Protokoll:
6077

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 6

  • date_rangeSitzungsnummer: 77

  • date_rangeDatum: 6. November 1970

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 14:35 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 77. Sitzung Bonn, Freitag, den 6. November 1970 Inhalt: Absetzung des Punktes 9 von der Tagesordnung 4265 A Erweiterung der Tagesordnung 4265 B Überweisung von Vorlagen an Ausschüsse 4265 B Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . 4265 C Begrüßung des Präsidenten des Parlaments der Republik Gambia . . . . . . . 4275 B Entwurf eines Gesetzes zu dem Beschluß des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 21. April 1970 über die Ersetzung der Finanzbeiträge der Mitgliedstaaten durch eigene Mittel der Gemeinschaften (Drucksachen VI/880, zu 880) ; Schriftlicher Bericht des Haushaltsausschusses (Drucksache VI/ 1374) — Zweite Beratung und Schlußabstimmung — in Verbindung mit Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 22. April 1970 zur Änderung bestimmter Haushaltsvorschriften der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften und des Vertrags zur Einsetzung eines gemeinsamen Rates und einer gemeinsamen Kommission der Europäischen Gemeinschaften (Drucksachen VI/879, zu VI/879); Schriftlicher Bericht des Haushaltsausschusses (Drucksachen VI/ 1334, Nachtrag zu VI/1374 — Zweite Beratung und Schlußabstimmung —, mit Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses über den Vorschlag der Kommission für eine Richtlinien des Rates über das gemeinsame Steuersystem für Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (aus Drucksache V/3774, Drucksache VI/1344), mit Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses über die Entschließung des Europäischen Parlaments zu den vom Rat der Europäischen Gemeinschaften festgelegten Bestimmungen zur Ersetzung der Finanzbeiträge der Mitgliedstaaten durch Eigenmittel der Gemeinschaften zur Änderung bestimmter Haushaltsvorschriften der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften und des Vertrages zur Einsetzung eines gemeinsamen Rats und einer gemeinsamen Kommission der Europäischen Gemeinschaften (Drucksachen VI/915, VI/1369) und mit Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses über den Vorschlag der EG-Kommission für eine Verordnung des Rates zur Durchführung des Beschlusses vom 21. April 1970 über die Ersetzung der Finanzbeiträge der Mitgliedstaaten durch eigene Mittel der Gemeinschaften (Drucksachen VI/956, VI/1376) Röhner (CDU/CSU) . . . . . . . 4266 B Dr. Becker (Mönchengladbach) (CDU/CSU) . . . . . . . . . 4267 D II Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 77. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. November 1970 Brandt, Bundeskanzler 4268 B Dr. Barzel (CDU/CSU) 4271 C Dr. Apel (SPD) . . . . . . . 4275 B von Hassel, Präsident 4276 A Borm (FDP) . . . . . . . . 4277 B Dr. Wagner (Trier )(CDU/CSU) . 4281 D Moersch, Parlamenarischer Staatssekretär . . . . 4286 D, 4311 A Dr. von Bülow (SPD) 4292 C Dr. Schiller, Bundesminister . . 4294 C Blumenfeld (CDU/CSU) 4297 A Dr. Rutschke (FDP) 4300 D Frau Dr. Focke, Parlamentarischer Staatssekretär 4303 D Dr. Marx (Kaiserslautern) (CDU/CSU) 4304 D Josten (CDU/CSU) 4313 A Lautenschlager (SPD) 4313 B Hermsdorf (Cuxhaven) (SPD) (Erklärung nach § 36 GO) . . . 4315 C Fragestunde (Drucksache VI/ 1339) Frage des Abg. Hansen (SPD) : Verhandlungen mit der Regierung der USA über die Rückgabe des Document Center in Berlin Moersch, Parlamenarischer Staatssekretär . . . . 4315 D, 4316 A Hansen (SPD) . . . . . 4315 D, 4316 A Frage des Abg. Werner (CDU/CSU) : Entwicklungshilfe an Israel im Jahre 1969 Moersch, Parlamenarischer Staatssekretär . . . . . . . 4316 B, C Werner (CDU/CSU) . . . . . . 4316 B Fragen des Abg. Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU) : Auffassung des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom Begriff der Ratifikation Moersch, Parlamenarischer Staatssekretär . . . 4316 C, 4317 A, B Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU) 4316 D Reddemann (CDU/CSU) 4317 A Niegel (CDU/CSU) . . . . . . 4317 B Fragen des Abg. Wolfram (SPD) : Situation der Psychiatrie in der Bundesrepublik und Maßnahmen zu ihrer Verbesserung Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär 4317 D, 4318 A, B, C, D Wolfram (SPD) 4318 A, B, D Glombig (SPD) . . . . . . . 4318 B Fragen des Abg. Dr. Enders (SPD) : Verbesserung der hygienischen Einrichtungen auf den Parkplätzen der Bundesautobahnen Börner, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . 4319 B, C, D Dr. Enders (SPD) 4319 C, D Frage des Abg. Niegel (CDU/CSU) : Teilnahme des Bundesministers für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen sowie seiner Staatssekretäre an Gewerkschaftstagen Börner, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . 4320 A, B Niegel (CDU/CSU) 4320 B Frage des Abg. Wende (SPD) : Ausbauzustand der Notrufsäulen an Bundesautobahnen und autobahnähnlich ausgebauten Bundesstraßen Börner, Parlamentarischer Staatssekretär 4320 B, C Wende (SPD) . . . . . . . . 4320 C Frage des Abg. Wende (SPD) : Voraussetzungen für die Einrichtung der Notrufnummer 110 im gesamten Bundesgebiet Börner, Parlamentarischer Staatssekretär . . 4320 D, 4321 A, B, C Wende (SPD) . . . . . . . . 4321 A, B Niegel (CDU/CSU) 4321 B Fragen des Abg. Geisenhofer (CDU/CSU) : Umwandlung von Altbauwohnungen in Gastarbeiterschlafstellen und sonstige Massenquartiere Ravens, Parlamentarischer Staatssekretär . . 4321 C, D, 4322 B, C Geisenhofer (CDU/CSU) . . . . 4322 A, C Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 77. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. November 1970 III Nächste Sitzung 4322 D Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 4323 A Anlage 2 Entschließungsantrag Umdruck 86 zur dritten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zu dem Beschluß des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 21. April 1970 über die Ersetzung der Finanzbeiträge der Mitgliedstaaten durch eigene Mittel der Gemeinschaften (Drucksachen VI/880, zu VI/880, VI/1374) und des Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 22. April 1970 zur Änderung bestimmter Haushaltsvorschriften der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften und des Vertrags zur Einsetzung eines gemeinsamen Rates und einer gemeinsamen Kommission der Europäischen Gemeinschaften (Drucksachen VI/879, zu VI/879, VI/1374) 4323 C Anlage 3 Entschließungsantrag Umdruck 85 zur dritten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 22. April 1970 zur Änderung bestimmter Haushaltsvorschriften der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften und des Vertrages zur Einsetzung eines gemeinsamen Rates und einer gemeinsamen Kommission der Europäischen Gemeinschaften (Drucksachen VI/879, VI/1374) . . 4324 B Anlage 4 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Dr. Beermann (SPD) betr. Konzentrationsvorgänge in der schleswig-holsteinischen Heimatpresse . 4324 C Anlage 5 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen der Abg. Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) betr. RPJ-Seminar an der Schule für Innere Führung in KoblenzPfaffendorf 4324 D Anlage 6 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dasch (CDU/CSU) betr. vorzeitige Entlassung von Wehrpflichtigen zur Studienaufnahme an den landwirtschaftlichen Fachhochschulen . . . 4325 B Anlage 7 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Zebisch (SPD) betr. kostenlose Fahrten von Soldaten zum Bundestag und Bundesrat 4325 C Anlage 8 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Zebisch (SPD) betr. Globalanmietung von Wohnungen für Soldaten 4325 C Anlage 9 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Hussing (CDU/CSU) betr. Verbreitung der Untersuchungsergebnisse bezüglich Rauschgift 4325 D Anlage 10 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Brandt (Grolsheim) (SPD) betr. Einbeziehung von Krankenpflegeschulen in die Finanzierungsmöglichkeiten des Krankenhausfinanzierungsgesetzes 4326 D Anlage 11 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Sieglerschmidt (SPD) betr. Untersagung der Benutzung von Gehwegen durch Kinder mit Kleinfahrrädern 4327 A Anlage 12 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Schmidt (Kempten) (FDP) betr. Auflösung der Bundesbahndirektion Augsburg und Zahlenmaterial für diesen Beschluß 4327 B Anlage 13 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Lenzer (CDU/CSU) betr. Pressemeldung über Luftverkehrskontrolle — Maßnahmen zur Sicherheit des zivilen und militärischen Flugverkehrs . 4327 D Anlage 14 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Rawe (CDU/CSU) betr. Projekt eines dritten internationalen Verkehrsflughafens in Nordrhein-Westfalen und Pressemeldungen über Bedenken der Lufthansa 4328 A Anlage 15 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) betr. Vorlage des von der Bundesregierung angekündigten Verkehrsberichts . . . . . . . . . . 4328 C IV Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 77. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. November 1970 Anlage 16 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) betr. reale Zuwachsraten im Bundesfernstraßenbau 1971 4328 D Anlage 17 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Dr. Aigner (CDU/CSU) betr. Installierung von Zweitapparaten für Posthalter . . . . . . . . . . 4329 A Anlage 18 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Schmidt (München) (SPD) betr. Fehlbestand der Bundespost an Ingenieuren und Besserstellung dieser Ingenieure 4329 B Anlage 19 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Varelmann (CDU/CSU) betr. Baukostenentwicklung und eigentumspolitische Bemühungen der Wohnungs- und Vermögenspolitik . . . . 4329 C Anlage 20 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) betr. Rückgang des Wohnungsbaues — Abnahme der Zahl der im sozialen Wohnungsbau errichteten Wohnungen 4330 A Anlage 21 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Dichgans (CDU/CSU) betr. praxisnähere Gestaltung des Studiums der Betriebswirtschaft und Ausstellung staatlich anerkannter Zeugnisse durch Fortbildungseinrichtungen auf dem Gebiet der Unternehmenspraxis . . . . 4331 A Anlage 22 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Rollmann (CDU/CSU) betr. Verhandlungsziel der Bundesregierung hinsichtlich der in Polen lebenden Deutschen 4331 B Anlage 23 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Müller (Berlin) (CDU/ CSU) betr. Form der Einbeziehung des Landes Berlin in das Handelsabkommen mit Ungarn 4331 C Anlage 24 Zusätzliche Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Dr. Rutschke (FDP) betr. Verbesserungen für die in Polen verbleibenden Personen deutscher Muttersprache 4331 D Anlage 25 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Rollmann (CDU/CSU) betr. Regelung der Probleme der in Polen lebenden Deutschen . . . . . . . 4332 A Anlage 26 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Lemper (SPD) betr. den beamtenrechtlichen Status und die Besoldung der Rechtspfleger 4332 B Anlage 27 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Niegel (CDU/CSU) betr. Geruchsbelästigungen durch eine Tierkörperverwertungsanstalt in Forchheim . . 4332 C Anlage 28 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Müller (Berlin) (CDU/ CSU) betr. Berlinzulage und Kinderzuschläge bei 2840 DM übersteigendem Bruttoarbeitsverdienst . . . . . . . 4333 A Anlage 29 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Dr. Jenninger (CDU/ CSU) betr. Pressemeldungen über die Berücksichtigung nur einer Automarke bei der Neuanschaffung von Personenkraftwagen durch die Bundesregierung . . . 4333 C Anlage 30 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Weigl (CDU/CSU) betr. Änderung von Steuervorschriften zur Erleichterung der Bildung von landwirtschaftlichen Erzeugergemeinschaften und forstlichen Zusammenschlüssen . . . . 4334 A Anlage 31 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Höcherl (CDU/CSU) betr. Pressemeldungen über die Finanzierung des Verkehrsausbaues für die 80er Jahre 4334 B Anlage 32 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Höcherl (CDU/CSU) betr. Erhöhung der Steuerlastquote . . . . 4334 C Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 77. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. November 1970 V Anlage 33 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Baier (CDU/CSU) betr. Zusammenlegung der Oberfinanzdirektionen Karlsruhe und Freiburg . . . . 4335 A Anlage 34 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Dr. Schmitt-Vockenhausen (SPD) betr. Anrechnung der Kassenbestände der Kreditinstitute auf die bei der Bundesbank zu haltenden Mindestreserven 4335 B Anlage 35 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Dichgans (CDU/CSU) betr. Beseitigung der Bandbreiten zwischen den Währungen der Mitgliedsländer der europäischen Gemeinschaften —Ausgabe von europäischen Münzen . . 4335 C Anlage 36 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Kiechle (CDU/CSU) betr. Unkostensteigerungen der Molkereibetriebe 4336 B Anlage 37 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Wende (SPD) betr. Anpassung des Weingesetzes an die EWG-Weinmarktordnung . . . . . . . . 4336 C Anlage 38 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Zebisch (SPD) betr. Verwendung nicht bruchsicheren Glases und anderer bruchunsicherer Werkstoffe in Türfüllungen . . . . . . . . . 4337 A Anlage 39 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Dr. Jungmann (CDU/ CSU) betr. Prüfung von pflanzlichen Arzneistoffen und homöopathischen Arzneimitteln 4337 C Anlage 40 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Burger (CDU/CSU) betr. Mittel für die Entwicklung eines neuartigen Geräts für blinde Programmierer . . 4337 D Anlage 41 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Geisenhofer (CDU/CSU) betr. Anrechnung der Renten von Waisen aus der gesetzlichen Rentenversicherung auf die Leistungen nach dem Ausbildungsförderungsgesetz . . . . . . . 4337 D Anlage 42 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Dr. Häfele (CDU/CSU) betr. Gefahren eines Verbots gesundheitsbezogener Werbung für Lebensmittel 4338 C Anlage 43 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Burger (CDU/CSU) betr. Ausbau der Bundesstraße 33 4338 D Anlage 44 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Schiller (Bayreuth) (SPD) betr. Stillegung des Reisezugverkehrs auf den Strecken Kirchenlamitz Ost—Weißenstadt und Bayreuth—Hollfeld . . . 4339 B Anlage 45 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Dr. Gatzen (CDU/CSU) betr. Frühzugpaar zwischen Bonn und Euskirchen und Nahschnellverkehr Bonn —Euskirchen—Düren 4339 C Anlage 46 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Dr. Hammans (CDU/ CSU) betr. Mittel für die EB 7 (L 135) im Haushaltsjahr 1971 4339 D Anlage 47 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Biechele (CDU/CSU) betr. Projekt einer Brücke über den Überlinger See 4340 B Anlage 48 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. von Bockelberg (CDU/ CSU) betr. Auffahrunfall auf der Bundesautobahn Hannover—Oberhausen vor der Behelfsauffahrt Vennebeck . . . . 4340 D Anlage 49 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Dr. Klepsch (CDU/CSU) betr. Bauarbeiten für die Südbrücke Koblenz von der B 327 bis zur B 42 — Verbesserung der Verkehrsverhältnisse auf der B 9 im Bereich der Königsbacher Brauerei 4341 A Anlage 50 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Dröscher (SPD) betr. Kriechspuren auf den Steigungsstrecken Weinsheimer Stich und Steinhardter Stich im Zuge der B 41 — Bau der Rheinbrücke bei Geisenheim . . . . . . . . . 4341 B VI Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 77. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. November 1970 Anlage 51 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Dr. Schäfer (Tübingen) (SPD) betr. Aus- und Fortbildung der Dienstanfänger im Bezirk der Oberpostdirektion Tübingen — Bau eines Ausbildungszentrums . . . . . . . . . 4341 C Anlage 52 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Strohmayr (SPD) betr. Fernsehsendung „XY ... ungelöst" — Sicherheitsmaßnahmen der Bundespost 4342 B Anlage 53 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Schmidt (Kempten) (FDP) betr. bauliche Maßnahmen für Schwerbehinderte 4342 C Anlage 54 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Baier (CDU/CSU) betr. Förderung des Baues eines Altersheimes in Eberbach 4343 B Anlage 55 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Weigl (CDU/CSU) betr. Vergabe der Mittel zur Förderung kultureller Maßnahmen gesamtdeutschen Charakters im Zonenrandgebiet . . . . 4343 D Anlage 56 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Wurbs (FDP) betr. Errichtung einer Gesamthochschule in Kassel — Ausbau neuer Studienplätze im medizinischen Bereich 4344 A Anlage 57 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Dr. Jobst (CDU/CSU) betr. freihändige Vergabe von Forschungs- und Beratungsprojekten . . . 4344 C 77. Sitzung Bonn, den 6. November 1970 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung Es ist zu lesen: 75. Sitzung, Seite 4229 A, Zeile 15 statt „Situation": „Insinuation" Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Achenbach 6. 11. Dr. Aigner * 6. 11. Dr. Artzinger * 6. 11. Berberich 6. 11. Blumenfeld 11. 11. Bremm 6. 11. Buchstaller 11.11. Dr. Burgbacher 13. 11. Corterier 11. 11. Damm 11. 11. Dichgans 6. 11. Dr. Dittrich * 6. 11. Dr. Erhard 11. 11. Dr. Evers 6. 11. Flämig 11. 11. Dr. Furler 6. 11. Dr. Gessner 11. 11. Dr. Götz 30. 11. Frau Griesinger 11. 11. Haage (München) 6. 11. Dr. Hallstein 6. 11. Dr. Hein 13. 11. Frau Herklotz ** 6. 11. Heyen 31.12. Dr. Jaeger 11. 11. Jung 11. 11. Kater 11. 11. Dr. Kempfler 6. 11. Dr. Kiesinger 6. 11. Dr. Kliesing (Honnef) 11. 11. Klinker * 6. 11. Frau Krappe 14. 11. Dr. Kreile 6. 11. Kriedemann * 6. 11. Lange 11. 11. Lenze (Attendorn) 11. 11. Liehr 6. 11. Lücker (München) * 6. 11. Mattick 6. 11. Memmel * 6. 11. Michels 6. 11. Müller (Aachen-Land) * 6. 11. Neumann 11. 11. Petersen 11. 11. Pieroth 6. 11. Pöhler 11. 11. Porzner 6. 11. Frau Renger 6. 11. Riedel (Frankfurt) * 6. 11. Richarts 6. 11. Dr. Schachtschabel 11. 11. Dr. Schellenberg 6. 11. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen der Beratenten Versammlung des Europarates Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Schmid (Frankfurt) 13. 11. Schmidt (Würgendorf) 11.11. D. Schmücker 10. 11. Schonhofen 6. 11. Dr. Schwörer * 6. 11. Seibert 6. 11. Spilker 6. 11. Springorum * 6. 11. Dr. Starke (Franken) 6. 11. Steiner 6. 11. Unertl 6. 11. Weigl 6. 11. Wilhelm 6. 11. b) Urlaubsanträge Dr. Jungmann 31. 1. 1971 Anlage 2 Umdruck 86 Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/ CSU zur dritten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Beschluß des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 21. April 1970 über die Ersetzung der Finanzbeiträge der Mitgliedstaaten durch eigene Mittel der Gemeinschaften - Drucksachen VI/880, zu VI/880, VI/1374 - und des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 22. April 1970 zur Änderung bestimmter Haushaltsvorschriften der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften und des Vertrags zur Einsetzung eines gemeinsamen Rates und einer gemeinsamen Kommission der Europäischen Gemeinschaften - Drucksachen VI/879, zu VI/879, VI/ 1374 -. Der Bundestag wolle beschließen: 1. Der Bundestag stellt fest, daß angesichts der politischen und finanziellen Tragweite der Einführung eigener Mittel der Europäischen Gemeinschaften eine weitere institutionelle Stärkung der Gemeinschaften noch dringlicher geworden ist. Daher spricht der Bundestag die Erwartung aus, daß der Rat entsprechend der von ihm bekundeten Absicht die von der Kommission innerhalb von zwei Jahren vorzulegenden Vorschläge über Verfassungsverbesserungen in den Gemeinschaften ohne Verzug prüft. Er fordert die Bundesregierung auf, sich bei dieser Prüfung mit allem Nachdruck für die dringend gebotene institutionelle Stärkung der Gemeinschaften einzusetzen. Der Bundestag fordert, daß dieses Revisionsverfahren zu einer substantiellen Verstärkung der föderativen und demokratischen Elemente in der Gemeinschaftsverfassung, insbesondere 4324 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 77. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. November 1970 a) zur Ausstattung des Europäischen Parlaments mit Gesetzgebungsbefugnissen b) zu einer baldigen Direktwahl des Europäischen Parlaments führt. 2. Der Bundestag erklärt seine Absicht, für den Fall, daß ein Beschluß über die Direktwahl des Europäischen Parlaments in allen Ländern der Gemeinschaft nicht in absehbarer Zeit zustande kommt, die direkte Wahl der deutschen Abgeordneten im Europäischen Parlament so bald wie möglich herbeizuführen. 3. Der Bundestag ist davon überzeugt, daß er mit der Annahme der vorliegenden Gesetze einen wichtigen Beitrag zur weiteren politischen und wirtschaftlichen Einigung Europas leistet und den Beitritt weiterer Staaten zu den Gemeinschaften erleichtert. Er geht davon aus, daß die Wirtschafts- und Währungsunion in den kommenden Jahren stufenweise verwirklicht wird. Dabei besteht er darauf, daß die Integration im Bereich der allgemeinen Wirtschaftspolitik und im Bereich der Währungspolitik gleichzeitig und aufeinander abgestimmt vollzogen wird. Im Hinblick auf diese notwendige Entwicklung und auf Grund der allgemeinen politischen Lage Europas fordert er dringend die baldige Konstituierung einer handlungsfähigen politischen Union. Bonn, den 5. November 1970 Dr. Barzel, Stücklen und Fraktion Anlage 3 Umdruck 85 Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD, FDP zur dritten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 22. April 1970 zur Änderung bestimmter Haushaltsvorschriften der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften und des Vertrages zur Einsetzung eines gemeinsamen Rates und einer gemeinsamen Kommission der Europäischen Gemeinschaften — Drucksachen VI/879, VI/ 1374 — Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, 1. im Ministerrat der Europäischen Gemeinschaften nachdrücklich darauf hinzuwirken, daß er nunmehr der Verpflichtung des Artikels 138 Absatz 3 EWG-Vertrag nachkommt, die Bestimmungen für allgemeine, unmittelbare Wahlen der Abgeordneten des Europäischen Parlaments nach einem einheitlichen Verfahren in allen Mitgliedstaaten zu erlassen. Dies sollte spätestens bis 1975 geschehen, dem Zeitpunkt, zu dem das Europäische Parlament Haushaltsbefugnisse erhält; 2. angesichts der Tatsache, daß die Staats- und Regierungschefs in Punkt 5 des Haager Kommunigués in Übereinstimmung mit dem EWG-Vertrag ihre Bereitschaft zu einer weiteren Prüfung der Frage der Direktwahl zum Europäischen Parlament zum Ausdruck gebracht haben, mit um so größerem Nachdruck an einer Lösung zu arbeiten, die eine allgemeine, unmittelbare Wahl der Abgeordneten zum Europäischen Parlament ermöglicht. Bonn, den 3. November 1970 Wehner und Fraktion Mischnick und Fraktion Anlage 4 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Rosenthal vorn 5. November 1970 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Beermann (Drucksache VI/1339 Fragen A 57 und 58) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß kürzlich der SpringerVerlag die im Wahlkreis Stormarn-Lauenburg erscheinende „Ahrensburger Zeitung" und nunmehr der Heinrich-Bauer-Verlag die ,Norddeutsche Rundschau" und die „Glücksstädter Fortuna" aufgekauft hat? Welche Auffassung hat die Bundesregierung zu diesen die vielfältige Struktur insbesondere der schleswig-holsteinischen Heimatpresse zerstörenden Konzentrationsvorgängen? Der Bundesregierung sind diese Zeitungsübertragungen bekannt. Die Bundesregierung bedauert die Konzentrationsvorgänge in Schleswig-Holstein. Sie sind zumindest teilweise Ausfluß des wirtschaftlichen und technischen Strukturwandels im Pressewesen und lassen sich wahrscheinlich auch in Zukunft nicht völlig vermeiden. Dies zeigen auch die Ergebnisse der zur Untersuchung der wirtschaftlichen Verhältnisse im Pressewesen eingesetzen Kommissionen. Die Bundesregierung würde es begrüßen, wenn die Presseverlage die Möglichkeit, Konzentrationsvorgängen durch Kooperation und andere Formen der Selbsthilfe entgegenzuwirken, noch mehr als bisher ausschöpfen würden. Sie hat zur Zeit keine direkten Eingriffsmöglichkeiten. Anlage 5 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Berkhan vom 6. November 1970 auf die Mündlichen Fragen der Abgeordneten Frau Dr. Diemer-Nicolaus (Drucksache VI/1339 Fragen A 62 und 63) : Ist dem Bundesminister der Verteidigung bekannt, daß die Dienststelle Fü S VII 1 zu einem RPJ-Seminar an der Schule für Innere Führung In Koblenz-Pfaffendorf in der Zeit vom 29. Juni bis 4. Juli 1970 auch einen Vertreter der NPD eingeladen hatte, obwohl in dem Einladungsschreiben es hieß, das Seminar sei „für Mitglieder von Verbänden, die dem RPJ angeschlossen sind"? Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, damit in Zukunft bei Einladungen der Ring Politischer Jugend erfährt, ob und welche Organisationen außer seinen Verbänden noch eingeladen sind? Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 77. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. November 1970 4325 Es ist dem Bundesminister der Verteidigung bekannt, daß einer der Teilnehmer bei dem genannten RPJ-Seminar Mitglied der NPD war. In dem Erfahrungsbericht, den der Lehrgruppenkommandeur dem Bundesminister der Verteidigung über seine Seminare erstellt, war . dies vermerkt worden. Dieser Lehrgangsteilnehmer war nicht als „Vertreter der NPD" eingeladen worden. Er hatte sich auch nicht als „Vertreter der NPD" angemeldet. Es ist nicht üblich und es kann auch nicht eingeführt werden, daß sich Interessenten für die Öffentlichkeitsseminare der Schule für Innere Führung außer mit Anschrift, Beruf und Alter auch mit anderen Personalia, wie Religions- oder Parteizugehörigkeit, eintragen lassen. Wenn in dem Einladungsschreiben vom Referat Fü S VII 1 darauf hingewiesen wird, daß dieses Seminar für „Mitglieder von Verbänden, die dem RPJ angeschlossen sind" durchgeführt wird, ist dies als Kennzeichnung des Seminars zu verstehen und bedeutet nicht, daß nicht auch andere junge Menschen kommen können, die für das spezielle Programm dieses Seminars ein besonderes Interesse haben. Die Bundesregierung hat nicht die Absicht, Organisationen, die nicht dem RPJ angeschlossen sind, zur Benennung von Teilnehmern an den „RPJ-Seminaren" einzuladen. Sie sieht allerdings auch keinen Anlaß, wegen dieses Einzelfalles das bisher geübte Verfahren — Interessenten allgemein zuzulassen — einzuschränken. Anlage 6 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Berkhan vom 6. November 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dasch (Drucksache VI/1339 Frage A 64) : Ist die Bundesregierung bereit, Wehrpflichtige, welche durch ihre Einberufung zur Bundeswehr am 1. Oktober 1969 eine zweijährige Verzögerung ihrer Studienaufnahme an den landwirtschaftlichen Fachhochschulen hinnehmen müssen, um ein viertel Jahr bzw. ein halbes Jahr früher zu entlassen, damit wenigstens nur ein Studienjahr ausfällt? Ihre Frage beantworte ich ganz allgemein mit Nein. Die Wehrpflichtigen leisten ihren Wehrdienst aufgrund einer gesetzlichen Pflicht, die auch die Dauer des Wehrdienstes umfaßt. Diese Bundesregierung ist bemüht, mehr Wehrgerechtigkeit u. a. dadurch zu schaffen, daß möglichst viele Wehrpflichtige zum vollen Grundwehrdienst herangezogen werden. Eine vorzeitige Entlassung studienwilliger Wehrpflichtiger im Sinne Ihrer Frage allgemein — nach 12monatigem Wehrdienst etwa — würde diesem Grundsatz widersprechen. Es muß immer dem Einzelfall vorbehalten bleiben, die Frage zu prüfen, ob das Verbleiben im Wehrdienst für den Betroffenen eine besondere Härte bedeutet, der nur mit einer vorzeitigen Entlassung begegnet werden kann. Entsprechende Regelungen sind im Wehrpflichtgesetz vorgesehen. Anlage 7 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Berkhan vom 6. November 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Zebisch (Drucksache VI/1339 Frage- A 68) : Wird die Bundesregierung ähnlich wie das Bundespresseamt den Kommunalpolitikern auch den Soldaten zur Ergänzung ihrer staatsbürgerlichen Bildung kostenlose Fahrten zu Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung etc. ermöglichen? Aus Kostengründen können Soldaten „an öffentlichen Arbeitssitzungen demokratischer Körperschaften", so drückt sich der entsprechende Erlaß aus, nur dann teilnehmen, wenn „die Entfernung zum Zielort" 200 km nicht überschreitet; d. h. daß Soldaten, deren Garnison weiter als 200 km von Bonn entfernt liegt, zur Zeit keine Möglichkeit haben, zu Lasten von Haushaltsmitteln die Bundeshauptstadt zu besuchen. Sie haben dafür in jedem Falle die Möglichkeit, an den Sitzungen der Länderparlamente .teilzunehmen. Anlage 8 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Berkhan vom 6. November 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Zebisch (Drucksache VI/1339 Frage A 69) : Welche Erfahrungen hat die Bundesregierung bisher mit der Globalanmietung von Wohnungen für die Soldaten gemacht, und wie wird sie diese Aufgabe weiterverfolgen? Erfahrungen liegen noch nicht vor. Es ist beabsichtigt, als Modellversuch in 7 kleineren Standorten, in denen bisher noch keine Bundesdarlehenswohnungen vorhanden waren, mit der Globalanmietung von im Bau befindlichen Wohnanlagen zu beginnen. Es handelt sich hierbei um insgesamt 566 Wohnungen. Es ist vorgesehen, daß der Bund diese Wohnungen anmietet, um sie dann den Angehörigen der Bundeswehr (Soldaten und Zivilbedienstete) zur Verfügung zu stellen. Dem Bundesministerium für Städtebau und Wohnungswesen ist eine Liste dieser Standorte übersandt worden; es hat die Verhandlungen mit den Bauträgern eingeleitet. Anlage 9 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Westphal vom 6. November 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Hussing (Drucksache VI/1339 Frage A 70) : Welche Rauschgiftreports sind der Bundesregierung bekannt, und denkt sie daran, für eine Verbreitung der Untersuchungsergebnisse Sorge zu tragen? Ihre Frage fasse ich so auf, daß in erster Linie nach Berichten über Forschungsarbeiten und Untersuchungsergebnisse auf empirischer Grundlage in 4326 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 77. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. November 1970 den medizinisch-pharmakologischen und sozialpädagogisch-therapeutischen Bereichen gefragt ist. Der Bundesregierung sind zahlreiche in- und ausländische Berichte über Drogen- und Rauschmittelmißbrauch bekannt. Aus dem Inland liegen ihr insbesondere folgende neuere Berichte vor: — Bschor, F.: Junge Rauschmittelkonsumenten in Berlin (West), Bericht über die Erkundungsstudie 1969/70 der Forschungsgruppe S am Institut für gerichtliche und soziale Medizin der Freien Universität Berlin, 1970; - Hippius, H — Coper, H.: Mißbrauch von Haschisch (Marihuana), Zeitschrift „Deutsches Ärzteblatt", 1970 S. 1618 ff.; — Strunk, P. — Remschmidt, H. — Dauner, I.: Drogenabhängigkeit bei Jugendlichen, Bericht über Momente der Suchtgefährdung, eigene Erfahrungen mit Patienten und Fragen der Prävention und Therapie aus der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Philipps-Universität Marburg; — Wanke, K. — Süllwold, L. — Ziegler, B.: Jugend und Rauschmittel — Prävention, Therapie und Rehabilitation, erste Untersuchungsergebnisse der Frankfurter Beratungsstelle, Zeitschrift „Rehabilitation", Band 23, Heft 2, Juni 1970; Aus dem Ausland sind vor allem folgende Reports bekannt: — Cannabis — Bericht des Beratenden Komitees „Drogenabhängigkeit" (Advisory Committee on Drug Dependence), London 1968; — Cronholm, B. Alkohol und Drogenabhängigkeit (Alcohol and drug dependence), Bericht über die Situation in Schweden aufgrund der Untersuchungen der Schwedischen Narkotika-Kommission, 1969 (deutsche Übersetzung) ; — Kielholz, P. — Ladewig. D.: Drogenabhängigkeit bei Jugendlichen mit besonderer Berücksichtigung des Haschischrauchens; Bericht über Untersuchungen in Basel, Zeitschrift „Deutsche Medizinische Wochenschrift", 1970 S. 101 ff.; — Mader, R. — Sluga, W.: Soziale Verläufe und Katamnesen rauschgift- und drogenabhängiger Jugendlicher, Zeitschrift „Wiener Medizinische Wochenschrift", 1969, S. 604 ff.; — Das Narkotikaproblem, Gutachten des Schwedischen NarkomanenpflegeKomitees, Stockholm 1969; — Task Force Report: Narkotika und Drogenmißbrauch (Narcotics and Drug Abuse), Bericht über den Rauschmittel- und Drogenmißbrauch in den USA, herausgegeben von einer Kommission des amerikanischen Präsidenten (President's Commission on Law Enforcement and Administration of Justice), Washington 1967; — Weil, A. T. — Zinberg, N. E. — Nelsen, J. M.: Klinische und psychologische Wirkungen von Marihuana (Clinical and Psychological Effects of Marihuana in Man), Zeitschrift „Science", USA, Vol. 162, S. 1234 ff. Untersuchungen, die im Ausland erstellt und publiziert wurden, haben für die Bemühungen in der Bundesrepublik Deutschland nur dann Aussagewert, wenn sie methodisch vergleichbar und von Bleichgelagerten Rauschgiftsituationen ausgehen. Im übrigen gibt es eine große Anzahl wissenschaftlicher und nichtwissenschaftlicher Arbeiten zur Problematik des Drogen- und Rauschmittelgenusses. Ich erwähne nur die wissenschaftlichen Veröffentlichungen von Prof. Dr. H. E. Ehrhardt, Marburg: — Rauschgift, 3. Aufl., Hamm 1967; — Rauschgiftsucht, aktuelle Probleme und Aufgaben, Zeitschrift „Deutsches Ärzteblatt", 1970, S. 1151 ff. Besonders bekannt geworden. ist in letzter Zeit der „Haschisch-Report" von Rudolf Walter Leonhardt, der sich nicht zuletzt auf den Bericht der 1893 von der britischen Kolonialregierung eingesetzten Indischen Hanfdrogen-Kommission stützt und mit dem sich unter anderem Erwin K. Scheuch in seinem Buch „Haschisch und LSD als Modedrogen", Osnabrück 1970, kritisch auseinandersetzt. Ich bin gern bereit, Ihnen eine Liste einschlägiger Veröffentlichungen zu übersenden. Die Bundesregierung bemüht sich, alle ihr zugänglichen Arbeiten zur Drogenproblematik für Informations- und Aufklärungsmaßnahmen nutzbar zu machen. Daneben hält sie eine möglichst umfassende zentrale Sammlung und Aufbereitung der einschlägigen Literatur aller beteiligten Wissenschaftsbereiche für die Fachwelt für erforderlich. Diese Aufgabe übernimmt das Deutsche Institut für medizinische Dokumentation und Information in Köln in Zusammenarbeit mit anderen wissenschaftlichen Dokumentationsstellen. Anlage 10 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Westphal vom 4. November 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Brandt (Grolsheim) (Drucksache VI/1339 Frage A 75): Ich frage die Bundesregierung, welche Möglichkeiten sie sieht, Krankenpflegeschulen und Kinderkrankenpflegeschulen mit in die Finanzierungsmöglichkeiten des Gesetzes zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser (Krankenhausfinanzierungsgesetz) aufzunehmen? Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 77. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. November 1970 4327 Die Vorhaltung von Krankenpflegeschulen und Kinderkrankenpflegeschulen ist keine Angelegenheit des Bundes. Diese Schulen stehen anderen schulischen Einrichtungen gleich, für die in erster Linie Länder und Gemeinden die Finanzverantwortung tragen. Die Finanzhilfen .des Bundes, die zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser gewährt werden sollen, müssen auf Einrichtungen beschränkt bleiben, die diesem Zweck dienen. Die Bundesregierung hält eine Förderung der Krankenpflegeschulen und der Kinderkrankenpflegeschulen für unerläßlich. Sie wird deshalb bei den weiteren Gesprächen mit den Ländern und anderen Beteiligten im Zusammenhang mit dem Entwurf eines Gesetzes zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser nach Wegen suchen, wie eine ausreichende Förderung dieser Einrichtungen sichergestellt werden kann. Anlage 11 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 6. November 1970 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Sieglerschmidt (Drucksache VI/ 1339 Fragen A 77 und 78) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß auf den Gehwegen häufig von Kindern mit Kleinfahrrädern durch ihr Verhalten ein Vorrecht gegenüber den Fußgängern durchgesetzt und vielfach sehr viel schneller und rücksichtsloser gefahren wird als von Erwachsenen, die etwa — verbotenerweise — den Gehweg mit dem Fahrrad wegen schlechter Pflasterung der Fahrbahn benutzen? Hält die Bundesregierung es insbesondere im Hinblick auf die Gefährdung alter Menschen durch derartige „Kinderspiele" nicht für angebracht, in Zukunft auch die Benutzung von Kleinfahrrädern auf den Gehwegen — mindestens von einer bestimmten Große bzw. Höchstgeschwindigkeit an — zu untersagen? Es ist allgemein bekannt, daß Kinder auf Gehwegen häufig mit Kleinfahrrädern schneller als vertretbar fahren. Einer solchen Regelung bedarf es nicht. Das Spielen auf Gehwegen ist zwar nach alter und neuer Straßenverkehrsordnung erlaubt. Hierbei darf aber nach § 1 der Straßenverkehrsordnung niemand gefährdet werden. Diese Regelung dürfte ausreichen. Anlage 12 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 6. November 1970 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Schmidt (Kempten) (Drucksache VI/1339 Fragen A 79 und 80) : Welches Zahlenmaterial hat der Bundesregierung vorgelegen, als sie den Beschluß faßte, im Rahmen der Rationalisierung der Deutschen Bundesbahn die seit langer Zeit im Schwebezustand befindliche Bundesbahndirektion Augsburg nunmehr als erste aufzulösen, nachdem das seinerzeit diesen Überlegungen zugrundeliegende Gutachten auf einem Bericht und auf Zahlenmaterial aus dem Jahre 1964 basierte? Von welchen Kostenüberlegungen bezüglich der mit dieser Auflösung verbundenen Investitionen und im Hinblick auf durch die Auflösung angebliche mögliche Einsparungen ist die Bundesregierung bei diesem Beschluß ausgegangen? Dem Antrag der Deutschen Bundesbahn auf Auflösung von sechs Bundesbahndirektionen lag das Zahlenmaterial des im Juni 1967 abgeschlossenen Berichtes der bei der Deutschen Bundesbahn eingesetzten Organisationskommission zugrunde. Bei ihrer Beschlußfassung am 23. Juli d. J. ist die Bundesregierung davon ausgegangen, daß wegen der zwischenzeitlich stark gestiegenen Personalkosten die Relation zwischen dem einmaligen Aufwand und den jährlichen Einsparungen bei den vorgesehenen Maßnahmen sich auf keinen Fall verschlechtert hatte. Von dem hohen Rationalisierungseffekt ist aber nicht nur die jetzige Bundesregierung überzeugt. Die Regierung der Großen Koalition hatte bereits am 9. Juli 1969 die Anträge der Deutschen Bundesbahn positiv beurteilt. Die Wirtschaftlichkeit der Neugliederung der Mittelinstanz der Deutschen Bundesbahn ergibt sich aus den Berechnungen der Zentralstelle für Betriebswirtschaft und Datenverarbeitung der Deutschen Bundesbahn. Danach werden allein die rechnerisch erfaßbaren Kosteneinsparungen nach Durchführung der Auflösung der 6 Direktionen rd. 112 Millionen DM pro Jahr gegenüber einmaligen Ausgaben von rd. 75 Millionen DM betragen. Hiervon entfallen auf die Bundesbahndirektion Augsburg jährliche Einsparungen von 13 Millionen DM und einmalige Ausgaben von 6,9 Millionen DM. Anlage 13 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 6. November 1970 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Lenzer (Drucksache VI/ 1339 Fragen A 81 und 82) : Wie beurteilt die Bundesregierung die Meldung des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel" (Nr. 43 vom 19. Oktober 1970, Seite 122), daß in dem Luftraum über 7500 m Flughöhe noch immer keine Luftverkehrskontrolle besteht, im unteren überwachten Luftraum Segel- und Motorsportflieger nach Sichtflugregeln eigenmächtig die Bahnen der Verkehrsflugzeuge kreuzen und ziviler und militärischer Flugverkehr weitgehend unabhängig voneinander mit mangelhafter Koordination überwacht werden? Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, diesen Zustand im Interesse der Sicherheit des zivilen und militärischen Flugverkehrs unverzüglich abzustellen? Allen Luftverkehrsteilnehmern ist durch Veröffentlichung im Luftfahrthandbuch der Bundesrepublik Deutschland bekanntgegeben, daß im oberen Luftraum der Bundesrepublik Deutschland z. Z. kein Flugverkehrskontrolldienst durchgeführt, sondern nur Beratungsdienste vorgehalten werden. Die zuständigen Flugverkehr-Kontrollstellen wenden hierbei zwar die Regeln der Flugverkehrskontrolle an. Es werden aber nur Flüge untereinander gestaffelt, die den Flugverkehrs-Kontrollstellen bekannt sind. Im unteren kontrollierten Luftraum ist es im Grundsatz allen Luftverkehrsteilnehmern erlaubt, unter Beachtung der Vorschriften der Luftverkehrsordnung nach Sichtflugregeln zu fliegen. Vorrechte bestimmter Benutzergruppen gibt es nicht. Die Tatsache, daß Flüge nach Instrumentenflugregeln hierbei kontrolliert und untereinander gestaffelt sind, 4328 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 77. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. November 1970 entbindet diese Luftfahrzeugführer nicht davon, bei Sichtwetterlagen den Luftraum auf mögliche unkontrollierte Flüge nach Sichtflugregeln zu beobachten und die Ausweichregeln anzuwenden. Im übrigen sind in Zusammenarbeit mit allen Interessierten in Lufträumen sehr hoher Verkehrsdichte und starker Vertikalbewegungen (Start- und Landebetrieb) bereits seit längerem Räume mit einschränkenden Sonderregelungen für den Sichtflugverkehr geschaffen. Der zivile und militärische Luftverkehr im unteren Luftraum wird aufgrund einer Vereinbarung zwischen dem BM für Verkehr und BM für Verteidigung schrittweise zusammengeführt und schließlich integriert werden. Im oberen Luftraum wird das Betriebskonzept geändert und ebenfalls die Integration schrittweise eingeführt werden. Schließlich wird der zivile und der militärische Luftverkehr von einer Stelle kontrolliert werden. Herr Kollege, mein Herr Minister wird zu diesen Fragen auch ausführlich bei Einbringung des Verkehrsberichts 1970 — voraussichtlich am 11. November 1970 — Stellung nehmen. Anlage 14 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 6. November 1970 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Rawe (Drucksache VI/1339 Fragen A 83 und 84) : Wie beurteilt die Bundesregierung das Projekt eines dritten internationalen Verkehrsflughafens in Nordrhein-Westfalen? Treffen Pressemeldungen zu, wonach die Deutsche Lufthansa Bedenken gegen ein solches Projekt hat? Das Projekt ist dem Bundesverkehrsministerium durch den als Information für die Öffentlichkeit abgefaßten Bericht „3. Verkehrsflughafen NRW" bekannt geworden. Das daraus ersichtliche Gesamtkonzept entspricht im wesentlichen den Planungen für die neuen Großflughäfen Hamburg-Kaltenkirchen und München II. Der Flughafen soll den westfälisch-lippischen Raum an den Weltluftverkehr anschließen und den nur noch begrenzt erweiterungsfähigen Flughafen Düsseldorf ergänzen. Die zugrunde gelegten Luftverkehrs-Prognosen können eher als zurückhaltend angesehen werden. Aufgrund der Voraussage-Werte für 1980: rd. 15 Millionen Passagiere, und einer Hochrechnung für 1990: rd. 30 Millionen Passagiere, erscheint der Luftverkehrszuwachs nach der Sättigung des Flughafens Düsseldorf durch den Flughafen Köln-Bonn als nicht mehr bedarfsgerecht abgedeckt. Flugsicherungstechnisch werden sich wegen der Überlegung des verfügbaren Luftraums voraussichtlich Schwierigkeiten ergeben. Eine erwartete Freizügigkeit wird nicht möglich sein; mit Einschränkungen der geplanten Flughafenkapazität und mit Verkehrsstauungen muß gerechnet werden. Die erwähnten Pressemeldungen beziehen sich anscheinend auf die grundsätzlichen Ausführungen eines Vertreters der Deutschen Lufthansa zu dem Plan eines zusätzlichen Verkehrsflughafens in der Bundesrepublik, die dieser während eines Streitgesprächs am 22. Mai 1970 in Bocholt gemacht hat. Hieraus kann aber nicht hergeleitet werden, daß die Deutsche Lufthansa dem Projekt eines dritten Verkehrsflughafens in Nordrhein-Westfalen negativ gegenübersteht. Vielmehr hat sie den Herrn Minister für Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr in Düsseldorf bereits am 10. August 1970 schriftlich davon unterrichtet, daß sie keineswegs Bedenken gegen ein solches Projekt habe und auch einen dritten Verkehrsflughafen in Nordrhein-Westfalen entsprechend dem zu erwartenden Fluggastaufkommen bedienen werde. Anlage 15 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 6. November 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Müller-Hermann (Drucksache VI/1339 Frage 87) : Wann wird die Bundesregierung den von ihr angekündigten „Verkehrsbericht" dem Parlament vorlegen? Das Bundeskabinett hat den Verkehrsbericht 1970 verabschiedet. Der Bericht ist vom Ältestenrat auf die Tagesordnung der Bundesregierung am 11. November 1970 gesetzt worden. Anlage 16 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 6. November 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Müller-Hermann (Drucksache VI/1339 Frage A 88) : Mit welchen realen Zuwachsraten rechnet die Bundesregierung für das Jahr 1971 im Bundesfernstraßenbau? Nominal umfaßt der Bundesfernstraßenhaushalt 1971 5 680 Millionen DM, wenn die 1970 gekürzten und gesperrten Beträge von 340 Millionen DM zur Verfügung gestellt werden, und 5 340 Millionen DM, wenn das nicht erfolgt. Die nominale Steigerung des Haushaltsvolumens beträgt damit gegenüber dem Haushaltssoll 1970 13,3 v. H. bzw. 6,6 v. H. Aus den Haushaltsbeträgen 1971 errechnet sich ein Bauvolumen von 4 200 Millionen DM bzw. 3 900 Millionen DM; gegenüber dem Bauvolumen 1970 in Höhe von 3 650 Millionen DM wird somit 1971, je nach Bereitstellung der Kürzungs- und Sperrbeträge des Jahres 1970, eine nominale Steigerung von 15,1 v. H. bzw. 6,9 v. H. erreicht. Welche reale Zuwachsrate sich hieraus ergibt, hängt von der Baupreisentwicklung ab. Wenn sich die Baupreise im Straßenbau, wie man aus den jüngsten konjunkturellen Daten schließen kann, nur noch unwesentlich über das jetzige Preisniveau erhöhen, Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 77. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. November 1970 4329 werden die realen Zuwachsraten nur geringfügig unter den genannten nominalen Steigerungssätzen liegen. Wegen des zu erwartenden Mehraufkommens an Mineralölsteuer, das für 1970 in den o. g. Zahlen bereits eingerechnet ist, für 1971 aber noch nicht angegeben werden kann, werden sich entsprechend höhere nominale und reale Zuwachsraten ergeben. Anlage 17 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vorn 6. November 1970 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Aigner (Drucksache VI/1339 Fragen A 91 und 92) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß sich der Verband Deutscher Posthalter seit zehn Jahren bemüht, einen sogenannten Zweitapparat für die Posthalter installiert zu bekommen, um bei der Aufnahme und Abgabe von Telegrammen und bei Deckungsrückfragen in Postbarscheckverfahren für die Postkunden das Postgeheimnis zu wahren? Welche Gründe standen diesem Antrag bisher entgegen, und bis wann ist mit einer positiven Entscheidung zu rechnen? Die Bemühungen des Verbandes Deutscher Posthalter um Einrichtung eines Zweitapparates bei Poststellen sind bekannt. Allerdings geht es dabei nicht um den in Ihrer Frage hergestellten Zusammenhang mit der Wahrung des Postgeheimnisses. Die Bemühungen des Posthalterverbandes zielen vielmehr darauf, den Posthaltern die Benutzung der öffentlichen Sprechstelle für gebührenfreie Privatgespräche zu ermöglichen. Dies läßt sich jedoch aus kassentechnischen und verrechnungstechnischen Gründen leider nicht verwirklichen. Anlage 18 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 6. November 1970 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Schmidt (München) (Drucksache VI/1339 Fragen A 93 und 94) : Ist es richtig, daß bei der Deutschen Bundespost der Fehlbestand an Ingenieuren zur Zeit ca. 3600 beträgt? Ist es richtig, daß die Ingenieure der Deutschen Bundespost finanziell schlechter gestellt sind als andere Angehörige des öffentlichen Dienstes mit vergleichbarer Ausbildung, und ist beabsichtigt, die finanziellen Leistungen an diese Ingenieure in absehbarer Zeit fühlbar zu erhöhen? Es trifft zu, daß bei der Deutschen Bundespost zur Zeit mehr als 3 600 Ingenieure fehlen. Die Besoldung der Ingenieure bei der Deutschen Bundespost entspricht der aller übrigen Ingenieure im Dienst des Bundes. Sie ist im Bundesbesoldungsgesetz bzw. in der Unterhaltszuschußverordnung zwingend geregelt. Gegenüber den nichttechnischen Beamten des Bundes in vergleichbaren Besoldungsgruppen sind die Ingenieure insofern herausgehoben, als sie in den Besoldungsgruppen A 9 bis A 11 eine Technikerzulage erhalten. Eine Verbesserung der Technikerzulage ist nur durch den Gesetzgeber möglich. Anlage 19 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Ravens vom 6. November 1970 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Varelmann (Drucksache VI/1339 Fragen A 98 und 99) : Ist bei den derzeitigen Preissteigerungen im Wohnungsbau noch eine Hoffnung gegeben, auf dem Wege des Sparens zu einem Wohnungseigentum zu gelangen? Ist die derzeitige Preissteigerung auf dem Gebiet des Wohnungsbaus nicht ein Schlag gegen die Eigentumspolitik in Arbeitnehmerhand? Die Frage kann mit Ja beantwortet werden. Die Bundesregierung hat bereits in ihrer Antwort auf die Große Anfrage ,der CDU/CSU zur Baukostenentwicklung darauf hingewiesen, daß sich der Baupreisanstieg seit dem Frühjahr 1970 stark abgeschwächt hat. Während der Preisindex für Bauleistungen an Wohngebäuden von November 1969 bis Februar 1970 noch um 6,2 v. H. gestiegen war, verringerte sich dieser Anstieg im darauffolgenden Vierteljahr auf 4,7 v. H. und im Zeitraum Mai bis August auf 1,5 v. H. Die von der Bundesregierung und von der Deutschen Bundesbank getroffenen allgemeinen Dämpfungsmaßnahmen dürften in den kommenden Monaten die Fortsetzung von Preissteigerungen mehr und mehr erschweren. Diese allgemeine Entspannung wird sich auch auf den Bausektor auswirken. Die neuesten Ergebnisse des Baukonjunkturtests des Ifo-Instituts bestätigen diese Annahme. Die Bundesregierung ist im übrigen bemüht, die Baupreisentwicklung durch ergänzende Initiativen struktureller Art günstig zu beeinflussen. Diese ergänzenden Initiativen zielen vor allem auf die verstärkte Rationalisierung des Baugeschehens sowie auf die Ausweitung des Bauleistungsangebots durch Heranziehung ausländischer Baufirmen und durch die Erleichterung der Einfuhr von Fertighäusern und Baufertigteilen. Die entsprechenden Beschlüsse hat das Kabinett inzwischen gefaßt. Daß die im Gefolge früherer Fehlentwicklungen seit 1969 eingetretenen Baukostensteigerungen namentlich für die noch im Ansparprozeß stehenden Bausparer schmerzlich sind, steht dabei außer Frage. Die außerordentlich günstigen Ergebnisse des Bausparens deuten jedoch darauf hin, daß die Zahl derjenigen Bausparer, ,die das Vertrauen haben, zu einem Wohnungseigentum zu gelangen, sehr groß ist. Die Bausparkassen konnten in ihrer Gesamtheit für den Zeitraum von Januar bis August gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum folgende Zuwachsraten verzeichnen: beim Abschluß neuer Bausparverträge: nach der Zahl der Verträge 52,7 v. H., nach den Vertragssummen 61,7 v. H., bei den Sparbeiträgen 38,2 v. H. Die Mittelbereitstellungen der Bausparkassen waren um 27,2 v. H. höher. Sicher spielen dabei auch die kräftigen Einkommenssteigerungen eine Rolle, die zu einer Vergrö- 4330 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 77. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. November 1970 ßerung des Spielraums für Sparleistungen geführt haben. Das gilt auch für Arbeitnehmer, die ein Eigenheim oder eine Eigentumswohnung bauen oder erwerben wollen. Von einem Rückschlag in den eigentumspolitischen Bemühungen der Wohnungs- und Vermögenspolitik kann keine Rede sein. Die Zahlen für die Entwicklung der Bauspartätigkeit und der Wohnungsbaugenehmigungen beweisen das Gegenteil. In den ersten 8 Monaten dieses Jahres wurden für rund 10 v. H. mehr Wohnungen Baugenehmigungen erteilt als vor Jahresfrist. Es ist zwar nicht im einzelnen bekannt, wie groß dabei jeweils der Anteil der Eigentümerwohnungen war. Es wird jedoch allgemein angenommen, daß in diesem Jahr im Rahmen der Bauabsichten der Anteil der Eigentümerwohnungen gestiegen ist. Anlage 20 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Ravens vom 6. November 1970 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg (Drucksache VI/1339 Fragen A 100 und 101) : Wie erklärt die Bundesregierung, daß sie in Werbeanzeigen — zu Recht — „zuwenig Wohnungen" beklagt, tatsächlich aber nach den Mitteilungen des Bundesministers für Städtebau und Wohnungswesen vor dem Deutschen Bundestag — von der derzeitigen Bundesregierung jährlich über 100 000 Wohnungen weniger gebaut werden und auch künftig nach ihren Planungen über 100 000 Wohnungen jährlich weniger gebaut werden sollen als im langjährigen Durchschnitt der von der CDU/CSU verantworteten Bundesregierung? Wie erklärt die Bundesregierung, daß sie in Werbeanzeigen angebliche „Fehler früherer Regierung" anprangert und behauptet, „Die Förderung des sozialen Wohnungsbaues wurde eingeschränkt" — während tatsächlich in der Amtszeit des derzeitigen Bundesministers für Städtebau und Wohnungswesen die Zahl der im sozialen Wohnungsbau errichteten Wohnungen von Jahr zu Jahr drastisch abnahm und 1970 — als Folge überhöhter Zinssätze und also stark gestiegener Baupreise — praktisch zusammengebrochen ist? Zunächst bedarf Ihre Frage wohl in zwei Punkten einer Klarstellung. 1. Die seit Gründung der Bundesrepublik gebauten Wohnungen sind weder unter den früheren Bundesregierungen noch unter der jetzigen Bundesregierung von der Bundesregierung selbst, sondern von einer Vielzahl privater Bauherren und Wohnungsunternehmen gebaut worden, teils mit — teils ohne direkte staatliche Hilfen. Die Wohnungsbauleistung ist heute wie früher eine Gemeinschaftsleistung. 2. Der langjährige Durchschnitt der von 1953 bis 1966 errichteten Wohnungen liegt, wenn man die statistisch-technische Überhöhung der damaligen Jahresergebnisse eliminiert, nicht um 100 000, sondern um rd. 50 000 Wohnungen über der heute allgemein anerkannten Zielvorstellung von 500 000 jährlich zu errichtenden Wohnungen. Im übrigen darf ich auf meine schriftliche Antwort vom 17. September 1970 an den Kollegen Müller (Berlin) Bezug nehmen. Im übrigen ging es in der Anzeige des Presse- und Informationsamtes nicht um die Entwicklung der Fertigstellungen im Wohnungsbau insgesamt, sondern darum, daß jetzt, durch verstärkte Förderung des sozialen Wohnungsbaues, soziale Spannungen abzubauen sind, die sich durch die nach Auffassung der Bundesregierung zu frühzeitige Beendigung der Wohnungsbewirtschaftung und durch die Einschränkung der Förderung des sozialen Wohnungsbaues ergeben haben. Auch bei dieser Frage sind zwei Klarstellungen erforderlich. 1. Aus der bereits erwähnten Übersicht in der Antwort auf die Frage des Abgeordneten Müller — die Übersicht ist Ihnen sicher bekannt — ergibt sich, daß die Fertigstellungen im sozialen Wohnungsbau, wenn man den ersten und den zweiten Förderungsweg zusammennimmt, keineswegs von Jahr zu Jahr drastisch abgenommen haben. Den zweiten Förderungsweg muß man deshalb einbeziehen, weil der Gesetzgeber selbst mit dem Wohnungsbauänderungsgesetz 1965 die Grundlage für die Zweiteilung des sozialen Wohnungsbaues gelegt hat. 2. Die Feststellung in der von Ihnen angezogenen Anzeige, daß die Förderung des sozialen Wohnungsbaues eingeschränkt wurde, bezieht sich eindeutig auf die Förderungs- und nicht auf die Fertigstellungsergebnisse, die Veränderungen in der Förderung erst mit einer Phasenverschiebung von 1 bis 2 Jahren widerspiegeln. Die Bewilligungen haben sich aber wie folgt entwickelt: Während 1964 noch Bewilligungen für 260 000 Sozialwohnungen erteilt werden konnten, wurde 1966 mit 172 000 Sozialwohnungen ein Tiefstand erreicht. Es gelang uns, dieses Tief durch die Konjunkturprogramme zu überwinden; 1967 wurden wieder fast 200 000, 1968 204 000 Wohnungen gefördert. Nach Abwicklung der Konjunkturprogramme mußte erneut in Erscheinung treten, daß für die Förderung des sozialen Wohnungsbaues von seiten des Bundes nur noch geringe Mittel zur Verfügung standen. Das aber spiegelt nur die Tatsache wider, daß die Förderung des sozialen Wohnungsbaues, was den Bund angeht 1966 dem Nullpunkt nahe war. Niemand kann bestreiten, daß der soziale Wohnungsbau innerhalb der Politik der damaligen Bundesregierung keine Priorität mehr genoß. Dies zeigt sich im § 18 II. Wohnungsbaugesetz, der vorsieht, daß nach einer Bereitstellung von 700 Millionen DM im Jahr 1957 dieser Betrag jährlich um 70 Millionen DM verringert werden sollte, Aufgrund der Defizitrechnung nach dem Lückeplan herrschte offensichtlich die Auffassung vor, daß der soziale Wohnungsbau nach weitgehender Deckung des rechnerischen Defizits auf ein niedrigeres Volumen zurückgeführt werden könne. Erst die jetzige Bundesregierung hat dem sozialen Wohnungsbau durch das langfristige Wohnungsbauprogramm wieder einen höheren Stellenwert gegeben. So ist vorgesehen, den Gesamtplafond des Haushaltes des Städtebauministeriums von 1970 auf 1971 um 36 % aufzustocken. Nachdem im Haushalt 1970 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 77. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. November 1970 4331 1,921 Mrd. DM bereitgestellt waren, sind in der mittelfristigen Finanzplanung für 1974 3,7 Mrd. DM für die Gesamtausgaben unseres Hauses angesetzt. Auch die Zahlen der Darlehensbereitstellung untermauern die in der von Ihnen herangezogenen Anzeige gemachte Aussage. 1961 stellte der Bund für den sozialen Wohnungsbau 1,344 Mrd. DM an Darlehen bereit, 1966 waren es nur noch 238 Millionen DM. Der Haushalt 1971 sieht eine Bereitstellung von 742 Millionen DM, also eine Verdreifachung gegenüber 1966, vor. Genau dies sollte in der Zeitungsanzeige herausgestellt werden. Anlage 21 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. von Dohnanyi vom 5. November 1970 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dichgans (Drucksache VI/1339 Fragen A 106 und 107) : Ist die Bundesregierung bereit, bei der Konferenz der Kultusminister eine Prüfung der Frage anzuregen, ob das Studium der Betriebswirtschaft dadurch praxisnäher gestaltet werden könnte, daß ein Semester entweder obligatorisch oder vorerst wahlweise in einem großen Unternehmen verbracht werden kann, das bereit ist, ein auf das Ausbildungsprogramm der Fakultät zugeschnittenes praktisches Programm zu organisieren, nach dem Muster der „Lehrkrankenhäuser", die neuerdings in die Ausbildung der Medizinstudenten einbezogen worden sind? Ist die Bundesregierung bereit, im gleichen Sinne eine Prüfung anzuregen, ob die zahlreich bestehenden Fortbildungseinrichtungen für junge Leute aus der Unternehmenspraxis dadurch einen höheren Status erhalten, daß sie für den Fall der Einhaltung vorgeschriebener Bedingungen für die bei ihnen abzulegenden Prüfungen staatlich anerkannte Zeugnisse ausstellen dürfen? Der Vorschlag wirft eine Reihe von Fragen auf, mit denen sich bereits vor Jahren der Fachausschuß für Wirtschaftswissenschaften der Kommission für Studien- und Prüfungsordnungen der Westdeutschen Rektorenkonferenz und der Kultusministerkonferenz beschäftigt hat. Ein Ergebnis wurde nicht erzielt. Die Bundesregierung hat keinen unmittelbaren Einfluß auf akademische Studiengänge, die mit Hochschulprüfungen abschließen, da die DiplomPrüfungsordnungen von den Fakultäten beschlossen und den Kultusministerien genehmigt werden. Sie wird den Vorschlag dem Fachausschuß für Wirtschaftswissenschaften der vorhin erwähnten Kommission erneut zur Kenntnis bringen. Auch bei dem zweiten Vorschlag stellen sich einige Fragen, die einer eingehenden Prüfung bedürfen, bevor eine abschließende Antwort hierauf möglich ist. Anlage 22 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Moersch vom 6. November 1970 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Rollmann (Drucksache VI/1339 Fragen A 119 und 120) : Welches konkrete Verhandlungsziel verfolgt die Bundesregierung hinsichtlich einer Ausreiseerleichterung und des Status der in der Volksrepublik Polen lebenden Deutschen? Ist die Bundesregierung bereit, den geplanten Vertrag mit der Volksrepublik Polen auch dann zu unterschreiben, wenn die polnische Regierung eine gleichzeitige gerechte Lösung für die in der Volksrepublik Polen lebenden Deutschen ablehnen sollte? Bekanntlich werden in dieser Woche durch den Bundesminister des Auswärtigen in Warschau Verhandlungen mit der polnischen Regierung über die Grundlagen der Normalisierung der beiderseitigen Beziehungen geführt. Ihre Fragen, Herr Abgeordneter, beziehen sich genau auf diese laufenden Verhandlungen. So berechtigt das Interesse an diesem Themenkreis ist, so wenig kann es der Sache dienen, wenn eine Regierung, die in Verhandlungen steht, zur gleichen Zeit hier Festlegungen trifft. Ich bitte also um Verständnis dafür, daß ich mich auf die Antwort beschränke, daß die Bundesregierung das ihr in diesen Fragen möglich und notwendig Erscheinende tun wird. Anlage 23 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Moersch vom 5. November 1970 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Müller (Berlin) (Drucksache VI/1339 Fragen A 125 und 126) : In welcher Form ist das Land Berlin bei dem jüngsten Abschluß des Handelsabkommens zwischen Ungarn und der Bundesrepublik Deutschland in dieses einbezogen worden? Inwieweit unterscheidet sich diese Form der Einbeziehung Berlins in das Handelsabkommen von der bisher üblichen? Es ist der erklärte Wille und die Verpflichtung der Bundesregierung, Berlin in alle völkerrechtlichen Vereinbarungen der Bundesrepublik Deutschland einzubeziehen, soweit keine von den Aliierten vorbehaltenen Sachgebiete betroffen sind. Berlin ist in das am 27. Oktober d. J. unterzeichnete deutschungarische Abkommen über den Warenverkehr und die Zusammenarbeit auf wirtschaftlichem und technischem Gebiet in der gleichen Weise einbezogen worden wie dies in den Abkommen mit den ost- und südosteuropäischen Staaten auch von früheren Bundesregierungen praktiziert worden ist. Im übrigen möchte ich hinzufügen, daß die Form der Einbeziehung Berlins dem mit den Alliierten und dem Senat von Berlin abgestimmten Verfahren entspricht. Anlage 24 Zusätzliche Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Moersch vom 6. November 1970 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Rutschke (Drucksache VI/ 1253 Fragen B 1 und 2 1): *) Siehe 74. Sitzung, Seite 4119 B (Einfügen auf Seite 4119 C nach Zeile 8) 4332 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 77. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. November 1970 Ich möchte Sie um Verständnis bitten, daß ich mich gegenwärtig zum Inhalt deutsch-polnischer Verhandlungen nicht äußern möchte. Dies wäre wahrscheinlich auch dem von Ihnen angesprochenen Anliegen kaum dienlich. Soviel kann ich jedoch sagen: Die Bundesregierung hält die Erwartung für berechtigt, daß die Bemühungen um eine Normalisierung der deutsch-polnischen Beziehungen und um eine Aussöhnung zwischen dem deutschen und dem polnischen Volk auch zu Verbesserungen für die in Polen verbleibenden Personen deutscher Muttersprache führen werden. Anlage 25 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Moersch vom 4. November 1970 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Rollmann (Drucksache VI/ 1339 Frage B 1): Zahlt die Regelung der Probleme der in der Volksrepublik Polen lebenden Deutschen zu den Verhandlungszielen der Bundesregierung im Zusammenhang mit dem geplanten deutschpolnischen Vertrag? Die von Ihnen erwähnte Problematik zählt zu den wesentlichen Themen der Verhandlungen, die der Herr Bundesminister des Auswärtigen zur Zeit in Warschau führt. Es geht dabei im wesentlichen um zwei Bereiche, nämlich um die Ausreisemöglichkeiten für Deutsche im Rahmen der Familienzusammenführung und die Verbesserung der Lage der verbleibenden Deutschen. Vor allem der zweite Bereich wirft eine Fülle schwieriger und heikler Fragen auf. Auch wenn die Verhandlungen insoweit zu Ergebnissen führen, wird es notwendig sein, sich weiterhin mit diesen Komplexen ständig zu befassen. Denn offensichtlich kann schon vom notwendigen Zeitablauf her nicht erwartet werden, die Probleme mit einem Schlag zu lösen. Anlage 26 Schriftliche Antwort des Bundesministers Genscher vom 3. November 1970 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Lemper (Drucksache VI/1339 Fragen B 2 und 3) : Beabsichtigt die Bundesregierung, den beamtenrechtlidien Status der Rechtspfleger, der im Rechtspflegergesetz vom 5. November 1969 nicht geregelt wurde, durch eine Novellierung dieses Gesetzes festzulegen, und ist sie bereit, den Rechtspflegerberuf als Sonderlaufbahn gemäß § 53 Abs. 2 des Bundesbesoldungsgesetzes anzuerkennen, oder, falls die Einführung der Sonderlaufbahn wegen der bevorstehenden Ämterbewertung noch nicht möglich ist, die Schaffung einer Amtszulage als Übergangslösung zu gewähren? Hält die Bundesregierung die Einstufung der Rechtspfleger in A 9 als Eingangsamt nach Inkrafttreten des Rechtspflegergesetzes vom 5. November 1969 noch für gerechtfertigt, obwohl mit diesem Gesetz ab 1. Juli 1970 weitere richterliche Aufgaben in erheblichem Umfang übertragen wurden, die bisher von Kräften der Besoldungsgruppen A 13, A 14, A 15 wahrgenommen wurden, oder ist die Bundesregierung vielmehr bereit, als Eingangsamt jetzt mindestens die Besoldungsgruppe A 11 mit automatischer Durchstufung nach A 12 (ab 8. Stufe) und weitere Beförderungsmöglichkeiten nach A 13 und A 14 zu schaffen? Durch das neue Rechtspflegergesetz vom November vergangenen Jahres und die dazu ergangene Novelle vom Juni dieses Jahres haben sich die Aufgaben des Rechtspflegers geändert. Es liegt daher nahe zu fragen, ob und ggf. welche Folgerungen hieraus für die Besoldung dieser Beamten zu ziehen sind. Die Bundesregierung wird sich mit dieser Frage im Zusammenhang mit den Vorschlägen zur Fortführung ,der Besoldungsneuregelung befassen, die der Innenausschuß von ihr erbeten hat. Sie wird in ihre Überlegungen für ein Gesamtkonzept zur Besoldung auch andere Forderungen auf Besoldungspräferenzen für bestimmte Beamtengruppen einbeziehen müssen. Ich erwähne die graduierten Ingenieure und die Steuerbeamten, die sich ebenfalls auf gesteigerte Berufsanforderungen berufen. Eine bindende Aussage über einen Teilbereich des künftigen Entwurfs ist mir gegenwärtig nicht möglich. Ich bitte, die Vorschläge der Bundesregierung abzuwarten. Anlage 27 Schriftliche Antwort des Bundesministers Genscher vom 4. November 1970 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Niegel (Drucksache VI/1339 Fragen B 4 und 5) : Welche finanziellen und technischen Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, um die Bevölkerung des Stadt- und Landkreises Forchheim künftig von der Verwesungsgeruchbelästigung der auch im öffentlich-hygienisch überregionalen Interesse tätigen Knochenverwertungsfabrik Seltsam F. Nachfolger in Forchheim zu befreien? Gibt es im Bundesgebiet oder im benachbarten Ausland derartige Tierkörper- oder Knochenverwertungsanstalten, die völlig geruchfrei arbeiten? In den letzten Jahren sind der Bundesregierung zahlreiche Beschwerden über üble Gerüche aus Tierkörperverwertungsanstalten zugegangen. Diese Beschwerden waren für die Bundesregierung Anlaß, die technischen Möglichkeiten der Geruchsbeseitigung untersuchen zu lassen. Als Ergebnis dieser Untersuchungen kann etwa folgendes festgestellt werden. Es ergeben sich heute viele Möglichkeiten, durch Änderung der Verfahrenstechnik oder durch Anwendung der Geruchsminderung dienender Verfahren die Emissionen aus Tierkörperverwertungsanstalten soweit zu vermindern, daß bei einem ordnungsmäßigen Betrieb erhebliche Geruchsbelästigungen nicht auftreten. Diese Verfahren sind bei der Neuerrichtung von Tierkörperverwertungsanstalten auch wirtschaftlich zumutbar. Inwieweit Auflagen zum nachträglichen Einbau von Luftreinhalteanlagen bei bestehenden Anlagen wirtschaftlich vertretbar sind, hängt von den besonderen betrieblichen und örtlichen Verhältnissen der Anlagen ab. Die Bundesregierung hat im Jahre 1965 mit einem namhaften zinsverbilligten Kredit die Modernisie- Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 77. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. November 1970 4333 rung des Betriebes in Forchheim unterstützt. Aus Ihrer Anfrage entnehme ich, daß die Modernisierung der Anlage nicht ausgereicht hat, die Belästigung der Nachbarschaft zu beseitigen. Da der Betrieb mitten im Wohngebiet der Stadt Forchheim liegt, ist es zweifelhaft, ob eine weitere finanzielle Unterstützung noch sinnvoll ist. Ich bin der Ansicht, daß grundsätzlich Tierkörperverwertungsanstalten bzw. Knochenverwertungsanstalten nicht in ,der Nähe dichtbesiedelter Gebiete stehen sollten. Dieser Grundsatz wurde auch in die 2. Durchführungsverordnung zum Tierkörperbeseitigungsgesetz übernommen. Nach den im In- und Ausland gewonnenen Erfahrungen gibt es bis jetzt noch kein Verfahren, das die völlige Beseitigung der mit einem solchen Betrieb zwangsläufig verbundenen Gerüche ermöglicht. Anlage 28 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Reischl vom 3. November 1970 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Müller (Berlin) (Drucksache VI/1339 Fragen B 6 und 7) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß ein Berliner Arbeitnehmer, auf dessen Lohnsteuerkarte Freibeträge für vier Kinder bescheinigt sind und der während des ganzen Jahres 1970 im Monat 2840 DM verdient, nach dem Berlinhilfegesetz zusätzlich 393,60 DM Berlinzulage und außerdem 1056 DM Kinderzulagen (4 X 22 X 12), also insgesamt 1449,60 DM jährlich erhält, während der gleiche Arbeitnehmer infolge der Geburt eines weiteren Kindes im Januar 1970 und einer geringfügigen Erhöhung seines Bruttoarbeitslohns, die den Betrag von 2840 DM monatlich übersteigt, für das ganze Jahr die Kinderzulagen in Höhe von bisher 1056 DM und außerdem die Berlinzulage nach altem Recht in Höhe von 393,60 DM verliert, also im Jahr insgesamt 1449,60 DM? War die in Frage 6 dargestellte Auswirkung gewollt, oder was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um diese zweifellos bestehende Härte zu beseitigen? Es ist der Bundesregierung bekannt, daß ein Berliner Arbeitnehmer im Kalenderjahr 1970 keine Berlinzulage alter Art zuzüglich der neu eingeführten Kinderzuschläge erhält, wenn sein Bruttoarbeitsverdienst im Monat 2840 DM übersteigt. Dies hängt damit zusammen, daß der Kinderzuschlag, dessen Gewährung einen Vorgriff auf die ab 1. Januar 1971 wirksame Neukonzeption des Berlinförderungsgesetzes darstellt, an die Voraussetzungen der Gewährung der Berlinzulage alter Art geknüpft worden ist. Die rückwirkende Einführung des Kinderzuschlags ab 1. Januar 1970 durch das Änderungsgesetz vom 23. Juni 1970 konnte verwaltungsmäßig sowohl von den Finanzbehörden wie von den Arbeitgebern nur dann bewältigt werden, wenn sich die mit der Wiederaufrollung verbundene Arbeit auf die Zulagenfälle nach altem Recht beschränkte. Für die beschränkte Einführung des Kinderzuschlags waren auch haushaltsmäßige Überlegungen maßgebend. Außerdem erschien die Beschränkung des Kinderzuschlags auf die kleinen und mittleren Einkommensbezieher aus konjunkturellen Gründen nicht unerwünscht. Daß jemand staatliche Vergünstigungen bei geringfügigem Überschreiten bestimmter Einkommensgrenzen nicht mehr erhält, während er sie noch erhalten würde, wenn er geringfügig unter der Einkommensgrenze bliebe, ist eine Folge, die sich auch in vielen anderen Gesetzen über staatliche Sonderzuwendungen auswirkt (z. B. beim Wohngeldgesetz). Die Formulierung Ihrer Frage gibt mir darüber hinaus Anlaß darauf hinzuweisen, daß ein Arbeitnehmer die von Ihnen aufgeführten Vergünstigungen erst von dem Lohnzahlungszeitraum (Monat) ab verliert, in dem sein Bruttoarbeitsverdienst den Betrag von 2840 DM überschreitet. Ein rückwirkender Verlust der gewährten Vergünstigungen, der nach der Formulierung Ihrer Frage als möglich erscheint, ist nach dem Gesetz nicht vorgesehen. Aus der Antwort zu Frage 6 ergibt sich schon, daß die in Frage 6 dargestellte Auswirkung für das Kalenderjahr 1970 gewollt ist. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß eine darin liegende gewisse Härte, die bei einem Bruttoarbeitsverdienst im Monat von über 2840 DM jedoch nicht überschätzt werden darf, für dieses eine Jahr von den betroffenen Berliner Arbeitnehmern aus den vorstehend aufgeführten Gründen in Kauf genommen werden muß. Anlage 29 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Reischl vom 3. November 1970 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Jenninger (Drucksache VI/1339 Fragen B 8 und 9) : Treffen Pressemeldungen zu, wonach die Bundesregierung angeblich bei der Neuanschaffung von Pkws weitgehend nur nodi eine Automarke berücksichtigt? Kann die Bundesregierung Mitteilung darüber machen, in welchem Verhältnis bei der Neuanschaffung von Pkws auch andere Automarken Berücksichtigung finden? Es trifft nicht zu, daß die Bundesregierung bei der Neuanschaffung von Kraftfahrzeugen weitgehend nur noch eine Automarke berücksichtigt. Wie sich aus den Haushaltstechnischen Richtlinien des Bundes (HRB) Abschn. Sonstige Ausgaben für Investitionen Ziff. 1 Tit. 811 01 ergibt, steht es allen Ressorts frei, Kraftfahrzeuge aller Art nach den dienstlichen Erfordernissen zu beschaffen. In der Liste der Richtpreise (Anl. zu HRB Abschn. Sonstige Ausgaben für Investitionen) sind 118 Kraftfahrzeuge von 9 Kraftfahrzeugherstellern aufgeführt. Zur Vermeidung nicht vertretbarer Unterschiede bei der Beschaffung von Dienstkraftfrahrzeugen für leitende Persönlichkeiten des Bundes nach Hubraum und Listenpreis hat der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages in seiner Sitzung am 2. Juli 1969 auf Vorschlag des Bundesministers der Finanzen lediglich gewisse Höchstgrenzen für die Beschaffung von Dienstkraftfahrzeugen festgesetzt. Daß in diesem Beschluß als Anhaltspunkt Kraftfahrzeuge eines bestimmten Herstellers aufgeführt sind, bedeutet keine Empfehlung zur bevorzugten Beschaffung dieser Kraftfahrzeuge, vielmehr ist ausdrücklich gesagt 4334 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 77. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. November 1970 worden, daß neben Fahrzeugen dieses Herstellers gleichwertige andere Fahrzeuge beschafft werden dürfen. Es handelt sich lediglich um eine Empfehlung nach einem Hubraum-/Preisschlüssel. Der Anteil der einzelnen Kraftfahrzeuge an den Dienstkraftfahrzeugen des Bundes richtet sich bei den Fahrzeugen für die leitenden Persönlichkeiten des Bundes nach den Wünschen dieser Herren. Bei der Frage, welche Dienstkraftfahrzeuge für die Fahrbereitschaften der Ministerien und für die übrigen Dienststellen des Bundes beschafft werden, spielt der laufende Modellwechsel eine wesentliche Rolle. Hersteller, die in bestimmten Jahren keine nach Hubraum und Preis den Anforderungen entsprechenden Fahrzeuge auf den Markt bringen, können bei der Beschaffung keine Berücksichtigung finden. Das führt dazu, daß zeitweise bestimmte Hersteller bei der Neubeschaffung von Fahrzeugen stärker berücksichtigt werden als andere. Anlage 30 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatsekretärs Dr. Reischl vom 3. November 1970 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Weigl (Drucksache VI/1339 Frage B 10) : Trifft es zu, daß der Bundesminister der Finanzen die Änderungen von Steuervorschriften zur Erleichterung einer Bildung von landwirtschaftlichen Erzeugergemeinschaften sowie forstlichen Zusammenschlüssen erst in einigen Jahren regeln will? Die steuerlichen Probleme, die bei der Bildung der landwirtschaftlichen Erzeugergemeinschaften und der forstwirtschaftlichen Zusammenschlüsse auftreten, können nicht losgelöst von dem Gesamtproblem der steuerlichen Behandlung von land- und forstwirtschaftlichen kooperativen Zusammenschlüssen betrachtet werden; wegen des Sachzusammenhangs müssen diese Probleme einheitlich geklärt werden. Bei der von Ihnen vorgetragenen Frage handelt es sich zweifellos nicht nur um ein steuerpolitisches, sondern auch um ein agrarpolitisches Problem von großer Bedeutung. Es ist sicherlich notwendig, daß die damit zusammenhängenden Fragen auf dem Gebiet des Steuerrechts möglichst bald einer Klärung zugeführt werden. Entsprechende Verhandlungen mit dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sind seit langem im Gange. Es läßt sich zur Zeit noch nicht mit Sicherheit sagen, zu welchem Ergebnis diese führen. Die Angelegenheit wird jedoch wegen ihrer besonderen Bedeutung auch weiterhin vordringlich behandelt werden. Anlage 31 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Reischl vom 3. November 1970 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Höcherl (Drucksache VI/1339 Frage B 11) : Treffen Pressemeldungen zu, wonach die Verkehrssteuern erhöht werden müssen, um den Verkehrsausbau für die 80er Jahre zu finanzieren? Zu dem von Ihnen in Ihrer Frage benutzten Begriff der Verkehrssteuern gehe ich davon aus, daß Sie darunter, abweichend von der üblichen Terminologie, die teilweise für den Straßenbau zweckgebundene Mineralölsteuer sowie die Kraftfahrzeugsteuer verstanden wissen wollen. Das Aufkommen aus Mineralölsteuer und Kraftfahrzeugsteuer gehört zu den allgemeinen Haushaltsmitteln, die in ihrer Höhe vom Bedarf an Verkehrsbauten nicht abhängig sind. Sofern Sie mit „Verkehrsausbau für die 80er Jahre" den heute schon bestehenden Bedarf an Ausbauten meinen, der auch in den 80er Jahren noch wirksam wäre, ist einzuräumen, daß der Bedarf zur Zeit die Mittel übersteigt, die im Bundeshaushalt bereitgestellt werden können. Erhöhungen der oben genannten Steuern wären jedoch nur eine der Möglichkeiten, um mit diesen Schwierigkeiten fertig zu werden. Anlage 32 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Reischl vom 3. November 1970 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Höcherl (Drucksache VI/1339 Frage B 12) : Wie erklärt sich die Bundesregierung die Widersprüche, nach denen einmal die Steuerlastquoten erhöht werden sollen und zum anderen führende Mitglieder der Koalitionsparteien in der Öffentlichkeit äußern, daß die Steuerlastquote bis 1973 nicht erhöht werden soll? Die volkswirtschaftliche Steuerquote für das Jahr 1969 in Höhe von 24,13 v. H. gilt seit der Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969 als Richtschnur in der Diskussion um eine Erhöhung der Steuerquote. Da die vom Arbeitskreis „Steuerschätzungen" zuletzt ermittelten volkswirtschaftlichen Steuerquoten für die Jahre 1970 bis 1974 unter der von 1969 liegen, hat Herr Bundesminister der Finanzen in seiner Haushaltsrede vor dem Deutschen Bundestag am 23. September 1970 darauf hingewiesen, daß das Problem darin besteht, wie die volkswirtschaftlichen Steuerquoten auf dem Stand des Jahres 1969 gehalten werden können. Es sei hier nochmals angemerkt, daß bei Bund, Ländern und Gemeinden in den Jahren 1970 bis 1974 allein wegen des Zurückbleibens der volkswirtschaftlichen Steuerquoten hinter dem Stand von 1969 Steuerausfälle von insgesamt 12,6 Mrd. DM entstehen würden. Soweit von einer Erhöhung der volkswirtschaftlichen Steuerquoten in der 6. Legislaturperiode auf den Stand von 1969 gesprochen und gleichzeitig geäußert wird, daß die Steuerquoten bis 1973 nicht den Stand von 1969 überschreiten sollen, kann hierin kein widersprüchliches Verhalten gesehen werden. Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 77. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. November 1970 4335 Anlage 33 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Reischl vom 3. November 1970 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Baier (Drucksache VI/ 1339 Frage B 13) : Wird der Bundesminister der Finanzen bei einer Zusammenlegung der Oberfinanzdirektionen Karlsruhe und Freiburg die Tatsachen würdigen, daß Karlsruhe der geographische und wirtschaftliche Mittelpunkt dieses Raumes ist und im Hinblick auf eine rationelle Verwaltungsführung und reibungslose Unterbringung der vereinigten Oberfinanzdirektion und deren Bediensteten die notwendigen Voraussetzungen bietet, und wird er sich deshalb für den künftigen Sitz der neuen Oberfinanzdirektion in Karlsruhe entscheiden? Herr Finanzminister Gleichauf hat sich vor einiger Zeit wegen einer Zusammenlegung der Oberfinanzdirektionen Karlsruhe und Freiburg an Herrn Bundesminister Dr. Möller gewandt. Dieser hat ihm sein volles Verständnis für die Erwägungen der Landesregierung bekundet und ein Gespräch über die Angelegenheit vorgeschlagen. Diese Unterredung steht noch aus. Bei der Erörterung des gesamten Fragenkomplexes werden mit Sicherheit auch die in Ihrer Anfrage hervorgehobenen Gesichtspunkte eine Rolle spielen. Im übrigen bleibt abzuwarten, welche Vorstellungen das Land entwickeln wird. Ich bitte um Verständnis dafür, daß ich heute von einer Stellungnahme absehe, um dem zu erwartenden Gespräch nicht vorzugreifen. Anlage 34 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Rosenthal vom 5. November 1970 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Schmitt-Vockenhausen (Drucksache VI/ 1339 Frage B 14) : Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die von mindestreservepflichtigen Kreditinstituten unterhaltenen Kassenbestände auf das bei der Deutschen Bundesbank zu erfüllende Mindestreserve-Soll anzurechnen, um den Schwierigkeiten und den Überfallrisiken in der Geldversorgung insbesondere der an Nichtbankplätzen gelegenen Institute in rationeller Weise zu begegnen? Die Entscheidung über die Anrechnung der Kassenbestände der Kreditinstitute auf die bei der Deutschen Bundesbank zu haltenden Mindestreserven liegt beim Zentralbankrat der Deutschen Bundesbank. Er hält die Anrechnung grundsätzlich für gerechtfertigt und prüft sie zur Zeit nach der rechtlichen und technischen Seite hin. Nach Auskunft der Bundesbank berührt die Anrechnung einige komplizierte technische Fragen, die über die eigentliche Mindestreservehaltung hinausgehen, nämlich Geldbearbeitung bei den Kreditinstituten (Aussortieren von Falschgeld, unbrauchbare Noten), Sicherheit und Kapazität der Tresorräume, Versicherungsprämien für höhere Kassenbestände und dergleichen. Nach dem Ergebnis der bisherigen Überlegungen erscheint es nicht von vornherein sicher, daß die Anrechnung der Kassenbestände zu einer wesentlichen Verringerung der Geldtransporte führt. Die Kreditinstitute sind im übrigen nicht einhellig der Meinung, daß die Kassenbestände angerechnet werden sollen, da im zutreffenden Falle das sog. Nebenplatzprivileg (niedrigere Reservesätze für Kreditinstitute an Nebenplätzen) wahrscheinlich fortfallen muß. Anlage 35 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Rosenthal vom 5. November 1970 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dichgans (Drucksache VI/1339 Fragen B 15 und 16) : Welche Bedenken hat die Bundesregierung dagegen, die Bandbreiten im Austausch der Währungen der Europäischen Gemeinscnaften untereinander sofort abzuschaffen, ohne zugleich die Möglichkeit einer Änderung des Wechselkurses durch Aufwertung oder Abwertung auszuschließen? Aus welchen Gründen hat die Bundesregierung bisher darauf verzichtet, die Ausgabe von europäischen Münzen zu betreiben, die vom Europäischen Parlament schon vor Jahren als sichtbares Zeichen der europäischen Einigung gefordert worden sind? Zur Frage 15: Die Bundesregierung hält eine sofortige Beseitigung der Bandbreiten zwischen den Währungen der Mitgliedsländer der Gemeinschaft für verfrüht. Bei dem heutigen Stand der Integration ist nicht auszuschließen, daß sich die Wirtschaftslage und die Zahlungsbilanzen der einzelnen Mitgliedsländer noch sehr unterschiedlich entwickeln. In einem solchen Fall ist es wünschenswert, daß die Notenbanken ihre Interventionspolitik auf den Devisenmärkten soweit wie möglich noch entsprechend der eigenen Zahlungsbilanzentwicklung einsetzen, um übermäßige Devisenzu- oder -abflüsse zu verhindern. Eine solche Politik wäre aber nicht mehr möglich, wenn eine Bandbreite zwischen der Gemeinschaftswährung nicht mehr besteht und diese daher nur noch gemeinsam gegenüber dem Dollar im Rahmen der zulässigen Kassa-Bandbreiten schwanken können. Außerdem würde durch eine Beseitigung der Bandbreiten auch der Spielraum für eine an der jeweiligen konjunkturellen Situation ausgerichteten Zinspolitik verlorengehen. Gegenwärtig können in den Mitgliedstaaten noch unterschiedliche Zinsniveaus aufrechterhalten werden, weil kurzfristigen Kapitalbewegungen zur Ausnutzung von Zinsunterschieden die mit den Schwankungen innerhalb der Bandbreite verbundenen Kursrisiken entgegenstehen. Die Beseitigung der Bandbreiten würde eine Vereinheitlichung der Zinsniveaus erzwingen und damit die Möglichkeiten einer Stabilitätspolitik im nationalen Rahmen einschränken. In dem Maße, wie es gelingt, zu einer stärker gleichgerichteten Wirtschaftsentwicklung zu kommen, dürfte es jedoch möglich sein, schrittweise die Bandbreiten zwischen den Gemeinschaftswährungen zu verringern und später auch gänzlich zu beseitigen. Der Werner-Bericht sieht dies bereits vor. Zur Frage 16: 4336 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 77. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. November 1970 Die Bundesregierung hat — wie auch die übrigen Mitgliedsländer der Gemeinschaft — die Empfehlung des Europäischen Parlaments vom 28. 11. 1966, europäische Münzen zu prägen, nicht aufgegriffen, weil eine solche Münze den Zahlungsverkehr innerhalb der Gemeinschaft gegenwärtig nicht erleichtern würde. Eine europäische Münze würde in der Mehrzahl der EWG-Länder notwendigerweise in einer „krummen" Relation zur jeweiligen Landeswährung stehen, die eine Umrechnung kompliziert machen würde. Dadurch würde die europäische Münze im größeren Teil des EWG-Gebietes für den täglichen Gebrauch unhandlich. Selbst im grenzüberschreitenden Reiseverkehr wäre die Münze nur von geringem Nutzen. Von den in Betracht kommenden Zahlungen könnte nur ein kleiner Teil in Münzen geleistet werden. Eine europäische Münze wäre im übrigen, solange noch Paritätsänderungen innerhalb der Gemeinschaft möglich sind, mit der Unsicherheit belastet, daß sich ihr Wert gegenüber einzelnen Mitgliedswährungen verändern kann. Es ist daher sehr fraglich, ob sich die positiven psychologischen Wirkungen, die man sich von einer europäischen Münze verspricht, tatsächlich einstellen würden. Auf jeden Fall würde sich eine Reihe zusätzlicher Probleme ergeben. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß es wichtiger ist, durch eine zunehmende Koordinierung und Harmonisierung der Wirtschaftspolitik zu einer Wirtschafts- und Währungsunion zu kommen, die dann ,die Einführung einer europäischen Währung erlauben wird. Dies ist auch der tragende Gedanke des jetzt abgeschlossenen Werner-Berichts über die stufenweise Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion in der Gemeinschaft. Anlage 36 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Logemann vom 27. Oktober 1970 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Kiechle (Drucksache VI/1339 Fragen B 17 und 18) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß durch die erheblichen Unkostensteigerungen der jüngsten Vergangenheit die Be- und Verarbeitungskosten der Molkereien in der Bundesrepublik Deutschland bis zu 2 Pfennige pro Liter gestiegen sind? Welche konkreten Schritte wird die Bundesregierung unternehmen, um zu verhindern, daß die Molkereibetriebe gezwungen werden, diese Unkostensteigerungen ganz oder teilweise auf die ohnehin unter Kostendruck stehenden Milcherzeuger abzuwälzen? Der Bundesregierung ist bekannt, daß auch in der Molkereiwirtschaft die Kosten gestiegen sind. Über das Ausmaß dieser Kostensteigerungen liegen der Bundesregierung jedoch z. Z. keine genauen Unterlagen vor. Je nach Größe, Verwertungsrichtung, technischer Einrichtung, Auslastung der Molkereien etc. dürften auch erhebliche Unterschiede bestehen, die eine generelle Aussage kaum möglich machen. Die Bundesregierung wird sich auch weiterhin bemühen, durch Förderung von Rationalisierungsmaßnahmen in der Molkereiwirtschaft Kostensteigerungen aufzufangen bzw. Kostensenkungen zu ermöglichen. Wegen der besonderen Kostenerhöhungen bei Trinkmilch ist von den Vertretern der deutschen Milchwirtschaft eine Erhöhung des Trinkmilchpreises — der bisher als Festpreis staatlich festgesetzt wird — beantragt worden. Die Bundesregierung prüft zur Zeit die von der deutschen Milchwirtschaft vorgelegten Unterlagen über die Kostensituation bei Trinkmilch. Vorn Ergebnis dieser Prüfung wird es abhängen, in welchem Umfang eine Trinkmilchpreiserhöhung erforderlich ist. Anlage 37 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Westphal vom 3. November 1970 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Wende (Drucksache VI/1339 Frage B 19) : Ist die Bundesregierung bereit, im Zusammenhang mit dem Durchführungsgesetz zur EWG-Weinmarktordnung die entsprechenden Bestimmungen im deutschen Weingesetz, insbesondere bei dessen § 97 Abs. 5, so rechtzeitig zu ändern, daß für die deutsche Weinwirtschaft angesichts der zu erwartenden großen Ernte dieses Jahres die Übergangsfrist über den 20. Juli 1971 hinaus verlängert werden könnte? Die Bundesregierung ist bemüht, das zur Durchführung der EWG-Weinmarktorganisation notwendige Durchführungsgesetz in möglichst kurzer Frist ,den gesetzgebenden Körperschaften zuzuleiten. Die Vorarbeiten hierzu sind im Gange. Es ist beabsichtigt, den Entwurf noch vor Weihnachten mit den Ressorts und den zu beteiligenden Wirtschaftskreisen abzustimmen. Ziel des Gesetzes wird sein: 1. Ausschöpfung der Ermächtigungen der EWGWeinmarktorganisation an die Mitgliedstaaten, 2. Anpassung des Weingesetzes 1969 an die von der EWG geschaffenen Rechtslage und 3. Strafbewehrung der einzelnen bisher noch nicht erfaßten neuen Tatbestände der EWG-Weinmarktorganisation. Im Rahmen ,der Anpassung des Weingesetzes 1969 an die veränderte Rechtslage werden eine Reihe der durch die EWG-Weinmarktorganisation noch nicht außer Kraft gesetzten Regelungen überprüft werden müssen. Hierzu gehört auch § 97 Weingesetz 1969, und zwar in seiner Gesamtheit. Nachdem zunächst für die Ernte 1970 durch die am 26. August 1970 vom Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit und den Ländern getroffene Absprache über die Bereitung und Behandlung der Weine des Jahrgangs 1970 eine zufriedenstellende Übergangslösung gefunden werden konnte, wird durch eine entsprechende Anpassung des neuen Weingesetzes auch auf die weiteren Belange der großen Ernte des Jahrgangs 1970 in geeigneter Weise Rücksicht zu nehmen sein. Im Hinblick auf § 97 Abs. 5 Weingesetz 1969 läßt sich jedoch bereits jetzt schon die Feststellung treffen, daß diese Vorschrift durch die Regelungen der EWG-Weinmarktordnung für das Erzeugnis Wein im Ergebnis weitgehend überholt ist, indem an die Stelle nationalen Weinrechts, dessen Einhaltung § 97 Abs. 5 zur Voraussetzung erhebt, nunmehr weitgehend Gemeinschaftsrecht getreten ist. Dies Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 77. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. November 1970 4337 hat in der Praxis zur Folge, daß § 97 Abs. 5 Weingesetz 1969 voraussichtlich keine nennenswerten Auswirkungen mehr für die deutsche Weinwirtschaft haben wird. Detailliertere Feststellungen werden jedoch erst dann getroffen werden können, wenn die Vorarbeiten zum Entwurf des Durchführungsgesetzes Ende dieses Jahres beendet sein werden. Den betroffenen Wirtschaftskreisen wird im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens Gelegenheit zur Stellungnahme und Äußerung von Vorschlägen gegeben. Anlage 38 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Rohde vom 4. November 1970 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Zebisch (Drucksache VI/1339 Fragen B 20 und 21) : Wie viele Unfälle mit tödlichem Ausgang bzw. langer Arbeitsunfähigkeit sind in den letzten 10 Jahren durch nicht bruchsicheres Glas bzw. andere bruchunsichere Werkstoffe in Türfüllungen vorgekommen, und welche Kosten wurden dadurch schätzungsweise verursacht? Wie hat die Bundesregierung bisher für bruchsichere Türfüllungen gesorgt, und wird sie in Zukunft dafür Sorge tragen, daß in den Unfallverhütungsvorschriften bzw. in den Bauordnungen ähnlich wie bei Kassenschaltern usw. für alle Türfüllungen bruchsicheres Glas bzw. andere bruchsichere Werkstoffe vorgeschrieben werden? Die Unterteilung der Unfallstatistiken reicht nicht so weit, daß die Auswirkungen von Türfüllungen aus nicht bruchsicheren Werkstoffen als „Unfallgegenstand" daraus entnommen werden könnten. Das trifft auch für die Kosten derartiger Unfälle zu. Es gibt auch andere Fragen zum Unfallgeschehen, bei denen eine genauere statistische Erfassung von großem Nutzen wäre. Die heutige Unfallanzeige ist für diese Zwecke nur bedingt geeignet. Daher hat der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung ein Gutachten eines Sachverständigen über die Ausarbeitung neuer Formulare für Unfallanzeigen eingeholt. Der Entwurf der neuen Formulare wird in Kürze mit den Gewerbeaufsichtsbehörden der Länder, den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung und Fachleuten aus den Betrieben beraten. Das Ziel ist, den Informationswert der Unfallanzeigen zu erhöhen und die Unfallanzeige so zu gestalten, daß sie der EDV zugänglich ist. Wenn dieses Ziel erreicht ist, besteht eine Möglichkeit, auch das von Ihnen angesprochene Sicherheitsproblem sachgerecht zu überprüfen. Das sicherheitstechnische Erfordernis, Türfüllungen, die besonderer Bruchgefahr ausgesetzt sind, aus bruchsicherem Material herzustellen, ist im übrigen in den allgemeinen Arbeitsschutzvorschriften enthalten. Ich darf dazu auf § 120a der Gewerbeordnung und § 2 der Unfallverhütungsvorschrift „Allgemeine Vorschriften" hinweisen. Danach hat der Unternehmer u. a. alle Baulichkeiten und Betriebsvorrichtungen so einzurichten, daß die Arbeitnehmer gegen Gefahren für Leben und Gesundheit geschützt sind, soweit das nach dem Stand der Technik möglich ist. In vielen Fällen wird es zur Erfüllung dieser allgemeinen Anforderungen sicherlich auch notwendig sein, Füllungen bestimmter Türen aus bruchsicherem Material herzustellen. Anlage 39 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Westphal vom 3. November 1970 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Jungmann (Drucksache VI/1339 Frage B 22) : Welche Vorstellungen hat die Bundesregierung für die Prüfung von pflanzlichen Arzneistoffen und homöopathischen Arzneimitteln, insbesondere auch in bezug auf den Nachweis in der Wirksamkeit? Der Beirat „Arzneimittelsicherheit" beim Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit hat auf der Grundlage der Vorschläge, die dem Ministerrat der EWG als Richtlinienentwürfe für die pharmakologisch-toxilogische Prüfung und für die klinische Erprobung neuer Arzneimittel vorliegen, neu bearbeitet. Die Richtlinien stellen die wissenschaftlich anerkannten Methoden zur Feststellung der Unschädlichkeit und der therapeutischen Wirksamkeit der Arzneimittel dar. Für die Prüfung von Arzneimitteln aus pflanzlichen Rohstoffen und für homöopathische Arzneimittel hat ein Universitätsinstitut für Pharmazeutische Arzneimittellehre ergänzende Vorschläge zur Prüfung ausgearbeitet. Diese Vorschläge werden zur Zeit vom Beirat „Arzneimittelsicherheit" eingehend beraten. Sie werden, soweit möglich, bei der Ergänzung der EWG-Richtlinie verwertet werden. Anlage 40 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Westphal vom 4. November 1970 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Burger (Drucksache VI/1339 Frage B 23) : Ist die Bundesregierung bereit, für die Entwicklung eines neuartigen Geräts, das eine Kombination einer normalen Schreibmaschine und eines Blindenschriftdruckers darstellt (eine Prototype befindet sich in Marburg bei der Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft für orthopädische und technische Hilfsmittel) und für künftige blinde Programmierer benötigt wird, Mittel zur Verfügung zu stellen? Die Bundesregierung prüft gegenwärtig, ob die beabsichtigte Entwicklung des Geräts insbesondere in wirtschaftlicher und technischer Hinsicht die Voraussetzungen einer finanziellen Förderung durch den Bund erfüllt. Die Bundesregierung läßt sich hierbei von dem Bemühen leiten, orthopädische und technische Blindenhilfsmittel zu verbessern. Erst nach dieser Prüfung, die die Einschaltung von Sachverständigen erforderlich macht, ist der Bundesregierung eine abschließende Äußerung möglich. Anlage 41 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Westphal vom 3. November 1970 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Geisenhofer (Drucksache VI/1339 Fragen B 24 und 25) : Wie stellt sich die Bundesregierung zu der Tatsache, daß das erste Gesetz über individuelle Förderung der Ausbildung vom 19. September 1969 in § 13 Abs. 1 bestimmt, daß das monatliche Einkommen des Auszubildenden auf den Bedarf eines jeden Kalendermonates anzurechnen ist und daß diese Bestimmung 4338 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 77. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. November 1970 für Waisen, welche Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhalten, insoweit eine Härte bedeutet, als dieses Einkommen, ohne daß ein Freibetrag gewährt wird, voll auf den Bedarf angerechnet wird? Was gedenkt die Bundesregierung zu tun — nachdem Freibeträge für den Auszubildenden nach § 14 des Ausbildungsförderungsgesetzes nur gewährt werden, wenn dieser während des Bewilligungszeitraumes Arbeitseinkommen bezieht und zum Arbeitseinkommen auch Waisengeld zählt, das auf Grund beamtenrechtlicher Bestimmung gewährt wird (in solchen Fällen werden je nach Art der besuchten Schule 50 DM bzw. 100 DM Freibetrag gewährt) —, um diese unterschiedliche Behandlung zu beseitigen? In dem Referentenentwurf des Bundesausbildungsförderungsgesetzes, das am 1. Oktober 1971 in Kraft treten soll, ist eine weitergehende Freistellung der Renten vorgesehen. Es soll damit dem Umstand Rechnung getragen werden, daß sich bei den Eltern der Halb- oder Vollwaisen der Freibetrag von 50 DM für den Auszubildenden selbst in der Regel nicht auswirkt und zudem diese Auszubildenden häufig einen Mehrbedarf für die Abgeltung ihrer persönlichen Betreuung haben. Nach den §§ 9 und 14 des Ausbildungsförderungsgesetzes ist das Einkommen des Auszubildenden auf den Ausbildungsbedarf in der Regel voll anzurechnen, jedoch bleiben von dem Einkommen aus Arbeit bestimmte Beträge anrechnungsfrei. Der vollen Anrechnung unterliegen demnach auch die Waisenrenten. Eine Ausnahme besteht im wesentlichen für die Renten nach oder entsprechend dem Bundesversorgungsgesetz; hier werden die Grundrenten nicht angerechnet. Außerdem ist durch die Verwaltungsvorschrift angeordnet, daß monatlich 17 DM als Werbungskostenpauschale anrechnungsfrei bleiben. Sachlich findet die weitgehende Anrechnung der Renten auf den Bedarfssatz ihre Rechtfertigung darin, daß die Rente Unterhaltsersatzfunktion hat, d. h. an die Stelle der Unterhaltsleistung des verstorbenen Elternteils tritt. Wenn das Einkommen eines Elternteils die Freibeträge um einen Betrag in Höhe der Waisenrente übersteigt, erhält auch dieser Auszubildende insoweit keine Ausbildungsförderung. Es ist dabei zu beachten, daß die Rente eigenes Einkommen der Waise ist und nicht etwa dem hinterbliebenen Elternteil zusteht. Darum besteht keine Möglichkeit, von der Anrechnung etwa im Hinblick auf das geringe Einkommen des hinterbliebenen Elternteils abzusehen. Im übrigen verweise ich auf meine Antworten zum gleichen Fragenkreis in der Fragestunde am 15. Oktober 1970 (Protokoll 73). Die unterschiedliche Behandlung von Waisenrenten und Waisengeld insofern, als nur für Waisengeld, nicht aber für Waisenrente, ein Freibetrag gewährt wird, ist darauf zurückzuführen, daß das Ausbildungsförderungsgesetz dem Auszubildenden in § 14 einen Freibetrag nur vom Arbeitseinkommen zubilligt. Zum Arbeitseinkommen gehören nach dem Steuerrecht auch Waisengelder aus früheren Dienstleistungen. Bei der Durchführung des Gesetzes ergaben sich jedoch in zunehmendem Maße Bedenken gegen die einseitige Bevorzugung der Waisengelder vor den Waisenrenten. In dem bereits erwähnten Referentenentwurf eines Bundesausbildungsförderungsgesetzes ist deshalb insofern eine Gleichbehandlung beider Waisenbezüge vorgesehen, als ein Freibetrag in gleicher Höhe für Waisengeld und für Waisenrente gewährt wird. In diesem Zusammenhang ist auch auf eine Gesetzesinitiative der Fraktionen des Bundestagsausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit hinzuweisen, die zum Ziele hat, die vorgesehene Regelung vorzuziehen und so früh wie möglich in Kraft zu setzen. Anlage 42 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Westphal vom 4. November 1970 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Häfele (Drucksache VI/1339 Fragen B 26 und 27) : Ist der Bundesregierung die Resolution der Mitglieder der Internationalen Gesellschaft zur Erforschung von Zivilisationskrankheiten und Vitalstoffen bekannt, die auf die Gefahr verweist, daß im Rahmen des Verbots gesundheitsbezogener Werbung für Lebensmittel die Möglichkeiten unterbunden werden könnten, Aussagen über die Zusammenhänge zwischen Gesundheit, gesundheitlichen Störungen, Halbkrankheiten und Vollwerternährung oder Vollwertkost zu machen? Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß der Bevölkerung der Zusammenhang zwischen richtiger Ernährung und Vollgesundheit nicht deutlich genug gemacht werden kann, und wenn ja, wird sich diese Auffassung auch in den neuen Gesetzen und Verordnungen über Lebensmittelwerbung niederschlagen? Die Resolution ist der Bundesregierung bekannt. Die Bundesregierung vertritt hierzu die Auffassung, daß die von ihr im Rahmen der Gesamtreform des Lebensmittelrechts in Aussicht genommenen Vorschriften eine wirklich sachgerechte Unterrichtung des Verbrauchers über die Zusammenhänge zwischen Ernährung und Gesundheit in keiner Weise behindern, sondern vielmehr dadurch fördern, daß zweifelhafte gesundheitsbezogene Aussagen unterbunden werden. Im übrigen lege ich besonderen Wert auf die Feststellung, daß die gesundheitliche Aufklärung, die nicht Wirtschaftswerbung ist, von den in Aussicht genommenen Verboten ohnehin nicht erfaßt wird. Die Bundesregierung teilt die Auffassung, daß eine Intensivierung der gesundheitlichen Ernährungsberatung dringend geboten ist. Aus diesem Grunde bemüht sich das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit um eine breite, auf gesichertem Wissen beruhende Aufklärung der Bevölkerung über eine richtige Ernährung und deren Bedeutung für die Gesundheit. Diese Bemühungen werden auch durch die vorgesehenen Vorschriften über die Werbung im Verkehr mit Lebensmitteln abgesichert. Anlage 43 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vorn 4. November 1970 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Burger (Drucksache VI/ 1339 Frage B 28) : Da einer Meldung des Offenburger Tageblattes zufolge Regierungsbaudirektor Simon vom Regierungspräsidium Freiburg mitgeteilt hat, daß der Ausbau der B 33 vorerst nur zweispurig durchgeführt und, wenn die Mittel so fließen wie bisher, mit einer Fertigstellung wohl kaum vor dem Jahre 2000 gerechnet werden könne, frage ich die Bundesregierung, ob sie in der Lage ist, über den weiteren Ausbau der Bundesstraße 33 präzise Termine anzugeben? Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 77. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. November 1970 4339 Der Aus- bzw. Neubau der zweibahnigen Bundesstraße 33 ist für den Abschnitt Offenburg—Hausach als vordringliche Maßnahme in dem Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen eingeplant. Aus Gründen einer möglichst verkehrswirksamen Verwendung der nur begrenzt zur Verfügung stehenden Mittel werden die nächsten Abschnitte zunächst 2-spurig gebaut werden. Der künftige 2-bahnige Querschnitt (4 Spuren) wird jedoch soweit berücksichtigt, daß bei der späteren Ergänzung keine wesentlichen Umbauten mehr erforderlich werden. Der ursprünglich schon in diesem Jahr vorgesehene Baubeginn eines weiteren Abschnittes zwischen Gengenbach und Biberach hat sich durch Schwierigkeiten bei der Planfeststellung und die hieraus sich ergebende Notwendigkeit von Umplanungen etwas verzögert. Die Bauvorbereitungen sind inzwischen soweit vorangekommen, daß mit dem Baubeginn dieses Bauabschnittes im nächsten Jahr gerechnet werden kann. Es ist vorgesehen, im 1. Fünfjahresplan Mittel für diese Maßnahme so einzuplanen, daß eine zügige Durchführung erfolgen kann. Der anschließende nächste Bauabschnitt Biberach Steinach ist planerisch abgeschlossen und befindet sich z. Z. in der Planfeststellung. Es ist beabsichtigt, die Bauvorbereitungen (Planfeststellung, Grunderwerb, Mittelbereitstellung) so voranzutreiben, daß auch dieser Abschnitt noch im 1. Fünfjahresplan begonnen werden kann. Der Abschnitt Steinach—Hausach—Gutach befindet sich in der baureifen Planung. Die Baudurchführung fällt in den Zeitraum nach dem 1. Fünfjahresplan, so daß sowohl aus Gründen der Mittelbereitstellung als auch beim derzeitigen Sachstand dieses Bauabschnittes genauere Angaben über die Baudurchführung noch nicht gemacht werden können. Der zügige Weiterbau der Bundesstraße 33 im Kinzigtal wird jedoch angestrebt. Anlage 44 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 4. November 1970 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Schiller (Bayreuth) (Drucksache VI/ 1339 Fragen B 29 und 30) : Beabsichtigt die Bundesregierung, den Reisezugverkehr auf der Nebenstrecke Kirchenlamitz-Ost—Weißenstadt und auf der Bahnlinie Bayreuth-Hauptbahnhof—Hollfeld stillzulegen? Ist sich die Bundesregierung darüber im klaren, daß im Falle der Bejahung der Frage 29 hiervon sehr viele Arbeitnehmer im Grenzland betroffen sind? Eine Entscheidung der Bundesregierung über die von der Deutschen Bundesbahn auf den beiden Strecken Kirchenlamitz Ost—Weißenstadt und Bayreuth Hbf—Hollfeld angestrebten Stillegungsmaßnahmen kann erst dann getroffen werden, wenn ihr entsprechende Anträge des Vorstandes der Deutschen Bundesbahn vorliegen. Dies ist für beide Strecken noch nicht der Fall. Damit fehlen auch die erforderlichen Beurteilungsunterlagen für diese von der Deutschen Bundesbahn angestrebten Maßnahmen: Da beide Strecken im Zonenrandgebiet liegen, wird sich entsprechend dem Verkehrspolitischen Programm der Bundesregierung ein Interministerieller Arbeitskreis zu gegebener Zeit mit allen im Zusammenhang mit einer evtl. Einschränkungsmaßnahme der Deutschen Bundesbahn auftretenden Fragen eingehend befassen und eine Empfehlung für die abschließende Entscheidung des Bundeskabinetts erarbeiten. Bei dieser Prüfung werden neben den Interessen der Bundesbahn vor allem die gesamt- und regionalpolitischen Gesichtspunkte gewürdigt. Anlage 45 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 4. November 1970 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Gatzen (Drucksache VI/ 1339 Fragen B 31 und 32) : Ist die Deutsche Bundesbahn bereit, zur Entlastung des Straßenverkehrs Euskirchen—Bonn morgens je ein Zugpaar einzusetzen, damit in Zukunft gewährleistet ist, daß die Berufstätigen ihre Arbeitsstätten in Euskirchen oder Bonn pünktlich und sicher vor 8 Uhr erreichen können? Ist die Bundesregierung bereit, baldigst Planungen für einen schienengebundenen Nahschnellverkehr Bonn—Euskirchen—Düren einzuleiten? Nach Mitteilung der Deutschen Bundesbahn (DB) ist der Fahrplanwunsch, den Ihre Frage enthält, von anderer Seite noch nicht vorgebracht worden. Die I Deutsche Bundesbahn hat mir zugesagt, Ihre Anregung zu prüfen. Ich erwarte über das Ergebnis dieser Prüfung einen Bericht und werde Sie danach unterrichten. Nach dem Generalverkehrsplan Nordrhein-Westfalen besteht vorläufig keine Notwendigkeit für die Einrichtung eines S-Bahnverkehrs auf dieser Strecke. Es ist lediglich beabsichtigt, den Nahschnellverkehr im Taktfahrplan zu betreiben (S-Bahn-ähnlicher Verkehr). Ein solcher Nahschnellverkehr, der jedoch im wesentlichen nur bis Rheinbach erforderlich ist, läßt sich auf den bestehenden Bahnanlagen durchführen. Planungen für eine Verbesserung der Infrastruktur dieser Strecke sind zwar bei der DB betrieben worden, ihre Ausführung kommt jedoch erst in Betracht, wenn hierfür nach weiterer Besiedlung des Gebietes längs der Strecke eine Notwendigkeit besteht. Anlage 46 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 4. November 1970 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Hammans (Drucksache VI/1339 Fragen B 33 und 34) : Treffen Pressemeldungen zu, wonach im Haushaltsjahr 1971 für die EB 7 (L 135) keine Mittel zur Verfügung stehen sollen, obwohl die Brückenbauwerke bereits errichtet wurden, weil alle Mittel dem Bau der Autobahn A 14 im Raum Krefeld zufließen sollen? Wenn die Frage 33 bejaht wird, ist sich die Bundesregierung dann darüber im klaren, daß ein weiteres Mal weite Teile des linksniederrheinischen Raumes vernachlässigt werden? 4340 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 77. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. November 1970 Für den Abschnitt der B 7 neu (L 135) zwischen niederländischer Grenze und der B 7 alt östlich Dülken sind in den Entwurf des Straßenbauplans 1971 10,1 Millionen DM eingestellt. Im Juli 1970 wurde der Abschnitt niederländische Grenze bis zur Kreisstraße 2 bei Dülken dem Verkehr übergeben. Für die kostenmäßige Abwicklung dieser unter Verkehr liegenden Strecke wird eine erheblicher Teil der ausgewiesenen 10,1 Millionen DM verwendet. Die restlichen Mittel fließen in den Weiterbau der B 7. Auf der Neubaustrecke zwischen der B 7 alt östlich Dülken und dem Winkelner Kreuz nordwestlich Mönchengladbach sollen im Jahre 1971 7 Millionen DM investiert werden. Damit können die angelaufenen Arbeiten zügig weitergeführt werden. Der Abschnitt Winkelner Kreuz bis Neersen ist Bestandteil der im Entwurf des Straßenbauplanes enthaltenen Maßnahme „B 7/230 Düsseldorf-Heerdt bis Waldniel". Die dort vorgesehenen 9,8 Millionen DM werden im wesentlichen der kostenmäßigen Abwicklung der im Jahre 1970 unter Verkehr genommenen Teilabschnitte Düsseldorf-Heerdt — Kaarster Kreuz und Kaarster Kreuz — Schiefbahn dienen. Es ist vorgesehen, den durchgehenden Straßenzug der B 7 neu zwischen niederländischer Grenze und Düsseldorf etwa 1973/74 verfügbar zu haben. Die Bauarbeiten bzw. die Bauvorbereitungen sind auf diesen Termin abgestellt. Eine Stellungnahme zu Ihrer Frage B 34 entfällt, da keine Mittel von der B 7 neu auf andere Strekken abgezogen wurden. Anlage 47 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 4. November 1970 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Biechele (Drucksache VI/1339 Fragen B 35 und 36) : Hat das Innenministerium Baden-Württemberg das vom Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen im Februar 1970 erbetene Vorgutachten zum Projekt einer Brücke über den Überlinger See (Bodensee) inzwischen erstattet? Ist die Bundesregierung bereit, das bekundete Interesse an dieser Brücke wegen der besonderen regionalen und überregionalen Bedeutung dieses Projekts dadurch zu unterstreichen, daß dieses Projekt in den Neuen Ausbauplan für die Bundesfernstraßen 1971 bis 1985 aufgenommen wird? Zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse im Bodenseeraum sind umfangreiche Maßnahmen an den vorhandenen Bundesstraßen und insbesondere im Zuge der neuen Autobahnen Singen–Konstanz und Singen–Lindau vorgesehen und großenteils als vordringlich im Bedarfsplan eingeplant. Diese Maßnahmen, deren Notwendigkeit unbestritten ist, übersteigen bereits die im Zeitraum des Ausbauplanes hierfür zu erwartenden Mittel, so daß mit der Durchführung weiterer Maßnahmen nicht gerechnet werden kann. Zu dem von dritter Seite und insbesondere von der Studiengesellschaft Seebrücke-Seetunnel e. V. unterstützten Projekt einer festen Straßenverbindung über den Bodensee hat der Bundesminister für Verkehr in Übereinstimmung mit der Landesstraßenbauverwaltung Baden-Württemberg von Anfang an die Auffassung vertreten, daß die Verwirklichung eines solchen Projektes unter Abwägung aller verkehrlichen und wirtschaftlichen Gesichtspunkte nicht als Bundesaufgabe im Rahmen des Bundesfernstraßenbaues vertretbar ist. Diese Auffassung wurde durch das Ergebnis der inzwischen abgeschlossenen, umfangreichen und mit wissenschaftlichen Methoden durchgeführten Untersuchungen zur Aufstellung des Bedarfsplanes zum Ausbauplan für die Bundesfernstraßen in den Jahren 1971 bis 1985 bestätigt. Damit sind die Voraussetzungen für die Aufnahme einer festen Straßenverbindung über den Bodensee in den Bedarfsplan nicht gegeben. In der Zwischenzeit wurde für eine vorgutachtliche Stellungnahme im Rahmen der Bundesfernstraßenplanungen im Bodenseeraum weitere örtliche Verkehrsuntersuchungen und Planungsüberlegungen durchgeführt, von deren Ergebnis das Innenministerium Baden-Württemberg den Bundesminister für Verkehr unterrichtet hat. Danach ergaben sich neuerdings keine Gesichtspunkte, die eine Änderung der bisher vertretenen Auffassung in dieser Angelegenheit zulassen würden. Im übrigen ist durch die vorgesehene Fortschreibung der langfristigen Planungen eine ausreichende Anpassungsfähigkeit des Ausbauplanes an sich ändernde verkehrliche und wirtschaftliche Verhältnisse sichergestellt. In die entsprechenden Untersuchungen kann bei Vorliegen nicht voraussehbarer triftiger Gründe zu gegebener Zeit auch die feste Straßenverbindung über den Bodensee einbezogen werden. Anlage 48 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 4. November 1970 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten von Bockelberg (Drucksache VI/1339 Frage B 37) : Welchen Grund hat der große Auffahrunfall gehabt, welcher sich am 18. Oktober 1970 gegen 18.45 Uhr auf der Bundesautobahn Hannover—Oberhausen vor der Behelfsauffahrt Vennebeck ereignet hat? Am 18. Oktober 1970 ereigneten sich auf der Bundesautobahn Hannover—Oberhausen auf der nördlichen Fahrbahn im Bereich der Anschlußstelle Vennebeck zwischen 18.00 Uhr und 19.00 Uhr 4 Unfälle, an denen 12 Personenkraftwagen beteiligt waren. abgesehen von dem Unfall um 18.00 Uhr, der durch die Mißachtung der Vorfahrt durch einen in die Autobahn einfahrenden Personenkraftwagen verursacht wurde, handelt es sich bei den 3 anderen Unfällen um Auffahrunfälle. Diese Auffahrunfälle sind dadurch zustande gekommen, daß eine vorübergehende Stauung, bei der der Verkehr zum Stillstand gekommen war, nicht rechtzeitig erkannt wurde. Als Unfallursache ist daher menschliches Versagen anzugeben. Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 77. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. November 1970 4341 Anlage 49 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 4. November 1970 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Klepsch (Drucksache VI/ 1339 Fragen B 38 und 39) : Hat die Bundesregierung sichergestellt, daß entsprechend der Zusicherung des Bundesministers für Verkehr vom April 1965 an die Stadt Koblenz, die neue Rheinbrückenverbindung im Zuge der Bundesstraße 327 (Südbrücke Koblenz) in ihrem ersten Bauabschnitt bis an den Kasernenbereich bzw. das Wohngebiet Horchheimer Höhe zu bauen, die Grundstücksverhandlungen so gestaltet werden, daß die bereits angelaufenen Maßnahmen zusammenhängend fertiggestellt werden, oder muß befürchtet werden, daß in bezug auf die Verhältnisse auf der Umgehungsstraße (B 42) im Bereich der Horchheimer Höhe mit längerfristigen Provisorien gerechnet werden muß? Ist die Bundesregierung bereit, die im Zusammenhang mit dem Baugenehmigungsverfahren für den Bau des Tankhochhauses Königsbacher Brauerei zwischen der Bundesstraßenverwaltung, der damaligen Gemeinde Kapellen-Stolzenfels und der Brauerei getroffenen Vereinbarung über Maßnahmen zur Besettigung der katastrophalen Verkehrsverhältnisse auf der B 9, die eine erhebliche finanzielle Beteiligung der Brauerei beinhalteten, die sich aus der Vereinbarung ergebenden Maßnahmen kurzfristig durchzuführen und damit für die schnellere Beseitigung des dortigen Verkehrsnotstandes Sorge zu tragen, nachdem die Brauerei inzwischen ihre Bauabsichten durchgeführt hat? Zur Frage 38: Die Bauarbeiten für die Südbrücke Koblenz von der B 327 bis zur B 42 werden uneingeschränkt weitergeführt. Für die Maßnahme ist von allen Projekten, die auf Bundesstraßen im Land Rheinland-Pfalz vorgesehen sind, im 1. Fünfjahresplan (1971 bis 1975) die höchste Mittelzuweisung eingeplant. Da die B 42 im Bereich des Anschlusses etwa 3 bis 4 m abgesenkt werden muß, soll die Südspange von der B 9 zur B 42 provisorisch an die B 42 angeschlossen werden, damit nach Fertigstellung der Rheinbrücke und der beiderseitigen Vorlandbrücken sofort ein Verkehrswert hergestellt ist. Der vorläufige Anschluß wird so angelegt, daß er vollen Verkehrswert erhält und spätere Umbauten nicht erforderlich werden. Die Arbeiten werden rechtsrheinisch bis zum Anschluß an den Kasernenbereich und linksrheinisch bis an die B 327 ohne Unterbrechung weitergeführt. Zur Frage 39: Die Maßnahme zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der B 9 im Bereich der Königsbacher Brauerei ist im 1. Fünfjahresplan (1971 bis 1975) des Ausbauplanes für die Bundesfernstraßen (1971 bis 1985) enthalten. Zunächst müssen jedoch die baulichen Voraussetzungen dafür geschaffen werden. Dazu gehört die Verlegung des Überholgleises der Bundesbahn, über dessen neue Lage zur Zeit noch mit der Deutschen Bundesbahn verhandelt wird. Anlage 50 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 4. November 1970 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dröscher (Drucksache VI/ 1339 Fragen B 40 und 41) : Wann werden die im Zuge der B 41 notwendigen und schon so oft in Aussicht gestellten Kriechspuren bei den Steigungsstrecken Weinsheimer Stich und Steinhardter Stich in Angriff genommen? Wann ist mit dem Abschluß der Planungen und mit dem Beginn der Bauarbeiten für die in Aussicht gestellte Brücke zwischen dem linken Rheinufer und Geisenheim/Rüdesheim zu rechnen? Zur Frage 40 Es ist vorgesehen, die Kriechspuren bei den Steigungsstrecken Weinsheimer Stich und Steinhardter Stich im Zuge der B 41 sobald als möglich zu bauen. Die Straßenverwaltung Rheinland-Pfalz ist beauftragt, die Planungen dafür aufzustellen. Es wird geprüft, wann im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln mit den Arbeiten begonnen werden kann. Zur Frage 41 Die Planungen für den Bau der Rheinbrücke Geisenheim sind abgeschlossen. Bei der Aufstellung des 1. Fünfjahresplanes (1971 bis 1975) hat sich gezeigt, daß es infolge der Vielzahl von dringenderen Straßenbauvorhaben nicht möglich war, Mittel für den Bau der Rheinbrücke Geisenheim einzuplanen. Das Bauvorhaben wurde daher — wie auch andere Projekte der Dringlichkeitsstufe I — nicht in den 1. Fünfjahresplan aufgenommen. Da über finanzielle Dispositionen nach 1975 noch keine Aussage gemacht werden kann, ist eine Zeitangabe über den Beginn der Bauarbeiten z. Z. nicht möglich. Anlage 51 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 3. November 1970 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneter Dr. Schäfer (Tübingen) (Drucksache VI/ 1339 Fragen B 42 und 43) : Im Interesse der 700 im Bezirk der Oberpostdirektion Tübingen, Regierungsbezirk Südwürttemberg-Hohenzollern, in der Ausbildung stehenden Dienstanfänger frage ich den Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen, wann mit der Verbesserung ihrer Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten zu rechnen ist? Wann ist insbesondere in Ravensburg mit dem Bau eines Ausbildungszentrums mit Jugendwohnheim, das den Erfordernissen einer modernen, in die Zukunft gerichteten Berufsausbildung entspricht, zu rechnen? Die Aus- und Fortbildung der 700 Dienstanfänger im Bezirk der Oberpostdirektion Tübingen vollzieht sich im Rahmen der vom Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen für die Deutsche Bundespost insgesamt erlassenen Bestimmungen. Da aus diesem Bezirk keine speziellen Anregungen oder Kritiken vorliegen, gilt meine Antwort insoweit für den gesamten Bereich der Deutschen Bundespost. Die maßgebenden Ausbildungs- und Prüfungsordnungen für die verwaltungsinterne Ausbildung der Nachwuchskräfte werden fortlaufend überarbeitet oder neu konzipiert. Auf diese Weise werden die haupt- und nebenamtlichen Lehrkräfte in die Lage versetzt, Lehrstoff, Lehrpläne usw. schnell und wirkungsvoll der genannten Entwicklung anzupassen. Die Fortbildungsmaßnahmen erstrecken sich gleichermaßen auf Beamte, Angeseilte und Arbeiter. Sie sind darauf abgestellt, das in der Ausbildung erworbene Fachwissen zu erweitern und zu vertiefen und dabei das Personal mit neuen Erkenntnissen des Post- und Fernmeldebetriebs und der Verwaltung vertraut zu machen (u. a. mit Arbeitsorga- 4342 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 77. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. November 1970 nisation, elektronischer Datenverarbeitung, Netzplantechnik, Raumplanung). Auch die Mobilität des Personals wird auf diese Weise gefördert. Mitte 1970 wurde die Akademie für Führungskräfte der Deutschen Bundespost gegründet. Diese Einrichtung fördert die leitenden Kräfte des höheren und gehobenen Dienstes als Träger der Führungsfunktionen in den Gebieten Organisation, Betriebslenkung und Mitarbeiterführung. Seit Ende August 1970 gibt es eine „Rahmenanweisung für die berufsbegleitende Fortbildung der Dienstkräfte des einfachen, mittleren und gehobenen Postdienstes". Generell ist darin u. a. die regelmäßige Teilnahme des Personals an Lehrgängen innerhalb bestimmter Zeitabstände. Die Maßnahmen werden sich in Kürze als grundlegende Verbesserung des Fortbildungssystems erweisen. Die technischen Dienstkräfte werden, soweit sie nicht schon in die Maßnahmen der Führungsakademie einbezogen sind, zusätzlich in speziellen zentralen Fortbildungslehrgängen beim Posttechnischen Zentralamt oder Fernmeldetechnischen Zentralamt in Darmstadt fortgebildet. Die Oberpostdirektion Tübingen ist im Juli 1970 beauftragt worden, die Planung über den im Grundsatz genehmigten Bau einer Lehrwerkstätte zu überprüfen und die vorgesehene Neuordnung der Lehrlingsausbildung dabei zu berücksichtigen. Außerdem soll die Oberpostdirektion Verhandlungen mit dem Ziel führen, für den Bau eines Jugendwohnheimes einen fremden Bauträger zu gewinnen. Die aussichtsreichen Verhandlungen konnten noch nicht abgeschlossen werden. Es kann davon ausgegangen werden, daß mit dem Bau des gesamten, mit rd. 12,5 Millionen DM veranschlagten Projekts voraussichtlich im Jahre 1972 begonnen werden kann. Anlage 52 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 3. November 1970 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Strohmayr (Drucksache VI/ 1339 Fragen B 44 und 45) : Trifft die Darstellung in der letzten Fernsehsendung „XY ... ungelöst" zu, daß ein Posttransport, bestehend aus Fahrzeug und Anhänger einschließlich einem Geldtresor mit erheblichen Geldbeträgen, von nur einem Postbeamten, der zudem auch die Schlüssel des Tresors mitführt, ohne Begleitperson gefahren wird? Wäre es zutreffendenfalls nicht dringend erforderlich, diese geradezu fahrlässige Postbestimmung dahingehend zu ändern, daß dem Transport eine Begleitperson zugeordnet und ggf. der Tresorschlüssel durch einen weiteren Beamten gesondert befördert wird? Die Darstellung in der Fernsehsendung „XY ... ungelöst" trifft nicht zu. Um „interessierten Kreisen" keine Hinweise zu geben, sind die Sicherheitsmaßnahmen der Deutschen Bundespost in der Sendung bewußt nicht der Wirklichkeit entsprechend dargestellt worden. Ich bitte um ihr Verständnis, daß ich aus dem gleichen Grund auch hier davon absehe, die tatsächlichen Maßnahmen im einzelnen zu schildern. Bei der Deutschen Bundespost gibt es eine Vielzahl von Bestimmungen, die Leben und Gesundheit der Bediensteten sowie das der Post anvertraute Gut wirksam schützen. Sie haben sich in der Vergangenheit bewährt und werden ständig überprüft und den sich ändernden Erfordernissen angepaßt. Anlage 53 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Ravens vom 5. November 1970 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Schmidt (Kempten) (Drucksache VI/1339 Fragen B 46 und 47): Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, im Rahmen des Bundesbaugesetzes durch entsprechende Durchführungsverordnungen zu veranlassen, daß zumindest bei Bauten im öffentlichen Bereich diese so gestaltet werden, daß Körperbehinderten der Zugang wesentlich besser möglich ist, als dies in den meisten Fällen bisher der Fall ist? Ist die Bundesregierung bereit, wenn das Bundesbaugesetz solche Rechtsverordnungen oder Durchführungsbestimmungen augenblicklich nicht ermöglicht, einen entsprechenden Novellierungsvorschlag in dieser Richtung zu machen, der auch den Ländern und deren Bauordnungen entsprechende Änderungsüberlegungen empfiehlt? Das Bundesbaugesetz enthält keine Ermächtigung zum Erlaß einer Rechtsverordnung, nach der „Bauten im öffentlichen Bereich" so zu gestalten sind, daß der Zugang für Körperbehinderte erleichtert wird. Es besteht insoweit auch keine Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes. Denn zur Materie Bodenrecht gehören nur „solche Vorschriften, die den Grund und Boden unmittelbar zum Gegenstand rechtlicher Ordnung haben, also die rechtlichen Beziehungen des Menschen zum Grund und Boden regeln." (BVerfG 3, 424) Anforderungen in technischkonstruktiver Hinsicht an Bauvorhaben im öffentlichen Bereich können daher im BBauG nicht normiert werden. Auch in den Landesbauordnungen sind solche Anforderungen nicht enthalten. Zum Erlaß entsprechender Vorschriften in diesem Rechtsbereich sind im übrigen ausschließlich die Länder zuständig. Dem hier angesprochenen Anliegen der Körperbehinderten hat sich jedoch die Bundesregierung im Rahmen der ihr zustehenden Möglichkeiten auf andere Weise angenommen. Auf ihre Anregung hat der Fachnormenausschuß „Bauwesen" mit der Erarbeitung einer Norm „Bauliche Maßnahmen für Schwerbehinderte im öffentlichen Bereich" begonnen. Diese Norm richtet sich insbesondere an alle öffentlichen Bauträger. Sie soll dazu beitragen, daß die zahlreichen architektonischen Barrieren, die unseren körperbehinderten Mitbürgern auf Straßen, Plätzen und in öffentlichen Gebäuden begegnen, abgebaut werden, bzw. in Zukunft soweit als möglich vermieden werden. Die Initiativen der Bundesregierung haben sich jedoch nicht auf den Bereich öffentlicher Bauwerke beschränkt. Seit Jahren wird der Wohnungsbau für Schwerbehinderte mit Bundesmitteln gefördert. Nachdem der Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen die für das Bau- und Wohnungswesen zuständigen Herrn Minister und Senatoren der Länder im März 1969 auf die besonderen Probleme der Schwerbehinderten aufmerksam gemacht und gebeten hatte, diese noch mehr als bisher bei allen baulichen Maßnahmen zu berücksichtigen, ist Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 77. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. November 1970 4343 eine weitere positive Entwicklung im Wohnungsbau für Schwerbehinderte erkennbar. So haben u. a. auch mehrere Länder in der Zwischenzeit besondere Bestimmungen für die Förderung des Wohnungsbaues für Schwerbehinderte erlassen, und zwar z. B. Niedersachsen mit Runderlaß des Herrn Niedersächsischen Sozialministers vom 14. Mai 1969 (NdS MBL Nr. 24/1969, S. 528) Schleswig-Holstein mit Erlaß des Herrn Ministers für Arbeit, Soziales und Vertriebene vom 21. August 1969 (ABL Schl. H. 1969 S. 550) Nordrhein-Westfalen mit Runderlaß des Herrn Ministers für Wohnungsbau und öffentliche Arbeiten (MBL NRW 1969, S. 1706). Den für das Bau- und Wohnungswesen zuständigen Ministern der Länder sind im März 1969 gleichzeitig Planungsempfehlungen zugeleitet worden, die Grundriß- und Ausstattungsregeln für den Bau von Wohnungen für Körperbehinderte enthalten. Wenn sich bei der Verwirklichung dieser Planungsempfehlungen anderweitig nicht aufzufangende Mehrkosten ergeben, können diese im Rahmen verfügbarer Haushaltsmittel durch zusätzliche zinsbillige Darlehen bis zu 4000 DM je Wohnung vom Bund mitgetragen werden. Diese Mittel werden zusammen mit den öffentlichen für den Wohnungsbau bestimmten Mitteln der Länder eingesetzt. Auf Anregung der Bundesregierung hat der oben erwähnte Fachnormenausschuß mit der Aufstellung einer Norm DIN-18025 „Wohnungen für Schwerbeschädigte" begonnen. Als erster Teil dieser Norm wurde im Februar 1970 der Abschnitt „Wohnungen für Rollstuhlbenutzer" im Entwurf veröffentlicht. Die übrigen Teile werden sich mit Wohnungen für Seh- und Hörbehinderte beschäftigen. Dabei wird davon ausgegangen, daß den Behinderten jeder Raum der Wohnung zugänglich sein muß und alle Teile der Einrichtung von ihm bequem benutzt werden können. Der Behinderte muß durch entsprechende Bemessung und Ausstattung aller Räume in die Lage versetzt werden, nicht nur von fremder Hilfe weitgehend unabhängig zu sein, sondern im Mehrpersonenhaushalt auch tätig mitzuwirken. Sobald diese Norm in ihrer endgültigen Fassung verabschiedet ist, soll sie die oben genannten Planungsempfehlungen ersetzen. Anlage 54 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Ravens vom 5. November 1970 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Baier (Drucksache VI/ 1339 Frage B 48) : Welche Grande haben das Bundesministerium für Städtebau und Wohnungswesen veranlaßt, den Antrag der Stiftung „Altersheim-Eberbach" — Kreis Heidelberg betreffend Förderung des Baues eines Altersheimes abzulehnen? Der in diesem Jahr zur Förderung des Wohnungsbaues für alte Menschen vorgesehene Bewilligungsrahmen reichte bei weitem nicht aus, um allen Anträgen auf Bereitstellung zusätzlicher Bundesmittel zu entsprechen. Bei der erforderlich gewordenen Auswahl der zu fördernden Objekte wurde verständlicherweise denen der Vorzug gegeben, deren Planung erkennen läßt, daß die Wohnbauten der vorhersehbaren Entwicklung Rechnung tragen. Von ausschlaggebender Bedeutung sind hierbei u. a. die Größe des Wohnraums und die Ausstattung, insbesondere die sanitäre. Der Wohnraum muß genügend Bewegungsflächen haben, weil sich der alternde Mensch den größten Teil des Tages in diesem Raum aufhält. Ferner muß bedacht werden, daß der alternde Mensch, für den dieser Wohnraum bestimmt ist, an den Komfort des eigenen Bades gewohnt sein wird und darauf nicht verzichten will. Es erscheint daher wichtig, bei Neubauten oder Erweiterung von Altenwohn- und Altenheimen darauf hinzuwirken, daß jedem Wohnheimplatz eine eigene Naßzelle, bestehend aus Waschtisch, WC und altersgerechter Bademöglichkeit unmittelbar zugeordnet wird. Das Altersheim Eberbach entspricht diesen Vorstellungen nicht. Aus diesem Grunde konnte auch eine finanzielle Beteiligung des Bundes an diesem Objekt nicht in Aussicht gestellt werden. Dem Lande sind die Gründe, die eine Förderung nicht als vertretbar erscheinen ließen, am 14. September 1970 mitgeteilt worden. Nicht unerwähnt lassen möchte ich, daß auch eine andere Stelle (Stiftung Deutsches Hilfswerk e. V.), bei der ein Antrag auf Gewährung eines Zuschusses in Höhe von nahe l/3 der Gesamtkosten gestellt wurde, dem Bürgermeister der Gemeinde Eberbach die Gründe mitgeteilt hat, die einer Bewilligung des erbetenen Zuschusses entgegenstehen. Anlage 55 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Herold vom 2. November 1970 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Weigl (Drucksache VI/ 1339 Frage B 49) : Ist es richtig, daß in diesem Jahr drei Millionen DM der bei Kapitel 27 02 — Tit. 685 03 des Bundeshaushalts 1970 ausgewiesenen Mittel zur Förderung kultureller Maßnahmen gesamtdeutschen Charakters im Zonenrandgebiet nicht nach Maßnahmen vergleichbarer Dringlichkeit, sondern nach Zufällen, z. B. persönlicher Befürwortung durch Abgeordnete der Koalitionsparteien, vergeben wird? Von den bei Kapitel 27 02 Titel 685 03 zur Verfügung stehenden Mitteln wird ein Teilbetrag nicht unmittelbar auf Grund von Vorschlägen der Kultusministerien der vier Zonenrandländer vergeben, sondern zunächst als Reserve im BMB zurückbehalten, um einen im Laufe des Rechnungsjahres auftretenden Bedarf befriedigen zu können. Über diese sogenannte Hausreserve wird nach den gleichen Grundsätzen von Dringlichkeit und regional gerechter Verteilung der Mittel wie über den Hauptbetrag entschieden. Anträge zu Lasten der Hausreserve werden u. a. von den Kultusministerien der Länder, von Kom- 4344 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 77. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. November 1970 munalverbänden, kirchlichen Stellen sowie von Abgeordneten aller Fraktionen des Deutschen Bundestages gestellt oder befürwortet. Eine Zuweisung von Bundeszuschüssen aufgrund eines sachlich gerechtfertigten und befürwortenden Antrages eines Abgeordneten kann doch nicht als Zufall bezeichnet werden. Die in der Frage anklingende Unterstellung, mein Haus würde nach Zufälligkeiten Zuschüsse vergeben, muß ich entschieden zurückweisen. Anlage 56 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. von Dohnanyi vom 4. November 1970 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Wurbs (Drucksache VI/ 1339 Fragen B 50 und 51) : Ist die Bundesregierung bereit, die am 18. Juni 1970 durch Gesetz vom Hessischen Landtag geplante „Gesamthochschule Kassel" als Modell für ihre eigene Konzeption der Gesamthochschule anzuerkennen und sie daher finanziell über den 50%igen Anteil hinaus am Ausbau der „Gesamthochschule Kassel" zu fördern? Wird die Bundesregierung trotz der Studienplatzbeschränkungen im medizinischen Bereich und des gesellschaftlichen Bedarfs an Ärzten und Zahnärzten den Empfehlungen des Wissenschaftsrats folgen oder entsprechend dem Angebot des Landes Hessen durch eine finanzielle Beteiligung den Ausbau neuer Studienplätze im medizinischen Bereich, insbesondere in Kassel, fördern? Zur Frage 50: Die Bundesregierung begrüßt den Beschluß des Hessischen Landtages, in Kassel eine Gesamthochschule zu errichten. Als Modell kommt Kassel für alle Gesamthochschulneugründungen in Frage, wenn die örtliche Situation, vor allem der vorhandene Bestand an Bildungseinrichtungen, mit der in Kassel gegebenen Situation vergleichbar ist. Für die Erarbeitung eines flexiblen Gesamthochschul-Modells ist die im Rahmenplan für die Gesamthochschule Kassel enthaltene Konzeption von großem Wert. Nach der derzeitigen Fassung des Grundgesetzes ist eine über 50 v. H. hinausgehende Beteiligung des Bundes an den Ausbau- und Neubaukosten sowie an den Planungsausgaben für Hochschulen nicht möglich. Zur Frage 51: In seinen im Jahr 1968 vorgelegten „Empfehlungen zur Struktur und zum Ausbau der medizinischen Forschungs- und Ausbildungsstätten" hat sich der Wissenschaftsrat für den Ausbau der damals vorhandenen und im Aufbau bzw. in der Planung befindlichen medizinischen Forschungs- und Ausbildungsstätten ausgesprochen, um den vorausberechneten Bedarf an Nachwuchs in den ärztlichen Berufen langfristig zu decken. Seit der Veröffentlichung dieser Empfehlungen sind weitere Hochschulneugründungen entweder beschlossen worden oder werden gegenwärtig geplant. Wenn auch bei diesen Neugründungen überwiegend auf die Errichtung von medizinischen Fakultäten bzw. Fachbereichen verzichtet werden wird, so muß doch davon ausgegangen werden, daß sich die Zahl der medizinischen Forschungs- und Ausbildungsstätten in der Bundesrepublik gegenüber derjenigen, die den oben erwähnten Empfehlungen zugrunde liegt, erhöhen wird. Insoweit wird es auch nicht mehr möglich sein, bei den künftigen Maßnahmen zur Erweiterung der Ausbildungskapazität im Fach Medizin allein die Empfehlungen des Wissenschaftsrates aus dem Jahre 1968 zugrunde zu legen. Die Frage, an welchen Hochschulneugründungen medizinische Fakultäten bzw. Fachbereiche eingerichtet werden sollen, wird gemeinsam von Bund und Ländern bei der Erstellung des 1. Rahmenplans für den Hochschulausbau zu entscheiden sein. Der Wissenschaftsrat hat vorgeschlagen, die Überlegung, zu einem späteren Zeitpunkt einen medizinischen Gesamtbereich an der Gesamthochschule Kassel einzurichten, zunächst zurückzustellen. Das Land Hessen und der Planungsausschuß werden bei der Aufstellung des Rahmenplans zu prüfen haben, ob sie sich dieser Empfehlung anschließen. Anlage 57 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. von Dohnanyi vom 4. November 1970 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Jobst (Drucksache VI/ 1339 Frage B 52) : Wie viele und welche Forschungs- bzw. Beratungsprojekte wurden von der Bundesregierung auf Grund besonderer Umstände freihändig, d. h. ohne Ausschreibung an Wissenschaftler, Institute oder sonstige Forschungseinrichtungen vergeben? Die Vergabe von Forschungs- bzw. Beratungsprojekten erfolgt im allgemeinen ohne Ausschreibung. Bei der Vergabe von Forschungs- bzw. Beratungsprojekten handelt es sich im allgemeinen um erstmals bzw. einmalig zu erstellende Leistungen, bei denen zunächst nur ein Programm der Auftraggeber vorhanden ist, also hinsichtlich der Art und des Umfangs der Leistung noch keine hinreichende Klarheit über die zu erbringende Leistung bei der Vergabe besteht. Eine öffentliche oder beschränkte Ausschreibung verbietet sich also. Außerdem sind die Projekte in vielen Fällen so speziell, daß es praktisch keinen Wettbewerbsmarkt gibt. Die hierfür in Frage kommenden Institute legen einen Arbeits-, Kosten- und Zeitplan auf der Basis der vorgegebenen Zielsetzung vor. Bei der Auftragserteilung wird die Angemessenheit der Preiskalkulation jeweils eingehend geprüft. Die Prüfung stellt sicher, daß Forschungs- bzw. Beratungsprojekte nur dann vergeben werden, wenn der Preis unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit ermittelt worden ist. Die Vorschriften der Verdingungsordnung für Leistungen (VOL/A) finden hier Anwendung. Gemäß § 3 Ziff. 3 a-n kann unter bestimmten Voraussetzungen eine freihändige Vergabe erfolgen. In den Fällen, in denen eine wenigstens beschränkte Ausschreibung angewendet werden kann, wird diese Vergabeart in der Regel auch gewählt. Über die Zahl der vergebenen Forschungs- und Beratungsprojekte liegen mir für die Gesamtheit der Bundesressorts keine Angaben vor. Hierfür müßte eine langwierige Umfrage eingeleitet werden.
Gesamtes Protokol
Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607700000
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, ich darf zunächst nachtragen, daß Punkt 9 der Tagesordnung — zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Soldatenversorgungsgesetzes — nicht behandelt werden kann, da der Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung nicht vorliegt.
Ich teile ferner mit, daß nach einer interfraktionellen Vereinbarung die Tagesordnung um die in der Ihnen vorliegenden Liste bezeichneten Vorlagen ergänzt werden soll. -- Das Haus ist damit einverstanden. Die Erweiterung der Tagesordnung ist damit beschlossen.
Es liegt Ihnen ferner eine Liste von Vorlagen vor, die keiner Beschlußfassung bedürfen und die nach § 76 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden sollen:
Vorlage des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts
Betr.: Halbjahresberichte der Bundesregierung über die Tätigkeit des Europarates und der Westeuropäischen Union
Bezug: Beschlüsse des Bundestages vom 22. Februar und 28. April 1967
— Drucksache VI/1294 —
zustandig: Auswärtiger Ausschuß
Vorlage des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments
Betr.: Entschließung zu den vom Gemischten Parlamentarischen Ausschuß EWG—Türkei am 30. September 1970 angenommenen Empfehlungen
— Drucksache VI/1324 —
zuständig: Ausschuß für Wirtschaft
Vorlage des Bundesministers des Auswärtigen
Betr.: Bericht der Außenminister an die Staats- bzw. Regierungschefs der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften
— Drucksache VI/1328 —
zuständig: Auswärtiger Ausschuß
Vorlage des Bundesministers für Verkehr
Betr.: Verkehrsverbindungen zwischen Hamburg und dem Ostseeraum
Bezug: Beschluß des Bundestages vom 19. Juni 1969 — Drucksache VI/ 1329 —
zuständig: Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen (federführend)

