Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.Vor Eintritt in die Tagesordnunggebe ich folgendes bekannt. Es liegt Ihnen eine Liste von Vorlagen vor, die keiner Beschlußfassung bedürfen und die nach § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden sollen:Vorlage des Leiters der Deutschen Delegation der Nordatlantischen VersammlungBetr.: Erklärung, Entschließungen und Empfehlungen der 16. Jahrestagung der Nordatlantischen Versammlung in Den Haag— Drucksache VI/1558 —zuständig: Auswärtiger Ausschuß , Verteidigungsausschuß, Innenausschuß, Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit; außerdem mitberatend: Nr. III Ausschuß für Wirtschaft, Nrn. IV und V Ausschuß für Bildung und WissenschaftVorlage des Leiters der Deutschen Delegation bei der Versammlung der Westeuropäischen UnionBetr.: Bericht über den zweiten Teil der 16. Sitzungsperiode der Versammlung der Westeuropäischen Union vom 16. bis 19. November 1970— Drucksache VI/1618 —zuständig: Auswärtiger Ausschuß , VerteidigungsausschußVorlage des BundeskanzlersBetr.: Grundsätze einer Strukturpolitik für kleine und mittlere UnternehmenBezug: Jahreswirtschaftsbericht 1970 der Bundesregierung — Drucksache VI/1666 —zuständig: Ausschuß für Wirtschaft , Finanzausschuß, Ausschuß für Arbeit und SozialordnungVorlage des BundeskanzlersBetr.: Übereinkommen und Empfehlungen der Allgemeinen Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation auf ihrer 53. Tagung im Juni 1969— Drucksache VI/1652 —zuständig: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung , Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und ForstenVorlage des Staatssekretärs des Auswärtigen AmtsBetr.: Kommuniqué der Ministertagung des Nordatlantikrates am 3. und 4. Dezember 1970— Drucksache VI/1686 —zuständig: Auswärtiger Ausschuß , Verteidigungsausschuß, Ausschuß für innerdeutsche BeziehungenErhebt sich gegen die beabsichtigten Überweisungen Widerspruch? — Das ist nicht der Fall. Damit ist die vorgeschlagene Überweisung beschlossen.Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:Der Bundeskanzler hat gemäß § 2 Abs. 2 Satz 3 des Gesetzes über die Errichtung der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vorn 7. August 1953 den Geschäftsbericht 1969 der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte übersandt. Der Bericht wird als Drucksache VI/1713 verteilt.Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen hat am 14. Januar 1971 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Meinecke , Raffert, Jung, Grüner und der Fraktionen der SPD, FDP betr. Wissenschaftsreferenten an deutschen Vertretungen im Ausland — Drucksache VI/1563 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI/1719 verteilt.Der Bundeskanzler hat gemäß § 30 Abs. 4 des Bundesbahngesetzes vom 13. Dezember 1951, zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung des Bundesbahngesetzes vom 6. März 1969, den Nachtrag zum Wirtschaftsplan der Deutschen Bundesbahn für das Geschäftsjahr 1970 übersandt, der im Archiv zur Einsichtnahme ausliegt.Der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat gegen die nachfolgenden, vom Rat der EG inzwischen verkündeten Verordnungen keine Bedenken erhoben:Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 2517/69 zur Festlegung einiger Maßnahmen zur Sanierung der Obsterzeugung in der Gemeinschaft— Drucksache VI/1343 —Verordnung des Rates über eine ergänzende Abschlagszahlung auf die für den EAGFL, Abteilung Garantie, für den Verbuchungszeitraum „zweites Halbjahr 1969" in Betracht kommenden Ausgaben— Drucksache VI/1373 —Verordnung des Rates zur Änderung des Artikels der Verordnung Nr. 136/66/EWG betreffend Einfuhr- und Ausfuhrlizenzen für Fette— Drucksache VI/1444 —Verordnung des Rates zur Verlängerung der Verordnung Nr. 414/70 über die Grundregeln für die Maßnahmen zur Steigerung des Butterverbrauchs bei bestimmten Verbrauchergruppen— Drucksache VI/1467 —Verordnung des Rates zur Festsetzung der Orientierungspreise für Wein für die Zeit vom 16. Dezember 1970 bis 15. Dezember 1971— Drucksache VI/1468 —Richtlinie des Rates zur Aufhebung der Richtlinie des Rates vom 26. Juni 1969 über den aktiven Veredelungsverkehr einiger Erzeugnisse der Nummern 18.06 und 21.07 des Gemeinsamen Zolltarifs— Drucksache VI/1538 —Verordnung des Rates zur Anderung des von der belgischen und der luxemburgischen Interventionsstelle angewandten Ankaufspreises für Butter und Magermilchpulver— Drucksache VI/1540 —Verordnung des Rates zur Aufhebung der Verordnung Nr.168/67/EWG des Rates und zur Änderung der Verordnungen
Nr. 19/69 und Nr. 171/67
Verordnung des Rates zur Anderung der Verordnung Nr. 142/67/EWG betreffend die Vorausfestsetzung der Erstattung für Ölsaaten— Drucksache VI/1545 —Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 23. Februar 1962 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:Zoll-VorlagenVerordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs
— Drucksache VI/1712 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte umVorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 12. Mai 1971
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5008 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 92. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Januar 1971
Vizepräsident Dr. SchmidDer Präsident des Bundestages hat entsprechend dein Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:EWG-VorlagenVerordnung des Rates über die Grundregeln für die Gewährung von Erstattungen bei der Ausfuhr von Fischereierzeugnissen und über die Kriterien für die Festsetzung der Erstattungsbeträge— Drucksache VI/1691 —überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 802/68 des Rates vom 27. Juni 1968 über die gemeinsame Begriffsbestimmung für den Warenursprung— Drucksache VI/1699 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatRichtlinie des Rates über die Angleichung der spezifischen Steuern auf zur Verwendung als Brennstoffe bestimmte flüssige Kohlenwasserstoffe— Drucksache VI/1704 —überwiesen an den Finanzausschuß , Ausschuß fürWirtschaft, Haushaltsausschuß mit der Bitte um Vorlage desBerichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatWir treten in die Tagesordnung ein. Die heutige Sitzung beschränkt sich auf Punkt 1 der Tagesordnung:Fragestunde— Drucksache VI/ 1696 —Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Ich rufe Frage 92 des Abgeordneten Dr. Jahn auf:Wie beurteilt die Bundesregierung die Bestrebungen der EWG, durch Koordination und Kooperation die Handelspolitik im Mittelmeerraum zwischen der EWG und der nationalen Außenhandelspolitik der Mitgliedstaaten zu harmonisieren?Herr Staatssekretär, bitte!
Herr Präsident, die Frage beantworte ich wie folgt. Die Bundesregierung tritt dafür ein, Herr Abgeordneter, daß die traditionellen, historisch gewachsenen Bindungen des Mittelmeerraums an den Gemeinsamen Markt durch eine Politik ausgewogener und harmonischer gemeinschaftlicher Beziehungen mit den Ländern dieses Raumes gefestigt werden. In diesem Sinne hat sie auch im vergangenen Jahr am Ausbau der bestehenden Assoziierungen und am Abschluß neuer Handelsabkommen der Gemeinschaft mit einzelnen Mittelmeerländern aktiv mitgewirkt.
Die Bundesregierung wird auch in Zukunft alle Bemühungen unterstützen, die auf eine Herstellung möglichst gleichgewichtiger und aufeinander abgestimmter Wirtschaftsbeziehungen zu den Mittelmeeranrainern abzielen. Sie ist der Auffassung, daß die Europäische Gemeinschaft damit einen wichtigen Beitrag zur friedlichen Entwicklung, zur Stabilität und zur Prosperität des Mittelmeerraumes leisten kann.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wie wird die Bundesregierung die Sorge unserer Partner im Mittelmeerraum beheben, daß sich durch den Beitritt Großbritanniens, Dänemarks, Norwegens und Irlands die nördlichen Bündnispartner — man nennt die Bundesrepublik, die Niederlande und Belgien — im Laufe der Zeit, wie man sagt, hanseatisch, d. h. auf den atlantischen, den Nordsee- und den Ostseeraum orientieren könnten?
Herr Abgeordneter, wenn ich es recht sehe, gehört diese Zusatzfrage eigentlich zu Ihrer zweiten Frage, weil sie die politischen Aspekte betrifft. Die erste Frage befaßt sich mit den wirtschaftlichen Problemen. Die wirtschaftlichen Fragen sind auf Grund der bestehenden Rechtslage zu klären, wobei ich nicht verhehlen will, daß es innerhalb des GATT ja gewisse Widerstände gegen die Fortsetzung des Assoziierungsverfahrens in dieser Form gibt. Aber ich habe hier betont, daß die Mittelmeerpolitik insgesamt von der Gemeinschaft als höchst bedeutsam angesehen wird. Da z. B. Großbritannien im Mittelmeerraum sehr starke Interessen hat und auch mit den Anrainerstaaten zum Teil traditionell enge Beziehungen pflegt, besteht nach dem jetzigen Verlauf der Gespräche nicht der geringste Zweifel, daß keinerlei Vernachlässigung dieses — wenn ich z. B. an die Erdölfragen denke — auch für unsere Versorgung so außerordentlich wichtigen Gebietes eintreten wird.
Die Bundesregierung hat sich bisher bemüht, diese Probleme in diesem Sinne in enger Kooperation vor allem auch mit den beiden Mittelmeerländern Italien und Frankreich zu sehen und zu lösen. Wir sind dabei durch die verbesserte vertrauensvolle Zusammenarbeit im vergangenen Jahr auch einen Schritt weitergekommen.
Noch eine letzte Zusatzfrage? — Bitte!
Gedenkt die Bundesregierung, im arabischen Raum ihre Handels- und Entwicklungspolitik — gleichlaufend mit den zur Verhandlung stehenden Präferenzabkommen der EWG, über die Sie, Herr Staatssekretär, soeben gesprochen haben — gegenüber den dortigen Staaten zu überprüfen? Ich denke an die Verhandlungen, die zur Zeit mit Ägypten geführt werden.
