Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, zwei Gesetzentwürfe, die in der 39. Sitzung des Bundestages am 18. März 1970 dem Ausschuß für Städtebau und Wohnungswesen — federführend —, dem Innenausschuß, dem Rechtsausschuß, dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — mitberatend — sowie -dem Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung überwiesen wurden, auch dem Finanzausschuß — mitberatend — zu überweisen. Es handelt sich um die folgenden Gesetzentwürfe:Entwurf eines Gesetzes zur Förderung von städtebaulichen Erneuerungs- und Entwicklungsmaßnahmen in Stadt und Land— Drucksache VI /434 —Entwurf eines Gesetzes über städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen in den Gemeinden— Drucksache VI /510 - Das Haus ist damit einverstanden; es ist so beschlossen.Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:Der Bundesminister für Verkehr hat am 31. Oktober 1970 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Schulte , Dr. Miltner, Weber (Heidelberg), Dr. Schwörer, Baier, Dr. Jenninger, Dr. Wörner, Adorno, Biechele, Frau Griesinger, Dr. Eyrich, Pfeifer, Dr. Abelein, Susset, Dr. Prassler und Genossen betr. Bundesfernstraßenbau in Baden-Württemberg — Drucksache VI /1293 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI /1364 verteilt.Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:EWG-VorlagenVerordnung des Rates über die teilweise Aussetzung des autonomen Zollsatzes des Gemeinsamen Zolltarifs für Garnelen der Art Pandalus Plateceros Japonicus, nur in Wasser gekocht und geschält, auch gefroren für die Konservenindustrie
— Drucksache VI /1336 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte uni Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 1.571/70 vom 27. Juli 1970 des Rates über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung eines Gemeinschaftszollkontingents für bestimmte handgearbeitete Waren— Drucksache VI /1337 — überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates betreffend die jährliche Überprüfung der Besoldung der Beamten und sonstigen Bediensteten der Gemeinschaften— Drucksache VI /1342 —überwiesen an den Innenausschuß , Haushaltsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 2517/69 zur Festlegung einiger Maßnahmen zur Sanierung der Obsterzeugung in der Gemeinschaft— Drucksache VI /1343 —überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates zur Änderung der Regelung der Bezüge und der sozialen Sicherheit der Atomanlagenbediensteten der Gemeinsamen Kernforschungsstelle, die in Belgien dienstlich verwendet werden.— Drucksache VI /1346 —überwiesen an den Innenausschuß , Haushaltsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates zur vorherigen Festsetzung der Abschöpfung bei der Einfuhr von OlivenölVerordnung des Rates über den Pauschbetrag für nichtraffiniertes Olivenöl, das vollständig in Griechenland erzeugt wurde und aus diesem Land unmittelbar in die Gemeinschaft befördert wirdVerordnung des Rates zur Festsetzung der monatlichen Zuschläge zum Marktrichtpreis, zum Interventionspreis undzum Schwellenpreis für Olivenöl im Wirtschaftsjahr 1970/1971Verordnung des Rates zur Festsetzung des Schwellenpreises für Olivenöl für das Wirtschaftsjahr 1970/1971Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 2132/69 über die Beihilfe für Olivenöl— Drucksache VI /1347 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft , Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates betreffend die Unregelmäßigkeiten, die Wiedereinziehung zu Unrecht gezahlter Beträge im Rahmen der Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik und die Einrichtung eines Informationssystems— Drucksache VI /1348 —überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rates zur Anwendung der Entscheidung des Interimsausschusses EWG /OSTAFRIKA über die Begriffsbestimmung für „Erzeugnisse mit Ursprung in oder „Ursprungserzeugnisse" sowie über die Methoden der Zusammenarbeit der Verwaltungen— Drucksache VI /1349 —überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im RatVerordnung des Rateszur Änderung der Verordnungen Nr. 120 /67 /EWG und Nr. 359 /67 /EWG über die gemeinsame Marktorganisation für Getreide und Reiszur Änderung der Verordnungen Nr. 140 /67 /EWG und Nr. 365 /67 /EWG über die Regeln für die vorherige Festsetzung der Abschöpfungen für Getreide, Reis und Bruchreis— Drucksache VI /1353 —überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten , Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
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4246 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 76. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. November 1970
Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen Wir treten ein in dieFragestunde— Drucksache VI /1339 —
Inwiefern sieht der Herr Bundeskanzler, der sich in der Aktuellen Stunde vom 14. Oktober 1970 ausdrücklich zu „jedem Wort" bekannte, das er vor dem SPD-Parteivorstand am 12. Oktober 1970 laut Kommuniqué erklärt hat, in der Erwägung einiger Unionspolitiker, Neuwahlen zum Bundestag zu fordern, einen „Anschlag auf die Bundesregierung"?
Der Herr Abgeordnete ist im Saal. — Herr Minister!
Herr Präsident, wenn Sie gestatten, würde ich die Fragen 109 und 110 des Herrn Abgeordneten Roser zusammen beantworten.
Wenn der Antragsteller damit einverstanden ist. — Er ist einverstanden. Dann rufe ich auch die zweite Frage des Herrn Abgeordneten Roser auf:
Ist der Bundeskanzler bereit zuzugeben, daß er zwar Anschlag sagte — ,Anschlag' laut Großer Duden, Synonym-Wörterbuch 1964: „Versuch der gewaltsamen Beschädigung oder Zerstörung von etwas" —, aber Angriff meinte?