Haushaltsausschuß
Vorlage des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft
Betr.: Bericht der Bundesregierung über Sofortmaßnahmen zum Abbau des Numerus clausus
Bezug: Beschluß des Bundestages vom 18. März 1970 — Drucksache VI/1338 —
zuständig: Ausschuß für Bildung und Wissenschaft (federführend)

Haushaltsausschuß
Erhebt sich gegen beabsichtigte Überweisung Widerspruch? — Ich stelle fest, daß dies nicht der Fall ist.
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen hat am 4. November 1970 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Leicht, Dr. Pohle, Franke (Osnabrück), Haase (Kassel) und der Fraktion der CDU/CSU betr. Ertragslage von Bundesbahn und Bundespost — Drucksache VI/1301 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache VI/1381 verteilt.
Der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit hat am 4. November 1970 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frau Dr. Henze, Burger, Frau Stommel und Genossen betr. Richtlinien für den Bundesjugendplan — Drucksache VI/1296 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache VI/1382 verteilt.
Die Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Eignungsübungsgesetzes wird als Drucksache zu VI/1314 verteilt.
Wir treten dann in die Tagesordnung ein. Ich rufe Punkt 25 der Tagesordnung auf:
a) Zweite Beratung und Schlußabstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zu dem Beschluß des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 21. April 1970 über die Ersetzung der Finanzbeiträge der Mitgliedstaaten durch eigene Mittel der Gemeinschaften
— Drucksachen VI/880, zu VI/880 —
Schriftlicher Bericht des Haushaltsausschusses (7. Ausschuß)

— Drucksache VI/1374 —
Berichterstatter: Abgeordneter Röhner (Erste Beratung 60. Sitzung)

b) Zweite Beratung und Schlußabstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 22. April 1970 zur Änderung bestimmter Haushaltsvorschriften der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften und des Vertrags zur Einsetzung eines gemeinsamen Rates und einer gemeinsamen



Präsident von Hassel
Kommission der Europäischen Gemeinschaften — Drucksachen VI/879, zu VI/879 —
Schriftlicher Bericht des Haushaltsausschusses (7. Ausschuß)

— Drucksache VI/ 1374 —
Berichterstatter: Abgeordneter Röhner (Erste Beratung 60. Sitzung)

c) Beratung des Schriftlichen Berichts des Finanzausschusses (6. Ausschuß) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Rates über das gemeinsame Steuersystem für Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten
— aus Drucksache V/3774, Drucksache VI/ 1344 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Becker (Mönchengladbach)

Außerdem rufe ich die Zusatztagesordnungspunkte 1 und 2 — sozusagen als die Punkte 25 d und e — auf :
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses (7. Ausschuß) über die Entschließung des Europäischen Parlaments zu den vom Rat der Europäischen Gemeinschaften festgelegten Bestimmungen
zur Ersetzung der Finanzbeiträge der Mitgliedstaaten durch Eigenmittel der Gemeinschaf ten
zur Änderung bestimmter Haushaltsvorschriften der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften und des Vertrages zur Einsetzung eines gemeinsamen Rats und einer gemeinsamen Kommission der Europäischen Gemeinschaften
— Drucksachen VI/915, VI/1369 —
Berichterstatter: Abgeordneter Röhner
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses (7. Ausschuß) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der EG-Kommission für eine Verordnung des Rates zur Durchführung des Beschlusses vom 21. April 1970 über die Ersetzung der Finanzbeiträge der Mitgliedstaaten durch eigene Mittel der Gemeinschaf ten
— Drucksachen VI/956, VI/1376 —
Berichterstatter: Abgeordneter Röhner
Zunächst einmal danke ich den Berichterstattern für die vorgelegten Berichte. Zur Ergänzung der Berichterstattung zu Punkt 25 a und b hat der Berichterstatter, der Herr Abgeordnete Röhner, das Wort.

Paul Röhner (CSU):
Rede ID: ID0607700100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Ergänzung des schriftlich vorliegenden Berichtes des Haushaltsausschusses auf Drucksache VI/1374 möchte ich noch folgendes bemerken. Der Haushaltsausschuß befaßte sich zunächst mit der Vorlage VI/880, die in einem gewissen Zusammenhang mit der Drucksache VI/915 zu sehen ist, also mit dem Beschluß über die Übertragung eigener Mittel an die Europäischen Gemeinschaften. Danach wird der angestrebte endgültige Zustand der Selbstfinanzierung der Europäischen Gemeinschaften zum 1. Januar 1978 eintreten. Die Zeit bis dahin wird in drei Phasen überbrückt.
In der ersten Phase, in der Zeit vom 1. Januar 1971 bis zum 31. Dezember 1974, werden die Europäischen Gemeinschaften alle Einnahmen aus den Agrarabschöpfungen erhalten. Außerdem wird ihnen ein jährlich wachsender Anteil an den Zolleinnahmen zugewiesen werden. Die restliche Finanzierung muß in dieser Übergangsphase allerdings durch Haushaltsbeiträge der Mitgliedstaaten erfolgen. Für die Bundesrepublik Deutschland gilt in dieser Übergangszeit der Finanzierungsanteil in Höhe von 32,9 %.
Es folgt die zweite Phase, die sich auf den Zeitraum vom 1. Januar 1975 bis zum 31. Dezember 1977 erstreckt. In dieser Zeit finanzieren die Europäischen Gemeinschaften ihre Ausgaben bereits vollständig durch eigene Einnahmen. Soweit die Ausgaben durch Zölle und Abschöpfungen nicht voll gedeckt werden, erfolgt die Restfinanzierung durch eine Mehrwertsteuerbeteiligung. Dieser Mehrwertsteueranteil, der dann erforderlich ist, darf jedoch höchstens 1 % der steuerpflichtigen Bemessunggrundlage des jeweiligen Mitgliedstaats betragen. Auch für diese Phase ist eine Begrenzung des Finanzierungsanteils vorgesehen, und zwar in der Weise, daß der jeweilige Anteil eines Staates nur um höchstens 2 % im Vergleich zum vorausgegangenen Jahr steigen darf.
Ich komme zur dritten Phase. Die dritte Phase, also die Endphase, beginnt am 1. Januar 1978. Von da an erfolgt die Ausgabenfinanzierung vollständig durch eigene Einnahmen. Auch die jährliche Ausgabenbegrenzung — ich sprach soeben davon, nämlich im Zusammenhang mit dem Anwachsen des Anteils um jeweils höchstens 2 % — wird nach dem 1. Januar 1978 wegfallen. Der Wegfall dieser Begrenzungsklausel führt von diesem Zeitpunkt an zu einem starken Anwachsen der deutschen Finanzierungsanteile in den folgenden Jahren.
Bei der Beratung dieser Vorlage ergaben sich im Haushaltsausschuß insbesondere zwei Probleme. Ich möchte kurz darauf eingehen.
Einmal ging es um die Definition der gemeinsamen Bemessungsgrundlage für die Mehrwertsteuer. Hier ist auch die Berechnungsmethode für den Anteil an der Mehrwertsteuer mit einzuschließen. Nach Auffassung des Haushaltsausschusses ist es erforderlich, diese Richtlinien so zu fassen, daß keine zusätzlichen Steuerbelastungen für die einzelnen Mitgliedstaaten entstehen. Die Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer wäre also lediglich als haushaltsmäßige Berechnungsgrundlage mit heranzuziehen. Außerdem darf die Anteilsberechnung für den jeweiligen Mitgliedstaat nicht durch zusätzliche steuerstatistische Erhebungen erfolgen. Es muß vielmehr der Anteil eines Mitgliedstaates aus den Da-



Röhner
ten der jeweiligen volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ermittelt werden.
Das zweite Problem, das sich bei dieser Vorlage im Haushaltsausschuß ergab, besteht darin, daß die Finanzierungsregelung auch hinsichtlich der möglichen Auswirkungen des Beitritts Großbritanniens und dreier anderer Staaten zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zu erörtern war. Es ist bekannt, daß sich diese Auswirkungen zur Zeit noch nicht genau berechnen lassen. Aber es kann gesagt werden, daß eine finanzielle Entlastung der Bundesrepublik dann eintreten wird, wenn die vier beitrittswilligen Staaten das jetzt vereinbarte Finanzierungssystem uneingeschränkt übernehmen werden. In diesem Fall wird das Gesamtvolumen ,der Gemeinschaftsausgaben zwar mäßig steigen, der Finanzierungsanteil der Bundesrepublik aber gleichzeitig sinken. Schätzungen sprechen davon, daß der Finanzierungsanteil am neuen Gesamtvolumen nach diesem Zeitpunkt etwa auf 2% absinken könnte.
Ein paar Bemerkungen auch zu der Vorlage über die Verstärkung der Haushaltsbefugnisse des Europäischen Parlaments. Ich meine hier die Bundestagsdrucksache VI/879. Danach ist durch den Vertrag vom 22. April 1970 eine Verstärkung der Haushaltsbefugnisse des Europäischen Parlaments in zwei Phasen vorgesehen.
Im ersten Abschnitt, nämlich in der Zeit vom 1. Januar 1971 bis 31. Dezember 1974, soll die Schlußentscheidung im Haushaltsverfahren beim Rat verbleiben; er kann aber Änderungsvorschläge
1 des Europäischen Parlaments, die nicht zu Mehrausgaben führen, nur mit qualifizierter Mehrheit ablehnen. Der Rat hat sich außerdem verpflichtet, den Haushaltsvoranschlag für die Ausgaben des Europäischen Parlaments nicht zu ändern.
Dann kommt die zweite Phase, die am 1. Januar 1975 als Endphase beginnt. Von diesem Zeitpunkt an wird die Schlußentscheidung im Haushaltsverfahren grundsätzlich beim Europäischen Parlament liegen. Dabei bleibt das Parlament allerdings an die materielle Rechtsetzung des Rates gebunden. Das bedeutet, daß der eigentliche Entscheidungsbereich des Parlaments sich nur auf die Verwaltungsausgaben erstreckt, die ja bekanntlich, prozentual gesehen, nur einen geringen Anteil des gesamten Haushaltsvolumens ausmachen. Innerhalb dieser Grenzen kann das Europäische Parlament im Rahmen bestimmter jährlicher Steigerungsraten, hier abzustellen auf das Bruttosozialprodukt und auf das nationale Haushaltsvolumen, den Entwurf des Haushaltsplans mit der Mehrheit seiner Mitglieder und mit drei Fünfteln der abgegebenen Stimmen endgültig feststellen.
Lassen Sie mich abschließend die Wertung, die der Haushaltsausschuß bei der Beratung dieser Vorlagen vorgenommen hat, kurz zusammenfassen.
Grundsätzlich ist es nach Meinung des Haushaltsausschusses zu begrüßen, daß durch die Annahme der Vorlagen ein weiterer Schritt zur Integration Europas getan wird. Die Gemeinschaften erhalten Finanzautonomie. Das Europäische Parlament erhält erste Ansätze zu echten Haushaltsbefugnissen. Ferner ist es nach Auffassung des Haushaltsausschusses positiv zu werten, daß erstmals eine Obergrenze für die Finanzierungsverpflichtungen der Mitgliedstaaten gegenüber den Gemeinschaften eingeführt wird. Allerdings muß auch darauf hingewiesen werden, daß trotz dieser Begrenzung die Obergrenze dynamisch ist, dynamisch insofern, als die Bemessungsgrundlage für die Mehrwertsteuer und wohl auch die Zölle sich entsprechend der wirtschaftlichen Entwicklung weiterentwickeln und wachsen wird. Andererseits ist festzustellen, daß der deutsche Finanzierungsanteil in den kommenden Jahren beträchtlich anwachsen wird. Der Haushaltsausschuß möchte außerdem noch darauf hinweisen, daß die jetzt eingegangenen Verpflichtungen der Bundesrepublik in der Erwartung des Beitritts Englands und dreier weiterer Staaten zur EWG übernommen wurden. Es ist außerdem zu bedauern, daß die vereinbarten institutionellen Fortschritte — ich meine damit die Haushaltsbefugnisse des Europäischen Parlaments — der Bedeutung der jetzigen Finanzregelung noch nicht entsprechen. Hier wäre der entscheidende Schritt die Übertragung des vollen Haushaltsrechts auf das Europäische Parlament. Dies setzt die Zuerkennung echter legislativer Befugnisse an das Europäische Parlament voraus. Das wiederum wird sich ohne direkte Wahlen zum Europäischen Parlament kaum verwirklichen lassen.

(Abg. Dr. Klepsch: Sehr wahr!)

Das heißt, daß ohne entscheidende Fortschritte im Bereich der politischen Union das Gefälle zwischen wirtschaftlich-finanzieller Integration einerseits und dem politischen Zusammenschluß in den nächsten Jahren andererseits vergrößert würde.
Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, waren kurz zusammengefaßt die wichtigsten Überlegungen, die den Haushaltsausschuß veranlaßt haben, dem Hohen Hause die in der Drucksache 11-1/1374 enthaltene Entschließung vorzulegen.
Ich darf vielleicht noch darauf hinweisen, Herr Präsident, daß der ausgedruckte Text nicht vollständig ist. In ihm ist ein letzter Punkt, den der Haushaltsausschuß beschlossen hat, noch nicht enthalten. Ich darf um entsprechende Ergänzung der Vorlage bitten.
Im Auftrag und im Namen des Haushaltsausschusses bitte ich das Hohe Haus, dem genannten Entschließungsantrag des Haushaltsausschusses seine Zustimmung zu geben.

(Beifall.)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607700200
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für ,die Berichterstattung zu vier Tagesordnungspunkten, die wir aufgerufen haben.
Für den Tagesordnungspunkt 25 c hat das Wort der Berichterstatter Dr. Becker (Mönchengladbach).

Dr. Curt Becker (CDU):
Rede ID: ID0607700300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei dem Entschließungsantrag, der Ihnen auf Drucksache VI/1344 vorliegt, handelt es sich um einen wichtigen Schritt zur Harmonisierung der Steuern in Europa. Es geht hier um einen Richtlinienentwurf, über den seit



Dr. Becker (Mönchengladbach)

zwei Jahren in Brüssel und Bonn verhandelt wird. Der Finanzausschuß des Deutschen Bundestages hat sich mit dieser Frage in verschiedenen Sitzungen sowohl in Bonn wie auch in Brüssel beschäftigt. Es ist die erste europäische Maßnahme auf dem Gebiete der direkten Steuern.
Zunächst wurde die Frage gestellt, ob nach den Römischen Verträgen überhaupt direkte Steuern in Europa harmonisiert werden können, weil in Art. 99 des EWG-Vertrages nur von Verbrauchsteuern die Rede ist. Der Finanzausschuß ist zu dem Ergebnis gekommen, daß Art. 100 des EWG-Vertrages die richtige Grundlage für die Harmonisierung dieser Steuern bietet.
Diese Richtlinie ist von verschiedenen Seiten deswegen kritisiert worden, weil sie keine genügende Grundlage dafür bietet, die gesamte Körperschaftsteuer zu reformieren. Der Finanzausschuß bittet in seiner Erklärung den Bundestag, eine Entschließung dahingehend anzunehmen, daß die Regierung sich dafür einsetzt, daß die Körperschaftsteuern in Europa reformiert und daß darüber hinaus in Europa die Steuern insgesamt harmonisiert werden. Mit dieser Richtlinie wird praktisch die Dreifachbesteuerung der Körperschaften, die Tochtergesellschaften in verschiedenen europäischen Ländern haben, vermieden, was einen wesentlichen wirtschaftlichen Fortschritt bedeutet.
Meine Damen und Herren, ich möchte aus dem Antrag des Ausschusses einen Passus vorlesen:
Der Bundestag weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß die nationalen Unterschiede bei den direkten Steuern weiterbestehen. Er fordert die Bundesregierung auf, ihre Bemühungen zur Harmonisierung dieser Steuern fortzusetzen und dafür einzutreten, daß in der Gemeinschaft so bald wie möglich eine Gesamtkonzeption für die Steuerharmonisierung entwickelt und vorangetrieben wird.
Meine Damen und Herren, ich möchte Sie bitten, dem Antrag des Finanzausschusses zuzustimmen.

(Beifall.)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607700400
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Damit ist die Berichterstattung für die gesamten aufgerufenen Punkte abgewickelt.
Das Wort hat nunmehr der Herr Bundeskanzler.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0607700500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die deutsche Europapolitik kann dies ein wichtiger Tag werden. Es ist schon wichtig genug, daß dem Hohen Hause zwei Europagesetze von großer Tragweite vorliegen. Noch wichtiger wäre es, wenn in dieser Debatte deutlich würde, wieviel der großen Mehrheit im Deutschen Bundestag das Werk der westeuropäischen Einigung bedeutet.
Die deutsche Politik, soweit sie von der Bundesregierung zu verantworten ist, leidet nicht an Gleichgewichtsstörungen. Wir haben uns um ein besseres Verhältnis zu den Nachbarn im Osten bemüht und tun das weiter, und davon lassen wir uns auch nicht abbringen. Daß der Bundesaußenminister heute nicht hier sein kann, ergibt sich, wie das Hohe Haus wissen wird, daraus, daß er sich gerade jetzt in Warschau darum bemüht, einen Normalisierungsvertrag mit der Volksrepublik Polen auszuhandeln, einen Vertrag, der eine böse Vergangenheit hinter uns lassen und, so hoffen wir, den Weg in eine bessere Zukunft öffnen soll.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich bin sicher, meine Damen und Herren, worüber wir immer sonst streiten mögen, was immer uns sonst trennen mag: Die guten Wünsche der allermeisten von uns sind ganz gewiß beim Außenminister und seiner schwierigen, wichtigen Aufgabe in diesen Tagen.

(Erneuter Beifall bei den Regierungsparteien.)

Aber es sollte sich inzwischen herumgesprochen haben, daß alles, worum wir uns in östlicher Richtung bemühen, auf der soliden Grundlage des atlantischen Bündnisses und der sich erweiternden westeuropäischen Gemeinschaft beruht, und zwar nicht so, als ob wir dies nur sagten und selbst nichts dazu täten. Ganz im Gegenteil! Wir haben gerade in den jetzt hinter uns liegenden Monaten einen nicht geringen Beitrag dazu geleistet, daß die westliche und die westeuropäische Zusammenarbeit verstärkt worden ist. Wir haben, was die Europäische Gemeinschaft angeht, nicht unwesentlich dazu beigetragen, daß eine jahrelange Stagnation überwunden werden konnte. Es geht wieder voran.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Daß es wieder vorangeht, ist auch auf deutsche Initiative zurückzuführen. Das sollte auch von denjenigen gewürdigt werden, die dieser Regierung und der sie tragenden Koalition kritisch oder ablehnend gegenüberstehen. Herr Kollege Moersch wird sich nachher im Verlauf der Debatte in Vertretung des Bundesaußenministers noch dazu äußern, was in den vergangenen zwölf Monaten im einzelnen geleistet und erreicht worden ist. Das ist nicht wenig. Ich sage noch einmal, wir können ohne Selbstgefälligkeit feststellen: die Bundesrepublik ist bei den Bemühungen um die Verstärkung und Erweiterung der westeuropäischen Zusammenarbeit und Einigung eine treibende Kraft gewesen. Sie ist es, und dabei soll es bleiben. Mit Aufforderungen, meine Damen und Herren, wir sollten mehr für die Einigung Westeuropas tun, läuft man bei dieser Bundesregierung offene Türen ein.

(Abg. Fellermaier: Sehr wahr! — Beifall bei den Regierungsparteien.)

Allerdings gehen wir in unserer Politik — in welcher Himmelsrichtung auch immer — von den wirklichen Verhältnissen aus. Wir nehmen das in Angriff, was nach Einschätzung der Lage und der Umstände machbar ist. Wir können nur das tun, wozu auch unsere Partner bereit sind, worauf wir uns mit ihnen einigen können, wovon wir andere überzeugen können und diese uns. Wir sind bestrebt, gemeinsame Interessen aufzuspüren und sie für die europäische Sache nutzbar zu machen. Seit-



Bundeskanzler Brandt
dem sich auch andere so verhalten, geht es in unserem Teil Europas wieder voran, und zwar ohne daß es dazu wie in den 50er Jahren des Antriebs einer akuten außenpolitischen Bedrohung bedarf.
Die dem Hohen Hause zur Verabschiedung vorliegenden Gesetze sind das Ergebnis langer und geduldiger Beratungen. Dies gehört zu der Verpflichtung, die die Bundesregierung auf der Haager Gipfelkonferenz im Dezember vergangenen Jahres zusammen mit ihren Partnern eingegangen ist. In den Augen von Perfektionisten mag dies unvollkommen sein. Tatsächlich sind sie, worauf auch schon der Herr Berichterstatter hingewiesen hat, zwei neue wichtige Bausteine für den inneren Ausbau der Europäischen Gemeinschaft. Die in der Finanzregelung vorgesehenen eigenen Einnahmen der Gemeinschaft stellen ein Stück vorweggenommener föderativer Ordnung dar. Mit der — wenn auch noch unzulänglichen Erweiterung der Befugnisse des Europäischen Parlaments wird ein Schritt in Richtung auf eine Stärkung der demokratischen Basis getan.
Die Bundesregierung betrachtet diese beiden Gesetze als den Übergang in ein neues Jahrzehnt westeuropäischer Politik, in dem die Gemeinschaft zu einer möglichst beispielhaften Ordnung entwikkelt wird, einer Lebensordnung, die ihre Anziehungskraft nicht nur für die Völker, die ihr heute, und für jene, die ihr morgen angehören, wirken läßt, sondern auch für andere Völker in Europa und in anderen Teilen der Welt.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Wir schulden es nicht zuletzt der jungen Generation, daß wir der Gemeinschaft Inhalte geben und Aufgaben stellen, zu denen sie sich bekennen kann. Dazu gehört, durch unser Tun deutlich zu machen, daß für uns die Gemeinschaft mehr ist als nur ein Zweckverband zur Befriedigung materieller Bedürfnisse.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Die Bundesregierung hat sich für dieses Jahrzehnt insbesondere fünf Ziele gesetzt:
— die baldige Erweiterung der Gemeinschaft um die beitrittswilligen Staaten,
— die Errichtung der Wirtschafts- und Währungsunion, die die Römischen Verträge weiterführen und vervollständigen soll,
— die nun beginnende westeuropäische politische Zusammenarbeit so zu entwickeln, daß daraus eine politische Gemeinschaft werden kann,

(Sehr gut! bei der SPD)

— die Partnerschaft der Gemeinschaft mit Amerika zu etablieren und auf angemessene Weise weltpolitische Verantwortung zu übernehmen,
— und nicht zuletzt den jeweils gegebenen Möglichkeiten der Kommunikation und Kooperation mit den Staaten Osteuropas nachzugehen und sie im allseitigen Interesse zu nutzen.
Meine Damen und Herren, zu den wichtigsten Fortschritten der letzten zwölf Monate gehört die
Aufnahme von Verhandlungen mit den beitrittswilligen Ländern. Die Bundesregierung geht davon aus, daß die Verhandlungen, die bereits auf einem guten Wege sind, in der kürzestmöglichen Zeit zu einem befriedigenden Ergebnis führen, d. h. zur Vollmitgliedschaft Großbritanniens und der anderen Staaten.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Der Beitritt dieser Länder wird die Wirtschaftskraft der Gemeinschaft vermehren, ihren sozialen Ausbau fördern und sie politisch stärken. Die Verhandlungen mit den Staaten, die eine andere Form der Verbindung mit der Gemeinschaft suchen, beginnen in diesen Tagen. Die Bundesregierung wird sich auch hier für einen zügigen Verlauf einsetzen.
Die große gemeinsame Aufgabe der 70er Jahre ist die Fortentwicklung der Gemeinschaft zur Wirtschafts- und Währungsunion. Wir müssen hier mit unseren Partnern entschlossene Schritte in die Zukunft tun. Der von den Sechs zusammen mit der Kommission ausgearbeitete Stufenplan stellt in Wirklichkeit eine neue Magna Charta für die Geineinschaft dar. Dies bedeutet u. a.: Die Einigung Europas darf nicht mißverstanden werden als Einigung zugunsten der jeweils höchsten Preise.
Erforderlich sind weitgehende institutionelle Reformen. Die Wirtschafts- und Währungsunion wird mit der seit langem geforderten Stärkung der Gemeinschaftsinstitutionen verbunden sein müssen. Das parlamentarische Kontrollorgan muß verstärkt werden. Es sollte auch in der Entwicklung, die vor uns liegt, aus allgemeinen, unmittelbaren Wahlen hervorgehen können.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Die Bundesregierung ist jedenfalls bereit, diesen Weg zu gehen und sich mit ihren Partnern ein zeitliches Ziel für die Durchführung der notwendigen Aufgaben zu setzen. Die Wirtschafts- und Währungsunion wird Wachstum und Stabilität im größeren Raum sichern. Diese Union wird, wenn sie ihren Nutzen voll entfalten soll, von Fortschritten in anderen Bereichen begleitet sein müssen. Dazu gehören, um nur einige wichtige Komplexe zu nennen, die Reform und Ausgestaltung der europäischen Agrarpolitik, die Ausarbeitung einer umfassenden, über die Römischen Verträge hinausführenden europäischen Technologie-Politik, die Überwindung der teilweise noch krassen Unterschiede in einzelnen Regionen der Gemeinschaft, eine Angleichung der Bildungspolitik und eine fortschrittliche europäische Sozialpolitik mit dem Ziel, die Gemeinschaft in diesem Jahrzehnt zum wrklich fortschrittlichen großen Raum dieser Erde zu machen.
Dringend notwendig erscheinen mir Maßnahmen, die geeignet sind, das Wesen und die Vorteile der Gemeinschaft für die einzelnen Bürger in den Partnerstaaten unmittelbar sichtbar und fühlbar zu machen. Eine Maßnahme, die in diese Richtung zielt, wäre die Abschaffung der Grenzkontrollen im Reise- und Warenverkehr.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)




Bundeskanzler Brandt
Die Bundesregierung wird sich auch hier bemühen, erneut anderen mit gutem Beispiel voranzugehen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Es ist auch dringend geboten, daß wir innere Reformvorhaben in den Ländern der Gemeinschaft aufeinander abstimmen und gemeinsame Vorstellungen entwickeln. Dabei geht es nicht nur um die Angleichung der Lebensbedingungen. Europa muß jedenfalls mehr sein als der Exerzierplatz einer Technokratie, deren Übungen von den Menschen in unseren Ländern nur schwer verstanden werden.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Das Bundeskabinett hat gestern über den Stand des Ausbaus der Gemeinschaft beraten und unsere zukünftige Marschroute festgelegt. Wir werden initiativ bleiben, so wie wir es gewesen sind; das kann ich Ihnen ohne jede Übertreibung sagen.
Die politische Zusammenarbeit kommt nun endlich auch in Gang. Es ist gut, daß die sechs Außenminister ihren gemäß Ziffer 15 des Haager Kommuniqués erstatteten Bericht am 27. Oktober in Luxemburg verabschiedet haben. Mit der bevorstehenden Tagung am 19. November in München wird zum erstenmal seit 1962 ein außenpolitischer Konsultationsmechanismus zwischen den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft in Gang gesetzt.
Die Ergebnisse des Berichts der Außenminister mögen vielen als mager erscheinen.

(Abg. Barzel: Sehr wahr!)

— Ich würde einem solchen Urteil, Herr Kollege Barzel, nicht widersprechen. Wir mußten jedoch von der Tatsache ausgehen, daß in Wirklichkeit gerade auf diesem Feld nur Trümmer lagen; so war es doch von 1962 und den folgenden Jahren her.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Die hatten wir doch nicht verursacht!)

— Das habe ich doch nicht gesagt!

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Dann sagen Sie es bitte dazu, damit der Beifall erklärt wird!)

Das habe ich doch nicht gesagt! Das weiß doch jeder, wie die europäische Entwicklung verlaufen ist!

(Abg. Dr. Klepsch: Sie waren doch der Außenminister!)

— 1962 war ich noch nicht Außenminister. Aber es ist gut, daß Sie mir jetzt eine schon so lange Mitwirkung und Erfahrung auf diesem Gebiet zutrauen.

(Beifall bei der SPD.)

Es mußten neue Grundlagen geschaffen werden. Jetzt kommt es darauf an, den neugeschaffenen Konsultationsmechanismus zu nutzen und zu gegebener Zeit von den vorgesehenen Möglichkeiten einer stufenweisen Verbesserung der außenpolitischen Abstimmung Gebrauch zu machen.
Für die Bundesregierung will ich sagen: Wir streben nicht nur den bloßen Meinungsaustausch, nicht nur die Gegenüberstellung von Auffassungen an, sondern wir wollen in der Gemeinschaft und mit unseren Partnern gemeinsame Auffassungen erarbeiten und gemeinsames Handeln vorbereiten.
Die schrittweise Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion und die Harmonisierung der außenpolitischen Zusammenarbeit können uns im Verlauf dieses Jahrzehnts an den Punkt heranführen, an dem unser Teil Europas im vollen Sinne des Wortes wirklich mit einer Stimme spricht.
Ich würde es begrüßen, wenn die Außenminister bei ihren Konsultationen dem, was man Ostpolitik nennt, besondere Aufmerksamkeit widmeten. Für die Partner der Gemeinschaft geht es hier um ein gemeinsames Problem. Staatspräsident Pompidou hat bei seinem jüngsten Besuch in Moskau auf diesen Zusammenhang ausdrücklich und mit vollem Recht hingewiesen. Die Beziehungen zur Sowjetunion und zu den anderen Partnern des Warschauer Pakts dürfen nicht als ein Spielfeld rivalisierender Aktionen verstanden werden.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Es liegt im Interesse aller Beteiligten, daß sich keiner gegen einen anderen ausspielen läßt. Die westeuropäische Einigung dient nicht nur den Interessen der unmittelbar Beteiligten, sie dient auch und sie soll dienen dem friedlichen Zusammenleben zwischen West und Ost. Sie dient damit der europäischen Friedensordnung, die es zu finden und zu organisieren gilt.
Meine Damen und Herren, als ich im August ein paar Tage in der Hauptstadt der Sowjetunion war, hatte ich den Eindruck, daß die dort Verantwortlichen die Realität der sich fortentwickelnden westeuropäischen Gemeinschaft zu würdigen wissen. Formelle Beziehungen zur Gemeinschaft müßten sich aus einer solchen Einsicht mit einer gewissen Logik entwickeln. Dies würde jene Kooperation fördern, die im Interesse der Staaten und der Menschen West- wie Osteuropas liegt und die dazu beitragen würde, den Frieden sicherer und hoffentlich eines Tages auch weniger kostspielig zu machen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Im übrigen brauche ich kaum zu betonen, wie großen Wert wir darauf legen, daß die Gemeinschaft mit den Vereinigten Staaten nicht nur eng verbunden bleibt, sondern daß für diese enge Verbindung auch die geeigneten Formen gefunden werden. Es ist falsch anzunehmen, daß die amerikanische Regierung ihr Interesse an einer europäischen Einigung verloren habe. Im Gegenteil, den Vereinigten Staaten liegt sehr daran, daß Westeuropa sich durch seinen Zusammenschluß zu einem vollwertigen Partner der Friedenssicherung in Europa und darüber hinaus entwickelt.
Unsere Bereitschaft, unser Teil der europäischen Bereitschaft zur Zusammenarbeit, richtet sich nicht zuletzt an die Dritte Welt. Mit der Assoziierung der afrikanischen Staaten hat die Gemeinschaft einem historisch begründeten Erfordernis entsprochen. Unsere Bereitschaft zu partnerschaftlicher Zusammenarbeit richtet sich darüber hinaus an alle Staaten, die an guten Beziehungen zur Gemeinschaft interessiert



Bundeskanzler Brandt
sind. Europa wird seiner Verantwortung nur gerecht, wenn es den Partnern in der Dritten Welt Zukunftsträchtiges zu bieten hat.
Ich möchte hier gern noch ein paar Feststellungen treffen, die vielleicht — hoffentlich — für die Diskussion bei uns in der Bundesrepublik hilfreich sein können. Erstens möchte ich sagen, daß ich eine Ideologisierung der Europapolitik für ausgesprochen schädlich halte.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Die Parole oder Schreckparole von einem „sozialistischen Europa" ist ebenso töricht wie die Furcht vor einem „christdemokratischen" oder „konservativen Europa".