Sie wissen, daß diese Dinge im Gange sind. Sie sind einer der Gegenstände, über die wir uns mit den Verbündeten konsultieren. Wir haben großen Wert darauf gelegt, daß dort eine ausgewogene Politik Platz greift, eine Politik, die die klare politische Position der Bundesrepublik Deutschland, in diesem Konfliktraum nicht Partei zu nehmen, auch unterstreicht.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 92. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Januar 1971 5009
Ich rufe Frage 93 des Abgeordneten Dr. Jahn auf:
Wird die Bundesregierung in der EWG eine Politik unterstützen, die darauf gerichtet ist, daß die EWG und ihre Mitgliedstaaten in der Mittelmeerpolitik mit einer Stimme sprechen?
Diese Frage beantworte ich wie folgt, Herr Abgeordneter. Die Bundesregierung hat sich in den vergangenen Monaten in verstärktem Maße mit den Regierungen der übrigen europäischen Länder über die Entwicklung der Lage im Mittelmeerraum konsultiert. Sie teilt die Besorgnisse ihrer Partner und ist entschlossen, nach Kräften dazu beizutragen, die Lage im Mittelmeerraum zu konsolidieren und die Südflanke Europas zu sichern. Die Bundesregierung hofft, daß sich aus den verstärkten Konsultationen mit den europäischen Partnern allmählich auch eine gemeinsame Mittelmeerpolitik entwickeln läßt.
In diesem Sinne ist die Bundesregierung im Rahmen der EWG ebenso wie in dem der politischen Zusammenarbeit gemäß dem Luxemburger Bericht der sechs Außenminister und in der WEU auch bemüht, in der Mittelmeerpolitik zu einer gemeinsamen Linie mit ihren Partnern zu gelangen. Ich habe vorhin schon gesagt, daß wir mit der Neubildung der Bundesregierung im Jahre 1969 und mit der Haager Konferenz auf diesem Gebiet einen beträchtlichen Schritt vorangekommen sind.
Wir kommen zu Frage 94. Der Fragesteller hat gebeten, daß seine Frage schriftlich beantwortet wird. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe Frage 95 des Abgeordneten Biehle auf:
Trifft es zu, daß man bereits einen Tag nach Unterzeichnung des deutsch-polnischen Vertrages u. a. in Oppeln Demonstrationen gegen Deutsche mit den Parolen „Heraus mit den Oberschlesiern — wir fordern ein reines Polen" veranstaltete und damit eine Entwicklung einleitete, die in immer stärker werdende Schikanen und Drohungen auch an den Arbeitsplätzen vor allem gegen solche Deutsche ausarten soll, die in die Bundesrepublik Deutschland umsiedeln wollen, und was wird die Bundesregierung unternehmen, um diese Deutschen über Aussiedlungsmöglichkeiten durch die polnischen Behörden informieren zu lassen?
Herr Präsident, diese Frage beantworte ich wie folgt. Der Bundesregierung liegen Berichte von Umsiedlern und Reisenden vor, daß nach Unterzeichnung des deutschpolnischen Vertrages in Oppeln und an anderen Orten Parolen ,der in der Frage genannten Art laut geworden sind. Wieweit man dabei von Demonstrationen sprechen kann, ist aus den Unterlagen nicht klar ersichtlich, weil das Wort „Demonstration" in unserem Rechtsbegriff eine ganz besondere Bedeutung hat. Die Bundesregierung verfügt über keine Anhaltspunkte dafür, daß in Polen eine allgemeine Entwicklung begonnen hat, die durch zunehmende Schikanen und Drohungen vor allem gegen die ausreisewilligen Deutschen gekennzeichnet sei. Zur Unterrichtung der Deutschen in Polen über die Ausreisemöglichkeit hat sich die polnische Seite bei den deutsch-polnischen Gesprächen und Verhandlungen aus innenpolitischen Gründen nicht bereit erklärt. Im einzelnen werde ich zur Frage der Unterrichtung der Deutschen östlich von Oder und Neiße über die Aussiedlungsmöglichkeiten in meiner Antwort auf die Frage des Abgeordneten Rollmann Stellung zu nehmen haben.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir der Auffassung, daß durch Meldungen der halbamtlichen polnischen Presseagentur „Interpress" vom 12. Januar 1971 an die Würzburger „Main-Post", wonach die polnischen Behörden niemanden überreden, aber auch nicht zwingen werden, Polen zu verlassen, erneut dokumentiert wurde, daß entsprechend der bisherigen Handhabung auch künftig durch die polnischen Behörden jegliche Information und Aufklärung über die Aussiedlungsmöglichkeiten für Deutsche in Polen unterbunden wird?
Herr Abgeordneter, ich kann diese Auffassung nicht teilen. Die Frage ist doch, ob die Betroffenen diese Information bekommen. Wenn Sie im ersten Teil Ihrer Frage mit-. teilen, daß von polnischer Seite Gegenaktionen spontaner Art gegen ausreisewillige Deutsche eingeleitet worden seien oder gar „Polendeutsche" — wie Sie in Ihrer Frage sagen — aufgefordert wurden auszureisen, dann setzt das ja voraus, daß dieser Tatbestand dort bekannt ist, daß also an Information kein Mangel herrschen kann.
Herr Abgeordneter Czaja!
Herr Staatssekretär, würden Sie mir zustimmen, daß die Vorfälle, die Sie bezüglich des Gebietes Oppeln hier selbst angeführt haben, kein erhebendes Beispiel einer beginnenden Entspannung sind, und würden Sie dies auf geeigneten Kanälen auch dem Verhandlungspartner zur Kenntnis bringen?
Herr Abgeordneter, Sie können davon ausgehen, daß die Bundesregierung, weil sie an der Entspannung interessiert ist — und ich gehe davon aus, daß alle Mitglieder dieses Hauses den gleichen Wunsch haben —, alles tun wird, was zur Entspannung beiträgt, auch im Gespräch mit polnischen Partnern. Ich bin sicher, daß der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion bei seinem Polenbesuch auch auf diese Frage zu sprechen kommen könnte. Ich glaube aber, daß es gerade der Entspannung dient, wenn wir Einzelmeldungen, die zum Teil unbestätigt sind, nicht überbewerten, sondern zunächst einmal eingehend prüfen. Da wir keine amtlichen Unterlagen über solche Vorgänge haben, muß ich mich auf Meldungen aus zweiter und dritter Hand beschränken. Ich bitte deshalb um Verständnis, daß ich in diesem Augenblick eine sehr vorsichtige Wertung vornehme.
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5010 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 92. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Januar 1971
Herr Abgeordneter Schulze-Vorberg!
Herr Staatssekretär, da das Auswärtige Amt mir in einem Brief vom 18. dieses Monats mitgeteilt hat, daß die Umsiedler aus Polen entstehende Vermögensverluste zumindest teilweise im Rahmen des Lastenausgleichs ersetzt bekommen, da die Mitnahme von persönlicher Habe ebenso wie die Transferierung von Verkaufserlösen nur in dem Umfang möglich ist, der den polnischen Gesetzen entspricht, darf ich fragen: Wie sind diese gesetzlichen Bestimmungen in Polen? Was darf also ein Umsiedler mitnehmen? Entspricht das etwa dem, was damals die Vertriebenen mitbekommen haben?
Herr Abgeordneter, da diese Frage in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der gestellten Frage steht, kann ich Ihnen die gesetzlichen Bestimmungen, die in Polen gelten, jetzt nicht vorlesen. Ich will nur eines sagen. Diese Bestimmungen sind nicht verändert worden. Sie gelten unverändert seit langer Zeit, wie sie in allen Ländern gelten, die Staatshandelsländer sind, und wie sie etwa auch in einem Land wie dem Deutschen Reich gegolten haben, das damals eine Devisenbewirtschaftung eingeführt hatte. Entsprechende Bestimmungen gelten dort, und es ist keinerlei Sonderbestimmung für die jetzt ausreisewilligen Deutschen eingeführt worden. Wie umfassend diese Bestimmungen gehandhabt werden, wie großzügig sie gehandhabt werden, kann ich Ihnen deswegen noch nicht sagen, weil die Ausreisen auf Grund dieser Information noch nicht begonnen haben, wenn auch einige Tausende bereits zur Ausreise vorbereitet sind. Das muß sich dann an Hand der Tatbestände herausstellen. Aber wir haben keine Nachricht darüber, daß in irgendeiner Form eine speziell restriktive Handhabung gegenüber früher vorgenommen werden soll.
Ich bin gern bereit, Herr Abgeordneter, wenn mehr Nachrichten vorliegen — Sie stehen offensichtlich mit den zuständigen Referaten in Schriftwechsel —, die Dinge an Hand von Einzelbeispielen zu erläutern. Dabei muß ich Ihnen sagen, daß etwa die Schätzung eines gewissen Vermögenswertes an Schmuckstücken oder ähnlichem natürlich von amtlichen Stellen immer anders vorgenommen wird als vom privaten Inhaber, weil der Inhaber z. B. einen Wert, der in der Tradition eines solchen Schmuckstücks liegt, möglicherweise höher einschätzt als der Juwelier, der es ihm abkaufen würde.
Herr Abgeordneter Walkhoff!
Herr Staatssekretär, hält es die Bundesregierung für möglich, daß die Situation der aussiedlungswilligen Deutschen in Polen dadurch erschwert, wird, daß, wie man in der „Frankfurter Rundschau" nachlesen konnte, einige radikale Vertriebenenfunktionäre in der Öffentlichkeit gegen eine groß angelegte Familienzusammenführung agitieren, weil der völlige Abbau der Präsenz der deutschen Minderheit jenseits der Oder-NeißeGrenze zur Aufgabe deutscher Interessen in diesen Gebieten führe?
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung kann wohl mit gutem Grund davon ausgehen, daß extreme Einzelstimmen in unserem Land auch von polnischer Seite als extreme Einzelstimmen gewertet werden und nicht dem deutschen Volk als Ganzem zur Last gelegt werden und hoffentlich nicht zu Nachteilen für die Betroffenen führen werden.
