Protokoll:
6102

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 6

  • date_rangeSitzungsnummer: 102

  • date_rangeDatum: 12. Februar 1971

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:03 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 16:24 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 102. Sitzung Bonn, Freitag, den 12. Februar 1971 Inhalt: Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . 5907 A Erweiterung der Tagesordnung . . . . . 5907 C Mündlicher Bericht des Vermittlungsausschusses zu dem Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern (Drucksache VI/ 1831) Dr. Arndt (Hamburg) (SPD) . . . . 5907 C Porzner (SPD) . . . . . . . . . 5908 A Dr. Althammer (CDU/CSU) . . . . 5909 A Kirst (FDP) . . . . . . . . . . 5910 A Mündlicher Bericht des Vermittlungsausschusses zu dem Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm (Drucksache V1/1832) Dr. Schäfer (Tübingen) (SPD) . . . 5912 C Konrad (SPD) . . . . . . . . . 5913 C Dr. Gruhl (CDU/CSU) 5914 C Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) . 5914 D Mündlicher Bericht des Vermittlungsausschusses zu dem Gesetz über Finanzhilfen des Bundes zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemein- den (Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz) (Drucksache VI/1833) Russe (CDU/CSU) 5915 A Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . 5915 D Dr. Apel (SPD) 5916 A Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1971 (Haushaltsgesetz 1971) (Drucksachen VI/1100, zu VI/ 1100, Ergänzung zu VI/ 1100, VI/ 1731 bis VI/ 1757) ; Zusammenstellung der Beschlüsse des Bundestages in zweiter Beratung (Drucksache V1/1823) — Dritte Beratung —Strauß (CDU/CSU) 5917 B Hermsdorf (Cuxhaven) (SPD) . . 5929 D, 5951 D, 5970 C, 5971 A Kirst (FDP) . . . . . . . . . 5935 D Brandt, Bundeskanzler 5939 D Dr. Schmitt-Vockenhausen, Vizepräsident 5944 D Dr. Heinke, Minister des Landes Niedersachsen 5949 B Franke (Osnabrück) (CDU/CSU) . 5951 B Baron von Wrangel (CDU/CSU) . 5952 A Dr. Schäfer (Tübingen) (SPD) . . 5955 B II Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Februar 1971 Dr. Barzel (CDU/CSU) 5961 B Dr. Schmid, Vizepräsident . . . 5961 C Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller, Bundesminister 5964 A Dr. Althammer (CDU/CSU) . . . 5967 D Hermsdorf (Cuxhaven) (SPD) (zur GO) 5968 C Leicht (CDU/CSU) 5970 B Dr. Klepsch (CDU/CSU) (Erklärung nach § 36 GO) . . . . 5971 C Dr. Schellenberg (SPD) (Bemerkung nach § 35 GO) . . . 5972 A Schmidt, Bundesminister (Erklärung nach § 36 GO) . . . . 5972 B Dr. Jaeger, Vizepräsident . . . . 5972 B Fragestunde (Drucksache VI/ 1807) Frage des Abg. Dr. Evers (CDU/CSU) : Förderung von Auslandsgastspielen durch die Kulturabteilung des Auswärtigen Amtes Moersch, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 5972 C, D, 5973 A Dr. Evers (CDU/CSU) . . 5972 D, 5973 A Fragen des Abg. Storm (CDU/CSU) : Verstärkung der Förderung des deutschen Schulwesens im Ausland Moersch, Parlamentarischer Staatssekretär . 5973 B, C, D, 5974 A, B Storm ((CDU/CSU) . . 5973 C, D, 5974 B Hansen (SPD) 5974 A Fragen des Abg. Niegel (CDU/CSU) : Äußerungen des Vizepräsidenten Mansholt betr. extremistische Kreise in der Bundesrepublik Moersch, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 5974 C 5975 B, D, 5976 B Niegel (CDU/CSU) 5975 A, C Dr. Sperling (SPD) 5975 D Dr. Gleissner (CDU/CSU) 5976 A Hansen (SPD) 5976 B Dr. Jaeger, Vizepräsident 5975 C, 5976 C Fragen des Abg. Dr. Frerichs (CDU/CSU) : Verhandlungen der Regierung der UdSSR mit der Bundesregierung über den Bau einer neuen sowjetrussischen Botschaft in Bad Godesberg Moersch, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . 5976 C, D, 5977 A, B, C, D, 5978 A, B, C Dr. Frerichs (CDU/CSU) 5976 D, 5977 C, D Freiherr Ostman von der Leye (SPD) 5977 A, 5978 B Dr. Hammans (CDU/CSU) 5977 B, 5978 A Hauser (Bad Godesberg) (CDU/CSU) 5978 C Frage des Abg. Dr. Marx (Kaiserslautern) (CDU/CSU) : Besuch der im sowjetisch verwalteten Teil Ostpreußens gelegenen Gräber von Deutschen durch Angehörige Moersch, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 5978 D Frage des Abg. Dr. Klepsch (CDU/CSU) : Besuch der auf sowjetisch besetzten japanischen Inseln gelegenen Gräber von Japanern durch Angehörige Moersch, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 5979 A Frage des Abg. Dr. Marx (Kaiserslautern) (CDU/CSU) : Vereinbarungen über die aus der Einverleibung des nördlichen Ostpreußens in der UdSSR sich ergebenden Probleme Moersch, Parlamentarischer Staatssekretär . 5979 A, B, C, D, 5980 A Dr. Marx (Kaiserslautern) (CDU/CSU) 5979 B Freiherr von und zu Guttenberg (CDU/CSU) 5979 C, D Dr. Bach (CDU/CSU) 5980 A Frage des Abg. Dr. Hermesdorf (Schleiden) (CDU/CSU) : Ausbau der Deutschen Schule Paris zu einer „Begegnungsschule" Moersch, Parlamentarischer Staatssekretär 5980 B, C, D Dr. Hermesdorf (Sehleiden) (CDU/CSU) . . . . . . . . 5980 C, D Frage des Abg. Dr. Gleissner (CDU/CSU) : Bleizusätze der Kraftstoffe — Steigerung der Klopffestigkeit durch ungiftige Zusätze Dr. Schäfer, Staatssekretär . . . 5981 A, C Dr. Gleissner (CDU/CSU) . . . . 5981 C Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Februar 1971 III Fragen des Abg. Mursch (Soltau-Harburg) (CDU/CSU) : Abladen giftiger Chemikalien auf Müllabladeplätzen Dr. Schäfer, Staatssekretär . . . 5981 C, D, 5982 A, B, C Mursch (Soltau-Harburg) (CDU/CSU) 5981 D, 5982 A, B, C Frage des Abg. Dr. Schmude (SPD) : Aufenthaltserlaubnis zur Facharztausbildung von Ärzten aus Entwicklungsländern Dr. Schäfer, Staatssekretär . . . . 5982 D, 5983 B, C Dr. Schmude (SPD) 5983 A, B Brück (Köln) (CDU/CSU) 5983 C Frage des Abg. Dr. Haack (SPD) : Verfahren zur Aberkennung von Grundrechten nach Art. 18 GG gegen den Herausgeber der „National- und Soldatenzeitung" Dr. Schäfer, Staatssekretär . . . . 5984 A Nächste Sitzung 5984 A Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 5985 A Anlagen 2 bis 16 Entschließungsanträge Umdrucke 128 (neu), 140 bis 151, 157, 158 zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1971 (Drucksachen VI/1100 Anlage, VI/1731, VI/1736, VI/1738, VI/ 1740, VI/1742, VI/ 1745, VI/1748, VI/1750, VI/1757) 5985 C Anlage 17 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Schröder (Wilhelminenhof) (CDU/CSU) betr. Ausgleichszulage für auf den Inseln lebende öffentlich Bedienstete und dort stationierte Soldaten 5990 C Anlage 18 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Brandt (Grolsheim) (SPD) betr. Verbot der Ausweisung von Ausländern, die mit Deutschen verheiratet sind 5990 D Anlage 19 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Enders (SPD) betr. Inanspruchnahme der bei Erhöhung von Kriegsopferrenten geleisteten Nachzahlungen durch die Lastenausgleichsverwaltung 5991 A Anlage 20 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Hupka (SPD) betr. Darstellung der Person und der Leistung Friedrich Eberts in der Beilage zur Wochenzeitung „Das Parlament" 5991 B Anlage 21 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Hupka (SPD) betr. Veröffentlichung einer ausgewogenen Dartellung zur Person und zum Wirken Friedrich Eberts in der Wochenzeitung „Das Parlament" . . . . . . . . . 5991 C Anlage 22 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Meinike (Oberhausen) (SPD) betr. Finanzhilfen für den Bau von Müllverbrennungsanlagen 5991 D Anlage 23 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Meinike (Oberhausen) (SPD) betr. Heranziehung der unmittelbaren Verursacher des Müllanfalls zur Kostendeckung . . . . . . . . . . 5992 A Anlage 24 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Engelsberger (CDU/ CSU) betr. Äußerungen des Staatspräsidenten Kekkonen über das Interesse Moskaus an einer europäischen Sicherheitskonferenz . . . . . . . . . . 5992 B Anlage 25 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Schedl (CDU/CSU) betr. Maßnahmen der Bundesregierung zum Schutz deutscher Bürger und deutschen Vermögens in Guinea . . . . . . . 5992 C Anlage 26 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Schedl (CDU/CSU) betr. Maßnahmen der Bundesregierung zur Senkung der Paßgebühren der Umsiedler aus Polen 5992 C IV Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Februar 1971 Anlage 27 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU) betr. Verzögerung der Errichtung eines Mittelwellensenders in Dahomey 5993 A Anlage 28 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Dichgans (CDU/CSU) betr Neuauflage charakteristischer Erzeugnisse der klassischen polnischen Literatur in deutscher Sprache 5993 C Anlage 29 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU) betr. Verhandlungen über Großaufträge zwischen EWG-Staaten und der Sowjetunion . . . . . . . . . 5993 D Anlage 30 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Dr. Schmitt-Vockenhausen (SPD) betr. Planungen der Bundesregierung für den weiteren Ausbau der Deutschen Schule in Brüssel . . . . . 5994 A Anlage 31 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Dr. Kraske (CDU/CSU) betr. Pläne der VEBA zur Errichtung umfangreicher Industrieanlagen im Rheinbogen bei Orsoy . . . . . . . . . 5994 C Anlage 32 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Meister (CDU/CSU) betr. steuerliche Behandlung von Personalinvestitionen 5994 D Anlage 33 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Weigl (CDU/CSU) betr. Haushaltsmittel für die Wirtschaft des ostbayerischen Zonenrandgebietes im Hinblick auf Tariferhöhungen der Bundesbahn 5995 B Anlage 34 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Weigl (CDU/CSU) betr. Abgrenzung der Zonenrandförderung gegenüber der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsförderung" 5995 C Anlage 35 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Gerlach (Obernau) (CDU/CSU) betr. Einfuhrpolitik gegenüber den osteuropäischen Ländern bei Textilien und Bekleidung — Reduzierung der Importe aus Asien . . . . . 5995 D Anlage 36 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Wuwer (SPD) betr. Rechtsvorschriften zur wirksamen Bekämpfung unerwünschter Einflüsse der Banken auf die Wirtschaft 5996 A Anlage 37 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Schedl (CDU/CSU) betr. Gewerbetreibende, die eine Zulage für Investitionen nach § 1 des Investitionszulagengesetzes erhalten 5996 C Anlage 38 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Erhard (Bad Schwalbach) (CDU/CSU) betr. Katalog der nach § 16 der Gewerbeordnung genehmigungsbedürftigen Anlagen 5996 D Anlage 39 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) betr. Vorschläge des Zentralverbandes des Dachdeckerhandwerks für eine Reform der Schlechtwettergeld-Regelung und der Winterbauförderung . . . 5997 A Anlage 40 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Dr. Unland (CDU/CSU) betr. Gefahren in Restaurantküchen und Privathaushalten durch Mikrowellenherde 5997 B Anlage 41 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Zebisch (SPD) betr. Entwicklung der Krankenziffern seit Inkrafttreten des Lohnfortzahlungsgesetzes — funktionelle und vegative Störungen bei den Arbeitnehmern . . . . . . . . 5997 D Anlage 42 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Engelsberger (CDU/ CSU) betr. Seilbahn auf den Untersberg bei Berchtesgaden — Führung der Trasse ohne Beeinträchtigung des Landschaftsbildes 5998 A Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Februar 1971 V Anlage 43 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Kienbaum (FDP) betr. Anbindung des innerstädtischen Straßennetzes in Bonn an die B 42 5998 C Anlage 44 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Dr. Beermann (SPD) betr. Zusage der Bundesbahn bezüglich des Baues eines Gleisanschlusses für die in. Ahrensburg angesiedelten Industriebetriebe 5998 D Anlage 45 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Storm (CDU/CSU) betr Personalschwierigkeiten der deutschen Seeschiffahrt 5999 B Anlage 46 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Storm (CDU/CSU) betr. Bau einer Nordland-Autobahn . . . . 5999 B Anlage 47 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU) betr. Elektrifizierung der Strecke Lehrte—Braunschweig—Helmstedt 5999 D Anlage 48 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Peiter (SPD) betr. Bau von Rheinbrücken zwischen Neuwied und Mainz, insbesondere bei St. Goar . . . 6000 A Anlage 49 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Niegel (CDU/CSU) betr. Abstellen schrottreifer Kraftfahrzeuge . 6000 B Anlage 50 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Pfeifer (CDU/CSU) betr. Abschnitt Tübingen—Hechingen der B 27 6000 C Anlage 51 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Dr. Gölter (CDU/CSU) betr. Elektrifizierung der Strecke Schifferstadt—Speyer—Germersheim—Wörth 6001 A Anlage 52 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Dr. Schmitt-Vockenhausen (SPD) betr. Planung für den Bau der Ortsumgehung Raunheim im Zuge der B 43 6001 B Anlage 53 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Dr. Jobst (CDU/CSU) betr. Bau der Autobahn RegensburgElsendorf 6001 B Anlage 54 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Schröder (Wilhelminenhof) (CDU/CSU) betr. Ausbau eines Regionalflugplatzes im Nordwesten Niedersachsens 6001 C Anlage 55 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Dr. Hermesdorf (Schleiden) (CDU/CSU) betr. Elektrifizierung der Strecke Kalscheuren—Jünkerath . . . 6001 D Anlage 56 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Dr. Riedl (München) (CDU/CSU) betr. uneingeschränkte Flugfähigkeit der Boeing 747 der Deutschen Lufthansa 6002 A Anlage 57 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage der Abg. Frau Dr. Walz (CDU/ CSU) betr. Fortschritte des Fernstudiensystems im Medienverbund . . . . . 6002 B . Anlage 58 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Wuwer (SPD) betr. Aufnahme von Sozial- und Wirtschaftskunde in den Lehrplan der allgemeinbildenden Schulen 6002 D Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Februar 1971 5907 102. Sitzung Bonn, den 12. Februar 1971 Stenographischer Bericht Beginn: 9.03 Uhr
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    Berichtigung 98. Sitzung, Seite VI, rechte Spalte: Die Zeilen 8 bis 11 sind zu streichen. Dafür ist einzusetzen: Schriftliche Antwort auf die Frage des Abg. Wuwer (SPD) betr. „Maßnahmen der Bundesregierung zur Verminderung der mit dem Schwerlastverkehr verbundenen Gefahren für die Verkehrssicherheit". Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Dr. Achenbach * 13. 2. Adams * 13. 2. Dr. Aigner * 12. 2. Alber ** 13. 2. Amrehn ** 13. 2. Dr. Artzinger * 13. 2. Bals ** 13. 2. Bauer (Würzburg) ** 13. 2. Dr. Bayerl 12. 2. Behrendt * 13. 2. Biehle 12. 2. Blumenfeld ** 13. 2. Borm * 13. 2. Bühling 28. 2. Dr. Burgbacher * 13. 2. Buschfort 12. 2. Dasch 5. 4. van Delden 12. 2. Dr. Dittrich * 13. 2. Dr. Dollinger 23. 2. Draeger ** 13. 2. Dröscher * 13. 2. Dr. Erhard 12. 2. Dr. Eyrich 12. 2. Faller* 13.2. Fellermaier * 12. 2. Flämig 13. 2. Frau Dr. Focke 12. 2. Fritsch ** 13. 2. Dr. Furler * 13. 2. Gerlach (Emsland) * 13. 2. Dr. Götz 28. 2. Höcherl 12. 2. Dr. Jahn (Braunschweig) * 13. 2. Dr. Jungmann 15. 2. Dr. Kempfler ** 13. 2. Dr. Kiesinger 12. 2. Frau Klee ** 12. 2. Dr. Klepsch ** 13. 2. Klinker * 13. 2. Dr. Koch * 13. 2. Dr. Kreile 12. 2. Kriedemann * 13. 2. Frhr. von Kühlmann-Stumm 12. 2. Lange * 13. 2. Lautenschlager * 13. 2. Lemmrich ** 13. 2. Lenze (Attendorn) ** 13. 2. Dr. Löhr * 13. 2. Lücker (München) * 13. 2. Maucher 12. 2. Meister * 13. 2. Memmel * 13. 2. Für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments st Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen der Versammlung der Westeuropäischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Müller (Aachen-Land) * 13. 2. Dr. Müller (München) ** 13. 2. Frau Dr. Orth * 13. 2. Pieroth 12. 2. Pöhler ** 13. 2. Rasner ** 12. 2. Richarts * 13. 2. Richter ** 13. 2. Riedel (Frankfurt) * 13. 2. Dr. Rinderspacher ** 13. 2. Schneider (Königswinter) 12. 2. Schwabe * 13. 2. Dr. Schulz (Berlin) '* 13. 2. Dr. Schwörer * 13. 2. Seefeld * 13. 2. Springorum * 13. 2. Dr. Starke (Franken) * 13. 2. Struve 12. 2. Werner * 13. 2. Wiefel 26. 2. Wolfram * 13. 2. Anlage 2 Umdruck i 49 (neu) Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Riedl (München), Dr. Althammer, Frau Tübler, Geisenhofer und der Fraktion der CDU/CSU zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1971; hier: Einzelplan 06, Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern - Drucksachen VI/1100 Anlage, VI/ 1736 - Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird aufgefordert, bei der Zuschußgewährung des Bundes zum Bau von Sportanlagen und Einrichtungen für die Spiele der XX. Olympiade 1972 in München und Kiel vorbehaltlich einer endgültigen Entscheidung über die Folgekosten entsprechend der Vereinbarung in dem Spitzengespräch der Konsortialpartner vom 17. Dezember 1969 zu verfahren und demnach künftig von einer Kostenverteilung in Höhe von 50 v. H. für den Bund und von je 25 v. H. für den Freistaat Bayern bzw. das Land Schleswig-Holstein und die Landeshauptstadt München bzw. die Stadt Kiel auszugehen. Begründung Da die bisher geleisteten Abschlagszahlungen lediglich den ursprünglichen Anteil von 331/3 v. H. der Kosten für jeden der Konsortialpartner decken, sind der Freistaat Bayern, das Land Schleswig-Holstein, die Landeshauptstadt München und die Stadt Kiel zu ständiger Vorfinanzierung gezwungen. Bei der angespannten Haushaltslage der Länder und Gemeinden ist eine solche Vorfinanzierung weder länger zumutbar noch möglich. Der Ansatz bei Tit. 06 02/893 15 in Höhe von 85 000 000 DM reicht zur 5986 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Februar 1971 Finanzierung der beantragten Änderung der Zuschußgewährung aus. Bonn, den 10. Februar 1971 Dr. Riedl (München) Dr. Althammer Frau Tübler Geisenhofer Dr. Barzel, Stücklen und Fraktion Anlage 3 Umdruck 140 Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/ CSU zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1971; hier: Einzelplan 08, Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen — Drucksachen VI/1100 Anlage, VI/1731 — Der Bundestag wolle beschließen: Der Bundesminister der Finanzen wird aufgefordert, die seit Mai 1970 eingestellte monatliche Berichterstattung über die Entwicklung der Bundesfinanzen im Interesse einer umfassenden Unterrichtung der Öffentlichkeit unverzüglich wiederaufzunehmen. Bonn, den 9. Februar 1971 Dr. Barzel, Stücklen und Fraktion Anlage 4 Umdruck 157 Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Hauser (Sasbach), Dr. Pohle, Leicht, Frau Schanzenbach, Porzner, Spitzmüller, Bremm, Röhner und Genossen zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1971; hier: Einzelplan 08 Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen — Drucksachen VI/ 1100 Anlage, VI/1738 —Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht sicherzustellen, daß bei der Harmonisierung der Verbrauchsteuern den Mitgliedstaaten die Möglichkeit erhalten bleibt, von den Richtlinien abweichende nationale Regelungen zu treffen, soweit diese Regelungen nur regionale Bedeutung haben, eine Besteuerung bei der Einfuhr oder eine Steuerentlastung bei der Ausfuhr nicht erfordern und den Wettbewerb nicht beeinträchtigen. Solche Regelungen kommen in Betracht für kleinbäuerliche Betriebe in Süd- und Südwestdeutschland zur Verwertung von Obstüberschüssen über den Brennkessel und für Hausbrauer im süddeuschen Raum. Ferner wird die Bundesregierung ersucht, bei der Regelung des Agraralkoholmarktes darauf hinzuwirken, daß das von den kleinbäuerlichen Brennern gewonnene Erzeugnis wie bisher einer Marktordnungsstelle überlassen werden kann. Der Bundestag bittet die Bundesregierung mit Nachdruck, Gemeinschaftsregelungen, die diese Möglichkeiten ausschließen, nicht zuzustimmen. Bonn, den 11. Februar 1971 Dr. Hauser (Sasbach) Dr. Pohle Leicht Bremm Röhner Adorno Alber Dr. Artzinger Baier Becker (Pirmasens) Berberich Biechele Burger Draeger Ehnes Dr. Evers Dr. Eyrich Dr. Früh Dr. Furler Dr. Giulini Dr. Gölter Gottesleben Frau Griesinger Dr. Häfele Härzschel Häussler Hanz Dr. Heck Dr. Jenninger Frau Klee Krammig Frau Dr. Kuchtner Dr. Marx (Kaiserslautern) Meister Dr. Miltner Niegel Ott Petersen Pfeifer Rainer Schmitt (Lockweiler) Schulte (Schwäbisch Gmünd) Dr. Stark (Nürtingen) Steiner Susset von Thadden Dr. Wagner (Trier) Weber (Heidelberg) Dr. Wörner Frau Schanzenbach Porzner Brück (Holz) Dr. von Bülow Dröscher Faller Gnädinger Frau Herklotz Hörmann (Freiburg) Kaffka Kern Frau Lauterbach Offergeld Peiter Dr. Rinderspacher Dr. Schachtschabel Scheu Dr. Schmidt (Gellersen) Seefeld Frau Seppi Spitzmüller Dr. Achenbach Borm Gallus Geldner Grüner Helms Freiherr von Kühlmann- Stumm Peters (Poppenbüll) Schmidt (Kempten) Anlage 5 Umdruck 141 Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/ CSU zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1971; hier: Einzelplan 10 Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — Drucksachen VI/110 Anlage, VI/1740 — Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Februar 1971 5987 Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, 1. bei den Agrarpreisverhandlungen im EWG-Ministerrat für das Wirtschaftsjahr 1971/72 energisch darauf hinzuwirken, die Vorschläge der EG-Kommission für die Agrarpreisgestaltung erheblich zu verbessern; 2. bei den EWG-Verhandlungen darauf hinzuwirken, daß, solange die europäische Wirtschafts-und Währungsunion noch nicht geschaffen ist, die starre Bindung der Agrarpreise an die EWG-Rechnungseinheit aufgehoben oder gelockert wird; 3. dafür zu sorgen, daß die landwirtschaftlichen Betriebe in der Bundesrepublik wieder in die Lage versetzt werden, ausreichende Gewinne zu erzielen, um notwendige Investitionen vornehmen zu können; 4. unverzüglich alle Möglichkeiten im Rahmen der Haushaltsdurchführung für das Rechnungsjahr 1971 auszuschöpfen, um die deutsche Landwirtschaft auf der Kostenseite zu entlasten; 5. bei der Auflösung der Konjunkturausgleichsrücklage die Landwirtschaft gebührend zu berücksichtigen und die 15%ige Investitionsbeihilfe wieder einzuführen; 6. die sozialen Leistungen für die in der Landwirtschaft weiterhin Verbleibenden zu verbessern, wie z. B. durch die unverzügliche Anhebung der landwirtschaftlichen Altershilfe und durch Übernahme der Kosten für die Krankenversicherung der Altersgeldberechtigten schon im Jahre 1971. Bonn, den 9. Februar 1971 Bewerunge Bittelmann Dr. Ritgen Dr. Ritz Dr. Siemer Solke Struve Dr. Barzel, Stücklen und Fraktion Anlage 6 Umdruck 142 Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/ CSU zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1971; hier: Einzelplan 10 Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — Drucksachen VI/1100 Anlage, VI/1740 — Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, dem „Deutschen Naturschutzring e. V." zur Förderung seiner Aufklärungsmaßnahmen 100 000 DM aus verfügbaren Mitteln zur Verfügung zu stellen. Bonn, den 9. Februar 1971 Dr. Barzel, Stücklen und Fraktion Anlage 7 Umdruck 143 Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/ CSU zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1971; hier: Einzelplan 10 Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — Drucksachen VI/1100 Anlage, VI/1740 — Der Bundestag wolle beschließen: Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten wird ersucht, — die Entwicklung des Absatzes der ungewöhnlich großen Weinernte 1970 und die Weinmosternteerwartungen für 1971 genau zu beobachten, — rechtzeitig festzustellen, ob und in welchem Umfang die vorhandene Lagerkapazität im Herbst 1971 der Erweiterung bedarf, um die Notwendigkeit von Zwangsverkäufen, die einen Preisverfall nach sich ziehen würden, auszuschließen, — die Schaffung zusätzlichen Lagerraumes im Erzeugerbereich, soweit sie nach diesen Feststellungen erforderlich wird, durch Hilfen aus den Mitteln des Einzelplanes 10 zu fördern. Bonn, den 9. Februar 1971 Leicht Dr. Wagner (Trier) Bremm Dr. Barzel, Stücklen und Fraktion Anlage 8 Umdruck 144 Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/ CSU zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1971; hier: Einzelplan 12 Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr — Drucksachen VI/1100 Anlage, VI/ 1742 — Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird aufgefordert, spätestens zusammen mit der Vorlage des Finanzplanes für die Jahre 1971 bis 1975 dem Bundestag umfassend über die Ertragslage der Bundesbahn zu berichten. Aus dem Bericht sollen die Vorstellungen der Bundesregierung hervorgehen — über die künftige finanzielle Entwicklung der Bundesbahn zumindest bis 1975, — über die zur Sanierung im einzelnen in diesem Zeitraum vorgesehenen Maßnahmen, - über die im Finanzplan vorgesehenen Bundesmittel, — über den Zeitplan für die in der Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969 zugesagte Übernahme der bei der Bundesbahn entstandenen Schuldenlast auf den Bund und — über die sich daraus für den Bundeshaushalt ergebenden finanziellen Auswirkungen. 5988 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Februar 1971 Begründung Die Ertragslage der Bundesbahn hat sich trotz voller Auslastung der Kapazitäten alarmierend verschlechtert. Im Jahre 1970 ist ein Verlust von etwa 1,2 Milliarden DM entstanden. Für 1971 wird sogar mit einem Verlust von 2,8 Milliarden DM gerechnet, der sich selbst nach Durchführung der von der Bundesregierung vorgesehenen massiven Tariferhöhungen (insgesamt 800 Millionen DM) noch immer auf 2 Milliarden DM belaufen dürfte. Ausreichende Mittel zur Deckung dieses Verlustes konnte die Bundesregierung im Bundeshaushalt nicht bereitstellen. Für 1970 bleibt nach Abzug der Bundesanweisungen eine Finanzierungslücke von 800 Millionen DM, für 1971 von 1 Milliarde DM. Eine Abdeckung der Verluste durch zusätzliche Verschuldung ist auf die Dauer nicht tragbar, da sich durch den Schuldendienst die Kostenlage der Bundesbahn weiter verschlechtert. Der Verkehrsminister hat im Verkehrspolitischen Programm für die Jahre 1968 bis 1972 am 8. November 1967 ausgeführt: „Wenn angesichts der besorgniserregenden Entwicklung bei der Deutschen Bundesbahn nicht weitreichende Entscheidungen getroffen werden, ist damit zu rechnen, daß die im Jahre 1967 veranschlagten Leistungen des Bundes in Höhe von rund 2,5 Milliarden DM bis 1972 auf rund 5 Milliarden DM ansteigen." (Drucksache V/2494 S. IX). Trotz der damals beschlossenen Maßnahme, „um diese für das Unternehmen und den Bundeshaushalt nicht tragbare Entwicklung zu ändern" (Drucksache V/2494 S. IX), sind im Haushaltsplan 1971 bereits Leistungen des Bundes für die Bundesbahn — einschließlich Schuldendiensthilfen — von insgesamt 4,25 Milliarden DM veranschlagt. Wäre der zu erwartende Verlust in 1971 entsprechend der früheren Handhabung voll durch erhöhte Liquiditätszuweisungen gedeckt, würde die Belastung des Bundes 5,25 Milliarden betragen und im laufenden Jahr bereits die Höchstbelastung von 5 Milliarden DM übersteigen. Der Bundesminister für Verkehr hatte diese Entwicklung erst für 1972 und nur für den Fall, daß die damals beschlossenen Maßnahmen nicht durchgeführt worden wären, befürchtet. Bonn, den 9. Februar 1971 Dr. Barzel, Stücklen und Fraktion Anlage 9 Umdruck 158 Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/ CSU zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1971; hier: Einzelplan 15 Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit — Drucksachen VI/ 1100 Anlage, W1745 — Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, noch im Jahre 1971 einen Gesetzentwurf zur Novellierung des BKG vorzulegen, der die gesunkene Kaufkraft des Kindergeldes und insbesondere die damit verbundene stärkere Belastung der Familien mit mehreren Kindern berücksichtigt. Bonn, den 11. Februar 1971 Dr. Barzel, Stücklen und Fraktion Anlage 10 Umdruck 150 Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/ CSU zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1971; hier: Einzelplan 23 Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit — Drucksachen VI/1100 Anlage, VI/1748 — Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird aufgefordert, beim Generalsekretär der UN, U Thant, und bei den Regierungen der Mitgliedstaaten vorstellig zu werden, um die UN zu veranlassen, eine Konvention zum Schutze der im Bereich der Entwicklungshilfe eingesetzten ausländischen Fachkräfte zu verabschieden. Nur solche Länder sollen zukünftig Entwicklungshilfe erhalten, die bereit sind, diese Konvention zu unterzeichnen. Bonn, den 10. Februar 1971 Dr. Barzel, Stücklen und Fraktion Anlage 11 Umdruck 151 Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD, FDP zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1971; hier Einzelplan 27 Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen — Drucksachen VI/ 1100 Anlage, VI/1750 — Der Bundestag wolle beschließen: Der Bundestag geht bei der Bewilligung der zusätzlichen 80 Millionen DM zur Förderung verschiedener Maßnahmen im Zonenrandgebiet nach dem Zonenrandförderungsgesetz davon aus, daß die bei den Einzelplänen 06 Bundesminister des Innern, 11 Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, 15 Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit, 25 Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen, Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Februar 1971 5989 veranschlagten Mittel im Einvernehmen mit dem Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen bewirtschaftet werden. Bonn, den 10. Februar 1971 Wehner und Fraktion Mischnick und Fraktion Anlage 12 Umdruck 128 (neu) Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/ CSU zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1971; hier Haushaltsgesetz — Drucksachen VI/1100, VI/1757 — Der Bundestag wolle beschließen: Im gegenwärtigen Zeitpunkt bestehen noch immer starke Gefahren für das Ziel der Preisstabilität. Im Hinblick auf die Kostenlage der Wirtschaft ist auch in 1971 mit weiteren erheblichen Preissteigerungen zu rechnen. Der Bundeshaushaltsplan 1971 ist nach seiner ganzen Anlage (direkte und indirekte Nettokreditaufnahmen des Bundes etwa 6,5 Mrd. DM, voraussichtliche Ausgabensteigerung über 15 v. H., zusätzliche Risiken in Milliardenhöhe) ein außergewöhnlich starker Konjunkturanreiz. Die Bundesregierung wird daher aufgefordert, durch geeignete Bewirtschaftungsmaßnahmen sicherzustellen, daß von den Ausgabe- und Verpflichtungsermächtigungen des Haushaltsplanes 1971 zunächst nur zurückhaltend Gebrauch gemacht wird. Die volle Freigabe darf erst dann erfolgen, wenn das nach den jeweiligen neuesten konjunkturellen Daten unter Beachtung der vier gleichrangigen Ziele des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes (Stabilität des Preisniveaus, hoher Beschäftigungsstand und außenwirtschaftliches Gleichgewicht bei stetigem und angemessenem Wirtschaftswachstum) erforderlich und vertretbar ist. Bonn, den 9. Februar 1971 Dr. Barzel, Stücklen und Fraktion Anlage 13 Umdruck 145 Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/ CSU zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1971; hier: Haushaltsgesetz 1971 — Drucksachen VI/1100; VI/ 1353 — Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Deutschen Bundestag künftig zusammen mit dem Regierungsentwurf des Bundeshaushaltsplanes — die Nachweisungen über die Einnahmen, Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen der Sondervermögen des Bundes — namentlich Bundesbahn und Bundespost — gemäß § 26 Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung, — zumindest aber — falls der Wirtschaftsplan oder Voranschlag noch nicht verabschiedet ist — die Schätzungen, die den im Regierungsentwurf des Bundeshaushaltsplans veranschlagten Zuführungen oder Ablieferungen zugrunde gelegt sind, vorzulegen. Bonn, den 9. Februar 1971 Dr. Barzel, Stücklen und Fraktion Anlage 14 Umdruck 146 Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/ CSU zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1971; hier: Haushaltsgesetz 1971 — Drucksachen VI/1100, VI/ 1353 — Der Bundestag wolle beschließen: Die Mittel zur Durchführung von Bundesaufgaben sind mit den vollen Beträgen im Bundeshaushalt desjenigen Jahres zu veranschlagen, in dem sie geleistet werden müssen. Die Forderung nach lückenloser Beachtung dieses Grundsatzes ergibt sich aus den Vorschriften des Grundgesetzes und des Bundeshaushaltrechts über die Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit und sichert allein eine zutreffende Beurteilung des Haushaltsgebarens des Bundes unter konjunktur- und wachstumspolitischen wie auch unter haushaltswirtschaftlichen Gesichtspunkten. Die Bundesregierung wird daher aufgefordert, vom Rechnungsjahr 1972 an die Finanzierung von Bundesausgaben durch Stellen außerhalb der Bundesverwaltung nicht mehr vorzusehen und die Kreditbeträge, die diese Stellen für Rechnung des Bundes bei Übernahme des vollen Schuldendienstes (Zinsen und Tilgungen) durch den Bund aufnehmen sollen, in voller Höhe auf der Einnahmen- und Ausgabenseite des Bundeshaushalts und des Finanzplanes auszuweisen. Bonn, den 9. Februar 1971 Dr. Barzel, Stücklen und Fraktion Anlage 15 Umdruck 147 Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/ CSU zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1971; hier: Haushaltsgesetz 1971 -Drucksachen VI/1100, VI/1757 — Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Deutschen Bundestag möglichst bald, spätestens bis 31. März 1971 5990 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Februar 1971 1. Alternativrechnungen zur Planung für das Rechnungsjahr 1971 für die verschiedenen, von ihr in Betracht zu ziehenden möglichen Konjunkturlagen, 2. Alternativrechnungen für die Jahre 1972 bis 1974, aus denen sich ergibt, wie der Ausgleich für die sich auch für diese Jahre zu erwartenden Steuermindereinnahmen gegenüber den bisherigen Schätzungen und den absehbaren Mehrbelastungen des Bundeshaushaltes Rechnung getragen werden kann, vorzulegen. Bonn, den 9., Februar 1971 Dr. Barzel, Stücklen und Fraktion Anlage 16 Umdruck 148 Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD, FDP zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1971; hier: Haushaltsgesetz 1971 — Drucksachen VI/ 1100, VI/1757 — Der Bundestag wolle beschließen: Der Deutsche Bundestag unterstützt die wirtschaftspolitischen Ziele, die für 1971 im Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung aufgezeigt sind. Er erwartet, daß die Unternehmungen in ihren preispolitischen Dispositionen und die Tarifvertragsparteien in ihren lohnpolitischen Entscheidungen sich den Orientierungsdaten des Jahreswirtschaftsberichts deutlich annähern. Im Interesse der erforderlichen Fortschritte in der Preisstabilisierung und zur Sicherung der Arbeitsplätze hält der Deutsche Bundestag es für geboten, daß Staat, Unternehmer und Gewerkschaften sich konjunkturgerecht verhalten. Gerade in einer Übergangsphase zu einer normalen Wirtschaftsentwicklung ist es notwendig, daß alle am Wirtschaftsprozeß Beteiligten sich nicht von kurzfristigen oder einseitigen Aspekten leiten lassen, sondern sich an den mittelfristigen Notwendigkeiten orientieren. Die Investitionstätigkeit der Unternehmungen sollte, vor allem auch im Interesse der Kostensenkung, stetig fortgesetzt werden. Die verstärkte internationale Konkurrenz verlangt, daß die deutsche Wirtschaft wettbewerbsfähig bleibt. Für den Bundeshaushalt stellt der Deutsche Bundestag fest, daß sowohl die wirtschaftswissenschaftlichen Institute als auch Finanzplanungs- und Konjunkturrat das Ausgabevolumen als konjunkturgerecht für das Jahr 1971 beurteilen. Unabhängig davon erwartet der Deutsche Bundestag von der Bundesregierung auch einen im zeitlichen Ablauf des Jahres konjunkturgerechten Vollzug des Bundeshaushalts 1971. Bonn, den 9. Februar 1971 Wehner und Fraktion Mischnick und Fraktion Anlage 17 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Schäfer vom 12. Februar 1971 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Schröder (Wilhelminenhof) (CDU/CSU) (Drucksache VI/ 1807 Frage A 30) : Beabsichtigt die Bundesregierung, den auf den Inseln lebenden öffentlichen Bediensteten, insbesondere den dort stationierten Soldaten, eine Ausgleichszulage auf Grund der erheblich höheren finanziellen Mehrbelastungen gegenüber dem Festland zu gewähren? Diese Frage kann nur im Besoldungsrecht, also durch den Gesetzgeber beantwortet werden. Sie läßt sich nicht isoliert für sich beurteilen. Es handelt sich um das allgemeine Problem, ob heute noch eine sachgerechte Lösung gefunden werden kann, bei der die Gehälter nach örtlichen Unterschieden der finanziellen Belastung gestaffelt sind. Auf Grund einer interfraktionellen Absprache dieses Hohen Hauses hat bekanntlich eine Arbeitsgruppe, die sich aus Abgeordneten aller Fraktionen zusammensetzt, ein Besoldungskonzept ausgearbeitet. Dieses knüpft in der von Ihnen, Herr Kollege, angeschnittenen Frage an die allgemeine Erkenntnis an, daß Unterscheidungen des Gehaltsniveaus nach Ortsklassen und damit nach örtlichen Besonderheiten überlebt sind. Danach ist die Gewährung von Inselzulagen nicht vorgesehen. Anlage 18 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Schäfer vom 12. Februar 1971 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Brandt (Grolsheim) (SPD) (Drucksache VI/ 1807 Frage A 31): Trifft es zu, daß eine Verwaltungsvorschrift vorbereitet wird, die besagt, daß Ausländer, die mit Deutschen verheiratet sind, unter bestimmten Voraussetzungen nicht aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen werden dürfen, und wann ist gegebenenfalls mit dieser Verwaltungsvorschrift zu rechnen? Der Schutz von Ehe und Familie, wie er in Art. 6 unseres Grundgesetzes verankert ist, ist auch bei ausländerrechtlichen Entscheidungen zu berücksichtigen. Die Bundesregierung beabsichtigt daher, die Berücksichtigung dieses Grundsatzes in der Verwaltungspraxis durch nähere, verdeutlichende Regelungen sicherzustellen. Die Bestimmungen über die aufenthaltsrechtliche Stellung der Ausländer, die mit Deutschen verheiratet sind, müssen noch im einzelnen mit den Bundesressorts und den Ländern erörtert werden. Dabei wird auch die bisher noch offene Frage zu klären sein, ob die angestrebte Regelung in der Form einer Allgemeinen Verwaltungsvorschrift mit Zustimmung des Bundesrats oder in der Form übereinstimmender Erlasse der Innenminister der Länder getroffen werden soll. Die Bundesregierung ist bemüht, diese Arbeiten so bald wie möglich zum Abschluß zu bringen. Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Februar 1971 5991 Anlage 19 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Schäfer vom 12. Februar 1971 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Enders (SPD) (Drucksache VI/1807 Frage A 32) : Ist die Bundesregierung bereit, für den Bereich der Lastenausgleichsgesetzgebung eine dem Artikel 3 § 1 Abs. 4 des Zweiten Gesetzes über die Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes entsprechende Regelung zu treffen, damit bei der Erhöhung von Kriegsopferrenten die Nachzahlung nicht von der Lastenausgleichsverwaltung in Anspruch genommen, sondern an die Kriegsopfer ausgezahlt wird? Artikel 3 § i Abs. 4 des Zweiten Gesetzes über die Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes (Zweites Anpassungsgesetz-KOV) vom 10. Juli 1970 bestimmt, daß Erhöhungsbeträge, die für die Monate Januar bis einschließlich Mai 1971 zu leisten sind, für den genannten Zeitraum bei der Bemessung von Leistungen der Kriegsopferfürsorge unberücksichtigt bleiben. Nach § 267 LAG werden die Grundrenten und die Schwerstbeschädigtenzulagen in voller Höhe und Pflegezulagen bis zu 75 DM auf Einkommen bei der Kriegsschadenrente nicht angerechnet. Eine Freistellung der Erhöhungsbeträge dieser Kriegsopferleistungen für einen Übergangszeitraum von 5 Monaten erübrigt sich daher. Die Ausgleichsrenten werden wegen der Subsidiarität der Kriegsschadenrente nach dem LAG voll angerechnet. Eine Freistellung der Erhöhungsbeträge dieser Kriegsopferleistungen für den genannten Zeitraum wäre nur durch Änderung des KOVRentenanpassungsgesetzes möglich. Sie ist aber nicht erforderlich, da vom 4. Unterhaltshilfe-Anpassungsgesetz ab die Sätze der Unterhaltshilfe nicht erst ab 1. 6. 1972, sondern bereits ab 1. 1. 1972 angehoben werden. Anlage 20 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Schäfer vom 12. Februar 1971 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Hupka (SPD) (Drucksache VI/1807 Frage A 34) : Hält es die Bundesregierung für eine der Person und der Leistung Friedrich Eberts angemessene, historisch fundierte Darstellung, wie sie Helga Grebing in der „Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament" vom 30. Januar 1971 gegeben hat? Die Beilage „Aus Politik und Zeitgeschichte" zur Wochenzeitung „Das Parlament" wird von der Bundeszentrale für politische Bildung in eigener fachlicher Verantwortung herausgegeben. Mit der Beilage will die Bundeszentrale aus pluralistischer Grundeinstellung ein wissenschaftliches Diskussionsforum anbieten, in dem qualifizierte Beiträge unterschiedlichster Richtung zu Wort kommen. Auch bei pointierten und engagierten Arbeiten betrachtet es die Bundeszentrale nicht als ihre Aufgabe, diese auf den letzten wissenschaftlichen Wahrheitsgehalt und auf den geistigen-politischen Standort des Autors zu überprüfen, sondern lediglich auf die Fruchtbarkeit für kritisch-rationale Auseinandersetzung. Aus diesem Grunde wird in jeder Beilage ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Veröffentlichungen keine Meinungsäußerung des Herausgebers darstellen, sondern lediglich der Unterrichtung und Urteilsbildung dienen sollen. Im vorliegenden Falle ist die Bundeszentrale im Rahmen der ihr übertragenen Verantwortung zu der Überzeugung gelangt, daß die Verfasserin des Beitrags über Friedrich Ebert in der Beilage vom 30. Januar 1971 den von der Bundeszentrale gestellten Qualifikationsanforderungen entspricht. Ihre einschlägigen wissenschaftlichen Veröffentlichungen durften nach Auffassung der Bundeszentrale annehmen lassen, daß die Autorin in der zur Frage stehenden Epoche als Historikerin bewandert und zur Behandlung des Themas in der Lage sei. Anlage 21 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Schäfer vom 12. Februar 1971 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Hupka (SPD) (Drucksache VI/1807 Frage A 35) : Ist die Bundesregierung bereit, über die Bundeszentrale für politische Bildung eine ausgewogene Darstellung des ersten Reichspräsidenten Friedrich Ebert durch einen Historiker gerade für den Leserkreis des „Parlaments" in Auftrag zu geben und in einer späteren Beilage zu veröffentlichen? Die Bundeszentrale für politische Bildung hat wie bei allen kontroversen Themen auch hier von vornherein vorgesehen, eine ausgewogene Darstellung zur Person und zum Wirken von Friedrich Ebert zu gewährleisten. Zu diesem Zweck beabsichtigt sie, weitere einschlägige Arbeiten in der Beilage „Aus Politik und Zeitgeschichte" zu veröffentlichen, insbesondere im Hinblick auf die noch ungenügende wissenschaftliche Erschließung des Themas. Hierbei sind ihr auch weitere Beiträge willkommen, die sich wissenschaftlich-kritisch mit dem in der Beilage erschienenen Aufsatz über Friedrich-Ebert auseinandersetzen. In diesem Zusammenhang hat die Bundeszentrale außerdem vorgesehen, die Rede des Herrn Bundespräsidenten vom 4. Februar 1971 zum 100. Geburtstag Friedrich Eberts im Hauptteil der Wochenzeitung „Das Parlament" zu veröffentlichen. Anlage 22 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Schäfer vom 12. Februar 1971 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Meinike (Oberhausen) (SPD) (Drucksache VI/1807 Frage A 36) : 5992 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Februar 1971 Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, Gemeinden und kommunalen Zweckverbänden Finanzhilfen für die Müllbeseitigung und -vernichtung, insbesondere für die Erstellung größerer Verbrennungsanlagen zu gewähren? Im Rahmen der Arbeiten zur Aufstellung eines langfristigen Umweltschutzprogramms der Bundesregierung, das Anfang April d. J. vorgelegt werden soll, werden auch die Möglichkeiten von Finanzhilfen für Bau von Anlagen und Einrichtungen zur Abfallbeseitigung geprüft. Die Bundesregierung kann jedoch erst nach Abschluß dieser Arbeiten hierzu näher Stellung nehmen. Anlage 23 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Schäfer vom 12. Februar 1971 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Meinike (Oberhausen) (SPD) (Drucksache VI/1807 Frage A 37) : Ist die Bundesregierung bereit, Überlegungen dahin gehend anzustellen, daß zukünftig neben den Privathaushalten auch die unmittelbaren Verursacher des Müllanfalls, z. B. die Hersteller sogenannter Einwegverpackungen, zur Kostendeckung durch die Erhebung einer Abgabe herangezogen werden? Die Bundesregierung ist bereit, Überlegungen in diesem Sinne anzustellen. In das vorgenannte Umweltschutzprogramm ist auch die Prüfung dieser Frage miteinbezogen worden. Anlage 24 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Moersch vom 12. Februar 1971 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Engelsberger (CDU/CSU) (Drucksache VI/1807 Fragen A 89 und 90) : Treffen Meldungen zu, wonach der finnische Staatspräsident Kekkonen in Rom geäußert hat, daß das Interesse Moskaus an einer Europäischen Sicherheitskonferenz merklich geringer geworden sei, weil die Sowjetunion durch die Ostpolitik Bonns bereits bekommen hat, was sie in erster Linie auf dieser Konferenz erreichen wollte: die Festschreibung ihrer Gebietsgewinne und die „Lösung der deutschen Frage" durch Absicherung der Teilung Deutschlands? Falls ja, teilt die Bundesregierung die Meinung des finnischen Staatspräsidenten? Der finnische Staatspräsident Kekkonen hat die von Ihnen erwähnte Erklärung nicht abgegeben, und zwar weder während seines Aufenthaltes in Rom noch in einem Interview, das er Vertretern der italienischen Presse vor seiner Abreise aus Helsinki gewährt hatte. Das wurde vom finnischen Außenministerium in einer Presseerklärung festgestellt. In der gleichen Pressemitteilung wird außerdem erklärt, daß finnischerseits eine solche Erklärung auch in keinem anderen Zusammenhang abgegeben worden ist. Anlage 25 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Moersch vom 12. Februar 1971 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Schedl (CDU/CSU) (Drucksache VI/1807 Frage A 93) : Welche diplomatischen Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, um nach dem Abbruch der Beziehungen zwischen Conakry und Bonn deutsche Bürger und deutsches Vermögen in Guinea zu schützen? Seit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland durch Guinea werden die deutschen Interessen und damit auch der Schutz der in Guinea verbliebenen Deutschen und des dortigen deutschen Eigentums durch die italienische Botschaft in Conakry als Schutzmachtvertretung wahrgenommen. Auf Bitte der Bundesregierung hatte sich die italienische Regierung bereits vor dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen dazu bereiterklärt. Anlage 26 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Moersch vom 12. Februar 1971 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Schedl (CDU/CSU) (Drucksache VI/1807 Frage A 94) : Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung in Warschau ergriffen, um die Paßgebühren von ca. 835 DM pro Umsiedler zu senken? Bei den deutsch-polnischen Verhandlungen des vergangenen Jahres hat sich die Bundesregierung von den Erfahrungen der bisherigen Umsiedlungspraxis leiten lassen. Sie hat sich in den Verhandlungen auf diejenigen Schwierigkeiten konzentriert, die bisher die Verwirklichung zahlreicher Umsiedlungswünsche verhindert haben. Diese Schwierigkeiten waren a) die Begrenzung der Umsiedlungsmöglichkeit auf einen eng gezogenen Personenkreis (Familienzusammenführung) ; b) die Langwierigkeit des Verfahrens und die oftmals über Jahre wiederholten Ablehnungen von einzelnen Umsiedlungsanträgen; c) die fehlende Möglichkeit der gemeinsamen Besprechung von Ablehnungen zwischen den Rotkreuzgesellschaften beider Länder. Zur Beseitigung dieser Schwierigkeiten hat die polnische Regierung zugesichert, daß der Kreis der Umsiedler nicht mehr auf die Familienzusammenführung beschränkt wird, daß die Anträge rasch bearbeitet werden sollen und daß Ablehnungen zwischen den Rotkreuzgesellschaften erörtert werden sollen. Fälle, in denen die Umsiedlung an der Frage der Paßgebühren (5000 Zloty) gescheitert wäre, sind der Bundesregierung nicht bekannt. Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Februar 1971 5993 Anlage 27 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. Eppler vom 10. Februar 1971 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU) (Drucksache VI/1807 Fragen A 96 und 97) : Kann die Bundesregierung Auskunft darüber geben, welches die Gründe für die Verzögerung der zu Beginn 1969 dem Staate Dahome gegebenen Zusage der Errichtung eines 50 KW-Mittelwellensenders für das Jahr 1970 (Unabhängigkeitstag) sind? Ist es möglich, daß die Verzögerung durch technische und organisatorische Fehlplanungen verursacht worden ist, und besteht nicht die Gefahr, daß bei dieser Sachlage der dahomeyische Partner enttäuscht und unsere vertrauensvolle Zusammenarbeit mit ihm Schaden erleiden kann? Der Antrag der dahomeyischen Regierung auf Ausbau des Rundfunks Dahomey ging Anfang Februar 1969 beim Auswärtigen Amt ein. Nach Prüfung des Antrags beschloß der Interministerielle Referentenausschuß TH am 11. 9. 1969, für das Projekt einen Betrag von 2 015 Mio DM zur Verfügung zu stellen. Infolge von Schwierigkeiten bei der Festlegung der dahomeyischen Partnerschaftsleistungen kam es erst am 30. 6. 1970 zur Unterzeichnung des für die Errichtung des Senders erforderlichen Abkommens. Erst von diesem Datum ab datiert die verbindliche Zusage der Bundesregierung und nicht — wie der Herr Abgeordnete vermutet — von Anfang 1969. Wegen der langen deutschen Lieferfristen hatte das BMZ jedoch bereits vor Abschluß des Abkommens der GAWI den erforderlichen Durchführungsauftrag erteilt. Schon kurz nach der Abkommensunterzeichnung meldete unsere Botschaft Zweifel an der Durchführbarkeit der von dahomeyischer Seite zugesagten Partnerschaftsleistungen an und wies hierbei auf die Notwendigkeit zusätzlicher Leistungen der Bundesregierung hin. Aufgrund des Berichts einer Gutachterkommission, die im August 1970 in Dahomey weilte, wurden zusätzliche 754 000,— DM bereitgestellt. Der Antrag der dahomeyischen Regierung lautete auf Errichtung eines 50 KW-Mittelwellensenders, worauf die Bearbeitung des Antrags auch abgestellt war. Erst am 28. 9. 1970 erhielt die GAWI inoffiziell die Mitteilung, daß gemäß den Regeln der Union International des Telecommunications (UIT) in Genf für die vorgesehene Sendefrequenz von 1 475 KHz eine Maximalleistung nicht von 50 Kw, sondern nur von 10 Kw zulässig ist. Nachdem die Nachprüfung die Richtigkeit dieser Mitteilung ergab und damit feststand, daß die von Dahomey gewünschte Sendeleistung von 50 Kw Schwierigkeiten rechtlicher und politischer Art auftreten lassen könnte, wurden unsererseits die technischen Fragen für Dahomey bei der UIT in Genf geklärt und die damomeyische Regierung im Januar d. J. gebeten, den notwendigen Antrag auf Leistungserhöhung bei der UIT einzureichen. Unabhängig von diesem Sachverhalt sind die Vorbereitungen für die Durchführung des Projekts weitergelaufen. Technische oder organisatorische Fehlplanungen, die die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Dahomey beeinträchtigen könnten, sind auf deutscher Seite somit nicht unterlaufen. Anlage 28 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Moersch vom 10. Februar 1971 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dichgans (CDU/CSU) (Drucksache VI/1807 Frage B 1) : Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, einige charakteristische Erzeugnisse der großen polnischen Literatur, etwa Adam Mickiewicz „Pan Thaddäus", Bücher, die vor 100 Jahren allenthalben in deutscher Sprache erhältlich waren, heute jedoch nur für einen Kenner der polnischen Sprache erreichbar sind, auch dem deutschen Leser wieder zugänglich zu machen? Nach Auffassung der Bundesregierung kommt dem literarischen Sektor bei der Intensivierung der bilateralen Kulturbeziehungen eine maßgebliche Rolle zu. Die Zugänglichkeit nicht nur der zeitgenössischen sondern auch der klassischen Literatur des Ursprungslandes im jeweiligen Partnerland kann als Gradmesser für die geistigen Austauschbeziehungen gelten. Deshalb fördert die Bundesrepublik Deutschland, wie die anderen Staaten, die auswärtige Kulturpflege betreiben, die Übersetzung literarischer Erzeugnisse, wenn ein besonderes kulturpolitisches Interesse vorliegt. Das Werk „Pan Thaddäus" von Adam Mickiewicz ist zuletzt 1963 in einer deutschen Nachdichtung beim Eidos Verlag, jetzt Wilhelm Fink-Verlag, München, herausgekommen. Diese Ausgabe ist durch Ankauf eines Teils der Auflage zur Verwendung in der auswärtigen Kulturarbeit amtlich unterstützt worden und im Handel erhältlich. Anlage 29 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Moersch vom 10. Februar 1971 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU) (Drucksache VI/1807 Frage B 2) : Kann die Bundesregierung Auskunft darüber geben, welche Großaufträge zur Zeit zwischen EWG-Staaten und der Sowjetunion auf bilateraler Ebene verhandelt werden bzw. zum Abschluß gekommen sind, und ob die Sowjetunion versucht, durch Ausnützung des Konkurrenzkampfes in den westlichen Industrienationen die wirtschaftlichen und politischen Integrationsbeziehungen im westlichen Bündnissystem zu stören? Der Bundesregierung ist bekannt, daß Unternehmen der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft in Verhandlungen mit sowjetischen Stellen über umfangreiche Aufträge insbesondere im Bereich der Automobilindustrie und des Chemie-Anlagebaus stehen. Schon aus dem großen Volumen der Lieferungen der Maschinenindustrie der Europäischen Gemeinschaft in die Sowjetunion ergibt sich, daß die Bundesregierung nicht in der Lage ist. detailliert und vollständig anzugeben, welche Großprojekte zur Zeit verhandelt werden oder welche Großaufträge in letzter Zeit abgeschlossen wurden. Die Sowjetunion verhandelt mit jedem einzelnen in Betracht kommenden europäischen Lieferanten grundsätzlich unmittelbar, In dieser Ausnützung der Konkurrenzverhältnisse auf dem Markt der Europäischen Ge- 5994 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Februar 1971 meinschaft liegt keine Gefahr für die wirtschaftlichen und politischen Integrationsbemühungen im westlichen Bündnis. Eine Konkurrenz unter Unternehmen im nationalen und multinationalen Bereich ist eine wesentliche Voraussetzung für die Steigerung der Produktivität. Lediglich künstliche Verzerrungen der Konkurrenzverhältnisse sollen ausgeschlossen werden. Die Bundesregierung begrüßt es daher, daß die Gemeinschaft Wettbewerbsverzerrungen durch staatliche Subventionen oder Manipulationen bei den Kreditbedingungen zu erfassen und zu eliminieren sucht. Im übrigen erwartet die Bundesregierung, daß sich bei der Verhandlung und Durchführung geeigneter Großprojekte in Osteuropa eine enge Abstimmung und Zusammenarbeit unter den westeuropäischen Lieferfirmen entwickeln werden. Anlage 30 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Moersch vom 10. Februar 1971 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Schmitt-Vockenhausen (SPD) (Drucksache VI/ 1807 Frage B 3) : Sind die Planungen der Bundesregierung für den weiteren Ausbau der deutschen Schule in Brüssel so vorangeschritten, daß der Erweiterungsbau spätestens 1973 zur Verfügung steht, um eine Wiederholung der erfreulicherweise mit der neuen Schule beseitigten katastrophalen Unterbringungsverhältnisse zu vermeiden? Über das zum Erwerb vorgesehene Erweiterungsgrundstück für die Deutsche Schule in Brüssel sind die Verkaufs- und Kaufversprechen durch Austausch entsprechender Urkunden zwischen der Grundstücksverkäuferin und der Deutschen Botschaft in Brüssel am 21. 12. 1970 abgegeben worden. Gleichzeitig wurde seitens der Bundesrepublik eine vereinbarte Anzahlung auf den Kaufpreis geleistet. Der Planungsauftrag an die Bundesbaudirektion kann erteilt werden, sobald der notarielle Kaufvertrag abgeschlossen und das Grundstück in das Eigentum des Bundes übergegangen ist. Mit dem Abschluß des förmlichen Kaufvertrages ist in naher Zukunft zu rechnen. Erfahrungsgemäß würde die Bundesbaudirektion die Planung so fertigstellen können, daß der Erweiterungsbau im Haushaltsjahr 1972 begonnen und 1973 abgeschlossen werden könnte. Der vom Finanzkabinett für 1972 in Aussicht gestellte Finanzrahmen wird es aber nicht zulassen, diese Maßnahme bereits im nächsten Haushaltsjahr in Angriff zu nehmen, da eine Reihe anderer dringender Bauvorhaben ansteht, deren Durchführung nicht hinausgeschoben werden kann. Die Bundesregierung wird sich daher genötigt sehen, den Beginn des Erweiterungsbaus der Deutschen Schule in Brüssel in das Haushaltsjahr 1973 zu verschieben. Anlage 31 Schriftliche Antwort des Bundesministers Genscher vom 11. Februar 1971 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Kraska (CDU/CSU) (Drucksache VI/1807 Fragen B 4 und 5) : Wie beurteilt die Bundesregierung im Hinblick auf die Erfordernisse eines erhöhten Umweltschutzes die Pläne der VEBA, umfangreiche Industrieanlagen im Rheinbogen bei Orsoy zu errichten? Ist die Bundesregierung bereit, die von allen Gemeinden des Kreises Dinslaken vorgebrachten Bedenken zu prüfen und gegebenenfalls auf die Planungen der VEBA entsprechend einzuwirken? Für die Genehmigung des Standorts von Industrieanlagen im Rheinbogen bei Orsoy ist nicht die Bundesregierung, sondern die Regierung des Landes Nordrhein-Westfalen zuständig. Die Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen als oberste Landesplanungsbehörde hat mir auf Anfrage mitgeteilt, daß die Landesplanungsgemeinschaft Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk als zuständiger Träger der Regionalplanung das nach der Zweiten Durchführungsverordnung zum Landesplanungsgesetz Nordrhein-Westfalen vom 30. Juni 1963 (GV NW S. 265, SGV NW S. 230) vorgeschriebene Verfahren zur Änderung des Gebietsentwicklungsplans im Raum Orsoy eingeleitet hat. In diesem Verfahren, in dem auch die Vereinbarkeit des vorgesehenen Standorts mit den Erfordernissen des Umweltschutzes zu prüfen ist, können die Beteiligten, zu denen auch die Gemeinden des Kreises Dinslaken gehören, bis zum 28. Februar 1971 ihre Bedenken und Anregungen vorbringen. Die Bundesregierung kann in die Entscheidungen der VEBA über dieses Investitionsvorhaben, die die Organe der Gesellschaft in eigener Verantwortung zu treffen haben, nicht durch Weisungen eingreifen, zumal der Bund an der VEBA nur mit einer Minderheit beteiligt ist. Anlage 32 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Reischl vom 9. Februar 1971 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Meister (CDU/CSU) (Drucksache VI/ 1807 Frage B 6 und 7) : Sieht sich die Bundesregierung in der Lage, Personalinvestitionen steuerlich gleich oder ähnlich zu behandeln wie materielle Investitionen? Verdient diese Frage nicht besondere Beachtung in Hinsicht auf den geplanten Bildungsurlaub? Ich gehe davon aus, daß Sie unter „Personalinvestitionen" Aufwendungen eines Betriebes verstehen, die der Unternehmer macht, um seine Arbeitnehmer für ihre Tätigkeit im Betrieb besser auszubilden, (z. B. Beschäftigung zusätzlicher Arbeitnehmer, weil Arbeitnehmer einen Bildungsurlaub erhalten). Solche Aufwendungen sind, soweit es sich dabei nicht um Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Anlagegütern handelt, grundsätzlich sofort ab- Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Februar 1971 5995 zugsfähige Betriebsausgaben. Sie mindern also in der Regel den Gewinn des Jahres, in dem die Aufwendungen angefallen sind. Demgegenüber sind Aufwendungen für „materielle Investitionen" grundsätzlich zu aktivieren und können im allgemeinen jährlich nur in Höhe der AfA nach § 7 des Einkommensteuergesetzes gewinnmindernd abgesetzt werden. Das bedeutet, daß in den einzelnen Wirtschaftsjahren, in denen das Wirtschaftsgut im Betrieb genutzt wird, jeweils nur der Teil der Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Wirtschaftsguts gewinnmindernd abgezogen werden darf, der entsprechend der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts auf ein Jahr entfällt. Höhere Absetzungen kommen nur in Betracht, soweit für das Wirtschaftsgut Bewertungsfreiheit oder Sonderabschreibungen in Anspruch genommen werden können. Aufwendungen eines Betriebes für die oben bezeichneten „Personalinvestitionen" werden daher steuerlich günstiger behandelt als Aufwendungen für materielle Investitionen. Für „Personalinvestitionen" erscheinen deshalb besondere steuerliche Vergünstigungen nicht erforderlich, aber auch nicht möglich. Das gilt auch für Aufwendungen, die vom Betrieb im Zusammenhang mit einem Bildungsurlaub gemacht werden. Anlage 33 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Rosenthal vom 9. Februar 1971 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Weigl (CDU/CSU) (Drucksache VI/ 1807 Frage B 8) : Hat die Bundesregierung auf Grund der zu erwartenden größeren Tariferhöhungen der Deutschen Bundesbahn erhöhte Haushaltsmittel für die Wirtschaft im ostbayerischen Zonenrandgebiet im Sinne einer Äußerung von Staatssekretär Herold „ . . Erhöhen sich die Frachtkosten, erhöht sich grundsätzlich auch der absolute Betrag der Frachtkostenzuschüsse . . ." (siehe Frankenpost, Hof, vom 29. Januar 1971) eingeplant? Die Bundesregierung stellt auch in diesem Jahr 25 Mio DM aus den Mitteln des Regionalen Förderungsprogramms für die Frachthilfe im Zonenrandgebiet zur Verfügung. Soweit die tatsächlichen Anforderungen diesen Betrag übersteigen, wird der Mehrbedarf den Landesquoten am Regionalen Förderungsprogramm entnommen. Dieses Verfahren wird seit Jahren praktiziert. Im übrigen stellt die Bundesregierung seit 1968 aus den Mitteln des Regionalen Förderungsprogramms jährlich rd. 10 Mio DM zusätzlich für die Kapitalisierung der Frachthilfe zur Verfügung. Durch diese Hilfe wird die Zahl der Frachthilfefälle verringert. Die damit freiwerdenden Beträge können ebenfalls zur Begleichung der durch Tariferhöhungen ansteigenden Frachthilfeforderungen herangezogen werden. Anlage 34 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Rosenthal vom 11. Februar 1971 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Weigl (CDU/CSU) (Drucksache VI/1807 Frage B 9) : In welcher Form wird die Bundesregierung dem Wunsch des Landkreistages auf klare Abgrenzung der Zonenrandförderung gegenüber der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsförderung" entsprechen? Wie eine Rückfrage ergeben hat, hat der Deutsche Landkreistag nicht den Wunsch auf klare Abgrenzung der Zonenrandförderung gegenüber der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" geäußert. Die Bundesregierung ist nach wie vor der Meinung, daß die wirtschaftlichen Interessen des Zonenrandgebietes am besten gewahrt werden, wenn die Wirtschaftsförderung des Zonenrandgebietes weitgehend in die Gemeinschaftsaufgabe integriert wird und die Priorität dieses Gebietes vor anderen strukturschwachen Räumen durch das Zonenrandförderungsgesetz sowie durch besondere Regelungen im Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe sichergestellt wird. Ferner ist daran gedacht, die bevorzugte Berücksichtigung des Zonenrandgebietes auch im Bundeshaushalt zum Ausdruck zu bringen. Anlage 35 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Rosenthal vom 10. Februar 1971 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Gerlach (Obernau) (CDU/CSU) (Drucksache VI/1807 Frage B 10 und 11) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß auf dem Sektor Textil und Bekleidung durch die derzeitige Lockerung der Einfuhrpolitik gegenüber den Ostblockstaaten und Jugoslawien sich eine unkontrollierte Marktzerrüttung anbahnt? Beabsichtigt die Bundesregierung, wegen der Importsteigerungen auf dem Gebiet Textil und Bekleidung aus den Ostblockstaaten und Jugoslawien die Kontingente der Importe aus den asiatischen Handelsländern, insbesondere aus Japan, Südkorea und Taiwan, zu kürzen? Die Bundesregierung sieht zur Zeit keine Anzeichen für eine unkontrollierte Marktzerrüttung auf dem Sektor Textilien und Bekleidung durch Einfuhren aus osteuropäischen Ländern einschließlich Jugoslawien. Die Einfuhren aus diesen Ländern haben 1970 insgesamt etwa 535 Mio DM betragen, das sind 6 % der gesamten Einfuhr von Textilerzeugnissen (8,7 Mrd DM) und 1,4 % des Umsatzes der deutschen Textil- und Bekleidungsindustrie (ca. 39 Mrd DM). Soweit in Einzelfällen marktstörende Preisunterbietungen auftreten, werden diese verfolgt. Im übrigen erfolgt die Lockerung der Einfuhrpolitik gegenüber den Ostländern gerade auf dem Textil- und Bekleidungssektor mit besonderer Vorsicht. Dies geht schon daraus hervor, daß auf dem Textil- und Bekleidungssektor noch 62 % der Warenpositionen der Außenhandelsstatistik einer stren- 5996 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Februar 1971 gen Kontingentierung unterliegen, während sich dieser Anteil für die gesamte gewerbliche Wirtschaft nur noch auf 19% beläuft. Im Falle Jugoslawien ist der Textilsektor der einzige gewerbliche Bereich, auf dem mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen noch angewandt werden. Was Ihre zweite Frage betrifft, so ist eine Kürzung der Einfuhrkontingente gegenüber den ostasiatischen Lieferländern wegen der Importsteigerungen aus den Ostländern und Jugoslawien nicht beabsichtigt. Dies würde auch unseren handelspolitischen und außenwirtschaftsrechtlichen Bindungen zuwiderlaufen und mit den Verpflichtungen im Rahmen des GATT kollidieren. Gleichwohl werden wir uns bemühen, diesen Ländern gegenüber eine maßvolle Einfuhrpolitik zu betreiben. Anlage 36 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Rosenthal vom 10. Februar 1971 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Wuwer (SPD) (Drucksache VI/1807 Frage B 12) : Hält die Bundesregierung die gegenwärtigen Rechtsvorschriften für ausreichend, tim einem möglicherweise nachteiligen Einfluß der Banken für die Wirtschaft und Gesellschaft wirksam begegnen zu können? 1 Wie jede andere wirtschaftliche Macht bedarf auch der Einfluß der Banken der ständigen Kontrolle durch den Wettbewerb. Die Bundesregierung hat stets ihr Augenmerk darauf gerichtet, den Wettbewerb in der Kreditwirtschaft zu aktivieren. Sie hat zu diesem Zweck die bestehenden Wettbewerbsverzerrungen in der Wettbewerbsenquete untersucht und ein Programm zu deren Beseitigung entwickelt. Ein erster wirksamer Schritt zur Intensivierung des Wettbewerbs war die Aufhebung der behördlichen Zinsbindung im April 1967. Gerade der danach aufgeflammte Zinswettbewerb bildet ein äußerst wirksames Gegengewicht gegen marktbeherrschende Positionen in der Kreditwirtschaft. Eine zusehends wichtigere Funktion üben in derselben Richtung die öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute aus, die heute mehr und mehr im Wettbewerb um denselben Kundenkreis wie die Banken tätig sind. Weiter sind die Bemühungen um eine Reform der Börsen zu erwähnen, durch die dem Geschehen an den Börsen größere Transparenz gegeben und unerwünschten Einflüssen der Banken entgegengewirkt wird. Zur Zeit ist die Bundesregierung im Rahmen der Kartellnovelle bemüht, die Kontrolle der Kartellbehörden über die Kreditinstitute weiter auszubauen. Ich meine, daß der durch diese Schritte der Bundesregierung ausgelöste starke Wettbewerb wirksamer als gezielte Eingriffe dazu beiträgt, gerade die Chancen der Sparer und der kleinen und mittleren Unternehmen gegenüber den Banken zu verbessern. Die Methode, die bestehenden Systeme und Strukturen unserer Kreditwirtschaft, die sich in Jahrzehnten gebildet haben, nicht abrupt, sondern durch organische Anpassungen und Korrekturen auf Teilgebieten vom Markt her aufzulockern, scheint mir nicht nur die unserer Wirtschaftsordnung konformste, sondern auch die längerfristig wirksamste zu sein. Anlage 37 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Rosenthal vom 9. Februar 1971 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Schedl (CDU/CSU) (Drucksache VI/1807 Frage B 13) : Welche Gewerbetreibenden erhalten eine auszahlbare Zulage für Investitionen nach §1 Abs. 4 des Investitionszulagengesetzes? Eine Investitionszulage nach § 1 des Investitionszulagengesetzes erhalten Gewerbetreibende, die steuerpflichtig im Sinne des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes sind, den Gewinn aus Gewerbebetrieb auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung ermitteln und in dem im Gesetz bezeichneten förderungsbedürftigen Gebiet nach dem 31. Dezember 1968 eine Betriebsstätte errichten oder erweitern. Die Investitionszulage wird im Zonenrandgebiet auch bei der Umstellung oder grundlegenden Rationalisierung einer Betriebsstätte gewährt. Voraussetzung für die Gewährung der Zulage ist, daß der Bundesminister für Wirtschaft im Benehmen mit dem zuständigen Landeswirtschaftsminister bescheinigt hat, daß die Investition volkswirtschaftlich besonders förderungswürdig und geeignet ist, die Wirtschaftsstruktur der förderungsbedürftigen Gebiete zu verbessern, den Zielen und Grundsätzen der Raumordnung und Landesplanung entspricht, zusätzliche Arbeitsplätze in angemessenem Umfange geschaffen werden (bei einer Erweiterung oder einer im Zusammenhang mit einer Betriebsverlagerung innerhalb der förderungsbedürftigen Gebiete stehenden Errichtung), die Errichtung und Erweiterung nicht im Zusammenhang mit einer Betriebsverlagerung aus Berlin (West) steht, die Investition für den Fortbestand der Betriebsstätte und zur Sicherung der dort bestehenden Dauerarbeitsplätze erforderlich ist (bei Umstellungs- und Rationalisierungsinvestitionen). Anlage 38 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Rohde vom 10. Februar 1971 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Erhard (Bad Schwalbach) (CDU/CSU) (Drucksache VI/1807 Frage B 14): Ist das Anhörungsverfahren abgeschlossen, das nach Angaben des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung in der Antwort auf meine Frage — Drucksache VI/869, B 15 — im Juli 1970 stattfinden sollte, und wann kann mit der in Aussicht gestellten Verkündung der Änderungsverordnung gerechnet werden? Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Februar 1971 5997 Der Beratende Ausschuß nach § 16 der Gewerbeordnung hat inzwischen der Aufnahme der Anlagen zur Herstellung von Formstücken unter Verwendung von Zement durch Stampfen, Schocken, Rütteln oder Vibrieren auf Maschinen in den Katalog der nach § 16 der Gewerbeordnung genehmigungsbedürftigen Anlagen zugestimmt. Der Entwurf der entsprechenden Änderungsverordnung wurde vom Kabinett am 2. Februar 1971 im Umlaufwege beschlossen und anschließend dem Bundesrat zugeleitet. Anlage 39 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Rohde vom 10. Februar 1971 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) (Drucksache VI/1807 Frage B 15) : Wie beurteilt die Bundesregierung in bezug auf den Winterbau die Besonderheiten einzelner, der Winterwitterung besonders ausgesetzter Zweige der Bauwirtschaft und insbesondere die vorliegenden Vorschläge des Zentralverbandes des Dachdeckerhandwerks über eine Reform der SchlechtwettergeldRegelung und der produktiven Winterbauförderung? Die Bundesregierung ist mit den Beteiligten im Gespräch, um den Erfahrungen über den Winterbau Rechnung zu tragen, die in den letzten Jahren gewonnen wurden. Diese Beratungen sind noch nicht abgeschlossen. In die vorbereitenden Gespräche ist auch der Zentralverband des Dachdeckerhandwerks e. V. einbezogen, um die von ihm geltend gemachten Gesichtspunkte zu erörtern. Dabei spielen auch die positiven Auswirkungen der Winterbauförderung für die jährliche Arbeitsplanung dieses Gewerbezweiges eine Rolle. Anlage 40 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Rohde vom 10. Februar 1971 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Unland (CDU/CSU) (Drucksache VI/1807 Fragen B 16 und 17) : Wie beurteilt die Bundesregierung die Gefahren auf Menschen in Restaurantküchen und Privathaushalten, die sich aus der zunehmenden Verwendung sogenannter Mikrowellenherde mit Abgabeleistungen zwischen 600 und 2000 Watt ergeben (vergleiche hierzu auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 3. Februar 1971)? Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen bzw. beabsichtigt sic zu ergreifen, um Schädigungen zu verhindern? Auf Veranlassung des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung beobachtet das Bundesinstitut für Arbeitsschutz seit einiger Zeit die Marktentwicklung bei Mikrowellengeräten. Uns wurde mitgeteilt, daß die Zahl der in den Verkehr gebrachten Geräte nicht in dem ursprünglich erwarteten Ausmaß gestiegen ist. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, das sich diese Tendenz ändert. Mikrowellengeräte sind als verwendungsfertige technische Arbeitsmittel im Sinne des Gesetzes über technische Arbeitsmittel vom 24. Juni 1968 anzusehen. Der Hersteller oder Importeur dieser Geräte darf sie nur in den Verkehr bringen oder ausstellen, wenn sie sicherheitstechnisch einwandfrei gebaut sind. Unser Haus hat mit Schreiben vom 10. Dezember 1970 die Kommission Sicherheitstechnik im Deutschen Normenausschuß gebeten, durch die Deutsche Elektrotechnische Kommission — Fachnormenausschuß Elektrotechnik im DNA gemeinsam mit dem Vorschriftenausschuß des VDE — spezielle sicherheitstechnische Regeln für Mikrowellengeräte aufstellen zu lassen. Ferner befaßt sich die International Electrotechnical Commission (IEC), in der der Verband Deutscher Elektrotechniker (VDE) Mitglied ist, mit der Festlegung von Sicherheitsanforderungen für Geräte, die Mikrowellen erzeugen. Schließlich möchte ich noch auf eine Schriftliche Antwort hinweisen, die der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit Herrn Kollegen Dr. Prasser auf zwei ähnliche Fragen am 15. April 1970 gegeben hat (Stenographischer Bericht über die 44. Sitzung am 17. April 1970, Anlage 43). Anlage 41 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Rohde vom 10. Februar 1971 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Zebisch (SPD) (Drucksache VI/1807 Fragen B 18 und 19) : Wie haben sich die Krankenziffern seit Inkrafttreten des Lohnfortzahlungsgesetzes entwickelt, und welche Krankheiten sind an erster Stelle genannt worden? Stimmt es, daß bei den Arbeitnehmern infolge eines zunehmenden Leistungsdruckes die funktionellen und vegetativen Störungen, also vor allem nervöse Herz- und Magenbeschwerden, zunehmen, und was wird die Bundesregierung unternehmen, um diesen Komplex näher zu erforschen, der von mancher Seite unberechtigt als Mißbrauch des Lohnfortzahlungsgesetzes dargestellt wird? Die Krankenziffer bei den Pflichtmitgliedern (Arbeiter und Angestellte) der gesetzlichen Krankenkassen hat sich von 5,0 % im Durchschnitt des Jahres 1969 auf durchschnittlich 5,6 % im Jahre 1970 erhöht. Bei diesem Vergleich mit 1969 sind in erster Linie die zahlreich aufgetretenen Grippeerkrankungen um die Jahreswende 1969/70 zu berücksichtigen. Im übrigen darf ich auf meine Schriftliche Antwort vom 5. November 1970 auf eine Frage von Herrn Kollegen Dr. Haack hinweisen (Stenographischer Bericht über die 76. Sitzung, S. 4264, Anlage 5). Da die Krankenkassen bei der Ermittlung des monatlichen Krankenstandes die Art der Krankheiten statistisch nicht festhalten, kann im einzelnen keine Auskunft darüber gegeben werden, welche Krankheiten an erster Stelle auftreten. Es ist daher auch schwierig, einen konkreten Überblick über das tatsächliche Ausmaß der funktionellvegetativen Störungen zu gewinnen. Aus vielen medizinischen Veröffentlichungen kann jedoch der 5998 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Februar 1971 der Eindruck gewonnen werden, daß allgemein in der Bevölkerung die sog. funktionell-vegetativen Störungen weit verbreitet sind. Neuere sozialmedizinische Erkenntnisse machen deutlich, daß diese Krankheiten in den sozialen Lebensbedingungen des einzelnen, insbesondere auch den psychischen und physischen Belastungen am Arbeitsplatz, begründet sein können. Das Zweite Krankenversicherungsänderungsgesetz hat mit der Einführung von Maßnahmen der Früherkennung von Krankheiten als Pflichtleistung einen ersten Schritt zum Ausbau der Gesundheitssicherung in der sozialen Krankenversicherung getan. Bei den Beratungen der Sachverständigenkommission zur Weiterentwicklung der sozialen Krankenversicherung spielt die Frage, wie die Leistungen und die Organisation der sozialen Krankenversicherung dem geänderten Krankheitsbild besser gerecht werden können, eine wichtige Rolle. Anlage 42 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Berkhan vom 11. Februar 1971 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Engelsberger (CDU/CSU) (Drucksache VI/1807 Fragen B 20 und 21) : Treffen Meldungen zu, daß die seit Jahren geplante Seilbahn auf den Untersberg bei Berchtesgaden in diesen Jahre gebaut und ausschließlich der Beförderung von Militärpersonen dienen soll? Ist bei diesem Bau ausreichend garantiert, daß die Trasse so angelegt wird, daß das Landschaftsbild keine Beeinträchtigung erfährt? Mit dem Bau der Seilbahn von der Gartenau auf den Berchtesgadener Hochthron des Unterbergmassivs wird im Jahre 1971 begonnen. Die Seilbahn ist die Voraussetzung für die Erschließung und den Betrieb einer militärischen Stellung, die als südlicher Eckpfeiler eine empfindliche Lücke eines fernmeldetechnischen Systems schließt. Im Zuge einer Erkundung des Raumes Berchtesgaden-Bad Reichenhall wurde im Sommer 1957 der Berchtesgadener Hochthron als der fernmeldetechnisch allein geignete Ort für eine militärische Stellung ermittelt. Dieser Wahl hat die Bayerische Staatskanzlei mit Note vom 24. März 1959 zugestimmt. Seitdem ist die Frage einer ausschließlich der militärischen Nutzung dienenden Anlage und die Alternative einer zivilen Mitbenutzung unter technischen, betriebs- und wirtschaftlichen Gesichtspunkten eingehend geprüft worden. In diesem Zusammenhang sind fast zwei Jahre dauernde Verhandlungen mit der Berchtesgadener Bergbahn AG geführt worden, die als Träger einer gemeinsam zu nutzenden Seilbahn allein in Betracht käme Dabei hat sich eindeutig ergeben, daß es für den Bund sehr viel wirtschaftlicher ist, die Seilbahn selbst zu bauen und für die ausschließliche militärische Nutzung zu betreiben. Aufgrund dieser durch vergleichende Untersuchungen erhärteten Feststellung hat der Bundesminister der Finanzen am 13. Februar 1970 dem Bauvorhaben zugestimmt. Die vorgesehene Trasse wurde als günstigste aus zwölf Vorschlägen ausgewählt. Die Bayerische Staatskanzlei hat mit Note vom 21. August 1962 u. a. unter Beteiligung der Bayerischen Staatsforstverwaltung und der Höheren Naturschutzbehörde dieser Seilbahntrasse zugestimmt. Ihr wurde am 10. November 1970 bestätigt, daß die Bauwerke für Stellung und Seilbahn dem Profil des Bergmassivs angepaßt werden. Damit wird den Belangen und Auflagen der Höheren Naturschutzbehörde Rechnung getragen. Anlage 43 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 10. Februar 1971 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Kienbaum (FDP) (Drucksache VI/1807 Fragen B 22 und 23) : Trifft es zu, daß im rechtsrheinischen Teil der Stadt Bonn die Anbindung des innerstädtischen Straßennetzes an die neue vierspurige B 42 allein über die schon heute völlig verstopfte B 56 führen, und die provisorische Abfahrt an der jetzigen Endstelle der Ausbaustrecke in Beuel-Pützchen ersatzlos aufgehoben werden soll? Wenn ja, ist dem Herrn Bundesminister für Verkehr bewußt, daß eine derartige Planung zu allabendlichen Stauungen auf der B 42 im Bereich der Kreuzung mit der B 56 führen wird, weil der Verkehr über die B 56 nicht abfließen kann? Der rechtsrheinische Teil der Stadt Bonn wird im Endzustand an die neue B 42 unmittelbar über die Anschlußstellen an der B 56 und dem Grünen Weg bei Römlinghofen und mittelbar über die Anschlußstelle Trajektstraße im Zuge der Südspange und die Anschlußstelle Geislar im Zuge der Nordspange angeschlossen. Es trifft daher nicht zu, daß die Anbindung des rechtsrheinischen Teil Bonns allein über die B 56 erfolgt. Es ist aber richtig, daß die am vorläufigen Ende der Neubaustrecke in Beuel-Pützchen zur Zeit bestehende Abfahrtsmöglichkeit beim Weiterbau der Strecke zwangsläufig wieder entfällt. Die Planung der neuen B 42 kann nur im Zusammenhang mit dem vorgesehenen und teilweise schon fertigen oder im Bau befindlichen Netz der Bundesfernstraßen im Bonner Raum beurteilt werden. Die zur Zeit stark belastete B 56 wird nach Fertigstellung der neuen B 8/B 42 zwischen der Nordspange Bonn und Siegburg/Niederpleis (etwa 1975) vom überörtlichen und einem Teil des regionalen Verkehrs entlastet werden, so daß mit Stauungen im Bereich der Anschlußstelle B 42 (neu) / B 56 dann nicht mehr zu rechnen ist. Anlage 44 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 10. Febreuar 1971 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Beermann (SPD) (Drucksache VI/1807 Fragen B 24 und 25) : Ist bekannt, daß die Stadt Ahrensburg Industriebetrieben — die im Gewerbegebiet Ost ansiedelten — in Aussicht gestellt Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Februar 1971 5999 hat, daß dorthin alsbald ein Gleisanschluß gelegt wird, wie es der Stadt von der Deutschen Bundesbahn zugesagt worden ist? Ist im Hinblick darauf, daß die im Zonenrandgebiet liegende Stadt Ahrensburg bei diesen Industriebetrieben hinsichtlich des Gleisanschlusses im Wort steht, das Bundesverkehrsministerium bereit, nunmehr dafür zu sorgen, daß dieser Gleisanschluß alsbald gebaut wird? Wie den Anträgen der Stadt Ahrensburg auf Gewährung einer Bundeszuwendung im Rahmen des von 1969 bis 1972 laufenden Förderungsprogramms der Bundesregierung zu entnehmen ist, beabsichtigt die Stadt den Bau eines Industriestammgleises. Hiermit soll nach Angaben der Deutschen Bundesbahn (DB) eine größere, als Industriegebiet ausgewiesene Geländefläche teilweise an das Schienennetz der DB angeschlossen werden. Über die Anträge wird allein nach den Richtlinien für Bundeszuwendungen zur Förderung des kombinierten Verkehrs und des Gleisanschlußverkehrs abschließend entschieden, wobei evtl. Zusagen der Stadt an Industriebetriebe, die sich im fraglichen Gebiet ansiedeln, hier nicht bekannt und auch ohne Einfluß sind. Das gilt auch hinsichtlich etwaiger Zusagen der DB. Über den Antrag der Stadt Ahrensburg auf Bundeszuwendungen kann mit Rücksicht auf die Gleichbehandlung aller Antragsteller nur in der Reihenfolge des Antragseingangs — im vorliegenden Falle in etwa 4-6 Wochen — entschieden werden. Anlage 45 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 10. Februar 1971 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Storm (CDU/CSU) (Drucksache VI/1807 Frage B 26) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß ein Großteil der deutschen Handelsschiffe nicht gemäß den geltenden Bestimmungen der Schiffsbesatzungsordnung mit Offizieren und Mannschaften besetzt ist, und welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung zur Beseitigung dieses Zustandes, um das durch das augenblicklich durchgeführte Verfahren zusätzlich hohe Unfallrisiko bei der Schiffahrt zu verhindern? Die Personalschwierigkeiten der deutschen Seeschiffahrt sind der Bundesregierung bekannt. Auf die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Rollmann, Orgaß und Genossen (Bundestagsdrucksache VI/586) weise ich hin. Die Bundesregierung hofft, daß die von den Reedern getroffenen Maßnahmen zur verstärkten Personalpflege und -werbung sowie die gemeinsam von den Sozialpartnern im Tarifvertrag vorgesehenen sozialen Verbesserungen dazu beitragen werden, die Personalschwierigkeiten zu mindern. Anlage 46 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 10. Februar 1971 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Storm (CDU/CSU) (Drucksache VI/1807 Frage B 27): Welche Planungen bereitet die Bundesregierung vor hinsieht- lich des Baues einer „Nordland-Autobahn", die parallel zur bestehenden Autobahn Hamburg—Frankfurt den Bereich vom Raum Lübeck und dem Harzgebiet erschließen, und somit eine wirtschaftliche Stärkung des Zonenrandgebietes bewirken soll, von dem in jüngster Zeit Presseäußerungen vor allein in Norddeutschland sprachen? Der Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen; der zu dem gegenwärtig dem Deutschen Bundestag vorliegenden Gesetzentwurf über den Ausbau der Bundesfernstraßen in den Jahren 1971 bis 1985 als Anlage gehört, enthält bereits eine östlich der bestehenden Bundesautobahn Hamburg — Hannover — Frankfurt durch das Zonenrandgebiet zwischen Ostholstein und dem Harz verlaufende Autobahnverbindung. Im Abschnitt zwischen Lübeck und Lüneburg ist die Linienführung dieser Autobahn noch ungeklärt. Der hier bestehende Bedarf an einer Strecke mit 4spurigem Querschnitt ist hilfsweise im Zuge der Bundesstraßen 404, 207 und 404 a zwischen Bad Oldesloe und Lüneburg vorgemerkt worden. Gegenwärtig ist eine umfassende verkehrswirtschaftliche Untersuchung für eine Ergänzung des Fernstraßennetzes in Norddeutschland (Küstenautobahn) in Arbeit; diese soll auch über die günstigste Linie einer Autobahnverbindung Lübeck — Lüneburg Aufschluß geben. Im mittleren Abschnitt zwischen Lüneburg und Braunschweig verläuft die geplante Autobahn auf neuer Trasse relativ nahe der bestehenden Bundesstraße 4, um zugleich auch deren überregionale Verkehrsaufgabe übernehmen zu können. Außer der westlichen Umgehung erhält Braunschweig eine großräumige östliche und südliche Umgehung als Teil einer Autobahn, die einerseits Wolfsburg anschließt und andererseits über Salzgitter — Lebenstedt eine kurze Verbindung zur Autobahn Hannover — Frankfurt herstellt. Außerdem wird die B 4 als Autobahn südwärts bis zum Harz geführt. Von dort kann die Autobahn Hannover — Frankfurt später über die Nordharzautobahn (A 106 im Bedarfsplan) erreicht werden. Der Nordland-Autobahn-Verein e. V. hat dem Bundesminister für Verkehr vor einigen Tagen seine Denkschrift übersandt. Es wird gegenwärtig geprüft, ob die im Bedarfsplan niedergelegte Konzeption unter Verwendung der Planungsgedanken der Nordlandautobahn noch verbessert werden kann. Die §§ 4 und 6 des eingangs erwähnten Gesetzentwurfs geben die Möglichkeit, den Bedarfsplan dem Ergebnis dieser Prüfung anzupassen. Anlage 47 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 10. Februar 1971 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU) (Drucksache VI/1807 Frage B 28): Ist die Bundesregierung bereit, die Bundesbahnstrecke LehrteBraunschweig—Helmstedt zu elektrifizieren, wenn das Land Niedersachsen gemäß Antwort des Bundesministers für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen — E 5 Eb 213/614 Ve 70 — auf Drucksache VI/1581, Teil B Nr. 26 und 27, 11/s Prozent Zinszuschüsse für durch die Deutsche Bundesbahn aufzunehmende Kredite bereitstellen würde? 6000 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Februar 1971 Nach Mitteilung der Deutschen Bundesbahn wäre sie bereit, bei 1,5 % Zinszuschüssen durch das Land Niedersachsen einer Elektrifizierung der Strecke Lehrte — Braunschweig — Helmstedt näherzutreten, wenn dadurch die gleichen Finanzierungsbedingunge wie in meiner Antwort zur Frage 27 aus Bundestagsdrucksache VI/1581, Teil B vom 18. 12. 1970 — erreicht würden; das heißt, daß das Land bereit sein müßte, zusätzlich zu den Zinszuschüssen einen Kredit zu gewähren oder zu ermöglichen. Anlage 48 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 10. Februar 1971 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Peiter (SPD) (Drucksache VI/1807 Fragen B 29 und 30) : Welche Absichten hat die Bundesregierung hinsichtlich des Baus neuer Rheinbrücken zwischen Neuwied und Mainz? Welche Vorstellungen hat die Bundesregierung insbesondere wegen der Errichtung einer neuen Rheinbrücke bei St. Goarshausen-St. Goar? Zwischen Neuwied und Mainz ist der Bau folgender Rheinbrücken geplant: 1. Neubau der Rheinbrücke Neuwied mit 6 Fahrspuren 2. Neubau einer Rheinbrücke südlich Neuwied, wenn es der Verkehrszuwachs erfordert 3. Erweiterung der bestehenden Rheinbrücke Koblenz-Pfaffendorf von 4 auf 6 Fahrspuren 4. Im Bau ist die Südbrücke Koblenz 5. Neubau einer Rheinbrücke bei St. Goar 6. Neubau einer Rheinbrücke bei Geisenheim Die Rheinbrücke bei St. Goar/St. Goarshausen ist im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen in der 3. Dringlichkeit eingeplant. Im Zusammenhang mit der Erarbeitung einer Gesamtkonzeption zur Förderung des Taunus-Hochlandes wird die Priorität der Rheinbrücke überprüft werden. Anlage 49 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 10. Februar 1971 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Niegel (CDU/CSU) (Drucksache VI/1807 Fragen B 31 und 32): Ist der Bundesregierung bekannt, daß abgemeldete, parkende Personenkraftwagen, für die keine Steuer entrichtet wird und kein Versicherungsschutz besteht, auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen von der Polizei nur nach langen Ermittlungen und Ablaufen einer mehrmonatigen Frist erst beseitigt werden können? Ist die Bundesregierung bereit, hieraus entsprechende Konsequenzen zu ziehen und rechtliche Bestimmungen anzustreben, die öffentliche Straßen, Wege und Parkplätze von abgemeldeten, nichtversteuerten und nichtversicherten Autos und Wracks freihalten bzw. der Polizei das Recht geben, kurzfristig auf Kosten der Eigentümer eine Beseitigung vorzunehmen? Der Bundesregierung ist bekannt, daß manche Fahrzeughalter versuchen, sich ihrer schrottreifen Kraftfahrzeuge durch Abstellen am Fahrbahnrand zu entledigen. Hiergegen vorzugehen ist eine Angelegenheit der Länder. Die gegenwärtigen Rechtsvorschriften reichen für die nötigen Maßnahmen aus, zumal mit Hilfe der Fahrgestell-Nummer der Halter des Fahrzeugs meist ermittelt werden kann. Da durch das Abstellen solcher stillgelegten Kraftfahrzeuge auf öffentlichen Straßen der Gemeingebrauch (vgl. § 7 des Bundesfernstraßengesetzes) überschritten wird, ist der Betroffene zur Beseitigung dieses Fahrzeugs verpflichtet. Im übrigen kann nach dem Polizeirecht der Länder die Polizei solche Fahrzeuge auf Kosten der Pflichtigen beseitigen lassen. Anlage 50 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staassekretärs Börner vom 10. Februar 1971 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Pfeifer (CDU/CSU) (Drucksache 'V-1/1807 Fragen B 33 und 34) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß das Verkehrsaufkommen auf der nur 7,5 m breiten und zwei Ortschaften durchschneidenden B 27 zwischen Tübingen und Hechingen zur Zeit über 15 000 Kraftfahrzeuge pro Tag beträgt, und daß auf diesem Straßenstück allein im Kreis Tübingen seit 1968 23 Menschen bei Verkehrsunfällen ums Leben gekommen sind? Bis wann kann nach den gegenwärtigen Plänen der Bundesregierung — abgesehen von der Umgehung Hechingen — mit dem Beginn des Neubaus der B 27 zwischen Tübingen und Hechingen gerechnet werden, und in welchem Haushaltsjahr stehen hierfür frühestens Bundesmittel zur Verfügung? Im Bedarfsplan für den Ausbau der Bundesfernstraßen ist der Abschnitt Tübingen-Hechingen der Bundesstraße 27 mit einem 2-bahnigen Neubau in 1. Dringlichkeit enthalten. Bei der in diesem Zusammenhang vorgenommenen Bewertung der anstehenden Maßnahmen wurde sowohl der vorhandene Straßenzustand und die Verkehrsbelastung als auch die für diesen Zweck erhobenen Unfallschwerpunkte berücksichtigt. Allerdings liegen dem Bundesminister für Verkehr Unfallzahlen im einzelnen nicht vor. Die Einplanung der benötigten Mittel für den Zeitraum bis 1975 wird im 1. Fünfjahresplan erfolgen, der zur Zeit aufgestellt wird. Die Vielzahl der im Bau befindlichen und vordringlichen Maßnahmen macht es nicht möglich, alle Maßnahmen der 1. Dringlichkeit bereits zu Beginn des von 1971 bis 1985 laufenden Ausbauplanes für die Bundesfernstraßen in Angriff zu nehmen. Hierunter fällt nach eingehender Abwägung aller verkehrlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten leider auch der Neubau der Bundesstraße 27 auf dem angesprochenen Abschnitt. Mit der Möglichkeit der Einplanung von Mitteln im 1. Fünfjahresplan kann daher — abgesehen von der Ortsumgehung Hechingen — nicht gerechnet werden. Für den Zeitraum danach können noch keinerlei Angaben gemacht werden. Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Februar 1971 6001 Eine Änderung dieser Sachlage kann nur eintreten, wenn möglichst bald eine wesentliche Ausweitung der Bundesfernstraßenmittel wirksam wird, um die sich der Bundesminister für Verkehr bei der Einbringung des Verkehrsberichtes 1970 im Deutschen Bundestag am 2. Dezember 1970 bemüht hat. Auch ich darf Sie hierzu um Ihre Unterstützung bitten. Anlage 51 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 10. Februar 1971 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Gölter (CDU/CSU) (Drucksache VI/1807Frage B 35) : Treffen Pressemeldungen zu, daß die Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn dem Verwaltungsrat der Deutschen Bundesbahn die Elektrifizierung der Strecke Schifferstadt—SpeyerGermersheim—Wörth als dringlich vorschlagen wolle? Die Beantwortung Ihrer Frage ist bereits mit Schreiben von Herrn Minister Leber an Sie vom 31. Januar 1971 — E 5 Eb 216/5006 BT 71 — erfolgt. Anlage 52 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 10. Februar 1971 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Schmidt-Vockenhausen (SPD) (Drucksache VI/1807Frage B 36) : Bis zu welchem Zeitpunkt rechnet die Bundesregierung mit dem Abschluß der Prüfung der Pläne für den Bau der Ortsumgehung Raunheim im Zuge der B 43? Die Prüfung der Planung für den Bau der Ortsumgehung Raunheim im Zuge der B 43 wird in Kürze abgeschlossen werden. Hierzu ist jedoch noch eine Besprechung mit der hessischen Straßenbauverwaltung notwendig. Anlage 53 Schriftliche Antwort des Parlamentarische Staatsekretärs Börner vom 10. Februar 1971 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Jobst (CDU/CSU) (Drucksache VI/1807 Frage B 37): Wann wird mit dem Bau der Autobahn Regensburg—Elsendorf, die für den ostbayerischen Raum als Verbindungsstraße nach dem Süden von erheblicher Bedeutung ist, begonnen werden? Die BAB-Neubaustrecke Regensburg — Elsendorf kann frühestens im 2. Fünfjahresplan (1976-1980) begonnen werden. Ein endgültiger Bautermin liegt zur Zeit noch nicht fest. Anlage 54 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 10. Februar 1971 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Schröder (Wilhelminenhof) (CDU/CSU) (Drucksache VI/ 1807 Frage B 38) : Treffen Meldungen zu, wonach die Bundesregierung zusammen mit der niedersächsischen Landesregierung im Nordwesten Niedersachsens den Ausbau eines Regionalflugplatzes plant, und kann die Bundesregierung zum jetzigen Zeitpunkt schon sagen, welchen Flugplatz sie für diesen Ausbau in Erwägung zieht? Auf Veranlassung des Bundesministers für Verkehr untersucht gegenwärtig die „Kommission für den Binnenländischen Luftverkehr" Möglichkeiten zur Ergänzung des innerdeutschen Flugnetzes. Die Länder sind in dieser Kommission vertreten. Die Untersuchungen erfassen Wirtschaftsregionen, die bisher nicht in den Linienluftverkehr einbezogen sind. Hierzu zählt vorrangig auch die niedersächsische Region Wilhelmshaven—Emden. Ein Ergebnis wird von der Kommission bis Ende 1971 erwartet. Im Rahmen der Kommissionsarbeit überprüfen die Länder gegenwärtig, über welche Anlagen und Einrichtungen die möglicherweise für die Einbeziehung in den Linienluftverkehr infragekommenden Flugplätze verfügen und in welchem Umfang und nach welchem Zeitplan sie gegebenenfalls ausgebaut werden können. Angaben hierüber werden voraussichtlich bis April 1971 vorliegen. Auf Grund des Standes der Diskussion um den Ergänzungsluftverkehr ist eine endgültige Aussage über die Standorte der Flugplätze im einzelnen noch nicht möglich. Eine gemeinsame Planung dieser Plätze seitens Bund und Länder wäre daher verfrüht; infolgedessen haben Kontakte in dieser Frage zwischen dem Bund und den Ländern, auch mit Niedersachsen, noch nicht stattgefunden. Eine finanzielle Beteiligung an den künftigen Flugplätzen des Binnenländischen Luftverkehrs über die Einrichtung von Flugsicherungs- und Flugwetterdiensten nach Maßgabe des Ergebnisses der gegenwärtigen Untersuchungen hinaus ist nicht beabsichtigt. Anlage 55 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 10. Februar 1971 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Hermesdorf (Schleiden) (CDU/CSU) (Drucksache VI/ 1803 Frage B 39) : Kann die Bundesregierung angeben, wann die Deutsche Bundesbahn die Eisenbahnstrecke Kalscheuren/Jünkerath elektrifizieren wird, um über diese Verbesserung des Schienenverkehrs die Standortbedingungen der in diesem Gebiet ansässigen Industrie und gewerblichen Wirtschaft günstiger zu gestalten und den Fremdenverkehr zu fördern? Nach Mitteilung der Deutschen Bundesbahn ist die Einbeziehung der Strecke Kalscheuren — Jünkerath in das elektrifizierte Streckennetz zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorgesehen. Der auf dieser Strecke 6002 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 102. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Februar 1971 eingerichtete leistungsfähige Dieselbetrieb läßt noch eine wesentliche Steigerung des Verkehrsaufkommens sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr zu. Die bei einer Elektrifizierung möglichen Ausgabenersparnisse der Betriebsführung würden so erhebliche Investitionen nicht rechtfertigen. Anlage 56 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 11. Februar 1971 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Riedl (München) (CDU/CSU) (Drucksache VI/1807 Frage B 40) : Ist der von der Deutschen Lufthansa seit kurzem im Liniendienst eingesetzte „Jumbo-Jet" (Boeing Jet 747) uneingeschränkt flugfähig, oder muß auf Grund der immer wieder auftretenden Verspätungen bzw. Flugausfälle angenommen werden, daß noch erhebliche technische Mängel an diesem Flugzeug bestehen, die einen reibungslosen und pünktlichen Verkehr noch nicht gewährleisten? Die technische Sicherheit eines neuen Flugzeugmusters wird vor Indienststellung in gründlichen Versuchen und einem umfangreichen Erprobungsprogramm festgestellt. Eine Freigabe erfolgt erst, wenn ein sicherer Flugbetrieb gewährleistet ist. Die Boeing 747 der Deutschen Lufthansa ist in diesem Sinne von den zuständigen amerikanischen und deutschen Flugsicherheitsbehörden FAA (Federal Aviation Administration) und LBA (Luftfahrt-Bundesamt) geprüft worden. Die Sicherheit ist voll gewährleistet: Wichtige Aggregate sind mehrfach vorhanden, und das Wartungsverfahren stellt die rechtzeitige Entdeckung von Fehlerquellen sicher. Wenn trotzdem gewisse Anlaufschwierigkeiten aufgetreten sind, so beeinträchtigen diese keinesfalls die Flugsicherheit, sondern lediglich die Regelmäßigkeit des Verkehrs. Solche Schwierigkeiten sind bei Einführung eines völlig neuen Modells als normal anzusehen. Die Deutsche Lufthansa ist bemüht, Flugausfälle oder Verspätungen so gering wie möglich zu halten. Anlage 57 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. von Dohnanyi vom 11. Februar 1971 auf die Schriftliche Frage der Abgeordneten Frau Dr. Walz (CDU/CSU) (Drucksache VI/1807 Frage B 41): Welche Fortschritte hat das von Bund, Ländern, Hochschulen und Rundfunkanstalten gemeinsam zu tragende Fernstudiensystem im Medienverbund seit den Empfehlungen des Vorbereitungsausschusses vom 30. Juni 1970 in der Planung gemacht? Die von der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung eingesetzte ad hoc-Arbeitsgruppe „Fernstudium im Medienverbund" konnte ihre Arbeit mit Rücksicht auf die Koordinierung der Kultusminister untereinander erst im Oktober 1970 aufnehmen. Die Beratungen über das Fernstudium im Medienverbund wurden Anfang November 1970 auf Bitten der Ministerpräsidenten wieder unterbrochen, weil sie der Auffassung waren, das zunächst eine Meinungsbildung in den Länderregierungen und dann auf der Ebene der Ministerpräsidentenkonferenz erforderlich sei. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß eine Beteiligung des Bundes an der Errichtung eines Verbundsystems für das Fernstudium verfassungsrechtlich auf Art. 91 b GG gestützt werden kann; sie erwartet demgemäß, daß der Bund am Verbundsystem in geeigneter Weise beteiligt wird. Auf ihrer Besprechung am 17. Dezember 1970 haben die Ministerpräsidenten von einem Bericht ihrer Rundfunkkommission, in dem verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Bundesbeteiligung in Form der Mitträgerschaft am Verbundsystem geltend gemacht worden sind, zustimmend Kenntnis genommen. Die Ministerpräsidenten haben eine Arbeitsgruppe mit dem Auftrag eingesetzt, bis Ende März Vorschläge für ein Finanzierungsabkommen zwischen Bund und Ländern und für einen Staatsvertrag der Länder über die Errichtung eines Verbundsystems für das Fernstudium zu erarbeiten. Bei dem am 18. Dezember 1970 stattgefundenen Gespräch der Ministerpräsidenten mit dem Bundeskanzler wurde vereinbart, daß zu der von den Ministerpräsidenten eingesetzten Arbeitsgruppe auch der Bund Vertreter entsendet, um die Grundsatzfragen über das Fernstudium im Medienverbund gemeinsam erörtern zu können. Diese Erörterung wird voraussichtlich in der zweiten Februarhälfte stattfinden. Anlage 58 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. von Dohnanyi vom 10. Februar 1971 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Wuwer (SPD) (Drucksache VI/1807 Frage B 42) : Wie beurteilt die Bundesregierung die Aufnahme von Sozial-und Wirtschaftskunde in den Lehrplan der allgemeinbildenden Schulen? Im Rahmen des Faches Sozialkunde bzw. Gemeinschaftskunde gehört Sozial- und Wirtschaftskunde zu den Lehrplänen der allgemeinbildenden Schulen. Im Rahmen der Curriculumentwicklung für eine wissenschaftsorientierte Grundbildung in der Sekundarstufe I wird es darauf ankommen, vermehrt sozialökonomisches Grundwissen zu vermitteln. Dazu gehört auch die Aufnahme wirtschaftskundlicher Lernziele. Mit der weiteren Entwicklung der gymnasialen Oberstufen durch die Umgliederung in ein System von Grund- und Leistungskursen werden Einsichten in soziale und wirtschaftliche Sachverhalte und gesellschaftlicher Wandel vermittelt werden können. Wirtschaftslehre und Soziologie bieten sich für die Zuordnung als Grund- und Leistungsfach an.
Gesamtes Protokol
Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610200000
Die Sitzung ist eröffnet.
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat gegen die nachstehenden Verordnungen keine Bedenken erhoben:
Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 137/67/EWG über die Grundregeln für das sogenannte „System von Leit- und Folgeerzeugnissen", das die Festsetzung von Zusatzbeträgen auf dem Schweinefleischsektor ermöglicht
Drucksache VI/1605 -
Verordnung (EWG) Nr. 2527/70 des Rates vom 15. Dezember
1970 zur Festsetzung der Auslösungspreise für Wein für
den Zeitraum vom 16. Dezember 1970 bis 15. Dezember 1971
Verordnung (EWG) Nr. 2553i70 des Rates vom 15. Dezember 1970 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1470/70 über die Anwendung von Ausgleichsbeträgen in Belgien und Luxemburg beim Handel mit bestimmten, unter die Verordnung (EWG) Nr. 1059/69 fallenden Waren
Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Bildung und Wissenschaft hat am 10. Februar 1971 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Martin, Dr. Althammer, Dr. Hubrig und Genossen betr. Ausgaben für Bildung und Wissenschaft 1970 — Drucksache VI/1707 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache VI/1830 verteilt.
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
EWG-Vorlagen
Verordnung des Rates (EWG) zur Ausdehnung des Anhangs der Verordnung (EWG) Nr. 109/70 des Rates vom 19. 12. 1969 zur Festlegung einer gemeinsamen Regelung für die Einfuhr aus Staatshandelsländern auf weitere Einfuhren (4. Erweiterung).
— Drucksache VI/1816 —überwiesen an den Wirtschaftsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates (EWG) Nr. 152/71 vom 26. Januar 1971 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 750/68 zur Aufstellung allgemeiner Regeln für den Ausgleich der Lagerkosten für Zucker
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Berichterstattung innerhalb eines Mo-oats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen den Vorschlag erhoben werden
Nach einer Vereinbarung des Ältestenrates soll die heutige Tagesordnung ergänzt werden um die in der Ihnen vorliegenden Liste bezeichneten Vorlagen. Es erhebt sich kein Widerspruch; die Erweiterung der Tagesordnung ist damit beschlossen.
Ich rufe dann zunächst diese Zusatzpunkte der Tagesordnung auf. Das Haus ist damit einverstanden. Ich rufe zuerst den ersten Zusatzpunkt auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern
— Drucksache VI/1831 —
Als Berichterstatter hat Herr Abgeordneter Dr. Arndt (Hamburg) das Wort.

