Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Wir treten in die Fragestunde — Drucksache VI/ 1386 —
ein. Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Staatssekretär Ahlers zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 102 des Herrn Abgeordneten Hussing auf:
Inwieweit ist die Meinung der Staatsanwaltschaft beim Oberlandesgericht München, wonach Gastarbeiter nicht als „Teil der Bevölkerung" anzusehen sind, für die Bundesregierung Anlaß, in Publikationen und Anzeigen eine vermehrte Annahme der Gastarbeiter in sozialer und kultureller Hinsicht durch die Bundesbürger voranzutreiben und ihre Unentbehrlichkeit deutlich zu machen?
Der Herr Abgeordnete ist im Saal. Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, Herr Abgeordneter, wegen des sachlichen Zusammenhangs der beiden Fragen 102 und 103 möchte ich sie gemeinsam beantworten.
Dann rufe ich zusätzlich die Frage 103 des Herrn Abgeordneten Hussing auf:
Welche Geld- und Werbemittel haben die Bundesregierung und Bundesanstalten bisher aufgewandt und eingesetzt, um die Gastarbeiter positiv ins Bewußtsein der Bundesbürger zu bringen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Eingliederung der Gastarbeiter in das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben der Bundesrepublik und die Förderung des Verständnisses der Bürger für die ausländischen Arbeitnehmer sind ein ernstes Anliegen der Bundesregierung. Dieses Anliegen ist nicht davon abhängig, wie im Einzelfall Organe der Strafrechtspflege den § 130 StGB auslegen, der unter bestimmten Voraussetzungen u. a. das Aufstacheln „zum Haß gegen Teile der Bevölkerung" ahndet. In Ihrer Anfrage, Herr Abgeordneter, verweisen Sie auf eine Meinung der Staatsanwaltschaft in München. Es handelt sich, wie meine Erkundigungen ergeben haben, um die Beantwortung einer Dienstaufsichtsbeschwerde, in der als Hilfserwägung bemerkt wurde, es sei zweifelhaft — und jetzt zitiere ich wörtlich —, „ob Gruppen von Gastarbeitern, die sich letztlich nur vorübergehend in Deutschland aufhalten, als ,Teil der Bevölkerung', nämlich als inländisches Staatsvolk angesehen werden können". Es ging um die Einstellung eines Verfahrens, weil die Staatsanwaltschaft die wesentlichen Voraussetzungen des Tatbestandes der Volksverhetzung — Aufstachelung zum Haß, Aufforderung zu Gewaltoder Willkürmaßnahmen, Beschimpfung, böswillige Verächtlichmachung oder Verleumdung — nicht als gegeben angesehen hatte.Ich möchte aber in diesem Zusammenhang auf eine andere richterliche Entscheidung hinweisen, die dieser Meinung der Münchener Staatsanwaltschaft gegenübersteht. Das Oberlandesgericht Celle hat in einer Revisionsentscheidung vom Juli dieses Jahres eindeutig die Auffassung vertreten, die in Deutschland lebenden spanischen Gastarbeiter seien als Teil der inländischen Bevölkerung, die den Rechtsschutz des § 130 genieße, anzusehen. Eine höchstrichterliche Entscheidung in dieser Frage gibt es noch nicht.Die Bundesregierung ist — um nun zum Kern Ihrer Frage zu kommen — der Auffassung, daß alle Maßnahmen, die zur raschen und reibungslosen Eingliederung und zur Betreuung der ausländischen Arbeitnehmer von staatlicher Seite und von anderen Stellen getroffen werden, die beste Grundlage für ein gutes Verhältnis zwischen Bundesbürgern und Gastarbeitern sind. Der Gastarbeiter, der sich in der Bundesrepublik wohlfühlt und seinem Gastland aufgeschlossen gegenübersteht, wird auch als Arbeitskollege und Nachbar Kontakt zu seinen deutschen Mitbürgern und deren Verständnis finden.Im einzelnen möchte ich folgendes sagen.Erstens. Für die Betreuung der ausländischen Arbeitnehmer stehen in diesem Jahre dem Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung 6,7 Millionen DM und der Bundesanstalt für Arbeit 2,8 Millionen DM zur Verfügung. Für 1971 hat der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung rund 11 Millionen DM angefordert. Im Betrag des Jahres 1971 stehen 560 000 DM für publizistische Maßnahmen, und zwar vorwiegend für Gastarbeiterzeitungen, zur
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4458 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. November 1970
Staatssekretär AhlersVerfügung. Für 1971 wird eine Erhöhung des Ansatzes zu diesem Zweck auf 800 000 DM angestrebt, wobei allerdings noch zu klären ist, wie dieses Geld am besten zu dem gewünschten Zweck verwendet werden kann. Die Gastarbeiterzeitungen — das möchte ich in diesem Zusammenhang sagen — haben sich nicht voll bewährt.Zweitens. In dem Sozialbericht 1970, der im Volltext veröffentlicht und auch in ausgewerteter Form der Öffentlichkeit bekanntgemacht worden ist, hat die Bundesregierung auf die Belastungen hingewiesen, „die sich für die ausländischen Arbeitnehmer in einer ihnen fremden Umwelt und Arbeitsweise, oft genug bei Trennung von der Familie, ergeben". In dem Bericht fährt die Bundesregierung dann fort:Um so wichtiger erscheinen ihr die Verpflichtungen, die unsere Wirtschaft und Gesellschaft damit eingehen. Volle Eingliederung ins Arbeitsleben ohne Aufgabe der nationalen Eigenart, soziale Sicherung und andere Dienstleistungen einschließlich der Weiterbildung sind selbstverständliche Erfordernisse, von denen sich die Arbeitsmarktpolitik, insbesondere aber die Bundesanstalt für Arbeit leiten lassen müssen.Ferner hat die Bundesregierung betont, daß die Wohnungsversorgung der Gastarbeiter noch erhebliche Anstrengungen sowie Mithilfe und Verständnis der Öffentlichkeit erfordert.Drittens. Die Medien der öffentlichen Meinung behandeln die Probleme der Ausländerbeschäftigung durchweg aufmerksam und verantwortungsbewußt. Die Rundfunk- und Fernsehanstalten bieten zahlreiche Sendungen, die sich der Probleme der Gastarbeiter annehmen und die zum Teil sowohl für deutsche als auch für nichtdeutsche Hörer bzw. Zuschauer bestimmt sind.Viertens. Für das Verhältnis der Bundesbürger zu den Gastarbeitern verweise ich auf die Initiativen der Bundeszentrale für politische Bildung, die generell einen Schwerpunkt ihrer Arbeit in der Bekämpfung von Vorurteilen gegenüber Minderheiten sieht. In diesem Zusammenhang widmet sich die Bundeszentrale auch permanent den Fragen, die sich durch die Anwesenheit der Gastarbeiter in der Bundesrepublik stellen. Schon 1966 erschien ein Magazin unter dem Titel „Fremde, Gäste, Freunde", das sich mit diesem Thema beschäftigte. Im Tagungsbereich werden viele überregionale Veranstaltungen gefördert, in deren Rahmen die gesellschaftlichen Bedingungen der ausländischen Arbeitnehmer eine zentrale Stellung einnehmen. Das Fernsehreferat der Bundeszentrale steht in ständigem Gespräch mit den Fernsehanstalten, um geeignete Produktionen für den nichtgewerblichen Einsatz zu erhalten.Die Arbeitsgruppe „Pädagogik" der Bundeszentrale behandelt das Thema in ihren „Informationen zur politischen Bildung" und beabsichtigt, sich auch demnächst in einer Broschüre dieser Fragen noch einmal anzunehmen.Das Thema „Gastarbeiter" war auch Gegenstand der diesjährigen Tagung der Bundeszentrale mit den Landeszentralen, wobei die Frage der Unterrichtung der deutschen Bevölkerung im Vordergrund stand. Ein Großteil der Informationsmaßnahmen dieser Art ist ländergebunden. So unterhält z. B. die Landeszentrale in Düsseldorf ein Referat, das sich speziell mit dieser Thematik befaßt.Im übrigen möchte ich darauf hinweisen, daß bei einer Befragung im Januar/Februar dieses Jahres von über 1500 Gastarbeitern verschiedener Staatsangehörigkeit festgestellt werden konnte, daß über 70 v. H. ihre eigene Situation in Deutschland als gut und sehr gut bewerten; 95% sind mit ihrem Arbeitsplatz zufrieden, 50 % bezeichnen sich als deutschfreundlich und 17 % sogar als besonders deutschfreundlich.
Herr Staatssekretär, die Richtlinien der Fragestunde sehen eine kurze Beantwortung vor. Aber im Hinblick auf die öffentliche Beunruhigung, die die Meldungen aus München hervorgerufen hatten, liegt es, glaube ich, im wohlverstandenen Interesse der deutschen Öffentlichkeit, daß Sie die Fragen etwas ausführlicher beantwortet haben.
Eine Zusatzfrage des Herrn Kollegen Hussing.