Herr Abgeordneter Marx!
Herr Staatssekretär, ich möchte auf die ursprüngliche Frage zurückkommen und im Hinblick auf unsere Erfahrungen, daß sehr viele Umreisewillige, die sich in den letzten Jahren gemeldet hatten, dadurch offenbar bedeutende Nachteile hatten, die Frage stellen, ob die Bundesregierung etwas darüber sagen kann, daß sich diese Situation nach der Unterzeichnung des deutsch-polnischen Vertrages bessern wird oder daß von der polnischen Seite versprochen worden ist, die Situation zu bessern.
Herr Abgeordneter, Ihr Kollege Rollmann hat speziell zu dieser Frage eine Antwort erbeten. Vielleicht darf ich auf ihre Zusatzfrage in diesem Zusammenhang schon einiges vorwegnehmen. Oder wollen Sie vielleicht die Frage so lange zurückstellen?
Ich will dann meine Zusatzfrage zurückstellen, bis die Frage des Kollegen Rollmann beantwortet wird.
Ich rufe die Frage 96 des Abgeordneten Biehle auf:
Ist die Bundesregierung bereit, sofort alle erdenklichen Schritte zu unternehmen, damit auch der Minderheitenschutz der Deutschen in Polen durch die polnische Regierung garantiert wird und auch deutschen Aussiedlern keine vermögensrechtlichen Nachteile entstehen, wie dies nach Meldungen der Würzburger Main-Post und des Schweinfurter Tagblattes vom 19. Dezember 1970 zur Zeit durch entschädigungslose Aufgabe u. a. von Haus- und Grundbesitz der Fall ist?
In den deutschpolnischen Gesprächen und Verhandlungen hat keine Einigung über den deutschen Wunsch erzielt werden können, daß Personen deutscher Abstammung in Polen gleiche Rechte eingeräumt werden, wie sie Personen polnischer Abstammung in der Bundesrepublik genießen. Die polnische Haltung hängt damit zusammen, daß von polnischer Seite die Existenz einer deutschen Minderheit in Abrede gestellt wird. Die Bundesregierung hofft jedoch, daß im Laufe der mit der Unterzeichnung des
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 92. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Januar 1971 5011
Parlamentarischer Staatssekretär Moersch deutsch-polnischen Vertrages angestrebten allmählichen Normalisierung des deutsch-polnischen Verhältnisses für die in Polen verbleibenden Deutschen Verbesserungen in den Bereichen erzielt werden können, in denen diese heute noch benachteiligt werden.Für das Verfahren bei der Umsiedlung besteht die polnische Regierung — wie sich auch aus der „Information" ergibt — auf der Beachtung der polnischen Gesetze und Rechtsvorschriften. Die Mitnahme der persönlichen Habe sowie der Transfer von Verkaufserlösen sind nur in dem Umfang möglich, den die polnischen Bestimmungen zulassen.In der Bundesrepublik werden den Übersiedlern die ihnen im Zusammenhang mit der Umsiedlung entstehenden Verluste zumindest teilweise im Rahmen der Lastenausgleichsgesetzgebung ausgeglichen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ich frage Sie, was hat die Bundesregierung im Rahmen der Verhandlungen mit der polnischen Regierung dafür getan, endlich den Standpunkt auszuräumen, daß es keine deutsche Minderheit mehr in Polen gebe, und glauben Sie, daß es ein Ersatz für die Ausgesiedelten ist, wenn sie in der Bundesrepublik nach unseren Gesetzen für das entschädigt werden, was sie an vermögensrechtlichen Nachteilen in Polen erlitten haben?
Herr Abgeordneter, die beiden Fragen beantworte ich wie folgt. Die Bundesregierung hat — ich habe das soeben schon dargestellt — in den Gesprächen versucht, diese Frage in unserem Sinne zu klären. Die polnische Regierung hat einen anderen Standpunkt vertreten und vertritt ihn nach wie vor. Das ist auch, glaube ich, der Offentlichkeit mitgeteilt worden. Aber vor die Frage gestellt, entweder etwas nicht Erreichbares durchzusetzen zu versuchen oder wenigstens etwas zu erreichen, hat sich die Bundesregierung für den pragmatischen Weg entschieden, den wir jetzt gehen. Wir glauben, daß die polnische „Information" ein Entgegenkommen auf diesem von uns gewünschten Wege darstellt und daß damit allgemein eine Verbesserung der Lage der deutschen Volkszugehörigen eintreten kann. Die Frage hängt natürlich entscheidend mit von der weiteren Entwicklung der deutsch-polnischen Beziehungen ab. Das habe ich hier in einer anderen Fragestunde schon einmal dargelegt.
Das Zweite ist die Frage der Vermögenswerte. Hier hat die polnische Seite auf der Beachtung der von mir zitierten Rechtsvorschriften bestanden. Sie hat die Gleichbehandlung mit früheren Aussiedlern angekündigt und vorgenommen, und wir standen vor der Frage, ob wir wegen der polnischen Mitteilung, daß eine gleiche Behandlung wie früher, also keine besondere oder bessere Behandlung erfolgen könne, auf die Aktion selbst verzichten oder auf der Grundlage dessen, was auch früher vermögensrechtlich getan worden ist, dem Wunsch der betroffenen Bürger entsprechen wollten. Wir haben uns für das letztere entschieden.
Eine Zusatzfrage.
Dokumentiert dies nicht die Tatsache, daß die Bundesregierung nicht in der Lage war, in den deutsch-polnischen Verhandlungen ihren Standpunkt durchzusetzen, trotzdem aber bereit war, dieses Vertragswerk zu unterzeichnen?
Mir ist keine internationale Verhandlung bekannt, in der ein Partner seinen Standpunkt vollständig durchsetzen konnte, während der andere überhaupt nichts durchsetzen konnte.
In solchen Verhandlungen pflegt man am Ende einen Kompromiß zu schließen. Die Frage ist, ob Sie, wenn Sie einen Teil Ihrer Forderungen und Wünsche erreicht haben — und das ist hier geschehen —, das ganze Abkommen scheitern lassen wollen oder dies eben als einen ausreichenden Kompromiß ansehen. Bei Abwägung des Für und Wider, vor allem bei Abwägung der Wünsche der betroffenen Bürgerinnen und Bürger hat sich die Bundesregierung, wie gesagt, für die Wünsche der betroffenen Bürgerinnen und Bürger und nicht für die Durchsetzung eines maximalen Standpunktes entschieden, der von unserer Seite aus eben nicht durchzusetzen war.
Zusatzfrage des Abgeordneten Czaja.
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung, unabhängig von Ratifikation oder Nichtratifikation der Verträge, bei den zukünftigen Verhandlungen und Gesprächen die Regierung der Volksrepublik Polen in verstärktem Maße auch auf die Notwendigkeit des soeben angesprochenen Schutzes der nationalen Eigenart, wie sie in dem Entwurf der UN-Konvention zum Schutze der Menschen- und staatsbürgerlichen Rechte enthalten ist, und auf die Verpflichtung der Bundesregierung hinweisen, gegenüber deutschen Staatsangehörigen die Prinzipien und die einzelnen Vorschriften der Europäischen Menschenrechtskonvention zu beachten, die für die Bundesrepublik Deutschland bereits verbindlich ist?
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung hat niemals gezögert, auf die für sie verbindliche Menschenrechtskonvention in allen Bereichen hinzuweisen und immer, auch in diesen Gesprächen, dieses Argument ins Feld zu führen. Ich möchte Sie aber herzlich bitten, mitzuhelfen, daß wir so schnell wie möglich zu normalen
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5012 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 92. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Januar 1971
Parlamentarischer Staatssekretär Moersch1 Beziehungen zur Volksrepublik Polen kommen können, daß also dieses Vertragswerk in Kraft gesetzt werden kann, weil wir dann sicher sind, daß wir gerade die Interessen der Betroffenen, die auch Sie im Auge haben, sehr viel besser vertreten können als bisher, da keine derartigen Beziehungen normaler Art bestehen. Wenn es darüber hinaus gelingt, durch eine sehr realistische und vernünftige Handhabung auch der Sprache in diesen Fragen nicht nur zu normalen, sondern am Ende auch zu freundschaftlichen Beziehungen mit dem polnischen Volk und mit der Volksrepublik Polen zu kommen, dann, glaube ich, ist denen am meisten gedient, die diese Menschenrechte bitter nötig haben.
Herr Schulze-Vorberg!
Herr Staatssekretär, wenn man Ihrer Antwort folgt, nach der die deutsche Minderheit drüben keinen Minderheitenstatus besitzt, weil es sie angeblich nicht gibt, und die Bundesregierung in den Verhandlungen immer wieder auf die Menschenrechtskonvention hingewiesen hat, ergibt sich doch daraus, daß die Menschenrechtskonvention für die deutsche Minderheit in Polen auch nach diesem unterschriebenen
3) Vertrag nicht gelten soll?
Herr Abgeordneter, ich glaube, die Frage erweckt den Eindruck, als ob der Tatbestand viel einfacher wäre als er ist.
— Ich glaube, Herr Abgeordneter, daß ich zunächst die Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg beantworten sollte. Sie sind sicher in der Lage, nachher noch eine Zusatzfrage in dieser Richtung zu stellen.
Herr Abgeordneter Schulze-Vorberg, die Frage des Minderheitenstatus in Polen leitet sich — ich nenne jetzt den polnischen Standpunkt — aus zwei Komponenten her, einmal aus der Tatsache, daß 1945, wie auch immer, eine Option erfolgt ist. Daß diese Option jetzt von den Betroffenen zum Teil korrigiert werden kann, ist sicherlich ein Fortschritt gegenüber dem Zustand, der damals bestand. Das Zweite möchte ich doch bitten nicht ganz zu vergessen: daß es einmal eine Reichsregierung gegeben hat, die mit völkischen Minderheiten in anderen Staaten expansive Politik betrieben hat auf Kosten dieser betroffenen Staaten. Daß diese so historisch gewordenen Erfahrungen in diesen Völkern und Staaten auch nach 25 oder 30 Jahren noch nicht ausgelöscht und getilgt sind, muß man einfach als Tatsache registrieren, ohne sie im einzelnen werten zu wollen.