Prof. Dr. Claus Arndt (SPD):
Rede ID: ID0610200100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Deutsche Bundestag hat in seiner 75. Sitzung am 4. November 1970 auf Grund des Schriftlichen Berichts des Finanzausschusses das von der Bundesregierung eingebrachte Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern in der Fassung der Bundesregierung angenommen, obwohl der Deutsche Bundesrat beim ersten Durchgang dieses Gesetzes beschlossen hatte zu beantragen, daß die Ergänzungszuweisungen für finanzschwache Länder von, wie die Bundesregierung vorgesehen hatte, 100 Millionen DM auf 300 Millionen DM erhöht wurden. Der Deutsche Bundestag ist also in seiner 75. Sitzung dem Petitum des Bundesrats nicht gefolgt.
Der Bundesrat hat daraufhin in seiner 359. Sitzung am 4. Dezember 1970 beschlossen, den Vermittlungsausschuß anzurufen, weil der Deutsche Bundestag dem Petitum des Bundesrates in der eben geschilderten Weise nicht gefolgt ist. Der Vermittlungsausschuß hat gestern über diese Frage beraten und hat dabei mit Mehrheit beschlossen, dem Vermittlungsbegehren des Bundesrates stattzugeben, d. h. die Ergänzungszuweisungen aus dem Bundeshaushalt für die finanzschwachen Länder um 200 Millionen DM auf 300 Millionen DM aufzustocken. Zur Begründung hat die Mehrheit des Vermittlungsausschusses dabei angegeben, daß die finanzschwachen Länder ohne eine derartige Finanz- und Ergänzungszuweisung des Bundes ihren Aufgaben nicht nachkommen könnten, insbesondere nicht die ausreichenden Hilfen für strukturschwache Gebiete zu geben in der Lage seien. Selbst wenn diese 200 Millionen DM zusätzlich vom Bund ausgeschüttet würden, bliebe dennoch die Finanzkraft dieser Länder unterhalb des Bundesdurchschnitts, während auf der anderen Seite die finanzstarken Länder immer noch über dem Bundesdurchschnitt blieben. Auf Grund dieser Überlegungen hat die Mehrheit des



Dr. Arndt (Hamburg)

Vermittlungsausschusses empfohlen, so zu verfahren, wie der Bundesrat im ersten und im zweiten Durchgang beschlossen hat, nämlich das Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern so zu ändern, daß die Ergänzungszuweisungen des Bundes von 100 Millionen DM auf 300 Millionen DM erhöht werden. Der Vermittlungsausschuß hat beiden Häusern empfohlen, in dieser Weise zu beschließen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610200200
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. — Das Wort hat der Abgeordnete Porzner.

Konrad Porzner (SPD):
Rede ID: ID0610200300
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Für die Fraktion der SPD darf ich folgende Erklärung abgeben.
Bundestag und Bundesrat gingen bei der Finanzrefom im Sommer 1969 davon aus, daß neben der Aufteilung der Umsatzsteuer zwischen Bund und Ländern keine Ergänzungszuweisungen des Bundes mehr geleistet werden. Nach unserer Verfassung ist die unterschiedliche Finanzkraft der Länder primär unter den Ländern selbst auszugleichen. Leistungen des Bundes an finanzschwache Länder können nur als Ultima ratio in Betracht kommen. Die Bundesregierung ist trotzdem den finanzschwachen Ländern weit entgegengekommen. Sie hat diesen Ländern in den Jahren 1970 und 1971 jeweils 100 Millionen DM zur Minderung des Steuerkraftunterschieds gewährt. Ohne die finanziellen Sorgen der betreffenden Länder verkennen zu wollen, muß hier festgehalten werden, daß sich durch die Finanzreform die Steuereinnahmen gerade der leistungsschwachen Länder günstig entwickelt haben. Diese Länder werden 1971 im Durchschnitt 23 % mehr Steuern einnehmen als im Jahre 1969. Bei den Ländern insgesamt sind es nur 19 °/o und beim Bund sogar nur 17 °/o.
Des weiteren hat der Bund seine Haushaltsmittel für die Förderung der regionalen Wirtschaftsstruktur seit 1969 um 150 Millionen DM erhöht. Diese Mittel kommen vorwiegend den finanzschwachen Ländern zugute, z. B. erhielt Schleswig-Holstein davon 1970 43 Millionen DM. Hinzu kommen für dieses Land 60 Millionen DM Investitionszulagen und zinsverbilligte Darlehen der Bundesanstalt für Arbeit sowie zinsverbilligte Darlehen aus dem ERP-Sondervermögen. Mit solchen Mitteln wurden bis jetzt z. B. in dem Land Schleswig-Holstein Investitionen in Höhe von 700 Millionen DM gefördert und damit mehr als 8000 Arbeitsplätze geschaffen. Diese Leistungen, meine Damen und Herren, sind ein Beweis dafür, daß der Bund seiner Verantwortung gegenüber den finanzschwachen Ländern gerecht wird. Die Bundesregierung wird diese Förderungen in Zukunft noch wirkungsvoller gestalten.
Es kommt hinzu, daß durch das Zonenrandförderungsgesetz, das dem Bundestag zur Beratung vorliegt, zusätzlich 80 Millionen DM zur Verfügung gestellt werden. Der größte Teil dieser Mittel fließt in die finanzschwachen Länder, nämlich nach Bayern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein.
Angesichts dieser hohen Leistungen einerseits und der angespannten Haushaltslage des Bundes andererseits kann der Bund in diesem Jahr keine weiteren 200 Millionen DM für die Aufstockung der Ergänzungszuweisungen bezahlen. Wir müssen deswegen den Antrag des Vermittlungsausschusses ablehnen. Meine Damen und Herren, wir können nicht ausgeben, was wir nicht haben. Auch die CDU/CSU sollte sich an diesen Grundsatz halten.

(Unruhe.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610200400
Meine Damen und Herren, ich darf Sie um Aufmerksamkeit für den Redner bitten.

Konrad Porzner (SPD):
Rede ID: ID0610200500
Der Finanzausschuß des Deutschen Bundestages hat ohne Gegenstimmen, also auch mit den Stimmen der Opposition, der CDU/ CSU, den Antrag des Bundesrates auf Erhöhung der Ergänzungszuweisungen abgelehnt. Damals hat sich keine einzige Landesregierung für die Erhöhung der Ergänzungszuweisungen eingesetzt; auch die Regierung von Schleswig-Holstein hat sich nicht darum bemüht.
Im Bundestag wurde das Finanzausgleichsgesetz in dritter Lesung in der Fassung, in der es von der Bundesregierung vorgelegt worden war, einstimmig beschlossen. Es haben alle Abgeordneten von Kiel bis München — auch die der Opposition — zugestimmt. Erst jetzt überlegt es sich ein Teil dieses Hauses anders, weicht von der früheren Haltung ab.
Im Haushaltsausschuß wurde nun von der Opposition die Aufstockung der Ergänzungszuweisungen um 200 Millionen DM beantragt. Die Mittel dafür möchte die CDU/CSU zur Hälfte aus dem Devisenausgleich und zur Hälfte aus dem Bundesentschädigungsgesetz nehmen. Diesen Antrag jedoch hält sie dann im Bundestag in der zweiten Lesung des Haushalts nicht mehr aufrecht. Die Opposition hat vielmehr ihre Forderung um 100 Millionen DM zurückgesteckt, weil sie eingestehen mußte, daß der Dekkungsvorschlag nicht ganz seriös war. Heute unterstützt, wie zu vernehmen ist, die CDU/CSU wieder die Erhöhung der Ausgaben für die Ergänzungszuweisungen für den Finanzausgleich um 200 Millionen DM. Sie verrät uns aber nicht, woher das Geld genommen werden soll.
Dieses Hin und Her, meine verehrten Damen und Herren, ist der Ausdruck einer inkonsequenten politischen Haltung der Opposition. Das ist mit den Grundsätzen einer soliden Finanzpolitik nicht vereinbar.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Im Bundeshaushalt gibt es keine Reserven in Höre der 200 Millionen DM.

(Abg. Leicht: Die muß man schaffen!)

Eine Ausweitung des Haushaltsvolumens kann nur durch zusätzliche Verschuldung des Bundes gedeckt werden. Dem können die Regierungsparteien nicht zustimmen.

(Abg. Leicht: Sie wollen ja sowieso noch mehr Schulden machen!)




Porzner
Die Opposition verlangt hier genau das Gegenteil von dem, was sie bisher vertreten hat.

(Abg. Leicht: Der Vermittlungsausschuß!)

Die Opposition hat die Bundesregierung wegen der Aufnahme von Krediten heftig kritisiert und unterstützt nun ihrerseits einen Antrag, der zwangsläufig zu einer Erhöhung der Nettoverschuldung führen muß.
Meine Damen und Herren, Bundesregierung und Bundesrat werden sich noch in diesem Jahr über die Verteilung der Mehrwertsteuer zwischen Bund und Ländern für die kommenden Jahre verständigen müssen. Im Zusammenhang damit wird die Verbesserung des Länderfinanzausgleichs auf der Tagesordnung stehen. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion wird sich bei diesen Verhandlungen um eine Lösung bemühen, der alle Länder, auch die finanzschwachen Länder, zustimmen können.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610200600
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Althammer.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0610200700
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktion der CDU/CSU wird dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses auf Erhöhung der Ergänzungszuweisung an die finanzschwachen Länder von 100 Millionen DM auf 300 Millionen DM ihre Zustimmung ) geben.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Unsere Fraktion verhält sich in dieser Frage absolut konsequent; denn sie hat bereits im Haushaltsausschuß einen gleichartigen Antrag gestellt, der vom Vorsitzenden des Haushaltsausschusses, dem Kollegen Leicht, damals ausführlich begründet worden ist. Wir haben bei dieser Diskussion im Haushaltsausschuß auch einen realistischen Deckungsvorschlag gemacht. Wir bedauern es außerordentlich, daß der Sprecher der SPD soeben wieder die Seriosität dieses Deckungsvorschlags angezweifelt hat. Das erinnert uns sehr lebhaft daran, daß man unsere Kürzungsvorschläge zum Haushalt 1970 ebenfalls als unseriös und unrealisierbar bezeichnet hat, zum Jahresende 1970 dann aber genau die Einsparungen erzielt wurden, die wir damals beantragt hatten.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Die Fraktion der CDU/CSU hat im Plenum dieses Hohen Hauses ihren ursprünglichen Antrag auf eine Erhöhung um 200 Millionen DM nur deshalb halbiert, weil wir die Möglichkeit geben wollten, daß das gesamte Hohe Haus hier wenigstens einen Teil dessen, was notwendig ist, gemeinsam tut. Es ist auch nicht richtig, daß es sich, wie der Sprecher der Sozialdemokratie hier den Eindruck erweckt hat, um eine Absicht lediglich der Opposition in diesem Hause handelt. Ich darf darauf hinweisen, daß der Vermittlungsausschuß mit einer großen Mehrheit diesem Antrag seine Zustimmung gegeben hat.

(Abg. Leicht: Auch mit sozialistischen Stimmen!)

Es handelt sich um eine Initiative, die vom Bundesrat kommt und die von uns lediglich unterstütz wird.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Im Vermittlungsausschuß hat der Ministerpräsident des Landes Niedersachsen, Kubel,

(Abg. Stücklen: Welche Partei?)

noch einmal die Gründe überzeugend dafür vorgetragen, warum eine Erhöhung auf 300 Millionen DM notwendig ist.

(Abg. Stücklen: Welche Partei?)

Ich darf ganz kurz die wesentlichen Punkte dieser Begründung hier noch einmal vortragen.
Die Länder können nicht auf den horizontalen Finanzausgleich verwiesen werden. Bereits durch die Tatsache, daß die Bundesregierung in den Jahren 1970 und 1971 je 100 Millionen DM Ergänzungszuweisung bewilligt hat, ergibt sich, daß sie selbst davon ausgeht, daß der horizontale Finanzausgleich nicht funktioniert und nicht das bringt, was die steuerschwachen Länder benötigen. Wenn die Bundesregierung hier auf den Ausgleich unter den Ländern verweist, wäre es konsequent, daß sie eine Änderung des Gesetzes vorschlägt. Da dies nicht erfolgt, muß das Parlament und müßte eigentlich auch die Regierung einen Ausgleich in der Frage der Ergänzungszuweisung finden.
Ich darf darauf hinweisen, daß die Bundesregierung bereits auf eine Kleine Anfrage in der Drucksache VI/1016 hierzu folgendes ausgeführt hat:
Es ist zu bedenken, daß bei der derzeitigen Regelung die Steuern der leistungsschwachen Länder je Einwohner zwar nominell auf mindestens 95 v. H. der Ausgleichsmeßzahl aufgefüllt werden, daß aber unter voller Einbeziehung der Gemeindesteuern in den Vergleich die Steuereinnahmen je Einwohner dieser Länder (nach Finanzausgleich) 95 v. H. des Länderdurchschnitts nicht erreichen. So werden 1970 (nach der Steuerschätzung vom 6. Mai 1970) die Steuereinnahmen nach Finanzausgleich von
Bayern 94,9 v. H.
Niedersachsen 91,5 v. H.
Rheinland-Pfalz 91,5 v. H.
Schleswig-Holstein 91,4 v. H. Saarland 93,8 v. H.
des Länderdurchschnitts erreichen.
Mit einer derartigen Meßzahl ist. der Ausgleich nicht gewährleistet.
Es ist auch nicht befriedigend, wenn auf zusätzliche Leistungen des Bundes verwiesen wird. Hier besteht nämlich ein entscheidender Unterschied. Es geht bei der Ergänzungszuweisung darum, daß auch die steuerschwachen Länder eine eigene Bewegungsfreiheit und einen eigenen Dispositionsspielraum bei ihren Finanzen haben müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ministerpräsident Kubel hat im Vermittlungsausschuß besonders nachdrücklich darauf hingewiesen,



Dr. Althammer
daß durch das Entfallen dieser eigenen Finanzmassen gerade bei den jüngeren Politikern eine Verärgerung und eine Unwilligkeit eintreten wird, die das föderative System insgesamt gefährdet und in Frage stellt.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Deshalb geht die CDU/CSU-Fraktion davon aus, daß die Staatsbürger auch in den steuerschwachen Ländern eine Chancengleichheit gegenüber den anderen Bundesländern haben müssen. Wir können es nicht zulassen, daß hier die Ungleichheit der Leistungen und der Entfaltungsmöglichkeiten durch einen nicht vorhandenen vollen Ausgleich zwischen den Ländern erhalten und in die Zukunft fortgeführt wird.
Die Fraktion der CDU/CSU bittet deshalb das Hohe Haus, dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses zuzustimmen. Wegen der Wichtigkeit der Angelegenheit, wegen der Situation der finanzschwachen Länder und wegen des Interesses unserer Bürger beantragen wir namentliche Abstimmung über den Vorschlag des Vermittlungsausschusses.

(Beifall bei der CDU/CSU).


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610200800
Das Wort hat der Abgeordnete Kirst.

Victor Kirst (FDP):
Rede ID: ID0610200900
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, es ist nicht erforderlich, vieles von dem zu wiederholen, was hier ) in der Nacht zum gestrigen Tage über dieses Thema schon anläßlich der Erörterung des Antrags der CDU/CSU zu Einzelplan 60 gesagt worden ist. Ich möchte das nur in einem Punkt tun.
Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, daß ich, nachdem Herr Ministerpräsident Lemke hier davon gesprochen hatte, daß er die von ihm beantragte Erhöhung der Ergänzungszuweisung als eine Überbrückungslösung ansieht, ihm entgegengehalten habe, daß ja gerade das Argument der Überbrückungslösung eben auch im Hinblick auf die aktuelle Gestaltung der Einnahmen gesehen werden muß.
Ich darf auch in diesem Zusammenhang noch einmal auf das Ergebnis der Steuereinnahmen im Jahre 1970 und der Steuerschätzung für 1971 verweisen. Ich darf, Herr Kollege Althammer, aus der Ihnen bekannten Drucksache 550 des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren:
Die Länder vereinnahmten im Jahre 1970 an
Steuern einschließlich Gemeindesteuern der
Stadtstaaten 52,284 Milliarden DM, womit das
Vorjahresaufkommen um 3,936 Millionen DM
1,8 % übertroffen wurde. Die Zuwachsrate
der Steuereinnahmen der Länder liegt somit
über der des Bundes von 6,8 %, was auf den
Änderungen durch die Finanzreform beruht;
denn ohne die Steuerneuverteilung nach der
Finanzreform hätte der Bund in 1970 eine
höhere Zuwachsrate als die Länder aufzuweisen.
Das spricht nach meiner Auffassung dafür, daß die von uns überhaupt nicht abgestrittenen Schwierigkeiten der finanzschwachen Länder zu beheben gerade angesichts der aktuellen Steuerentwicklung eine Sache der Länder untereinander und angesichts der Haushaltssituation des Bundes, wie es Kollege Porzner hier dargestellt hat, nicht Sache des Bundes sein kann.
Nun muß man doch noch einmal die Haltung der CDU vollständig sehen. Herr Kollege Althammer, Sie haben nicht widerlegen können, was der Kollege Porzner über das Karussell Ihrer Auffassungen dargelegt hat. Ganz am Anfang stand doch im November — ich konnte das Datum so schnell nicht nachprüfen — die Beratung des Haushaltsausschusses über das Gesetz, über das wir jetzt nach dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses erneut zu beraten haben. Bei dieser Beratung hat es keine Anträge der CDU/CSU zur Änderung des Vorschlages der Bundesregierung gegeben.

(Abg. Leicht: Aber im Haushaltsausschuß!)

— Herr Leicht, als wir im Haushaltsausschuß über das Gesetz berieten, hat es keine Änderung gegeben. Die hat es erst gegeben, als wir über den Haushaltsplan berieten. Es ist allerdings richtig, daß wir damals bei der Beratung des Gesetzes gesagt haben, das geschehe, weil es aus Termingründen einem Vertreter der Länder nicht möglich gewesen war — wir mußten unsere Disposition aus anderen Gründen ändern —, seine Bedenken vorzutragen. Wir sind trotzdem der Meinung, daß den Ländern bei der Beratung des Einzelplans 60 noch einmal Gelegenheit gegeben werden sollte, ihre Stellungnahme darzulegen. Unabhängig davon — im Haushaltsausschuß hat es keine Abstimmung gegeben — ist die Zustimmung des gesamten Haushaltsausschusses festgestellt worden.
Meine Damen und Herren, das Grundproblem, um das es bei der Auseinandersetzung in diesem Hause geht, — —

(Unruhe.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610201000
Meine Damen und Herren, ich bitte um etwas Ruhe für den Redner.

Victor Kirst (FDP):
Rede ID: ID0610201100
Das Grundproblem ist, daß es sich an sich hier nicht um eine Frage der parteipolitischen Fronten in diesem Hause und in diesem Lande handeln kann. Daß es nicht so ist, beweist doch auch das Ergebnis der Beratung im Vermittlungsausschuß. Davon sollten Sie von der CDU/CSU sich freimachen, hier im Interesse des Bundes entscheiden und nicht, kurzfristig denkend, darauf sehen, daß zufällig in den nächsten Monaten gerade in finanzschwachen Ländern gewählt wird.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610201200
Meine Damen und Herren, werden noch weitere Erklärungen abgegeben? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Es ist namentliche Abstimmung über den Mündlichen Bericht des Ver-



Vizepräsident Dr. Jaeger
mittlungsausschusses auf Drucksache VI/1831 beantragt worden. Wer dem Antrag des Vermittlungsausschusses zustimmt, stimmt mit ja, wer ,dagegen stimmt, mit nein, die übrigen stimmen mit Enthaltung. Ich eröffne die namentliche Abstimmung.
Meine Damen und Herren, ich gebe das vorläufige Ergebnis der Abstimmung bekannt. Von den uneingeschränkt stimmberechtigten Mitgliedern des Hauses haben 411 ihre Stimme abgegeben. Mit Ja haben gestimmt 194, mit Nein 215, enthalten haben sich 2. 16 Berliner Abgeordnete haben ihre Stimme abgegeben. Mit Ja haben 5 gestimmt, mit Nein 10, enthalten hat sich einer. Damit ist der Antrag des Vermittlungsausschusses abgelehnt.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 410 und 16 Berliner Abgeordnete;
davon
Ja: 194 und 5 Berliner Abgeordnete
Nein: 214 und 10 Berliner Abgeordnete
Enthalten: 2 und 1 Berliner Abgeordnete
Ja CDU/CSU
Dr. Abelein Adorno
von Alten-Nordheim
Dr. Althammer
Dr. Arnold Dr. Bach
Baier
Balkenhol Dr. Barzel
Dr. Becher (Pullach) Becker (Pirmasens) Berberich
Berding
Berger
Bewerunge Biechele
Dr. Birrenbach
Dr. von Bismarck Bittelmann
Blank
von Bockelberg
Dr. Böhme
Frau Brauksiepe Breidbach Bremer
Bremm
Brück (Köln) Burger
Dr. Czaja Damm
Dichgans
von Eckardt Ehnes
Engelsberger
Erhard (Bad Schwalbach) Ernesti
Erpenbeck Dr. Evers von Fircks Franke (Osnabrück)

Dr. Franz Dr. Freiwald Dr. Frerichs Dr. Früh
Dr. Fuchs Dr. Gatzen
Frau Geisendörfer Geisenhofer
Gerlach (Obernau) Gewandt
Gierenstein Dr. Giulini
Dr. Gleissner
Glüsing (Dithmarschen) Dr. Gölter
Gottesleben Frau Griesinger Dr. Gruhl
Freiherr von und zu
Guttenberg Haase (Kassel) Dr. Häfele
Härzschel
Häussler
Hanz
von Hassel
Dr. Hauser (Sasbach)

Dr. Heck
Hein (Salzgitter) Frau Dr. Henze
Dr. Hermesdorf (Schleiden) Hösl
Horstmeier Horten
Dr. Hubrig
Hussing
Dr. Huys
Frau Jacobi (Marl)

Dr. Jaeger
Dr. Jenninger Dr. Jobst
Josten
Dr. Jungmann Frau Kalinke Katzer
Dr. Kempfler Kiechle
Dr. Klepsch
Dr. Kliesing (Honnef) Köster
Krampe
Dr. Kraske
Dr. Kreile
Frau Dr. Kuchtner Lampersbach Leicht
Lensing
Dr. Lenz (Bergstraße) Lenzer
Link
Dr. Luda
Lücke (Bensberg)

Majonica
Dr. Martin
Dr. Marx .(Kaiserslautern) Dr. Mende
Dr. Mikat
Müller (Niederfischbach) Müller (Remscheid)
Dr. Müller-Hermann
Mursch Niegel Dr. von Nordenskjöld
Orgaß Ott
Petersen
Pfeifer Picard Dr. Pinger
Dr. Pohle
Pohlmann
Dr. Prassler
Dr. Preiß
Dr. Probst
Rainer Rawe
Dr. Reinhard
Dr. Riedl (München)

Dr. Rinsche
Dr. Ritgen
Dr. Ritz Rock
Röhner Rösing Rollmann
Rommerskirchen
Roser Ruf
Russe
Prinz zu Sayn-WittgensteinHohenstein
Schlee Schedl Dr. Schmid-Burgk
Dr. h. c. Schmücker
Dr. Schneider (Nürnberg) Dr. Schober
Frau Schroeder (Detmold) Dr. Schröder (Düsseldorf) Schröder (Sellstedt) Schröder (Wilhelminenhof) Schulhoff
Schulte (Schwäbisch Gmünd) Dr. Schulze-Vorberg
Seiters
Dr. Siemer
Solke Spilker
Dr. Sprung
Stahlberg
Dr. Stark (Nürtingen)

Dr. Starke (Franken)

Stein (Honrath)

Steiner
Dr. Stoltenberg
Frau Stommel
Storm Strauß Stücklen
Susset
von Thadden
Tobaben
Frau Tübler
Dr. Unland
Varelmann
Vehar Vogel Vogt
Volmer
Wagner (Günzburg)

Dr. Wagner (Trier)

Frau Dr. Walz
Dr. Warnke
Wawrzik
Weber (Heidelberg) Weigl
Dr. Freiherr von Weizsäcker Windelen
Winkelheide
Wissebach
Dr. Wörner
Frau Dr. Wolf
Baron von Wrangel Ziegler
Dr. Zimmermann Zink
Berliner Abgeordnete
Benda
Dr. Gradl
Dr. Kotowski Müller (Berlin) Wohlrabe
Nein SPD
Dr. Ahrens Anbuhl
Dr. Apel
Arendt (Wattenscheid)

Dr. Arndt (Hamburg)

Baack
Baeuchle
Bäuerle
Barche
Dr. Bardens Batz
Bay
Dr. Bayerl
Dr. Bechert (Gau Algesheim) Becker (Nienberge)
Dr. Beermann Bergmannn Berkhan
Berlin
Biermann Böhm
Börner
Frau von Bothmer
Brandt
Brandt (Grolsheim)

Bredl
Brünen
Buchstaller
Dr. von Billow
Dr. Bußmann Collet
Cramer
Dr. von Dohnanyi
Dürr
Eckerland Dr. Ehmke Frau Eilers Dr. Enders Engholm
Dr. Eppler Esters
Dr. Farthmann
Fiebig
Dr. Fischer Folger
Franke (Hannover)

Frehsee
Frau Freyh Fritsch
Geiger
Gertzen
Glombig



Gnädinger
Grobecker
Dr. Haack
Haar (Stuttgart)

Haase (Kellinghusen) Haehser
Halfmeier Hansen Hansing Hauck
Dr. Hauff Henke
Frau Herklotz
Hermsdorf (Cuxhaven) Herold
Hirsch
Höhmann (Hessisch Lichtenau)

Hörmann (Freiburg) Hofmann
Horn
Frau Huber
Dr. Hupka
Jahn (Marburg)

Jaschke Junghans Junker Kaffka
Kahn-Ackermann
Kater
Kern
Killat-von Coreth
Koenig Kohlberger
Konrad
Dr. Kreutzmann
Krockert Kulawig Langebeck
Dr. Lauritzen
Frau Lauterbach
Lemp
Lemper Lenders Liedtke Löbbert Lotze
Maibaum Marquardt
Marx (München)

Matthes Matthöfer
Frau Meermann
Dr. Meinecke (Hamburg) Meinike (Oberhausen) Metzger
Michels Möhring
Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Mölle Müller (Mülheim)

Müller (Nordenham)

Dr. Müller-Emmert
Dr. Müthling
Neemann
Neumann
Dr. Nölling
Offergeld
Frh. Ostman von der Leye Pawelczyk
Peiter
Pensky
Peters (Norden)

Porzner Raffert Ravens Dr. Reischl
Frau Renger
Richter Rohde
Rosenthal
Roß
Säckl
Sander
Saxowski
Dr. Schachtschabel
Dr. Schäfer (Tübingen) Frau Schanzenbach
Scheu
Dr. Schiller
Schiller (Bayreuth)

Frau Schimschok
Schirmer Schlaga
Dr. Schmid (Frankfurt) Schmidt (Braunschweig) Dr. Schmidt (Gellersen) Schmidt (Hamburg)
Dr. Schmidt (Krefeld) Schmidt (München) Schmidt (Niederselters) Schmidt (Würgendorf)
Dr. Schmitt-Vockenhausen Dr. Schmude
Schoettle Schollmeyer
Schonhofen
Seibert Seidel
Frau Seppi
Simon
Dr. Sperling
Spillecke
Staak (Hamburg)

Frau Strobel
Strohmayr
Suck
Tallert
Dr. Tamblé
Frau Dr. Timm
Tönjes Urbaniak Vit
Walkhoff
Dr. Weber (Köln) Wehner
Wende Wendt Westphal Dr. Wichert
Wienand Wilhelm Wischnewski
Wittmann
Wolf
Würtz
Wüster Wuttke Wuwer Zander Zebisch Berliner Abgeordnete
Dr. Arndt (Berlin)

Bartsch Heyen Frau Krappe
Liehr
Löffler Mattick Dr. Schellenberg
Frau Schlei
Dr. Seume
FDP
Frau Dr. Diemer-Nicolaus Dorn
Ertl
Frau Funcke
Gallus
Geldner
Genscher Graaff
Helms
Jung
Kienbaum Kirst
Krall
Logemann Mertes
Mischnick Moersch
Ollesch
Peters (Poppenbüll) Scheel
Schmidt (Kempten)

Spitzmüller Wurbs
Enthalten CDU/CSU
Dr. Becker (Mönchengladbach)

Krammig
Berliner Abgeordnete Frau Pieser
Ich komme nunmehr zum Zusatzpunkt 2 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm
— Drucksache VI/1832 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Schäfer (Tübingen)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Schäfer (Tübingen) als Berichterstatter das Wort.

