Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Wir kommen zum einzigen Punkt der heutigen Tagesordnung:
Fragestunde
— Drucksache VI/2113 —
Wir behandeln zuerst die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Herrn Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes. Zur Beantwortung dieser Fragen steht der Herr Bundesminister Professor Dr. Ehmke zur Verfügung.
Ich rufe Frage 97 des Abgeordneten Ott auf:
In welcher Weise hat die Bundesregierung der Stadt Augsburg seit der Erklärung des Herrn Bundeskanzlers in einer Anzeige in der Augsburger Allgemeinen Zeitung vom 7. März 1970: „Sie wissen, daß wir gegenwärtig bemüht sind, Augsburg bei der Lösung seiner Zukunftsaufgaben zu helfen" tatsächlich geholfen?
Herr Präsident, ich wäre dankbar, wenn ich die beiden Fragen des Kollegen Ott zusammen beantworten dürfte.
Herr Kollege Ott, Sie sind einverstanden? — Dann rufe ich auch Frage 98 auf:
Hat die Stadt Augsburg das vom Herrn Bundeskanzler am 7, März 1970 gemachte Angebot, wonach sie bei der Bundesregierung stets offene Türen findet, bisher in Anspruch genommen und wie?
Bitte sehr, Herr Bundesminister!
Es ist ein erklärtes Ziel der Politik der Bundesregierung, Herr Abgeordneter, den Gemeinden bei der Lösung ihrer Aufgaben zu helfen. Mit dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz, dem Städtebauförderungsgesetz und dem Krankenhausfinanzierungsgesetz sollen die Gemeinden noch besser als bisher in den Stand gesetzt werden, den modernen Lebensverhältnissen zu entsprechen und den künftigen Problemen gewachsen zu sein.Die allgemeine Förderung der Gemeinden durch den Bund kommt auch der Stadt Augsburg zugute. Bei der Planung und Durchführung von konkreten Maßnahmen aller Bereiche, bei denen eine finanzielle Unterstützung des Bundes in Betracht kommen kann, steht die Stadt Augsburg in ständigem engen Kontakt mit der Bundesregierung.Auf Antrag der Verwaltung, einzelner Institutionen oder von Bürgern der Stadt Augsburg wurden bzw. werden vom Bund im einzelnen die folgenden Vorhaben gefördert:Erstens. Für Baumaßnahmen in den Fachbereichen Wirtschafts- und Sozialwissenschaften sowie Rechtswissenschaften der Universität Augsburg hat die Bundesregierung 1970 im Rahmen des Schnellbauprogramms 5 Millionen DM zur Verfügung gestellt. Im Jahre 1971 sind dafür weitere 3,5 Millionen DM vorgesehen. Darüber hinaus wird die Bundesregierung mit der Einbeziehung der Universität Augsburg in die Förderung nach dem Hochschulbauförderungsgesetz einen wichtigen Beitrag für den langfristigen Auf- und Ausbau dieser Hochschule leisten.Zweitens. Durch die Erhöhung des Bundesanteils an den Kosten der Olympischen Spiele werden die Kosten der Stadt Augsburg für die Durchführung der Kanu-Wettbewerbe gemindert. Die vorgesehene Anerkennung dieser Sportstätten durch den Bund als Kanu-Leistungszentrum bedeutet zudem eine Senkung der Folgekosten.Drittens. Für die Erarbeitung von praktisch anwendbaren Grundsätzen und Methoden der Koordinierung des Einsatzes raumwirksamer Bundesmittel im Raum Augsburg hat die Bundesregierung Herrn Professor Gottfried Müller, TH München, einen Forschungsauftrag — über 167 600 DM — erteilt. Damit sind zugleich die Voraussetzungen für einen kostengünstigen Anschlußauftrag der Stadt Augsburg geschaffen worden.Viertens. Die Bundesregierung beabsichtigt, sich an den Kosten einer Strukturuntersuchung über den Raum Augsburg mit einem Planungszuschuß von 100 000 DM zu beteiligen. Es wird ferner geprüft, ob für die Bebauung des alten Flugplatzes nach den Grundsätzen für Demonstrationsbauvorhaben Mittel bereitgestellt werden können. Einen entsprechenden Antrag der Stadt Augsburg hat die Oberste Baubehörde des Freistaates Bayern aber noch nicht befürwortet.
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6824 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. April 1971
Bundesminister Dr. EhmkeFünftens. Aus dem Teil des Aufkommens der Mineralölsteuer, der von der Bundesregierung für den kommunalen Straßenbau bereitgestellt wird, sind im Jahre 1970 der Stadt Augsburg für den Straßenbau 1,5 Millionen DM zugeflossen. Im Jahre 1971 sind dafür auf der Grundlage des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes 2,4 Millionen DM vorgesehen. Im übrigen erhalten die Augsburger Verkehrsunternehmen für Investitionen im Rahmen des Programms zur Förderung des kombinierten Verkehrs und des Gleisanschlußverkehrs Zuschüsse des Bundes.Sechstens. Für ein überbetriebliches Ausbildungszentrum der Handwerkskammer Augsburg wird der Bund aus Gewerbeförderungsmitteln einen Zuschuß von 1,2 Millionen DM zu den Gesamtkosten von 7,5 Millionen DM gewähren.Siebentens. Aus Mitteln des ERP-Sondervermögens sind 1970 im Rahmen der Kreditprogramme für Existenzgründungen von Nachwuchskräften, für die Anschaffung von EDV-Anlagen, für Vertriebene und für Produktionsumstellungen 6,327 Millionen DM zur Verfügung gestellt worden. Mit diesem Betrag wurden in Augsburg bei 14 Vorhaben Investitionen in einer Gesamthöhe von 33,375 Millionen DM initiiert.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ott.
Herr Bundesminister, die Ausführungen, die Sie gemacht haben, betreffen Maßnahmen, die für alle übrigen Großstädte in gleicher Weise gelten. Deshalb frage ich Sie: Welche speziellen Projekte, die in ,dieser Anzeige vom 7. März 1970 zweifellos gemeint waren, sind in Augsburg gefördert worden?
Herr Abgeordneter, ich verstehe Sie nicht. Ich bin der Meinung, dies ist eine sehr stolze Leistungsbilanz für die Förderung einer Stadt wie Augsburg.
Und zum Teil hat ja überhaupt erst diese Regierung die gesetzlichen Voraussetzungen dafür geschaffen. Daß wir außerhalb der gesetzlichen Voraussetzungen fördern könnten, können Sie doch selbst nicht annehmen.
Herr Abgeordneter, Sie haben eine weitere Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, würden Sie sagen, daß es eine spezielle Förderungsmaßnahme für die Stadt Augsburg ist, wenn eine weit über den Raum Augsburg hinausgreifende Institution wie beispielsweise die Universität gefördert wird?
Aber ganz sicher! Für eine junge Universitätsstadt wie Augsburg ist es natürlich wichtig, daß der Bund mit viel größeren Mitteln als bisher z. B. in die Universitätsbauförderung hineingegangen ist. Das kommt dieser Stadt unmittelbar zugute.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, in welcher Weise haben Sie der Stadt Augsburg auf dem Wohnungsbausektor und auf dem Gebiet der Krankenhäuser die vom Herrn Bundeskanzler angekündigte Förderung angedeihen lassen?
Ich habe ja gesagt: das setzt voraus, daß das Städtebauförderungsgesetz endlich verabschiedet wird, worauf die Koalitionsparteien sehr drängen, und daß das Krankenhausfinanzierungsgesetz, das ja zum Teil zwischen Bund und Ländern noch strittig ist, verabschiedet wird. Das würden dann zwei weitere gesetzliche Grundlagen sein, auf Grund deren noch über die schon vorhandenen Förderungsmaßnahmen hinaus den Gemeinden und auch der Stadt Augsburg geholfen werden kann.
Eine letzte Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, ist Ihnen bekannt, daß die von der Stadt Augsburg vorgesehene und von der „Neuen Heimat" geplante und projektierte Maßnahme, auf dem Flugplatz Wohnungen zu bauen, daran gescheitert ist, daß die Maßnahme, die zwar durchgeführt werden könnte, — —
Herr Kollege Ott, die Frage steht nicht mehr in unmittelbarem Zusammenhang mit den von Ihnen gestellten Fragen.
Herr Präsident, ich darf dazu aber noch folgendes sagen. Das Demonstrationsbauvorhaben auf dem Flugplatz wird ja von uns geprüft. Aber die zuständige bayerische Behörde hat den Antrag bis jetzt nicht befürwortet. Es liegt jetzt zunächst am Freistaat Bayern, seine Entscheidung zu treffen.
Herr Kollege, Sie haben keine Zusatzfragen mehr. Damit sind die Fragen aus dem Gschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes bantwortet. Herr Minister, ich danke Ihnen.Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Reischl zur Verfügung. Ich rufe die Frage 59 des Abgeordneten Schedl auf:Welche steuerlichen oder sonstigen Maßnahmen kann die Bundesregierung zur Entlastung des Friseurhandwerks ergreifen, das derzeit von einem empfindlichen Umsatzrückgang, verursacht durch Modeerscheinungen und den zunehmenden Gebrauch von Perücken, betroffen ist?Herr Staatssekretär!
