen können. Genau da sollten wir unsere bisherige Unzulänglichkeit erkennen, die darin begründet ist, daß wir weder über den dazu notwendigen Impfstoff noch über die Kenntnis seiner Anwendungszwecke verfügen.
Einen ersten Schritt hierzu — auch das ist in der zweiten Lesung zu kurz gekommen — hat der Gesetzgeber in Art. 2 getan, in dem wir das Jugendgerichtsgesetz in seinen §§ 5, 7 und 93 a geändert haben. Wir haben dabei in der Begründung klargestellt — ich möchte das hier noch einmal ganz eindeutig vor dem Hause sagen —, daß es sich bei einer „Entziehungsanstalt" um eine offene, halboffene oder geschlossene Einrichtung handeln kann, daß aber auch ambulante Kuren gemeint sein können und daß der Richter diejenige Art der Einrichtung zu wählen hat — wenn bei Jugendlichen von Strafe abgesehen wird —, mit der der Rehabilitationszweck am ehesten erreicht werden kann. Das ist moderne Gesetzgebung!
Wir sind in der Terminologie von den Begriffen „Trinkerheilanstalt", „Entziehungsanstalt" abgekommen. Wie sehen denn diese Anstalten aus? Wir wissen es doch alle! Und wie wenig moderne Einrichtungen gibt es?
Wir haben unzählige kleine Änderungen in das Gesetz eingefügt, damit es modernen ReleaseZentren, die mit anderen als den konventionellen Methoden arbeiten wollen, auf Grund des neuen Gesetzes möglich ist, ihre Schritte einmal durchzupraktizieren. Dann können wir nach einigen Jahren sehen, ob man auf diesem Weg Erfolg hat oder nicht.
Ich habe am 12. März in diesem Hause ausgeführt, daß die Zunahme der Rauschgiftsucht in allen Nationen und insbesondere in den modernen leistungsbezogenen Industriegesellschaften letzten Endes ein Ausdruck gestörter Gemeinschaftsbeziehungen ist. Hier müssen unsere politischen und gesellschaftlichen Bemühungen in der Zukunft ansetzen. Wir werden deshalb in vielen Bereichen der politischen Landschaft Aktivitäten entwickeln müssen. Ich sage
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Dr. Meinecke
Ihnen nichts Neues, wenn ich feststelle, daß sich dieser Appell an den Bund, an die Länder und an die Gemeinden richtet und daß sich das Spektrum der Maßnahmen auf die Bildungspolitik, auf die Sozialpolitik, auf die Gesundheitspolitik, ja, auf die gesamte Gesellschaftspolitik erstreckt. Ich sage Ihnen auch nichts Neues, meine Damen und Herren, wenn ich die Auffassung bekunde, daß wir dieses Problem nicht meistern können und werden, wenn nicht letzten Endes mit dem Bemühen jedes einzelnen Bürgers unserer Gesellschaft auf diesem Sektor zu rechnen ist, und dafür möchte ich plädieren.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Spitzmüller.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Wir stehen am Abschluß der Beratungen eines Gesetzes, zu dem auch die Opposition einen Initiativentwurf vorgelegt hat, der zeitlich vor dem Gesetzentwurf der Bundesregierung im Bundestag einging, was natürlich wieder mit den Schwierigkeiten zusammenhängt, daß Gesetzentwürfe der Bundesregierung nicht nur durch das Kabinett, sondern auch durch den Bundesrat laufen müssen. Damit wurde aber von vornherein deutlich, daß dieses Anliegen, um das es heute geht, für alle drei Parteien eine lösenswerte Frage darstellt, nämlich das alte Opiumgesetz zu ändern. Ich glaube, es ist sehr bedeutungsvoll, daß wir in Art. 1 des Entwurfs den Titel dieses Gesetzes geändert haben, so daß es nicht mehr Opiumgesetz, sondern Betäubungsmittelgesetz heißt. Damit wird deutlich, daß es sich nicht nur um einen eng begrenzten Raum handelt, sondern daß hier der Bereich dessen, was unter dieses Gesetz fällt, erweitert wurde und daß entsprechend der Entwicklung und den wissenschaftlichen Erkenntnissen die Anwendung in ganz anderer Form entwickelt werden kann, als das beim alten Opiumgesetz der Fall gewesen ist.Wir sind ein bißchen traurig, daß wir erst heute vor der Verabschiedung dieses Gesetzes stehen, denn an und für sich hatten wir im Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit die Absicht, dieses Gesetz noch vor der Sommerpause über die parlamentarischen Hürden zu bringen. Diese Absicht konnte aber angesichts der Materie, die doch schwieriger war, als es zunächst erschien, nicht verwirklicht werden.Was hier nun zur Endabstimmung vorliegt, bedeutet, daß den Richtern gegenüber verantwortungslosen Händlern die Möglichkeit gegeben wird, zur Höchststrafe von zehn Jahren zu greifen. Was hier vorliegt, ist eine eindeutige Verschärfung der Strafbestimmungen, trotz der Ablehnung des CDU-Antrages in der zweiten Lesung.Um was es hier geht, ist doch letzten Endes, dafür zu sorgen, daß nicht nur das Strafmaß klarer, deutlicher und höher gefaßt wird, sondern daß erkannt wird, daß es eine Aufgabe der Gesellschaft ist, durch Aufklärung zu verhindern, durch Entziehungsberatungs- und Erziehungsberatungsstellen zu helfen und Heilung zu verschaffen. All diese Dinge mußten in dieses Gesetz eingebaut werden. Wir konnten bei der Beratung einbauen, daß sichergestellt ist, daß straffrei bleibt, wer Rauschgift zum Genuß oder zum Erwerb auf Grund einer Erlaubnis des Bundesgesundheitsamts abgibt. Damit wird erreicht, daß die Bemühungen um Entziehungskuren in und von Institutionen durch das Betäubungsmittelgesetz nicht nur nicht eingeschränkt werden, sondern überhaupt erst richtig ermöglicht werden.Ich glaube, wir dürfen auch den Blick vor den Entschließungsanträgen nicht verschließen, die beinhalten, daß die Bundesregierung aufgefordert wird, das Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses zu überprüfen und eine Bestimmung in diesem Gesetz vorzusehen, wonach es auf die Überwachung des Fernmeldeverkehrs in besonders schweren Fällen von Rauschgiftkriminalität ausgedehnt werden kann, und daß die Regierung aufgefordert wird, zu prüfen, ob künftig bei Verurteilungen wegen schwerer Rauschgiftstraftaten der Entzug des Reisepasses sowie die Beschränkung des Personalausweises auf eine Verwendung im Inland als Sicherheitsmaßnahme rechtlich möglich und zweckmäßig wäre.Wir hätten — damit verrate ich kein Geheimnis — im Ausschuß für Jugend und Familie diese Fragen am liebsten gleich mit geregelt. Sie sind aber von einer so großen rechtspolitischen Bedeutung, daß wir unsere Kompetenzen zweifellos überschritten hätten.Diese Entschließungen machen deutlich, daß der federführende Ausschuß, wie übrigens auch der Rechtsausschuß, die Problematik erkannt hat, die darin besteht, daß im Augenblick noch keine gesetzliche Regelung besteht, die es erlaubt, von den beiden Möglichkeiten Gebrauch zu machen, daß es uns aber sinnvoll erscheint, daß diese Möglichkeiten in der Zukunft eröffnet werden.Über die Frage der Abschiebung von Ausländern haben wir uns auch unterhalten. Man könnte etwa an eine Bestimmung des Inhalts denken, daß Ausländer, die als Rauschgifthändler entdeckt werden, generell abzuschieben sind. Jedoch konnten wir das im Gesetz nicht fest verankern. Ich möchte hier jedoch ausdrücklich sagen, daß es dazu andere rechtliche Bestimmungen gibt, die es im Rahmen eines Gerichtsverfahrens, ohne daß das besonders im Gesetz verankert ist, ermöglichen, daß der betreffende Ausländer abgeschoben wird.Ich möchte damit deutlich machen, daß wir uns im Ausschuß auch mit allen diesen rechtspolitischen Fragen befaßt haben. Wir wollten deutlich machen, daß härtere Strafen für Rauschgifthändler und weitere Sicherungsmaßnahmen uns notwendig erscheinen.Durch dieses Gesetz, das wir heute verabschieden, und durch die Absichtserklärungen, die in den Entschließungsanträgen des Ausschusses zum Ausdruck gekommen sind, wird deutlich, daß wir dieses Problem als ein schwerwiegendes Problem erkannt haben, das einer Lösung entgegengeführt wird,
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 142. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Oktober 1971 8173
Spitzmüllerindem wir diesem Gesetz in der dritten Lesung unsere Zustimmung geben.
