Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.Meine Damen und Herren! Der Bundesminister der Finanzen hat unter Bezugnahme auf § 37 Abs. 4 der Bundeshaushaltsordnung dem Bundestag Vorlagen zugeleitet, die in der Ihnen vorliegenden Liste bezeichnet sind und die dem Haushaltsausschuß überwiesen werden sollen:Vorlage des Bundesministers der FinanzenBetr. Investitionsdarlehen an die Flughafen Frankfurt AG hier: Grundsätzliche Einwilligung in eine überplanmäßige Haushaltsausgabe bei Kap. 12 17 Tit. 861 01— Drucksache VI/1399 —Vorlage des Bundesministers der FinanzenBetr.: Überplanmäßige Ausgaben im Haushaltsjahr 1970 belmEinzelplan 31 wegen Ausfalls von Euratom-Zuschüssen— Drucksache VI/1416 —Das Haus ist damit einverstanden; es ist so beschlossen.Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:Der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, der Innenausschuß und der Finanzausschuß haben gegen die nachfolgenden, vom Rat der EG inzwischen verkündeten Verordnungen keine Bedenken erhoben:Verordnung des Rates zur Festsetzung der Ziel- und Interventionspreise sowie der Bezugsqualitäten für Tabakblätter für die Ernte 1970Verordnung des Rates zur Festsetzung der abgeleiteten Interventionspreise und der Bezugsqualitäten für Tabakballen für die Ernte 1970Verordnung des Rates zur Festsetzung der den Käufern von Tabakblättern der Ernte 1970 gewährten PrämienVerordnung des Rates zur Festlegung der Grundregelnfür den Ankauf von Tabak durch die InterventionsstellenVerordnung des Rates zur Festsetzung der Hundertsätze und Mengen für die Übernahme durch die Interventionsstellen sowie des Hundertsatzes der gemeinschaftlichen Tabakerzeugung für die Auslösung der Verfahren nach Artikel 13 der Verordnung (EWG) Nr. 727/70— Drucksache V1/999 —Verordnung des Rates zur Festlegung von Grundregeln für die Intervention von TabaksowieVorschlag für eine Verordnung des Rates zur Festsetzung von Übergangsbestimmungen hinsichtlich der Bezeichnungder Interventionsorte für Tabak— Drucksache VI/1092 —Verordnung des Rates zur Festsetzung des Grundpreises und der Standardqualität für geschlachtete Schweine für die Zeit vom 1. November 1970 bis zum 31. Oktober 1971— Drucksache VI/1258 —Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 213/67/EWG des Rates zur Festsetzung des Verzeichnisses der repräsentativen Märkte für den Schweinefleischsektor in der Gemeinschaft— Drucksache VI/1259 —Verordnung des Rates zur Festsetzung der Richtpreise und des Interventionspreises für Olivenöl für das Wirtschaftsjahr 1970/1971— Drucksache VI/1261 —Verordnung des Rates über die Regelung der Amtsbezüge für die ehemaligen Mitglieder der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, deren Amtszeit am 1. Juli 1970 abläuft— Drucksache VI/995 —Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 422/67/EWG, Nr. 5/67 Euratom des Rates vom 25. Juli 1967 über die Regelung der Amtsbezüge für den Präsidenten und die Mitglieder der Kommission sowie für den Präsidenten, die Richter, die Generalanwälte und den Kanzler des Gerichtshofes— Drucksache VI/996 —Verordnung des Rates zur Änderung der Regelung der Bezüge und der sozialen Sicherheit der Atomanlagenbediensteten der Gemeinsamen Kernforschungsstelle, die in Italien dienstlich verwendet werden— Drucksache VI/1108 —Verordnung des Rates über Sondermaßnahmen für das Brennenvon Birnen, die Gegenstand von Interventionsmaßnahmen warenVerordnung des Rates über Sondermaßnahmen für den Auftrag zur Verarbeitung von Tomaten und Birnen, die Gegenstand von Interventionsmaßnahmen waren— Drucksache VI/1200 —Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:EWG-VorlagenEntwurf des dritten Programms für die mittelfristige Wirtschaftspolitik— Drucksache VI/1393 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft , Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung, Finanzausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatRichtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend elektrische Betriebsmittel zur Verwendung in explosibler Atmosphäre— Drucksache VI/1394 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft , Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates zur Durchführung einer Stichprobenerhebung über Arbeitskräfte— Drucksache VI/1395 —überwiesen an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatEntscheidung des Rates über die Mittel eines Vorgehens derGemeinschaft auf dem Gebiet regionaler Entwicklung undAufzeichnung über die Regionalpolitik in der Gemeinschaft— Drucksache VI/1397 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft , Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung, Innenausschuß, Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Haushaltsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates über die Einfuhr von Olivenöl aus Marokko— Drucksache V1/1406 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
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4476 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. November 1970
Vizepräsident Dr. Schmitt-VockenhausenDann treten wir in die heutige Tagesordnung ein. Punkt 1:Fragestunde— Drucksache VI/1386 —Ich rufe zunächst den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes auf. Zur Beanwortung steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Moersch zur Verfügung. Die erste Frage — Frage 104 — ist von dem Herrn Abgeordneten Dr. Schulz gestellt. Ist der Herr Abgeordnete im Saal? — Das ist nicht der Fall; dann wird die Frage schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.Ich rufe die Frage 105 des Herrn Abgeordneten Dr. Geßner auf:Wie beurteilt die Bundesregierung die Erklärung des Bundesvorstandes des CSU-Freundeskreises, sie sowie die Koalitionsparteien mißachteten „durch Kollaboration mit der Führungsmacht der unfreien Welt das für sie rechtsverbindliche Grundgesetz und nicht minder ihre politischen und militärischen Bündnispflichten"?Der Herr Abgeordnete ist im Saal. Herr Staatssekretär!
— Meine Damen und Herren, so sehr ich Verständnis für Gespräche unter Kollegen habe, so muß ich Sie doch im Interesse des Fragestellers und des Herrn Staatssekretärs, damit die Antworten und eventuelle Zusatzfragen verständlich sind, bitten, diese Gespräche außerhalb des Plenarsaales zu führen. Bitte, Herr Staatssekretär!
Die Antwort lautet: Die Bundesregierung „kollaboriert" nicht; sie vertritt die Interessen der Bundesrepublik Deutschland. Im übrigen dürfte die Bedeutung der Erklärung vornehmlich darin liegen, daß sie den Charakter dieser Freundeskreise kennzeichnet.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sehen Sie einen geistigen und politischen Zusammenhang zu der Behauptung von Herrn Strauß, die Bundesregierung verkaufe nicht nur Deutschland, sie verschenke es auch?
Herr Abgeordneter, es wäre sicherlich im Sinne der demokratischen Fairneß, wenn klare Distanzierungen von solchen Äußerungen erfolgten. Mir selbst sind der Ort und der Zeitpunkt dieser Äußerung nicht bekannt.
Eine letzte Zusatzfrage.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mit mir darin überein, daß von dieser soeben von mir zitierten Behauptung ein direkter geistiger und politischer Weg zu der rechtsradikalen „Aktion Widerstand" führt,
deren Gründungsausschuß sich einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung" vom 24. September zufolge aus NPD- und CSU-Mitgliedern zusammensetzt?
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung hat nicht die Aufgabe, hier Wertungen vorzunehmen. Ich möchte allerdings unterstreichen, daß hier sprachliche Zusammenhänge bestehen und daß eine Ausdrucksweise gewählt worden ist, die sicherlich in früheren Zeiten der Demokratie nicht genützt hat.
Ich rufe die nächste Frage des Abgeordneten Dr. Geßner auf, die Frage 106:
Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß es dem Ansehen der Bundesrepublik Deutschland dienen würde, wenn sich die CSU zur Zurückweisung dieser Erklärung des Bundesvorstandes des CSU-Freundeskreises entschließen könnte?
Die Antwort lautet: Das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland hängt nicht von Erklärungen ab, die Gruppen von der Art der CSU/Freundeskreise abgeben. Eine berechtigte Frage sehe ich darin, ob es dem Ansehen einer demokratischen Partei wie der CSU diente, wenn sie sich zu einer Zurückweisung derartiger Erklärungen entschließen könnte.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Geßner.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, ob sich die CSU in der Vergangenheit im wesentlichen von gleichen oder ähnlichen Behauptungen distanziert hat?
Herr Abgeordneter, es ist nicht die Aufgabe der Bundesregierung, Wertungen gegenüber Parteien vorzunehmen, die in diesem Parlament vertreten sind. Das ist der parlamentarischen Auseinandersetzung vorbehalten. Mir sind solche eindeutigen Distanzierungen nicht bekannt; aber ich muß das an dieser Stelle mit Vorbehalt sagen.
Die Frage 107 des Herrn Abgeordneten Dr. Marx ist vom Fragesteller zurückgezogen worden, ebenso nach meinen Unterlagen die Frage 108 des Herrn Abgeordneten Reddemann. — Herr Kollege?
Herr Präsident, die Fragen sind nicht zurückgezogen worden, sondern sind zurückgestellt, damit der Herr Bundesminister des Auswärtigen nach seiner Rückkehr aus Warschau sie selbst beantworten kann.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. November 1970 4477
Welcher innere Grund für das Zurückziehen von Fragen vorliegt, interessiert den amtierenden Präsidenten nicht; dafür bitte ich um Verständnis. Für das Haus ist die Frage vom Fragesteller zurückgezogen.
Die Fragen 109 bis 118 der Abgeordneten Haase , Wohlrabe, Kiep, Dr. Wagner (Trier), Breidbach, Dr. Klepsch, Baron von Wrangel und Dr. Schulze-Vorberg sind ebenfalls zurückgezogen worden.
Ich komme nunmehr zur Frage 119 des Herrn Abgeordneten Schlee:
Wenn es den Tatsachen entspricht, daß der Herr Bundesminister des Auswärtigen mit Bezug auf den Vertrag mit der Sowjetunion vor dem Juniorenclub der Industrie- und Handelskammer Düsseldorf erklärt hat, die politische Zusammenarbeit Im Westen sei überhaupt erst möglich, wenn die Bundesrepublik Deutschland einen Ausgleich mit dem Osten erreicht und damit keine offene Ostflanke mehr habe, hat der Herr Bundesminister des Auswärtigen dabei an einen Verzicht auf die Wiedervereinigung gedacht?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Abgeordneter, zur Beantwortung verweise ich auf die Rede des Bundesaußenministers vom 17. Oktober 1970, in der er in dem von Ihnen angesprochenen Zusammenhang erklärte:
Seitdem die Bundesrepublik Deutschland bereit ist, auch und gerade gegenüber den Staaten Osteuropas die reale Lage des Kontinents zum Ausgangspunkt ihrer politischen Bemühungen zu machen, Diskriminierungen abzubauen, die territoriale Integrität aller Staaten in Europa zu achten, keine Gebietsansprüche gegen irgend jemand zu erheben sowie für heute und künftig die Grenzen aller Staaten in Europa als unverletzlich zu betrachten, besteht für unsere westlichen Freunde die Gefahr nicht mehr, bei einer verstärkten politischen Zusammenarbeit mit der Bundesrepublik Deutschland unsere bis jetzt bestehenden Spannungen mit zu übernehmen.
Aus dieser Feststellung des Bundesaußenministers geht klar hervor, was unter dem Begriff „offene Ostflanke" zu verstehen ist und daß eine schrittweise Überwindung der deutschen und europäischen Spaltung durch politische Regelungen die Achtung der territorialen Integrität aller Staaten Europas voraussetzt.
Danke.
Die Fragen 120 und 121 des Herrn Abgeordneten Kern werden schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Die Frage 122 des Herrn Abgeordneten Dr. Hermesdorf ist zurückgezogen.
Ich rufe die Frage 123 der Abgeordneten Frau Klee auf. — Die Frau Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird in der Anlage abgedruckt.
Die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz, und zwar die Fragen 23 und 24 des Herrn Abgeordneten Brandt und die Fragen 25 und 26 des Herrn Abgeordneten Dr. Lenz (Bergstraße), werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Staatssekretär Auerbach zur Verfügung. Ich rufe zunächst die Frage 49 des Herrn Abgeordneten Schmidt auf:
Wann wird die Bundesregierung zur Beschleunigung der Verfahren vor den Sozialgerichten einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen?
Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung teilt den in Ihrer Frage zum Ausdruck kommenden Wunsch, das Verfahren in der Sozialgerichtsbarkeit zu beschleunigen. Sie wird einen Gesetzentwurf zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes mit diesem Ziel den gesetzgebenden Körperschaften noch in diesem Jahr zuleiten, falls bei den abschließenden Besprechungen keine unvorhergesehenen Schwierigkeiten auftauchen, sonst zu Beginn des nächsten Jahres.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich Ihre Antwort so auffassen, daß Sie mit mir der Meinung sind, daß durch die lange Laufzeit der Prozesse vor den Sozialgerichten besonders die sozialschwachen Schichten betroffen werden und auch von daher eine schnelle Regelung dieser Frage erforderlich ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung teilt diese Auffassung.