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. April 1971 6825
Das Friseurhandwerk fordert in erster Linie eine Ermäßigung der Umsatzsteuer. Gleiche Anträge liegen aber auch aus anderen Bereichen des lohnintensiven Handwerks und darüber hinaus aus dem gesamten Dienstleistungsbereich vor.
Die Verhältnisse im Friseurgewerbe unterscheiden sich nicht derart von der Lage des übrigen lohnintensiven Dienstleistungsgewerbes, daß eine steuerliche Bevorzugung der Friseure gerechtfertigt wäre. Andererseits würde eine Steuerermäßigung für den gesamten lohnintensiven Dienstleistungsbereich — ganz abgesehen von der Frage der Abgrenzung — schon aus rein haushaltsmäßigen Gründen nicht zu vertreten sein.
Auch einkommensteuerliche Entlastungsmaßnahmen können nicht in Betracht kommen; denn sie würden den wirklich notleidenden Unternehmen nicht zugute kommen. Diese Unternehmen haben nämlich entweder keine oder nur eine sehr geringe Einkommensteuer zu entrichten.
Sonstige Maßnahmen, die zu finanziellen Auswirkungen auf der Ausgabenseite des Bundeshaushalts führen würden, sind nicht vorgesehen.
Herr Kollege, haben Sie eine Zusatzfrage? — Bitte!
Herr Staatssekretär, das bedeutet also ganz konkret, daß die für das Friseurhandwerk seit langem angestrebte Senkung des Mehrwertsteuersatzes im Moment in Ihrem Hause nicht zur Debatte steht?
Nein, das wird nicht in Erwägung gezogen.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Ott.
Herr Staatssekretär, sind Sie in der Lage, mir zu sagen, wann die Bundesregierung die längst angekündigte Novelle zum Mehrwertsteuergesetz im Bundestag einbringen wird?
Die Novelle ist jetzt im letzten Stadium der Vorbereitung. Ich hoffe, daß sie noch vor der Sommerpause eingebracht wird.
Ich rufe die Fragen 60 und 61 des Abgeordneten Höcherl auf. Ist der Abgeordnete im Saal? — Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Seine Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 62 des Abgeordneten Dr. Arndt auf:
Glaubt die Bundesregierung, daß die Regelung in Abschnitt 36 a Abs. 2 der Lohnsteuer-Richtlinien 1970, die es den Finanzämtern nicht gestattet, Rückzahlungen von Studiendarlehen als
Sonderausgaben nach § 10 Nr. 9 des Einkommensteuergesetzes in bestimmtem Umfang ab 1969 zu berücksichtigen, mit dem Sinn der gesetzlichen Regelung und dem bildungspolitischen Konzept der Bundesregierung übereinstimmt?
Herr Staatssekretär!
Herr Präsident, ich wäre dankbar, wenn ich beide Fragen des Abgeordneten Dr. Arndt wegen des Sachzusammenhangs zusammen beantworten könnte.
Der Fragesteller ist einverstanden. Dann rufe ich auch die Frage 63 des Abgeordneten Dr. Arndt auf:
Hat der Bundesminister der Finanzen bei der Abfassung des Abschnitts 36 a Abs. 2 der Lohnsteuer-Richtlinien 1970 berücksichtigt, daß nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs die Rückzahlung von Studiendarlehen in der Regel auch nicht als außergewöhnliche Belastung nach § 33 des Einkommensteuergesetzes zugelassen wird?
Für den Abzug von Sonderausgaben gilt ebenso wie für den Abzug von Werbungskosten die Vorschrift des § 11 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes. Danach sind Ausgaben für das Kalenderjahr steuerlich abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind.
Diese Vorschrift läßt es somit nicht zu, Tilgungsraten für Studiendarlehen als Sonderausgaben im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 9 des Einkommensteuergesetzes abzuziehen. Hieran kann auch der Umstand nichts ändern, daß Tilgungsraten für Studiendarlehen nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nur in ganz besonders gelagerten Ausnahmefällen als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 des Einkommensteuergesetzes anerkannt werden können.
Eine Regelung, die den Abzug von Tilgungsraten zulassen würde, verbietet sich aber auch deshalb, weil sonst diejenigen Steuerpflichtigen benachteiligt wären, die ihre Studienkosten aus eigenen Mitteln aufgebracht haben, sie aber im Jahr der Verausgabung nicht oder nicht mit voller steuerlicher Auswirkung als Sonderausgaben geltend machen konnten. Dieser Personenkreis würde deshalb mit Sicherheit die nachträgliche Berücksichtigung von Ausbildungskosten in der Zeit nach Aufnahme der Berufstätigkeit fordern. Das würde aber zu unüberwindlichen verwaltungsmäßigen Schwierigkeiten führen, insbesondere weil ein Rückgriff auf längst abgeschlossene Besteuerungszeiträume erforderlich würde, in denen der Betroffene beim Finanzamt unter Umständen nicht geführt worden ist.
Aus diesen Gründen ist in Abschnitt 36 a Abs. 2 der Lohnsteuerrichtlinien bestimmt worden, daß Aufwendungen für die Berufsausbildung für das Kalenderjahr abzuziehen sind, in dem sie geleistet worden sind, und zwar auch dann, wenn sie mit Darlehensmittel bestritten worden sind.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Arndt,
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6826 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. April 1971
Herr Staatssekretär, wenn, wie Sie soeben selbst gesagt haben, solche Studiendarlehen auch außergewöhnliche Belastungen darstellen können, warum wurden dann in den Lohnsteuerrichtlinien im Zusammenhang mit § 11 Abs. 2 nur Sonderausgaben und Werbungskosten genannt?
Die Vorschrift des § 11 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes gilt nicht in Fällen, in denen Aufwendungen, die außergewöhnliche Belastungen im Sinne des § 33 des Einkommensteuergesetzes darstellen, mit Darlehensmitteln bestritten wurden. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs liegt in solchen Fällen eine berücksichtigungsfähige außergewöhnliche Belastung grundsätzlich erst im Jahr der Tilgung der Schuld vor. Soweit allerdings zu Unrecht die Aufwendungen bereits im Jahr der Verausgabung berücksichtigt worden sind, können sie nach der angeführten Rechtsprechung im Jahr der Tilgung nicht mehr berücksichtigt werden. Ein entsprechender Hinweis findet sich in Abschnitt 189 a Abs. 1 der Einkommensteuer-Richtlinien.
Eine weitere Zusatzfrage.
Erwägt die Bundesregierung eventuell eine Gesetzesänderung, weil der Bundesfinanzhof in ständiger Rechtsprechung trotz des § 11 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes den Abzug von Aufwendungen für außergewöhnliche Belastungen, die zunächst aus aufgenommenen Darlehen bestritten wurden, erst im Zeitpunkt der Schuldentilgung zuläßt?
Die Frage, ob man das Gesetz ändern soll, wird erst im Zusammenhang mit der Steuerreform geprüft werden können.
Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage.
Ist der Bundesregierung bekannt, Herr Staatssekretär, daß Eltern, die das Studium ihrer Kinder ohne Schwierigkeiten selbst finanziert haben, bereits Hinweise in der einschlägigen Literatur gegeben werden, daß sie durch Übertragung von Vermögensteilen auf ihre Kinder Steuervorteile nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 des Einkommensteuergesetzes in Anspruch nehmen können, die sie ihrerseits dann für ihre Familie erhalten?
Eltern haben, worauf auch in der einschlägigen Literatur hingewiesen wird, die Möglichkeit, Einkunftsteile mit steuerlicher Wirkung auf ihre Kinder zu übertragen. Voraussetzung für die steuerliche Anerkennung ist, daß auch sämtliche bürgerlich-rechtlichen Konsequenzen gezogen werden. In diesen Fällen können die Kinder eigene Ausbildungsaufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 des Einkommensteuergesetzes als Sonderausgaben abziehen. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, daß solche Übertragungen nicht allein deswegen vorgenommen werden, um den Kindern die Möglichkeit des beschränkten Sonderausgabenabzugs von Ausbildungsaufwendungen zu eröffnen. Dafür sprechen schon die schwerwiegenden bürgerlich-rechtlichen Auswirkungen, die mit solchen Übertragungen verbunden sind.
Sie haben eine letzte Zusatzfrage. Bitte, Herr Kollege!
Herr Staatssekretär, würden Sie die von Ihnen wenigstens für die Finanzreform angekündigte Prüfung einer Änderung des Einkommensteuergesetzes in engster Zusammenarbeit mit dem Bundesminister für Bildung und Wissenschaft vornehmen, um hier keinen Widerspruch zwischen der Finanzpolitik und den bildungspolitischen Zielen dieser Bundesregierung aufkommen zu lassen?
Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft ist ohnehin im Rahmen des Kabinetts an den Vorbereitungen der Finanzreform beteiligt. Es ist ganz selbstverständlich, daß alle Probleme, die beim Steuergesetz auftreten und bildungspolitische Auswirkungen haben könnten. auch dort eingehend geprüft werden und daß die dortige Meinung dann entsprechend gewürdigt wird.