Das Wort hat Frau Bundesministerin Strobel.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Alle Kollegen haben den sehr ernsten Hintergrund dieses Gesetzes betont und darauf hingewiesen, daß dieses schreckliche Phänomen des wachsenden Mißbrauchs von Rauschgiften, zum Teil bei sehr jungen Menschen, uns alle herausfordert, das Mögliche, vor allem auch das Richtige zu tun, um der Gefahr zu begegnen, daß immer mehr und immer rascher die Menschen der Sucht erliegen.Ich glaube, ich muß hier feststellen — dabei bin ich für die Sachlichkeit der Aussprache jetzt in der dritten Lesung dankbar -, daß es hier bei niemandem Selbstzufriedenheit, daß es aber auch keine Resignation geben darf. Ich meine auch, daß sich dieses schreckliche Kapitel nicht zur Kritik um jeden Preis eignet, sondern daß wir gemeinsam versuchen müssen, es zu bewältigen.Dieses Gesetz, das in erster Linie eine Strafverschärfung im Kampf gegen den illegalen Rauschgifthandel bedeutet, ist sicher dringend notwendig, um die Chance zu verstärken, den gewissenlosen Verbrechern das Handwerk zu legen. Ich bin deshalb den Ausschüssen des Bundestages sehr dankbar, daß sie sofort nach der Sommerpause das Gesetz endgültig beraten und so die rasche Verabschiedung im Bundestag möglich gemacht haben. Vor allem danke ich auch den beiden Berichterstattern, Frau Kollegin Dr. Henze und Herrn Kollegen Dr. Meinecke, daß sie diese Arbeit in so kurzer Zeit bewältigt haben.Ich möchte nicht wiederholen, was hier zum Gesetz bereits gesagt wurde. Ich muß genau wie meine Vorredner betonen, daß in allen Ländern der Bundesrepublik das Problem Dimensionen erreicht hat, die erschreckend sind, weshalb wir der Justiz die bestmöglichen Mittel in die Hand geben müssen, um dem Problem zu begegnen, soweit Parlament und Regierung das können.Zum Strafmaß nach unten und nach oben ist auch schon das Notwendige gesagt worden. Ich möchte nur noch hinzufügen, daß ich dem Parlament für das Augenmaß, das es dabei bewiesen hat, dankbar bin. Und ich meine, jetzt kommt es in erster Linie darauf an, daß das Gesetz in seiner ganzen Scharfe — und es ist in ihm viel Schärfe enthalten — auch angewendet wird.Die beiden wichtigsten Verordnungen zu diesem Gesetz — die Änderung der Bezugscheinverordnung und die Verordnung über die Einführung von Sonderrezepten — sind von uns auf den Weg gebracht worden. Man muß, meine Damen und Herren, darauf hinweisen, daß die Eskalation des Drogen- und Rauschmittelmißbrauchs eine Folgekriminalität ausgelöst hat, die sich z. B. in den Apothekeneinbrüchen zeigt. Dadurch besteht die Gefahr, daß das Distributionsgefüge in der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung empfindlich gestört wird, wenn wir hier nicht einen Riegel vorschieben. — Die Betäubungsmittelverordnung soll dabei mehr Sicherheit sowohl im Umgang mit den Betäubungsmitteln als auch vor allen Dingen für die in den Apotheken beschäftigten Menschen bieten.Ich denke, wir sind weit davon entfernt, zu glauben, daß durch das Gesetz und durch die scharfen Strafen allein die Gefahr gebannt sei. Ich meine, daß damit nur e i n Mittel in Anwendung gebracht wird.Die Bundesregierung hat ja schon vor längerer Zeit ein Aktionsprogramm zur Bekämpfung des Drogen- und Rauschmittelmißbrauchs beschlossen, und sie hat dieses Aktionsprogramm, das von der Intensivierung der Forschung über die objektive Aufklärung, die Effektivitätssteigerung in der kriminalpolizeilichen Verfolgung, die Unterstützung der Aktivitäten auf dem Gebiet der Beratung, Betreuung und ambulanten Behandlung Drogengefährdeter und Drogenabhängiger bis hin zur Zusammenarbeit mit allen auf nationaler und internationaler Ebene Beteiligten verschiedenste Maßnahmen vorsieht, in Angriff genommen.Wir alle müssen uns gestehen: es gibt hier keine leichten und schnellen Lösungen, weder im Kurieren der Symptome noch in der Beseitigung und Bekämpfung der Ursachen. Und man muß sagen: Dilettantismus ist hier, auch wenn er gut gemeint ist, unangebracht. Alle Maßnahmen müssen sorgfältig vorbereitet werden, wenn sie nicht ins Auge gehen sollen. Um negative Folgen der notwendigen und sicher sehr massiven Ansprache der Jugendlichen, der Eltern und der Erzieher, der Polizei, der Rechtsprechung und der gesamten Öffentlichkeit auszuschließen, müssen wir uns auch der Entscheidungshilfen und Instrumente, die uns die Wissenschaft an die Hand gibt, bedienen. Es darf hier nicht um einen möglichst brillanten Tätigkeitsbericht, sondern muß um differenzierte, ja sogar um subtile erfolgversprechende Programme gehen.Wir müssen auch die Motivation der Jugendlichen stärken, die eine kritische Einstellung zum Drogenkonsum entwickeln. Auch hier ist der richtige Weg nicht leicht zu finden. Jede Aktivität allein um der Aktivität willen wäre grob fahrlässig. Die drogenabstinenten Jugendlichen müssen wir in ihrer Haltung bestärken, und wir müssen jeder Verniedlichung entgegenwirken.Meine Damen und Herren, ich muß hier wiederholen, daß ich mich zusammen mit meinem Kollegen Dr. Meinecke von Anfang an und in aller Öffentlichkeit gegen die Verharmlosung vor allen Dingen der Einstiegsdrogen gewandt habe. — Herr Althammer, ich bin dankbar, daß Sie nicken; aber leider hat der „Bayern-Kurier" in seinem üblichen Stil hier geradezu lügenhafte Meldungen verbreitet. Das will ich nur nebenbei bemerken.Die probierenden Jugendlichen müssen wir davor bewahren, daß sie in den Dauerkonsum abgleiten,
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8174 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 142. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Oktober 1971
Bundesminister Frau Strobelund die Dauerkonsumenten müssen wir von einem Leben im Drogenkonsum freimachen. Dazu gehört auch, daß wir die Kanäle verstopfen. Dieses Gesetz soll dabei helfen; mehr kann es, fürchte ich, nicht.Bei der Verabschiedung der Novelle zum Betäubungsmittelgesetz dürfen wir uns darüber nicht hinwegtäuschen, daß dies eine zwar wichtige, aber nicht die entscheidende Basis im Kampf gegen den Drogen- und Rauschmittelmißbrauch schafft. Dieses Gesetz darf nicht zum Fetisch hochstilisiert und in der Erwartung seiner Wirksamkeit überfordert werden. Von der Gesetzesänderung gehen weder prophylaktische noch therapeutische Wirkungen im Hinblick auf die drogengefährdeten und drogenabhängigen Jugendlichen aus. Das Gesetz wird nur dann — mir liegt sehr daran, das zu betonen —eine scharfe Waffe gegen den Drogen- und Rauschmittelhandel werden, wenn es gelingt, diejenigen, die auf seiner Basis beurteilen und verurteilen sollen, durch noch mehr sachkundige Information, durch kontinuierlichen Erfahrungsaustausch über alle, insbesondere auch die gesellschaftspolitischen Aspekte des Drogen- und Rauschmittelmißbrauchs zu rüsten, im Einzelfall die Möglichkeiten des Gesetzes ausgewogen, aber durchaus bis an seine Grenzen auch auszuschöpfen.Angesichts der Bedrohung eines nicht unerheblichen Teils der Jugend durch das organisierte internationale illegale Rauschmittelhändlertum nicht nur in Deutschland, sondern auch in unseren Nachbarländern, können wir es uns nicht leisten, zu einer Oase der milden Strafen für Händler zu werden. Wir sollten uns aber ebensowenig in eine Bewußtseinslage manövrieren bzw. manipulieren, die uns dazu verleitet, in drakonischen Strafen ein Allheilmittel zu sehen
oder gar den jugendlichen Drogenkonsumenten zu kriminalisieren und nicht, wie es die Situation heute erfordert — aus welchen Gründen heraus er auch immer drogensüchtig geworden ist —, als Irregeführten oder Kranken zu erkennen und entsprechend zu behandeln.Das Problem des Drogen- und Rauschmittelmißbrauchs beschäftigt und beunruhigt sehr zu Recht alle Verantwortlichen in unserer Gesellschaft, Eltern, Erzieher und die Öffentlichkeit insgesamt. Meine Damen und Herren, ich möchte auch hier betonen, es kann vor den Gefahren der hohen Toleranz der Jugendlichen gegenüber Drogen und Drogenkonsum gar nicht nachdrücklich und deutlich genug gewarnt werden. Jede bewußte Verniedlichung ist Verantwortungslosigkeit, jede unbewußte Verharmlosung grenzt an Fahrlässigkeit. Verniedlichung und Verharmlosung, gekoppelt an angebliche wissenschaftliche Erkenntnisse und Erfahrungen in außereuropäischen Kulturkreisen bzw. sozio-kulturellen Verhältnissen, ändern nach meiner Überzeugung nicht ihre Gefährlichkeit.Aber nicht weniger als die Verniedlichung gefährdet auch die Dramatisierung des Problems den Erfolg der Maßnahmen gegen den Drogen- und Rauschmittelmißbrauch. Auch ein gewisser Therapienihilismus, wie er in jüngster Zeit verstärkt die Diskussion bestimmt, ist nicht geeignet, das Vertrauen betroffener Jugendlicher und ihrer Angehörigen, aber auch der Öffentlichkeit insgesamt in die angebotenen Hilfen zu fördern. Es schwächt den Willen zur Befreiung von der Sucht und führt damit zu einer Verschlechterung der Behandlungsergebnisse, die leider bei den bisher praktizierten Therapiemethoden ohnehin bedauerlich gering sind.Frau Kollegin Henze, nicht etwa, um Ihnen zu widersprechen oder Sie zu korrigieren, sondern allein, weil ich den Eindruck hatte, daß eine von Ihnen genannte Zahl falsch verstanden werden kann, und Herr Kollege Burger, auch nicht um das Problem herabzuspielen, sondern eigentlich nur, weil es mir darauf ankommt, Zahlen hier objektiv festzuhalten, muß ich noch einmal eine Zahl nennen. Zwei bis fünf Prozent der Dauerkonsumenten stehen in der Gefahr, manifest Süchtige zu werden. Das bedeutet, daß 5000 bis 12 500 Jugendliche bei den 20 000 Personen, die Frau Kollegin Henze nannte, rauschgiftsüchtig sind und Behandlung in den entsprechenden Einrichtungen brauchen. Bei den 20 000 sind aber auch 7500 traditionell Süchtige, die wir schon vor der Drogen-Rauschmittel-Welle hatten und für die wir ja gerade die Einführung dieser Sonderrezepte machen, weil sie mindestens bisher einen besonders guten Zugriff zu den Rauschgiften hatten.Die Zahl der Jugendlichen, die Hilfe durch Einrichtung von Beratungs-, Betreuungs- und ambulanten Behandlungsstätten an der Basis brauchen, ist sehr groß. Es ist die weitaus größere Zahl. Wenn die Bundesregierung durch finanzielle Unterstützung solcher Einrichtungen über die Länder hier helfend eingreift, so deshalb, weil es darum geht, ein begrüßenswert hohes soziales Engagement, gepaart mit fachlichem Können, zu gewinnen und zu mobilisieren, um noch Schlimmeres für die Betroffenen, die Eltern und unsere Gesellschaft, zu verhindern. Ob mit den bisherigen Methoden der klassischen Psychiatrie die Rehabilitationschancen der manifest Süchtigen verbessert werden können, kann, glaube ich, niemand sicher behaupten. Niemand kann es aber auch sicher verneinen. Ich meine, daß das Schwergewicht deshalb auf der Intensivierung der Forschung, der Entwicklung erfolgversprechender Behandlungs- und Rehabilitationsmethoden und der objektiven Aufklärung und Beratung liegen muß.Das Entscheidende im Kampf gegen den Drogen- und Rauschmittelmißbrauch sind aber die kooperative Zusammenarbeit aller Beteiligten, einheitliches Vorgehen, Ausschaltung aller Formen der Verniedlichung und die Bereitschaft, nicht zu verdammen, sondern zu helfen. Daß die Diskussion davon bestimmt ist, freut mich ganz besonders.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.Wir kommen zur Schlußabstimmung. Ich bitte Sie, den Knopf mit „Ja", „Nein" oder „Stimmenthaltung" und gleichzeitig den Knopf an der Seite zu drücken.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 142. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Oktober 1971 8175