Herr Staatssekretär, können Sie mir konkret beantworten — auch im Sinn meiner Frage 102 —, in welcher Weise, in welchem Umfang, mit wieviel Publikationen und Anzeigen die Bundesregierung und vielleicht auch Ihr Amt tätig geworden ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, die Länge meiner Antwort, die sicher nicht ganz korrekt war, ergab sich daraus, daß die Bereiche des Arbeitsministeriums, des Innenministeriums und unseres Amtes angesprochen waren. Ich muß gestehen, daß das Bundespresseamt selber dem Thema der Aufklärung unserer Bevölkerung, ihrem Verhältnis und ihrer Einstellung zu den Gastarbeitern noch keine große Aufmerksamkeit gewidmet hat, jedenfalls nicht im vergangenen Jahr. Das war, von uns aus gesehen, eine Angelegenheit der Bundeszentrale für politische Bildung. Aber ich bin mit dem Bundesministerium für Arbeit übereingekommen, daß wir im Zuge der Überprüfung der informatorischen Betreuung der Gastarbeiter dieses Problem gemeinsam behandeln wollen.
Eine zweite Zusatzfrage.
Darf ich feststellen, Herr Staatssekretär, daß die Bundesregierung und auch Ihr Haus 1970 in keiner einzigen Publikation, in keiner einzigen Anzeige im Sinne meiner Fragestellung tätig geworden sind?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das ist sicher richtig. Nur würde ich meinen, daß eine Anzeige für diesen begrenzten Zweck wohl kaum das sinnvolle Medium wäre.
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Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Fuchs.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir zustimmen, daß die Bundeszentrale für politische Bildung in diesem Fall doch überfordert ist, weil sie nicht die notwendige Breitenwirkung erreichen kann, die für dieses Problem notwendig ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, nur teilweise. Wenn man zu der Auffassung kommen sollte, daß eine richtige Werbeaktion etwa im Sinne einer Anzeige zweckmäßig ist, würde ich Ihnen zustimmen. Wenn man aber auf das Problem einer intensiven Einwirkung auf bestimmte Leitgruppen der Bevölkerung abstellen wollte, wäre die Bundeszentrale für politische Bildung mit ihrem landesmäßigen Unterbau sicher besser geeignet, weil die Bundesregierung, vor allem das Bundespresseamt, einen solchen Unterbau in den Ländern überhaupt nicht hat und auch keine Institutionen, in denen sie derartige Veranstaltungen durchführen könnte.
Eine letzte Zusatzfrage des Abgeordneten Schmidt .
Herr Staatssekretär, Ihren sehr interessanten Ausführungen war unter anderem zu entnehmen, daß ein geringer Prozentsatz der hier in der Bundesrepublik beschäftigten Gastarbeiter noch nicht die richtige Einstellung zur Bundesrepublik gefunden hat. Wie gedenken Sie dieses Problem zu lösen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, das ist das komplementäre Problem. Ich sagte soeben schon, daß wir mit den Möglichkeiten, die wir durch die Gastarbeiterzeitungen, die wir finanzieren, bisher haben, nicht voll zufrieden sind. Wir haben aber sehr gute Ergebnisse in unserer Zusammenarbeit mit den Rundfunkanstalten, die sich gerade hier besonders positiv hervorgetan haben. Das Bundesministerium für Arbeit und wir, auch zusammen mit dem DGB, sind gerade dabei, zu prüfen, wie wir am besten das uns im nächsten Haushaltsjahr zur Verfügung stehende Geld verwenden können — vermutlich unter Einschränkung der Gastarbeiterzeitungen —, um diese Frage der Gastarbeiter, die sich bei uns entweder nicht wohlfühlen oder uns gegenüber noch eine gewisse Fremdheit behalten haben, anzugehen.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Ich rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Finanzen auf. Für die Beantwortung steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. Reischl zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 27 des Herrn Abgeordneten von Bockelberg auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Berichtigungen von Umsatzsteuerbescheiden im Anschluß an Betriebsprüfungen etc., die durch unrichtige Steuerberechnung und unrichtigen Steuerausweis in Rechnungen eines Unternehmers an andere Unternehmer bedingt sind, erhebliche Mehrarbeit verursachen, ohne daß bei kongruentem Vorsteuerabzug ein steuerliches Ergebnis erzielt wird?
Herr Staatssekretär!
Der Bundesregierung ist bekannt, daß die Berichtigung von Umsatzsteuerbescheiden, die wegen eines zu niedrigen Steuerausweises in den Rechnungen eines Unternehmers an andere Unternehmer im Anschluß an Betriebsprüfungen durchgeführt wird, Arbeitsaufwand verursacht, der sich letztlich häufig nicht in einem höheren Umsatzsteueraufkommen niederschlägt.
Ein Verzicht auf die Durchführung einer Berichtigungsveranlagung in diesen Fällen ist nach den in Betracht kommenden gesetzlichen Vorschriften jedoch nicht möglich. Es wäre aber auch nicht zweckmäßig.
Schon aus grundsätzlichen Erwägungen sollte die jetzige Regelung beibehalten werden. Es entspricht nicht den bewährten Grundsätzen des deutschen Steuerrechts, die Erhebung einer Steuer von den Verhältnissen eines Dritten abhängig zu machen. Darüber hinaus brächte ein Verzicht auf eine Berichtigung der Veranlagung keine Arbeitsentlastung. Er könnte nur auf die Fälle beschränkt werden, in denen der Rechnungsempfänger ein zum vollen . Vorsteuerabzug berechtigter Unternehmer ist. Diese Voraussetzung müßte also bei den betroffenen Rechnungsempfängern jeweils vor Durchführung bzw. Nichtdurchführung der Berichtigungsveranlagung besonders geprüft werden. Ein erheblicher und bei der jetzigen Personallage unzumutbarer Arbeitsmehraufwand bei der Verwaltung wäre die Folge.
Keine Zusatzfrage.
Der Herr Abgeordnete Alber hat gebeten, seine Fragen schriftlich zu beantworten. Dem wird entsprochen. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 30 des Herrn Abgeordneten Dr. Ahrens auf:
Trifft es zu, daß die durch die Gemeindefinanzreform erfolgte Vergrößerung der Gemeindefinanzmasse bereits im laufenden Jahr durch strukturelle Belastungen der Gemeindehaushalte, insbesondere durch Steigerung der Personalausgaben und Preissteigerungen, bei den Investitionen voll aufgezehrt worden ist?
Ich wäre dankbar, wenn ich beide Fragen im Zusammenhang beantworten dürfte.
Der Fragesteller ist einverstanden. Dann rufe ich
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Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausenauch die Frage 31 des Abgeordneten Dr. Ahrens auf:Welche Konsequenzen gedenkt die Bundesregierung aus einer solchen bei Verabschiedung der Gemeindefinanzreform kaum zu erwartenden Entwicklung zu ziehen?Herr Staatssekretär!
Die Gemeindefinanzreform hat zu einer Verstärkung der Gemeindefinanzen geführt, die erheblich über die Beträge hinausgeht, mit denen man bei Verabschiedung des Gesetzes gerechnet hatte. Während z. B. damals für 1970 mit Mehreinnahmen von rund 1,4 Milliarden DM gerechnet wurde, beträgt die nunmehr zu erwartende Verstärkung für 1970 rund 2,6 Milliarden DM und steigt bis 1974 auf 4 Milliarden DM an.
Es ist richtig, daß die Gemeindehaushalte durch Erhöhung der Personalausgaben und durch Preissteigerungen belastet sind. Die Mehrbelastungen werden 1970 etwa die gleiche Größenordnung erreichen wie die Verstärkung der Gemeindefinanzmasse durch die Gemeindefinanzreform für dieses Jahr. Zu ihrer Finanzierung stehen den Gemeinden jedoch außerdem erhebliche Mehreinnahmen aus dem Wachstum der Steuern, aus Zuweisungen und sonstigen laufenden Einnahmen zur Verfügung. Es kann daher nicht die Rechnung aufgemacht werden, daß die Verstärkung der Gemeindefinanzen im Rahmen der Gemeindefinanzreform durch die Mehrbelastungen aufgebraucht ist.
Nach den Schätzungen des Finanzplanungsrates können die Gesamtausgaben der Gemeinden 1970 bei einer vertretbaren Nettoschuldenaufnahme von 2,3 Milliarden DM gegenüber dem Vorjahr um etwa 10 v. H. und die Aufwendungen für Sachinvestitionen um 15 v. H. erhöht werden. Eine weitere Stärkung der gemeindlichen Investitionskraft durch Erhöhung des Gemeindeanteils am Gesamtsteueraufkommen zu Lasten von Bund und Ländern erscheint angesichts der Haushaltsbelastungen von Bund und Ländern zur Zeit nicht möglich.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, werden die Mehrbelastungen, die Sie soeben skizziert haben, auch von der Steuerreformkommission und vor allem von der Unterkommission „Gemeindesteuern" zugrunde gelegt, insbesondere bei der Frage der Behandlung der eigenen Steuerquellen der Gemeinden, namentlich der Gewerbesteuer?
Es ist ganz selbstverständlich, daß die Ergebnisse von der Steuerreformkommission zugrunde gelegt werden müssen.