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0610201300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundestag hat in seiner 87. Sitzung am 16. Dezember 1970 das Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm in der Umgebung von Flugplätzen verabschiedet. Der Bundesrat hat in seiner 361. Sitzung vom 29. Januar 1971 beschlossen, die Einberufung des Vermittlungsausschusses gemäß Art. 77 Abs. 2 GG zu verlangen. Der Vermittlungsausschuß legt Ihnen die Empfehlung vor, die in der Drucksache VI/1832 enthalten ist.
Im einzelnen darf ich dazu für den Vermittlungsausschuß folgendes vortragen:
Erstens zu § 1. Der Anregung des Bundesrates folgend schlägt der Vermittlungsausschuß vor, den Schutz der Allgemeinheit durch Schaffung von Lärmschutzbereichen über Verkehrsflughäfen und militärische Flughäfen hinaus auf alle anderen Flugplätze auszudehnen, die dem Betrieb von Luftfahrzeugen mit Strahltriebwerken zu dienen bestimmt sind. Es sollen auch alle Flugplätze einbezogen werden, die noch nicht in Betrieb sind, sich aber bereits in der Planung befinden.
Zweitens zu § 3. Der Anregung des Bundesrates folgend wird die Bestimmung gestrichen, daß der äquivalente Dauerschallpegel unter Berücksichtigung von Art und Umfang des „innerhalb eines Zeitraumes von 10 Jahren" - diese Worte werden gestrichen — voraussehbaren Flugbetriebs auf der Grundlage des zu erwartenden Ausbaues des Flugplatzes ermittelt wird. Durch die Streichung dieser Worte soll erreicht werden, daß die Gesamtentwicklung des Flugbetriebes berücksichtigt wird, die über den Zeitraum von zehn Jahren hinausgreifen kann; andererseits soll aber auch eine eventuell vorher eintretende Belastung berücksichtigt werden, die im Zuge von Flugplatzneuanlagen in den darauffol-



Dr. Schäfer (Tübingen)

genden Jahren heute noch nicht voll voraussehbar abflachen wird. Der Vermittlungsausschuß ging im übrigen davon aus, daß die zuständigen Behörden hier nach pflichtgemäßem Ermessen den voraussehbaren Flugbetrieb und den zu erwartenden Ausbau des Flughafens zu berücksichtigen haben.
Drittens zu § 4. Der Bundesrat hatte angeregt, daß die Festsetzung der Lärmschutzbereiche in der Regel durch die Landesregierungen durch Rechtsverordnungen erfolgen sollte; nur bei militärischen Flugplätzen sollte der Bundesminister des Innern im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Verteidigung und im Benehmen mit den Landesregierungen den entsprechenden Lärmschutzbereich festsetzen. Der Vermittlungsausschuß nahm dieses Anrufungsbegehren nicht auf, da er der Auffassung ist, daß die im Gesetz vorgesehene einheitliche Regelung durch den Bundesminister des Innern mit Zustimmung des Bundesrates die Interessen der Länder besser berücksichtige und zu einheitlichen Maßnahmen führe.
Viertens zu § 8. Dem Anrufungsbegehren des Bundesrates, in § 8 eine Frist in der Weise einzuführen, daß solche Eigentümer nicht entschädigt werden sollen, die Grundstücke nach dem 1. Januar 1961 erworben haben, folgte der Vermittlungsausschuß nicht. Ausschlaggebend war die Überlegung, daß bei Eingriffen in das Eigentum eine Fristsetzung zu unangemessenen unterschiedlichen Ergebnissen führen würde.
Fünftens zu § 9. Demgemäß war auch dem Antrag in § 9, den gleichen Stichtag vorzusehen, nicht zu folgen. Der Vermittlungsausschuß schlägt darüber hinaus vor, § 9 Abs. 1 durch folgenden Satz zu ergänzen:
Bei Lärmschutzbereichen, die nach § 1 Satz 3 festgesetzt werden, kann der Anspruch auf Erstattung erst vom Zeitpunkt der Inbetriebnahme des Flugplatzes an geltend gemacht werden.
Dem Vorschlag des Bundesrates, dem § 9 einen Abs. 1 a anzufügen, wurde entsprochen.
Sechstens zu § 15 Nr. 3 und § 15 Nr. 6. Hier folgte der Vermittlungsausschuß den Anregungen des Bundesrates und der Überlegung, daß es den Ländern überlassen bleiben soll, die zuständigen Behörden zu bestimmen.
Siebentes zu ,§ 15 Nr. 6 a. Die Anregung des Bundesrates, in den Beratenden Ausschuß allein die Bundesvereinigung gegen Fluglärm aufzunehmen, wurde im Vermittlungsausschuß angenommen. Es wird damit eine einheitliche Vertretung der vom Fluglärm Geschädigten erreicht, während die bisherige Formulierung dazu geführt hätte, daß jede Vereinigung in den Ausschuß hätte aufgenommen werden müssen.
Achtens zu § 15 a. Der Vermittlungsausschuß folgte der Anregung des Bundesrates, daß weitergehende Maßnahmen, die dem Schutz gegen Fluglärm gelten, unberührt bleiben. Um aber sowohl bundes- als auch landesgesetzliche Planungsmaßnahmen und Rechtsvorschriften zu berücksichtigen, schlägt der Ausschuß eine Formulierung vor, die
beides in sich schließt und die in seinem Vorschlag enthalten ist.
Der Vermittlungsausschuß schlägt darüber hinaus vor, über den Vorschlag im ganzen abzustimmen.
Ich darf Sie namens des Vermittlungsausschusses um Zustimmung bitten.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610201400
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Das Wort hat der Abgeordnete Konrad.

(Abg. Rösing: Nein, es spricht keiner! Das ist vereinbart! Es sollte keiner sprechen!)


Klaus Konrad (SPD):
Rede ID: ID0610201500
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion erkläre ich, daß wir dem Antrag des Vermittlungsausschusses auf Drucksache VI/1832 zustimmen werden.

(Abg. Rösing: Das tun wir auch, aber wir geben keine Erklärungen ab!)

Wir stimmen ihm gern zu.

(Zurufe von der CDU/CSU: Wir auch!)

Die Verbesserungen, die das Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm erfahren hat, sind offensichtlich.
Der Zweck und Geltungsbereich festlegende § 1 des Gesetzes gestattet nunmehr, Lärmschutzbereiche für alle Flugplätze, die dem Betrieb von Flugzeugen mit Strahltriebwerken dienen können, und für alle Verkehrsflughäfen, die sich in einem bestimmten Endzustand der Planung befinden, festzusetzen. Damit sind praktisch alle Flugplätze, von denen Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen ausgehen oder ausgehen können und vor denen die Allgemeinheit Schutz verdient, erfaßt.
Die bedeutendste Verbesserung des Gesetzes, der Wegfall von sechs Wörtern in § 3, ist eine beachtliche und von der betroffenen Bevölkerung sicher dankbar empfundene Veränderung. Anders als im Titel eines heiteren und fast schon vergessenen Romans wird dieses Gesetz bei seiner Anwendung „im halben Dutzend nicht billiger", aber sehr viel wirksamer. Jetzt ist bei der Ermittlung der Lärmbelastung im Lärmschutzbereich außerhalb eines Flugplatzes vom Flugbetrieb auf der Grundlage des zu erwartenden Ausbaues des Flugplatzes auszugehen. Das führt von Anfang an zu klaren Verhältnissen für die Ausdehnung der Schutzzonen.
Im Interesse der einheitlichen Gesetzesanwendung begrüßen wir es, daß die Zuständigkeit des Bundesministers des Innern für die Festsetzung der Lärmschutzzonen erhalten geblieben ist. Die Rechte der Länder sind durch das Erfordernis der Zustimmung des Bundesrates gewahrt, und unsere Fraktion kann sich nicht vorstellen, daß das Bundesland, in dem der in das Verfahren einzubeziehende Flugplatz liegt, bei der Festsetzung des Lärmschutzbereiches nicht ausreichend und seinen besonderen Interessen entsprechend beteiligt ist.
In der heute zu verabschiedenden Form widerlegt das Gesetz zum Schutz gegen den Fluglärm ver-



Konrad
stärkt die vor der zweiten und dritten Beratung in der Öffentlichkeit noch erhobene Kritik. Sie war schon damals unberechtigt, soweit sie behauptete, daß seit der Beschlußfassung des 5. Bundestages am 26. Juni 1969 keine Verbesserungen am Entwurf vorgenommen worden seien. Jetzt ist einem ernst zu nehmenden Anliegen der Bevölkerung und der Fachwelt dadurch überzeugend Rechnung getragen worden, daß von der Endausbauplanung jedes Flugplatzes auszugehen und dadurch dessen Zubauen für einen weit übersehbaren Zeitraum ausgeschlossen ist.

(Anhaltende Unruhe.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610201600
Meine Damen und Herren, ich darf Sie doch um Ruhe bitten.

Klaus Konrad (SPD):
Rede ID: ID0610201700
Die Minderung der Lärmeinwirkung bei den Betroffenen durch Beschränkung der Bodennutzung wird dadurch einen beachtlichen, allerdings noch entwicklungsfähigen Stand erreichen.

(Abg. Rawe: In der Geschäftsordnung steht nichts von Ablesen! — Abg. Rösing: Wie lange wollen Sie noch lesen?)

Über die Bestimmungen des Fluglärmgesetzes hinaus können die Länder im Rahmen der Landesplanung und die Gemeinden, die sich gern auf ihre Bauplanungshoheit berufen, der Bevölkerung in der Umgebung endgültig ausgebauter, zu erweiternder oder geplanter Flugplätze durch praktisch gehandhabten Umweltschutz

(Zuruf von der CDU/CSU: Der liest ja immer noch!)

entsprechend dem allseits gesteigerten Umweltbewußtsein fürsorgliche Hilfe angedeihen lassen, wozu sie der neue § 15 a berechtigt.

(Weiterhin anhaltende Unruhe. Zurufe von der CDU/CSU: Weiterlesen!)

— Das mache ich auch.
Noch einmal soll, wie es schon bei der zweiten und dritten Lesung — —

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610201800
Herr Abgeordneter, einen Augenblick! Ich bitte doch um Ruhe für den Herrn, der hier eine Erklärung abgibt. Da er eine Erklärung abgibt, darf er ablesen.

(Zurufe von der CDU/CSU.)


Klaus Konrad (SPD):
Rede ID: ID0610201900
Herr Präsident, ich bin Ihnen dankbar, daß Sie den Wissensstand der unmutigen Kollegen so nachhaltig gefördert haben.
Noch einmal soll, wie es schon bei der zweiten und dritten Lesung von allen Fraktionen dieses Hauses geschehen ist, mit Nachdruck und Befriedigung darauf hingewiesen werden, daß das Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm bei gewissen, auch heute noch bestehenden Unzulänglichkeiten einmal das erste Gesetz dieses Bundestages auf dem Gebiete des Umweltschutzes ist und daß es zum anderen einen mutigen Schritt vorwärts auf einem rechtlich schwer zu regelnden Gebiet darstellt. Mit ihm wird
für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland der Empfehlung der Beratenden Versammlung des Europarats Nr. 538 vom 26. September 1968 über die Bekämpfung des Fluglärms eindrucksvoll entsprochen.
Daß das Gesetz in den Beratungen des Bundestages und des Vermittlungsausschusses einmütige Zustimmung fand, berechtigt uns zu der Hoffnung, daß auch weitere gesetzliche Regelungen auf dem Gebiet des Umweltschutzes schnell und gemeinsam getroffen werden können. — Ich danke Ihnen für die teilweise nur unwillig geschenkte Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Rösing: Kürzer wäre besser gewesen!)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610202000
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Gruhl.

Dr. Herbert Gruhl (CDU):
Rede ID: ID0610202100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDU/CSU-Fraktion hat es nicht nötig, hier lange Erklärungen abzugeben.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich drücke die Freude unserer Fraktion darüber aus, daß es möglich ist, nach langjähriger Arbeit — ich erinnere an die Bemühungen unseres Abgeordneten Dr. Schmidt (Wuppertal) und später des Prinzen zu Sayn-Wittgenstein und anderer ---

(Beifall bei der CDU/CSU)

jetzt ein wesentlich verbessertes Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm auch mit Zustimmung des Bundesrates, der unsere Vorlage dankenswerterweise noch in einigen Punkten verbessert hat, zu verabschieden.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Wehner: Sie sind eine Karikatur!)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610202200
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Diemer-Nivolaus.

(Zurufe.)


Dr. Emmy Diemer-Nicolaus (FDP):
Rede ID: ID0610202300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Sie brauchen nicht zu buhen, in Erwartung, daß ich zu lange reden würde. Wir verzichten auf eine weitere Erklärung. Ich möchte für die FDP-Fraktion nur unsere Freude darüber zum Ausdruck bringen, daß im Bundestag ein Gesetz auch einmal einmütig beschlossen wird.

(Allgemeiner Beifall.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610202400
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Nach dem Beschluß des Vermittlungsausschusses ist gemeinsam abzustimmen. Wer dem Antrag des Vermittlungsausschusses auf Druckache VI/ 1832 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Auch keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.



Vizepräsident Dr. Jaeger
Dann rufe ich den Zusatzpunkt 3 auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz über Finanzhilfen des Bundes zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden (Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz — GVfG)
— Drucksache VI/ 1833 —
Berichterstatter: Abgeordneter Russe
Ich erteile dem Abgeordneten Russe als Berichterstatter das Wort.

Hermann Josef Russe (CDU):
Rede ID: ID0610202500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich weiß, daß es bei der Stimmung des Hauses nicht angebracht ist, lange mündliche Ausführungen zu machen.

(Beifall.)

Ich bin aber verpflichtet, hier wenigstens die unerläßlichen Anmerkungen zu machen. Im übrigen unterstelle ich, daß Sie die Materie hinreichend kennen. Außerdem bin ich davon überzeugt, daß noch eine Debatte über diese Vorlage stattfinden wird.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst ist zu sagen, daß der Vermittlungsausschuß getrennte Abstimmung beschlossen hat. Ich sage das insbesondere unter Hinweis auf die § 10 betreffende Nr. 4 in Drucksache VI/ 1833.
Sodann möchte ich Sie auf folgende Änderungen
der Vorlage hinweisen: In der die §§ 8 und 9 betreffenden Nr. 3 heißt es: „§ 9 Abs. 1 wird gestrichen. Die bisherigen Absätze 2 und 3 des § 9 werden § 8 Abs. 2 und 3." Ich muß Ihnen hierzu mitteilen, daß im Hinblick auf diese Beschlußfassung nach der redaktionellen Überprüfung des gesamten Gesetzestextes — gemäß der allgemeinen Übung im Vermittlungsausschuß, daß der Berichterstatter die redaktionelle Überarbeitung mit der Geschäftsführung des Vermittlungsausschusses vorzunehmen gehalten ist —, jetzt folgende Modifizierung eintreten sollte: § 8 bleibt in der ursprünglich vorgesehenen Fassung und § 9 bleibt, lediglich unter Streichung des Abs. 1, ebenfalls in der alten Fassung erhalten. Würde demgegenüber der Vorlage des Vermittlungsausschusses entsprochen, so hätte das die Konsequenz, daß in der vorliegenden Fassung des § 8 im Grundsatz mehr oder weniger dasselbe ausgesagt würde, nur mit umgekehrtem Vorzeichen. Dies erschien uns bei der Überarbeitung nicht sinnvoll. Es handelt sich folglich um eine redaktionelle Angelegenheit, die aber das Verständnis der Vorschriften wesentlich erleichtert. Herr Präsident, meine Damen und Herren, insofern sollte es aber bei der ursprünglichen Fassung der §§ 8 und 9 bleiben, wobei in § 9 lediglich Abs. 1 gestrichen wird.
In Hindeutung auf § 12 darf ich Sie des weiteren wissen lassen, daß, nachdem das Vermittlungsbegehren des Bundesrats vom Vermittlungsausschuß nicht akzeptiert wurde, für die besondere Situation des Landes Berlin, bezogen auf die in diesem Paragraphen angesprochene Zuständigkeit des Bundesinnenministers, eine Sonderregelung aufgenommen werden mußte. Insofern lesen Sie unter Ziff. 6 betreffend § 12 Abs. 4 die dort im einzelnen dargelegte „Berlin-Klausel". Ich verzichte darauf, sie hier zu verlesen.
Ergänzend möchte ich Sie noch davon in Kenntnis setzen, daß im Vermittlungsausschuß zu § 15 Abs. 1 einstimmig beschlossen wurde, dem § 5 a des Bundesfernstraßengesetzes noch folgenden Satz 2 anzufügen:
Im Saarland werden die Straßen, für die das Land auf Grund des § 46 des Saarländischen Straßengesetzes an Stelle von Landkreisen Träger der Baulast ist, den Kreisstraßen gleichgestellt.
Dies mußte in Anlehnung an § 2 Abs. 2 desselben Gesetzes vorgenommen werden, in dem ebenfalls die Sonderbestimmung für das Saarland aufgenommen worden war.
Ich glaube, diese Ausführungen können für die Abstimmung über diese Vorlage gemäß dem Begehren des Bundesrates und dem Beschluß des Vermittlungsausschusses genügen. Ich darf Sie noch einmal bitten, insbesondere im Hinblick auf § 10 des vorliegenden Gesetzes, getrennt abstimmen zu lassen.

(Beifall.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610202600
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Müller-Hermann.

Dr. Ernst Müller-Hermann (CDU):
Rede ID: ID0610202700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird der Entscheidung des Vermittlungsausschusses zustimmen. Der Vermittlungsausschuß hat in Anlehnung an die Konzeption, die auch wir in unserem eigenen Gesetzentwurf vorgebracht haben, die beiden derzeitigen Finanzierungstöpfe für die Lösung der Verkehrsprobleme in den Gemeinden zusammengefaßt und sichert durch Gesetz den Gemeinden auf diese Weise ein Mehr an Mitteln für die Lösung der Verkehrsprobleme in einer Größenordnung von etwa 100 bis 120 Millionen DM.
Bei der Einführung des Gemeindepfennigs hatte der Deutsche Bundestag in einer Entschließung vom 9. März 1960 den vollen Einsatz dieser Mittel aus dem sogenannten Gemeindepfennig für den kommunalen Straßenbau gefordert. Tatsächlich ist es nie gelungen, diese Mittel aus der 50%igen Zweckbindung herauszubekommen, so daß de facto immer ein Teil des Aufkommens aus dem Gemeindepfennig zweckentfremdet wurde. Bundesregierung und Koalitionsfraktionen glauben nun, durch einen erneuten Entschließungsantrag eine volle Zweckbindung des Gemeindepfennigs erreichen zu können. Nach den bisherigen Erfahrungen scheint die Argumentation des Bundesrates überzeugend. Die volle Zweckbindung kann eindeutig nur in der Weise festgelegt werden, daß der Gemeindepfennig in die Regelung des Gesetzes einbezogen und damit aus der ihn



Dr. Müller-Hermann
umfassenden Zweckbindung des Mineralölsteueraufkommens befreit wird.
Da die Entscheidung des Vermittlungsausschusses unseren Vorstellungen und unserer Konzeption entspricht, wird meine Fraktion dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses zustimmen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610202800
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Apel.

Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID0610202900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen der Koalitionsfraktionen gebe ich zur erneuten Beschlußfassung über das Gesetz über Finanzhilfen des Bundes zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden folgende Erklärung ab: Die Koalitionsfraktionen begrüßen, daß die Materie der Bundeszuwendungen für die Gemeinden zur Verbesserung ihrer Verkehrsverhältnisse mit dem vorliegenden Gesetz endlich ihre gesetzliche Regelung erfährt. Dies war angesichts der zunehmenden Verkehrsprobleme im kommunalen Bereich dringend notwendig geworden.
Der Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses, der dem Hohen Hause vorliegt, wird von uns bis auf einen Punkt akzeptiert. Die Koalitionsfraktionen wenden sich aber entschieden gegen die Fassung des § 10 des Einigungsvorschlags. Der Beschluß des Vermittlungsausschusses übernimmt die ursprüngliche Forderung des Bundesrats. Sie bedeutet, daß die Mittel aus der Mineralölsteuererhöhung des Jahres 1966 auf Grund von Art. 8 § 1 des Steueränderungsgesetzes 1966 in Höhe von 3 Pfennig je Liter und der sogenannte Gemeindepfennig auf Grund von Art. 4 Nr. 3 des Straßenbaufinanzierungsgesetzes von 1960 zusammengefaßt und im Verhältnis 60 : 40 für den kommunalen Straßenbau und den öffentlichen Personennahverkehr ausgegeben werden.
Diese Regelung hat aus der Sicht der Koalitionsfraktionen folgende schwerwiegenden Nachteile. 1. Sie bezieht den Gemeindepfennig, der ausdrücklich dem kommunalen Straßenbau dienen soll, in die Investitionsfinanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs ein. 2. Sie erhöht selbst bei einem Aufteilungsverhältnis 60 : 40 die Investitionsmittel für den öffentlichen Personennahverkehr zu Lasten des kommunalen Straßenbaus. 3. Sie zwingt die Bundesregierung abrupt, die volle Zweckbindung des Gemeindepfennigs ohne Rücksicht auf -die Haushaltslage des Bundes zu verwirklichen. 4. Diese Regelung ist politisch inkonsequent, weil sie dem Bund die Verfügungsgewalt über den Gemeindepfennig nehmen will, ihm aber die Aufgaben des § 5 a des Bundesfernstraßengesetzes beläßt, z. B. den Bau und Ausbau von Ortsdurchfahrten und Zubringern zu Bundesfernstraßen, deren Finanzierung damit wesentlich erschwert wird.
Der Bundestag hat am 9. Dezember des letzten Jahres zusammen mit der Verabschiedung dieses Gesetzes einstimmig eine Entschließung gefaßt, die die Bundesregierung auffordert — ich zitiere wörtlich —,
... jeweils im Straßenbauhaushalt für Zuwendungen im Rahmen des § 5 a des Fernstraßengesetzes zu Straßenbaumaßnahmen der Gemeinden und Landkreise Mittel vorzusehen, die dem Aufkommen aus der Mineralölsteuer in Höhe von 1 Pfennig pro Liter Vergaserkraftstoff voll entsprechen.
Das bedeutet aber nichts anderes, als daß auch der Bundestag von der Bundesregierung erwartet, die volle Zweckbindung des Gemeindepfennigs zu verwirklichen.

(Abg. Dr. Müller-Hermann: Das wird schon seit 1960 erwartet!)

Wir müssen es jedoch der Bundesregierung überlassen, auf welchem Wege sie dieser Aufforderung nachkommen will. Schließlich hatte der Bundestag während einer Reihe von Jahren hingenommen, daß etwa 30 bis 40 Millionen DM jährlich aus den Einnahmen des Gemeindepfennigs als allgemeine Steuereinnahmen des Bundes verwendet wurden. Der Bundestag hatte sogar am 20. Dezember 1963 der Einbeziehung des Gemeindepfennigs in die begrenzte Zweckbindung ausdrücklich zugestimmt. Dieses schwerwiegende Zugeständnis des Bundestags im Jahre 1963 kann von diesem Hohen Hause auch heute leider nicht übersehen werden.
Die Koalitionsfraktionen stimmen deshalb gegen die Fassung des § 10 des Einigungsvorschlags des Vermittlungsausschusses und wollen die urprüngliche Regelung des Bundestags wiederherstellen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610203000
Wortmeldungen liegen nicht vor; wir kommen zur Abstimmung. Wenn ich der Debatte richtig gefolgt bin, ist nur die Ziffer 4 — § 10 — umstritten, so daß wir die übrigen Punkte zusammengefaßt behandeln können.
Der Herr Berichterstatter hat noch eine Ergänzung; er möge sie vortragen.

Hermann Josef Russe (CDU):
Rede ID: ID0610203100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn Sie zu den §§ 8 und 9 meiner vorherigen Einlassung folgen sollten, ergibt sich logischerweise, daß auch zu § 11 eine entsprechende Änderung durch dieses Hohe Haus zu beschließen wäre. Würde die jetzige Vorlage des Vermittlungsausschusses angenommen, wäre das ein Widerspruch zu der Neufassung der §§ 8 und 9.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610203200
Haben Sie den Text zu § 11 vorliegen? Sonst kann ich nicht darüber abstimmen lassen.

Hermann Josef Russe (CDU):
Rede ID: ID0610203300
Herr Präsident, wenn das Haus mit dieser Änderung der §§ 8 und 9 einverstanden ist, kann der Vorschlag des Vermittlungsausschusses zu § 11 Abs. i Satz 2 — Ziffer 5 der Drucksache — als entbehrlich wegfallen. Dies darf ich ausdrücklich ergänzend feststellen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610203400
Erhebt sich dagegen Widerspruch? — Das ist nicht der Fall.



Vizepräsident Dr. Jaeger
Wir kommen zur Abstimmung über die Ziffern 1, 2 und 3 der vom Berichterstatter vorgetragenen Änderung, betreffend die §§ 2, 3, 8 und 9. Wer dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimme. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Wir kommen zu Ziffer 4 betreffend § 10. Wer dem Vorschlag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. Das zweite ist die Mehrheit; der Vorschlag ist abgelehnt.
Wir kommen zu Ziffer 5, die auf Grund der Berichtigung des Herrn Berichterstatters und unserer Beschlußfassung für erledigt erklärt wird. Ziffern 6 und 7 betreffen die §§ 12 und 15. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen. Damit ist auch dieser Punkt erledigt.
Ich komme nunmehr zu Punkt XII der heutigen Tagesordnung:
Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1971 (Haushaltsgesetz 1971) — Drucksachen VI/ 1100, zu VI/ 1100, Ergänzung
zu VI/ 1100, VI/1731 bis VI/ 1757 —Zusammenstellung der Beschlüsse des Bundestages in zweiter Beratung
— Drucksache VI/1823 —Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Strauß. Für ihn sind 60 Minuten Redezeit angemeldet.

(Zurufe von den Regierungsparteien. — Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Franz Josef Strauß (CSU):
Rede ID: ID0610203500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In Publizistik und Wissenschaft der letzten Zeit wird mit immer besorgteren Tönen vor einer Polarisation der politischen Kräfte oder, auf deutsch, vor einem haßerfüllten Gegeneinander der politischen Kräfte in der Bundesrepublik gewarnt. Es war ein Kollege meiner Fraktion, der Kollege Riedel, der vor einigen Tagen bei einer Jugendveranstaltung das Wort von den „Barrieren des Hasses im Deutschen Bundestag" gebraucht hat. Es geht mir hier nicht um Rechthaberei wie zwischen Kindern, wer den Krug zerbrochen habe; aber es geht doch um einige ganz bestimmte Tatbestände, erstens — und ich sage das ohne Aufregung, ohne Polemik und ohne Leidenschaft — um die wachsende Unfähigkeit der politischen Spitze in der Koalition, sachlich scharfe Kritik zu ertragen, und um die wütenden Ausfälle dagegen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wenn ich an die Opposition der fünfziger und sechziger Jahre denke nun, ich habe ein gutes Gedächtnis.
Es geht zweitens um die in der Sache blödsinnige Verteufelung der 20 Jahre „CDU/CSU-Herrschaft",
wie es heißt, als einer Periode der großen Versäumnisse in der Innenpolitik und des Stillstandes in der Außenpolitik. Das ist doch demagogische Phraseologie.

(Zustimmung bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

Aber der Grad dieser Verteufelung der 20 Jahre CDU/CSU hat doch erheblich zur Radikalisierung des innenpolitischen Klimas und zur Zerstörung des Augenmaßes für das Mögliche in unserem Land beigetragen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ein dritter Tatbestand ist die verschwenderische Verwendung des Begriffs „Reform" auch für Selbstverständlichkeiten,

(Beifall bei der CDU/CSU)

wobei die Nichterfüllung zu Unrecht erweckter Hoffnungen dann der Opposition in die Schuhe geschoben wird.
Viertens nenne ich den geradezu glaubenskämpferischen Fanatismus des Eintretens für eine in den Denkansätzen leider falsche, unter mehrdeutigen Auslegungen leidende, aber fast in den Rang einer Heilslehre der Welt erhobene neue Ostpolitik,

(Sehr gut! bei der CDU/CSU)

die mit trügerischen Formulierungen wie „den Frieden sicherer machen" aufgeputzt wird, als ob die Frage „Krieg oder Frieden" von der Durchsetzung dieser Ostpolitik, von ihrem Erfolg oder Mißerfolg, abhängen würde.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Man sollte sich doch darüber im klaren sein, daß die Formel „Krieg oder Frieden" im Zusammenhang mit dieser Ostpolitik ein Schlagwort ist, das schließlich auf die Sowjetpropaganda zurückgeht, die es bewußt in Umlauf gesetzt hat.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Der Herr Bundeskanzler hat in der Wirtschaftsdebatte eine Behauptung aufgestellt, die durch Wiederholung auch nicht richtiger wird — und ich bitte Sie, Herr Bundeskanzler, das wirklich einmal zu glauben —, nämlich die, die Opposition habe im Lande immer von Inflation im Sinne eines Währungszerfalls wie nach den beiden Weltkriegen gesprochen. Das stimmt doch nicht! Ich habe doch hier in meiner Rede am 24. September

(Zuruf von der SPD: Ja, hier!)

ganz klar — wie in unzähligen Wahlversammlungen im Herbst letzten Jahres — erklärt, daß das, was sich nach den beiden Weltkriegen zugetragen hat — die galoppierende Inflation —, doch ein Thema ist, das nur — entschuldigen Sie das harte Wort — unter Idioten zur Diskussion stehen könnte. Das, worüber wir uns unterhalten, ist die Frage der schleichenden oder trabenden Inflation. Das ist das Wirtschafts- und Finanzthema der Jahre 1970 und 1971 und wahrscheinlich leider auch noch weiterer Jahre.
Herr Bundeskanzler, wenn Sie die Verwendung des Begriffes Inflation so radikal ablehnen, dann

Strauß
erinnern Sie sich doch daran, daß im Zusammenhang mit der Haushaltspolitik Erhards Ihr heutiger Wirtschaftsminister die damalige Ausgabenpolitik, die maßvoller war als die heutige, als eine Inflationsquelle erster Ordnung und Ihr heutiger Finanzminister die gleiche Ausgabenpolitik als einen stärksten Inflationsherd bezeichnet hat. Die Legitimität der Verwendung von Begriffen kann doch nicht jeweils nach politischen Parteien unterschiedlich gewertet werden.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich habe in meiner Rede am 24. September letzten Jahres noch eine Reihe weiterer Beispiele für die Krisenhysterie gebracht, die man damals im Jahre 1965/66 betrieben hat: Schnell das Geld ausgeben, bevor es seinen Wert verloren hat usw. Ich komme darauf jetzt nicht mehr zurück. Aber heute ist es, was die Geldwertstabilität angeht, ernster, als es zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen 1949 und 1969 jemals gewesen ist.

(Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)

Niemand spricht von einer galoppierenden Inflation — ich sage das jetzt noch einmal ausdrücklich — wie nach dem ersten und zweiten Weltkrieg. Aber wir sind durch Fehler und Versäumnisse dieser Regierung in eine Inflation geraten, deren Geschwindigkeit man zwischen schleichend und trabend bezeichnen muß. Es hat doch keinen Sinn, auf das Barometer einzuschlagen, wenn man sich über das Wetter ärgert, und zwar deshalb, weil man gutes Wetter prophezeit und versprochen hat, aber schlechtes eingetreten ist.
Ich habe hier eine dpa-Meldung aus Konstanz vom Allensbacher Institut, und sie ist bestimmt nicht von der CDU/CSU gestaltet worden. Da heißt es:
Die Preise sind für die Bundesbürger das Ärgernis Nummer 1. 71 % der über 16 Jahre alten Erwachsenen haben sich bei einer Umfrage des Instituts in Allensbach am häufigsten über Waren- und Dienstleistungskosten aufgeregt. Wie das Institut am 4. Februar mitteilte, folgen in der Schimpfliste
— ich sage es nur mehr humorvoll —
die langhaarigen, arbeitsscheuen jungen Leute, über die sich 50 % der Befragten geärgert haben. Als weitere Ärgernisse wurden genannt die Zunahme der Verbrechen, die hohen Mieten, die radikalen Studenten, die Regierung in Bonn, die verstopften Straßen, die Gastarbeiter, die schlechte Luft in den Städten und die Polizei.
So wörtlich in der dpa-Meldung.
Aber es sollte doch auch der Regierung zu denken geben, daß eine in einem bestimmt nicht CDU-freundlichen Verlag erscheinende Wirtschaftszeitung, nämlich „Capital", in ihrer letzten Ausgabe mehrseitig die große Überschrift bringt: „Konjunktur — Kompaß für Geldanleger: An der Inflation verdienen". Das ist nur ein Symptom. Das wäre früher fast undenkbar gewesen.
Haben nicht wir vor übereilten Steuersenkungszusagen gewarnt, die am 1. Januar 1970 bereits in
Kraft treten sollten und dann nach den drei Landtagswahlen sang- und klanglos auf unbestimmte Zeit wieder zurückgestellt worden sind?

(Abg. Leicht: Das war schwer für eine Opposition!)

Wir haben, Herr Bundeskanzler — da komme ich auf Ihren Beitrag in der Wirtschaftsdebatte zurück —, dem Stabilisierungsprogramm vom Juli 1970 nicht zugestimmt, aber doch nicht deshalb, weil wir gegen Stabilisierung wären, sondern deshalb, weil dieses Programm in der Form fragwürdig, im Zeitpunkt zu spät, unwirksam war und wie ein Hohn erscheinen mußte. Es wirkte deshalb wie ein Hohn, weil man zuerst Steuersenkungen versprochen, die Absicht der Steuererhöhung feierlich verneint, den Haushalt der beiden letzten Monate 1969 und den Haushalt 1970, mindestens die erste Hälfte, zu einer Inflationsquelle erster Ordnung oder einem stärksten Inflationsherd gemacht hat, womit ich exakt die Terminologie der dafür verantwortlichen Minister hier wiederhole.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich darf hier auf die Rede des Kollegen Leicht verweisen, die er in der zweiten Lesung gehalten hat und deren Argumente ich hier nicht wiederholen will.
Das letzte Jahr hat uns die Spitze in der Welt bei der Preissteigerungsrate des Bruttosozialprodukts erbracht. Ich wollte es nicht glauben und habe es gestern noch einmal exakt nachgeprüft. Denn die Zunahme der Verbraucherpreise um 3,8 % oder 4 % ist kein zulänglicher Maßstab, das ist nicht das Entscheidende.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Hier liegen wir sicherlich nicht an der Spitze, sondern in der unteren Hälfte. Aber das ist nicht der Maßstab. Ich möchte sagen, die Preisreform scheint mir die einzige bisher konsequent durchgeführte „Reform" zu sein, die nachhaltig gelungen ist.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

Wir haben uns allerdings das Versäumnis zuschulden kommen lassen, diesen „Rekord" 20 Jahre nicht erreicht zu haben. Sonderfall: Korea-Krieg!
Es war doch der heutige und damalige Bundeswirtschaftsminister, der im Finanzbericht 1969 den Begriff „Preisstabilität" — ich weiß, er muß weg sein, wie ich ausdrücklich sage, weil er einen ausländischen Gast erwartet, wie er mir vorher mitgeteilt hat — so beschrieben hat, daß der Unterschied zwischen nominalen und realem Bruttosozialprodukt nicht mehr als 1 % betragen dürfte;

(Beifall bei der CDU/CSU)

das sei für ihn der Maßstab der Stabilität. Wenn ich diesen Maßstab eines Mitglieds der heutigen Regierung, dessen Bewußtseinsmaßstäbe sich doch zwischen der letzten Regierung unter einem anderen Kanzler und der heutigen Regierung unter diesem Kanzler nicht verschoben haben können, zugrunde lege, was sagt dann diese Regierung dazu, daß es im Jahre 1970 statt 1 % nachweislich 7,4 % sind?

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)




Strauß
Dabei halten trotz der bekannten Abschwächungserscheinungen die Preisauftriebstendenzen immer noch an. Siehe die Äußerungen Emmingers nach der letzten Sitzung des Zentralbankrats!
Sind denn unsere Hinweise irrig oder demagogisch, daß die Zerstörung der Preisniveaustabilität über kurz oder lang nachteilige Folgen für andere Ziele unserer Wirtschaftspolitik wie Wachstum und Vollbeschäftigung haben muß! Ich meine, nicht kurzfristig, aber langfristig. Oder glaubt man, die Einhaltung dieser Ziele durch verstärkten Einsatz inflationär wirkender Mittel sicherstellen zu können? Gefährlicher Trugschluß! Die Stunde der Wahrheit kommt — in der Finanzpolitik mit unausweichlicher Sicherheit!
Geradezu unglaublich, Herr Bundeskanzler — aber ich muß leider sagen: sich würdig an frühere Entgleisungen anschließend —, ist das, was Sie laut dpa in Mainz am 6. Februar 1971 gesagt haben.

(Abg. Haase [Kassel] : Vorweggenommener Karneval war das!)

Es heißt in der dpa-Meldung, die ich wörtlich zitieren darf:
Heftig wandte sich Brandt gegen Behauptungen, mit dem Regierungsantritt der SPD/FDP-Koalition sei die Wirtschaftsordnung geändert worden und nun der Staat für die Preisentwicklung verantwortlich. „Dem ist nicht so", rief der Bundeskanzler unter starkem Beifall aus, „im Gegenteil, an den Quellen, an denen die Preise gemacht werden, sitzen die Herren Strauß, Stoltenberg und Kohl."

(Lachen bei der CDU/CSU. — Pfui-Rufe und weitere erregte Zurufe von der CDU/CSU.)

Herr Bundeskanzler, ich kann Ihnen hier den Vorwurf nicht ersparen, daß das sicherlich in Ihrer Psychose vor den Landtagswahlen Rheinland-Pfalz auf dem Wege eines sehr starken Lapsus linguae zustande gekommene demagogische Äußerungen sind.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Aber der Bundeskanzler darf sich auch als Parteivorsitzender aus propagandistischen Gründen der Wahlkampfanheizung nicht auf das Niveau eines volkswirtschaftlichen Hilfsschülers herablassen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Darum darf ich hier noch einige Fragen stellen bzw. Anmerkungen machen.
Erstens. Haben Sie damals, in den 20 Jahren Opposition, die jeweilige Bundesregierung für die Preisentwicklung verantwortlich gemacht oder nicht? Jetzt sagen Sie bloß, daß Sie damals gesagt haben: „Die Preisentwicklung hat mit der Politik der Bundesregierung überhaupt nichts zu tun."! Dann muß ich in diesen Jahren in einem Traumtheater gelebt haben, aber nicht im Deutschen Bundestag.
Zweitens. Wollten Sie damit sagen, daß vielleicht die Bundesbank, die mit ihrer Bremspolitik lange Zeit von der Bundesregierung alleingelassen worden ist, die Schuld trägt? Was jetzt im Jahreswirtschaftsbericht als Programm zur Stabilisierung nach der
Aufwertung verkauft wird, war doch ein sehr pannenreiches Unternehmen, dessen einzelne Etappen wir hier erlebt haben. Das ist ein Unternehmen, für das man nicht einmal die berühmte Formulierung Karl Valentins anwenden kann: Möchten hätten wir schon wollen, aber dürfen haben wir uns nicht getraut.
Drittens. Herr Bundeskanzler, warum beklagt denn der Finanzminister die Mindereinnahmen bei den gewinnabhängigen Steuern,

(Abg. Leicht: Sehr gut!)

der Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer in Höhe von insgesamt 6,6 Milliarden DM gegenüber der Schätzung für Bund, Länder und Gemeinden? Haben Sie denn darüber nicht nachgedacht?
Mit hat einmal der Herr Bundeswirtschaftsminister in seiner karitativen, altruistischen Nächstenliebe an diesem Platz ein Colloquium privatissime et gratis angeboten. Ich glaube, er sollte seinen Bundeskanzler nunmehr in den Genuß dieser Wohltat kommen lassen.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

Warum denn diese radikale Minderung der Steuereinnahmen, so daß die Einnahmen aus diesen Steuern sogar hinter den Einnahmen des .Jahres 1969 zurückbleiben?

(Abg. Leicht: Sehr gut! Genau!)

Warum denn? Doch deshalb, Herr Bundeskanzler, weil die Preiserhöhungen nicht ausreichen, um die Kostenerhöhungen aufzufangen, und weil die Erträge besorgniserregend zurückgegangen sind! Das ist doch der Grund.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Darf ich Sie auch fragen: Was haben Sie als Chef der Regierung mit der Regierungsgesamtautorität getan-- also es nicht dem Wirtschaftsminister überlassen —, um sowohl durch rechtzeitige Stabilisierungsmaßnahmen als auch durch Einfluß auf die Tarifpartner eine Kostenexplosion zu verhindern? Das sind die Fragen.
Siehe „Die Welt", Interview mit Herrn Bundesbankpräsident Klasen, der Ihnen doch meines Wissens politisch nicht fern steht. Da hat „Die Welt" ihn gefragt:
Sie sprachen nach der Sitzung des Zentralbankrates von tiefer Sorge über die Entwicklung bei Preisen und Löhnen. Hatten Sie aktuellere Zahlen als die jeweils vier Wochen alten, die die Öffentlichkeit kennt?
Die Antwort von Herrn Klasen war:
Die Zahlen, die wir haben, sind auch nicht viel neuer. Das Aktuelle waren für uns die Ankündigungen von Preiserhöhungen in der Presse, die Zahlen, mit denen einzelne Gewerkschaften ihre Lohnverhandlungen eröffnen. Darauf versuchten wir in der Bundesbank, uns ein Bild der zukünftigen Entwicklung zu machen. Wir gingen durchaus davon aus, daß Ankündigungen und Forderungen nicht immer mit den endgültigen Preis- und Lohnsteigerungen übereinstim-



Strauß
men. Wenn man aber auf internationalen Tagungen — so ging es uns auf der letzten Tagung der Bank für internationalen Zahlungsausgleich in Basel — Tabellen vorgelegt bekommt, aus denen klar hervorgeht, daß die Bundesrepublik mit ihrer 14prozentigen Lohnkostensteigerung 1970 an der Spitze aller EWG-Länder liegt, und wenn man aus den aktuellen Diskussionen den Eindruck gewinnt, daß die Beteiligten das nicht als einmaligen Vorgang ansehen, sondern als Dauerzustand anstreben, dann muß man schon von tiefer Sorge über die wirtschaftliche Entwicklung erfüllt sein.
So wörtlich Herr Klasen!
Wenn wir dasselbe sagen wie der Bundesbankpräsident - was wir letztes Jahr auch mehrmals getan haben —, dann ist das nicht eine demagogische Opposition, die das Ziel oder das Maß des Erlaubten überschreitet, sondern dann entspringt dies der Pflicht der Opposition als einer institutionalisierten Kritik, auf diese Punkte hinzuweisen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wenn die Geldwertentwicklung in einem Jahr der CDU/CSU-Herrschaft, wie man immer sagt, so gewesen wäre, wie sie im Jahre 1970 war, dann möchte ich nicht wissen, —(Abg. Kirst: 1966!)

— Nein, die gesamte Geldwertentwicklung. Das Jahr 1966 stimmt nicht, Herr Kirst. Da liegt die Steigerung der Verbraucherpreise bei 3,4 %, aber die der industriellen Erzeugerpreise weit darunter bei 1,7 0/0, die der Baupreise bei 5 % bis 6 %. Das sind ganz andere Zahlen. Aber ich möchte mich nicht in Dialoge einlassen. Wenn wir jemals diesen Rekord erreicht hätten, ich möchte nicht wissen, welche Reden die Herren Schiller, Möller und andere Vertreter der Opposition hier gehalten hätten.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Dann muß ich Sie noch etwas fragen, Herr Bundeskanzler. Die Preissteigerungen betragen im Januar bei Pkws 2 % bis 5 %, bei Möbel und Hausrat 6 % bis 8 %, bei Elektrogeräten 4 % bis 6 %, bei Foto 6 % bis 8 %, bei der Herrenoberbekleidung 8 % und beim Walzstahl 4,7 %. Im übrigen haben wir in Nordrhein-Westfalen vom Dezember auf Januar eine Zuwachsrate von 1,3 % in einem Monat. Glauben Sie, daß diese Preiserhöhungen das Ergebnis eines Komplotts zwischen den Unternehmern einerseits und den genannten Oppositionspolitikern Strauß, Stoltenberg und Barzel andererseits sind?

(Abg. Haase [Kassel] : Das ist die Verschwörung!)

Das grenzt doch wirklich an Klassenkampfphraseologie.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Sie beklagen sich, daß die Opposition Unruhe und Unsicherheit im Volk und in der Wirtschaft erzeuge. Hier gilt dasselbe, was ich über die Inflationsangst
gesagt habe. Verwechseln Sie nicht Ursache und Wirkung!

(Sehr gut! bei der CDUCSU.)

Beschimpfen Sie nicht das Thermometer wegen der Temperatur!

(Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

Der Kollege Schäfer hat in seiner bemerkenswerten Rede die CDU/CSU in Zusammenhang mit unserem Ringen um eine von wirtschaftlicher Vernunft getragene und vom Streben zum sozialen Ausgleich erfüllte Mitbestimmungsformel als eine Unternehmerpartei bezeichnet. Machen Sie sich keine Hoffnung oder Sorge, Herr Kollege Schäfer! Die CDU/CSU ist und bleibt eine Volkspartei,

(Beifall bei der CDU/CSU)

aber nicht so, wie Herr Apel, Ihr stellvertretender Fraktionsvorsitzender, es über die SPD vor wenigen Tagen in einem Interview ausgerechnet in „Konkret" gesagt hat.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Da sagt er:
Wir sind eine Volkspartei in der ganzen Schwammigkeit des Begriffes.
Wir sind keine Volkspartei in der ganzen Schwammigkeit dieses Begriffes. Wir sind eine echte Volkspartei und brauchen deshalb nicht schwammig zu sein.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

Aber ich höre schon die Zwischentöne. Ich bin nicht so primitiv, wie man mich hält.

(Lachen bei der SPD.)

Das Wort „Unternehmerpartei" sollte so ein bißchen Klassenkampfstimmung ergeben, sollte so eine leicht abwertende Bedeutung haben. Wir sind keine Unternehmerpartei.

(Zuruf von der SPD: Doch!)

Wir sind auch keine Bauern- oder Arbeitnehmerpartei.

(Zuruf von der SPD: Sondern?)

Wir lassen uns nicht einem einzelnen Stand zuordnen. Ich sage Ihnen dazu heute noch einiges.
Aber wir bekennen uns in Wort und Tat zur sozialen Marktwirtschaft und damit auch zum Unternehmertum.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich meine jetzt kein Mitglied dieses Hohen Hauses, das ich namentlich nennen könnte, aber ich meine eine ganz bestimmte schleichende Propaganda in unserem Land, wenn ich folgendes sage: Man erweist höchstens der Deutschen Kommunistischen Partei, aber nicht dem deutschen Arbeiter einen Gefallen, wenn man sich an der Verteufelung des Unternehmers als Profitjäger und Ausbeuter beteiligt.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)

Man kann die Marktwirtschaft auch gefährden, wenn man ein Klima der Unsicherheit und Unruhe erzeugt. Ich unterstelle der Regierung keine bösen



Strauß
Absichten, schon deshalb nicht, weil ich glaube, daß die Regierung selbst nicht weiß, welche Absichten sie schließlich verfolgt.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich kenne ihre Leitlinien und Idealziele. Aber sie werden immer sehr vage, unverbindlich und jederzeit reversibel ausgedrückt. Ich glaube auch das Bekenntnis des Bundeskanzlers zur Marktwirtschaft, das er abschließend noch so als Amen zu seiner Rede hier abgegeben hat. Aber mit dem Bekenntnis zur Marktwirtschaft sind solche Äußerungen, wie Sie in Mainz gemacht haben, unvereinbar.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Es gibt keinen Zweifel, daß das Klima der Unsicherheit und Unruhe besteht. Ja, man kann schon von einer gewissen Zukunftsangst reden, die sich im Unternehmertum ausbreitet und die da oder dort Resignation erzeugt. Ich meine damit nicht die Tatsache, daß in einem oder in zwei Jahren die Erträge abnehmen oder stark gesunken sind. Das gehört zum normalen Ablauf der Konjunkturzyklen. Ich meine aber folgendes.
Erstens. Es sollte Klarheit geschaffen werden, daß die unternehmerische Entscheidungsfreiheit ihrem Wesen nach heute und morgen erhalten bleibt und der private Unternehmer als solcher nicht in Frage gestellt wird durch falschen Reformfanatismus von Weltverbesserern denen ohne ihre eigene Schuld die leidvollen Erfahrungen der Vergangenheit und der arbeitsreiche, dornige Weg des Aufstiegs aus den Trümmern persönlich unbekannt sind

(Beifall bei der CDU/CSU)

und die deshalb glauben — Sie wissen genau, wen ich meine —, daß mehr und mehr Staat für den kleinen Mann mehr Gerechtigkeit und Wohlstand bringe. Sie würden davon geheilt werden, wenn sie einige Zeit die Segnungen einer zentralistischen Planwirtschaft am eigenen Leibe gespürt hätten.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Von denen, die unter den Augen einer nach links hin milden Staatsautorität den Umsturz unserer freiheitlich-demokratischen Gesellschaftsordnung gefahrlos predigen und vorbereiten, will ich in diesem Zusammenhang noch gar nicht reden.
Zweitens. Es sollte Klarheit geschaffen werden hinsichtlich der durch Reform- und Umverteilungspläne auf die Wirtschaft zukommenden Belastungen.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Wohin geht die Reise in der Steuer- und Sozialpolitik? Die Wirtschaft braucht nichts mehr als Vertrauen, Kontinuität und langfristige Dispositionsfähigkeit. Wo das im Ungewissen durch widerspruchsvolle Erklärungen bald so, bald so beantwortet wird, kann man nicht die heute in der Wirtschaft unbedingt nötigen langfristigen Investitionsplanungen erwarten.

(Abg. Leicht: Sehr wahr!)

Es geht dabei nicht um ein halbes Prozent mehr
oder weniger bei der Steuerlastquote. Es gibt natürlich bestimmte Grenzen. Es kommt auch sehr darauf
an, wie diese Steuerlast verteilt wird, wie die Struktur der Steuerlastquote ist.

(Abg. Leicht: Sehr richtig!)

Da wird der Herr Finanzminister im Zusammenhang mit der deutschen Steuerreform und mit der europäischen Harmonisierung noch gewaltige Probleme bekommen.
Drittens. Es sollte Klarheit geschaffen werden, daß die Regierung zur Stabilität zurück will. Denn dauernde Inflation schleichender Art erzeugt wirtschaftliches Fehlverhalten aller Beteiligten. Der Wille zur Stabilität erfordert aber leider die Bereitschaft, sich von Illusionen zu trennen, als ob die Wirtschaft alles verkraften und der Staat alles ermöglichen könne.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Viertens. Es sollte auch einmal ganz deutlich mit Autorität gesagt werden, daß Eigentum und Ertrag Voraussetzungen einer funktionierenden Marktwirtschaft und nicht politische Sünden eines verbrecherischen oder fehlerhaften kapitalistischen Systems sind.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Die Regierung wird vermutlich auf alle Fragen positiv reagieren und wird gegenfragen: Ja, wer zieht denn das in Zweifel? Aber man kann Vertrauen nicht durch Beteuerungen erzeugen, sondern nur durch entsprechendes Handeln mit überzeugenden Ergebnissen.
Hier muß ein Vorwurf einmal ganz klar ausgesprochen werden. 20 Jahre CDU/CSU waren nicht eine Periode von 20 Jahren Fehlern und Versäumnissen, wie man in Wahlkampfdemagogie behauptet hat, sondern das war der größte Aufstieg der breiten Massen unseres Volkes vom Punkt Null bis zum Jahre 1969.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)

Wer diese Periode so bezeichnet, wie es immer wieder geschieht, der erweckt Unzufriedenheit und erzeugt Radikalismus in unserem Lande,

(Beifall bei der CDU/CSU)

der erweckt den Schein, als ob Dinge gemacht werden könnten, ohne weiteres möglich wären, aber am bösen Willen der CDU/CSU gescheitert wären. Und auch Ihnen werden das Gesetz des Möglichen und das Gesetz des Augenmaßes eines Tages noch ganz teuer zu stehen kommen.

(Abg. Rösing: Das hat er inzwischen eingesehen! Weitere Zurufe von der CDU/ CSU.)

Der Aufstieg jener Jahre war im Vergleich mit jeder Umwelt, auch mit Schweden, wo wir den Vergleich ruhig aushalten können, vorbildlich. Trotzdem gehen das große Unbehagen und die schleichende Unzufriedenheit um. Sie führen zu immer höheren Forderungen. Daran ist diese Regierung und sind ihre Propheten nicht unschuldig, weil sie die Leistungen der Vergangenheit, die ihnen überhaupt erlauben, zu Lasten der Zukunft zu sündigen,

(Abg. Leicht: Sehr gut!)




Strauß
schlechtgemacht und Wunschbilder entworfen haben vom großen Wunderland der Bundesrepublik Deutschland, beginnend mit dem Jahre i der Zeitrechnung des neuen Bundeskanzlers Willy Brandt.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich darf dazu nur drei Feststellungen treffen.
Erstens. Man kann nicht die staatlichen Leistungen auf allen Gebieten individuell und gemeinschaftlich gewaltig steigern. Man kann zweitens nicht die Steuerlastquote dann beibehalten und wirtschaftlich rational verteilen und drittens auch noch gleichzeitig den Geldwert stabil halten. Das ist die Quadratur des Zirkels; das geht nicht auf. Aber dieser Eindruck ist erweckt worden. Der Preis, den wir dann den Parolen der Unzufriedenheit und der Unvernunft zu zahlen haben, ist die Inflation.

(Zuruf von der CDU/CSU: Genau!)

Darum gibt es auch heute kein Patentrezept oder Kontrastprogramm, wie es immer wieder verlangt wird. Wir müssen wieder zu den Grundsätzen rationalen Handelns in der Wirtschafts- und Finanz-, aber auch in der Lohn- und Preispolitik zurückkehren.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Das bedeutet eine längere Periode von mindestens zwei Jahren Ernüchterung und dann Abschied von den durch leichtfertige Parolen erweckten Hoffnungen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich will das an einem mit der Haushaltsdebatte in engstem Zusammenhang stehenden Problembereich nachweisen. Wohin führt denn die Finanzpolitik dieser Regierung? Bereits für 1971 bestehen Haushaltsrisiken in Milliardenhöhe. Ich erwähne noch einmal die vom Kollegen Leicht in der zweiten Lesung angeführten Stichworte: Steuerausfälle, Personalkosten, Kostensteigerung bei Investitionen, Bundesbahn, Devisenausgleich. Kann Herr Wehner bei der Haushaltspraxis, die bestehende Haushaltsrisiken einfach als nicht existent behandelt, wirklich behaupten — wie in der „Abendzeitung" am 21. Januar —, die Staatsfinanzen seien in Ordnung, und „wir wissen unser Geld in guten Händen"?

(Lachen bei der CDU/CSU.)

Was verstehen Sie unter „guten Händen", Herr Kollege Wehner?

(Erneutes Lachen bei der CDU/CSU.)

Dem Herrn Finanzminister könnte es vielleicht gelingen, durch gewisse Operationen — Verlagerung der Bundesverschuldung auf die Bundesbahn oder die Offa — 1971 notdürftig über die Runden zu kommen und das volle Ausmaß der Risiken zu überdecken. Aber die Stunde der Wahrheit wird schneller kommen, als sich manche es träumen lassen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610203600
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Porzner?

Dr. Franz Josef Strauß (CSU):
Rede ID: ID0610203700
Bitte sehr!

Konrad Porzner (SPD):
Rede ID: ID0610203800
Herr Strauß, Sie reden von den Risiken des Haushalts. Warum haben Sie dann heute für eine Vergrößerung dieses Risikos gestimmt?

Dr. Franz Josef Strauß (CSU):
Rede ID: ID0610203900
Wir haben auch dafür einen Deckungsvorschlag gemacht, wie Kollege Althammer ausgeführt hat.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Konrad Porzner (SPD):
Rede ID: ID0610204000
Sie haben heute keinen Deckungsvorschlag gemacht.

Dr. Franz Josef Strauß (CSU):
Rede ID: ID0610204100
Glauben Sie nur ja nicht, daß ich übertreibe. Nachdem die Regierung sich scheut, hier offen Farbe zu bekennen, der Finanzminister sogar eine Informationssperre verhängt — siehe auch die Abschaffung der monatlichen Finanzberichterstattung —, um das Ausmaß der beileibe nicht von ihm allein, sondern von dieser Regierung in ihrer Gesamtheit heraufbeschworenen Finanzmisere ziffernmäßig bekanntzugeben, habe ich ohne Anspruch auf Vollständigkeit und auch auf letzte Genauigkeit — wir haben ja nicht die großen Apparate — versucht, einmal eigene Rechnungen für das Jahr 1974, das Endjahr der Finanzplanung, aufzustellen. Der Herr Finanzminister hat bereits schüchtern angedeutet, daß man zu viele Illusionen gehabt habe. Der Bundeskanzler hat es bestritten. Er hat allerdings bei der Debatte über den Jahreswirtschaftsbericht gesagt: Wenn ich die Regierungserklärung heute neu vorzulegen hätte, würde ich sie natürlich, gestützt auf die Erfahrung, zu manchen Punkten, was den zeitlichen Ablauf angeht und auch was die finanziellen Möglichkeiten angeht, konkreter und präziser formulieren. — Warum haben Sie nicht die Aussprache über den Jahreswirtschaftsbericht benutzt, um nicht nur die Absicht anzudeuten, sondern sie auch in die Wirklichkeit umzusetzen, d, h. alles klarer und präziser zu formulieren?

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wann wird die Regierung den Mut haben, unserem Volke die volle Wahrheit über die von ihr herbeigeführte Finanzmisere des Bundes zu sagen? Der Finanzminister nähert immer weiter die in der Regierungserklärung hervorgerufenen Illusionen, indem er ängstlich den Schleier des Geheimnisses über die in seinem Hause, wenn ich richtig unterrichtet bin, ständig fortgeschriebene Liste der Risiken zieht. Die Liste der Risiken sollte einmal hier von der Bundesregierung bekanntgegeben werden.
Der Bundeskanzler beteiligt sich mit vagen Formulierungen auch an diesem Spiel, wenn er, um nur noch ein Zitat zu bringen, den „Rückgang von der ausschließlich an fiskalischen Bedürfnissen orientierten Finanzpolitik zu einer aufgabenorientierten Finanzpolitik" fordert und ebenso nebulos fortfährt:
Ein rein fiskalisch gesehenes, gewissermaßen ideales Haushaltsvolumen nützt uns wenig, wenn damit die Weiterentwicklung unseres Gemeinwesens nicht gefördert und die Mangel-



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erscheinungen mit dem Blick auf das Jahr 1980 wenigstens vorprogrammiert werden.
Es gibt doch nicht ein ideales Haushaltsvolumen im Sinne einer Restriktion als einem absoluten Gute höchster Ordnung, aber es gibt ein von Erfahrung und rationalen Zusammenhängen geprägtes Maximum oder Optimum, und es nützt gar nichts, aufgabenorientiert inflationär zu wirtschaften, wenn man dann selbst mit 15 % mehr Geld nur weniger bauen kann, als man vorher ohne die 15 % bauen konnte.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Die Haushaltsrisiken, die für das Jahr 1974 auf Grund des jetzt zur Verfügung stehenden statistischen Materials erkennbar und bezifferbar sind, belaufen sich bereits auf eine Größenordnung von rund 10 Milliarden DM, und zwar zusätzlich zu der Deckungslücke,

(Zuruf des Abg. Leicht)

die im mittelfristigen Finanzplan mit 9,6 Milliarden DM angegeben ist.
Falls Sie das als Schwarzmalerei bezeichnen oder mit der unsubstantiierten Behauptung abtun wollen, daß die maßgeblichen Sprecher der Opposition in Wirtschafts- und finanzpolitischen Fragen gründlich geirrt hätten, so will ich Ihnen gerne wenigstens einige Stichworte sagen. Die Steuerausfälle werden nach der offiziellen Schätzung für dieses Jahr, das ich genannt habe — ich habe bewußt einmal das letzte Jahr genommen; Sie können es dann proportional auf die anderen .Jahre umrechnen —, diese Steuerausfälle für das Jahr 1974 werden sich gegenüber der Finanzplanung auf mindestens 2 Milliarden DM belaufen; für Länder und Gemeinden ebenfalls 2 Milliarden DM. Diesen Ausfällen stehen andererseits gewaltige Ausgabensteigerungen gegenüber, die Lohnexplosion bei den mit besonders hohen Personalkosten belasteten Länder und Gemeinden sowie die starken Baukostensteigerungen mit durchschnittlich 20 % allein im Jahre 1970. Zwei Drittel der öffentlichen Investitionen, im wesentlichen Bauinvestitionen, sind von Ländern und Gemeinden zu finanzieren. Im Bildungsbereich, beim Umweltschutz, in der Krankenhausfinanzierung tragen doch die Länder und die Gemeinden die Hauptlast, und ihnen entstehen Mehrkosten, da es sich durchweg um Aufgaben handelt, deren Schwerpunkt bei Ländern und Gemeinden liegt. Wenn man den Ländern und Gemeinden bis 1974 nur einen Ausgleich für die Steuerausfälle gibt, die Kostensteigerungen — personell und investiv — nur teilweise berücksichtigt und die finanziellen Konsequenzen der Reformprogramme völlig außer acht läßt, müßte der Bund von seinem Steueranteil, nur um die drei Dinge, Ausgleich für Steuerausfälle, teilweise Berücksichtigung der Mehrkosten und keine Rücksicht auf Reformprogramme, zu nennen, den Ländern und Gemeinden mindestens 3 Milliarden DM überlassen.
Ich weiß, wie schwer es der Bundesfinanzminister hat, ich weiß, warum er gesagt hat: Ich kann die Wünsche der Länder nach einem höheren Anteil
an der Umsatzsteuer nicht erfüllen. Das weiß ich ganz genau. Sie können aber auch an dem nicht vorbeigehen, was ich hier gesagt habe: Noch nie waren die Gemeinden finanziell in einer so miesen Situation wie der, in die sie heute durch diese inflationäre Politik gekommen sind.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)

Herr Bundeskanzler, ich habe heute ein wunderbares Bild in der Süddeutschen Zeitung gesehen: Der OB beim Bundeskanzler:
Im Mittelpunkt einer Aussprache zwischen Vogel und Brandt stand die Tatsache, daß die Investitionskraft der Städte vor allem als Folge des Ansteigens der Bau- und Personalkosten auf einen so niedrigen Stand gesunken ist, daß die notwendige Fortführung der öffentlichen Investitionen gefährdet erscheint.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU.) Das nach 15 Monaten Reformpolitik!


(Beifall bei der CDU/CSU.)

Der Bundeskanzler betonte,
- so heißt es
daß die Bundesregierung die Entwicklung der finanziellen Situation der Städte und Gemeinden, vor allem die möglichen Rückwirkungen auf die öffentlichen Investitionen, mit Aufmerksamkeit verfolge.

(Lachen bei der CDU/CSU.)