Vizepräsident Dr. Schmitt-VockenhausenDie Einstellung der Identitätsnummer ist nicht erforderlich. - Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, wir kommen nun noch zur Abstimmung über die Ziffer 2 a, 2 b, 3 und 4 des Antrags des Ausschusses. Kann ich davon ausgehen, daß ich über alle drei Ziffern gleichzeitig abstimmen lassen kann? Oder bestehen Bedenken der Opposition? — Keine Bedenken.Wer den aufgerufenen Ziffern des Ausschußantrages zustimmen will, den bitte ich, erneut den Abstimmungsknopf zu betätigen und zugleich den Knopf an der Seite zu drücken. — Bei wenigen NeinStimmen sind die Ziffern 2, 3 und 4 des Ausschußantrages angenommen.Meine Damen und Herren, ich habe noch bekanntzugeben, daß der Ältestenrat Ihnen auf Grund interfraktioneller Vereinbarung vorschlägt, die Vorlagen, die wir unter Punkt 6 a) bis e) der Tagesordnung für diese Woche — es handelt sich um fünf einzelne Gesetzentwürfe — beraten haben, zur Mitberatung auch dem Ernährungsausschuß zu überweisen. — Ich höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.Meine Damen und Herren, wir kommen nunmehr zu dem Zusatzpunkt zu unserer heutigen Tagesordnung:Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Wohngeldgesetzes— Drucksache VI/2589 —a) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung— Drucksache VI/2706 —Berichterstatter: Abgeordnete Frau Pieserb) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Städtebau und Wohnungswesen
- Drucksache VI/2705 —Berichterstatter: Abgeordneter Heyen
Ich frage, ob von den Berichterstattern das Wort gewünscht wird. — Das Wort wird nicht gewünscht.Ich eröffne die Aussprache. — Das Wort wird in der zweiten Beratung nicht gewünscht. Ich rufe auf § 1, — 2, — 3, - Einleitung und Überschrift. — Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte, die Knöpfe zu drücken. — Bei wenigen Nein-Stimmen ist die Vorlage in der zweiten Beratung angenommen.Wir treten ein in diedritte Beratung.Ich frage, ob das Wort gewünscht wird. — Das Wort wird nicht gewünscht.Wir kommen zur Schlußabstimmung. Ich bitte, erneut mit der Anlage abzustimmen. — Bei einer Reihe von Nein-Stimmen ist die Vorlage mit sehr großer Mehrheit angenommen.Damit, meine Damen und Herren, kommen wir zur Fragestunde. Ich unterbreche kurz die Sitzung, damit die Fragen dann in Ruhe beantwortet werden können. —Wir treten ein in dieFragestunde— Drucksachen VI/2680, VI/2698 —Ich rufe zuerst die Dringliche Mündliche Frage des Herrn Abgeordneten Josten aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern auf:Was gedenkt die Bundesregierung zu tun angesichts der arlamierenden Nachtrichten des deutschen Fernsehens am Dienstag, dem 12. Oktober 1971, 22.45 Uhr, und zahlreicher Presseorgane über die biologische Katastrophe, welche dem Rheinstrom durch die anhaltende Trockenheit droht?Zur Beantwortung steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dorn zur Verfügung. — Herr Staatssekretär.
Herr Kollege Josten, die der Frage zugrunde liegende Großraumwetterlage hat sich in den letzten Tagen verändert, auch ohne daß das Parlament oder die Bundesregierung dazu einen Beschluß gefaßt hat.
Damit ist eine leichte Verbesserung der geschilderten biologischen Belastung des Rheins eingetreten.Dessen ungeachtet gibt mir die Frage Anlaß zu der grundsätzlichen Bemerkung, daß zu meinem Bedauern die Bundesregierung keine rechtlichen Möglichkeiten hat, Maßnahmen zu ergreifen, die eine kritische Situation des Rheins verbessern könnten. Die dafür zuständigen Behörden der Länder BadenWürttemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen haben sich — wie mir von ihnen bestätigt wurde — bemüht, die Belastung des Rheins in der letzten Zeit nach Möglichkeit zu verringern. Insbesondere sind Industriebetriebe angehalten worden, flüssige Abfallstoffe soweit wie irgend möglich vom Rhein fernzuhalten und den Abwässern Sauerstoff beizumischen.Wie mir die Länder mitgeteilt haben, ist die Wasserversorgung bisher nicht ernstlich gefährdet. Dies hat insbesondere der interministerelle Ausschuß für Umweltschutz der Landesregierung von NordrheinWestfalen am 13. Oktober 1971 festgestellt. Sollten künftig örtliche Gefahren für die Wasserversorgung auftreten, werde ich auch das Technische Hilfswerk für die Aufrechterhaltung der Versorgung der Bevölkerung einsetzen.Langfristig kann der Rhein vor derartigen kritischen Zuständen nur bewahrt werden, wenn die erforderlichen industriellen und kommunalen Kläranlagen möglichst schnell gebaut werden. Wie Sie wissen, sind im Umweltprogramm der Bundesregierung zusätzlich 150 Millionen DM für die Förderung des Baus von Großkläranlagen am Rhein
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8176 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 142. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Oktober 1971
Parlamentarischer Staatssekretär Dornund am Bodensee vorgesehen. Darüber hinaus halte ich bundeseinheitliche Anforderungen für die Einleitung von Abwässern und auch für die Aufwärmung von Flüssen durch Kühlwasser für unerläßlich. In ihnen sollten strenge Sonderregelungen für Zeiten geringer Wasserführung vorgeschrieben werden. Diese verschärften Anforderungen kann die Bundesregierung — die zu diesen Maßnahmen entschlossen ist — aber erst dann festsetzen, wenn dem Bundesgesetzgeber die erforderliche konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit auch für das Wasserrecht übertragen wird. Ein dahin gehender Vorschlag der Bundesregierung liegt dem Hohen Hause vor.Allerdings möchte ich betonen, daß eine anhaltende Trockenheit von der Bundesregierung auch nach einer Grundgesetzänderung nicht verhindert werden kann.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Josten.
Herr Staatssekretär, angesichts der Tatsache, daß wir im Winter bzw. im Frühjahr oft Hochwasser und im Sommer bzw. Herbst oft Niedrigwasser im Rhein haben und beide Naturereignisse sehr viel Geld kosten, darf ich Sie fragen: Wären Sie bereit, mit dem Verkehrsminister sowie mit den Regierungen der anliegenden Länder bald Verhandlungen über eine künstlich zu schaffende Wasserregulierung zu führen, wie ich dies bereits früher angeregt habe?
Herr Kollege Josten, solche Verhandlungen werden bereits seit längerer Zeit geführt, und die Bundesregierung bemüht sich eben auch um die entsprechenden Zuständigkeiten, weil nach unserer Meinung nur dann die Dinge schneller in Gang gebracht werden können.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Josten.
Herr Staatssekretär, im Hinblick auf die besondere Gefahr darf ich Sie noch fragen, ob Sie angesichts der großen Gefahr bei dem niedrigen Wasserstand des Rheines bereits ein Fahrverbot für Tankerschiffe zu erlassen bereit wären, gegebenenfalls in Verbindung mit den zuständigen Ländern, damit nicht durch einen Tankerunfall katastrophale Schäden entstehen, zumal über 5 Millionen Menschen auf die Trinkwasserversorgung aus dem Rhein angewiesen sind.
Herr Kollege Josten, die zuständigen Landesregierungen haben eindeutig bestätigt, daß zur Zeit, auch bei dem augenblicklichen Niedrigwasserstand des Rheins aktuelle Gefahren nicht bestehen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Hammans.
Herr Staatssekretär, sind Sie im Hinblick auf die mögliche katastrophale Lage des Rheins, die man durch Bemerkungen, wie Sie sie vorhin gemacht haben, nicht verharmlosen sollte, bereit, den Wärmelastplan des Rheins zu überprüfen, und sind Sie bereit, dafür Sorge zu tragen, daß bei den geplanten Atomkraftwerken am Rhein für diese Situationen zwingend Kühltürme vorgeschrieben werden? Denn durch die Erwärmung des Rheins ist eine erhebliche bakterielle Verseuchung zu erwarten.
Herr Kollege, ich muß Ihnen sagen, daß das eigentlich von diesem Hohen Hause und vom Bundesrat mit entschieden werden muß. Solange die Bundeszuständigkeit nicht vorhanden ist, kann die Bundesregierung nicht handeln. Ich wäre Ihnen also sehr dankbar, wenn Sie Ihren Einfluß auch in Ihrer Fraktion geltend machten, damit diese Gesetzgebungszuständigkeiten möglichst bald geschaffen werden.
Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Klee.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß im Mai 1968 im Europarat eine Wassercharta verabschiedet worden ist, in der sich die europäischen Länder verpflichten, gemeinsam für die Reinhaltung der Gewässer zu sorgen? Wie steht es mit der Kooperation in Europa auf diesem Sektor?
Die Kooperation, gnädige Frau, kann von der Bundesregierung leider nicht in dem Ausmaß wahrgenommen werden, wie wir uns das wünschten. Es haben bereits Gespräche und auch internationale Konferenzen über diese Probleme stattgefunden. Aber auf Grund der verfassungsrechtlichen Situation, wie ich sie vorhin schon dargestellt habe, waren seitens der Bundesrepublik Deutschland die zuständigen Verwaltungen und Regierungen der Länder in erster Linie diejenigen, die unsere Vorstellungen vertreten haben. Ich kann nur sagen, daß die Bundesregierung bereit ist, sobald sie die Zuständigkeit dafür bekommen hat, alles zu tun, was in ihren Kräften steht.
Meine Damen und Herren, damit ist die Dringlichkeitsfrage des Herrn Abgeordneten Josten beantwortet. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Moersch zur Verfügung.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 142. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Oktober 1971 8177
Vizepräsident Dr. Schmitt-VockenhausenDer Herr Abgeordnete Riedel hat um schriftliche Beantwortung der Fragen 101 und 102 gebeten. Die Antworten werden in der Anlage abgedruckt.Ich rufe die Frage 103 des Herrn Abgeordneten Brandt auf:Ist die Bundesregierung der Meinung, daß Partnerschaften zwischen Städten und Gemeinden der Bundesrepublik Deutschland und Städten und Gemeinden anderer europäischer Staaten die auswärtige Kulturpolitik der Bundesrepublik Deutschland unterstützen und einen wesentlichen Beitrag zur Völkerverständigung leisten?Herr Staatssekretär!