Wenn man von diesen historischen Gegebenheiten subjektiver und objektiver Art ausgeht, glauben wir, daß das, was wir jetzt erreicht haben, nämlich ein neues Verfahren der Option für diejenigen in Polen lebenden Bürger, die in die Bundesrepublik Deutschland oder in die DDR ausreisen wollen -beides ist ja in dieser Information enthalten —, ein Fortschritt gegenüber dem früheren Zustand ist. Daß wir nicht die ideale Welt in diesem Gebiet erreichen konnten, ist uns klar. Aber das ist ja auch bei früheren Versuchen nicht gelungen.
Herr Abgeordneter Freiherr von Fircks!
Herr Staatssekretär, muß ich Ihren Antworten entnehmen, daß die unter Zwang erfolgte und auch nur teilweise Option nach Auffassung der Bundesregierung eine solche Ausgangslage geschaffen hat, daß es nicht durchzusetzen oder in Verhandlungen zu erreichen ist, daß die polnische Regierung den Status der Deutschen als Ausländer in Polen — denn sie sind ja deutsche Staatsangehörige — anerkennt, womit es nach dem Völkerrecht überhaupt nicht möglich wäre, eine Enteignung vorzunehmen?
Herr Abgeordneter, es ist in diesem Hause wohl nicht bekannt, daß der polnische Standpunkt, was die Rechtslage der dort Wohnenden betrifft, ein ganz anderer ist, als er in Ihrer Frage zum Ausdruck kam, und daß da verschiedene Meinungen herrschen. Aber Sie können davon ausgehen, daß die Bundesregierung diese Frage in einer zähen Verhandlung aufgeworfen hat; nur auf diese Weise sind wir überhaupt zu irgendwelchen Erfolgen gekommen. Ich möchte hier ganz offen sagen, daß es möglicherweise am Ende nicht unbedingt im Sinne der dort Betroffenen sein würde, wenn wir nun beim Beginn dieser Aktion, da ja jetzt die ersten Registrierungen vorgenommen worden sind und da wir die Ausreisen in einigen Wochen erwarten, auf Grund von Vorstellungen, die von der anderen Seite als theoretisch angesehen werden, in einer sehr extensiven Weise über diese Fragen diskutierten. Ich glaube, es wird nützlich sein, vielleicht in einigen Monaten oder nach Ablauf eines Jahres allgemein zu prüfen — vielleicht auch in den zuständigen Ausschüssen —, in welcher Form die Information, die uns die polnische Regierung gegeben hat, dann verwirklicht worden ist. Dann können wir vielleicht zu einem besseren Bild der Meinungen auch hier im Hause kommen.
Herr Abgeordneter Mattick!
Herr Staatssekretär, könnten Sie mir zustimmen, wenn ich feststelle, daß die polnische Regierung, obwohl der Vertrag noch nicht ratifiziert ist, bereits die Maßnahmen eingeleitet
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 92. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Januar 1971 5013
Mattickhat, die zu treffen sie sich ohne vertragliche Verpflichtung der Bundesrepublik gegenüber festgelegt hat?
Würden Sie mir darin zustimmen, Herr Staatssekretär, daß es im Rahmen der so kurzen Verbindungen, die jetzt nach der Unterschrift unter dem Vertrag bestehen, immerhin auch eine Leistung der polnischen Regierung ist, daß sie diese Maßnahmen eingeleitet hat und wir in der nächsten Zeit mit einer Rückführung vieler tausend Menschen rechnen können?
— Ich habe dem Herrn Staatssekretär eine Frage gestellt und kann mich mit Ihnen hier nicht auseinandersetzen.
Herr Abgeordneter, ich darf Ihnen bestätigen, daß die polnische Regierung so gehandelt hat, wie Sie es in Ihrer Frage zum Ausdruck gebracht haben. Ich möchte hinzufügen, daß nicht von allen Kritikern des polnischen Vertrages erwartet worden ist, daß schon vor der Ratifizierung des Vertrages diese Maßnahmen eingeleitet werden,
ob es nun im Vertrag steht oder nicht.
Herr Abgeordneter Marx!
Herr Staatssekretär, damit wir uns über die historischen Tatbestände richtig verständigen können: Sind Sie bereit, zuzugeben, daß Ihre vorhergehende Darlegung der Zusammenarbeit von Minderheiten mit expansiven Kräften in Mitteleuropa — jeder weiß, was Sie meinen — nicht der einzige Grund ist, sondern daß die Tatsache, daß unter der Überschrift „Selbstbestimmungsrecht" solche Minderheiten in anderen Staaten geschaffen wurden, eine Quelle der schlimmen Auseinandersetzungen in den 20er und 30er Jahren war?
Herr Abgeordneter, ich zweifle nicht — —
Herr Abgeordneter Marx, ich muß feststellen, daß Sie dem Herrn Staatssekretär ein rein abstraktes, theoretisches historisches Urteil abverlangen. Es ist aber nicht der Sinn einer Fragestunde, der Bundesregierung Gelegenheit zu geben, ihr historisches Wissen vor uns auszubreiten.
Wenn jedoch der Herr Staatssekretär wünschen sollte, auf Ihre Frage einzugehen, so steht dem nichts im Wege.
Herr Präsident, ich zögere nicht einen Moment, die Frage des Herrn Dr. Marx so zu beantworten, daß ich sage: den profunden historischen Kenntnissen, Herr Dr. Marx, die Sie hier ausbreiten, kann ich nur zustimmen und die muß ich mit einigem Neid betrachten. Vielleicht darf ich dann aber auch bitten, etwas weiter rückwärts zu gehen und die Frage der Erfindung des Nationalstaates mit der entsprechenden Überheblichkeit gegen Minderheiten doch einmal allgemeineuropäisch zu betrachten. Ich lehne es jedenfalls ab, irgendeine Art von historischem Datum als Ausgangspunkt einer gewissen Schuld zu nehmen. Die Frage, wie weit man dann in der Geschichte zurückgeht, ist eine Frage, die wir sicherlich heute morgen noch nicht endgültig entscheiden können und sicherlich auch nicht entscheiden wollen.
Aber es geht doch um die Frage, ob wir heute bereit und in der Lage sind, aus diesen von allen europäischen Völkern gemachten Erfahrungen entsprechende Lehren zu ziehen und diese unglückselige Diskussion über Eroberung und Rückeroberung aufzugeben, ob wir bereit sind, dafür einzutreten, daß Menschenrechte nicht bevorzugt ausgeübt werden in den Gebieten, in denen eine bestimmte Mehrheit herrscht, und ob wir Minderheiten in jedem Falle tolerieren.
— Ich freue mich über den Beifall; ich hoffe, Sie haben nicht zu früh geklatscht.
Aber diesen Weg zu einer Respektierung jeder Minderheit, zu einer Respektierung eines jeden im Gebrauch seiner Muttersprache zu öffnen, das hat sich diese Bundesregierung vorgenommen. Sie stand vor der Frage, ob sie warten will, bis die bessere Einsicht auf der anderen Seite beginnt, oder ob sie vorangehen soll, die bessere Einsicht selbst zu demonstrieren.
Sie haben keine Zusatzfrage mehr, Herr Dr. Marx.
Ich rufe die Frage 97 des Herrn Abgeordneten Rollmann auf:
In welchen Presse-, Rundfunk- und Fernsehorganen oder in welcher sonstigen Weise hat die polnische Regierung die Deutschen in den Oder-Neiße-Gebieten über ihre „Information über Maßnahmen zur Lösung humanitärer Probleme" vom November 1970 und über die Ausreisemöglichkeiten für diesen Personenkreis in die Bundesrepublik Deutschland oder in die DDR unterrichtet?
Herr Abgeordneter, die polnische Regierung hat die Information nicht veröffentlicht. Sie hat, soweit es der Bundes-
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5014 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 92. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Januar 1971
Parlamentarischer Staatssekretär Moersch regierung bekannt ist, die Deutschen in den OderNeiße-Gebieten auch nicht auf anderem Wege über die in der Information angekündigten Maßnahmen, darunter die Ausreisemöglichkeiten, unterrichtet. Die Betroffenen können daher zunächst nur durch die Veröffentlichung in der Bundesrepublik Deutschland oder durch ihre hier lebenden Angehörigen oder Bekannten sowie durch das Deutsche Rote Kreuz unterrichtet werden.
Sind Sie nicht der Meinung, Herr Staatssekretär, daß das ohnehin schon magere Ergebnis der Warschauer Verhandlungen dadurch noch weiter entwertet wird, daß die einseitige, nicht rechtsverbindliche Erklärung der polnischen Regierung zur Lösung humanitärer Probleme, also über die Ausreisemöglichkeiten, dem Personenkreis, den es angeht, nicht einmal bekanntgegeben worden ist?
Herr Abgeordneter, ich teile Ihre Meinung nicht, denn es hat sich herausgestellt, daß der betroffene Personenkreis diese Information offensichtlich kennt. Das ist ja aus der Beantwortung der Frage Ihres Kollegen Biehle nach den entsprechenden Reaktionen der polnischen Bevölkerung hervorgegangen. Wir haben Nachrichten darüber, daß diese Information inzwischen unter den Betroffenen weit verbreitet ist. Es gibt in dieser Information keine Antragsfrist. Bei dem regen Briefverkehr mit Verwandten und bei der Möglichkeit, durch entsprechende Nachrichtenmittel des Rundfunks und des Fernsehens solche Informationen weiterzutragen, können Sie davon ausgehen, daß die Betroffenen von dieser Information Kenntnis erhalten, falls jetzt noch nicht jeder Kenntnis erhalten hat.
Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Rollmann.
Darf ich fragen, Herr Staatssekretär, welche deutschen Rundfunk- und Fernsehsendungen in den Oder-Neiße-Gebieten, insbesondere in Oberschlesien, zu empfangen sind.