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Unruhe bei der CDU/CSU.)

Die Einigung Europas ist eine zu wichtige Sache, als daß sie durch ideologische Spaltungen belastet werden dürfte.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Das ideelle Fundament des westeuropäischen Zusammenschlusses ist, daß sich seine Mitglieder unbeschadet der politischen Gruppierungen zur freiheitlichen, rechtsstaatlichen und sozialen Demokratie bekennen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Dies ist der Richtpunkt nicht nur für den Ausbau und die Fortentwicklung der Europäischen Gemeinschaft, sondern auch für unsere Bemühungen um einen gesicherten Frieden in Europa und in der Welt. Nur wenn alle demokratischen Kräfte insoweit solidarisch zusammenarbeiten, werden sie die vor uns liegenden Aufgaben erfüllen können.
Zweitens, meine ich, sollte niemand den Versuch machen, Kontroversen zu erfinden, wo sie nicht nötig sind.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Konkret: Die Bundesregierung hat intern und öffentlich vor und nach der Unterzeichnung des Moskauer Vertrages vom 12. August keinen Zweifel daran gelassen, daß unser souveränes Recht nicht beeinträchtigt und nicht berührt wird, Europa zu bauen, Souveränitäten abzubauen und die heute noch bestehenden Grenzen zwischen den Partnern der Europäischen Gemeinschaft zu Verwaltungslinien zu machen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Drittens. Auch wenn es auf dem Wege nach Europa nicht ohne Vorleistungen aller Beteiligten geht, sind wir uns sicher darin einig, daß die Interessen der Bundesrepublik ebenso . nachhaltig vertreten werden müssen, wie dies andere für ihre Interessen tun. Dennoch dürfen wir keinen inneren Widerspruch auftreten lassen, einen Widerspruch, der entstünde, wenn wir nach Westen die Zukunft und nach Osten die Vergangenheit beschwörten.

(Beifall bei der SPD.)

Je weiter und enger das westliche Europa zusammenwächst, je mehr unrevidierbare Entscheidungen
und Entwicklungen es gibt, um so wirklichkeitsfremder werden Positionen, die ihre Logik nur in dem Ziel der Wiederherstellung eines autarken Reiches haben. Wir müssen ein Europa anstreben, in dem die Grenzen nicht schmerzen, also ein Europa des Verzichts auf Gewalt, ein Europa der Zusammenarbeit zwischen den Völkern. Nur in einem solchen Europa wird es auch möglich sein, daß unser Volk seine Selbstbestimmung verwirklichen kann, ohne daß das den Frieden sichernde Gleichgewicht sich verändert oder unsere Nachbarn Sorgen zu haben brauchen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Schließlich ist die Bundesrepublik Partner der europäischen Familie nur, solange sie den Schild der Demokratie sauberhält. Ich bin sicher, daß auch dies der gemeinsamen Einsicht und Überzeugung der übergroßen Mehrheit dieses Hohen Hauses entspricht.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607700600
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Barzel. Ihm folgt der Abgeordnete Dr. Apel.

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID0607700700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir begrüßen es, daß der Bundeskanzler diese Europadebatte selbst eröffnet hat. Wir finden, daß er einen guten Satz zu Anfang sagte: Diese Debatte soll deutlich machen, wie sehr uns allen an der Politik der Vereinigung des freien Europa liegt. Der Satz ist gut, nur ist Europapolitik keine Frage mehr von Worten, sondern eine Frage von Taten, von praktisch abmeßbaren Taten. Davon werden wir hier gleich einiges in die Debatte einführen, um dem Bundeskanzler Gelegenheit zu geben, darzutun, wie sehr allen in diesem Hause an der politischen Vereinigung des freien Europa liegt.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich muß auf Grund Ihrer Einlassung, Herr Bundeskanzler, zwei Bemerkungen dazwischenschieben. Sie haben offensichtlich die Fragen, die der Kollege Scheel zur Stunde in Warschau verhandelt, nicht mit in diese Debatte einführen wollen, aber doch ein paar Sätze dazu gesagt. Wenn Sie damit eine Debatte haben wollen, kann man sie eröffnen. Wir würden bereit sein, heute darauf zu verzichten, trotz der Bemerkung des Kanzlers. Wir beschränken uns deshalb in diesem Augenblick auf zwei Sätze: Unsere guten Wünsche gelten dem Ausgleich der beiden Völker, gelten dem Finden von Lösungen und gelten den Bausteinen für eine europäische Friedensordnung. Wir sehen bisher leider nur das Suchen nach Formeln mit dem Blick in die Vergangenheit oder aus der Vergangenheit.
Ein zweiter Punkt bedarf in diesem Zusammenhang der Klarstellung, auch im Zusammenhang anderer Sätze, die sich am Schluß Ihrer Einlassung, Herr Bundeskanzler, befanden. Sie haben gesagt — ich weiß nicht, gegen wen Sie diese Feststellung trafen —, das Motiv der Europapolitik der Bundesregierung, ihr „Antrieb" — so sagten Sie — sei nicht eine „außenpolitische Bedrohung". Nun will



Dr. Barzel
ich jetzt nicht über die bestehenden Fakten der außenpolitischen Bedrohung sprechen. Ich glaube, es gehört nicht in diese Debatte. Die Fraktion, die die Europapolitik in diesem Hause seit über 20 Jahren als Nummer 1 ihrer Außenpolitik betrachtet hat, hat nie eine Europapolitik aus dem „Antrieb außenpolitischer Bedrohung gemacht". Dafür haben wir die Politik der NATO gehabt, Herr Bundeskanzler. Unsere europäische Politik hatte einen anderen Antrieb, nämlich den, im freien Teil Europas eine europäische Friedensordnung herzustellen, die uns allen eine Zukunft sichert, in der es unmöglich ist, daß das Böse, das in der Vergangenheit war, wiederkommen kann.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren, dies ist eine Politik nicht aus Angst, sondern für eine bessere Zukunft. Und wir wären sehr froh, wenn dies das einzige Motiv auch in der Ostpolitik dieser Bundesregierung sein könnte, von der Sie ja auch hier am Rande gesprochen haben. Uns interessiert an dieser Politik, real Bausteine für eine gesamteuropäische Friedensordnung zu finden, so wie wir real Bausteine zur europäischen Einigung gefunden haben. Mit anderen Worten: Deutsche und Polen sind ganz Europa mindestens das als Schritt nach vorn schuldig, was Deutsche und Franzosen für das freie Europa geleistet haben. Nur dies zur Klarstellung der Positionen, Herr Bundeskanzler.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Nun zur westeuropäischen Politik im engeren Sinne. Herr Bundeskanzler, Sie haben festgestellt, es ginge wieder voran. Dies kann niemand bestreiten. Es geht voran in einer Richtung, über die wir uns nach der Konferenz von Den Haag, die ja unmittelbar nach dem Regierungswechsel stattfand, hier verständigt hatten, worüber wir übrigens auch vorher gute Gespräche hatten.
Aber, meine Damen und Herren, es hieße doch nun wirklich die Arbeit des Außenministers Brandt falsch einschätzen, wenn wir in diese Debatte nicht völlig klar einführten, daß alles das, was jetzt hinsichtlich der Erweiterung der Gemeinschaft erfreulicherweise möglich geworden ist, nichts mit deutschen Initiativen zu tun hat, denn die gab und gibt es immer, sondern — wenn wir redlich diskutieren — mit einem Wechsel in Paris in der grundsätzlichen Frage zu tun hat.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Diese Feder, Herr Bundeskanzler, sollte sich hier
keiner an einen Hut stecken, weil sie nicht daran
paßt. Es ist peinlich, dies auch nur zu versuchen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich hätte nun aber gerne, Herr Bundeskanzler — damit leiten wir über zu den praktischen Punkten —, von Ihnen etwas über das wirkliche Problem gehört, ob nämlich durch die Zahl der Mitgliedstaaten, die dieses Europa ausmachen werden, die vor der Tür stehen, für deren Beitritt wir sind — wir sind auch dafür, daß die anderen Möglichkeiten des Mitwirkens, der Assoziierung, wie immer Sie wollen, finden —, die Qualität der Gemeinschaft verändert
wird. Mit anderen Worten: Muß man sich nicht mit der gleichen Intensität, mit der man sich um die Erweiterung bemüht, zugleich um die Vertiefung der Gemeinschaft und des politischen Ziels kümmern? Dazu hätten wir gerne Konkreteres als die allgemeinen Worte von Ihnen gehört, Herr Bundeskanzler.
Nachdem Sie sagten, die Bundesregierung sei hier „die treibende Kraft", möchte ich gerne versuchen, Sie beim Wort zu nehmen:
Erstens. Wenn dies so ist, sollte es der Bundesregierung möglich sein, dem Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, den wir in den Ausschüssen zu beraten wünschen, als hilfreich und förderlich zu betrachten, und dann sollte der Bundeskanzler eine Möglichkeit sehen, diesem Antrag, vor allen Dingen in seinen Schlußsätzen, nicht nur seine Sympathie, sondern auch seine Zustimmung zu geben. Dies ist ihm zumutbar, bei allen Rücksichten auf Nachbarn, die vielleicht eine andere Politik wollen, aber dies ist zumutbar, und deshalb, Herr Bundeskanzler, hätte ich eben gerne nicht nur die Sätze über die parlamentarischen Dinge in Europa, die wir begrüßt haben — ich komme darauf zurück —, sondern auch noch Sätze von Ihnen darüber gehört, was man in der europäischen Diskussion die Finalität der Gemeinschaft nennt, d. h. das Endziel.
Da sind Sie ja immer noch mit Ihrem Wort aus London, daß Sie die politische Union auf die nächsten Generationen vertagen, — —

(Abg. Fellermaier: Das mußte ja kommen! — Abg. Wehner: Das haben Sie erfunden!)

— Aber, Herr Kollege Wehner, wenn Sie etwas leiser rufen, ist es auch noch zu verstehen! Zweitens möchte ich Ihnen sagen, daß wir dieses Zitat im März hier in die Debatte eingeführt haben und den Kanzler gefragt haben, ob es zutreffe, was er nicht bestritten hat. Wenn Sie also über Erfindungen sprechen, müssen Sie sich an Ihren Bundeskanzler wenden und nicht an mich als den Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Aber vielleicht war dies eine Form eines Dementis um die Ecke.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

Dann sollte es dem Bundeskanzler um so leichter gelingen — und dann ist diese Debatte vom Tisch, Herr Kollege Wehner —, eine Möglichkeit zu finden, zur letzten Abteilung unserer Drucksache etwas Positives zu sagen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0607700800
Sie haben auch von Wirtschaftsunion, von Währungsunion gesprochen. Alle Welt, dieses Haus, alle Kollegen in Europa diskutieren das, was unter der Überschrift „Werner-Bericht" in der Presse steht. Dies ist eine Sache, die in die richtige Richtung geht; darüber wird hier wohl kein Mensch streiten. Nur denke ich, Herr Bundeskanzler, daß auch in folgendem kein Streit sein sollte, und ich möchte dies hier für die Bundestagsfraktion der CDU/CSU in aller Deutlichkeit erklären: Ein weiteres Abgeben fundamentaler



Dr. Barzel
Kompetenzen, fundamentaler Zuständigkeiten der Bundesrepublik Deutschland auf den Gebieten von Währung und Wirtschaft an europäische Institutionen liegt sehr in der Richtung unserer Politik. Dies kommt aber nur in Frage, Herr Bundeskanzler, wenn erstens parlamentarische Kontrolle in diesem Europa sichtbar, glaubhaft und funktionsfähig sein wird

(Beifall bei der CDU/CSU)

und wenn zweitens dies zugleich in eine politische Union führt. Ich kenne keinen Verantwortlichen, der bereit ist, ein Stück Verantwortung für seine Währung zu Hause an eine europäische Institution abzugeben, wenn nicht die europäische Institution zu einer gemeinsamen Politik führt.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Deshalb, Herr Bundeskanzler, fehlt doch — und
das weiß jeder, das ist auch Ihnen nicht verborgen, und das wissen die Kollegen aller Fraktionen, die im Europäischen Parlament arbeiten, und jeder, der sich an der europäischen Diskussion beteiligt, weiß dies neben ,dem Werner-Stufenplan mit dem Ziel der Wirtschafts- und Währungsunion nun der Stufenplan für die politische Union. Jeder weiß, daß er fehlt. Sie bezeichnen sich als die „Triebkraft" Europas. Warum, Herr Bundeskanzler, legen Sie einen solchen Stufenplan zur politischen Union nicht vor? Dies wäre eine Tat und nicht nur ein Wort, meine Damen und Herren!

(Abg. Wehner: Sie reden, als ob Sie nichts von Paris wüßten, und wissen doch ganz genau, wie delikat das ist!)

— Aber, Herr Wehner, warum Sie heute morgen so laut sind, ist mir wirklich nicht erklärlich.

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Lassen Sie Wehner ruhig schreien!)

Ich wiederhole, meine Damen und Herren, daß es sehr gut wäre, wenn diese Bundesregierung nicht nur Worte, sondern Taten setzen würde. Ich habe sie gerade ermuntert, einen Stufenplan für die Errichtung der politischen Union vorzulegen, weil es sonst zur Wirtschafts- und Währungsunion nicht kommen wird, wie jedermann in Europa weiß und wie es auch Herrn Wehner nicht unvertraut ist.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Nun das Dritte, Herr Bundeskanzler. Sie haben
— und dies war erfreulich zu hören — das Ergebnis des Davignon-Berichts über die politische Zusammenarbeit der Außenminister als „mager" bezeichnet. Das war eine redliche Vokabel. Ich denke, dieses „mager" haben Sie empfunden nicht nur im Blick auf den Inhalt dieses Papiers, das uns ja der Außenminister dankenswerterweise in einer Drucksache noch vorgelegt hat, sondern wohl auch hinsichtlich der Tatsache, daß sich hier neben die Gremien und neben den Gang der Institutionen, also neben die Verfassungswirklichkeit der Gemeinschaft, neue Wege zu schieben beginnen. Ich nehme an, dieses „mager" haben Sie auch so gemeint. Ich will das jetzt nicht weiter ausdehnen. Aber, Herr Bundeskanzler, an einem kann doch nun kein Zweifel sein, wenn man die Debatten dieses Hauses zur Europapolitik in den letzten zwölf Monaten ver-
folgt hat: daran, daß Sie heute ein Ergebnis als „mager" bezeichnen, das Sie selbst vorgeschlagen haben. Denn Ihr eigener Vorschlag ging doch über das, was man „freiwillige Konsultation" nennt, nicht hinaus.

(Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)

Das Ergebnis sind nun „freiwillige Konsultationen", und dies ist mager. Herr Bundeskanzler, warum machen Sie dann nicht für Ihre Regierung
— Sie können es doch — einen weitergehenden Vorschlag? Warum treten Sie nicht mit einem Vorschlag hervor, der nun mindestens diese Konsultationen und wenn es zunächst nur für einige Themen ist—zwingend macht sowohl in dem Sinne, daß man sich konsultiert, als auch in dem, daß man sich hinterher an das gemeinsame Ergebnis hält? Das wäre Ihnen doch nach der Rede, die Sie hier gehalten haben, zumutbar, damit wir nicht nur Worte hören, sondern praktische Taten sehen.

(Abg. Dr. Klepsch: Sehr gut!)

Ich möchte Sie auffordern, Herr Bundeskanzler, auch folgendes noch zu erwägen. Da wird es ja am 19. November wieder einmal zufällig in einer Stadt, die es dem Bundesaußenminister erlaubt, seine Landtagswahlkampfverpflichtungen mit außenpolitischen Verpflichtungen in Übereinstimmung zu bringen, — —

(Abg. Fellermaier: Billig, Herr Barzel! Das ist billig! Wollen Sie damit den anderen Außenministern unterstellen, daß sie Herrn Scheel zuliebe nach München fahren? — Weitere Zurufe und Unruhe bei den Regierungsparteien. — Gegenrufe von der CDU/ CSU.)

— Herr Kollege, ich habe das höfliche Wort „zufällig" gebraucht. „Noch zufälliger" konnte ich es ja nicht sagen. Wie zufällig das Ganze ist, zeigt Ihre Erregung, Herr Kollege.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

Herr Bundeskanzler, ich möchte vorschlagen, daß man doch versucht, bei dieser Konferenz in München am 19. November aus jener mageren Situation herauszukommen. Ich glaube, daß in Bayern auch mehr Verständnis für Vollmilch vorhanden ist, wenn Sie den Platz schon nutzen wollen.
Ich schlage Ihnen vor, Herr Bundeskanzler, einmal zu prüfen, ob Sie nicht folgende Punkte auf die Tagesordnung setzen sollten. Warum schlagen Sie nicht vor — Sie können es doch —, daß Ihr Außenminister in München den Antrag stellt: Die Konferenz der Direktoren, die ja nun eingesetzt ist, erhält einen zusätzlichen Auftrag, nämlich den, in einer bestimmten Frist einen Stufenplan zur Erreichung der politischen Union vorzulegen?

(Beifall bei der CDU/CSU.) Dies sollte Ihnen doch zumutbar sein.


(Zuruf des Abg. Wehner.)

— Damit wir uns hier klar verstehen, Herr Kollege Wehner: Ich sage „Stufenplan", weil natürlich jeder von uns weiß, daß nicht alles auf einmal möglich ist.

(Zurufe von der SPD.)




Dr. Barzel
Ich meine, es würde dieser Regierung gut anstehen, nachdem die freiwillige Konsultation beschlossen worden ist, nun eine verpflichtende, eine obligatorische Konsultation einzuführen und als nächste Stufen dann eine wirksame Koordination, eine politische Kooperation und dann die politische Union ins Auge zu fassen. Das ist ein vernünftiger Stufenplan. Das ist ein Fahrplan, der im Timing, im Zeitablauf, neben den Zeitablauf der Wirtschafts- und Währungsunion, wenn es auf diesen Gebieten gutgeht, gestellt werden muß. Herr Bundeskanzler, dazu hätte ich von Ihnen gerne etwas gehört.
Unser konkreter Vorschlag ist also: Auftrag der Minister an die Direktoren, einen Stufenplan zur Erreichung der politischen Union vorzulegen, und zwar mit folgenden Stufen: obligatorische Konsultation, wirksame Koordination, politische Kooperation und schließlich politische Union.
Ein weiterer Punkt, Herr Bundeskanzler, der dringend der Debatte auf dieser Konferenz in München bedarf, ist die Herstellung einer einheitlichen Auffassung der Regierungen der Sechs in den Fragen einer europäischen Konferenz, wie die Sowjetunion sie vorschlägt. Das ist doch ein wichtiges Thema. Wenn man sagt — ich habe das hier zu meiner Freude vom Bundeskanzler gehört —, wir seien der Motor Europas, dann würde ich auch gern hören, daß der Bundeskanzler vorschlägt, eine einheitliche Haltung in diesen Fragen herbeizuführen. Das könnte z. B. in München geschehen.
Ein anderer Punkt, meine Damen und Herren. Es weiß doch jeder, daß 1973 die fundamentalen Entscheidungen in Sachen Handelspolitik auf die Gemeinschaft übergehen. Sie selbst haben in einem Satz, über den wir uns gefreut haben, deutlich gemacht, daß Sie die Gefahr sehen, daß sich die westlichen Industrieländer nun — lassen Sie es mich etwas deutlicher sagen — in Moskau im Hinblick auf die Höhe der Kredite gegenseitig überbieten und im Hinblick auf die Zinssätze der Kredite gegenseitig unterbieten. Herr Bundeskanzler, warum versuchen Sie nicht, diesen Punkt in München auf die Tagesordnung zu bringen, mit dem Ziel, schon jetzt eine einheitliche Haltung bei diesen großen Geschäften herbeizuführen?

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Sie haben von den Problemen im Zusammenhang mit der Anwesenheit der USA hier gesprochen. Meine Damen und Herren, dies ist eine Frage, die alle Europäer angeht. Es geht hier nicht nur um die Lasten, die diese Anwesenheit mit sich bringt. Warum setzen Sie dieses Thema nicht auf die Tagesordnung?
Und sprechen wir gar nicht erst von den Sorgen hinsichtlich des Mittelmeers, die sicherlich nicht nur unsere italienischen Kollegen haben. Auch dieses Thema gehört auf die Tagesordnung einer solchen Konferenz.
Diese Themen machen doch deutlich, daß mit einer freiwilligen Konsultation den Europäern in ihrer Gesamtheit nicht gedient ist. Wenn wir hier weiterkommen wollen, müssen wir über alle diese Themen sprechen. Herr Bundeskanzler, wir können nichts
anderes tun, als Sie beim Wort nehmen. Sie haben die Möglichkeit, Sie haben das Mandat, Vorschläge in dieser Richtung zu machen. Sie können sich darauf verlassen, daß Sie dann, wenn Sie solche Vorschläge machen, wahrscheinlich die einstimmige Unterstützung dieses Hauses haben werden. Damit können Sie doch etwas anfangen!

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Wehner: Sie haben jedenfalls Hoffnungen im Hinblick auf die Fähigkeiten der Regierung!)

— Herr Kollege Wehner, Sie freuen sich heute, daß ich hier Hoffnung habe.

(Abg. Wehner: Na sicher! Dann ist doch nichts verloren!)

— Ich bin immer froh, wenn der Bundeskanzler endlich — und das habe ich ja gehört — wieder von der politischen Vereinigung des freien Europa spricht. Darum habe ich ihn im März gebeten.

(Abg. Dr. Schäfer [Tübingen]: Er handelt danach!)

— Jetzt sagen Sie, Herr Schäfer, er handelt danach. Dann kann er gleich hier heraufkommen und zu den konkreten Vorschlägen, die in seinen Möglichkeiten liegen, Stellung nehmen und sie in die Debatte einführen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Es würde, Herr Kollege Wehner, weil wir niemand überfordern wollen, uns völlig genügen, wenn er erklärte, daß er auch diese Vorschläge überprüfen wolle, weil er nicht so aus dem Handgelenk dazu Stellung nehmen kann. Das kann ich alles verstehen. Wenn das der Kanzler sagt, werden wir so froh gucken, wie Sie eben guckten, als ich dies sagte, Herr Kollege Wehner.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren, es kommt nun ein vierter Punkt. Herr Bundeskanzler, glauben Sie nicht, daß es an der Zeit ist, nach den Erfahrungen, die doch jeder hat sammeln können, hinsichtlich der Chancen von Entspannungspolitik, die irgend jemand nur auf seine eigenen Schultern nimmt, einen Vorschlag zu machen, der folgendes völlig deutlich macht: Wir sind in diesem Europa in einer Konkurrenz zweier Konzepte. Keiner kann dies leugnen, und Sie tun dies sicher nicht. Da gibt es die Konzeption der westlichen Länder mit dem Endziel der politischen Vereinigung und inzwischen der Erweiterung. Aber dagegen steht das sowjetische Konzept einer gesamteuropäischen Konferenz, die klar gegen das Zusammenwachsen des freien Europa zu einer politischen Gemeinschaft gerichtet ist. Dieses beides muß man zur Kenntnis nehmen.
Nun haben Sie den französischen Staatspräsidenten zitiert. Herr Bundeskanzler, wie wäre es, wenn Sie eine Initiative ergriffen, die folgendes zum Inhalt hätte: Wir machen jetzt diesen Stufenplan für die politische Vereinigung des freien Europa und bieten zugleich allen Europäern — gerade denen im Bereich des Warschauer Paktes — an, die praktische Entspannung im Bereich von Kultur, Wirtschaft,



Dr. Barzel
Tourismus, Technologie und Truppenreduzierung zu einer Frage gemeinsamer Politik zu machen? Das hat doch dann mehr Chancen, Herr Bundeskanzler, und nimmt auch denen noch ihr Mißtrauen, denen in der westlichen Welt nicht überall ganz geheuer ist bei deutschen Alleingängen in solchen Richtungen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Warum, Herr Bundeskanzler, schlagen Sie dies nicht vor?
Wir sind froh, von Ihnen bessere Worte als im März gehört zu haben; aber von neuen Taten gar nichts. Sie haben die Möglichkeit, Herr Bundeskanzler, und keiner der Vorschläge, die hier gemacht worden sind, ist irgendwo in der Nähe dessen, was Sie Ideologie oder Utopie nennen. Das alles ist im Bereich des Möglichen.
Und verlassen Sie sich auf folgendes. Selbst wenn Sie einmal zwei oder drei Schritte westpolitisch zu weit vorpreschen sollten und nicht alle Ihre Partner in Europa mitgehen sollten, hätte dieses Haus das lieber, als daß von Ihnen nicht, wie es doch möglich wäre, die genügenden Initiativen ausgegangen wären. Das Wort, Herr Bundeskanzler, Ihre Regierung sei die Triebkraft der Vereinigung des freien Europa, haben wir nun gehört. Lassen Sie uns bitte ein paar Taten sehen!

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607700900
Bevor ich das Wort ) weitergebe, nutze ich die Gelegenheit, einen Gast in unserem Hause zu begrüßen. Der Herr Präsident des Parlaments der Republik Gambia befindet sich auf der Ehrentribüne. Ich heiße Sie, Sir Alieu S. Jack, sehr herzlich in unserem Kreise willkommen.

(Beifall.)

Wir wünschen Ihnen, Mr. Speaker, einen guten Aufenthalt in unserem Lande.
Das Wort hat nun der Abgeordnete Dr. Apel. Für ihn sind 30 Minuten Redezeit angemeldet worden.

Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID0607701000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion erkläre ich, daß wir mit den fünf von dem Herrn Bundeskanzler genannten Zielen der europäischen Integration voll einverstanden sind und daß die Sozialdemokraten in diesem Hause wie die Sozialdemokraten, die von diesem Hause im Europäischen Parlament arbeiten, ihre ganze Kraft einsetzen werden, um diesen Zielen der europäischen Integration zu entsprechen.

(Beifall bei der SPD.)

Ich glaube, Herr Kollege Barzel, wenn wir eine Bilanz der aktuellen politischen Europa-Situation, der Integration nach Westen ziehen wollen, müssen wir damit anfangen, daß in der Tat der Herr Bundeskanzler Ende 1966, als er als Außenminister zum erstenmal Regierungsverantwortung für die Bundesrepublik übernommen hat, zumindest im Verhältnis gegenüber Frankreich vor einem Scherbenhaufen gestanden hat. Es ist deshalb auch nicht verwunderlich, daß die Regierungserklärung der Großen Koalition damals der Verbesserung des deutsch-französischen Verhältnisses einen so breiten Raum eingeräumt hat. Es ist eben falsch, zu sagen, das, was sich inzwischen an politischen Verbesserungen ergeben hat, sei nur die Folge eines politischen Klimawechsels in Paris. Es ist die Folge der zielbewußten Arbeit des Außenministers Willy Brandt gewesen. Es ist die Folge der zielbewußten Arbeit dieser sozialliberalen Koalition gewesen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Meine Damen und Herren! Was sehr wesentlich dabei ist: Wir haben dieses deutsch-französische Verhältnis wiederhergestellt, gesund gemacht, funktionsfähig gemacht, ohne daß damit in der EWG das Mißtrauen entstanden ist, Deutschland und Frankreich könnten bilateral über die Köpfe der anderen hinweg Europapolitik vorplanen, vorprogrammieren. Dies ist eine wesentliche Aufgabe des Außenministers Brandt und des Kanzlers Brandt gewesen. Dies, Herr Barzel, kann nicht wegdiskutiert werden. Es hat eben nicht nur etwas mit dem Klimawechsel in Paris zu tun, sondern damit, daß dieser Bundeskanzler und sein Außenminister Realisten sind. Denn wir müssen Politik machen, und wir müssen mit den Gegebenheiten rechnen.
Meine Damen und Herren, ein Zweites kann nicht bestritten werden: daß diese Bundesregierung und insbesondere ihr Außenminister der Motor der Beschleunigung des britischen Beitritts zur EWG gewesen sind. Herr Scheel wird in allen deutschen Zeitungen zu recht als derjenige gefeiert, der die Kuh vom Eise gebracht hat,

(Beifall bei den Regierungsparteien)

der dafür gesorgt hat, daß die Fristen in den Beitrittsverhandlungen kürzer werden. Und auch das haben wir wiederum erreicht, meine Damen und Herren, ohne in Paris Porzellan zu zerschlagen.
Ich will über das volle Vertrauen, das zwischen der US-Außenpolitik und uns besteht, keine Einzelheiten verlieren. Aber, Herr Barzel, vielleicht wäre es ein guter Beitrag zur westeuropäischen Integration, wenn Sie einige Ihrer Kollegen daran erinnerten, daß es für unser Land übel ist, wenn diese Kollegen in den Vereinigten Staaten Verdächtigungen über die Politik dieser Bundesregierung ausstreuen, die jeder Basis entbehren.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Das sind dieselben Leute, die gern das Wort vom Landesverrat in den Mund nehmen. Ich halte es auch für einen Verrat des Landes, wenn man in den USA diese Bundesregierung verketzert.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

— Wer denn? — Der Herr Strauß. Nun fragen Sie doch nicht noch so, als wüßten Sie das nicht!

(Zurufe von der CDU/CSU: Dumme Wahlkampfbehauptung!)

Meine Damen und Herren, ich würde es auch für einen guten Beitrag zur westeuropäischen Integration halten, wenn Herr Heck, bevor er über Formu-



Dr. Apel
lierungen im deutsch-sowjetischen Vertrag spricht über die Formel „unverletzlich" —, sich etwas genauer mit den Fakten beschäftigte und nicht, wie damals bezüglich der 15 Milliarden, irgend etwas behauptete, was dann nicht zu beweisen ist. Es ist eine üble Sache, wenn auf diese Art und Weise versucht wird, den Brunnen zu vergiften und zu sagen, wir könnten ja eigentlich im Bundestag auf dem Wege zur politischen Union gar nichts schaffen, obwohl die Fakten eindeutig beweisen, daß das nicht den Tatsachen entspricht.
Dazu eine Zusatzbemerkung. Unsere Kollegen in den anderen EWG-Ländern hätten ja wohl kaum die politische Zusammenarbeit mit uns so weit vorangetrieben, wie aus dem Davignon-Bericht ersichtlich — ich komme darauf noch zurück , wenn das, was Herr Heck behauptet hat, auch ihren Empfindungen entspräche.

(Abg. Wehner: Da muß man ihm zugute halten, daß er das nicht gemerkt hat!)

— Na ja, das wissen wir ja: Herr Heck ist eben Heckenschütze, weniger Politiker.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der CDU/CSU: Unerhört! — Abg. Wehner: Weniger Schütze als CDU!)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607701100
Herr Abgeordneter Apel, ich rufe Sie zur Ordnung wegen dieses Ausdrucks.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Lachen bei der SPD. — Abg. Wehner: Als ob „Schütze" beleidigend wäre!)

— Das Wort „Heckenschütze" ist fraglos eine Bezeichnung, die in diesem Hause nicht fallen darf.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Wehner: Gut, daß Sie nicht in Würzburg waren! —Abg. Rasner: Sie freuen sich ja noch über den Ordnungsruf! Er kopiert Herbert Wehner! — Abg. Dr. Klepsch: Er lacht noch über den Ordnungsruf, er freut sich darüber!)


Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID0607701200
Herr Präsident, lassen Sie mich einige Bemerkungen zur Frage der politischen Union machen, die ja in den Ausführungen von Herrn Barzel eine so große Rolle gespielt hat. Herr Barzel, Sie sind seit 1964 — wenn ich mich recht erinnere — Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU-Fraktion. Mein Kollege Klaus-Peter Schulz hat ein Zitat gefunden, das er hier im Bundestag am 18. Juni 1970 auch vorgetragen hat. Dieses Zitat von Herrn Erhard aus dem September 1966 lautet wörtlich:
Ich glaube nicht, daß wir bemüht sein sollten,
die politische Integration der EWG zu fördern.

(Abg. Wehner: Hört! Hört!)

Herr Kollege Barzel, der Sie seit 20 Jahren für sich in Anspruch nehmen, Europa politisch integrieren zu wollen, Sie haben damals Ihrem Bundeskanzler in dieser ungeheuerlichen Aussage nicht widersprochen.

(Hört! Hört! bei der SPD. — Abg. Wehner: Vielleicht hat er ihn deswegen gestürzt?!)

Sie wagen es aber heute, dem Herrn Bundeskanzler, der konsequent um die politische Zusammenarbeit in Europa bemüht ist, zu unterstellen, er wolle das eigentlich nicht. Herr Kollege Barzel, ich gehe nicht erneut auf das zurück, was Sie wiederholt in bezug auf das Londoner Interview des Herrn Bundeskanzlers gesagt haben. Denn wenn Sie heute morgen die Presse gelesen haben, werden Sie auf Grund der Ausführungen des französischen Außenministers Schumann erkannt haben, daß nur die Politik des Bundeskanzlers, die mehr ist als diplomatische Konsultation und die in kleinen Schritten auf die politische Union zugeht, realistisch und durchsetzbar ist.
Wenn wir uns in diesem Haus in Verbalradikalismen ergehen wollen, dann sind wir von der europäischen Politik entfernt. Wir landen dann erneut bei dem Scherbenhaufen, vor dem ein Außenminister einer CDU-Regierung 1965 und 1966 gestanden hat.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich sollte vielleicht in diesem Zusammenhang eine neutrale Stimme zitieren,

(Abg. Dr. Klepsch: Die „Frankfurter Rundschau"?)

eine neutrale Stimme aus dem Europäischen Parlament, Herr Klepsch, einen Bericht des Politischen Ausschusses, der bei einer Gegenstimme mit einer Enthaltung angenommen worden ist. Berichterstatter war ein italienischer Christdemokrat, Herr Scarascia Mugnozza, der alles andere ist als Mitglied der sozial-liberalen Koalition. Dieser Herr Scarascia Mugnozza hat dem Europäischen Parlament in der letzten Plenarsitzung einen Bericht vorgelegt, der so akzeptiert worden ist, in dem er feststellt — darin werden wir uns einig sein —, daß es keine Automatik zur politischen Union gibt. Das hat ja auch Herr Barzel soeben gesagt. Er hat dann ausgeführt, das Scheitern bisheriger politischer Ansätze sei auf die tiefgreifenden Disparitäten zwischen den Außenpolitiken der einzelnen Regierungen zurückzuführen gewesen.
Auch aus dieser Perspektive muß einmal unsere Ostpolitik bewertet werden. Sie baut tiefgreifende Disparitäten der Außenpolitik ab. Sie vollzieht sich in freundschaftlicher und direkter Abstimmung mit Paris, mit London, mit New York, mit Rom und mit den Hauptstädten der Benelux-Länder. Insofern schafft auch die Ostpolitik eine Voraussetzung für das, was dieser italienische Christdemokrat sagt, nämlich für den Abbau der Disparitäten, die ursächlich dafür sind, daß eine politische Union nicht zustande gekommen ist.

(Beifall bei der SPD.)

Derselbe Berichterstatter kommt dann zu einer Bewertung dessen, was wir in politischer Zusammenarbeit in diesem Jahre geleistet haben, und sagt, man könne auch eine — ich zitiere wörtlich — sehr leichte Kritik anbringen, aber insgesamt gebe es drei positive Aspekte. Der erste positive Aspekt, so sagt er, sei der, daß zum erstenmal seit 1962 wieder ein Mechanismus politischer Zusammenarbeit



Dr. Apel
in Gang gesetzt worden sei und versucht werde, die Außenpolitik der Mitgliedsländer zusammenzuführen. Er sagt dann weiter, daß diese politische Zusammenarbeit in der Gemeinschaft fest verankert worden sei und auf Grund der Bestimmungen nicht nur die derzeitigen, sondern auch die künftigen Mitglieder an ihr teilnehmen könnten. Er kommt zu dem Ergebnis, ein wesentlicher politischer Vorteil — der dritte positive Aspekt — liege darin, daß diese politische Zusammenarbeit in spätestens zwei Jahren überprüft und dann zu beschließen sein werde, was weiter zu geschehen habe.
Ich meine, meine Damen und Herren, dieser Bemerkung des christlich-demokratischen italienischen Politikers ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Sie macht deutlich, daß die Bundesregierung auf dem richtigen Weg ist, daß sie die politischen Realitäten erkennt, daß sie keine Gräben zu den Nachbarn aufreißt, daß sie die Möglichkeiten voll ausschöpft. Wir begrüßen es, daß gerade jetzt in dieser Phase der Dreiklang der politischen Arbeit der Bundesregierung in der EWG in den vergangenen zwölf Monaten deutlich wird: der Werner-Bericht zur Schaffung der Währungs- und Wirtschaftsunion, der Schöllhorn-Bericht, wenn ich ihn einmal so nennen darf: die Vorlage eines Dritten Programms zur mittelfristigen Wirtschaftspolitik, weil in der Tat die beiden Dinge zusammenhängen, und der Davignon-Bericht, der deutlich macht, daß wir auf dem Wege zur politischen Union sind.
In zwölf Monaten diesen Dreiklang erreicht zu haben, ist eine gute Leistung.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Wir brauchen uns nicht zu verstecken, und wir können die Opposition nur auffordern, unsere Initiativen zu unterstützen und mit uns zusammen Europa zu bauen. Es hat in diesem Hause bis zum Oktober 1969 niemals Gegensätze in der Europa-Politik gegeben. Wir waren uns einig in dem Ziel der westlichen Integration. Sie versuchen dagegen jetzt aus naheliegenden Überlegungen, einen solchen Gegensatz aufzureißen. Wir bitten Sie, im Interesse der europäischen Integration von dieser für Europa gefährlichen Politik abzulassen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607701300
Das Wort hat für die FPD-Fraktion der Abgeordnete Borm. Es sind 30 Minuten angemeldet.

Dr. William Borm (FDP):
Rede ID: ID0607701400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es geht in der Tat wieder einmal um die Schicksalsfragen unseres Erdteils, und wir begrüßen es, daß es wieder einmal möglich ist, über das, was uns trennt, aber auch über das, was uns vereinen sollte und Gott sei Dank auch auf weiten Wegen vereinigt, zu reden. Es geht um die Schaffung einer eigenen Finanzhoheit in Brüssel, und es geht um eine Verstärkung und Erweiterung der Befugnisse des Europäischen Parlaments. Gerade in dem letzten scheint uns eine besondere Bedeutung zu liegen; denn hier wird ein erster Schritt getan, um die Parlamente als Vertreter des Volkswillens — und nicht die Regierungen — auch auf dem europäischen Gebiet zu dem hinzuführen, was ihr ureigenstes Recht ist: zur Etathoheit. Es war ein langer Weg bis dahin, und wer die heutige Situation verstehen will, sollte sich einmal kurz das in die Erinnerung rufen, was damals schon Gegenstand der Debatte und Gegenstand der verschiedenen Auffassungen war. Sie wissen alle, daß ich in diesen entscheidenden Zeiten nicht hier sein konnte. Deshalb habe ich mich in Vorbereitung auf das, was heute im Bundestag verhandelt wird, einmal mit den schriftlichen Unterlagen befaßt. Dabei war es sehr lehrreich zu sehen, daß die gleichen Bedenken, die heute von Ihnen vorgetragen werden, damals, im Jahre 1955, von uns, den Freien Demokraten, wenigstens zum Teil vorgetragen worden sind.
Herr Kollege Barzel sprach über einen fehlenden Stufenplan, den wir vorlegen sollten, den die Regierung vorlegen sollte. Dem halten wir entgegen, daß es damals die Meinung der CDU/CSU-Fraktion war, daß es in erster Linie darauf ankomme, die wirtschaftliche Union herzustellen. Damals, meine Damen und Herren von der Opposition, war sehr wenig von einer politischen Einigung zu reden. Es mag schwer gewesen sein,

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Aber Herr Borm, das ist doch ein Entwicklungsprozeß!)

aber es wäre gut gewesen, wenn Sie diese Forderung nach einem Stufenplan nicht heute erhoben hätten, sondern wenn Sie in einer Zeit, als Sie selbst die Regierung führten, das Ihre dazu getan hätten.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Zuruf des Abg. van Delden. — Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Herr Borm, lesen Sie nach Adenauer 20. Juli 1961 hier in Bonn!)

— Ja, was hat er denn getan?

(Abg. Dr. Apel: Und was ist dabei herausgekommen?)

Und was ist dabei herausgekommen?

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Wenn Sie schon zitieren, dann aber alles korrekt und nicht ausgewählt nach parteipolitischen Zielen! — Zurufe von der SPD.)

— Ich verwahre mich ja nur dagegen, Herr Kollege Marx, daß wir diese Lebensfrage nicht nur unseres Volkes, sondern Europas unter parteipolitischen Gesichtspunkten betrachten. Ich glaube, wir sollten mehr versuchen, zusammenzukommen. Ich will gar nicht polemisch sein; aber ich will mir nur die Frage erlauben, warum Sie dann zu Ihrer Zeit, vielleicht dann nicht nur einmal durch Herrn Adenauer 1961, sondern laufend, nicht auf das gedrückt haben, was Sie jetzt von uns verlangen.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

— Nun, wie dem auch sei.
Zweitens. Wir hatten damals große Bedenken, uns auch im Anfang zunächst zu beschränken auf nur sechs; denn diese Sechs sind eben nicht Europa, sie sind auch nicht einmal Westeuropa. Infolgedessen drängten wir auf die Vereinigung weiterer Völker Europas in dieser EWG, die jetzt Gott sei Dank sich
4278 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 77. Sitzung, Bonn, Freitag, den 6. November 1970
Borm
anschickt, eine EG, eine Europäische Gemeinschaft und nicht nur eine europäische Wirtschaftsgemeinschaft zu werden. Auch dort, meine Damen und Herren von der Opposition, wäre es vielleicht gut gewesen, wenn Sie in den 15 Jahren, die dazwischen liegen, sich etwas mehr dieser jetzt von Ihnen erhobenen Forderung bewußt gewesen wären.

(Beifall bei der SPD.)

Wir befürchteten damals Zollmauern durch Europa, und wer sich die Dinge ansieht, der weiß, in welche Schwierigkeiten die skandinavischen Staaten, in welche Schwierigkeiten Großbrtannien und Irland geraten sind; aber er weiß auch darum — auch das war heute bereits Gegenstand einer Bemerkung —, daß diese Zollmauern, die vielleicht errichtet werden sollten, in den USA zu großen Bedenken Anlaß gaben.
Und das letzte: die parlamentarische Kontrolle! Das Fehlen der parlamentarischen Kontrolle, die jetzt institutionalisiert zu werden beginnt, war das, was wir damals als Mangel empfunden haben. Und da allerdings bin ich der Meinung, daß gerade das in den vergangenen 15 Jahren etwas mehr hätte vorangetrieben werden sollen.
Der Herr Kollege Barzel ist ungeduldig. Ich bin Ihnen sehr dankbar, Herr Kollege, daß sie ungeduldig sind; aber in dieser Ungeduld stehen Sie wirklich nicht allein.

(Abg. Dr. Barzel: Sehr gut!)

Ich entsinne mich sehr wohl auch Ihres Wortes, das mir sehr gefallen hat, daß Sie sagten: Dieses Europa der Sechs ist schon so weit fortgeschritten, daß es nicht mehr rückgängig gemacht wird. Sie gebrauchten das schöne Bild von den Eiern, die man in eine Schüssel geschlagen hat. Ich war sehr davon angetan; es ist einleuchtend. Aber nun sprechen Sie heute von „mager", Herr — —

(Zuruf Dr. Barzel: Wollen wir das Bild ganz nehmen! Ich habe gesagt: Aus sechs Eiern ist ein Omelett geworden, das aber kann auch vergammeln!)

— Ja, sehen Sie, genau da, Herr Kollege, sind wir. Zu einem Omlett gehört etwas Fett, und auch Ihre Politik ist etwas mager — die Sie heute u n s vorwerfen —, denn wir sind in der Tat mit ihr nicht weitergekommen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.) Denn es nützt ja nichts,


(Zuruf Dr. Marx [Kaiserslautern] : Die Regierung hört Ihnen nicht zu! Der Kanzler ist gar nicht da)

heute nur Forderungen zu stellen; dann müssen Sie sich schon gefallen lassen, daß wir Ihnen eine Rechnung aufmachen, was auch Sie in 15 Jahren nicht erreicht haben.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Dr. Lenz [Bergstraße] : Wir haben mehr erreicht, als die Freien Demokraten damals gefordert haben!)

— Ja nun, wußten Sie vor 15 Jahren, was alles ist?

(Zuruf von der CDU: Lesen Sie einmal die Reden von Herrn Dehler nach!)

Nur finden wir, Herr Kollege Lenz, manches bestätigt von den Befürchtungen, die wir damals gehegt haben.
Aber es ist heute trotzdem noch ein Fehler — und das gebe ich sehr gerne zu —, wenn etwa für das nächste Jahr der Etat der Europäischen Gemeinschaft um 19 % erhöht wird und wenn dann die parlamentarischen Institutionen nur mit kümmerlichen 10 % bedacht werden. Ich glaube, das wird man einmal unter die Lupe zu nehmen haben.
Und hinsichtlich der Bewertung dessen, was seitens der Bundesregierung geschehen ist, darf ich doch wohl auf ein sehr unverfängliches Zeugnis zurückgreifen. Dieses Zeugnis stammt aus der Sitzung der französischen Kammer von gestern abend und ist abgegeben worden von Herrn Schumann, von dem Sie sicher nicht glauben werden, daß er etwa voreingenommen sei. Er sagt, verfahrensmäßig müsse man verlangen, daß die Gemeinschaft mit einer einzigen Stimme spreche — Ihre Forderung, meine Damen und Herren von der Opposition, und unsere Forderung! —, so wie es der Präsident — und dieser Präsident heißt derzeit Bundesaußenminister Walter Scheel — zur Zeit tue, der sich dieser schwierigen Aufgabe ausgezeichnet unterziehe; und dann fügt er hinzu: der aber immer bedroht sei. — Von wem wohl, meine Damen und Herren?

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Klepsch: Von der Auflösung der FDP!)

Auch in Paris ist man ungeduldig, weil es nicht schnell genug vorangeht. Ich empfehle Ihnen, das, was darüber auch von Herrn Schumann gesagt worden ist, nachzulesen; dort stehen manche Dinge, vor allem steht dort, daß sich der entscheidende Schritt zur Einigung Europas im Jahre 1970 vollzogen habe oder noch vollziehen werde. Soviel ich weiß, waren Sie zu diesem Zeitpunkt nicht an der Regierung.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Klepsch: Wenn er sich noch vollziehen soll, ist die Zeit zu kurz!)

Das alles wurde in der französischen Kammer gesagt und scheint mir infolgedessen als Zeugnis unverdächtig zu sein.
Diese Dinge kann man aber natürlich nicht vollkommen losgelöst von der allgemeinen Entwicklung unserer Bundesrepublik betrachten. Die Wurzeln dafür, daß eine solche Politik überhaupt möglich ist, liegen im Grundgesetz, sie liegen in der Entscheidung über die freie Marktwirtschaft. Und auch da, meine Damen und Herren, sollten Sie, so wie ich es tue, gelegentlich nachlesen. Nicht alle in Ihrem Kreise waren damals der Meinung, daß die freie Marktwirtschaft richtig sei. Auch dort glaubte man nach Ahlener Vorstellungen — ich will nicht rechten, sondern es nur feststellen —, daß eine andere Wirtschaftsform, eine Planwirtschaft eher mit den damaligen Nöten fertig werden könne. Sich das ein-



Borm
mal ins Gedächtnis zurückzurufen, scheint mir durchaus notwendig zu sein. Hier waren es die Liberalen, meine Damen und Herren,

(Abg. Haase [Kassel] : Mit denen haben Sie doch nichts mehr zu tun!)

die da nicht irgendwie eine andere Meinung vertreten haben, — —

(Zuruf Dr. Marx [CDU/CSU] : Gucken Sie doch mal Ihren Koalitionsgenossen an! — Lemmrich [CDU/CSU] : Seid Ihr noch Liberale? — Weitere Zurufe.)

— Bitte, sagen Sie, wen Sie meinen mit „Ihr". Von mir darf ich annehmen, daß ich ein in der Wolle gewaschener Liberaler bin. Deswegen bin ich Ihnen vielleicht manchmal so unbequem.

(Beifall bei der FDP.)

Wir haben stets sehr klar und sehr eindeutig hier und anderswo in der Öffentlichkeit das vertreten, was wir für die Entwicklung in unserem Europa für notwendig halten. Ich verweise nur auf das, was unser verstorbener Kollege Thomas Dehler vorgetragen hat, wie schwer er manchmal an der Engstirnigkeit derer gelitten hat, die glaubten, für Europa sei genug geschehen, wenn sich sechs Völker zusammengefunden hätten. Ich sage Ihnen heute, meine Damen und Herren: Nicht Westeuropa allein ist es, um das es geht. Dieses Europa ist größer. Unser Streben danach mag heute noch wenig Aussicht auf baldige Realisierung haben. Es mag sein, daß darin von einigen eine Utopie vermutet wird. Aber fast alles, was in der Geschichte groß und notwendig war, begann mit Vorstellungen, die von manchen, die kleinmütig waren, als Utopie bezeichnet wurden.
Es geht eben nicht nur um den Westen. Dieser Westen kann so stark und so gefestigt sein, wie er will, — wenn es nicht gelingt, zugleich zu einem Ausgleich mit dem Osten zu kommen, werden wir militärisch, wirtschaftlich, ideologisch immer bedroht sein. Wir wissen auch um die Gefahren, die darin liegen, daß man sich in eine Berührung mit totalitären Mächten begibt. Das wissen wir von uns hier im eigenen Land, und das weiß keiner besser als ich, der es leider lange genug hat machen müssen. Aber eines, meine Damen und Herren, wissen wir auch: daß wir in unserer Überzeugung, durch unsere Wirtschaftskraft und durch das, was wir bisher erreicht haben, gegen ideologische Gefahren genauso gefeit sind wie — durch das Bündnis, in dem wir vertreten sind — gegen militärische Gefahren.
Immer wieder waren es die Freien Demokraten, die zur Politik drängten, wenn ängstlicher Immobilismus diese Politik zu ersticken drohte — vielleicht deswegen, weil man glaubte, daß das, was erreicht war, dadurch gefährdet werden könnte. Was erreicht wurde, ist viel; das gebe ich zu. Aber es ist noch längst nicht genug. Wir Freien Demokraten waren in diesem Land die ersten, die für diesen Ausgleich mit dem Osten eingetreten sind, nicht nur im Interesse unseres Landes, nein, im Interesse Europas. Ich erinnere daran, daß es der damals als „Utopist", als „ein Mann mit Hirngespinsten"
so sehr verspottete Kollege Pfleiderer war, der diese Ideen schon 1952 in die Öffentlichkeit gebracht hat.
Ich möchte noch etwas anderes nennen, was wir uns als Erfolg der jetzigen Regierung zurechnen. Ich meine die Ostpolitik. Ich will nicht sagen, daß es frühere Bundesregierungen nicht auch versucht hätten; aber erst jetzt werden die Dinge konsequent verfolgt. Und gerade heute zeigt sich, daß diese Politik die unausweichliche Voraussetzung dafür ist, daß unsere Frage, die deutsche Frage, gelöst wird. Die Lösung der deutschen Frage also ist eine unabdingbare Voraussetzung des ganzen Europa. Insofern ist das, was wir jetzt als Gewaltverzicht mit der Sowjetunion, mit Polen, mit der Tschechoslowakei durchzuführen uns bemühen, im wahrsten Sinne nationale und zugleich europäische Politik. Erstmalig seit vielen Jahren in dieser neuesten Geschichte unseres Volkes sind unsere nationalen Interessen gleichlaufend mit den europäischen.

(Abg. Dr. Jahn [Braunschweig] : Das glauben Sie doch selbst nicht!)

— Das glaube ich sehr wohl; denn wie wollen Sie die deutsche Frage lösen, wenn Sie nicht irgendwie in ein vernünftiges Verhältnis mit dem Osten kommen? Durch den kalten Krieg mit dem Osten bestimmt nicht!

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Ott: Durch Unterjochung geht es auch!)

— Wer redet denn von Unterjochung? Wollen Sie unterjochen? Verdrehen Sie doch nicht die Tatsachen, Herr Kollege! Wollen Sie nicht oder können Sie nicht verstehen?

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Wehner: Worte nimmt er genauso ernst wie seinen Parteinamen; das ist alles relativ! — Zurufe von der Mitte.)

— Wahrscheinlich. Herr Kollege, darauf kann man nicht antworten. Eine so billige Polemik ist wahrlich unter Ihrer Würde.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Lemmrich: Ist in Prag Unterjochung oder nicht?)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607701500
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Lemmrich?

Karl Heinz Lemmrich (CSU):
Rede ID: ID0607701600
Herr Kollege, ist das billige Polemik, wenn man Sie an Prag erinnert?

(Widerspruch und Lachen bei den Regierungsparteien.)


Dr. William Borm (FDP):
Rede ID: ID0607701700
Entschuldigen Sie, wir treiben hier keine tschechische oder sowjetische Politik, sondern deutsche Politik.

(Abg. Dr. Klepsch: Wird an der Zonengrenze nicht mehr geschossen?)

Ich habe Ihnen gesagt, daß Sie gerade diese Unterjochung nicht aus Europa herausbrächten, wenn wir
uns wiederum — wie wir es lange, viel zu lange



Borm
getan haben — in eine Position des kalten Krieges hineinbegäben. Das habe ich Ihnen gesagt.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Lemmrich: Verwechseln Sie hier nicht Ursache und Wirkung?)

Ich darf feststellen — ich habe Ihnen eben eine Bestätigung aus der französischen Kammer vorgelesen —: der Durchbruch in Den Haag ist erfolgt, während diese Regierung im Amt war, nicht während Sie im Amt waren.

(Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

Die mutige Ostpolitik, die wir angefangen haben, die genau dem dienen soll, den europäischen und den deutschen Interessen, ist von uns konsequent durchgeführt worden, trotz mancher verbalen Äußerungen, die wir von Ihnen gehört haben.
Aber es geht auch noch um die Innenpolitik, und hier sei mir bitte noch ein sehr ernstes Wort gestattet.

(Abg. Lemmrich: Ursache und Wirkung!)

— Genau auf Ursache und Wirkung werden wir kommen, Herr Kollege. — Diese Innenpolitik, das wissen wir genau, nämlich diejenigen Parteien, die die jetzige Regierung tragen, und auch die Regierung selbst, diese Innenpolitik ist bedroht von Extremisten von rechts und von links. Deren von links werden wir uns erwehren können. Aber wenn man gestern abend im Fernsehen hören konnte, daß der bayerische Innenminister sich unterfängt zu sagen, an dem, was in Würzburg mit diesem makabren Haufen geschehen ist, sei das liberalisierte Demonstrationsrecht schuld, dann beweist das, daß man da die Dinge auf den Kopf stellt.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Lebhafte Zurufe von der CDU/CSU.)

— Wer hat denn den Haufen zusammengebracht, das Demonstrationsrecht oder wer?

(Zuruf von der CDU/CSU: Der Oberbürgermeister gehört der SPD an und konnte nicht zugreifen! — Weitere lebhafte Zurufe von der CDU/CSU.)

— Ich frage, wer den Haufen zusammengebracht hat!

(Abg. Haase [Kassel] : Sie haben doch dem Mob die Straße frei gemacht! — Zuruf von der CDU/CSU: Reden Sie von Europa! — Weitere Zurufe von der Mitte.)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607701800
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Ott?

Anton Ott (CSU):
Rede ID: ID0607701900
Herr Kollege Borm, können Sie mir sagen, ob in Würzburg der Oberbürgermeister oder der Polizeichef nicht der SPD angehört?

Dr. William Borm (FDP):
Rede ID: ID0607702000
Entschuldigen Sie gütigst, ich rede nicht davon.

(Abg. Dr. Klepsch: Stimmt es oder nicht? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

— Ich habe nicht davon geredet, daß in Würzburg Dinge auf der Straße geschehen sind; dem ist ja auch entgegengetreten worden. Ich habe davon geredet, wer diesen makabren Haufen zusammengebracht hat, und das waren nicht die Sozialdemokraten oder die Freien Demokraten.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607702100
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Fellermaier?

Ludwig Fellermaier (SPD):
Rede ID: ID0607702200
Herr Kollege Borm, können Sie mir in der Feststellung zustimmen, daß die monatelangen Haßtiraden des „Bayernkuriers" gegen die Bundesregierung

(Zurufe von der CDU/CSU: Unerhört!)

ein Klima erzeugen, welches zu Würzburg führen kann?

(Zustimmung bei der SPD. — Fortgesetzte lebhafte Zurufe von der CDU/CSU.)


Dr. William Borm (FDP):
Rede ID: ID0607702300
Herr Kollege Fellermaier, diese Dinge werden mit dazu beigetragen haben. Aber die Ursachen liegen noch viel tiefer. Denn diejenigen Kräfte, die schon zweimal Europa und unser Volk beinahe in den Abgrund gestürzt hätten, die sind wieder da. Und das ist nicht nur der „Bayernkurier",

(lebhafter Widerspruch und Pfui-Rufe von der CDU/CSU)

aber die da vielleicht dahinterstehen, die mögen es sein.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Lemmrich: Das ist Verleumdung, was Sie hier fabrizieren! Weitere Zurufe von der CDU/CSU. — Unruhe.)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607702400
Meine Damen und Herren, ich lasse noch eine letzte Zwischenfrage zu. — Herr Abgeordneter, sind Sie bereit, noch eine Zwischenfrage von Herrn Abgeordneten Ott zuzulassen?

Dr. William Borm (FDP):
Rede ID: ID0607702500
Bitte sehr!

Anton Ott (CSU):
Rede ID: ID0607702600
Herr Kollege Borm, ist Ihnen bekannt, daß das innenpolitische Klima bereits dadurch verschlechtert wurde, daß Herr Waldemar von Knoeringen bereits 1957

(Lachen bei den Regierungsparteien)

— ja, ja, daß Waldemar von Knoeringen bereits 1957 damit begann, Franz Josef Strauß als den Volksfeind Nummer eins zu bezeichnen?

(Lachen bei der SPD.)


Dr. William Borm (FDP):
Rede ID: ID0607702700
Herr Kollege, ich war 1957 nicht bei Ihnen, ich war woanders. Wenn er das gesagt haben soll, so sind wohl Sie aufgefordert, das zu beweisen. Ich weiß es nicht, ich kann dazu überhaupt nichts aussagen, weil ich nicht hier war.




Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607702800
Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Barzel?

Dr. William Borm (FDP):
Rede ID: ID0607702900
Bitte!

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID0607703000
Glauben Sie nicht, Herr Kollege, daß es der Schlußaufforderung des Bundeskanzlers, den Schutzschild der deutschen Demokratie klar zu haben, wohl bekommen würde, wenn Sie alle Verdächtigungen der Art, wie sie der Kollege Fellermaier und Sie selbst hier eben geäußert haben, vom Tisch nähmen, indem Sie völlig klarmachten, daß in diesem Hause demokratisch mit unterschiedlichen Meinungen gerungen wird und man dem andern nichts unterstellen sollte, so wie Sie es eben getan haben?

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von den Regierungsparteien.)


Dr. William Borm (FDP):
Rede ID: ID0607703100
Herr Kollege Barzel, ich muß Ihnen energisch widersprechen. Ich habe diesem Hause nichts unterstellt.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Ich habe mich nur gegen die Kräfte gewandt, die Gott sei Dank in diesem Hause nicht sind.

(Abg. Dr. Klepsch: Sie haben den „BayernKurier" genannt!)

— Der „Bayern-Kurier" ist ja auch nicht hier. Das
möchte ich betonen. Nichts ging gegen dieses Haus.

(Abg. Ott: Der „Bayern-Kurier" hat politische Gegner nie als „Verbrecher" bezeichnet! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607703200
Meine Damen und Herren, ich darf vorschlagen, daß wir auf allen Seiten des Hauses in der Europa-Debatte fortfahren. Das Wort hat der Abgeordnete Borm.