Herr Kollege Fuchs zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, glauben Sie, daß die Anwesenheit bei den Kabinettssitzungen genügt, um hier irgendwelche Widersprüche zu vermeiden?
Aber Herr Kollege, es ist doch nicht so, daß die erst im Kabinett zum erstenmal von dieser Sache hören, sondern das geht doch so vor sich, daß die Referenten der Ressorts wochen-, monatelang vorher hin und her verhandeln, und Sie können sich darauf verlassen, daß dabei die Meinung jedes Ministeriums zum Ausdruck kommt.
Herr Kollege Höcherl, Sie kamen gerade in den Saal, nachdem ich Ihre Fragen schon aufgerufen hatte. Ich komme daher auf die beiden Fragen zurück. Wenn Sie uns durch Maß bei Zusatzfragen die Abwicklung erleichtern könnten, wäre ich Ihnen dankbar,
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. April 1971 6827
Ich bitte, auch diese beiden Fragen im Zusammenhang beantworten zu dürfen.
Ich rufe noch einmal die beiden Fragen 60 und 61 des Abgeordneten Höcherl auf:
Wie hoch ist die steuerliche Hektarbelastung der Landwirtschaft in den einzelnen EWG-Ländern?
Ist die Bundesregierung bereit, etwaige steuerliche Wettbewerbsverzerrungen durch die Anpassung der nationalen Steuergesetzgebung auszugleichen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die steuerliche Hektarbelastung der Landwirtschaft in den einzelnen EWG-Ländern läßt sich nicht feststellen, da dem Bundesminister dei Finanzen über sie keine Statistiken vorliegen. im übrigen sei hierzu bemerkt, daß ein Vergleich der steuerlichen Belastung der Landwirtschaft in den einzelnen EWG-Ländern wegen der unterschiedlichen Steuersysteme erhebliche Schwierigkeiten bereiten würde.
Da dem Bundesminister der Finanzen Statistiken über die steuerliche Belastung der Landwirtschaft in den einzelnen EWG-Ländern nicht vorliegen, kann auch nicht zu der Frage Stellung genommen werden, ob Unterschiede der steuerlichen Belastung der Landwirtschaft in den einzelnen EWG-Ländern zu steuerlichen Wettbewerbsverzerrungen führen. Das Bundesministerium der Finanzen wird bei der EWG-Kommission anfragen, ob dort entsprechende Unterlagen zur Verfügung stehen. Falls sich danach ergeben sollte, daß steuerliche Wettbewerbsverzerrungen zuungunsten der Landwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland bestehen, wird die Frage des Ausgleichs einer solchen Wettbewerbsverzerrung im Rahmen der Steuerreform geprüft werden.
Tiefes Mitleid erfüllt mich wegen der Antwort.
Fragen, Herr Abgeordneter Höcherl!
Weil mich wegen der Antwort tiefes Mitleid erfüllt, darf ich fragen, ob es bei den heutigen Kommunikationsmöglichkeiten und bei den vielen Dokumentationen, die es überall gibt, tatsächlich nicht möglich sein sollte, Auskunft über die steuerliche Hektarbelastung in den einzelnen EWG-Ländern einzuholen. Könnte das nicht vielleicht bei den EWG-Agrarverbänden geschehen? Die wissen doch ganz genau, was sie zu zahlen haben. Glauben Sie nicht, Herr Staatssekretär, daß das ein kurzfristiger Weg wäre?
Herr Kollege, es geht nicht nur um Frankreich, es geht um alle sechs. Da dauert so etwas eine gewisse Zeit. Jedenfalls ist das bei der Kürze der Frist zwischen der Fragestellung und der Antwort auf mündliche Anfragen praktisch nicht zu klären. Aber sobald wir das Ergebnis haben, werden wir daraus Konsequenzen ziehen.
Herr Abgeordneter Dr. Sperling zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, würde es die Bundesregierung begrüßen, wenn alle Präsidenten unseres Parlaments den Brauch übten, zu spät kommende Fragesteller nachträglich noch mit einzubeziehen?
Herr Abgeordneter Dr. Sperling, ich rüge eine solche Frage an die Bundesregierung. Die Angelegenheit fällt nicht in deren Kompetenz. Im übrigen verfahre ich genauso, wie andere Präsidenten im Stuhl bei Fragestellern schon verfahren sind, solange ein Geschäftsbereich noch aufgerufen war.
Der Herr Abgeordnete Mick hat gebeten, die Fragen 64 und 65 schriftlich zu beantworten. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 66 des Abgeordneten Brandt auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, in welchem Umfang Steuervorteile für den Erwerb von Zweitwohnungen durch Umgehung der Vorschrift über die Eigennutzung in Anspruch genommen werden, und ist sie deshalb bereit, den Erwerb von Zweitwohnungen so schwer wie möglich zu machen?
Nach der derzeitigen Fassung des § 7 b des Einkommensteuergesetzes, die Anwendung findet, wenn der Antrag auf Baugenehmigung nach dem 31. Dezember 1964 gestellt wird, ist nicht mehr Voraussetzung für die Inanspruchnahme der erhöhten Absetzungen für Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser und Eigentumswohnungen, daß diese zur Eigennutzung bestimmt sind. Die Vergünstigung wird deshalb weder durch eine Vermietung, noch durch eine Nutzung als Zweitwohnung ausgeschlossen.
Unangemessene Steuervorteile durch Inanspruchnahme der Vergünstigung sind jedoch dadurch ausgeschlossen, daß erhöhte Absetzungen nur noch für ein Objekt — bei Ehegatten für zwei Objekte —gewährt werden. Durch die Inanspruchnahme der erhöhten Absetzungen für eine Zweitwohnung wird hiernach die Berechtigung zur Inanspruchnahme der erhöhten Absetzungen für ein Objekt endgültig verbraucht. Die Bundesregierung hält deshalb Maßnahmen zum Ausschluß von Zweitwohnungen aus der Steuervergünstigung des § 7 b des Einkommensteuergesetzes nicht für erforderlich.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Brandt.
Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht, daß angesichts der Tatsache, daß bei uns noch eine Fülle von Leuten überhaupt auf
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Brandt
Wohnungen wartet, eine Vergünstigung von Zweitwohnungen — Zweitwohnungen als Ferienwohnungen — recht unangemessen erscheint?
Herr Kollege, das kommt ja kaum noch in Betracht. Ich habe Ihnen gesagt, daß praktisch nur noch Ehegatten das machen können. Die meisten nehmen es auch nur einmal in Anspruch. Die Zahl der Fälle, in denen Vergünstigungen für Zweitwohnungen in Anspruch genommen werden, ist nicht so hoch, wie man meint.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich nach der Antwort, die gestern vom Ministerium für Städtebau und Wohnungswesen gegeben worden ist, davon ausgehen, daß die vorhandenen rund 178 000 Zweitwohnungen über eine normale Finanzierung ohne Inanspruchnahme von Steuervorteilen erstellt worden sind?
Herr Kollege, das möchte ich nun nicht behaupten. Denn nach dem vor 1964 geltenden Recht war es ja möglich, für mehrere Wohnungen diese Vorteile in Anspruch zu nehmen. Jetzt ist das auf eine Wohnung beschränkt. Aber wie ich schon gesagt habe, muß diese Frage ohnehin im Zusammenhang mit der Steuerreform geprüft werden. Vorher kann an der Vorschrift nichts mehr geändert werden, damit nicht ständig Unruhe bei den Finanzämtern ausgelöst wird.
Herr Abgeordneter Ott zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mit mir darin überein, daß vor dem 1. Januar 1964 die von dem Kollegen befürchtete Vergünstigung deshalb nicht möglich war, weil Voraussetzung gewesen ist, daß der Betreffende die Wohnung selber nutzte, und weil die Nutzung einer zweiten Eigentumswohnung damals vom Gesetz nicht erlaubt war?
Da haben Sie völlig recht, Herr Kollege. Nur konnte damals eine Zweitwohnung dann gefördert werden, wenn man erklärte, daß man in absehbarer Zeit hineinziehen würde. Das geschah auch oft bei alten Leuten, und dann wurde es ausnahmsweise zugelassen. Darum kann man nicht absolut sagen, es sei nicht möglich gewesen. Aber es war nur in ganz eingeschränktem Ausmaße möglich. Nach dem Gesetz war damals die Förderung einer Zweitwohnung ausgeschlossen.
Der Abgeordnete Wagner hat um schriftliche Beantwortung der Frage 67 gebeten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Die Frage des Herrn Abgeordneten von Alten-Nordheim ist vom Fragesteller zurückgezogen.
Damit, Herr Staatsekretär, sind wir am Ende Ihres Geschäftsbereichs. Ich danke Ihnen sehr.
Ich rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Rohde zur Verfügung.
Der Abgeordnete Bredl und der Abgeordnete Dröscher haben um schriftliche Beantwortung ihrer Fragen 68 und 69 gebeten. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 70 des Abgeordneten Henke auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß Personen, die nach dem Berufsförderungsgesetz an Maßnahmen zur beruflichen Umschulung oder Weiterbildung teilnehmen, oft — wie z. B. in Köln — ein Jahr und länger auf das ihnen zustehende Geld warten müssen?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Präsident, ich würde gern die beiden Fragen des Abgeordneten Henke gemeinsam beantworten.