Keine weiteren Zusatzfragen.Der Abgeordnete Dröscher hat um schriftliche Beantwortung seiner Fragen 50 und 51 gebeten. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.Ich rufe die Frage 52 des Herrn Abgeordneten Dr. Hammans auf:Nachdem die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage in keiner Weise eine ausreichende und befriedigende Auskunft darüber gegeben hat, ob sie bereit ist, die deutsche Ärzteschaft, insbesondere die Kassenärzte Deutschlands, gegen Verleumdungen wie in der Ausgabe Nr. 42 des „stern", wonach diese „moralisch morbid bis auf die Knochen sind und Beschiß machen, daß sie sich auf Kosten der Kassenpatienten gesundstoßen und aus dem Sozialtopf der armen Patienten schöpfen und das Geld an der Riviera verjubeln", durch eine entsprechende Erklärung zu verteidigen, frage ich, ob sie nunmehr bereit ist, als Aufsichtsbehörde gegenüber dem Zusammenschluß der Kassenärztlichen Vereinigungen, d. h. der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, eine Erklärung abzugeben, aus der klar hervorgeht, daß diese und weitere in der genannten Zeitschrift aufgestellten Verleumdungen wahrheitswidrig sind.Herr Staatssekretär!
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4478 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. November 1970
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung hat bereits bei der Beantwortung der Kleinen Anfrage zum Ausdruck gebracht, daß sie es nicht für ihre Aufgabe hält, zu einzelnen Presseveröffentlichungen der in Frage stehenden Art Erklärungen abzugeben. Das gilt insbesondere für solche pauschalen Werturteile, wie Sie sie, Herr Abgeordneter, hier wiedergegeben haben. Auch der Hinweis darauf, daß der Bundesminister für Arbeit die Aufsicht über die Kassenärztliche Bundesvereinigung führt, kann die Haltung der Bundesregierung nicht ändern, da es nicht zu den Aufgaben der Staatsaufsicht gehört, Erklärungen der von Ihnen gewünschten Art abzugeben.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, zuzugeben, daß das, was Sie als Unterstellungen bezeichnen, Zitate in meiner Frage waren?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ja, ich weiß, Sie haben diese Wertungen als Zitat wiedergegeben.
Eine weitere Zusatzfrage.
Trifft es zu, Herr Staatssekretär, daß der Informant dieser verleumderischen Behauptungen, von denen im „stern" Nr. 42 die Rede ist, sich inzwischen mit zirka 17 Leitzordnern mit sogenanntem Belastungsmaterial gegen die deutsche Ärzteschaft, transportiert in seinem Mercedes 280 SE, in die Ostzone abgesetzt hat — wie es heißt, wegen angeblich besserer demokratischer Möglichkeiten —, um von dort aus eine Hetzkampagne gegen die deutsche Ärzteschaft und damit auch gegen die Bundesrepublik Deutschland zu führen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe in den Zeitungen davon gelesen, kann aber nicht ohne weiteres bestätigen, daß die Motive für das Überwechseln in den anderen Teil Deutschlands korrekt wiedergegeben sind. Ich habe nur die Zeitungsmeldungen.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Fragen 53 und 54 des Herrn Abgeordneten Maucher auf. — Die beiden Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden in der Anlage abgedruckt.
Herr Staatssekretär Auerbach, danke!
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung. Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Berkhan
zur Verfügung. Zunächst die Frage 55 des Herrn Abgeordneten Gallus:
Ist die Bundesregierung bereit, den auf den 1. Januar 1971 verfügten „Anti-Schaferlaß" auf solche Flugplätze nicht zur Anwendung zu bringen, welche in der Hauptsache von Hubschraubern der Heeresfliegerei benutzt werden?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Präsident, Herr Kollege Gallus, Hubschrauber neuer Bauart haben zumeist Düsenaggregate, die vom „Vogelschlag" genauso gefährdet sind wie die Düsentriebwerke der Strahlflugzeuge. Wir sind es der Sicherheit unserer Piloten schuldig, alles Erdenkliche zu tun, um Unfälle zu vermeiden. Eine unter vielen anderen Maßnahmen ist auch das Verbot, auf Hubschrauberplätzen Schafe weiden zu lassen. Wir stützen uns dabei auf das Urteil maßgeblicher Fachleute, die festgestellt haben, daß die Schafhaltung auf Flugplätzen Vögel anzieht. Herr Kollege Gallus, aus Ihrem Schreiben ist mir bekannt, daß diese Ansicht von den Schafhaltern nicht geteilt wird. Dennoch glaube ich, daß die Bundesregierung über das Urteil der vorher erwähnten Fachleute nicht hinweggehen darf.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, kann auf den Heeresflugplätzen nicht wenigstens so lange noch Schafhaltung betrieben werden, bis die Umrüstung auf düsenangetriebene Hubschrauber erfolgt?
Herr Kollege Gallus, ich werde das prüfen lassen. Es ist aber sehr schwierig, so zu verfahren, weil die Umrüstung nicht spontan erfolgt. Zum Teil werden nämlich ein oder zwei dieser Flugzeuge abgestellt, um bereits mit der Einweisung des technischen Personals und dem Training der Flugzeugführer beginnen zu können. Ich werde prüfen lassen, ob in Ihrem Sinne verfahren werden kann, und ich werde Ihnen mitteilen, wo so verfahren werden kann.
Ich rufe die Frage 56 ,des Herrn Abgeordneten Gallus auf:
Ist die Bundesregierung bereit, diejenigen jungen Landwirte, die sich für mindestens drei Jahre dem landwirtschaftlichen Betriebshilfsdienst zur Verfügung stellen, vom Wehrdienst zu befreien?
Herr Staatssekretär!
Herr Kollege, in der Fragestunde am 7. 10. dieses Jahres habe ich bereits eine ähnliche Frage des Kollegen Dr. Jenninger dahingehend beantwortet, daß eine Freistellung des angesprochenen Personenkreises vom Wehrdienst die Bevorzugung einer bestimmten Berufsgruppe bedeuten und damit dem Bemühen der I Bundesregierung um Wehrgerechtigkeit zuwiderlau-
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. November 1970 4479
Parlamentarischer Staatssekretär Berkhanfen würde; den Belangen der Landwirtschaft könne aber durch eine Unabkömmlichstellung im Einzelfall Rechnung getragen werden. Auch die dreijährige Verpflichtung für eine hauptberufliche Tätigkeit als landwirtschaftlicher Betriebshelfer läßt eine andere Beurteilung leider nicht zu.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist das Problem der Freistellung dieser Berufsgruppe nicht so ähnlich wie das Problem der Freistellung der Angehörigen des Entwicklungshilfsdienstes?
Herr Kollege Gallus, der Entwicklungshelferdienst ist ein Dienst, der für befristete Zeit sehr häufig außerhalb des erlernten oder erworbenen Berufs im Ausland unter schwierigen Bedingungen ausgeübt wird. Der Beruf des Betriebshelfers in der Landwirtschaft ist ein Lebensberuf, so daß ich Ihrem Vergleich nicht folgen kann. Wir stehen zur Zeit in Verhandlungen mit dem Bauernverband, der uns auch statistische Unterlagen zur Verfügung stellen wird. Am Ende werden wir dann ja beide sehen, was bei den Verhandlungen herauskommt.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Wir kommen dann zu den Fragen des Herrn Abgeordneten Pawelczyk. Herr Staatssekretär, wollen' Sie entsprechend einem Wunsch des Fragestellers die beiden Fragen wegen des inneren Zusammenhangs gemeinsam beantworten?
Wenn Sie es gestatten, Herr Präsident, werde ich sie direkt nacheinander beantworten.
Dann rufe ich zunächst die Frage 57 des Herrn Abgeordneten Pawelczyk auf:
Wie viele Offiziere konnten sich bisher nicht für die Laufbahn des höheren Dienstes qualifizieren?
Herr Kollege, ich darf Ihre Frage sicher so auffassen, daß Sie die Anzahl derjenigen Hauptleute mitgeteilt haben wollen, die ohne Erfolg am Stabsoffizier- und Auswahllehrgang teilgenommen haben. Es sind beim Heer 980, bei der Luftwaffe 470 und bei der Marine 140. Insgesamt sind es 1590 Offiziere.
Insgesamt hatten an diesen Lehrgängen vom Heer 7000, von der Luftwaffe 4400, von der Marine 1900, also insgesamt 13 300 Offiziere teilgenommen. Die Zahl derjenigen, die teilgenommen haben, und die Zahl derjenigen, die nicht bestanden haben, stellen sich also wie folgt dar: 13 300 gegenüber 1590.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Pawelczyk.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Auffassung, daß der Begriff des Spezialisten, der bei dieser Gesamtproblematik eine Rolle spielt, zu überprüfen ist und daß die Spezialisierung der Laufbahn, um die sich das Verteidigungsministerium auch bemüht, so konkret definiert werden muß, daß auch diejenigen, die heute unter der Bezeichnung „Truppenoffizier" ihren Dienst tun, die Möglichkeit erhalten, an einer speziellen Fachprüfung teilzunehmen, weil sich gerade gezeigt hat, daß sich unter den Soldaten, die sich nicht qualifizieren konnten — Sie haben die Zahlen eben genannt —, ein großer Teil befindet, der in spezieller Verwendung Dienst tut und aus diesem Grunde den allgemeinen Prüfungsanforderungen nicht gewachsen war?
Herr Kollege Pawelczyk, ich bin zwar der Meinung, daß eine so detaillierte Frage über den Rahmen der Fragestunde hinausgeht und auch an den Antwortenden ziemlich hohe Anforderungen stellt. Ich will Ihnen dennoch sagen, daß es natürlich nicht nur in der Laufbahngruppe der Offiziere, sondern auch in der Laufbahngruppe der Unteroffiziere ebenso wie in der Gruppe der Mannschaften immer Tätigkeiten geben wird, die unter der Bezeichnung „Spezialistentätigkeit" zusammengefaßt werden. Es wird sehr schwer sein, ganz genau zu definieren, was ein Spezialist ist. Wir werden uns aber um eine möglichst genaue Definition bemühen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, meinen Sie nicht auch wenn Sie ebenfalls der Auffassung sind, daß wir zu einer weiteren Spezialisierung kommen müssen —, daß die Prüfungsanordnungen für Qualifikationslehrgänge dann in dieser Hinsicht überprüft werden müssen, um Überforderungen auszuschalten?
Herr Kollege Pawelczyk, Sie wissen, daß eine Kommission für Erziehung und Bildung — mir wäre es lieber, für Training und Education — in der Bundeswehr arbeitet und Vorarbeiten für neue Ausbildungsmöglichkeiten sowie für die Bewertung der vorgegebenen Ausbildungsmöglichkeiten leistet. Ich bin sicher, daß die Kommission an diesem Problem überhaupt nicht vorbeigehen kann.
Ich rufe die Frage 58 des Herrn Abgeordneten Pawelczyk auf:Wie viele Offiziere dieses Personenkreises waren zum Zeitpunkt der Stabsoffizierprüfung bereits als Spezialisten eingesetzt?Herr Staatssekretär!
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4480 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. November 1970
Herr Kollege, die Beantwortung Ihrer Frage wäre mir leichter gefallen, wenn .der von Ihnen gebrauchte Begriff des Spezialisten bundeswehreinheitlich näher beschrieben werden könnte. Das Laufbahnrecht der Soldaten kennt nur Spezialisten im engeren Sinne. Das sind Sanitätsoffiziere, die Offiziere im Musikdienst und die Offiziere im Militärgeographischen Dienst. Alle anderen Offiziere gehören der Laufbahn des Truppendienstes an. Dabei verkenne ich keinesfalls, daß es im Truppendienst eine ganze Menge von Dienstposten gibt, die nur von Soldaten mit spezieller Ausbildung besetzt werden können. Aber die Grenzen sind fließend, so daß konkrete Zahlenangaben nur mit Bedenken möglich sind.
Trotz dieser Bedenken möchte ich Ihnen Zahlen nennen. Es wurden z. B. Offiziere im Fernmeldewesen, aus der Technik, aus dem Nachschub usw. als Spezialisten angesehen gegenüber solchen Offizieren, die neben der reinen Truppenführung keine besonderen Aufgaben wahrgenommen haben. Als Spezialisten in diesem eingeschränkten Sinne waren zur Zeit der Stabsoffizierprüfung bereits 460 Offiziere eingesetzt, welche die Prüfung nicht bestanden haben und sich dadurch für eine Beförderung zum Major nicht qualifizieren konnten. Die Gesamtzahl der Teilnehmer mit spezieller Ausbildung betrug hingegen 3700 Offiziere.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, werden im Zuge der Neufassung der Laufbahnvorschriften und damit der Spezialisierung der Laufbahnen und der konkreteren Fassung des Begriffs auch diejenigen Offiziere, die wegen der allgemeinen Prüfungsanforderungen dieses Qualifikationsziel nicht erreichen konnten, erneut eine Chance bekommen?
Das bleibt abzuwarten, Herr Kollege. Man muß abwarten, wie diese Stellen bewertet werden.
Keine weitere Zusatzfrage.
Dann rufe ich die Frage 59 des Herrn Abgeordneten Cramer auf:
Treffen Pressemeldungen zu, wonach Berufsoffiziere, die als Düsenpiloten ausgebildet wurden, vor Ablauf ihrer Verpflichtungszeit um Entlassung bitten, und unter welchen Bedingungen erfolgt die Entpflichtung?