Herr Abgeordneter, bei der Frage 103 darf ich zunächst auf meine Antwort vom 21. Juli 1970, Drucksache VI/1062, auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Stücklen und Genossen Bezug nehmen. Ich habe die Problematik der Sache darin bereits ausführlich dargelegt.
Darf ich die beiden heute gestellten Fragen zusammen beantworten, Herr Präsident?
Herr Abgeordneter, sind Sie damit einverstanden?
Dann rufe ich auch die Frage 104 des Herrn Abgeordneten Brandt auf:
Trifft es zu, daß es keinen Titel im Haushalt des Auswärtigen Amtes gibt, aus dein Städtepartnerschaften finanziell unterstützt werden können, und, wenn dies so ist, warum verzichtet die Bundesregierung darauf, solche Partnerschaften finanziell zu unterstützen?
Diese beiden heute gestellten Fragen beantworte ich mit einem Ja. Partnerschaften dieser Art bringen gesellschaftliche Gruppen beider Seiten miteinander in unmittelbare Verbindung, führen zu Gedankenaustausch und Zusammenarbeit an gemeinsamen Problemen und schaffen über die Grenzen hinweg enge persönliche Beziehungen. Die beachtliche Aktivität der deutschen Städte und Gemeinden sowie ihrer Dachverbände auf diesem Gebiet unterstützt die auswärtige Kulturpolitik der Bundesregierung. Sie füllt überdies den Gedanken der europäischen Einigung mit Leben und leistet allgemein einen wertvollen Beitrag zur Völkerverständigung.
Es trifft ferner zu, daß das Auswärtige Amt in seinem Haushalt über keinen Titel verfügt, aus dem Städtepartnerschaften als solche gefördert werden können. Einen Titel mit dieser Zweckbestimmung hat es im Einzelplan 05 nur im Jahre 1963 gegeben. Er war damals mit 50 000 DM dotiert. In den Folgejahren scheiterten die Bemühungen des Auswärtigen Amtes, erneut einen entsprechenden Haushaltsansatz aufzunehmen, an dem Widerstand des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages, der sich auf den Standpunkt stellte, die Finanzierung von Städtepartnerschaften sei Aufgabe der Kommunen.
Das Auswärtige Amt kann Städtepartnerschaften zwar mittelbar dadurch unterstützen, daß es Einzelmaßnahmen im Rahmen von Partnerschaftsveranstaltungen fördert, die unter die Zweckbestimmung anderer Titel fallen. Angesichts der Vielzahl der bestehenden Städtepartnerschaften und der beschränkten Höhe der in Betracht kommenden Titel sind hier aber sehr enge Grenzen gesetzt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Brandt.
Herr Staatssekretär, habe ich das richtig verstanden, daß Ihr Haus Anträge gestellt hat, einen solchen Titel zu schaffen?
Es ist einmal ein solcher Titel vorhanden gewesen. Er war auf Antrag der Bundesregierung in den Haushaltsentwurf hineingekommen. Aber das Hohe Haus hat durch seine Vertreter dann entschieden, daß das eine Sache der Kommunen sei. Seitdem haben wir einen direkt für diesen Zweck bestimmten Titel nicht. Wir haben andere Titel, aus denen man im Rahmen der Städtepartnerschaften etwa kulturelle Beziehungen bei ganz bestimmten Gelegenheiten begrenzt fördern konnte. Das haben wir auch im Rahmen des Möglichen getan.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Brandt.
Es gibt, soweit ich sehen kann, einen Kulturpolitischen Beirat beim Auswärtigen Amt und auch einen Arbeitskreis für Ost-West-Fragen. Haben sich diese beiden Gremien zu der hier anstehenden Frage irgendwann einmal geäußert? Können Sie darüber etwas sagen?
Herr Abgeordneter, es ist mir im einzelnen nicht gegenwärtig, ob und wie sich diese geäußert haben. Aber Sie können davon ausgehen, daß wir zur Unterstützung unserer Gesamtpolitik die Bedeutung dieser Partnerschaften natürlich sehr wohl erkennen. Sie werden jedoch auch verstehen, daß eine Bundesregierung nicht über den erklärten Willen des Parlaments hinweggehen kann. Der erklärte Wille des Parlaments war damals — und ist unverändert bis heute so geblieben -, daß solche partnerschaftlichen Begegnungen aus den Kommunen und natürlich auch von den Ländern finanziert werden müssen, daß der Bund aber nicht direkt solche Finanzierungen unternimmt, was übrigens auch einige verfassungsrechtliche Probleme aufwerfen würde.
Eine weitere Zusatzfrage.
Da Sie sagen, das sei seit 1963 unverändert so, wäre es da nicht denkbar, jetzt noch einmal den Willen des Gesetzgebers zu testen?
Herr Abgeord-
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8178 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 142. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Oktober 1971
Parlamentarischer Staatssekretär Moerschpeter, es ist jedem einzelnen Kollegen völlig unbenommen, in der zweiten Beratung des Haushalts hier eigene Anträge zu stellen. Das ist gelegentlich, allerdings in seltenen Fällen, auch schon von Erfolg begleitet gewesen. Aber die Bundesregierung kann nicht über einen Beschluß des Parlaments hinweggehen. Es wäre auch eine Möglichkeit, etwa durch eine Entschließung des Bundestages bei der Haushaltsberatung die Bundesregierung aufzufordern, im nächsten Haushalt, anders, als das Parlament früher entschieden hat, einen solchen Ansatz wieder vorzusehen. Dann wird sie das selbstverständlich im Rahmen des Möglichen tun. Das Parlament wird dann bei der nächsten Haushaltsberatung selber wieder frei entscheiden können, wie es sich dazu stellt. Aber ich nehme an, daß diese Frage die Mitglieder des Haushaltsausschusses schon so beschäftigt hat, daß Sie sicherlich heute schon perfekte Antworten auf diese Frage bekommen können.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Flämig.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß in der Mitte der 60er Jahre aus Mitteln Ihres Hauses finanzielle Starthilfen für die Anbahnung von Städteverschwisterungen gegeben worden sind? Geschah das damals mit ausdrücklicher Billigung des Parlaments, oder konnte das auch aus Verfügungsmitteln Ihres Hauses geschehen? Und wären Sie, wenn letzteres zuträfe, bereit, sich dafür einzusetzen, daß wenigstens Starthilfen für Städteverschwisterungen aus Ihrem Hause gegeben werden, weil es ja auch eine Angelegenheit der Bundesrepublik ist, wenn Städte über die Grenzen hinweg miteinander Verschwisterungen eingehen?
Herr Abgeordneten, Sie bringen eine Regierung in eine schwierige Lage, wenn Sie von ihr erwarten, daß sie in dieser Form von ihrem Recht, Ermessensentscheidungen zu treffen, Gebrauch macht. Denn in jedem Fall ist das Verhältnis der in unserem Haushalt zur Verfügung stehenden Dispositionsmittel zum Einfallsreichtum von Kommunalvertretern hinsichtlich der Anbahnung von Städtepartnerschaften derart ungleich, daß die größte Gerechtigkeit, wie ich glaube, dadurch erzielt werden kann, daß wir Dispositionsmittel gar nicht erst bereitstellen, sondern entsprechende Mittel in einem offenen Titel ausweisen. Es war damals ein Versuch mit 50 000 DM. Außerdem glaube ich, Herr Abgeordneter, daß es auch nicht im Interesse des Parlaments liegt, solche Dotierungen aus allgemeinen Titeln vorzunehmen; denn anders würde das Recht des Parlaments zur politischen Entscheidung von vornherein beschnitten. Das wollen Sie sicherlich nicht.
Die Frage ist damit beantwortet.
Ich rufe die Frage 105 des Herrn Abgeordneten Anbuhl auf. — Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird daher schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Der Herr Abgeordnete Schedl hat seine Frage 106 zurückgezogen.
Die Abgeordnete Frau Dr. Henze hat um schriftliche Beantwortung ihrer Fragen 107 und 108 gebeten. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 109 des Herrn Abgeordneten Kahn-Ackermann auf:
Welche Maßnahmen sind von der Bundesregierung für das von der UNESCO geplante „Jahr des Buches" 1972 in Aussicht genommen?
Die Frage 109, Herr Abgeordneter, beantworte ich wie folgt: Zur Vorbereitung und Koordinierung aller Maßnahmen ist im Januar 1971 das „Komitee der Bundesrepublik Deutschland für das Internationale Buchjahr" unter dem Vorsitz des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels gegründet worden, dem Vertreter aus Bund und Ländern sowie der deutschen UNESCO-Kommission und anderer nichtstaatlicher Einrichtungen angehören. Außer einer Vielfalt von Veranstaltungen und Aktivitäten unter dem Zeichen des Internationalen Buchjahres im Inland sind u. a. eine deutsche Beteiligung an der „World Book Fair" in New Delhi und die deutsche Sonderausstellung zum Thema „Books about Books" während der 17. Generalkonferenz der UNESCO 1972 in Paris vorgesehen.
Da die Zielsetzung der UNESCO hauptsächlich auf die Entwicklungsländer gerichtet ist, wird die Bereitstellung von Stipendien zur Ausbildung von Buchhändlern und Bibliothekaren aus diesen Ländern und die Einladung von 18 statt bisher 9 Entwicklungsländern zur Frankfurter Buchmesse 1972 erwogen. Unter deutscher Beteiligung wird schließlich aus Anlaß des Internationalen Buchjahres eine „Charta des Buches" vorbereitet, die auf eine Anregung der UNESCO zurückgeht und im Jahre 1972 verkündet werden soll.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir beipflichten, wenn ich sage, daß in Anbetracht der Tatsache, daß in unserem Land die Buchdruckerkunst sozusagen erfunden worden ist, die von Ihnen aufgezählten Maßnahmen vielleicht doch nicht ganz der Bedeutung entsprechen, die die Bundesregierung dieser Aktion beimessen sollte, vor allem weil bisher wohl nicht festgestellt werden kann, daß die von Ihnen hier vorgetragenen Unternehmungen alle finanziell gesichert sind?