Er versicherte, die Bundesregierung werde alles ihr Mögliche tun, um Städten und Gemeinden bei der Überwindung dieser Schwierigkeiten zu helfen.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

Sagen Sie doch, was möglich ist, Herr Bundeskanzler, nicht nur daß Sie das „mit Aufmerksamkeit verfolgen und alles tun, was möglich ist". Die Gemeinden wären mehr daran interessiert zu wissen, was möglich ist, als zu hören, daß Sie das tun würden, was Sie für möglich halten, aber nicht sagen, was nach Ihrer Meinung möglich ist.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Heute ist es bereits so, daß die Gemeinden trotz der Verbesserung ihrer Finanzlage durch die Gemeindefinanzreform in der Zeit der Großen Koalition um 2,6 Milliarden DM jährlich weniger für Zwecke des Verkehrsausbaus sowie für ihre kulturellen und sozialen Aufgaben aufwenden können als jemals zuvor. Allein den Verbesserungen auf der Einkommensseite in Höhe von 2,6 Milliarden DM durch die damals durchgeführte Gemeindefinanzreform stehen im Jahre 1970 Baukostensteigerungen allein bei den Gemeinden in Höhe von 2,6 Milliarden DM gegenüber. Die Mehrkosten auf der personellen Seite betragen 1,7 Milliarden DM, und genauso hoch ist die Deckungslücke bei den deutschen Gemeinden. Die Finanzlage der Gemeinden ist unerhört schwierig. Dort macht sich schon nach einem Jahr der neuen Regierung die Auffassung breit, daß die Gemeinden unter den so ge-



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lästerten CDU/CSU-Regierungen besser gefahren seien als in den 15 Monaten der neuen Ära.

(Abg. Leicht: Das ist ein Versäumnis!)

Ich fahre mit der Projektion fort. Für 1974 sind die personellen Mehrausgaben für den Bund gegenüber der Finanzplanung mit plus 400 Millionen DM sehr niedrig angesetzt. Ein noch höheres Ausgabenrisiko ergibt sich im Bereich der dynamisierten Sozialausgaben, weil die Ausgabenschätzungen noch auf anderen, falschen Lohnerwartungen beruhen. Für 1974 sind 1200 Millionen DM sowie 400 Millionen DM von den Bausparprämien das Minimum.
Ein ganz trübes Kapitel sind die Finanzen der Bundesbahn. Der Kanzler und der Verkehrsminister haben seinerzeit eine Befreiung von den Altschulden angekündigt. Die Regierung zwingt aber jetzt die Bundesbahn, durch zusätzliche Schuldenaufnahme ihren Verlust zu decken.

(Abg. Leicht: In einer Größenordnung wie nie zuvor!)

Der Zuschußbedarf für das echte Defizit bei der Bundesbahn — dabei rechne ich die Ausgleichszahlungen, die einkommenswirksamen Leistungen für Sozialtarife, die Leistungen für Kriegslasten usw. nicht mit — ist im Jahre 1971 schon größer, als der Bundesverkehrsminister der letzten Regierung, derselbe wie heute, bei Nichtannahme des Leber-Plans für das Jahr 1972 angedroht hatte. Das ist die Wirklichkeit.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU. — Abg. Haase [Kassel] : Das sind die „rosa Zeiten" !)

— Für das Jahr 1974 sind Zahlungen des Bundes an die Bahn von insgesamt 4,9 Milliarden DM vorgesehen. Wenn Sie nicht 6 Milliarden DM einsetzen, kommen Sie trotz der geplanten Tariferhöhungen nicht hin.
Es geht auch nicht an, ein großartiges Programm für die Krankenhausfinanzierung zu verkünden und dafür nur Zinszuschüsse zu veranschlagen. Der Bundesanteil an der Krankenhausfinanzierung in Höhe von 0,6 Milliarden DM — die Länder rechnen übrigens mit 300 Millionen DM mehr — muß eines Tages voll in den Haushalt eingestellt werden.

(Abg. Leicht: Genau!)

Allein die bisher aufgezählten Risiken ergeben schon einen Betrag von beinahe 9 Milliarden DM.
Dazu kommen aber weitere Festlegungen der Regierung, z. B. die Erhöhung der Verteidigungsausgaben in den Jahren 1971 bis 1975 für ein European Defence Improvement Program in Höhe von 1,8 Milliarden DM außerhalb des normalen Verteidigungshaushalts. Darin sind die Mittel in Höhe von 400 Millionen DM pro Jahr, die die Wehrstrukturkommission zusätzlich fordert, nicht einbegriffen. Da für das Jahr 1971 keine Mittel eingesetzt sind, müßte für die Jahre 1972 bis 1975 rund eine halbe Milliarde DM im Verteidigungshaushalt für das eingeplant sein, was Herr Schmidt in der NATO-Sitzung versprochen hat.
Für die landwirtschaftliche Krankenversicherung sind nach dem vom Kabinett gebilligten Ressortentwurf ab 1974 zusätzliche Aufwendungen in Höhe von 400 Millionen DM notwendig, die in der Finanzplanung nicht vorgesehen sind, für die Zonenrandförderung — wenn man den Begriff überhaupt noch gebrauchen darf — 80 Millionen DM mehr pro Jahr. Der im Regierungsentwurf eines Postverfassungsgesetzes enthaltene Teilverzicht auf die Postablieferung, der natürlich seinen guten Grund hat, bringt Mindereinnahmen von 300 Millionen DM. Damit steigen die Gesamtrisiken wirklich um etwa 10 Milliarden DM.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

Es sind zwar Verfügungsmittel in Höhe von 4,2 Mil-harden DM vorgesehen, aber es gibt noch eine Vielzahl weiterer kleiner und kleinster Risiken,

(Abg. Leicht: Und großer!)

die in der Addition, wenn man noch an die perspektivische Verzerrung denkt — Einnahmen zu hoch, Ausgaben zu niedrig geschätzt, die Erfahrung sämtlicher Finanzplanungen —, auch die Verfügungsmittel aufbrauchen werden.
Dicke Brocken fehlen aber noch. Für 1974 stehen keine Mittel mehr für den Aufwertungsausgleich zugunsten der Landwirtschaft zur Verfügung. 1973 sind es noch 780 Millionen DM, 1974 gibt es nichts mehr. Zahlenmäßig zwar nicht bestimmbar, aber im Umfang erheblich ist auch das Risiko für den Devisenausgleich. Dabei will ich das Kapitel eventueller Ausgabenrisiken als Folge der Ostpolitik gar nicht in Ansatz bringen. Kurzum, die Finanzierungslücke, die im Jahre 1974 entsteht, wenn die Regierung nicht ganz gewaltige Abstriche macht, beläuft sich auf 17 bis 18 Milliarden DM.

(Abg. Dr. Barzel: Hört! Hört!)

Dazu kommt noch etwas, was man in konkreten Zahlen noch nicht angeben kann. Ich verfüge ja hier nicht über ausreichende Informationen. Aber ohne Zweifel beabsichtigt man — und die Absicht ist gar nicht schlecht, wie die Absichten ja nie schlecht sind —, auch im Gebiet der Lohn- und Einkommensteuer in der Steuerreform Verbesserungen zu bringen, aber Verbesserungen, deren Gesamtwirkung in der Höhe einer ganzen Anzahl von Milliarden liegt, die man nicht im gleichen Bereich durch Tarifänderungen ausgleichen kann, weshalb man schon auch aus diesem Grunde dann an die Umsatzsteuer wird herangehen müssen in der Hoffnung: ich wollte, es wäre Nacht, oder die Preußen kämen — d. h., ich wollte, es wäre Nacht, oder die Europäer würden uns die Ausrede ermöglichen, die Umsatzsteuer erhöhen zu dürfen.

(Abg. Dr. Schäfer [Tübingen]:: Das wollten Sie machen!)

— Dann sagen Sie mir, wie Sie diese Deckungslücke von 17 bis 18 Milliarden DM plus den Steuerausfall, wenn Sie unter dem Stichwort „soziale Gerechtigkeit" in der Lohn- und Einkommensteuer die geplanten Änderungen durchführen wollen, zu schließen beabsichtigen! Diese Frage dürfen wir doch hier stellen.



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Dann kommt ,die Stunde der Wahrheit, die Stunde der Besinnung; denn diese Finanzpolitik steuert auf einen Punkt zu, an dem sie weder durch erhöhte Kreditaufnahme noch durch Steuererhöhungen in ,der Lage sein wird, die mit bombastischen Ankündigungen versprochenen Reformen zu finanzieren.
Vielleicht haben Sie vor kurzem in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung den Artikel aus Stockholm von Claus Gennrich gelesen, daß die schwedische Regierungspartei ihre Wirtschaftspolitik mit ihren inflationären Folgen hat bitter bezahlen müssen. In der Hochkonjunktur habe die Lenkung versagt; dafür würden jetzt die Rufe nach mehr und mehr Sozialisierung vernehmlicher. Wenn man die Marktwirtschaft funktionsunfähig macht, dann ihre Auswüchse beklagt und dann ihre Abschaffung verlangt, so ist das doch der Weg des Unheils, der bei uns nicht gegangen werden darf.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)

Sozialisierungsideologie kann den Mangel an vernünftiger Finanz- und Wirtschaftspolitik nicht wettmachen.
Wir brauchen eine Regierung ohne Illusionen, die unserem Volke reinen Wein einschenkt, ihm die Wahrheit über die Finanzmisere mitteilt, eine Misere, die ohne Änderung des Kurses in die Finanzkrise hineinsteuern muß. Hier ist es Sache der Regierung, die Vorschläge zu machen, wie die Finanzkrise aufgehalten werden kann, und nicht von uns dann Kontrastprogramme zu verlangen, wenn es zu spät ist. Die Opposition ist bereit, die Regierungsvorschläge positiv zu prüfen und sich auf dem Wege der Rückkehr zur Stabilität — —

(Abg. Dr. Schäfer [Tübingen]:: Der Stimme zu enthalten!)

— Sie meinen den Juli letzten Jahres, Herr Kollege Schäfer? Hätten Sie, statt Steuersenkungen im Oktober 1969 für den 1. Januar 1970 zu versprechen, es dann aber endlos zurückzustellen, das bereits im Oktober 1969 gemacht, so hätten Sie mich an Ihrer Seite gehabt, weil ich es öffentlich angekündigt habe.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Diese finanzpolitischen Krisenprobleme sind dank einer regen Regierungspropaganda und der Arbeit ihrer publizistischen Herolde der wenig informierten Öffentlichkeit nur ungefähr bewußt. Aber Unruhe, Unsicherheit, Unbehagen, Zukunftsangst sind weit verbreitet. Das hängt nicht nur damit zusammen, sondern auch mit anderen Dingen, die ich vielleicht nicht angesprochen hätte, Kollege Schäfer, wenn Sie nicht in der letzten Woche so einen etwas holzgeschnitzten Beitrag zur Parteienanalyse geliefert,

(Abg. Leicht: Das war nicht einmal holzgeschnitzt!)

die CSU als eine weit rechts stehende Partei bezeichnet und mir eine gefährliche Gratwanderung — mir ist nachträglich noch das Gruseln gekommen —

(Abg. Dr. Apel: Leider wahr!)

hart am Rande der Rechtsradikalen unterstellt hätten.
Dazu drei Bemerkungen.
Erstens. CDU und CSU sind und bleiben Parteien der Mitte, mit scharfer Abgrenzung zu jenem irrationalen und verhängnisvollen Rechtsradikalismus, der mit dem Linksradikalismus mehr gemeinsam hat als mit uns.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)

Zweitens. CDU und CSU bieten auch denen eine politische Heimat, die ein durch Geschichte gereiftes und durch persönliche Erfahrung geläutertes Nationalbewußtsein haben und ein von obrigkeitsstaatlichem Denken freies, aber die Staatsautorität bejahendes Verhältnis der staatlichen Ordnung demagogi — —

(Lachen bei der SPD — Abg. Dr. Apel: Eine schöne Freudsche Fehlleistung!)

- demokratischer Prägung besitzen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Drittens. Wenn Herr Kollege Schäfer uns als Rechtsparteien bezeichnet — die CSU noch ein bißchen mehr als die CDU —, so hat das nichts mit unserem politischen Standort zu tun, sondern damit, daß die SPD unter dem Druck der Jungsozialisten ihren Standort nach links verlagert hat und weiterhin verlagern wird.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

In dem Fall hat der Beobachter seinen Platz gewechselt und beschimpft diejenigen als weit rechtsstehend, mit denen er früher gemeinsame Auffassungen, jedenfalls dem Wortlaut nach, vertreten hat.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich halte diese Rede nicht aus Verteidigungsgründen, sondern aus Gründen der Feststellung von Tatsachen. Haben nicht die Herren Ollenhauer, Brandt und Wehner vor gar nicht so vielen Jahren in einem Aufruf zum Schlesiertreffen die Parole ausgegeben: Verzicht ist Verrat?

(Abg. Leicht: Sehr gut!)

Haben sie damit nicht Ihre Ostpolitik von heute damals als Verrat bezeichnet?

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Das waren doch Sie selber, nicht wir! Die Antwort, die der heutige Bundeskanzler in einem Interview mit der „Rheinischen Post", das im Bulletin abgedruckt wurde, auf eine an ihn gerichtete Frage gegeben hat, ist für ihn bezeichnend. Die Frage lautete:
Herr Bundeskanzler, wenn Hinnahme dessen, was östlich von Oder und Neiße in den letzten 25 Jahren geschehen ist — und es spricht einiges dafür, daß es hingenommen werden muß —: Warum gibt es dann nicht eine Verbindung mit dem Selbstbestimmungsrecht der Deutschen westlich jener beiden Flüsse? Ich denke an das, was Ihr verstorbener Parteifreund Fritz Erler noch kurz vor seinem Tode geschrieben hat, daß



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die Polen von zwei völlig widersprüchlichen Voraussetzungen ausgehen, wenn sie die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie fordern, daß sie einmal sagen, es gebe zwei getrennte souveräne deutsche Staaten, und zum anderen, der nicht an sie angrenzende Staat müsse ihre Westgrenze anerkennen. Erler hat damals gesagt, keine deutsche Regierung könne vor einer Friedenskonferenz dies auch nur de facto anerkennen, solange nicht ein Schritt nach vorne getan wird zur Verwirklichung der Selbstbestimmungsrechte.
Antwort des Bundeskanzlers:
Ich habe ähnlich argumentiert. Insofern ist mir
das alles nicht fremd. Ich habe ähnlich argumentiert und meine Auffassungen stark modifiziert.
Es folgen dann noch weitere Äußerungen.
Meine Damen und Herren, solche Aussagen erzeugen doch das Klima der Unstabilität, der Unsicherheit und Unruhe. Was damals, vor wenigen Jahren ein heiliges Bekenntnis war — wenn damals jemand etwas anderes gesagt hätte, hätten Sie ihn einen Verräter geheißen —, haben Sie jetzt einfach modifiziert. Was wollen Sie denn noch modifizieren? Mit welchen weiteren Modikationen müssen wir denn noch rechnen? Das ist es doch, was uns beunruhigt. Nichts könnte die Kurzatmigkeit und Hektik dieser Ostpolitik deutlicher kennzeichnen.
Oder stimmt es nicht, Herr Wehner, daß Sie sich — allerdings schon vor einiger Zeit — als ein Anhänger der Schumacherschen Politik bezeichnet haben, als Anhänger der Politik eines Mannes, der um jeden Quadratmeter deutschen Boden kämpfen wollte. Sollen wir uns deshalb als Nationalisten beschimpfen lassen oder mit dem Stempel des Rechtsradikalismus diffamieren lassen, nur weil wir heute noch dasselbe sagen, was die SPD-Führung vor wenigen Jahren als selbstverständlich und legitimen Ausdruck deutscher Politik vertreten hat?

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)

In diesem Hause und in der deutschen Öffentlichkeit wirft man uns vor, daß wir in die Politik der fünfziger Jahre zurückfallen wollten. Diese Politik war im übrigen gar nicht so schlecht, wenn man sie mit der heutigen vergleicht.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

Die „Prawda" hat am 29. Januar geschrieben, daß die Unionsparteien in der Krise ihrer archaischen Politik verharren wollen. Andererseits hat der Bundesminister Eppler vor einem anderen Forum, in der Columbia University in New York, erklärt, Brandt setze die Politik Adenauers fort.

(Lachen bei der CDU/CSU.)

Drüben ist diese Visitenkarte gut zu gebrauchen.
Als die CDU im Wahlkampf 1969 - Herr Bundesminister für Gesamt-, nein es heißt ja jetzt für innerdeutsche Beziehungen, hören Sie jetzt gut zu! — die prinzipielle Einigkeit der im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien in der Deutschland-Politik in Frage stellte, mit einem Fragezeichen versah und sich dabei in erster Linie an die Aresse der SPD wandte, schrieb Egon Franke an Kurt Georg Kiesinger ein Telegramm:
Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Mit Bestürzung habe ich zur Kenntnis genommen, daß die CDU versucht, die prinzipielle Einigkeit der im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien in der Deutschland-Politik in Frage zu stellen.

(Hört! Hört! und Lachen bei der CDU/CSU.)

In der Vergangenheit war es gerade die besondere Stärke unserer deutschen Position, daß die im Bundestag vertretenen Parteien bei allen sonstigen Meinungsverschiedenheiten in dieser Schicksalsfrage unseres Volkes im Grundsatz eine einheitliche Auffassung hatten. Unter Ihrem Vorsitz, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, hat die Bundesregierung noch am 30. Mai eine Grundsatzerklärung zur Außen-und Deutschland-Politik beschlossen. Sie kennen die Wortlautprotokolle der Besprechungen in Moskau, die ich zusammen mit meinen Fraktionskollegen Schmidt und Möller geführt habe. Sie wissen sehr genau, daß wir dort die einheitliche deutsche Meinung vertreten haben. Ich kann nicht umhin, dieser Äußerungen der CDU, deren Vorsitzender Sie zugleich sind, innenpolitisch als Brunnenvergiftung und außenpolitisch als Schaden für unser Volk zu bezeichnen.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

Wer die gemeinsame Haltung in der Deutschlandfrage in Zweifel zieht, nutzt dadurch nur dem Gegner der deutschen Frage. Um Schaden von unserem Volke abzuwenden, fordere ich Sie daher in Ihrer Eigenschaft als Bundeskanzler auf, in aller Öffentlichkeit eine Klarstellung vorzunehmen.

(Zurufe von der CDU//CSU.)

Hatte die CDU — die CSU war an dieser Tat nicht beteiligt — nicht recht, als sie der SPD zutraute, die Deutschlandpolitik in absehbarer Zeit zu ändern? Was soll denn dieser Brief des Herrn Franke?

(Zuruf von der CDU/CSU: Betrug!)

Wer hat denn die damalige Plattform der Gemeinsamkeit verlassen? Sie oder wir? Sie sind doch nicht mehr bereit, den damaligen Beschluß der Bundesregierung und die Erklärung des Bundestages vom Mai 1969 zu wiederholen, auf die sich Herr Franke hier berufen hat. Sie sind deshalb nicht dazu bereit, weil Sie Ihre Position aus falschen Denkansätzen heraus unter selbst gesetztem Zeitzwang und freiwillig gewähltem Erfolgsdruck aufgegeben haben

(Beifall bei der CDU/CSU)

und deshalb heute laufend der Gefahr sowjetischer Erpressung ausgesetzt sind.
Siehe dieses Mysterienspiel mit den Äußerungen sowjetischer Diplomaten! Das ist doch ein Mysterienspiel: Zuerst brachte die Hearst-Presse eine Meldung; natürlich hat die Hearst-Presse das geschrieben, was sie erfahren hat. Dann kam eine leichte Abschwächung. Dann kam wieder das Dementi von der Sowjetbotschaft in Bonn; dann kam



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wieder dieselbe Behauptung von Herrn Lopatin aus Moskau. Dann zog die Regierung in ihrer Verzweiflung zur Widerlegung dieses Eindrucks einen Weihnachtsbrief heraus, der längst vorher geschrieben war.

(Große Heiterkeit und lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich möchte mich damit nicht mehr im einzelnen befassen. Ich möchte nur folgendes sagen: Sie wissen doch, daß in der letzten Nummer von „Sowjetunion heute", herausgegeben von der Sowjetbotschaft in Bonn, ganz klar behauptet wird, es gebe keinerlei Zusammenhang zwischen einer befriedigenden Berlin-Lösung — dieser Begriff wäre auch noch zu klären, weil die Interessenlage hüben und drüben total verschieden ist — und einer Ratifizierung der Verträge.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

Das sagt in dieser Zeitschrift derselbe Botschafter, der offiziell das Interesse Moskaus an der Ratifizierung der Verträge versichert.
Ich bestreite gar nicht, Herr Bundeskanzler, daß Herr Bahr, Herr Franke und Sie die Sache Berlins in Moskau vertreten haben. Sie müssen aber auch die unzähligen Äußerungen der Sowjetpropaganda und ihrer Filialen sehen: die bulgarische Nachrichtenagentur, der stellvertretende ungarische Außenminister, Tribuna Ludu, Rudé Právo usw. Einheitlich schallt es aus diesem Propagandawald, niemals sei bei den Verhandlungen in Moskau ein Junktim zwischen der Ratifizierung der Verträge und einer befriedigenden Berlin-Lösung Gegenstand der Diskussion gewesen.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

Ich glaube Ihnen, Herr Bundeskanzler, ich gebe Ihnen recht, daß Sie sich der Diskussion gestellt haben, aber Sie haben einen Partner gehabt, den Sie vor Ihrer Unterschrift so hätten festlegen müssen, daß er hernach nicht behaupten kann, das alles stimme nicht!

(Stürmischer Beifall bei der CDU/CSU.)

Es wird doch kein Mensch glauben, daß angesichts der staatlichen Zwangssteuerung von Presse, Rundfunk und Fernsehen in diesem Bereich Presse-, Rundfunk- und Fernsehorgane wider den Willen der sowjetischen Regierung das Junktim leugnen, während die sowjetische Regierung in Übereinstimmung mit dem deutschen Bundeskanzler und seinem Außenminister selbstverständlich nach wie vor an diesem Junktim festhält! Das wird doch kein Mensch glauben. Radio Moskau bringt doch genau das, was die Sowjetregierung als ihren Standpunkt vor der Welt verkündet wissen will.

(Abg: Leicht: Sehr richtig!)

Lassen Sie mich einen letzten Bereich ansprechen. Herr Kollege Schäfer, Sie meinten, es gebe für die SPD kein Problem mit ihren Jungsozialisten. So haben Sie es wörtlich gesagt.

(Zuruf des Abg. Wohlrabe.)

Sie brauchen sich über rechtsradikale Tendenzen bei
der CDU/CSU gar keine Sorgen zu machen. Wir
bleiben, was wir sind! Aber bei Ihnen hat die große Drift eingesetzt.
Ich biete Ihnen ein paar Beispiele dafür; Sie können sich ja hier oder anderswo dazu äußern.

(Abg. Leicht: Sehr gut!)

Der Bundesvorsitzende der Jungsozialisten sagte:
Diese sozialistische Zielsetzung der Jungsozialisten kann durch parlamentarische Entscheidungen allein nicht erreicht werden.
Der Oberbürgermeisterkandidat der SPD für Rosenheim — eine nicht unwesentliche Position — sagte laut Juso-Informationen vom November 1969: „Die personelle Vermögensverteilung kann radikal verändert werden durch die Expropriation der Expropriateure." Der Juso-Unterbezirksvorsitzende Adolf Salzer in Dillenburg, Hessen — hören Sie genau zu, jetzt wird es nämlich ganz ernst —, schreibt:
Allmählich muß auch die SPD ihre Positionen gegenüber der SED überprüfen. Die SED stützt sich in ihrem Staat unter den besonderen Bedingungen, die sich auf der Grundlage dieses ersten sozialistischen Staats auf deutschem Boden ergeben haben, auf revolutionäre Traditionen der deutschen Arbeiterbewegung.
Und wo ist das geschrieben worden? In der kommunistischen Zeitung „UZ", dem offiziellen Organ der DKP, im Februar 1970.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Althammer: Konsequenzen?)

Es heißt weiter:
Je attraktiver die DDR in wirtschaftlicher, sozialer und politischer Hinsicht ist, desto größer werden unsere Chancen.
Wer sind denn „unsere"?
Kundgebung am 8. Mai 1968 in München; Einlader: VVN, Karl-Marx-Gesellschaft, Vietnam-Komitee für Friedens- und Befreiungskampf, ein Sprecher vom SDS, ein weiterer vom SDS, Herr Stöckel von der DKP, Hans Ulrich Spiegel von der SPD, nunmehr Kandidat für den Landesvorsitz der Jungsozialisten in Bayern. 8. Mai 1970 in München: gemeinsame Einladung von DKP und Jungsozialisten „gegen die Komplizenschaft der Bundesregierung mit den Völkermördern in Kambodscha". Das richtet sich gegen die eigene Adresse.
Ich könnte Ihnen eine ganze Serie von ähnlichen urkundlich belegten Dokumenten vorlegen. Und da sagen Sie, Herr Schäfer, indem Sie die CSU als weit rechts stehend bezeichnen, daß Sie keine Probleme mit den Jungsozialisten hätten,

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0610204200
Herr Abgeordneter Strauß, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kahn-Ackermann?

Dr. Franz Josef Strauß (CSU):
Rede ID: ID0610204300
Ich darf den Absatz noch zu Ende bringen.
Man trägt das Lenin-Abzeichen, wie der Herr Bleibinhaus, der Oberbürgermeisterkandidat der SPD



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in Rosenheim. Man trifft sich mit dem Bezirksstadtrat Hoffmann aus Gera, wie der wiedergewählte Vorsitzende der Jungsozialisten in München. 8 Mitglieder der Münchener SPD nehmen vom 26. November bis 30. Novemebr 1970 mit Wissen des Parteivorstands an einer Engels-Feier in der DDR teil. Der Sprecher des Sozialistischen Hochschulbundes, der nach wie vor — oder jetzt wieder — von der SPD finanziert wird, befürwortet eine gemeinsame Front mit der DKP und anderen linksradikalen Gruppen. Dutzende von gemeinsamen Veranstaltungen mit SDAJ und anderen Organisationen kommunistischer Provenienz.
Was tut denn die SPD-Führung? Ich behaupte nicht, daß sie für diese Politik ist. Aber sie laviert und manövriert, sie weicht aus. Sie ist zu schwach, sich mit ihren Vorstellungen durchzusetzen, auch innerlich gespalten.
Hat nicht Herbert Wehner auf dem Kongreß in Bremen der CDU faschistische Strukturen vorgeworfen?

(Sehr richtig! bei der SPD.)

— „Sehr richtig"? Das ist bezeichnend für Ihre Denkweise. Hat er nicht in derselben Rede den Verteidigungsminister Helmut Schmidt öffentlich gescholten und ihn lästerlicher Reden bezichtigt, die ihm nicht verziehen werden sollten — eine Gehorsamsübung vor den Jungsozialisten —, über die man aber mit ihm reden müsse. „Ja, das tue ich," sagte Herbert Wehner wörtlich, „ich verzeihe ihm manches nicht, aber ich rede mit ihm wenigstens." Derselbe Herbert Wehner hat in Bremen vor demselben Kongreß „HSV" — gemeint war Hermann Schmitt-Vockenhausen — öffentlich bloßgestellt, weil er weiß, daß dieser HSV bei den Jusos, wie man bei uns sagt, im Bierverschiß ist.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

Er hat von berechtigten Klagen gegen HSV gesprochen, er hat sie nicht unbeträchtlich genannt und wörtlich hinzugefügt: „Ich sage ihm das auch direkt, und ich habe es ihm gesagt, und da gibt es manches, was nicht wiedergutgemacht werden kann." Es sind doch keine Greuelmärchen, daß es anschließend in einigen SPD-Gremien zu recht deftigen Auseinandersetzungen gekommen ist.
Herr Kollege Schäfer, zum Abschluß dieser Dokumentation muß ich Sie an die unglaublichen Vorgänge beim Lehrlingskongreß der Jusos am 28./29. November erinnern. Teilnehmergruppen: Jungsozialisten, Gewerkschaftsjugend, Kommunistischer Jugendverband Deutschland, KPD, Kommunistische Jugend Spartakus und dann noch eine Reihe revolutionärer kommunistischer Gruppen, Trotzkisten, Maoisten usw. Die SDAJ trat nicht geschlossen in Erscheinung, sie war aber durch Mitglieder in verschiedenen Gewerkschaftsgruppen und durch Beobachter vertreten. Ich bin aus Zeitgründen nicht in der Lage, den Ablauf des Kongresses zu schildern.

(Abg. Wehner: Schade!)

— Ja, das ist schade. Am zweiten Tag ging die
Konferenz nach wenigen Diskussionsbeiträgen im
Tumult ohne Abschluß unter. Unter Schwenken
zahlloser roter Fahnen skandierten die Sprechchöre: „Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!"
„Arbeiterverräter!" und sangen die Internationale. — Aber Sie haben ja kein Problem mit den Jusos!

(Heiterkeit und lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)

Im Gegensatz zu den Jungdemokraten haben sich die Jungsozialisten in Bonn von diesem Strauß-Guttenberg-Tribunal, von dem Prozeß à la Guinea oder dem maoistischen Volksgericht oder dem Reinigungsprozeß à la Sowjetunion in der Stalin-Zeit distanziert. Aber das ist ein Beispiel für das, was auf uns zukommt,

(Abg. Leicht: Sehr gut!)

wenn das so weitergeht. Das ist Terror, der hier versucht wird!

(Beifall bei der CDU/CSU. Zuruf des Abg. Stücklen.)

Die Jungsozialisten haben sich davon distanziert, aber teilgenommen haben sie auch, und Konsequenzen sind nicht daraus gezogen worden.
Ist jetzt dem Assistenten gekündigt worden? Ich wünsche dem jungen Mann alles Gute. Er ist nur ein Opfer Ihrer Bildungspolitik geworden,

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

wenn er sagt: das ist das heilige Bündnis zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten.
Merken Sie denn nicht, wie sich diese Grenzzone zwischen Ihnen und der DKP immer mehr ausdehnt und daß Sie es nötig haben, sich hier scharf, ein- a deutig und mit Konsequenzen abzusetzen, und zwar so abzusetzen, daß Mißdeutungen und fließende und schwimmende Grenzen nicht mehr möglich sind? Das liegt in Ihrem Interesse und in unserem gemeinsamen Interesse.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Deshalb möchte ich Sie auch warnen — das sei mein letztes Wort —, warnen davor, durch Ausdrücke wie „rechte APO", „Rechtskartell" — was sie, Herr Apel, bei der Debatte in den Mund genommen haben —

(Abg. Dr. Marx [Kaiserlautern]: Das haben ihn andere vorgesagt! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Ja! — Genau!)

einen Spaltungsprozeß zu unterstützen, dessen politische und strategische Architekten in Moskau sitzen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)

Während früher alle demokratischen Parteien in diesem Lande unter Beschuß aus dieser Quelle waren, hat man jetzt begonnen, aufzuteilen zwischen guten und schlechten Deutschen.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Die guten Deutschen: das sind die, die für Sicherheit, für Entspannung, für Frieden und deshalb für die Verträge sind. Die schlechten Deutschen sind die, die gegen Entspannung, gegen Frieden, für Krieg und deshalb gegen die Verträge sind.

(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)




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Und da kommen ganz drohende Untertöne von Bundesminister Ehmke, von Herrn Wienand einmal oder auch von Herrn Wehner, drohende Untertöne, daß es hier um Krieg oder Frieden gehe beim Ja oder Nein zu den Verträgen. Ich gebe Ihnen recht, Herr Wehner, wenn Sie vom „Desaster" reden. Ein Desaster besteht darin, daß Sie sich in Ihrer Ostpolitik in eine ausweglose Lage versetzt haben, unter der wir alle leiden!

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0610204400
Herr Abgeordneter Strauß, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

(Zuruf des Abg. Wehner.)


Dr. Franz Josef Strauß (CSU):
Rede ID: ID0610204500
Und deshalb sollten Sie sich nicht daran beteiligen, die Demokraten in Deutschland aufzuteilen in die guten, die Sie sind, und das Rechtskartell, dem die CDU und die CSU angehören. Das Wort „Rechtskartell" ist in Moskau erfunden worden,

(Zustimmung bei Abgeordneten der CDU/ CSU)

und Sie sollten sich wirklich hüten, durch Annäherung an die kommunistische Spaltungsphraseologie und -dialektik dieses Ziel zu unterstützen, gleichgültig, ob wir zu diesen Verträgen ja oder nein sagen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Die Kritik kann man auch nicht mundtot machen, indem man ihre Organe bedroht, wie etwa mit den Drohungen gegen die Springer-Presse, der — auch jetzt wieder im Zusammenhang mit den Veröffentlichungen der Hearst-Presse — einfach Fälschungen vorgeworfen werden. Herr Steffen hat das angedeutet; ebenso kamen andere drohende Äußerungen aus dem Regierungslager, so von Herrn Wischnewski und dem Sprecher der Bundesregierung.

(Abg. Stücklen: Und von Günter Graß! Eine Schweinerei!)

Die Opposition auch in der Publizistik ist heute nötiger denn je, weil unsere Gesellschaft heute des-informierter ist denn je.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Wehner: Ja, durch die Massenauflagen!)

Was haben Sie denn gemeint, Herr Bundeskanzler, als Sie die nicht regierungskonformen Presseorgane der „negativen Gleichschaltung" — ein Jargon aus dem Dritten Reich — bezichtigt haben? Ist denn jeder negativ gleichgeschaltet, der Ihre Politik nicht laut lobt und bewundert?

(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

Was wird hier für eine Stimmung, für eine Atmosphäre erzeugt! Hier wird die Vergiftung geschaffen, wird Kritik schon als Majestätsbeleidigung und als Sünde gegen die Nation ausgelegt.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Wehner: Sie Armer!)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0610204600
Herr Abgeordneter Strauß, ich muß Sie noch einmal auf den Ablauf der Redezeit aufmerksam machen.

Dr. Franz Josef Strauß (CSU):
Rede ID: ID0610204700
Sie haben eines erreicht: die Russen versuchen durch Wechselbäder, Sie unter Druck zu setzen, wobei die Kaltduschen überwiegen. Der Westen wird trotz aller gegenteiligen Beteuerungen unsicherer und kühler. Unser Volk wird immer unruhiger, weil es ein Gespür dafür hat. Die wirtschaftliche Lage wird verworrener, die finanzielle Stabilität wird geringer,

(Abg. Wehner: Und Ihre Reden immer länger!)

und auch die innere Sicherheit in unserem Lande wird geringer.

(Abg. Dr. Schäfer [Tübingen]:: Und Sie immer lauter!)

Das ist die Bilanz einer Regierung, die ausgezogen ist, Deutschland zu verändern. Sie hat begonnen, Deutschland zu verändern,

(Abg. Wehner: Ja!) aber nicht zum Guten.

Sie haben gesagt, Herr Wehner, es gehe darum, möglichst viele irreversible, d. h. nicht widerrufbare, Tatbestände zu schaffen. Sie weisen mit Stolz auf diese oder jene soziale Leistung hin, die Ausdruck unserer Wirtschaftskraft ist, eine Selbstverständlichkeit. Die Inflation von Worten und Währung kann nicht über die Gefahren und Rückschläge hinwegtäuschen, die bereits heute, Herr Bundeskanzler, Ihnen — dessen guten Willen wir gar nicht bestreiten — den Charakter des Tragischen verleihen.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Wehner: Warum sind Sie dann so hastig? — Abg. Strauß: Weil ich aufhören muß! — Abg. Wehner: Es arbeitet doch alles für Sie! Dann können Sie ja ruhig sein! „Prost" kann man nur sagen! — „Prost"-Rufe von der SPD. — Unruhe.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0610204800
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hermsdorf, Seine Fraktion hat für ihn eine Redezeit von 45 Minuten erbeten.

(Anhaltende Unruhe. — Abg. Wehner: Mal unterbrechen, bis die sich erholen können! Ruhig Zeit nehmen!)


Hans Hermsdorf (SPD):
Rede ID: ID0610204900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vielleicht sollten wir einen Augenblick unterbrechen, bis die Damen und Herren, die erschöpft sind, den Saal verlassen haben.
Ich möchte bei meinen Ausführungen die Rede des Kollegen Strauß teilen. Der erste Teil seiner Rede betraf den finanzpolitischen Teil, und der zweite ging die allgemeine Politik und die Außenpolitik an.



Hermsdorf (Cuxhaven)

Sie gestatten mir, daß ich für meine Fraktion nur den ersten Teil Ihrer Rede behandle, weil ich der Auffassung bin, daß wir als Fraktion hier auch einmal die Ziele und die Grundlagen dieses Haushalts darzulegen haben.
Herr Kollege S t r a u ß, im finanzpolitischen Teil Ihrer Rede haben Sie einen Ausflug in die Finanzplanung bis 1974 und 1975 gemacht, dazu KassandraRufe ausgestoßen und angekündigt, man werde sich an das erinnern müssen, was Sie zum Haushalt 1970 und zum Haushalt 1971 gesagt haben. Wenn man sich aber nun an das erinnert, was Sie im Sommer und im Herbst des vorigen Jahres zu 1970 und 1971 gesagt haben, und es mit dem vergleicht, was Sie heute dazu sagen, stellt man fest, daß von Ihren damaligen Kassandra-Rufen zu diesen beiden Haushalten nichts übrigbleibt.

(Beifall bei der SPD.)

Ich bin sicher, daß dasselbe für Ihre Kassandra-Rufe zur mittelfristigen Finanzplanung gelten wird.

(Abg. Leicht meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

— Herr Kollege Leicht, ich bitte, nicht gleich beim ersten Satz schon wieder mit Zwischenfragen anzufangen. Lassen Sie mich auch einmal meine Gedanken zu Ende führen.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Leicht: Nur eine Richtigstellung!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir stehen heute am Ende der Beratung des zweiten Haushalts, der von einem sozialdemokratischen Finanzminister eingebracht worden ist und der von der sozial-liberalen Koalition getragen und gestützt wird. In diesem Haushalt schlagen sich die Ziele und die Auffassungen dieser Regierung nieder. Es lohnt sich deshalb, einmal Bilanz über die Tätigkeit dieser Regierung zu machen. Seit Bildung dieser Regierung im Jahre 1969 ist die noch vor wenigen Jahren völlig eingefrorene deutsche Politik im Innern wie nach außen nun endlich in Bewegung gekommen.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Wörner: Bewegung ist alles, Stabilität ist nichts?)

Ich ziehe heute vor diesem Haus eine Bilanz dieser beiden Haushalte, nicht um in der Öffentlichkeit rechthaberisch die Erfolge dieser Politik nachzuweisen, sondern um ganz deutlich zu machen, was diese Regierung bisher geleistet hat und was es noch zu leisten gibt.
Im Jahre 1971 werden Bund, Länder und Gemeinden eine expansive Finanzpolitik betreiben, die möglich und notwendig geworden ist, weil die Haushalte 1969 und 1970 restriktiv gefahren wurden. Daß sie restriktiv gefahren wurden, darüber gibt es jetzt keinen Zweifel mehr. Es ist auch klargestellt, daß durch diese restriktive Abwicklung des Haushalts einiges an Problemen zurückgestellt werden mußte, was nun durch den Haushalt 1971 nach vorn gebracht werden wird.
Die Kritik, die aus dem Hohen Hause und der Öffentlichkeit an dieser Bundesregierung geübt wird, geht in zwei Hauptrichtungen. Auf der einen Seite wird bemängelt, daß der Bundesregierung die Solidität als Grundlage für die inneren Reformen fehle. Zum anderen wird Kritik geübt, daß sich diese Regierung nicht konjunkturgerecht verhalten habe. Beide Vorwürfe sind, wie man aus heutiger Sicht sagen kann, gegenstandslos und inhaltslos.
Ein Hauptansatzpunkt der Kritik an der Finanzpolitik der Bundesregierung war die Steigerungsrate des Haushalts 1970. Im September vorigen Jahres wurden diese Vorwürfe noch von Herrn Strauß und Herrn Stoltenberg in der Haushaltsdebatte erhoben. In dieser Etatberatung sind die Vorwürfe von der Opposition wiederholt worden. Deshalb dazu einige Bemerkungen über den Verlauf des Haushalts 1970.
Hier ist der Vorwurf aufgebracht worden, daß im ersten Halbjahr 1970 der Haushalt sozusagen konjunkturprozyklisch gefahren worden sei. Was ist der Tatbestand? Wir haben im ersten Halbjahr Ausgaben in Höhe von 39,5 Milliarden DM bei Einnahmen von 40,5 Milliarden DM. Es ergab sich also ein Finanzierungsüberschuß von knapp i Milliarde DM. Die Ausgabensteigerungsrate lag somit um 1,5 % höher, als es im Soll des Haushalts 1970 vorgesehen war. Die höhere Steigerungsrate im ersten Halbjahr 1970 gegenüber 1969 resultiert vor allem aus ausgabensteigernden Faktoren, die im Haushaltsablauf sichtbar wurden. Einzelne dieser Sonderfaktoren möchte ich des besseren Verständnisses wegen hier aufführen.
Erstens, Die Mehrausgaben für Besoldungserhöhung belasten den Haushalt 1970 im ersten Halbjahr zusätzlich mit 700 Millionen DM.
Zweitens. Durch Leistungsverbesserungen in der Kriegsopferversorgung wurde der Haushalt mit einem zusätzlichen Betrag von 430 Millionen DM im ersten Halbjahr belastet.
Mit der damals von der Koalition beschlossenen verbesserten Leistung für die Besoldung und die Kriegsopferversorgung waren Sie nicht einverstanden. Sie wollten noch mehr. Wie dann die Zuwachsrate der Ausgaben im ersten Halbjahr 1970 ausgesehen hätte, können Sie sich vorstellen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das wußte man vorher schon!)

Drittens. Im ersten Halbjahr wurden 820 Millionen DM als Aufwertungsausgleich an die Landwirtschaft gezahlt.
Nach den uns nun vorliegenden Ist-Ergebnissen schließt der Bundeshaushalt 1970 in Einnahmen und Ausgaben mit 87,2 Milliarden DM ohne einen kassenmäßigen Fehlbetrag ab. Das bedeutet gegenüber dem Haushalts-Soll, daß die Ausgaben um rund 1,7 Milliarden DM hinter dem zurückgeblieben sind, was im Soll angesetzt worden war. Damit betrug die Steigerungsrate nicht, wie vorgesehen, 9 v. H., sondern nur noch 7 v. H. Daß das ein Erfolg einer antizyklischen Finanzpolitik ist, wird in diesem Hause niemand bestreiten können.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)




Hermsdorf (Cuxhaven)

Stellt man dann die Zuwachsrate der Ausgaben von 7 v. H. dem Zuwachs des Bruttosozialprodukts von 12,4 v. H. gegenüber, so wird deutlich, daß diese Bundesregierung ihrer Verpflichtung entsprechend dem Stabilitätsgesetz und ihrer sich selbst gegebenen Verpflichtung, eine solide Finanzpolitik zu betreiben, voll gerecht wurde.

(Beifall bei der SPD.)

Sie ist mit ihrer Ausgabenbeschränkung 1970 an die untere vertretbare Grenze gegangen.
Daß der Haushalt 1970 mit einem Finanzierungsüberschuß von knapp 1 Milliarde DM abschließen konnte, unterstreicht die konjunkturstabilisierende Politik dieser Bundesregierung zusätzlich.
Dieses Bemühen verdient Würdigung und keine harte Kritik, wie Sie sie hier vorgebracht haben.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Allen Unkenrufen zum Trotz hat die Bundesregierung bewiesen, daß sie in der Lage ist, mit schwierigen wirtschaftspolitischen Situationen fertigzuwerden. Die Regierung hat zusammen mit den beiden sie tragenden Fraktionen im Juli 1970 Maßnahmen ergriffen, die sicherlich unpopulär waren und die in weiten Kreisen der Bevölkerung Entrüstung hervorgerufen haben. Sie allerdings, meine Damen und Herren von der Opposition, waren nicht bereit, obwohl Sie es immer wieder gefordert haben, diesen von der Bundesregierung getroffenen Maßnahmen zuzustimmen. Sie enthielten sich der Stimme. Aber Sie hatten die Stirn, diese Maßnahmen der Bundesregierung zu kritisieren. Ich frage Sie heute: Was wollten Sie damals eigentlich? Wollten Sie noch mehr, noch härtere Maßnahmen, um die Konjunktur in den Griff zu bekommen, oder wollten Sie diese Maßnahmen nicht? Eine Antwort darauf sind Sie bis heute schuldig geblieben.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Schäfer [Tübingen] : Das wissen sie bis heute nicht!)

Diese Regierung kann trotz einer wegen der Konjunkturlage restriktiven Ausgabenpolitik auf eine stolze Bilanz 1970 — insbesondere auf gesellschaftspolitischem Gebiet — verweisen. Gestatten Sie mir, daß ich die Schwerpunkte, die wir 1970 gesetzt haben, noch einmal ins Gedächtnis zurückrufe: 1. Aufwertungsausgleich für die Landwirtschaft in Höhe von 0,9 Milliarden DM. 2. Anpassungsregelung in der Kriegsopferversorgung vom 1. Januar 1970 an 0,9 Milliarden DM. 3. Wegfall der Beiträge der Rentner zur Krankenversicherung vom 1. Januar 1970 an 0,1 Milliarden DM für den Bund. 4. Vermögensbildungsgesetz vom 27. Juli 1970 an. 0,06 Milliarden DM. 5. Erhöhung des Kindergeldes 0,14 Milliarden DM. 6. Ausbildungsförderungsgesetz 0,2 Milliarden DM. 7. Steigerung der Ausgaben für Bildung und Wissenschaft 0,7 Milliarden DM. 8. Erhöhung der Verkehrsausgaben, insbesondere zur Verwirklichung des Leber-Plans im Nahverkehr und im kombinierten Güterverkehr, 0,8 Milliarden DM. 9. Verbesserung der Agrarstruktur, nationaler Bereich 0,2 Milliarden DM. 10. Erhöhung der Bezüge im öffentlichen Dienst um 9 v. H. 1,4 Milliarden DM.
Meine Damen und Herren, das sind Fakten, das sind Tatbestände, die von niemandem im Hause bestritten werden können. Mit dieser Bilanz .1970 kann diese Regierung bestehen.

(Beifall bei der SPD.)

Nun kommt der nächste Punkt.

(Zuruf von der CDU/CSU: Weihnachtsgeld!)

— Sie werden lachen, das habe ich tatsächlich noch vergessen. Das hätte ich auch noch hinzufügen sollen.
Nun kommt der nächste Punkt. Am 9. Juli 1970 hat diese Regierung den Haushalt vorgelegt, den wir jetzt abschließen, in einer Größenordnung von 100 Milliarden DM. Mit großer Entrüstung haben Sie dieses Volumen des Haushalts 1971 zurückgewiesen. Sie unterstellten dieser Bundesregierung, daß sie zwar einem Teil der Bürger zusätzlich 10 % zu der Einkommensteuer aufbürde, selbst aber nicht bereit sei, ihre Reformprogramm zu kürzen, und so lieber einen Haushalt mit 100 Milliarden DM vorlege. Meine Damen und Herren von der Opposition, was Ihre damaligen Aussagen wert waren, sehen Sie heute selbst. In der ersten Lesung am 24. September nannte ich damals folgende vier Punkte, die ich im Namen meiner Fraktion vortrug. Ich bitte — mit Genehmigung des Herrn Präsidenten — sie noch einmal in Erinnerung zu rufen:
1. Wir billigen die durch den Haushalt dargelegten Zielvorstellungen der Bundesregierung in vollem Umfang und werden alles tun, um sie zu unterstützen.
2. Wir halten das Volumen des Haushalts und damit die Zuwachsrate nicht nur für realistisch, sondern auch für notwendig.
3. Die restriktive Etatgestaltung in den Jahren 1969 und 1970 und unsere Stabilisierungsmaßnahmen vom Sommer dieses Jahres haben die Voraussetzungen für den Etat des Jahres 1971 geschaffen.
4. Wir stehen am Anfang der parlamentarischen Beratung des von der Regierung im Juli beschlossenen Etats. Der Herr Bundesfinanzminister hat klargemacht, daß am Ende der Beratung wie üblich die nochmalige Überprüfung aller Daten stattfinden wird.
Meine Damen und Herren, diese Überprüfung hat stattgefunden. Alle vier Punkte können wir heute aufrechterhalten. Und wo sind Sie heute mit Ihren damaligen Vorstellungen zum Haushalt 1971? Nichts ist davon mehr zu spüren.

(Abg. Dr. Schäfer [Tübingen] : Alles unter dem Tisch!)

Die Bundesregierung hat von Anfang an deutlich gemacht — und das zieht sich in einer geraden Linie bis heute durch —, daß der Haushalt 1970 konjunkturgerecht sei — die Zustimmung des Kon junkturrats und des Finanzplanungsrats war vorhanden — und daß man den Haushalt 1971 nicht als einen Haushalt des dritten Quartals 1970 betrachten könne. Dies haben wir auch gesagt. Aber Sie haben

Hermsdorf (Cuxhaven)

das bestritten und haben so getan, als würde der Haushalt 1971 im dritten Quartal 1970 verabschiedet und schon wirksam. Alles waren für Sie keine Argumente. Ihnen kam es nicht darauf an, was hier sachlich vorgetragen wurde, sondern nur darauf, an allem, was diese Regierung tat, Kritik zu üben.
Betrachtet man heute den Haushalt 1971 nach den abschließenden Beratungen im Haushaltsausschuß, so bleibt deutlich, wo diese Bundesregierung ihre Prioritäten gesetzt hat. Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, bestreiten zwar noch immer, daß diese Bundesregierung überhaupt Schwerpunkte habe. Aber sehen Sie sich den Haushalt an, und Sie werden sehen, wo die Schwerpunkte liegen.
Hier zur Verdeutlichung die Schwerpunkte des Haushalts 1971, die mit denen des Haushalts 1970 verglichen werden müssen: 1. Zweites Wohngeldgesetz: + 0,2 Milliarden DM, 2. Zweites Krankenversicherungsgesetz: + 0,03 Milliarden DM, 3. Verbesserung und Ergänzung sozialer Maßnahmen in der Landwirtschaft: + 0,06 Milliarden DM, 4. Erhöhung der Mittel für Bildung und Wissenschaft: 4- 1,2 Milliarden DM, 5. Verkehrshaushalt: + 1,4 Milliarden DM, 6. langfristiges Wohnungsbauprogramm: + 0,17 Milliarden DM, 7. Verbesserung der öffentlichen Bezüge: + 1,58 Milliarden DM, 8. Zuwachs an Investitionen: + 3,2 Milliarden DM.
Meine Damen und Herren, nehmen Sie 1970 und 1971 zusammen, und dann bestreiten Sie noch die Leistungen dieser Regierung! Wer das tut, muß die Zahlen nicht lesen können.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich habe deshalb diesen Katalog der Prioritäten so ausführlich dargelegt, damit endlich auch die Opposition erkennt, was diese Bundesregierung will. Auch soll die Öffentlichkeit endlich erfahren, daß diese Bundesregierung nicht nur Ansprüche stellt, sondern ihre Leistungen im Rahmen des Haushalts deutlich auf den Tisch legt. Sie von der Opposition, meine Damen und Herren, können an diesem Katalog kritisieren, was Sie wollen. Aber bitte, dann bringen Sie uns Alternativen und urteilen Sie nicht in pauschaler Kritik, ohne zu nennen, woher und wohin mit den Mitteln gefahren werden soll!

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Nun behaupten Sie — das ist vom Kollegen Strauß gemacht worden —, daß dieser Katalog durch die Einnahmeseite in Schwierigkeiten geraten könnte. Gestatten Sie mir deshalb, einiges zur Einnahmeseite zu sagen.
Auf der Einnahmeseite des Haushalts 1971 haben sich wesentliche Änderungen gegenüber dem Regierungsentwurf auf Grund der Erwartungen des Arbeitskreises „Steuerschätzungen" beim Bundesfinanzminister vom 10. Dezember und unter Berücksichtigung der Ist-Einnahmen 1970 ergeben. — Hier eine Klammerbemerkung zu Herrn Kollegen Strauß, der die Frage der Gewinnsteuern angesprochen hat. Ich habe bereits in der Debatte der zweiten Lesung dargelegt, daß auch wir mit Bestürzung das Sinken der Gewinnsteuern feststellen. Aber ich habe hinzugefügt — das wird nicht bestritten, und ich hoffe, auch von Ihnen nicht , daß das Sinken der Gewinnsteuern keinesfalls ausschließlich auf das Sinken der Gewinnmarge zurückgeht, sondern daß dabei eine ganze Reihe anderer Faktoren eine Rolle spielen. Dies ist von Ihren Sprechern bestätigt worden. Ich weiß deshalb nicht, warum man heute hier noch einmal in solche Kassandra-Rufe ausbricht.
Nun zu den Steuereinnahmen selbst. Die Steuereinnahmen des Bundes, die im Regierungsentwurf mit 92,7 Milliarden DM angegeben waren, verringern sich nach der neuen Schätzung um 1,35 Milliarden DM. Diese Verringerung haben Sie im Einzelplan 60 zur Beschlußfassung vor sich liegen.
In der vorigen Woche wurden nun von den Sprechern der Opposition und auch heute von meinem Herrn Vorredner die Schätzungsergebnisse für 1971 als zu optimistisch angesehen, vermutlich gestützt auf die Berechnung des Münchener Ifo-Instituts. Wir haben allerdings weder in der vorigen Woche noch heute feststellen können, daß die Opposition aus ihrer Meinung zahlenmäßige Konsequenzen gezogen, einen entsprechenden Änderungsantrag zur Herabsetzung der Steuereinnahmen ausgearbeitet und hier vorgelegt hätte.
Nun hat am Montag dieser Woche der Arbeitskreis „Steuerschätzung", dessen Zusammensetzung Ihnen ja bekannt ist, die Schätzung für 1971 und auch für die Folgejahre noch einmal überprüft. Für 1971 hat er — auch das ist von Ihnen nicht mehr beachtet worden, weil Ihnen das sicher nicht ganz gefällt — an der Zuwachsrate bzw. an der Schätzung festgehalten. Die vom Ifo-Institut empfohlene f Kürzung dieser Ansätze beim Bund um weitere 1,35 Milliarden DM fand keine Mehrheit. Vielmehr hat der Arbeitskreis eine mittlere Linie vertreten; denn sowohl der Sachverständigenrat als auch das Berliner Institut für Wirtschaftsforschung hatten günstigere, d. h. höhere Ergebnisse vorausgesagt.
Die Ursache für diese abweichenden Auffassungen liegt in der gesamtwirtschaftlichen Beurteilung. So geht z. B. das Ifo-Institut bei seiner pessimistischen Prognose von anderen Steigerungsraten des Sozialprodukts 1971 und seiner Verteilung aus. Die Mehrheit des Arbeitskreises „Steuerschätzung" hat für die Steuerschätzung im wesentlichen die volkswirtschaftlichen Daten zugrunde gelegt, die auch der Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung enthält. Soweit zu den Steuereinnahmen 1971.
Nun noch ein Wort zur Steuerzukunft, Herr Kollege Strauß. Die Opposition versucht mit viel Theaterdonner dem deutschen Bürger das Schreckgespenst einer sozial-liberalen Finanzwirtschaft und Nichtrealisierbarkeit des Reformprogramms der Regierung Brandt vorzureden. Bekanntlich hat die Bundesregierung im laufenden Finanzplan schon bis 1974 diese Steuererwartungen eingesetzt. Die sich daraus ergebenden Steueransätze hat der Arbeitskreis beim Bundesfinanzministerium ebenfalls in dieser Woche überprüft, damit die Bundesregierung für die anstehende Vorbereitung zur Fortschreibung der mittelfristigen Finanzplanung bis 1975 über neues, objektives Zahlenmaterial verfügen kann.



Hermsdorf (Cuxhaven)

Der Arbeitskreis hat unter Voraussetzung eines im Jahresdurchschnitt um 6,75 v. H. wachsenden Sozialprodukts die Prognose gestellt, daß bei den Bundessteuern gegenüber den bisherigen Schätzungen Mindereinnahmen zu verzeichnen sein werden. Diese Schätzungsergebnisse sind natürlich zunächst Wasser auf die Mühlen der Opposition.
Aber ich kann es der CDU nicht ersparen, ihr ihre falsche und isolierte Betrachtungsweise doch noch einmal klar vor Augen zu führen. Bei der Debatte über den Jahreswirtschaftsbericht in der vorigen Woche hatte die CDU zwar vieles an der Wirtschaftspolitik dieser Regierung zu kritisieren, aber die Daten der Jahresproduktionen hat sie konkret überhaupt nicht angezweifelt. Vermutlich scheut die Opposition auf diesem Felde die Auseinandersetzung mit dem Gemeinschaftsausschuß der deutschen gewerblichen Wirtschaft, der ebenso wie die Bundesregierung und der Deutsche Gewerkschaftsbund beim Bruttoeinkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen — dies ist wichtig für die gewinnabhängigen Steuern — einen Zuwachs von 3 bis 4 % erwartet im Gegensatz zum Ifo-Institut, das 0,4 % erwartet. Die Konstruktion der Opposition, die gesamtwirtschaftlichen Daten zu akzeptieren, aber die sich daraus ergebenden Steuererwartungen abzulehnen, dürfte sich bei rationaler Argumentation überhaupt nicht aufrechterhalten lassen.
Aber noch aus einem anderen Grunde liegt die Opposition mit ihrer Schwarzmalerei falsch. Bei objektiver und nüchterner Betrachtung ist die Lage weitaus weniger dramatisch, als die Opposition sie hier hochzuspielen versucht. Die Steuerschätzungen für 1972 bis 1975 orientieren sich, wie gesagt, an der gesamtwirtschaftlichen Zielprojektion. Für die Finanzpolitik ist — das gebe ich zu — diese Bindung derzeit unbequem. Dennoch bleibt nicht ausgeschlossen, daß bei der jeweiligen Fortschreibung der Finanzplanungen tatsächlich eine günstigere Einnahmeentwicklung möglich ist. Es ist vereinbart, daß der Arbeitskreis Steuerschätzungen vor der Verabschiedung des Haushalts 1972 durch die Bundesregierung noch einmal zusammentritt und die Steuerschätzungen überprüft. Was wollen Sie eigentlich mehr an Sicherheit von dieser Regierung verlangen, als daß sie, bevor sie den Haushalt verabschiedet, den Arbeitskreis Steuerschätzungen noch einmal zusammenruft?

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0610205000
Herr Abgeordneter Hermsdorf, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Jenninger?

Hans Hermsdorf (SPD):
Rede ID: ID0610205100
Bitte!

Dr. Philipp Jenninger (CDU):
Rede ID: ID0610205200
Herr Kollege Hermsdorf, ist Ihnen entgangen, daß es nicht die Opposition war, sondern der Finanzminister selbst, der in einem Rundfunkinterview gesagt hat: „Wir haben erhebliche" — ich betone: erhebliche —„Finanzlücken für die nächsten Jahre zu erwarten"?

Hans Hermsdorf (SPD):
Rede ID: ID0610205300
Verzeihung, dies ist zweifellos ein Halbsatz dessen, was er gesagt hat. Sie müßten genauso hinzufügen, was er noch gesagt hat: daß wirklich Risiken vorhanden sind, die aber noch nicht genau berechnet werden können. Dann ist es doch so, Herr Kollege Dr. Jenninger, wenn wir und hier ist meiner Ansicht nach doch der entscheidende Unterschied der Planung, wie wir sie uns alle in diesem Hause vorstellen, zu Planungen der anderen Seite - eine mittelfristige Finanzplanung für vier Jahre vorlegen und sie dann immer um ein Jahr weiterschreiben, dann revidieren wir natürlich auch die Zahlen, die vorher fortgeschrieben worden waren, anhand der neuen volkswirtschaftlichen Tatbestände. So müssen Sie natürlich auch die Äußerungen des Finanzministers in dieser Frage sehen.
Meine Damen und Herren, es ist richtig, daß wir die neuen Steuerschätzungen noch einmal zur Verfügung haben werden und dann sehen werden, ob das mit der mittelfristigen Finanzplanung noch in Einklang steht.
Aer jetzt muß ich Ihnen doch etwas sagen. Was bisher bis 1974 in der Finanzplanung gestanden hat, trägt ja zum großen Teil, soweit es nicht geändert worden ist, noch die Züge des damaligen Finanzministers, der diese Planung geschrieben hat, nämlich des damaligen Finanzministers Strauß. Und dazu muß ich doch, weil Sie immer wieder auf die Idee kommen, uns sozusagen als eine Steuererhöhungspartei zu bezeichnen, noch einmal in Erinnerung rufen, was in einzelnen Punkten in der damaligen Finanzplanung des Finanzministers Strauß gestanden hat. Ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren. Sie wissen selbst, Herr Strauß, was jetzt kommt.

(Abg. Strauß: Ich dachte, Sie wollten die Steuern senken!)

— Verzeihung, Sie werfen uns doch vor auf Grund einiger Erklärungen, daß wir Steuern erhöhen wollen. Sie vielleicht persönlich nicht, aber im allgemeinen.

(Zuruf des Abg. Strauß.)

Deshalb möchte ich hier doch einmal schon wegen des Amüsements zitieren.
In der Finanzplanung des Bundes steht in der Textziffer 34, von Ihnen geschrieben, Herr Strauß, daß die Erweiterung der Gesamtausgaben des Bundes von der Finanzierungsseite her voraussetzt, daß ein Absinken der Steuerbelastungsquote ab 1971 vermieden wird. In Textziffer 36 heißt es weiter, daß für das vierte und fünfte Jahr der Steuerschätzungen gewisse Unsicherheiten vorlägen, daß aber eine Überschreitung der derzeitigen Steuerschätzungen um ein bis zwei Milliarden DM nicht völlig außerhalb des Rahmens liege. Genau das ist es, was wir bisher gesagt haben. Dann kommt der entscheidende Satz, den alle diejenigen, die die SPD fälschlicherweise zur Steuererhöhungspartei abstempeln wollen, genau zur Kenntnis nehmen sollten. In der Straußschen Finanzplanung heißt es in Ziffer 36:



Hermsdorf (Cuxhaven)

Sollte diese Überschreitung der Steuerschätzung nicht erfolgen, werden ab 1971 Einnahmeverbesserungen durch Gesetz notwendig werden, um für das Auslaufen der Heizölsteuer und die Degression der Invistitionssteuer einen Ausgleich zu erhalten.
Was anderes kann „Einnahmeverbesserungen durch Gesetz" anderes heißen? Das heißt, daß der damalige Finanzminister Strauß bei einer entsprechenden Entwicklung auch bereit war und sein mußte, ab 1971 durch Gesetz Steuererhöhungen beschließen zu lassen. Das ist der Tatbestand.

(Abg. Leicht: Das ist sicher richtig! Abg. Dr. Jenninger: Völlig richtig!)

Nun noch eins zur Relativierung Ihrer KassandraRufe über Risiken. Auch Sie wissen, Herr Kollege Strauß, daß es natürlich in der mittelfristigen Finanzplanung auch Posten gibt, die für diese Risiken bereitstehen. Sie müssen wissen, daß diese Regierung Vorsorge für heute getroffen hat, aber auch für nicht quantifizierbare Risiken.

(Zuruf des Abg. Leicht.)

— Augenblick, Herr Leicht! Ich weiß, daß Sie das nicht gern hören; Sie können mich aber trotzdem nicht daran hindern, das zu sagen.

(Abg. Leicht: Das hat er doch angeführt!)

An Planungsreserven sind z. B. für 1972 4,2 Milliarden DM in die Finanzplanung eingestellt. Für 1974 sind Reserven in einer Höhe von 11,4 Milliarden DM eingeplant. Sie müssen deswegen doch zugeben, daß sich die Bundesregierung der Risiken, die in einem solchen Haushalt und in einer solchen Planung stecken, bewußt ist und entsprechend vorgesorgt hat. Diese 11,4 Milliarden DM können Sie nicht ohne weiteres vom Tisch wischen.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0610205400
Herr Abgeordneter Hermsdorf, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Leicht?

Hans Hermsdorf (SPD):
Rede ID: ID0610205500
Bitte schön!

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0610205600
Ich bin froh, daß Sie diese Zahl genannt haben, Herr Hermsdorf. Ist Ihnen aber entgangen, daß auch Herr Strauß in seiner Rede darauf hingewiesen hat, daß im Jahre 1974 Reserven in Höhe von 4,8 Milliarden DM vorhanden sind, daß am Schluß jedoch 17 Milliarden DM offenbleiben?

Hans Hermsdorf (SPD):
Rede ID: ID0610205700
Herr Kollege Leicht, fassen Sie das jetzt nicht als Polemik auf;

(Abg. Leicht: Nein, nein!)

es ist mir wirklich ernst, wenn ich sage: Mir entgeht nichts von dem, was der Kollege Strauß sagt.

(Abg. Dr. Barzel: Das ist völlig unmöglich!)

Nur ist mir auch nicht entgangen, daß Herr Kollege
Strauß, der zwar die Risiken genannt hat, genauso
wie nach seinen Äußerungen zum Haushalt 1970/71,
als er erklärte: das ist völlig unmöglich, der Haushalt wird nicht respektiv gefahren, das Haushaltsvolumen ist zu groß, eine Bauchlandung gemacht hat. Ich bin sicher, daß er auch hier wieder mit seiner Aufzählung der Risiken und seinen KassandraRufen eine Bauchlandung machen wird. Er wird auch in den kommenden Jahren, wenn er Rückschau hält, feststellen, daß seine „Risiken" mit den Tatbeständen nicht in Einklang stehen.
Das, was wir hier tun, ist eben schlecht. Wir sollten heute über die Jahre 1970 und 1971 reden und sollten uns mit der mittelfristigen Finanzplanung erst dann wieder auseinandersetzen, wenn sie im Juni dieses Jahres von der Regierung fortgeschrieben worden ist.

(Beifall bei der SPD.)

Es ist Aufgabe der Regierung, die Finanzplanung vorzulegen, und nicht unsere.
Für mich ergibt sich aus diesen Tatbeständen folgendes Fazit. Erstens: Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird.

(Lachen bei der CDU/CSU.)

Zweitens: Wir reden uns unnötig die Köpfe heiß, wenn wir heute, d. h. vorzeitig, das Geschäft der Bundesregierung besorgen und über die Fortschreibung der Finanzplanung ab 1972 debattieren wollen. Ich habe nicht damit angefangen, Herr Kollege Barzel; es war der Kollege Strauß, der damit begonnen hat.

(Abg. Dr. Barzel: Ich freue mich noch immer über Ihren Satz mit dem „heiß kochen" und „essen"!)

Drittens. Hier und heute steht der Haushalt 1971 zur Debatte. Wie wir ihn sehen, habe ich mit meinen Ausführungen deutlich zu machen versucht.
Da wir uns aber in diesem Hohen Hause — jetzt wende ich mich besonders an Sie, Herr Kollege Barzel — oft wiederholen müssen und die Opposition — das stimmt doch, Herr Barzel — immer nach Fakten fragt, darf ich die Fakten des Haushalts 1971 abermals aufführen. Ich möchte, um dem Hause eine Menge Arbeit und Zeit zu ersparen, Herr Präsident, zunächst nur die Blöcke nennen und die einzelnen Zahlen, aus denen sich die Blöcke zusammensetzen, jetzt nicht vortragen. Ich möchte aber, damit die Mitglieder dieses Hauses und auch die Öffentlichkeit nicht nur die Blöcke hören, sondern auch sehen, für welche Zwecke die Mittel vorgesehen sind, bitten, auch die einzelnen Zahlen später ins Protokoll aufzunehmen. Das ist sicher möglich.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0610205800
Herr Kollege, wir werden einen Weg finden, wenn das den Ablauf der dritten Lesung erleichtert.

Hans Hermsdorf (SPD):
Rede ID: ID0610205900
Bei der Güte des gesamten Präsidiums bin ich davon überzeugt.
Ich darf jetzt zu den Blöcken zurückkommen. Das ist hinsichtlich der Fakten der entscheidende Punkt, Herr Barzel.