Ich nehme an, der Herr Abgeordnete ist einverstanden. Dann rufe ich auch die Frage 71 des Herrn Abgeordneten Henke auf:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um diesem Mißstand grundsätzlich abzuhelfen?
Es trifft zu, Herr Kollege, daß bei der Bearbeitung von Anträgen auf Förderung der beruflichen Fortbildung, Umschulung und Einarbeitung nach dem Arbeitsförderungsgesetz zum Teil erhebliche Verzögerungen aufgetreten sind. Im einzelnen hat dazu unser Haus in der Beantwortung der Fragen des Kollegen Grüner am 12. März 1971 und der Kollegin Dr. Orth am 9. Oktober 1970 ausführlich Stellung genommen.In der Zwischenzeit ist eine Reihe von Regelungen getroffen worden, um den Bearbeitungsrückstand so schnell wie möglich abzubauen:Neben den Maßnahmen zur personellen Verstärkung der Dienststellen und zur Vereinfachung des Verfahrens hat der Verwaltungsrat der Bundesanstalt für Arbeit am 30. September 1970 die Anordnungen über die individuelle Förderung der Berufsbildung dahin gehend geändert, daß der Präsident der Bundesanstalt für die zu erstattenden Fahrkosten Pauschbeträge festsetzen kann.Eine Pauschalierung weiterer Leistungen, die ebenfalls eine Änderung der Anordnungen erforderlich machen würde, wird zur Zeit in den Selbstverwaltungsgremien der Bundesanstalt erörtert.Außerdem sind die Arbeitsämter angewiesen worden, Abschläge auf die zu erwartenden Leistun-
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Parlamentarischer Staatssekretär Rohdegen zu zahlen, soweit die Bearbeitung des Antrages in angemessener Frist nicht erfolgen kann.Ich darf Ihnen, Herr Kollege, abschließend versichern, daß unser Haus mit dem Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit in ständigem Kontakt steht, um zu einer schnellen Lösung des von Ihnen genannten Problems zu gelangen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, glauben Sie daran, daß die von Ihnen hier vorgetragenen Maßnahmen ausreichen, um die vom Leiter der Kölner Arbeitsverwaltung vorgeschlagene Novellierung des Gesetzes überflüssig zu machen?
Herr Kollege, aus den Kontakten, die wir mit der Bundesanstalt bisher gehabt haben, wissen wir, daß sich die eingeleiteten Maßnahmen positiv für die Bearbeitung auswirken werden. Im übrigen, Herr Kollege, darf ich darauf hinweisen, daß, abgesehen von der administrativen Seite, auf die Sie hingewiesen haben, dieser Vorgang auch auf dem Hintergrund der Tatsache zu beurteilen ist, daß die Zahl derjenigen Arbeitnehmer, die im letzten Jahr ihr Interesse an beruflicher Bildung und Fortbildung bekundet haben, sehr viel größer ist, als bei der Beratung des Arbeitsförderungsgesetzes seinerzeit angenommen worden ist. Das ist ein positives Zeichen für die Bildungswilligkeit der Arbeitnehmer in unserem Land.
Noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, falls es künftig weiterhin Schwierigkeiten geben sollte — wir wollen das nicht hoffen —, stellen Sie eine Novellierung des Gesetzes und unter Umständen auch personelle Regelungen im Bereich der Arbeitsverwaltung in Aussicht?
Herr Kollege, ohne jetzt im einzelnen schon einer möglichen Entscheidung vorzugreifen, will ich hier sagen, daß wir die weitere Entwicklung auf diesem Feld kritisch beobachten werden.
Damit kommen wir zur Frage 72 des Herrn Abgeordneten Varelmann:
Wie wird die Lebenssituation der Kriegerwitwe bewertet, die auch Bezüge aus der Rentenversicherung empfängt?
Herr Staatssekretär!
Herr Präsident, ich habe den Eindruck, daß auch die Fragen 72 und 73 in sachlichem Zusammenhang stehen.
Wenn der Herr Fragesteller einverstanden ist, rufe ich auch die Frage 73 des Herrn Abgeordneten Varelmann auf:
Wie wird die Lebenssituation einer Arbeiterwitwe bewertet, die Rentenleistungen eus der Rentenversicherung der Arbeiter bezieht und deren früherer Ehemann in etwa gleicher Arbeitsposition stand wie der der Kriegerwitwe?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Das Ziel Ihrer Fragen, Herr Kollege, ist schwer zu erkennen, um das freimütig zu sagen. Offenbar geht es Ihnen um einen Vergleich zwischen den Witwenrenten nach dem Bundesversorgungsgesetz und den Witwenrenten aus der Arbeiterrentenversicherung. Damit stellen sie verschiedene Lebenstatbestände gegenüber, die sich pauschal und ohne Berücksichtigung aller Umstände schwerlich vergleichen lassen. Das wird schon deutlich, wenn sie z. B. daran denken, daß_ in der Kriegsopferversorgung öffentlichrechtliche Entschädigungsansprüche zu erfüllen sind.
Im übrigen wissen Sie, daß die Witwenrente aus der Rentenversicherung nicht eine autonome Größe ist, sondern in unmittelbarem Zusammenhang mit den Rentenvoraussetzungen steht, die der Versicherte erworben hatte. Auf die Bedeutung der Ableitung der Witwenrente von der Rente oder Rentenanwartschaft des Versicherten hat die Bundesregierung unter anderem in ihrem Rentenversicherungsbericht hingewiesen. Bei der Beratung dieses Berichts im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung wird sich Gelegenheit bieten, näher zu ermitteln, in welche Richtung die von Ihnen gestellten Fragen eigentlich zielen sollen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Varelmann.
Herr Staatssekretär, die Statistik besagt, daß die Kriegerwitwe in der Regel nur eine Rente bezieht, die etwa 50 % der Rente der Arbeiterwitwe beträgt. Muß man daraus nicht entnehmen, daß ein beachtlicher Anteil der Kriegerwitwen ein Kümmerdasein führt, wenn nicht die Kinder sie unterstützen?
Herr Kollege, ich darf Sie darauf hinweisen, daß wir mit Blick auf die Lage der Kriegerwitwen im letzten Jahr bei der Weiterentwicklung der Kriegsopferversorgung eine Regelung eingeführt haben, die über das Versorgungsniveau für die Kriegerwitwen unter den früheren Bundesregierungen hinausgeht. Ich darf Sie daran erinnern, daß im Bereich der Kriegsopferversorgung erstmals auf Vorschlag dieser Regierung mit dem ersten Anpassungsgesetz für die Witwen Renten erreicht worden sind, die 60 % der Vollrente eines erwerbsunfähigen Beschädigten entsprechen. Hinzurechnen müssen Sie die Wirkungen der Schadensausgleichsregelungen des Kriegsopferrechts.
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6830 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. April 1971
Herr Staatssekretär, nach der Übersicht bezieht die Arbeiterwitwe in der Regel nur eine Rente, die unter den Sätzen der Sozialhilfe liegt. Ist es deshalb nicht sehr dringlich, zu überprüfen, ob der derzeitige Zustand nicht unbefriedigend ist und ob hier nicht vorab eine Besserung gegenüber anderen Leistungen notwendig ist?
Herr Kollege, wir haben in dem Bericht zu Fragen der Rentenversicherung die Probleme, auf die Sie hinweisen, dokumentiert. Sie werden in absehbarer Zeit im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung eingehend erörtert. Im übrigen arbeitet das Bundesarbeitsministerium an einer Konzeption für die weitere Entwicklung der sozialen Sicherung der Frau, um den Frauen in Zukunft bessere Möglichkeiten für den Erwerb eigener Rentenansprüche zu geben. Es ist mithin damit zu rechnen, daß die von Ihnen aufgeworfenen Fragen in den gesetzgebenden Körperschaften eingehend erörtert werden.
Danke schön. Ich rufe die Frage 74 des Herrn Abgeordneten Fuchs auf:
Ist die Bundesregierung bereit, die erforderlichen Schritte einzuleiten, um den Teilnehmern an überbetrieblichen Maßnahmen der beruflichen Fortbildung und Umschulung, die durch die Bundesanstalt für Arbeit durchgeführt werden, vermögenswirksame Leistungen zu gewähren?
Wollen Sie auch da eine Verbindung, Herr Staatssekretär?
Ich habe den Eindruck, daß das sachdienlich wäre.
Der Herr Fragesteller ist einverstanden. Dann rufe ich auch die Frage 75 des Herrn Abgeordneten Fuchs auf:
Wie hoch schätzt die Bundesregierung die Mittel, die ggf. von der Bundesanstalt oder über Zuschüsse des Bundes aufgebracht werden müßten?
Das Gesetz zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer setzt, wie Sie, Herr Kollege, wissen, nach seiner ganzen Konzeption das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses voraus. Es will die im aktiven Erwerbsleben stehenden Arbeitnehmer durch eine an das Arbeitsverhältnis anknüpfende vermögenswirksame Leistung des Arbeitgebers am volkswirtschaftlichen Vermögenszuwachs beteiligen. Es ist nach diesem Gesetz nicht eine Aufgabe der Versichertengemeinschaft oder des Bundes, an Stelle des Arbeitgebrs über die Leistungen zum Lebensunterhalt hinaus auch Leistungen zur Vermögensbildung zu finanzieren. Das könnte außerdem präjudizierende Wirkungen für andere Bereiche haben.