Herr Kollege Cramer, die Pressemeldungen, wonach einzelne Berufsoffiziere, die als Strahlflugzeugführer ausgebildet wurden, ihre Entlassung vor Ablauf ihrer Dienstzeit beantragen, treffen zu. Nach § 46 Abs. 3 des Soldatengesetzes kann jeder Berufssoldat seine Entlassung beantragen, ein Berufsoffizier bis zum Ende des 6. Dienstjahres als Offizier jedoch nur, wenn das Verbleiben im Dienst für ihn wegen persönlicher, insbesonderer häuslicher, beruflicher oder
wirtschaftlicher Gründe eine besondere Härte bedeuten würde.
Die Entlassung selbst erfolgt in diesen Fällen unter folgenden Voraussetzungen: Nach § 46 Abs. 4 Satz 1 des Soldatengesetzes muß ein Berufssoldat, dessen militärische Ausbildung mit einer Fachausbildung oder einem Studium verbunden war, die entstandenen Kosten der Fachausbildung oder des Studiums ersetzen, wenn er auf eigenen Antrag aus der Bundeswehr ausscheidet, ohne nach Abschluß der Fachausbildung oder des Studiums eine weitere Dienstzeit in der Bundeswehr abgeleistet zu haben, die dem Dreifachen der Länge der Fachausbildung oder des Studiums entspricht. Der Berufssoldat, der seine Entlassung beantragt, verliert außerdem seine Versorgungsansprüche — § 49 Abs. 3 des Soldatengesetzes — mit Ausnahme der Beschädigtenversorgung.
Eine Zusatzfrage.
'Cramer : Herr Staatssekretär, wie viele ausgebildete Düsenpiloten haben bisher ihre Entlassung oder Entpflichtung beantragt?
Herr Kollege Cramer, die Zahlen sind mir bekannt. Ich kann Ihnen hier nur sagen, daß diese Zahlen sich in Grenzen bewegen, die uns nicht beunruhigen. Ich bin gerne bereit, detaillierte Angaben vor dem Verteidigungsausschuß zu machen.
Eine letzte Zusatzfrage.
Wie hoch sind die Ausbildungskosten für einen Düsenpiloten?
Man kann das nur rund beantworten, weil sie für den einzelnen unterschiedlich sind und weil es auch noch davon abhängt, auf welchem Typ der Flugzeugführer ausgebildet wird. Wir gehen davon aus, daß die Ausbildung eines Piloten für Hochleistungsflugzeuge 1,5 Millionen DM kostet.
Ich rufe die Frage 60 des Herrn Abgeordneten Stahlberg auf:
Hat das Institut für Bildung und Erziehung in den Streitkräften unter Prof. Ellwein seine Arbeit in München bereits aufgenommen, und inwieweit ist es an der Erarbeitung der Unterlagen für die Bildungskommission beteiligt?
Herr Kollege, das wissenschaftliche Institut für Erziehung und Bildung in den Streitkräften hat seine Arbeit am 15. Oktober 1970 aufgenommen. An der Erarbeitung von Unterlagen für die Bildungskommission ist das Institut nicht beteiligt.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. November 1970 4481
Keine Zusatzfrage dazu.
Ich rufe die Frage 61 des Herrn Abgeordneten Stahlberg auf:
Sind die Truppenkommandeure bei der Darstellung der bisherigen Erfahrungen über Bildung und Ausbildung der Soldaten in der Kommission beteiligt?
Ihre zweite Frage, Herr Kollege, beantworte ich folgendermaßen. Die Namen der Mitglieder der Bildungskommission sind u. a. im Bulletin der Bundesregierung vom 15. September 1970 auf Seite 1279 veröffentlicht worden. Von den zwölf in der Bildungskommission vertretenen Soldaten sind die meisten Generale, Admirale und Stabsoffiziere längere Zeit Truppenkommandeur gewesen, zum Teil bis vor ganz kurzer Zeit. Damit ist sichergestellt, daß die Erfahrungen der Truppe bei der Arbeit der Bildungskommission volle Berücksichtigung finden. Ein Truppenoffizier , ein Fachoffizier (Leutnant zur See) und ein Oberfeldwebel (Zugführer eines Panzerjäger-Kanonenzuges) geben darüber hinaus die Gewähr, daß auch die Erfahrungen und Erfordernisse anderer Truppenebenen Berücksichtigung finden.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist nicht generell beabsichtigt, Kommandeure und Truppenoffiziere aus allen Bereichen wegen ihrer Erfahrungen gelegentlich in Sitzungen der Bildungskommission anzuhören?
Herr Kollege Stahlberg, ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, daß die Kommission ,das moderne Instrument des Anhörens in den schwierigen Fragen, die zu beraten und die in einem Bericht zusammenzufassen sind, nicht nutzen will. Dabei gehe ich selbstverständlich davon aus, daß Truppenkommandeure und Zugführer, gleichgültig, ob es Offiziere oder Feldwebel sind, gehört werden.
Eine weitere Zusatzfrage des Fragestellers.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen die Beunruhigung der Truppenkommandeure und Truppenoffiziere bekannt, die davon ausgehen, daß hier etwas am Grünen Tisch erarbeitet wird, wozu sie nicht gehört werden sollen?
Herr Kollege Stahlberg, immer wenn etwas geändert wird, wird bei einem so großen Personalkörper, wie ihn die Bundeswehr darstellt, Unruhe entstehen. Das ist nichts Neues. Das gab es bei den Lehrern, das gab es bei den medizinisch-technischen Assistentinnen, und das gibt es natürlich auch bei den Soldaten.
Wenn Sie die Fragen in den Fragestunden der vergangenen Jahre studieren, werden Sie mit mir zu dem gleichen Ergebnis kommen. Ich möchte Ihnen aber die Gewißheit geben, daß wir die Beteiligten ausreichend hören werden. Ich bin sicher, daß sich am Ende eine breite Mehrheit für ein neu zu erarbeitendes Konzept finden wird.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Biehle.
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß der stellvertretende Leiter des Instituts für Bildung und Erziehung auf einer Tagung in Bergneustadt, nämlich der Diplomsoziologe Ralf Zoll, erklärt hat, Vorrang bei seiner Arbeit habe nicht die Funktionsfähigkeit der Bundeswehr, sondern die demokratische Politisierung der einzelnen Offiziere und Unteroffiziere, und daß bei dieser Tagung weiter gesagt wurde, der Soldat solle sich politisch engagieren, jedoch möglichst nicht im Bundeswehrverband?
Das sind zwei Fragen, Herr Kollege, die in keinem direkten Zusamenhang mit der eigentlichen Frage stehen. Das letztere halte ich für schlechthin unmöglich. Das erstere werde ich prüfen lassen. Sofern es jedoch gesagt worden ist, steht es nicht in Übereinstimmung mit der Auffassung der Leitung des Hauses.
Ich rufe die Frage 62 des Herrn Abgeordneten Dr. Klepsch auf:
Ist es richtig, daß die von der Bundesregierung im Verteidigungsministerium gebildete Kommission für Ausbildung und Bildung ihr Konzept für Ausbildung und Bildung in den Streitkräften bis zum Jahresende 1970 vorlegen wird?
Herr Kollege, es trifft nicht zu, daß die Bildungskommission ihre Ergebnisse bis zum Jahresende 1970 vorlegen muß. Wie im Weißbuch auf Seite 130 angekündigt, erwartet die Bundesregierung, daß im Laufe des Jahres 1971 ein zusammenhängender Vorschlag für die Ausbildung sowie die Bildungseinrichtungen und -gänge vorgelegt wird. Im Erlaß des Bundesministers der Verteidigung über die Bildung der Bildungskommission hat der Bundesminister diese Zeitangabe präzisiert. Danach soll das Gutachten der Bildungskommission bis zum 31. März 1971 vorgelegt werden. Dieser Termin stellt das Ende der Abgabefrist dar. Eine frühere Abgabe des Gutachtens ist möglich.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie der Auffassung, daß es zur Erarbeitung dieses Gutachtens von Interesse wäre, vorher die Ergebnisse der Arbeit der Personalstrukturkommission und der Wehrstrukturkommission zur Verfügung zu haben?
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4482 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. November 1970
Herr Kollege Dr. Klepsch, es wäre natürlich sehr gut, wenn wir auf solche Unterlagen bereits zurückgreifen könnten. Würden wir jedoch darauf warten, so würden wir vor Ende des nächsten Jahres gar keine Ergebnisse haben. Die Kommissionen arbeiten nebeneinander. Wir gehen davon aus, daß, auch wenn die Beratung über die Formulierung der Maßnahmen, die nach den Kommissionsberichten zu ergreifen sein werden, sehr lange Zeit in Anspruch nehmen wird, dennoch in allen Punkten ein Kompromiß geschlossen werden kann.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, es ist — so habe ich Sie wenigstens zwischen den Zeilen verstanden — Ihrer Auffassung nach erforderlich, ein Bildungskonzept zu erarbeiten, das vorher die ebenfalls neu zu erarbeitende Wehr- und Personalstruktur festlegt. Das Bildungskonzept soll dazu passen. Nach Ihren Zeitangaben werden aber die Arbeiten der Kommissionen wesentlich später abgeschlossen sein. Teilen Sie daher meine Meinung, daß die Frage offenbleibt, ob hier nicht eine umfassende Revision erforderlich ist, da das Ergebnis der Abstimmung dann noch keinesfalls vorliegen wird?
) Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: Bei Ihnen und schon bei dem Kollegen Pawelczyk habe ich festgestellt, daß im Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung die in den Richtlinien für die Fragestunde für Zusatzfragen geforderte Kürze gelegentlich zu vermissen ist.
Herr Präsident, Herr Kollege Dr. Klepsch, die Situation ist doch die, daß über die Bildungspolitik nicht nur hier im Bundestag, sondern auch in den Ländern diskutiert wird und daß alles im Fluß ist. Die Bundeswehr wird kein Bildungskonzept vorlegen, das ausschließlich für die Bundeswehr Gültigkeit hat; das muß vielmehr mit dem abgestimmt werden, worum man sich in dieser Frage auch sonst bei uns im Lande bemüht. Ich bleibe dabei, Herr Dr. Klepsch, daß wir ausreichend Zeit haben, insbesondere da andere Kommissionen Zwischenberichte vorlegen werden, in den verschiedenen strittigen Fragen zu einem Kompromiß zu kommen.
Ich rufe die Frage des Herrn Abgeordneten Haase auf:
Hält die Bundesregierung es für richtig, daß Parteien Soldaten schriftlich auffordern, für den Besuch von Parteiveranstaltungen in ihrem Kollegenkreis zu werben?
Herr Staatssekretär!
Die Bundesregierung hält es nicht für richtig, daß Parteien Soldaten schriftlich auffordern, für den Besuch von Parteiveranstaltungen in Soldatenkreisen zu werben.
Habe ich Sie richtig verstanden: sie hält es nicht für richtig?
Herr Kollege Haase, Sie haben mich richtig verstanden. Die Bundesregierung hält es nicht für richtig.
Herr Staatssekretär, darf ich denn in diesem Zusammenhang fragen, was Sie zu tun beabsichtigen, um zu verhindern, daß künftig von der Sozialdemokratischen Partei Schreiben an Offiziere in ihre Kasernen mit folgendem Inhalt gerichtet werden — ich darf nur ganz wenige Worte zitieren —:
Sehr geehrter Herr Major!
Bundesverteidigungsminister Schmidt spricht am ... in der Sporthalle am Böllenfalltor. Ich bin beauftragt, Sie hierzu recht herzlich einzuladen. Wir würden uns freuen, wenn Sie noch weitere Besucher aus Ihrer Familie oder Ihrem Kollegenkreis mitbringen könnten. Wir sorgen dafür, daß in den ersten Reihen für Bundeswehroffiziere und Soldaten —
Herr Kollege Haase, ich muß um Verständnis für meinen Hinweis bitten, daß die volle Verlesung eines Briefes den Rahmen einer Zusatzfrage überschreitet. Sie haben ja den Zusammenhang bereits deutlich gemacht.
Nur den letzten Satz — —
Nein!
Herr Kollege Haase, ich kenne den Vorgang; er ist über meinen Schreibtisch gelaufen; aber es gibt ähnliche Vorgänge aus anderen Parteien. Ich beantworte Ihre Frage generell für alle Parteien — in der Hoffnung, daß diejenigen, die es angeht, einmal nachlesen, was ich in der Fragestunde geantwortet habe — mit dem Hinweis auf § 15 des Soldatengesetzes:
Im Dienst darf sich der Soldat nicht zugunsten oder zuungunsten einer bestimmten politischen Richtung betätigen. Das Recht des Soldaten, im Gespräch mit Kameraden seine eigene Meinung zu äußern, bleibt unberührt.
Innerhalb der dienstlichen Unterkünfte und Anlagen findet während der Freizeit das Recht der freien Meinungsäußerung seine Schranken an den Grundregeln der Kamerad-
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. November 1970 4483
Parlamentarischer Staatssekretär Berkhanschaft. Der Soldat hat sich so zu verhalten, daß die Gemeinsamkeit des Dienstes nicht ernstlich gestört wird. Der Soldat darf insbesondere nicht als Werber für eine politische Gruppe wirken, indem er Ansprachen hält, Schriften verteilt oder als Vertreter einer politischen Organisation arbeitet. Die gegenseitige Achtung darf nicht gefährdet werden.
Der Soldat darf bei politischen Veranstaltungen keine Uniformen tragen.
Ein Soldat darf als Vorgesetzter seine Untergebenen nicht für oder gegen eine politische Meinung beeinflussen.