Herr Abgeordneter, mit der letzten Bemerkung machen Sie mir
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 142. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Oktober 1971 8179
Parlamentarischer Staatssekretär Moerschdie Antwort auf den Vorwurf leicht. Das ist eine Entscheidung, die mit beim Parlament liegt. Wenn Sie der Meinung sind, daß die Mittel nicht ausreichen, müßten diese Mittel zunächst erhöht werden. Wir mußten selbstverständlich unser Programm und unsere Möglichkeiten auf die vorhandenen Mittel einstellen. Es ist gar keine Frage, daß es erwünscht wäre, auf diesem Gebiet wesentlich mehr tun zu können. Aber ich möchte auch in diesem Fall nicht unbedingt davon ausgehen, daß uns etwa die Tatsache, daß die Buchdruckerkunst bei uns erfunden worden ist, auf diesem Gebiet zu einer Überaktivität veranlassen müßte. Sonst müßte man nämlich unter Umständen auch darauf hinweisen, daß in unserem Land angeblich das Pulver erfunden worden ist. Wenn daraus entsprechende Schlüsse gezogen würden, müßte dies unheilvolle Konsequenzen haben.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wären Sie dennoch in Anbetracht der kulturellen Bedeutung dieser Aktion und auch in Anbetracht der Tatsache — dessen bin ich mir durchaus bewußt —, daß Ihr Haus unmöglich allein dafür zuständig sein kann, bereit, die Frage der Behandlung und der Organisation des „Jahres des Buches" durch das Auswärtige Amt im Schoße der Bundesregierung noch einmal erörtern zu lassen, um zu sehen, ob mit den hier vorgeschlagenen Maßnahmen in der Tat etwas der Bedeutung der Sache Entsprechendes unternommen wird?
Herr Abgeordneter, ich werde Ihre Anregung gern aufgreifen, zumal wir beide, wie Sie wissen, mit dieser Frage beruflich verbunden sind.
Ich rufe die Frage 110 des Herrn Abgeordneten Kahn-Ackermann auf:
Wann beabsichtigt die Bundesregierung, die in einer Reihe von Berichten zur Reform der auswärtigen Kulturpolitik empfohlene Einstellung der Förderungen jener Auslandsschulen durchzuführen, die nicht mehr zeitgemäßen Erfordernissen entsprechen?
Die Bundesregierung hat zur Reform der auswärtigen Kulturpolitik nicht nur Berichte erbeten und erhalten, sondern die Grundlinien dieser Reform in den Leitsätzen des Auswärtigen Amtes zur auswärtigen Kulturpolitik vom Dezember 1970 festgehalten. Darin heißt es, das bestehende Netz der deutschen Auslandsschulen — ihre Zahl beträgt etwa 250 — sei das Ergebnis ungeplanter Entwicklungen und müsse an einem Plan für die wünschenswerte Entwicklung gemessen werden.
Die Bewältigung dieser Aufgabe setzt eine Bestandsaufnahme und die Entwicklung von Kriterien voraus, an denen die kulturpolitische Effizienz dieser Schulen sichtbar wird. Nur wer diesen Kriterien gerecht wird, soll künftig eine Förderung erhalten. Als Entscheidungshilfen stehen der Bundesregierung bisher die von der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen in Köln entwickelten Modelltypen für die Auslandsschulen sowie die Vorschläge von Professor Dr. Pfeiffer, dem Beauftragten des Auswärtigen Amts, in dem erstellten Gutachten über auswärtige Kulturpolitik der Bundesrepublik Deutschland zur Verfügung.
Eine der Hauptaufgaben der im März dieses Jahres eingesetzten Enquetekommission der Bundestages für auswärtige Kulturpolitik ist ebenfalls die Überprüfung der kulturpolitischen Effizienz der Auslandsschulen. Diese Überprüfung, Herr Abgeordneter, ist im vergangenen Monat durch Besichtigungsreisen der Kommission in verschiedene Länder Lateinamerikas eingeleitet worden.
Die Bundesregierung legt großen Wert darauf, daß bei den Entscheidungen über so einschneidende Maßnahmen wie die Einstellung oder Beschränkung der bisher gewährten amtlichen Förderung von Auslandsschulen die Empfehlungen der Enquetekommission Berücksichtigung finden. Da Entscheidungen in naher Zukunft getroffen werden müssen, hofft die Bundesregierung darauf, daß die Enquetekommission ihre Meinungsbildung speziell zu diesem Sektor bald abgeschlossen haben wird.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, ungeachtet Ihrer sehr ausgewogenen Ausdrucksweise darf ich Sie in Anbetracht der Tatsache, daß die Ermittlung der Tatbestände seit ungefähr zehn Jahren läuft und sich die Meinungsbildung abzeichnet, fragen, ob damit zu rechnen ist, daß Ihr Haus für das nächste Haushaltsjahr entscheidende Schritte einleiten wird, oder ob Sie glauben, daß die Phase der Meinungsbildung noch weitere fünf Jahre fortgesetzt werden muß?
Eben das meinen wir nicht, Herr Abgeordneter. Aber wir sind jetzt gehalten, auf die Meinungsbildung in diesem Hohen Hause Rücksicht zu nehmen, das ja eine Enquetekommission eingesetzt hat.Ich darf Ihnen versichern, ,daß wir sehr genaue Vorstellungen entwickelt haben, was zu ändern sei, und daß wir auch in ganz bestimmten Regionen der Welt begonnen haben, diese Änderungen in die Tat umzusetzen. Das kann nur Stück für Stück geschehen, wie Sie wissen; denn schließlich ist es nicht so, daß das unsere Schulen sind, sondern das sind Schulen, die zu einem großen Teil eigene Schulträger haben und die wir teilweise unterstützen.Es gibt in diesem Zusammenhang eine Fülle von komplexen Rechtsfragen, die zu klären sind. Das kann man nicht von heute auf morgen tun. Ich glaube, daß es ein entscheidendes Verdienst dieser Bundesregierung war und ist, daß sie diese Frage
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8180 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 142. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Oktober 1971
Parlamentarischer Staatssekretär Moerschüberhaupt einmal in einer konsequenten und logischen Weise angepackt hat. Ich glaube, das ist als Neuerung heute schon durchaus zu beachten. Aber der Respekt vor dem Parlament gebietet es doch selbstverständlich, eine Meinungsbildung des Parlaments, das sich im Augenblick dazu bereit erklärt hat, abzuwarten.
Eine Zusatzfrage.
Können wir dann erwarten, Herr Staatssekretär, daß alle Mitglieder dieses Hauses in Kürze eine Darstellung der Ergebnisse der Bestandsaufnahme in diesem Bereich erhalten, in der auch — ich möchte sagen — die verhältnismäßig negativen Erkenntnisse der Mitglieder dieses Hauses mit enthalten sind, die sie auf ihren letzten Reisen gewonnen haben?
Herr Abgeordneter, ich habe auf das Gutachten verwiesen. Das steht Ihnen selbstverständlich zur Verfügung. Das ist eine detaillierte Bestandsaufnahme von Erkenntnissen. Wir haben alle Äußerungen, die von Mitgliedern dieses Hauses bekanntgeworden sind, in unsere Meinungsbildung mit einbezogen. Ich darf sagen, daß diese Äußerungen, gerade wenn sie auf Grund von Beobachtungen im Ausland präzise Mitteilungen enthalten, auch in jedem einzelnen Fall beachtet worden sind und daß wir mit dieser Frage in den letzten Monaten stark beschäftigt waren.
Herr Abgeordneter Ollesch hat seine Frage zurückgezogen.
Ich rufe die Frage 112 des Abgeordneten Hansen auf:
Ist die Bundesregierung auf Grund der Tatsache, daß die Rückgabe der nach 1945 in die Vereinigten Staaten übergeführten NS-Dokumente inzwischen erfolgt ist, bereit, über die Übergabe der im Document Center noch in der Verfügungsgewalt der amerikanischen Besatzungsmacht befindlichen Restbestände von NS-Archivalien mit der Regierung der USA erneut in Verhandlung einzutreten?
Herr Präsident, gestatten Sie, daß ich die Fragen 112 und 113 des Abgeordneten Hansen zusammen beantworte?
Der Fragesteller ist einverstanden. Dann rufe ich auch die Frage 113 des Abgeordneten Hansen auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die zuständigen US-
Behörden eine Übergabe in deutsche Hände sehr begrüßen würden?
Bitte schön, Herr Staatssekretär!
Herr Abgeordneter, die bereits vor einigen Jahren den deutschen Behörden zurückgegebenen Akten aus der nationalsozialistischen Periode sind anderer Art als die von der amerikanischen Besatzungsmacht in Berlin bisher noch zurückbehaltenen Akten des Document Center.
Auf Grund einer Vereinbarung mit den Drei Mächten von 1956 sind ab 1956 der Bundesregierung die Akten der obersten und oberen Reichsbehörden, insbesondere des Auswärtigen Amts, des OKH und OKW, sowie auch Akten einiger Parteidienststellen zurückgegeben worden, die sich inzwischen im Archiv des Auswärtigen Amtes, im Bundesarchiv in Koblenz und im Militärarchiv in Freiburg befinden.
Während es sich bei den überführten Dokumenten im wesentlichen um Sachvorgänge handelt, enthält das Document Center Personalunterlagen der NSDAP und ihrer Gliederungen. Die besondere Bedeutung solcher Personalunterlagen war vermutlich der Grund, daß die amerikanische Regierung erst 1967 die Bereitschaft zeigte, diese Akten — aber auch nur unter gewissen Auflagen — in die deutsche Verwaltung zurückzugeben. Diese Auflagen betrafen nicht nur den Zugang zu den Unterlagen, sondern auch die Auswertung. Wegen des besonderen Charakters der im Document Center verwahrten Unterlagen stellen sich auch für die Frage ihrer Überführung in die deutsche Verwaltung andere Probleme, als sie bei der Überführung der Akten der Reichsbehörden zu regeln waren.
Nun zur Frage 113. Die Bundesregierung steht wegen der endgültigen Verfügung über das Document Center mit der amerikanischen Botschaft in Bonn in Fühlung.
Zu einer Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß es keine schriftliche Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und der Regierung der Vereinigten Staaten über den Verkehr des Document Center mit den deutschen Behörden gibt und auch keine Vereinbarung über die Verfahrungsregelung bei Auskunftsersuchen von deutschen Behörden?
Herr Abgeordneter, ich kann bestätigen, daß es eine solche Regelung bisher nicht gab. Aber ich kann Ihnen auch bestätigen, daß es offensichtlich auch ohne diese Regelung eine Zusammenarbeit gegeben hat.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß von etwa 4000 monatlichen Anfrageersuchen lediglich rund 140 von den amerikanischen Behörden kommen und die Kosten für das Document Center vollständig über das Besatzungskostenstatut, also von deutscher Seite getragen werden?