Herr Abgeordneter, ich glaube, ich kann es mir ersparen, sie im einzelnen aufzuzählen. Jedenfalls ist in diesem Bundesetat eine Menge Geld z. B. für die Deutsche Welle enthalten, und die ARD gibt eine Menge Geld für den Deutschlandfunk aus. Ich gehe davon aus, daß die Sendungen, die von diesen Anstalten ausgestrahlt werden, in jenen Gebieten auch empfangen werden können. Eine Reihe deutscher Sender ist dort sowieso über Kurzwelle zu empfangen. Mir ist auch bekannt, daß in bestimmten Fällen Fernsehsendungen dort zu empfangen sind, wenn auch sicherlich in relativ schwacher Form. Vielleicht ist Fernsehen hier eine unzulässige Hinzufügung gewesen, aber die Rundfunknachrichtensendungen werden zweifellos empfangen. Das wird Ihnen jemand, der sich mit diesem Problem beschäftigt hat, sicherlich bestätigen können. Ich bin sicher, daß die ersten Aussiedler, die kommen, Ihnen das genauso sagen werden, wie ich Ihnen das gesagt habe, daß sie diese Rundfunksendungen selbstverständlich hören konnten. Sonst würden ja die Rundfunkräte — einige sitzen hier im Saal — ihre Pflicht versäumt haben, wenn sie nicht dafür sorgten, daß die technischen Bedingungen hergestellt sind, um diese Rundfunksendungen empfangen zu können.
Herr Abgeordneter Czaja!
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt — diese Frage stelle ich angesichts der absolut zu bejahenden Forderung, Fortschritte im Menschenrechtlichen zu erzielen —, daß nach den Ereignissen des ersten Weltkrieges alle diese Fragen in vertraglichen, unter internationaler Kontrolle stehenden Regelungen vereinbart worden sind?
Herr Abgeordneter, das ist mir durchaus bekannt, aber mir ist auch bekannt, daß das Deutsche Reich nach dem ersten Weltkrieg, wenn auch geschmälert, erhalten geblieben ist und nach dem zweiten Weltkrieg eine totale Besetzung des ehemaligen Deutschen Reiches erfolgt ist.
Herr Abgeordneter Marx!
Herr Staatssekretär, da wir uns alle darüber klar sind, daß diese „Informationen" offenbar nicht von der polnischen Regierung an den betroffenen Bevölkerungsteil gegangen sind, frage ich: Was bedeutet, wenn Worte einen Sinn haben, der Begriff „Information", wenn die polnische Regierung dies den Betroffenen, wie Sie selbst gesagt haben, nicht mitteilt und sie also darauf angewiesen sind, Rundfunksendungen zu hören, von denen man vor kurzem noch gesagt hat, daß sie feindliche Propaganda enthielten?
Herr Abgeordneter, das Wort „Information" ist eindeutig festgelegt als Information an die Bundesregierung. Es ist vereinbart worden, daß das Deutsche Rote Kreuz, das in der Vergangenheit schon sehr enge Kontakte hatte, Gelegenheit hat, diese Dinge weiterzutragen.
— Herr Abgeordneter, die Bundesregierung ging bei der gegebenen Lage — von der mußten wir in diesem Falle ausgehen — davon aus, daß sich die Frage am Ende allein darin entscheidet, ob das, was
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 92. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Januar 1971 5015
Parlamentarischer Staatssekretär Moerschwir beabsichtigt haben, erreicht wird, daß nämlich die Betroffenen das erfahren. Die Zahl der Anträge, die bisher eingegangen sind, die Informationen, die das Deutsche Rote Kreuz besitzt, weisen darauf hin, daß sich unsere Erwartungen als richtig erwiesen haben. Das ist meiner Ansicht nach für die Betroffenen entscheidend. Alles andere ist meines Erachtens Rankenwerk.
— Information an die Bundesregierung!
Herr Abgeordneter Freiherr von Fircks!
Herr Staatssekretär, können Sie uns sagen, ob das Deutsche Rote Kreuz, nachdem Sie es als eine der wesentlichen Möglichkeiten für die Unterrichtung angaben, ohne Schaden für seine Tätigkeit drüben und ohne Schaden für die betroffenen Menschen drüben alle diejenigen anschreiben kann, deren Anschriften -- ich glaube, es sind weit über 300 000 — sich in den Jahren bei ihm angesammelt haben, ob es die durch eigene Schreiben informieren kann?
Herr Abgeordneten Fircks, bei dem guten Kontakt, den nicht nur die Bundesregierung, sondern auch Vertreter dieses Hauses zum Deutschen Roten Kreuz haben — wenn ich richtig unterrichtet bin, ist z. B. der erste Fragesteller stellvertretender Kreisvorsitzender des Deutschen Roten Kreuzes —, zweifle ich überhaupt nicht daran, daß wir bereits Nachricht hätten, wenn das Deutsche Rote Kreuz Schwierigkeiten auf diesem Gebiet hätte.
Herr Abgeordneter Hupka!
Herr Staatssekertär, wird erwogen, ob es nicht möglich ist, daß die deutsche Handelsmission in Warschau die Informationen in einem Faltblatt zusammenstellt, so daß jeder, der sich an die Handelsmission wendet — etwa aus Oberschlesien —, nachher eine Information erhalten könnte.
Moersch, Parlamentarischer 'Staatssekretär beim Bundesminister des Auswärtigen: Herr Abgeordneter Dr. Hupka, ich kann Ihnen im Augenblick auf diese Frage keine Antwort geben, ich bin aber gerne bereit, Sie zu informieren, ob das im Gange ist und welche Möglichkeiten es hier gibt.
Herr Dr. Schäfer!
Herr Staatssekretär, haben Sie nicht auch, so wie ich den Eindruck,
daß einige der Fragesteller der Opposition mit ihren Fragen nicht helfen, sondern stören wollen?
Herr Abgeordneter, mir liegt es fern, eine Wertung der Fragen vorzunehmen, die aus diesem Hause an die Bundesregierung gerichtet werden. Das ist wohl Gegenstand einer parlamentarischen Debatte.
Ich bin sicher, daß alle, die hier gefragt haben, das sicherlich im besten Willen tun. Zwischen dem Erfolg und dem Willen gibt es natürlich manchmal eine gewisse Spannung.
Herr Abgeordneter Dr. Schäfer, wir sollten uns gegenseitig zutrauen, daß, was in diesem Hause gesprochen wird, geschieht, um der Sache zu dienen, für die wir hier sind.
Ich glaube, das muß man in petto halten. Herr Abgeordneter Biehle!
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß seit geraumer Zeit im polnischen Bereich versucht wird, durch eine gewisse Dislozierung der Bevölkerung die Deutschen dort möglichst weit in die Lande zu verstreuen und damit Kontakte und Information zu erschweren, und ist damit nicht der Beweis erbracht, daß von polnischer Seite genau das Gegenteil von dem getan wird, was Sie hier bei der Beantwortung der Fragen immer wieder angesprochen haben?
Derartige Informationen liegen der Bundesregierung mit keinem Wort vor.
Frage 98 des Abgeordneten Rollmann:
Was hat die Bundesregierung getan, um die Deutschen in den Oder-Neiße-Gebieten über die „Information" der polnischen Regierung „über Maßnahmen zur Lösung humanitärer Probleme" und über ihre Ausreisemöglichkeiten zu unterrichten?
Die Bundesregierung hat die polnische „Information" am 20. Novem-
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5016 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 92. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Januar 1971
Parlamentarischer Staatssekretär Moerschber veröffentlicht. Anschließend ist der vollständige Text von verschiedenen deutschen Zeitungen abgedruckt und von deutschen Rundfunk- und Fernsehanstalten verlesen worden. Die Deutsche Welle hat die Information außer in ihrem deutschen auch mehrfach in ihrem polnischen Programm im Wortlaut ausgestrahlt. Durch diese Veröffentlichungen dürfte der Inhalt der Information bei den Interessierten allgemein bekanntgeworden sein. Er kann ihnen auf Wunsch außerdem vom Deutschen Roten Kreuz übersandt werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Czaja.
Herr Staatssekretär, sehen Sie Möglichkeiten, daß Fälle, in denen von den Behörden die Volkszugehörigkeit bestritten wird, in gemischten Sachverständigenkomitees humanitärer Art erörtert werden, damit nicht eine einseitige Beurteilung der freien Willensentscheidung über die Volkszugehörigkeit erfolgt?
Herr Abgeordneter, ich habe vorhin gesagt, daß wir, dachdem eine Zwischenbilanz der Ergebnisse des Verfahrens gezogen sein wird, sicherlich Gelegenheit haben, falls sich irgendeine Notwendigkeit ergeben sollte, mit der polnischen Regierung über bestimmte Fälle zu sprechen. Wie das Verfahren dann gewählt wird, mag sich auf Grund des gegebenen Tatbestandes herausstellen und von der Regierung entschieden werden. Ich glaube, daß es der Sache nicht dienlich wäre, wenn ich jetzt hypothetische Fragen beantworten müßte.
Herr Abgeordneter Marx!
Herr Staatssekretär, ich möchte mit meiner Frage auf die vorhergehende Zusatzfrage zurückkommen. Wir wissen, daß in den letzten Jahren vielen der Antragsteller dadurch wahrscheinlich — sage ich einmal sehr vorsichtig — Nachteile, z. B. beruflicher Art, entstanden sind. Kann die Bundesregierung etwas darüber aussagen, ob sich diese Situation positiv verändert hat?
Wir haben Grund zu der Annahme, daß das jetzt schon so ist, wie Sie in Ihrer Frage sagen.
Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts erledigt.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Ich rufe die Frage 29 des Abgeordneten Höcherl auf. — Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Frage 30 des Abgeordneten Dr. Hammans:
Ist es der Bundesregierung möglich, darum zu bitten, daß die Dienstfahrzeuge der Bundesregierung und der nachgeordneten Bundesbehörden von ihren Fahrern nicht mit laufenden Motoren für kürzere oder längere Zeit angehalten oder geparkt werden, um damit einen eigenen Beitrag zum Kampf gegen die Verschmutzung der Umwelt zu leisten, indem die so schädlichen Auspuffgase auf das Betriebsminimum reduziert werden?