Dr. William Borm (FDP):
Rede ID: ID0607703300
Meine Damen und Herren, nicht ich habe diese längere Unterbrechung in der Erörterung der Europapolitik herbeigeführt. Es gehört aber auch zu einer erfolgreichen Europapolitik, daß das deutsche Volk von dieser Tribüne erfährt, was im Innern diese Politik von rechts und von links durch Extremisten gefährden kann. Dieses Recht sollte jeder von uns für sich in Anspruch nehmen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ein letztes, meine Damen und Herren. Diese neue Regierung ist ein Jahr am Werk. Sie hat sich, vergleichen Sie die Regierungserklärungen, sehr viel vorgenommen, nach innen und nach außen. Vor dem Hintergrund, daß wir im Innern an die Befriedung unseres Volkes herangehen wollen, wollen wir nicht dulden, daß Extremisten dieses Werk gefährden. Viele Dinge — Dinge, die vielleicht erst langsam gereift sind —, sind von Ihnen jedoch nicht in Angriff genommen worden, sind noch zu erledigen; wir betreiben nach dem Westen hin eine erfolgreiche — ich wiederhole: erfolgreiche — schrittweise Politik. Wir gehen aber auch nach dem Osten. Wenn wir uns das alles vor Augen halten,
dann wirkt Ihre Frage, was wir denn nun eigentlich erreicht haben, sehr merkwürdig. Ich wünschte sehr, daß, statt von Ihnen nur Kritik — manchmal als Selbstzweck — zu hören, eine wirklich konstruktive Mitarbeit der Opposition festgestellt werden könnte.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren, es geht ja nicht nur um diese Regierung, es geht nicht nur um die Bundesrepublik, es geht um Europa. Da wäre, glaube ich, eine Kritik nur um der Kritik willen fehl am Platze. Ich vermisse Ihre Anregungen, wie es wohl weitergehen sollte, auf allen Gebieten. Das scheint mir wichtiger zu sein.

(Zurufe von der CDU/CSU.)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607703400
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Klepsch?

Dr. Egon Alfred Klepsch (CDU):
Rede ID: ID0607703500
Herr Kollege Borm, Ihren letzten Satz kann man nur dann verstehen — das darf ich einleitend zu meiner Frage bemerken —, wenn man davon ausgeht, daß Sie während der Rede des Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU nicht im Saal gewesen sind. Deshalb frage ich Sie: Hat nicht der Kollege Dr. Barzel hier sehr präzise und konkrete Vorschläge darüber gemacht, wie es weitergehen soll? Wir hatten gehofft, von Ihnen zu hören — das darf ich Sie fragen —, wie Sie als Sprecher der Freien Demokratischen Partei zu diesen Vorschlägen stehen.

(Zurufe von den Regierungsparteien.)


Dr. William Borm (FDP):
Rede ID: ID0607703600
Sie haben, Herr Kollege Klepsch, manchmal etwas gehofft, was Gott sei Dank nicht in Erfüllung gegangen ist. Ich gebe aber sehr wohl zu, daß die Anregungen, die Herr Kollege Barzel gegeben hat, durchaus überlegenswert sind. Es ist aber nicht meine Sache als Parlamentarier, dazu Stellung zu nehmen. Dafür ist die Regierung da.

(Lachen bei der CDU/CSU.)

Hier allerdings, meine Damen und Herren, muß ich sagen, ist ein kleines Körnchen von — noch dazu sehr polemischen — Anregungen, das Sie bereits als einen Erfolg darstellen wollen, noch nicht so wertvoll, daß ich es als eine wirklich konstruktive Mitarbeit werten könnte.
Die Freien Demokraten wollen, daß das Werk, das die Regierung begonnen hat, nicht nur in Brüssel, sondern überall fortgeführt wird. Deshalb werden wir auf diesem Teilgebiet der Ratifikation zustimmen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607703700
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wagner. Für ihn hat die CDU/CSU-Fraktion 30 Minuten Redezeit beantragt.

Dr. Carl-Ludwig Wagner (CDU):
Rede ID: ID0607703800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Redezeit, die unter anderen Voraussetzungen beantragt war, werde ich mit Sicherheit nicht benötigen.



Dr. Wagner (Trier)

Ich habe den Auftrag, im Namen der Fraktion der CDU/CSU einige Bemerkungen zu den uns vorliegenden Ratifizierungsgesetzen betreffend die neue europäische Finanzverfassung zu machen und etwas über den politischen Zusammenhang zu sagen, in dem wir diese beiden Finanzvorlagen sehen.
Es wird dabei wohl kaum geboten sein, sich eingehend mit der Rede des Herrn Kollegen Borm zu beschäftigen, die sich ja zu einem guten Teil nicht mit europapolitischen Fragen befaßt hat. Es sei mir dazu nur eine Anmerkung vorweg erlaubt. Es ist eine sonderbare Sache, wenn ein Vertreter der Freien Demokraten, deren europapolitische Aktivität in den letzten 15 Jahren allgemein bekannt ist und die es nicht einmal seinerzeit über sich gebracht haben, für die Römischen Verträge zu stimmen, heute der CDU/CSU vorwirft, sie habe in den letzten 15 Jahren nicht genug für Europa getan.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

Ich glaube, Vorwürfe dieser Art bedürfen nicht der Widerlegung.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf des Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern].)

Die beiden Ratifizierungsvorlagen stellen einen bedeutenden Schritt in der europäischen Entwicklung dar. Sie bringen den europäischen Gemeinschaften die Ausstattung mit eigenen Mitteln, und sie bringen eine bestimmte Verbesserung des Haushaltsverfahrens.
Zunächst einige Worte zu den finanziellen Auswirkungen dieser Vorlagen. Positiv ist zu bewerten, daß die Gemeinschaften eigene Einnahmen bekommen, die an die Stelle der bisherigen Matrikularbeiträge treten, und daß dies stufenweise geschieht. Auf Bedenken müssen — jedenfalls muß das hier erörtert werden — die beträchtlich steigenden Finanzierungslasten stoßen, die durch diese Texte auf uns zukommen. Es ist nicht unsere Absicht, hier in irgendeiner Form eine billige Tour zu reiten, der Regierung die Verantwortung für steigende Lasten einseitig zuzuschieben; es ist aber unsere Auffassung, daß über diese Zahlen gesprochen werden muß, und zwar aus zwei Gründen:
Unserer Auffassung nach muß über die Finanzierungslasten, die in der Zukunft auf uns zukommen, erstens, Herr Bundeskanzler, unter der Rubrik „Klarheit und Wahrheit", wenn Sie so wollen, oder auch unter der Rubrik „Mehr Demokratie" gesprochen werden. Die Bundesregierung hat es von Anfang an unterlassen, die deutsche Öffentlichkeit und dieses Haus in vollem Umfange über die Belastungen aufzuklären, die sich aus diesen Gesetzen ergeben. Sie hat zunächst nur Berechnungen für die Jahre bis 1974 vorgelegt. Danach ergibt sich eine langsame Steigerung von jetzt etwa 31 % des deutschen Anteils auf 32,4 %. Sie hat dann durch den Herrn Bundesfinanzminister diese langsame Steigerung auch noch dadurch zu kaschieren versucht, daß sie eine Durchschnittsberechnung für die Jahre 1971 bis 1974 vortrug, die dann, um 32 % lag — für die Zeit nach 1974 nichts, Herr Bundeskanzler!

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607703900
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Rutschke?

Dr. Wolfgang Rutschke (FDP):
Rede ID: ID0607704000
Herr Kollege, würden Sie dabei berücksichtigen, daß der Art. 201 des EWG-Vertrages, der doch die Grundlage für die höheren Leistungen ist, die wir zu tragen haben, nicht von dieser Regierung unterschrieben worden ist?

Dr. Carl-Ludwig Wagner (CDU):
Rede ID: ID0607704100
Herr Kollege Rutschke, das ist eine von den Behauptungen, die öfter mal wiederkommen, aber an denen natürlich nichts ist.

(Zurufe von der CDU/CSU: Sehr richtig!)

Sie bewegt sich in der Vorstellung, weil irgendwann einmal ein EWG-Vertrag unterschrieben worden ist, folgten sämtliche Weichenstellungen, die seither eingetreten sind, nun automatisch aus diesem Vertrag. Davon kann überhaupt keine Rede sein.

(Zuruf des Abg. Dr. Rutschke.)

— Der Art. 201 steht im EWG-Vertrag, der 1957 unterschrieben worden ist. Selbstverständlich hat es in dieser europäischen Entwicklung danach viele Weichenstellungen gegeben. Aber diese Weiche, Herr Kollege, hat Ihre Bundesregierung in den Verhandlungen gestellt. Daran ist kein Zweifel. Und es besteht für mich auch nicht der geringste Zweifel daran, daß Ihre Fraktion, wenn sie noch in der Opposition wäre, diesen Gesetzen nicht zustimmen würde,

(Abg. Dr. Klepsch: Sehr richtig!)

wie wir es heute tun werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU.) Aber zurück zu den Zahlen.


(Abg. Dr. Lenz [Bergstraße] meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

— Bitte, Herr Lenz!

Dr. Carl Otto Lenz (CDU):
Rede ID: ID0607704200
Herr Kollege Dr. Wagner, gehe ich richtig in der Annahme, daß die Fraktion der FDP diesen Gesetzen heute nicht zustimmen würde, weil sie auch dem Grundvertrag nicht zugestimmt hat?

(Abg. Fellermaier: Wieder dieses Billige! — Abg. Dr. Apel: Das hat er doch schon gesagt!)


Dr. Carl-Ludwig Wagner (CDU):
Rede ID: ID0607704300
In dieser Annahme gehen Sie zweifellos nicht fehl, Herr Kollege Lenz. Ich glaube, daß dies eine klare Linie der Fraktion der FDP wäre und daß wir mit Sicherheit mit dieser Linie zu rechnen hätten.

(Abg. Dr. Klepsch: Immer Zickzack!)

Aber zurück zu meinen Zahlen. Ich habe, da uns die Bundesregierung keine Auskunft über die finanziellen Auswirkungen gegeben hatte, in der Debatte anläßlich der zweiten Lesung des Bundeshaushalts 1970 auf Grund eigener Berechnungen ein paar Zahlen genannt und habe damals vorgetragen,



Dr. Wagner (Trier)

daß der deutsche Finanzierungsanteil schnell weiter ansteigen und 1977 zwischen 34 und 35 % und 1978 dann zwischen 37 und 38 % — näher bei 38 % —liegen würde. Dies ist damals als absurd bezeichnet worden. Der Herr Bundesfinanzminister hat sich die Mühe gemacht, es mit Nachdruck zu dementieren und auf den Erfolg der Bundesregierung hinzuweisen, der darin bestehe, daß es gelungen sei, diese Lasten gerade in Schranken zu halten. Wir können heute feststellen, daß die von uns genannten Zahlen, wie sich bei den Ausschußberatungen ergeben hat, inzwischen unstreitig sind.

(Abg. Dr. Klepsch: Sehr wahr!)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607704400
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Apel? — Bitte!

Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID0607704500
Herr Kollege Wagner, halten Sie es eigentlich aus dem europäischen Selbstverständnis der CDU/CSU heraus für vertretbar, in dieser Art und Weise zu argumentieren, und befürchten Sie nicht, daß Sie damit doch wieder sehr stark in die Nähe rein nationalistischer Argumentation rükken,

(Oho-Rufe bei der CDU/CSU)

sosehr ich mit Ihnen zusammen ein Interesse daran habe, daß das burden sharing, also eine gleichmäßige Lastenverteilung, erreicht wird?

(Zurufe von der CDU/CSU.)


Dr. Carl-Ludwig Wagner (CDU):
Rede ID: ID0607704600
Herr Kollege Apel, ich habe gesagt, warum ich der Auffassung bin, daß diese Zahlen hier genannt werden müssen. Ich glaube, daß es mir im weiteren Verlaufe meiner Ausführungen gelingen wird, Ihre Befürchtungen hinsichtlich nationaler oder nationalistischer Ausrichtung zu zerstreuen.

(Abg. Dr. Klepsch: Sehr gut!)

Der zweite Grund, aus dem meiner Auffassung nach diese Zahlen hier genannt werden müssen, ist nämlich der folgende. Es gibt einen politischen Zusammenhang zwischen finanzieller Integration, Haushaltsintegration und Integration im allgemeinen. Wenn man diesen Zusammenhang richtig würdigen will, wenn man erkennen will, ob in dieser Gemeinschaft alles im Gleichgewicht ist, muß man auch das Gewicht der Zahlen kennen. Nur dann kann der politische Zusammenhang wirklich erkannt werden.

(Abg. Dr. Klepsch: Sehr gut!)

Eine kurze Bemerkung zur steuerrechtlichen Frage. Unsere Fraktion stimmt mit den Fachausschüssen überein, die festgestellt haben, daß die Berechnung eines Teiles der Eigenleistungen der Staaten auf der Grundlage der Mehrwertsteuer uns der Steuerharmonisierung noch nicht näherbringt. Wir haben aber die Hoffnung, daß dadurch die Steuerharmonisierung gefördert werden kann. Eine Garantie besteht jedoch nicht. Für den heutigen Zustand ist es daher wichtig, daß die Fachausschüsse des Bundestages festgestellt haben, die Berechnung der Anteile der Mitgliedstaaten solle sich an statistischen Daten der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung orientieren.
Einige Worte zu dem politischen Zusammenhang, in dem diese Gesetze gesehen werden müssen. Für uns stellt sich die Frage: Was wird mit diesen Ratifizierungsgesetzen bewirkt, wohin führen sie, und inwieweit führen sie in Europa weiter? Dieser politische Zusammenhang kam in den Äußerungen der Bundesregierung zunächst nur sehr wenig zur Sprache. Heute morgen haben wir vom Herrn Bundeskanzler einiges dazu gehört.
Der einzige politische Zusammenhang, den die Bundesregierung bisher zu sehen schien, war derjenige der Beitrittsverhandlungen mit Großbritannien. Meine Damen und Herren, dieser Aspekt ist richtig, aber der Gesichtskreis ist mit Sicherheit zu eng. Wir sehen hier vor allem einen Zusammenhang zwischen finanzieller Integration und dem Fortschritt der Gemeinschaften auf eine föderative Ordnung hin. Dieser Zusammenhang läßt sich wie folgt formulieren: Zu einer Gemeinschaft gehört ein Gemeinschaftshaushalt. Wer die Intregration will, wird sie auch im Finanziellen wollen müssen. Eine Integration, die sich einseitig auf das Zusammenlegen finanzieller Ressourcen konzentriert, wäre aber nicht annehmbar. Anders ausgedrückt: Was die Bundesregierung uns heute vorlegt, kann als der Anfang eines Bundeshaushalts bezeichnet werden. Wer einen Bund will, wird auch den Haushalt dieses Bundes wollen müssen. Was aber nicht möglich ist und auf die Dauer auch nicht haltbar wäre, ist ein Bundeshaushalt ohne Bund.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Wir sind daher der Überzeugung, daß wir auch gegenüber unseren Partnern in dieser Gemeinschaft das Recht und die Pflicht haben, auf diesen Zusammenhang hinzuweisen. Das hat nichts damit zu tun, meine Damen und Herren, daß die Bundesrepublik Deutschland gehalten oder gewillt sein sollte, durch finanzielle Zugeständnisse Integrationsfortschritte zu kaufen. Es geht anders. Es handelt sich hier um zwei Seiten derselben Medaille. In einer Gemeinschaft, die immer enger zu einer föderativen Ordnung zusammenwächst, geht vieles, auch an finanzieller und haushaltsmäßiger Integration. In einer Gemeinschaft, die sich auf einen losen Bund im übrigen souveräner Staaten beschränkte, ginge dies auf die Dauer nicht, weil es auf permanente Einkommensübertragungen zwischen souveränen Staaten hinausliefe.

(Abg. Dr. Klepsch: Sehr gut!)

Deswegen muß nach der Auffassung unserer Fraktion sowohl in Betracht gezogen werden, welche institutionellen Fortschritte für die Gemeinschaft durch diese Gesetze bewirkt werden können, als auch berücksichtigt werden, welche Fortschritte sich in anderen Bereichen der Integration abzeichnen. Wir erkennen gern an, daß hier in den letzten Monaten das eine oder andere in Bewegung gesetzt werden konnte. Es gilt dies für die Konferenz in Den Haag, auf der zumindest Steine aus dem Weg geräumt worden sind. Es gilt dies auch für die Vorarbeiten



Dr. Wagner (Trier)

im Hinblick auf die Wirtschafts- und Währungsunion.
Wir können aber nicht anders, als unserer Enttäuschung über das Ausdruck zu geben, was im Zusammenhang mit dieser Finanzregelung etwa im institutionellen Bereich bewirkt worden ist. Das Haushaltsrecht, das dem Europäischen Parlament eingeräumt wurde, ist ungewöhnlich bescheiden. Das Parlament hat das letzte Wort bezüglich der Verwaltungsausgaben. Ich weise darauf hin, daß die Verwaltungsausgaben nur etwa 4 % der Gesamtausgaben der Gemeinschaften ausmachen. Bezüglich aller anderer Ausgaben — das sind etwa 96 % — ist das Parlament nach wie vor an das Votum des Ministerrats gebunden. Das bedeutet, daß der weitaus überwiegende Teil der Milliardenbeträge, die in Zukunft im Gemeinschaftshaushalt stehen werden, nach Inkrafttreten dieser Regelung jeder parlamentarischen Kontrolle in Europa, sowohl der nationalen als auch der europäischen, entzogen sein wird.
Wir sehen den Zusammenhang, den es hier zwischen dem vollen Haushaltsrecht und dem Gesetzgebungsrecht des Europäischen Parlaments gibt. Ein volles Haushaltsrecht wird sich, so glaube ich, nur erreichen lassen, wenn dem Europäischen Parlament auch Gesetzgebungsbefugnisse übertragen werden. Eben dies ist unsere Forderung.
Gleichzeitig ist unsere Forderung, daß die direkte Wahl des Europäischen Parlaments herbeizuführen ist. Dabei sind wir der Auffassung, daß der Bundestag, wenn sich die Verhandlungen über die direkte Wahl weiter ad infinitum im Rat hinschleppen sollten, selber die Initiative ergreifen sollte und nicht zögern sollte, die Direktwahl zumindest der deutschen Abgeordneten zum Europäischen Parlament, isoliert zunächst, herbeizuführen in der Erwartung und der Hoffnung, daß dies dann die anderen Staaten, einen nach dem anderen, nach sich zieht.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.) Bitte, Herr Apel.


Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID0607704700
Herr Kollege Wagner, ist Ihnen bekannt, daß die CDU/CSU einen Antrag der SPD-Fraktion, der in die gleiche Richtung ging, mit rechtlichen, aber auch mit einer Reihe politischer Überlegungen vor einigen Jahren abgelehnt hat?

(Abg. Dr. Luda: Die Zeit ist jetzt reifer geworden!)


Dr. Carl-Ludwig Wagner (CDU):
Rede ID: ID0607704800
Herr Kollege Apel, Sie sagen mit Recht: vor einigen Jahren. Das ist der Punkt. Die Zeit ist reifer. Die Gemeinschaft ist in ihr Endstadium eingetreten.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Wir sind dabei, in die Wirtschafts- und Währungsunion einzutreten. Wir haben diese Finanzgesetze vor uns. Wir sind also der Meinung, daß die Zeit für den damaligen Standpunkt, noch etwas abwarten zu können in der Hoffnung, daß dann alle mitmachen, jetzt vorbei ist, jedenfalls daß nicht mehr beliebig
lange gewartet werden kann und daß deshalb eine solche Initiative notwendig werden könnte.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607704900
Herr Kollege, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Apel?

Dr. Carl-Ludwig Wagner (CDU):
Rede ID: ID0607705000
Bitte.

Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID0607705100
Herr Kollege Wagner, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß die Bundesregierung sehr intensiv in diesen Fragen in Brüssel vorstellig geworden ist, und sind Sie sich des Problems bewußt, daß die schwerwiegenden rechtlichen Argumente von 1965 für meine Fraktion natürlich leider auch heute noch gelten?

(Abg. Dr. Klepsch: Ja, wer hat denn seine Meinung geändert?)


Dr. Carl-Ludwig Wagner (CDU):
Rede ID: ID0607705200
Herr Kollege Apel, es ist mir bekannt, daß die Bundesregierung in Brüssel vorstellig wird. Da Sie es mir sagen, bin ich auch gern bereit, hiermit zur Kenntnis zu nehmen, daß sie intensiv vorstellig wird.
Die rechtlichen Fragen sind von uns geprüft worden. Wir sind der Auffassung, daß die rechtliche Problematik, die sich mit einem solchen isolierten Vorgehen zweifellos stellen würde, überwindbar ist. Das heißt, daß sich Formen und Gestaltungsmöglichkeiten finden lassen, die sowohl mit nationalem Verfassungsrecht als auch mit europäischem Recht vereinbar sind.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607705300
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Blumenfeld?

Dr. Carl-Ludwig Wagner (CDU):
Rede ID: ID0607705400
Bitte, Herr Blumenfeld.

Erik Bernhard Blumenfeld (CDU):
Rede ID: ID0607705500
Herr Kollege Dr. Wagner, würden Sie mir nicht zustimmen, daß sich die Frage erhebt, warum die sozialdemokratische Fraktion, wenn sie den Antrag des Kollegen Dr. Mommer, auf den Herr Dr. Apel eben abgehoben hat, immer noch gültig und rechtlich einwandfrei findet, ihn nicht als Entschließungsantrag eingebracht hat, sondern einen anderen Text vorgelegt hat?

Dr. Carl-Ludwig Wagner (CDU):
Rede ID: ID0607705600
Herr Kollege Blumenfeld, ich kann Ihnen selbstverständlich nur zustimmen. Diese Frage liegt sehr nahe. Der Zwiespalt bei der Fraktion der SPD scheint offen zutage zu liegen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607705700
Herr Kollege, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Gerlach?

Dr. Carl-Ludwig Wagner (CDU):
Rede ID: ID0607705800
Ja, mit der Bemerkung, Herr Präsident, daß ich bei Fortsetzung



Dr. Wagner (Trier)

1 der Zwischenfragen Gefahr laufe, meine Redezeit von 30 Minuten doch noch zu erreichen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607705900
Herr Kollege, wir werden dann Toleranz üben.

Horst Gerlach (SPD):
Rede ID: ID0607706000
Herr Kollege Dr. Wagner, würden Sie so liebenswürdig sein, zur Kenntnis zu nehmen, daß nach dem Protokoll der letzten Ministerratssitzung die Expertenkommission beauftragt worden ist, eine Feststellung über die Möglichkeit der Wahlen für das Europäische Parlament zu treffen, und zwar in den einzelnen Mitgliedsstaaten nach einem möglichst einheitlichen System?

(Abg. Dr. Klepsch: Dann kann er dafür stimmen!)


Dr. Carl-Ludwig Wagner (CDU):
Rede ID: ID0607706100
Ich bin gern bereit, dies zur Kenntnis zu nehmen bzw. aus Ihrem Mund mir abermals bestätigen zu lassen. Aber ich muß andererseits sagen, daß uns Beschlüsse ähnlicher Art, nämlich Prüfungen und Aufträge an Expertengruppen usw., aus den vergangenen Jahren schon sattsam bekannt sind. Wir haben Beschlüsse dieser Art schon öfter gehabt und leider die Erfahrung gemacht, daß sie oft wieder nur in den Schubladen landeten.
Selbstverständlich ist auch die Fraktion der CDU/ CSU ganz klar der Meinung, daß es das weitaus beste wäre, die direkte Wahl aller Abgeordneten zum Europäischen Parlament in allen Ländern nach einem einheitlichen Verfahren durchzuführen. Die Formulierung in unserem Entschließungsantrag, daß wir dies notfalls auch allein tun würden, ist eben, wenn Sie so wollen, eine Notformulierung, eine Formulierung für den Fall, daß es anders nicht geht.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607706200
Herr Kollege, würden Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Dr. Koch gestatten?

Dr. Carl-Ludwig Wagner (CDU):
Rede ID: ID0607706300
Bitte.

Dr. Gerhard Koch (SPD):
Rede ID: ID0607706400
Herr Kollege Wagner, sind Sie bereit, zuzugeben, daß die Gewinnung dieser zweifellos bescheidenen Haushaltsrechte beinahe schon an dem Widerstand einer großen westlichen Macht der EWG gescheitert wäre und daß es angesichts dieses Widerstands praktisch nicht möglich war, darüber hinauszugehen?

Dr. Carl-Ludwig Wagner (CDU):
Rede ID: ID0607706500
Herr Kollege Dr. Koch, ich bin nicht bereit, Ihnen dies zuzugestehen. Ich bin der Auffassung, daß die Bundesrepublik Deutschland in diesen Verhandlungen eine ungewöhnlich starke Position hatte, und zwar ganz einfach deshalb, weil sie der finanziell gebende Teil ist.

(Abg. Dr. Barzel: Sehr wahr!)

Ich bin deswegen der Auffassung, daß die Bundesrepublik Deutschland hier einen Hebel hatte, den sie hätte ansetzen können und müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich glaube, daß die Bundesregierung ihre Verhandlungsposition von vornherein dadurch geschwächt hat, daß sie sich einseitig auf, sagen wir, das Freimachen des England-Beitritts fixiert hat. Die Bundesregierung ist mit der Vorstellung, mit der Überzeugung in diese Finanzverhandlungen gegangen, hier ganz einfach nachgeben zu müssen, damit die Beitrittsverhandlungen beginnen können. Nur die Beitrittsverhandlungen; es handelt sich ja noch keineswegs um den Beitritt. Deswegen hat sie nicht mehr die Kraft gehabt, gaube ich, — —

(Abg. Wehner: Unglaublich, was Sie glauben!)

— Herr Wehner, ich sage hier aber, was ich glaube. Ob Sie das interessiert, interessiert vielleicht andere wieder nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf des Abg. Wehner.)

— Herr Wehner macht hier wieder die charmanten Bemerkungen, durch die er dem ganzen Hause so bekannt und auch bei allen so beliebt ist. Das kennen wir und das rührt niemanden mehr. Das wird allmählich zum Amusement des Hauses.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Wehner: Schlimm, wenn es mir nicht gelänge, Sie zu amüsieren, wissen Sie! — Heiterkeit bei der SPD.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607706600
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Lenz?

Dr. Carl Otto Lenz (CDU):
Rede ID: ID0607706700
Herr Kollege Dr. Wagner, die Kollegen von den Koalitionsfraktionen haben darauf hingewiesen, daß die Verhandlungen in Brüssel so ungeheuer schwierig waren. Halten Sie vor diesem Hintergrund die Ausführungen des Kollegen Apel für berechtigt, man könne frühere Bundesregierungen dafür tadeln, daß sie in der Zeit bis 1969 — bei anderen Verhältnissen in einem anderen Mitgliedstaat — größere Fortschritte nicht gemacht haben?

Dr. Carl-Ludwig Wagner (CDU):
Rede ID: ID0607706800
Herr Kollege Lenz, ich halte unter diesem Aspekt die Ausführungen des Herrn Kollegen Apel in der Tat für falsch. Ohne jeden Zweifel sind diese Verhandlungen, seitdem sich in Paris etwas geändert hat, leichter geworden und ist eine ganze Reihe von Dingen überhaupt erst wieder möglich geworden. Das wissen die Kollegen bei der sozialdemokratischen Fraktion
— zumindest einige von ihnen — so gut wie wir.
Wir sind im übrigen der Auffassung, daß abgesehen von diesen institutionellen Fragen, die ihre große Bedeutung haben, auch der gesamtpolitische Zusammenhang, d. h. die Ausdehnung der Integration auf Bereiche, die bisher von ihr nicht erfaßt sind, hier hineingehört. Dazu hat unser Fraktions-



Dr. Wagner (Trier)

vorsitzender heute morgen einiges ausgeführt, dem wir nichts hinzuzufügen haben. Es ist ein sonderbares Mißverhältnis — dabei werden wir bleiben —, daß hier Finanzierungsregelungen, horizontale Finanzausgleiche bis 1978 und darüber hinaus festgelegt werden, während gleichzeitig dieselben Partner, die das mit uns machen, uns erklären — so trägt die Bundesregierung ja vor —, daß halbjährliche Konsultationen der Außenminister ohne jede Struktur, ohne jedes Sekretariat, ohne jede Abstufung in der Planung das Maximum an außenpolitischer Zusammenarbeit sei, das heute erreicht werden könne. Wir meinen, daß es nötig ist, auch auf dieses Mißverhältnis heute hinzuweisen.

(Abg. Dr. Klepsch: Sehr gut!)

Weil wir diesem Zusammenhang für entscheidend halten, haben wir den Entschließungsantrag auf Umdruck 86 *) vorgelegt, der dem Hause zur Beschlußfassung von uns empfohlen wird. Nach den Äußerungen des Herrn Bundeskanzlers heute morgen nehmen wir an, daß die Koalitionsfraktionen in der Lage sein werden, diesem Entschließungsantrag zuzustimmen.
Ich darf unsere Position zu den vorliegenden Gesetzen kurz wie folgt zusammenfassen. Die Ausstattung der Europäischen Gemeinschaften mit eigenen Einnahmen ist ein bedeutender Fortschritt auf dem Wege zum europäischen Zusammenschluß. Die Gemeinschaften erhalten mit ihr erstmals die begrenzte Finanzautonomie. Dies begrüßen wir.
Allerdings bedeutet die neue Finanzordnung für
die Bundesrepublik Deutschland die Übernahme beträchtlicher neuer Finanzlasten. Über ihre Annahme kann daher nur auf der Grundlage einer politischen Gesamtwürdigung entschieden werden. Die Tatsache, daß ein Teil der eigenen Einnahmen auf der Grundlage der Mehrwertsteuer berechnet wird, bringt uns als solche der notwendigen Steuerharmonisierung in der EWG noch nicht näher. Im gegenwärtigen Zeitpunkt schließen wir uns der Auffassung der zuständigen Ausschüsse an, daß durch die Annahme der neuen Finanzierungsregeln das Besteuerungsverfahren der Staaten nicht zusätzlich erschwert werden soll und daß die Anteile der einzelnen Staaten daher nach den statistischen Daten der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung zu ermitteln sind.
Zu den neuen Finanzierungsregeln gehören untrennbar Reformen der Gemeinschaftsverfassung. Die beschlossene Verstärkung der Haushaltsbefugnisse des Europäischen Parlaments ist sehr bescheiden und entspricht nicht der finanziellen und politischen Tragweite der Schaffung eigener Einnahmen. Die Bundesregierung hat die Chance nicht genutzt, im Zusammenhang mit der Einigung über die neue Finanzregelung gleichzeitige und gleichgewichtige Fortschritte auf den europäischen Zusammenschluß hin zu erreichen. Die Eröffnung der Beitrittsverhandlungen mit den vier beitrittswilligen Staaten ist als solche kein Äquivalent für die finanziellen Zugeständnisse der Bundesrepublik.

(Abg. Dr. Klepsch: Traurig, aber wahr!) *) Siehe Anlage 2

Dringlich sind europapolitische Initiativen besonders auf folgenden Gebieten. Die institutionelle Struktur der Gemeinschaften muß verstärkt werden. Dem Europäischen Parlament ist das volle Haushaltsrecht und eine echte Gesetzgebungsbefugnis gemeinsam mit dem Rat zu übertragen. Die direkte Wahl des Europäischen Parlaments darf nicht länger verzögert werden.
Die Wirtschafts- und Währungsunion soll auf der Grundlage des Werner-Berichts in den nächsten zehn Jahren verwirklicht werden. Dies wird nur gelingen, wenn gleichzeitig eine immer festere politische Union entsteht. Ich füge hinzu, daß dies auch schon deswegen erforderlich ist, weil es nicht mehr angeht, die Agrarpolitik im Bereiche der europäischen Wirtschaftspolitik länger allein zu lassen.

(Abg. Dr. Klepsch: Sehr gut!)

Aus diesem Grunde und im Hinblick auf die allgemeinen politischen Notwendigkeiten ist die politische Union heute der Kern aller Bemühungen um die weitere Einigung Europas. Für sie sind die beschlossenen halbjährlichen Konsultationen kein ausreichender Ansatz. Solange nicht deutliche Fortschritte auf diesen Gebieten erzielt sind, kann die Bundesrepublik Deutschland der Übernahme neuer Finanzierungslasten über die jetzt beschlossenen Regeln hinaus nicht zustimmen.
Die Fraktion der CDU/CSU wird den vorliegenden Ratifizierungsgesetzen zustimmen. Sie tut dies in der Erwartung, damit einen Beitrag zur weiteren Entwicklung Europas zu einer wirtschaftlichen und politischen Einheit zu leisten. Unsere Stellungnahme hat den Sinn, den Zusammenhang zwischen dem Gegenstand unserer heutigen Beschlußfassung und der politischen Zukunft Europas deutlich zu machen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607706900
Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär im Außenministerium, Moersch.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0607707000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Vertretung des Herrn Bundesaußenministers darf ich zu dieser Europadebatte einige Anmerkungen machen und Hinweise geben, die anläßlich einer solchen Ratifizierung doch von Notwendigkeit sind, zumal hier auch von Sprechern des Hohen Hauses, insbesondere der Opposition, kritische Anmerkungen über das Erreichte gemacht worden sind.
Lassen Sie mich deshalb zunächst zu meinem Herrn Vorredner bemerken, daß das einheitliche Verfahren, das Sie am Vertrag offensichtlich nicht genügend gewürdigt haben und das uns zu einer Verhaltensweise zwingt, die wir politisch keineswegs immer in dieser Form gewünscht haben oder weiterhin wünschen, eben Vertragsgegenstand ist und daß deswegen ein Streit über vergangene Anträge und künftige Anträge nicht besonders sinnvoll erscheint. Wir werden in dieser Frage der Verstärkung des demokratischen Elements sicherlich nur gemeinsam in der Europäischen Gemeinschaft wei-



Parlamentarischer Staatssekretär Moersch
terkommen. Was hier an Argumenten ausgetauscht worden ist, ist ja früher in umgekehrter Richtung ebenfalls ausgetauscht worden. Man kam am Ende immer zu dem Ergebnis, das ich Ihnen hier nur mitteilen kann: daß alles nur gemeinschaftlich zu lösen ist.
Die Bundesregierung ist froh, daß sie auf dem Weg zur Verstärkung der Gemeinschaft in den vergangenen zwölf Monaten ein ganz wesentliches Stück weitergekommen ist. Der Herr Bundeskanzler hat darauf heute morgen schon hingewiesen. Die Europapolitik dieser Bundesregierung und die Europapolitik überhaupt ist seit einem Jahr mit großer Intensität betrieben worden. Diese Bundesregierung hat die europäische Aufgabe, wie ich meine, mit gutem Erfolg angepackt. Ich möchte das hier doch noch einmal im einzelnen darlegen, damit nicht ein falscher Eindruck auf Grund mancher Äußerungen der Opposition entstehen kann.
Vergleicht man in der europäischen Entwicklung das Jahr 1970 mit den vorangegangenen Jahren, so wird der Wandel im positiven Sinne, der ungewöhnliche Fortschritt beim inneren Ausbau der Europäischen Gemeinschaft und auf dem Wege zu ihrer Erweiterung, evident. Die Hoffnungen, die sich an das Treffen der Staats- und Regierungschefs im Haag vom 1. und 2. Dezember 1969 geknüpft hatten, haben nicht getrogen. Die Regierungen der Mitgliedstaaten sind sich während des vergangenen Jahres in zunehmendem Maße — und das ist doch wohl entscheidend wichtig — ihrer gemeinsamen Interessen bewußt geworden. Vor vier Wochen hat Minister Scheel an dieser Stelle mitgeteilt, daß von unserer Seite die Absicht bestehe, einen Mechanismus europäischer politischer Konsultationen einzurichten. Vor wenigen Tagen nun, am 27. Oktober, gelang es, diese Absicht in Luxemburg zu verwirklichen und damit einen der wichtigsten Aufträge der Haager Konferenz zu erfüllen.
Kollege Barzel hat heute morgen gesagt, das sei nicht genug; es müsse hier ein wirklicher Stufenplan ausgearbeitet werden. Ich darf darauf verweisen, daß eben dies geschehen ist.

(Abg. Dr. Apel: Sehr richtig!)

Es ist ein Stufenplan, der hier verabschiedet worden ist. Ich werde im Verlauf dieses Beitrags noch auf einige Einzelheiten kommen, die, glaube ich, deutlich machen, daß Herr Kollege Barzel wohl den wirklichen Gehalt dieser Entscheidung nicht ganz aufgenommen hat,

(Abg. Dr. Apel: Das Gefühl habe ich auch!)

daß er eine sehr euphemistische Deutung dieses Beschlusses gegeben hat

(Abg. Dr. Barzel: Aber Herr Moersch!)

und daß eine intensive Beschäftigung mit dem Verfahren ihn sicherlich zu einem anderen Urteil gebracht hätte.

(Abg. Dr. Barzel: Sagen Sie doch, daß wir unterschiedlicher Meinung sind! Aber machen Sie doch den anderen nicht herunter! Das ist doch keine Art!)

— Ich mache keinen herunter.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607707100
Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten von und zu Guttenberg?
Moersch, Parlamentarischer Staatssekretär 'beim Bundesminister des Auswärtigen: Bitte schön!

Freiherr Karl Theodor von und zu Guttenberg (CSU):
Rede ID: ID0607707200
Herr Kollege Moersch, ist Ihnen wirklich entgangen, daß der Herr Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, der Kollege Dr. Barzel, heute vormittag zusätzlich zu dem Stufenplan, der den Namen des Herrn Ministerpräsidenten Werner trägt, einen Stufenplan zur politischen Union verlangt hat,

(Abg. Dr. Barzel: Das ist doch der Punkt!)

von dem er meint, daß diese Regierung ihn vorlegen solle, wenn sie sich, wie sie selbst gesagt hat, als Motor der europäischen Einigung versteht?

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Barzel: Das ist es!)


Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0607707300
Herr Kollege von Guttenberg, mir ist das keineswegs entgangen,

(Abg. Baron von Wrangel: Warum reden Sie denn so, Herr Moersch?)

und ich versuche ja gerade darzulegen, daß die Kritik des Kollegen Dr. Barzel an den gegebenen Tatsachen in Europa vorbeigegangen ist und daß das, was wir erreicht haben, unter den gegenwärtigen Umständen sicherlich optimal ist. Es geht nicht um das, was wir wünschen, sondern es geht um das, was möglich ist. Wir haben das getan, was möglich war.

(Abg. Wehner: Einen Fahrstuhl gibt es nicht! — Zurufe von der CDU/CSU.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607707400
Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten von und zu Guttenberg?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0607707500
Bitte schön!

Freiherr Karl Theodor von und zu Guttenberg (CSU):
Rede ID: ID0607707600
Herr Kollege Moersch, Sie haben soeben gesagt:. „Das, was wir erreicht haben" — Sie haben dieses „wir" gewiß auf die Bundesregierung bezogen —, sei optimal gewesen. Erlauben Sie mir, daran die Frage anzuschließen, ob Sie nicht mit dieser von Ihnen getroffenen Feststellung in der Tat das tun, was Herr Dr. Barzel heute früh „die falsche Feder an den falschen Hut stecken" genannt hat; denn die Fortschritte, die es tatsächlich in Europa gegeben hat, haben doch im wesentlichen einen Grund, nämlich die politische Veränderung in einer europäischen Hauptstadt, die nicht Bonn heißt.

(Beifall bei der CDU/CSU.)





Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0607707700
Herr Kollege von Guttenberg, es läge jetzt natürlich nahe, einen kleinen Ausflug in die Bewertung vergangener Dinge zu machen.

(Abg. Wehner: Mildernde Umstände!)

Aber daß Sie das, was in der gesamten westeuropäischen Gemeinschaft, zuletzt gestern abend vom französischen Außenminister Schuman in der französischen Nationalversammlung, als maßgebender Beitrag dieser Bundesregierung voll gewürdigt wird, hier zu verkleinern versuchen, verstehe ich nicht, da es nicht den Tatsachen entspricht.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Wehner: Geben Sie ihm mildernde Umstände!)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607707800
Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Arndt?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0607707900
Bitte schön! Ich möchte dann aber weiterkommen.

Dr. Klaus Dieter Arndt (SPD):
Rede ID: ID0607708000
Herr Kollege Moersch, halten Sie eine Vielzahl von Stufenplänen auf mehreren oder vielen Gebieten, also eine Art „Stufenplanwirtschaft", wie sie dem Kollegen von Guttenberg vorschwebt, der europäischen Einigung wirklich für zuträglich?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0607708100
Herr Kollege Dr. Arndt, ich werde das hier im einzelnen noch darlegen. Ich glaube, man muß deutlich unterscheiden, daß man in Wirtschafts- und Währungsfragen sehr wohl einen konkreten Stufenplan vorlegen und sich auch darüber einigen kann,

(Abg. Dr. Klepsch: Vorlegen will!)

daß sich aber die Frage der intensiven politischen Zusammenarbeit danach beantwortet, ob die Interessen von den Beteiligten zunehmend identisch werden oder nicht. Daß es uns gelungen ist, zunehmend zu einer gemeinsamen Definition der Interessen in der Gemeinschaft zu kommen, halte ich, unter uns gesagt, für den größten Erfolg des vergangenen Jahres.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607708200
Herr Staatssekretär, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Lenz?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0607708300
Bitte schön.

Dr. Carl Otto Lenz (CDU):
Rede ID: ID0607708400
Herr Kollege Moersch, würden Sie mir darin beipflichten, daß die Redner der FDP heute hier den Versuch unternehmen, sich Federn eines Huhnes an den Hut zu stekken, das es gar nicht geben würde, wenn es nach dem Willen Ihrer Fraktion gegangen wäre?

(Lachen bei der CDU/CSU.)


Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0607708500
Herr Kollege Dr. Lenz, ich habe hier nicht für die Fraktion zu sprechen, aber ich möchte Sie dringend vor Geschichtsklitterung und vor gewagten Bildern warnen. Denn der Einwand der Liberalen gegen diese Art von Vertrag, der damals geschlossen wurde, war u. a. ein Einwand, den Sie heute selbst vorbringen, daß nämlich die demokratische und parlamentarische Kontrolle nicht genügend entwickelt sei, und ich glaube, das ist ein ehrenwerter Einwand gewesen.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Luda: Das war nicht der Grund!)

Ich kenne die Debatten von damals, und Sie müssen dann schon nicht mit halben Argumenten kommen. Denn auch hier gilt, daß, wer halb zitiert, möglicherweise ganz gewinnt, aber die Wahrheit auch ein bißchen dabei verdreht.

(Abg. Dr. Klepsch: Das ist jetzt Geschichtsklitterung! — Zuruf des Abg. Dr. Jahn [Braunschweig].)

— Ich brauche da nicht zu lesen, ich habe ein gutes Gedächtnis, Herr Dr. Jahn. Daß Sie als engagierter Europäer hier auftreten, hätte ich nach anderen Äußerungen von Ihnen gar nicht erwarten können.

(Abg. Wehner: Sehr wahr! Propaganda ist das!)

Zum Verfahren selbst: Von der Bundesregierung hier haben wir einen Bericht verabschiedet, der auch — und das bitte ich zu beachten — von den Beitrittskandidaten gebilligt worden ist. Und darauf hatten wir ganz besonders zu achten in diesen Zusammenhang, in dieser Phase der Gespräche.
Die künftige Art der politischen Konsultation wird nicht nur, wie Skeptiker befürchtet haben, ein bloßer Informationsaustausch sein, sondern wird ganz wesentlich durch einen Meinungsaustausch, durch Diskussion, durch Argument und Gegenargument die Harmonisierung der Standpunkte der beteiligten europäischen Staaten in den wichtigen außenpolitischen Fragen erleichtern. Diese politische Konsultation — das beginnt sich bereits jetzt abzuzeichnen — wird die Solidarität unter den Mitgliedern der Gemeinschaft fördern.
Allein die Vorbereitungen dieses Berichts haben im übrigen auch — das darf ich anmerken — dazu geführt, daß es mehr und mehr zu direkten fachlichen Kontakten leitender Beamter in den betroffenen Außenministerien gekommen ist und daß sich auf diese Weise das Verfahren bei der Abstimmung von Detailfragen innerhalb der Gemeinschaft erheblich zu vereinfachen beginnt. Das mag nebensächlich klingen. Aber man sollte auch die Bedeutung solcher Vorgänge für die Entwicklung einer politischen Praxis in dieser neuen Phase nicht unterschätzen. Wie ich überhaupt hinzufügen möchte, daß Institutionen eine Sache sind, die wir nicht unterschätzen wollen, persönliche Kontakte und



Parlamentarischer Staatssekretär Moersch
persönliches Vertrauen aber eine andere Sache, die gewiß nicht minder wichtig ist. Und hier, so meine ich, darf gerade diese Bundesregierung mit Genugtuung auf die vergangenen zwölf Monate zurückblicken.

(Beifall bei der SPD.)

Lassen Sie mich noch einmal zurückkommen auf die bedeutsame Tatsache, daß dieser Bericht, der Luxemburger Bericht, der Avignon-Bericht, auch von Dänemark, Irland, Norwegen und dem Vereinigten Königreich akzeptiert worden ist. Das heißt die politische Kooperation zwischen den Sechs und den Vier, wie wir sie uns vorstellen, macht es eben notwendig, daß von Anbeginn an zwischen den Sechs und den Vier ein Meinungsaustausch über die Ergebnisse der politischen Konsultationen stattfindet. Je zügiger die Beitrittsverhandlungen vorankommen, desto früher werden die vier genannten Staaten in der politischen Kommission unsere unmittelbaren Gesprächspartner sein. Und eben dies ist das Ziel der Bundesregierung, die vier beitrittswilligen Staaten so früh wie möglich in vollem Umfang an der Abstimmung der außenpolitischen Fragen für die Gemeinschaft zu beteiligen.
Das Europaparlament ist bei all dem der ständige Gesprächspartner der Regierung. Das Parlament wird an der neuen politischen Zusammenarbeit der Sechs künftig beteiligt sein. Halbjährlich sollen die Außenminister und die Mitglieder der politischen Kommission der Versammlung zur Diskussion jener Fragen zusammentreffen, die Gegenstand der Konsultationen sind. In jedem Jahr wird der amtierende
Präsident des Ministerrats das ganze Europaparlament über die Weiterentwicklung der Gemeinschaften unterrichten. Im Anschluß an das Ministertreffen in München ist für den 20. November das erste derartige Kolloquium, wie es genannt wird, von Ministerrat und politischem Komitee vorgesehen.
Ich denke, daß Sie, meine Damen und Herren, genauso wie die Bundesregierung Genugtuung darüber empfinden oder empfinden sollten, daß wir die ersten Gastgeber in diesem neuen Abschnitt politischer europäischer Zusammenarbeit sein dürfen. Und die Kollegen aus Bayern, auch die der CSU, dürften — ich nehme an, trotz der Einlassung ihres Fraktionsvorsitzenden — dessen bin ich sicher, über die Wahl Münchens zum Tagungsort sicherlich nicht betrübt sein.

(Abg. Dr. Barzel: Er fand das großartig! — Abg. Dr. Wagner [Trier] : Glücklicher Zufall! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

— Früher hat man in Bonn, Herr Dr. Wagner, Zufall mit CV geschrieben; daran erinnern wir uns noch sehr gut.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Barzel: Aber das Ergebnis dieser Zufälle war gar nicht so schlecht!)

Spätestens zwei Jahre nach Aufnahme der außenpolitischen Konsultation werden die Außenminister der Gemeinschaft Zwischenbilanz ziehen und mögliche Verbesserungen der Zusammenarbeit vorschlagen.
Von der Entwicklung dieser mehr allgemeinen Komponente, nämlich der politischen Zusammenarbeit und Konsultation, wird sicherlich Art und Umfang der Verwirklichung eines für die Praxis der europäischen Zusammenarbeit besonders bedeutsamen Projektes abhängen; ich meine die hier schon erwähnte Wirtschafts- und Währungsunion. Wenn sonst auch die mehr technisch erscheinenden Aspekte eines europäischen Einigungsprozesses relativ wenig Resonanz finden, so ist der Begriff der Währungsunion stärker ins allgemeine Bewußtsein eingedrungen, weil eben in jedem Land — und nicht nur bei uns — Währungsfragen über die Experten hinaus besondere Aufmerksamkeit finden.
Zur Sache selbst darf ich anmerken, daß die Bundesregierung ihren Partnern bereits im Februar dieses Jahres einen Stufenplan zur Errichtung einer Wirtschafts- und Währungsunion vorgelegt hat. Der Übergang der Gemeinschaft in eine solche Union sollte nach unseren Vorstellungen noch Ende der 70er Jahre erreicht sein. Das halten wir für eine realistische Zielsetzung.
Eine Arbeitsgruppe unter der sehr verdienstvollen Leitung des luxemburgischen Ministerpräsidenten Werner hat den sogenannten Werner-Bericht vorgelegt. Wir möchten, daß der Stufenplan, der den Inhalt dieses Berichtes bildet, schon zu Beginn des kommenden Jahres in Kraft tritt. Damit kämen wir in der europäischen Zusammenarbeit und in der Richtung auf die Union der europäischen Staaten ein wichtiges Stück voran.
In diesem Stufenplan wird — ich darf hier auf den Herrn Bundeskanzler verweisen — ein ,,qualitativer Sprung in Richtung auf die Begründung neuer Kompetenzen" vorgeschlagen. Insofern ist dieser Vorschlag das kühnste Unterfangen seit dem Abschluß der Gemeinschaftsverträge überhaupt.
Neben diesen beiden besonders herausragenden Ereignissen der europäischen Politik in diesem Jahr 1970, nämlich der Einführung eines politischen Konsultations- und somit Einigungsverfahrens und dem vorgelegten Stufenplan für die Wirtschafts- und Währungsunion, ist auch in anderen Bereichen im vergangenen Jahr Bedeutsames geschehen. Lassen Sie mich wenigstens in Stichworten jene Liste erwähnen, die das Bild abrundet.
Die Handelsabkommen der Mitgliedstaaten mit dritten Ländern sind vereinheitlicht worden. Das ist eine für die Profilierung der Gemeinschaft nach außen wichtige Sache. Daneben hat die Gemeinschaft am 1. Oktober Präferenzabkommen mit Spanien und Israel rechtskräftig werden lassen. Seit dem 1. Mai bereits wird ein nichtpräferentielles Handelsabkommen mit Jugoslawien angewandt. Darüber hinaus sind auch Verhandlungen mit der Vereinigten Arabischen Republik und mit dem Libanon im Gange. Ein Assoziierungsabkommen mit Malta steht kurz vor der Unterzeichnung.
Zur Kennzeichnung der Fortschritte in der Gemeinschaft darf ich die Reform des europäischen Sozialfonds erwähnen und auf die — wenn auch im Zusammenhang mit Euratom und seinen Problemen noch schwierigen — Versuche zur Entwicklung der europäischen Technologie-Politik in den vergange



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nen Monaten hinweisen. Zum letztgenannten Punkt muß übrigens betont werden, daß es gerade die Bundesregierung hier nicht an Initiativen und Vorschlägen hat fehlen lassen und daß sie sich mit Nachdruck um eine Weiterentwicklung der gemeinsamen Forschungsstellen bemüht.
Nicht zuletzt mit Blick auf den Sozialfonds scheint mir ein prinzipieller Hinweis notwendig zu sein. Die Europäische Gemeinschaft soll nicht nur eine wirtschaftliche Stabilitätsgemeinschaft werden, sie soll auch und vor allem eine soziale Stabilitätsgemeinschaft sein, eine Gemeinschaft, die gleiche Lebenschancen allen Europäern bietet, die zu dieser Gemeinschaft gehören. Aus diesem Grunde hat sich der Rat intensiv mit Fragen der europäischen Sozialpolitik befaßt. In dem Reformbeschluß vom Juli wird festgelegt, daß die Mittel des europäischen Sozialfonds auch vorbeugend eingesetzt werden können, das heißt, schon bevor es in einer bestimmten Region der Gemeinschaft überhaupt zu einer strukturellen Arbeitslosigkeit gekommen ist.
Es liegt auf der Hand, daß vor allem eine Frage die Phantasie entzündet, weil sie mit Recht in diesem Jahr als die große politische Frage empfunden wird — davon habe ich von den Rednern der Opposition vorhin relativ wenig gehört —: die Beitrittsfrage, die Frage der Erweiterung der Gemeinschaft. Auch hier ist mit der Konferenz von 'Den Haag ein neuer Anfang möglich geworden. Schwierige Vorfragen sind inzwischen schon beantwortet, seitdem die offiziellen Beitrittsverhandlungen Ende Juni begonnen wurden. Nachdem Tatsachenfeststellungen und Sachklärungen als Grundlage der Entscheidungen und Meinungsbildung mit Blick auf die Verhandlungen mit Großbritannien gut vorangekommen sind, werden wir nun noch vor Ende dieses Jahres in den eigentlichen Kernbereich der Verhandlungen vorstoßen können und uns damit jenem Punkt nähern, in dem die politischen Entscheidungen über die Erweiterung der Gemeinschaften konkret fallen werden. Was ich soeben gesagt habe, gilt speziell für das Verhältnis zu Großbritannien. Es gilt aber auch für das Verhältnis zu Dänemark, Irland und Norwegen. Der sichtbar gute Wille aller Beteiligten läßt auf der nächsten Ministerkonferenz am 15. Dezember ähnliche Fortschritte wie mit Großbritannien erwarten. Auch wenn man die Schwierigkeiten in der Interessenabstimmung der Sechs und der Vier nicht unterschätzt — es wäre falsch, dies zu tun —, so ist es heute doch eine begründete Hoffnung, daß wir in absehbarer Zeit zu einer Gemeinschaft der Zehn kommen.
Nach diesen Hinweisen zur Einigungsentwicklung darf ich mich nun dem besonderen Gegenstand der heutigen Sitzung zuwenden und folgendes feststellen. Die Gesetzentwürfe zur Finanzierungsverfassung der Gemeinschaften, deren Annahme die Bundesregierung Ihnen empfiehlt, ordnen sich in diese zielstrebige Politik ein. Mit der Annahme des Gesetzes zu dem Beschluß des Rates vom 21. April 1970 über die Ersetzung der Finanzbeiträge der Mitgliedstaaten durch eigene Mittel der Gemeinschaften wird den Europäischen Gemeinschaften entsprechend den Römischen Verträgen ein erstes Stück Finanzautonomie verliehen. Mit dem Gesetz zu dem
Vertrag vom 22. April 1970 zur Änderung bestimmter Haushaltsvorschriften der Gemeinschaftsverträge zugunsten des Europäischen Parlaments wird das nötige Korrelat zu der wachsenden Unabhängigkeit der Europäischen Gemeinschaften von den Finanzbeiträgen der Mitgliedstaaten geschaffen.
Die parlamentarische Prüfung in diesem Hause hat bei diesen Vorlagen eine positives Votum ergeben. Gleichzeitig aber ist — davon war hier ausführlich die Rede — in einem Antrag die Sorge über eine nicht genügende Beteiligung des Parlaments an der Haushaltsführung der Gemeinschaft zum Ausdruck gekommen. Das Europäische Parlament hat sich ähnlich geäußert. Trotz solcher Einwände, die wir nicht als gering erachten, sollten wir das jetzt Erreichte auch nicht in Frage stellen, weil es eben das ist, was unter den gegebenen Umständen erreicht werden konnte. Wir haben davon auszugehen, daß wir nicht durch den Versuch, den dritten Schritt vor dem ersten zu tun, andere Errungenschaften der Gemeinschaft in Frage stellen dürfen, die wir unter keinen Umständen in Frage stellen wollen. Ich habe auf diesen Punkt vorhin schon einmal hingewiesen.
Die nunmehr gegebene Verfügungsgewalt über gemeinsame Einnahmen zeigt, daß sich die Gemeinschaft auf dem Weg zur politischen Volljährigkeit befindet. Sie, meine Damen und Herren, treffen heute in diesem Hause nicht nur eine technische Entscheidung, sondern eine Entscheidung von hohem politischem Rang; denn auch die Regelung einer speziellen Materie wird in den beteiligten Ländern unzweifelhaft politische Wirkungen haben. Hier ergeben sich Eigengesetzlichkeiten, die den Einigungsprozeß selbst voranbringen.
Dieses hier gezeichnete, insgesamt positive Bild wäre unvollständig, würde nicht auch von den Dingen gesprochen, die uns Sorge machen. Ich muß deshalb noch einmal auf die bereits erwähnte Euratom-Frage zurückkommen.
Seit 1967 lebt Euratom am Rande einer Krise, also seit dem Zeitpunkt, als es nicht gelang, Übereinstimmung über ein Forschungs- und Ausbildungsprogramm für die folgenden Jahre zu erzielen. Euratom muß sich seither mit Aushilfen, mit Interimsprogrammen behelfen. Diese Entwicklung — daraus mache ich kein Geheimnis — beunruhigt uns alle, nicht nur in diesem Hause. Es ist wenig sinnvoll, daß große Forschungskapazitäten gegenwärtig brachliegen, wenn gleichzeitig die Forschungskapazitäten insgesamt in den europäischen Staaten auf nationaler Basis erweitert werden. Es bleibt deshalb nicht nur für die Ratstagung im Dezember, sondern auch noch für lange Zeit eine ganz wichtige Aufgabe, in diesem Bereich von Forschung und Entwicklung, in dem Bereich der Wissenschafts- und Technologiepolitik mehr als bisher zu einer gegenseitigen Abstimmung und Übereinstimmung zu gelangen, schon wegen der wachsenden Anteile am Bruttosozialprodukt, die diese Forschungsaktivitäten nun einmal erfordern.
Je mehr sich dieses Europa einer politischen Eigenständigkeit nähert, desto mehr sollten wir uns darauf einrichten, daß sich gemeinsame europäische



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politische Überlegungen entwickeln. So wird denn das Ganze am Ende mehr sein als die Summe seiner Teile. Auch Europa wird Außenverhältnisse zu regeln haben. Es wird eigene westpolitische Beziehungen, eigene ostpolitische Beziehungen und auch eigene Beziehungen gegenüber der Dritten Welt wahrnehmen müssen.
Wenn ich von den westpolitischen Beziehungen spreche, dann in erster Linie von den Beziehungen zu unseren Verbündeten jenseits des Atlantik. Unsere eigene Westpolitik macht nicht an den Ufern des Atlantik halt. Das wird auch für die gemeinsame Haltung der in der Gemeinschaft verbundenen Länder Europas gelten. Unsere Allianzpolitik, unser elementares Interesse an der Erhaltung und Sicherung unserer freundschaftlichen Beziehungen zu den USA und unser Bemühen um den Ausbau der europäischen Zusammenarbeit sind von jeher Teil eines Ganzen gewesen, Teil einer Politik, die sich an der Forderung orientiert, unsere freiheitlich-demokratischen Einrichtungen zu sichern, und sich auch in Zukunft an dieser Forderung orientieren wird.
Der Herr Bundeskanzler hat vorhin bereits in überzeugender Weise dargelegt, daß wir, die europäischen Länder und Staaten, die Befürworter einer politischen Gemeinschaft, in ihrem eigenen Interesse zu einer engen Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten verpflichtet sind. Wir halten es für notwendig, jeden Dialog zwischen den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft auf der einen Seite und den Vereinigten Staaten auf der anderen Seite nachhaltig zu unterstützen. Wir halten es für notwendig, diesen Dialog zu intensivieren. Die Vereinigten Staaten, das wissen wir, begrüßen den politischen Gehalt unserer Fortschritte bei der Vollendung der Europäischen Gemeinschaft. Sie tun dies, obwohl bei einem wirtschaftlichen Integrationsprozeß dieses Ausmaßes für die USA, aber auch für andere Drittländer gewisse Probleme mit eben diesem wirtschaftlichen Integrationsprozeß Europas verbunden sind. -
Es ist in diesem Zusammenhang sicherlich nicht unnütz, daran zu erinnern, daß die Europäer alle zusammen ihren eigenen Interessen zuwiderhandelten, wenn sie im Sinne protektionistischer Vorstellungen „einen höllisch großen Teil der Welt abzäunen" wollten, wie es kürzlich einmal etwas vorwurfsvoll an die europäische Adresse gesagt worden ist. Jedenfalls wird die Bundesregierung alles in ihren Kräften Stehende tun, um sicherzustellen, daß diese wirtschaftliche und politische Gemeinschaft Europas eben nicht einem Hause gleicht, das zwar einen gepflegten Innenhof besitzt, aber keine Fenster nach außen mehr kennt. Noch einmal: eben dies wäre am Ende nichts anderes als selbstgezimmerte Enge oder gar Unfreiheit.
Es geht um einen positiven wirtschaftlichen und politischen Beitrag zur Stabilität unserer Welt. Diesem Ziel dient unsere Europapolitik. Diesem Ziel dient die Pflege der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu unseren transatlantischen Verbündeten, die Pflege einer atlantischen Interdependenz neuer Art, die schließlich nicht nur den im west-
lichen Bündnis vereinigten Ländern, sondern auch jenen Ländern zugute kommen soll, die in der Dritten Welt vor den großen ungelösten und nur bei gemeinsamer Kraftanstrengung lösbaren Problemen des Sozialgefälles zwischen Süd und Nord stehen.
Es ist heute hier nicht der Ort und die Zeit, im Detail auf das Verhältnis der europäischen Gemeinschaft zur Dritten Welt einzugehen. Ich glaube aber, daß wir im Laufe der siebziger Jahre zu einer koordinierten Entwicklungspolitik der Europäischen Gemeinschaft gelangen müssen.
Meine Damen und Herren, ich ging zu Beginn von dem Hinweis aus, daß die Ostpolitik der Bundesregierung auf einer aktiven Westpolitik aufbaut. So kann es in der Zukunft neben einer europäischen Westpolitik auch eine europäische Ostpolitik geben. Ihre wirtschaftlichen Aspekte zeichnen sich bereits heute ab. Das liegt in der Konzeption der Gemeinschaft begründet, auch in Richtung Osteuropa nicht protektionistisch vorzugehen, eine Haltung, die für uns Deutsche besonders bedeutsam ist, für uns nämlich, die wir den Austausch mit dem anderen deutschen Staat, der einer anderen Wirtschaftsorganisation angehört, weiterhin intensiv zu pflegen haben. Es liegt in unserem Interesse, durch den Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen mit Osteuropa zur politischen Entspannung und zur Überwindung von Gräben beizutragen. Diese Feststellung ist uns wichtig, weil sich die innere Verbindung zwischen Integrationspolitik und aktiver Ostpolitik gerade hier ganz unmittelbar abzeichnet. Der Wunsch der osteuropäischen Staaten nach einer engeren wirtschaftlichen Kooperation ist nicht durch eine Kooperation mit einzelnen der westeuropäischen Staaten zu erfüllen, sondern erfordert die Partnerschaft der Gemeinschaft selbst.
Die Leistungsfähigkeit der westeuropäischen Staaten gegenüber den osteuropäischen Staaten wird durch Fortschritte auf dem Gebiet der wirtschaftlichen Intregration Westeuropas ständig weiter erhöht. Deshalb entspricht diese verstärkte wirtschaftliche Integration am Ende den Interessen aller europäischen Staaten, gleichgültig, welche Gesellschafts- und Staatsordnung sie haben. Bemühungen um verstärkte Integration im Westen und Entspannungsbemühungen gegenüber dem Osten gehören eng zusammen. Man kann sie nicht gesondert betrachten, sondern muß davon ausgehen, daß sie sich gegenseitig in ihrer Wirkung verstärken. Wir dürfen feststellen — das ergibt sich aus dem hier Vorgetragenen —, daß die Aktionen unserer Westpolitik mit den Fortschritten in der Ostpolitik Hand in Hand gegangen sind.
Gestatten Sie mir, daß ich bei dieser Gelegenheit noch kurz an die fünfziger Jahre erinnere. Heute morgen ist wohl in einer Wendung mißverstanden worden, welche Motivation hier vorlag. Damals waren die Einigungsbemühungen in Westeuropa wesentlich durch den Schock bestimmt, den der zweite Weltkrieg ausgelöst hatte. Nicht zuletzt aber waren diese Einigungsbemühungen durch das Gefühl einer Bedrohung aus dem Osten verstärkt worden. Das war eine Komponente, aber nicht die unwichtigste dieser Europapolitik, daß sie für eine Phase



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der Spannungen und Konflikte formuliert war. Man tut wohl niemandem unrecht, wenn man sagt, daß es Politiker in Europa gegeben hat — oder vielleicht auch noch gibt —, die befürchtet haben, daß eine erfolgreiche Entspannungspolitik gegenüber Osteuropa die westeuropäische Integration störe. Wie unzutreffend solche Überlegungen sind, erweist sich nicht zuletzt an Hand dessen, was diese Bundesregierung als Zwischenbilanz ihrer Europapolitik und ihrer Ostpolitik nach dem ersten Jahr ihrer Amtstätigkeit vorlegen kann.
Die Respektierung des territorialen Status quo als Voraussetzung eines politischen Modus vivendi in Europa hat den Integrationsprozeß in Westeuropa günstig beeinflußt. Diese Politik hat ihn nach den Jahren der Stagnation wieder in Gang gebracht. In der Vergangenheit mag manchmal die Bereitschaft zur westeuropäischen Zusammenarbeit gerade dadurch eingeschränkt worden sein, daß einige der Beteiligten fürchteten, sie könnten zu sehr mit den spezifischen Problemen der Deutschen belastet werden. Die von der Bundesregierung mit Entschiedenheit unternommene Entspannungspolitik hat schon jetzt wesentlich dazu beigetragen, daß sich vorhandene psychologische Widerstände gegen einen Ausbau des europäischen Zusammenschlusses allmählich verflüchtigen.
Diese unsere Ostpolitik wird nicht ohne oder gar gegen den Willen unserer westlichen Nachbarn und deren Interessen betrieben, sondern in Übereinstimmung und mit Unterstützung dieser unserer Nachbarn. Ich betone noch einmal, wir sollten die Wechselwirkungen zwischen westlicher Integration und deutscher Ostpolitik fest im Auge behalten. Es gibt Anzeichen dafür, daß die Sowjetunion selbst — darauf ist hier ebenfalls schon verwiesen worden — ihr Verhältnis zur Europäischen Gemeinschaft zunehmend unter dem Aspekt der hier schon genannten Interessen aller europäischen Staaten zu würdigen weiß.