Sie haben ferner nach den voraussichtlichen finanziellen Konsequenzen Ihrer Überlegungen gefragt. Geht man davon aus, daß 1970 die Bundesanstalt für Arbeit etwa 100 000 Personen Unterhaltsgeld für die Teilnahme an Schulungs- und Fortbildungsmaßnahmen zahlte, dann würden die Kosten für die Zahlung von 624 DM einschließlich Zulagen und Prämien an diesen Personenkreis etwa 100 Millionen DM im Jahr betragen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir zustimmen, daß die Gewährung von vermögenswirksamen Leistungen an diese Arbeitnehmer vor allem in den strukturschwachen Gebieten und in strukturell gefährdeten Branchen einen zusätzlichen Anreiz schaffen würde, sich der Umschulung zu stellen?
Herr Kollege, das ist schwer abzusehen. Das will ich hier jetzt nicht ohne weiteres beantworten.
Ich darf aber noch auf folgendes hinweisen. Die Teilnehmer an diesen Umschulungs- und Fortbildungsmaßnahmen können die allgemeinen Sparförderungsgesetze in Anspruch nehmen, wie z. B. das Spar- und das Wohnungsbauprämiengesetz. Sie sind davon nicht ausgeschlossen. Sie können sie sogar mit erhöhten Vergünstigungen in Anspruch nehmen; denn sie erhalten stets die Zusatzprämie für Bezieher niedriger Einkommen, weil dafür das steuerpflichtige Einkommen maßgebend ist, das Unterhaltsgeld der Bundesanstalt für Arbeit aber nicht steuerpflichtig ist.
Die von Ihnen zunächst aufgeworfene Frage ließe sich das liegt in der Natur der Sache — nicht auf die Empfänger von Unterhaltsgeld nach dem Arbeitsförderungsgesetz beschränken, sondern damit würde die prinzipielle Frage aufgeworfen, ob das 624-DM-Gesetz über den Kreis der in einem Arbeitsverhältnis stehenden Arbeitnehmer hinaus relevant gemacht werden soll.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Professor Schäfer.
Herr Staatssekretär, Sie haben den Grundsatz entwickelt, daß vermögenswirksame Leistungen nur von solchen Arbeitnehmern in Anspruch genommen werden können, die noch in der aktiven Arbeit stehen. Gilt dieser Grundsatz nach Auffassung der Regierung generell für alle Bereiche des öffentlichen Dienstes und der privaten Wirtschaft?
Herr Kollege, wir kommen hier zu Problemen, die im einzelnen bei der Vorlage des Vermögensberichtes erörtert werden müßten, in dessen Zusammenhang ja auch die Beziehungen zwischen Steuerreform und Reform der Sparförderung im einzelnen zu behandeln sind. Im übrigen habe ich nur hinsichtlich der Geltung des 624-DM-Gesetzes auf die Voraussetzung, daß ein Arbeitsverhältnis besteht, hingewie-
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. April 1971 6831
Parlamentarischer Staatssekretär Rohdesen. In der Beantwortung der Zusatzfrage von Herrn Dr. Fuchs habe ich unterstrichen, daß andere Formen der Sparförderung auch für weitere Personenkreise gelten.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schmidt .
Herr Staatssekretär, wie sind die Erfahrungen Ihres Hauses mit den von der Bundesanstalt für Arbeit durchgeführten Maßnahmen zur beruflichen Fortbildung und Schulung?
Herr Kollege, das ist nun ein Sachverhalt, der über diese Frage nach dem 624-DM-Gesetz — —
Herr Kollege, Ihre Frage steht nicht mehr in dem durch die Richtlinien leider geforderten unmittelbaren Zusammenhang. Ich bitte dafür um Verständnis.
Aber eines darf ich vielleicht sagen, Herr Präsident. Unser Haus würde gern Gelegenheit nehmen, über die positiven Auswirkungen des Arbeitsförderungsgesetzes und die Erfahrungen damit diesem Haus zu berichten.
Herr Kollege Schmidt, Sie könnten das vielleicht noch für die Fragestunde der nächsten Woche schaffen.
Herr Staatssekretär, damit sind die Fragen aus Ihrem Geschäftsbereich beantwortet. Ich danke Ihnen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Berkhan zur Verfügung.
Die Fragen 76 und 79 werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage zum Stenographischen Bericht abgedruckt.
Ich rufe die Frage 77 des Abgeordneten Dr. Jenninger auf:
Trifft es zu, daß bei der Auswahl der Bewerber für die Ausbildung zum Offizier des militärfachlichen Dienstes vorrangig das Ergebnis eines eineinhalbstündigen psychologischen Tests für die Eignung oder Nichteignung ausschlaggebend war?
Ich weiß nicht, Herr Staatssekretär, ob Sie die beiden Fragen des Abgeordneten Dr. Jenninger gemeinsam beantworten wollen.
Herr Präsident und Herr Kollege, ich wäre Ihnen dankbar, wenn ich die beiden Fragen gemeinsam beantworten dürfte.
Der Fragesteller ist einverstanden. Ich rufe auch noch die Frage 78 des Abgeordneten Dr. Jenninger auf:
In welchem Umfang wurden die dienstlichen Beurteilungen durch die Vorgesetzten bei der Auswahlprüfung herangezogen?
Für die Ausbildung zum Offizier des militärfachlichen Dienstes ist die dienstliche Beurteilung und nicht das Ergebnis eines psychologischen Tests vorrangig und ausschlaggebend gewesen. Eine erste Übergangsregelung — sie betraf Stabs- und Oberstabsfeldwebel sowie Feldwebeldienstgrade mit der Zusage der Ausbildung zum Stabsfeldwebel — sah Ausbildung auf Grund von Bewerbung, jedoch keine Auswahl und somit auch kein Testverfahren vor. Bei der zweiten Übergangsregelung, die die übrigen Unteroffiziere in Feldwebeldienstgraden erfaßte, war dagegen wegen der begrenzten Zahl der zur Verfügung stehenden Stellen und der hohen Zahl der Bewerber eine Auswahl erforderlich. Die psychologischen Tests, die im übrigen nur beim Heer und bei der Marine durchgeführt wurden, sind hierbei jedoch lediglich mit einem Anteil bis höchstens 25 % berücksichtigt worden.
Haben Sie noch Zusatzfragen, Herr Kollege?
Ich habe eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Sie sagen, Tests seien nur zu 25 % berücksichtigt worden. Wie können Sie sich dann erklären, daß Feldwebel, die jahrelang durch ihre Vorgesetzten eine Beurteilung mit „gut" und „sehr gut" hatten, in diesem Fall keine Berücksichtigung erfahren haben?
Bis höchstens 25 % habe ich gerade gesagt; sehr häufig ist es darunter geblieben.
Herr Kollege Dr. Jenninger, dies ist ein Übergang von einer Laufbahn in die andere, und es ist durchaus möglich, daß sie in der Laufbahn A immer gute Beurteilungen haben, daß sie dennoch bei der Prüfung, ob sie in die Laufbahn B übernommen werden können, dabei an bestimmten Grenzen scheitern, die in der Laufbahn A gar nicht relevant sind. Ich kann so zu Ihnen sprechen, da Sie als ehemaliger Beamter bzw. als Beamter im einstweiligen Ruhestand genau wissen, was ich damit meine. Dieses Problem tritt ja nicht nur bei Soldaten auf, sondern Aufstiegslaufbahnen bei Beamten zeigen häufig ähnliche Ergebnisse.
Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, würden Sie es nicht im Rahmen der Fürsorgepflicht so sehen, daß die Art und Weise der Benachrichti-
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Dr. Jenningergung der Betroffenen, die durchgefallen sind, vielleicht etwas geschickter hätte durchgeführt werden sollen, nicht mit dem lapidaren Satz: „Sie sind für diese Laufbahn nicht geeignet"?
Herr Kollege Dr. Jenninger, wenn ich Ihnen die Zahlen vortrüge, die in diesen Prozeß eingeflossen sind, würde Ihnen klar, daß der rein bürokratische Ablauf den verantwortlichen Beamten und Mitarbeitern und Soldaten sehr viel Mühe macht. Ich will gerne zugeben, daß dieser lapidare Satz vielleicht etwas kränkend sein kann. Wir werden uns bemühen, das zu bessern. Dennoch muß ich Sie darauf aufmerksam machen, daß Verwaltungsverfahren, die sich nicht an den Bürger draußen wenden, verwaltungsintern knapper, klarer und verständlicher Sprache bedürfen.
Der Herr Abgeordnete Dr. Slotta wollte noch eine Zusatzfrage stellen.
Herr Staatssekretär, sind Ihnen auch Fälle bekannt, in denen der Test eine positivere Beurteilung als die durch den Truppenoffizier enthält?