Herr Kollege Haase, ich glaube, wenn diejenigen, die es angeht, die Antwort in der Fragestunde lesen werden, werden sich diejenigen, die einmal in dieser Frage sündig waren, überlegen, ob es sich lohnt, ein zweites Mal so etwas zu veranstalten. Ich schließe dabei die Sozialdemokratische Partei durchaus ein.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Klepsch.
Herr Staatssekretär, habe ich Sie da richtig verstanden, daß Sie es als eine unzulässige Pression ansehen, wenn in einer solchen Einladung, die mit der Ankündigung verbunden wird, daß man dem Minister vorgestellt werde, gebeten wird, telefonisch oder mündlich abzusagen, wenn man nicht kommen kann?
Eine Pression würde ich darin nicht sehen, Herr Dr. Klepsch, zumindest aber eine grobe Ungeschicklichkeit und einen Stilbruch.
Ich rufe die Frage des Abgeordneten Glüsing auf:
Wann wird die von der Bundesregierung eingesetzte Wehrstrukturkommission ihre Empfehlungen für eine neue Wehrstruktur vorlegen?
Herr Kollege, in ihrem Einsetzungsbeschluß zur Bildung der unabhängigen Wehrstrukturkommission vom 9. Juli dieses Jahres hat die Bundesregierung festgestellt, daß die Wehrstrukturkommission ihre Vorschläge für die Durchsetzung größerer Wehrgerechtigkeit in diesem Jahrzehnt bis zum Ende dieses Jahres und die Ergebnisse ihrer Untersuchung über eine neue Wehrstruktur und etwaige Optionen am Ende dieses Jahrzehnts am 31. Dezember 1971 vorlegen solle. Die Bundesregierung sieht den beiden Berichten zu den genannten Terminen entgegen. Die Kommission trägt allein die Verantwortung für ihre Arbeiten, also auch für die Beendigung ihrer Arbeiten. Etwaige Terminverzögerungen wären von ihr selbst zu vertreten; sie sind zur Zeit nicht zu erwarten.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich Ihrer Antwort entnehmen, daß dieser Bericht der Wehrstrukturkommission nicht sofort umfassend sei, sondern zunächst nur das Problem der Wehrgerechtigkeit behandeln wird?
Das ist richtig, ohne daß dabei auszuschließen ist, daß auch andere Fragen von der Kommission für so dringlich erachtet werden, daß sie diese in diesem Bericht mit anspricht.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Glüsing? — Nein. Bitte schön, Herr Abgeordneter Klepsch.
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß die Bundesregierung nach wie vor der Auffassung ist, daß diese neue Personalstruktur — wie im Weißbuch 1970 angekündigt — für die Dienst- und Laufbahnverhältnisse der Bundeswehr umwälzende Veränderungen — größer als je zuvor in der deutschen Militärgeschichte — bringen wird, und müssen auf diesem Hintergrund meine vorigen Fragen bezüglich der Bildungskommission nicht doch sehr gravierend erscheinen?
Das trifft zu, und Herr Kollege Klepsch, ich will Ihnen gern bestätigen, daß Ihre Fragen — insbesondere Ihre Zusatzfragen — immer gravierend sind.
Ich rufe die Frage 65 des Herrn Abgeordneten Jung auf:
Weshalb sind den in Jägerbrigaden umgewandelten Einheiten der Bundeswehr die schwimmfähigen gepanzerten 6-Rad-Fahrzeuge gestrichen worden, und welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um die dadurch entstehende — und dem Sinn der Jägerbrigaden zuwiderlaufende — Einbuße an Kampfkraft zu ersetzen?
Herr Kollege Jung, Ihre Frage berührt den Rüstungsplan der Bundeswehr, der, wie Sie wissen, unter einem Verschlußgrad steht. Ich bitte Sie daher um Verständnis, daß ich diese Frage nur vor dem Verteidigungsausschuß beantworten kann, wenn es überhaupt von Ihnen gewünscht wird.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jung?
Nur eine Feststellung, Herr Präsident: Ich wünsche das.
Herr Staatssekretär, damit sind die Fragen aus Ihrem Geschäftsbereich beantwortet. Ich danke Ihnen und rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen auf. Zur Beantwortung
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4484 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. November 1970
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausender Fragen steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Börner zur Verfügung.Die Frage 75 ist von dem Abgeordneten Schiller eingereicht. Es wird mir mitgeteilt, daß der Herr Abgeordnete um schriftliche Beantwortung gebeten hat. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.Ich rufe die Frage 76 des Abgeordneten Geisenhofer auf:Wie stellt sich die Bundesregierung zu der bestehenden Regelung, daß im heutigen Großstadtverkehr ein Personenkraftwagen das gleiche Vorfahrtsrecht besitzt wie ein öffentliches Verkehrsmittel, das zum gleichen Zeitpunkt 100 bis 300 Personen befördert?
Herr Präsident, ich bitte, die Fragen des Herrn Kollegen Geisenhofer wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantworten zu dürfen, wenn der Herr Kollege einverstanden ist.
Der Herr Fragesteller ist einverstanden. Frage 77 des Herrn Abgeordneten Geisenhofer:
Wäre es nicht an der Zeit, dem Massenverkehrsmittel das Vorfahrtsrecht einzuräumen und die Straßen mehr vom Individualverkehr zu entlasten, was außerdem eine wesentliche Verbesserung der Großstadtluft zur Folge hätte?
Herr Kollege, weder die geltende noch die neue Straßenverkehrsordnung kennt ein differenziertes Vorfahrtsrecht für Personenkraftwagen einerseits und öffentliche Verkehrsmittel andererseits. Eine solche Differenzierung wäre im Interesse der Verkehrssicherheit nicht zu vertreten. 'Gerade Vorfahrtsregeln müssen besonders klar und eindeutig sein.
Eine Anzahl Bestimmungen der neuen Straßenverkehrsordnung und der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift dazu werden aber wesentliche Erleichterungen für den öffentlichen Personenverkehr bringen. Es handelt sich um verkehrsregelnde und verkehrslenkende Maßnahmen, wie beispielsweise um besondere Lichtzeichen oder um die im Entwurf der Straßenverkehrsordnung aufgeführten Zeichen zur Markierung von Fahrstreifen, die den Schienenbahnen oder Linienomnibussen einen Vorrang einräumen können.
Keine Zusatzfrage.
Die Fragen 78 und 79 des Abgeordneten Seefeld werden 'auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 80 des Abgeordneten Dr. Apel auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß eine Fahrerlaubnis, die auf Grund einer Ausbildung in Kraftfahrzeugen mit automatischer Kraftübertragung erteilt wurde, audi nur für solche Kraftfahrzeuge gelten sollte, und wie beurteilt sie in diesem Zusammenhang den Wegfall eines entsprechenden Vermerks im Führerschein in einer Reihe von Bundesländern?
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, auch hier würde ich dankbar sein, wenn ich beide Fragen wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantworten könnte.
Der Herr Fragesteller ist einverstanden. Frage 81 des Abgeordneten Dr. Apel:
Sieht die Bundesregierung vor, durch eine Änderung der StVZO eine entsprechende Eintragung im Führerschein vorzuschreiben, wenn die Fahrausbildung in Kraftfahrzeugen mit automatischer Kraftübertragung erfolgte, um damit die bereits eingesetzte Entwicklung aufzuhalten und die Verkehrssicherheit zu erhöhen?
Herr Kollege, die Bundesregierung hält einen besonderen „Automatik-Führerschein" nicht für erforderlich. Sie begrüßt es, daß nahezu sämtliche Bundesländer auf einen die Fahrerlaubnis einschränkenden Vermerk auf dem Führerschein verzichten. Eine Änderung der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung in dieser Sache ist nicht geplant. Die Regelung des § 11 StVZO erscheint ausreichend.
Sollte sich jedoch herausstellen, daß Führerscheinneulinge, die auf Automatik-Fahrzeugen geschult und geprüft worden sind, eine größere Gefahr für den Straßenverkehr darstellen ,als andere, wird, die Bundesregierung unverzüglich geeignete Maßnahmen ergreifen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Apel.
Herr Staatssekretär, muß ich Ihrer Antwort entnehmen, daß Sie in der Tat der Meinung sind, daß es, wenn jemand auf einem Automatik-Fahrzeug gelernt hat, möglich ist, daß man ihm den Führerschein für ein Fahrzeug mit Gangschaltung gibt, und sehen Sie darin nicht doch eine Gefährdung der Straßenverkehrssicherheit?
Nein, Herr Kollege. Ich darf darauf hinweisen, daß im Rahmen der Fahrstunden die Fahrlehrer die Fahrschüler auch auf konventionellen Wagen lernen lassen. Etwa ein Drittel der Fahrstunden muß auf anderen als Automatikwagen absolviert werden. Es kann also vorausgesetzt werden, daß der neu in den Verkehr kommende Führerscheininhaber entsprechende Vorkenntnisse besitzt. Es ist selbstverständlich, daß er ein besonderes Maß an Sorgfalt — wie natürlich jeder andere Verkehrsteilnehmer auch — zeigen muß, wenn er auf ein ihm noch fremdes Fahrzeug umsteigt.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie korrigieren: Er muß nicht ein Drittel der Fahrstunden auf einem normalen traditionellen Fahrzeug lernen, sondern es ist eine Empfehlung, daß das ge-
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. November 1970 4485
Dr. Apelschehen soll. Besteht nicht doch ein sehr wesentlicher Unterschied zwischen einer Muß-Vorschrift und einer Empfehlung, weil diese Empfehlung eben nicht eingehalten werden muß?
Es ist für mich sehr interessant, von Ihnen zu hören, daß diese Empfehlung differenziert gehandhabt wird. Nach meinen Erkundigungen ist durch Absprachen der entsprechenden Gremien der Fahrlehrer sichergestellt, daß diese Empfehlung überall beachtet wird. Ich kann mir vorstellen, daß in Ihrem Heimatland Hamburg, das noch diesen Führerscheinantrag kennt, die Praxis anders ist. In allen anderen Bundesländern wird aber nach unseren Erkundigungen so verfahren, wie ich es ausgeführt habe.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie sich vorstellen, daß in einer Wettbewerbswirtschaft, in der die Fahrschulen miteinander in Konkurrenz stehen und in der es nur eine Empfehlung des zuständigen Verbandes und keine Vorschrift der Bundesregierung oder der Bundesländer gibt, permanent gegen diese Empfehlung verstoßen wird, weil eben Wettbewerb herrscht und jeder versucht, so schnell wie möglich seinem Zögling den Führerschein zu verschaffen, um die Kosten zu senken und damit besser im Markt zu liegen?
Herr Kollege, ich darf darauf hinweisen, daß der Fahrlehrer eine sehr hohe Verantwortung übernimmt. Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Praxis so ist, wie Sie es anklingen lassen, darf aber zur Ergänzung meiner Darlegungen noch ausführen, daß wir den Trend, Fahrzeuge mit Automatikgetriebe in den Verkehr zu bringen, durchaus nicht hindern wollen. Für die Verkehrssicherheit ist es sicher wünschenswert, daß in absehbarer Zeit alle Fahrzeuge Automatikgetriebe erhalten.
Eine weitere Zusatzfrage.
'Herr Staatssekretär, halten Sie es für angebracht, die Verantwortung für die Verkehrssicherheit, für die vernünftige Ausbildung der Fahrschüler den Fahrlehrern zu überlassen, oder meinen Sie nicht doch, daß, wie in meiner Frage 81 angesprochen, die Bundesregierung aktiv werden muß, damit eine gleichbleibende, durchgehende Ausbildung aller Fahrschüler so gewährleistet ist, daß keine Gefährdung für den Straßenverkehr entsteht?
Ich darf darauf hinweisen, daß ich die Verantwortung der Bundesregierung keinesfalls bestritten, sondern unterstrichen habe. Durch dieses Gespräch ist aber sicher klargeworden, daß wir in der Bewertung der gegenwärtigen Situation andere Auffassungen haben. Ich wäre dankbar, wenn Sie mir zur Unterstützung Ihrer kritischen Äußerungen noch einige Fälle, insbesondere aus Ihrer Wahlkreisarbeit oder aus anderen Erkundigungen, nennen könnten, die Ihre Argumente abstützen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Freiherr von Fircks.
Herr Staatssekretär, wenn es so ist, wie Sie meinen, daß nämlich die Ausbildung, wie sie heute erfolgt, tatsächlich genügt, würden Sie es dann nicht angesichts des Ernstes der Verkehrslage, wie sie sich jährlich aus den Statistiken ergibt, doch für richtig halten, daß generell die Prüfung unter den erschwerteren Bedingungen der nicht automatischen Fahrzeuge abgeleistet wird und nicht unter den erleichterten Bedingungen, die den Verkehr so verunsichern, wie es soeben vom Kollegen Apel dargestellt worden ist?
Herr Kollege, wir gehen, wie ich ausgeführt habe, davon aus, daß der Prüfling beide Methoden beherrschen muß. Mit einem Führerschein, wie er hier in Rede steht, können Sie ja verschiedene Fahrzeuge fahren, auch LKWs, so daß man eventuell fordern könnte: Dann muß er eben die Prüfung auf dem LKW machen. Das ganze Problem ist differenziert. Ich habe gesagt: wenn wir feststellen, daß wirklich eine Gefährdung der Verkehrssicherheit vorliegt, werden wir unverzüglich Maßnahmen ergreifen. Bisher gibt es aber in der Öffentlichkeit nur einige kritische Bemerkungen ohne aussagekräftiges statistisches Material. Nach den entsprechenden Erklärungen der Fachleute, z. B. der der Technischen Überwachungsvereine ist die Lage so, wie ich sie vorhin dargestellt habe. Man tendiert eben zur Automatik-Prüfung.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dröscher.