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Wie sieht das genau aus?)

— Das hat der Herr Bundeskanzler hier schon einmal ausgeführt, und Sie werden 1973 sehen, wie die Verträge geschlossen werden, Herr Dr. Marx. Ich würde hier von Ungeduld abraten. Das ist ein langer Umdenkprozeß, den viele in Europa mitgemacht haben und der nicht einseitig war.
Alles was Westeuropa dank der Einigungsbewegung auf dem Wege zu einer europäischen politischen Identität hinzugewinnt, liegt letztlich im Interesse Gesamteuropas, nämlich aller europäischen Staaten und Völker. Was aber die Lösung der gesamteuropäischen Probleme fördert, das dient auch — und eben das wollen wir in diesem Hause doch wohl nicht gering schätzen — der Überwindung jener Kluft, die als Ergebnis und als Folge des zweiten Weltkrieges innerhalb Europas und ganz besonders innerhalb Deutschlands entstanden ist. Mit der europäischen Einigungspolitik tragen wir dazu bei, die Konfrontation in ganz Europa abzubauen, das Zusammenleben in Europa und in Deutschland erträglicher zu machen. Politik für Europa ist deshalb
auch und nicht zuletzt Politik für die Deutschen,
weil sie den Weg ebnet, der vom Gegeneinander
zum Nebeneinander, zum Miteinander führen soll.
Meine Damen und Herren, ich empfehle Ihnen die Ratifizierung der vorgelegten Europagesetze.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607708600
Das Wort hat der Herr Abgeordnete von Bülow.

Dr. Andreas von Bülow (SPD):
Rede ID: ID0607708700
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich im Namen der SPD-Fraktion noch einige Anmerkungen zu dem vortrage, was hier vorhin gesagt worden ist. Ich werde mich in Anbetracht der Tatsache, daß die Zeit fortgeschritten ist und ein Großteil der Mitglieder des Hauses bereits abwesend ist, kurz halten, wobei ich allerdings nicht annehme, daß das mangelnde Interesse der Union an Europa dadurch dokumentiert wird, daß weniger als die Hälfte ihrer Kanzlerkandidaten hier heute anwesend ist.

(Heiterkeit bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der CDU/CSU.)

— Beruhigen Sie sich bitte.
Ich spreche hier als Mitglied des Haushaltsausschusses. Man pflegt ja manchmal gemeinhin nach einem billigen Klischee in gute und schlechte Europäer einzuteilen: die „guten" sind diejenigen, die an Europa denken, aber weniger an das Geld, und die „schlechten" Europäer sind Leute, die im Finanz-und Haushaltsausschuß sitzen und profanerweise etwas an das Geld denken. Ich glaube, daß diese Unterscheidung für die Fraktion in diesem Hohen Hause nicht gültig sein kann. Wir alle wollen versuchen, dieses Europa zu bauen, nur müssen wir versuchen, dies mit dem Augenmaß des Maurers, mit seinem Sinn für Proportionen, mit seinem Sinn für Standfestigkeit, für Statik zu tun.
Der deutsche Finanzbeitrag darf nicht ausschließlich unter dem Gesichtspunkt erörtert werden: Was zahlt die Bundesrepublik, und was springt für sie heraus? Eine solche Rechnung ist außerordentlich kompliziert. Sie setzte voraus, daß wir einmal untersuchten: Was bringt es für das Bruttosozialprodukt dieses Landes, daß es dieses Europa immer noch in dem bisherigen mangelhaften Zustand gibt? Vor diesem Hintergrund sind die nachfolgenden Bemerkungen zu verstehen.
Es hat Fortschritte gegeben, die durch diese neuen Gesetze eingeleitet worden sind und eingeleitet werden. Die Finanzverfassung der EWG ist auf eine solide Basis gestellt worden. Die EWG erhält ihre eigenen von der Haltung der nationalen Parlamente und Regierungen unbeeinflußten Einnahmen, sie erhält einen erheblichen finanziellen Spielraum, der sich auch noch dynamisch dem wachsenden Einkommen, dem wachsenden Wohlstand in diesem Europa anpaßt.
Was das Wichtigste ist, der schwere Felsblock vor dem Tor zu den Beitrittsverhandlungen mit



Dr. von Bülow
Großbritannien und den anderen beitrittswilligen Staaten, nämlich die Festlegung der Finanzierungsbedingungen, wurde zu erträglichen. Bedingungen beseitigt. Das Kleineuropa der Sechs kann sich zu einem in der Waagschale der Mächtigen wichtigen Bundesstaat weiterentwickeln. Ich hoffe, daß Großbritannien seinerseits zusammen mit den anderen Staaten das Zaudern überwindet und nach einer Reihe von Verhandlungen, die möglichst zügig ablaufen sollten, beitreten kann.
Schließlich erhält das Europäische Parlament zum erstenmal echte Haushaltsbefugnisse, die zugegebenermaßen immer noch beschränkt sind. Es ist aber der erste Schritt in die richtige Richtung. Weitere Schritte müssen folgen. Die Resolutionen, die dem Hause vorliegen, gehen ja in Richtung der Erweiterung der Legislativ- und Kontrollbefugnisse des Europäischen Parlaments. Ich glaube, mehr, als hier erreicht worden ist, war zur Zeit nicht herauszuholen, denn wir sind auf den Gleichklang aller Partnerstaaten angewiesen.
Die Schritte auf die europäische Wirtschafts- und Währungsunion hin sind bereits eingeleitet und konkretisiert, und — was nicht zu vergessen ist — bei den Verhandlungen wurde auch das Interesse der Bundesrepublik, das auf eine Begrenzung des finanziellen Engagements hingeht, weitgehend gewahrt.
Ich möchte hier vor einem Ausspruch warnen, der vorhin vom Abgeordneten Dr. Wagner getan wurde. Er sagte, wir hätten angesichts unserer Finanzkraft,
) angesichts des Interesses der anderen an unserem Geld mehr herausholen können. Ich glaube, daß es gleichermaßen gefährlich ist, mit dem militärischen wie mit dem geldlichen Säbel zu rasseln.

(Beifall bei Abgeordneten der Regierungsparteien.)

Ich meine, das Mißtrauen in der Welt gegenüber Deutschland beruht wesentlich darauf, daß wir dieses Rasseln nicht unterlassen können. Die Regierung war meiner Ansicht nach sehr gut beraten, hier in dieser Weise zu verfahren.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607708800
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Wagner?

Dr. Andreas von Bülow (SPD):
Rede ID: ID0607708900
Aber gerne!

Dr. Carl-Ludwig Wagner (CDU):
Rede ID: ID0607709000
Herr Kollege von Bülow, glauben Sie also, daß es gefährlich ist, wenn eine deutsche Bundesregierung in Brüssel ihren Partnern sagt, daß zu einem bestimmten Maß an Haushaltsintegration auch ein bestimmtes Maß an sonstiger Integration gehört und daß wir finanzielle Lasten für Europa durchaus zu erbringen bereit sind, dies aber gegenüber dem deutschen Steuerzahler nur verantworten können, wenn alles andere damit übereinstimmt, weil dies zwei Seiten einer
Medaille sind? Glauben Sie, daß eine Rede, so gehalten, gefährlich wäre für Europa?

(Abg. Wehner: Das hätten Sie mal Herrn Adenauer sagen sollen!)


Dr. Andreas von Bülow (SPD):
Rede ID: ID0607709100
Es ist zweifellos von der Regierung versucht worden, die Rechte des Europäischen Parlaments umfassender zu gestalten. Aber wir wissen genau — auch Sie wissen es; man braucht dafür nicht einmal besondere Informationen, sondern muß nur die Presse des westlichen Auslandes lesen —, daß dagegen Widerstände bestehen.

(Zustimmung des Abg. Wehner.)

Und man muß eben ein Augenmaß auch für Widerstände haben, um sie auf die Dauer überwinden zu können.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607709200
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Apel?

Dr. Andreas von Bülow (SPD):
Rede ID: ID0607709300
Ja, gern!

Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID0607709400
Herr von Bülow, können Sie die Opposition daran erinnern, daß uns eine entsprechende Politik des Säbelrasselns in Europa 1965/66 schon einmal eine lange Phase einer echten europäischen Krise beschert hat und daß wir aus dieser Phase wirklich gelernt haben sollten?

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Was heißt denn „Säbelrasseln"? — Zuruf von der CDU/CSU: Das ist ja Verleumdung! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)


Dr. Andreas von Bülow (SPD):
Rede ID: ID0607709500
Sie können das „Säbelrasseln" durch das „Rasseln mit dem Geldsack" ersetzen.

(Abg. Dr. Kliesing [Honnef] : Wer rasselt denn hier mit dem Geldsack?)

Ich gehöre erst seit einem Jahre diesem Hohen Hause an, bin aber der Meinung, daß ein Teil der Schwierigkeiten, die sich 1965 vor Europa auftürmten, damit in Zusammenhang zu bringen war.
Wir haben drei Phasen der Finanzierung vor uns, von denen uns nur die letzte Schwierigkeiten bereitet. Von 1971 bis 1974 haben wir eine Begrenzung des Volumens der Ausgaben von unserer Seite auf rund 32,9 %. Wir haben von 1975 bis 1977 eine Übergangsphase, in der die Finanzierung langsam mehr oder weniger in eine direkte Relation zum Bruttosozialprodukt kommt. Wir haben schließlich ab 1978 über die Mehrwertsteuerregelung mehr oder weniger eine direkte Verbindung zum Bruttosozialprodukt. Dies ist im Grunde Ausfluß des Prinzips, daß finanzielle Lasten in einem Bundesstaat nach der Leistungsfähigkeit zu verteilen sind. Ich meine, daß es geradezu ein Vorteil für die Bundesrepublik gewesen ist, daß wir diese Phase sogar bis 1978 haben hinausschieben können. Das muß man sehen, wenn man die Dinge gerecht beurteilen will.



Dr. von Bülow
Ich habe in einem früheren Beitrag bereits darauf hingewiesen, daß die Einnahmeseite und die Ausgabeseite beim Europäischen Parlament zwei Paar Stiefel sind. Auf der Einnahmeseite kann man sich auf die Dauer der Forderung nicht entziehen, die finanziellen Lasten nach der Leistungsfähigkeit einzuteilen. Die Schwierigkeit, vor der wir stehen — das betone ich noch einmal —, bezieht sich auf die Ausgabeseite, auf die europäischen Marktordnungen. Es ist eben ein Unterschied, ob man mit 30, mit 36 oder mit 37 0/o an einem europäischen Butterberg beteiligt ist oder ob dieser Butterberg nicht vorhanden ist. Das ist das Entscheidende, und unsere Aufgabe muß es einfach sein, im Bereich der Marktordnungen zu vernünftigen Regelungen zu kommen, die diese Überschüsse beseitigen.
Herr Dr. Wagner hat der Regierung vorgeworfen, sie habe mit versteckten Karten gespielt, sie habe für die Zeit ab 1975 kein Zahlenmaterial veröffentlicht. Darüber kann man tatsächlich streiten. Auf der anderen Seite muß man zugeben, daß Berechnungen für die Zeit ab 1975 schwer anzustellen sind. Es liegen Modellrechnungen vor, die vom Bruttosozialprodukt der Bundesrepublik und ihrem Anteil an den Agrarabschöpfungen und an den Zöllen ausgehen. Inzwischen hat es einen Meinungsaustausch mit den Briten über diese Frage gegeben. Die Kommission hat sich damit beschäftigt, und sie hat erneut bestätigt, daß konkretes und genaues Zahlenmaterial letztlich nicht erarbeitet werden kann.
Man kann' diese Finanzregelung natürlich kritisieren. Sie hat aber, glaube ich, einen großen Vorteil, weil sie eine dynamische Finanzierungsbasis gewährt und gleichzeitig eine Einkommensobergrenze für die EWG festsetzt.
Lassen Sie mich zum Schluß kommen. Ich glaube, daß das, was jetzt erreicht ist, ein wichtiger Teilschritt — nach den Erfahrungen der letzten Jahre kann es sich ja nur um Teilschritte handeln — auf die Vereinigten Staaten von Europa hin ist. Es ist ein Verhandlungserfolg der Regierung, daß es gelungen ist, so weit zu kommen, — zugegebenermaßen auf dem Hintergrund anderer Verhältnisse; aber die Gelegenheiten, die sich in dieser Situation boten, wurden wahrgenommen. Das Schiff der EWG-Länder und der beitrittswilligen Staaten ist flottgemacht. Dabei sind die deutschen Interessen in dem notwendigen Maße gewahrt worden.

(Beifall bei der SPD.)

Ganz gewiß sind weitere Schritte notwendig. Die Resolution des Haushalts- und Finanzausschusses und der Entschließungsentwurf der Fraktionen der SPD und FDP weisen den Weg. Wir müssen zur Direktwahl des Europäischen Parlaments kommen. Dem Europäischen Parlament müssen Legislativ- und Haushaltsbefugnisse übertragen werden. Es müssen weitere Schritte zur Stärkung der europäischen Institutionen und zur politischen Zusammenarbeit unternommen werden. Aber, wie gesagt, wir können hier nur Schritt für Schritt vorgehen. Alles auf einmal zu wollen bedeutet alles in Frage stellen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607709600
Das Wort hat der Bundesminister Schiller.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0607709700
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hier in der Debatte wurde — insbesondere von Herrn Kollegen Barzel — auf die Zusammenhänge zwischen Wirtschaftsunion und politischer Union Bezug genommen. Meine Damen und Herren, ich möchte mit einigen wenigen Worten beweisen, daß der Bericht der Werner-Gruppe zur Wirtschafts- und Währungsunion in viel größerem Umfang bereits starke Elemente der politischen Einigung enthält, als hier angenommen wurde.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Dieser Stufenplan zeigt an einigen konkreten Stellen, wie Wirtschaftsunion und politische Union miteinander verschränkt sind. Das sollte man berücksichtigen, wenn man hier — besonders Herr Barzel hat das getan — von einem gesonderten Plan oder Stufenplan zur politischen Union spricht. Wenn man das andere nicht sieht, käme man, Herr Barzel, sehr leicht zu einer Planung im luftleeren Raum.

(Abg. Dr. Barzel: Sie können doch nicht unterschlagen, daß in dem Bericht selbst die Notwendigkeit verstärkter Zusammenarbeit unterstrichen wird!)

— Ich komme gleich auf diese Punkte zu sprechen, um Ihnen aufzuzeigen, was in dem Bericht schon gesagt ist.
Herr Barzel, Sie haben gesagt: Mehr Taten als Worte! Der Werner-Bericht ist eine Tat, an der diese Regierung beteiligt ist.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Wir sollten miteinander alles tun, um zu erreichen, daß diese Tat ab 1. Januar 1971 ihre weiteren Früchte trägt.
Die Gedankenführung dieses Stufenplans zur Wirtschafts- und Währungsunion ist sehr logisch. Sie läßt sich wie folgt formulieren: die Währungsunion allein, d. h. für sich und abstrakt, würde bei divergierender Politik in der Gemeinschaft und in den einzelnen Mitgliedstaaten gesprengt werden. Also gehört zur Währungsunion das solide Fundament einer wirtschafts-, finanz- und geldpolitischen Harmonisierung. Zu dieser wirtschaftspolitischen Harmonisierung gehört die in den Bericht eingebaute Bereitschaft zu Fortschritten zur politischen Zusammenarbeit und zum Ausbau der Institutionen mit parlamentarischer Kontrolle.
Ich glaube, am wichtigsten ist in dieser Beziehung die sehr genau skizzierte mittlere Phase oder die Reihe der mittleren Stufen. Das ist jene Phase, die ich in den Verhandlungen als die Stufe der Transformation beschrieben habe, in der Befugnisse auf Gemeinschaftsorgane, die ihrerseits ausgebaut werden, übertragen werden. Da wird vom Übergang zu verbindlichen Richtlinien und Entscheidungen in der gemeinschaftlichen Wirtschaftspolitik und vom Ausbau der Institutionen gesprochen.



Bundesminister Dr. Schiller
Was die parlamentarische Verantwortung betrifft, so ist der Bericht sehr deutlich; und wir, die Vertreter der Bundesrepublik, haben in dieser Gruppe Wert darauf gelegt, daß folgendes in diesen Bericht eingebaut wird und gerade über diese mittlere Stufe und den Übergang zur Endstufe zwingend ausgesagt wird:
Mit dem Übergang von Befugnissen, die bisher von nationalen Instanzen ausgeübt wurden, auf die Gemeinschaftsebene wird gleichzeitig auch eine entsprechende parlamentarische Verantwortung von der nationalen Ebene auf die Gemeinschaftsebene übertragen werden müssen. Das wirtschaftspolitische Entscheidungsgremium muß einem Europäischen Parlament gegenüber politisch verantwortlich sein. Dieses Parlament wird nicht nur hinsichtlich des Umfangs seiner Befugnisse, sondern auch hinsichtlich des Wahlmodus seiner Mitglieder einen der Erweiterung der Gemeinschaftsaufgaben entsprechenden Status erhalten müssen.
Das ist ein Kernsatz aus dem Werner-Bericht. Ohne diesen Kernsatz funktioniert der Stufenplan nicht. Da ist das schon enthalten, meine Damen und Herren.
Ein Weiteres. Der Bericht der Werner-Gruppe sagt: Erstens: Parallelität zwischen den monetären und den wirtschaftspolitischen Fortschritten, aber zweitens Parallelität zwischen den schrittweisen Verzicht auf nationale Autonomie und dem gleichzeitigen Aufbau gemeinschaftlicher Befugnisse,

(Abg. Dr. Apel: Das ist nämlich das Entscheidende! Darauf kommt es an!)

drittens — alles schon dort festgehalten — Parallelität zwischen dem Aufbau gemeinschaftlicher Entscheidungsorgane und dem Ausbau der parlamentarischen Kontrolle auf Gemeinschaftsebene. Das ist alles dort eingebaut. Und viertens — das ist in diesem Zusammenhang für uns außerordentlich wichtig gewesen, und die Formulierung ides von mir gleich zu zitierenden Satzes bringt ganz deutlich die deutsche Handschrift zum Ausdruck — heißt es dort:
Diese Übertragung von Befugnissen ist ein Vorgang von grundlegender politischer Bedeutung, der eine progressive Entwicklung der politischen Zusammenarbeit voraussetzt. Die Wirtschafts- und Währungsunion erscheint somit
— das ist, glaube ich, ein guter Vergleich im Bericht der Werner-Gruppe —
als ein Ferment für 'die Entwicklung der politischen Union, ohne die sie auf die Dauer nicht bestehen kann.
Entwicklung zur Wirtschafts- und Währungsunion als ein Ferment zur politischen Union, das ist das Entscheidende, meine Damen und Herren. Hier wird in diesem Bericht gesagt, daß die Entwicklung zur Wirtschafts- und Währungsunion und die zur politischen Union in immannenter Wechselwirkung zueinander stehen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607709800
Herr Bundesminister, Sie gestatten die Zwischenfrage des Abgeordneten Blumenfeld?

Erik Bernhard Blumenfeld (CDU):
Rede ID: ID0607709900
Herr Bundesminister, darf ich also aus Ihren Worten schließen, die Sie im Zitat vorgetragen haben, daß die Bundesregierung und Sie selbst als verantwortlicher Minister darauf dringen werden, daß dieses Papier der Werner-Gruppe nicht verwässert wird, weder durch Bestrebungen der Kommission noch durch irgendeine der anderen Regierungen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0607710000
Ich kann auf diese Frage des Herrn Kollegen Blumenfeld mit einem klaren Ja antworten.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607710100
Herr Bundesminister gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten von und zu Guttenberg?

Freiherr Karl Theodor von und zu Guttenberg (CSU):
Rede ID: ID0607710200
Herr Bundesminister, nachdem Sie sagen, daß zwischen dem Werner-Plan und dem Fortschritt zur politischen Union eine Wechselwirkung bestehe — eine Sache, die auch wir bejahen —, möchte ich die Frage an Sie richten, ob es dann nicht logisch wäre, die Anregung des Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU aufzugreifen, auch für die politische Union an die Erarbeitung eines solchen Stufenplans heranzugehen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0607710300
Herr von Guttenberg, ich darf dazu folgendes sagen. Ich habe versucht, nachzuweisen, daß der Stufenplan zur Wirtschafts- und Währungsunion hin schon Elemente der politischen Union enthält. Das halte ich für den richtigen und realistischen Weg. Ich bin der Meinung, die politische Union wird nicht geschaffen durch einen davon separierten Plan oder Stufenplan, die politische Union wird nicht geschaffen in der Retorte. Das halte ich für keinen richtigen Weg. Nach meiner Ansicht kann — und das ist das Konzept, das hier niedergelegt ist — die politische Union nur wachsen auf dem Mutterboden der Wirtschaftsgemeinschaft, nur wachsen — Herr Moersch hat das vorhin schon angedeutet — auf der zunehmenden Konvergenz der materiellen Interessen der einzelnen Mitgliedstaaten. Das ist ein ganz wichtiges Ferment für die politische Union.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607710400
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Wagner?

Dr. Carl-Ludwig Wagner (CDU):
Rede ID: ID0607710500
Herr Bundesminister, glauben Sie nicht, daß diese Erwartung oder Hoffnung, aus dem Mutterboden der immer engeren wirtschaftlichen Einigung werde die politische Einigung erwachsen, eigentlich durch die Erfahrungen der Vergangenheit nicht bestätigt wird? Sind Sie nicht der Auffassung, daß zwar die wirt-



Dr. Wagner (Trier)

schaftliche Einigung die Voraussetzungen für die politische Union verbessert, daß aber zur Herbeiführung der politischen Union eigene politische Willensakte ergehen und eigene politische Entscheidungen getroffen werden müssen, die dann sehr wohl die Form eines Stufenplans, wie heute von Herrn Dr. Barzel skizziert, annehmen?

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0607710600
Sie hätten recht, wenn diese Wirtschafts- und Währungsunion, Herr Kollege, eine Sache wäre, die im ökonomischen Bereich automatisch abliefe. Davon kann aber keine Rede sein. Dieser Plan ist so aufgebaut, daß von Stufe zu Stufe neu entschieden wird, und zwar politisch entschieden wird, über die Erfahrungen und über das — das ist alles in dem Bericht gesagt —, was an politischen Voraussetzungen installiert werden muß oder schon installiert worden ist, z. B. Ausbau der parlamentarischen Kontrolle, Übertragung politischer Befugnisse von nationalen Instanzen auf gemeinschaftliche Instanzen. Das wird für den Übergang von Stufe zu Stufe, besonders bei dem wichtigen Übergang von der ersten Stufe in die zweite, klar als Conditio gesagt. Diesmal kann es nicht passieren — so ist der Plan angelegt , daß es ein rein ökonomisches Fortschreiten gibt und daß daneben die Politik auf der Strecke bleibt. Diesmal ist das so eng verknüpft, konditionell verknüpft an den entscheidenden Stellen, daß die Politik mitkommt. Das ist der Unterschied zum Bisherigen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607710700
Herr Bundesminister, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten von und zu Guttenberg?

Freiherr Karl Theodor von und zu Guttenberg (CSU):
Rede ID: ID0607710800
Herr Bundesminister, würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, daß unsere Frage sich nicht etwa darauf bezieht, daß der Werner-Plan keine politischen Entwicklungen und Konsequenzen in sich schlösse

(Bundesminister Dr. Schiller: Schon besser!)

— wir wissen so gut wie Sie, daß hier nicht Wirtschaft und Ökonomie, sondern politische Bedingungen für die Wirtschaft integriert werden sollen — —

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607710900
Herr Kollege, das Fragezeichen muß aber bald hörbar sein.

Freiherr Karl Theodor von und zu Guttenberg (CSU):
Rede ID: ID0607711000
— — und würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, daß unsere Frage lautet, ob nicht dem Werner-Plan, der europäische Innenpolitik zum Inhalt hat, ein Stufenplan zur stufenweisen Erreichung gemeinsamer europäischer Außenpolitik zugesellt werden sollte?

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0607711100
Lieber Herr von Guttenberg, dieser Plan der Arbeitsgruppe, die unter dem Vorsitz von Ministerpräsident Werner den Bericht vorgelegt hat, ist nicht ein Plan der europäischen Innenpolitik allein, sondern er wendet sich auch an die Außenwelt. Er sagt implicite sehr viel aus bei Währungspolitik versteht sich das von selbst — über die ökonomischen Beziehungen dieser unierten Gemeinschaft nach außen.

(Zuruf des Abg. Freiherr von und zu Guttenberg.)

— Nun komme ich Ihnen schon näher, indem ich sage: nachdem die Außenminister jetzt mit den Konsultationsbeschlüssen die ersten Schritte getan haben, was hindert sie in ihrer gemeinsamen Beratung daran, an einem bestimmten Punkte, wenn wir auf den Gebieten der Wirtschafts- und Währungsunion weitergekommen sind, auch ihrerseits entsprechende außenpolitische Elemente dazuzutun? Wogegen ich mich sträube ist, daß Sie hier den gesonderten Automatismus eines Stufenplans zur politischen Union hin konstruieren wollen. Ich bin der Meinung, dieser Werner-Bericht zeigt den besseren Weg. Eine politische Union, die nicht aus der materiellen Union der ökonomischen Interessen wächst, würde als zartes Pflänzchen verdorren. Ein Plan zur politischen Union, der nicht jeweils auf Fortschritten basiert sinnvoll könnte nämlich dieser Plan immer erst bei jeder Stufe für die nächste entwickelt werden —, ein solcher gesonderter Stufenplan für die Politik als solche, lieber Herr von Guttenberg, würde nach meiner Ansicht Papier bleiben, weil er nicht, so wie es hier geschehen ist, eng verknüpft wäre mit dem Zusammenwachsen der ökonomischen, finanziellen und monetären Interessen der Gemeinschaft. Das scheint mir der realistische Weg zu sein, der Weg, den man früher auch versucht hat zu gehen, der diesmal jedoch sehr viel enger und deutlicher verknüpft ist mit pragmatischen, von Stufe zu Stufe notwendigen Schritten hin zur politischen Union. Daneben brauchen Sie nicht noch eine Blaupause für einen Stufenplan in der Außenpolitik.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607711200
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Apel?

Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID0607711300
Herr Bundesminister, sind Sie bereit, Herrn von Guttenberg auch darauf aufmerksam zu machen, daß ein Stufenplan ja vorhanden ist, indem das, was an politischer Zusammenarbeit beschlossen worden ist, nach zwei Jahren revidiert wird und insofern jetzt eine erste Stufe da ist, der eine zweite Stufe folgen wird, die dann vieles von dem mit einbeziehen kann, was Sie, Herr Bundesminister, soeben erwähnt haben?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0607711400
Ich mache Herrn von Guttenberg gern darauf aufmerksam. Im übrigen sage ich noch einmal: dieser Approach — um es einmal so zu sagen —, dieser Versuch der neuen Verknüpfung von ökonomischer und währungsmäßiger Union mit politischen Schrit-



Bundesminister Dr. Schiller
ten ist auch insofern gut, als er dem jeweiligen Mitgliedsland die Möglichkeit gibt, bestimmte eigene ökonomische Bedingungen als erfüllt oder als nicht erfüllt anzusehen und damit auch politisch entsprechend zu agieren. Ich will Ihnen nur eines nennen, was wir immer wieder in die Waagschale werfen müssen: Wenn beim Übergang von der ersten zur zweiten Stufe das ökonomische Ziel der Stabilität, das wir wollen, nicht erreicht ist, können wir auch politisch in dieser Lage nicht viel tun. Wir müßten dann erst einmal sehen, daß auf dem Gebiet der Stabilität mehr geschieht. Dieses Verfahren dient der Wahrung unserer eigenen Interessen und dient besonders dem von uns angestrebten Ziel: Stabilität und Wachstum auch in der Gemeinschaft.

(Beifall bei ,den Regierungsparteien.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607711500
Meine Damen und Herren, das Wort hat der Abgeordnete Blumenfeld.

Erik Bernhard Blumenfeld (CDU):
Rede ID: ID0607711600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie wir in unserem Entschließungsantrag zu dem Zustimmungsgesetz, der im übrigen schon von meinem Kollegen Dr. Wagner begründet worden ist, zum Ausdruck gebracht haben, begrüßen wir die stufenweise Übertragung der Finanzautonomie auf die Europäische Gemeinschaft. Unsere Zustimmung beruht auf der klaren Vorstellung von dem, was jetzt in Europa getan werden mull. Für uns hat nämlich dieser Zusammenschluß neben vielen anderen Begründungen eine grundlegende Bedeutung. Er kann und darf nicht der puren Hoffnung auf eine gesamteuropäische Friedensordnung zur Disposition gestellt werden. Denn dieser unser europäischer Zusammenschluß ist ja selbst eine Art Verwirklichung der Friedensordnung, wie wir sie uns vorstellen, allerdings in dem Teil Europas das darf man hier wohl anmerken —, an dessen Grenzen eben nicht geschossen wird und in dem die Freiheit garantiert ist.
Deswegen fordern wir auch immer wieder die Bundesregierung auf, die westeuropäische Einigung und deren Erweiterung, wie sie jetzt vorgenommen wird, als das unverrückbare Fundament für die anvisierte gesamteuropäische Konstruktion aufzufassen, sich auch entsprechend zu äußern und sich vor allen Dingen entsprechend zu verhalten.
Meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion, Sie halten uns manchmal entgegen — jedenfalls haben Sie das in der Diskussion der vergangenen Monate getan —, daß man abwarten müsse, ob sich nicht in der Zukunft geeignetere Modelle für eine Organisierung der europäischen Zusammenarbeit und einer europäischen Friedensordnung finden ließen. Liegt in einer solchen Haltung, die sich in ihrer Zielansprache von eventuellen zukünftigen politischen Entwicklungen abhängig macht, nicht ein Verzicht auf die politische Zielsetzung, die wir doch alle gemeinsam haben sollten?
Mir scheint, daß in einer solchen Einstellung etwas zuviel Pragmatismus enthalten ist.

(Abg. Dr. Apel: Wie kommen Sie denn auf die Idee? Können Sie das einmal ein bißchen erklären!)

— Natürlich sehen auch wir die Möglichkeit, Herr Dr. Apel, daß im Laufe der Zeit neue Kooperations-
und neue Vergemeinschaftungsmodelle verfügbar werden. Wenn wir von einem europäischen Bundesstaat sprechen, meinen wir damit nicht, daß sich die Organisation Europas in der bloßen Nachahmung bekannter Föderationen nationalstaatlichen Typs erschöpfen sollte.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607711700
Herr Abgeordneter Blumenfeld, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Dr. Apel?

Erik Bernhard Blumenfeld (CDU):
Rede ID: ID0607711800
Ja, ich gestatte sie gern.

Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID0607711900
Herr Kollege Blumenfeld, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß die sozialliberale Koalition immer wieder und mit allem Nachdruck unterstrichen hat, daß die westeuropäische Integration mit dem Ziel einer westeuropäischen Föderation überhaupt nicht zur Debatte steht? Das ist das erklärte Ziel dieser sozial-liberalen Koalition. Wenn wir über Kooperationsformen sprechen, wie Sie es soeben getan haben, betrifft das nur das Verhältnis zwischen Ost- und Westeuropa. Sind Sie bereit, das zur Kenntnis zu nehmen und hier einen genauen Unterschied zu machen, damit wir sauber diskutieren können?

Erik Bernhard Blumenfeld (CDU):
Rede ID: ID0607712000
Herr Apel, ich freue mich darüber, daß Sie jetzt diesen Beitrag geliefert haben; denn bislang ist diese Form einer klaren Abtrennung in den Ausführungen Ihrer verschiedenen Redner nicht zum Ausdruck gekommen.

(Abg. Dr. Apel: Dann haben Sie die Regierungserklärung nicht gelesen!)

Das möchte ich hier einmal ganz klar feststellen.

(Abg. Dr. Apel: Na, hören Sie mal!)

— Ich freue mich darüber, daß Sie heute Gelegenheit genommen haben,

(Abg. Dr. Apel: Aber ich bitte Sie, Herr Blumenfeld, bei aller Liebe!)

das hier undifferenziert zu sagen.

(Weiterer Zuruf des Abg. Dr. Apel.)

Meine Damen und Herren, unser Ziel und unsere Forderung entstammen eben auch nicht irgendeiner intellektuellen Spielerei, sondern wir meinen, daß wir zu dieser Feststellung gezwungen und berechtigt sind gegen den ernsten Hintergrund der politischen Lage in Europa. Sie ist nämlich heute entgegen den Versicherungen — das ist meine Auffassung —, die wir heute wieder aus dem Munde der Vertreter der Bundesregierung gehört haben, durch die neue



Blumenfeld
Strategie der sowjetischen Europapolitik bedrohter als noch vor einem Jahr.

(Abg. Dr. Wagner [Trier] : Sehr richtig!)

Wir müssen doch leider als Tatsache verzeichnen, daß diese gefährlichen Tendenzen der sowjetischen Europapolitik durch die für mich unverständliche und für die deutsche und europäische Sache schädliche Hast, mit der die Bundesregierung ihre Ostpolitik betreibt, in hohem Maße gefördert werden. Das Instrument dieser sowjetischen Politik ist die propagierte europäische Sicherheitskonferenz. Mit ihr versucht nämlich die Sowjetunion eine Alternative — Herr Dr. Apel, ich hoffe, Sie stimmen mir zu — zur westeuropäischen Integration aufzubauen. Sie erhofft sich dadurch, daß sie die Vision einer gesamteuropäischen Ordnung schmackhaft macht, um die Energie und das Engagement der Westeuropäer von der europäischen Gemeinschaft abzulenken. Ihr Ziel ist dabei, die westeuropäische Integration zum Stillstand zu bringen und die Bindungen Westeuropas an die Vereinigten Staaten zu lockern, um schließlich ihren eigenen Einfluß und ihre eigenen Einflußmöglichkeiten nach Westeuropa auszudehnen.
Herr Dr. Apel, bevor ich Ihnen gern die Frage gestatte, nur noch ein Wort an Sie und zu dem, was Sie uns vorhin hier erzählt haben von einem christdemokratischen Berichterstatter des Politischen Ausschusses des Europäischen Parlaments, von dem ich hoffe, daß Sie ihn für das Bundesverdienstkreuz vorschlagen werden. Herr Dr. Apel, es ist schade, daß Sie nicht vor wenigen Wochen dabei waren, als eine Bundestagsparlamentariergruppe zwei Tage lang in Rom mit italienischen Parlamentariern diskutierte — von Ihrer Fraktion waren ebensoviel Kollegen dabei wie von der meinen —; dann hätten Sie nämlich gemerkt und gewußt, daß die Sorge der italienischen Parlamentarier quer durch die Parteien, von den CDU-Leuten bis zu den verschiedenen sozialistischen Gruppen, um einen Kernpunkt herum sich bewegte: Das war die Sorge um die Entwicklung, die in der Ostpolitik jetzt in Bewegung gebracht worden ist, im Hinblick auf die europäische Einigung. Genau die Sorge, die ich jetzt hier zum Ausdruck gebracht habe, ist in den Äußerungen der italienischen Kollegen sehr deutlich geworden.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.) Bitte schön, Herr Dr. Apel!


Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID0607712100
Herr Kollege Blumenfeld, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß der Herr Bundeskanzler in der Fernsehansprache, die aus Moskau in die deutschen Netze überspielt wurde, vor der Unterzeichnung des Vertrages festgestellt hat — ich zitiere wörtlich —:
Der Vertrag beeinträchtigt in keiner Weise die feste Verankerung der Bundesrepublik und ihrer freien Gesellschaft im Bündnis des Westens. Es bleibt auch bei dem Willen, immer mehr Staaten Europas mit dem Ziel einer politischen Gemeinschaft immer enger aneinanderzubinden.
Sind Sie bereit, das zur Kenntnis zu nehmen, und sind Sie damit auch bereit, endlich zu unterscheiden zwischen dem. was sowjetische Aussage ist, und erklärter Politik dieser Bundesregierung?

Erik Bernhard Blumenfeld (CDU):
Rede ID: ID0607712200
Ich bin gern bereit, zur Kenntnis zu nehmen, was der Bundeskanzler in der Fernsehansprache gesagt hat. Ich stelle das genauso wie Sie fest; das ist ja nichts Neues. Nur, Herr Apel: Sie wollen eben nicht zur Kenntnis nehmen, daß in der Erarbeitung einer Politik, die diese riesigen Gefahren beinhaltet, es nun wirklich auch darauf ankommt, zunächst einmal auf einem gesicherten Fundament gemeinsame europäische Ostpolitik zu machen, und nicht Alleingänge.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607712300
Herr Abgeordneter Blumenfeld, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Wagner?

Erik Bernhard Blumenfeld (CDU):
Rede ID: ID0607712400
Ja, wenn Sie dann auch so gütig sind, Herr Präsident, das ein bißchen abzuziehen von den wenigen Minuten, die ich noch habe. Das wäre Toleranz am Freitagnachmittag.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607712500
Ja, ja. Ich hoffe, daß auch die Redner mit dem Haus Toleranz üben, dann sind wir alle zufrieden. Bitte!

Dr. Carl-Ludwig Wagner (CDU):
Rede ID: ID0607712600
Herr Blumenfeld, würden Sie dann vielleicht Herrn Dr. Apel darauf hinweisen, daß die Diskussion in der Bundesrepublik natürlich an Klarheit gewinnen würde und daß viele Sorgen zerstreut wären, wenn eben nicht gewisse Äußerungen führender Vertreter der Regierungskoalition zuweilen diese Zweifel rechtfertigen, wie etwa das Kommuniqué des Bundesvorstandes der SPD, in dem davon die Rede ist, daß die Sowjetunion an jeder Veränderung von Grenzen in Europa durch Verhandlungen zu beteiligen ist? Das mag so oder so gemeint sein. Aber meinen Sie nicht, daß es der Klarheit dienen würde, wenn solche Äußerungen unmißverständlich formuliert wären?

Erik Bernhard Blumenfeld (CDU):
Rede ID: ID0607712700
Ich würde Ihnen voll zupflichten.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607712800
Herr Abgeordneter Blumenfeld, würden Sie noch eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Apel gestatten?

(Abg. Blumenfeld: Meinem ehrenwerten Hamburger Kollegen will ich natürlich immer gerne zuhören!)


Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID0607712900
Schönen Dank, Herr Blumenfeld, obwohl ich mit Heizölheizung keine Kohlen mehr verwende, aber immerhin.



Dr. Apel
Herr Blumenfeld, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß das von Herrn Wagner zitierte Kommuniqué in dem Abschnitt, über den hier gesprochen wird, sich ausdrücklich über Ostpolitik äußert und hier in der Tat natürlich die Mitwirkung der Sowjetunion bei Grenzveränderungen erforderlich ist, daß dieses Kommuniqué aber insbesondere abhebt auf die Rede des Herrn Bundeskanzlers vom 3. September, in der er die Passage verwendet hat, die ich Ihnen eben vorgelesen habe, und insofern vielleicht die journalistische Fassung dieses Kommuniqués nicht ganz glücklich ist, woraus aber nicht hergeleitet werden kann, daß Sozialdemokraten ihre Politik in dieser Frage geändert haben?

(Zuruf von der CDU: Das sind doch die üblichen Purzelbäume!)


Erik Bernhard Blumenfeld (CDU):
Rede ID: ID0607713000
Herr Kollege Dr. Apel, ich bin erst bereit, Dinge Ihnen hier protokollmäßig zu bestätigen, wenn ich sie auch richtig gelesen habe; meine Zeit erlaubt es leider nicht, jedes Kommuniqué des sozialdemokratischen Bundesvorstands zu lesen, so wichtig das im einzelnen auch sein mag.

(Heiterkeit bei der CDU.)

Aber darf ich in meinen Gedanken weiter fortfahren? — Es entspricht doch einfach nicht den Tatsachen, wenn die Bundesregierung behauptet, daß die Sowjetunion die Europäische Gemeinschaft nun endlich anerkenne und bereit sei, in ein vernünftiges Kooperationsverhältnis mit ihr zu treten. Der Bundeskanzler hat heute früh diesen Gedanken noch einmal aufgenommen und hat gesagt, er habe aus seinen Gesprächen in Moskau diesen Eindruck mitbekommen, und er hat damit praktisch das, was ich eben gerade sagte, noch einmal unterstrichen. Tatsache ist doch vielmehr, daß die Sowjetunion versucht, durch schmackhafte Angebote an einzelne Mitglieder der Gemeinschaft oder an Länder, die ihr beitreten wollen, die Gemeinschaft auseinanderzudividieren.
Es ist bezeichnend, Herr Dr. Apel, daß diese bilateralen Angebote zu einem Zeitpunkt kommen, zu dem auch für die größten Skeptiker der europäischen Einigung und Integration klar wurde, daß durch den Beginn der Beitrittsverhandlungen, durch den Plan einer Wirtschafts- und Währungsunion, durch die Ausstattung der Gemeinschaft mit eigenen Mitteln und durch die verbindliche Festlegung des Termins für eine gemeinschaftliche Außenhandelspolitik nun wirklich die Europäische Gemeinschaft sich auf dem Wege zu einer engeren politischen, zu einer einheitlichen organisatorischen Lösung befindet. Diese Entwicklung, die auch wir, genau wie Sie, für notwendig halten, will die Sowjetunion aufhalten. Und die Sowjetunion argumentiert — und das wissen wir nicht erst, seitdem Herr Schukow vor einigen Wochen in Bonn war —, daß die Europäische Gemeinschaft ein Hemmnis ist für die Überwindung der Teilung Europas.
Mit Erlaubnis des Präsidenten möchte ich ein paar Sätze aus der „Tribuna Ludu" zitieren dürfen, die kürzlich erschienen sind. Dort heißt es:
Zu einem Zeitpunkt, da in ganz Europa eine starke Tendenz zur Einigung des Kontinents besteht, da die Initiative der sozialistischen Länder zur Schaffung eines gesamteuropäischen Systems der Sicherheit und der umfassenden Zusammenarbeit breite Anerkennung gewinnt, würde die Förderung einer in sich geschlossenen Organisation, wie es die EWG ist, die Teilung Europas nur verstärken und die Annäherung zwischen Ost und West in einer Hinsicht blockieren, gemeinsame europäische Aktionen behindern und die praktische Verwirklichung der Idee der friedlichen Koexistenz erschweren.
Das ist ein Zitat aus der „Tribuna Ludu", und es lassen sich noch eine ganze Reihe weiterer Zitate hier auf den Tisch legen; ich will das nicht tun. Ich meine nur, um dieser klar erkannten Gefahr zu begegnen — und ich hoffe, sie ist von Ihnen völlig klar erkannt, Herr Apel —, müssen wir dafür sorgen, daß die Basis unserer westlichen Politik erhalten bleibt und verstärkt wird. Dazu genügt es nicht nur — und ich sage das in diesem Hohen Hause nicht nur an die Bundesregierung gewendet, sondern an alle europäischen Regierungen —, sich europäisch zu gerieren. Die europäische Basis unserer Politik muß konsequent und effektiv ausgebaut werden. Alles, was in diesem letzten Jahr im europäischen Bereich an politischer Integration geschehen ist, bietet hierzu leider nur die Ansätze. Die Fakten stehen noch aus. Hier setzen unsere Bedenken ein.

(Abg. Dr. Koch meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

— Herr Kollege, gestatten Sie, daß ich diesen Gedanken jetzt zu Ende entwickle; denn hier fängt das gelbe Licht schon an zu leuchten, was bedeutet, daß ich nur noch sehr wenig Zeit habe.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607713100
Ich gebe Ihnen noch einige Minuten Redezeit, nachdem Sie hier verschiedene Zwischenfragen beantwortet haben.

Erik Bernhard Blumenfeld (CDU):
Rede ID: ID0607713200
Gut, dann, Herr Kollege, stellen Sie die Frage!

Dr. Gerhard Koch (SPD):
Rede ID: ID0607713300
Herr Kollege Blumenfeld, was sagen Sie in diesem Zusammenhang zu der Behauptung Ihres Fraktionskollegen Wagner, der gesagt hat, die von den Deutschen in der neuen Finanzverfassung der EWG übernommenen Verpflichtungen seien deswegen so groß, weil wir allzu deutlich den Wunsch verraten hätten, daß Großbritannien der EWG beitrete? Wenn das aber so ist, dann haben wir damit doch dokumentiert, daß wir diese Gemeinschaft des Westens durch den möglichst baldigen Beitritt Großbritanniens stärken wollen. Damit beweisen wir doch, daß wir die Westpolitik, die Integration in den Westen, sehr betont mit deutschen Finanzleistungen vorantreiben wollen. Das ist genau das Gegenteil von dem, was — —

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607713400
Herr Kollege Koch, ich muß bei dieser Gelegenheit



Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
einmal sagen, daß das Instrument der Zwischenfrage
nicht die Möglichkeit eines Debattenbeitrags ersetzt.

Erik Bernhard Blumenfeld (CDU):
Rede ID: ID0607713500
Auch ich wollte das eben sagen, Herr Präsident. Es fällt mir schwer, jetzt auf diese konkrete Frage zu antworten. Aber ich bin durchaus bereit, Herr Kollege Koch, dieses Gespräch mit Ihnen dann weiter zu führen.
Ich meine, daß wir in der Stetigkeit und der Eindeutigkeit unserer Politik für Europa einen ganz klaren Kern setzen müssen. Das ist der Kern, um den es uns geht, nämlich die politische Union. Herr Kollege Schiller hat eben davon gesprochen, daß in der Wirtschafts- und Währungsunion, in den Stufenplänen und der Basis des Werner-Berichts — der ja noch ein Plan ist und noch keine Aktion — die politische Union schon enthalten ist. Wir sehen das noch nicht so. Wir sehen zwar den Werner-Plan und begrüßen ihn — und wir würden es besonders begrüßen, wie ich vorhin in meiner Zwischenfrage dokumentiert habe, wenn er nicht verwässert würde, sondern wenn ihn die Bundesregierung durchsetzen würde —, meinen aber, daß sich die politische Union, die, wie auch Herr Kollege Moersch hier ausgeführt hat, erst in zwei Jahren weitergeführt werden soll, in ihrer Aktionsfähigkeit überhaupt noch nicht abzeichnet. Das, was wir angesichts der vor uns liegenden Zeit brauchen, ist nämlich mehr als dieses dürftige Verfahren, das sich augenblicklich aus dem Davignon-Bericht abzeichnet und das am 19. und 20. November in München ein bißchen zelebriert werden soll. Dieses muß vielmehr, wie es der Vorsitzende meiner Fraktion vorhin formuliert hat, durch entsprechende, klar definierte politische Aussagen und Anträge der Bundesregierung konkretisiert werden, damit in den kommenden zwei entscheidenden Jahren keine Unglücke passieren. Die beiden vor uns liegenden Jahre sind deswegen entscheidend, weil sie zwei Jahre des Übergangs sind, nämlich des Übergangs hinsichtlich der Erweiterung der Gemeinschaften, die eben noch nicht vollzogen ist. Die Wirtschafts- und Währungsunion befindet sich, wie Herr Kollege Schiller hier ausgeführt hat, noch in der Experimentierphase. Die institutionellen Verbesserungen der Gemeinschaft sind noch nicht voll in Kraft getreten, und die gemeinsame Außenhandelspolitik ist noch nicht in vollem Umfang zur Tatsache geworden.
In dieser Zeit, meine Damen und Herren, wird die sowjetische Europapolitik gerade effektiv. Das müssen wir heute registrieren und in den kommenden zwei Jahren sicherlich noch sehr viel stärker. Deswegen brauchen wir schon jetzt die Ausbildung des europäischen Willens und die europäische Handlungsfähigkeit. Das bedeutet, daß wir die politische Union haben müssen, sobald sie möglich ist.

(Abg. Dr. Koch: Wenn die anderen mitmachen!)

— Da ist ja gerade ein Punkt, Herr Koch! Sie schieben das immer ab und sagen: Wir können uns nur auf den Minimalkoeffizienten einigen, weil die anderen es nicht wollen. Warum denn diese Schonung? Warum denn diese Zurückhaltung? In der Ostpolitik sind Sie ja auch nicht so zurückhaltend. Warum sind
Sie denn hier nicht bereit, dynamischer zu werden? Meine Damen und Herren, es würde Ihnen gut anstehen, wenn Sie in dieser Frage nun das unter Beweis stellten, was Sie bei der Regierungsübernahme angekündigt haben. Sie erklären ja, daß Sie durch Ihre Ostpolitik überhaupt erst die Westpolitik zur Integration und zur Dynamik gebracht haben. Nun beweisen Sie das doch einmal! Wir möchten auch ganz gerne die Antworten der Bundesregierung auf die Fragen, die der Fraktionsvorsitzende vorhin gestellt hat, wenn nicht heute, so mindestens im Ausschuß hören. Wir möchten wissen, wie die Bundesregierung sich die Tagesordnung der ersten Sitzung der Außenminister vorstellt, ferner, ob die Bundesregierung bereit ist, in dem Sinne, wie wir es durch den Mund unseres Fraktionsvorsitzenden vorgeschlagen haben, nunmehr sichtbar zu machen, daß sie bereit ist, sich mutig hinzustellen und auch gegen Schwierigkeiten, die uns ebenfalls bekannt sind, ihren politischen Willen zur europäischen Einigung durchzusetzen.
Ein letztes Wort! Der Herr Bundeskanzler hat davon gesprochen, daß es sehr schlecht wäre, daß es von Übel wäre, wenn die Sache Europas zur Sache einer Ideologisierung gemacht würde. Wir stimmen mit ihm darin überein. Für uns ist Europa eine Sache der Vielfalt, der breiten Vielfalt der Meinungen und unserer Gesellschaftsstruktur. Es wäre gut, wenn er diese seine Auffassung auch in das Stammbuch insbesondere der Jungsozialisten seiner Partei schreiben würde.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Lachen und Zurufe von der SPD.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607713600
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Rutschke.

Dr. Wolfgang Rutschke (FDP):
Rede ID: ID0607713700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Blumenfeld, ich weiß nicht, ob Ihr Beitrag, den Sie hier geleistet haben, den Sinn hatte, der Bundesregierung nachzuweisen, daß sie nicht alles tut, um der europäischen Einigung jeden Impuls zu geben, der möglich ist. Wenn Sie diesen Eindruck erwecken wollten, dann tun Sie das sehr zu Unrecht. Sie persönlich sind allerdings in der Wahl Ihrer Mittel auf diesem Gebiet nicht sehr wählerisch. Denn wenn Sie hier auch aus den europäischen Gremien zitieren, denen ich ja auch angehöre, und Sie immer wieder feststellen zu müssen glauben, daß innerhalb dieser europäischen Gremien Widerstände gegen die deutsche Ostpolitik seien, so ist das schlicht und einfach unwahr.

(Abg. Dr. Apel: Genau!)

Sie haben doch selbst erleben müssen, daß Sie eine anständige Bauchlandung machen mußten, als Sie einmal Berichterstatter sein mußten und nicht die Meinung des Ausschusses wiedergegeben haben, sondern Ihre persönliche Meinung, die eben anders aussieht als die Meinung, die die Mehrheit dort vertreten hat. Sie werden sich auch entsinnen, daß es natürlich einzelne Mitglieder in den europäischen Gremien gibt, ich denke z. B. an die von Ihnen zitierten Italiener — es sind ja praktisch nur zwei,



Dr. Rutschke
zumindest im Europarat , die eine andere Meinung über die deutsche Ostpolitik haben als die Mehrheit im Ausschuß. Nur stellen Sie das bitte nicht immer so dar, als wenn man in den europäischen Gremien Ihrer Meinung wäre! Genau das Gegenteil ist nämlich der Fall.

(Zustimmung bei der SPD.)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607713800
Herr Abgeordneter Dr. Rutschke, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Blumenfeld?

Erik Bernhard Blumenfeld (CDU):
Rede ID: ID0607713900
Wenn Sie von einer Bauchlandung gesprochen haben, so heben Sie wahrscheinlich auf einen Bericht ab, der nicht veröffentlicht worden ist und der in Brüssel für die Nordatlantische Versammlung erstattet worden ist. Darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß dieser Bericht keineswegs abgelehnt worden ist, sondern daß nur einzelne Passagen

(Lachen bei den Regierungsparteien)

dieses Berichtes, dieses Vorberichts, in dem Politischen Ausschuß auf den Widerstand der sozialdemokratischen Kollegen gestoßen sind, weil zum Zeitpunkt der Abstimmung fast nur diese dort waren, und deswegen ist so abgestimmt worden.

Dr. Wolfgang Rutschke (FDP):
Rede ID: ID0607714000
Herr Kollege Blumenfeld, ich glaube, auch die sozialistische Fraktion wird dann, wenn Sie die Wahrheit sagen, sicherlich zustimmen, aber in den Fällen, in denen Sie nicht die Wahrheit gesagt haben, hat sie sich dagegen gewehrt, und zwar völlig mit Recht. Mein Eindruck aus den europäischen Gremien ist der, daß Sie da klar in der Minderheit sind. Ihre Behauptungen, mit den Sie es immer so darstellen, als ob es anders sei, sind einfach nicht wahr.

(Abg. Dr. Lenz [Bergstraße] : Würden Sie mir beipflichten, daß Meinungsverschiedenheit und Wahrheit nichts miteinander zu tun haben?)

— Nein, Herr Kollege Lenz, nur in der Darstellungsart sollte man etwas seriöser sein und nicht den Eindruck erwecken, als ob die große Mehrheit die deutsche Ostpolitik verdammte. Das stimmt nämlich nicht. Genau das Gegenteil ist der Fall, daß sie durchaus bejaht und für vernünftig gehalten wird.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607714100
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Klee?

Marie-Elisabeth Klee (CDU):
Rede ID: ID0607714200
Herr Rutschke, haben Sie denn nicht an der politischen Debatte des Europarates teilgenommen, um sich ein vernünftiges Urteil zu bilden, und waren Sie nicht bei der Sitzung der WEU dabei, wo man durchaus einen umgekehrten Eindruck gewinnen konnte als den, den Sie hier verkünden?