Ich weiß zufällig, Herr Kollege Slotta, daß Sie Professor der Pädagogik sind. Sie wissen natürlich, daß es sehr häufig sein kann, daß ein psychologischer Test positiver ist als die Abschlußarbeit. Das ist bei Studenten so, und inwiefern soll das bei Soldaten anders sein?
Herr Kollege, nach den Richtlinien für die Fragestunde kann ich leider keine zweite Zusatzfrage zulassen.
Ich rufe die Frage 80 des Herrn Abgeordneten Peiter auf:
Ist die Bundesregierung bereit, die Heizungskostenzuschüsse für zentralbeheizte Wohnungen von Angehörigen der Bundeswehr der Besoldungsgruppen A 1 bis A 9 wieder einzuführen?
Herr Staatssekretär!
Die Einführung von Heizkostenzuschüssen bedurfte wegen ihrer Ausweitung auf alle Bundesbediensteten der Erörterung mit anderen Bundesressorts, insbesondere dem Bundesminister des Innern und dem Bundesminister der Finanzen. Dabei hat sich ergeben, daß nach der Anhebung der Besoldung im Jahre 1971 insbesondere in den unteren Besoldungsgruppen auch insoweit eine soziale Dringlichkeit nicht mehr vorliegt. Eine Sonderregelung für Angehörige der Bundeswehr allein mußte aus Gründen der Gleichbehandlung der gesamten Bundesverwaltung — vor allem bei Zoll, Bundesgrenzschutz, Bahn und Post — ausscheiden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, meinen Sie nicht auch, daß zwischen den Angehörigen der Bundeswehr und anderen Bundesbediensteten ein Unterschied dergestalt besteht, daß die Angehörigen der Bundeswehr in der Regel in ihnen zugewiesene Wohnungen ziehen müssen, während andere eine freie Auswahl haben und unter Umständen privat wohnen bleiben können?
Dies stimmt nur bedingt auch bei der Zollverwaltung und bei der Bundesbahn gibt es die Möglichkeit, daß jemand in eine zugewiesene Wohnung ziehen muß —, aber das stimmt, Herr Kollege Peiter, was Sie sagen. Nichtsdestoweniger gehe ich davon aus, daß die zugewiesenen Wohnungen in der Heizungstechnik so modern sind, wie es der Zustand der Technik erlaubte, als diese Wohnungen gebaut wurden.
Eine Zusazfrage.
Herr Staatssekretär, ist damit zu rechnen, daß irgendwann in naher Zukunft eine Regelung für alle Bundesbediensteten getroffen wird?
Herr Kollege Peiter, ich fühle mich überfragt.
Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung beantwortet. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz auf. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Bayerl zur Verfügung. Die Frage 56 ist von dem Herrn Abgeordneten Dr. Kliesing eingebracht worden. Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.Die Frage 57 ist von dem Herrn Abgeordneten Memmel eingebracht worden. — Auch der Herr Abgeordnete Memmel ist nicht im Saal, so daß die Antwort als Anlage abgedruckt wird.Ich rufe die Frage 58 des Herrn Abgeordneten Hansen auf:Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um die Wirtschaftskriminalität in der Bundesrepublik Deutschland wirksamer als bisher zo bekämpfen?Herr Staatssekretär!
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Herr Kollege Hansen, die Entwicklung der Wirtschaftskriminalität ist in vielen Bereichen über unser Strafrecht hinweggegangen. Teil der Strafrechtsreform muß also notwendig auch eine Reform des Wirtschaftsstrafrechts sein. Hier fehlt es aber noch an einer umfassenden, auch wissenschaftlich fundierten Bestandsaufnahme dessen, was in der Bundesrepublik auf diesem Gebiet tatsächlich vor sich geht. Erst wenn diese Bestandsaufnahme vorliegt, werden wir im einzelnen genau sagen können, welche Reformmaßnahmen erfolgversprechend sind.
Auf einem wichtigen Teilgebiet, dem des Subventions- und Erstattungsbetrugs, haben wir entsprechende Untersuchungen bereits eingeleitet. Wir haben Anfang 1970 Herrn Professor Tiedemann von der Universität Gießen mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Nach Eingang dieses Gutachtens und nach Abschluß der erforderlichen Vorarbeiten werden wir eine entsprechende Reformnovelle noch in dieser Legislaturperiode vorlegen.
Zur Zeit überprüfen wir bei unseren Arbeiten am Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch, das am 1. Oktober 1973 in Kraft treten soll, eine Reihe von Tatbeständen des Wirtschaftsstrafrechts außerhalb des Strafgesetzbuchs, darunter die Strafbestimmungen der Konkursordnung und des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb. Eine Neufassung der Wuchervorschriften hat die Bundesregierung bereits in dem Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Mietrechts und des Mietanstiegs vorgeschlagen.
Im übrigen ist die Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität auch und vor allem ein Organisations-und Verfahrensproblem. Die Bundesregierung unterstützt seit 1957 die besondere Ausbildung von Richtern und Staatsanwälten durch Lehrgänge der Bundesfinanzakademie in Siegburg. Sie begrüßt es, daß in verstärktem Maße Spezialabteilungen bei Staatsanwaltschaften und besondere Wirtschaftsstrafkammern gebildet werden. Sie hält es auch für notwendig, die Vorschriften der Strafprozeßordnung über die Durchsuchung und die Beschlagnahme, die für die Ermittlung von Wirtschaftsstraftatbeständen von besonderer Bedeutung sind, wirksamer zu fassen, und arbeitet an einer entsprechenden Gesetzesinitiative des Bundesrates mit.
Abschließend verweise ich auf die Bemühungen der Bundesregierung, im Rahmen der Justizreform die Strafverfahren zu straffen, zu beschleunigen, um sie auf diese Weise effektiver zu gestalten. Auch hierin sehe ich einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, kann ich Ihrer Antwort entnehmen, daß die Bundesregierung plant, ein eigenständiges, einheitliches Wirtschaftsstrafrecht zu schaffen, das es erlaubt, solche gesellschaftsschädigenden Handlungen ganz effektiv besser zu verfolgen und abzuurteilen?
Wir prüfen zur Zeit, wie wir auf dem Gebiete des Subventions- und Erstattungsbetrugs und Erstattungsschwindels dem unbefriedigenden Zustand mit einer Reformnovelle begegnen können. Im übrigen bemühen wir uns, im Einführungsgesetz, in der Konkursordnung und im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb einige Wirtschaftsstraftatbestände klarer und wirksamer zu fassen und zu formulieren.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Sperling.
Herr Staatssekretär, gibt es über die von Ihnen genannten Deliktbereiche Zahlen, damit man in der Öffentlichkeit einmal deutlich machen kann, in welchem Ausmaß manche Bürger indirekt anderen Bürgern in die Tasche greifen, indem sie sich Vorteile auf Kosten aller anderen Steuerzahler verschaffen?
Wir sind im Rahmen unserer Vorarbeiten dabei, diese Zahlen zu ermitteln. Ich hoffe, daß wir im Verlauf des nächsten Jahres hierüber ein klareres Zahlenmaterial zur Verfügung haben werden.
Damit ist auch der Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz abgeschlossen. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit auf. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Staatssekretär Dr. von Manger-Koenig zur Verfügung. Die Frage 81 ist von Herrn Abgeordneten Dr. Jungmann gestellt:
Hält es die Bundesregierung angesichts der sozialen Bedeutung und des Nachwuchsmangels in bestimmten Heilberufen, wie z. B. medizinisch-technische Assistenten oder Beschäftigungstherapeuten, heute noch für vertretbar, daß die Ausbildungskosten, insbesondere auch die Kosten für Unterbringung, Verpflegung und sogenannte Materialkosten während der vorgeschriebenen Praktika von den in der Ausbildung stehenden Bewerbern selbst aufgebracht werden müssen?
Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit hat in den vergangenen Tagen versucht, festzustellen, inwieweit in den einzelnen Bundesländern die Praktikanten in den verschiedenen Heilberufen — insbesondere bei den medizinisch-technischen Assistenten und den Beschäftigungstherapeuten — für die Erstattung von Ausbildungskosten herangezogen werden. Nach den uns zugegangenen Informationen, die möglicherweise nicht vollständig sind, habe ich den Eindruck gewonnen, daß die Praktikanten für die Erstattung von Materialkosten nicht herangezogen werden.
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6834 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. April 1971
Staatssekretär Dr. von Manger-KoenigAnders ist es jedoch mit der Aufbringung der Kosten für eine eventuell in Anspruch genommene Unterbringung und Verpflegung. Nach dem Tarifvertrag über die Regelung der Arbeitsbedingungen der Praktikanten für medizinische Hilfsberufe vom 17. Dezember 1970 erhalten die Praktikanten in den in Rede stehenden Heilberufen zur Zeit ein monatliches Entgelt von mindestens 722 DM. Ob die Entgelte der Praktikanten, die nicht diesem Tarifvertrag unterliegen, die gleichen sind, vermag ich nicht mit Sicherheit zu sagen, möchte aber annehmen, daß überall zumindest eine annähernd gleich hohe Vergütung gezahlt wird. Wo das nicht der Fall sein sollte, tritt die Förderung im Rahmen des Ausbildungsförderungsgesetzes ein. Bei dieser Sachlage halte ich es für durchaus vertretbar, daß Praktikantinnen und Praktikanten der genannten Berufe für ihre Unterbringung und Verpflegung einen angemessenen Beitrag leisten.