Herr Staatssekretär, statistisches Material, wonach sich dadurch die Unfallzahlen erhöht haben und das Besorgnisse erwecken könnte, liegt also noch nicht vor?
Herr Kollege, ich nehme an, daß sich Herr Kollege Dr. Apel vorher auf einen Test in Hamburg gestützt hat. Dieser Test ist aber, was die Anzahl und die Auswahl der Personen betrifft, nach unserer Meinung nicht genügend abgesichert. Deshalb habe ich darum gebeten, daß uns zusätzliches Material, wenn Herr Kollege Apel darüber verfügt,
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4486 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. November 1970
Parlamentarischer Staatssekretär Börnerzur Verfügung gestellt wird, damit wir mit den Ländern, die einen wesentlichen Anteil an diesen Vorschriften und ihrer Durchführung haben, darüber reden können.
Der Herr Abgeordnete Picard hat um schriftliche Beantwortung seiner Frage gebeten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 83 der Frau Abgeordneten Tübler auf:
Was gedenkt die Bundesregierung für den Ausbau der Bundesstraße 404 zu unternehmen, und sieht sie in der besonderen Bedeutung der B 404 für die Wirtschaftsstruktur Schleswig-Holsteins sowie für die Segelolympiade 1972 einen Anlaß zum beschleunigten Beginn der Baumaßnahme?
Der autobahngleiche Ausbau dieser Straße ist vorgesehen. Die Bundesregierung hat damit die besondere Bedeutung, die der Bundesstraße 404 von Kiel bis zur Bundesautobahn Hamburg–Lübeck bei Bargteheide für Wirtschaft und Fremdenverkehr Schleswig-Holsteins zukommt, nach Abschluß umfangreicher Untersuchungen anerkannt, und zwar im April 1968. Die schleswig-holsteinische Straßenbauverwaltung wurde gleichzeitig beauftragt, die Planung dementsprechend zu betreiben. Besonders wichtig war dabei die Änderung der schon in Planfeststellung nach §§ 17 und 18 des Bundesfernstraßengesetzes begriffenen Pläne für die bis dahin zweispurig vorgesehene Ortsumgehung Bornhöved-Wankendorf. Die Bundesregierung hielt und hält deren Verwirklichung für sehr dringlich und im Interesse der Verkehrssicherheit für notwendig. Das steht auch im Einklang mit dem Wunsch, dieses Bauvorhaben möglichst bis August 1972 zum Olympischen Segelwettbewerb zumindest provisorisch benutzbar zu machen.
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 84 der Frau Abgeordneten Tübler auf:
Ist die Bundesregierung gewillt, das Angebot des Landes Schleswig-Holstein anzunehmen, die bei einem sofortigen Baubeginn anfallenden Baukosten für das Haushaltsjahr 1970 vorzufinanzieren?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Frau Kollegin, da die Bundesregierung ohnehin beabsichtigt, daß die Bauarbeiten an der Ortsumgehung Bornhöved-Wankendorf im Zuge der B 404 zu Anfang des Rechnungsjahres 1971 begonnen werden, und dementsprechend Mittel im Haushalt 1971 bzw. im ersten Fünfjahresplan 1971/75 vorgesehen hat, kann von einem nennenswerten Zeitgewinn, wie ihn die Landesregierung Schleswig-Holstein durch Vorfinanzierung gegen Ende des Rechnungsjahres 1970 anstrebt, praktisch keine Rede sein. Die Bundesregierung hält daher eine Vorfinanzierung nicht für gegeben, zumal da eine derartige Regelung zeitraubende Vorarbeiten haushaltsrechtlicher Art voraussetzt. Die Bundesregierung erwartet, daß die für die Baudurchführung verantwortliche schleswig-holsteinische Straßenbauverwaltung sich die Vergabe der betreffenden Aufträge zum frühestmöglichen Zeitpunkt Anfang 1971 angelegen sein läßt.
Eine Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir einer Meinung, daß es doch zu einer rechtzeitigen Fertigstellung dieser Umgehungsstraße kommen kann? Und ist Ihnen außerdem bekannt, daß wegen des verzögerten Baubeginns bereits eine erhebliche Beunruhigung in der Bevölkerung besteht?
Frau Kollegin, von verzögertem Baubeginn kann nach meiner Auffassung keine Rede sein. Man darf nicht übersehen, daß wir uns zur Zeit noch im Planfeststellungsverfahren befinden. Nach meiner Kenntnis ist der Erörterungstermin für Dezember dieses Jahres vorgesehen. Wie bei allen Bundesfernstraßen, die autobahnähnlich ausgebaut werden, müssen wir natürlich gewisse rechtliche Sicherungen haben, ehe wir bauen können. Denn das Dilemma der heutigen B 404 — Sie wissen es sicher besser als ich — besteht darin, daß sie einmal Landesstraße wurde, die dem modernen Schnellverkehr eben nicht gewachsen war, auch darin, daß sie auf Grund bestimmter Schwierigkeiten trassiert ist, die sich damals beim Ausbau mit Grundstückseigentümern ergeben haben. Das heißt, sie wäre nicht so kurvenreich, wenn man damals enteignet und nicht versucht hätte, sich mit jedem zu einigen. Das liegt aber sehr weit zurück. Deshalb müssen wir, wenn wir die Straße jetzt autobahnmäßig ausbauen, natürlich auch darauf achten, daß wir nicht wieder durch Zurückhaltung beim Grunderwerb irgendwelche bautechnischen Schwierigkeiten bekommen.Nach Angaben der schleswig-holsteinischen Landesstraßenverwaltung ist das nach Lage der Dinge wahrscheinlich nicht zu befürchten. Rechtlich besser ist es aber, wenn man das Planfeststellungsverfahren durchgeführt hat; denn schließlich geht es allein in diesem Bauabschnitt um ein Projekt von über 50 Millionen DM. Dafür müssen wir entsprechende Vorbereitungen treffen.Sie selbst wissen, daß das Bauen in dieser Jahreszeit nicht nur von der Mittelfreigabe, sondern gerade in Ihrem Heimatland auch von bestimmten Witterungsverhältnissen abhängig ist. Ich kann Ihnen heute zusagen, daß wir im Jahre 1971 so schnell wie möglich anfangen wollen. Das Geld steht praktisch ab Januar in entsprechenden Teilbeträgen zur Verfügung. Ich rechne damit, daß diese Straße beim Segelwettbewerb der Olympiade bei günstiger Witterung zumindest provisorisch benutzt werden kann.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. November 1970 4487
Eine Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, Sie stimmen also mit mir überein, daß die Zufahrt zur Landeshauptstadt Kiel auf jeden Fall bis zum Jahre 1972 gegeben sein muß, da in der Fortsetzung des Autobahnbaus die Unter- oder Überführung über die Elbe ja nicht gewährleistet ist?
Frau Kollegin, der Bundesverkehrsminister versucht alles, um die Maßnahmen durch zügige Mittelfreigabe zu fördern. Wir haben gerade in den letzten Tagen wieder Mittel zugewiesen, um nicht Stockungen oder Verlangsamungen des Baufortschritts der in Schleswig-Holstein befindlichen Autobahnbaustellen zu haben. Ich muß aber darauf hinweisen, daß unsere Bemühungen in früheren Jahren auch dazu geführt haben, daß wir vor gar nicht so langer Zeit der schleswig-holsteinischen Regierung einmal empfehlen mußten, ihre Straßenbauplanungskapazität so auszubauen, daß die Mittel aus Bonn auch verbaut werden konnten.
Die Fragen 85 und 86 des Herrn Abgeordneten Riedel werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 87 des Abgeordneten Dr. Gleissner auf:
Soll audi in der Bundesrepublik Deutschland die weitere Verwendung der Spikes-Reifen überprüft werden, und zwar nicht nur wegen der bekanntgewordenen schwerwiegenden Straßenschäden, sondern auch aus Gründen der Sicherheit, weil nur in einem Bruchteil der Winterzeit Straßenverhältnisse herrschen, die Spikes-Reifen vom Sicherheitsstandpunkt her überlegen machen, während sie — nach Meinung internationaler Verkehrsfachleute — in der übrigen Zeit eine ernstliche Bedrohung der 'Sicherheit durch Beeinträchtigung der Straßenlage und der Bremsfähigkeit darstellen?
Herr Staatssekretär!
Herr Kollege, derartige Untersuchungen sind in der Tat erforderlich. Die Wirkungen und Einflüsse der Spikes-Reifen aus straßenbautechnischer Sicht sind bereits durch Forschungsaufträge sowie Erfahrungsberichte einzelner Bundesländer hinreichend geklärt. Dabei haben sich die Befürchtungen über die Straßenabnutzung bestätigt.
Aus fahrzeugtechnischer Sicht bestehen zwar unter der Voraussetzung, daß sich die Fahrzeugführer auf die veränderten Bedingungen einstellen, gegen die Verwendung von Spikes-Reifen grundsätzlich keine Bedenken. Dennoch sind Untersuchungen über den Einfluß dieser Reifen auf die Bremswege und hinsichtlich ihrer Seitenführungseigenschaften bei den verschiedensten Fahrbahnverhältnissen eingeleitet worden.
Über Diagonalreifen mit Spikes liegen bereits Untersuchungsergebnisse vor. Da jedoch in zunehmendem Umfang Gürtelreifen mit Spikes verwen-
det werden, wurden weitere Untersuchungen erforderlich. Zu welchem Ergebnisdiese Untersuchungen kommen werden und welche Folgerungen bei Abwägung aller Vor- und Nachteile insgesamt zu ziehen sind, läßt sich gegenwärtig noch nicht übersehen.
Eine Zusatzfrage! .
Herr Staatssekretär, wann sind die neuen Untersuchungen, die Sie angekündigt haben, voraussichtlich abgeschlossen?
Herr Kollege, die Bundesanstalt für Straßenwesen rechnet damit, daß sie innerhalb des nächsten Jahres hier zu schlüssigen Ergebnissen kommt.
Eine weitere Zusatzfrage!
Trifft es zu, daß die Regierung von Ontario Spikes-Reifen bereits verboten hat? Und was waren dort die Gründe?
Herr Kollege, ich kann hier aus dem Handgelenk nicht sagen, ob es richtig ist, daß die Regierung von Ontario, also einer kanadischen Provinz, die Spikes-Reifen verboten hat! Ich kann mir aber vorstellen, daß, wenn es so ist, dort die gleichen Sorgen wie bei uns vorliegen, nämlich daß durch die Verwendung von Spikes-Reifen in Zeiten, wo kein Eis auf der Straße liegt, also während des größten Teils des Winters, die Straßendecken so erheblich abgenutzt werden, daß der Schaden Hunderte von Millionen beträgt.
Das ist durchaus ein Grund, über den man reden muß. Es gibt Fachleute, die uns mitgeteilt haben, daß der Abrieb auf den Straßen pro Winter etwa 5 mm beträgt. Das heißt, daß die Lebenszeit einer Straßendecke eventuell um die Hälfte verkürzt wird und daß sich der Finanzaufwand für die Unterhaltung der Straßen wesentlich erhöht. Das wäre eine Überlegung, die eine solche Sache natürlich rechtfertigen könnte, andererseits kann nicht bestritten werden, daß im Winter bei vielen Verkehrszuständen der Spikes-Reifen zusätzliche Sicherheit bietet.
Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Dr. Diemer.
Herr Staatssekretär, Sie haben gerade in Ihrem letzten Satz darauf hingewiesen, daß durch den Spikes-Reifen eine größere Sicherheit für den Verkehrsteilnehmer besteht: Steht nicht, wenn man die Sicherheit des Verkehrsteilnehmers in seinem Wagen und die Abnutzung der Straßen gegeneinander abwägt, die
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4488 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. November 1970
Frau Dr. Diemer-NicolausSicherheit des Verkehrsteilnehmers im Vordergrund?
Frau Kollegin, man kann die Dinge so nicht gegeneinanderstellen. Sicher beinhaltet die Fragestellung, wie Sie sie soeben gebracht haben, durchaus eine politische Wertung, und wir würden uns dann sicher für die Sicherheit des Menschen entscheiden müssen. Es darf aber auch nicht übersehen werden, daß ein Spikes-Reifen — das weisen die wissenschaftlichen Ergebnisse heute schon aus — bei trockener Straße eventuell ein zusätzlicher Unsicherheitsfaktor ist. Wenn Sie einmal die Tage in unserem Winter und in unserer Klimasituation zusammenrechnen, an denen man wirklich Spikes-Reifen braucht und an denen man nach der Verordnung damit fahren darf, werden Sie zugeben, daß hier unter Umständen zur Zeit eine sehr ungünstige Relation besteht.
Die Frage des Abgeordneten Picard wird schriftlich beantwortet; die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Wir stehen am Ende des Geschäftsbereiches. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen auf. Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer I Staatssekretär Herold zur Verfügung. Die erste Frage, die Frage 90, wird von dem Herrn Abgeordneten Niegel gestellt:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Kritik des schleswigholsteinischen SPD-Landesvorsitzenden Steffen am Regierungsentwurf eines Zonenrandförderungsgesetzes, die auf die Abschaffung jeglicher besonderer Förderung des Zonenrandgebiets hinausläuft?