Hermsdorf (Cuxhaven)

Im Jahre 1971 geben wir für Bildung und Wissenschaft 1270 Millionen DM mehr aus, davon z. B. rund 50' Millionen DM mehr für die Mitwirkung des Bundes bei der Bildungsplanung, 300 Millionen DM mehr für die Mitwirkung des Bundes insbesondere beim Ausbau und Neubau von Hochschulen, 125 Millionen DM mehr für die allgemeine Wissenschaftsförderung, 370 Millionen DM mehr für die Kernforschung, 175 Millionen DM mehr für die Weltraumforschung, 140 Millionen DM mehr für die Datenverarbeitung.
Für den Verkehr geben wir gegenüber 1970 1515 Millionen DM mehr aus, davon z. B. rund 650 Millionen DM mehr für Bundesstraßen und Bundesautobahnen, 640 Millionen DM mehr für die weitere Modernisierung und Rationalisierung der Deutschen Bundesbahn (davon 500 Millionen DM als reine Investitionszuschüsse), 65 Millionen DM mehr für die Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden, 40 Millionen DM mehr für Investitionen im Wasserstraßenbau, 70 Millionen DM mehr für die Verbesserung der Sicherungseinrichtungen für den Luftverkehr — eine Erhöhung um 100 % — und 30 Millionen DM mehr für den Ausbau der Flughäfen, eine Erhöhung um 90 %.
Für den Wohnungsbau stehen 731 Millionen DM mehr zur Verfügung, davon z. B. rund 190 Millionen DM mehr für die erhebliche Verbesserung der Wohngeldregelungen jetzt auch für Sozialhilfeempfänger, 173 Millionen DM mehr für den Bau von 100 000 Wohnungen und die Instandsetzung und Modernisierung von 50 000 Wohnungen im Rahmen des langfristigen Wohnungsbauprogramms — neben dem Haushaltsansatz stehen Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 2170 Millionen DM zur Verfügung —, 250 Millionen DM mehr für Wohnungsbauprämien und 50 Millionen DM mehr für städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen. Neben dem Haushaltsansatz stehen Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 50 Millionen DM zur Verfügung.
Für Jugend, Familie und Gesundheit sind 728 Millionen DM Mehrausgaben vorgesehen, davon z. B. rund 345 Millionen DM mehr für Kindergeld, insbesondere durch Anhebung der Einkommensgrenze beim Zweitkindergeld und Erhöhung des Drittkindergeldes, 296 Millionen DM mehr für die Ausbildungsförderung, 40 Millionen DM mehr für den Bundesjugendplan — Studentenwohnheimbau, Zentrale Jugendstätten, Schwerpunktmaßnahmen im Zonenrandgebiet —, 36 Millionen DM mehr für die Hilfe für Behinderte — Beteiligung an der Stiftung „Hilfswerk für das behinderte Kind", Baumaßnahmen im Zonenrandgebiet —, 20 Millionen DM mehr für Maßnahmen für die ältere Generation, 18 Millionen DM mehr für die gesundheitliche Forschung und Aufklärung und 13 Millionen DM mehr für Schul-und Kindergärten im Zonenrandgebiet. Hier ist das, was Herr Strauß vorhin ein bißchen ironisch den „300-Millionen-Kredit" nannte, nicht mitgerechnet.
Für die Landwirtschaft, und zwar nur für die nationale Agrarpolitik, sind im Jahre 1971 178 Millionen DM mehr vorgesehen, davon z. B. rund 13 Millionen DM mehr für die Flurbereinigung, 10 Millionen DM mehr für den Küstenschutz — daneben stehen Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 20 Millionen DM zur Verfügung —, 10 Millionen DM mehr für die Förderung benachteiligter Gebiete, 5 Millionen DM mehr für den Wirtschaftswegebau, 23 Millionen DM mehr für wasserwirtschaftliche und kulturbautechnische Maßnahmen — Alpenplan, Emsland- und Nordprogramm —, 22 Millionen DM mehr für die Verbesserung der Struktur der Molkereiwirtschaft, 36 Millionen DM mehr für die Altershilfe der Landwirte und 45 Millionen DM mehr für die landwirtschaftliche Unfallversicherung.
Für den Verteidigungsbereich sind Mehrausgaben in Höhe von 450 Millionen DM vorgesehen.
Meine Damen und Herren, diese Schwerpunkte zeigen die Handschrift dieser Regierung; sie sind und bleiben eindeutig. Aus Ihren Bemerkungen, meine Damen und Herren von der Opposition, während der Haushaltsdebatte ist zu schließen, das Ihnen das zuwenig ist. Ihre Kritik interpretiere ich dahin gehend, daß Sie die Fähigkeiten dieser Regierung hoch genug einschätzen, um in anderhalb Jahren die Versäumnisse der letzten 20 Jahre nachholen zu können.

(Lachen und Zurufe von der CDU/CSU.)

Sie können von uns nicht erwarten, daß wir die Fähigkeiten der Regierung Brandt-Scheel geringer werten als Sie. Wir sind jedoch bei Betrachtung der ökonomischen und gesellschaftspolitischen Tatbestände realistischer und kommen deshalb zu der Schlußfolgerung, daß nicht innerhalb zweier Etatjahre, sondern am Ende dieser Legislaturperiode das erfüllt sein wird, was wir uns bei der Bildung dieser Regierung vorgenommen haben. Davon sind wir überzeugt, und Sie werden uns daran nicht hindern.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Haase [Kassel] : Seid mal schön stolz!)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0610206000
Meine Damen und Herren, Ausführungen werden grundsätzlich nicht zu Protokoll gegeben. Da Herr Kollege Hermsdorf seine angemeldete Redezeit mit zehn Minuten unterschritten hat, werde ich ihm aber gern die Gelegenheit geben, das Protokoll, soweit es Zahlen usw. betrifft, die er hier nicht vorgetragen hat, zu vervollständigen.
Das Wort hat der Abgeordnete Kirst. Seine Fraktion hat für ihn eine Redezeit von 30 Minuten angemeldet.

Victor Kirst (FDP):
Rede ID: ID0610206100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ohne Abstimmung darf ich feststellen, daß sich wahrscheinlich die Ausführungen des Kollegen Hermsdorf und meine Ausführungen ergänzen werden. Ich halte es also nicht für zweckmäßig, vieles von dem, was er hier an sachlicher Analyse des Haushalts vorgetragen hat, zu wiederholen. Ich möchte seine Analyse nur ausdrücklich bestätigen.
Ich meine, daß der Abschluß der Beratungen über den Bundeshaushalt 1971 uns allen Veranlassung geben sollte, einmal selbstkritisch unsere Arbeit in dieser Legislaturperiode zu überdenken. Es er-hebt



Kirst
sich doch z. B. die Frage - auch wenn wir die Zeitnot dieser Tage sehen —, ob es in den letzten drei Wochen sinnvoll war, zuerst über die Lage der Nation, dann über den Jahreswirtschaftsbericht und dann über den Bundeshaushalt zu debattieren, ob es nicht vielmehr zweckmäßiger gewesen wäre, z. B. weil es sich zeitlich so ergab, diese ersten beiden Themen in die entsprechenden Beratungen des Haushalts einzubeziehen. Das hätte uns sicherlich viele Wiederholungen erspart.
Ich darf in dem Zusammenhang ein erstes Mal auf die Rede des Kollegen Strauß eingehen, der, wenn ich das richtig beobachtet habe, uns in diesen drei harten Arbeitswochen nicht immer die Ehre seiner Anwesenheit gegeben hat. Ich glaube, wenn er manche der Debatten, die in diesen Wochen zuvor gewesen sind — in der letzten Januar- und der ersten Februarwoche —, verfolgt hätte, hätte er sich die Mühe erspart, heute hier manches zu wiederholen, was wir im voraus widerlegt haben.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Wir sollten wohl generell feststellen, daß sich in den ersten 15 Monaten dieser Legislaturperiode für unsere Arbeit eine starke Tendenz zum — ich bitte, das in Gänsefüßchen zu setzen — „Redeparlament" gezeigt hat. Wir wissen ja, daß die Wissenschaftler, die sich mit der Parlamentsarbeit befassen, gewisse Typen von Parlamenten entwickeln und darstellen. Ich meine also, daß wir für die ersten 15 Monate der Legislaturperiode diese Tendenz für dieses Haus festzustellen haben. Dabei lassen sich eben Wiederholungen oft nicht vermeiden. Wir sollten uns überlegen — ich sage das selbstkritisch und nach allen Seiten —, ob für uns alle nicht besser als Marathondebatten Zeit zum Nachdenken über unsere gemeinsamen Aufgaben wäre.
Ich will damit den Wert der parlamentarischen Auseinandersetzung gar nicht herabmindern. Aber auch das müssen wir in den richtigen Dimensionen sehen, Ich glaube also, wir sollten selbstkritisch feststellen, für diese parlamentarischen Auseinandersetzungen der letzten 15 Monate gilt das Wort: Manchmal wäre weniger mehr gewesen.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Jenninger: Aber auch von Ihrer Seite!)

Ein weiteres Wort zu den Äußerungen des Kollegen Strauß. Er hat hier im Zitat von den Barrieren des Hasses gesprochen. Herr Kollege Strauß, wenn Sie meine Rede zum Einzelplan 04 gehört hätten,

(Abg. Strauß: Ich habe sie nicht gehört!)

wüßten Sie, daß ich bei eben dieser Beratung des Einzelplans 04 deutlich aufgezeigt habe, wo diese Barrieren herkommen und wer sie aufgebaut hat.

(Abg. Leicht: Sie selber haben auch eine aufgebaut!)

— Herr Kollege Leicht, ich will das hier jetzt nicht vertiefen, sondern in einem Satz wiederholen, was ich damals gesagt habe — und davon nehme ich kein Wort zurück —: Die Situation in diesem Hause ist dadurch verursacht, daß Sie und Ihnen Nahestehende, noch bevor diese Regierung vereidigt wurde, mit Parolen wie „Diese Regierung bedeutet Ausverkauf und Inflation" ins Land gefallen sind. Bevor
das nicht weg ist, sind auch die Barrieren nicht weg.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Niemand in diesem Hause — auch dieses Thema will ich aufnehmen ist empfindlich gegenüber sachlicher Kritik. Kritik darf nicht nur sein, sie muß sein. Aber sie muß wahrhaftig sein. Darauf kommt es an.

(Abg. Leicht: Sehr gut! — Abg. Vogel: Sie kann auch einmal weh tun!)

Um gleich ein Beispiel zu nennen: Es ist hier davon gesprochen worden, diese Regierung verteufele die Zeit von 1949 bis 1969. Ich werde nachher noch eine Passage bringen, die diesen Vorwurf widerlegt. Ich habe mir zur Vorbereitung auf diese Debatte — an sich nicht im Zusammenhang mit dem eben erwähnten Vorwurf — noch einmal die Regierungserklärung des Bundeskanzlers vom 28. Oktober 1969 angesehen. Wer die einleitenden Sätze dieser Regierungserklärung liest, muß doch feststellen, daß dieser Vorwurf ,der Verteufelung absolut unwahr und erfunden ist. Bitte lesen Sie es nach.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Leicht: Doppelzüngigkeit!)

Meine Damen und Herren, das gilt auch für den Vorwurf -- ich habe es eben schon angesprochen; Herr Kollege Strauß hat sich davon zu distanzieren versucht, und wir nehmen das auf — der Inflation und der Inflationspolitik. Ich glaube, ich bin es gewesen, der hier in einer Aktuellen Stunde im März vergangenen Jahres zum erstenmal vor der leichtfertigen Verwendung des Wortes „Inflation", wenn wir in Betracht ziehen, was 1923 und 1948 passiert ist, gewarnt hat.

(Abg. Leicht: Herr Strauß hat Jahre vorher davor gewarnt!)

— Auf diesen Hinweis komme ich nachher auch noch in anderem Zusammenhang zurück. Es steht doch aber fest, daß Sie draußen im Lande — zwar nicht so differenziert, wie es Kollege Strauß hier tut, indem er von galoppierender, schleichender und trabender Inflation spricht — ständig, sozusagen nach der Holzhammermethode, von Inflation sprechen.
Meine Damen und Herren, die CDU/CSU hat in der zweiten Lesung des Bundeshaushalts 1971 keine überzeugenden Alternativen aufzuzeigen vermocht, und zwar weder für die Haushalts- und Finanzpolitik im allgemeinen noch speziell in den Einzelplänen.

(Abg. Leicht: Es wurde alles abgelehnt!)

Wenn ich das Fazit aus Ihren Reden, auch aus der letzten Rede von heute morgen, ziehe, kann ich nur sagen: das Motiv der CDU/CSU war doch, in allen Spielarten, variiert nach Einzelplänen, wie es gerade paßte, Verunsicherung und Mißtrauen auszubreiten. Das war das einzige konkret feststellbare Ziel von Ihnen in der Auseinandersetzung hier.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)




Kirst
Demgegenüber leugnen Regierung und Koa333litionsfraktionen keineswegs — ich beziehe mich auf das, was Kollege Hermsdorf hier soeben gesagt hat
— die Probleme und Risiken, die sich sowohl kurzfristi3g für den Haushalt 1971 als auch mittelfristig für den Zeitraum der Finanzplanung und darüber hinaus zeigen. Ich meine auch, daß Kollege Strauß
— wenn es mir entgangen sein sollte, bitte ich um Entschuldigung — bei seinen Berechnungen für das Jahr 1974 auf die Planungsreserve von 4 Milliarden DM nicht hingewiesen hat.

(Abg. Krammig: Doch, das hat er getan!)

- Ich habe ja eine Einschränkung gemacht. Das
Protokoll wird es ausweisen.
Mit Entschiedenheit treten wir alle der immer wiederholten Unterstellung seitens der Opposition entgegen, daß diese Risiken, die wir keinesfalls leugnen, eine Folge der Politik der sozial-liberalen Koalition seien. Das ist eine absolut unbeweisbare und falsche Unterstellung;

(Beifall bei den Regierungsparteien)

denn soweit diese Risiken überhaupt politisch zu verantworten sind, stellen sie weitgehend noch immer eine Erblast dar, die diese Regierung bei ihrem Antritt übernehmen mußte.

(Abg. Stücklen: Das glaubt doch kein Mensch!)

Ihr Kollege Lemmrich — ich weiß nicht, ob er da ist — hat, Herr Stücklen, vorgestern in der Beratung des Verkehrshaushalts — ich konnte leider das wörtliche Protokoll noch nicht prüfen, da es heute morgen noch nicht ausgedruckt war, wir haben ja auch bis nachts um ein Uhr getagt; ich meine, das am Radio richtig mitbekommen zu haben — über Preissteigerungen im Straßen- und Brückenbau gesprochen. Wir sind uns zunächst darüber einig, daß er darüber gesprochen hat. Ich meine, er hat Preissteigerungen von etwa 35 % behauptet,

(Abg. Leicht: Nein!)

ohne — das scheint mir schon sehr problematisch gewesen zu sein — überhaupt eine zeitliche Bezugsgröße für diese Preissteigerungen anzugeben.
Ich habe mir daraufhin noch einmal die Zahl angesehen. Dabei stellte ich interessanterweise fest, daß die Preise für Straßen- und Brückenbauten in der Tat von November 1968 — ich bitte, darauf zu achten: November 1968 — bis November 1970 eine sehr erhebliche Steigerung erfahren haben, zwar nicht so hoch, aber doch in erheblicher Größenordnung. Wenn man genau hinschaut, wird man aber feststellen, daß sich die Preissteigerungen sowohl auf den Zeitraum von November 1968 bis November 1969 als auch auf den Zeitraum von November 1969 bis November 1970 erstreckten. Seit Mai 1970 — in der anderen Sparte seit August 1970 — ist eine erhebliche Abflachung eingetreten. Neuere Zahlen als die vom November haben wir noch nicht. Sie wissen, daß der Baupreisindex immer nur vierteljährlich ermittelt wird. Ich wollte das nur als Beispiel
dafür anführen, wie schlecht es hier manchmal steht,
wenn von Ihnen mit „Argumenten" gearbeitet wird.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Stücklen: Das war insgesamt auf den Haushalt 1970 bezogen!)

Diese Risiken beruhen aber andererseits, insbesondere soweit sie die wirtschaftliche Entwicklung betreffen, auf Faktoren, die — das muß noch einmal deutlich gesagt werden, auch nach den Ausführungen von heute morgen — in unserer Staats-, Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung politisch, d. h. durch die Regierung oder das Parlament, nicht oder nur sehr wenig zu beeinflussen sind.
Diese Feststellung muß immer wiederholt werden. Ich darf Sie in diesem Zusammenhang, ohne das vorwegzunehmen, auf die Resolution verweisen, die Ihnen die Koalitionsfraktionen vorgelegt haben, in der ganz eindeutig die Verantwortung der autonomen Kräfte der Wirtschaft, der Unternehmer und der Gewerkschaften, festgelegt wird.

(Abg. Dr. Althammer: Das ist das Alibi!) — Das ist kein Alibi, Herr Althammer.

Wenn wir das sagen, kommen Sie — auch Kollege Strauß hat das getan — mit der meiner Meinung nach etwas bequemen Methode, zu zitieren, was sozialdemokratische Politiker 1966 gesagt haben. Ich kann und will das hier nicht nachprüfen. Ich möchte nur sagen, wenn sie das damals gesagt haben, dann wirkt Ihre eigene Argumentation dadurch heute auch nicht richtiger. Darauf kommt es nämlich an!

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Es kann doch nicht Sinn der parlamentarischen Demokratie sein, daß man mit den Rollen von Regierung und Opposition auch die Argumente wechselt. Denn dann würde doch der Argumentation auf jeder Seite die Überzeugungskraft fehlen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich glaube, selbst wenn in dieser Richtung früher Fehler gemacht worden sind, sollten wir in dieser Hinsicht einen neuen Anfang machen.

(Abg. Stücklen: 1973 machen wir einen neuen Anfang!)

— Ganz so schnell nicht, Herr Stücklen, irgendwann einmal.
Ich gebe zu, Herr Kollege Stücklen, daß die FDP-Fraktion hier vielleicht in einer besonders guten Lage ist, weil sie in einer solchen wirtschaftspolitischen Situation noch niemals in der Opposition gewesen ist. Aber ich habe Ihnen schon einmal gesagt, und ich wiederhole es, wir werden niemals in einer vergleichbaren wirtschaftlichen Situation wenn wir in der Opposition sein sollten, einer Regierung solche Vorwürfe machen, die absolut unbegründet sind. Sie werden sich, wenn Sie einmal wieder in diese Situation kommen,

(Abg. Dr. Althammer: Seien Sie vorsichtig!)

nur ungern an das erinnern, was Sie uns hier seit
15 Monaten unentwegt an Übermaß, an Übersteige-



Kirst
rung der Möglichkeiten des Staates bieten, in das wirtschaftliche Geschehen einzugreifen. Das sollten Sie dabei gelegentlich bedenken.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Die auch in dieser Haushaltsberatung immer wieder aufgeflammte Diskussion um finanzwirksame materielle Reformen muß sicherlich auf eine reale Basis zurückgeführt werden. Ich meine, daß wir von der Koalition und Regierung diese reale Basis nie verlassen haben. Das ist uns immer nur unterstellt worden. Zunächst einmal ist es Aufgabe der Opposition, den bei ihr vorhandenen Widerspruch aufzulösen, der einfach darin besteht, daß sie ihrerseits ständig auf ihre eigene zwanzigjährige Regierungsleistung pocht und andererseits ständig alles schwarz in schwarz malt. Da klafft doch ein ganz erheblicher Widerspruch. Vorhandene Versäumnisse aus 20 Jahren, die teilweise zwangsläufig gewesen sind — ich habe das hier auch beim Einzelplan 08 oder 04 durchaus eingeräumt —, sind nicht in 15 Monaten zu reparieren.

(Zuruf des Abg. Leicht.)

Wir sollten aber auch — hören Sie gut zu, Herr Leicht — den Mut zu einer gemeinsamen Eröffnungsbilanz unserer Situation aufbringen. Ich meine damit das, was ich vorhin aus den ersten Sätzen der Regierungserklärung des Bundeskanzlers nicht wörtlich zitiert habe, weil ich vergessen hatte, es mitzubringen, eben den Mut zu einer gemeinsamen Eröffnungsbilanz.
Dabei sind die Aktiva gewiß die Ergebnisse gemeinsamer Anstrengungen und Leistungen aller —ich unterstreiche: aller — in diesem Staat vom Nullpunkt 1945 an. Das ist wohl auch nie bestritten worden. Bei den Passiva einer solchen Bilanz sollte, um in unserer Bevölkerung die richtigen Maßstäbe zu bewahren — ich möchte das einmal sehr deutlich sagen —, mit dem allseits von Ihnen so leicht gebrauchten Begriff Notstand vorsichtig und verantwortungsbewußt umgegangen werden. Die Bundesrepublik steht zwar auf vielen Gebieten vor großen Aufgaben. Sie ist aber, um das einmal sehr deutlich zu sagen, gewiß kein Entwicklungsland. Bei dem Ausmaß der vor uns liegenden Aufgaben darf nicht übersehen werden, daß auch der Dienstleistungsbetrieb Staat nicht in der Lage ist, maximale Kapazitäten für jede denkbare Spitzenbelastung anzubieten, sondern daß auch er nur optimale Lösungen suchen kann.
Ich darf hier nur ein Beispiel bringen. Dinge, die wir als Notstände in Gänsefüßchen charakterisieren, sind doch auch oft Folgen von Wohlstand. Ich darf z. B. an das, was hier gemeinhin als Verkehrsnotstand bezeichnet wird, erinnern. Es stürzt ja täglich viel Material aller Art von Verbänden aller Art und Sonstiges aller Art auf uns ein. Ich glaube, Herr Leicht, wir sollten uns nicht immer nur gegenseitig auseinandersetzen, wir sollten uns auch einmal mit dem auseinandersetzen, was von draußen auf uns zukommt, und dann vielleicht sogar gewisse Gemeinsamkeiten feststellen. Ich meine, daß dieser Verkehrsnotstand — das ist nur ein Beispiel — eine Folge des Wohlstands darstellt, der sich in diesen Motorisierungsziffern ausdrückt, auch des wirtschaftlichen Wachstums, soweit es der Güterverkehr ist. Ich glaube, gerade für Verkehrsfragen muß ja dieser Satz der optimalen Lösungen — —

(Abg. Stücklen: Dieser Wohlstand ist entstanden durch die „Versäumnisse" der letzten 20 Jahre!)

— Herr Stücklen, wenn Sie zugehört hätten,

(Abg. Stücklen: Ich habe zugehört!)

könnten Sie nicht behaupten, daß ich das gesagt habe, und das hat auch in diesem Hause oder sonst irgendwo niemand behauptet.

(Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

Der Wohlstand ist allerdings auch nicht nur Ihr Verdienst, Herr Stücklen. Wie heißt doch das schöne Wort? „Wenn morgens die Sonne lacht, hat das die CDU gemacht". So war es ja nun auch nicht! Ich habe gesagt, es waren alle Kräfte in diesem Hause, es waren draußen alle gemeinsam, wo immer sie tätig gewesen sind.

(Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

Meine Damen und Herren, mit diesen nachdenklichen Worten sollten nun keineswegs die Zukunftsaufgaben verniedlicht und ihre Bedeutung verkleinert werden. Es scheint aber nötig zu sein, der durch die allgemeine Diskussion weit verbreiteten Auffassung entgegenzutreten, wir stünden hier vor in ihrem Ausmaß nicht zu beherrschenden und nicht zu bewältigenden Anstregungen.
In diesen Zusammenhang gehört wohl auch noch die erneute Feststellung, die, glaube ich, auch eine Reverenz an den Bürger, den Steuerzahler ist, daß jeder, der über öffentliche Dinge redet, wissen muß, daß die Ausgabe irgendeines Pfennigs für staatliche Leistungen nur dann möglich ist, wenn der Staat zuvor seinen Bürgern die entsprechenden Mittel abgenommen hat. Das sollten alle ständig wissen, und es sollte dabei versucht werden, dem überall verbreiteten Trend, alles vom Staat zu verlangen und selbst möglichst nichts oder wenig für die Gemeinschaft zu leisten, mit großer Entschiedenheit entgegenzutreten.
Das ist eine Klarstellung, die für alle Schichten und für alle Gruppen in unserem Staat und in unserem Volk gilt. Da gibt es gar keine Ausnahmen. Und gelegentlich machen wir ja die Erfahrung, daß diejenigen, die am lautesten über die Belastungen seitens des Staates, d. h. über die Steuern jammern, auch diejenigen sind, die am geschicktesten und am entschiedensten ihre Interessen mit dem Ziel, Subventionen usw. zu erhalten, zu vertreten wissen. Das sollten wir dabei auch wissen,

(Beifall bei den Regierungsparteien)

ohne irgendwie die Notwendigkeit staatlicher Maßnahmen und Reformen einzuschränken oder einzugrenzen.
Für mich ist in dieser Fragestellung von großem Eindruck immer das Wort geblieben — und es sei in diesem Zusammenhang einmal zitiert —, das der amerikanische Präsident Kennedy bei seiner Amtseinführung vor jetzt etwas mehr als zehn Jahren seinen Bürgern zugerufen hat: Fragt nicht erst, was



Kirst
der Staat für euch leisten kann, sondern sagt zuerst, was ihr selbst zu leisten bereit seid!

(Zustimmung bei den Regierungsparteien. — Abg. Stücklen: Da sind wir einig, Herr Kirst!)

— Schön!
Meine Damen und Herren, nun noch, bevor ich zum Schluß komme, ein Wort zu einer Äußerung des Kollegen Strauß im Zusammenhang mit der Steuergestaltung. Ich glaube, er hat da die Dinge etwas verkehrt gesehen; ich will dabei auf das Grundsätzliche, was ich zur Steuerlastquote hier schon gesagt habe, jetzt nicht wieder eingehen. Er hat der Regierung doch so ein wenig unterstellt, sie wolle im Rahmen der Steuerreform bei der Einkommen- und Lohnsteuer Entlastungen vornehmen, müsse dafür dann die indirekten Steuern, die Verbrauchsteuern erhöhen und erwarte dafür — der Kollege Strauß hat dabei, glaube ich, das Wort mit den „Preußen über Nacht" zitiert — sozusagen die Assistenz der EWG. Genau umgekehrt wird doch ein Schuh daraus! Darüber müssen wir uns im klaren sein. Weil wir im Rahmen der Steuerharmonisierung auf so exorbitante Mehrwertsteuersätze kommen müssen, ist es überhaupt nur vertretbar, wenn in diesem Bereich eine steuerliche Entlastung erfolgt. So und nicht umgekehrt sieht der Zusammenhang aus.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Meine Damen und Herren, dieser Haushalt ist konjunkturgerecht. Dem ist, glaube ich, heute bisher auch nicht widersprochen worden. Wir haben uns noch in der zweiten Lesung über die Signalwirkung unterhalten, und ich denke, meine Zeit reicht noch, Ihnen in diesem Zusammenhang ein doch sehr interessantes Zitat vorzulesen. Die „Stuttgarter Zeitung", die gewiß auch

(Abg. Stücklen: Nicht übertrieben „regierungsfreundlich" ist!)

durchaus kritische Stimmen zur Konjunkturpolitik veröffentlicht, hat unter der Überschrift „Signale — damals oder jetzt?" am 10. Februar 1971 folgendes geschrieben. Ich möchte es in Auszügen — ohne es durch die Kürzung im Inhalt zu verfälschen; es liegt dies nur im Interesse der Zeit — jetzt zitieren:
Zunächst einmal ist es bis heute schwer, den verheerenden Effekt überhaupt schlüssig nachzuweisen. Das Lohn-und-Preis-Karussell begann sich zu drehen, als in Bonn der Regierungswechsel ins Haus stand. Die Verfechter des Eventualhaushaltes hätten plausibel zu machen, daß Lohn- und Preiswelle früher zu Ende gegangen wären, wenn das Kabinett im Juli 1970 einen Kernhaushalt von etwa 96 und einen Eventualhaushalt von etwa 4 Milliarden DM verabschiedet hätte. Der Nachweis steht aus.
Gegen Ende heißt es dann:
Abgesehen davon, daß niemand klar sagen kann, wo der Auftragseingang heute stünde, wenn von vornherein für 1971 nicht mehr als 7 % Ausgabenzuwachs — und das heißt: kaum Bundesinvestitionen — zur Debatte gestanden hätten, wäre es außerordentlich mißlich für die
Investitionsstimmung, wenn der Bund heute bewußt mit 4 Milliarden DM Investitionen zurückhalten müßte. Die Freigabe des Eventualhaushalts zu einem späteren Zeitpunkt hätte eine Signalwirkung, ein Kurswechsel der Notenbank die zweite und das Ende des Konjunkturzuschlags die dritte, eigentlich ein bißchen viel für eine Konjunktur, die doch nicht mehr so hektische Sprünge machen sollte. Die im letzten Sommer soviel beschworene verheerende psychologische Wirkung stünde in den nächsten Monaten nun tatsächlich ins Haus. Die Kritiker von damals
— zum Teil sitzen sie ja hier —

(Abg. Leicht: Wir sind stolz darauf!)

sollten sich heute selbstkritisch fragen, ob wir nicht besser daran sind mit einem Etat, der von spektakulären Signalwirkungen jetzt frei ist, weil diese, wenn sie je bestanden haben, inzwischen still verdaut sind.
Meine Damen und Herren, der Haushalt 1971, der, wie gesagt, konjunkturgerecht ist — darüber sind ja nicht nur die Regierung und die Koalition sich einig, es gibt genug Experten, die uns das bestätigt haben —, setzt deutlicher, als es noch 1970 möglich war, neue Akzente im Sinne der Regierungserklärung. Herr Kollege Hermsdorf hat das hier dankenswerterweise im einzelnen dargelegt. Er verstärkt den Anteil der Investitionen am Gesamtvolumen. Er versetzt Regierung und Parlament in die Lage, wichtige Schritte zur Verwirklichung der gesteckten Ziele zu tun. Die Entscheidung über den Haushalt ist eine Entscheidung auch über die Regierungspolitik. So wie wir dieser Regierungspolitik zustimmen, stimmen wir Freien Demokraten diesem Haushalt 1971 zu.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0610206200
Meine Damen und Herren, auch der Herr Kollege Kirst hat die angemeldete Redezeit um fünf Minuten unterschritten.
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0610206300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In dieser Haushaltsdebatte hat es an sachlichen heftigen Auseinandersetzungen nicht gefehlt. Insgesamt besteht jedoch der Eindruck einer sich verschärfenden Konfrontation. Niemand wird mir auch bestreiten können, daß heute früh in der ersten Rede zur dritten Lesung wieder Schreckgespenster an die Wand gemalt worden sind. Über die Lage in der Bundesrepublik sprechen — das ist der Sinn auch einer Haushaltsdebatte — heißt auch über die Konfrontation sprechen. Die Arbeit, die Politik der Bundesregierung ist teils sachlich gewürdigt, teils scharf kritisiert worden, teils wurde sie in Grund und Boden verdonnert. Hier und da wurde sie in, wie ich meine, unzumutbarer Weise verdächtigt. Darauf werde ich auch eingehen müssen.
Wenn man sich als Regierungschef damit auseinandersetzt, führt dies zwangsläufig zu Überlegun-



Bundeskanzler Brandt
gen, die sich auch auf den Zustand der Opposition beziehen. Nicht nur bei uns in der Regierung, sondern auch in breiten Teilen der Öffentlichkeit besteht der Eindruck, meine Damen und Herren: Die Opposition hat die Konfrontation bewußt angesteuert.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abgeordnete der CDU/CSU zeigen auf Abg. Wehner. — Abg. Dr. Althammer: „Wir brauchen die Opposition nicht" !)

Damit wir uns nicht mißverstehen: die Bundesregierung bittet nicht um schonsame Behandlung. Sie bedarf der Kritik, und sie stellt sich der Auseinandersetzung, sie sucht sie. Was mir Sorge macht, meine Damen und Herren, ist nicht der Nachdruck, mit dem die Opposition ihre Sache vertritt, sondern die Methode, nach der sie hier und draußen vielfach argumentiert.
Lassen Sie mich drei Fragen aufwerfen. Erstens möchte ich fragen: Was soll eigentlich dabei herauskommen, wenn man im Grunde die wirtschaftliche Zukunft schwarz in schwarz malt, wenn man die finanzielle Solidität des Staates im Grunde nicht nur in Frage stellt, sondern verneint, wenn auf diese Weise Unsicherheit und Mißtrauen im Lande verbreitet werden? Was soll dabei eigentlich herauskommen?

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Hammans: Ein Regierungswechsel! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

Solche Schwarzmalerei ist sachlich nicht berechtigt, sie schadet unserer Wirtschaft, und sie befindet sich nicht im Einklang mit den wohlverstandenen Interessen unseres Volkes.
Herr Kollege Strauß, Sie haben, wie Sie zugeben müßten, den tatsächlichen wirtschaftlichen Ablauf des Jahres 1970 nicht richtig beurteilt gehabt.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Zuruf von der CDU/CSU: Sie doch auch nicht!)

Insofern bleibt die Kontinuität gewahrt: Sie werden auch mit den düsteren Perspektiven, die Sie jetzt aufmachen, nicht recht bekommen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Aber der Weg, der vor uns liegt, kann durch Stimmungsmache und irrationales Verhalten schwieriger gemacht werden, als er sein müßte.

(Abg. Dr. Althammer: Genau das tritt ein, was wir befürchtet haben!)

Ich weiß auch, daß in der Wirtschaft wieder schärfer gerechnet werden muß, daß Wirtschaft und Staat gleichermaßen vor der Frage stehen, ihre finanziellen Grundlagen solide zu sichern. Diesen Prozeß des Übergangs, des schärferen Rechnens, fördern wir aber doch nicht, indem wir landauf, landab von Inflation, Stagnation und Rezession reden. Wir fördern ihn, indem wir auf alle Beteiligten so einwirken, daß sie sich vernünftig und verantwortungsbewußt verhalten.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Herr Kollege Strauß, Sie haben mich, was Mainz angeht, nicht richtig zitiert.

(Abg. Strauß: Das war wörtlich!)

Aber eines können Sie doch nicht bestreiten! — Ich komme nachher auf ein anderes Zitat zurück, das Sie dadurch entstellt haben, daß Sie zwei Sätze zitierten und das, was anschließend zum Inhalt gesagt wird, wegließen. Ich werde Ihnen das gleich vorhalten. — Aber, Herr Kollege Strauß, Sie können doch folgendes nicht bestreiten. Man kann nicht zu gleicher Zeit die Marktwirtschaft beschwören und sagen — was ja stimmt —, daß wir alle auf diesem Boden stehen, und dann so tun, als sei Ende 1969 plötzlich eine Neuordnung insoweit eingetreten, als die Regierung und der Staat Preise und Löhne nicht nur beeinflussen, sondern etwa bestimmen könnten. Dieser Eindruck ist heute erweckt worden.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der CDU/CSU.)

Darauf kam es in diesem Zusammenhang an.
Im übrigen beziehe ich mich ausdrücklich auf das, was die Bundesregierung hier im und zum Jahreswirtschaftsbericht gesagt hat. Es ist nicht rationell, wenn wir hier jede Woche Teile derselben Debatte führen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Deshalb jetzt nur dies: es sollte unser gemeinsames Interesse sein, die Wirtschaft nicht unnötig zu beunruhigen.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Ironischer Beifall bei der CDU/CSU.)

Jeder sollte an seinem Platz dahin wirken, daß wir die Ziele des Stabilitätsgesetzes erreichen.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Bravo und Beifall bei der CDU/CSU.)

Weiter, meine Damen und Herren, möchte ich fragen: wohin soll es eigentlich führen,

(Abg. Dr. Althammer: Wenn die Regierung nichts tut!)

wenn man unsere Außenpolitik so mißdeutet, wie es immer wieder, auch heute früh, wenn auch kurz, geschieht, wenn Sie auch hier Unsicherheit durch die Behauptung verbreiten — die haben Sie allerdings heute nicht gebracht; trotzdem muß ich sie in meine Betrachtungen einbeziehen —, unser Verhältnis zu den westlichen Verbündeten habe sich verschlechtert. Ich muß dem entschieden widersprechen. Herr Kollege Strauß, auch Sie haben dieser Tage wieder von einer Vertrauenskrise zwischen Washington und Bonn gesprochen. Diese Vertrauenskrise gibt es nicht. Man sollte auch insoweit nichts Falsches behaupten und verbreiten.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

In diesem Zusammenhang habe ich übrigens eine Anregung an die Adresse des einen und anderen Kollegen aus den Reihen der Union, des einen und anderen, sage ich bewußt einschränkend. Wenn man nach Amerika fährt oder sonst in der Welt herumfährt, sollte man, wie meine Freunde und ich es



Bundeskanzler Brandt
getan haben, als wir hier in der Opposition waren, draußen die gemeinsamen nationalen Interessen in den Vordergrund rücken

(Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien — Zurufe von der SPD: Genau!)

und im Ausland nicht in übertriebenem Maße den
Streit führen, den wir zu Hause auszutragen haben.
Aber die Sache, meine Damen und Herren, die uns hier miteinander angeht, ist ja in Wirklichkeit viel ernster. Der Bundesregierung wurde beispielsweise in diesem Hause im Verlauf dieser Haushaltsdebatte unterstellt, sie zögere oder wage nicht mehr, sich zu den Grundlagen zu bekennen, die das Fundament unserer Demokratie sind. Dann darf man sich doch nicht wundern.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das hat niemand getan!)

wenn daraus draußen im Lande das böse Gerede vom Ausverkauf deutscher Interessen wird.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Kräfte, mit denen ganz gewiß kein verantwortlicher Führer oder Vertreter der Union etwas zu tun haben will, finden sich dann doch unter Berufung hierauf zu dem zusammen, was sie in makabrer Weise Widerstand nennen. Das wirkt sich dann unter anderem so aus, daß dem Bundeskanzler und anderen schwarz umrandete Todesurteile wegen angeblichen Volksverrats ins Haus geschickt werden.

(Unruhe und Zurufe bei der CDU/CSU.)

— Hören Sie bitte zu!

(Abg. Dr. Barzel: Was sind wir denn? Was kriegen wir denn für Drohbriefe, Herr Brandt?)

Ich sage das nicht, um Sie in eine Ecke zu stellen, in die Sie nicht gehören

(Zuruf von der CDU/CSU: Tribunale sind doch durchgeführt worden!)

Ich sage es aus tiefer Sorge,

(Ja! Ja! bei der CDU/CSU)

daß hier ein Ungeist, wenn auch wider Willen, wachgerufen werden könnte, durch den unser Volk schon einmal ins Unheil gestürzt worden ist.

(Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

Gewisse Kreise draußen sind doch dabei, mit Schlagworten wie Ausverkauf oder Preisgabe der deutschen Interessen rücksichtslos hausieren zu gehen. Dies ist eine perfide Propaganda, und der wird die Regierung energischer als bisher entgegentreten.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Wir vertreten mit allen Schwächen, die allem Menschlichen innewohnen, nach bestem Wissen und Gewissen die Interessen unseres Volkes, und dieses nationale Interesse gebietet, alles Mögliche zu tun auf dem Weg, den wir von Anfang an offen vor diesem Hause dargelegt haben und von dem wir uns nicht abbringen lassen. — Bitte sehr, Kollege Barzel!

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0610206400
Eine Zwischenfrage.

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID0610206500
Herr Bundeskanzler, sind Sie bereit, hier zu erklären, daß dieser Ungeist, von dem Sie sprechen, nicht von der Opposition ausgeht, und dies selber dadurch glaubhaft zu machen, daß Sie sich hier von der Erklärung von Günter Graß und dessen Vorwürfen gegen die Führung der Opposition distanzieren?

(Beifall bei der CDU/CSU. Zurufe von der SPD.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0610206600
Ich weiß nicht, was Günter Graß, der hier selbst nicht zu Wort kommen kann, in dieser Debatte zu suchen hat.

(Beifall bei der SPD. — Zuruf von der CDU/ CSU: Einer Ihrer Hofsänger! Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

— Nun will ich Ihnen mal etwas sagen. Sie können ruhig dem Bundeskanzler mal eine Weile zuhören. Darauf hat ,er Anspruch, und Ihnen wird es auch nicht schlecht bekommen.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der CDU/CSU.)

Herr Kollege Barzel, ich habe ausdrücklich gesagt, daß ich niemandem, der bei Ihnen Verantwortung trägt, einen Zusammenhang mit dem unterstelle, von dem ich spreche. Ich habe gesagt: Sie müssen wie wir alle aufpassen — denn ich komme noch auf einen anderen Zusammenhang, von dem Herr Strauß gesprochen hat —, daß Sie nicht Kräfte auslösen und Geister wachrufen, die Sie dann nicht beherrschen können.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der CDU/ CSU.)

Lassen Sie uns hier in sachlicher, auch harter Auseinandersetzung darum streiten, wie wir die Lebensfragen der Nation am besten beantworten. Aber hören Sie bitte nicht nur hier, sondern auch draußen auf, Argumente durch Panikmache zu ersetzen und damit Wirkungen zu erzielen, die Sie ebenso schrekken müssen wie uns.
Meine dritte Frage: Wem anders als ganz engen, kurzsichtigen parteipolitischen Interessen soll es eigentlich dienen, wenn man der deutschen Öffentlichkeit und darüber hinaus dem befreundeten Ausland zu suggerieren versucht, die sozial-liberale Koalition gefährde durch das, was man sozialistische Experimente nennt, Sicherheit und Wohlstand der Bundesrepublik Deutschland? Das ist doch purer Unsinn, und Sie wissen, daß das purer Unsinn ist.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der CDU/CSU.)

Die Wochenzeitung „Publik" hat in diesen Tagen durchaus zutreffend dies ein verschwommenes Spiel mit dem Buhmann Sozialismus genannt. Diese Propaganda und die damit verbundenen Unterstellungen und Phantastereien vergiften die politische Dis-



Bundeskanzler Brandt
kussion. Die dadurch ausgelösten Wirkungen schaden dem nationalen Interesse. Deshalb sollte man damit Schluß machen und sich nuancierter und anspruchsvoller und damit auch aufrichtiger mit uns auch insoweit auseinandersetzen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Was sollen die Anspielungen auf fremde Länder? Heute war nur von Schweden die Rede. Sonst hört man das auch noch anders. Was soll die Unterstellung, Sozialdemokraten und Freie Demokraten wollten womöglich weg von der freiheitlichen demokratischen, rechtsstaatlichen, marktwirtschaftlichen Ordnung? Wir sind deutsche Demokraten, die nicht nur auf das Grundgesetz vereidigt sind, sondern die, wenn es sein muß, auch mit dem Leben für es einstehen werden

(Beifall bei den Regierungsparteien)

und die alles daransetzen, es voll freiheitlich und sozial, so wie es der Auftrag ist, zu verwirklichen.
Herr Kollege Strauß, was Zitate angeht: da hat vor einigen Jahren zu diesem Thema jemand in der Bundesrepublik geschrieben, die demokratischen Sozialisten hätten, als sie sich von den Kommunisten trennten, einen Gründungsauftrag übernommen und ein Ziel bekannt, dessen Legitimität niemand bestreiten könne, nämlich die Befreiung des Arbeiters vom Proleten. Und dann fuhr der Betreffende wörtlich fort:
Die Rettung des Arbeiters vor dem Zugriff des ausbeuterischen Kapitalismus, die Frage der Gesellschaftsordnung, die Frage der Umschichtung unserer Gesellschaft, die Frage menschen-
und kulturwürdiger Lebensverhältnisse für alle, dies alles wird eine der wesentlichen Voraussetzungen dafür sein, daß die kommunistischen Versuche, die freie Welt zu zersetzen, scheitern werden.
So Franz Josef Strauß laut Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 17. August 1962.

(Beifall bei ,den Regierungsparteien. — Zuruf von der CDU/CSU: Prima!)

Herr Kollege Strauß, ich bekenne, daß ich heute manches anders sehe und auch anders sage. Bloß, wenn Sie die „Rheinische Post" zitieren und versuchen, mich hier in einem Gegensatz zu meinem verstorbenen Freund Erler zu bringen, dann bezieht sich darauf mein Hinweis: man kann auch fälschen, wenn man nur einen Satz zitiert.

(Beifall bei den Regierungsparteien.) Sie haben zitiert, richtig zitiert:

Ich habe ähnlich argumentiert. Insofern ist mir dies ,alles nicht fremd. Ich habe ähnlich argumentiert und meine Auffassung stark modifiziert.
Da machen Sie Schluß. Und jetzt heißt es weiter:

(Abg. Strauß: Das ist doch das Wesentliche in diesem Zusammenhang!)

—nein —Das gebe ich offen zu. Sie wissen, wir haben im Vertrag mit der Sowjetunion unseren Standpunkt zur Selbstbestimmung deutlich gemacht und durch unseren Notenwechsel ebenso wie beim Vertrag mit Polen unstreitig kundgetan, daß die Rechte und Verantwortlichkeiten der Vier Mächte für Deutschland als Ganzes weiter gelten. Darin liegt ja der Hinweis auf die noch offene friedensvertragliche Regelung.
Das heißt: Sie haben mir in der Sache eine Änderung des Standpunktes unterstellen wollen zu einem Komplex, wo diese Änderung des Standpunktes durch Ihre Argumentation nicht nur nicht richtig wiedergegeben, sondern in ihr Gegenteil verkehrt wird, und das kann man nicht durchgehen lassen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0610206700
Herr Bundeskanzler, es liegen Wünsche für zwei Zwischenfragen vor, zunächst eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Picard und dann eine des Herrn Abgeordneten Strauß.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0610206800
Bitte sehr.

Walter Picard (CDU):
Rede ID: ID0610206900
Herr Bundeskanzler, würden Sie, da Sie gerade vom richtigen Zitieren und vom falschen Zitieren durch Weglassen sprechen, auch mitteilen, daß in dem Artikel der „Publik" unter der Überschrift „Buhmann Sozialismus" eine sehr ernste Warnung an die SPD enthalten ist, nämlich die Verteufelung der CDU wegen Rechtskartell zu unterlassen?

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0610207000
Ich habe mich auf diesen Zusammenhang überhaupt nicht bezogen,

(Abg. Picard: Ja, ja!)

sondern der Gedanke, den ich wiedergegeben habe,

(Abg. Dr. Barzel: Nicht voll zitiert! — Abg. Dr. Althammer: Das sind die Lügen durch Weglassen! weitere Zurufe von der CDU/CSU)

ist völlig korrekt in dem Artikel enthalten.

Dr. Franz Josef Strauß (CSU):
Rede ID: ID0610207100
Herr Bundeskanzler, da ich Ihre Mainzer Äußerungen im vollen Wortlaut der dpa-Meldung zitiert habe, frage ich Sie: Habe ich falsch zitiert oder ist die dpa-Meldung falsch, wenn Sie sagen, daß ich Ihre Mainzer Äußerungen nicht richtig wiedergegeben hätte?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0610207200
Wenn Sie voll zitiert haben, ist die dpa-Meldung falsch; wenn die dpa-Meldung richtig ist, haben Sie nicht vollständig zitiert. Das werden wir ja klären.

(Beifall bei den Regierungsparteien.) Wir werden uns die Meldung angucken.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0610207300
Darf ich Sie noch einmal in dem Zusammenhang fragen: Ist der Satz „Dort, wo



Strauß
die Preise gemacht werden, sind die Herren Strauß,
Stoltenberg und Kohl näher dran" von Ihnen gesprochen worden oder ist er nicht gesprochen worden?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0610207400
Jawohl, der ist gesprochen worden, und das stimmt.

(Lebhafter Beifall bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)


Dr. Franz Josef Strauß (CSU):
Rede ID: ID0610207500
Noch eine Frage!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0610207600
Herr Kollege Strauß, Sie sind doch sonst so stolz auf Ihre guten Beziehungen zu führenden Kreisen der deutschen Wirtschaft. Ich setze darauf, daß Sie an dieser Front so verantwortlich wirken wie andere an ihrer.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Franz Josef Strauß (CSU):
Rede ID: ID0610207700
Nebenbei gesagt, ich wundere mich nur über Ihre Vorstellungen von der Preisbildung in der Marktwirtschaft.

(Zurufe von der SPD.)

Aber ich wollte Sie etwas anderes fragen: Wollen Sie im Ernst bestreiten, daß Sie in zwei Punkten die früher gemeinsame Position der Deutschland- und Ostpolitik eindeutig unter Bruch der Kontinuität verlassen haben, erstens mit der staatsrechtlichen Anerkennung eines zweiten deutschen Staates, begangen vor Ihrer Regierungserklärung und in Ihrer Regierungserklärung wiederholt — genau das Gegenteil dessen, was in der Großen Koalition gemeinsame Politik war —,

(Beifall bei der CDU/CSU. — Lebhafte Zurufe von der SPD: Fragen!)

wollen Sie zweitens bestreiten, daß der Kollege Erler, der von dem Journalisten zitiert worden ist, gesagt hat, keine deutsche Regierung könne vor einer Friedenskonferenz — er meinte die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie als Grenze - auch nur de facto anerkennen, solange nicht ein Schritt nach vorne zur Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechtes getan werde? Darauf habe ich Ihre entscheidenden Sätze zitiert, was Sie hernach noch an „Escape"-Klausel und Briefwechsel bringen, und gesagt:

(Zurufe von der SPD: Fragen!)

„Ich habe ähnlich argumentiert

(anhaltende Zurufe von der SPD: Fragen!) und meine Auffassung stark modifiziert."


(Anhaltende lebhafte Zurufe von der SPD.)

Das ist doch der entscheidende Satz, in dem Sie selbst sagen, daß Sie Ihre Auffassung geändert haben.

(Lebhafter Beifall hei der CDU/CSU.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0610207800
Ich kann das nicht für eine Frage, sondern muß es für einen Diskussionsbeitrag halten.
Ich werde zur Außenpolitik zurückkommen. Aber Kollege Strauß, seien Sie vorsichtig mit dem gegenseitigen Vorhalten von Zitaten, zumal wenn sie aus dem Zusammenhang gerissen sind, aus den Jahren nach und vor 1945. Seien Sie damit vorsichtig!

(Lebhafte Oho-Rufe und weitere Zurufe von der CDU/CSU. — Beifall bei den Regierungsparteien.)

Meine Überzeugung ist, — —

(Abg. Strauß: Meinen Sie 45? 45? — Anhaltende weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

— Seit 45 zumal, ja.
Meine Überzeugung ist, —(Abg. Leicht meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

— Nein, jetzt möchte ich fortfahren.

(Abg. Leicht: Ich wollte Sie nur fragen, ob Sie Ihre Zitate vor 45 meinen! — Lebhafte Zurufe von der SPD.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0610207900
Herr Bundeskanzler, der Herr Abgeordnete Leicht - -

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0610208000
Nein, ich wünsche keine Zwischenfragen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0610208100
Der Herr Bundeskanzler hat die Möglichkeit, keine Zwischenfragen zuzulassen. Ich bitte Sie dann aber auch, das zu respektieren.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0610208200
Meine Überzeugung ist, eine Opposition um jeden Preis und die von Ihnen gesuchte zugespitzte, wie ich meine, überspitzte Konfrontation wird der Lage nicht gerecht. Ich übersehe nicht die sachlichen Beiträge in Ihren Reden zur Haushaltsdebatte, aber das waren leider die rühmlichen Ausnahmen. Ich spreche jetzt nicht über Unzulänglichkeiten und Fehler, die uns allen nicht fremd sind. Natürlich ist im Laufe der Monate manches gesagt worden, was besser so nicht gesagt worden wäre, und ich nehme mich dabei nicht aus. Aber, verehrte Kollegen von den Unionsparteien, liegt nicht doch eine der eigentlichen Schwierigkeiten darin, daß Sie oder viele von Ihnen immer noch nicht verwunden haben, daß Sie im Herbst 1969 die Rolle der parlamentarischen Opposition übernehmen mußten?

(Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien. Lachen und Zurufe bei der CDU/ CSU.)

Ist es nicht so, daß manche von Ihnen immer noch als einen Unglücksfall mißverstehen.

(Abg. Dr. Stark [Nürtingen] : Wir fühlen uns sehr wohl! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

was wir und weite Teile der Bevölkerung als Bewährung für diese Demokratie verstanden haben und verstehen?

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der CDU/CSU.)




Bundeskanzler Brandt
Auf Grund dieses Mißverständnisses und auf Grund der lange gepflegten Vorstellung, es gebe gewissermaßen eine geborene Staatspartei, fällt es Ihnen doch offenbar immer noch schwer,

(Zurufe von der CDU/CSU: Nein!)

die neue Aufgaben- und Rollenverteilung innerlich zu akzeptieren.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Und resultiert nicht auch daraus die Behauptung, eine sozial-liberale Koalition und die von einem Sozialdemokraten geführte Bundesregierung schadeten unserem Volk? Tun Sie das bitte nicht als Polemik ab, sondern nehmen Sie es als etwas,

(Abg. Dr. Althammer: Das ist aber Polemik!)

das mich bewegt und worüber nachzudenken auch für Sie keine Zumutung sein sollte.

(Beifall bei den Regierungsparteien. Abg. Dr. Stoltenberg: Nur sollten Sie dann nicht draußen im Lande anders sprechen als hier!)

Denn der Weg der totalen Ablehnung und der emotionalen Absperrung ist nicht gut,

(Zurufe von der CDU/CSU: Unterstellungen! — weitere Zurufe von der CDU/CSU)

weder für unser Land und unsere Demokratie noch auch, wie ich meine, für Sie als Opposition.
Herr Wörner hat nach seiner schrillen Rede in der vorigen Woche

(Abg. Dr. Althammer: Da ist er weggelaufen!)

in einem Rundfunkinterview dem, wie er sagte, falschen Eindruck widersprochen, es gebe zwischen den Parteien keine Gemeinsamkeiten mehr. Er erklärte, auf den Gebieten der Verteidigung, in der Berlin-Frage, in manchen sozialen Bereichen und einigen Problemen von Bildung und Forschung bestehe eine Gemeinsamkeit. Solche Feststellungen haben wir natürlich gerade nach den vorangegangenen Mißklängen sehr aufmerksam registriert. Heute morgen war davon jedoch schon wieder keine Rede mehr, auch nicht mehr die Andeutung einer Rede,

(Beifall bei den Regierungsparteien)

sondern wir haben in der dritten Lesung wieder eine Rede des bloßen Neinsagens mit Anklagen und Verdächtigungen gehört. Ich kann das nur bedauern.

(Abg. Leicht: Lesen Sie sie doch mal nach!)

Aber auch noch so starke Übertreibungen können mich nicht davon abhalten, hier festzustellen: die demokratischen Parteien bleiben, ob sie es immer erkennen oder nicht, in den Grundfragen des Staates aufeinander angewiesen, bei aller notwendigen Auseinandersetzung in der Sache.

(Beifall bei den Regierungsparteien und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

Dies gilt nicht zuletzt für den Schutz gegen die Feinde der Demokratie.

(Abg. Baier: Sehr richtig!)

Dazu gehört die Absicherung gegen Extremisten auf der einen ebenso wie auf der anderen Seite.

(Allgemeiner lebhafter Beifall.)

Niemand, von welcher Seite auch immer, hat das Recht, eine demokratische Partei mit radikalen Randerscheinungen unserer Gesellschaft gleichzusetzen.

(Abg. Rösing: Dann halten Sie sich mal daran! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU.)

Das kann nur den Extremisten nützen (fortgesetzte Zurufe von der CDU/CSU)

— nun hören Sie doch mal zu! —, es kann nur den Feinden der Demokratie zugute kommen.

(Abg. Rawe: Wenn Herr Schäfer so etwas sagt!)

Aber, Herr Strauß, mit den Jusos sollten Sie es sich nicht zu leicht machen.

(Lachen und Zurufe von der CDU/CSU.)

Wir machen es uns nicht leicht. Wir führen ernste Diskussionen und nehmen dort, wo es erforderlich ist, auch Abgrenzungen und Trennungen vor.

(Abg. Dr. Stark [Nürtingen] : Herr Wehner! Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

Nur, ein kommunistisches Wochenblatt war bis heute noch kein Beweisstück in diesem Deutschen Bundestag.

(Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Apel: Sehr gut!)

Die Tatsache, daß die Kommunisten mit Leuten in Verbindung treten, gibt Ihnen noch nicht das Recht, diese zu zitieren, als stimme das, was die Kommunisten schrieben.

(Erneuter lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien. — Zuruf von der CDU/CSU: Das hat doch ein SPD-Mann geschrieben! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU. — Abg. Strauß meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

— Nein, ich fahre jetzt fort.

(Abg. Strauß: Das ist eine Lüge!)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0610208300
Herr Abgeordneter Strauß, ich rufe Sie zur Ordnung.

(Abg. Dr. Althammer: Das ist doch unerhört, was hier gesagt wird! Wenn dieser Herr in einer kommunistischen Zeitung schreibt, dann wird man das doch wohl zitieren dürfen! — Weitere erregte Zurufe von der CDU/CSU.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0610208400
Ich sage gerade nach den Ausführungen von Herrn Strauß: Die notwendige Abgrenzung und Absicherung darf nie verwechselt werden mit einer globalen Voreingenommenheit gegenüber kritisch, auch sehr kritisch ein-



Bundeskanzler Brandt
gestellten Jugendlichen oder gar mit einem SichSperren gegen ein geistiges Ringen mit unbequemen Meinungen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Meiner Meinung nach sollte nicht unterschätzt werden, daß mancher Kritiker aus den geistigen Schichten und aus den Reihen der jungen Generation die Negation überwunden und sich Aufgaben unseres demokratischen Staates zugewandt hat.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Althammer: Mit Bomben schmeißt!)

Diese Möglichkeit dürfen wir niemandem versperren.
Im übrigen braucht die deutsche Demokratie eine große, staatstragende, die Regeln der parlamentarischen Demokratie achtende konservative Partei. Da gibt es doch keine verschiedenen Meinungen. Aber zum Selbstverständnis und zur Funktionsfähigkeit unserer Demokratie gehört auch, daß eine Partei, wenn sie aus der Regierung in die Opposition überwechsel, ihre neue Rolle konstruktiv begreift, sie ausfüllt, anstatt Kollision um jeden Preis zu suchen.

(Zurufe von der CDU/CSU: Diese Kritik steht Ihnen nicht zu! — Schulmeisterei!)

Dabei verwechseln Sie, wie Herbert Wehner hier neulich richtig gesagt hat,

(Zuruf von der CDU/CSU: Ausgerechnet! — Abg. Dr. Stark [Nürtingen] : Wir brauchen keine Opposition, hat Herbert Wehner gesagt!)

unausgesetzt Hoffnungen mit Möglichkeiten. Was ist nicht alles vor den Hessen-Wahlen von Ihrer Seite prophezeit worden! Nach den Hessen-Wahlen hieß es dann aus Ihrer Fraktionsführung, es sei doch wohl besser, an den Osterhasen als an den Weihnachtsmann zu glauben. Bald wird man wieder an den Weihnachtsmann glauben müssen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Für die Bundesregierung darf ich erklären: die von uns eingeleitete Politik der schrittweisen Reformen werden wir entschlossen und konsequent fortsetzen.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

Wie immer man das zu kurz Gekommene im vergangenen Jahr beurteilt und erklärt, den meisten im Lande ist heute klar, daß wir unsere Gesellschaft und unseren Staat modernisieren und reformieren müssen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Inflationieren!)

Mit kleinen Reparaturen hier und da ist es nicht getan. Zum Teil müssen eben bewußt neue Wege gegangen werden. Daß wir als Gesamtheit, als Gesellschaft der Sicherung unserer Zukunft wegen dabei in den kommenden Jahren auch etwas tiefer in die Tasche werden greifen müssen, wird auch von der Union nach ihrem letzten Programm und nach sonstigen Aussagen im Grunde nicht mehr bestritten.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Althammer: Wann kommen jetzt die Steuererhöhungen? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

Dabei muß jeder wissen: nur auf dem Hintergrund und mit den Erträgen einer stabilen und sich gesund entfaltenden Volkswirtschaft können wir die notwendigen neuen Aufgaben meistern. Hierzu darf ich noch einmal daran erinnern, daß die Regierung im nächsten Monat, gestützt auf die Große Anfrage der CDU/CSU, ausführlich zu allen Reformen und Maßnahmen dieser Legislaturperiode Stellung nehmen wird.

(Abg. Dr. Althammer: Gezwungenermaßen!)

Man hat gelegentlich so getan, als ob nicht — gestützt auf die Initiative dieser Regierung und dieser Koalition — bereits in den hinter uns liegenden Monaten ein ansehnliches Stück Reformarbeit geleistet und eingeleitet worden wäre.

(Zustimmung bei der SPD.)

Die Menschen draußen im Lande wissen das besser, meine Damen und Herren.

(Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien. — Lachen und Zurufe bei der CDU/ CSU. — Abg. Dr. Stark [Nürtingen] : Deshalb wählen sie CDU!)

Manches wirkt sich im Leben der Bürger schon fühlbar aus.

(Abg. Haase [Kassel] : Ja, 7 % Preissteigerung!)

Ich erinnere nur an die Umstrukturierung und Dynamisierung der Kriegsopferrenten,

(Beifall bei den Regierungsparteien)

an die Abschaffung des Krankenversicherungsbeitrages für Rentner,

(Abg. Baier: Die Bodenpreise nicht vergessen!)

an die Verdoppelung der Vermögensbildung für Millionen von Arbeitnehmern und an die Erweiterung der Krankenversicherung für die große Gruppe der Angestellten in unserem Volk.

(Erneuter Beifall bei den Regierungsparteien.)

Über die Probleme der Agrarpolitik und damit über die aktuellen Sorgen der Bauern werden wir in Kürze beraten,

(Lachen bei der CDU/CSU)

wenn der Agrarbericht 1971 hier zur Debatte steht.

(Abg. Dr. Althammer: Ausklammern!)

Diese Bundesregierung wird es wie bisher nicht an solchen Initiativen fehlen lassen, die im Rahmen unserer Möglichkeiten

(Aha! bei der CDU/CSU)

— was heißt da „aha"?; das sind mir schöne Europäer, die da „aha" rufen; das ist nämlich das antieuropäische „Aha" —

(lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien)

den legitimen landwirtschaftlichen Interessen Rechnung tragen.

(Abg. Dr. Barzel: Ein bißchen vorsichtig!)




Bundeskanzler Brandt
— Herr Barzel, der Bundeskanzler hat Ihre Belehrungen in bezug auf die Art seines Vortrages nicht nötig.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Vogel: Aber Sie müssen ihm zuhören! Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

Für dieses Jahr 1971 haben wir eine Anzahl von dringlichen und zugleich realisierbaren Maßnahmen vorbereitet und eingeleitet.

(Abg. Dr. Althammer: Seine Majestät, der Herr Bundeskanzler, spricht! Abg. Haase [Kassel]: Wilhelm I.!)

Mit dem neuen Betriebsverfassungsgesetz, das hier gestern eingehend beraten worden ist, wollen wir ein Stück der jetzt möglichen realen Mitbestimmung für die Arbeitnehmer in den Betrieben schaffen bzw. verstärken.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der CDU/CSU.)

Ich verspreche jetzt nur vom Jahre 1971.

(Abg. Vogel: Wieder große Reformen!)

Die Verabschiedung des Städtebauförderungsgesetzes

(Abg. Stücklen: Ohne Geld!)

wird nach drei vergeblichen Anläufen in drei Legislaturperioden endlich einige der Voraussetzungen für eine moderne Entwicklung unserer Städte mit besseren Wohnmöglichkeiten in einer menschenwürdigen Umwelt schaffen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Mit der schrittweisen Öffnung der Rentenversicherung für weitere Bevölkerungsgruppen, insbesondere für die Selbständigen und nicht berufstätige Hausfrauen, wird ein weiterer Schritt in Richtung auf soziale Sicherheit getan werden können.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Die Einführung der gesetzlichen Krankenversicherung für Landwirte, mithelfende Familienangehörige und Altenteiler

(Abg. Dr. Althammer: Ohne Geld!)

wird unser sozialpolitisches Angebot an die landwirtschaftliche Bevölkerung abrunden.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Und last but not least wird der Ausbau des Bildungswesens durch die Vorlage des Bildungsgesamtplans
der Bund-Länder-Kommission fortgesetzt werden.

(Abg. Leicht: Jetzt sollten Sie nur noch über die Finanzierung sprechen!)

Dazu gehört natürlich dann auch die parlamentarische Behandlung des Hochschulrahmengesetzes.
Auch im Rahmen des Umweltschutzes und der Gesundheitssicherung stehen ganz konkrete Einzelmaßnahmen bevor. Diese Maßnahmen sind nicht immer spektakulär, aber konkret: so die Herabsetzung des Bleigehalts im Benzin

(Lachen bei der CDU/CSU)

— lachen Sie einmal gegenüber den Menschen, die dieses Problem beschäftigt! —, so die rasche Verabschiedung des Abfallbeseitigungsgesetzes, des Immissionsschutzgesetzes sowie des Fluglärmgesetzes, das heute früh aus dem Vermittlungsausschuß auf uns zukam. Mit dem Gesundheitsbericht wird sich der Bundestag hoffentlich eingehend befassen. Die Bundesregierung hat den gesetzgebenden Körperschaften ihren Entwurf eines Krankenhausfinanzierungsgesetzes unterbreitet. Über dieses Projekt sind sich Bund und Länder noch nicht einig; das weiß hier jeder.

(Abg. Dr. Stoltenberg: Weil wir kein Geld haben!)

Aber die Richtung ist, denke ich, klar. Die Richtung ist die: Die öffentliche Hand soll die Kosten für die Bereitstellung von modernen Krankenhäusern und ihrer Einrichtung übernehmen, der Patient bzw. seine Krankenkasse sollen für die Pflegekosten aufkommen.
Im Rahmen ihres Programms zur Bekämpfung des Rauschmittelmißbrauchs wird die Regierung darauf drängen, daß das Opiumgesetz alsbald verschärft und damit vor allem den Rauschmittelhändlern das Handwerk gelegt wird.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Gestern hat das Kabinett den Entwurf eines neuen, umfassenden Lebensmittelgesetzes beschlossen, das vor allem dem erhöhten Verbraucherschutz dienen wird.
Diese Maßnahmen sind so angelegt, daß sie mit den haushaltsmäßigen Möglichkeiten und den konjunkturpolitischen Notwendigkeiten im Einklang stehen.

(Abg. Leicht: Nein!)

ich sage noch einmal: Diese Regierung wird stets auf die Solidität unserer Finanzwirtschaft achten.

(Abg. Dr. Althammer: Das haben wir gemerkt! — Lachen und weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

Wir würden uns jedoch zur Ohnmacht verurteilen, wenn wir uns nicht von dem Grundsatz leiten ließen, daß das Notwendige schließlich auch machbar sein muß.

(Beifall bei den Regierungsparteien. Abg. Dr. Stark [Nürtingen] : Selbst wenn kein Geld vorhanden ist!)

Dabei mag das eine oder andere länger dauern, als wir es alle wünschen, aber die Geschichte ist nicht in Legislaturperioden eingeteilt.
Lassen Sie mich auch dies in allem Freimut sagen: Wir haben uns vorgenommen, auch nach den Wahlen von 1973 unser Programm der inneren Reformen fortzuführen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Nun noch zu zwei speziellen Fragen, die in der zweiten Lesung des Haushalts eine Rolle gespielt haben und auf die ich in der dritten Lesung als Regierungschef zurückkommen muß, weil sie in der



Bundeskanzler Brandt
Öffentlichkeit so viel Interesse finden. Über die Reform des Eherechts wird teilweise so gesprochen, als läge statt einer Diskussionsgrundlage ein Regierungsentwurf vor.