Ich rufe die Frage 32 des Abgeordneten Dr. Gruhl auf. — Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 33 des Abgeordneten Biechele auf. — Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 34 des Abgeordneten Schröder auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Grundsteuer A für die landwirtschaftlichen Betriebe in Gebieten mit hohen Einheitswerten und hohen Hebesätzen eine echte Wettbewerbsverzerrung gegenüber ähnlich gelagerten Betrieben des EWG-Raumes ist?
Ich darf bitten, auch diese beiden Fragen im Zusammenhang zu beantworten.
Der Fragesteller ist einverstanden. Dann rufe ich auch die Frage 35 des Abgeordneten Schröder auf:
Ist die Bundesregierung bereit, diese Wettbewerbsverzerrung so schnell wie möglich, spätestens jedoch im Zuge der geplanten Steuerreform, zu beseitigen und die Einnahmeausfälle der Gemeinden durch eine entsprechende Änderung des Gemeindefinanzreformgesetzes auszugleichen?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Die Höhe der Hebesätze der Grundsteuer wird von den Gemeinden entsprechend ihrem Finanzbedarf bestimmt. In den Agrargemeinden sind deshalb die Hebesätze der Grundsteuer A häufig höher als in anderen Gemeinden.Eine Wechselbeziehung zwischen der Höhe der Einheitswerte und der Höhe der Hebesätze besteht jedoch auch im Bereich der Landwirtschaft nicht. Hohe Einheitswerte können mit niedrigen Hebesätzen, niedrige Einheitswerte mit hohen Hebesätzen zusammentreffen.Bei der Hauptfeststellung der Einheitswerte der Betriebe der Land- und Forstwirtschaft auf den 1. Januar 1964 werden die in den Gemeinden unterschiedlichen Hebesätze bei der Ermittlung der Einheitswerte für die einzelnen Betriebe durch Korrekturen neutralisiert. Im Bereich der Landwirtschaft macht die Grundsteuer zwar einen erheblichen Anteil an den Betriebssteuern aus. Die steuerliche Gesamtbelastung ist jedoch geringfügig, gemessen sowohl am Aufwand als auch an den Verkaufserlösen. Unter diesen Umständen können von der grundsteuerlichen Belastung kaum ins Gewicht fallende Wirkungen auf die Wettbewerbslage der Landwirtschaft ausgehen.Die Frage einer etwaigen Wettbewerbsverzerrung durch die unterschiedliche Steuerbelastung der Landwirtschaft läßt sich im übrigen nicht isoliert für die Grundsteuer allein beantworten. Sie muß vielmehr in Zusammenhang mit der steuerlichen Gesamtbelastung der Landwirtschaft gesehen werden.Im übrigen ist die Landwirtschaft auch in den anderen EWG-Ländern, insbesondere in Frankreich,
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. November 1970 4461
Parlamentarischer Staatssekretär Dr. ReischlItalien und in den Niederlanden, in irgendeiner Form mit Grundsteuern oder ähnlichen Realsteuern belastet. Diese Steuern sind zwar anders ausgestaltet und entsprechen im einzelnen hinsichtlich der Steuerobjekte, der Bemessungsgrundlagen und der Steuersätze bzw. der Steuermeßzahlen und der Hebesätze nicht absolut der deutschen Grundsteuer A. Im Ergebnis sind sie jedoch als vergleichbare Steuerbelastungen anzusehen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen wirklich nicht bekannt, daß insbesondere in den Marschen, in den Gebieten mit hohen Einheitswerten Grundsteuerbelastungen von 50 bis 60 DM je ha vorkommen und daß dadurch gegenüber den holländischen Nachbarn eine echte Wettbewerbsverzerrung aufgetreten ist, die man praktisch so ausdrücken kann, daß der deutsche Bauer erst einmal 3 Zentner Weizen vorweg produzieren muß, bevor er überhaupt anfängt, mit dem holländischen Nachbarn zu konkurrieren?
Diese Tatsache ist mir nicht bekannt. Ich will es aber gern überprüfen lassen, um für das ganze Bundesgebiet einen genauen Überblick zu bekommen.
1, Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß eine sozialdemokratisch angeführte Regierung vor allem auch die soziale Ungerechtigkeit beseitigen müßte, die sogar auch innerhalb der deutschen Landwirtschaft durch die unterschiedlichen Belastungen immer wieder auftritt, und daß darüber hinaus Ihr Koalitionspartner, der sich so nachdrücklich für die Beseitigung der Wettbewerbsverzerrungen eingesetzt hat, ...
Herr Kollege, darf ich Sie einmal unterbrechen. Die Fragen und Zusatzfragen müssen kurz sein.
Ja, ich hatte gleich zwei Fragezeichen hintereinander. Ich darf den Satz zu Ende bringen: ... sich nun auch nachdrücklich für die Beseitigung der Grundsteuer A einsetzen sollte?
Herr Kollege, zunächst darf ich mich mal für den Blumenstrauß bedanken, den Sie unserer Regierung damit überreichen, jedenfalls hinsichtlich ihrer Absichten.
Zu der Frage einer möglichen Beseitigung darf ich sagen, daß das doch wohl kaum in Frage kommen kann. Die Steuerreformkommission prüft augenblicklich eine Neugestaltung der Grundsteuer. Was sie im einzelnen dazu vorschlagen wird, läßt sich im Augenblick noch gar nicht übersehen. Sobald das Gutachten im Februar vorliegt — die Grundsteuer gehört zu dem ersten Teil des Reformvorhabens —, werden wir das überprüfen und natürlich auch in Rechnung stellen, welche Wettbewerbsverzerrungen möglicherweise durch die Gestaltung der Steuer entstehen könnten. Es besteht Einigkeit darüber, daß das Grundsteuergesetz als solches grundlegend reformiert werden muß. Aber im Augenblick hat die Bundesregierung gar keine Handhabe, die Unterschiede auszugleichen, die durch die verschiedenen Hebesätze, die von den Gemeinden autonom festgesetzt sind, entstehen.
Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege.
Dann möchte ich nur noch fragen, ob der Bundesregierung bekannt ist, daß jetzt auch der Deutsche Bauernverband die Beseitigung der Grundsteuer A als ein Mittel zur Kostensenkung nachdrücklich gefordert hat.
Das ist mir bekannt, aber das kann alles erst im Rahmen der Steuerreform geprüft werden.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Ott.
Herr Staatssekretär, hält die Bundesregierung noch an dem fest, was sie schon in der Beantwortung einer Kleinen Anfrage mitgeteilt hat, daß nämlich im Zuge der Inkraftsetzung der neuen Einheitswerte für Grundstücke die Hebesätze entsprechend zu überprüfen sind, damit nicht eine etwaige Verdreifachung der Einheitswerte bei gleichbleibenden Hebesätzen zu den hier befürchteten Folgen führen wird?
Herr Kollege, daran hält die Bundesregierung selbstverständlich fest. Es handelt sich ja um einen damals einstimmig gefaßten Beschluß des Bundestages, mit dem der Bundesregierung aufgegeben worden ist, diese Frage bei der Neugestaltung der Grundsteuer zu berücksichtigen. Es ist eine Frage der Steuermeßzahlen und der Hebesätze. Beides muß im Rahmen der Grundsteuerreform mit reformiert werden.
Eine letzte Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Ahrens.
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß das Recht der Gemeinden zur Festsetzung der Hebesätze, das natürlich zu einer unterschiedlichen Belastung der landwirtschaft-
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Dr. Ahrenslichen Betriebe in den jeweiligen Gemeinden führen kann, ein unverzichtbarer Bestandteil der kommunalen Selbstverwaltung ist?
Diese Auffassung teile ich selbstverständlich. Nur würde das nicht ausschließen, daß man durch eine andere Gestaltung der Meßzahlen und durch Rahmenvorschriften für die Hebesätze, natürlich ohne Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung, einen Ausgleich dafür schaffen kann, daß um der Gerechtigkeit willen die Einheitswerte erhöht werden müssen.
Herr Abgeordneter Biechele, Sie haben den Aufruf Ihrer Frage nur um wenige Sekunden verpaßt. Aber ich habe leider nach den Bestimmungen über die Fragestunde keine Möglichkeit, sie noch einmal aufzurufen.
Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen beantwortet. Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Rosenthal zur Verfügung. Die beiden ersten Fragen werden von dem Abgeordneten Dr. Enders gestellt. — Der Herr Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Wir kommen zur Frage 38 des Abgeordneten van Delden:
War sich die Bundesregierung bei der Zustimmung zu dem von der Europäischen Gemeinschaft hinsichtlich der Zollpräferenzen ausgesprochenen Verzicht auf jegliche textile Ausnahme bewußt, daß ein Teil der dadurch bevorzugten Länder bei Textil und Bekleidung zu den größten, konkurrenzfähigen und billigsten Lieferanten des textilen Weltmarktes gehören, die keine Zollpräferenz benötigen?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege, die Fragen, die Sie stellen und die Fragen Ihrer Kollegen —
Einen Moment bitte, Herr Staatssekretär. Ich nehme an, daß Sie die beiden Fragen des Abgeordneten van Delden gemeinsam beantworten wollen.
Ja, ich möchte zunächst diese beiden Fragen gemeinsam beantworten. Ich wollte nur vorher darauf aufmerksam machen, daß die anschließenden Fragen der Kollegen Ott und Seiters dasselbe Problem betreffen, so daß wir einen Gesamtkomplex haben.