Die Bundesregierung wird gern Ihrer Anregung nachkommen und die Fahrer der Dienstkraftfahrzeuge des Bundes anweisen, bei Wartezeiten den Motor ihres Fahrzeugs abzustellen; denn außer zur Luftverschmutzung führt der Lauf im Stand auch zu erhöhtem Motorverschleiß.
Es wird jedoch für Einzelfälle im Winter eine Ausnahme zu machen sein. So lassen sich — z. B. bei unvorhersehbaren Zugverspätungen — manchmal längere Wartezeiten der Abholfahrzeuge auch durch vorsorgliche Planung nicht vermeiden. Falls der Kraftfahrer im Fahrzeug bleiben muß, wird man ihm aus Fürsorgegründen nicht verbieten können, den Motor im Stand laufen zu lassen. Denn die Wagenheizung gibt nur dann Wärme in den Fahrzeuginnenraum ab, wenn der Mortor warm ist; seine Temperatur sinkt nach dem Abstellen rasch ab und steigt auch bei zwischenzeitlich kurzfristigem Anlassen nicht sofort in dem erforderlichen Maße wieder an. Durch den Einbau von sogenannten Standheizungen wäre der Sache nicht gedient, da auch bei ihnen eine Luftverschmutzung eintritt.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht, daß es auch bei Ihrem Beispiel, beim Warten an einem Bahnhof möglich ist, bei gutem Willen einen anderen warmen Platz zu finden, an dem man sich aufhalten kann?
Wenn ich mir den Bonner Bahnhof betrachte, sehe ich nicht sehr viele Möglichkeiten; denn der Wagen darf an dem vorhandenen kleinen Parkplatz in der Regel überhaupt nur stehen, wenn der Fahrer dabei bleibt.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, mir zuzugeben, daß es in unserer Situation der Umweltverschmutzung durch Abgase eigentlich so sein müßte, daß jeder, der ein Kraftfahrzeug für längere Zeit mit laufendem Motor anhält, dabei ein schlechtes Gewissen haben müßte?
Ich kann natürlich in die Gewissen der einzelnen nicht hineinsehen. Ich jedenfalls habe ein solches schlechtes Gewissen
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 92, Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Januar 1971 5017
Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Reischl
und stelle deswegen, wenn ich selber fahre, den Motor immer ab.
Frage 31 des Abgeordneten Hammans:
Kann eine entsprechende Empfehlung an die Landesregierungen weitergeleitet werden?
Die Bundesregierung wird entsprechende Empfehlungen auch an die Landesregierungen geben.
Keine Zusatzfragen.
Herr Abgeordneter Dr. Pohle hat die Frage 32 zurückgezogen.
Frage 33 des Abgeordneten Lenzer:
Wie beurteilt die Bundesregierung den Beschluß des Finanzausschusses des Hessischen Städteverbandes in seiner Sitzung am 10. Dezember 1970, der Bund möge zur Besserung der Haushaltslage der Städte den im Gesetz zur Neuordnung der Gemeindefinanzen festgesetzten Gemeindeanteil an der Einkommensteuer von 14 °/o auf 18 °/o erhöhen?
Ich bitte, die beiden Fragen gemeinsam beantworten zu dürfen.
Frage 34 des Abgeordneten Lenzer:
Hält die Bundesregierung eine Erhöhung der Mineralölsteuer urn weitere 3 Dpf. pro Liter für eine Möglichkeit, mit dem daraus erzielten Mehraufkommen an Mineralölsteuer eine Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden zu erreichen?
Die Bundesregierung hat zu diesen Fragen bereits in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Schneider , Dr. Jobst, Biehle und Genossen Stellung genommen; ich darf auf die Bundestagsdrucksache VI/1668 verweisen. Ich könnte dieser eingehenden Antwort nichts hinzufügen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich trotz des Hinweises auf die Drucksache noch einmal fragen, ob die Bundesregierung den Anteil von 14 % für angemessen und ausreichend hält angesichts der Zielsetzung der Gemeindefinanzreform von 1969, wonach die Wachstumsrate des Steueraufkommens der Gesamtheit der Gemeinden nicht unter der Wachstumsrate des nominellen Sozialproduktes pro Kopf liegen sollte, da die Gemeindeleistungen, insbesondere die Gemeindeinvestitionen, mit dem Wirtschaftswachstum zumindest Schritt halten müßten.
Die Bundesregierung sieht, wie schon damals in der schriftlichen Beantwortung gesagt, für eine Erhöhung des Beteiligungssatzes der Gemeinden an der Einkommensteuer keine Möglichkeit. Sie wird prüfen müssen, ob den Gemeinden auf andere Weise Hilfe geschaffen werden kann.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, kann ich — da Sie angedeutet haben, daß nach Hilfe zu suchen sei — davon ausgehen, daß auch die Bundesregierung das Bestehen der Problematik, wie sie von den Gemeinden und beispielsweise auch dem Hessischen Städteverband zum Ausdruck gebracht worden ist, bejaht und der Auffassung zustimmt, daß, soweit sich der Bedarf im Jahre 1971 und auch die vorliegende Jahresrechnung 1970 überschauen lassen, die laufenden Ausgaben wahrscheinlich nicht allein aus den laufenden Einnahmen zu finanzieren sind?
Die Bundesregierung sieht diese Problematik und sucht nach einer Abhilfe.
Frage 35 des Abgeordneten Dr. Fuchs:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß bei der Erhöhung der Studienförderung von 330 DM auf 400 DM monatlich, wovon 40 °/o als Darlehen gewährt werden, in zahlreichen Fällen durch den Wegfall des Kinderfreibetrages und der Berücksichtigung der Mehrkosten aus auswärtiger Unterbringung und die dadurch bedingte erhöhte Lohnsteuer, Kirchensteuer und die dadurch möglicherweise einsetzende Erhebung des Konjunkturzuschlages lediglich eine effektive Besserstellung von ca. 4 DM erreicht wird?
Ich wäre dankbar, wenn ich auch diese beiden Fragen im Zusammenhang beantworten dürfte.
Sind Sie einverstanden? — Gut. Ich rufe dann noch die Frage 36 des Abgeordneten Dr. Fuchs auf:
Ist die Bundesregierung bereit, die Lohnsteuer- und Einkommensteuer-Durchführungsverordnungen so zu ändern, daß die offensichtlich notwendige Erhöhung der Studienförderung auf maximal 400 DM auch tatsächlich den Berechtigten zugute kommt?
Das in den Fragen aufgezeigte Problem ist der Bundesregierung bekannt.Nach dem geltenden Einkommensteuerrecht kann ein Kinderfreibetrag für über 18 Jahre, aber noch nicht 27 Jahre alte, in Berufsausbildung befindliche Kinder gewährt werden, wenn der Steuerpflichtige die Kosten des Unterhalts und der Ausbildung mindestens vier Monate im Kalenderjahr überwiegend getragen hat. Nach einer Anordnung in den Einkommensteuerrichtlinien ist von der Prüfung, ob die Eltern mehr als die Hälfte des Gesamtbetrags der Kosten bestritten haben, abzusehen, wenn die eigenen Einnahmen des Kindes in den maßgeblichen vier Monaten 330 DM monatlich nicht überstiegen haben. Zu den eigenen Einnahmen des Kindes rechnen auch Stipendien, nicht aber Förderungsbeträge,
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5018 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 92. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Januar 1971
Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Reischldie darlehnsweise gewährt werden. Die Erhöhung des Förderungshilfsbetrages auf 400 DM ist somit steuerlich nur insoweit von Bedeutung, als die als Stipendien vergebenen Förderungsbeträge 330 DM monatlich übersteigen.Die Frage, ob für diese Fälle die Einnahmegrenze von 330 DM ebenfalls heraufgesetzt werden kann, steht — unabhängig von Ihrer Anfrage — in der nächsten Sitzung mit den Einkommensteuerreferenten der obersten Finanzbehörde der Länder im kommenden Monat zur Erörterung an. Sie werden verstehen, daß ich über das Ergebnis dieser Erörterung jetzt noch keine konkreten Angaben machen kann.Ich bemerke dazu jedoch, daß schon die bisherige Regelung nicht unbedenklich ist. In den Fällen, in denen bisher der Förderungshöchstbetrag von 330 DM als Stipendium gewährt worden ist, dürften die Eltern kaum noch überwiegend die Kosten des Unterhalts und der Berufsausbildung getragen haben. Die bisher in den Einkommensteuerrichtlinien enthaltene Vereinfachungsregelung, daß bei eigenen Einnahmen des Kindes von 330 DM monatlich noch ohne nähere Prüfung von einer überwiegenden Kostentragung der Eltern ausgegangen werden kann, entspricht nämlich einem Gesamtaufwand für Unterhalt und Berufsausbildung von mehr als 600 DM monatlich. Einer Erhöhung der Einnahmegrenze auf 400 DM würde ein Gesamtaufwand für Unterhalt und Ausbildung von mehr als 800 DM entsprechen. Deshalb ist auch bereits an der bestehenden Regelung in einer Reihe von Eingaben Kritik geübt worden. Gleichwohl wird die Frage einer Heraufsetzung der bezeichneten Einnahmegrenze geprüft werden.
Zusatzfrage.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, ist es nicht so, daß Eltern, die ihren Kindern z. B. 401 DM geben können und das nachweisen, dann auch den Kinderfreibetrag erhalten und auch die auswärtige Unterbringung anrechnungsfähig ist, so daß eine eindeutige Benachteiligung der weniger verdienenden Eltern vorliegt?
Der Nachweis, daß die Eltern diese Kosten überwiegend tragen, kann meines Erachtens immer geführt werden. Hier geht es nur um die Anwendung der pauschalen Regelung, daß einfach unterstellt wird, daß die Eltern schon dann mehr als die Hälfte tragen, wenn die Kinder nicht mehr als 400 DM bekommen. Dafür spricht aber — das werden Sie mir zugeben müssen — die allgemeine Lebenserfahrung zunächst jedenfalls nicht.