Herr Abgeordneter, ich müßte überprüfen, ob das im einzelnen so
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 142. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Oktober 1971 8181
Parlamentarischer Staatssekretär Moerschzutrifft. Ich bin, da das, wie Sie verstehen werden, nicht eine Sache des Auswärtigen Amts ist, sondern eine Frage etwa der dort zuständigen Behörden — und die sitzen nicht hier in Bonn —, nicht in der Lage, das jetzt zu sagen. Erst müßte ich nachprüfen, ob diese Angaben zutreffend sind.
Weitere Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, spricht außer den von mir soeben genannten Fakten nicht die Tatsache, daß die Vereinigten Staaten als hauptsächliche Bedingung für die Übergabe in deutsche Hände die Forderung stellen, weiterhin für wissenschaftlich-historische Forschungszwecke Zugang zu den Akten zu behalten, dafür, möglichst bald in Verhandlungen über die Übergabe in deutsche Hände einzutreten?
Herr Abgeordneter, wir sind, wie ich Ihnen gesagt habe, mit der amerikanischen Botschaft in Fühlung. Es gibt aber noch einige andere Überlegungen, weshalb wir im Augenblick nicht imstande sind, eine solche Übernahme als Bundesdienststelle vorzunehmen. Auch das bitte ich zu beachten. Es hat einen politischen Gesamtzusammenhang.
Eine letzte Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, da Sie den politischen Gesamtzusammenhang erwähnen, möchte ich ihn auf einen historischen Zusammenhang erweitern und Sie fragen, ob Sie meine Auffassung teilen, daß die Bundesrepublik im Jahre 1971 mündig genug sein sollte, um hier ein Restteilstück unbewältigter Vergangenheit durch die Übernahme des Document Center in eigene Verantwortung zu bewältigen zu versuchen.
Herr Abgeordneter, ich muß Ihnen sagen, daß das, was in Ihrer Frage zum Ausdruck kommt, gar nicht das Problem ist, das ich mit dem politischen Gesamtzusammenhang gemeint hatte. Ich bitte Sie, auf die Geographie zu achten.
Keine weitere Zusatzfrage.
Dann rufe ich die Frage 114 des Abgeordneten Dr. Bach auf — es ist die letzte Frage aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts —:
Trifft es zu, daß über 100 Beamte des Auswärtigen Amtes als Beschuldigte wegen Geheimnisverrats vom Staatsanwalt vernommen werden?
Herr Staatssekretär!
Wie Sie, Herr
Kollege, wissen, führt die Staatsanwaltschaft Bonn zur Zeit ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt durch, auf das sich Ihre Frage offenbar bezieht. Die Bundesregierung kann daher keine Auskünfte darüber erteilen, welche Ermittlungshandlungen die Staatsanwaltschaft vornimmt.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, sind nach Ihrer Ansicht unter den Beschuldigten des Auswärtigen Amts auch jene Leute zu finden, die nach Ansicht von Herrn Staatssekretär Frank qualitativ nicht anders zu beurteilen sind als jemand, der einen Molotow-Cocktail schmeißt oder ein Warenhaus in Brand setzt, um die kapitalistische Gesellschaft zu beseitigen?
Herr Abgeordneter, ich bedaure, daß durch Ihre Fragestellung der Eindruck entsteht, als ob hier auf Grund eines rechtsstaatlich vorgenommenen Verfahrens irgend jemand im Auswärtigen Amt von vornherein verdächtigt werden könnte. Ich bedaure sehr, daß solche Vernehmungen unter der Rubrik „Beschuldigte" durchgeführt werden müssen. Das ist aber etwas, was nur der Gesetzgeber ändern könnte. Die Bundesregierung hat die Gewaltenteilung auf diesem Gebiet zu respektieren. Es kann überhaupt nicht die Rede davon sein, daß hier irgend jemand, der unschuldig wäre, sich von solchen Zitaten getroffen fühlen müßte, wie Sie sie hier eben verbreitet haben.
Ich bin aber in der Tat der Meinung, daß eine persönliche Ermessensentscheidung eines Bediensteten etwa in der Weise, wie sie in der Frage eines Ihrer Kollegen kürzlich zum Ausdruck kam, unter keinen Umständen zugelassen werden kann. Wir haben eine rechtsstaatliche Ordnung, und an diese rechtsstaatliche Ordnung haben sich alle zu halten. Wenn jemand glaubt, sein Gewissen als Beamter oder als Angehöriger des öffentlichen Dienstes sei durch gesetzeswidrige Aufträge belastet, hat er die Pflicht, das über die rechtlichen vorgeschriebenen Wege, notfalls über das Parlament zur Sprache zu bringen, also etwa über einen Abgeordneten. Irgendwelche Wege, die unserer Verfassungsordnung nicht entsprechen und gegen Strafgesetze verstoßen, können nicht akzeptiert werden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß nicht ich dieses Zitat verbreitet habe, sondern daß es ein Zitat aus einem Interview mit dem Staatssekretär des Auswärtigen Amts Frank ist?
Herr Abgeord-
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8182 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 142. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Oktober 1971
Parlamentarischer Staatssekretär Moerschpeter, ich kenne sehr wohl diesen Text, aber die Frage ist doch, in welchem Kontext Sie das bringen. Sie haben es im Zusammenhang mit einer Frage gebracht, die Sie hier gestellt haben. Ich habe darauf Bezug genommen, daß Sie aus dem Begriff des Beschuldigten, der nun einmal aus den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegeben ist, nicht irgendwelche falschen Sachzusammenhänge herstellen sollten. Bei uns ist derjenige schuldig, der rechtskräftig verurteilt worden ist. Bei Ermittlungen müßte man nach meiner Meinung einen neutralen Begriff verwenden, weil das Wort „Beschuldigter" in der öffentlichen Meinung in diesem Falle zu Schlüssen führt, die unangebracht sind.
Eine letzte Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, finden neben den von Ihnen erwähnten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen auch noch — parallel dazu — sogenannte Anhörungen zum gleichen Fragenkomplex im Amt statt?
Herr Abgeordneter, es ist selbstverständliche Pflicht einer Behörde, Fragen -- auch behördenintern — aufzuklären, die durch die Veröffentlichung von geheimen Unterlagen entstanden sind. Es wäre eine Pflichtwidrigkeit, wenn nicht geprüft worden wäre, ob Unbefugte bestimmte Dokumente in die Hand bekommen haben. Das hat mit der staatsanwaltschaftlichen Ermittlung nichts zu tun.
Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts beantwortet. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, und zwar die Fragen der Abgeordneten Löffler, Kiechle und Niegel, werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage zum Sitzungsbericht abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf. Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Rohde zur Verfügung.
Die beiden ersten Fragen sind von dem Herrn Abgeordneten Dr. Götz gestellt. -- Der Fragesteller hat um schriftliche Beantwortung seiner Fragen gebeten. Die Antworten werden ebenfalls als Anlage zum Sitzungsbericht abgedruckt.
Der Herr Abgeordnete Schedl hat seine Frage zurückgezogen.
Der Herr Abgeordnete Pawelczyk hat gebeten, seine beiden Fragen schriftlich zu beantworten. Dem wird entsprochen; die Antworten werden als Anlage zum Sitzungbericht abgedruckt.
Ich rufe die Frage 36 des Herrn Abgeordneten Dr. Schober auf:
Hat die Bundesregierung bereits Mittel bereitgestellt und Maßnahmen eingeleitet zur Durchführung der am 30. April 1971 beschlossenen Sozialenquete für freie Bühnendarsteller, Musikerzieher, Musikinterpreten, Journalisten, Bildjournalisten und ständige freie Mitarbeiter der Rundfunk- und Fernsehanstalten?
Der Herr Abgeordnete ist im Saal. — Herr Staatssekretär!
Herr Präsident, ich würde die Fragen 36 und 37 gern zusammen beantworten.
Der Herr Abgeordnete ist offensichtlich einverstanden. Dann rufe ich auch noch die Frage 37 auf:
Ist die Bundesregierung in der Lage, Auskunft zu geben über den Stand der Sozialenquete , insbesondere soweit sie sich auf Komponisten und bildende Künstler bezieht?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Die Bundesregierung beabsichtigt, über den Wortlaut des damaligen Ersuchens des Deutschen Bundestages hinaus, dem Parlament einen möglichst umfassenden Bericht über die soziale Lage der freien künstlerischen Berufe einschließlich der Komponisten und bildenden Künstler vorzulegen.
Wie ich dem Kollegen Raffert bereits am 13. September dieses Jahres schriftlich mitgeteilt habe, sind die Vorarbeiten zu der vom Deutschen Bundestag erbetenen Berichterstattung aufgenommen worden. Die Bundesregierung arbeitet dabei eng mit den berufsständischen Organisationen der Künstler sowie dem Statistischen Bundesamt und der Künstlervermittlung der Bundesanstalt für Arbeit zusammen. Das Ergebnis der bisherigen Bestandsaufnahme zeigt bereits, daß die für die Berichterstattung notwendigen Unterlagen teilweise nur durch wissenschaftliche Untersuchungen erbracht werden können. Solange die Materialsammlung und -auswertung nicht abgeschlossen ist, lassen sich noch keine genauen Angaben über Umfang und Inhalt dieser Forschungsarbeiten machen. Hinsichtlich der Finanzierung ist sichergestellt, daß die nach dem Stand der jeweiligen Arbeiten erforderlichen Mittel bereitstehen werden. Über den weiteren Fortgang der Arbeiten werde ich Sie gerne auf dem laufenden halten.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß die Enquete über die Schriftsteller vom Spiegel-Institut durchgeführt wird, daß das Spiegel-Institut seine Tätigkeit allerdings einstellt? Ist Ihnen schon bekannt, wie die Befragung der anderen Künstlergruppen durchgeführt werden soll, ob andere Institute beauftragt werden sollen oder wie sich die Bundesregierung die Behandlung dieser Fragen vorstellt?
Kollege Schober, Sie können natürlich Ihre Zusatz-
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Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausenfragen nicht durch mehrere Fragen in einer Frage beliebig vermehren. Ich bitte Sie, freundlicherweise darauf zu achten.
Herr Kollege, zunächst darf ich zu den Arbeiten des „Spiegel-Instituts" darauf hinweisen, daß die Fragebogen, in denen die Autoren selbst Angaben über ihre soziale Situation machen, nach Auskunft des Hamburger Instituts jetzt zurücklaufen. Voraussichtlich wird Ende des Monats mit der Auswertung dieser Fragebogen begonnen werden.