Der Fragesteller ist einverstanden. Ich rufe also ferner die Frage 39 des Abgeordneten van Delden auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß das von der EG entwickelte Zollmodell unpraktikabel ist, und ist sie bejahendenfalls bereit, darauf hinzuwirken, statt dessen einen stufenweisen Zollabbau vorzusehen?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Die Bundesregierung ist sich bewußt, daß der Verzicht auf Ausnahmen im EG-Zollpräferenzangebot für Entwicklungsländer auch Länder begünstigt, die auf einzelnen Gebieten des Textil- und Bekleidungssektors sehr wettbewerbsfähig sind. Trotzdem hält sie das von der EG entwickelte System in seiner Gesamtheit für praktikabel und angebracht, um eine ausreichende Sicherung der heimischen Industrien mit den entwicklungspolitischen Notwendigkeiten zu verbinden.
Zusatzfrage!
Nachdem weder die Euro-Europäische Kommission noch die Bundesregierung bisher die von mir an Hand einer Gegenüberstellung aufgezeigten Fehler des Dokuments 116 des Europäischen Parlaments, welches die Grundlage der Erklärung von Herrn Dahrendorf in Sachen Zollpräferenz bildet, widerlegt hat, frage ich Sie, ob Sie mir zustimmen, daß man angesichts dieser Tatsache der Kommission, aber auch dem Ministerrat als dem Kontrollorgan den Vorwurf einer leichtfertigen Handlungsweise nicht ersparen kann.
Nein, Herr Kollege van Delden, ich bin nicht dieser Ansicht.
Weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie hinsichtlich der zweiten Frage ebenso wie neulich schon Ihr Herr Minister im Wirtschaftsausschuß die Details, in denen bekanntlich der Teufel steckt, verschwiegen haben und auch das diesbezügliche — —
Herr Kollege van Delden, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie Ihre Zusatzfrage auch als Frage und nicht als Wertung stellen würden.
Darf ich Sie dann hinsichtlich meiner zweiten Frage, auf die Sie im Kern nicht eingegangen sind, fragen, ob Sie bereit sind, zu prüfen, ob nicht durch diesen Nullzollplafond den Umgehungsgeschäften, der Zollhinterziehung und schließlich der Korruption Vorschub geleistet wird.
Herr Kollege van Delden, ich bin durchaus bereit, auf die Teufel im
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Parlamentarischer Staatssekretär RosenthalDetail einzugehen. Die Bundesregierung ist der Ansicht, daß das Instrumentarium, das hier vorgesehen ist, tatsächlich eine beachtliche Sicherung der heimischen Industrie darstellt, und zwar erstens die Mengenplafonds mit der Berechnung nach dem Grundbetrag der Einfuhren aus den Entwicklungsländern im Jahre 1968 plus dem Zusatzbetrag von 5% der letztjährigen Einfuhren aus Drittländern — das ist die erste Sicherung für unsere heimische Industrie —, zweitens die sogenannte Pufferregelung, wonach ein einzelnes Entwicklungsland in der Regel nicht mehr als 50% der jeweiligen Gesamteinfuhren tätigen kann — auf diesem Gebiet versuchen wir durchzusetzen, daß für einzelne sensible Waren ein geringerer Prozentsatz festgesetzt wird —, drittens Einsatz der Bundesrepublik für einen angemessenen Verteilungsschlüssel innerhalb der EG für die hereinkommenden Einfuhren.
Herr Kollege, Sie haben eine weitere Zusatzfrage.
Darf ich Sie trotzdem bitten, meine zweite Frage noch einmal ernsthaft zu prüfen, ob es nicht besser ist, einen stufenweisen Zollabbau an Stelle dieses Nullzollplafonds, über den wir sicherlich im Wirtschaftsausschuß noch manchmal sprechen werden, anzuwenden.
Herr Kollege van Delden, ich will Ihnen hier nichts vormachen: hier sind wir der Ansicht, daß wir dem Instrumentarium, wie es jetzt festgelegt ist, grundsätzlich zustimmen und dabei bleiben wollen.
Herr Kollege, Sie haben eine letzte Zusatzfrage.
— Herr Kollege Seiters, wenn ich das richtig sehe, haben Sie zum gleichen Problemkreis Fragen und haben dazu vier Zusatzfragen. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie Zusatzfragen dort stellen würden.
Ich rufe die Fragen des Herrn Abgeordneten Pohlmann auf:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um den zur Zeit unzureichenden Schutz der Berufsbezeichnung des staatlich geprüften Technikers in der Bundesrepublik Deutschland zu gewährleisten?
Was hat die Bundesregierung unternommen, um im EWG- und weiteren europäischen Raum eine Anerkennung des staatlich geprüften deutschen Technikers und des damit eng verbundenen Niederlassungsrechtes in den betreffenden Ländern zu erreichen?
Bitte, Herr Staatssekretär, ich nehme an, daß auch diese Fragen im Zusammenhang beantwortet werden.
Ja, gerne.
Herr Fragesteller, Sie sind damit einverstanden?
Ja.
Der Schutz der Berufsbezeichnung ist an und für sich Sache der Länder, aber die Bundesregierung wird bei der Neuregelung der Aus- und Fortbildung laut Berufsbildungsgesetz dafür sorgen, daß die anderen Berufe, die bisher, ohne denselben Inhalt und dasselbe Niveau der Technikerausbildung zu haben, die Berufsbezeichnung „Techniker" führen, in Zukunft auch im Zusammenhang mit ihrer Berufbezeichnung — beispielsweise Fernmeldetechniker — auf das Wort „Techniker" verzichten müssen.
Zusatzfragen?
Das war erst die Antwort auf die erste Frage.
Zu der zweiten Frage sind wir der Ansicht, daß die eineinhalb Jahre für die Technikerschule genügen. Es ist bekannt, daß die Kommission für die Harmonisierung im Dienstleistungs- und Ausbildungsbereich zwei Jahre Technikerschule vorschlägt. Nachdem sich aber der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuß bereits zu unserem Standpunkt bekannt hat, sind wir verhältnismäßig hoffnungsvoll, diese von Ihnen erfragte Gleichstellung zu erreichen.
Ich rufe nunmehr die Fragen 42 und 43 des Abgeordneten Seiters auf:
War sich die Bundesregierung bewußt, daß hinsichtlich der von der EWG eingeräumten Zollpräferenzen unter den Begünstigten auch Länder sein werden, die mit dumpingartigen Praktiken den deutschen Markt zerrütten, und gedenkt sie, diese Länder oder Artikel auszuklammern?
War sich die Bundesregierung beim Verzicht auf Ausnahmen darüber im klaren, daß dieser Verzicht zur Liquidation einzelner Wirtschaftszweige führen wird, wenn keine spezielle Ausnahmeregelung mit bestimmten Lieferländern zustande kommt?
Herr Staatssekretär, ich darf an die Beantwortung der Fragen des Herrn Kollegen van Delden anknüpfen und Sie fragen, ob die Bundesregierung bei der Beurteilung der Länder, von denen wir sagen, daß sie mit dumpingartigen Methoden den deutschen Markt zerrütten, sich auf die Bemerkung beschränken will, daß diese Länder besonders wettbewerbsfähig seien.
Nein, Herr Kollege, das ist nicht der Fall. Wir werden versuchen, bei solchen Ländern, die Sie meinen, darauf zu dringen, daß der Schlüssel von 50% auf ein geringeres Maß herabgesetzt wird. Wir sind verhältnismäßig hoffnungsvoll, dies auch zu erreichen.
Eine weitere Zusatzfrage.
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4464 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. November 1970
Herr Staatssekretär, darf ich meine Frage 43 hier als Zusatzfrage stellen?
Ich sehe nicht, daß der Herr Staatssekretär die Frage 43 bereits ausdrücklich beantwortet hat. Ich frage deshalb, ob Sie Herr Staatssekretär diese Frage noch gesondert beantworten wollen.
Herr Präsident, ich hätte genau gesagt, daß diese Frage mit der Schilderung des Instrumentariums beantwortet ist. Ich will noch die zusätzliche Auskunft geben: Es sind auch jährliche Überprüfungen dieses Verfahrens möglich.
Sind Sie denn nicht meiner Meinung, daß der Verzicht auf Ausnahmen zur Liquidation bestimmter Wirtschaftszweige in der Bundesrepublik Deutschland führen müßte?
Keineswegs!
Noch eine Zusatzfrage!
,Herr Staatssekretär, sind Sie denn meiner Meinung, daß man z. B. die Lage der Textilindustrie auch unter Berücksichtigung der neuesten Konkurrenzangebote aus Staatshandelsländern sehen muß und daß man diese eindeutig manipulierten und marktzerrüttenden Warenangebote auch außerhalb des jetzt neu festgelegten Preisprüfungsverfahrens überprüfen sollte?