Ich rufe die Frage 82 des Herrn Abgeordneten Dr. Riedl auf:
Kann die Bundesregierung genaue Angaben über Zahl und Ursache der Geschlechtserkrankungen in der Bundesrepublik Deutschland machen, und welche praktischen Maßnahmen neben den schon vorhandenen gesetzlichen Vorschriften und der eingeleiteten Aufklärung gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, um die offensichtlich ständig steigende Zahl von Geschlechtserkrankungen spürbar zu mindern?
Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, die Bundesstatistik über die ansteckungsfähigen Erkrankungen an Geschlechtskrankheiten nach § 11 a des Gesetzes vom 25. August 1969 wird erst seit dem 1. Juli 1970 geführt. Deshalb liegen noch keine aussagefähigen statistischen Unterlagen für das ganze Bundesgebiet vor. Angaben über die Infektionsquellen werden statistisch nicht erfaßt, weil das Gesetz insoweit eine Meldepflicht nicht festlegt.
Sobald der Bundesregierung ausreichend aussagefähiges statistisches Material vorliegt, wird sie prüfen, ob es notwendig ist, weitere Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung von Geschlechtskrankkeiten zu treffen.
Bitte, Herr Abgeordneter, zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie die Statistik des bayerischen Innenministeriums vom März 1971, wonach im zweiten Halbjahr 1970 in Bayern 6487 Neuerkrankungen zu verzeichnen waren, davon allein 3094 im Bereich der kreisfreien Stadt München? Ist diese enorme Zahl von Neuerkrankungen nicht Anlaß genug, daß sich die Bundesregierung überlegt, ob sie über die bisherigen Maßnahmen hinaus — das war ja meine Frage besondere Maßnahmen ergreifen sollte?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, aussagefähiger sind dann noch die Relativzahlen, die das Ganze in Beziehung zur Einwohnerzahl setzen. Man wird dann ein noch wesentlich besseres Bild bekommen. Bei allem Vorbehalt, den ich eben gegen die augenblickliche Aussagefähigkeit der Statistik angemeldet habe — sie ist noch im Anlaufen —, möchte ich sagen, daß Ihre Zahlen nur das bestätigen, was wir in der Sozialmedizin seit Jahren kennen, daß eben die Großstadtbevölkerung bei erhöhten Expositionsmöglichkeiten und auch bei anderen soziologischen Verhältnissen und anderen zwischenmenschlichen Kontakten erhöht gefährdet ist.
Zur letzten Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie sich also im Hinblick auf die Bekanntgabe von Zahlen — ich mache Ihnen das gar nicht zum Vorwurf — zwangsläufig zurückhalten müssen, weil Sie diese Zahlen nicht haben, darf ich Sie fragen, wie Herr Professor Lundt vom Bundesgesundheitsamt vor einigen Wochen dazu kam, detaillierte Angaben über die Zahl der Neuerkrankungen auf diesem Gebiet in der Bundesrepublik Deutschland zu machen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bekanntgabe mit allen Vorbehalten ist Herrn Lundt nicht zu verwehren. Weil wir aber vor diesem Hohen Hause nur Eindeutiges und Verläßliches zum Trend der Geschlechtskrankheiten sagen wollen, müssen wir im Augenblick an die Zahlen noch mit Vorbehalt herangehen.
Die beiden nächsten Fragen sind von Herrn Abgeordneten Kiechle eingebracht. Der Fragesteller ist wohl damit einverstanden, daß ich die beiden Fragen 83 und 84 gemeinsam aufrufe:
Wieso erklärt die Bundesregierung in ihrer schriftlichen Antwort auf meine mündliche Frage A 69 (Drucksache VI/1983), der von mir zitierte Satz: „Fleisch, Eier, Milch und Butter machten Kinder blaß, aufgeschwemmt, verstopft und appetitlos und gegen Infektionen anfällig" finde sich an keiner Stelle der Broschüre „Die Ernährung des Kleinkindes und des Schulkindes", wenn unter Abschnitt IX folgen- der Satz steht: ,Die sog. kräftige Kost mit reichlich Fleisch, Eiern, Milch und Butter macht Kinder blaß, aufgeschwemmt, verstopft, appetitlos und gegen Infektionen anfällig"?
Hält die Bundesregierung die unter Abschnitt IX ihrer oben angeführten Broschüre abgedruckte Behauptung aufrecht, oder ist sie gegebenenfalls bereit, bei einer Neuauflage der Ernährungsfibel diesen Abschnitt so zu ändern, daß Mißdeutungen ausgeschlossen sind?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wie ich in meiner schriftlichen Antwort vom 22. März 1971 bereits zum Ausdruck gebracht habe, findet sich in der Broschüre „Die Ernährung des Kleinkindes und des Schulkindes" an keiner Stelle der von Ihnen angeführte Satz — hier kommt es auf das Zitat an —: „Fleisch, Eier, Milch und But-
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. April 1971 6835
Staatssekretär Dr. von Manger-Koenigter machten Kinder blaß, aufgeschwemmt, verstopft und appetitlos und gegen Infektionen anfällig".In Kapitel IX, das auf der letzten Seite der Broschüre steht und in dem die wichtigsten Grundregeln für eine richtige Ernährung des Kleinkindes und des Schulkindes in Kurzform zusammengefaßt sind, heißt es: „Die sog. kräftige Kost mit reichlich Fleisch, Eiern, Milch und Butter macht Kinder blaß, aufgeschwemmt, verstopft, appetitlos und gegen Infektionen anfällig. Rohkost oder vegetarische Kost sind für Kinder meist Hungernahrung." Mit diesen Formulierungen sollte herausgestellt werden, daß die Einseitigkeit der Nahrung möglicherweise zu Schäden führt.In Ihrem Zitat, Herr Abgeordneter, sind die für die Beurteilung dieser Aussage entscheidenden Worte „Die sog. kräftige Kost mit reichlich ... " weggelassen worden. Außerdem muß diese Kurzfassung im Zusammenhang mit den Ausführungen in Kapitel VIII — „Falsche Ernährung" — gesehen werden, in dem zu dieser Frage ausführlich Stellung genommen wird.Die Behauptung unter Kapitel IX der Broschüre ist durch langjährige kinderärztliche Erfahrungen gestützt.Ich bin jedoch gern bereit, bei einer Neuauflage prüfen zu lassen, wie die Warnungen vor einseitiger Kost noch deutlicher formuliert werden können, um damit zugleich jeder Möglichkeit einer Mißdeutung vorzubeugen.
Bitte, Herr Kollege, zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie auch unter dem Vorbehalt, daß ich den Vorspann des eigentlich werbewirksamen Satzes weggelassen habe, mit mir der Meinung, daß die Formulierung „reichlich Fleisch ... macht Kinder blaß, aufgeschwemmt, verstopft, appetitlos und gegen Infektionen anfällig", sagen wir einmal, prononciert einseitig ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein, ich halte diese Formulierung keineswegs für einseitig. Es geht uns darum, zu sagen, daß eine einseitige Rohkostnahrung genauso unzweckmäßig ist wie eine einseitige Nahrung, die vorwiegend auf Fleisch, Milch, andere Eiweißträger und Butter abgestellt ist. Es kommt auf die richtige Zusammensetzung an, und das sollte mit dieser Schrift herausgestellt werden.
Eine weitere Zusatzfrage.
Wären Sie bereit — Sie haben es ja bereits angedeutet —, bei der nächsten Auflage hinten nicht das Wörtchen „reichlich", sondern „einseitig" zu verwenden, womit wir uns dann in unseren Auffassungen durchaus näherkämen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich bin bereit — das habe ich schon gesagt —, jede mißverständliche Formulierung auszuräumen, um derartigen Fehlinterpretationen vorzubeugen, Herr Abgeordneter.
Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, war das Bundesministerium für Ernährung bei der Herausgabe dieser Fibel mitbeteiligt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
In diesen ernährungsphysiologischen Fragen, die ja rein medizinischer Natur sind, brauchen wir auf marktwirtschaftliche Gesichtspunkte nicht so dezidiert Rücksicht zu nehmen.
Es war also nicht beteiligt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich gehe davon aus — ich bin im Augenblick überfragt —, daß zu diesen Fragen nicht unbedingt der Landwirtschaftsminister mit herangezogen werden muß.
Ich meine den Bereich „Ernährung".
Jedenfalls kann ich aus meiner Sicht nicht sagen, daß der reichliche Genuß von Fleisch, Milch und Eiern appetitlos macht.
Die nächste Frage ist von dem Herrn Abgeordneten Härzschel gestellt, d. h. es sind zwei Fragen, und ich frage Sie, Herr Staatssekretär, ob Sie die beiden Fragen auch im Zusammenhang beantworten wollen, wenn der Fragesteller einverstanden ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich bitte darum.
Ich rufe also die Fragen 85 und 86 auf:
Sind die im Handel frei erhältlichen Appetitzügler auf ihre gesundheitlichen Auswirkungen überprüft, und ist die Unschädlichkeit festgestellt worden?