Herr Präsident, ich darf die Frage wie folgt beantworten. Der Herr Bundeskanzler hat bereits in seiner Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969 zum Ausdruck gebracht, daß die Priorität des Zonenrandgebiets und Berlins im Rahmen der Strukturpolitik des Bundes erhalten bleiben muß. In konsequenter Fortführung dieser Politik hat die Bundesregierung am 8. Oktober 1970 den Entwurf eines Zonenrandförderungsgesetzes beschlossen, das die bisherigen Förderungsmaßnahmen für diesen Raum rechtlich absichern soll und darüber hinaus im sozialpolitischen Bereich verstärkte Hilfen vorsieht. Im übrigen möchte ich darauf hinweisen, daß es die Bundesregierung nicht als ihre Aufgabe ansieht, vor diesem Hohen Hause zu Zeitungsberichten über Äußerungen von Landespolitikern Stellung zu nehmen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, da die Äußerung des Herrn Oppositionsführers im schleswig-holsteinischen Landtag nicht nur eine Zeitungsmeldung ist, sondern als offizielle Verlautbarung seines Büros in Kiel herausgegeben wurde, möchte ich die Frage stellen, ob man aus Ihrer Antwort entnehmen kann, daß die Bundesregierung auch künftig dem Zonenrandgebiet besondere Förderung außerhalb des Rahmens der allgemeinen regionalen Wirtschaftspolitik angedeihen läßt.
Ich habe das hier soeben ganz eindeutig ausgesprochen: Für die Bundesregierung hat die Förderung des Zonenrandgebietes mit verstärkten Mitteln auf Grund der Vorlage dieses Gesetzes weiterhin Priorität. Ich hoffe, daß wir im Parlament entsprechende Unterstützung erhalten, auch mit Ihrer Unterstützung rechnen können.
Eine weitere Zusatzfrage.
'Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie den Vorschlag des Herrn Oppositionsführers Steffen, den Begriff „Zonenrandgebiet" zu streichen und das Gebiet „Randgebiet zur DDR" zu benennen?
Dieser Begriff "Zonenrandgebiet" spielt in den letzten Wochen und Monaten und wahrscheinlich auch in der Zukunft immer eine Rolle. Die Diskussion darüber ist auf Grund der Vorlage dieses Gesetzes in Gang gekommen. Die Bundesregierung hat ihren Gesetzentwurf als „Gesetzentwurf zur Förderung des Zonenrandgebietes" eingereicht; damit hat sie eindeutig ihren Willen bekundet, an einem bisher gängigen Begriff festhalten zu wollen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Warnke.
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß die Äußerung des SPD-Landesvorsitzenden Steffen geeignet ist, Unruhe in die Bevölkerung zu bringen, wenn er sich grundsätzlich gegen Sondermaßnahmen für das Zonenrandgebiet ausspricht, und sind Sie mit mir der Auffassung, daß die Bundesregierung dagegen von sich aus hätte Stellung nehmen müssen?
Herr Kollege Dr. Warnke, ich darf folgendes erwidern: Vielleicht sollten andere Politiker im Zonenrandgebiet auch etwas schweigsamer sein, um die Bevölkerung nicht zu stark zu beunruhigen. Sie wissen, was ich damit meine, wenn ich Ihre Pressekonferenz
— natürlich ist das eine Antwort — von vor drei Tagen betrachte.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. November 1970 4489
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Fellermaier.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir in der Auffassung zustimmen, daß es nicht sosehr um Begriffe geht, wie sie der Kollege Niegel auf Grund einer Feststellung des Oppositionsführers im schleswig-holsteinischen Landtag hier gerügt hat, was an sich der falsche Platz war, sondern daß es entscheidend ist, daß diese Bundesregierung in verstärktem Maße diese Gebiete fördert, weil das den Menschen mehr hilft als das, was sich als propagandistisches Dekor auch in solchen Fragestunden dazu abspielt?
Ich kann Ihre Bemerkung nur voll unterstreichen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Peters.
Herr Staatssekretär, sind Sie der Meinung, daß sich durch Umbenennung des Programms an der Finanzierungsbasis etwas ändern würde?
Überhaupt nicht. Daran ist nicht gedacht, im Gegenteil. Wie Sie wissen, sieht das neue Zonenrandförderungsgesetz eine Steigerung der Mittel auf einigen sozialen Gebieten vor.
Ich rufe die Frage 91 des Abgeordneten Dr. Reinhard auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung des hessischen Finanzministers Lang, daß eine weitergehende Förderung des Zonenrandgebietes zur Vermeidung negativer Reaktionen der DDR zurückgestellt werden solle?
Herr Kollege Reinhard, ich darf wie folgt antworten.
Ich möchte zuerst wiederholen, daß die Bundesregierung es nicht als ihre Aufgabe betrachtet, zu Äußerungen von Landesministern Stellung zu nehmen.
Ich möchte jedoch feststellen, daß es sich bei der Förderung des Zonenrandgebiets um eine innenpolitische Aufgabe der Bundesregierung und der Zonenrandländer handelt. Da sich die Hilfsmaßnahmen ausschließlich auf einen Teil des Bundesgebiets erstrecken, würde die Bundesregierung jede etwaige negative Reaktion der DDR zurückweisen. Dies gilt sowohl für die Fortführung der bisherigen Förderungsmaßnahmen als auch für notwendige zusätzliche Hilfen, wie sie die Bundesregierung im sozialpolitischen Bereich für notwendig hält.
Eine Zusatzfrage.
Ist Ihre Antwort, Herr Staatssekretär, so zu verstehen, daß Sie sich von den Äußerungen des Herrn hessischen Ministers distanzieren, die er in einer Versammlung in Philippsthal getan hat?
Ich brauche mich nicht zu distanzieren. Ich kenne die Äußerungen nicht im Detail. Ich kann nur sagen, ich hätte es vielleicht etwas anders ausgedrückt.
Meine Damen und Herren, der Herr Abgeordnete Engelsberger hat seine Fragen zurückgezogen.
Die wegen Ablauf der Fragestunde nicht mehr beantworteten Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir sind damit am Ende der Fragestunde. Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:
2. Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Verlängerung der Amtszeit der Betriebsräte
— Drucksache VI/1363 —
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung
— Drucksache VI/1411 —
Berichterstatter: Abgeordneter Zink
Der Herr Abgeordnete Zink wird als Berichterstatter einen mündlichen Bericht erstatten.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Deutsche Bundestag hat in seiner 78. Sitzung am 11. November 1970 den Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und der FDP über die Verlängerung der Amtszeit der Betriebsräte, Drucksache VI/1363, an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung überwiesen. Dieser Ausschuß hat den Gesetzentwurf am gleichen Tage abschließend beraten.Zur Begründung des Gesetzentwurfs führten die Mitglieder der Fraktionen der SPD und der FDP aus, die vorgesehene Verlängerung der Amtszeit der Betriebsräte bis zum 30. April 1972 sei erforderlich, damit künftige Wahlen zum Betriebsrat auf der Grundlage des im Jahre 1971 zu verabschiedenden neuen Betriebsverfassungsgesetzes durchgeführt werden könnten.Demgegenüber hielt es die Fraktion der CDU/ CSU für unzweckmäßig, im jetzigen Zeitpunkt die nach ihrer Ansicht rechtspolitisch nicht unbedenkliche Verlängerung der Amtszeit der Betriebsräte zu beschließen. Die Dauer der Beratung eines Gesetzentwurfs für ein neues Betriebsverfassungsgesetz könne noch nicht abgesehen werden, da ein Entwurf der Bundesregierung oder der Koalitionsfraktionen noch nicht den gesetzgebenden Körper-
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4490 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. November 1970
Zinkschaften zugeleitet und ebenso ein Termin für diese Einbringung nicht bekannt sei.Die Mitglieder der Fraktionen der SPD und der FDP widersprachen diesen Ausführungen. Der in der Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969 angekündigte Gesetzentwurf zur Reform des Betriebsverfassungsgesetzes sei inzwischen vorbereitet, so daß er in Kürze den gesetzgebenden Körperschaften zugeleitet werde.Die Mitglieder der Fraktion der CDU/CSU beantragten daraufhin, die Abstimmung über den Gesetzentwurf Drucksache 111/1363 auszusetzen, weil sich die Gesamtfraktion die Entscheidung vorbehalten habe. Sie könnten sich daher nicht an einer Abstimmung über den vorliegenden Gesetzentwurf beteiligen.Der Ausschuß hat mit Mehrheit diesen Antrag der CDU/CSU abgelehnt, weil in den Betrieben baldigst Klarheit herrschen müsse, daß die künftigen Wahlen zum Betriebsrat schon auf der Grundlage des neuen Betriebsverfassungsgesetzes durchgeführt würden.Der Ausschuß hat sodann den Entwurf der Fraktionen der SPD und der FDP über die Verlängerung der Amtszeit der Betriebsräte, Drucksache VI/ 1363, ohne Gegenstimmen oder Enthaltungen unverändert angenommen. An dieser Abstimmung haben sich die anwesenden Mitglieder der Fraktion der CDU/CSU unter Hinweis auf ihre Ausführungen nicht beteiligt.So weit der mündliche Bericht.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wir treten in die zweite Beratung ein. Es liegen keine Wortmeldungen vor. Ich rufe auf § 1, — § 2, — § 3, — Einleitung und Überschrift. — Wer in der zweiten Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Das erste war die Mehrheit.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Das Wort hat der Abgeordnete Müller .
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Namens der Fraktion der CDU/CSU gebe ich zur dritten Beratung des Gesetzes über die Verlängerung der Amtszeit der Betriebsräte folgende Erklärung ab.Die Fraktion der CDU/CSU wird diesem Gesetz nicht zustimmen. Die Fraktion hat bis zum heutigen Tage gehofft, daß die Bundesregierung oder die Koalitionsparteien die seit langem wiederholte Ankündigung wahrmachen würden, daß zumindest ein Gesetzentwurf zur Neuordnung des Rechtes der Betriebsverfassung so weit gediehen sei, daß er den gesetzgebenden Körperschaften zugeleitet werdenkönne. Das ist bis zur Stunde nicht geschehen. Wir bezweifeln daher die Aussage in dem Vorblatt des eingereichten Gesetzentwurfs, in dem die Koalitionsfraktionen behaupten, es sei damit zu rechnen, daß noch im Jahre 1971 ein neues Betriebsverfassungsgesetz verabschiedet würde. Wer auch nur einigermaßen die Fristen für die Beratung eines solchen Gesetzes kennt und die mit der Neuordnung dieses Rechts verbundene Problematik zu würdigen weiß, der muß wissen, daß mit der Annahme dieses heutigen Gesetzes die Beratungsmöglichkeiten des Parlaments durch eine so enge Fristsetzung unerträglich beschnitten werden.
Der Gesetzentwurf sieht vor, die Amtszeit der Betriebsräte bis zum April 1972 zu verlängern. Wer das Verfahren zur Wahl des Betriebsrats kennt, weiß, daß die Fristen, die nach der Wahlordnung zwingend einzuhalten sind, schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt zu laufen beginnen. Wenn man darüber hinaus weiß, daß ein grundlegend neues Gesetz eine neue Wahlordnung erzwingt und die Betriebe und die Gewerkschaften in die Lage versetzen muß, über dann grundlegend neue Möglichkeiten dieses Gesetzes zu informieren und zu schulen, der muß auch wissen, daß in Wirklichkeit das Gesetz bis zur Sommerpause verabschiedet werden müßte.Der bisherige Verlauf der Diskussion um die Neuordnung des Rechts der Betriebsverfassung veranlaßt uns zu einer besonderen Skepsis und Vorsicht.
Dazu folgende Tatsachen. Anläßlich der Bildung der Großen Koalition Ende 1966 wurde in der Regierungserklärung Bundeskanzler Kiesingers zu dem Problemkreis der Mitbestimmung, in den die Betriebsverfassung eingeschlossen ist, mitgeteilt, daß die Prüfung dieses Themas durch eine wissenschaftliche Gutachterkommission erfolgen solle und daraus danach dann politische Konsequenzen gezogen würden.Am 16. Dezember 1968, als klar vorauszusehen war, daß eine Beratung und eine Verabschiedung im Deutschen Bundestag nicht mehr würde erfolgen können, ohne andere wichtige Gesetze zur Sozial- und Gesellschaftsreform zu gefährden,
z. B. das Arbeitsförderungsgesetz, das Berufsbildungsgesetz und das Lohnfortzahlungsgesetz,
reichte die Fraktion der SPD u. a. einen Gesetzentwurf zur Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes ein. Sie erfüllte damit eine Pflichtübung, weil man einen solchen Gesetzentwurf für den Bundestagswahlkampf benötigte,
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Müller
und das, obwohl man hinsichtlich des Abwartens des Biedenkopf-Gutachtens gegenüber der damaligen Koalition im Wort stand.Im Oktober 1969 kam die Regierungserklärung dieser Bundesregierung mit der Absichtserklärung, eine Novelle zum Betriebsverfassungsgesetz einzubringen, wobei man das Problem der weiteren Mitbestimmung ausklammerte. Wer aber von der Arbeitnehmerschaft gehofft hatte, daß, nachdem die SPD die Führung der Bundesregierung übernahm, dieses angeblich so gründlich durchberatene Gesetz, das ja fertig auf dem Tisch lag, wieder unmittelbar auf dem Tisch des Hauses sein würde, der sah sich enttäuscht.