Ich möchte noch darauf hinweisen, daß diese Fragebogenaktion nur ein Teil des wesentlich breiter angelegten Projekts des Hamburger Instituts ist, so daß über die Ergebnisse dieser Fragebogenaktion noch nichts gesagt werden kann. Die von Ihnen zusätzlich gestellte Frage nach der Ausweitung auf andere Bereiche gehört mit zu den Überlegungen, die auf Grund der jetzt vorgenommenen Bestandsaufnahme anzustellen sind.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, da ich nicht weiß, ob Sie mich richtig verstanden haben, darf ich noch einmal fragen: Ist Ihnen bekannt, daß das „Spiegel-Institut" seine Arbeit in dieser Frage einstellt? Ist es nicht nach Ihrer Meinung notwendig, für die Befragung der anderen jetzt schon ein anderes Institut einzuschalten?
Herr Kollege, es ist unsere Absicht, so zu verfahren, wie Sie angedeutet haben.
Herr Kollege, eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie noch einmal fragen, ob Ihnen bekannt ist, daß es sich um zwei Enqueten handelt. Dürften wir auch erwarten, daß die zweite Enquete über die sogenannten reproduzierenden Künstler an die erste Enquete gleich angehängt wird?
Herr Kollege, daß hier Zusammenhänge hergestellt werden, geht aus der Einleitung meiner Antwort hervor.
Keine weitere Zusatzfrage.
Der Abgeordnete Dr. Sperling hat sich mit schriftlicher Beantwortung seiner Frage einverstanden erklärt. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe Frage 39 des Abgeordneten Dr. Müller auf. — Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Die Frage 40 ist vom Herrn Abgeordneten Josten gestellt worden:
Ist die Bundesregierung bereit, eine Gesetzesänderung auszuarbeiten, durch die auch Kinder und Jugendliche in ihrer Freizeit gegen Unfallschäden versichert werden?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege, der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung war in der Vergangenheit auf die Arbeitswelt und andere eng abgegrenzte Bereiche beschränkt. Mit dem Gesetz über Unfallversicherung für Schüler und Studenten sowie Kinder in Kindergärten haben wir einen neuen Bereich einbezogen und damit einen Schritt zu einer besseren Sicherung dieses Personenkreises getan. Sie werden verstehen, daß noch gründlich erörtert werden muß, ob und wie die Unfallversicherung auch auf Unfälle in der Freizeit ausgedehnt werden kann. Ich darf um Ihr Verständnis dafür bitten, daß die Erörterung dieser grundsätzlichen Frage, insbesondere auch wegen der finanziellen Auswirkungen, nicht kurzfristig abgeschlossen werden kann.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Josten.
Herr Staatssekretär, kann ich aus Ihren Ausführungen entnehmen, daß Sie auch der Meinung sind, daß auf Grund der jährlich steigenden Unfallzahlen bei Kindern und Jugendlichen wir verpflichtet sind, einen Unfallschutz auch für die Freizeit für Kinder zu schaffen, nachdem es in der Bundesrepublik zu wenig Spielplätze gibt?
Herr Kollege, ich habe die besondere Bedeutung des Freizeitbereichs in meiner Antwort unterstrichen. Aber Sie sind sicher mit mir der Meinung, daß der Unfallschutz für den Freizeitbereich sich dann nicht nur auf Schüler, Kinder und andere Gruppen von Jugendlichen, sondern auch möglicherweise — das hat die öffentliche Diskussion deutlich gemacht — auf andere Personengruppen erstrecken würde. Damit ist eine Dimension angesprochen, die gründlicher Erörterung bedarf.
Herr Staatssekretär, können Sie uns schon einen Termin nennen, zu dem uns wohl Überlegungen Ihres Hauses zu diesem Problem mitgeteilt werden?
Herr Kollege, angesichts des Umfangs und der Bedeutung des Problems muß ich um Ihr Verständnis dafür bitten, daß ich mich jetzt nicht auf einen präzisen Termin festlegen kann.
Meine Damen und Herren, der Abgeordnete Varelmann hat seine Fragen zurückgezogen.
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8184 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 142. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Oktober 1971
Vizepräsident Dr. Schmitt-VockenhausenDer Herr Abgeordnete Ziegler hat gebeten, daß seine Fragen schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen.Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Berkhan zur Verfügung.Ich stelle allerdings fest, daß der Herr Abgeordnete Wagner um schriftliche Beantwortung seiner Frage gebeten hat. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.Die Herren Abgeordneten Dr. Riedl und Dr. Hauser (Sasbach) haben ihre Fragen zurückgezogen.Damit, meine Damen und Herren, ist dieser Geschäftsbereich schon erledigt.Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen. Hier steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Börner zur Verfügung.Die Abgeordnete Frau Dr. Walz hat ihre Frage zurückgezogen.Ich rufe die Frage 54 des Abgeordneten Dr. Mende auf:Warum ist die Stadt Kassel trotz ihrer Bedeutung in wirtschaftlicher Hinsicht und als Sitz des Bundesarbeitsgerichtes nicht in das Intercity-System der Deutschen Bundesbahn einbezogen worden?
Die Deutsche Bundesbahn hat ihr Intercity-Netz auf Grund sorgfältiger Reiseverkehrsstromzählungen konzipiert. Diese Untersuchungen ergaben ganz bestimmte Linienführungen zwischen besonders wichtigen Zentren. Der Verkehr zwischen diesen Hauptzentren ist stärker als zwischen diesen Zentren und Kassel.
Unter diesen Voraussetzungen schien es der Deutschen Bundesbahn — auch im Benehmen mit dem Deutschen Industrie- und Handelstag — im Interesse der zahlenmäßig weit überwiegenden Durchgangsreisenden nicht vertretbar, für ihre IntercityZüge in der Nord-Süd-Relation die wesentlich zeitaufwendigere Führung über Kassel zu wählen.
Die Deutsche Bundesbahn hat jedoch die Verbindungen zwischen Kassel und Göttingen bzw. Bebra zwecks Anschluß an das Intercity-Netz verbessert.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Mende.
Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht, daß es im Sinne des § 4 des hier einstimmig verabschiedeten Zonenrandförderungsgesetzes, aber auch im Sinne der bisher in diesem Hause vertretenen besonderen Verantwortung für das Zonenrand- und Grenzgebiet ist, daß politisch übergeordnete Gesichtspunkte vor Rentabilitätsberechnungen und Zugdichteberechnungen der Deutschen Bundesbahn Vorrang haben müssen?
Herr Kollege Dr. Mende, es handelt sich hier nicht nur um Rentabilitätsgesichtspunkte, sondern auch um sehr schwierige technische Probleme. Ich darf Ihnen aber sagen, daß die Sorge der Bundesregierung hier dadurch zum Ausdruck kam — dies entspricht der Überlegung, die Sie angestellt haben —, daß man Bebra und Göttingen an das Intercity-Netz praktisch angebunden hat, was sonst allein auf Grund des Aufkommens dieser Orte nicht geschehen wäre. Der Zonengrenzraum wurde hier also durchaus berücksichtigt.
Wie Sie vielleicht aus den Fahrplänen ersehen haben, ist Kassel jetzt über Göttingen nach Norddeutschland und über Bebra bzw. Fulda nach Süddeutschland vier- bis sechsmal täglich mit guten Verbindungen an das Intercity-Netz angeschlossen. Darüber hinaus wird Kassel jetzt und künftig durch eine seinem Verkehrsaufkommen entsprechende Zahl guter Schnellzugverbindungen bedient.
Ferner beabsichtigt die Deutsche Bundesbahn, ab 1973 mit doppelklassigen Zügen ein Ergänzungsnetz zum Intercity-Verkehr aufzubauen. Kassel wird mit fünf Linien dieses Ergänzungsnetzes nach Göttingen, Bebra, Frankfurt, Stuttgart, Köln und Dortmund vorzüglich an das Intercity-Netz angeschlossen sein.
Ich darf darauf verweisen, daß der technische Hintergrund, den ich hier angesprochen habe, darin besteht, daß die sogenannte Main-Weser-Bahn zwischen Kassel und Frankfurt in ihrer Trassenführung, die aus dem neunzehnten Jahrhundert stammt, leider einen Schnellverkehr wie auf der Nord-SüdStrecke zwischen Bebra und Würzburg nicht zuläßt, so daß bei Inanspruchnahme dieser Linie eine Verzögerung des gesamten Zuglaufs um über eine halbe Stunde für alle Reisenden einträte, die jetzt durch die Verbindung über Bebra bzw. Göttingen vermieden wird.
Ich darf ferner darauf verweisen, daß die Deutsche Bundesbahn bemüht ist, diese Strecke im Rahmen ihrer Investitionspläne in einen guten Zustand zu versetzen, der auch Schnellverkehr zuläßt. Ich bitte aber um Verständnis, daß das seine Zeit dauert und daß zur Zeit diese Regelung, wie ich sie hier an Hand der Angaben des Vorstandes der Deutschen Bundesbahn dargestellt habe, gewählt wird.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Mende.
Herr Staatssekretär, darf ich aus Ihrer zweiten Antwort schließen, daß die Bundesbahn doch an eine Revision ihrer bisherigen Auffassung denkt, um an Kassel das nachzuholen, was 32 anderen deutschen Städten schon zuteil wird, und ist es nicht doch eine gewisse Brüskierung der Einwohner von Kassel, wenn sie in ihrer Stadt auf einem Werbespruchband vor dem Hauptbahnhof lesen müssen, daß sie nach Fulda, Bebra oder Göttingen fahren müssen, um dort An-
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Dr. Mendeschluß an das so hochgelobte Intercity-System der Deutschen Bundesbahn zu bekommen?
Herr Kollege, der Wahlkreisabgeordnete von Kassel stimmt mit Ihnen darin überein, daß alles getan werden muß, um alle Orte des Zonenrandgebietes, die die gleiche wirtschaftliche Bedeutung wie Kassel haben, an die modernen Verkehrsverbindungen der Deutschen Bundesbahn anzuschließen. Er bittet Sie aber auch gleichzeitig um Verständnis dafür — da er mit dem Staatssekretär identisch ist, kann ich mir diese Floskel hier erlauben —, daß das eine Aufgabe ist, die unter den Gesichtspunkten gesehen werden muß, die auch anderswo bei der Modernisierung der Deutschen Bundesbahn wichtig sind. Hier ist ein bestimmter Kapitaleinsatz notwendig, um gewisse Strecken in den Zustand zu versetzen, in dem sie schnell und sicher befahren werden können. Es ist zur Zeit nicht möglich, die Main-Weser-Bahn mit den Geschwindigkeiten auszufahren, die für Intercity-Verkehr nun einmal notwendig sind. Aber ich kann das nicht als eine Diskriminierung ansehen, insbesondere deshalb nicht, weil ich weiß, daß der Vorstand der Deutschen Bundesbahn bemüht ist, in der zur Verfügung stehenden Zeit und mit einem Höchstmaß an Kapitaleinsatz auch diese Strecke aus vielen Gründen, aber auch wegen der zu berücksichtigenden Zonenrandlage in den Zustand zu versetzen, den wir alle wünschen.