Herr Kollege, das ist eine völlig neue Frage. Ich würde Sie bitten, sie mir noch einmal zu stellen. Ich kann Ihnen aber schon folgende Auskunft geben: Dieses Zollpräferenzabkommen trifft nicht auf die Osthandelsländer zu. Was die andere Frage betrifft, so bin ich gern bereit, sie zu beantworten, wenn Sie sie noch einmal stellen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Fuchs.
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Befürchtung, daß die neue Zollregelung insbesondere Textil- und Bekleidungsbetriebe, die am Rande der EWG liegen und ohnehin wesentlich größere Schwierigkeiten haben, beeinträchtigt?
Herr Kollege Fuchs, mir ist klar, daß es um diese Industriezweige in Deutschland geht. Aber ich bin der Ansicht, daß wir gerade diese Industriezweige im Auge gehabt haben, als wir das Instrumentarium zusammenstellten. Bei den weiteren Bemühungen, die wir in den Brüsseler Ausschüssen unternehmen werden, werden wir darauf achten, insbesondere eine Konzentration dieser Einfuhren einseitig auf Deutschland zu vermeiden; denn das ist ja die große Gefahr für diese Industrie.
Ich rufe die Fragen 44 und 45 des Abgeordneten Ott auf:
Ist der Bundesregierung bei der Zustimmung zu der letztes Fassung der Erklärung der EWG in Sachen Zollpräferenzen bekannt gewesen, daß praktisch alle anderen großen Industrienationen für die meisten Textil- und Bekleidungspositionen keine Präferenz gewähren, jedoch als einzige die EWG?
Warum hat die Bundesregierung unter diesen Umständen auch für den Textil- und Bekleidungsbereich dem Verzicht auf die Ausnahmen zugestimmt und damit die EG-Textilindustrie einseitig im Vergleich zu derjenigen der anderen Industriestaaten schlechter gestellt, obwohl in allen OECD-Erklärungen als Ziel und Bedingung proklamiert wurde, daß alle Industriestaaten gleiche Lasten übernehmen?
Die Antwort auf die Frage 45 lautet: Ja. Dabei möchte ich darauf hinweisen, daß im Falle Japan zumindest eine 50%ige Zollermäßigung gewährt wird.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Ott.
Herr Staatssekretär, da Sie vorhin bei der Beantwortung der Frage meines Kollegen van Delden erklärt haben, daß die Entwicklungsländer eine Gelegenheit haben sollten, zu uns zu exportieren, frage ich Sie: Weshalb sind dann andere Industrienationen — wie die Vereinigten Staaten, Großbritannien, Japan, Skandinavien, Österreich und die Schweiz — nicht dazu übergegangen, in einem solchen Ausmaß Zollpräferenzen einzuführen wie die Bundesrepublik, wobei bei uns das Schwergewicht der Einfuhren in der EWG liegt?
Herr Kollege Ott, wir müssen diese Frage global betrachten. Global gesehen sind die Angebote, die ,die OECD-Länder den Entwicklungsländern gemacht haben, untereinander gleichwertig. Wir sind etwas nachgiebiger auf der einen Seite und dafür auch etwas härter auf der anderen Seite. Wir wollen ja in diesem Raum die Agrardebatte nicht wiederholen.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Ott.
Herr Staatssekretär, sind Informationen richtig, wonach in Ihrem Hause vermutet wird, daß auf Grund dieser Zollpräferenzen im Laufe der Zeit ein Teil unserer Textilindustrie damit rechnen muß unterzugehen, weil es mit Rücksicht auf den Osthandel, auf politische Beziehungen zum Osten und aus anderen Gründen als gerechtfertigt angesehen wird?
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. November 1970 4465
Diese Frage kann ich Ihnen guten Gewissens mit Nein beantworten.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten van Delden.
Herr Staatssekretär, sind Sie sich darüber im klaren, daß sich die IG Textil, die den zuständigen Arbeitnehmerbereich betreut und deren Ansichten sonst naturgemäß nicht immer mit den Ansichten der Textilbetriebe übereinstimmen, in diesem Fall, in all diesen Fragenkomplexen, die hier angeschnitten worden sind, in völliger Übereinstimmung mit der Textilindustrie befindet?
Herr Kollege van Delden, aus meiner früheren Tätigkeit als Leiter eines Unternehmens weiß ich, daß in solchen Fragen die Interessen der Unternehmer und der zuständigen Gewerkschaften oft konform sind. Es ist aber die Aufgabe des Wirtschaftsministeriums, für das Wohl des Ganzen zu sorgen, was nicht unbedingt bedeutet, daß man jedem Wunsch von jeder Seite nachgeben kann. Ich hoffe aber, daß Sie den langen Antworten, die ich Ihnen und Ihren Kollegen gegeben habe, entnommen haben, daß uns die Gefahr einer zu schnellen und zu harten Bedrohung der Textilindustrie voll bewußt war und bleiben wird.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Ott.
Herr Staatssekretär, da Sie vorher bei der Beantwortung der Frage des Herrn Kollegen van Delden erklärt haben, daß im Interesse des Ganzen nicht auf einzelne Branchen Rücksicht genommen werden kann,
frage ich Sie: Halten Sie es für richtig, daß ausgerechnet ein großer Teil dieser Außenhandelspolitik auf dem Rücken der deutschen Textilindustrie und damit auf dem Rücken der deutschen Textilarbeiter ausgetragen wird?
Herr Ott, ich will jetzt nicht böse werden, aber Sie unterstellen mir Antworten, die ich keineswegs gegeben habe.
Ich habe gesagt, daß wir uns dessen wohl bewußt sind, daß die Textilindustrie ein besonderes Interesse hat, im Rahmen dieser Überlegungen, die allgemeine Überlegungen der Entwicklungspolitik sind, geschützt zu werden. Das habe ich ganz deutlich in dieser Form gesagt. Sie können es im Protokoll nachlesen.
Eine letzte Zusatztrage des Herrn Abgeordneten Ott.
Herr Staatssekretär, wie stellen Sie sich den Schutz der Textilindustrie vor, wenn aus Staatshandelsländern zu Dumpingpreisen importiert wird und wenn auch ein verhältnismäßig hoher Anteil des Imports bestimmter Warengruppen aus anderen Niedrigpreisländern zu erwarten ist?
Herr Kollege Ott, ich lasse diese Zusatzfrage nicht zu, weil sie in keinem mittelbaren und unmittelbaren Zusammenhang mit Ihrer Frage 45 steht.
Ott ( : Das ist Ansichtssache. Ich war der Meinung, daß es dazugehört.
Herr Abgeordneter Ott, darüber entscheidet der amtierende Präsident.
Das ist mir bekannt.
Dem Herrn Abgeordneten Dr. Enders muß ich leider dasselbe wie dem Herrn Kollegen Biechele erklären: Sie haben den Aufruf Ihrer Fragen um wenige Minuten verpaßt.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen nunmehr zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit. Ich rufe zunächst die Frage 66 des Herrn Abgeordneten Schmidt auf:
Ist es richtig, daß die Schüler von Abendgymnasien und Kollegs, die keine Eltern mehr haben und auch nicht verheiratet sind, die verheiratet sind und am Ausbildungsort mit ihrem Ehepartner zusammen wohnen und die von ihren Eltern getrennt, aber am gleichen Ort wie die Eltern leben, durch das Ausbildungsförderungsgesetz ein geringeres Stipendium bekommen, als das bisher nach dem bayerischen Begabtenförderungsgesetz der Fall war?
Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Westphal zur Verfügung.
Herr Kollege Schmidt, nach § 10 Abs. 2 des Ausbildungsförderungsgesetzes ist auch bei Schülern von Abendgymnasien und Kollegs die Leistung des erhöhten Bedarfssatzes bei auswärtiger Unterbringung nur zulässig, wenn der Schüler aus Gründen der Ausbildung von seiner Familie getrennt untergebracht sein muß, d. h. wenn von der Wohnung der Familie aus eine entsprechende zumutbare Ausbildungsstätte durch tägliche Fahrten nicht erreicht werden kann. Nach dem bayerischen Begabtenförderungsgesetz wurde dagegen der erhöhte Bedarfssatz geleistet, wenn der Schüler — aus welchem Grund auch immer — nicht bei seinen Eltern wohnte.Diese strukturelle Veränderung der förderungsrechtlichen Bestimmungen allein hätte aber nicht zu
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4466 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. November 1970
Parlamentarischer Staatssekretär Westphaleiner Minderung der Leistungen geführt, da die Leistungen nach dem Ausbildungsförderungsgesetz des Bundes höher sind als die nach den früheren bayerischen Vorschriften. Hinzu kommt eine weitere strukturelle Veränderung: Die Bedarfssätze für die Auszubildenden, die bei ihrer Familie wohnen, und für diejenigen, die außerhalb ihrer Familie untergebracht sind, sind — dem tatsächlichen Kostenunterschied entsprechend — stärker differenziert worden.Aus den vorgenannten Gründen hat sich für die Schüler der Abendgymnasien und Kollegs in Bayern, die nicht aus Gründen der Ausbildung außerhalb der Familie untergebracht sind, mit Inkrafttreten des Ausbildungsförderungsgesetzes der monatliche Bedarfssatz um 20 DM gemindert; dagegen ist der Bedarfssatz für diejenigen Schüler, die aus Gründen der Ausbildung außerhalb der Familie untergebracht sind, um 30 DM gestiegen.Ergänzend weise ich darauf hin, daß seit Inkrafttreten des Ausbildungsförderungsgesetzes aile Schüler von Abendgymnasien und Kollegs — unabhängig von der Art ihrer Unterbringung — elternunabhängig gefördert werden, d. h. Ausbildungsförderung ohne Anrechnung des Einkommens und Vermögens der Eltern erhalten.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir zustimmen, wenn ich sage, daß es nicht ganz gerecht ist, bei erwachsenen Menschen — bei Besuchern von Abendgymnasien wird es sich in der Regel ja um erwachsene Menschen handeln — so zu verfahren, daß sie dann, wenn sie bei ihren Eltern untergebracht sind, einen bestimmten Förderungssatz erhalten, daß sich dieser Satz aber dann, wenn sie am gleichen Ort woanders wohnen — daß muß einem erwachsenen Menschen ja zugestanden werden —, obwohl sie bei ihren Eltern wohnen könnten, mindert? Ist es nicht auch eine Einschränkung der persönlichen Freiheit eines erwachsenen Menschen, wenn man ihn dafür bestraft, daß er sich in einem gewissen Alter selbständig macht und eine eigene Wohnung bezieht?