Nach Bildung dieser Koalition berichtete der Minister für Arbeit und Sozialordnung im zuständigen Ausschuß über die künftigen Vorhaben in seinem Bereich. Er erwähnte dabei die Betriebsverfassung und Mitbestimmung nicht. Auf meine Frage, ob das Nichterwähnen der beiden Problemkreise bedeute, daß sie nicht zu den unmittelbar vordringlichsten Aufgaben seines Hauses gehörten, antwortete mir der Minister, das Problem sei so vielschichtig und müsse noch so grundlegend geprüft werden, daß mit einer baldigen Vorlage nicht zu rechnen sei.
Im Januar dieses Jahres legte die wissenschaftliche Gutachterkommission, genannt BiedenkopfKommission, ihr Gutachten vor. Im März dieses Jahres habe ich mit einigen meiner politischen Freunde eine Kleine Anfrage eingebracht, ob und wann die Bundesregierung eine eigene Stellungnahme zum Biedenkopf-Gutachten abgeben würde. Sie hat am 23. März 1970 in der Beantwortung dieser Kleinen Anfrage eine Stellungnahme der Regierung für den Sommer 1970 in Aussicht gestellt.
Ohne auf Ihren Widerspruch zu stoßen, werde ich sicher feststellen dürfen, daß nicht nur kalendermäßig der Sommer 1970 vorbei ist.
Am 12. Oktober 1970 haben wir erneut eine Kleine Anfrage eingebracht und gefragt, ob die Bundesregierung die für den Herbst 1970 angekündigte Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes einbringen würde, ohne die überfällige Stellungnahme zum Bericht der Biedenkopf-Kommission vorzulegen, bzw. wann mit einer Stellungnahme zu diesem Bericht zu rechnen sei. Die Bundesregierung antwortete darauf, sie beabsichtige, ihre Stellungnahme zum Gutachten der Mitbestimmungskommission im zeitlichen Zusammenhang mit der Einbringung eines neuen Betriebsverfassungsgesetzes vorzulegen. Ein Datum oder ein ungefährer Zeitpunkt wurde nicht angegeben.Die CDU/CSU-Fraktion weiß aus eigenen Beratungen zur Reform der Betriebsverfassung unterEinschluß des Unternehmensrechts, wie schwierig die Lösung der anstehenden Fragen ist.
Die CDU/CSU wird einen eigenen Entwurf zur Gesamtproblematik der Betriebsverfassung und der Mitbestimmung vorlegen. Ich sage das hier in aller Deutlichkeit,
um der Legendenbildung vorzubeugen, wir lehnten dieses Gesetz zur Verlängerung der Amtszeit ab, weil wir eine Neuordnung dieses Problemkreises nicht wollten. Das Gegenteil ist der Fall.
Dies sind einige der Gründe, warum wir kein Zutrauen zu den Versicherungen haben, ein Gesetzentwurf zur Neuordnung des Rechts der Betriebsverfassung würde so rechtzeitig vorgelegt, daß das Parlament sich in der Beratung nicht selbst unter Zeitzwang setzt.
Wenn ein solcher Gesetzentwurf zur Verlängerung der Amtszeit gleichzeitig mit einem Entwurf zur Neuordnung des Rechts der Betriebsverfassung vorgelegt worden wäre, wäre auch für uns eine neue Situation entstanden. Aus all diesen Gründen lehnen wir heute die Verlängerung der Amtszeit der Betriebsräte ab.
Auf das hier geübte Verfahren will ich im übrigen nicht mehr eingehen.
Wir hätten uns z. B. vorstellen können, daß man gemeinsam überlegt hätte, ob nicht bei der Verabschiedung eines Gesetzes zur Neuordnung dieses Rechts eine Bestimmung aufgenommen werden könnte, die die Amtszeit der dann im Amt befindlichen Betriebsräte abgekürzt hätte, um sicherzustellen, daß so bald als möglich nach neuem Recht gewählt worden wäre.
Statt den Belegschaften das demokratische Recht der Wahl um ein Jahr zu beschneiden,
hätten wir ihnen ein zusätzliches demokratisches Wahlrecht nach angemessener Frist einräumen können.
Ich fasse die Erklärung zusammen.
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Müller
Erstens. Die CDU/CSU-Fraktion wird diesem Hause zur Neuordnung des Rechts der Betriebsverfassung und der Mitbestimmung einen eigenen Gesetzentwurf vorlegen.
Zweitens. Die CDU/CSU-Fraktion bedauert, daß die Bundesregierung die Stellungnahme zum Bericht der Biedenkopf-Kommission bis heute nicht abgegeben hat.
Drittens. Die für die Beratung zur Verfügung stehenden Fristen, die sich aus der Annahme des jetzt vorliegenden Gesetzes ergeben, erscheinen uns angesichts der schwierigen Materie als zu kurz und stellen nach unserer Auffassung eine Beschneidung des Beratungsrechts und der Beratungspflicht des Parlaments dar. Aus diesem Grund lehnen wir das Gesetz ab.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Professor Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der sozialdemokratischen Fraktion gebe ich folgende Erklärung ab.
Erstens. Das Betriebsverfassungsgesetz von 1952 entspricht nicht mehr unserer Arbeitswelt.
Dies ist eine Erkenntnis der Gewerkschaften, der Arbeitgeber, der Kirchen, der Wissenschaft und der demokratischen Parteien.
Auch die CDU/CSU redet seit langem, wenn auch mit verschiedenen Zungen, über die Notwendigkeit einer umfassenden Neugestaltung des Betriebsverfassungsrechts.
Die CDU/CSU hat aber in den Jahren, in denen sie den Bundeskanzler und den Arbeitsminister stellte, wegen ihrer inneren Zerrissenheit
keinen Gesetzentwurf zur Neugestaltung des Betriebsverfassungsgesetzes zustande gebracht. Das einzige, was die CDU/CSU hinsichtlich des Betriebsverfassungsgesetzes dem Bundestag vorlegte, war ihr Gesetzentwurf vom 2. November 1967. Das war ein Gesetzentwurf, der lediglich einen übermäßigen, um nicht zu sagen: einen überdrehten Schutz kleinster Gruppen beinhaltete, von dem der Präsident des Bundesarbeitsgerichts, Herr Professor Müller, erklärte — ich zitiere —:
Es droht die nicht zu unterschätzende Gefahr,
- so der Präsident des Bundesarbeitsgerichts — daß von der Rechtsordnung her mehr oder weniger große Spannungen in der Betriebsbelegschaft erzeugt oder dort genährt werden.
So bekam schließlich die CDU/CSU-Fraktion bezüglich ihres Gesetzentwurfs vom November 1967 Bedenken und ließ ihn im federführenden Ausschuß, damals unter Vorsitz von Herrn Kollegen Müller, versanden.
Die CDU wollte aber auch nicht, daß ein Gesetzentwurf einer anderen Fraktion Grundlage der erforderlichen Erneuerung des Betriebsverfassungsgesetzes würde. Deshalb hat sie, ebenfalls unter Vorsitz von Herrn Kollegen Müller, dafür gesorgt, daß der Gesetzentwurf der Sozialdemokraten vom Dezember 1968 im Ausschuß für Arbeit überhaupt nicht zur Beratung kam.
Zweitens. Bei dieser Sachlage hat es die CDU/CSU nicht gern gehört, daß die Regierungserklärung vorn 28. Oktober 1969 eine Reform des Betriebsverfassungsgesetzes ankündigte.
Das kam auch in der Aussprache über die Regierungserklärung zum Ausdruck, in der Herr Kollege Katzer in bezug auf diese Ankündigung eines neuen Betriebsverfassungsgesetzes sich anstrengte zu beweisen, daß — ich zitiere — „die Konzeption der SPD und der FDP sich fundamental unterscheiden". So Herr Katzer.
Drittens. Als dann zum Erstaunen der CDU/CSU nach noch nicht einmal einem Jahr seit Bestehen der sozialliberalen Koalition ein Referentenentwurf des Bundesarbeitsministeriums bekannt wurde,
hat die CDU/CSU wiederum alles getan, um den Eindruck von angeblich unüberbrückbaren Meinungsverschiedenheiten zwischen den Sozialdemokraten und den Freien Demokraten in dieser Sache zu verstärken.
— Ich beantworte heute keine Fragen, weil die CDU/CSU im Ausschuß nicht bereit war, mitzuarbeiten.
— Dieses Verhalten der CDU/CSU war nach ihren gescheiterten Bemühungen um eine Neugestaltung des Betriebsverfassungsgesetzes in ihrem Sinne zwar menschlich verständlich, aber politisch kurzsichtig.
Natürlich gibt es in einer gesellschaftspolitisch so bedeutsamen Frage wie der Neuordnung der
Dr. Schellenberg
Betriebsverfassung zwischen der SPD und der FDP manche unterschiedliche Auffassung.
— Das kann niemanden erstaunen.
Mich hat es im Gegenteil erstaunt, wie überraschend schnell FDP und Sozialdemokraten
in vielen Punkten zu gemeinsamen Auffassungen gekommen sind.
Was die Dinge betrifft, in denen SPD und FDP heute noch nicht einig sind,
so kann die Opposition sicher sein, daß die Regierung sehr bald
einen für beide Koalitionspartner tragbaren Kompromiß vorlegen wird.
— Schneller, als es der Opposition und allen anderen, die Unfrieden in dieser Koalition säen wollen, lieb sein wird.
Viertens. Daß die Regierungsparteien als ersten Schritt zur Neugestaltung der Betriebsverfassung einen Gesetzentwurf über die Verlängerung der Amtszeit der jetzt amtierenden Betriebsräte eingebracht haben, ergibt sich aus der Sache.
Kein verantwortlicher Politiker kann es hinnehmen, daß Anfang nächsten Jahres in betriebsratsfähigen Betrieben Betriebsräte gewählt werden, wenn gleichzeitig nach dem Willen der Mehrheit ein grundlegend neues Betriebsverfassungsgesetz geschaffen wird. Wer die Verlängerung der Amtszeit der Betriebsräte ablehnt, der setzt sich dem Verdacht aus, daß er im Grunde kein neues Betriebsverfassungsgesetz will.
Fünftens. Alles, was die CDU/CSU gegen eine Verlängerung der Amtszeit anführt,
wird durch das widerlegt, was sie selbst in diesem Hause bei ähnlichen Gelegenheiten früher praktiziert hat. Mit der Methode, die die CDU/CSU, seitdem dieses Vorschaltgesetz vom Ältestenrat einmutig auf die Tagesordnung dieser Woche gesetzt
wurde, praktiziert hat, hat sie sich selbst entlarvt.
Die CDU/CSU hat im Ausschuß nicht nur keinen Vorschlag zur Sache gemacht, sondern sich, obwohl sie anwesend war, an der Abstimmung einfach nicht beteiligt. Meine Damen und Herren, das ist keine Opposition, das ist Obstruktion.
Sechstens. Dieses Gesetz begründet für die Regierungsparteien ein große Verpflichtung. Die Regierungsparteien bekunden damit ihren festen Willen, im Laufe des nächsten Jahres ein neues Betriebsverfassungsgesetz zu verabschieden. Selbstverständlich werden wir ein solches Gesetz mit der Gründlichkeit beraten, die dieses große Reformwerk gebietet. Daß ausreichend Zeit für eine gründliche Beratung bleibt, zeigen auch die Erfahrungen, die wir mit der Beratung des Betriebsverfassungsgesetzes von 1952 gewonnen haben.
Ich hoffe sehr, daß die Opposition bald ihre taktischen Manöver von dieser Woche überwinden und durch konstruktive Mitarbeit dazu beitragen wird, daß das neue Betriebsverfassungsgesetz ein in die Zukunft weisendes Gesetz für die Arbeiter und Angestellten, für die Wirtschaft und für unsere Gesellschaft wird.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schmidt .
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Herr Kollege Müller hat hier für die CDU/CSU erklärt, die CDU/ CSU werde diesem Vorschaltgesetz nicht zustimmen. Herr Kollege Müller, warum haben Sie denn nicht gleich gesagt, was später deutlich wurde, daß Sie die Betriebsräte für die nächsten drei Jahre nach dem alten Gesetz gewählt haben und vielleicht einmal in sechs oder acht oder zehn Jahren etwas ändern wollen?
Herr Kollege Müller, warum haben Sie das nicht gleich gesagt?
Die Diskussion über das Vorschaltgesetz in dieser Woche hat gezeigt, daß die Opposition in diesem Hause nicht etwa auf ein neues Betriebsverfassungs-
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Schmidt
gesetz losmarschieren und mit uns zusammen daran arbeiten will,
sondern daß sie lediglich eine Eskalation der Obstruktion in diesen Tagen betrieben hat.
— Herr Kollege, ich muß noch einmal an das erinnern, was in dieser Woche geschehen ist. Ich muß noch einmal daran erinnern, daß man sich im Ältestenrat über eine vernünftige Beratung und Verabschiedung dieses Vorschaltgesetzes einig war.
Man wollte keine kontroverse Debatte, weil auch Sie der Meinung waren, daß die Betriebsräte das nächstemal nach einem neuen Gesetz gewählt werden sollten.