Dr. Wolfgang Rutschke (FDP):
Rede ID: ID0607714300
Gnädige Frau, ich war dabei, und ich hatte einen wesentlich anderen Eindruck als den, den Sie hier wiedergeben. Das scheint innerhalb Ihrer Fraktion abgesprochen zu sein, und deswegen will ich nicht näher darauf eingehen.

(Zuruf des Abg. Dr. Lenz [Bergstraße].)

Meine Damen und Herren, ich glaube, daß die Ostpolitik leider etwas unsere Initiativen im Rahmen der Europapolitik verdeckt hat. Es mag sein, daß die Ostpolitik natürlich etwas Neueres und Interessanteres ist als die Situation, wie sie sich auf der europäischen Ebene seit Jahren immer wieder durch verzögerliche Entwicklungen und recht erfolglose Vorstöße dokumentiert hat. Ich glaube aber nicht, daß man dieser Bundesregierung den Vorwurf machen kann, daß sie im Hinblick auf die europäische Einigung nicht jede Gelegenheit wahrgenommen hat, um diese europäische Einigung vorwärtszubringen. Sozusagen ihre erste Amtshandlung war die Haager Konferenz, wo sich die Bundesregierung mit ihrer Initiative mit gutem Erfolg durchsetzen und die stagnierende europäische Politik wieder in einen Vorwärtstrend bringen konnte.
Nun sagte Herr Kollege Barzel — ich sehe ihn leider jetzt nicht hier —, daß das durch die Änderung der Verhältnisse in Frankreich begünstigt war. Das ist sicherlich richtig. Aber zumindest hat diese Bundesregierung nicht die Fehler gemacht, die vorher gerade im Hinblick auf den Beitritt Englands gemacht worden sind, daß man, wie es Herr Bundeskanzler Kiesinger seinerzeit getan hat, nach Paris fährt und dort sehr viel Verständnis für die Haltung Frankreichs zum Ausdruck bringt und sagt: Nun ja, wir verstehen gut, daß die Franzosen die Engländer nicht in der EWG haben wollen;

(Abg. Freiherr von und zu Guttenberg: Das hat er nie gesagt!)

und dann fährt man nach London und sagt, man habe sehr viel Verständnis dafür, daß die Engländer in die EWG eintreten wollen.

(Zuruf des Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Das hat er nie gesagt! Belegen Sie das einmal! Wo steht denn das?)

— Wenn Sie diese Veröffentlichung nicht gelesen haben, dann tut es mir leid. Sie haben offensichtlich immer für das ein sehr schlechtes Gedächtnis, was Ihnen unangenehm ist.

(Zurufe von der CDU/CSU.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607714400
Herr Abgeordneter Rutschke, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Guttenberg?

Freiherr Karl Theodor von und zu Guttenberg (CSU):
Rede ID: ID0607714500
Herr Kollege Rutschke, würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, daß das, was Sie eben über die Haltung des damaligen Bundeskanzlers Kiesinger in Paris gesagt haben, mit der historischen Wahrheit nichts, aber auch gar nichts zu tun hat?




Dr. Wolfgang Rutschke (FDP):
Rede ID: ID0607714600
Schön,

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Schön ist das nicht; das ist traurig!)

das ist Ihre Meinung; es stand jedenfalls anders zu lesen. Das ist sicher.

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Wo denn? Vielleicht in einem FDP-Blatt? — Abg. Dr. Wagner [Trier] : In der „Freien Demokratischen Korrespondenz"? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

— Nein, nicht dort; aus den Erklärungen konnte man das entnehmen, darüber besteht gar kein Zweifel.

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Nennen Sie doch mal die Quelle!)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zu den Anträgen, die uns hier zur Abstimmung vorliegen, noch einiges sagen. Die Fraktion der Freien Demokraten begrüßt die beiden Zustimmungsgesetze zur Finanzordnung der Europäischen Gemeinschaften und zur Stärkung der Haushaltsbefugnisse des Europäischen Parlaments. Wir sehen in der Annahme der beiden vorliegenden Gesetze einen wichtigen Beitrag zur weiteren politischen und wirtschaftlichen Einigung Europas. Wir hoffen, daß von diesen neuen Regelungen wichtige Impulse zur Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion im Laufe dieses Jahrzehnts ausgehen.
Wir wissen, daß ohne eine solche Finanzregelung die Verhandlungen über den Beitritt weiterer Staaten zu den Gemeinschaften nicht möglich gewesen wären. Wir verfolgen mit großem Interesse den offensichtlichen guten Verlauf dieser Beitrittsverhandlung und können der Bundesregierung für ihre besondere Aktivität, auch in den letzten Wochen und Monaten, auf diesem Gebiet danken. Dank der Initiative und Entschlossenheit dieser Bundesregierung wird die Europäische Gemeinschaft weiter wachsen.
Die Finanzierungsregelung ist kein Selbstzweck. Sie wird auf die Dauer nur als ein Element der Weiterentwicklung der europäischen Gemeinschaften zu einer handlungsfähigen Union verstanden werden können.
In Kenntnis dieser politischen Zusammenhänge lassen Sie mich einen Blick auf den EWG-Vertrag selbst zurück werfen. Die Schöpfer der Römischen Verträge haben richtig erkannt, daß bei einer vollendeten Zollunion und nach Abschaffung der Binnenzollgrenzen auf die Dauer die Zolleinnahmen und die zollähnlichen Einnahmen nicht mehr den Volkswirtschaften der einzelnen Mitgliedstaaten zugerechnet werden können. Sie haben daher die notwendige Konsequenz gezogen, daß sich die Zölle bei vollendeter Zollunion als besonders geeignet für die Finanzierung einer Wirtschaftsgemeinschaft erweisen. So ist es auch zu verstehen, daß der EWG-Vertrag — der Euratomvertrag in ähnlicher Form — bestimmt, daß nach Vollendung der Zollunion in erster Linie die Zolleinnahmen als Eigeneinnahmen der Gemeinschaft in Betracht zu ziehen sind.
Was für die Zölle gilt, muß auch für die Abschöpfungen, die praktisch nur eine besondere Form von Agrarzöllen darstellen, richtig sein. So war es verständlich, wenn der Ministerrat aus Anlaß der Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik in der Verordnung Nr. 25 vom 2. April 1962 festgelegt hat, daß die Abschöpfungen nach Ende der Übergangszeit' Eigeneinnahmen werden sollen. Der Rat hat damals — darüber muß heute bei unserer Diskussion über die finanziellen Wirkungen der vorliegenden Zustimmungsgesetze gesprochen werden — folgenden Grundsatzbeschluß gefaßt:
Die Einnahmen aus den Abschöpfungen aus dritten Ländern fließen der Gemeinschaft zu und werden für gemeinschaftliche Ausgaben verwandt, so daß die Haushaltsmittel der Gemeinschaft gleichzeitig diese Einnahmen sowie alle sonstigen Einnahmen umfassen.
Hier ist der Ministerrat — daran muß erinnert werden — eine politische Selbstbindung eingegangen, die am Ende der Übergangszeit einzulösen war. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat dann aus Anlaß des Übergangs zur Endphase im Juli 1969 die Probleme aufgegriffen und einen Vorschlag gemacht, der auf eine Übertragung der Zölle und Abschöpfungen hinzielte, während der Rest auch weiterhin in Form von Finanzbeiträgen geleistet werden sollte
Es ist der Bundesregierung und dabei insbesondere dem Bundesaußenminister und dem Bundesfinanzminister sehr dafür zu danken, daß die Bundesregierung diesen Vorschlägen insoweit nicht gefolgt ist, als sie der Übertragung eigener Einnahmen auf die europäischen Gemeinschaften nur dann zustimmen wollte, wenn die Europäische Gemeinschaft zugleich mit den Eigeneinnahmen eine volle Finanzverantwortung auch auf der Einnahmenseite übernimmt. Nur der unnachgiebigen Haltung der Bundesregierung ist es zu verdanken, daß die Kommission in der allerletzten Phase der Verhandlungen, nämlich am 11. Dezember 1969, diesen berechtigten deutschen Wünschen gefolgt ist und zu den Zöllen und Abschöpfungen nur noch eine begrenzte Finanzmasse auf der Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer vorgeschlagen hat. Damit ist — und das halte ich für den wichtigsten Verhandlungserfolg der Bundesregierung — aus einer Europäischen Gemeinschaft mit unbegrenzter Nachschußpflicht eine Europäische Gemeinschaft mit eigener voller Finanzverantwortung, bezogen auf eine dynamisch limitierte Finanzmasse, geworden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, warum habe ich diese Entwicklung vom Zeitpunkt des Vertragsabschlusses her aufgezeigt? Wenn jetzt so getan wird — das hat besonders der Kollege Wagner getan —, als ob die Bundesregierung neue, erst jetzt im Zusammenhang mit dem neuen Finanzsystem entstandene, zusätzliche Lasten übernimmt, die ursprünglich im Vertrag nicht vorgesehen gewesen seien und sicherlich von einer Regierung mit einem CDU-Kanzler nicht übernommen worden wären, ist demgegenüber auf die Tatsache zu verweisen, daß im Jahre 1957 jemand den Artikel 201 des EWG-Vertrages unterschrieben hat. Wenn jemand



Dr. Rutschke
in Kenntnis des hohen deutschen Außenhandelsbeitrages politisch verantwortlich dem Agrarfinanzierungssystem von 1962 zugestimmt hat, dann kann man jetzt nicht jammern und bedauern, daß der deutsche Anteil um einige Prozente steigt.

(Abg. Dr. Wagner [Trier] meldet sich zu einer Zwischenfrage.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607714700
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Wolfgang Rutschke (FDP):
Rede ID: ID0607714800
Nein, ich möchte jetzt den Gedanken zu Ende führen. — Hinzu kommt, daß auch ein eventueller Prozentsatz von 36 oder 37 in sehr viel späteren Jahren an sich überhaupt nichts aussagt. Entscheidend ist vielmehr das Volumen, auf das er sich bezieht. Der Wurm steckt nicht in dem Apfel der Einnahmeseite, sondern in der Struktur und der Höhe der Ausgaben. Und wie sieht es da aus? Die Ausgaben der Gemeinschaft sind zu mehr als 90 % Ausgaben für die gemeinschaftliche Agrarpolitik. Diese Kosten sind bekanntlich enorm hoch. Doch kann man wahrlich nicht dieser Regierung die Verantwortung hierfür anlasten. Man sollte sich vielmehr daran erinnern, daß es eine andere Regierung war, die bereits 1962 den grundlegenden EWG-Beschlüssen über die Finanzierung der EWG-Agrarpolitik und darin dem Grundsatz der gemeinschaftlichen Finanzierung der Agrarpolitik zustimmte, was zu der bekannten Ausgabeneskalation für die Agrarmarktordnungen führte. Sie mögen sagen, daß man damals nicht anders konnte. Das mag zutreffen. Man kann aber nicht so tun, als ob man mit der Verantwortung für die Ausgaben der EWG-Agrarpolitik nichts zu tun habe.

(Abg. Dr. Wagner [Trier]: Das tut ja niemand!)

Daß diese Regierung aber bemüht ist, die Ausgaben zu begrenzen, hat sie in der Vergangenheit sehr deutlich gemacht. Sie war es, die den EWG-Ministerrat bei der Verabschiedung des Brüsseler Finanzpakets zu der Entschließung veranlaßte, der Rat solle vorrangig Maßnahmen zur besseren Beherrschung der Agrarmärkte und damit zur Beschränkung der Haushaltslasten beschließen. Die Regierung hat also gezeigt, daß sie bestrebt ist, den Ausgabenfluß aus den bestehenden Agrarmarktordnungen im Rahmen der verbliebenen Möglichkeiten in den Griff zu bekommen.
Entscheidend ist aber, das Entstehen neuer Ausgabensäulen zu verhindern. Die Gefahr neuer Ausgabentatbestände besteht allerdings schon. Die EWG-Kommission hat bekanntlich dem Ministerrat Vorschläge zur Gemeinschaftsfinanzierung von Agrarstrukturmaßnahmen vorgelegt, die den in der Agrarfinanzierungsverordnung beschlossenen Plafond für Agrarstrukturausgaben von 285 Millionen Rechnungseinheiten in diesem Jahr bei weitem überschreiten würden. Wenn es nicht gelingt, diesen neuen Ausgaben Einhalt zu gebieten, besteht in der Tat die Gefahr, daß die finanziellen Belastungen der Bundesrepublik kaum noch tragbar erscheinen. Deshalb sollten wir die Bundesregierung hier unterstützen und auffordern, alles zu tun, um neue Ausgabentatbestände zu vermeiden.
Nach alledem bitte ich das Hohe Haus, den beiden Zustimmungsgesetzen zuzustimmen und den vom Unterausschuß für Fragen der EWG-Finanzierung in so sorgfältiger und mühevoller Arbeit erstellten Entschließungsentwurf zu billigen.

(Beifall bei den Regierungsparteien und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607714900
Das Wort hat Frau Staatssekretär Focke.

Dr. Katharina Focke (SPD):
Rede ID: ID0607715000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir nur einige wenige Bemerkungen, zu denen mich die Ausführungen von Herrn Blumenfeld veranlassen, auch wenn dieser leider inzwischen gegangen ist und auf diese Weise — —

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Er mußte nach Den Haag zur NATO-Parlamentarierkonferenz!)

— Das ist allerdings eine europäisch und atlantisch motivierte Entschuldigung, die ich gelten lasse.

(Abg. Dr. Lenz [Bergstraße] : Der Herr Bundeskanzler ist ja auch nicht da! — Abg. Dr. Apel: Ja, es ist ja gut!)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0607715100
Die Entschuldigung muß natürlich von dem amtierenden Präsidenten anerkannt werden.

Dr. Katharina Focke (SPD):
Rede ID: ID0607715200
Ich habe das jetzt doch nur in bezug auf meine Auseinandersetzung mit ihm gemeint, Herr Präsident.

(Abg. Dr. Wagner [Trier] : Es ist übrigens auch kein Minister da, Herr Lenz! Kein Minister ist da!)

Herr Blumenfeld hat hier eine, wie mir scheint, gefährliche Alternative aufzubauen versucht, was schon durch eine Zwischenfrage von Herrn Dr. Apel in einer sehr wichtigen Hinsicht korrigiert worden ist: die Alternative zwischen Integration und Kooperation. Wir sollten dabei noch einmal ganz deutlich festhalten, daß die Integration in Westeuropa und die Kooperation zwischen West- und Osteuropa gerade zwei Dinge sind, die sich vertragen, daß es zwei Dinge sind, die zwar qualitativ auf verschiedenen Ebenen liegen, die sich aber notwendigerweise ergänzen.
Es ist dann auch ein falsches Bild, wenn hier eine Alternative zwischen der Integrationspolitik im Westen und einer europäischen Sicherheitskonferenz konstruiert wird. Die europäische Sicherheitskonferenz gehört auf die Ebene der Kooperation zwischen West und Ost und stellt insofern auch wieder eine sinnvolle Ergänzung unserer bisherigen westeuropäischen Integrationsbemühungen dar. Eine solche Konferenz beißt sich in keiner Weise mit der Fortführung dieser Bemühungen.



Parlamentarischer Staatssekretär Frau Dr. Focke
In diesem Zusammenhang hat Herr Blumenfeld dann zunächst einmal eine gemeinsame europäische Ostpolitik gefordert. Meine Damen und Herren, der Sinn all dessen, was hier heute von Regierungsseite dargestellt worden ist, ist ja, die Voraussetzungen für eine solche gemeinsame europäische Ostpolitik zu schaffen. Dieses Vorhaben ist in mehrfacher Hinsicht unterstützt und auch dargestellt worden. Ich erinnere daran, daß alles, was in Richtung Ostpolitik geschehen ist, von höchst intensiven Konsultationen mit unseren westlichen Partnern begleitet war. Da wir keinen europäischen Bundesstaat haben, sind Konsultationen im Augenblick das einzige Instrument, das uns zur Verfügung steht. Dieses Instrument ist von uns in jeder Phase konsequent angewandt worden. Wir haben uns in jeder Phase der vollen Zustimmung unserer westlichen Partner, insbesondere auch der Partner in der Europäischen Gemeinschaft erfreut. Ich möchte daran erinnern, daß der französische Außenminister gerade wieder das zum Ausdruck gebracht hat was wir auch von anderer Seite wissen —, daß ein Mißlingen der deutschen Ostpolitik keineswegs nur für die Bundesrepublik negativ wäre, sondern für den Westen insgesamt bedauerlich sein würde.

(Zustimmung bei der SPD.)

Die substantielle politische Zusammenarbeit im Westen im Hinblick auf eine gemeinsame europäische Ostpolitik ist doch überhaupt erst durch den jetzigen deutschen Beitrag zur Ostpolitik möglich geworden, der ja nichts anderes bedeutet als den Versuch, den Stand der Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu den osteuropäischen Staaten auf das Normalniveau der anderen westeuropäischen Staaten zu heben. Ohne diese gemeinsame Ausgangsbasis ist doch jede Beschwörung des Fortschritts in der politischen Union in Wirklichkeit illusorisch. Wir sind dabei, diese gemeinsame Ausgangsbasis zu schaffen. In der letzten Zeit haben wir auf diesem Wege, wie uns auch von den westlichen Partnern ausdrücklich gesagt wurde, erhebliche Fortschritte gemacht.
Meine Damen und Herren, ich habe es etwas bedauert, daß durch die Ausführungen von Herrn Blumenfeld wieder Konfrontationen und Alternativen in die Debatte eingeführt worden sind, die zu Beginn unserer heutigen Debatte in geringerem Maße in Erscheinung getreten sind, als es manchmal hier in diesem Hohen Hause der Fall gewesen ist. Ich scheue mich nicht zu sagen, daß ich den Beitrag von Herrn Barzel — lassen wir manches Rankenwerk beiseite —, was die entscheidenden Fragen angeht, für konstruktiv und realistisch halte. Er hat den ganzen Komplex nämlich auf zwei Fragen reduziert, um die es in der Tat geht: Welche Themen sollen jetzt bei den politischen Konsultationen behandelt werden, und wie kommen wir stufenweise zu einer verstärkten politischen Zusammenarbeit?
Was die erste Forderung bezüglich der Themen der Konsultationen der Außenminister betrifft, so hat der Bundeskanzler ja bereits eingangs gesagt, er hoffe, daß man sich bei den Konsultationen insbesondere ostpolitischen Fragen zuwenden werde. Damit hat Herr Barzel eine offene Tür eingerannt.
Zur stufenweisen Entwicklung der politischen Zusammenarbeit hat es hier ja eine ganze Reihe von Ausführungen und Zwischenfragen gegeben. Ich erinnere insbesondere an das, was Minister Schiller gesagt hat. Mir scheint der einzig gangbare Weg, den wir gemeinsam zu gehen versuchen sollten und im Hinblick auf den es gar nicht genug Denk- und Erfahrungsbeiträge geben kann, in der Tat der zu sein, die Stufen und Fermente politischer Entwicklungen, die im Plan der Wirtschafts- und Währungsunion enthalten sind, auszunutzen, um daran angelehnt den anderen Ansatz, den wir jetzt mit dem politischen Konsultationsmechanismus gemacht haben, weiterzuentwickeln und schließlich beides zusammenzuführen. Meine Damen und Herren, das ist doch die Aufgabe, vor der wir hinsichtlich der politischen Zusammenarbeit im kommenden Jahrzehnt stehen. Die Bundesregierung wird versuchen, Beiträge zu leisten, um diese Aufgabe zu erfüllen. Die Konsultation der Außenminister ist mit Recht als ein Beitrag genannt worden. Dazu sollte auch — das habe ich schon in der letzten Europadebatte vor einigen Monaten gesagt — die private europäische Bewegung — Herr Hallstein sitzt ja jetzt unter uns; er könnte dies aufgreifen ihre Beiträge leisten. Hierüber sind wir im Grunde wohl einer Meinung. Wir sollten nicht versuchen, uns wieder auseinanderzudividieren.

(Beifall bei den Regierungsparteien und bei Abgeordneten in der Mitte.)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607715300
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Marx. Für ihn sind 25 Minuten angemeldet.

Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0607715400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hoffe, Herr Präsident, daß ich die Aufmerksamkeit des Hauses nicht mehr so lange beanspruchen muß, wenngleich ich sagen muß — und das gilt für alle Teile des Hauses , daß es eigentlich gut wäre, wenn wir uns einmal untereinander verständigten, daß wir Debatten dieser Art, Debatten, die mit der europäischen Problematik zusammenhängen, nicht auf eine Zeit verlegen, wo, wie wir alle wissen, der größte Teil unserer Kollegen eigene Verpflichtungen hat und nicht mehr hier im Plenum sein kann. Wir sollten tatsächlich versuchen, einmal diesen Stoff, dessen Schwierigkeit jeder kennt und der eine diffizile Argumentation notwendig macht, auf einen Tag zu verlegen, an dem die Mitglieder des Deutschen Bundestages in einem weitaus größeren Umfang vorhanden sind. Angesichts der Wirkungen dieser Debatte, die draußen sichtbar werden, sollten wir uns alle fragen, ob wir diese Themen weiter nur an Freitagen und an Freitagnachmittagen behandeln sollten.
Gnädige Frau Focke, Sie haben eben — und deshalb will ich mich gleich dieser einen Frage zuwenden — gesagt, daß Integration und Kooperation durchaus zusammen stattfinden könnten, Integration im Westen und Kooperation mit den Ländern des europäischen Ostens. Aber wir sollten doch sagen, daß sich die Kooperation, so wie sie offenbar ge-



Dr. Marx (Kaiserslautern)

dacht ist, erst dann wirklich wird durchsezten können, wenn es gelungen ist, eine tiefgreifende und umfassende Integration im Westen herbeizuführen. Es reicht dann eben nicht, daß die Integration nur hinsichtlich der Währungs- und Wirtschaftsunion vorangetrieben wird. Was wir dringend brauchen, auch hinsichtlich der sich anbahnenden sowjetischen Westpolitik — das ist vorhin angedeutet worden ist eine politische Abstimmung, eine politische Kooperation und dann eine politische Integration im Bereich der freien Staaten des europäischen Westens.
Eine weitere Bemerkung möchte ich gern zu einer Zwischenfrage machen, die Sie, Herr Kollege Apel , vorhin gestellt haben. Sie haben uns in dieser Zwischenfrage wiederum so etwas wie eine „nationalistische Ausrichtung" unterschoben. Ich bitte herzlich darum, daß wir mit diesen Dingen aufhören. Wir müssen nicht ständig Töne, die wir auch von Ihrer Seite im Wahlkampf hören, hier bei einer solchen Diskussion, im Plenum des Deutschen Bundestages, haben. Denn, Herr Apel, wie können Sie der Fraktion der CDU/CSU, die seit dem Jahre 1949 einen großen Teil ihrer Aktivitäten darauf verwendet hat, mitzuhelfen, daß es eine europäische Politik gibt, die immerfort gezeigt hat, daß sie bereit ist, nationale souveräne Rechte aufzugeben zugunsten gemeinsamer europäischer Rechte, wie können Sie nach wie vor die Stirn haben, so muß man sagen, uns vorzuwerfen, wir würden eine nationalistische Politik machen?

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607715500
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Apel?

Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID0607715600
Herr Kollege Marx, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß ich den Kollegn Wagner nur davor gewarnt habe, durch seine Argumentation in die Nähe des Nationalismus zu kommen, und sind Sie ferner bereit, sich daran zu erinnern, daß der Herr Kollege Strauß, der Ihrer Fraktion angehört, im Bundestagswahlkampf 1969, was die Agrarfinanzierung anlangt, von versteckten Reparationen gesprochen hat?

Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0607715700
Herr Apel, ich nehme zunächst einmal zur Kenntnis, daß Sie Ihre vorhergehende Zwischenfrage in einer angenehmeren Form interpretiert haben.

(Abg. Dr. Apel: Nein, Sie haben nicht richtig zugehört, Herr Kollege Marx! Das ist Ihr Problem, aber nicht meins! — Heiterkeit bei der SPD.)

— Herr Apel, ich habe mich nicht nur auf diese eine Frage eben bezogen, sondern ich habe darauf hingewiesen, daß das in diesem Hause und draußen von Ihrer Seite immer wieder vorgetragen wird, und ich habe darum gebeten, endlich mit diesem Popanz, mit diesen Pappkameraden, die Sie aufbauen und die der geschichtlichen Wirklichkeit und den politischen Bekenntnissen der CDU/CSU-Fraktion nicht nur nicht gerecht werden, sondern ihnen völlig widersprechen, endlich aufzuhören.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich darf dann, gnädige Frau Focke, noch eine weitere Bemerkung machen.

(Abg. Dr. Apel: Wie ist es mit dem StraußZitat? Sie vergessen das Strauß-Zitat!)

— Herr Strauß wird sich damit auseinandersetzen. Das hat er wiederholt getan; lesen Sie die Protokolle nach! Er hat sich mit diesen von Ihnen verkürzten Behauptungen hier in diesem Hause auseinandergesetzt. Herr Apel, Sie sind ja ein Mann, der offenbar auch hinterher noch die Protokolle des Bundestages liest; tun Sie es auch dort, wo Strauß zu dem, was Sie soeben hier in Frageform vorgebracht haben, sehr eindeutig und sehr klar Stellung genommen hat, und machen Sie es nicht wie der Kollege Rutschke, der sich hier auf sehr apokryphe Quellen, die er nicht einmal genannt hat, bezogen hat für eine Behauptung gegenüber Kiesinger, die die gleiche Qualifikation verdient wie die Ihre gegenüber Strauß.
Frau Focke, Sie haben noch eine andere Bemerkung gemacht, zu der ich mich meinerseits äußern will. Sie haben von der sehr eingehenden Konsultation gesprochen, die zwischen uns und den Staaten des europäischen Westens oder auch den Vereinigten Staaten immer obwalte. Darf ich Sie fragen, ob auch die Feststellungen des Bundeskanzlers in seiner Regierungserklärung, daß es „auf deutschem Boden zwei Staaten" gebe, vorher mit unseren Verbündeten abgesprochen waren? Denn dies ist in der Tat eine der wichtigsten und politisch folgenreichsten Feststellungen, die, seit die linke Regierung, die Herr Apel die sozialliberale Regierung nennt, am Ruder ist, hier getroffen worden sind.
Meine Damen und Herren, der Bundeskanzler hat in seiner heutigen Einlassung in einem seiner ersten Sätze gesagt: Die deutsche Politik leidet, soweit es diese Regierung angeht, nicht an Gleichgewichtsstörungen. Was soll das heißen? Soll das heißen, daß frühere deutsche Regierungen Gleichgewichtsstörungen gezeigt haben, etwa eine zu große Kopflastigkeit in Richtung Westen? Ist das die Fortsetzung jener Behauptung, wir hätten in der Vergangenheit Ostpolitik versäumt

(Zuruf von der SPD)

war das „sehr richtig"? — aha! — und uns zu sehr mit dem Westen eingelassen? Was bedeutet das eigentlich, wenn der gleiche Bundeskanzler immer wieder sagt und wenn das heute wiederholt ausgesprochen worden ist, daß die Ostpolitik dieser Regierung nur verstanden werde und nur Erfolg haben könne, eingebaut in die feste Basis der funktionierenden Westpolitik? Merken Sie nicht, welchen Widerspruch Sie hier permanent produzieren?

(Abg. Dr. Apel: Das ist kein Widerspruch, das ist nur Selbstverständliches!)

Natürlich, Herr Apel, Sie produzieren permanent einen Widerspruch. Das ist auch ein unhistorisches Denken. Sie müssen sich doch bitte noch einmal in



Dr. Marx (Kaiserslautern)

die fünfziger Jahre versetzen und die Frage stellen: Was war eigentlich damals möglich, und was war notwendig?

(Abg. Dr. Apel: Sie haben doch nie ausgelotet, was möglich war!)

Es war möglich und notwendig, daß wir — die Bundesrepublik Deutschland — uns dort eingegliedert haben, wohin wir auf Grund unserer Geschichte, auf Grund unserer Kultur und auf Grund unseres politischen Willens gehören. Und nur diese Eingliederung gibt tatsächlich die Basis her, um das zu machen, was man eine funktionierende und erfolgreiche Ostpolitik nennen könnte.
Meine Damen und Herren, ich möchte gern noch eine weitere Bemerkung machen. Herr Blumenfeld hat das Thema vorhin angesprochen, und es ist darauf auch in einer Zwischenfrage von Ihnen, Herr Apel, geantwortet worden, ob wir nicht die Unterschiede sähen zwischen den Aussagen der sowjetischen Regierung und der Bundesregierung. — Natürlich sehen wir die. Natürlich sind sie offenbar. Aber ich glaube: was wir nachholen müssen und was viel zuwenig getan wird, was, wenn es getan wird, zu oberflächlich ist, ist, daß wir sehr eingehend Kenntnis nehmen von dem, was die Sowjets sagen — denn sie haben die Eigenart, wirklich das zu meinen, was sie sagen —, und dem, was sich seit Monaten in einer ständig steigende Dynamik innerhalb der gesamten Parteiliteratur des europäischen Ostens entwickelt. Dazu möchte ich gern einen Beitrag liefern, auch deshalb, meine Damen und Herren, weil ich glaube, daß es hier in der Bundesrepublik eine große Reihe von Institutionen wissenschaftlicher Art gibt, die sich mit Ostfragen beschäftigen, daß wir jeden Tag, wenn wir wollen, zu allen Problemen hervorragende, wissenschaftlich gesicherte Ausarbeitungen erhalten können. Mir aber scheint, daß ein Problem unserer Politik darin besteht, das wissenschaftlich Erkannte in die politische Situation zu überführen. Deshalb möchte ich gern einige Bemerkungen machen, und zwar zitiere ich dabei die sowjetische Zeitschrift die Sie sicher kennen „Weltwirtschaft und internationale Beziehungen" vom Oktober 1969.
In dieser Zeitschrift wird unter dem Thema der Sowjetischen Europapolitik über die „minimale Variante" gesagt, Voraussetzung sei erstens, daß die Bundesrepublik Deutschland die Unantastbarkeit aller Grenzen erkläre. Im Hinblick auf den Text des Moskauer Vertrages können wir diese sowjetische Forderung sozusagen als erfüllt abhaken.
Es wird zweitens gesagt, daß die Oder-Neiße-Linie als Westgrenze Polens definiert werden müsse. Wir können auch diese sowjetische Forderung abhaken.
Es wird drittens gesagt, die Grenzlinie zwischen den beiden deutschen Staaten müsse endgültig anerkannt werden. Auch dies kann abgehakt werden.
Viertens wird gesagt, daß diese beiden deutschen Staaten sich gegenseitig anerkennen müßten, d. h. die volle völkerrechtliche Anerkennung der DDR.
Dies ist noch nicht ganz soweit. Aber es gibt hier den Verbalismus, und es gibt politische Tat.

(Abg. Dr. Jahn [Braunschweig] : Da ist man dabei!)

Die Bundesregierung hat leider gezeigt, daß sie sehr viele verbale Versicherungen vorträgt, in Wirklichkeit aber darunter eine davon abweichende Politik macht.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607715800
Gestatten Sie, Herr Abgeordneter Dr. Marx, eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Apel?

Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0607715900
Herr Apel, bitte sehr!

Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID0607716000
Herr Marx, halten Sie es eigentlich für Ihrer Aufgabe als deutscher Parlamentarier gemäß, in diesem Hause die Position von einem Journal der Sowjetunion zu übernehmen, sie abzuhaken und als erfüllt darzustellen? Wäre es nicht Ihrer Aufgabe als deutscher Parlamentarier gemäß, die Position der Bundesregierung zu diesen Fragen zur Kenntnis zu nehmen und auch zur Kenntnis zu nehmen, daß sich weder der Westen noch der Osten in fundamentalen Fragen aus ihren Positionen durch den deutsch-sowjetischen Vertrag oder durch andere Abkommen heraustreiben lassen? Tun Sie nicht hier etwas, was sehr gefährlich und unserer Ostpolitik abträglich ist?

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0607716100
Herr Kollege Apel, ich verstehe Ihre Frage als eine Reflexion auf das Gefühl, das Sie offenbar haben müssen, wenn ich Sie hier mit etwas konfrontiere, was wir viel mehr lesen und zur Kenntnis nehmen sollten. Denn ich weigere mich, so zu tun, als ob das, was in den sowjetischen Zeitschriften steht und was sowjetische Partei- und Regierungsführer sagen, eine Quantité négligeable sei. Auch Sie, verehrter Herr Apel, sollten besser dort hinhören, um zu erfahren, was eigentlich die Absichten und die Methoden dieser sowjetischen Politik sind.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607716200
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Dr. Focke?

Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0607716300
Dann werde ich wahrscheinlich doch die 25 Minuten brauchen, Herr Präsident.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607716400
Das werden wir zulegen. Bitte schön, Frau Dr. Focke!

Dr. Katharina Focke (SPD):
Rede ID: ID0607716500
Herr Dr. Marx, ich hätte so gerne von Ihnen gehört, was Sie für ausschlaggebend für die politische Entwicklung in Westeuropa halten: das; was Sie für die Absicht der Sowjetunion halten oder als deren Absicht interpretieren, oder unsere Absicht.




Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0607716600
Gnädige Frau, um die Frage konkret zu beantworten: das wird sich nicht hier in einem Rededuell zwischen uns endgültig vereinbaren lassen. Aber das wird sich in den nächsten Monaten und Jahren zeigen, und damit wir dort gerüstet sind — —

(Abg. Dr. Apel: Sie haken doch schon ab! Sie haben doch alles abgeschrieben!)

— Herr Apel, stören Sie doch nicht in einem fort. Sie haben offenbar hier die Rolle des „Störers vom Dienst". Herr Wehner, er übernimmt allmählich Ihre Funktion.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Gnädige Frau, es wird sich in den nächsten Monaten und Jahren herausstellen, wer in welcher Weise welche Position in Europa durchsetzt. Ich befürchte, daß wir nicht genau zur Kenntnis nehmen, welche Positionen die Sowjetunion aufbaut, welchen Weg sie dabei einschlägt und daß sie, wenn die Politik im Westen so weitergeht, mehr und mehr auch die Macht dazu gewinnt, diese ihre Ziele und Planungen durchzusetzen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich bitte herzlich darum, dieses Faktum nicht aus der Diskussion zu lassen. Wir müssen uns damit beschäftigen.
Ich habe übrigens gesagt, Herr Apel: der Unterschied zwischen der einen und der anderen Variante. Ich habe nicht gesagt, daß das Ihre Politik ist. Ich habe abgehakt, weil das, was hier an Forderungen numerisch aufgestellt ist — niemand wird das abstreiten können, der den Text des deutschsowjetischen Vertrages kennt —, Stück um Stück tatsächlich von der Regierung unserer Bundesrepublik Deutschland sozusagen abgehakt worden ist.

(Abg. Dr. Apel: Wiederum eine sehr böswillige Unterstellung, die auch nur von Ihnen kommen kann, Herr Marx!)

Meine Damen und Herren, in dieser Zeitschrift „Weltwirtschaft und internationale Beziehungen" steht fünftens die Forderung, daß die Bundesrepublik den Alleinvertretungsanspruch aufgibt. Ich kann es nicht anders als sagen: auch dies ist geschehen. Die Forderung stammt vom Oktober 1969, nicht von gestern nachmittag.
Die genannte Zeitschrift sagt: Dies ist eine minimale Variante. Was ist die maximale, und was ist der Weg zur maximalen? Da wird man sagen müssen, daß sich mehr und mehr herausbildet — —

(Unruhe bei der SPD.)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607716700
Herr Kollege Marx, die Zeit läuft weg, wenn Sie länger zuhören.

Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0607716800
Herr Präsident, die Zeit läuft vor allem dann weg, wenn ich Gelegenheit habe, Äußerungen des Kollegen Wehner zu hören, von denen ich nicht weiß, ob sie die
Stenographen mitbekommen haben, weil das dann Konsequenzen haben müßte.

(Abg. Dr. Luda: Das war die Taktik! —Zuruf des Abg. Dr. Jahn [Braunschweig].)

Meine Damen und Herren, die Sowjetunion entwickelt mehr und mehr und immer deutlicher gegen das, was sie das „Kleineuropa" nennt, was sie jenes Europa nennt, das die „amerikanischen Monopole" mehr und mehr in den Griff bekommen hätten, ihre sogenannte großeuropäische oder gesamteuropäische Variante. Sie möchte gern ein Europa — und sie macht das immer deutlich — entblößt von den Vereinigten Staaten, ein Europa seiner freiwilligen und freiheitlichen Zusammenschlüsse beraubt, ein Europa, das mehr und mehr in den Sog der sowjetischen Machtpolitik gerät.
Meine Damen und Herren, nach der Konsolidierung, die die sowjetische Macht etwa auf den letzten Konferenzen der Partei- und Regierungschefs oder auch durch den militärischen Eingriff und die danach folgenden tiefgreifenden und bedrückenden Veränderungen in der Tschechoslowakei erreicht hat — das ist offensichtlich —, greift sie jetzt über ihren eigenen gesicherten, von ihr geführten, in allem kontrollierten Machtbereich hinaus und versucht, neben denjenigen, die sie sich direkt zu tributärer Leistung unterworfen hat, ein neues Geflecht von indirekten tributären Verhältnissen westlich ihres eigentlichen Machtbereichs zu erreichen.
Meine Damen und Herren, man sagt, daß es die Aufgabe der Westpolitik sei, Vertrauen auch gegenüber dem Osten zu schaffen. Man sagt, eine der Notwendigkeiten sei, eine Brücke zu schlagen. Nur so kann ich den Ausdruck des Kanzlers von den Gleichgewichtsstörungen, die nicht vorhanden seien, verstehen. Aber ich bitte doch, dabei zur Kenntnis zu nehmen, daß das Verhältnis der Sowjetunion gegenüber dem Westen durch ein tiefes Mißtrauen gegenüber all diesen Überlegungen gekennzeichnet ist, weil sie überall die Gefahr einer gewissen Diversion wittert. Ich muß hier einen Mann zitieren, den sicher viele dem Namen nach kennen, den früheren Chefredakteur der Prawda, Herrn Rumanzer, der alle diese Versuche als eine „leise Form der Konterrevolution" bezeichnet.
Meine Damen und Herren, die Sowjetunion sagt uns, daß auf dem Gebiet der geistigen Auseinandersetzung eine Übereinstimmung keinesfalls möglich und auch nicht erwünscht sei, sondern daß es im Gegenteil darum gehe, gerade auf diesem Sektor den Sieg zu erringen.
In der Parteizeitung der KPdSU, der „Prawda" — lassen Sie mich das noch hinzufügen —, stand im Juni, und zwar anläßlich des ersten Jahrestags der Moskauer Konferenz der Kommunistischen Parteien, ein offizieller Grundsatzartikel, in dem die Sowjetunion die Elemente ihrer neuen Westpolitik darlegte. Sie sagt dabei erstens, daß die Westpolitik als Mittel auf die Veränderung der bestehenden Verhältnisse in Europa hinwirken müsse. Das betrifft das Instrumentarium, das sie sich jetzt schafft. Sie erklärt, bei einer Analyse der Situation in Europa komme man zu dem Schluß, daß jetzt die Zeit für



Dr. Marx (Kaiserslautern)

eine solche Entwicklung reif sei. Sie sagt drittens, die Zeit sei auch deshalb reif, weil der Verbündete Westeuropas, nämlich die Vereinigten Staaten, mehr und mehr geschwächt worden sei. Sie fordert wörtlich, „im Kampf gegen den Imperialismus jetzt offensiv neue Positionen zu erobern". Sie fügt hinzu, daß sich die Lage in Europa mehr und mehr verändere. Es wird dort auch davon gesprochen, daß das „Anwachsen realistisch denkender und progressiver Kräfte in Westdeutschland" Hoffnungen für die Durchsetzung einer solchen Politik wecke.
Meine Damen und Herren, wenn wir nach den Motiven dieser Politik fragen, kann man das noch ausdehnen und sagen: Natürlich versucht man, eine Absicherung des erzwungenen Herrschaftsbereichs in Osteuropa mit der Zustimmung des Westens zu erhalten. Natürlich versucht man, die Handelsbarrieren der EWG, die drüben durchaus empfunden werden, mehr und mehr aufzulockern. Natürlich versucht man, einen Ausgleich der Nachteile zu erreichen, die der Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (COMECON) angesichts der wachsenden Kapazität der EWG findet. Natürlich gibt es auch weltpolitische Erwägungen — Stichwort: China —, die dabei eine Rolle spielen.
Der Bundeskanzler hat heute gesagt, als er in Moskau war, habe er den Eindruck gewonnen, daß sich die Sowjetunion mit der Realität des westlichen Europa abfinde und auch mit der Realität, daß diese EWG sich ausdehnen könne durch das Hinzukommen weiterer Mitglieder. Ich weiß nicht, ob dieser Eindruck richtig ist. Ich verweise aber darauf, daß z. B. Beobachter, die die jugoslawische Szenerie sich ansehen, den Eindruck gewinnen, daß man dort die sowjetische Politik und ihre Absichten in einem anderen Zusammenhang sieht, nämlich daß man darauf hinweise, wie unangenehm der sowjetischen Seite ein unabhängiges europäisches Entscheidungszentrum ist und daß man auch sieht, wie sehr man bemüht ist, gewisse nationale Entwicklungen, Rückfälle in nationalistisches Denken im westlichen Europa, auszunutzen, um den Versuch zu machen, gemäß der ideologischen Verformung, daß es keine Versöhnung innerhalb imperialistischer und kapitalistischer Staaten gebe, die Entwicklungsbewegung auf ein einheitliches Europa umzudrehen und nationale Begehrlichkeiten überall dort, wo sie auftreten, neu zu erwecken und zu aktivieren.
Es ist heute schon einmal der Name des Herrn Juri Shukow genannt worden, der ja hier, wie Sie im „Europa-Archiv" nachlesen können, in der Redoute in Godesberg eine Rede gehalten hat, in der er sich mit dieser sowjetischen Konzeption eines künftigen Europa beschäftigt hat. Ich muß Sie daran erinnern, daß er dort z. B. die Formel erfindet von dem einen Drittel Europas im Westen und von den zwei Dritteln im Osten, daß er dabei den Satz gebraucht, daß das westliche Drittel sich von den zwei östlichen Dritteln im Laufe der Zeit entfernt und getrennt habe, und daß er eine andere Formulierung gebraucht, die ich mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten zitieren darf. Er sagt: „Bereits ein Vierteljahrhundert versuchen die sogenannten Kleineuropäer einen politischen, finanziellen und wirtschaftlichen Block der kapitalistischen europäischen Staaten zusammenzuschustern, der dem sozialistischen Europa gegenüberstünde". Es gibt einen weiteren Satz des gleichen Mannes aus der Prawda vom 12. September, in dem er sagt: Wenn im Westen Europas tatsächlich das Bestreben vorhanden ist — wörtlich —, „der amerikanischen Herausforderung eine Antwort zu erteilen, so führt dazu ein einziger Weg; dieser Weg heißt gesamteuropäische Zusammenarbeit". Er hat auch an vielen anderen Stellen
— und dieser Gedanke entwickelt sich immer mehr
— von der amerikanischen Herausforderung gesprochen, und er hat uns die sowjetische Hilfe angeboten bei dem Versuch, dies, was er als eine unerträgliche Herausforderung ansieht, aus Europa hinauszudränken und an die Stelle dessen, was man als eine Barriere auf dem Wege zu Gesamteuropa sieht, nämlich an die Stelle der EWG das zu setzen, was er Gesamteuropa oder das große Europa nennt.
Ich komme zum Schluß — ich bedaure, daß Herr Apel jetzt nicht mehr da ist; vielleicht, Herr Kollege Wehner, erlauben Sie, daß ich es in Ihrer Richtung sage — —

(Abg. Dr. Apel: Ich bin noch hier! Wenn sie reden! Ich bitte Sie!)

— Das ist sehr nett von Ihnen, Herr Apel; ich weiß, daß Sie verschiedene Gesichter haben und sehr freundlich und auch sehr hämisch sein können; ich nehme das freundliche entgegen. Herr Kollege Apel, Sie haben vorhin versucht, zu minimalisieren in bezug auf einen Satz aus dem Kommuniqué über die Sitzung des Vorstandes der SPD vom 14. September, und Sie haben behauptet, daß dies im Zusammenhang mit dem Referat Ihres Parteivorsitzenden nur die Ostpolitik betreffe. Ich muß nun daraus zitieren. Sie sagen nämlich dort:
Der Parteivorstand nahm diesen Bericht einstimmig zustimmend zur Kenntnis.
Und Sie sagen beim Punkt 7 auf der Seite 3 oben:
Der Charakter der Grenzen in Deutschland — wie in Europa überhaupt —
— es heißt nicht: in Osteuropa, sondern: — wie in Europa überhaupt —
kann sich nur durch Verhandlungen und Vereinbarungen wandeln. Die Mitwirkung der Sowjetunion hieran ist unerläßlich.

(Abg. Dr. Jahn [Braunschweig] : Da wissen wir ja, woran wir sind!)

Sie wissen, daß Herr Kollege Heck sich dazu geäußert hat und daß dann der Sprecher des SPD-Vorstandes, Herr Schulz, noch einmal diesen Satz bekräftigt hat. 'Ich zitiere auch dies. Es ist ganz gut, daß dies dann auch im Protokoll der heutigen Sitzung steht. Er sagt:

(„Der Charakter der Grenzen in Deutschland wie in Europa überhaupt kann sich nur durch Verhandlungen und Vereinbarungen wandeln. Die Mitwirkung der Dr. Marx Sowjetunion hieran ist. unerläßlich.")




(Zuruf von der CDU/CSU: Deutlicher
brauchten es wir nicht zu hören!)

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607716900
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Apel?

Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0607717000
Ja!

Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID0607717100
Herr Kollege, ich gehe davon aus, daß Sie das gesamte Kommuniqué gelesen haben.

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Natürlich!)

Ist Ihnen dabei nicht aufgefallen, daß es einen Punkt 5 gibt, der sich mit der Westpolitik beschäftigt und der eindeutig den Standpunkt der Bundesregierung unterstreicht: Westliche Integration wird fortgesetzt usw. usw.,

(Zuruf von der CDU/CSU: Das kennen wir schon! Immer die gleiche Walze!)

daß der Moskauer Vertrag das nicht berührt, daß es dann einen Punkt 6 gibt, der sich mit der Ostpolitik beschäftigt? Da ist dann in der Tat eine nicht ganz kluge und intelligente Formulierung gefunden worden,

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Aber einstimmig!)

die aber eigentlich nur mißbraucht worden ist.

(Widerspruch bei der CDU/CSU. — Zuruf von der CDU/CSU: Das ist doch deutlich!)

— Natürlich! Mißbraucht worden ist von Ihnen! Und sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß in dem gleichen Kommuniqué vor allem abgehoben wird auf die Rede des Bundeskanzlers in Hamburg am 3. September, und daraus habe ich heute morgen in einer Zwischenfrage bereits Abschnitte zitiert, die eindeutig machen, daß das, was Sie hier tun, zwar nicht Geschichtsklitterung, aber der Versuch ist, an einem unglücklichen Satz eine Politik zu beweisen, die wir nicht führen?

(Abg. Dr. Jahn [Braunschweig] : Zu der Sie nachher auch noch stehen! — Abg. Windelen: Der Satz ist bestätigt worden! — Weitere Zurufe.)


Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0607717200
Herr Kollege Apel, Sie haben jetzt immer wieder Teilsätze Ihrer Frage mit der rhetorischen Formel eingeleitet, ob ich nicht bereit sei, zur Kenntnis zu nehmen. Um die Sache nicht noch mehr zu verschärfen, sage ich Ihnen: Ich nehme zur Kenntnis, daß Sie gesagt haben, es sei dort eine unkluge Formulierung enthalten und daß vor diesem Satz zum Beginn dieser Mitteilung steht, daß dies einstimmig so von Ihnen verabschiedet worden sei.

(Abg. Dr. Jahn [Braunschweig] : So ist es korrekt!)

Jeder mag sich dann unter dem Zusammenhang mit der „unklugen Formulierung" und der einstimmigen Verabschiedung seinen eigenen Vers machen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Es geht mir darum, und ich bitte, Ihnen das in allem Ernst noch einmal darlegen zu dürfen, es geht mir darum, darauf aufmerksam zu machen, daß es im gesamten sowjetisch geführten Bereich eine sich entwickelnde, gegen die westeuropäische Einigung mehr und mehr vorgehende Politik gibt, die den Versuch macht, das, was die Frucht all unserer gemeinsamen Bemühungen in den letzten beiden Jahrzehnten ist und was wir hier in diesem Hause heute besprochen haben, was wir weiter entwickeln wollen, auch zur politischen Union weiter entwikkeln wollen, von der sowjetischen Politik zerstört werden soll und daß sie versucht, es durch eine gesamteuropäische Lösung ihrer Provenienz, ohne die Vereinigten Staaten, über der der schwere, lastende und dunkle Schatten der sowjetischen Machtpolitik liegen würde, zu ersetzen. Dies ist das Problem, und meine Bitte ist, dies zur Kenntnis zu nehmen. Wir müssen es tun. Wir nehmen auch das, was die Sowjetunion sonst sagt auf anderen Feldern unserer Außenpolitik, zur Kenntnis. Ich bitte Sie darum, dies auch bei unserer Überlegung, dem Westen gegenüber, zur Kenntnis zu nehmen.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607717300
Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0607717400
Zum Schluß, würde ich sagen, Herr Kollege Arndt! — Bitte sehr!

Prof. Dr. Claus Arndt (SPD):
Rede ID: ID0607717500
Herr Kollege Marx, sind Sie bereit zur Kenntnis zu nehmen, daß Herr Juri Schukow bei einer Diskussion im Hause Rissen in Hamburg, bei der ich die gleiche Frage, die Sie rhetorisch hier gestellt haben, an ihn richtete, mir erklärt hat, wenn die Länder Westeuropas den Zusammenschluß wünschten und diesen Zusammenschluß auch mit Amerika verbinden wollten, dann sei die Sowjetunion, da sie das Selbstbestimmungsrecht der Völker achte, selbstverständlich bereit,

(Lachen bei der CDU/CSU) dieses hinzunehmen und ihre Botschaft


(Zuruf von der CDU/CSU: Die soll erst einmal unser Selbstbestimmungsrecht achten!)

von Bonn nach Brüssel zu verlegen. Sie respektiere die Entscheidung, die wir hier fällen.

Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0607717600
Herr Präsident, ich muß in zwei Variationen auf die Frage antworten. Herr Kollege Arndt, Sie haben etwas mitgeteilt, was ich nicht kannte. Deshalb muß ich Ihnen sagen: Ich nehme allerdings auch zur Kenntnis, was zum Beispiel von seiten des Herrn Popow, des Ersten Sekretärs der Sowjetischen Botschaft hier, zum gleichen Thema gesagt worden ist. Studenten fragten ihn: Was ist mit dem Selbstbestim-



Dr. Marx (Kaiserslautern)

mungsrecht? Er antwortete sinngemäß — ich habe es
nicht hier, sonst könnte ich es direkt zitieren — —

(Abg. Wehner: Wie schade!)

— Wie schade, Herr Wehner, in der Tat, denn man sollte ein solches Zitat wirklich als Zitat einführen können.

(Abg. Wehner: Eine verpaßte Gelegenheit, ein Zitat zu bringen!)

— Herr Wehner, ich weiß nicht, welche Lehrbücher Sie früher immer bei sich trugen.

(Zurufe von der SPD. — Gegenruf des Abg. Windelen: Lesen Sie doch mal Ihre Zitate!)

Ich kann nur sagen, Herr Wehner, daß Sie offenbar vieles von dem, was dort niedergelegt ist, bis zum heutigen Tag sehr gut in Ihrem Gedächtnis aufbewahrt haben.

(Abg. Wehner: Herr Meister, das haben Sie gut angebracht!)

— Danke sehr für das Kompliment, Herr Wehner. Herr Kollege, Sie könnten sich dazu auch auslassen.

(Abg. Wehner: Ich denke nicht daran, den Vorhang zu lüften! Wer weiß, mit wem ich es dann zu tun bekäme!)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607717700
Darf ich bitten, daß wir jetzt zu einem Abschluß kommen. Herr Kollege Marx, Sie haben noch das Wort.

Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0607717800
Danke schön, Herr Präsident. Ich muß nur zu Ihnen, Herr Wehner, die eine Bemerkung machen: Ich bin gern bereit, mich mit Ihnen vor jedem Publikum darüber zu äußern, wer bei wem welchen Vorhang öffnet und was sich hinter diesem Vorhang befindet.

(Sehr gut! in der Mitte.)

Ich bin dazu bereit. Ich habe kein Publikum irgendwo in Deutschland, wo ich auch nur das geringste zu verbergen hätte. Ich lade Sie ein, daß wir diese Diskussion miteinander führen.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Wehner: Was haben Sie noch für einen Auftrag?)

Meine Damen und Herren, wenn einer so angesprochen wird, muß man natürlich auch damit rechnen, daß geantwortet wird.
Nun, Herr Arndt, zu dem, was Sie sagten. Ich wollte darauf hinweisen, daß von seiten des Herrn Popow den ihn fragenden Studenten gesagt worden ist, daß sie nicht vom Selbstbestimmungsrecht aus argumentieren dürften, sondern sie müßten vom Klassenbewußtsein her diese Frage angehen. Das war die erste Antwort.
.Nun das zweite. Sie haben zitiert, Herr Arndt, wie sich Herr Schukow auf eine Frage Ihnen gegenüber geäußert hat. Jetzt zitiere ich eine Antwort von ihm, mir und einem anderen Kollegen aus diesem Hause gegenüber, auf die Frage, wie es denn mit der innerdeutschen Demarkationslinie sei, die im deutsch-sowjetischen Vertrag als eine feste, endgültige Grenze, „jetzt und künftig", so heißt es,
niedergelegt sei. Er sagte: Wissen Sie, wir hoffen, daß sich Herr Bachmann — er meinte den Vorsitzenden der DKP — hier durchsetzt, daß die proletarische Revolution in der Bundesrepublik gewinnt. Dann wird ein neuer Bundestag gewählt. Der neue Bundestag wird den Anschluß der Bundesrepublik Deutschland an die Deutsche Demokratische Republik beschließen. Dann können Sie die Grenzen zwischen diesen beiden Staaten natürlich aufheben. Auch dieses Zitat sollte man der Vollständigkeit halber

(Abg. Wehner: Dann wird der Mond besetzt!)

und weil man — ich sage es noch einmal — —

(Abg. Wehner: Quatsch ist das!)

— Ich habe nicht gesagt: ich glaube es, sondern ich habe zitiert.

(Abg. Wehner: Quatsch ist das! Uns so etwas zu später Stunde hier noch zu servieren!)

— Verehrter Herr Wehner, es wird Herrn Schukow sicher sehr amüsieren,

(Abg. Wehner: Es ist doch Ihre Sache, wie Sie das verkaufen!)

auf dem Umweg über das Protokoll des Deutschen Bundestages von Ihnen die Zensur zu erhalten, daß dies ein Quatsch sei.

(Abg. Wehner: Der kriegt ein Extra-Exemplar von mir!)

Ich habe die Antwort auf die Frage, die Herr Kollege Arndt in einer außerordentlich sachlichen und angenehmen Weise gestellt hat, an den Schluß meiner Ausführungen hier gesetzt. Herr Arndt, ich hoffe, daß ich mit dem, was ich Ihnen zusätzlich sagte, das, was Sie an mich als Frage heranbrachten, beantwortet habe. Es gibt andere Dinge, Herr Wehner; die sollte man dann, wenn Sie wollen, vor versammeltem Hause und zu anderer Stunde, dann aber nicht nur in Zwischenrufen, sondern in aller Offenheit, hier klarmachen.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Wehner: Was haben Sie vor? Hören Sie mal!)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607717900
Meine Damen und Herren, bevor ich das Wort dem Herrn Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesaußenminister, Herrn Moersch, erteile, möchte ich zur Geschäftslage folgendes sagen.
Es handelt sich um die letzte Wortmeldung in der Debatte. Dann folgt die Begründung des Entschließungsantrags Umdruck 85 *) durch den Kollegen Lautenschlager. Darf ich einmal fragen, ob noch weitere Wortmeldungen vorliegen? — Wir würden dann über den ganzen Komplex abstimmen. Ich müßte inzwischen zur Fragestunde läuten lassen, die dann — von jetzt an in etwa 15 Minuten — beginnen würde. Könnten wir so verbleiben? — Es liegt noch eine weitere Wortmeldung vor, und zwar von meinem Nachbarn zur Rechten, Herrn Josten, der fünf Minuten sprechen wird.
*) Siehe Anlage 3
Deutscher Bundestag 6. Wahlperiode — 77. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. November 1970 4311
Präsident von Hassel
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, Sie haben das Wort.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0607718000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde es doch recht bezeichnend, daß der letzte Sprecher, der Sprecher der Opposition, zur europäischen Problematik, zu dem, was wir heute hier behandeln, zur Westeuropapolitik, eigentlich nur wenig beizutragen hatte,

(Abg. Rösing: Er hat die Dinge in den politischen Zusammenhang gebracht!)

sondern auf ein Feld ausgewichen ist, von dem ich sagen muß, Herr Dr. Marx, daß man aus falschen Analysen keine passenden Prognosen für die Zukunft ziehen kann.

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Ich habe keine Prognose gestellt, sondern darauf aufmerksam gemacht, daß man die Dinge im Zusammenhang sehen muß! Herr Moersch, Sie haben sich auch zur Ostpolitik geäußert!)

— Herr Dr. Marx, ich habe das mit großer Aufmerksamkeit gehört, was Sie gesagt haben. Ich will auf den letzten Teil, der in manchem doch etwas märchenhaft war, nicht eingehen.

(Abg. Dr. Apel: Beleidigen Sie den Herrn Grimm doch nicht!)

Ich will nur auf einen Punkt eingehen, der in der
Tat zentral ist, der nämlich die Ost- und Westpolitik betrifft. Dabei habe ich wirklich den Eindruck, daß es fast unmöglich ist, einigen Mitgliedern der Opposition den Standpunkt der Bundesregierung deutlich zu machen, den sie so oft in schriftlicher Form und in Reden dargelegt hat, der aber eben nicht in das Weltbild paßt, das Sie sich offensichtlich zurechtgelegt haben.

(Abg. Dr. Apel: Das ist genau richtig!)

Denn daß die Ostpolitik die Westpolitik gefördert hat und daß zwischen Westpolitik und Ostpolitik eine Interdependenz besteht, das haben wir nicht nur begründet und gesagt, sondern das haben wir in einer Weise dargelegt, die Sie eigentlich, wenn Sie aufmerksam zugehört haben, nicht in Zweifel ziehen können. Ich will aber nicht die ganze Debatte wiederholen.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607718100
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Lenz?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0607718200
Wenn es sein muß, ja.

Dr. Carl Otto Lenz (CDU):
Rede ID: ID0607718300
Herr Kollege Moersch, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß Herr Kollege Marx eben genau dasselbe getan hat, aus sowjetischer Sicht zu tun versucht hat, was Sie eben mit Recht hier angeführt haben, nämlich die Interdependenz zwischen Ost- und Westpolitik darzulegen?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0607718400
Herr Dr. Lenz, ich finde, das ist eine feine Umschreibung, die Sie eben gegeben haben. Ich erinnere mich, daß zwei Ihrer Fraktionskollegen andere Fraktionskollegen von Ihnen gewarnt haben, die Interpretation der anderen Seite für sich in Anspruch zu nehmen und den Vertrag beispielsweise gegen die deutschen Interessen zu interpretieren. Ich möchte das hier nur ausdrücklich hinzufügen. Es waren Herr Dr. Schröder und Herr Majonica.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607718500
Gestatten Sie eine zweite Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Lenz?

Dr. Carl Otto Lenz (CDU):
Rede ID: ID0607718600
Herr Moersch, ist es Ihnen entgangen, wirklich entgangen, daß der Kollege Dr. Marx nicht die Interpretation der Sowjetunion für sich in Anspruch genommen, sondern sie hier bekanntgegeben hat? Und ist es Ihnen nicht

(Lachen bei der SPD)

doch klar, daß zwischen diesen beiden Dingen ein kleiner Unterschied besteht.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0607718700
Herr Dr. Lenz, jetzt habe ich wirklich die Befürchtung, Sie könnten glauben, was Sie sagen.