Herr Kollege, da wir der gleichen Auffassung sind, wollen wir den Sachverhalt in dem bevorstehenden Bundesausbildungsförderungsgesetz anders regeln. Ich wollte das gern in der Antwort auf Ihre zweite Frage vortragen.
Ich rufe die Frage 67 des Herrn Abgeordneten Schmidt auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, diese Schlechterstellung in absehbarer Zeit zu beseitigen?
In dem im Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit erarbeiteten Referentenentwurf des Bundesausbildungsförderungsgesetzes, das am 1. Oktober 1971 in Kraft treten soll, ist vorgesehen, daß die Schüler von Abendgymnasien und Kollegs in der Wahl der Art ihrer Unterbringung ebenso frei sein sollen wie etwa die Studenten an Hochschulen. Der erhöhte Bedarfssatz soll dann geleistet werden, wenn die Schüler nicht bei ihren Eltern wohnen, unabhängig davon, aus welchem Grunde dies der Fall ist.
Sie haben eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter?
Ja. — Jetzt ist im wesentlichen die Frage beantwortet, wie das ist, wenn sie von ihren Eltern getrennt am gleichen Ort wohnen. Nach dem Ausbildungsförderungsgesetz sind aber die Schüler benachteiligt, die keine Eltern mehr haben und nicht verheiratet sind, und auch die, die verheiratet sind und am Ausbildungsort mit ihrem Ehepartner zusammenwohnen. Ist nach dem Referentenentwurf beabsichtigt, auch diese Schlechterstellung zu beseitigen?
Ich bin im Augenblick überfragt. Ich bin gern bereit, Ihnen aus dem Referentenentwurf zitierend eine schriftliche Antwort darauf zu geben.
Meine Damen und Herren, der Herr Kollege Dr. Arnold hat gebeten, seine Fragen, die Fragen 68 und 69, schriftlich zu beantworten. Dem wird entsprochen. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe nunmehr die Frage 70 des Herrn Abgeordneten von Alten-Nordheim auf:
Sind der Bundesregierung Vorbereitungen überwiegend ausländischer und speziell skandinavischer Produzenten bekannt, die den deutschen Markt mit einer nicht zu übersehenden Porno-welle zu überschwemmen beabsichtigen, wenn die jetzt vorliegenden diesbezüglichen Gesetzentwürfe Rechtskraft erlangen, und sieht sie der Entwicklung dieses neuen Wirtschaftszweiges bedenkenlos entgegen?
Herr Kollege von Alten-Nordheim, der Bundesregierung ist nicht bekannt, welche Vorbereitungen ausländische Verlage im Hinblick auf die nach dem Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Reform des Strafrechts vorgesehene Neufassung des § 184 StGB im einzelnen getroffen haben. Anzeichen sprechen dafür, daß sich verschiedene Firmen schon jetzt auf eine mögliche Absatzsteigerung ihrer pornographischen Erzeugnisse einzustellen beginnen. Die ganzseitige Anzeige der Firma Private-Press A.B., Stockholm, in der Tageszeitung „Die Welt" vom 16. Oktober 1970, mit der Interessenten für den Alleinvertrieb des von der genannten Firma herausgegebenen Magazins gesucht werden, kann in diese Richtung deuten.Eine zunehmende Verbreitung pornographischer Erzeugnisse, bei denen es sich teilweise um ganz
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. November 1970 4467
Parlamentarischer Staatssekretär Westphalscheußliche Produkte handelt, wird von der Bundesregierung in keiner Weise als wünschenswert angesehen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie der Meinung, daß Produzenten unter der Devise der Aufklärung ihre Ware anbieten und die Begriffe von echter Aufklärung und von Pornographie sich dadurch immer mehr verwischen?
Ich halte dies für möglich.
Eine letzte Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie angesichts dieser Vorbereitungen nicht der Meinung, daß der Bürger ein Recht darauf hat, vor ungewollter Konfrontation geschützt zu werden?
Der Gesetzentwurf des Herrn Bundesjustizministers zur Änderung des Sexualstrafrechts, dessen erste Lesung in diesem Hohen Hause noch bevorsteht, sieht die von Ihnen aufgegriffene Frage und will dem entgegenwirken.
Ich rufe die Frage 71 des Herrn Abgeordneten von Alten-Nordrheim auf:
Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß sich der Jugendschutz unter diesen Umständen in der Praxis noch wirksam durchführen läßt?
Herr Staatssekretär!
Herr Kollege, der Jugendschutz wird von der Bundesregierung auf dem hier angesprochenen Sektor außerordentlich ernst genommen. Die Bundesregierung prüft zur Zeit, welchen Vertriebsbeschränkungen auch künftig pornographische Schriften im Interesse eines wirksamen Jugendschutzes unterliegen sollen. Sie ist der Auffassung, daß die geltenden und die nach dem Entwurf vorgesehenen Rechtsvorschriften Handhaben bieten, einen wirksamen Jugendschutz zu gewährleisten.
Ich möchte der in diesem Hohen Hause noch bevorstehenden ersten Lesung der vom Herrn Bundesjustizminister zu vertretenden Vorlage zur Änderung des Sexualstrafrechts nicht vorgreifen, aber wir erwarten doch insoweit eine Intensivierung der Strafverfolgung nach Beseitigung der fragwürdig gewordenen Verbote im Erwachsenenbereich.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege.
Herr Staatssekretär, diese von Ihnen eben angekündigten Maßnahmen sind erfreulich. Ich frage Sie aber: Sind Sie nicht der Meinung, daß trotz dieser sogenannten verschärften Bestimmungen Jugendliche zukünftig doch in erheblich größerem Umfang in den Besitz und auch in den Wahrnehmungsbereich derartiger Produkte gelangen?
Ich kann nicht vorhersehen, ob das der Fall sein wird. Wir haben mit diesem Thema sicher in der Zukunft zu tun und werden dafür sorgen müssen, daß unsere Jugendschutzbestimmungen ausreichen, um das, was im Bereich des heranwachsenden jungen Menschen zu schützen ist, auch praktisch in geeigneter Weise geschützt wird.
Ich rufe die Frage 72 des Herrn Abgeordneten Weigl auf:
Trifft es zu, daß der Politische Arbeitskreis Oberschulen als Mitausrichter einer gegen die Regierung der Vereinigten Staaten gerichteten Vietnamkampagne der Kommunisten öffentliche Mittel, z. B. aus dem Bundesjugendplan, erhält?
Der Herr Abgeordnete ist im Saal. Herr Staatssekretär!
Herr Kollege Weigl, der Politische Arbeitskreis Oberschulen — abgekürzt PAO —, der sich insbesondere um die außerschulische politische Bildung der Schüler an weiterführenden Schulen bemüht, wird seit 1956 über den Arbeitskreis für politische Bildung e. V. in Bonn aus dem Bundesjugendplan gefördert. Im Rahmen der Richtlinien für den Bundesjugendplan werden insbesondere Kurse und Seminare gefördert. Nach diesen Richtlinien sind agitatorische und propagandistische Maßnahmen von der Förderung ausgenommen. Dies gilt ebenso für die Zuwendungen, die der Arbeitskreis von anderen Bundesbehörden erhält. Bisher wurden vom PAO keine Förderungsmittel zweckentfremdet.Bei der von Ihnen angesprochenen „Vietnam-Kampagne" handelt es sich offenbar um die in der Zeit vom 23. bis 31. Oktober 1970 veranstaltete „Woche der Solidarität mit den Völkern Vietnams, Laos' und Kambodschas — Solidarität mit der Antikriegsbewegung in den USA". Der Bundesvorstand des PAO hat nach meinen Feststellungen den Aufruf zu dieser Woche mit unterschrieben. Er hat sich aber nicht organisatorisch oder finanziell an dieser Aktion beteiligt. Der Aufruf ist im übrigen auch von einer Vielzahl von anderen politisch, kirchlich oder anderweitig orientierten Jugend- und Studentenverbänden unterschrieben worden.Ich bin der Auffassung, daß die Förderungswürdigkeit eines Verbandes durch eine solche Solidaritätserklärung nicht in Frage gestellt ist. Die Gren-
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4468 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. November 1970
Parlamentarischer Staatssekretär Westphalzen der Förderungswürdigkeit werden vielmehr durch § 9 des Jugendwohlfahrtsgesetzes bestimmt. Hiernach darf ein Träger nur gefördert werden, wenn er eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit leistet.