In der ersten Lesung kamen Sie mit Verfahrensfragen. Ich komme gleich noch darauf. Im Ausschuß entschlossen Sie sich plötzlich, nicht mehr mitzuarbeiten. Sie haben nicht etwa dagegen gestimmt, sondern gesagt: Wir sind zwar im Ausschuß anwesend, aber nicht da bei der Abstimmung. So sah es im Ausschuß aus.Dann kam gestern noch eine Erklärung von Ihnen — zumindest wurde es mir so berichtet; es mag korrigiert werden, wenn es nicht so ist —, daß wir heute hier die zweite und dritte Lesung in einer guten Atmosphäre verabschieden und Sie sich der Stimme enthalten würden.
Plötzlich heißt es heute früh — und das ist diese Eskalation —: „Nun aber feste druff!" — Na, gut und schön, „feste druff", wenn es sein muß, obwohl es von der Sache her sicherlich wesentlich besser wäre,
wenn wir in dieser Frage zu der übereinstimmenden Auffassung kämen, daß das alte Gesetz nicht mehr für die nächste Wahlperiode der Betriebsräte geeignet ist und daß wir dafür ein neues Gesetz brauchen.
Herr Kollege Müller, Sie haben auf den Entwurf der Sozialdemokraten in der letzten Legislaturperiode hingewiesen, nicht jedoch darauf, daß auch wir Freien Demokraten in der letzten Legislaturperiode einen Entwurf vorgelegt haben und daß damit die Ausgangsbasis für einen gemeinsamen Entwurf, wie er in der Regierungserklärung angekündigt ist, bereits vorlag. Bei Ihnen dagegen liegt noch keine Ausgangsbasis für einen Entwurf vor, der von diesem bis zu jenem Flügel Ihrer Fraktion auf eine Mehrheit rechnen kann. Sie haben alsovergessen, daß die Ausgangsbasis bei uns bereits vor einem Jahr gegeben war, und Sie haben auch verkannt, daß es bei gutem Willen — und ich hatte bisher den Eindruck, daß auch die CDU/CSU den guten Willen hat, ein neues Gesetz gemeinsam mit uns zu verabschieden — durchaus möglich ist, in einer rund neunmonatigen Beratung, zu der wir dann Zeit haben, wenn der Gesetzentwurf Ende dieses Jahres auf dem Tisch des Hauses liegt, das neue Betriebsverfassungsgesetz so zu beraten, daß es rechtzeitig vor dem um ein Jahr verlegten Wahltermin in Kraft treten kann.
Es wird hier immer wieder von Zugzwang gesprochen. Wir haben aus der Zeit, in der wir in Opposition standen, Erfahrungen darüber gesammelt, welchen Zugzwang es bei Ihnen manchmal gegeben hat, z. B. beim Finanzänderungsgesetz 1967, wo wir in 14 Tagen die Finanzverfassung und die 'Renten- und Sozialversicherungen zur Hälfte geändert haben. Da haben Sie nicht gesagt: Das geht nicht in 14 Tagen! Jetzt behaupten Sie, das gehe selbst bei gutem Willen nicht in 9 Monaten! So viel Zeit haben wir ja, Herr Kollege, wenn wir heute die Wahlperiode der Betriebsräte verlängern, es sei denn, Sie kämen mit Ihren Vorstellungen nicht bis zum Januar oder Februar, wie Sie sagen, klar und wollten die Dinge so lange immer wieder hinausschieben, bis bei Ihnen gemeinsame Vorstellungen vorhanden sind. Ob das der Fall ist, weiß ich nicht, kann ich nicht beurteilen; das wird sich in Düsseldorf zeigen.Lassen Sie mich abschließend, meine Damen und Herren, für die FDP folgendes erklären. Am Anfang der Zusammenarbeit der Sozialdemokraten mit den Freien Demokraten steht die Zusage und das in der Regierungserklärung gegebene Versprechen, in dieser Legislaturperiode ein neues Betriebsverfassungsgesetz zu verabschieden. Bereits vor Monaten haben die beiden Fraktionen erklärt, daß sie deshalb — das wissen die Gewerkschaften, und darauf sind sie eingerichtet — ein Vorschaltgesetz für richtig halten. Wir haben in diesem einen Jahr von den in der Regierungserklärung festgeschriebenen gesellschaftspolitischen Maßnahmen bereits eine ganze Reihe durchgeführt, und Sie haben sicherlich nicht erwartet, daß sie schon im ersten Jahr über die Bühne gehen würden. Ich erinnere an die Kriegsopferversorgung, an die Abschaffung des Krankenversicherungsbeitrages der Rentner, an das 624-DMark-Gesetz, an das Krankenversicherungsänderungsgesetz. All diese Dinge wurden ebenso wie eine Novelle des Betriebsverfassungsgesetzes in der Regierungserklärung expressis verbis angekündigt. Wir sind der Auffassung — und wir haben dazu guten Grund —, daß die Vorlage der Bundesregierung zum Betriebsverfassungsgesetz so rechtzeitig auf dem Tisch dieses Hauses liegen wird, daß wir genügend Zeit haben werden, sie zu beraten und daß wir damit in der Lage sind, die Betriebsräte und die Arbeitnehmer für die nächste Wahlperiode der Betriebsräte unter ein besseres Gesetz und damit auch unter einen besseren Schutz zu stellen als bisher.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. November 1970 4495
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Katzer.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Schmidt , Sie haben, als Sie darauf hinwiesen, welche Versprechungen die Bundesregierung schon erfüllt habe, hinzuzufügen vergessen, wie prompt vor allem das Versprechen der Steuersenkung von diesem Hohen Haus erfüllt worden ist.
Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, zur Sache nur drei kurze Bemerkungen machen.
— Ich freue mich übet Ihre Aufgeschlossenheit heute morgen.
Die erste Bemerkung ist folgende. Herr Kollege Schellenberg hatte die Freundlichkeit, darauf hinzuweisen, daß ich vor einem Jahr in der Aussprache über die Regierungserklärung gesagt habe, ich nähme an, daß in der Frage der Betriebsverfassung die Auffassungen der FDP und der SPD einander so diametralgegenüberständen, daß man nicht so schnell zu einer Einigung kommen werde. Ich bin absolut bestätigt worden. Denn nach einem Jahr— und das ist das Faktum, über das wir reden — hat diese Regierung es nicht fertiggebracht, uns einen Entwurf vorzulegen, über den wir beraten können. Das ist der eine Punkt.
— Diese Denkpause war sehr vernünftig, denn dieses Jahr Denkpause hat dazu geführt, daß wir drei Jahre danach die meisten Sozialgesetze einer Legislaturperiode verabschiedet haben, seit dieser Deutsche Bundestag überhaupt besteht. Das war das Ergebnis dieses Nachdenkens, verehrte Damen und Herren.
Das Zweite. Wir hätten uns im Ausschuß und auch heute noch, Herr Kollege Schellenberg, eine andere Haltung vorstellen können, wenn wir davon hätten ausgehen können, daß das Bundeskabinett gestern diesen Gesetzentwurf verabschiedet hätte und nicht — wenn das stimmt, was uns berichtet wurde — die Verabschiedung zum drittenmal verschoben hätte. Wir haben gehört, daß ein Koalitionsgespräch vorgestern nicht zum Ergebnis führte.
— Aber natürlich!
— Entschuldigen Sie, Herr Wehner, das müssen Sie doch mir überlassen, was ich als Begründung ansehe.
— Es ist Tatsache, daß Sie nicht in der Lage waren, einen Gesetzentwurf vorzulegen.
— Wo ist er denn?
— Entschuldigen Sie höflichst, wo ist Ihr Gesetzentwurf?
— Ach! Ich habe den ganzen Morgen Zeit, wir können den ganzen Morgen darüber reden.
— Meinen Gesetzentwurf haben Sie abgeschrieben, und CDU und SPD haben dann gleichlautende Entwürfe eingebracht. Das war der Punkt. Das können Sie genau nachlesen.
— Ich sehe, daß wir uns heute morgen sehr gut verstehen.
— Da unterscheiden wir uns in der Tat: Bei Ihnen scheint nur noch Blöße übriggeblieben zu sein, auf diesem Gebiet jedenfalls. Den Eindruck habe ich sehr stark, Herr Kollege Wehner. Nur noch Blöße!
— Ich verstehe ja, daß Sie sehr nervös sind.
— Aber natürlich! Nach den Versprechungen, die Sie im Wahlkampf gemacht haben, müssen Sie doch heute hier einen Offenbarungseid ablegen.
Meine Damen und Herren, ich möchte eine dritte und letzte Bemerkung machen. Herr Kollege Schmidt , wenn Sie die Güte hätten, einmal eine Sekunde zuzuhören!
Herr Kollege Schmidt , es ist doch absolut vom Timing her nicht so, wie Sie sagen, daß wir neun Monate Zeit haben würden, zu beraten. Bis heute liegt der Entwurf nicht vor. Wann wir ihn bekommen, weiß ich nicht. Vielleicht hat diese Debatte dazu beigetragen, daß er etwas schneller auf den Tisch kommt. Das wäre dann in dieser Frage in der Tat ein Verdienst der Opposition.
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KatzerHerr Kollege Schmidt , Sie sagten, Ende des Jahres werde der Entwurf vorliegen. Das heißt, daß wir frühestens Mitte Januar die erste Lesung durchführen können. Das würde bedeuten, daß wir bis zur Sommerpause nur vier Monate Zeit zur Beratung hätten. Sie müssen aber doch bei einem solchen Gesetz den Betriebsräten und der Praxis Zeit zur Einübung geben. Ein solches Gesetz kann nicht heute verabschiedet und morgen praktiziert werden.
Es muß eine entsprechende Zeit zwischen der Verabschiedung und dem Inkrafttreten liegen.Deshalb ist die Vorstellung, die hier vorgetragen worden ist, absolut irrig. Ich bedauere sehr, daß wir in dieser Frage kontrovers bleiben müssen. Ich sage sehr nachdrücklich, ich hielte es für schlecht — Sie sollten sich das sehr gut überlegen —, wenn wir ein solches Gesetz im Parlament unter Zeitdruck verabschieden müßten, wenn das Parlament für die Beratung nur die Hälfte der Zeit hätte, die die Bundesregierung sich bisher für die Beratung genommen hat.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung Arendt.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung hat in der Regierungserklärung am 28. Oktober 1969 angekündigt, daß auf der Grundlage der in der letzten Legislaturperiode eingebrachten Gesetzentwürfe eine Neufassung des Betriebsverfassungsbereiches erfolgen würde. Diese Absicht der Bundesregierung ist in der Vergangenheit mehrfach präzisiert und bestätigt worden. Wenn der Entwurf — —
— Natürlich! Sie haben ihn doch in den Sozialpolitischen Kommentaren beziehen können. Das hätten Sie doch mal machen können; dann wüßten Sie schon viel mehr darüber.
— Nein, nein, das ist er nicht, Herr Katzer.
Wenn in dieser Koalition noch einige Punkte erörtert werden, so ist das nicht nur in Koalitionen so üblich — das wissen Sie, meine Damen und Herren von der Opposition ganz genau —, sondern es wird damit auch zum Ausdruck gebracht, daß mit der Neuordnung dieses Bereichs die schon beim Inkrafttreten des Betriebsverfassungsgesetzes von 1952 mit der Praxis nicht in Übereinstimmung zu bringenden Tatbestände geregelt und Unzulänglichkeiten beseitigt werden sollen. Ich glaube, Sie sollten sich beidem hohen gesellschaftspolitischen Stellenwert dieser Neufassung des Betriebsverfassungsgesetzes nicht an einer Woche oder an 14 Tagen stoßen.
— Nein, nein, meine Damen und Herren. Es geht um eine ganz einfache Frage; Herr Russe, das wissen Sie oder müßten Sie aus der Praxis wissen.
Es geht um eine ganz einfache Frage. Wer eine Reform des Betriebsverfassungsgesetzes will, der muß dem Vorschaltgesetz zustimmen.
Damit wird die Reform eröffnet.
— Ja, natürlich.
Wer diesem Vorschaltgesetz nicht zustimmt, der macht deutlich, daß er dieses große Reformvorhaben in der Schwebe halten will.
Dieses Vorschaltgesetz der Regierungsfraktionen ist ein Ausdruck des politischen Willens der Koalitionspartner,
dieses Betriebsverfassungsgesetz im Interesse der Arbeitnehmer, im Interesse der gewerkschaftlichen Organisationen und im Interesse der deutschen Wirtschaft so zügig zu behandeln, daß im nächsten Jahr — —
— Herr Russe, sollen wir beide uns über Mitbestimmung unterhalten? — Das würde ich an Ihrer Stelle lieber nicht tun.
— Wo, in den CDU-Sozialausschüssen oder in der Fraktion?
Meine Damen und Herren, wir sind entschlossen, diesen wichtigen gesellschaftspolitischen Bereich in die Reihe und in Ordnung zu bringen, und wir hoffen dabei sogar auf die Mitarbeit der Opposition.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. November 1970 4497
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache in der dritten Beratung.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Gesetz in dritter Beratung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! —
Stimmenthaltungen? — Das Gesetz ist in dritter Lesung angenommen.
Meine Damen und Herren, wir sind damit am Ende unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages für Mittwoch, den 2. Dezember 1970, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.