(Zuruf des Abg. Leicht)

und als ob Regierung und Koalition weniger ehe-und familienfreundlich wären als andere. Ich muß dem mit allem Nachdruck widersprechen.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der CDU/CSU.)

In Wirklichkeit sieht es doch so aus, daß der diskutierte Übergang zum Zerrüttungsprinzip ernsthaft nicht umstritten ist. Dem stimmen auch die beiden großen Kirchen zu, deren Meinung uns gerade auf diesem Gebiet besonders wichtig ist und sein muß. Es geht doch darum, das Fundament der Ehe und Familie, ein tragendes Fundament unserer Gesellschaft, neu zu festigen. Darum geht es.

(Beifall bei den Regierungsparteien. Zurufe von der CDU/CSU.)

Die Frauen — das möchte ich hier in aller Klarheit sagen sollen nach Abschluß der vor uns liegenden Reformen, ob diese nun etwas mehr Zeit erfordern werden oder nicht,

(Abg. Vogel: Das hätten Sie eher sagen sollen!)

nicht etwa schlechter, sondern sie sollen besser dastehen als zuvor.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der CDU/CSU. — V o r sitz : Vizepräsident Dr. Schmid.)

Der Grundsatz, daß der wirtschaftlich Stärkere dem wirtschaftlich Schwächeren zu helfen hat, wird sich ja überhaupt erst mit einer neuen gesetzlichen Regelung verwirklichen lassen.

(Beifall bei den Regierungsparteien — Zurufe von der CDU/CSU.)

Im übrigen werden wir uns intensiv bemühen, die unter dem Mantel einer veralteten Ideologie gewachsene Ungleichheit der Frau in Bildung und Ausbildung, im Verdienst und im Steuer- und Sozialrecht nach und nach abzubauen. Wenn es um diese wichtigen Belange der Frauen in unserer modernen Gesellschaft geht, sollten alle um die bestmöglichen Lösungen wetteifern. Das ist jedenfalls sinnvoller als eine Verdächtigung und Verfälschung von Absichten dieser Bundesregierung.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der CDU/CSU.)

Ein Wort auch zur Reform des Sexualstrafrechts und zur Pornographie.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

Ich habe meinen Standpunkt zu diesem Thema schon ,früher öffentlich dargelegt.

(Abg. Dr. Stoltenberg: Ja, ja! In Mainz besonders!)

Mir ist zutiefst zuwider, was einem auf diesem Gebiet alles zugemutet wird.

(Abg. Stücklen: Und das soll freigegeben werden?!)

Wer sagt, meine Partei oder die von mir geführte Regierung treten für Schweinereien ein, dem kann ich nur hart erwidern, er möge in den Spiegel gukken!

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Schallendes Gelächter bei der CDU/CSU. — Abg. Haase [Kassel] : Was wird der Augstein dazu sagen? — Abg. Dr. Stoltenberg: Augstein! Weitere Zurufe von der CDU/ CSU.)

Wir alle wissen, daß die bestehenden Gesetze die Ausbreitung pornographischer Produkte nicht verhindert haben,

(Anhaltende Zurufe von der CDU/CSU.)

Unsere unmittelbare Sorge muß jetzt aber, so meine ich, vor allem darauf gerichtet sein, unsere Jugend besser als bisher zu schützen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Die Frage, ob man dies bei gleichzeitiger Entkriminalisierung im Erwachsenenbereich erreichen kann, ist vielschichtig und läßt sich gewiß nur nuanciert beantworten. Im ganzen, meine ich, handelt es sich hier um ein Gebiet, wo mit dem gebotenen Ernst zusammengearbeitet werden sollte. Alle sollten der Versuchung widerstehen, aus dieser Problematik parteipolitisches Kapital zu schlagen.

(Beifall bei den Regierungsparteien,)

Herr Kollege Strauß, da Sie es durch Ihre Zwischenfrage ausdrücklich noch einmal gewünscht haben, von den Bemerkungen heute früh abgesehen, auch noch ein Wort zur Außenpolitik, obwohl wir gerade eine außen- und deutschlandpolitische Debatte hinter uns haben. Ich habe auch einleitend schon ein paar Bemerkungen gemacht, deshalb jetzt in aller Kürze nur das Folgende. Die äußere Sicherheit unseres Staates liegt dieser Bundesregierung ebenso am Herzen wie das Wohl unserer Bürger im Innern.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Grundlage dafür ist die enge und unauflösliche Gemeinschaft mit unseren Verbündeten und Partnern im Westen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Darum hat die Vertiefung und Weiterentwicklung der westeuropäischen und atlantischen Zusammenarbeit und Einigung immer die erste Priorität gehabt, wenn ich nach einer Wertskala gefragt wurde und werde. Erst von dieser Grundlage aus können die gemeinsamen Bemühungen der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Partner um einen Ausgleich mit den östlichen Partnern mit dem Blick auf eine europäische Friedensordnung zum Erfolg geführt werden.
Ich habe das Schlagwort von der deutschen Ostpolitik nicht erfunden. Aber es ist an sich nicht verwunderlich, daß die Bemühungen um unseren spe-



Bundeskanzler Brandt
zifischen, durch andere ermunterten, aber unseren spezifischen Beitrag zum Abbau von Spannungen, zur Normalisierung zwischenstaatlicher Beziehungen, zur Vorbereitung einer europäischen Friedensordnung weltweites Interesse gefunden haben. Ich habe nichts davon abzustreichen, nichts von dem, was wir dazu gesagt haben. Auf unser Wort gegenüber jedem unserer ausländischen Partner ist Verlaß. Das will ich von dieser Stelle aus auch gesagt haben.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Auf der anderen Seite sollte man die Elemente der deutschen Westpolitik — ich benutze diesen Ausdruck jetzt einmal absichtlich, obwohl er im Grunde auch unzulänglich ist, weil er wie der andere Ausdruck von der Gesamtkonzeption ablenkt, die in sich zusammenhängt — betrachten. Man sollte nicht den Eindruck entstehen lassen oder fördern helfen, als ob die deutsche Westpolitik zu kurz komme. Niemand kann ernsthaft bestreiten, daß in .den vergangenen Monaten ganz wesentliche Fortschritte in Richtung sowohl auf den inneren Ausbau als auch auf die Erweiterung der Europäischen Gemeinschaft gemacht worden sind.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Und die Bundesrepublik Deutschland hat dabei durch diese Regierung wichtige Schrittmacherdienste geleistet.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Über die Erweiterung der Gemeinschaft wird nicht mehr gestritten, sondern darüber wird ernsthaft verhandelt.
Nach der trotz aller Schwierigkeiten erfolgreichen Ministerratssitzung am Montag und Dienstag in Brüssel hat nun rückwirkend ab 1. Januar 1971 auch jener Prozeß begonnen, der innerhalb eines Jahrzehnts schrittweise zu einer Zusammenlegung der Wirtschafts- und Währungspolitik in der Gemeinschaft führen wird. Das ist — seien wir ehrlich — mehr, als die meisten hier noch vor wenigen Wochen und Monaten für möglich gehalten haben.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Die Gemeinschaft gewinnt eine neue Dimension, die in ihrer Bedeutung nur mit den seinerzeitigen Römischen Verträgen verglichen werden kann. So sieht es aus!

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Zum erstenmal gibt es nun auch eine in der Perspektive der Erweiterung organisierte und ausbaufähige politische Zusammenarbeit in Westeuropa. Diesen Hintergrund ebenso wie das, was der Bundesverteidigungsminister hier kürzlich vorgetragen hat, sollte sich jeder immer wieder vergegenwärtigen, der sich ein solides Urteil über die Ausgewogenheit unserer Politik bilden will.
Wenn es bei den Bemühungen um eine bessere Regelung der Lage in und um Berlin etwas langsam geht, dann ist das kein Grund zur Nervosität.

(Zuruf von der CDU/CSU: Nein?!)

Neben anderen Faktoren geht es hier auch um die Sorgfalt und Festigkeit,

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

mit der die legitimen Berliner Interessen durch uns und unsere Verbündeten vertreten werden.

(Beifall bei den Regierungsparteien und vereinzelt bei der CDU/CSU.)

Gerade hier kann mir keiner etwas vormachen wollen. Ich kenne die Kümmernisse und die Unzulänglichkeiten vergangener Jahre ebensogut wie die heutigen Notwendigkeiten und Möglichkeiten. Im übrigen verweise ich auf die Neun-Punkte-Stellungnahme, die ich am vorigen Sonnabend in Berlin abgegeben habe. Die Bundesregierung wirkt im Rahmen ihrer Möglichkeiten aktiv daran mit, daß es zu einer befriedigenden Berlin-Regelung kommt.
Nun hat es jüngst allerlei Aufregung gegeben um Meldungen, die Herr Strauß ein „Mysterienspiel" genannt hat. Ein bekannter deutscher Kommentator in Washington hat das einen „Sturm im Wodkaglas" genannt, Herr Strauß.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

Ich halte mich an das, was Regierungen erklärt haben und erklären, und warne davor, daß wir andere mit uns spielen lassen,

(Beifall bei der SPD — Zuruf des Abg. Dr. Stark [Nürtingen] — Abg. Leicht: Was hat denn Herr Strauß Falsches gesagt?)

daß Sie, gestützt auf das, was — aus welchen Quellen auch immer —(Zuruf von der CDU/CSU)

umläuft — ich weiß doch, was schon wieder umläuft, neben den Meldungen von draußen auch gefälschte Dokumente —,

(Abg. Dr. Giulini: Welche sind die echten?)

andere durch all dies mit sich spielen lassen, und zwar gegen die Regierung. Ebenso wenig ist die Regierung dumm und ungerecht genug, dem — gestützt auf solche Meldungen — Glauben zu schenken, was über die Bereitschaft von Gesprächspartnern der Union gegenüber Vertretern der Sowjetunion angeblich gesagt worden ist.

(Zustimmung bei Abgeordneten der SPD.)

Nein, wir dürfen nicht mit uns spielen lassen, wobei die jeweiligen Spieler nicht immer nur im Ausland sitzen; das weiß ich auch.

(Zustimmung bei Abgeordneten der SPD.)

Ich weiß natürlich, wenn ich das zum Schluß sagen darf, meine Damen und Herren: die Opposition kann ihren Kurs jetzt nicht ändern. Ich weiß, sie wird den Haushalt ablehnen. Das ist auch ein legitimes parlamentarisches Mittel, und es ist auch nicht weiter tragisch, denn unsere Mehrheit ist ja in den Abstimmungen dieser Tage bekanntlich nicht kleiner geworden.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)




Bundeskanzler Brandt
Ich werde hier auch durch meine Rede keine Stimmen für die Abstimmung gewinnen können,

(Zuruf von der CDU/CSU: Kann man wohl sagen!)

aber vielleicht könnten doch einige meiner Hinweise bei den weiteren Überlegungen hier und dort Beachtung finden.
Meine Damen und Herren, betrachtet man die Lage der Bundesrepublik Deutschland im Innern und nach außen in Ruhe und mit Objektivität, wie das auch die Mehrheit der Bevölkerung tut,

(Zuruf von der CDU/CSU)

dann bleibt — mit vollem Respekt — die leider sporadische sachliche Kritik der Opposition gewissenhaft zu überprüfen. Aber die Stimmungsmache gegen die Regierung wird zurückschlagen!

(Zustimmung bei Abgeordneten der SPD.)

Selbstverständlich ist an unserer Arbeit mancherlei auszusetzen, aber ihr bisheriges Ergebnis kann per Saldo auch vor einer strengen Prüfung bestehen. Wir sind nicht überheblich und bleiben offen für jedes sachlich-kritische Argument. Das ändert nichts an unserer Entschlossenheit, unseren Weg unbeirrt fortzusetzen zum Wohle unseres Volkes, Europas und des Friedens. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Anhaltender, lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0610208500
Das Wort hat der niedersächsische Finanzminister Dr. Heinke gemäß § 47 der Geschäftsordnung.
Dr. Heinke, Minister des Landes Niedersachsen: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Unruhe.)

Wenn sich nach den lebhaften und verantwortungsvoll geführten Debatten über die Haushalts- und Finanzpolitik des Bundes, die in diesen Wochen bis in die Nächte hinein Ihre Kraft übermäßig beansprucht haben, und nach der Erörterung der schwerwiegenden und hochpolitischen Fragen an diesem Vormittag noch einmal ein Vertreter der Länder zur dritten Lesung des Bundeshaushalts für zehn Minuten meldet, so bitte ich, nicht die Geduld zu verlieren und diesen Sitzungssaal nicht gleich zu verlassen.

(Anhaltende Unruhe.)

Was es für mich in dieser Stunde zu sagen gibt? Es kann sich nur darum handeln, das von dem Herrn Bundeskanzler als wichtiges Ziel der Regierungspolitik soeben erwähnte Wohl unserer Bürger im Innern nachdrücklich auch aus der Sicht der Länder zu unterstreichen. Ich beabsichtige also nicht, ein Klagelied über die Finanznot der finanzschwachen Länder zu singen, noch dazu, nachdem heute morgen von Ihnen ausführlich über das Petitum des Vermittlungsausschusses gesprochen und abgestimmt wurde. Diese Finanznot, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist Ihnen ohnehin bekannt. Die Abgeordneten dieses Hohen Hauses haben wiederholt, nachdrücklich und einmütig erklärt, daß eine weitere Verbesserung des Finanzausgleichs zugunsten der finanzschwachen Länder notwendig und erstrebenswert ist. Auch die Vertreter der Bundesregierung — hier darf ich dankbar als authentischen Zeugen neben dem Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Reischl den Herrn Bundesfinanzminister selbst erwähnen — haben keine Zweifel daran gelassen, daß sie die im Entwurf des Länderfinanzausgleichsgesetzes vorgesehene Verstärkung der Finanzkraft der leistungsschwachen Länder für unzureichend halten.
Meinungsverschiedenheiten bestehen heute ja nur noch über den Weg, auf dem in nüchterner Abwägung der finanziellen Möglichkeiten und der politischen Realitäten dieses allseits für notwendig und dringlich gehaltene Anliegen erreicht werden kann. Während sich im Vermittlungsausschuß die klare Mehrheit für die Verstärkung der Ergänzungszuweisung und damit für eine weitere Aktivität des Bundes ausgesprochen hat, haben viele Abgeordnete dieses Hohen Hauses bis in die Abstimmungen der letzten Stunde hinein bekundet, das Ziel der Finanzreform sei insoweit zwar nicht erreicht, es müsse aber von den Ländern selbst erwartet werden, daß sie im Rahmen eines kooperativen Föderalismus die Verantwortung dafür übernähmen, daß die Leistungsfähigkeit aller Bundesländer gewährleistet bleibe; der Bund dürfe die Länder insoweit aus ihrer Verantwortung nicht entlassen. Dies als Zitat aus dem Kurzprotokoll der 21. Sitzung des Finanzausschusses des Bundestages vom 23. September 1970.
Zwischen diesen beiden Ansichten und den daraus zu ziehenden Konsequenzen suchte schließlich der Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zu Kap. 60 02 Tit. 612 01 des Bundeshaushalts 1971, mit dem die Bundesergänzungszuweisung in diesem Jahr wenigstens um 100 Millionen DM erhöht werden soll, zu vermitteln.
Worum es heute geht, meine Damen und Herren, ist, über dem Streit um Prinzipien, über die Auseinandersetzung, wer den finanzschwachen Patienten zu behandeln hat, nicht diesen Patienten selbst mit seinen Leiden und Problemen zu vergessen.

(Abg. Stücklen: Ihre Genossen machen das! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

Denn wenn es wirklich die Länder sind, die sich selbst durch einen besseren horizontalen Finanzausgleich helfen sollen, dann wissen Sie, meine Damen und Herren, spätestens seit Vorlage der Bundesratsdrucksache 1098 aus der Stellungnahme des Bundesrats zum Länderfinanzausgleichsgesetz und aus der Gegenäußerung der Bundesregierung hierzu, daß die Mehrheit der Länder nicht willens oder in der Lage ist, eine solche echte oder fiktive Pflicht angemessen zu erfüllen oder — um mit dem Finanzausschuß des Bundestages zu sprechen — ein solches „kooperatives Verhalten" zu begründen. Wenn es aber die Pflicht des Bundes wäre, hier den Ausgleich mit einem verstärkten vertikalen Finanzausgleich vorzunehmen oder aber mit der Durchsetzung des Verfassungsgebots für einheitliche Le-

Landesminister Dr. Heinke
bensverhältnisse zu sorgen, dann läßt sich die vorhin durchgeführte Abstimmung über das Petitum des Vermittlungsausschusses, etwas für die finanzschwachen Länder zu tun, nur sehr sorgenvoll betrachten.
Stehen wir also wirklich in der Finanzpolitik des Bundes und der Länder vor einem Patt? Und sind wir unschlüssig oder unwillig, das für richtig Erkannte politisch durchzusetzen? Sie wissen, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß sich das Land Niedersachsen stets und nicht zuletzt bei den Beratungen über die Finanzreform durch meinen Vorgänger im Amt, den derzeitigen Ministerpräsidenten Kubel, zum Grundsatz bundesstaatlicher Gesamtverantwortung in all jenen Bereichen bekannt hat, die durch die Gesetzgebung einzelner Länder nicht wirksam geregelt werden können oder die zur Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit über das Gebiet eines einzelnen Landes hinaus unter übergeordneten Gesichtspunkten gestaltet werden müssen.
Aus letzter Zeit erinnere ich nur an unsere Stellungnahmen und Initiativen im Bundesrat zur Besoldungssituation und zur Besoldungseinheit.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0610208600
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Heinrich Franke (CDU):
Rede ID: ID0610208700
Herr Minister Professor Heinke, warum haben Sie diese Ihre Ausführungen nicht heute bei der Debatte über den Vorschlag des Vermittlungsausschusses gemacht?
Dr. Heinke, Minister des Landes Niedersachsen: Ich bedaure sehr, daß ich bei dieser Gelegenheit nicht die Möglichkeit hatte zu sprechen, da nur kurze Erklärungen abgegeben werden können. Mein Petitum zielt darauf, bei der nüchternen Abwägung der Realitäten zu einem Vorschlag zu kommen, der unser Anliegen dennoch unterstützt. Es geht also nicht um eine Nachlese, die zu spät kommt.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0610208800
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abg. Leicht?

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0610208900
Herr Heinke, ich frage nur, damit Klarheit besteht: Wissen Sie, daß in dieser Frage zur dritten Lesung mittlerweile kein Änderungsantrag mehr vorliegt? Denn andere Leute haben sich gedacht: Wenn die Länder selber hier nicht im richtigen Zeitpunkt auftreten, haben wir es nicht mehr nötig, für sie zu kämpfen.
Dr. Heinke, Minister des Landes Niedersachsen: Herr Abgeordneter Leicht. Das mag sein. Aber ich bin sofort am Ende. Ich werde Ihre Geduld nicht überstrapazieren.

(Abg. Franke [Osnabrück] strapazieren unsere Geduld nicht! Sie kommen mit Ihrer Rede zu spät!)

- Ich konnte die Rede nicht früher halten,

(weitere Zurufe von der CDU/CSU)

weil zum Vermittlungspetitum lediglich Erklärungen abgegeben werden können.

(Abg. Stücklen: Das hatten auch Sie tun können. — Abg. Frau Kalinke: Sie wollen jetzt ja auch eine Erklärung abgeben!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0610209000
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Paul Röhner (CSU):
Rede ID: ID0610209100
Herr Minister, sind Sie nicht der Meinung, daß Ihre jetzigen Ausführungen wenigstens eine höhere Präsenz Ihrer Parteifreunde in diesem Hohen Hause erforderlich machen?

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Dr. Heinke, Minister des Landes Niedersachsen: Es steht mir nicht an, über die Präsenz der Abgeordneten zu urteilen.

(Abg. Franke [Osnabrück]: Sie können sich hier kein Alibi für Ihre Landtagsdebatte holen! Sie sind schuld! — Gegenruf von der SPD.)

- Ich werde Ihnen den Ball sofort wieder zuspielen, und ich hoffe, daß Sie das Petitum, das ich am Schluß meiner Rede ausspreche, genauso intensiv unterstützen, wie Sie sich im Augenblick mir gegenüber kritisch verhalten.
Aus letzter Zeit erinnere ich nur an unsere Stellungnahmen und Inititativen im Bundesrat zur Besoldungssituation und zur Besoldungseinheit. Wir sind somit aus Sorge urn den Bestand der bundesstaatlichen Ordnung ebenso allen Tendenzen eines separativen Föderalismus entgegengetreten wie auch gegen den Zusammenschluß der Länder als Interessenverband gegenüber dem Bund. Wer die Stellungnahme kennt, die ich im Auftrage meines Landes im Finanzplanungsrat, im Konjunkturrat oder im Wissenschaftsrat für ein gemeinsam abgestimmtes Konzept ohne jede Frontenbildung abgegeben habe, der weiß, daß es hier nicht um irgendein Alibi in irgendeiner Landtagsfraktion geht, sondern, daß mein Land und ich ebenfalls aus verfassungsrechtlichen Gründen stets jedem Versuch entgegengetreten sind, die Ländergesamtheit gleichsam als einen Staatenbund im Bundesstaat zu etablieren.
Gerade deshalb treibt mich heute die Sorge zu Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, um eben dieses Bundesstaates willen nochmals die dringliche Bitte vorzutragen:

(Abg. Rawe meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

— Einen Moment. — Überlassen Sie die politische Entscheidung über eines der wichtigsten Gebiete unseres staatlichen Lebens, die Finanzverfassung und den Finanzausgleich innerhalb der Bundesrepublik, nicht einer Ländergemeinschaft, die nach Ausschaltung der übergreifend ordnenden Kraft des Bundes - wie seit eh und je praktiziert — die Minderheit



Landesminister Dr. Heinke
der Schwachen durch die Mehrheit der Starken in die Ecke manövriert.
Bitte!

(Abg. Franke [Osnabrück] : In der Sache mit Ihnen einig!)

- Danke.

Wilhelm Rawe (CDU):
Rede ID: ID0610209200
Meinen Sie ernsthaft, daß Sie Ihrem Anliegen so sehr dienen, nachdem darüber längst abgestimmt worden ist, wenn Sie jetzt durch diese Rede den Zusammenhang der Debatte unterbrechen?
Dr. Heinke, Minister des Landes Niedersachsen: Warten Sie ab! Ich habe nur noch wenige Sätze.
Der Bund ist wahrlich mehr als Zuschauer, Notar oder Schiedsrichter in diesem ungleichen Kampf, wie dies beispielsweise im Finanzausschuß des Bundestages erklärt worden ist, wo wir leider zu spat geladen worden sind, um uns dazu zu äußern. lam obliegt es, die dem Gesetzgeber in Art. 107 GG zugewiesene Funktion zu erfüllen und dabei die in den Artikeln 72 und 106 gewährleistete Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse in allen Ländern der Bundesrepublik zu sichern. Anderenfalls blieben alle Bemühungen im Finanzplanungsrat und im Konjunkturrat, zu einer in sich abgestimmten Finanzpolitik und zu einer gemeinsamen mittelfristigen Finanzplanung zu kommen, wirkungslos.
Wenn sich das Hohe Haus deshalb aus grundsätzlichen Erwägungen und im Hinblick auf die in der Tat äußerst schwierige Finanzlage des Bundes nicht in der Lage sieht, den Verfassungsauftrag über die Verstärkung des Ansatzes der Ergänzungszuweisungen zu erfüllen, dann geht unsere Hoffnung und unsere Bitte jetzt dahin, die Bundesregierung möge eine breite Unterstützung aller politischen Kräfte im Bundestag und in den Landtagen dafür finden, noch für 1971 eine Intensivierung des Länderfinanzausgleiches mit einer eigenen Gesetzesinitiative durchzuführen; dies um so mehr,

(Zuruf von der CDU/CSU: Ist doch gerade abgelehnt worden!)

als dieses Länderfinanzausgleichsgesetz nach unserer Auffassung ohnehin aus verfassungsrechtlichen Gründen novelliert werden muß.
Ich bin aber auch gewiß, daß ein entsprechender Antrag — nun wende ich mich an das Hohe Haus — aus der Mitte des Bundestages in weiten Kreisen der Bevölkerung dankbar und mit großer Erleichterung begrüßt und als ein sichtbares Zeichen politischen Handelns aus dem Geiste bundesstaatlicher Gesamtverantwortung gewertet würde.

(Abg. Stücklen: Das ist doch abgelehnt worden. Ihre eigenen Genossen haben das ablehnt! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0610209300
Das Wort hat der Abgeordnete Franke.

Heinrich Franke (CDU):
Rede ID: ID0610209400
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hätte
gewünscht, daß der Finanzminister des Landes Niedersachsen, der eben gesprochen hat, diese seine Ausführungen heute morgen gemacht hätte, als wir über Drucksache VI/ 1831 abgestimmt haben.

(Beifall und Zurufe bei der CDU/CSU.)

Ich darf mich als Sprecher der christlich-demokratischen und christlich-sozialen Bundestagsfraktion in der Sache ausdrücklich zu Ihrem Petitum bekennen, verehrter Herr Finanzminister Heinke, aber nicht zu dem Verfahren, das Sie heute angewandt haben.

(Zuruf von der CDU/CSU: Reines Alibi! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

Sie kommen mit Ihrer Rede mindestens um drei Stunden zu spät.

(Beifall und Zurufe von der CDU/CSU.)

Sie haben fast ausschließlich in die Mitte des Hauses hineinargumentiert, verehrter Herr Professor Heinke. Sie hätten, zu Ihren Genossen gewendet, Ihre Argumente vorbringen und diese auffordern müssen, diesem unserem Anliegen zuzustimmen.

(Beifall und Zurufe von der CDU/CSU.)

Ich wiederhole: Ich habe den Eindruck, Sie brauchen diese Ihre zu spät gehaltene Rede als Alibi für die Auseinandersetzung im Landtag des Landes Niedersachsen. Dort, kann ich Ihnen sagen, wird Ihnen diese Auseinandersetzung nicht erspart bleiben.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf von der CDU/CSU: Eine Unverschämtheit, uns so die Zeit zu stehlen! Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0610209500
Das Wort hat der Abgeordnete Hermsdorf.

Hans Hermsdorf (SPD):
Rede ID: ID0610209600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es bleibt mir in diesem Hause auch nichts erspart.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich muß und ich werde hier den Finanzminister von Niedersachsen in Schutz nehmen, und zwar aus folgendem Grund.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

— Moment. Der Finanzminister von Niedersachsen hatte sich zu Wort gemeldet, als der Antrag des Vermittlungsausschusses heute morgen hier zur Debatte stand. Es ist ihm von seiten des Präsidiums erklärt worden, daß wir in der Abstimmung seien und daß er dazu nicht reden könne.

(Zuruf von der CDU/CSU: Dann hat er sich zu spät gemeldet. — Abg. Haase [Kassel] : Geschlafen hat er!)

Dies ist ihm erklärt worden. Daß er nun versucht, sein Anliegen noch vorzutragen, und daß er darüber hinaus, nachdem die Abstimmung so ausgegangen ist, hier einen neuen Vorschlag präsentiert, das ist sein gutes Recht.

(Beifall bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)





Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0610209700
Meine Damen und Herren, manchmal empfiehlt sich Rigorismus, aber weniger in Geschäftsordnungsangelegenheiten als in moralischen.
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten von Wrangel. Seine Fraktion hat für ihn eine Redezeit von 20 Minuten beantragt.

Baron Olaf von Wrangel (CDU):
Rede ID: ID0610209800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat an dieser Stelle, statt auf die bohrenden Fragen der CDU/CSU zu antworten, das getan, was auch andere vor ihm versuchten, nämlich in ein Ausweichmanöver zu gehen und den Zustand der Opposition zu beschreiben.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Herr Bundeskanzler, es wäre für diese Debatte sicherlich besser gewesen, wenn Sie den Zustand Ihrer Regierung beschrieben hätten.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Denn diese Regierung hat es gerade auch nach Ihrer Rede an klaren Aussagen fehlen lassen.
Herr Bundeskanzler, wo sind denn die Schreckgespenster? Was unser Kollege Franz Josef Strauß hier gesagt hat, sind doch Tatsachen, und Sie waren wieder nicht in der Lage, diese Tatsachen hier zu widerlegen. Was wir erwarten, Herr Bundeskanzler, ist, daß Sie uns sagen, welche Abstriche Sie wann und wo von Ihren Reformprogrammen machen wollen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Dies zu fragen ist das Recht der Opposition, dies ist die Pflicht der Opposition, und Sie sollten hier nicht in allgemeine Ermahnungen ausweichen, sondern endlich Rede und Antwort stehen.

(Zuruf des Abg. Leicht.)

Herr Bundeskanzler, ein Wort zur Frage der Schwarzmalerei. Wir haben in diesen beiden Wochen in vielen Diskussionsbeiträgen nachgewiesen, daß genau dies, was Sie betreiben, ein Stück Schönfärberei ist, indem Sie nämlich der Bevölkerung Brillen aufsetzen wollen, durch die sich die Welt dann anders darstellt, als sie in Wirklichkeit ist.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Hier ist immer wieder von Demokratieverständnis und Toleranz die Rede. Das, was wir hier erleben — und ich kann hier nicht von der Außenpolitik bis zur Pornographie sprechen; uns steht nicht die Redezeit zur Verfügung, wie das bei der Regierung der Fall ist , habe ich doch den Eindruck, daß zwar gewiß nicht gespreizte Würde, aber gereizte Intoleranz diese Regierung negativ auszeichnet.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wir erwarten von Ihnen, Herr Bundeskanzler, daß Sie uns die Aufklärung nicht in Raten geben, sondern daß sie nun und schnell erfolgt, damit die Unruhe in der Bevölkerung beseitigt wird, die nicht wir verschuldet haben, sondern die auf Grund dieser
Politik zustande gekommen ist, die Sie hier betreiben.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Deshalb war es auch, Herr Bundeskanzler, keine gute Sache, daß Sie auf die Feststellungen des Kollegen Strauß im Grunde genommen wieder den Versuch machten, abfällig von der CSU zu reden. Wir wissen genau, welche Rolle wir hier zu spielen haben.

(Abg. Mattick: Nein, das wissen Sie nicht!)

Aber Sie sollten aufhören, auch nur zu glauben, daß
man durch die Verteufelung der CSU die Gemeinschaft der CDU/CSU auseinanderdividieren könnte.

(Beifall bei der CDU/CSU.) Dies wird bestimmt nicht geschehen.

Herr Bundeskanzler, der Herr Kollege Strauß hat einen Ordnungsruf bekommen, weil Sie ihm sagten: Man kann durch Fortlassen fälschen. Aber, Herr Bundeskanzler, hier handelt es sich ja nicht nur um das Zitat, sondern hier geht es darum, daß ein prominenter Funktionär der Jungsozialisten in einer kommunistischen Zeitung ein Interview gibt, in dem die DDR und damit die Diktatur hochgejubelt werden. Das ist doch der Tatbestand,

(Beifall bei der CDU/CSU)

und der sollte, meine ich, von Ihnen dann auch so hingestellt werden, wie er ist.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0610209900
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage? - Bitte.

Erwin Horn (SPD):
Rede ID: ID0610210000
Herr von Wrangel, ist Ihnen bekannt, daß es sich in diesem Fall nicht um einen prominenten Funktionär, sondern um einen völlig unbekannten Mann handelt?

(Abg. Stücklen: Und den wollt ihr zum Oberbürgermeister von Rosenheim machen!)


Baron Olaf von Wrangel (CDU):
Rede ID: ID0610210100
Ich möchte jetzt aus zeitlichen Gründen darauf nicht eingehen. Wer bei den Jungsozialisten prominent oder nicht prominent ist, wissen Sie besser.

(Zuruf des Abg. Stücklen.)

Ich will zu einem sehr viel wichtigeren Punkt kommen.
Herr Bundeskanzler, Sie haben in einer für die Gemeinsamkeit und für unser Demokratieverständnis entscheidenden Frage gesagt, Herr Graß sei nicht im Raume, er könne sich nicht verteidigen. Aber, Herr Bundeskanzler, sind Sie bereit, es hinzunehmen, daß Günter Graß nach den „Evangelischen Kommentaren" sagt ich zitiere :
Der Schriftsteller Günter Graß hat die CDU/ CSU-Spitzenpolitiker Strauß, Barzel, Kiesinger und Heck beschuldigt, sie hätten in der Bundesrepublik eine Atmosphäre geschaffen, die den politischen Mord nicht mehr ausschließe.

(Zurufe von der CDU/CSU: Unglaublich! — „Stürmer" !)




Baron von Wrangel
Herr Bundeskanzler, dies ist ein pseudo-literarischer gemeiner, infamer Amoklauf, und dies ist das Gift, das letzten Endes dazu führen wird, daß diese Demokratie, wenn Sie sich nicht distanzieren, denselben Weg gehen wird, den die Weimarer Republik gegangen ist.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich muß auch noch einmal Herrn Steffen erwähnen — das ist nun ein prominenter Sozialdemokrat —, der den physischen Kampf als erlaubtes Mittel hinstellt und Strauß und Springer in den Zusammenhang mit der SS gebracht hat. Herr Bundeskanzler, Herr Steffen ist nicht irgendwer, und wenn Sie davon reden, daß draußen im Lande anders gesprochen wird als hier, so muß ich Ihnen sagen: als Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands haben Sie die Pflicht, diese Äußerungen hier und heute in diesem Plenarsaal zurückzuweisen und sich von ihnen zu distanzieren. Das erwarten wir von Ihnen.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Schäfer [Tübingen] : Dann hätten Sie den ganzen Tag zu reden! — Gegenrufe von der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren, für uns ist es gar nicht mehr so spannend, ob wir in der einen oder anderen Frage noch eine gemeinsame Haltung haben. Aber um der historischen und politischen Wahrheit willen ist es notwendig, hier festzustellen, daß die Gemeinsamkeit in diesem Hause einseitig aus vordergründigen taktischen Gründen von Herrn Wehner aufgekündigt worden ist und daß die Kooperationsangebote der CDU/CSU, Herr Bundeskanzler, von dieser Regierung nicht angenommen wurden. Wenn Herr Wehner heute meint, Gemeinsamkeit sei nur eine Zauberformel, so glaube ich, daß er solche Worte bereuen wird, weil sie das Verhandlungsgewicht der Bundesrepublik Deutschland im ganzen mindern.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Stücklen: Halbieren!)

Herr Bundeskanzler, ich möchte nur auf eine weitere Bemerkung eingehen, weil Sie sagten, Abgeordnete der CDU/CSU hielten im Ausland Reden, die den Interessen der Bundesrepublik — ich gebe das jetzt so frei wieder — zuwiderliefen. Herr Bundeskanzler, ich habe — und der Kollege Kiep hat es hier zitiert — nur gehört, daß ein Staatssekretär dieser Regierung im Ausland über die Opposition in diesem Hause hergezogen ist. Den sollten Sie zur Ordnung rufen und nicht uns.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der CDU/CSU zur Regierungsbank: Herr Sohn gegenüber Herrn Allende!)

Herr Bundeskanzler, Sie haben hier auch eine Meditation über die Rolle angestellt, die diese Regierung gegenüber dem Parlament spielt. Herr Kollege Strauß hat schon gesagt, dieses Parlament sei die institutionalisierte Kritik. Wer aber so wie Sie, Herr Bundeskanzler, seine eigene Politik mit Moralismen versieht und manchmal so tut, als sei die eigene Politik nahezu mit politischer Moral identisch, der macht auch gleichzeitig den Versuch, die anderen, die ihn kritisieren, in die Ecke der Unmoralischen zu stellen.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf des Abg. Dr. Schäfer [Tübingen]:: Das gilt für Sie auch!)

Das muß dann zu einem merkwürdigen Staatsverständnis führen, denn dann wird eines Tages nach dem Motto verfahren: Was demokratisch ist, wird nach sozialdemokratischen Grundsätzen gemessen. Diese Art der Maßstäbe können und werden wir uns natürlich nie zu eigen machen.

(Zuruf der Abg. Dr. Stark [Nürtingen].)

Dazu gehört noch etwas anderes, Herr Bundeskanzler, wir hören es immer wieder, und Herr Ehmke ist zu oft mit der Äußerung zitiert worden: Wer diesen Verträgen nicht zustimmt, spielt mit dem Krieg. Aber hier ist doch etwas Merkwürdiges eingetreten.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0610210200
Eine Zwischenfrage, bitte?

Baron Olaf von Wrangel (CDU):
Rede ID: ID0610210300
Herr Kollege Ehmke, ich darf den Gedanken eben noch zu Ende führen. — Wir hören immer wieder, auch Herr Wehner hat es gesagt, wenn diese Verträge nicht ratifiziert würden, gäbe es ein Desaster: dann seid ihr schuld, daß vielleicht der kalte Krieg oder gar der heiße Krieg ausbricht. Mit dieser Methode kann doch eine Regierung dem Parlament alles diktieren. Dies wäre zum Schluß dann die Abdankung des Parlaments und vielleicht in der Folge

(Beifall bei der CDU/CSU)

eine Art der sowjetischen Einmischung in die Bundesrepublik Deutschland.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0610210400
Eine Zwischenfrage, der Abgeordnete Ehmke.

Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0610210500
Herr Kollege Wrangel, haben Sie Verständnis dafür, daß ich es als unfair und auch als kennzeichnend für den Stil der Opposition empfinde, den der Bundeskanzler heute gerügt hat, daß mir von Ihrer Seite zum drittenmal ein Zitat unterstellt wird, das es nicht gibt, und dies, obwohl ich schon den Kollegen Marx ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, daß es es nicht gibt? Trotzdem bringt er es, bringt Herr Strauß es, bringen Sie es. Es wäre doch einmal gut, wenn Sie von den Tatsachen Kenntnis nähmen und wenn wir einander kollegial behandelten.

(Beifall bei der SPD.)


Baron Olaf von Wrangel (CDU):
Rede ID: ID0610210600
Herr Kollege Ehmke, was wir wiederholt zitiert haben, ist vom Presse- und Informationsamt dieser Regierung so veröffentlicht worden.

(Beifall bei der CDU/CSU.)





Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0610210700
Eine Zwischentrage des Abgeordneten Marx.

Baron Olaf von Wrangel (CDU):
Rede ID: ID0610210800
Herr Kollege Marx!

Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0610210900
Herr Kollege von Wrangel, wären Sie bereit, den Herrn Kollegen Ehmke noch einmal daran zu erinnern, daß wir hier in der Fragestunde — es war der Kollege zu Guttenberg — dieses Zitat, das von Ihnen etwas verkürzt vorgetragen worden ist, das es aber in einer ausführlichen Darstellung gibt, angesprochen haben und daß es den Teilsatz enthält: ,,... der dann mit dem Kriege spielt"?

Baron Olaf von Wrangel (CDU):
Rede ID: ID0610211000
Herr Kollege Marx, ich kenne, wie ich schon sagte, die Veröffentlichung des Presseamts. — Sie sind ja der oberste Chef dieses Unternehmens, und dort ist dies so gedruckt worden, Herr Kollege Ehmke. Und wenn Sie es hier dementieren, — —

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0610211100
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Ehmke.

Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0610211200
Herr Kollege Wrangel, es ist Ihnen sicher bekannt, daß ich nicht der Chef des Presseamtes bin.
Aber ich hatte Sie doch richtig verstanden, daß Sie gesagt haben, ich hätte gesagt: „Wer diese Verträge ablehnt, usw."? Das ist falsch, das ist einfach nicht wahr. Sie können es nicht so billig machen, daß Sie nach Ihrem Belieben den Vorsatz auswechseln und dann den zweiten Satz anhängen. So geht es nun wirklich nicht, und ich bin der Meinung,

(Zurufe von der CDU/CSU: Fragen!)

wir sollten nach beiden Seiten mit dem Unsinn aufhören.

(Beifall bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)


Baron Olaf von Wrangel (CDU):
Rede ID: ID0610211300
Herr Kollege Ehmke, den Nachsatz „spielt mit dem Krieg" haben Sie nun einmal gesagt.

(Zuruf des Abg. Freiherr Ostman von der Leye.)

Das ist eine an die Adresse der Opposition gerichtete sehr häßliche Feststellung. Ich glaube, ich brauche von dem, was ich hier gesagt habe, nichts zurückzunehmen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0610211400
Gestatten Sie eine weitere Frage des Abgeordneten von Guttenberg?

Baron Olaf von Wrangel (CDU):
Rede ID: ID0610211500
Ja.

Freiherr Karl Theodor von und zu Guttenberg (CSU):
Rede ID: ID0610211600
Herr Kollege von Wrangel, würden Sie bitte Herrn Minister Ehmke darauf hinweisen, daß sein Zitat,
das hier damals eine Rolle spielte, etwa wörtlich hieß

(Zurufe von der SPD: „Etwa wörtlich"!?)

— etwa wörtlich! —:

(Zurufe von der SPD.)

Wer glaubt, daß sich in den Oder-Neiße-Gebieten noch etwas ändern ließe, und wer eine solche Hoffnung aufrechterhält, der spielt mit dem Kriege. — Habe ich nicht recht, wenn ich sage, daß dieses Zitat in der Tat bedeutet: Wer diese Verträge — und hier den Warschauer Vertrag — ablehnt, der spielt mit dem Krieg?

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Stoltenberg: Jawohl, genau! Zurufe von der SPD.)


Baron Olaf von Wrangel (CDU):
Rede ID: ID0610211700
Herr Kollege von Guttenberg, ich bin Ihnen für diese Frage dankbar, weil sie sich vollinhaltlich mit dem deckt, was ich vorhin ausgeführt habe.

(Zurufe von der SPD.)

Meine Damen und Herren, ich glaube, ich kann jetzt mit dem Gedanken fortfahren, den ich aufnahm, als ich von der Rolle des Parlaments sprach. Ich habe - Frau Renger, ich muß das leider sagen - gerade während dieser Debatte manchmal das Gefühl gehabt, daß die Kontrollfunktion nur noch von der Opposition wahrgenommen wird, weil Sie sich als konformistisches gouvernementales Anhängsel der Bundesregierung betrachten.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Dazu gehört z. B. auch, daß wir plötzlich im Fernsehen von Herrn Wehner hören, er sei bis ins Detail informiert.

(Abg. Dr. Barzel: Schriftlich!)

Wir fragen diese Regierung seit einem Jahr, ob sie uns Einsicht in die Verhandlungsprotokolle gewähren wolle. Sie tut es nicht. Daraus schließen wir — ich weiß nicht, ob Herr Kollege Mischnick, der im Augenblick nicht hier ist, über die gleichen umfassenden Kenntnisse verfügt wie Herr Wehner —, daß es künftig in diesem Hause zwei Klassen von Abgeordneten geben soll, die einen, die Informationen haben, und die anderen, die keine haben. Und in dieser Lage fordern Sie uns auf zu votieren!

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Herr Bundeskanzler, auch dazu hätten wir gern einmal ein Wort von Ihnen gehört.
Wegen der fortgeschrittenen Zeit möchte ich mich jetzt einigen außenpolitischen Bemerkungen zuwenden, die Sie gemacht haben. Ich will, weil wir dies oft genug hier erklärt haben, nicht noch einmal sagen, daß niemand Ihnen unredliche Motive unterstellt.

(Zuruf des Abg. Moersch.)

Aber, Herr Bundeskanzler, wir sind besorgt über das hohe Maß an Vertrauensseligkeit, das in Ihrer Politik zum Ausdruck kommt. Das ist doch das Problem. Sie legen Ihrer Politik eine falsche Analyse zugrunde und empfehlen deshalb auch eine falsche

Baron von Wrangel
Therapie. Das ist die Problematik. Lassen Sie mich nur soviel sagen: Dadurch werden doch gerade Wunschträume erzeugt. Diese Wunschträume sind aber die Alpträume für alle Realisten in diesem Lande.
Herr Bundeskanzler, Sie wissen genau, daß wir früher versucht haben — bei dieser Gelegenheit möchte ich es erneut versuchen —, gemeinsam mit Ihnen europäische Politik zu machen. Jeder von Ihnen dürfte noch im Ohr haben, was unser Fraktionsvorsitzender Dr. Barzel nach der Konferenz in Den Haag an dieser Stelle gesagt hat. Dennoch kommen wir auch hier und heute nicht umhin, Sie daran zu erinnern, daß dem Werner-Plan der politische Plan folgen muß.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Nur so kann die Basis für eine europäische Politik, die dann eines Tages auch im Osten effektiv sein kann, gelegt werden.
Herr Bundeskanzler, Sie haben erneut erklärt, daß die Politik nach Osten, die Sie betreiben, erfolgreich sei. Sie nehmen nicht zur Kenntnis, daß -
ich sage es vorsichtig — die Skepsis im Westen immer mehr wächst. Wir mußten gerade in den letzten Tagen feststellen, daß die Haßtiraden an die Adresse der Bundesrepublik immer lauter werden, daß wir statt Entspannung Verhärtung spüren, statt Versöhnung Abgrenzung. Und daß von einem Geist des Gewaltverzichts, wie er nach der Unterzeichnung in Moskau beschworen wurde, nichts, aber auch gar nichts zu spüren ist. Das haben wir auf den Zufahrtswegen nach Berlin erlebt.
Weil Sie die Opposition kritisiert haben, ist es doch wohl auch erlaubt, Herr Bundeskanzler, Sie daran zu erinnern, daß wir Sie beschworen haben — hier im Hause und bei anderen Gelegenheiten —, wenigstens die Unterschrift zurückzustellen, bis eine befriedigende Berlin-Regelung zustande gekommen ist. Sie mußten aus innenpolitischem Zugzwang die Unterschrift leisten und haben sich jetzt selbst in eine schlechte Lage hineinmanövriert.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)

Ich will zum Schluß noch einmal den Bundeskanzler bitten, sich zu distanzieren von denen in seiner Partei oder in seiner Jugendorganisation, die pausenlos dabei sind — wie in Weimar —, den Radikalen die Munition zu liefern. Herr Bundeskanzler, eines sollten wir doch gemeinsam tun: wir sollten gemeinsam kämpfen gegen die Faschisten, die sich im roten und im braunen Gewand in zunehmendem Maße zu tummeln beginnen. Ihnen werden wir keinen Auftrieb geben. Wir — die CDU/CSU — bekämpfen sie. Tun Sie es auch!

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0610211800
Das Wort hat der Abgeordnete Professor Schäfer. Seine Fraktion hat für ihn eine Redezeit von 30 Minuten beantragt.

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0610211900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr von Wrangel hat
eingangs gemeint, der Herr Bundeskanzler habe nicht Antworten auf die gestellten Fragen gegeben, sondern habe sich seinerseits mit der CDU/CSU beschäftigt. Nun, ich glaube, daß wir das in den letzten beiden Wochen gegenseitig getan haben, und ich bin der Auffassung, daß das legitim und richtig ist und daß wir uns gegenseitig auch unsere Sorgen sagen sollten in kritischer Beobachtung dessen, was möglicherweise bei den anderen vor sich geht.
Ich bin trotzdem etwas überrascht, Herr von Wrangel, daß Sie auf Herrn Steffen zu sprechen kommen; denn ich nehme an, Sie wissen — es steht heute groß in der Zeitung: „Steffen stellt Strafantrag gegen ,Welt-Chefredakteur und CSU" — —

(Abg. Leicht: Lesen Sie einmal vor, weshalb!)

— Das war Ihnen neu? — Nein? Es war Ihnen bekannt?

(Abg. Leicht: Lesen Sie einmal vor, weshalb? — Abg. Vogel: Und die Glosse dahinter!)

— Ich kann das gerne vorlesen, wenn es Ihnen Spaß macht. Ich kann das gerne tun, damit es im Protokoll ist.
Wenn Sie wissen, daß hier ein gerichtliches Verfahren im Gange ist, finde ich es merkwürdig, daß Sie in dieser Art der Fragestellung Zweifel in die demokratische Zuverlässigkeit eines maßgeblichen SPD-Politikers setzen. Da haben Sie genau das getan, was Sie glaubten, bei anderen kritisieren zu können.

(Abg. Windelen: Hat Herr Graß auch Strafantrag gestellt?)

— Das ist doch so.

(Abg. Vogel meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

— Nein, ich muß jetzt diese Gedanken im Zusammenhang zum Ausdruck bringen, auch angesichts der vorgeschrittenen Zeit.

(Abg. Vogel: So billig geht es nicht, Herr Schäfer!)

— Bitte, Herr Vogel, ich antworte Ihnen gerne.

Friedrich Vogel (CDU):
Rede ID: ID0610212000
Herr Kollege Schäfer, ist Ihnen bekannt, daß wegen dieses Zitats, das hier vom Kollegen von Wrangel genannt worden ist, kein gerichtliches Verfahren läuft, so daß insofern jedenfalls nicht in ein schwebendes Verfahren eingegriffen ist?

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0610212100
Ich habe es so aufgefaßt, daß sich das auf das ganze bezieht, aus dieser Zeitungsnachricht.

(Abg. Leicht: Deshalb vorlesen! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der zweiten und dritten Lesung des Haushalts 1971,

(Abg. Ruf: Das ist Herr Schäfer!)




Dr. Schäfer (Tübingen)

Ich darf Ihnen einmal — so, wie wir Sozialdemokraten es sehen — einen Haupt- und Grundgedanken unserer Politik vortragen, wie er uns auch in Zukunft beschäftigen wird. Ich meine, daß die Sozialdemokraten auf Grund ihrer Geschichte legitimiert sind und sowohl Urteilsvermögen als auch Standvermögen genug mitbringen, um eine Politik zu betreiben, bei der der Mensch im Mittelpunkt aller gezielten Maßnahmen steht. Wir reden insoweit von Reformen. Schon die Tatsache der Ankündigung von Reformen hat viele Teile der Bevölkerung, die bereits resignierend geschwiegen haben, wieder lebendig gemacht und mit der Hoffnung erfüllt, daß dieser Staat ihre Nöte sehe und daß diese Regierung, nachdem auf vielen wichtigen Gebieten lange Jahre nicht gehandelt wurde, sich ihrer Probleme annehme.

(Abg. Leicht: Sie haben nur versprochen und nichts gehalten!)

Es gibt gar keinen Zweifel darüber, daß dabei natürlich manche falsche Hoffnung entsteht. Wir wissen alle, daß auch nicht jede Novellierung eine große Reform ist.

(Abg. Vogel: Aber es wird so gefeiert!)

Wenn manche es trotzdem so hinstellen, so ist das ihre Sache.
Der Weg, den die Regierung eingeschlagen hat, ist ein neuer Weg. Es ist der bestmögliche Weg, nämlich der, durch sachliche Berichte die Grundlage dafür zu schaffen, daß sich jeder sachlich informieren kann und daß man in der Öffentlichkeit die angeschnittenen Fragen ausreichend und zuverlässig studieren kann, um sich dann in öffentlicher Debatte — gleichgültig, wo, letztlich aber hier in diesem Hause — schlüssig zu werden, welche Maßnahmen man ergreifen will.

(Abg. Leicht: Das ist eine neue Interpretation! Diese öffentliche Debatte bedeutet tatsächlich mehr Demokratie. Sie werden in Ihren Versammlungen alle schon gemerkt haben, daß die Bevölkerung Ihnen besser informiert entgegentritt, daß sie ihre Interessen begründeter einordnen kann und auch für viele Maßnahmen ein ganz anderes Verständnis als früher zeigt. — Das mag Ihnen da und dort unangenehm sein. Es ist, Herr Vogel, dann z. B. peinlich, wenn sich ein Sprecher Ihrer Fraktion hier hinstellt — ich sehe ihn jetzt gerade nicht; ich meine Herrn Stark —, zum Ehescheidungsrecht spricht und dabei zugeben muß, daß er den Gesetzentwurf nicht einmal kennt. So kann man natürlich auch handeln. (Abg. Vogel: In der Sache hat er trotzdem recht gehabt!)


(Abg. Vogel: Weil die Sorgen größer geworden sind!)

Ich habe manchmal den Eindruck, daß Kollegen aus Ihrer Fraktion sogar von dieser Stelle aus zu Berichten und zu Reformvorschlägen Stellung nehmen, ohne sich die Mühe gemacht zu haben, die Unterlagen zu studieren, die diese Regierung in
ausreichender und zuverlässiger Weise, ohne Ansehen dessen, was im Endergebnis als politisch richtig angesehen wird, regelmäßig veröffentlicht hat.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0610212200
Eine Zwischenfrage des Abgeordneten von Guttenberg.

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0610212300
Bitte schön, Herr von Guttenberg!

Freiherr Karl Theodor von und zu Guttenberg (CSU):
Rede ID: ID0610212400
Herr Kollege Schäfer, ist es Ihnen in Ihrem politischen Leben noch nie passiert, daß Sie in einer öffentlichen Versammlung auf die Frage eines Zuhörers ehrlich sagen mußten, daß Sie in einer bestimmten Sache nicht vollständig informiert seien?

(Zuruf von der SPD: Darum geht es ja gar nicht!)


Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0610212500
Herr Kollege von Guttenberg, dann habe ich so geantwortet, wie Sie es wahrscheinlich auch tun. Ich habe dann gesagt: Ich kann Ihnen jetzt keine zuverlässige Antwort geben. Wenn Sie Wert darauf legen, werde ich Ihnen die Frage schriftlich beantworten. — Herr von Guttenberg, so mißverständlich habe ich mich vorhin doch bestimmt nicht ausgedrückt.

(Abg. Freiherr von und zu Guttenberg: Herrn Stark gegenüber ja!)

Wer von diesem Platz aus spricht, sollte sich nicht zu Worte melden, wenn er nicht informiert ist.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Es sollte hier niemand über Reformen reden, wenn er zugeben muß, daß er nicht einmal die Vorlagen gelesen hat. Herr von Guttenberg, darüber sind wir uns doch wohl einig. Politik zu machen, ist ein mühsames Geschäft. Es verlangt nächtelanges, ja, wochenlanges Studieren. Man muß sich mit der Materie abquälen, um sie zu erfassen. Ich hoffe, daß wenigstens dies eine kleine Gemeinsamkeit ist.
Meine Damen und Herren, wir Sozialdemokraten gehen voll Selbstbewußtsein in die nächste Runde. Wir gehen voll eigener innerer Überzeugung und Standfestigkeit in dieses Haushaltsjahr 1971, weil wir wissen, daß wir eine gute und richtige Politik betreiben.

(Beifall bei der SPD.)

Lassen Sie mich bei der Wirtschaft anfangen, Herr Kollege Strauß. Wir machen keine Politik, wie Sie sie früher einmal — heute haben Sie das abgeschwächt getan — vorgetragen haben, voll wissenschaftlicher Erkenntnisse, bei der Kapital und menschliche und andere Produktivkräfte gleichermaßen eingesetzt werden. Nein, für uns Sozialdemokraten ist ein Punkt nicht disponibel: Es gibt keine Maßnahmen in der Wirtschaftspolitik, bei denen wir bewußt von vornherein Arbeitslosigkeit in Kauf nehmen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Es gibt bei uns keine Bremsmaßnahmen, mag sie
empfehlen, wer will, und keine Rezessionsempfeh-



Dr. Schäfer (Tübingen)

Lungen, die die Gefahr in sich schließen, daß unsere Mitbürger keine gesicherte Existenz haben.
Das erste entscheidende Fundament für den Menschen ist, daß er eine gesicherte Existenz hat. Es ist eine der höchsten Verpflichtungen einer Regierung, dafür alles Mögliche zu tun. Wir haben in den 15 Monaten ,der Regierung Brandt strukturell nicht einen Arbeitslosen bekommen. Wir haben jetzt mitten im Winter eine höhere Zahl von freien Arbeitsstellen als früher.

(Zuruf von der CDU/CSU: Auch weniger Schnee!)

Wir müssen zwei Millionen Gastarbeiter beschäftigen, um den Anforderungen der Wirtschaft zu genügen. Nennen Sie mir einen gleich langen Zeitraum in Ihrer Regierungszeit, in dem Sie über zwei Winter hinweg in dieser Weise die Vollbeschäftigung erreicht und gesichert haben. Das hat Wirtschaftsminister Schiller erreicht.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern]: Das ist doch nicht vom Himmel gefallen! Das hat doch alles seine Gründe! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Bei dem kurzen Winter ist das doch nicht verwunderlich!)

— Warten Sie nur, Herr Marx. Ich komme gleich darauf zurück.
Die Preisstabilität haben wir nicht, so wie wir das wollten, erreicht. Aber beachten Sie bitte, was sich am 14. Dezember letzten Jahres und Anfang dieser Woche in Brüssel abgespielt hat: Diese Regierung trägt mit Erfolg dazu bei, ,daß im EWG-Raum eine Entwicklung in Gang kommt, die die größten Chancen und Wahrscheinlichkeiten schafft, zu einer Preisstabilität zu kommen.

(Abg. Leicht: Abwarten!)

Das ist echte europäische Politik, die Voraussetzungen schafft.
Herr Strauß, Sie wissen es doch ganz genau: Keine nationale Regierung ist heute mehr in der Lage, mit eigenen nationalen Maßnahmen die Preisstabilität zu sichern. Keine nationale Regierung kann das allein durchführen. Deshalb sind größere Wirtschaftsräume notwendig und deshalb muß in diesen größeren Wirtschaftsräumen das Erforderliche geschehen. Das hat diese Regierung eingeleitet.

(Zuruf des Abg. Leicht.)

Wir anerkennen das und sind dafür dankbar. Und Sie, Herr Kollege Leicht, und Herr Strauß anerkennen das doch hoffentlich auch. Wir sind doch hoffentlich alle froh, daß diese Regierung es geschafft hat, daß nun der Werner-Plan in die Tat umgesetzt wird.

(Abg. Leicht: Sie springen von den Arbeitslosen zu den Preisen und zum WernerPlan!)

Ich meine, es würde Ihnen doch sicherlich selber sehr merkwürdig vorkommen, wenn Sie diese Maßnahmen nicht unterstützen würden.
Wir wollen mehr Demokratie. Darüber ist gestern hier im Hause gesprochen worden. Wir meinen es mit der Demokratie im Betrieb sehr ernst, dort, wo ,der Mensch einen großen Teil seines Lebens verbringt. Wir wollen keine Etiketten, wie Sie sie jetzt einführen. Herr Ruf, es ist Ihnen doch wahrscheinlich selber peinlich, solche Etiketten in der Mitbestimmung — 7 : 5 — zu vertreten, Lösungen, die keine sind.

(Abg. Ruf: Herr Schäfer, das ist doch arg billig! Das ist doch primitiv!)

Wir versprechen keine Lösungen in solchen Bereichen, in denen wir keine Lösungen bieten können, sondern bloß Scheinetiketten.
Bei uns geht es um den Menschen, um das, was durchsetzbar ist.

(Abg. Ruf: Sie fordern mich heraus, mich noch zu Wort zu melden! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

- Ich sagte, die Generalüberschrift lautet bei uns: Um den Menschen geht's. Wir haben unser Betriebsverfassungsgesetz vorgelegt, ,das wir auch dementsprechend in den Ausschüssen beraten werden.

(Abg. Ruf: Sie haben doch keine Ahnung von den Dingen!)

Ich muß noch zu einigen Punkten etwas sagen, obwohl der Herr Bundeskanzler sie schon angeschnitten hat.
Herr Strauß, Sie reden von den Gemeinden, von ihren Sorgen. Ich glaube, uns Sozialdemokraten braucht man nicht in die Probleme der Kommunalpolitik einzuführen. Sie wissen wohl genauso wie ich, daß wir Sozialdemokraten die drängende Kraft waren, um die Finanzverfassungsreform so durchzuführen, daß sie den Gemeinden eine ausreichende Basis gibt.

(Abg. Strauß: Das wird doch allein durch die Baukostensteigerung aufgefressen!)

Wenn wir das nicht gemacht hätten — Herr Strauß, erinnern Sie sich nachträglich —, dann wären die Gemeinden seit zwei Jahren in einer ganz verhängnisvollen Situation. Daß hier noch weiteres geschehen muß, daß hier noch Überlegungen angestellt werden müssen, das wissen wir doch genau wie Sie. Herr Strauß, ist das eine neue Erkenntnis für Sie? Nein, für uns auch nicht. Es ist jetzt eine Situation entstanden, in der wir neue Überlegungen anstellen müssen. Herr Strauß, Sie können sich doch nicht damit begnügen, das festzustellen. Wir auch nicht. Aber Sie können mir nicht widersprechen, daß wir die Gemeindefinanzverfassungsreform gefordert haben und durchgesetzt haben. Ohne sie wäre die Situation ganz fatal geworden.

(Zuruf des Abg. Strauß.)

Die Gemeinden sind für uns ganz entscheidende Zellen. In der Gemeinde wächst der Mensch auf. Deshalb sind es wesentliche, echte Reformen, die wir in den Gemeinden vorhaben, wenn wir das Städtebauförderungsgesetz in Kürze verabschieden, wenn wir heute morgen das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz verabschiedet haben, wenn wir



Dr. Schäfer (Tübingen)

die Mittel für den sozialen Wohnungsbau nach einer verfehlten Lücke-Politik wieder wesentlich erhöht haben, um dort die Voraussetzungen zu schaffen, wenn wir das Wohngeld erhöht haben, wenn wir hier die Voraussetzungen in den Gemeinden schaffen und wenn wir einen neuen Art. 104 a geschaffen haben, damit der Bund rechtens in der Lage ist, Mittel für Investitionsmaßnahmen an die Gemeinden zu geben, die für den Ausbau und für die Leistungsfähigkeit der Gemeinden entscheidend sind.

(Abg. Dr. Schulze-Vorberg: Aber der soziale Wohnungsbau ist bei Ihnen zusammengebrochen, das ist der Tatbestand!)

— Wenn Sie es jedesmal von neuem hören wollen, Herr Schulze-Vorberg, kann ich es Ihnen jedesmal von neuem sagen: Wenn, was niemand bestreitet, Herr Lücke sich um 1 Million DM verrechnet hat

(Abg. Dr. Schulze-Vorberg: Wir haben jährlich 100 000 Wohnungen mehr gebaut als Ihr Minister!)

und wenn Sie ein Gesetz gemacht haben, wonach in zehn Jahren in jedem Jahr 70 Millionen DM weniger verfügbar sind, dann tritt irgendwann dieser Zeitpunkt ein, den Sie beschlossen haben. Wir haben ihn am Anfang der Großen Koalition geändert, und wir haben ihn inzwischen wieder geändert. Vielen Dank, daß Sie mir die Möglichkeit geben, das auch noch einmal klarzustellen.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Schulze-Vorberg: 100 000 Wohnungen weniger!)

Meine Damen und Herren, wenn man an die Regierung kommt, übernimmt man eben auch ein schlechtes Erbe auf einzelnen Gebieten.

(Abg. Windelen: Herr Lauritzen hinterläßt ein schlechtes Erbe! — Abg. Dr. SchulzeVorberg: Herr Lauritzen ist vier Jahre im Amt, und jetzt ist der soziale Wohnungsbau zusammengebrochen!)

Wir werden auf dem Gebiet der Gemeinden — —

(Abg. Dr. Schulze-Vorberg: Ihr Wohnungsbauminister ist bankrott!)

— Beruhigen Sie sich.

(Abg. Dr. Schulze-Vorberg: Das brauche ich nicht! Es ist im Interesse der Menschen ein Jammer! Die Menschen brauchen Wohnungen! Unsere Wohnungsnot ist schreiend, und der soziale Wohnungsbau ist im vierten Jahr unter Herrn Lauritzen zusammengebrochen!)

— Sie wollen sich nicht beruhigen, Sie wollen so bleiben? — Im übrigen vielen Dank für Ihre Feststellung, Herrn Lücke betreffend und auch Ihre Fraktion.

(Zuruf von der CDU/CSU: Nein, Herrn Lauritzen!)

— Auch wenn Sie es noch fünfmal wiederholen, wird es dadurch nicht wahr. Sie müssen sich damit einmal beschäftigen.

(Abg. Dr. Schulze-Vorberg: Das habe ich getan!)

— Dann haben Sie nicht das richtige Material gehabt.
Lassen Sie mich fortfahren. Herr Präsident, ich bitte, das auf meine Zeit nicht anzurechnen, wenn ich durch solche Fragen genötigt werde, Antworten zu geben.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0610212600
Wir haben die Uhr angehalten.

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0610212700
Vielen Dank! Das klingt wie bei europäischen Verhandlungen, wenn die Uhr angehalten wird.

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Dann geht es aber um wichtigere Dinge als jetzt bei Ihnen!)

— Ja, vor allem, wenn ich Ihre Zwischenfragen betrachte; da haben Sie recht.

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Ich habe mich zurückgehalten!)

— Die Ihrer Kollegen, Herr Marx; ich freue mich, daß Sie das mit mir gleich bewerten.
Wir werden auf dem Gebiet der Gemeinden auf einem entscheidenden Sektor weiterhelfen, nämlich dem der Krankenhausfinanzierung. Das ist ein entscheidender Punkt. Wir sind der Meinung, daß die öffentliche Hand dem Bürger leistungsfähige Krankenhäuser zur Verfügung halten muß. Wie schwer dieses Problem ist, wissen Sie alle. Daß Sie es nie fertiggebracht haben, es überhaupt auf die Tagesordnung zu bringen, ist doch kennzeichnend. Daß wir heute den Mut haben, dieses schwierige Problem anzupacken, das ist kennzeichnend für uns.

(Beifall bei der SPD.)

Wir bemühen uns darum, den Menschen zu helfen.
Und um wiederum aus dem Bestreben, in den Gemeinden den Menschen zu helfen, nämlich allen gleiche Chancen zu geben, geht es uns darum, das Bildungswesen auszubauen. Wir denken dabei nicht nur an die Hochschulen, sondern wissen, daß das Bildungswesen in der Hauptschule anfängt

(Zurufe von der CDU/CSU: In der Vorschule! — Im Kindergarten!)

und daß die Berufsschulen und die Gymnasien genauso wichtig sind,

(Zurufe von der CDU/CSU)

daß man sie ausbauen muß, damit wir die entsprechenden Einrichtungen nicht nur in der Kreisstadt, sondern überall haben. Das ist eine Frage der Bildungsplanung. Ich will das hier nur anschneiden; Sie wissen es.
Wir haben auf dem Gebiet der Vermögensbildung weitere Aktionen zu erwarten. In Bälde wird ein Vermögensbildungsbericht vorgelegt werden. Ich bin überzeugt, daß dadurch die Möglichkeit geschaffen



Dr. Schäfer (Tübingen)

wird, den Arbeitnehmer — gleichgültig, wo er tätig ist — am Wachstum der Wirtschaft tatsächlich zu beteiligen und ihm damit ein echtes Vermögensfundament zur Sicherung seiner persönlichen Freiheit zu geben. Denn hier geht es nicht darum, ein paar Mark zu haben, sondern es geht darum: wer Boden unter den Füßen hat, der ist freier, der ist selbständiger.

(Zuruf von der CDU/CSU: Wem sagen Sie das?)

Und um diese Frage geht es uns.
Da wundert man sich dann, Herr Strauß — aber jetzt ist er weg, der Herr Strauß — —

(Zuruf von der CDU/CSU: Nein, er bleibt Ihnen erhalten, hier ist er!)

— Ja, kommen Sie, Herr Strauß, ich muß Ihnen noch etwas vorlesen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Ein kleines Schäferstündchen!)