Noch eine Zusatzfrage.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, können Sie mir darin zustimmen, daß Eltern mit geringerem Einkommen auf keinen Fall die Möglichkeit haben, nachzuweisen, daß sie überwiegend für den Unterhalt der Kinder aufkommen, und damit benachteiligt sind?
Das ist genau der Grund, weswegen die Pauschalregelung getroffen worden ist, und deswegen prüfen wir ja trotz der Kritik, die schon an der bisherigen Regelung geübt wird, auch, ob wir den Betrag nicht erhöhen können, weil es klar ist, daß das natürlich zu Lasten der Eltern mit geringerem Einkommen geht.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, werden Sie sich bei den Verhandlungen, die geführt werden, mit Nachdruck dafür einsetzen, daß der Freibetrag auf 400 DM erhöht wird?
Eine solche Aussage kann ich jetzt noch nicht machen. Wir hören zunächst einmal die Länder an. Der Hauptträger sind ja die Länder; sie verwalten die Steuer. Wir hören jetzt einmal, was die Experten der Länder dazu sagen. Daß bei uns die Tendenz zu einer solchen Regelung besteht, sehen Sie allein schon daran, daß wir das auf die Tagesordnung dieser Sitzung gesetzt haben.
Noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, halten Sie die Erhöhung der Studienförderung auf 400 DM, die von der Kultusministerkonferenz beschlossen worden ist, für sachlich notwendig und gerechtfertigt?
Ich glaube, daß ich dazu an dieser Stelle im Zusammenhang mit dieser Frage nicht Stellung nehmen kann.
Herr Abgeordneter Schäfer.
Herr Staatssekretär, ich muß die ersten beiden Fragen des Herrn Kollegen Dr. Fuchs noch einmal aufnehmen und Sie fragen: Sind Sie nicht auch der Auffassung, daß man eine Änderung suchen muß, nachdem nach Ihren eigenen Ausführungen die derzeitige Rechtslage so ist, daß ein Vater, der in bescheidenen finanziellen Verhältnissen lebt und seinem Sohn mühsam 100 oder 150 DM zusätzlich zum Stipendium gibt, keinerlei steuerliche Begünstigung hat, während derjenige, der vermögend ist und seinem Sohn 500 DM mit der linken Hand geben kann, das von der Steuer absetzen kann? Wäre es nicht richtig, wenn Sie eine bestimmte Relation des Einkommens des Vaters oder der Eltern zu der finanziellen Unter-
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 92. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Januar 1971 5019
Dr. Schäfer
stützung anstrebten, um dadurch den kleinen Leuten eine finanzielle Entlastung zu geben?
Das schiene mir ein geeigneter Weg zu sein. Ich habe auch Herrn Kollegen Dr. Fuchs bereits gesagt, daß ich im Grunde gerade dieses Problem sehe und deswegen eine Lösung befürworte.
— Ich habe es verstanden.
Frage 37 des Abgeordneten Josten:
Ist in der Planung der Bundesregierung über das neue Regierungsviertel das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit mit einem seiner politischen Aufgabe entsprechenden Neubau berücksichtigt?
Die Planungen der Bundesregierung für die Unterbringung der Bundesministerien sehen für das BMZ ein Bürogebäude vor, das dessen politische Aufgaben in vollem Umfang berücksichtigt. Ob dafür ein Neubau im neuen Regierungsviertel oder ein bestehendes Dienstgebäude in Betracht kommt, kann erst entschieden werden, wenn die von der Stadt Bonn und dem Bund gemeinsam angestellten städtebaulichen Überlegungen über die Unterbringung der obersten Bundesbehörden abgeschlossen sind. Unabhängig davon ist jedoch vorgesehen, das BMZ im nächsten Jahr zunächst einmal im Allianz-Hochhaus unterzubringen.
Haben Sie eine Zusatzfrage?
Herr Staatssekretär, Ihre letzte Bemerkung gibt große Hoffnung, daß dann vielleicht auch der Zustand beseitigt wird — und auf den will ich Sie jetzt hinweisen bzw. Sie fragen, ob er Ihnen bekannt ist —, daß viele ausländische Repräsentanten, die das Hauptgebäude in der Kaiserstraße aufsuchen, dabei immer annehmen, daß der Fahrer sich im Haus geirrt hat.
Ja, ich bin selber auch schon öfters hingefahren. Es ist eine sehr schlechte Zufahrt zu diesem Haus. Deswegen streben wir auch eine Veränderung an.
Sie wollen noch eine Zusatzfrage stellen?
Ja, Herr Präsident, noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatsssekretär, um zu der Planung, die Sie angesprochen haben, noch einen Hinweis zu geben: Glauben Sie nicht, daß Regierung und Parlament gerade für dieses Ministerium einen zweckmäßigen
Neubau wünschen müßten, da die Aufgaben der Entwicklungshilfe ständig wachsen und ihre Bedeutung für unsere Zukunft unbestreitbar ist?
Herr Kollege, ich bitte um Verständnis dafür, daß ich den Beschlüssen der Planungskommission nicht vorgreifen kann. Die Frage, ob ein neues Gebäude errichtet werden soll, wird mit Sicherheit in dieser gemeinsamen Planungsgruppe der Stadt Bonn und der Bundesregierung geprüft werden.
Damit ist der Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen in der Fragestunde erledigt.
Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen.
Zu Frage 77 bittet der Fragesteller um schriftliche Beantwortung. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Wir kommen zu Frage 78 des Abgeordneten Kleinert. — Der Fragesteller ist nicht im Saal. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Frage 79 wird ebenfalls schriftlich beantwortet.
Frage 80 des Abgeordneten Dr. Wagner . — Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Das gleiche gilt für Frage 81.
Frage 82 des Abgeordneten Josten:
In welcher Weise wird die Bundesregierung 1971 die Bemühungen um die Verbesserung der Rennstrecke des Nürburgringes unterstützen?
Herr Kollege, von der Bundesregierung werden der Nürburgring GmbH zum Ausbau und zur Verbesserung der Sicherheitsvorrichtungen des Nürburgrings im Rechnungsjahr 1971 wie alljährlich 100 000 DM bereitgestellt, die als verlorener Zuschuß oder als Darlehen gegeben werden. Ein gleich hoher Beitrag wird von der Landesregierung Rheinland-Pfalz gewährt.Durch Forderungen der internationalen und nationalen Organisationen des Motorsports sind zusätzliche Baumaßnahmen zum Schutze von Zuschauern und Sportfahrern notwendig geworden. Die Geschäftsführung der Nürburgring GmbH ist von ihrem Aufsichtsrat unverzüglich beauftragt worden, die entsprechenden Unterlagen für die erforderlichen Baumaßnahmen zu erstellen. Der Aufsichtsrat der Gesellschaft hat am 8. Dezember 1970 beschlossen, die erforderlichen Maßnahmen durchzuführen. Das Land Rheinland-Pfalz hat zu diesem Zweck vorsorglich 1,5 Millionen DM für das Rechnungsjahr 1971 bereitgestellt.Die Bundesregierung wird, nachdem sie die erforderlichen Unterlagen von der Geschäftsführung der Nürburgring GmbH über das Land Rheinland-Pfalz erhalten hat, prüfen, in welcher Weise auch vom Bund zusätzliche Mittel bereitgestellt werden können.
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5020 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 92. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Januar 1971
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Meinung, daß die Bundesregierung eine große Verantwortung für die Modernisierung dieser internationalen Rennstrecke hat, zumal an der Nürburgring GmbH der Bund mit 50 %, das Land Rheinland-Pfalz mit 49,9 % und der Kreis Ahrweiler mit 0,1 % beteiligt sind, und daher der Bund jetzt einen größeren Betrag zur Verfügung stellen müßte?
Herr Kollege, ich habe Ihnen ja schon angedeutet, daß wir bemüht sind, den Forderungen nachzukommen. Nur müssen wir voraussetzen, daß die Größe der Investitionen erst durch die zuständigen Gremien geprüft wird.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie vorhin den Betrag von 1,5 Millionen DM nannten, darf ich Sie fragen, ob Ihnen bekannt ist, daß das Land Rheinland-Pfalz diesen Betrag unter der Voraussetzung zur Verfügung stellen will, daß sich auch der Bund daran beteiligt.
Es ist klar, daß bei der von Ihnen dargestellten Aufteilung der Gesellschaftsverhältnisse eine solche Maßnahme der Landesregierung von Rheinland-Pfalz zu erwarten war. Nur darf ich noch einmal darauf hinweisen, daß wir, ehe wir vom Bund uns abschließend äußern, die Größe der Investitionen im ganzen und die erforderlichen Planungsunterlagen kennen müssen. Ich stelle hier in Aussicht, daß die Prüfungen bald abgeschlossen werden und wir dem, was Sie wollen, nachkommen können.
Die Frage 83 des Abgeordneten Dr. Riedl ist zurückgezogen worden.
Ich rufe die Frage 84 des Abgeordneten Picard auf:
Welche Auffassung vertritt die Bundesregierung zu den in jüngster Zeit mehrfach in der Offentlichkeit erhobenen starken Bedenken wegen der negativen Folgen des zur Beseitigung von Eis und Schnee auf den Straßen verwandten Streusalzes auf Grundwasser, Pflanzenwuchs, Haltbarkeit der Straßendecke und Lebensdauer der Fahrzeuge?
Herr Kollege, eine hohe Verkehrssicherheit kann im Winter auf den Straßen nur durch eine völlige Beseitigung der Schnee- und Eisglätte mit Hilfe auftauender Stoffe erreicht werden. Die Bundesregierung hat seit Beginn der Verwendung dieser auftauenden Stoffe — es handelt sich dabei um normales Stein- oder Siedesalz —etwaige Auswirkungen auf Fahrbahnen, Kraftfahrzeuge, Pflanzen und Gewässer sorgfältig beobachtet. Durch mehrere Forschungsvorhaben wurde der Einfluß der Salzlösungen auf Fahrbahndecken, Kraftfahrzeuge und Pflanzen untersucht. Weitere Forschungen zur Untersuchung eines etwaigen Einflusses auf das Grundwasser sind vorgesehen. Auf Grund der bisher vorliegenden Versuchsergebnisse teilt die Bundesregierung nicht die Bedenken, die von verschiedenen Seiten gegen die Verwendung des für die Verkehrssicherheit unentbehrlichen Auftausalzes erhoben werden.