Eine Zusatzfrage Herr Abgeordneter Weigl.
Herr Staatssekretär, haben Sie die Arbeit des PAO schon unter dem Gesichtspunkt der Richtlinien untersucht, die Sie jetzt herausgeben wollen, daß nämlich „nur gefördert wird, wer die freiheitlich-demokratische Grundordnung und die parlamentarisch repräsentative Willensbildung nach dem Grundgesetz bejaht"?
Wir haben keine besondere Prüfung durchgeführt. Aber ich kann Ihnen aus meiner Kenntnis der Arbeit dieser Organisation versichern, daß der PAO seine Tätigkeit im Rahmen der grundlegenden und demokratisch breit angelegten Position ausübt, die Sie soeben aus unseren neuen Richtlinien zitierten, die 1971 gültig werden.
Eine weitere Zusatzfrage.
Würden Sie einmal prüfen, Herr Staatssekretär, ob der PAO die Auffassung
vertritt, daß die Schule der Zukunft eine sozialistische, sprich: kommunistische Schule sein müsse?
Das werde ich prüfen.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Hansen.
Herr Staatssekretär, würden Sie die Weiterförderung von Jugendorganisationen, die bisher aus dem Bundesjugendplan gefördert werden, auch dann bejahen, wenn sich herausstellen sollte, daß sie an Veranstaltungen wie denen in Würzburg teilnehmen?
Ich würde das selbstverständlich prüfen.
Ich meine hier besonders die Deutsche Jugend des Ostens.
Herr Abgeordneter Hansen, diese Frage steht weder in einem unmittelbaren noch in einem mittelbaren Zusammenhang mit der Frage des Herrn Abgeordneten Weigl. Ich lasse die Zusatzfrage nicht zu.
Ich rufe die Frage 73 des Abgeordneten Pfeifer auf:
Ist die Bundesregierung bereit, dem Deutschen Bundestag in Kürze einen Gesetzentwurf vorzulegen, der Nr. 1 des anläßlich der zweiten und dritten Beratung des Ausbildungsförderungsgesetzes angenommenen Entschließungsantrages entspricht und insbesondere eine Förderung der Schüler von Berufsfachschulen ermöglicht, für deren Besuch der Realschulabschluß nicht Voraussetzung ist?
Der Herr Abgeordnete ist im Saal. — Das Wort hat Herr Staatssekretär Westphal.
Herr Kollege Pfeifer, das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit hat mit den übrigen Bundesressorts den Entwurf eines Bundesausbildungsförderungsgesetzes erarbeitet, der demnächst dem Bundeskabinett zur Verabschiedung vorgelegt werden wird. Dieser Entwurf ergänzt und ändert das erste Ausbildungsförderungsgesetz. Das neue Gesetz soll nach der Vorstellung der Bundesregierung am 1. Oktober 1971 in Kraft treten. Es bezieht die Studierenden an Höheren Fachschulen, Akademien und Hochschulen in die bundesgesetzliche Regelung der individuellen Förderung der Ausbildung ein.
In dieses neue Gesetz ist auch die Förderung für die Schüler der Klasse 10 der weiterführenden allgemeinbildenden Schulen und für alle Berufsfachschüler aufgenommen. Die Förderung dieses Bereichs soll allerdings gesondert in Kraft gesetzt werden. Im Rahmen der mehrjährigen Finanzplanung der Bundesregierung ist dafür der 1. Januar 1973 vorgesehen. Die Bundesregierung wird damit Abs. 1 der genannten Entschließung des Deutschen Bundestages gerecht, der die Einbeziehung aller Ausbildungsbereiche nach Beendigung der Vollzeitschulpflicht in der 6. Legislaturperiode fordert.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Pfeifer.
Herr Staatssekretär, sind Sie sich darüber im klaren, daß die Verschiebung des Termins des Inkrafttretens bis zum Jahr 1973 gerade diejenigen Schüler hinsichtlich ihrer Aufstiegschancen benachteiligt, die wegen des Wohnorts oder der sozialen Stellung des Elternhauses bisher keine Gelegenheit hatten, einen Realschulabschluß zu erreichen, und die nun statt in einer Betriebsausbildung in einer staatlichen Berufsfachschule mit Internat diese Aufstiegschancen suchen?
Herr Kollege, hier ist nichts verschoben worden. Von dieser Bundesregierung ist für das weitere Inkrafttreten von Teilen eines umfassenden Systems der Ausbildungsförderung erstmalig ein bestimmter Termin Besetz worden, der in die finanzielle Planung paßt. Der erste Schritt war die Einbeziehung der weiterführenden Schulen, von der 11. Klasse an beginnend. Der zweite Schritt wird die Einbeziehung all dessen sein, was bisher das Honnefer und das Rhöndorfer Modell deckt, also die Studentenförderung. Als nächster Schritt kommt dann die Gesamt-
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Parlamentarischer Staatssekretär Westphaleinbeziehung der 10. Klassen und der Berufsfachschulen. Damit ist der Katalog der nächsten Schritte aufgezeigt.
Eine letzte Zusatzfrage zu dieser Frage.
Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, in Anbetracht der Tatsache, daß es sich um eine relativ geringe Zahl von Schülern handelt, die in der Frage 73 genannt sind, doch noch einmal zu überprüfen, ob hier nicht schon ein Inkrafttreten im Jahre 1971 in Betracht kommt?
Ich muß Ihnen leider antworten, daß — wenn Sie das im Zusammenhang sehen — die Berufsschüler und ,die ganzen 10. Klassen eben nicht einen relativ kleinen, sondern einen sehr großen Kreis darstellen und daß wir deshalb dazu gekommen sind, in der zeitlichen und finanziellen Planung dieses Datum vorzusehen. Ich möchte ein Ausbildungsförderungssystem auch lieber schon morgen vollständig in Kraft setzen; aber wir können nur stufenweise vorgehen.
Ich rufe ,die nächste Frage des Abgeordneten Pfeifer auf:
Kann die Bundesanstalt für Arbeit bis zum Inkrafttreten des Gesetzes vordringlich und übergangsweise die Förderung der in Frage 73 genannten Schüler in dem Umfang übernehmen, der an sich im Ausbildungsförderungsgesetz vorgesehen ist?
Ich gebe die Antwort dm Einvernehmen mit dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung.
Der Bundesanstalt für Arbeit ist nach § 40 des Arbeitsförderungsgesetzes die Ausbildungsförderung für einen begrenzten Bereich übertragen worden. Hierzu ,gehört nicht die Förderung von Berufsfachschülern. Nach § 242 Abs. 12 des Arbeitsförderungsgesetzes kann die Bundesanstalt allerdings bis zum Inkrafttreten einer umfassenden gesetzlichen Regelung durch den Bund ausnahmsweise Ausbildungsförderung für eine in § 40 nicht genannte Ausbildung gewähren, soweit die Ausbildung nicht von einer anderen Stelle gefördert wird und an der Förderung ein besonderes arbeitsmarktpolitisches Interesse besteht. Der Verwaltungsrat der Bundesanstalt für Arbeit wird voraussichtlich demnächst die Frage erörtern, ob die Bundesanstalt auf Grund dieser Vorschrift die Förderung des Berufsfachschulbesuchs, der vollständig auf die betriebliche Ausbildung angerechnet wird, bis zum 1. Januar 1973 übernehmen soll.
Es sind keine weiteren Zusatzfragen gestellt.
Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen. Die Fragen aus Ihrem Geschäftsbereich sind beantwortet.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft auf. Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär von Dohnanyi zur Verfügung. Die erste Frage ist von Herrn Abgeordneten Hansen gestellt:
Ist die Bundesregierung bereit, sich für die Änderung des Beschlusses der Kultusminister-Konferenz vom 14./15. Mai 1964 einzusetzen mit dem Ziel, die schulische Betreuung der Gastarbeiterkinder in der Bundesrepublik Deutschland einheitlich zu regeln und sicherzustellen, daß durch staatliche Schulaufsicht über alle schulischen Veranstaltungen die Gastarbeiterkinder vor jeder Beeinträchtigung der auch ihnen zustehenden Lernfreiheit geschützt werden?
Herr Kollege Hansen, die Bundesregierung wird sich in dem von Ihnen vorgeschlagenen Sinne an die Kultusministerkonferenz wenden und eine Überprüfung der bestehenden Regelungen und Möglichkeiten anregen.