Sie sind, Herr Strauß, im Zitieren ja so tüchtig, daß Sie mich sogar falsch zitiert und dann noch gesagt haben, Sie hätten es wörtlich — wörtlich, haben Sie gesagt! — wiedergegeben. Herr Strauß, es dürfte Ihnen nicht passieren, daß Sie das hier sagen. Ich will es Ihnen nach dem Protokoll vorlesen. Es ist vielleicht nur eine Kleinigkeit, aber sie hat sich genau heute morgen ereignet. So gewissenhaft sind Sie, Herr Strauß, daß Sie gesagt haben:
Lassen Sie mich einen letzten Bereich ansprechen. Herr Kollege Schäfer, Sie meinten, es gebe für die SPD kein Problem mit ihren Jungsozialisten So haben Sie es wörtlich gesagt.
Nun lese ich Ihnen aus dem Protokoll vor, was ich wirklich gesagt habe:
Da haben wir keine Sorge.

(Zuruf von der CDU/CSU: Was ist denn der Unterschied?)

Unsere Jugend macht uns keine Sorge. ... Das sage ich als Hochschulprofessor. Die ist lebendig und die wird richtig.
Daran, daß wir Probleme mit ihr haben, ist doch gar kein Zweifel!

(Zustimmung bei Abgeordneten der SPD.)

Und nun zitieren Sie einen Jungsozialisten. Da haben Sie wieder einen Buhmann aufbauen wollen: Jungsozialisten und Eigentum und so. Aber Sie lesen doch den „Münchener Merkur", und da steht die schöne Überschrift: „SPD gegen Eigentumsmißbrauch". Darin sind wir ja wohl einig, nicht? Aber das muß ich Ihnen vorlesen, nachdem Sie vorhin falsch zitiert haben:
Die SPD will sich nicht länger als eigentumsfeindliche Partei verdächtigen lassen. Um ihre Einstellung zu diesem Problem zu verdeutlichen, hat der Bezirksvorstand der SPD Südbayern am Mittwoch ein Arbeitspapier „SPD und Eigentum" vorgelegt, das vom Landtagsabgeordneten und
bayerischen Jungsozialistenchef Schöfberger ausgearbeitet worden war. Schöfberger übt in diesem Papier auch Kritik an verallgemeinernden und mißverständlichen Äußerungen aus den eigenen Reihen, die dem politischen Gegner haarsträubende Vorwürfe leichtgemacht hätten. Die SPD wolle das Privateigentum nicht zerschlagen, sondern es besonders auch in Händen der Arbeitnehmer und der kleinen Selbständigen fördern, heißt es in dem Papier.

(Abg. Dr. Klepsch: Lesen Sie mal weiter!)

Herr Strauß, nehmen Sie das zur Kenntnis, damit Sie beim nächstenmal richtig zitieren.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Klepsch: Da gibt es ganz andere Zitate! Lesen Sie dieses Papier doch weiter! Das ist ganz interessant!)

Meine Damen und Herren, es geht uns um den Menschen, und damit darf ich nur einmal mehr auf die Fragen der Rechtsreform hinweisen und mich auf das beziehen, was der Herr Bundeskanzler hier gesagt hat: dabei geht es um die Lösung ganz schwieriger menschlicher Probleme. Die, die sich damit befassen, wissen, wie schwierig die menschlichen Probleme bei der derzeit bestehenden Rechtslage sind. Und Sie wissen ganz genau — wenn Sie vielleicht auch wider besseres Wissen etwas anderes behaupten —, daß wir uns darum bemühen, die wirtschaftliche Lage der Frau dabei zu sichern. Das wissen Sie ganz genau, was Sie hoffentlich in der Zukunft daran hindern wird, in der Öffentlichkeit etwas anderes zu behaupten.
Ich darf noch zum Umweltschutz etwas sagen. Die Jungsozialisten aus Baden-Württemberg — auch das ist interessant — haben eine hervorragend erarbeitete Broschüre zur Frage des Umweltschutzes herausgegeben. Wenn es Sie interessiert, schicke ich sie Ihnen einmal zu. So nützlich können Jungsozialisten arbeiten! In dieser Broschüre sind wirklich ganz konstruktive Vorschläge.

(Beifall bei der SPD.)

Die Frage des Umweltschutzes wird uns in Bund und Ländern sehr beschäftigen. Da geht es wiederum um den Menschen. Da geht es darum, den Mut zu haben, die notwendigen Maßnahmen zu beschließen, deren Notwendigkeit sich aus einer überstürzten Entwicklung ergeben hat. Es wird sehr viel Mut dazu gehören — ich hoffe, daß wir uns hier den guten Willen nicht streitig machen —, das Verursachungsprinzip durchzusetzen und den Menschen saubere Luft und sauberes Wasser zu gewährleisten. Für uns Sozialdemokraten ist auch das nichts Neues. 1961 hat der heutige Bundeskanzler schon den blauen Himmel über der Ruhr gefordert.

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Kennen Sie die vorhergehenden Anträge der CDU in Nordrhein-Westfalen?)

Sie haben damals gehöhnt und gelacht, weil Sie
Dinge, die den Menschen angehen, nie von vornherein verstehen, weil man Sie erst mit der Nase



Dr. Schäfer (Tübingen)

darauf stoßen muß, weil der Mensch für Sie meistens ein Objekt und nicht das Ziel der Politik ist.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Marx [Kaiserslautern] : Herr Schäfer, was Sie eben gesagt haben, können Sie gar nicht vertreten und glauben es auch selber gar nicht! — Abg. Dr. Klepsch: Entgleisung! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

— Herr Marx, da muß ich Ihnen aus Ihrem Gebiet
jetzt etwas vorlesen: „Frankfurter Allgemeine" - -

(Zurufe von der CDU/CSU: Rundschau!)

— „Frankfurter Rundschau". Ach, Sie wissen schon? Ich will es trotzdem tun.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

- Meine Damen und Herren, ich denke, Sie wollen
sich doch mit bemühen, den Menschen zu helfen. Oder ist Ihnen das unangenehm?

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Sie haben eben gesagt, der Mensch sei für uns ein Objekt! Das ist doch dummes Zeug! Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

Wir machen auch Außenpolitik mit dem Ziel, den Menschen zu helfen.

(Abg. Stücklen: Die Freiheit zu verlieren!) Vizepräsident Dr. Schmid: Gestatten Sie eine Zwischenfrage?


Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0610212800
Bitte, Herr Mick!

Josef Mick (CDU):
Rede ID: ID0610212900
Herr Kollege Schäfer, sind Sie in der Lage, mir eine Definition für „pharisäisch" zu geben?

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0610213000
Das müssen Sie als bibelgewandter Mann besser wissen. Ich habe den Ausdruck „pharisäisch" nicht verwendet. Wenn Sie ihn verwenden wollen, dann ist das Ihre Sache.

(Abg. Vogel: Aber Ihre Rede klingt so! — Abg. Ruf: Das hat er nicht begriffen!)

Herr Ruf, stellen Sie sich vor, ich bin so gescheit wie Sie. So gescheit wie ein Spatz sind andere Vögel auch, sagt man bei uns zu Hause.

(Heiterkeit bei der SPD.)

Meine Damen und Herren, wenn Sie das Bemühen dieser Regierung ansehen, wenn Sie das hartnäckige, mühsame Geschäft dieser Regierung ansehen, die Verhältnisse mit der DDR zu ordnen, die Verhältnisse mit unseren osteuropäischen Nachbarn zu normalisieren, dann wissen Sie alle ganz genau, daß hier nur eine Regierung handeln kann, die politisch in sich fest geschlossen steht, die mit Kommunisten verhandeln kann, die auf dem Boden dieser demokratischen, freiheitlichen Ordnung weiß, was Freiheit und was diese Gesellschaftsordnung bedeuten, und die von dieser Souveränität aus in der Lage ist, hartnäckig zu verhandeln. Lesen Sie die 20 Punkte noch einmal, die der Bundeskanzler in Kassel vorgelegt hat. Durch sie zieht sich wie ein
roter Faden das Bemühen, den Menschen zu helfen, Lösungen mühsam anzustreben.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

— Ja, das wird länger dauern. — Dazu bedarf man der Standfestigkeit und keiner lässigen Bewegungen, Herr von Wrangel, sondern dazu muß man hinstehen, und dazu muß man Mut haben.

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Man muß die Verträge lesen, um zu sehen, was Standfestigkeit bedeutet! Ihr Fraktionsvorsitzender!)

Meine Damen und Herren, wenn ich in der „Frankfurter Rundschau" lese: „Deutsches Rotes Kreuz: Opposition ohne Interesse — CDU/CSU kümmert sich nicht um deutsche Aussiedler aus Polen", und wenn hier auf eine Pressekonferenz Bezug genommen worden ist, dann wehre ich mich noch dagegen, daß das wahr sein kann, was hier steht; denn ich würde mich für Sie schämen, wenn es so wäre, wie es hier steht.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Klepsch: In Ihrem eigenen Blättchen! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0610213100
Eine Zwischenfrage.

Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0610213200
Herr Kollege Schäfer, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, erstens, daß die Überschrift dieses Artikels in der „Frankfurter Rundschau" falsch ist, zweitens, daß der Leiter des Suchdienstes des Roten Kreuzes gegen diese Unterstellung, gegen diese sehr negative und falsche Darstellung bereits protestiert hat, und sind Sie weiterhin bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß Mitglieder dieser Fraktion immer mit den Vertretern des Roten Kreuzes auch über die dort angesprochenen Fragen in der Diskussion sind und daß wir uns in der Sorge um die Betroffenen von niemandem übertreffen lassen?

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0610213300
Herr Kollege Marx, davon nehme ich gern Kenntnis; denn ich hatte vorhin gesagt: ich wehre mich noch dagegen. zu glauben, daß das wahr ist, was hier steht.

(Zuruf von der CDU/CSU: Warum zitieren Sie dann so etwas? Weitere Zurufe von der Mitte.)

- Damit gebe ich Ihnen ja die Möglichkeit, das in
aller Öffentlichkeit klarzustellen. Ist es Ihnen unangenehm, daß Sie es klarstellen können?

(Zuruf von der CDU/CSU: Im Gegenteil!)

— Na also!

(Abg. Stücklen: Eine ganz fiese Sache!)

Meine Damen und Herren, ich sage noch einmal: Das Bemühen, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen, ist eines unserer Hauptanliegen. Lesen Sie in diesem Zusammenhang z. B. einmal das Weißbuch, das der Bundesverteidigungsminister heraus-



Dr. Schäfer (Tübingen)

gegeben hat! Dann sehen Sie das Bemühen dieser Regierung, auch diesen schweren Dienst, der der deutschen männlichen Jugend abverlangt wird, im Rahmen des irgendwie Möglichen zu erleichtern. Sie sehen, wie die Maßnahmen Schritt für Schritt schon im Laufe dieses Jahres durchgeführt werden. Ich hoffe, daß wir wenigstens auf diesem Gebiet Ihre Unterstützung haben.
Friedenspolitik ist die oberste Aufgabe, die einer Regierung gestellt ist. Noch leben unsere Menschen in Deutschland in der Sorge, in der Angst — und Sie, meine Damen und Herren, tragen oft dazu bei, daß diese Angst ganz lebendig ist —, daß dieser Frieden nicht gesichert sei. Er ist noch nicht gesichert. Es ist nicht ein Wortspiel, wenn der Bundeskanzler sagt: den Frieden sicherer machen, sondern es ist das ganz innere mühsame Bemühen.

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Aber wir gefährden ihn doch nicht!)

— Nein, Sie stören in vielen Dingen, aber helfen nicht. Das ist das, was wir Ihnen vorwerfen müssen, und das ist das, was das deutsche Volk Ihnen vorwirft: daß Sie in diesen schwierigen Verhandlungen nicht helfend, sondern störend tätig sind.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern]: Sie werden sehen, was das Volk darauf antwortet!)

Das ist die große Aufgabe einer Regierung: Im Innern hat sie die Reformen in Bewegung zu bringen, die Bevölkerung, die beteiligten Menschen daran zu interessieren, die Fragen in offener Aussprache zu diskutieren und in diesem Haushaltsplan bei den Schwerpunkten, die mein Freund Hermsdorf aufgezählt hat, die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen. Aber das ureigenste Gebiet der Regierung, das ihr primär und allein obliegt und wo das Parlament nur unterstützend tätig sein kann, ist die Sicherung des Friedens, der mühsame Prozeß der Befreiung des Menschen von der Angst. Da verdient diese Regierung den Dank und die Anerkennung und eine Vertrauensbasis des ganzen Hauses, um ihre Arbeit fortzusetzen.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0610213400
Das Wort hat der Abgeordnete Barzel.

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID0610213500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf die Rede des Kollegen Schäfer hat der Bundeskanzler wohl die richtige Antwort gegeben, indem er den Saal verlassen hat.

(Beifall bei der CDU/CSU.Zurufe von der SPD.)

Es war ihm offenbar peinlich, Ihnen zuzuhören, Herr Schäfer.

(Abg. Dr. Schäfer [Tübingen]:: Sie sind ein Flegel!)

— Rufen Sie es ruhig noch ein paarmal, Herr Kollege Schäfer; hier benimmt sich jeder so, wie er will, Herr Prof e s s o r Schäfer.

(Zurufe von der SPD.)

— Sagen Sie, was Sie wollen! Ich denke, der Präsident hört hier zu, Herr Kollege Schäfer. Ich
möchte Ihnen folgendes sagen: Das sollten Sie - -

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0610213600
Ich rüge diesen Ausdruck und erteile einen Ordnungsruf.

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID0610213700
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich glaube, dann brauche ich zu der ganzen Sache nichts mehr zu sagen und kann mich nun dem Herrn Bundeskanzler zuwenden, der vielleicht doch auf dem Wege ist, hierher zurückzukommen.
Ich darf nur eines vorweg sagen, meine Damen und Herren. Herr Kollege Schäfer, eines sollte man nicht sagen. Ich gehe davon aus, daß jedermann in diesem Hause und jeder Demokrat seine Politik in den Dienst des Menschen stellt.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Das haben Sie uns eben bestritten, und dies wird draußen gehört werden. Ich glaube, die Menschen in unserem Lande haben sehr wohl dem zugestimmt, was heute morgen Franz Josef Strauß sagte:

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Sehr wahr!)

Diese 20 Jahre, für die die Union die politische Führung hatte, sind die längste Zeit der Demokratie in unserer Geschichte, die Zeit des größten sozialen Fortschritts. Dies hat den Menschen genutzt. Was wir nach 15 Monaten dieser Regierung erleben, hat Strauß hier dargetan und darauf Antworten nicht bekommen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich möchte gerne dem Hause, da sich der Bundeskanzler an der Debatte nun offensichtlich nicht beteiligt, doch folgendes sagen. Meine Damen und Herren: Wer die totale Konfrontation will und herbeiführt, der schwächt unser Land. Wer uns diesen Willen unterstellt, wie das der Bundeskanzler eben tat, obwohl er das Gegenteil besser weiß, der redet an den Tatsachen vorbei. Wer dies so tut, wie es der Kanzler tat, aggressiv und vorher aufgeschrieben, der will nicht Gemeinsamkeit, der will hier Risse.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Diese schönen Worte sind durch die Fakten nicht gedeckt. Es gab im Oktober — ich will eine einzige Tatsache zum Beweis in die Debatte einführen wie der Außenminister und andere bestätigen können, mündliche und schriftliche Bemühungen, zwischen Koalition und Opposition eine einmütige Auffassung in der Polen-Frage zu erzielen. In diesem Zusammenhang gibt es einen vertraulichen Schriftwechsel, aus dem ich aus unserem Brief, weil er in unserer Disposition steht, folgendes vorlesen möchte. Dann werde ich Ihnen die Antwort der Regierung sagen. Es heißt:
Unsere Bedenken beziehen sich vor allem darauf, daß nach Ihren Vorstellungen
— gemeint ist die Bundesregierung —
die Grenzfrage im Hinblick auf einen künftigen
Friedensvertrag nicht offenbleibt. Wir vermis-



Dr. Barzel
sen den klaren Friedensvertragsvorbehalt. Zu den anderen Fragen, die in unserem Beschluß behandelt sind, müßten Abreden, zumindest verbindliche Absichterklärungen beider Vertragspartner erfolgen. Im Hinblick auf die besondere Bedeutung und die parlamentarische Lage im Deutschen Bundestag bitte ich Sie nochmals, Ihre Position zu überprüfen.
Die Antwort der Bundesregierung: Es besteht kein Anlaß, sie zu überprüfen.
Hier hätte man miteinander weiter sprechen, miteinander weiter schreiben können und müssen, wenn man Gemeinsamkeit gewollt hätte und nicht das Gegenteil.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wenn es gewünscht wird, können wir diese Debatte mit anderen Vorgängen, bis in die letzten Tage und Stunden, weiter anreichern. Ich habe nicht die Absicht, dies ohne Not zu tun.
Herr Bundeskanzler, nun komme ich auf den Punkt, den ich nur in Ihrer Gegenwart sagen kann. Sie waren so freundlich, mir eine Zwischenfrage zu erlauben, nachdem Sie appelliert hatten, den Ungeist usw. hier nicht ausbrechen zu lassen. Meine Frage hieß:
Herr Bundeskanzler, sind Sie bereit, hier zu erklären, daß dieser Ungeist, von dem Sie sprechen, nicht von der Opposition ausgeht, und dies selber dadurch glaubhaft zu machen, daß Sie sich hier von der Erklärung von Günter Graß und dessen Vorwürfen gegen die Führung der Opposition distanzieren?
Das ist das Protokoll. Nach dem Protokoll lautet Ihre Antwort:
Ich weiß nicht, was Günter Graß, der hier selbst nicht zu Wort kommen kann, in dieser Debatte zu suchen hat.

(Lachen bei der CDU/CSU.)

— Moment, es kann sein, daß der Bundeskanzler — das geht jedem von uns mal so — nicht gegenwärtig hatte, was Graß gesagt hat. Daraufhin ist mein Kollege von Wrangel hier heraufgekommen und hat dieses Zitat, Herr Bundeskanzler, in die Debatte eingeführt und Sie gebeten, doch das vom Tisch zu nehmen, indem Sie in irgendeiner Weise — das hat Sie ja in vergangenen Fällen solcher Art geehrt — einen klaren Trennungsstrich ziehen. Sie haben dies nicht getan, Herr Bundeskanzler. Ich bin im wesentlichen hier heraufgekommen, um Sie noch einmal zu bitten, dies zu tun.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Denn sonst, Herr Bundeskanzler, wird eben draußen im Lande und hier im Hause noch viel schrecklicher geredet, und dann produziert dieses Sich-nichtDistanzieren jene Radikalität, von der Sie heute verbal gesagt haben, daß Sie degegen seien. Tun Sie hier etwas degegen, indem Sie sich distanzieren, Herr Bundeskanzler!

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Dann ist von Herrn Steffen die Rede gewesen. Das ist ein Mitglied der sozialdemokratischen Führung.

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern]: „Ich mag ihn" !)

Herr Bundeskanzler, er hat „physische Gewalt" — ich zitiere nach den „Lübecker Nachrichten" vom 31. Januar 1971 — bei politischen Auseinandersetzungen nicht ausgeschlossen. Er hat sich in einem Aufsatz in der „Nordwoche" dagegen gewehrt, daß es jetzt einen „modernen Faschismus" gebe. Wenn es ihn gäbe, würden wir ihn sicher miteinander bekämpfen; das ist gar keine Frage. Aber wie hat er ihn formuliert? Ich zitiere jetzt Ihren Parteifreund Jochen Steffen:
Ihre SS trägt keine schwarzen Uniformen und errichtet keine Konzentrationslager. Ihre SS heißt Strauß und Springer und will deutsche Kapitalherrschaft in der EWG und ungestörte Meinungsmache, beides mit dem Finger am Abzugsbügel atomarer Raketen.

(Buh-Rufe und Pfui-Rufe von der CDU/CSU. — Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Unglaublich! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU: Unerhört!)

Herr Bundeskanzler, das ist die Sprache, die in diesem Land Verständigung immer schwerer macht.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0610213800
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID0610213900
Ich möchte an dieser Stelle keine Zwischenfrage beantworten.
Es hat dann der Kollege Ehmke bestritten, daß er die Sätze gesagt hat, die in früheren Debatten eine Rolle gespielt haben. Herr Kollege Ehmke, ich habe gleich zwei Unterlagen mitgebracht, einmal den vom Bundespresseamt wie üblich verteilten Text der Fernsehansprache, die Sie gehalten haben, und zweitens denselben Text aus dem Bulletin vom 8. Dezember 1970. Der Text heißt gleichlautend — und das zitiere ich, weil eben Herrn von Guttenberg Unrecht geschehen ist auf seine Zwischenfrage —:
Wer glaubt, die Hoffnung auf eine Änderung bewahren oder gar jungen Menschen beibringen zu sollen, daß sie auf diese Änderung warten sollten, der muß wissen, daß er mit dem Krieg spielt. Wir aber wollen Frieden.
Das ist das korrekte Zitat, Herr Kollege Ehmke, aus beiden Stellen. — Bitte schön, Herr Kollege.

Dr. Horst Ehmke (SPD):
Rede ID: ID0610214000
Herr Kollege Barzel, dann werden Sie mir doch sicher zugeben, daß dieses Zitat sehr anders lautet und in einem anderen Zusammenhang steht, als es sowohl Herr Marx als auch Herr Strauß als auch Herr von Wrangel gebracht haben. Die haben mir nämlich unterstellt,

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Zwei Sätze vorher!)




Bundesminister Dr. Ehmke
ich hätte gesagt — das haben Sie sicher gehört -, wer gegen die Verträge sei, spiele mit dem Krieg. Davon habe ich kein Wort gesagt.

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID0610214100
Herr Kollege Ehmke, ich verstehe diese Intervention wohl richtig: Sie wollen uns nicht vorwerfen, daß wir mit dem Krieg spielen. Damit ist das vom Tisch.
Damit wäre das auch ein gutes Beispiel für den Kollegen Wienand, der auf dem Bogen seiner Partei am 12. Dezember erklärt hat:
Wer Widerstand gegen diese Ostpolitik leistet, der will nicht Verständigung, der will nicht Versöhnung, der will nicht Frieden, und wer den Frieden nicht will, der sät den Krieg.
Dieser Satz muß vom Tisch, meine Damen und Herren! So kann man nicht miteinander diskutieren.

(Beifall bei der CDU/CSU. Zuruf von der CDU/CSU: Wienand vor!)

Das darf nicht sein. Wenn so etwas gesagt wird und man sich hier bei der Feststellung meines Kollegen Wörner erregt, daß man verschweigt, daß anderen Menschenrechte vorenthalten werden, dann, meine Damen Herren, wird hier in der Tat eine höchst merkwürdige Basis in der Führung der Debatte herbeigeführt.
Herr Bundeskanzler, finden Sie einen Weg, in irgendeiner Weise das von Steffen und das von Graß vom Tisch zu bringen, nachdem ich eben die Erklärung meines Kollegen Ehmke auch so interpretiert habe.
Um auf einen innenpolitischen Punkt zu kommen: Sie haben hier ich fand eigentlich: sehr gut — zu Fragen gesprochen, die mit der Rechtsordnung zusammenhängen, vor allem zu Fragen der Pornographie. Nur kann man hier nicht alles auf einmal machen. Ich möchte ein paar Sätze aus der Begründung der Regierungsvorlage Bundestagsdrucksache VI/1552 — das ist ein Gesetzentwurf der Regierung, der Sie vorsitzen; er ist am 4. Dezember 1970 mit Ihrer Unterschrift dem Hause zugeleitet worden — vorlesen. In der Begründung zu § 184 a heißt es:
Pornographische Schriften massiver Art sind bisher überwiegend aus dem Ausland eingeführt worden. Wahrscheinlich werden sie nach dem Inkrafttreten des neuen § 184 in erheblichem Umfang von inländischen Produzenten hergestellt werden. Der größere Umsatz sowie der Wegfall des Einziehungsrisikos und der Transportkosten werden vermutlich zu einem Sinken der Preise führen. Es ist danach zu erwarten, daß das pornographische Material einen größeren Personenkreis erreichen wird als bisher ...
Usw., usw.

(Zurufe, Lachen und Beifall bei der CDU/CSU.)

Herr Bundeskanzler, ich kann verstehen, daß Sie, nachdem Herr Kollege Wehner schon Ihren Justizminister hier öffentlich, wie man volkstümlich sagt, in die Pfanne gehauen hat und nachdem Sie sehen, welche Bewegung in dieser Frage im deutschen Volk
entstanden ist, das nicht mehr wahrhaben wollen. Aber dann ziehen Sie doch die Sache zurück! Dann ist doch der Streit beendet.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Herr Bundeskanzler, Sie haben uns in früheren Debatten und dem Kollegen Strauß heute morgen Unrecht getan. Sie haben gefragt das ist eine wichtige Frage, eine Frage, die jeder hier in diesem Hause begreift —: Was soll herauskommen, wenn man die Zukunft der Wirtschaft schwarz in schwarz malt? Nun, da kann man sagen: Was soll herauskommen, wenn man sie rot in rot malt? Gutes kann doch nur herauskommen, wenn man die Wahrheit über die Lage sagt und sie nicht beschönigt.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Der Herr Kollege Strauß hat heute morgen die Wahrheit in den Worten Ihres Freundes Klasen dargestellt. Das ist der Bundesbankpräsident. Der hat eine ernste Sorge; die spricht er aus. Aber wenn wir sie als Opposition aussprechen in diesem Hause, wie es unsere Pflicht ist, dann heißt es, dies sei schwarz in schwarz, eine übertriebene Opposition, es sei Panikmache, und wie die Worte alle heißen. Herr Bundeskanzler, in dem Punkt finden wir uns in einem Satz. Sie haben soeben gesagt: „Die Menschen draußen im Lande wissen es besser". Das ist richtig.

(Sehr gut! und Beifall bei der CDU/CSU.)

Die Menschen draußen im Lande wissen besser, daß diese Sorge berechtigt ist. Sie haben heute wieder Ihre großen Worte und Ihre großen Ankündigungen gehört. Aber wir haben nicht gehört, wer das bezahlen soll.
Wenn ich die großen Worte von heute in Sachen Mitbestimmung mit der kleinen Vorlage von gestern vergleiche, dann habe ich nur eine einzige Hoffnung auf Grund dieser Worte. Die Anregung des Arbeitsministers von gestern abend war anders als die erste Einlassung des ersten Sprechers der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion, der gestern morgen hier einfach sagte: Wir machen das mit der Koalition. — Ich gucke Sie an, Herr Kollege Schellenberg. Wir alle wissen ja, wie Sie so etwas können. — Der Bundesarbeitsminister hat gestern abend gesagt, es werde keine Koalitionsguillotine geben. Das finde ich eine sehr gute Bemerkung. Erstens zeigt das, daß es sie sonst gegeben hat, und zweitens zeigt das, daß der Bundesarbeitsminister offensichtlich bereit ist, eine sachliche Aussprache über beide Gesetzentwürfe im zuständigen Ausschuß herbeizuführen und nicht einfach ein Abschmieren des Entwurfs der CDU/CSU, der besser ist.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Herr Bundeskanzler, wenn Sie irgendein Interesse hätten, sich ausgerechnet mit Tatsachen zu beschäftigen, und nicht glaubten, das, was wir sagen, stimme alles nicht, dann möchte ich Ihnen doch empfehlen, die Londoner „Times" von heute zu lesen. Dort finden Sie eine Darstellung der ökonomischen und finanzpolitischen Situation in unserem Lande, die in den Zahlen völlig mit dem übereinstimmt,



Dr. Barzel
was die Opposition seit Beginn dieser Debatte durch ihre Sprecher Leicht, Althammer und heute morgen durch den Kollegen Strauß vorgetragen hat. Dort wird völlig klar gesehen, daß hier entweder die Steuern erhöht oder die Programme reduziert werden müssen oder — wahrscheinlich — beides geschehen muß. Meine Damen und Herren, das können Sie heute nachlesen in der Londoner „Times”. Ich will Sie damit nicht langweilen. Da haben Sie hervorragende Mitteilungen über die wirkliche Lage.

(Zuruf des Abg. Mattick.)

Herr Bundeskanzler, ich würde Ihnen wirklich empfehlen, die Sache Steffen und die Sache Günter Graß in geeigneter Weise vom Tisch zu bringen. So können Demokraten nicht miteinander umgehen, daß hier etwas offenbleibt. Herr Bundeskanzler, dieses Haus hier ist ein guter Platz, und diese Opposition hat noch jedem honoriert, wenn er einen honorigen Standpunkt einnimmt.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0610214200
Das Wort hat der Bundesfinanzminister.

Dr. Alex Möller (SPD):
Rede ID: ID0610214300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich, bevor ich einige Bernerkungen zu Herrn Kollegen Barzel mache, beim Abschluß dieser Haushaltsberatungen zunächst noch einmal die wichtigsten zeitlichen Daten dieses Bundeshaushalts 1971 in Erinnerung rufen.
Wenige Wochen nach Verabschiedung des Bundeshaushalts 1970 hat die Bundesregierung am 9. Juli 1970 über den Haushaltsentwurf 1971 und den Finanzplan 1970 bis 1974 beschlossen. Am 23. September 1970 ist der Bundeshaushalt im Deutschen Bundestag eingebracht und gleichzeitig dem Bundesrat zugeleitet worden. In diesem Hohen Haus sind Ende September, Anfang Oktober bei der ersten Beratung die großen Linien des Haushaltsentwurfs und des Finanzplans diskutiert worden. Der Bundesrat hat am 23. Oktober 1970 im ersten Durchgang über die Vorlage beraten. Schließlich haben die Kollegen des Haushaltsausschusses in der Zeit vorn 15. Oktober 1970 bis zum 21. Januar 1971 in wochenlangen anstrengenden Beratungen um die vielen Einzelpositionen dieses Haushalts gerungen.
Sie alle, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, haben dann seit der vergangenen Woche bis heute zur dritten Lesung, viele, sehr viele Stunden über den Haushalt beraten. Ich möchte Ihnen allen, ganz besonders aber den Kolleginnen und Kollegen des Haushaltsausschusses und seinem Vorsitzenden, dem Herrn Kollegen Leicht, für die aufopferungsvolle Arbeit aufrichtig danken. In diesen Dank schließe ich meine Mitarbeiter im Bundesfinanzministerium ein, die sich in hervorragendem Einsatz um die bestmöglichen Lösungen einer zeitgerechten Haushaltsplanung bemüht haben.

(Beifall.)

Um den Bundeshaushalt 1971, den dieses Hohe Haus heute verabschieden wird, ist lange und hart gekämpft worden. Ich bitte um Verständnis, daß mir daran liegt, in diesem Schlußstadium noch auf einige wenige finanzwirtschaftliche Fragen zum Bundeshaushalt 1971 einzugehen.
Zunächst eine grundsätzliche Bemerkung zu den Entschließungsanträgen, die die Haushaltsführung 1971 betreffen. Die Opposition fordert die Bundesregierung auf, durch geeignete Bewirtschaftungsmaßnahmen sicherzustellen, daß von den Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen des Haushaltsplans 1971 zunächst nur zurückhaltend Gebrauch gemacht wird. Sie verlangt, daß die volle Freigabe erst dann erfolgen solle, wenn das nach den jeweiligen neuesten konjunkturellen Daten unter Beachtung der gleichrangigen Ziele des Stabilitätsgesetzes erforderlich und vertretbar sei.
In der Debatte über den Jahreswirtschaftsbericht haben Sie das Gespenst einer Rezession an die Wand gemalt. Jetzt halten Sie es für notwendig, darauf hinzuweisen, daß der Bundeshaushalt 1971 nach seiner ganzen Anlage einen außergewöhnlichen Konjunkturanreiz darstelle, und begründen diese Behauptung mit der Nettokreditaufnahme des Bundes, mit einer voraussichtlichen Ausgabensteigerung von über 15 v. H. und mit zusätzlichen Risiken in Milliardenhöhe. Dieser Antrag, meine Damen und Herren, läßt sich ernsthaft nur dann erörtern, wenn Sie zuvor erklären, daß Sie die Gefahr einer Rezession nicht sehen. Solange dies nicht geschieht, ist mir Ihr Antrag unverständlich, weil er unlogisch
ist.
Lassen Sie mich folgendes hinzufügen: Das Abschlußergebnis des Bundeshaushalts 1970 hat gezeigt, daß es der Bundesregierung während des Jahres 1970 ernst damit war, eine konjunkturgerechte Haushaltspolitik zu verfolgen, wie es das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz bietet. Die Bundesregierung wird auch die Haushaltsführung 1971 unter diese Verpflichtung stellen.
Darüber hinaus gibt die Bundeshaushaltsordnung dem Bundesfinanzminister die Möglichkeit, im Wege der Betriebsmittelbewirtschaftung und notfalls auch durch Anordnung haushaltswirtschaftlicher Sperren den finanziellen Entwicklungen im Laufe des Haushaltsjahres Rechnung zu tragen. Die Bundesregierung wird — wie es im Schlußsatz des Entschließungsantrags der Koalitionsfraktionen gefordert wird — einen im zeitlichen Ablauf des Jahres konjunkturgerechten Vollzug des Bundeshaushalts 1971 sicherstellen.
Meine Damen und Herren, nachdem auch Herr Kollege Strauß die Polemik der Opposition zum Ablauf des Bundeshaushalts 1970 in seiner heutigen Rede fortgesetzt hat, möchte ich nochmals mit aller Deutlichkeit einige Worte zur Klarstellung sagen. Nahezu während des ganzen Jahres 1970 wurde ich von der Opposition in unerfreulichen und unfruchtbaren Auseinandersetzungen beschuldigt, eine expansive Ausgabenpolitik zu betreiben. Hierbei hatte man den Eindruck, daß es der Opposition nicht nur um einen ernsthaften politischen Meinungsaustausch ging — der immer zu begrüßen



Bundesminister Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
ist—, sondern ebenso um den Versuch, Unsicherheit in der Wirtschaft und in der Bevölkerung zu verbreiten. Das sage ich hier mit allem Nachdruck auch im Hinblick auf die letzten Ausführungen des Herrn Kollegen Barzel. Wenn in den ersten Monaten des Haushaltsjahres 1970 die Steigerungsraten relativ hoch waren, so hatte das besondere Gründe, auf die ich immer wieder hingewiesen habe. Ich muß zusammenfassend nochmals folgendes feststellen:
Erstens: Es ist gelungen, den Ausgabenzuwachs auf 7 v. H. gegenüber einem Haushaltssoll von 9 v. H. zu beschränken. Das Wachstum des Sozialprodukts betrug demgegenüber mehr als 12 v. H.
Zweitens: Der Bundeshaushalt 1970 wurde ohne Fehlbetrag abgeschlossen.
Drittens: Dieses Ergebnis ist trotz Steuermindereinnahmen in Höhe von 2,8 Milliarden DM zustande gekommen.
Viertens: Der Konjunkturausgleichsrücklage sind 1,5 Milliarden DM zugeführt worden.
Fünftens: Die Kreditaufnahme zur Haushaltsfinanzierung beschränkte sich auf 243 Millionen DM.
Sechstens: Aus dem so gestalteten Haushalt wurden investive Ausgaben in Höhe von 14,3 Milliarden DM geleistet.
Siebentens: Der Bund hat kurzfristige Schulden getilgt und dafür langfristige Kredite aufgenommen. Der Konsolidierungseffekt von U-Schätzen und Kassenobligationen zusammen macht 1,2 Milliarden DM aus.
Diese Tatsachen, meine Damen und Herren, widerlegen eindeutig die düsteren Prognosen der Opposition zur Haushaltsführung 1970 und beweisen, daß die von Herrn Kollegen Strauß aufgestellte Behauptung, daß auch dieser Haushalt ein Krisenherd gewesen sei, in keiner Weise mit den Realitäten in Zusammenhang gebracht werden kann.
Weiter muß ich feststellen, daß Ihre Unkenrufe hinsichtlich des Bundeshaushalts 1970 ebensowenig berechtigt waren, wie es jene düsteren Bilder sind, die Sie bei der Debatte über den Jahreswirtschaftsbericht schwarz und schwärzer an die Wand gemalt haben. Lassen Sie es mich allgemein wie folgt formulieren: Sie haben in den finanzpolitischen Debatten seit dem Regierungswechsel recht weitgehend von düsterer Prophetie gelebt. Das ist sicher Ihre Sache. Uns kommt es auf das Ergebnis an, das jetzt vorliegt. Es spricht nicht für Ihre prophetische Gabe, sondern für unsere Politik.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

In seiner letzten Sitzung hat der Arbeitskreis Steuerschätzungen die bisherigen Ansätze für die Steuereinnahmen der Jahre 1972 bis 1974 reduziert.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0610214400
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Leicht?

Dr. Alex Möller (SPD):
Rede ID: ID0610214500
Nein, ich möchte jetzt zunächst einmal meine Darstellung abschließen.
Die Differenz zwischen früherer und jetziger Schätzung beträgt für die Jahre 1972 bis 1974 5,8 Milliarden DM von insgesamt 317 Milliarden DM. Diese beiden Zahlen muß man miteinander vergleichen, wenn man zu einem einwandfreien Schluß kommen Will.
Die neuen Schätzungen entsprechen der Größenordnung, mit der wir seit Bekanntwerden der Ist-Ergebnisse 1970 gerechnet haben und mit der bei der neu begonnen Fortschreibung der Finanzplanung des Bundes bis 1975 bereits gearbeitet wird.
Die Schätzung für die Jahre 1972 bis 1975 geht entsprechend der gesamtwirtschaftlichen Zielprojektion von einer Wachstumsrate des Bruttosozialprodukts von jährlich 6,75 v. H. aus; zugrunde liegt also ,der mittelfristige Trend. Vor der Verabschiedung des Entwurfs des Bundeshaushalts 1972 und der Fortschreibung der mittelfristigen Finanzplanung bis 1975 durch die Bundesregierung wird der Arbeitskreis Steuerschätzungen noch einmal zusammentreten. Die Ergebnisse werden selbstverständlich in unseren neuen Vorlagen berücksichtigt.
Herr Kollege Strauß hat vor einigen Tagen erklärt, die gegenwärtig zu verzeichnenden Steuerausfälle seien eine Folge der konjunkturpolitischen Fehler der Bundesregierung. Sie, Herr Kollege Strauß, wissen — Sie haben es auch öffentlich gesagt —, daß 3,5 Milliarden DM vorgezogene Steuerzahlungen in 1969 geleistet worden sind, die in den Folgejahren naturgemäß fehlen müssen. Wenn Sie diese Beträge dem Jahr 1970 hinzurechnen, sieht das Ergebnis für das vergangene Jahr völlig anders aus. Dann aber fällt Ihre Behauptung, die sinkenden Steuereingänge seien die Folge von konjunkturpolitischen Fehlern, in sich zusammen. Aber diesen von Ihnen selbst entwickelten Gedankengang wollen Sie natürlich nicht zu Ende denken.
Wir sind im Jahre 1970 sowohl unter konjunkturellen als auch unter haushaltswirtschaftlichen Gesichtspunkten mit der neuen Situation fertig geworden und außerdem in der Verwirklichung unserer Ziele ein beachtliches Stück vorangekommen. Das wird auch für 1971 und die späteren Jahre so sein. Heute ist aber diese Perspektive nicht unser Thema, denn wir sprechen über den Bundeshaushalt 1971, nicht über die fortzuschreibende mittelfristige Finanzplanung und noch weniger über die Haushaltslage 1974.
Ich habe bereits in der zweiten Lesung darauf hingewiesen, daß ,die Bundesregierung ihre Auffassungen zum Arbeitsprogramm für innenpolitische Vorhaben im einzelnen dann darstellen wird, wenn die Beantwortung der Großen Anfrage der CDU/ CSU erfolgt. Nach einigen weiteren Bemerkungen habe ich hinzugefügt: „Dabei ist natürlich die Frage der Finanzierung von entscheidender Bedeutung." Mit dieser Feststellung befinde ich mich in voller Übereinstimmung mit der Beurteilung der Lage durch den Herrn Bundeskanzler. Der Herr Bundeskanzler hat im Plenum am 2. Februar folgendes erklärt:
Wenn wir ... im nächsten Monat umfassend
über unsere Reformvorhaben berichten und



Bundesminister Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Müller
diskutieren, dann wird in aller Offenheit darzulegen sein, was in dieser Legislaturperiode durchgeführt werden kann und was eines längeren Zeitraums bedarf ... obwohl die Planungen deswegen nicht auf die lange Bank geschoben werden dürfen.
Am 3. Februar hat der Herr Bundeskanzler dasselbe mit folgenden Worten wiederholt:
Reformpolitik hat, richtig verstanden, nur dann ihren Sinn, wenn man sozusagen auf breiter Front vorrückt, wobei das Tempo in dem einen oder dem anderen Bereich verschieden sein kann, aber kein Bereich völlig ausgespart bleiben darf. Das ist der Kurs, dem wir folgen.
Heute, am 12. Februar, hat der Herr Bundeskanzler ähnliche Bemerkungen gemacht.
Trotz dieser seiner Darstellungen am 2. Februar, am 3. Februar und am 12. Februar arbeiten Sie nach wie vor mit Unterstellungen, die in keiner Weise mit dem übereinstimmen, was die Bundesregierung, insbesondere in diesen drei von mir genannten Zitaten des Herrn Bundeskanzlers, erklärt hat. Insbesondere seine Feststellung „Das ist der Kurs, dem wir folgen." möchte ich persönlich unterstreichen.
Dieser Kurs paßt Ihnen ebensowenig wie diese Regierung. Darüber brauchen wir gar nicht mehr zu reden. Sie beschäftigen sich ständig und abwehrend mit dem Begriff „innere Reformen", weil Ihnen zur Sache selbst bisher nur sehr wenig eingefallen ist.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Es ist für mich einfach eine unverständliche Unterstellung, wenn Herr Kollege Strauß heute behauptet, wir trieben mit dem Begriff „innere Reformen" eine verschwenderische Verwendung. Herr Kollege Strauß, wenn Sie die Möglichkeit gehabt hätten, der zweiten Lesung des Haushalts hier im Hause beizuwohnen, hätten Sie von jedem Minister, angefangen bei der Kollegin Strobel bis hin zum Arbeitsminister, hören können, welche inneren Reformen wir in Angriff genommen haben und daß in diesen 15 Monaten mehr in Bewegung gekommen ist, als Sie wahrhaben möchten.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Wörner: Ins Rutschen! — Abg. Stücklen: Die Preise sind in Bewegung gekommen!)

Meine Damen und Herren, Sie sind — das werden Sie ja wohl nicht bestreiten — jahrelang nach der Devise „Keine Experimente!" angetreten. Sie haben dabei zuviel an den Tag und zuwenig an die Zukunft gedacht. Das Geld, das in der Kasse war, wurde ausgegeben, manchmal auch mehr. Aber Zielvorstellungen darüber, was dieses Land auf mittlere Sicht braucht, sind in der Bundespolitik erst entwickelt worden, seitdem Sozialdemokraten in der Regierungsverantwortung stehen.

(Beifall bei der SPD.)

Seit dieser Zeit verändert sich auch das öffentliche Bewußtsein. Die Bürger erkennen mit uns, daß man Zielvorstellungen braucht,

(Abg. Dr. Stark [Nürtingen] : Und wählen deshalb CDU!)

wenn wir politisch nicht von der Hand in den Mund leben wollen.
Wer über Zielvorstellungen verfügt, kann überhaupt planen. Und wenn man geplant hat, ist zu überlegen, in welchem Zeitraum Pläne zu finanzieren sind. Diese Überlegung ist nicht einmal, wie Sie irrtümlicherweise immer wieder annehmen, sondern stets von neuem anzustellen. Daß sich dabei Veränderungen ergeben können, ist nichts Unnatürliches.
Sie von der Opposition — das zeigen 17 Jahre CDU-geführter Bundespolitik — wollten sich aber das Entwickeln von Zielvorstellungen und die mühsame Arbeit des Planens ersparen. Daran hat sich — obwohl wir in der Großen Koalition in dieser Hinsicht Hoffnung schöpften — offenkundig bis heute nichts geändert: Meine Damen und Herren, das ist der Kernpunkt, in dem sich Ihre Politik von der unseren unterscheidet.
Herr von Wrangel meinte, die Regierungskoalition zeige immer wieder eine gereizte Intoleranz. Sie werden es mir nicht übelnehmen, wenn ich Ihnen den Vorwurf zurückgebe. Ein aufmerksames Studium der Protokolle der Sitzungen des Deutschen Bundestages würde die Richtigkeit dieser meiner Behauptung beweisen.
Herr Strauß äußerte, wir könnten eine sachlich scharfe Kritik nicht ertragen. Uns ist an einer sachlich scharfen, zugleich aber konstruktiven Kritik immer gelegen. Aber Sie können und dürfen eben nicht nur kritisieren, sondern Sie müssen daneben auch brauchbare Alternativen vorlegen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Nur wenn Sie das tun, kann es zu einer fruchtbaren Diskussion kommen.
Sie verweisen immer auf die Tatsache, daß wir in der Bundesrepublik Deutschland, zumindest in Bonn, eine 20jährige Herrschaft der Union gehabt hätten und daß diese Regierung nur darauf aufbauend zu arbeiten in der Lage wäre. Ich finde, das ist eine Selbstüberheblichkeit, die man nur bedauern kann angesichts der Tatsache, daß das, was wir seit 1945 geschaffen haben, nur durch eine großartige Gemeinschaftsleistung des ganzen deutschen Volkes erreicht werden konnte.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Stücklen: Und jetzt macht das die Regierung allein! — Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Das ist der dialektische Unterschied!)

Was in diesen 20 Jahren von 1945 bis 1966 erreicht worden ist, wissen wir alle. Wir wissen insbesondere, wem das, was in den ersten Jahren nach 1945 erreicht worden ist, zuzuschreiben ist. Mehr will ich nicht sagen. Ich bitte Sie aber doch, über diese Tatsachen nachzudenken. Ohne den Einsatz



Bundesminister Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
der Menschen in den Jahren nach 1945 hätten Sie gar nicht die Möglichkeit gehabt, 1949 die Bundesregierung zu übernehmen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Herr Kollege Barzel hat dem Herrn Bundeskanzler unterstellt, er wolle keine Gemeinsamkeit. Als Mitglied des Kabinetts kann ich nur sagen, ich habe den Eindruck, daß sich der Bundeskanzler, der Herr Bundesaußenminister und die anderen in Frage kommenden Herren des Kabinetts immer wieder darum bemühen, die Führung der Opposition im frühestmöglichen Stadium über wichtige außenpolitische oder innerdeutsche Vorgänge zu unterrichten,

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Siehe BahrPapier!)

sehr oft sehr viel eher, als das gegenüber den Kabinettsmitgliedern geschieht. Daran nimmt kein Kabinettsmitglied Anstoß, weil uns daran liegt, daß die Opposition in den Schicksalsfragen unseres Volkes früh genug und ausreichend orientiert ist, damit sie in der Lage ist, die richtigen Maßstäbe an unsere Politik anzulegen und mit dazu beizutragen, daß sie sich konstruktiv weiterentwickeln kann.
Herr Kollege Barzel hat dann eine Anzahl von Vorgängen angeführt, auf die ich im einzelnen nicht eingehen will. Er hat das verbunden mit der Behauptung, daß der Ungeist nicht von der Opposition ausgehe, und hat den Wunsch geäußert, der Herr Bundeskanzler möge sich von einem hier vorgetragenen — wenn ich das richtig verstanden habe — indirekten Zitat distanzieren. Ich frage das Hohe Haus: Seit wann ist es üblich, daß man sich hier im Hohen Haus mit Äußerungen von Schriftstellern beschäftigt,

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Chef der „SPD — Wählerinitiative" !)

etwa in dem Sinne, daß wir die freie Betätigung von Schriftstellern einzuengen wünschen?

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der CDU/CSU.)

Das ist eine „Pinscher"-Mentalität, mit der wir uns nicht identifizieren.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Sie erwarten ferner von dem Herrn Bundeskanzler, daß er sich von einigen hier zitierten Äußerungen des Herrn Steffen, des Landesvorsitzenden der SPD in Schleswig-Holstein, distanziert. Daß das nicht ohne eine sorgfältige Prüfung des hier Vorgetragenen geschehen kann, ist wohl selbstverständlich. Aber ich will hier einmal — ich bin überzeugt davon, daß das die Auffassung der gesamten sozialdemokratischen Fraktion ist — ganz klar folgendes aussprechen: Es gehört zweifellos zur Stärke des Herrn Steffen, des Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei in Schleswig-Holstein, daß er niemals aus billigem Opportunismus darauf verzichtet hat, gesellschaftspolitische Perspektiven und Wandlungsprozesse, die er für notwendig hielt, auch beim richtigen Namen zu nennen. Das kann man nur anerkennen.

(Beifall bei der SPD.) Das ist bei uns in der Sozialdemokratischen Partei üblich, und davon mögen Sie bitte Kenntnis nehmen.


(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Heißt das, daß Sie das unterstützen?)

— Ich habe Ihnen erklärt, was wir über diese Äußerungen des Herrn Steffen zu sagen haben. Wir haben hier keine andere Erklärung abzugeben als die, die ich Ihnen vorgetragen habe.

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Das ist deutlich genug!)

Ich habe eine grundsätzliche Bemerkung dazu gemacht, wie ich das Auftreten und das Wirken des Landesvorsitzenden der SPD in Schleswig-Holstein sehe, und ich bin davon überzeugt, daß meine Fraktion in dieser Beurteilung mit mir übereinstimmt.

(Beifall bei der SPD.)

Meine Damen und Herren, es ist sicher in der Debatte der letzten Tage sowohl mit Gründlichkeit und Skepsis vorgegangen worden als auch mit einer manchmal unnötigen Verschärfung der Situation. Aber Sie haben gesehen, daß die Koalitionsfraktionen und die Bundesregierung jeder Debatte zu jedem Einzelplan gewachsen waren, daß wir an Stelle von Unterstellungen Leistungen und Argumente gesetzt haben. Und so wird es auch in den nächsten Jahren bleiben.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610214600
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Althammer.

(Ahg. Dr. Marx [Kaiserslautern]: Endlich jemand, der sachlich redet!)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0610214700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Angesichts der vorgerückten Zeit verzichtet die Fraktion der CDU/CSU darauf, die Entschließungsanträge im einzelnen zu begründen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich darf für sämtliche Entschließungsanträge der CDU/CSU hiermit den Antrag stellen, diese Anträge an die zuständigen Ausschüsse zu überweisen.
Es gilt eine einzige Ausnahme, bei der, wie ich informiert bin, die Fraktion der SPD eine Abstimmung zur Sache wünscht. Zu diesem einen Antrag wird noch gesprochen werden.
Ich darf namens der Fraktion der CDU/CSU angesichts der Wichtigkeit der Schlußabstimmung des Bundeshaushalts 1971 die namentliche Abstimmung für die dritte Lesung beantragen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610214800
Wird weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache.
Meine Damen und Herren, ich darf zuerst einmal festhalten, daß alle Änderungsanträge zurückgezogen sind, so daß die Einzelpläne nicht mehr zur Abstimmung kommen, sondern nur die Entschließungs-



Vizepräsident Dr. Jaeger
anträge zu den Einzelplänen. Hierüber besteht Einverständnis.
Ich rufe den Entschließungsantrag Umdruck 149 (neu) 1) der Fraktion der CDU/CSU zum Einzelplan 06, Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern, auf. Das Wort wird nicht gewünscht. Der Antrag soll dem Haushaltsausschuß überwiesen werden. -- Darüber besteht Einverständnis.
Ich rufe den Entschließungsantrag Umdruck 140 2) der Fraktion der CDU/CSU auf. Dieser Antrag soll dem Haushaltsausschuß überwiesen werden. — Kein Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Ich rufe den Entschließungsantrag Umdruck 157 3) der Fraktion der CDU/CSU auf. Er soll dem Haushaltsausschuß überwiesen werden. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe die Entschließungsanträge der Fraktion der CDU/CSU Umdrucke 141 4), 142 5), 143 6) auf. Diese Anträge sollen dem Haushaltsausschuß — federführend — und dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — mitberatend — überwiesen werden. — Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU Umdruck 144 7) auf. Dieser Antrag soll an den Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen federführend — und an den Haushaltsausschuß — mitberatend — überwiesen werden. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe den Entschließungsantrag der Fraktion der
CDU/CSU Umdruck 158 8) auf. Dieser Antrag wird dem Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit — federführend — und dem Haushaltsausschuß — mitberatend — überwiesen. Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU Umdruck 150 9) auf. Dieser Antrag soll dem Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit — federführend — und dem auswärtigen Ausschuß — mitberatend — überwiesen werden. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Wir kommen nunmehr zum Haushalt des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen und damit zum Umdruck 151 10). Soll hier die Überweisung an den Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen erfolgen?

(Abg. Hermsdorf [Cuxhaven] : Nein, das ist eine Aufforderung des Parlaments an die Regierung!)

— Zur Geschäftsordnung Herr Hermsdorf, bitte!
1) Siehe Anlage 2
3) Siehe Anlage 3
3) Siehe Anlage 4
4) Siehe Anlage 5
5) Siehe Anlage 6
6) Siehe Anlage 7
7) Siehe Anlage 8 8) Siehe Anlage 9
9) Siehe Anlage 10
10) Siehe Anlage 11

Hans Hermsdorf (SPD):
Rede ID: ID0610214900
Es hat keinen Sinn, diesen Antrag zu überweisen. Das ist ein Appell an die Regierung. Ich bitte, den Antrag anzunehmen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610215000
Gut. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Keine Gegenstimme. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Damit, meine Damen und Herren, komme ich zum Haushaltsgesetz. Einzelanträge liegen nicht vor, nur Entschließungsanträge, über die im Anschluß an das Gesetz abgestimmt wird.
Es ist namentliche Abstimmung beantragt. Ich eröffne die Schlußabstimmung in dritter Lesung über das Haushaltsgesetz 1971.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, Ihre Stimmkarten abzugeben, soweit es noch nicht geschehen ist. Außerdem bitte ich Sie, im Saal zu bleiben. Die Beratung geht auch nach der Schlußabstimmung weiter. Es sind noch Entschließungsanträge zu verabschieden.
Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt. Von den uneingeschränkt stimmberechtigten Mitgliedern des Hauses haben 426 abgestimmt. Mit Ja haben 223, mit Nein 203 Abgeordnete gestimmt. Keine Enthaltungen. Von den Berliner Abgeordneten haben 18 abgestimmt, davon 11 mit Ja und 7 mit Nein. Die Abstimmung ist positiv ausgegangen; der Gesetzentwurf ist angenommen.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 424 und 18 Berliner Abgeordnete; davon
Ja: 221 und 11 Berliner Abgeordnete
Nein: 202 und 7 Berliner Abgeordnete
Enthalten: keine
Ungültig: 1 Abgeordneter
Ja SPD
Dr. Ahrens Anbuhl
Dr. Apel
Arendt (Wattenscheid)

Dr. Arndt (Hamburg)

Baack
Baeuchle Bäuerle
Barche
Dr. Bardens Batz
Bay
Dr. Bayerl

(Gau Algeshelm Becker Dr. Beermann Bergmann Berkhan Berlin Biermann Böhm Börner Frau von Bothmer Brandt Brandt Bredl Brück Buchstaller Dr. von Bülow Dr. Bußmann Collet Cramer Dr. von Dohnanyi Dürr Eckerland Dr. Ehmke Frau Eilers Dr. Enders Engholm Dr. Eppler Esters Dr. Farthmann Fiebig Dr. Fischer Folger Franke Frehsee Frau Freyh Fritsch Geiger Gertzen Glombig Gnädinger Grobecker Dr. Haack Haar Haase Halfmeier Hansen Hansing Hauck Dr. Hauff Henke Frau Herklotz Hermsdorf Hirsch Höhmann Hörmann Horn Frau Huber Dr. Hupka Jahn Jaschke Junghans Junker Kaffka Kahn-Ackermann Kater Kern Killat-von Coreth Koenig Kohlberger Konrad Dr. Kreutzmann Krockert Kulawig Langebeck Dr. Lauritzen Frau Lauterbach Leber Lemp Lemper Lenders Liedtke Löbbert Dr. Lohmar Lotze Maibaum Marquardt Marx Matthes Matthöfer Frau Meermann Dr. Meinecke Michels Möhring Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller Müller Müller Dr. Müller-Emmert Dr. Müthling Neemann Neumann Dr. Nölling Offergeld Frhr. Ostman von der Leye Pawelczyk Peiter Pensky Peters Porzner Raffert Ravens Dr. Reischl Frau Renger Richter Rohde Rosenthal Roß Säckl Sander Saxowski Dr. Schachtschabel Dr. Schäfer Scheu Dr. Schiller Schiller Frau Schimschok Schirmer Schlaga Dr. Schmid Dr. Schmidt Dr. Schmitt-Vockenhausen Dr. Schmude Schoettle Schollmeyer Schonhofen Seibert Seidel Frau Seppi Simon Dr. Sperling Spillecke Staak Frau Strobel Strohmayr Suck Tallert Dr. Tamblé Frau Dr. Timm Tönjes Urbaniak Vit Walkhoff Dr. Weber Welslau Wende Wendt Westphal Dr. Wichert Wienand Wilhelm Wischnewski Wittmann Wolf Wrede Würtz Wüster Wuttke Wuwer Zander Zebisch Berliner Abgeordnete Dr. Arndt Heyen Frau Krappe Liehr Löffler Mattick Dr. Schellenberg Frau Schlei Dr. Seume FDP Dr. Achenbach Frau Dr. Diemer-Nicolaus Dorn Frau Funcke Gallus Geldner Genscher Graaff Grüner Helms Jung Kienbaum Kirst Kleinert Krall Logemann Mertes Mischnick Moersch Ollesch Peters Schmidt Wurbs Berliner Abgeordnete Borm Nein CDU/CSU Dr. Abelein Adorno von Alten-Nordheim Dr. Althammer Dr. Arnold Dr. Artzinger Baier Balkenhol Dr. Barzel Dr. Becher Dr. Becker Becker Berding Berger Bewerunge Biechele Dr. Birrenbach Dr. von Bismarck Bittelmann Blank von Bockelberg Dr. Böhme Frau Brauksiepe Breidbach Bremer Bremm Brück Burger Dr. Czaja Damm Dichgans Ehnes Engelsberger Erhard Erpenbeck Dr. Evers von Fircks Franke Dr. Franz Dr. Freiwald Dr. Frerichs Dr. Früh Dr. Fuchs Dr. Gatzen Frau Geisendörfer Geisenhofer Gerlach Gewandt Gierenstein Dr. Giulini Dr. Gleissner Glüsing Dr. Gölter Gottesleben Frau Griesinger Dr. Gruhl Freiherr von und zu Guttenberg Haase Dr. Häfele Härzschel Häussler Dr. Hammans Hanz von Hassel Hauser Dr. Hauser Dr. Heck Hein Frau Dr. Henze Dr. Hermesdorf Horstmeier Dr. Hubrig Hussing Dr. Huys Frau Jacobi Dr. Jaeger Dr. Jenninger Dr. Jobst Josten Dr. Jungmann Frau Kalinke Katzer Dr. Kempfler Kiechle Frau Klee Dr. Klepsch Dr. Kley Dr. Kliesing Krammig Krampe Dr. Kraske Dr. Kreile Frau Dr. Kuchtner Lampersbach Leicht Lensing Dr. Lenz Link Dr. Luda Lücke Majonica Dr. Martin Dr. Marx Mick Dr. Mikat Dr. Miltner Müller Dr. Müller-Hermann Mursch Niegel Dr. von Nordenskjöld Orgaß Ott Petersen Pfeifer Picard Pieroth Dr. Pinger Dr. Pohle Pohlmann Dr. Prassler Dr. Preiß Dr. Probst Rawe Dr. Reinhard Dr. Riedl Dr. Rinsche Dr. Ritgen Dr. Ritz Rock Röhner Rösing Rollmann Rommerskirchen Roser Ruf Russe Prinz zu Sayn-WittgensteinHohenstein Schlee Schedl Dr. Schmid-Burgk Dr. Schmidt Dr. h. c. Schmücker Dr. Schneider Frau Schroeder Schulte (Schwäbisch Gmünd; Dr. Schulze-Vorberg Seiters Dr. Siemer Solke Spilker Dr. Sprung Stahlberg Dr. Stark Dr. Stoltenberg Frau Stommel Storm Strauß Stücklen Susset von Thadden Tobaben Frau Tübler Dr. Unland Varelmann Vehar Vogel Vogt Volmer Wagner Dr. Wagner Frau Dr. Walz Dr. Warnke Wawrzik Weber Weigl Dr. Freiherr von Weizsäcker Windelen Winkelheide Wissebach Dr. Wörner Frau Dr. Wolf Baron von Wrangel Dr. Wulff Ziegler Dr. Zimmermann Zink Zoglmann Berliner Abgeordnete Benda Dr. Gradl Dr. Kotowski Müller Schmitz Wir kommen nunmehr zu den Entschließungsanträgen. Ich rufe den Entschließungsantrag Umdruck 128 Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich weiß, welche Ungeduld hier herrscht, um in die heimatlichen Gefilde zu kommen. Lassen Sie mich trotzdem ein kurzes Wort zu dem sagen, was dieser unser Antrag beinhaltet. Es geht darum, in diesem Jahr eine Haushaltsführung zu erreichen, die nicht gleich jetzt zu Beginn, bei Freigabe, in die Vollen geht. Wir haben auch im vergangenen Jahr, Herr Bundesfinanzminister — und da muß ich Ihnen doch widersprechen —, an dieser Stelle verlangt, erstens als Wachstumsrate nicht 9% zu nehmen, sondern sich mit 7 % zu begnügen. Wir haben Ihnen andere Vorschläge gemacht. Sie sagen heute, das Ergebnis sei wichtig. Eine solche Feststellung ist nicht richtig. Es kommt darauf an, wie es zu diesem Ergebnis gekommen ist. Etwas haben wir die Befriedigung, daß das Ergebnis in den Zahlen wenigstens dem entspricht, was wir ein Jahr vorher verlangt und Sie damals *)








(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0610215100
mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen abgelehnt haben.
Wir fordern Sie heute auf, wiederum den Haushalt so zu fahren, daß die Möglichkeiten des Haushalts, jeweils angepaßt an die neuesten Konjunkturdaten, ausgeschöpft werden. Es wäre gut, meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, wenn Sie dem zustimmten. Der Herr Bundesfinanzminister hat am 12. Januar dieses Jahres genau das in einer Stellungnahme in Arnheim zum Ausgang der EWG-Verhandlungen ausgedrückt. Ich möchte Ihnen das wörtliche Zitat ersparen. Es hieß, daß der Haushalt in den ersten Monaten restriktiv gefahren werden muß. Wir verlangen noch nicht einmal das, sondern weniger. Stimmen Sie also diesem Antrag zu!

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610215200
Das Wort hat der Abgeordnete Hermsdorf.

Hans Hermsdorf (SPD):
Rede ID: ID0610215300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Auftrage beider Koalitionsfraktionen möchte ich zu den Ausführungen des Kollegen Leicht folgende Bemerkung machen. Herr Kollege Leicht, es ist nicht richtig, daß Sie uns gezwungen haben, zu dem Resultat des Haushalts 1970 zu kommen. Wir haben bei der Schlußberatung des Haushalts 1970 eine Entschließung vorgelegt und dargestellt, in welcher Weise wir die Regierung auffordern, den Haushalt zu fahren. Das Ergebnis der Haushaltsführung 1970 beweist eindeutig, daß wir das Vertrauen zur Regierung haben können, daß auch der Haushalt 1971 entsprechend der Konjunktur gefahren wird.
Es läßt sich nicht leugnen, daß zwischen Ihrem Entschließungsantrag auf Umdruck 128 und unserem auf Umdruck 148 ein wesentlicher Unterschied ist. ihr Entschließungsantrag enthält ein gewisses Mißtrauen gegen diese Regierung. Wir haben volles Vertrauen zu dieser Regierung und haben in Umdruck 148 dargestellt, welche Auffassung wir haben, wie der Haushalt gefahren werden sollte. Ich bitte deshalb namens der Koalitionsfraktionen, den Umdruck 128 abzulehnen und Umdruck 148 anzunehmen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610215400
Wird weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Ich komme zur Sachabstimmung. Wer dem Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 128 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit Mehrheit abgelehnt.
Ich komme nunmehr zu Umdruck 145') der Fraktion der CDU/CSU. Wer begründet den Antrag? — Ausschußüberweisung oder Sachabstimmung?

(Abg. Dr. Althammer: Ausschußüberweisung!)

*) Siehe Anlage 13



Vizepräsident Dr. Jaeger
— Haushaltsausschuß offenbar? — Ist das Haus mit der Überweisung an den Haushaltsausschuß einverstanden? — Das ist der Fall.
Ich komme zum Umdruck 146 *).

(Zuruf von der CDU/CSU: Überweisung!)

— Auch an den Haushaltsausschuß?

(Widerspruch bei der SPD.)

— Herr Abgeordneter Hermsdorf zu Umdruck 146!

Hans Hermsdorf (SPD):
Rede ID: ID0610215500
Meine Damen und Herren, es handelt sich hier um die Debatte, die wir über die Offa usw. geführt haben. Wir haben gesagt, daß wir diesen Vorschlag der CDU nicht billigen werden. Es hat ,deshalb keinen Sinn, den Antrag an den Ausschuß zu überweisen. Wir bitten um Ablehnung.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610215600
Wenn Sie, Herr Kollege Dr. Althammer, den Antrag auf Ausschußüberweisung aufrechterhalten, muß ich darüber zuerst abstimmen Lassen. Wenn Sie ihn nicht aufrechterhalten, komme ich zur Sachabstimmung.

(Abg. Dr. Althammer: Der Antrag auf Ausschußüberweisung bleibt aufrechterhalten!)

— Sie stellen also den Antrag auf Überweisung an den Haushaltsausschuß. Wer der Ausschußüberweisung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen.
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit Mehrheit abgelehnt.
Damit komme ich zur Sachabstimmung. Wer dem Entschließungsantrag selbst zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit Mehrheit abgelehnt.
Ich komme zum Antrag Umdruck 147 **). Was wird hier vorgeschlagen?

(Abg. Dr. Althammer: Haushaltsausschuß!)

— An den Haushaltsausschuß überweisen. (Abg. Hermsdorf [Cuxhaven] : Ablehnung!)

— Dann muß ich, wie Sie wissen, zuerst über den Überweisungsantrag abstimmen lassen.
Wer für die Überweisung an den Haushaltsausschuß stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit Mehrheit abgelehnt.
Ich komme zur Sachabstimmung über den Entschließungsantrag Umdruck 147. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit Mehrheit abgelehnt.
Ich komme zum Antrag Umdruck 148. Was wird beantragt?

(Abg. Hermsdorf: Annehmen!)

— Es wird keine Überweisung beantragt; gleich Sachabstimmung. Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer dem Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD, FDP auf Umdruck 148 ***) zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Angenommen.
*) Siehe Anlage 14 **) Siehe Anlage 15 ***) Siehe Anlage 16
Meine Damen und Herren, ich komme noch zum zweiten Antrag des Haushaltsausschusses, nämlich die Bundesregierung zu ermächtigen, die Änderung der Ansätze, die sich aus der Anlage zum Mündlichen Bericht ergibt, in den Einzelplänen 14 und 33 vorzunehmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? -Keine Enthaltungen. Es ist einstimmig so beschlossen.
Meine Damen und Herren, der nächste Punkt, in den wir eintreten, ist die Fragestunde. Es liegt aber im allgemeinen Interesse, wenn ich zuerst die persönlichen Erklärungen abgeben lasse, die abgegeben werden sollen. Da ist zuerst eine Erklärung des Abgeordneten Dr. Klepsch.