(Lachen bei der SPD.)

Nein, das war eben anders. Ich will hier noch einmal darlegen, wie es war.

(Abg. Dr. Lenz [Bergstraße] meldet sich zu einer weiteren Zwischenfrage.)

— Wir wollen jetzt keine weiteren Zwischenfragen, Herr Präsident, sonst schaffe ich das mit der Zeit nicht.

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Herr Moersch, besitzen Sie doch das notwendige Maß an Fairneß, das Sie haben müssen als Parlamentarischer Staatssekretär! — Abg. Dr. Luda: Begabter Polemiker!)

— Ich verstehe nicht, daß Sie mit einer solchen Empfindlichkeit reagieren, Herr Dr. Marx, wo ich doch lediglich in sehr vorsichtiger Form auf das eingehe, was Sie gesagt haben. Darüber könnte man nun wirklich einiges sagen. Aber ich meine, ich möchte dafür diese Stunde nicht in Anspruch nehmen. Ich will hier nur zur Sache einiges bemerken. Das kann man ja wohl nicht im Raume stehenlassen, was Sie heute versucht haben aus dieser Europadebatte zu machen.

(Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

Ich meine, da hört die Sanftmut bei mir auf; das muß ich allerdings bekennen.

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Wer hat denn die ganze ostpolitische Variation hier hineingebracht? Doch Sie mit Ihrem Vortrag! — Gegenruf des Abg. Wehner: Sie haben das hier hineingebracht!)




Parlamentarischer Staatssekretär Moersch
— Entschuldigen Sie bitte, warum haben Sie sich denn damit nicht auseinandergesetzt? Das frage ich Sie doch. Wir haben diese Auseinandersetzung in Straßburg gehabt, im Europarat, mit Ihren Kollegen. Da hat sich sehr vieles aufgeklärt. Das war eine sachliche, gute Atmosphäre. Ich will hier gar nicht, daß Sie meinen Standpunkt voll annehmen und respektieren. Aber ich will nur, daß Sie bestimmte Tatsachen zur Kenntnis nehmen. Und diese Tatsachen nehmen Sie eben nicht zur Kenntnis, weil Sie dann Ihr Gedankengebäude einstürzen lassen müßten. Das ist doch das Problem.

(Beifall bei der SPD.)

Ich will lediglich auf eine These eingehen — deswegen habe ich mich zu Wort gemeldet —, die meiner Ansicht nach die zentrale Frage ist. Sie haben hier implicite gesagt — ich bitte Sie, mich zu widerlegen, wenn ich hier etwas Falsches schließe; ich habe es zum Teil notiert, aber das Protokoll mag es im einzelnen ausweisen, und sind im Grunde von der These ausgegangen, daß erst die Westpolitik vollendet sein müsse und daß man dann zur Ostpolitik kommen könne.

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Ich habe gesagt, daß die Kooperation in dem von uns gewünschten Sinne erst dann möglich ist, wenn die Integration vorhanden ist!)

— Na gut, und was ist das anderes?

(Zuruf von der CDU/CSU: Seien Sie doch nicht so platt!)

— Also, Herr Dr. Marx, wir haben uns verstanden. Ich wollte mich nur vergewissern — Ihr Zwischenruf bestätigt mir, daß ich es nicht falsch aufgefaßt habe —, damit Sie mir keinen Vorwurf daraus machen können. Sehen Sie, genau das ist der Punkt, auf den es ankommt. Ich habe hier vorhin sehr genau einen Zwischenruf aus Ihren Reihen gehört, allerdings nicht von Ihnen, sondern von einem neueren Kollegen, der die früheren Debatten dieses Hauses möglicherweise nicht so genau kennt. In diesem Zwischenruf ist mir entgegengehalten worden — ich bin nicht darauf eingegangen —, daß es falsch sei, wenn ich sage, daß die westeuropäische Integrationspolitik eben durch das, was wir ostpolitisch getan haben, wieder in Gang gekommen sei. Auf der anderen Seite ist von Ihnen — von Baron Guttenberg in Zwischenfragen — auch sehr deutlich gesagt worden, der alleinige auslösende Faktor für das Vorwärtskommen in der Europapolitik sei die Änderung in der Politik der französischen Regierung gewesen.

(Abg. Dr. Rösing: Das ist der entscheidende Punkt!)

Das ist hier gesagt worden. Dazu sage ich Ihnen, das ist aufgelegter Unsinn, das stimmt doch nicht, diese These ist doch gar nicht zu halten. Ich wollte mich damit eigentlich nicht beschäftigen, aber ich muß Ihnen das jetzt doch sagen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Es ist aber völlig anders verlaufen. In Wirklichkeit hat hier zweifellos ein Faktor mitgewirkt, den ich Ihnen nennen will. Die entscheidende Voraussetzung für ein Gelingen der Westeuropa-Integrationspolitik in unserem Sinn besteht darin, daß die Bundesrepublik Deutschland nun ihren Standpunkt klarmacht, was ihre Politik in der Ost-West-Frage überhaupt ist, und daß sie künftig nicht mehr mit zwei Zungen zu reden braucht. Das ist meiner Ansicht nach die Voraussetzung.
Weil diese Bundesregierung das geklärt hat, weil sie geklärt hat, daß sie wirklich Westpolitik will, daß sie nicht eines Tages zwischen Ost und West stehen will und daß sie auf der Basis der westeuropäischen Zusammenarbeit und Integration Ostpolitik machen will, und weil sie deshalb diesen Vertrag gemacht hat, ist alles andere wieder in Gang gekommen. Das war die Voraussetzung, um das noch einmal deutlich zu machen. Das kann man nicht nur sagen, das muß man in der Praxis auch tun. Es ist doch unmöglich, zu behaupten, daß da kein Zusammenhang bestehe. Es ist doch unmöglich, zu sagen
— wie es Herr Blumenfeld getan hat —, daß zur
Zeit etwas geschehe, was im Westen größte Befürchtungen auslöse. Nein, im Gegenteil, die westlichen Regierungen stimmen dieser Politik zu. Sie hätten sie viel früher von der Bundesrepublik erwartet. Sie sind lange Zeit geradezu untätig gewesen, weil die Bundesrepublik Deutschland ihren Standort in der Ost-West-Frage nicht klar genug gemacht hat.
Ich will Ihnen ein Zitat vorlesen, das Sie vielleicht überzeugen kann. In diesem Zitat heißt es:
Auch ohne de Gaulle wäre ein westeuropäischer Bundesstaat niemals entstanden, solange die Bundesrepublik im Verhältnis zu Mittel- und Osteuropa völlig andere Interessen verfocht als die übrigen EWG-Partner, wenn sie im Gegensatz zu diesen mit der Forderung nach Wiedervereinigung den territorialen Status quo grundsätzlich in Frage stellte.
Ich frage mich, ob Sie diesem Zitat zustimmen oder nicht. Das ist doch das Problem.

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Wo haben Sie das Zitat her?)

— Das Zitat habe ich von einem Parteifreund von Ihnen, von Professor Besson. Es steht auf Seite 449 in dem Buch „Außenpolitik", das ich für sehr lesenswert halte.

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Was meinen Sie, wenn wir anfangen, die FDP zu zitieren, was da alles herauskommt!)

— Sie können doch nicht ein Zitat deshalb ablehnen, weil da auch andere Zitate drinstehen. Sie müssen sagen, ob Sie glauben, daß Herr Besson irrt oder nicht. Ich sage Ihnen, er irrt leider nicht.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Und ich sage Ihnen, daß in diesem Punkt viele in diesem Hause — einschließlich der FDP und einschließlich der Sozialdemokraten — viele Jahre geirrt haben, daß es aber an der Zeit ist, diesen Irrtum aufzugeben. Ich möchte Ihnen hier einfach zurufen: Die vom Irrtum zur Wahrheit reisen, das sind die Weisen; die im Irrtum verharren, das sind die Narren!

(Beifall bei den Regierungsparteien.)





Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607718800
Das Wort hat Herr Abgeordneter Josten.

Johann Peter Josten (CDU):
Rede ID: ID0607718900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich kurz auf einen wichtigen Punkt hinweisen. Der Herr Bundeskanzler hat heute morgen einen Hinweis auf die Verantwortung Europas gegenüber der Dritten Welt gegeben. Ich glaube, wir alle stimmen ihm in diesem Punkt zu, und wir wissen, daß besonders die Jugend draußen auf diesem Gebiet anzusprechen ist.
Unsere Verantwortung, unsere Hilfe der Bundesrepublik fand ihren Niederschlag in der Vorlage des Bundeshaushalts für wirtschaftliche Zusammenarbeit für 1971. Diese Regierungsvorlage mit entsprechend erhöhtem Ansatz fand im Fachausschuß dieses Hauses, dem Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit, einstimmige Annahme.

(Zuruf des Abg. Dr. Apel.).

— Passen Sie auf, Herr Kollege Apel, wie ich Sie in dieser Hinsicht noch brauche. — Die einstimmige Annahme ist sicher ein erfreuliches Ergebnis.
Nun eine sehr bedauerliche Tatsache, meine Damen und Herren. Der Haushaltsausschuß hat in dieser Woche 120 Millionen DM von der Kapitalhilfe und leider auch andere Ansätze der Entwicklungshilfe gekürzt.

(Abg. Mertes: Was hat das mit der EuropaDebatte zu tun?)

— Ja, das paßt dazu. Heute morgen wurde auf die Bedeutung hingewiesen. In den Broschüren lesen Sie von den erhöhten Ansätzen — die wir begrüßen — im Rahmen der Entwicklungshilfe. Die Mehrheit im Haushaltsausschuß — wenn es auch eine knappe Mehrheit der Regierungsparteien ist; das wissen Sie, Herr Mertes — hat anders beschlossen. Ich kann Sie daher nur bitten: Damit wir glaubwürdig bleiben, sollten wir quer durch alle Fraktionen dazu beitragen, die Regierungsvorlage wiederherzustellen. Das, meine Damen und Herren, wäre auch ein Beitrag zu unserer Europapolitik.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607719000
Wir sind am Ende der Aussprache zu den allgemeinen Betrachtungen. Das Wort zur Begründung des Umdrucks 85 hat der Herr Abgeordnete Lautenschlager.

Hans Lautenschlager (SPD):
Rede ID: ID0607719100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heutige Verabschiedung der Ratifizierungsgesetze zu den Eigeneinnahmen der Europäischen Gemeinschaften und zum Budgetrecht des Europäischen Parlaments sollte zum Anlaß genommen werden, darauf hinzuweisen, daß das Budgetrecht und daß die Rechte überhaupt einem Parlament gegeben werden, das nicht aus unmittelbaren Wahlen hervorgegangen ist. Mit dem auf Umdruck 85 vorliegenden Resolutionsentwurf soll versucht werden, diesen Zustand zu ändern. Es ist bedauerlich, daß es zu keinem gemeinsamen Entwurf des Bundestages gekommen ist. Damit hätte
dieses Parlament seine Einmütigkeit dokumentieren und die Sache nach außen eindrucksvoll vertreten können. Es hätte damit auch der Bundesregierung für die schwierigen Verhandlungen im Rat die entsprechende Unterstützung gewähren können. Die im Entwurf der Opposition unter Ziffer 2 geforderte nationale Lösung der Direktwahl für den Fall, daß die supranationale Lösung nicht zustande kommt, hätte schon im Jahre 1964 verwirklicht werden können, wenn der damalige sogenannte Mommer-Entwurf nicht mit rechtlichen und europäisch-politischen Bedenken als völlig unmöglich abgetan worden wäre. Wenn die CDU/CSU heute in diesem Punkt anderen Sinnes geworden ist, so kann man das nur begrüßen, daß sie sich nun auch der Argumentation der SPD bedient.
Im Bewußtsein der Bürger dieses Europa ist vielfach ein Zerrbild von dem von uns allen angestrebten Endgebilde entstanden, das es in mühevoller Kleinarbeit zurechtzurücken gilt. Ein Weg dazu ist es, diese Bürger bald in ihre Rechte zur Mitwirkung an der Gestaltung eines integrierten Europas einzusetzen. Wenn man aber an die Fortentwicklung Europas mit dem Motto herangeht, „Wer zahlt, schafft an", und mit diesem Herr-im-Haus-Standpunkt den anderen zeigen will, was eine Harke ist, trägt man bestimmt nicht dazu bei, dieses Zerrbild zu beseitigen,

(Beifall bei der SPD)

ganz zu schweigen von dem Erpressungsmotiv, das nach dem Vorbild eines nicht mehr im Amt befindlichen Staatspräsidenten in dieser Haltung versteckt liegt. Mit Schmollwinkelsitzen oder Auftrumpfen wird dieses Europa nicht zu einem demokratischen Gebilde, äußerstenfalls zu einem politischen Pokerklub.

(Beifall bei der SPD.)

Wenn wir heute mit Genugtuung feststellen können, daß die Initiative des Bundeskanzlers, noch bevor sich die Tage des Treffens von Den Haag gejährt haben, solch eindrucksvolle Erfolge erzielt hat, so wissen wir doch, daß trotz Luxemburger Abkommen, trotz Werner-Bericht, Davignon-Bericht, noch sehr viele Schritte zu tun sein werden. Bis das alles, was sich jetzt schon greifbar abzeichnet, zu Ende geführt werden kann, sind noch viele Schritte zu tun. Es geht alles in die Richtung, daß wir Schritt um Schritt nationale Souveränitätsrechte zugunsten supranationaler Einrichtungen und Organe aufgeben. Diese Entwicklung kann sich aber nur unter der ständigen Mitarbeit, Kontrolle und Einflußnahme eines nach demokratischen Grundsätzen gewählten Europäischen Parlaments gedeihlich vollziehen.
Wenn der Deutsche Bundestag diese Ansicht durch seine Entschließungen unterstreicht, müssen auch dergestalt die Konsequenzen daraus gezogen werden, daß die Wähler aus den Mitgliedstaaten mit ihren Stimmzetteln entscheidend an der Zusammensetzung dieses Parlaments und damit an der politischen Gestaltung dieses neuen Europa teilnehmen. Der vorausgehende Wahlkampf würde darüber hinaus den Wählern die Möglichkeit geben, die Absicht der einzelnen politischen Parteien kennenzulernen



Lautenschlager
und erläutert zu bekommen, welche Wege diese ein- I schlagen würden, um das Ziel eines einigen Europa zu erreichen.
Durch die direkte Wahl würde das Gewicht des Europäischen Parlaments wesentlich gestärkt, und zwar auch in den Bereichen, in denen es auch in Zukunft nur beratend wird tätig sein können. Weil die Mitglieder eines nach einem supranationalen Verfahren gewählten Parlaments nicht mehr unter der Last des Doppelmandates stünden, wäre ihrer Eigeninitiative wesentlich mehr Raum gegeben. Die übrigen Organe der Gemeinschaft, besonders die Kommission und der Rat, wären dann gezwungen, in stärkerem Maße, als dies bisher der Fall ist, auf die Beschlüsse und Wünsche des Parlaments einzugehen. Auf diese Weise könnten die Ziele der Einigungsbestrebungen schneller erreicht werden, als das nach dem bisherigen umständlichen und vielen Zufälligkeiten ausgelieferten Verfahren, das wesentlich von politischen Auseinandersetzungen auf anderen Gebieten als dem der Europapolitik abhängig ist, geschehen kann.
Die Entwicklung auf vielen Gebieten — auf dem der Wirtschaft, dem der Währung, dem der Wissenschaft und Forschung, um nur einige zu nennen — nimmt einen immer rascheren Verlauf. Zwar sind die Koordinierungsbestrebungen teilweise in Gang gesetzt, und es ist zu hoffen, daß die wirtschaftliche und währungspolitische Integration bis 1980 abgeschlossen sein wird; aber dies kann nicht ohne Einschaltung eines frei, allgemein und unmittelbar gewählten Parlaments geschehen.
Die Parlamente der Mitgliedstaaten sind heute schon mit nationalen Aufgaben gerade im Hinblick auf die Strukturwandlungen und die sich immer stärker und schneller abzeichnenden Entwicklungen über Gebühr in Anspruch genommen. Es besteht daher die große Gefahr, daß in den Organen der Gemeinschaft, soweit sie schon bisher beschließende Befugnisse haben, Absichten in die Wirklichkeit umgesetzt werden, die nicht zu kontrollieren und später nicht mehr zu korrigieren sind. Diese Gefahr kann nur vermieden werden, wenn von einem demokratisch zusammengesetzten Parlament schon jetzt eine Kontrollfunktion wahrgenommen wird.
Meine Damen und Herren, die Versuche, die in den einzelnen Parlamenten der Mitgliedstaaten in Angriff genommen wurden, um eine nationale Lösung zu finden, sind sehr zahlreich. Die meisten sind an den Problemen gescheitert, die der Wortlaut des Art. 138 des EWG-Vertrages aufwirft. So wäre eine Direktwahl der deutschen Mitglieder nach der nationalen Lösung nur dem Namen nach denkbar, denn sie könnte nur unter den Bedingungen von Art. 138 Abs. 1 des EWG-Vertrages stattfinden. Das bedeutet, daß das Hauptärgernis des jetzigen Zustandes, das Doppelmandat, nicht beseitigt würde. Eine solche Lösung könnte nur die Aufgabe haben, auf den Rat dahin Druck auszuüben, nun endlich tätig zu werden und seine Verpflichtungen aus dem Vertrag zu erfüllen.
Es wäre auch nicht opportun, im gegenwärtigen Zeitpunkt — ähnlich wie 1964 — einen eigenen
Gesetzentwurf einzubringen. Vielmehr soll die Bundesregierung mit einer Resolution aufgefordert werden, beim Scheitern der Verhandlungen über eine Vereinbarung nach Art. 138 Abs. 3, also im Falle des Nichtzustandekommens der supranationalen Lösung, die Möglichkeit aufzuzeigen, wie „nach einem von jedem Mitgliedstaat bestimmten Verfahren" — so der Wortlaut des Vertrages — ein Gesetz über die direkte Wahl der deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments zustande kommen kann.
Noch aus einem anderen Grunde halte ich eine Resolution im gegenwärtigen Zeitpunkt für besser als einen Initiativgesetzentwurf. Im Gegensatz zu 1964, wo besonders auf Grund der Haltung eines Mitgliedstaates einer der Tiefpunkte in den Integrationsbestrebungen zu verzeichnen war, ist heute nach der Konferenz von Den Haag, nach den Luxemburger Beschlüssen sowie im Hinblick auf die zu erwartenden Ergebnisse des Werner- und des Davignon-Berichtes eine günstige Situation gegeben. Auch das Europäische Parlament war nicht untätig und hat seine bisherigen ständigen und vielfältigen Bemühungen fortgesetzt, den Rat unter Druck zu setzen, nun nach fast zehn Jahren seine Verpflichtung aus dem Vertrag zu erfüllen. Auf Veranlassung von Präsident Scelba fand am 26. Juni dieses Jahres ein Gespräch beim damaligen Ratspräsidenten, Herr Harmel, statt, dessen Ergebnisse zu neuen Hoffnungen Anlaß geben. Während des Gesprächs ergab sich, daß auf der Ebene des Rates eine Sondergruppe der Ständigen Vertreter gebildet werden sollte. Diese Gruppe hat ihren Auftrag bereits weitgehend erfüllt. Nach den Versicherungen von Präsident Harmel ist die Arbeit dieser Sondergruppe bereits so weit gediehen, daß berechtigte Hoffnung besteht, demnächst mit dem Politischen Ausschuß des Europäischen Parlaments schon über die Einzelheiten Gespräche zu führen.
Ich möchte an dieser Stelle keine weiteren Ausführungen über die Problematik in politischer und rechtlicher Hinsicht machen, die eine nationale Lösung des Problems nach sich zöge. Darüber sollten wir, glaube ich, im Auswärtigen Ausschuß sprechen. Herr Präsident, ich beantrage, die beiden Resolutionsentwürfe von CDU sowie SPD und FDP dem Auswärtigen Ausschuß zur Beratung zu überweisen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607719200
Meine Damen und Herren, die Rednerliste ist erschöpft.
Ich schließe die zweite Beratung über die unter den Tagesordnungspunkten 25 a) und b) verzeichneten Gesetzentwürfe.
Wir kommen zur Schlußabstimmung über den Gesetzentwurf Drucksache VI/880. Wer den Artikeln 1, 2 und 3, der Einleitung und der Überschrift zustimmt, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung über den Gesetzentwurf Drucksache VI/879. Wer den Artikeln 1, 2 und 3 sowie der Einleitung und der Überschrift



Präsident von Hassel
seine Zustimmung gibt, den bitte ich, sich zu erheben. Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Ebenfalls einstimmig angenommen.
Wir kommen nunmehr zu einigen Entschließungsanträgen. Bitte nehmen Sie Drucksache VI/1374 zur Hand. Auf Seite 2 finden Sie unter Abschnitt III die Vorschläge des Ausschusses. Ich bringe in Erinnerung, daß der Berichterstatter, Herr Röhner, heute morgen noch eine Nummer 7 angefügt hat. Diese Nummer 7 ist offensichtlich aus einem Versehen nicht mit ausgedruckt worden. Der Text ist in der Zwischenzeit vervielfältigt und verteilt worden.
Wer der Entschließung im Abschnitt III mit den Nummern 1 bis 7 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.
Ich rufe den Antrag Umdruck 85 auf, der soeben von Herrn Kollegen Lautenschlager begründet worden ist. Ich stelle die Frage, ob wir über die Überweisung der Anträge auf den Umdrucken 85 und 86 zugleich abstimmen können. In beiden Fällen soll Überweisung an den Auswärtigen Ausschuß erfolgen. Sind Sie einverstanden, daß darüber gemeinsam abgestimmt wird?

(Zustimmung.)

Wer der Überweisung des Antrags Umdruck 85, der sich auf den Tagesordnungspunkt 25 b) bezieht, und der Überweisung des Antrags Umdruck 86, der sich auf die Tagesordnungspunkte 25 a) und 25 b) bezieht, an den Auswärtigen Ausschuß zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die Überweisung dieser beiden Entschließungsanträge ist einstimmig beschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung über Punkt 25 c) der Tagesordnung. In Drucksache VI/1344 finden Sie auf der letzten Seite unter dem Buchstaben B den Antrag des Ausschusses. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.
Dann kommen wir zu den beiden Zusatzpunkten, die wir heute morgen auf die Tagesordnung gesetzt und gemeinsam mit beraten haben, zunächst zu der Drucksache VI/1369. Der Ausschuß beantragt, die in Drucksache VI/915 enthaltene Entschließung zur Kenntnis zu nehmen. Wer diesem Antrag des Ausschusses zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist einstimmig so beschlossen.
Schließlich zum zweiten Zusatzpunkt von heute früh. Sie finden den Antrag des Ausschusses auf Drucksache VI/ 1376. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Es ist einstimmig so beschlossen.
Damit sind die Punkte 25 a) bis c) und die beiden Zusatzpunkte 1 und 2 erledigt.

(Abg. Hermsdorf [Cuxhaven] : Kann ich das Wort zu einer persönlichen Erklärung haben?)

Bitte schön, Herr Kollege Hermsdorf.

Hans Hermsdorf (SPD):
Rede ID: ID0607719300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte um Entschuldigung; ich war nicht im Hause, als der Abgeordnete Josten hier die Frage der Kapitalhilfe behandelte. Ich habe das nur in der Übertragung gehört. Ich stelle fest, daß sich das, was Herr Abgeordneter Josten hier gesagt hat, wie folgt abgespielt hat: Auf meinen Antrag hin ist auf Grund der vorhandenen Tatsachen bei der Kapitalhilfe mit den Stimmen der CDU gegen einige Stimmen der SPD die Kapitalhilfe gestrichen worden.

(Zurufe und Lachen bei den Regierungsparteien.)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607719400
Meine Damen und Herren, es empfiehlt sich, später noch einmal das Wortprotokoll nachzulesen, um genau zu sehen, wie es sich verhält.
Wir treten jetzt ein in die Fragestunde
— Drucksache VI/1339 —
Mit Blickrichtung auf die Tribüne möchte ich auf folgendes aufmerksam machen. Da die Fragestunde von der üblichen Zeit, 9 Uhr bis 10 Uhr, auf das Ende der Plenarsitzung verschoben worden ist, ist die Beteiligung an der Fragestunde jetzt verständlicherweise wahrscheinlich geringer. Wir werden sehr schnell durchkommen, wenn Sie mir dabei helfen..
Ich rufe den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts auf, zuerst die Frage 118 des Abgeordneten Hansen:
Wann gedenkt die Bundesregierung erneut und mit Nachdruck über die Rückgabe des Document Center (Berlin) mit der Regierung der USA zu verhandeln?
Zur Beantwortung Herr Parlamentarischer Staatssekretär Moersch.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0607719500
Ihre Frage, Herr Kollege Hansen, ist fast identisch mit der von Ihnen vor knapp einem Monat, nämlich in der Fragestunde vom 9. Oktober 1970, gestellten Frage. Ich kann nur auf das verweisen, was Ihnen der Herr Bundesaußenminister damals geantwortet hat. Schließlich ist festzustellen, daß deutsche Auskunftsersuchen vom Document Center zuverlässig beantwortet werden und Verzögerungen künftig hoffentlich nicht mehr eintreten.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607719600
Eine Zusatzfrage des Herren Abgeordneten Hansen.

Karl-Heinz Hansen (SPD):
Rede ID: ID0607719700
Herr Staatssekretär, würden Sie nicht meinen, daß, nachdem die letzten Verhandlungen über die Übergabe des Document Center im Jahre 1968 stattgefunden haben, es an der Zeit wäre, diese Verhandlungen wiederaufzunehmen? Deshalb meine erneute Fragestellung.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0607719800
Die Bundesregie-



Parlamentarischer Staatssekretär Moersch
rung wird die Verhandungen wiederaufnehmen, sobald sich herausstellt, daß ihre damaligen Wünsche und Bedingungen erfüllt werden können. Es ist wenig sinnvoll, Verhandlungen einfach um des Verhandelns willen aufzunehmen, wenn man vorher weiß, daß hier gegensätzliche Auffassungen bestehen.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607719900
Zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Hansen.

Karl-Heinz Hansen (SPD):
Rede ID: ID0607720000
Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, mir die Bedingungen der USA mitzuteilen, die für uns damals nicht annehmbar waren und an denen diese Übereinkunft gescheitert ist?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0607720100
Ich will mich gern bemühen, das zu tun.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607720200
Wir kommen zu der Frage 119 des Abgeordneten Rollmann. — Er ist nicht im Saal. Die Antworten auf diese Frage und auf die Frage 120 werden als Anlage abgedruckt.
Die Fragen 121 und 122 sind vom Fragesteller zurückgezogen worden.
Ich rufe die Frage 123 des Abgeordneten Werner auf:
Stimmt es, daß die 140 Millionen Entwicklungshilfe an Israel im vergangenen Jahr in ihrer Höhe gegen die Meinung des damaligen Außenministers Brandt und nur auf den ausdrücklichen Wunsch des damaligen Bundeskanzlers Kiesinger zustandegekommen wären und daß man diesen Betrag unter einer sozialdemokratischen Bundesregierung senken würde?
Zur Beantwortung Herr Parlamentarischer Staatssekretär.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0607720300
Herr Abgeordneter, wie bekannt ist, hat die Bundesrepublik Deutschland Israel 1969 eine Kapitalhilfe von 140 Millionen DM gewährt. Die Entscheidung über die Höhe unserer Kapitalhilfe wurde vom Kabinett getroffen. Obwohl Mitteilungen über die Ausführungen einzelner Bundesminister sowie über das Stimmenverhältnis bei Kabinettsentscheidungen für mich nicht möglich sind, möchte ich doch hinzufügen, daß in keiner Sitzung des damaligen oder auch des heutigen Kabinetts Anlaß für irgendwelche Unterstellungen gegeben wäre, wie sie aus der Frage herausgehört werden können. Die hier soeben mitgeteilte Tatsache der Entscheidung über die weitere Kapitalhilfe spricht im übrigen gegen diese Fragestellung.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607720400
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Werner.

Rudolf Werner (CDU):
Rede ID: ID0607720500
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Meinung, daß es eine redliche Politik im Mittelmeerraum erfordert, daß einerseits die Araber nicht im unklaren gelassen werden über unsere Verpflichtungen gegenüber Israel, daß andererseits aber auch die Israelis nicht im unklaren gelassen werden über unsere Verpflichtungen im
Sinne einer europäischen Politik im Mittelmeerraum?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0607720600
Herr Abgeordneter, ich bin der Meinung, daß die Politik der Bundesregierung keinen Anlaß zu dieser Fragestellung gibt und daß wir in jeder Weise eine redliche Politik treiben.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607720700
Keine weitere Zusatzfrage.
Die Frage 124 ist vom Fragesteller zurückgezogen.
Die Fragen 125 und 126 werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 127 des Abgeordneten Dr. Jahn (Braunschweig) auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung zum Begriff Ratifikation „Unter der Ratifikation eines Vertrages ist seine förmliche Bestätigung durch die verfassungsrechtlich für den Abschluß völkerrechtlicher Verträge zuständigen Organe (z. B. Staatsoberhaupt) zu verstehen, nicht aber die Zustimmung der gesetzgebenden Körperschaften nach Artikel 59 Abs. 2 des Grundgesetzes. Die Bestätigung wird bei zweiseitigen Verträgen durch den Austausch der von den Staatsoberhäuptern ausgefertigten Ratifikationsurkunden vollzogen."?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0607720800
Herr Abgeordneter, die Antwort lautet ja, weil die Begriffsbestimmung, die im „Bulletin" vom 12. August dieses Jahres unter der Überschrift „Vertragsrecht in Stichworten" erschienen ist, korrekt ist.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607720900
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Jahn.

Dr. Hans Edgar Jahn (CDU):
Rede ID: ID0607721000
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Auffassung, daß in besagter Schrift das „Vertragsrecht in Stichworten" zum besseren Verständnis für die Leser angefügt worden ist und daß es dann besser gewesen wäre, entsprechend dem „Großen Brockhaus" zu formulieren — ich zitiere —: „Ratifikation: Nach dem Staatsrecht die verfassungsrechtlich vorgesehene Bestätigung von Staatsverträgen durch das Parlament"?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0607721100
Herr Abgeordneter, ich glaube, daß der Brockhaus hier den wirklichen Tatbestand nicht völlig zutreffend wiedergibt. Es gibt auch Möglichkeiten, Ratifizierungen ohne Parlament vorzunehmen. Es gibt solche Dinge. Hier allerdings ist der Fall nicht gegeben.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607721200
Eine zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Jahn.

Dr. Hans Edgar Jahn (CDU):
Rede ID: ID0607721300
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Auffassung, daß die Inkraftsetzung eines völkerrechtlichen Vertrages durch das Staatsoberhaupt der letzte Akt des Ratifizierungsvorgangs ist?




Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0607721400
Herr Abgeordneter, meine Antwort widerspricht nicht dem, was Sie sagen. Das ist in jedem Falle richtig. Aber es gibt internationale Abmachungen, die der Zustimmung des Parlaments bedürfen, und es gibt solche, die dieser Zustimmung nicht bedürfen.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607721500
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Reddemann.

Dr. Gerhard Reddemann (CDU):
Rede ID: ID0607721600
Herr Staatssekretär, halten Sie es nicht für mißverständlich, wenn, nachdem die Bundesregierung erklärt hat, sie wolle eine Ratifikation des deutsch-sowjetischen Vertrages erst vornehmen, wenn eine entsprechende Berlin-Regelung erfolgt ist, in dieser Sammlung des Bundespresseamts lediglich die Unterzeichnung des Ratifikationsgesetzes durch den Bundespräsidenten erwähnt wird?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0607721700
Ich bin sicher, daß hier für diejenigen, die das richtig gelesen haben, kein Mißverständnis möglich war, weil es hier ja nicht um eine politische Willenserklärung geht, sondern um eine Darstellung der rechtlichen Verhältnisse, die allerdings möglicherweise zu knapp ausgefallen ist; das will ich gar nicht bestreiten.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607721800
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Niegel.

Lorenz Niegel (CSU):
Rede ID: ID0607721900
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, welche Verträge keiner Ratifikation durch das Parlament bedürfen?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0607722000
Herr Abgeordneter, es wäre unter Umständen möglich, Ihnen die entsprechenden Kommentare aus der Völkerrechtslehre zuzustellen. Ich bin nicht Völkerrechtler, und ich kann nicht sagen, welche Abmachungen nicht der Ratifikation durch das Parlament bedürfen. Die Mehrzahl der Verträge jedenfalls bedürfen der Ratifizierung durch das Parlament. Es gibt aber andere Abmachungen, die nicht dazu gehören. Aber diese Unterrichtung werden Sie in der Bibliothek in jedem Lehrbuch finden können.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607722100
Ich rufe die Frage 128 des Abgeordneten Dr. Jahn (Braunschweig) auf:
Ist die Bundesregierung nicht der Auffassung, daß durch die Publikation des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung der Eindruck erweckt wird, als bedürfe „Der Vertrag vom 12. August 1970" nicht der Zustimmung der gesetzgebenden Körperschaften?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0607722200
Die Antwort lautet: Nein.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607722300
Keine Zusatzfrage. Ich danke Ihnen für die Beantwortung, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Wir fahren fort mit dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Die Fragen 40 und 41 sind vorn Fragesteller zurückgezogen. Damit sind wir am Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministers der Justiz.
Wir nehmen dann den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft. Die Frage 56 ist zurückgezogen.
Zu den Fragen 57 und 58 erbittet der Fragesteller schriftliche Beantwortung. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 59 des Abgeordneten Härzschel auf. Ist der Abgeordnete im Saal? — Er ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich danke Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, daß Sie sich bereit fanden, die Fragen auch ohne Anwesenheit der Abgeordneten zu beantworten.
Wir nehmen dann den Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung. Die Fragen 60 und 61 sind zurückgezogen. Die Fragestellerin der Fragen 62 und 63 hat um schriftliche Beantwortung gebeten. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Das gleiche gilt für die Frage 64 des Abgeordneten Dasch. Die Fragen 65 bis 67 sind von den Fragestellern zurückgezogen worden. Auch der Abgeordnete Dr. Klepsch hat seine Frage 105, die ursprünglich im Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft stand und nun vom Bundesminister der Verteidigung beantwortet werden sollte, zurückgezogen. Zu den Fragen 68 und 69 erbittet der Fragesteller schriftliche Beantwortung. Auch hier wird die Antwort als Anlage abgedruckt. Damit sind alle Fragen aus diesem Geschäftsbereich erledigt.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit. Zunächst die Frage 70 des Abgeordneten Hussing. Ist der Abgeordnete im Saal? — Er ist nicht zu sehen. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 71 des Abgeordneten Wolfram auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung von Prof. Häfner, daß die Lage der Psychiatrie in unserem Lande einen nationalen Notstand darstellt?
Der Abgeordnete ist anwesend.
Zur Beantwortung Herr Parlamentarischer Staatssekretär Westphal.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0607722400
Herr Kollege Wolfram, Herr Professor Häfner hat 1965 in einem Aufsatz mit dem Titel „Dringliche Reformen in der psychiatrischen Krankenversorgung in der Bundesrepublik" von einem „nationalen Notstand" im Hinblick auf die Lage der Psychiatrie gesprochen. Die Bundesregierung ist sich bewußt, daß die psychiatrische Versorgung der Bevölkerung in erheblichem Umfang und beschleunigt verbessert werden muß. Diesem Ziel dienen die vielseitigen



Parlamentarischer Staatssekretär Westphal
Maßnahmen, die bereits von den Trägern der psychiatrischen Anstalten mit Unterstützung der Länder eingeleitet worden sind.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607722500
Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Wolfram.

Erich Wolfram (SPD):
Rede ID: ID0607722600
Herr Staatssekretär, welche Möglichkeiten sehen Sie, durch Früherkennung und Frühbehandlung zu verhindern, daß es auf diesem Gebiet praktisch nur krankenhausreife Patienten gibt?

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0607722700
Herr Kollege Wolfram, der Begriff „krankenhausreife Patienten" ist natürlich etwas problematisch; denn es gibt auf diesem Gebiet z. B. erhebliche Möglichkeiten der teilstationären Behandlung. Wenn die stationäre Behandlung wirkungsvoll gemacht werden kann, kann sie auch kurzfristiger werden. Im Hinblick auf die Früherkennung ist es in diesem Bereich natürlich besonders schwer, Ratschläge oder klare Möglichkeiten der Regelung zu geben. Es geht immer um lange Beobachtungszeiten. Die Beratung auf diesem Gebiet muß verbessert und ausgedehnt werden. Psychotherapeutische und psychiatrische Behandlung in solchen Stellen ist wünschenswert, und es ist auch von diesem Haus immer wieder dringend gefordert worden, daß diejenigen, die dafür zuständig sind, solche Stellen einrichten.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607722800
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wolfram.

Erich Wolfram (SPD):
Rede ID: ID0607722900
Herr Staatssekretär, ist eine spezielle psychiatrische Krankenpflegeausbildung vorgesehen?

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0607723000
Innerhalb der Krankenpflegeausbildung erhält jeder Krankenpfleger eine Ausbildung auch im psychiatrischen Bereich, und zwar sind dafür ca. 100 Stunden vorgesehen. Eine besondere Aubildung für psychiatrische Krankenpflege, d. h. ein gesonderter Ausbildungsweg, ist nicht vorgesehen.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607723100
Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Glombig.

Eugen Glombig (SPD):
Rede ID: ID0607723200
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, haben Sie den Eindruck, daß neben den Ländern auch die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation auf dem Feld der Rehabilitation für psychiatrisch Kranke alles getan hat, was möglich und notwendig ist?

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0607723300
Zu dieser Frage möchte ich keine inhaltlichen Ausführungen machen müssen, weil dies erst mit dem
auf diesem Felde auch zuständigen Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung besprochen werden müßte.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607723400
Ich rufe die Frage 72 des Abgeordneten Wolfram auf:
Welche Maßnahmen sind vorgesehen, um die augenblickliche Situation zu verbessern, und ist insbesondere ein Soforthilfeprogramm und ein nationaler Plan nach dem Beispiel der USA und anderer Länder vorgesehen?
Zur Beantwortung Herr Parlamentarischer Staatssekretär Westphal.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0607723500
In der Bundestagsdebatte vom 17. April 1970 wurden bereits Vorstellungen der Bundesregierung über die Maßnahmen zur Verbesserung der Situation der Psychiatrie mitgeteilt.
Die Möglichkeiten eines Sofortprogramms und eines nationalen Plans nach dem Beispiel der USA und anderen Ländern werden zur Zeit eingehend geprüft. Die Möglichkeiten einer raschen Verbesserung der gegenwärtigen Situation der Psychiatrie in der Bundesrepublik werden in engster Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern und den Ländern sowie allen sonstigen staatlichen, halbstaatlichen und privaten Organisationen, Verbänden und Einrichtungen erörtert, um die kurzfristig und auf lange Sicht notwendigen Maßnahmen zur Verbesserung der Hilfe für psychisch Kranke zu programmieren und zusammenzufassen.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607723600
Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Wolfram.

Erich Wolfram (SPD):
Rede ID: ID0607723700
Herr Staatssekretär, ist im Zusammenhang mit der Hochschulpolitik eine Intensivierung der psychiatrischen Grundlagenforschung sowie die Errichtung von Lehrstühlen für Geriatrie, Gerontologie und Geriopsychiatrie geplant?

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0607723800
Aus meiner Kenntnis kann ich sagen, daß es Sonderlehrstühle z. B. für den Bereich der gerichtlichen und sozialen Psychiatrie und auch mehrere Lehrstühle für Jugendpsychiatrie gibt. Im übrigen muß ich auch hier auf einen anderen Bundesminister verweisen. Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft ist derjenige, der zu diesem Bereich der Forschung Aussagen machen könnte.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607723900
Eine zweite Zusatzfrage, der Abgeordnete Wolfram.

Erich Wolfram (SPD):
Rede ID: ID0607724000
Herr Staatssekretär, wird an einer Beseitigung der gesetzlichen Diskriminierung der psychisch Kranken gearbeitet?

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0607724100
Auf Grund der im Hohen Hause behandelten Probleme der Psychiatrie und aller hier anstehenden



Parlamentarischer Staatssekretär Westphal
Sorgen — darum geht es zur Zeit ja in dem entsprechenden Fachausschuß — ist zu erwarten, daß es zu einer Enquete kommen wird, mit deren Vorbereitung wir uns jetzt schon beschäftigen. Darin geht es um Probleme, die Sie jetzt ansprechen Diskriminierungen, die sich heute noch an einzelnen Stellen für diese besondere Personengruppe — wenn man diesen Begriff verwenden will — zeigen, müssen überwunden werden.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607724200
Keine Zusatzfragen.
Die Fragen 73 und 74 sind vom Fragesteller zurückgezogen worden.
Zur Frage 75 erbittet der Fragesteller schriftliche Beantwortung. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Die Frage 76 wurde bereits im Rahmen der Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern beantwortet.
Wir sind am Ende der Fragen aus Ihrem Geschäftsbereich. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen, zunächst zur Frage 77 des Abgeordneten Sieglerschmidt. — Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Das gleiche gilt für die Frage 78.
Wir kommen zu den Fragen 79 und 80 des Abgeordneten Schmidt (Kempten). — Der Abgeordnete ) ist nicht anwesend. Die Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Die Fragen 81 und 82 des Abgeordneten Lenzer werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Wir kommen zu den Fragen 83 und 84 des Abgeordneten Rawe. — Der Fragesteller hat um schriftliche Beantwortung gebeten. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 85 des Abgeordneten Dr. Enders auf:
Hält die Bundesregierung die hygienischen Einrichtungen auf den Parkplätzen der Bundesautobahnen für ausreichend?
Ist der Abgeordnete im Saal? — Er ist anwesend.
Zur Beantwortung, Herr Parlamentarischer Staatssekretär Börner.

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0607724300
Herr Kollege, die Bundesregierung hält die hygienischen Einrichtungen zur Zeit nur auf den 39 Rastplätzen der Bundesautobahnen für ausreichend, die mit Toiletten in Verbindung mit einem Verkaufskiosk von der damit beauftragten Gesellschaft für Nebenbetriebe der Bundesautobahnen ausgestattet worden sind.
Als Endzustand soll den Autobahnbenutzern zusammen mit den Rasthöfen und Tankstellen etwa alle zwölf Kilometer Gelegenheit zur Einnahme von Erfrischungen und zur Benutzung hygienisch einwandfreier Toilettenanlagen geboten sein.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607724400
Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Enders.

Dr. Wendelin Enders (SPD):
Rede ID: ID0607724500
Herr Staatssekretär, halten Sie es nicht für notwendig, daß die Toiletten- und Waschanlagen auf den Parkplätzen an den Bundesautobahnen wenigstens während der Hauptreisezeit noch verbessert werden?

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0607724600
Herr Kollege, wenn Sie die laufende Überwachung der hygienischen Umstände meinen, muß ich sagen, daß wir darüber Kontrollen führen. Die Frage der Vermehrung solcher Einrichtungen berührt Ihre nächste Frage, die ich gern mitbeantworten möchte, Herr Präsident.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607724700
Ich rufe noch die Frage 86 des Abgeordneten Dr. Enders auf:
Mit welchen Maßnahmen können die hygienischen Einrichtungen auf den Parkplätzen der Bundesautobahnen verbessert werden?
Zur Beantwortung, bitte, Herr Parlamentarischer Staatssekretär!

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0607724800
Herr Kollege, hygienisch einwandfreie Zustände können auf den Rastplätzen der Bundesautobahnen, wie umfangreiche Versuche gezeigt haben, nur mit ständig beaufsichtigten und gewarteten Toilettenanlagen erreicht werden, die mit elektrischem Strom und Frischwasser versorgt werden und über Kläranlagen und Schmutzwasserableitungen verfügen.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607724900
Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Enders.

Dr. Wendelin Enders (SPD):
Rede ID: ID0607725000
Herr Staatssekretär, wann ist Ihrer Meinung nach damit zu rechnen, daß etwa alle zehn Kilometer Toiletteneinrichtungen 'in Rasthäusern oder an Verkaufskiosken auf den Autobahnen zu erreichen sein werden?

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0607725100
Herr Kollege, wir bemühen uns, diesen Zustand im Rahmen eines Ausbauprogramms in den nächsten Jahren so schnell wie möglich herbeizuführen. Ich darf darauf verweisen, daß damit auch die Frage zusammenhängt, wie stark bestimmte Reiserouten auf den Autobahnen belastet sind, weil solche Einrichtungen das ganze Jahr über betrieben werden müssen und hier bestimmte Personalkosten entstehen. Ich schlage vor, daß ich Ihnen darüber schriftlich eine ergänzende Information gebe.

(Abg. Dr. Enders: Danke sehr!)

4320 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode 77. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. November 1970

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607725200
Keine Zusatzfragen.
Wir kommen zu den Fragen 87 und 88 des Abgeordneten Dr. Müller-Hermann. — Der Abgeordnete ist nicht anwesend. Die Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 89 des Abgeordneten Niegel auf:
Gibt es besondere Gründe dafür, daß trotz Zusage weder der Bundesminister für Verkehr und für das Pest- und Fernmeldewesen noch sein parlamentarischer oder beamteter Staatssekretär am 12. Gewerkschaftstag der GDBA im Deutschen Beamtenbund in Nürnberg teilgenommen haben, jedoch beim außerordentlichen Gewerkschaftstag der Deutschen Postgewerkschaft im DGB in Kassel der Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen mit den Staatssekretären Börner und Gscheidle anwesend waren?
Zur Beantwortung, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0607725300
Herr Kollege, die Gründe für die unterschiedliche Beteiligung der politischen Leitung unseres Hauses an den beiden Gewerkschaftstagen lagen in der Tatsache begründet, daß der Kongreß der Deutschen Postgewerkschaft in einer sitzungsfreien Woche des Bundestages durchgeführt wurde, während der Gewerkschaftstag der GDBA in einer Plenarwoche stattfand.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607725400
Eine Zusatzfrage, der Abgeordneten Niegel.

Lorenz Niegel (CSU):
Rede ID: ID0607725500
Eine unterschiedliche Behandlung der verschiedenen Gewerkschaftsorganisationen — die eine gehört dem DGB, die andere dem Beamtenbund an — liegt seitens Ihres Hauses also nicht vor?

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0607725600
Nein. Das können Sie u. a. daraus ersehen, daß ich den neugewählten Vorsitzenden der GDBA in den nächsten Tagen zu einem Gespräch empfangen werde, so wie auch andere Herren aus der Gewerkschaftsbewegung, die mit uns in Verbindung stehen, von Zeit zu Zeit zu Fachgesprächen empfangen werden.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607725700
Keine Zusatzfrage. Ich rufe auf die Frage 90 des Herrn Abgeordneten Wende:
Wie weit ist der Ausbauzustand von Notrufsäulen an Bundesautobahnen sowie an autobahnähnlich ausgebauten Bundesstraßen?
Der Herr Abgeordnete ist im Saal. Zur Beantwortung, bitte!

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0607725800
Von den zur Zeit in Betrieb befindlichen 4100 km Bundesautobahnen sind 3765 km, das sind rund 92 %, mit Notrufsäulen ausgerüstet. Weitere 100 km Notrufanlagen, deren Inbetriebnahme bis Ende 1970 vorgesehen ist, sind im Bau. An autobahnähnlich ausgebauten Bundesstraßen
sind Notrufanlagen nicht vorhanden, weil die fernmeldetechnischen und betrieblichen Voraussetzungen hierzu noch nicht gegeben sind. Erst nach einer Aufstufung dieser Straßen zu Bundesautobahnen können nach Verlegung der Fernmeldekabel und Errichtung von Autobahnmeistereien auch an diesen Straßen Notrufsäulen installiert werden.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607725900
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wende.

Manfred Wende (SPD):
Rede ID: ID0607726000
Können Sie in diesem Zusammenhang darüber Angaben machen, Herr Staatssekretär, welche Erfahrungen gemacht worden sind — oder können Sie mir gegebenenfalls diese Angaben schriftlich zukommen lassen — mit neuartigen Notrufsäulen, die nicht mehr auf dem Kabelwege, sondern auf dem Funkwege operieren?

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0607726100
Herr Kollege, wir haben uns bisher für Verkabelung entschieden, weil die Betriebssicherheit und die Tatsache, daß wir sehr wenige Funkfrequenzen in der Bundesrepublik für solche Dinge nutzen können, für Verkabelungen sprachen. Wir verfolgen natürlich auch fernmeldetechnische Entwicklungen, wie Sie sie soeben zitiert haben. Ich bin gern bereit, Ihnen darüber ergänzende Auskunft zu geben.
Ich möchte aber noch hinzufügen, daß es ja nicht nur das Problem der Installierung solcher Notrufanlagen gibt, sondern auch der Vorhaltung eines c entsprechenden Rettungsdienstes. Denn es handelt sich ja hier um einen Betrieb, der über 24 Stunden in Betrieb sein muß, und nicht nur darum, daß man irgendwo ein Telefon installiert, wo man anrufen kann. Diese Fragen werden im Zusammenhang mit der Vorlage des Verkehrsberichts der Bundesregierung, der in der nächsten Woche auf der Tagesordnung des Hohen Hauses steht, dann noch weiter behandelt werden. Ich nehme an, daß sich auch die Gelegenheit ergibt, in der Aussprache über den Verkehrsbericht Ihr Petitum zu vertiefen.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607726200
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe auf die Fragen 91 und 92 des Herrn Abgeordneten Dr. Aigner. — Er ist nicht anwesend. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe auf die Frage 93 des Abgeordneten Schmidt (München). Ist er anwesend? — Das ist nicht der Fall. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Wir kommen zu Frage 94 des Herrn Abgeordneten Schmidt (München). — Der Fragesteller ist nicht im Saal. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe auf die Frage 95 des Herrn Abgeordneten Wende:
Welche Voraussetzungen müssen noch erfüllt werden, um im
gesamten Bundesgebiet die Notrufnummer 110 einzurichten?
Bitte zur Beantwortung!
Börner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und für das Post- und




Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0607726300
Die technischen Voraussetzungen für die bundeseinheitliche Notrufnummer 110 sind gegeben. Offen ist zur Zeit noch die Frage der Finanzierung. Die Bundesregierung bemüht sich um eine Lösung dieses Problems und hofft, bald zu einem Ergebnis zu kommen.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607726400
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wende!

Manfred Wende (SPD):
Rede ID: ID0607726500
Herr Staatssekretär, haben Sie Kenntnis von dem Verfahren, wie es im Regierungsbezirk Nordwürttemberg angewendet worden ist, wo in Zusammenarbeit zwischen staatlichen und privaten Stellen ein Finanzierungsschlüssel erarbeitet wurde, der es dort ermöglicht, in kürzerer Frist bereits die einheitliche Notrufnummer 110 einzuführen?

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0607726600
Herr Kollege, ich muß offen sagen, daß mir das Angebot privater Beteiligung an dieser Aktion nicht bekannt ist. Aber ich werde gern den Dingen nachgehen. Wir würden es selbstverständlich begrüßen, wenn hier private Initiative noch hinzukäme. Aber ich bin nicht sicher, ob Sie denselben Sachverhalt meinen, den ich in meiner Antwort angesprochen habe. Die Kosten, von denen ich hier sprach, beziehen sich auf die fernmeldetechnische Installation, also auf das, was die Deutsche Bundespost und der Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen hier zu tun haben. Ich nehme an, daß sich Ihr Argument mehr auf die Vorhaltung des Rettungsdienstes bezieht, den man eben mit dieser Nummer erreichen kann. Das erfordert natürlich auch erhebliche Kosten.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607726700
Eine zweite Zusatzfrage, bitte schön, Herr Kollege!

Manfred Wende (SPD):
Rede ID: ID0607726800
Es bezieht sich nicht nur darauf. Darf ich davon ausgehen, daß bei dem vom Verkehrsausschuß geplanten Hearing Anfang nächsten Jahres gerade diese Kreise, die in Nordwürttemberg tätig waren, mit eingeladen werden?

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0607726900
Das obliegt dem zuständigen Ausschuß. Ich nehme an, daß der Vorsitzende, wenn Sie eine solche Anregung an ihn herantragen, keine Einwendungen dagegen erheben würde, ein solches positives Modell auch hier der Öffentlichkeit breiter bekanntzumachen.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607727000
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Niegel!

Lorenz Niegel (CSU):
Rede ID: ID0607727100
Herr Staatssekretär, wäre es nicht zweckmäßiger, an Stelle der Nummer 110 im gesamten Bundesgebiet die Nummer 111 zu verwenden, wie es Sachverständige, vor allem Psychiater,
vorgeschlagen haben, weil diese Nummer besser zu wählen sei und die Notrufe dann doch schlagkräftiger vorgenommen werden könnten?

Holger Börner (SPD):
Rede ID: ID0607727200
Herr Kollege, sicher wird man das noch prüfen, aber die Erfahrungen unseres Hauses gehen dahin, daß die Nummer 110 in einem Teil der Bundesrepublik schon eingebürgert ist und daß hinter dieser Nummer sich auch ein bestimmter Begriff beim Kraftfahrer verbirgt, so daß man von der Gewöhnung her die Nummer 110 bevorzugen sollte. Aber, wie gesagt, ich will Ihr Argument gerne noch einmal prüfen lassen.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607727300
Wir sind am Ende des Geschäftsbereiches angelangt. Es folgt der Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungswesen und Städtebau. Ich danke Ihnen zunächst, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Ich rufe die Frage 96 des Herrn Abgeordneten Geisenhofer auf.
Ist der Bundesregierung bekannt, daß, vor allem in München durch Zweckentfremdung von Altbauwohnungen in GastarbeiterSchlafstellen und sonstige Massenquartiere bei langeingesessenen Mietern, aber auch bei Gastarbeitern selbst, große Härten auftreten, die nicht nur Unruhe bei den Betroffenen, sondern auch in den angrenzenden Stadtteilen hervorrufen?
Zur Beantwortung Herr Parlamentarischer Staatssekretär Ravens.

Karl Ravens (SPD):
Rede ID: ID0607727400
Herr Präsident, wenn Herr Kollege Geisenhofer einverstanden ist, so würde ich gerne beide Fragen im Zusammenhang beantworten.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607727500
Keine Bedenken. Dann rufe ich auch die Frage 97 auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß vor allem internationale Maklerfirmen, aber auch Bundesbehörden an der Zweckentfremdung solcher Häuser beteiligt sind, und gedenkt die Bundesregierung, Maßnahmen einzuleiten, wie sie in dem Gesetzentwurf der CDU/CSU, Drucksache VI/13 vom 23. Oktober 1969, gefordert werden?

Karl Ravens (SPD):
Rede ID: ID0607727600
Herr Kollege Geisenhofer, der Bundesregierung ist bekannt, daß auch in München Altbauwohnungen an Gastarbeiter als Schlafstellen vermietet werden. Nach Angaben der obersten Landesbehörde sind etwa 1,2 % des Altwohnungsbestandes in München von Gastarbeitern für Wohnzwecke in Anspruch genommen.
Mit dem Antrag auf Drucksache VI/13, dessen Einbringung ja auch Sie beantragt haben, soll die Verwendung von Altwohnraum als Schlafstellen in München — Stadt und Land — nur mit Genehmigung der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde zulässig sein. Wir warten den Beschluß dieses Hohen Hauses über diesen Antrag ab.
Die Unruhe der Bevölkerung über die Kündigung von Mietverhältnissen besteht nicht nur in München. Die Bundesregierung hat deshalb einen Gesetzentwurf verabschiedet und wird ihn im Hohen



Parlamentarischer Staatssekretär Ravens
Hause einbringen, der u. a. auch eine erhebliche Verbesserung der Rechtsstellung des Mieters, insbesondere bei Kündigung durch den Vermieter, vorsieht. Mit einer Verbesserung des Schutzes für den Mieter dürften die von Ihnen angesprochenen Härten wesentlich gemildert, wenn nicht sogar ganz beseitigt werden können.
Nach fernmündlicher Rückfrage des Herrn Bundesministers der Finanzen bei der Oberfinanzdirektion München und den von dieser Behörde um Auskunft gebetenen Vermögensstellen sind Zweckentfremdungen von Altbauwohnungen in München durch Bundesbehörden nicht bekanntgeworden.
Im übrigen dürfte es sich bei Ihrer Frage um das Problem der Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen handeln. Auch hierzu liegt bereits ein von Ihnen miteingebrachter Initiativantrag vor, über den zur Zeit noch im zuständigen Ausschuß beraten wird. Die Bundesregierung wird auch diesen Beschluß abwarten.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607727700
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Geisenhofer.

Franz Xaver Geisenhofer (CSU):
Rede ID: ID0607727800
Wenn ich richtig verstanden habe, warten Sie das Ergebnis der Initiative der CDU/CSU, also meiner Initiative, auf diesem Gebiet ab, und die Bundesregierung ist nicht gewillt, selbst initiativ zu werden. Sind im Artikelgesetz, das Sie ja jetzt vorbereiten, keine Maßnahmen zur Einschränkung dieser skandalösen Vorgänge vorgesehen?

Karl Ravens (SPD):
Rede ID: ID0607727900
Doch, Herr Kollege Geisenhofer. In diesem Artikelgesetz ist für alle Bereiche, in denen in der Bundesrepublik ein überdurchschnittlicher Wohnungsfehlbestand besteht — entgegen den Vorhersagen früherer Regierungen —, vorgesehen, daß ein weitgehender Mieterschutz eingeführt wird, daß ein Vermieter nur noch kündigen kann, wenn er ein berechtigtes eigenes Interesse hat — dieses eigene Interesse ist im Artikelgesetz definiert — wenn er Eigenbedarf anmelden kann, wenn der Mieter seine Vertragspflicht nicht erfüllt oder wenn zur Erzielung einer marktgerechten Verzinsung des Eigenkapitals eine Mieterhöhung notwendig ist. Hier sind die Gründe angegeben, die in Zukunft diese skandalösen Kündigungen, um anschließend zu exorbitanten Preisen an Gastarbeiter Schlafstellen vermieten zu können, unmöglich machen.
Darüber hinaus, Herr Kollege Geisenhofer, halte ich es für wenig wirkungsvoll, wenn die Bundesregierung einer vorliegenden Initiative aus der Mitte des Hauses nun noch einmal mit einer gleichen Initiative nachfolgen würde. Wir sollten hier im Ausschuß über diesen Problemkreis sprechen.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607728000
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Geisenhofer.

Franz Xaver Geisenhofer (CSU):
Rede ID: ID0607728100
Herr Staatssekretär, Sie sagten, Ihnen seien keine Fälle der Fehlbelegungen dieser Art durch Bundesbehörden bekannt. Darf ich Ihnen zwei Fälle nennen? — GravelotteStraße 11 in München und in der Meilinger Straße; die Nummer ist mir jetzt gerade nicht bekannt.

Karl Ravens (SPD):
Rede ID: ID0607728200
Herr Kollege Geisenhofer, wir haben uns über den Bundesminister der Finanzen an die Oberfinanzdirektion München als die Verwalterin von Bundesvermögen in München gewandt. Von der Oberfinanzdirektion in München und von den von ihr um Auskunft gebetenen Vermögensstellen ist uns mitgeteilt worden, daß Zweckentfremdungen von Altbauwohnungen in München durch Bundesbehörden nicht bekannt seien. Ich bin gerne bereit, den beiden von Ihnen genannten Fällen nachzugehen. Nur bitte ich um Nachsicht, daß ich Ihnen jetzt keine andere Auskunft geben kann, weil ich hier auf die Auskunft der nachgeordneten Behörden angewiesen bin.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0607728300
Danke schön.
Die Fragen 98 und 99 müssen schriftlich beantwortet werden; der Fragesteller ist nicht anwesend. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Die Fragen 100 und 101 des Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir sind damit am Ende der Fragen aus Ihrem Geschäftsbereich angelangt, Herr Parlamentarischer Staatssekretär. Ich danke Ihnen.
Damit ist auch die Fragestunde zu Ende.
Ich berufe ,die nächste Sitzung auf Mittwoch, den 11. November 1970, 9 Uhr, ein und schließe die heutige Sitzung.