Keine Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage des Abgeordneten Breidbach auf:
Entsprechen die im Wirtschaftsmagazin „Capital" Nr. 11 gemachten Angaben den Tatsachen, wonach bereits vor dem Abschuß des Forschungssatelliten AZUR am 8. November 1969 feststand, daß der Satellit die für ihn vorgesehenen Aufgaben wegen des Fehlens eines Kontrollgerätes im Werte von wenigen 100 DM nicht mehr ausführen kann und so durch die Anordnung der verantwortlichen Beamten des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft, wonach der Start des Satelliten ohne Rücksicht auf seine technische Funktionsfähigkeit erfolgte, das Ausgeben von 80 Millionen DM Steuergeldern, ohne den gewünschten Effekt zu erreichen, ermöglicht wurde?
Der Abgeordnete ist im Saal. — Herr Staatssekretär!
Herr Kollege Breidbach, es entspricht nicht den Tatsachen, daß vor ,dem Start des Forschungssatelliten AZUR am 8. November 1969 bereits feststand, der Satellit habe in irgendeiner Weise einen Mangel aufzuweisen. Das Projekt AZUR ist ein bilaterales Kooperationsvorhaben zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der NASA, wobei die NASA ihrerseits die Trägerrakete und die Startdienste kostenlos bereitstellt. An ,der wissenschaftlichen Aufgabenstellung und ,damit zwangsläufig an der Flugtauglichkeit und Funktionstüchtigkeit des Satelliten hatte die NASA ein großes und berechtigtes Interesse. Eine umfangreiche Prüfung ergab, daß die Fernkommandoentschlüsselungseinrichtung, auf die Sie, glaube ich, u. a. Bezug nehmen, an Bord des Satelliten den Empfang fremder Funksignale nicht vollständig ausschloß. Aber nach dem Start und unmittelbar nach Auftreten dieser Erscheinung wurde die Funktionstüchtigkeit des Satelliten durch besondere Maßnahmen im Bereich des bodenseitigen Fernkommandobetriebs weitgehend gewährleistet, so daß die wissenschaftliche Aufgabenstellung voll erfüllt wurde.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Breidbach.
Darf ich Ihrer Antwort Herr Staatssekretär, entnehmen, daß dem Ministe-
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Breidbachrium nicht bekannt ist — ich beziehe meine Information aus ganz allgemein zugänglichen Quellen —, daß schon bei Probeläufen der Satellit AZUR vom Amateurfunk gestört wurde?
Der Bundesregierung ist die Behauptung bekannt, daß dies geschehen sei; aber die Tatsache Herr Kollege, daß Sie Ihre Information aus einer allgemein zugänglichen Quelle beziehen — wir wissen beide, welche Quelle gemeint ist —, bedeutet nicht, daß diese Quelle recht hat.
Herr Kollege, Sie haben eine weitere Zusatzfrage.
Sehen Sie nicht, Herr Staatssekretär, einen Widerspruch zwischen den optimistischen Aussagen, die Sie heute machen und die Sie auch gestern im Pressedienst bezüglich der Forschungsergebnisse von AZUR gemacht haben, und den Aussagen der Werkzeitschrift von Messerschmitt, Bölkow & Blohm aus dem Februar 1970, worin die Reduzierung von theoretisch möglichen Datenmengen um mindestens 20 % für wahrscheinlich gehalten wird und daß es nach wie vor Wissenschaftler gibt, die glauben, daß eine Reduzierung um 80 % der Datenmenge vorliegt?
Ich kann nur den heutigen Stand wiedergeben, Herr Kollege. Der jetzt erkennbare Stand der angefallenen Daten läßt darauf schließen, daß das Projekt seinen wissenschaftlichen Auftrag erfüllt hat. Mehr kann ich im Augenblick nicht sagen. Natürlich wird erst die vollständige Auswertung wirklich Aufschluß geben können.
Ich rufe die Frage 98 des Abgeordneten Flämig auf:
Trifft es zu, daß der Verband der chemischen Industrie zugleich auch im Namen seiner Verbandsmitglieder eine Beteiligung am Internationalen Institut für das Management der Technologie abgelehnt hat, während z. B. IBM Europa die Institutsziele der technologischen Managementausbildung sowie Innovationsschulung bejaht und deshalb eine Beteiligung am Institut angeboten hat?
Herr Staatssekretär!
Herr Kollege Flämig, es trifft in der Tat zu, daß der Verband der Chemischen Industrie zugleich auch im Namen seiner Verbandsmitglieder eine Beteiligung am Internationalen Institut für das Management der Technologie abgelehnt hat. IBM Europa hat dagegen eine Beteiligung in Höhe von 30 000 Dollar jährlich für drei Jahre angeboten und dabei ausdrücklich auf die Notwendigkeit der technologischen Management-Ausbildung und Innovationsschulung hingewiesen.
Herr Kollege Flämig, wenn Sie keine Zusatzfrage stellen, kann ich sicher Ihre zweite Frage noch aufrufen. — Dann rufe ich die Frage 99 des Herrn Abgeordneten Flämig auf:
Haben auch andere Industrieverbände oder Industrieunternehmen eine Beteiligung am Institut abgelehnt, obgleich schon der ehemalige Bundesminister für wissenschaftliche Forschung, Stoltenberg, und auch der derzeitige Bundesminister für Bildung und Wissenschaft darauf hingewiesen haben, daß es sich bei diesem Institut um eine konzertierte Aktion von Wissenschaft, Wirtschaft und Staat handeln sollte, bei der die mit einer Beitragsleistung verbundene Mitwirkung der deutschen Industrie gerade in der konzeptionellen wichtigen Aufbauphase des Instituts erforderlich ist?
Herr Kollege Flämig, bislang haben andere Industrieverbände und Industrieunternehmen eine Beteiligung am Institut nicht abgelehnt. Die Bundesregierung ist auch der Auffassung, daß es bedauerlich wäre, wenn die deutsche Industrie die ihr hier gebotene Chance, von Anfang an die Ziele des Instituts mitformen zu helfen, nicht ergreifen würde.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, halten Sie es für angezeigt, dem Verband der Chemischen Industrie die Überprüfung seiner Haltung unter Hinweis auf die Tatsache zu empfehlen, daß die NATO-Versammlung am 10. November, also vor wenigen Tagen, einstimmig eine entsprechende Empfehlung gegeben hat?
Die Bundesregierung hat mit dem Verband der Chemischen Industrie bereits Kontakt, und ich halte es, ohne den Ergebnissen hier vorgreifen zu können, nicht für ausgeschlossen, daß der Verband der Chemischen Industrie angesichts dieser von Ihnen soeben bezeichneten Äußerung und auch anderer Tatsachen letzten Endes seine Meinung revidieren kann. Das ist denkbar.
Wir können nun noch die Fragen des Herrn Abgeordneten Lenzer beantworten lassen. Wegen Ablaufs der Fragestunde würde ich vorschlagen, Herr Staatssekretär, daß Sie beide Fragen gemeinsam beantworten. Sonst könnte wegen des Ablaufs der Fragestunde die zweite Frage nicht mehr beantwortet werden. Ich rufe also die Fragen 100 und 101 des Herrn Abgeordneten Lenzer auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Frage einer Unterstützung der Frankfurter Urangesellschaft mbH durch die Bundesregierung bezüglich der Pläne, die Uranvorkommen in Namibia auszubeuten?
Hat die Bundesregierung davon Kenntnis, daß nach Pressemeldungen von deutschen Firmen Verhandlungen über die Anreicherung von Natururan im Lohnverfahren durch die Sowjetunion stattfinden und daß diese bereits zu gewissen Vereinbarungen geführt haben?
Herr Kollege Lenzer, der Bundesregierung ist bekannt, daß die sowjetische staatliche Handelsgesellschaft Techsnabexport Kontakt
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. November 1970 4471
Parlamentárischer Staatssekretär Dr. von Dohnanyizu deutschen Firmen aufgenommen hat. Dabei wurde u. a. die Möglichkeit der Lohnanreicherung von Uran in der Sowjetunion berüht. Diese Kontakte haben noch nicht zu Vereinbarungen auf dem Urangebiet geführt. Es handelt sich hierbei, wie Sie wissen, um kommerzielle Beziehungen, in die sich die Bundesregierung nicht einschaltet. Sollte dieser Kontakt zu konkreten Abschlüssen führen, werden diese nach den normalen Verfahren unter Berücksichtigung des Außenwirtschaftsrechts und unter Berücksichtigung der Bestimmungen des Euratom-Vertrages behandelt werden müssen.Zu Ihrer zweiten Frage. Die Urangesellschaft, Frankfurt, untersucht mit der britischen Firma Rio Tinto Zinc Corp. die Möglichkeit eines wirtschaftlichen Abbaus der Uranlagerstätte Rössing, Namibia. Diese Uranlagerstätte ist offenbar eines der größten Uranvorkommen der Welt. Ein Antrag der Urangesellschaft auf Gewährung von Bundesbürgschaften liegt der Bundesregierung nicht vor.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung, wenn ein solcher Antrag von dieser Firma gestellt werden sollte, bereit, in positivem Sinne zu entscheiden?
Die Bundesregierung kann zu keinem Zeitpunkt eine Entscheidung treffen, bevor ein entsprechender Antrag gestellt ist. Aber die Bundesregierung prüft alle Anträge, die ihr vorgelegt werden.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Wir stehen damit am Ende der heutigen Fragestunde. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Freitag, den 13. November 1970, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.