Ich rufe die Frage 85 des Abgeordneten Picard auf:
Ist aus Erfahrungen in Ländern, z. B. Österreich, die im Winter statt Streusalz nicht aggressive Streumittel, z. B. groben Kies, verwenden, zu entnehmen, daß auch auf diese Weise eine hinreichende Sicherheit im Verkehr gewährleistet ist?
Herr Kollege, mit abstumpfenden Stoffen wie Splitt und Sand kann die Griffigkeit winterglatter Straßen nur sehr geringfügig erhöht werden. Diese geringe Wirkung ist auch nur von kurzer Dauer, weil die Splittkörner durch die Fahrzeuge an die Straßenränder geschleudert werden, wo sie nutzlos sind. In allen europäischen Ländern, auch in Osterreich, werden daher heute auf stark befahrenen Straßen Auftausalze zur Glättebekämpfung benutzt. Erfahrungen, die in Österreich mit abstumpfenden Stoffen auf Straßen im Gebirge mit geringem Verkehr, auf fester Schneedecke und bei länger anhaltenden tiefen Temperaturen gemacht werden, lassen sich nicht generell auf die Straßen der Bundesrepublik mit sehr schnellem und sehr starkem Verkehr und bei häufigem Wechsel der Temperatur um den Gefrierpunkt übertragen.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie in dem Zusammenhang etwas über die Versuche sagen, die verschiedentlich mit anderen auftauenden Stoffen gemacht worden sind? Besteht die Möglichkeit, daß in einigen Jahren das herkömmlicherweise verwandte Salz vielleicht durch andere Stoffe ersetzt wird?
Herr Kollege, ich habe angedeutet, daß unsere Forschungen weiterlaufen; denn wir wissen, welches Problem z. B. die Korrosion an den Fahrzeugen durch das Salz bedeutet, und auch Sie selbst werden gesehen haben, daß ein Teil des Pflanzenwuchses an den Bundesautobahnen durch den Salznebel bei bestimmten Wetterlagen beeinträchtigt bzw. vernichtet wird. Das alles sind unerfreuliche Erscheinungen, die, wenn die Forschung weiterläuft und andere geeignete Stoffe ermittelt werden, sicher vermieden werden könnten. Zur Zeit ist uns aber kein Mittel bekannt, das die gleiche Sicherheitswirkung hätte wie das Streuen von Salz.
Ich rufe die Frage 86 des Abgeordneten Dr. Gatzen auf:
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 92. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Januar 1971 5021
Vizepräsident Dr. SchmidHat das Bundesverkehrsministerium die ehemalige L 162 zur BAB A 203 aufgestuft, ohne zu berücksichtigen, daß der Ausbau dieser Straße von der EB 264 südlich Kerpen bis nach Bedburg vom Land Nordrhein-Westfalen voll finanziert war und vor der unmittelbaren Bauausführung stand?
Herr Präsident, ich bitte, die beiden Fragen des Abgeordneten Dr. Gatzen wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantworten zu dürfen.
Einverstanden. Ich rufe auch die Frage 87 des Abgeordneten Dr. Gatzen auf:
Falls Informationen zutreffen, wonach das Land Nordrhein-Westfalen die hierfür bereitgestellten Mittel inzwischen anderweitig verplant haben soll: was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die drohende Verzögerung beim Ausbau dieser Straße zu vermeiden?
Herr Kollege, bei der Aufnahme der Erfttalstraße in den Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen — es handelt sich insoweit nicht um eine Aufstufung — war nur bekannt, daß die Erfttalstraße im Schwerpunktprogramm des Landes NordrheinWestfalen enthalten war. Über konkrete landesseitige Finanzierungs- und Bauplanungen für den Bereich Kerpen—Bedburg hatte mich das Land bisher nicht unterrichtet.
Eine nunmehrige Rückfrage beim Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr des Landes
) Nordrhein-Westfalen hat ergeben, daß die Planungen für den Abschnitt Kerpen—Sindorf noch nicht abgeschlossen sind. Für die Schließung der Lücke zwischen neuer und alter B 264 liegen aber die planerischen und verfahrensmäßigen Voraussetzungen vor. Zur Zeit werden zusammen mit dem Land Nordrhein-Westfalen die Möglichkeiten zur Finanzierung dieses Abschnitts geprüft.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, da meine Informationen eindeutig besagen, daß auch der Ausbau der Teilstrecke von Kerpen in nördlicher Richtung bis nach Bedburg für das Jahr 1971 vorgesehen war, möchte ich Sie fragen, ob Sie sich durch ein mögliches Versehen in Ihrem Hause nicht inspiriert fühlen könnten, die Folgen, die für das betroffene Gebiet durch den Nichtausbau der Straße eintreten, dadurch unbürokratisch zu verhindern, daß nach dem Plan des Landes Nordrhein-Westfalen ausgebaut würde?
Herr Kollege, ich habe Ihnen ja angedeutet, daß ich hier keinerlei Versehen auf unserer Seite feststellen 'kann. Ich wäre dankbar, wenn Sie mir Ihre eben angedeutete Information noch schriftlich gäben. Wir bemühen uns, wie Sie wissen, den Fernstraßenbau im Großraum Köln sehr zügig zu betreiben. Aber all das kann — in Zusammenarbeit mit dem Land Nordrhein-Westfalen — nicht dazu führen, die Dinge so „unbürokratisch" abzuwickeln, wie Sie es eben gewünscht haben, sondern wir müssen uns hier nach dem Planungsstand, dem Grunderwerb und der Baureife der betreffenden Strecke richten. Ich sehe also in dieser Sache kein Versehen des Bundes.
Die zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist es nicht so, daß für das ganze Teilstück bis nach Bedburg bereits das Planfeststellungsverfahren nach dem Landesstraßenbaugesetz abgeschlossen ist?
Herr Kollege, ich habe ja angedeutet, daß sich die Frage nur aufklären lassen wird, wenn Sie mir Ihre Informationen schriftlich zur Verfügung stellen, damit ich sie mit der Aktenlage unseres Hauses vergleichen kann. Ich muß davon ausgehen, daß das, was ich hier eben gesagt habe und was auch in Übereinstimmung mit den Informationen steht, die uns vom Lande Nordrhein-Westfalen gegeben worden sind, in keiner Form irgendein Verschulden des Bundes begründen kann.
Die dritte Zusatzfrage.
Ich will das gerne tun, Herr Staatssekretär, und möchte Sie nun fragen: Sehen Sie eine Möglichkeit, die noch bestehende Lücke zwischen der EB 264 und der alten Bundesstraße 264 zumindest in diesem Jahr zu schließen, so daß die anbaufreie und fast kreuzungsfreie Verbindung zwischen der Autobahn „Rheinlinie" und der Autobahn Köln—Aachen geschaffen wird?
Herr Kollege, das will ich gern prüfen. Ich möchte Ihnen hier keine Zusagen geben, weil ich mir über das finanzielle Risiko erst genaue Informationen verschaffen muß. Sie können aber davon ausgehen, daß der Bund alles tun wird, um gerade hier die im Fernverkehrsnetz bestehenden Lücken zu schließen, weil wir ein Interesse daran haben, daß der Verkehr in diesem Gebiet zügig läuft. Ich möchte nur praktisch am Vorabend der endgültigen Beratung des Haushaltsplans 1971 keine Zusagen machen, die einen noch nicht beschlossenen Haushalt betreffen.
Noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, der Ausbau des Stückes von Zieverich nach Bedburg ist, wenn ich Sie richtig verstehe, für die Jahre nach 1972 vorgesehen. Sehen Sie auf der Grundlage des sogenannten Wertz-Planes des Landes Nordrhein-Westfalen eine Möglichkeit, bereits in diesem Jahr mit dem Ausbau dieses Stückes zu beginnen?
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5022 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 92. Sitzung. Bonn, Freitag, den 22. Januar 1971
Herr Kollege, neben Plänen brauchen wir zum Fernstraßenbau auch Geld. Sie wissen aus der Debatte, die neulich bei der Vorlage entsprechender Gesetze und des Verkehrsberichts hier im Plenum stattfand, daß es im Fernstraßenbau noch erhebliche Finanzierungslücken gibt. Ich möchte annehmen, daß auch hier, wenn sich die Lage im Laufe der nächsten Jahre verbessert, die Probleme zügig gelöst werden können.
Frage 88 wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Als letzte rufe ich Frage 89 des Abgeordneten Dr. Arnold auf:
Hält die Bundesregierung jetzt oder in absehbarer Zeit eine Anhebung der Grundgebühren für Telefonanschlüsse und eine Erhöhung der Einrichtungsgebühren für erforderlich?
Herr Kollege, dem Verwaltungsrat der Deutschen Bundespost wurde am 8. Januar 1971 eine Gebührenvorlage zur Beratung und Beschlußfassung zugeleitet. Eine Anhebung der Telefon-Grundgebühren ist darin nicht vorgesehen. Es ist jedoch vorgesehen, die Errichtungsgebühr, die seit 1963 unverändert geblieben ist, von 90 auf 120 DM anzuheben. Selbst dann ist diese Gebühr bei weitem noch nicht kostendeckend.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ab wann soll diese Regelung gelten?
Herr Kollege, das muß dem weiteren Verfahren vorbehalten bleiben. Der Verwaltungsrat der Deutschen Bundespost, der dafür zuständig ist, wird sich in einiger Zeit damit beschäftigen. Ich kann hier keine engültige Aussage machen, weil es nicht in die Kompetenz des Bundestages, sondern in die des Verwaltungsrates gehört, das endgültige Datum festzusetzen. Es kann aber davon ausgegangen werden, daß diese Gebührenanhebung auf Grund der finanziellen Lage der Deutschen Bundespost im Laufe der nächsten Monate eintreten wird.
Damit sind alle Fragen beantwortet.
Ich berufe die nächste Plenarsitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, den 28. Januar 1971, 10 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.