Meine Damen und Herren, das wird ein schöner Tag für Kassel werden, wenn der Ausbau so weit ist, daß der erste Intercity-Zug die Main-Weser-Bahn befahren kann. Durch die Fragestunde sind wir alle schon darauf vorbereitet.
Der Abgeordnete Wagner hat gebeten, seine Frage schriftlich zu beantworten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 56 des Abgeordneten Becker auf:
Hat die Bundesregierung Bedenken gegen die Standortwahl für einen Großflughafen im Raum Münster-Albersloh?
Herr Staatssekretär, bitte!
Herr Kollege, diese Frage läßt sich noch nicht abschließend beantworten. Die Planung von Verkehrsflughäfen liegt im Zuständigkeitsbereich der Länder. Das Bundesverkehrsministerium kann im Rahmen der Vorarbeiten eingeschaltet werden. Im vorliegenden Fall ist eine vorherige Abstimmung nicht erfolgt. Die Integration dieses Flughafens mit seinen erforderlichen Flugverfahrensräumen in das Flugstreckensystem, das sogenannte Luftstraßensystem, und in das Netz der An- und Abflugverfahren bestimmter ziviler und militärischer Flugplätze, z. B. Hopsten und Gütersloh, wird erhebliche Schwierigkeiten verursachen.
Darüber hinaus werden auch militärische Belange nachteilig berührt.
Die Bundesregierung hat daher die Bildung einer Planungskommission durch die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen angeregt, in der die flugsicherungsbetrieblichen Möglichkeiten untersucht und die Ergebnisse gegebenenfalls durch Simulationsübungen getestet werden. Abschließende Ergebnisse liegen leider noch nicht vor.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Besteht die Möglichkeit, etwa einen Zeitraum anzugeben, bis zu dem man zu solchen abschließenden Ergebnissen kommen kann?
Herr Kollege, es ist außerordentlich schwierig, eine feste Zeitangabe zu machen, weil hier — wie ich Ihnen schon andeutete — schwerwiegende militärische Belange berücksichtigt werden müssen, z. B. die Verschiebung von Tiefflugstrecken der NATO-Streitkräfte eventuell nötig ist, mit allen Auswirkungen, die das für bestimmte Wohngebiete und bestimmte Räume der Bundesrepublik hat. Ich darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß unsere Bundesanstalt für Flugsicherung schon im Jahre 1964 einmal negativ zu einer entsprechenden Planung in dem gleichen Raum Stellung genommen hat.
Die Herren Abgeordneten Berding — Fragen 57 und 58 — und Kohlberger — Frage 59 — haben um schriftliche Beantwortung ihrer Fragen gebeten. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 60 des Abgeordneten Dr. Apel auf:
Hat die Bundesregierung inzwischen die zugesagte Überprüfung der Frage, ob es aus Gründen der Verkehrssicherheit nicht dringend notwendig erscheint, daß, wie in unseren westeuropäischen Nachbarstaaten, auch in der Bundesrepublik Deutschland Führerscheine, die durch eine Fahrprüfung auf einem Fahrzeug mit automatischer Gangschaltung erworben werden, nicht ohne weiteres auch zum Fahren von PKW mit traditioneller Gangschaltung berechtigen, abgeschlossen, und zu welchem Ergebnis ist sie gekommen?
Herr Kollege, die Prüfung konnte leider noch nicht abgeschlossen werden. Die zum Teil recht schwierigen Verhandlungen mit den Länder dauern noch an. Ich bitte Sie deshalb herzlich, sich noch einige Wochen zu gedulden. Ich werde Ihnen, sofern Sie es wünschen, gern schriftlich berichten, sobald eine Entscheidung gefallen ist.
Keine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter? — Danke.Die Herren Abgeodneten Dr. Kempfler — Frage 61 —, Leicht — Frage 62 — und Baier — Frage 63 — haben um schriftliche Beantwortung
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8186 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 142. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Oktober 1971
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausenihrer Fragen gebeten. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.Herr Abgeordneter Dr. Arnold hat seine Frage 64 zurückgezogen.Die Frage 65 ist vom Abgeordneten Ollesch eingebracht. — Ich sehe den Herrn Abgeordneten nicht im Saal. Die Frage wird daher schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt., Die Frage 66 ist vom Herrn Abgeordneten Dr. Schneider gestellt. — Der Herr Abgeordnete Dr. Schneider ist nicht im Saal, die Frage wird daher schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.Der Herr Abgeordnete Dr. Evers hat gebeten, seine beiden Fragen schriftlich zu beantworten. Das wird geschehen. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.Wir kommen dann zu Frage 69 der Frau Abgeordneten Renger. — Die Frau Kollegin ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.Herr Abgeordneter Dr. Wittmann, Sie haben ausgeharrt. Ich rufe nunmehr die von Ihnen gestellte Frage 70 auf:Erwägt die Bundesregierung angesichts der steigenden Zahl von Verkehrsunfällen, bei denen mitfahrende Kinder verletzt werden, eine Änderung der Straßenverkehrs-Ordnung, wonach die Beförderung von Kindern auf dem Beifahrersitz von Personenkraftwagen verboten wird, sowie amtliche Richtlinien für die Gestaltung von Kindersitzen und Kindergurten in Autos zu erlassen?Herr Staatssekretär!
Herr Kollege, die Bundesregierung erwägt nicht, ein ausdrückliches Verbot der Beförderung von Kindern auf den Vordersitzen von Kraftfahrzeugen zu erlassen. Sie ist jedoch bemüht, im Rahmen der Möglichkeiten der Verkehrserziehung auf die Verkehrsteilnehmer entsprechend einzuwirken und sie an ihre persönliche Verantwortung gegenüber mitfahrenden Kindern zu erinnern.
Amtliche Richtlinien für die Gestaltung und Prüfung von Sitzen und Gurten für Kinder sind zur Zeit noch nicht möglich, da die dazu nötigen Erkenntnisse über technische Möglichkeiten zum Schutz von Kleinstkindern, Kleinkindern und auch etwas größeren Kindern nicht ausreichend sind. Der Bundesverkehrsminister hat ein Forschungsinstitut mit einem Untersuchungsprogramm beauftragt, das Aufschluß geben soll über die bei einem Aufprall auftretenden Beschleunigungen, Beanspruchungen und Bewegungsabläufe bei den unterschiedlichen Möglichkeiten der Unterbringung von Kindern in Kraftfahrzeugen. Erste Untersuchungsergebnisse dürfen für das Frühjahr 1972 erwartet werden.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Wittmann.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß Österreich hier schon beispielhaft vorausgegangen ist, und werden in die Untersuchungen auch die österreichischen Erfahrungen a) mit den gesetzlichen Bestimmungen bzw. sonstigen Rechtsvorschriften und b) auch mit den technischen Prüfungen, die dort erfolgt sind, mit einbezogen?
Herr Kollege, selbstverständlich sind wir auch mit unseren österreichischen Partnern in ständigem Kontakt. Wir wissen, daß dort in den letzten Monaten eine entsprechende Verordnung erlassen wurde. Die praktischen Erfahrungen, die im österreichischen Straßenverkehr mit dieser Verordnung gemacht worden sind, werden in unsere Überlegungen einbezogen.
Keine weitere Zusatzfrage.
Meine Damen und Herren, die Fragen 71 und 72 des Herrn Abgeordneten Höcherl wurden vom Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen beantwortet.
Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen beantwortet. Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Städtebau und Wohnungswesen auf. Zur Beantwortung der gestellten Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Ravens zur Verfügung.
Der Herr Abgeordnete Röhner ist nicht im Saal, so daß die von ihm gestellten Fragen 73 und 74 schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Der Herr Abgeordnete Dr. Weber hat um schriftliche Beantwortung der Fragen 75 und 76 gebeten. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Dann rufe ich die Frage 77 des Herrn Abgeordneten Dr. Fuchs auf:
Trifft es zu, daß die Vergaberichtlinien für Reparatur- und Ausbaudarlehen für den Althausbesitz für dieses Jahr erst im Spätherbst erlassen werden?
Herr Kollege, für die Bundesdarlehen zur Instandsetzung und Modernisierung von Wohngebäuden aus dem langfristigen Wohnungsbauprogramm gelten die Richtlinien in der Fassung vom 26. August 1970 unverändert.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind die Richtlinien auch bereits den Ländern mitgeteilt worden?
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 142. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Oktober 1971 8187
Die Länder wissen, daß die Vergaberichtlinien vom 26. August 1970 unverändert Gültigkeit haben werden.
Keine weitere Zusatzfrage zu diesem Komplex.
Dann rufe ich die Frage 78 des Herrn Abgeordneten Dr. Fuchs auf:
Wann und in welcher Hohe werden bzw. sind den einzelnen Bundesländern Mittel für diesen Zweck zugewiesen?
Herr Staatssekretär!
Die zur Verfügung stehenden 17 Millionen DM werden in Kürze an die Bundesländer unter Zugrundelegung des auch bisher angewandten Schlüssels verteilt. Unter diesen Umständen glaube ich von einer Nennung von Einzelbeträgen absehen zu dürfen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Fuchs.
Herr Staatssekretär, sind die Mittel von den einzelnen Ländern auch bereits abgerufen worden, und in welcher Höhe ist das geschehen?
Nein, die Abberufung der Mittel durch die Länder ist nicht erfolgt. Auch die Zuweisung ist noch nicht
erfolgt. Sie erfolgt in diesen Tagen. Die Bundesregierung ist davon ausgegangen, daß die Modernisierungsdarlehen aus konjunkturellen Überlegungen und zur Stützung des Winterhaus erst sehr spät im Jahr an die Länder gegeben werden sollten.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sehen Sie darin nicht eine Benachteiligung jener Gebiete in der Bundesrepublik, in denen auf Grund des Klimas Winterbau nicht möglich ist?
Herr Kollege, bei den Modernisierungsmaßnahmen handelt es sich im wesentlichen um Innenausbauten. Ich denke, daß der Einbau einer Badewanne auch bei 36 Grad unter Null möglich ist, weil das Haus von innen zu erwärmen ist.
Meine Damen und Herren, damit stehen wir am Ende der Fragestunde und zugleich am Ende dieser Sitzung.
Ich berufe die nächste Plenarsitzung auf Dienstag, den 19. Oktober 1971, 11 Uhr *) ein. Auf der Tagesordnung steht die Einbringung des Haushalts.
Die Sitzung ist geschlossen.