Dr. Egon Alfred Klepsch (CDU):
Rede ID: ID0610215700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Minister der Verteidigung, Helmut Schmidt, hat in der Debatte über den Bericht zur Lage der Nation die Behauptung aufgestellt, der Sprecher der CDU/CSU im Verteidigungsausschuß ziehe die Bundeswehr dauernd durch den Dreck, später berichtigt in „dauernd durch den Kakao". In der 97. Sitzung zur Rede gestellt, hat er diese Behauptung aufrechterhalten und als Beleg dafür allein den folgenden Satz aus einem Interview vorgetragen:
Schließlich brauchen wir keine Ausbildung und Bildungskommission für die Abschaffung der Armee.
Er hat dabei eine ganze Anzahl namentlich von ihm aufgeführter Generale einbezogen. Zweimal in dieser Sitzung hat er, das zweitemal es ausdrücklich betonend, dieses wörtliche Zitat vorgetragen, das zweitemal bei Schluß der Sitzung auch seine Quelle genannt, das „Deutsche Monatsblatt". Da mir in der Kürze der Zeit bei Sitzungsschluß eine Berichtigung nicht mehr möglich war, gebe ich heute gemäß § 36 der Geschäftsordnung folgende Erklärung ab:
Die Behauptung des Herrn Schmidt erhält ihre Grundlage nur dadurch, daß er falsch zitiert. Beide Male hat er beim wörtlichen Zitieren das im Originaltext gegebene Wort „Konzeption" unrichtigerweise durch „Kommission" ersetzt.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

Abgesehen davon, daß, im Zusammenhang gelesen, das Zitat im „Deutschen Monatsblatt" die von Herrn Schmidt vorgenommene Interpretation nicht zuläßt, spricht diese Feststellung für sich selbst. Im übrigen verweise ich auf den vollen Text im „Deutschen Monatsblatt" vom Januar 1971, Seite 6.
Angesichts dieses Sachverhalts und der Tragweite der Schlußfolgerung des Herrn Schmidt, zumal er die Zitierung auch an Hand einer Unterlage vortrug, ist ein Irrtum seinerseits nicht mehr in Betracht zu ziehen.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Haase [Kassel] : Das ist ja unglaublich!)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610215800
Das Wort zur Abgabe einer persönlichen Erkläung hat der Abgeordnete Dr. Schellenberg.




Dr. Ernst Schellenberg (SPD):
Rede ID: ID0610215900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gebe eine Erklärung nach § 35 der Geschäftsordnung ab.
Herr Kollege Ruf hat gestern in einer an mich gerichteten Zwischenfrage bestritten, daß er seinerzeit dem „Volkswirt" im Sinne meiner Darstellung ein Interview gegeben hat. Hierzu erkläre ich:
Ich erhalte meine Behauptung, daß Herr Ruf dem „Volkswirt" gegenüber in einem Informationsgespräch wörtlich erklärt hat: „Die Sozialausschüsse sind eine nicht so gewichtige Gruppe in der Partei", in vollem Umfang aufrecht. Die Äußerung von Herrn Ruf ist im „Volkswirt" Nr. 27 vom 3. Juli 1970 wörtlich als Zitat wiedergegeben. Der „Volkswirt", jetzt „Wirtschaftswoche / Der Volkswirt", hat mir heute bestätigt, daß Herr Ruf die von mir zitierte Erklärung wörtlich abgegeben hat. Der Bonner Korrespondent des Wirtschaftsblattes „Wirtschaftswoche / Der Volkswirt", Herr Jürgen Forster, erklärte mir gegenüber heute in einer schriftlich festgehaltenen Notiz — ich zitiere :
Die von mir im „Volkswirt" vom 3. Juli wiedergegebene Äußerung des Herrn Thomas Ruf bestätige ich. Herr Ruf hat mir gegenüber am 26. Juni 1970 während eines Informationsgesprächs in Gegenwart eines Zeugen wörtlich erklärt: „Die Sozialausschüsse sind eine nicht so gewichtige Gruppe in der Partei." Herr Ruf hat diese Äußerung
— so erklärt der Vertreter des „Volkswirts" — nie dementiert.
Somit weise ich die Zweifel, die Herr Ruf an der Richtigkeit meiner Darlegungen geäußert hat, entschieden zurück.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610216000
Das Wort zu einer persönlichen Erklärung hat der Herr Bundesminister der Verteidigung.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0610216100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf erklären, daß wie jeder andere so auch ich natürlich nicht ausschließen kann, gelegentlich einmal irrtümlich falsch zitiert zu haben. Was die heute gehörte Beanstandung angeht, so werde ich mich bemühen — ich habe die Unterlagen nicht zur Hand —, das zu prüfen, und wenn ich mich irgendwo geirrt haben sollte, werde ich nicht anstehen, mich zu korrigieren. Ich will nur sicherheitshalber heute schon sagen, daß das an meiner Beurteilung der Motive und Qualifikation des Urhebers der inkriminierten Äußerungen nichts zu ändern wird vermögen.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610216200
Ich bitte Sie um Ruhe für eine bedauerliche Angelegenheit. Die Durchsicht des Protokolls hat einen Zwischenruf ergeben, den ich heute früh als amtierender Präsident nicht gehört habe. Der Abgeordnete Wehner hat
dem Abgeordneten Dr. Gruhl zugerufen: „Sie sind eine Karikatur!" Herr Abgeordneter Wehner, ich rufe Sie zur Ordnung.

(Heiterkeit bei der SPD.)

Meine Damen und Herren, wir treten ein in die Fragestunde
— Drucksache VI/1807 —
Zunächst werden die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts beantwortet. Ich rufe die Frage 80 des Abgeordneten Dr. Evers auf:
Ich frage die Bundesregierung, ob es in ihrem Sinne ist, daß die der Kulturabteilung des Auswärtigen Amtes für die Förderung von Auslandsgastspielen zur Verfügung stehenden Mittel so sehr mit Schwerpunkt zugunsten der Länder des Ostblocks eingesetzt werden, daß die Kulturkontakte in Richtung EWG zwangsläufig geschwächt werden?
Herr Staatssekretär Moersch, ich darf bitten.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0610216300
Ich beantworte die Frage wie folgt. Für den Kulturaustausch auf dem Gebiet der darstellenden Kunst gilt das gleiche wie für unsere Politik im allgemeinen, deren Konstante die Bindung zum Westen ist. Die Bestrebungen, den Austausch mit dem Osten zu fördern, soll den Wechselbeziehungen von Auslandsgastspielen mit dem Westen nicht abträglich sein. Allerdings muß festgestellt werden, daß sich der Kulturaustausch mit dem Westen, insbesondere mit den EWG-Ländern — wie Frankreich, Herr Fragesteller —, auch auf kommerzieller Basis so gut eingespielt hat, daß er nur in Ausnahmefällen der staatlichen Hilfe bedarf. Dagegen kann ein Kulturaustausch mit dem Osten wegen der unterschiedlichen Wirtschaft und Struktur nur mit staatlicher Hilfe unsererseits durchgeführt werden. Daraus ergibt sich der Förderungszwang in Richtung Osten um so mehr, als ein erheblicher Nachholbedarf zu decken ist.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610216400
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Evers.

Dr. Hans Evers (CDU):
Rede ID: ID0610216500
Meinen Sie nicht, Herr Staatssekretär, daß man, wenn ein Nachholbedarf im Kulturaustausch mit den östlichen Staaten besteht, ihn nicht durch Kürzung der Zuschußgewährung für den Kulturaustausch mit den westlichen Staaten, sondern durch Aufstockung der Mittel befriedigen sollte?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0610216600
Herr Abgeordneter, das ist eine Sache, die letztlich der Entscheidung des Hohen Hauses obliegt. Das Auswärtige Amt ist gehalten, mit den Mitteln auszukommen, die im Haushaltsplan vorhanden sind. Es war die Ansicht der Kollegen, die sich speziell mit dieser Materie befassen, daß die jetzt bereitgestellte Summe in der Abstimmung des Gesamtprogramms ausreichen müsse. Das konnte man tun, da man ja nach aller Erfahrung davon ausgehen kann, daß man bei sozusagen gleichwertigen Bedingungen, was die Wechselkurse und die Währungsparitäten betrifft, in Staaten mit ähnlicher Struktur im Grunde genom-



Parlamentarischer Staatssekretär Moersch
men auf eine staatliche Subventionierung des Kulturaustauschs verzichten kann, weil Gastspiele meist so attraktiv sind, daß sie ihre Kosten durch entsprechende Eintrittsgelder hereinspielen. Das ist auch eine sinnvolle Verhaltensweise für einen Staat der nach marktwirtschaftlichen Prinzipien handelt.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610216700
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Evers.

Dr. Hans Evers (CDU):
Rede ID: ID0610216800
Heißt das, Herr Staatssekretär, daß Sie gegebenenfalls bereit sind, eine Reduzierung der Kulturbeziehungen zum westlichen Ausland in Kauf zu nehmen, wenn sich dies auf Grund der von Ihnen eben dargelegten haushaltspolitischen Richtlinien ergeben würde?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0610216900
Herr Abgeordneter, das heißt es nicht. Wenn das zu befürchten wäre, hätte die Bundesregierung sicher in der Etatgestaltung dem Hohen Hause entsprechende Veränderungen vorgeschlagen. Das Hohe Haus hätte, soweit ich die Kollegen aller Fraktionen kenne, das dann sicherlich auch getan, d. h. insbesondere die Kollegen, die sich damit befassen. Ich behaupte, daß es eine Unterstellung ist, anzunehmen, man könne solche Kulturbeziehungen im jetzigen Stadium nur mit staatlicher Förderung aufrechterhalten. Sicherlich ist es für viele Unternehmen bequemer, solche Förderung zu bekommen. Es kann aber nicht der Sinn einer staatlichen Förderung sein, Beziehungen, die sich eingespielt haben, weiterzufördern, sozusagen als eine Tradition, die man auch dann fortsetzt, wenn ihr Sinn bereits entfallen ist.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610217000
Keine Zusatzfrage mehr.
Ich komme zur Frage 81 des Abgeordneten Storm:
Ist die Bundesregierung mit mir der Meinung, daß cine Förderung des deutschen Schulwesens im Ausland hinsichtlich der Förderung baulicher Maßnahmen, der Ausstattung der Schulen mit Unterrichtsmitteln und der Besetzung von Lehrerstellen verstärkt werden sollte, um einerseits die Betreuung und Erhaltung deutschen Kulturgutes im Ausland (wie z. B. der deutschen Sprache) und eine Verstärkung des Zusammengehörigkeitsgefühls der im Ausland lebenden Deutschen mit der Bundesrepublik Deutschland zu gewährleisten und andererseits das Deutschlandbild in ausländischen Staaten zu verbessern?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0610217100
Ich beantworte die Frage mit Ja. Die Bundesregierung ist der Meinung, daß die Förderung der deutschen Schulen im Ausland gezielter und zugleich rationeller werden muß als bisher. Grundsatzüberlegungen zur Struktur von Auslandsschulen haben ergeben, daß die zweisprachige integrierte Sekundarschule für fremdsprachige Kinder, die ein sprachliches Vorbereitungsjahr einschließt, als ein kulturpolitisch besonders effektives Modell einer Auslandsschule anzusehen ist. Gerade durch diesen Schultyp ist eine intensive Beschäftigung der Schüler mit den Kulturgütern der beiden Länder sichergestellt. Die Vermittlung eines gegenwartsnahen Deutschlandbildes ist hierbei ein Teilziel. Dieser Schultyp, der bisher nur an wenigen Stellen besteht, kommt dem Wunsch der Bundesregierung und der Gastländer entgegen, die soziologische und soziale Repräsentanz zu verbessern, da er ohne Rücksicht auf die Einkommenslage der Eltern eine geeignete Schülerauswahl vornehmen kann.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610217200
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Storm.

Friedrich-Karl Storm (CDU):
Rede ID: ID0610217300
Herr Staatssekretär, ich habe auch nach den Aufwendungen der Bundesregierung gefragt: Liegen Ihnen Vergleichszahlen zur Förderung der Schulen zum Beispiel aus England oder Frankreich vor?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0610217400
Herr Abgeordneter, nach diesem Vergleich ist in ihrer Frage nicht gefragt worden, wenn ich das recht sehe. Wenn Sie wollen, bin ich gerne bereit, zu versuchen, Ihnen diese Vergleichszahlen zu beschaffen.
Ich darf prinzipiell darauf hinweisen, daß Frankreich eine andere auswärtige Schulpolitik betreibt, als sie die Bundesrepublik ihrer Verfassungsstruktur nach bisher betrieben hat und auch betreiben konnte. Das kommt daher, daß Frankreich in den früheren Überseegebieten ganz andere Interessen zu vertreten hat, daß außerdem die Einrichtung etwa von Schulen für im Ausland tätige Franzosen von der französischen Regierung immer in einer besonderen Weise gepflegt worden ist und daß eben dort die Schwierigkeiten gar nicht bestehen, die wir sowohl als Folge von zwei Weltkriegen als auch wegen der andersgelagerten grundgesetzlichen Regelung der Schulhoheit haben. Ich darf nur daran erinnern, daß es sehr viel mehr Bewerber gibt, die Lehrer an deutschen Schulen im Ausland werden möchten, als es oft den Kultusministerien lieb ist, die ihrerseits über Lehrermangel klagen. Ich darf daran erinnern, daß es viele Kollegen auch in diesem Hause gibt, die meinen, daß die Beseitigung des Lehrermangels im Inland wichtiger sei als die Beschickung der Auslandsschulen mit Lehrern.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610217500
Zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Storm.

Friedrich-Karl Storm (CDU):
Rede ID: ID0610217600
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, wieviel deutsche Lehrer sich für den Dienst an Auslandsschulen bewerben und wieviel davon genommen bzw. zurückgestellt werden?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0610217700
Herr Abgeordneter, ich kann Ihnen das, weil es nicht in direktem Zusammenhang mit dieser Frage steht, nicht aus dem Kopf sagen. Es sind jedenfalls mehr Bewerber da, als von den Kultusministerien Stellen freigegeben werden. Das sehe ich z. B. aus meiner täglichen Post, die mir die Kollegen dieses Hohen Hauses zustellen.




Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610217800
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.

Karl-Heinz Hansen (SPD):
Rede ID: ID0610217900
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß die vom Fragesteller angeführten Probleme auch Thema der zu bildenden EnqueteKommission für die auswärtige Kulturpolitik sein werden?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0610218000
Das ist in der Tat richtig. In dieser Richtung sind bereits Erhebungen im Gange. Wir haben diese Untersuchungen längst auf diese Gebiete ausgedehnt.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610218100
Die Frage 82 des Abgeordneten Storm:
Welche Maßnahmen sieht die Bundesregierung in diesem Zusammenhang als die notwendigsten an?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0610218200
Die Antwort lautet: Die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen in Köln bearbeitet zur Zeit ein Reformkonzept, das die Grundlage für Überlegungen bilden soll, die Struktur der Auslandsschulen den deutschen kulturpolitischen Vorstellungen sowie den Interessen des Gastlandes anzupassen.
Neben diesen Arbeiten sieht die Bundesregierung als besonders vordringlich an: erstens die Verbesserung der Vergütung einheimischer, insbesondere
3) deutschsprachiger Lehrer an deutschen Auslandsschulen mit dem Ziel, künftig in größerem Umfang als bisher aus der Bundesrepublik vermittelte Lehrer durch einheimische Lehrer zu ersetzen, zweitens die Förderung aller Einrichtungen zur Aus- und Weiterbildung dieser Lehrer — den drei bestehenden Lehrerseminaren in Chile, Argentinien und Paraguay wird dabei besondere Aufmerksamkeit gewidmet — und drittens die Entwicklung geeigneter Lehr- und Lernmittel für das Fach Deutsch als Fremdsprache. Ein erster Teil ist bei den Schulen bereits in Benutzung.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610218300
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Storm.

Friedrich-Karl Storm (CDU):
Rede ID: ID0610218400
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, welche deutschen Verlage oder welche sonstigen Gremien für die Herstellung von Schulbüchern und Lehrmaterial verantwortlich sind?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0610218500
Verantwortlich ist die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen in Köln in Zusammenarbeit mit der Kultusministerkonferenz und dem Auswärtigen Amt.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610218600
Keine Zusatzfrage mehr.
Wir kommen zur Frage 83 des Abgeordneten Niegel:
Betrachtet die Bundesregierung die Äußerung des Vizepräsidenten der Europäischen Kommission, Dr. Sicco Mansholt, auf der „Grünen Woche" in Berlin, der vor extremistischen Kreisen in der Bundesrepublik Deutschland warnte, die sich gegen die Ostpolitik der Bundesregierung Brandt/Scheel wenden und wörtlich sagte: „Diese Agitation erweckt für das Auge und Ohr des Nachbarn böse Erinnerungen. Es scheint hier immer noch Verwegene zu geben, die den Krieg, den Hitler gegen die Alliierten verloren hat, gegen die Regierung Brandt/Scheel gewinnen wollen", als Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Bundesrepublik Deutschland?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0610218700
Herr Präsident, ich möchte, wenn ich die Genehmigung bekomme, die Fragen 83 und 84, die hier gestellt sind, zusammen beantworten, da sie in einem Sachzusammenhang stehen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610218800
Bitte schön! Dann rufe ich noch die Frage 84 des Herrn Abgeordneten Niegel auf:
Hat die Bundesregierung entsprechende Schritte gegen diese Äußerung unternommen, bzw. welche beabsichtigt sie zu unternehmen?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0610218900
Herr Abgeordneter, in der Frage ist die Äußerung des Vizepräsidenten der Europäischen Kommission ungenau und unvollständig zitiert, so daß der Eindruck entsteht, die Warnung richte sich gegen alle, die sich gegen die Ostpolitik der Bundesregierung wenden. In Wirklichkeit hat Vizepräsident Mansholt seiner Sorge darüber Ausdruck gegeben — ich zitiere —, „daß jenseits der demokratischen Parteien sich für das Auge und Ohr des Nachbarn eine Agitation geltend macht, die böse Erinnerungen wachruft". So weit das Zitat.
Diese Bemerkungkann nur im Gesamtzusammenhang der Rede richtig gewürdigt werden. Ausgehend von dem dem EWG-Vertrag beigefügten Berlin-Protokoll hat Vizepräsident Mansholt zunächst die Solidarität der Gemeinschaft mit Berlin bekräftigt und dann darauf hingewiesen, daß nicht nur in der Europapolitik, sondern auch im gesamteuropäischen Gefüge vieles in Bewegung geraten sei, was jeden Europäer angehe. Dabei machte er darauf aufmerksam, daß die Tonart der Agitation gewisser extremistischer Kreise die Bereitschaft zur Solidarität im Westen beeinträchtigen könne. Er ließ aber keinen Zweifel daran, daß er nicht -von der demokratischen sachlichen Auseinandersetzung mit der Ostpolitik gesprochen habe, sondern von Auswüchsen außerparlamentarischer Aktionen. Wer die Rede im Gesamtzusammenhang richtig liest, wird diese Bemerkung kaum als Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Bundesrepublik auffassen können. Herr Mansholt hat übrigens in einer Pressekonferenz ausdrücklich unterstrichen, daß ihm eine solche Einmischung ferngelegen habe.
Wenn so auf Sorgen hingewiesen wird, die durch Aktionen extremistischer Kräfte bei uns in europäischen Ländern hervorgerufen werden können, wird es uns nach den geschichtlichen Erfahrungen, die Europa mit derartigen Kräften gemacht hat, schlecht anstehen, dies als unerlaubte Einmischung in innerdeutsche Angelegenheiten zurückzuweisen.



Parlamentarischer Staatssekretär Moersch
Die Bundesregierung sieht daher keine Veranlassung, die Äußerungen des Vizepräsidenten Mansholt bei der Eröffnung der Grünen Woche als Einmischung in innere Angelegenheiten zu werten. Irgendwelche Schritte wegen dieser Äußerungen werden daher nicht in Erwägung gezogen. Wir haben im Gegenteil Herrn Vizepräsident Mansholt gegen ungerechtfertigte Angriffe in Schutz zu nehmen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610219000
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Niegel.

Lorenz Niegel (CSU):
Rede ID: ID0610219100
Herr Staatssekretär, existieren nicht derartige minimale extremistische Kreise, von denen Herr Mansholt angeblich gesprochen hat, auch in Holland, in Belgien, in Italien und in Frankreich, also in unseren EWG-Partnerländern,

(Abg. Dr. Apel: Das hängt doch gar nicht mit der Frage zusammen!)

und hätte nicht ein deutscher Kommissar, der in
einem dieser Länder eine solche Äußerung getan
hätte, irgendwelche Konsequenzen ziehen müssen?

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610219200
Das waren zwei Zusatzfragen.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0610219300
Zum ersten, Herr Abgeordneter: Herr Mansholt hat das, was ich zitiert habe, nicht angeblich, sondern tatsächlich gesagt. Der Beleg ist vorhanden. Wenn Sie sich auf einen Zeitungsbericht stützen, in dem das nicht korrekt wiedergegeben ist, ist das nicht Herrn Mansholt oder der Bundesregierung anzulasten.
Zum zweiten gibt es überall extremistische Kreise. Das ist bekannt, das ist kein Privileg, das irgendein Land in Europa hätte. Jedes Land muß damit fertig werden. Daß gerade im Zusammenhang mit der Politik und der Sache, die Herr Mansholt vertritt, ein akuter Anlaß bestand, auf diese Fragen einzugehen, ist sicherlich richtig.
Was andere Länder getan hätten, wenn eine Äußerung eines deutschen Kommissars richtig wiedergegeben worden wäre, vermag ich nicht zu sagen, da mir die Fähigkeit der Voraussage fehlt. Ich bin aber ganz sicher, daß das europäische Bewußtsein inzwischen so stark entwickelt ist, daß die Mitglieder der Kommission in der Lage sind, auf die gleiche Art, wie es Herr Mansholt getan hat, in jedem Land, gleichgültig, aus welchem Land sie stammen, ihre Meinung kundzutun.

(Abg. Dr. Hammans: Er spricht vorzüglich deutsch!)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610219400
Sie haben noch zwei, also insgesamt vier Zusatzfragen, weil Sie zwei Hauptfragen hatten.
Jetzt kommt die dritte Zusatzfrage. Bitte sehr!

Lorenz Niegel (CSU):
Rede ID: ID0610219500
Wäre es möglich, Herr Staatssekretär, daß ein deutscher Kommissar eine solche Äußerung in einem befreundeten Land getan hätte?

(Abg. Wehner: Was ist das für eine komische Frage hier: Wäre es möglich, daß die Großmutter das oder das gemacht hätte! Würden Sie vielleicht deutliche Zusatzfragen stellen! — Gegenruf von der CDU/CSU: Sind Sie gefragt? — Abg. Wehner: Ich weiß doch, wozu das hier gemacht wird! — Damit es draußen ausgeschlachtet werden kann! Nichts anderes!)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610219600
Meine Damen und Herren, ich bitte um Ruhe. Ich glaube, daß eine so potentielle Frage nicht gestellt werden kann, weil es in der Fragestunde ja um die Politik der Bundesregierung geht. Insoweit würde ich diese Frage als nicht möglich betrachten. — Bitte, die nächste Frage!

Lorenz Niegel (CSU):
Rede ID: ID0610219700
Herr Staatssekretär, selbst wenn das zuträfe, was Sie nach dem Manuskript zitierten — —

(Zurufe von der SPD.)

— Es kann ja sein, daß das Manuskript geschrieben war, er aber in seiner Rede weiter ging als das Manuskript. Ich glaube nicht, daß die Zeitungsberichte über die tatsächliche Rede hinausgegangen sind.

(Abg. Dr. Apel: Was sind denn das für Fragen?)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610219800
Ich möchte bitten, eine kurze Frage zu stellen.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0610219900
Herr Abgeordneter, ich weise es entschieden zurück, wenn Sie die Berichterstattung des Auswärtigen Amtes, die mir hier vorliegt, in Zweifel ziehen. Ich habe keinen Anlaß, anzunehmen, daß der Beamte, der diesen Bericht aufgenommen hat, dabei seine fünf Sinne nicht ganz beisammen gehabt haben sollte.

(Zustimmung bei der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610220000
Zu einer Zusatzfrage der Abgeordnete Dr. Sperling.

Dr. Dietrich Sperling (SPD):
Rede ID: ID0610220100
Herr Staatssekretär, steht es nicht im Einklang mit Bestrebungen zur politischen Einigung Europas, wenn überzeugte Europäer ein aktives Interesse an der Innenpolitik derjenigen Staaten nehmen, mit denen der Zusammenschluß erfolgen soll, und wäre es nicht erfreulich, wenn Sie diesem Interesse auch kritisch Ausdruck gäben?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0610220200
Herr Abgeordneter, ich bin Ihnen für die Frage dankbar, weil sie mir Gelegenheit gibt, einmal darzulegen, Herr Kollege Niegel, daß der EWG-Vertrag ausdrücklich nur sol-



Parlamentarischer Staatssekretär Moersch
che Staaten umfaßt, die eine freiheitlich-demokratische Grundordnung haben,

(Beifall bei der SPD)

und daß deswegen die EWG-Kommissare implicite auf Grund der Vertragslage ganz besonders der freiheitlich-demokratischen Grundordnung verbunden sind. Insofern wäre es unter Umständen sogar die Pflicht dieser Kommissare — woher immer sie stammen und wo immer es sei , auf solche extremistische Äußerungen kritisch hinzuweisen, die diese freiheitlich-demokratische Grundordnung innerhalb der Europäischen Gemeinschaft in Frage stellen können.

(Erneuter Beifall bei der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610220300
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Gleissner.

Dr. Franz Gleissner (CSU):
Rede ID: ID0610220400
Herr Staatssekretär, wäre es nicht im wahren europäischen Interesse gewesen und im Interesse der Objektivierung der europäischen Freundschaft, wenn man dafür gesorgt hätte, daß solche Äußerungen in einer maßvollen Weise korrigiert werden oder daß eine Gegendarstellung von seiten der Bundesregierung erfolgt, um eben gerade bei uns und im Ausland keine falschen Meinungen aufkommen zu lassen — im Interesse dieser europäischen Freundschaft?

(Abg. Dr. Apel: Der hat nicht zugehört!)


Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0610220500
Es ist, Herr Abgeordneter, nicht die Pflicht der Bundesregierung, auf falsche Zitierungen einer Rede Erklärungen abzugeben. Das hat der Urheber zu verantworten, der die falschen Zitierungen vorgenommen hat. Zweitens hat Herr Mansholt in seiner Rede nichts gesagt, was man als Demokrat nicht hinnehmen oder sagen könnte. Ich sehe nicht ein, weshalb wir irgend jemanden zu einer Veränderung seiner Haltung veranlassen sollten, der genau die Haltung eingenommen hat, die im Einklang mit dem Vertrag und unseren Überzeugungen steht.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610220600
Eine Zusatzfrage, des Abgeordneten Hansen.

Karl-Heinz Hansen (SPD):
Rede ID: ID0610220700
Herr Staatssekretär, haben Sie auf Grund der letzten Zusatzfrage nicht auch den Eindruck, daß die Opposition sich hier zu Unrecht getroffen fühlt, weil sie hier den Adressaten bewußt verwechselt, wie das Herrn Barzel heute morgen auch in bezug auf die Äußerung des Kollegen Wienand schon einmal unterlaufen ist?

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Was soll denn der Unsinn?! Der hat sich doch heute morgen hier zu Wort gemeldet! — Zuruf von der CDU/CSU: Was hat das denn mit dem Staatssekretär zu tun?)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610220800
Ich glaube, daß diese Frage für den Herrn Staatssekretär sehr schwer zu beantworten ist, da er ja dieses Haus nicht zu zensieren hat. Ich möchte das also auf sich beruhen lassen.
Ich komme zu der Frage 85 des Abgeordneten Dr. Frerichs:
Wie weit sind die Verhandlungen der Regierung der UdSSR mit der Bundesregierung über den Bau einer neuen sowjetrussischen Botschaft in Bonn-Bad Godesberg gediehen?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0610220900
Herr Abgeordneter, die Antwort lautet: Die Bundesregierung und die Regierung der UdSSR sind in einem Notenwechsel im Herbst 1969 übereingekommen, einander geeignete Grundstücke für die beiderseitigen Botschaften in Moskau und in Bonn zur Verfügung zu stellen. Für den Neubau der Sowjetischen Botschaft in Bonn ist ein Grundstück an der Elisabethstraße in Bonn-Bad Godesberg im Gespräch. Die sowjetische Seite hat ein Modell für die architektonische Gestaltung des Kanzlei- und Residenzgebäudes erarbeitet. Zur Zeit wird geprüft, ob die Bebauung des in Aussicht genommenen Grundstücks in der von der sowjetischen Seite vorgeschlagenen Weise möglich ist. Von dem Ausgang dieser Prüfung hängen die weiteren Verhandlungen ab.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610221000
Eine Zusatzfrage.

Dr. Göke D. Frerichs (CDU):
Rede ID: ID0610221100
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß das Grundstück, das von der Sowjetunion zum Bau ihrer Botschaft und einer Residenz begehrt wird, nicht im Baugebiet, sondern im Landschaftsschutzgebiet liegt?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0610221200
Herr Abgeordneter, das ist mir bekannt. Mir ist aber auch bekannt, daß Regeln dazu da sind, um Ausnahmen zu machen, und daß schon in vielen Fällen in diesem Gebiet Ausnahmen gemacht worden sind. Das sieht das Bundesbaugesetz sogar vor. Es ist Sache der Entscheidungsgremien, ob sie hier Ausnahmen machen möchten.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610221300
Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Göke D. Frerichs (CDU):
Rede ID: ID0610221400
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung ihrerseits alles tun, um den russischen Verhandlungspartner davon zu unterrichten, welcher Weg planungs- und baurechtlich nach den Vorschriften des Bundesbaugesetzes gegangen werden muß, bevor ein solches Grundstück entwidmet und für baureif erklärt werden kann?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0610221500
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung befindet sich hier in einer sehr guten Lage. Es besteht gar kein Anlaß, von der Bundesregierung aus irgend jemanden über



Parlamentarischer Staatssekretär Moersch
baurechtliche Vorschriften zu unterrichten, weil die Interessenten im Gespräch mit der Stadtverwaltung Bonn so sachkundige Gesprächspartner haben, daß ihnen die Zusammenhänge längst bekannt sind.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610221600
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Ostman von der Leye.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0610221700
Herr Staatssekretär, teilen Sie mit mir die Auffassung, daß die Angelegenheit bisher mißverständlich dargestellt worden ist und daß es jetzt darauf ankommt,

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Wo, von wem?)

daß der Rat der Stadt Bonn beschleunigt prüft, ob das Projekt — etwa nach einem abgeänderten Entwurf — an der jetzt vorgesehenen Stelle überhaupt realisierbar ist oder ob andere Alternativen möglich sind?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0610221800
Herr Abgeordneter, zunächst weise ich darauf hin, daß in der Tat in der öffentlichen Berichterstattung der Eindruck erweckt worden ist, die Bundesregierung habe sich hier in massiver Weise eingeschaltet oder sie sei in einer möglicherweise unzulässigen Art tätig geworden. Dieser Eindruck ist falsch. Ich teile Ihre Auffassung. Die beschleunigte Prüfung ist das Ziel unserer Bemühungen, gerade um diese Sachfrage zu klären.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610221900
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Hammans.

Dr. Hugo Hammans (CDU):
Rede ID: ID0610222000
Herr Staatssekretär, sehen Sie große Schwierigkeiten, die Planungen der Stadt Bonn und die Wünsche der russischen Botschaft in Einklang zu bringen?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0610222100
Herr Abgeordneter, das ist eine Frage, die Sie natürlich den Planern der Stadt Bonn stellen müßten. Die Planungen der Stadt Bonn gehören nicht in mein Ressort. Ich kann nur sagen, daß das Landschaftsschutzgebiet ja nicht etwa eine neue Sache ist. Wir haben den Wunsch, daß die sowjetrussische Botschaft einen Bauplatz findet, der ihren Interessen entspricht. Wir haben auch den Wunsch, daß die Entscheidung über einen solchen Bauplatz nicht zu einer Verstimmung auf irgendeiner Seite führt. Die Bundesregierung bietet hier ihre guten Dienste an. Das ist auch ihre Aufgabe. Über alles andere müssen die .Herren entscheiden, die die Befugnis dazu haben.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610222200
Dann rufe ich die Frage 86 des Abgeordneten Frerichs auf:
Entspricht es den Tatsachen, daß die Bundesregierung die Planungshoheit der Stadt Bonn einschränken will, wenn diese sich aus Gründen des Landschaftsschutzes und der Erhaltung von Grünzonen im Stadtgebiet gegen Umfang und Gestaltung des russischen Bauvorhabens wendet?
Oder betrachten Sie diese Frage schon als beantwortet?

(Abg. Dr. Frerichs: Nein!)


Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0610222300
Die Frage ist noch nicht beantwortet, Herr Präsident. Ich beantworte die Frage mit Nein.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610222400
Bitte, Herr Abgeordneter Frerichs!

Dr. Göke D. Frerichs (CDU):
Rede ID: ID0610222500
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Auffassung, daß insofern doch der Versuch einer Einmischung vorliegt, als man durch Ausnutzung der Ausnahmevorschriften ganz bestimmten Umfanges in die Planungshoheit der Stadt Bonn eingreifen will?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0610222600
Ich verstehe Ihre Frage nicht, weil Sie in Ihrer Frage möglicherweise etwas unterstellen, was nach meinen Unterlagen nicht stimmt. Sie fragen hier, wenn ich es recht verstehe, wohl mehr als Stadtverordneter von Bonn. Dann kennen Sie die Einzelheiten sicherlich besser als ich.

(Abg. Dr. Hammans: Das ist er nicht!)

Entschuldigen Sie, dann habe ich mich geirrt; dann trügt meine Erinnerung. Aber immerhin waren Sie es ja einmal.

(Abg. Dr. Hammans: Er ist es aber nicht mehr!)

Ich glaube, daß hier von keiner Seite der Bundesregierung irgend etwas getan worden ist, was nicht Rechtens wäre. Im Gegenteil! Es ist sogar unsere Pflicht, Gespräche zu führen und von seiten des Auswärtigen Amtes darauf hinzuwirken, daß diese leidige Frage in einer für alle zufriedenstellenden Weise gelöst wird. Sie würden mich als Abgeordneter mit Recht angreifen, wenn es anders wäre.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610222700
Eine zweite Zusatzfrage.

Dr. Göke D. Frerichs (CDU):
Rede ID: ID0610222800
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß dennoch Versuche gemacht worden sind, in die Planungshoheit der Stadt einzugreifen und daß dies enorme Emotionen bei der Bonn-Bad Godesberger Bevölkerung ausgelöst hat?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0610222900
Herr Abgeordneter, mir ist bekannt, daß Emotionen ausgelöst werden, wenn solche Versuche behauptet werden. Ich bestreite aber, daß es solche Versuche, wie sie hier behauptet werden, gegeben hat. Es sind Gespräche geführt worden, aber es ist überhaupt keine Pression von der Bundesregierung ausgeübt worden. Ich weise die Unterstellungen, die in der Öffentlichkeit aufgetaucht sind, mit Entschiedenheit



Parlamentarischer Staatssekretär Moersch
zurück. Unsere Beamten wissen genau, was das Gesetz erlaubt und was nicht.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610223000
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Hammans!

Dr. Hugo Hammans (CDU):
Rede ID: ID0610223100
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, die Bemühungen der Stadt Bonn zu unterstützen, die darauf abzielen, daß das geplante Botschaftsgebäude auf dem dortigen Hügel nicht zu hoch wird?
Abg. Mattick: Endlich ist die Frage heraus! — Abg. Wehner: Was man alles wissen muß!)

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0610223200
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung unterstützt alles, was alle Beteiligten am Ende zufriedenstellt. Den Entscheidungen der Stadt Bonn kann ich nicht vorgreifen. Wir reden hier über Dinge, die, glaube ich, noch nicht soweit gediehen sind, wie manche annehmen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Oh, viel weiter!)

— Es wird über das, was Sie sagen, gesprochen. Ich weiß nicht, ob den Interessen der Bevölkerung gedient ist, wenn wir öffentlich Dinge erörtern, die wir aus guten Gründen am besten mit den Betroffenen erörtern sollten. Dieser Versuch wird im Augenblick unternommen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610223300
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Ostman von der Leye.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0610223400
Herr Staatssekretär, könnten Sie Herrn Kollegen Frerichs davon unterrichten, daß es nach dem geltenden Recht jedem Bauwilligen unbenommen ist, beim Regierungspräsidenten einen Ausnahmeantrag zu stellen, und daß der Regierungspräsident darüber entscheiden muß?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0610223500
Herr Kollege, das ist in der Tat formal richtig. Trotzdem glaube ich, daß in diesem Fall letztlich die Entscheidung der Stadt Bonn ausschlaggebend ist, weil ein Konflikt zwischen dem Regierungspräsidenten und der Stadt Bonn denen zunächst nicht weiterhilft, die möglichst rasch bauen wollen und das auch in unserem Interesse tun sollten. Wir wollen in diesem Fall keine endlosen Verwaltungsstreitigkeiten, sondern wir wollen, daß die Dinge in einer zufriedenstellenden Weise und möglichst rasch geregelt werden.
Mir ist sehr wohl bekannt, daß es nicht nur ausländische Botschaften gibt, die bauen wollten und dann auch irgendwann Ausnahmegenehmigungen bekommen haben, sondern auch sehr achtenswerte Bürger dieser Republik immer wieder von der Möglichkeit, nach der Bundesbauordnung Ausnahmegenehmigungen zu erhalten, Gebrauch machen.
Sie versuchen das und haben damit gelegentlich durchschlagenden Erfolg.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610223600
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Hauser (Bad Godesberg).

Alo Hauser (CDU):
Rede ID: ID0610223700
Herr Staatssekretär, sehen Sie die Möglichkeit, daß die Bundesregierung der sowjetischen Botschaft, der sie ja offenbar zur Hilfeleistung verpflichtet ist, unter Umständen ein anderes als dieses besonders exponierte und besonders schwierig zu bebauende Grundstück beschafft?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0610223800
Herr Abgeordneter, ich möchte der Phantasie der Bonner Stadtverwaltung nicht vorgreifen und sie vor allen Dingen nicht durch Antworten vorweg einschränken. Die Bundesregierung hat ihre Vermittlerrolle und ihre guten Dienste angeboten. Die Bundesregierung selbst — das habe ich schon gesagt — kann nur über die Grundstücke verfügen, die ihr gehören. Selbstverständlich ist auch diese Frage in die Prüfung einbezogen worden.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610223900
Die Fragen 87 und 88 des Abgeordneten Dr. Häfele sind vom Fragesteller zurückgezogen worden.
Ich rufe die Fragen 89 und 90 des Abgeordneten Engelsberger auf. — Der Fragesteller ist nicht im Saal. Die Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 91 *) des Abgeordneten Dr. Marx (Kaiserslautern) auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Möglichkeit, durch Verhandlungen mit der Sowjetunion zu erreichen, daß Deutsche die im sowjetisch verwalteten Teil von Ostpreußen gelegenen Gräber ihrer Angehörigen besuchen dürfen?
Bitte schön!

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0610224000
Herr Abgeordneter, die Antwort lautet: Nein. Ziel der Verhandlungen in Moskau war nicht die Erörterung des Status einzelner Gebiete vor Abschluß eines Friedensvertrages.

(Abg. Freiherr von und zu Guttenberg meldet sich zu einer Zusatzfrage.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610224100
Wegen des inneren Zusammenhangs rufe ich dann zunächst die Frage 95 des Abgeordneten Dr. Klepsch auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß nach einer Meldung des Tagesspiegels vom 11. September 1970 die Sowjetunion seit 1964 auch ohne Vorliegen eines Gewaltverzichtsvertrags Japanern gestattet, Gräber ihrer Angehörigen auf japanischen Inseln zu besuchen, die seit dem zweiten Weltkrieg von der Sowjetunion besessen werden?
*) Durch Versehen wurde als Antwort auf die Frage 91 des Abgeordneten Dr. Marx (Kaiserslautern) die Antwort auf die Frage 92 des gleichen Abgeordneten vorgelesen und umgekehrt.




Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0610224200
Der Bundesregierung ist die Meldung des „Tagesspiegels" vom 11. September 1970 bekannt. Zum Inhalt der Meldung kann zu meinem Bedauern noch nicht abschließend Stellung genommen werden. Die Bundesregierung ist unter Einschaltung der Deutschen Botschaft in Tokio um Klärung des Sachverhalts bemüht. Sie schlägt daher vor, Ihnen ihre endgültige Antwort in Kürze zuzusenden.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610224300
Keine Zusatzfrage.
Dann rufe ich die Frage 92 **) des Abgeordneten Dr. Marx auf:
Hat die Bundesregierung während der Gespräche und Verhandlungen von Egon Bahr in Moskau oder während der Verhandlungen des Außenministers oder bei anderer Gelegenheit mit der Sowjetregierung über die aus der Besetzung des nördlichen Ostpreußens und dessen Einverleibung in die UdSSR sich ergebenden Probleme gesprochen oder Vereinbarungen in Aussicht gestellt oder abgeschlossen?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0610224400
Die Bundesregierung hofft, daß künftig im Zuge der durch den Moskauer Vertrag angestrebten Verbesserung der Beziehungen zur Sowjetunion die von Ihnen angeschnittene Frage behandelt werden und u. a. auch eine Intensivierung des Reiseverkehrs erwirkt werden kann und eventuell die Reisen in dieses Gebiet für diejenigen Bürger der Bundesrepublik Deutschland erleichtert werden, die dort die Gräber von Angehörigen aufsuchen möchten.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610224500
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Marx.

Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0610224600
Herr Staatssekretär, da ich nicht nach Reisemöglichkeiten gefragt habe, sondern nach den durch die Einverleibung des nördlichen Ostpreußens entstandenen Problemen, möchte ich gern wissen: Wann, wo und in welcher Weise ist darüber gesprochen oder verhandelt worden?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0610224700
Diese Fragen haben im Gesamtzusammenhang in der Tat in den Verhandlungen eine Rolle gespielt. Ich darf Ihnen sagen, daß wir in diesem Zusammenhang beispielsweise die verstärkte Einschaltung des Deutschen Roten Kreuzes erwogen haben.
Wie Sie wissen, haben wir für dieses Gebiet ein Repatriierungsabkommen aus dem Jahre 1958. Die hier angeschnittenen humanitären Fragen werden diskutiert. Es sind Gespräche zwischen den Rotkreuz-Gesellschaften vereinbart worden. Sie stehen bevor.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610224800
Eine zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Marx.

Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0610224900
Herr Staatssekretär, da das Repatriierungsabkommen
**) Siehe Anmerkung zu Frage 91.
von 1958 zeitlich begrenzt war — das ist jedenfalls von der sowjetischen Seite so interpretiert worden —, frage ich Sie: Haben Sie auf Grund der Gespräche, die Sie geführt haben, die Hoffnung, daß die damals niedergelegten Möglichkeiten jetzt in der Zukunft aufs neue verwirklicht werden, vor allen Dingen bezüglich des hier beschriebenen geographischen Teils?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0610225000
Ich gehe davon aus, daß diesem Ihrem Wunsch jetzt nach der Unterzeichnung des Vertrages wesentlich leichter entsprochen werden kann als vorher.
Es ist bekannt, daß bei den Gesprächen in Moskau auf diese Frage zunächst einmal keine Antwort gegeben worden ist. Meines Wissens ist aber schon einen Tag nach Abschluß des Vertrages bezüglich der Rotkreuz-Gesellschaften eine positive Antwort eingegangen. Es wurde uns damals gesagt, daß das vor allem eine Sache der hier betroffenen Gesellschaften sei. Das ist dann auch geschehen, obwohl dies in früherer Zeit nicht so leicht gegangen war.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610225100
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Freiherr von und zu Guttenberg.

Freiherr Karl Theodor von und zu Guttenberg (CSU):
Rede ID: ID0610225200
Herr Präsident, ich bitte um die Genehmigung, eine Zusatzfrage zu der Antwort des Herrn Staatssekretärs auf die erste Frage des Herrn Dr. Marx stellen zu dürfen. Sie hatten meine Meldung übersehen. Habe ich Ihre Genehmigung?

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610225300
Sind Sie bereit, das noch zu beantworten, Herr Staatssekretär?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0610225400
Ja, gerne.

Freiherr Karl Theodor von und zu Guttenberg (CSU):
Rede ID: ID0610225500
Herr Staatssekretär, kann ich aus Ihrer Antwort auf die Frage des Abgeordneten Dr. Marx entnehmen, daß nach Auffassung der Bundesregierung die endgültige Festlegung der sowjetischen Grenze im Territorium Ostpreußens dem Friedensvertragsvorbehalt für ganz Deutschland unterstellt bleibt?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0610225600
Herr Abgeordneter, es ist kein Friedensvertrag, den wir geschlossen haben; Sie sagen das in Ihrer Frage selbst. Zum Rechtscharakter der Grenzen hat die Bundesregierung keine Stellung genommen.

(Abg. Freiherr von und zu Guttenberg: Das ist keine Antwort!)

Die fortbestehenden Rechte — das darf ich hinzufügen, wenn Sie das meinen — und Verantwortlichkeiten der Vier Mächte in bezug auf Deutschland als Ganzes und Berlin werden durch den Moskauer Vertrag nicht berührt.

(Abg. Freiherr von und zu Guttenberg: Bezieht sich das auch auf diese Grenze?)




Parlamentarischer Staatssekretär Moersch
— Herr Abgeordneter, ich bin nicht in der Lage, darüber weitere Ausführungen zu machen. Ich habe gesagt, es gibt Verantwortlichkeiten der Vier Mächte für Berlin und für Deutschland als Ganzes. Diese Verantwortlichkeiten wären in Friedensvertragsverhandlungen im einzelnen abzulösen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610225700
Eine Zusatzfrage, bitte sehr!

Dr. Franz Josef Bach (CDU):
Rede ID: ID0610225800
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, ob die Deutschen, die noch in dem Gebiet von Nord-Ostpreußen wohnen, von der Deutschen Botschaft in Moskau konsularisch betreut werden, ob sie überhaupt Verbindung zur Deutschen Botschaft in Moskau haben und wie die jetzige Betreuung dieser Menschen von deutscher Seite ist?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0610225900
Herr Abgeordneter, da die Frage nicht in direktem Zusammenhang mit der gestellten Frage steht, kann ich sie im Augenblick nicht beantworten. Aber ich bin gern bereit, Sie darüber später zu informieren.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610226000
Ich rufe die Frage 93 des Abgeordneten Schedl auf. -- Er ist nicht im Saal; die Frage wird schriftlich beantwortet, ebenso seine Frage 94. Das gleiche gilt für die Frage 95 des Abgeordneten Dr. Klepsch und die Fragen 96 und 97 des Abgeordneten Dr. Jahn (Braunschweig). Die Antworten auf diese Fragen werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 98 des Abgeordneten Dr. Hermesdorf (Schleiden) auf:
Wann beabsichtigt die Bundesregierung, die Deutsche Schule Paris in Saint-Cloud, die zur Zeit eine Schule für deutsche und deutschsprachige Schüler ist, zu einer „Begegnungsschule" auszubauen und damit für eine enge Kontaktnahme deutscher und französischer Jugend nutzbar zu machen?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0610226100
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die Deutsche Schule Paris nicht auf die Dauer als sogenannte Expertenschule, d. h. als Schule mit innerdeutschen Lehrplänen ausschließlich für Deutsche oder deutschsprache Schüler weiterarbeiten soll, sondern in eine Begegnungsschule umgewandelt werden muß, von der allein eine kulturpolitische Wirkung und Ausstrahlung zu erwarten ist. Nur eine solche Lösung kann auf lange Sicht den finanziellen Aufwand, den die Schule erfordert — etwa 1 Million DM pro Jahr — rechtfertigen. Auf dieser Linie liegt auch ein Antrag des Deutschen Schulvereins Paris. Vor Verwirklichung dieses Vorhabens müssen jedoch noch verschiedene Fragen geklärt werden, insbesondere die Höhe der zusätzlichen finanziellen Belastungen, Raumprobleme, die Anerkennung der Zeugnisse durch Frankreich sowie die Auswahl der französischen Schüler. Die
Deutsche Botschaft in Paris ist Ende vergangenen Jahres mit entsprechenden Weisungen versehen worden. Da die Deutsche Schule in Paris eine von der Kultusministerkonferenz anerkannte deutsche Auslandsschule ist, muß ihre Umwandlung im Einvernehmen mit der Kultusministerkonferenz erfolgen. Es ist beabsichtigt, diese Frage, über die bereits in den letzten Sitzungen des Auslandsschulausschusses der Kultusministerkonferenz wiederholt beraten worden ist, anläßlich der nächsten Sitzung dieses Gremiums im Frühjahr 1971 erneut zu erörtern.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610226200
Eine Zusatzfrage.

Dr. Herbert Hermesdorf (CDU):
Rede ID: ID0610226300
Herr Staatssekretär, wann ist mit der Umstellung der Schule zu rechnen?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0610226400
Diese Frage kann ich Ihnen auf Grund der gegebenen Sachlage nicht exakt beantworten. Das müßte nach dieser Entscheidung erst geprüft werden. Die jetzige Initiative, die wir ergriffen haben, ist im übrigen ein Ergebnis der Überlegungen für eine Neukonzeption unserer auswärtigen Kulturpolitik. Wir werden diese Umwandlung selbstverständlich beschleunigen, weil es unserem Interesse entspricht, daß das geschieht.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610226500
Eine zweite Zusatzfrage.

Dr. Herbert Hermesdorf (CDU):
Rede ID: ID0610226600
Herr Staatssekretär, besagt Ihre Antwort auch, daß die Bundesregierung bereit ist, die Vorbedingungen zu schaffen, daß die Deutsche Schule in Paris dann zu einem deutsch-französischen Gymnasium mit beiderseits anerkannten Abschlußprüfungen und Zeugnissen, ähnlich dem deutsch-französischen Gymnasium in Saarbrücken, ausgestaltet wird?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0610226700
Ich glaube, daß ich mit der Antwort auf Ihre Frage das zum Ausdruck gebracht habe, was Sie jetzt wissen wollen. Begegnungsschule sollte auch heißen, daß beide Teile in gleicher Weise behandelt werden. Ich habe deswegen darauf hingewiesen, daß die Frage der Anerkennung der Zeugnisse geklärt werden muß.
Ich könnte Ihnen, Herr Abgeordneter, durchaus noch einige Hinweise über diese Planung geben. Aber ich glaube, es ist im Zusammenhang mit den Haushaltsberatungen ja ausführlich erörtert worden, wie es künftig mit diesen Schulen werden soll. Selbstverständlich legen wir, wenn wir solche gemeinsamen Einrichtungen der Begegnung und solche Schulen schaffen, auf volle Gegenseitigkeit Wert.

Dr. Herbert Hermesdorf (CDU):
Rede ID: ID0610226800
Hier liegt ein sachlicher Irrtum Ihrerseits vor. Ich bedauere, daß ich keine weiteren Zusatzfragen mehr stellen kann.




Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0610226900
Es mag sein, daß ich Ihre Frage akustisch nicht ganz erfaßt habe; das mögen Sie mir nach dieser harten Woche verzeihen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610227000
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich komme zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Herr Staatssekretär Dr. Schäfer steht zur Verfügung. Zuerst rufe ich Frage 27 des Abgeordneten Dr. Gleissner auf:
Warum hat die Bundesregierung die Vergiftung von KfzBenzin mit Bleietraäthyl und Bleieramethyl bis auf weiteres zugelassen, obwohl dadurch zahllose Menschen, insbesondere in den Ballungsräumen, der Vergiftungsgefahr in steigendem Umfang ausgesetzt werden und obwohl nach einer öffentlichen Erklärung einer großen Mineralölfirma es ohne weiteres möglich wäre, andere Zusätze mit gleicher Wirkung zur Steigerung der Klopffestigkeit zu verwenden, wodurch die Massenvergiftung durch Blei vermieden würde?
Bitte sehr!

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0610227100
Herr Abgeordneter Dr. Gleissner, nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Verminderung von Luftverunreinigungen durch Otto-Kraftstoffe für Kraftfahrzeugmotoren sollen die Bleizusätze, die den Otto-Kraftstoffen zur Steigerung der Klopffestigkeit beigegeben werden, ab 1. Januar 1972 auf 0,40 g Blei je Liter Benzin und ab 1. Januar 1976 auf 0,15 g Blei je Liter Benzin herabgesetzt werden.
Um hierbei die Klopffestigkeit der Kraftstoffe beizubehalten, sind insbesondere zu der Begrenzung auf 0,15 g Blei je Liter Benzin umfangreiche Investitionen erforderlich, die nur innerhalb der gesetzten Frist geplant und durchgeführt werden können. Bisher entwickelte andere Antiklopfmittel enthalten an Stelle des Bleis andere Metallverbindungen und weisen noch mehr umweltschädigende Wirkungen auf als Bleizusätze.
Aus diesem Grunde enthält der Gesetzentwurf auch ein Verbot des Zusetzens anderer Metallverbindungen zu Otto-Kraftstoffen zur Steigerung der Klopffestigkeit. Dieses Verbot kann nach dem Gesetzentwurf nur im Rahmen einer ausdrücklichen Zulassung durch Rechtsverordnung eingeschränkt werden.
Die Bundesregierung unterstützt in einem langfristigen Forschungsprogramm die Entwicklung von unschädlichen Antiklopfzusätzen. Sie ist aber der Meinung, daß die Ergebnisse dieser Forschungen nicht abgewartet werden können, sondern daß sofortige Maßnahmen gegen die umweltschädigenden Bleizusätze in Otto-Kraftstoffen ergriffen werden müssen. Sie hat daher mit diesem Gesetzentwurf Maßnahmen zur Verminderung der Bleizusätze in Otto-Kraftstoffen vorgesehen, die am technisch äußerst Möglichen ausgerichtet und in ihrer Schärfe auch auf internationaler Ebene richtungweisend sind.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610227200
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Gleissner.

Dr. Franz Gleissner (CSU):
Rede ID: ID0610227300
Herr Staatssekretär, welche Maßnahmen hat die Bundesregierung vorgesehen oder gedenkt sie zu ergreifen, um die EWG-Partner zu einem generellen Verzicht auf Treibstoffverbleiung zu veranlassen, und welche Maßnahmen sind vorgesehen, um den Import von Benzinen, die höher verbleit sind, als wir es vorsehen?

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0610227400
Ich kann Ihnen über die Maßnahmen, die ich Ihnen eben genannt habe und um die es sich im Rahmen des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zur Verminderung von Luftverunreinigungen handelt, hinaus keine Detailangaben machen. Ich bin aber bereit, Herr Abgeordneter Gleissner, Ihnen diese Frage schriftlich zu beantworten.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610227500
Keine Zusatzfrage. Dann rufe ich Frage 28 des Abgeordneten Mursch (Soltau-Harburg) auf:
Unter Bezugnahme auf Vorkommnisse im Raum um Hamburg frage ich die Bundesregierung, ob sie die gesetzlichen Maßnahmen als ausreichend betrachtet, die verhindern sollen, daß giftige Chemikalien auf Müllabladeplätzen abgeladen oder vergraben werden und hierdurch u. a. eine erhebliche Wasserverseuchungsgefahr hervorgerufen wird?
Bitte sehr!

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0610227600
Die Bundesregierung hat am 30. Dezember 1970 den Entwurf eines Abfallbeseitigungsgesetzes beschlossen, der zur Zeit im Bundesrat beraten wird. Diese gesetzliche Maßnahme wird, sobald sie beschlossen und in Kraft getreten ist, als ausreichend betrachtet, um künftig eine schadlose Beseitigung dieses Sondermülls sicherzustellen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610227700
Eine Zusatzfrage, bitte sehr!
Mursch (Soltau-Harburg) (CDU/CSU) : Können Sie mir sagen, Herr Staatssekretär Schäfer, ob hierbei auch die Einschaltung der Wasserwirtschaftsämter vorgesehen ist?

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0610227800
Ich nehme das an.
Mursch (Soltau-Harburg) (CDU/CSU) : Sie können es nicht sagen?

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0610227900
Ich kann es auswendig nicht sagen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610228000
Eine weitere Zusatzfrage.
Mursch (Soltau-Harburg) (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär, wäre es, wenn es zutrifft, daß diese



Mursch (Soltau-Harburg)

giftigen Chemikalien, bei denen ja der Versuch der Ablagerung erhebliche Unruhe in der Bevölkerung geschaffen hat, aus Dänemark stammen und nur nach Deutschland exportiert worden sind, um vernichtet zu werden, nicht möglich gewesen, die Einfuhr nach Deutschland rechtzeitig zu verhindern?

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0610228100
Wenn man davon gewußt hätte, daß in dem betreffenden Fahrzeug, mit dem der Transport über die dänische Grenze nach Deutschland erfolgte, sich diese Giftstoffe befunden haben, hätte man das wohl verhindern können. Aber ich habe nach den Meldungen, die mir über den Vorfall in Hamburg, der Ihrer Frage zugrunde liegt, vorliegen, den Eindruck, daß man das nicht gewußt hat.
Mursch (Soltau-Harburg) (CDU/CSU) : Nun, es handelte sich um 76 Fässer.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610228200
Herr Kollege, Erklärungen können Sie hier nicht abgeben, Sie können nur Fragen stellen. Außerdem haben Sie zwei Zusatzfragen gehabt.
Ich komme deshalb zu Frage 29 des Abgeordneten Mursch:
Welche Kontrollmaßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, um derartige Vorkommnisse, die in der Öffentlichkeit große Unruhe hervorgerufen haben, auszuschließen?

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0610228300
Die Frage 29 darf ich wie folgt beantworten. Das von der Zentralstelle für Abfallbeseitigung des Bundesgesundheitsamtes im Auftrag von Bund und Ländern herausgegebene Merkblatt über die geordnete Ablagerung fester und schlammiger Abfälle aus Siedlung und Industrie enthält bereits Angaben, auf welche Weise derartige Vorkommnisse wie bei Hamburg verhindert werden können. Das Abfallbeseitigungsgesetz, von dem ich soeben sprach, und in diesem Zusammenhang zu erlassende Rechtsvorschriften sollen eine ausreichende gesetzliche Kontrolle der schadlosen Beseitigung solcher Abfälle sichern.
Im übrigen darf ich darauf hinweisen, daß das zur Zeit in Vorbereitung befindliche langfristige Umweltschutzprogramm der Bundesregierung, das vermutlich im Mai fertiggestellt sein wird, auch ausführliche Angaben zur befriedigenden Lösung dieser speziellen Frage der Abfallbeseitigung enthalten wird.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610228400
Eine Zusatzfrage.
Mursch (Soltau-Harburg) (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär Schäfer, hat das Merkblatt, von dem Sie sprachen, eine so weitgehende Verbreitung gefunden, daß alle die Stellen, die an diesem in der Nähe von Hamburg geschehenen Skandal beteiligt waren, davon Kenntnis hatten?

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0610228500
Ich möchte es hoffen. Es ist nicht in unserem Bereich, sondern, wie ich schon sagte, von der Zentralstelle für Abfallbeseitigung des Bundesgesundheitsamtes herausgegeben worden. Ich vermag nicht zu übersehen, wie weit dieses Amt das Merkblatt gestreut hat.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610228600
Eine zweite Zusatzfrage.
Mursch (Soltau-Harburg) (CDU/CSU) : Wären Sie bereit, Herr Staatssekretär Schäfer, wegen der unbefriedigenden Antworten, die Sie mir gegeben haben, den ganzen Sachverhalt vom Ministerium aus noch einmal eingehend nachprüfen zu lassen, um eventuell daraus Schlüsse ziehen zu können, wie man in Zukunft solche Vorfälle vermeiden kann?

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0610228700
Wenn ich auch nicht anerkennen kann, daß die Antworten unbefriedigend waren, bin ich doch sehr gern bereit, dem weiter nachzugehen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610228800
Herr Abgeordneter, ich möchte darauf aufmerksam machen: die Qualifikation ist nicht Ihre Sache in der Fragestunde. Eine solche können Sie bei der Haushaltsberatung oder bei anderen Gelegenheiten vornehmen, aber nicht in der Fragestunde.
Ich rufe die Frage 30 des Abgeordneten Schröder (Wilhelminenhof) auf. — Er ist nicht da; dann wird die Frage schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Die Frage 31 des Abgeordneten Brandt (Grolsheim) wird sowieso schriftlich beantwortet. Auch diese Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 32 des Abgeordneten Dr. Enders auf. — Er ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 33 des Abgeordneten Dr. Schmude auf:
Betrachtet die Bundesregierung die Facharztausbildung eines ausländischen Arztes aus einem Entwicklungsland, der bereits sein Studium und sein ärztliches Examen in der Bundesrepublik Deutschland absolviert hat, als zur ärztlichen Ausbildung gehörig, so daß auch während des dafür benötigten Zeitraums die Aufenthaltserlaubnis zu gewähren ist?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0610228900
Ich darf diese Frage wie folgt beantworten, Herr Abgeordneter. Die Aufenthaltserlaubnis von Ausländern aus Entwicklungsländern, die sich zum Zwecke der Ausbildung in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, wird grundsätzlich zeitlich so bemessen, daß der Ausländer in seinem Studienfach zu einem entwicklungspolitisch sinnvollen Abschluß gelangen kann. Bei Ausländern



Dr. Schäfer (Tübingen)

aus Entwicklungsländern, die an ihre ärztliche Ausbildung eine Facharztausbildung anschließen wollen, ist die Nützlichkeit dieser Fortbildung unter den Gesichtspunkten der Entwicklungshilfe bislang in der Regel bejaht und dementsprechend die Aufenthaltserlaubnis verlängert worden. Neuerdings sind jedoch Zweifel aufgekommen, ob Ärzte mit einer guten ärztlichen Allgemeinausbildung für ihr Heimatland nicht wertvoller als Fachärzte sind. So machen denn auch in zunehmendem Maße Fachärzte aus Entwicklungsländern nach Abschluß ihrer Ausbildung selbst geltend, eine Heimkehr in ihre Heimat sei ihnen nicht zuzumuten, da sie dort keine ihrem Spezialwissen entsprechenden Aufgaben und Einrichtungen vorfänden. Die Bundesregierung prüft daher zur Zeit in Zusammenarbeit mit den Ländern, die übrigens für den Vollzug des Ausländerrechts zuständig sind, wie Sie wissen, wie in Zukunft sichergestellt werden kann, daß nur solche Ärzte eine Fachausbildung erhalten, die sie in ihrer Heimat auch verwerten können.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610229000
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Schmude.

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0610229100
Herr Staatssekretär, verstehe ich Ihre Antwort richtig, wenn ich ihr entnehme, daß auch die Auswertung der jüngsten Erfahrungen mit der Notwendigkeit der zusätzlichen Facharztausbildung differenzierend erfolgen soll, differenzierend nach Land und nach Art der Facharztausbildung?

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0610229200
Ja, insoweit haben Sie meine Frage richtig verstanden. Es müssen eben je nach dem Entwicklungsland noch Überlegungen angestellt werden.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610229300
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Schmude.

Dr. Jürgen Schmude (SPD):
Rede ID: ID0610229400
Indem ich vorausschicke, daß vor zwei Tagen die Frau Staatssekretärin aus dem Entwicklungshilfeministerium die jetzt kommende Frage als zu Ihrem Ressort gehörig bezeichnet hat, wiederhole ich diese wie folgt: Ist die Bundesregierung bereit, den bei der Erteilung oder Verlängerung von Aufenthaltserlaubnissen zu berücksichtigenden Zweck der Entwicklungshilfe durch allgemeinverbindliche Richtlinien festzulegen, so daß dies nicht der Beurteilung der einzelnen Polizeibehörde überlassen bleibt?

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0610229500
Ich weiß von dieser Frage meiner Kollegin aus dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit nichts. Aber sie scheint zu beinhalten, daß wir qua Bundesregierung allgemeinverbindliche Vorschriften für die Ausländerbehörden erlassen sollen. In dieser Hinsicht sind wir, was schon aus meiner Hauptantwort hervorging, bei
Überlegungen, die wir selbstverständlich zusammen mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit anstellen müssen.

(Abg. Dr. Schmude: Zum Zweck der Entwicklungshilfe?)

— Ja, gerade.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610229600
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Brück.

Valentin Brück (CDU):
Rede ID: ID0610229700
Herr Staatssekretär, darf ich Sie, da Sie ja jetzt in bestimmte Prüfungen eingetreten sind, fragen, ob Sie bereit sind, auch einmal zu prüfen, ob nicht vielleicht doch gerade Ärzte, die bei uns ausgebildet worden sind und sich hier jahrelang bewährt haben, deren Gattinnen sogar Ärztinnen sind und hier sehr erfolgreich arbeiten, in größerem Maße eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen können, als das bisher der Fall war?

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0610229800
Herr Abgeordneter, diese Frage prüfen wir sehr. Der Ärztemangel in deutschen Krankenhäusern kann angesichts der katastrophal schlechten ärztlichen Versorgung der Bevölkerung in den Entwicklungsländern aber grundsätzlich kein Gesichtspunkt für ein längeres Verweilen der Ärzte aus diesen Ländern in der Bundesrepublik sein.
Ich darf, um Ihnen zu zeigen, wie sehr die Entwicklungsländer auf die Rückkehr ihrer in der Bundesrepublik Deutschland ausgebildeten Ärzte angewiesen sind, folgende Zahlen nennen. In den meisten Entwicklungssländern kommt ein Arzt auf 25 000 Einwohner. In manchen Regionen liegt das Verhältnis sogar bei 1 : 45 000 und darüber. Im Vergleich dazu darf darauf hingewiesen werden, daß das Verhältnis in der Bundesrepublik 1 : 677 beträgt. Die Rückkehr der 1868 Ärzte aus asiatischen und afrikanischen Entwicklungsländern, die gegenwärtig bei uns tätig sind, würde eine spürbare Verbesserung der ärztlichen Versorgung in diesen Ländern bewirken. So würde z. B. die Heimkehr der bei uns ausgebildeten nur 40 afghanischen Ärzten die ungünstige Relation in ihrem Heimatland von 1 : 48 000 auf 1 : 44 000 verschieben. Ähnliche Beispiele könnte ich aus anderen Entwicklungsländern bringen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610229900
Keine Zusatzfrage.
Die Fragen 34 und 35 des Abgeordneten Dr. Hupka und die Fragen 36 und 37 des Abgeordneten Meinike (Oberhausen) werden auf Bitten der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 38 des Abgeordneten Dr. Haack auf:
Sind neben dem Verfahren gegen den Herausgeber der „National- und Soldatenzeitung" weitere Verfahren auf Aberkennung von Grundrechten nach Artikel 18 des Grundgesetzes anhängig?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!




Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0610230000
Ich darf Ihre Frage, Herr Abgeordneter Haack, mit Nein beantworten. Der Antrag der früheren Bundesregierung vom 17. März 1969 gegen den Herausgeber und den Verlag der Deutschen Nationalzeitung gemäß Art. 18 GG ist das einzige anhängige Verfahren dieser Art beim Bundesverfassungsgericht.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0610230100
Keine Zusatzfrage. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Meine Damen und Herren, wir stehen am Ende der Sitzung. Ich berufe die nächste Sitzung auf Mittwoch, den 3. März 1971, 9 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.