Ist der Bundesregierung bekannt, daß vor allem von Frauen über schädliche Nebenwirkungen geklagt wird?
Bitte, Herr Staatssekretär!!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nach meinen Feststellungen sind die im Handel frei erhältlichen Appetitzügler alle registriert.
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6836 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. April 1971
Staatssekretär Dr. von Manger-KoenigBei der Registrierung haben sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, daß sie zu den Arzneimitteln gehören, die bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen im Sinne von § 6 Nr. 1 des Arzneimittelgesetzes hervorrufen. Auch die weiteren Beobachtungen führten bisher zu keinem anderen Ergebnis.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wie erklären Sie sich dann, daß vor allen Dingen Frauen darüber klagen, daß Nebenwirkungen eintreten, die auch von den Ärzten bestätigt werden? Das reicht vom Haarausfall bis zu Kreislaufbeschwerden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung hat von keiner Seite Meldungen erhalten — und nur solche können wir ja aufgreifen —, daß schädliche Nebenwirkungen aufgetreten sind. Wären tatsächlich solche schädlichen Nebenwirkungen in nennenswertem Umfang eingetreten, hätten die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft und die Gesundheitsämter der Städte und Kreise Meldungen darüber erhalten. Das kann um so mehr angenommen werden, als die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft alle Ärzte in Bekanntmachungen vom März 1969 und August 1970 im Deutschen Ärzteblatt darauf hingewiesen hat, ihre Patienten vor der unkontrollierten Einnahme nicht rezeptpflichtiger Appetitzügler nachdrücklich zu warnen. In diesem Falle würde ich sagen: man sollte die Ärzte animieren, ihre Beobachtungen so schnell wie möglich der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft in Göttingen oder dem Bundesgesundheitsamt in Berlin zur Kenntnis zu geben, damit dem nachgegangen werden kann.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, würden Sie es dann nicht für besser halten, diese Mittel rezeptpflichtig zu machen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Arzneimittelgesetz geht davon aus, daß nur solche Arzneimittel unter Rezeptpflicht gestellt werden, die bei bestimmungsgemäßem Gebrauch gewisse schädliche Nebenwirkungen erwarten lassen. Wenn wir aber solche, in einzelnen Praxen beobachtete Nebenwirkungen nicht erfahren, haben wir keinen Anhaltspunkt für eine Unterstellung unter die Rezeptpflicht.
Sie haben eine weitere Zusatzfrage.
Darf ich also Ihrer Antwort entnehmen, daß die Bundesregierung dann, wenn solche Beschwerden kämen, bereit wäre, die Konsequenzen zu ziehen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, das gehört zu den Pflichten der Bundesregierung. Sie ist immer bereit, allen Meldungen über schädliche Nebenwirkungen unverzüglich zusammen mit den erfahrenen Wissenschaftlern und Klinikern nachzugehen.
Ich rufe die beiden nächsten Fragen — des Herrn Abgeordneten Sieglerschmidt — auf. Ich nehme an, Herr Staatssekretär, daß die beiden Fragen auch in diesem Fall von Ihnen gemeinsam beantwortet werden. — Der Fragesteller ist jedenfalls einverstanden. Ich rufe also die Fragen 87 und 88 auf:
Sind neue Tatsachen bekanntgeworden, die die Verwirklichung der Ankündigung der Bundesregierung vom 3. Dezember 1970, das Ratifizierungsverfahren hinsichtlich des UNO-Einheitsabkommens über Suchtstoffe 1961 werde in ein bis zwei Monaten eingeleitet, unmöglich gemacht haben?
Waren die Schwierigkeiten, die — bis jetzt — zehn Jahre die Ratifizierung des UNO-Einheitsabkommens über Suchtstoffe 1961 verhindert haben, bei der Unterzeichnung des Abkommens voraussehbar?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Auf Grund der Bemühungen des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit haben sich die beteiligten Ressorts über die Ratifizierung des UN-Einheitsabkommens über Suchtstoffe von 1961 dahingehend geeinigt, daß die Ratifizierung ohne Einlegung eines Vorbehalts erfolgen soll. Der Entwurf eines Ratifizierungsgesetzes wird seitdem im Bundesministerium für .lugend, Familie und Gesundheit vorbereitet und in Kürze mit den beteiligten Ressorts abgestimmt. Die seinerzeit in der Beantwortung in Aussicht gestellte Ratifizierung bzw. das Ratifizierungsverfahren ist mithin eingeleitet.
Die Antwort auf die Frage 88 lautet wie folgt: Der deutsche Bevollmächtigte auf der Bevollmächtigtenkonferenz 1961 hat mehrmals in den zuständigen Ausschüssen und im Plenum der Konferenz um Abänderung der fraglichen Bestimmung des Art. 3 Abs. 7 über das Inkrafttreten von Beschlüssen der Suchtstoffkommission über die Änderung der Suchtstofflisten gebeten mit der Begründung, daß es für die Bundesregierung aus verfassungsrechtlichen Gründen schwierig sein könnte, der vorliegenden Fassung zuzustimmen.
Die Bevollmächtigtenkonferenz ist diesem Änderungsvorschlag nicht gefolgt, sondern hat ausdrücklich die unmittelbare Wirksamkeit der Beschlüsse der Suchtstoffkommission über die Suchtstofflisten gewünscht.
Eine Zusatzfrage?
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. April 1971 6837
Herr Staatssekretär, darf ich der Bundesregierung ausdrücklich dafür danken, daß die monatelangen Bemühungen diesen Erfolg gehabt haben.
Ich komme zu den Fragen 89 und 90 des Herrn Abgeordneten Strohmayr:
Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß die in Gaststättenbetrieben bisweilen beobachtete Warenunterschiebung durch Abgeben eines anderen als des bestellten Erzeugnisses ohne Unterrichtung des Gastes nach § 4 Nr. 3 des Lebensmittelgesetzes ausreichend als Irreführung geahndet werden kann?
Ist die Bundesregierung bereit, strenge gesetzliche Maßnahmen zur Ahndung der genannten Warenunterschiehung im neuen Gesetzentwurf zur Gesamtreform des Lebensmittelrechts zu verankern?
Herr Staatssekretär, wollen Sie auch hier eine gemeinsame Beantwortung vornehmen, wenn der Fragesteller einverstanden ist? — Das ist der Fall.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, der geschilderte Fall der Warenunterschiebung in Gaststättenbetrieben wird in der Regel als Verstoß gegen das Verbot des § 4 Nr. 3 des Lebensmittelgesetzes zu ahnden sein.
In dem Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Gesamtreform des Lebensmittelrechts ist in § 17 Abs. 1 Nr. 5 ein dem alten § 4 Nr. 3 des Lebensmittelgesetzes entsprechendes Verbot vorgesehen. Eine ausdrückliche Erweiterung dieses Verbots um den von Ihnen genannten Tatbestand erscheint nach Auffassung der Bundesregierung weder notwendig noch sachdienlich, zumal auch die allgemeinen Vorschriften des Strafgesetzbuches eingreifen können.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Strohmayr.
Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung oder teilen Sie die Auffassung, daß die durch Beobachtung belegten Behauptungen richtig sind, nach denen die amtliche Lebensmittelüberwachung offenbar die Lebensmittelkontrolle in Gaststätten nicht überall mit der notwendigen Nachhaltigkeit handhaben kann?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nach den Informationen über Durchführung und Ergebnisse der Lebensmittelüberwachung, die wir von den Ländern bekommen, kann ich diese Auffassung nicht teilen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, wie ist die Lebensmittelüberwachung in den Gaststätten und Speisewagen, in der Luftfahrt und der Schifffahrt gesichert?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
In den Speisewagen wird auf diesem Gebiet der bundesbahnärztliche Dienst tätig. Seine Aufgabe ist es, die hygienische Überwachung in diesem Bereich vorzunehmen. Das Gebiet der Bundesbahn ist für die Gesundheitsämter — wenn ich so sagen soll — exterritorial.
Wenn ich Ihnen etwas über die Art der Durchführung sagen sollte, wäre ich im Augenblick überfragt. Ich bin aber gerne bereit, hierüber noch nähere Informationen seitens der Bundesbahn heranzuziehen.
Wie ist es bei der Luft- und Schiffahrt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bei den Luft- und Schiffahrtsgesellschaften gilt ähnliches. Im allgemeinen haben die großen Gesellschaften ja auch beratende Lebensmittelchemiker, die die Zubereitung der Speisen kontrollieren.
Bitte, noch eine Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, in den letztgenannten Fällen, also bei Speisewagen und bei Luft- und Schiffahrt, die notwendigen Kontrollen anstellen zu lassen, um dort die Gesundheit derjenigen, die diese Einrichtungen bedienen, sicherzustellen und jede Gefährdung auszuschließen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich bin gern bereit, über die Bundesbahn und über den Hamburger Gesundheitssenator die notwendigen zusätzlichen Informationen beizubringen, um Sie über Art und Umfang der hygienischen Überwachung in diesen Bereichen noch ausführlicher informieren zu können.
Meine Damen und Herren, wir stehen damit am Ende der Fragestunde.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Freitag, den 30. April 1971, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.