Der Herr Bundeskanzler hat die Forderung von Unionspolitikern nach Neuwahlen keineswegs als „Anschlag" auf die Bundesregierung bezeichnet; er hat aber dieser Forderung, die er eher heiter aufgenommen hat, den Willen der sozial-liberalen Koalition gegenübergestellt, die Arbeit der Regierung unbeirrt fortzusetzen und den Anschlag rechter außerparlamentarischer Kräfte auf die Bundesregierung zu vereiteln.
Der Herr Bundeskanzler hat dabei nicht nur „Anschlag" gesagt, sondern auch „Anschlag" gemeint. Nach dem Anschauungsunterricht von Würzburg sollten eigentlich auch Sie der Wortwahl des Bundeskanzlers zustimmen können.
Der Distanzierung aller demokratischen Kräfte unseres Landes vom Radikalismus würde es im übrigen dienen, wenn die Herren Kollegen Strauß und Zoglmann zu den Ausführungen Stellung nehmen würden, die Herr Kernmayr für die Veranstalter der Würzburger „Aktion" bei der Begrüßung der Teilnehmer gemacht hat. Herr Kernmayr hat in Würzburg folgendes ausgeführt — ich darf das mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren —:
. Wir haben darüber hinaus im parteipolitischen Bereich • drei Repräsentanten heute eingeladen, den Vorsitzenden der CSU, Dr. Strauß, der uns durch sein Büro in Bonn mitteilen ließ, daß er infolge langfristig geplanter Wahlkampfverpflichtungen in Bayern nicht teilnehmen kann, den Vorsitzenden der NLA Zoglmann, der uns telegraphisch mitteilte, daß er wegen eines Auslandsaufenthalts verhindert sei teilzunehmen, und Herrn von Thadden. Ich begrüße Herrn von Thadden.
Wir würden uns durch die Kollegen Strauß und Zoglmann gern in unserer Meinung bestätigt sehen, daß es nicht nur Terminschwierigkeiten gewesen sind, die sie daran gehindert haben, an der Würzburger „Aktion" teilzunehmen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, sind Sie bereit zuzugeben, daß die von Ihnen soeben gegebene Interpretation des Zusammenhangs der Aussage des Bundeskanzlers dem klaren Text des Kommuniqués eindeutig widerspricht? Denn da wird erklärt, daß die Erwägung einiger Unionspolitiker, Neuwahlen zu fordern, ein Anschlag auf die Demokratie sei.
Keineswegs, Herr Kollege, wie Sie sehen, wenn Sie Ziffer 5 lesen. Darf ich es vorlesen, Herr Präsident? — Nachdem der Bundeskanzler in Ziffer 3 über den Anschlag rechter außerparlamentarischer Kräfte gesprochen hat, sagt er in Ziffer 5: Wenn einige Unionspolitiker jetzt Neuwahlen im Bundestag fordern, so ist demgegenüber festzustellen, jetzt geht es darum, den Anschlag auf die Bundesregierung — über den er in Ziffer 3 gesprochen hat — abzuwehren und die Arbeit der Koalition unbeirrt fortzusetzen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Darf ich Sie fragen, Herr Bundesminister, wie Sie dazu stehen, daß die Begriffe, wie sie auch hier wieder gefallen sind, zum gleichen Zeitpunkt und in vergleichbarem Zusammenhang auch und vor allem in der DDR-Presse ständig verwendet werden.
Herr Abgeordneter, Sie sind sicher mit mir der Meinung, daß wir uns in dem, was wir zu sagen haben und zu sagen haben werden, nicht danach richten sollten, was andere Leute sagen. Sie können glauben, daß der Bundeskanzler in der Lage ist, eine Erklärung zur innenpolitischen Situation abzugeben, ohne vorher die DDR-Presse gelesen zu haben.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Niegel.
Herr Bundesminister, ist Ihnen bekannt, daß in der Presse über Würzburg einseitig berichtet wurde, da immer nur von rechtsradikalen Kräften die Rede war, während doch auch eine Demonstration linksradikaler Kräfte, die ebenfalls nicht genehmigt war, stattfand?
Deutscher Bundestag --- 6. Wahlperiode — 76. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. November 1970 4247
Nein, Herr Abgeordneter, das ist sicher falsch. Alle Meldungen darüber zeigen, daß das mit linksradikalen Kräften, die wir auch im Lande haben, nichts zu tun hatte. Richtig ist allerdings, daß es eine Gegendemonstration demokratischer Kräfte, die nicht genehmigt war, gab. Aber dazu möchte ich nicht Stellung nehmen, weil das in die Zuständigkeit der bayerischen Behörden fällt.
Dazu liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.
Ich rufe die Frage des Abgeordneten Engelsberger auf:
Ist die Äußerung von Staatssekretär Bahr — auf der sogenannten Informationstagung der Berliner SPD am 3. Oktober 1970 zu den neuerlichen Erschwerungen im Berlin-Verkehr angesprochen —, daß es auch im Osten vereinzelt „kalte Krieger" gebe, so zu verstehen, daß die Mehrzahl der „kalten Krieger", die eine Entspannung verhinderten, im Westen sitzen, und welcher Personenkreis im Westen gehört nach Meinung der Bundesregierung zu diesen „kalten Kriegern"?
Der Abgeordnete ist im Saal. — Herr Minister!
Herr Staatssekretär Bahr hat auf der Tagung des Landesverbandes Berlin der SPD am 3. Oktober 1970 nicht dazu Stellung genommen, ob „kalte Krieger" in der Mehrzahl im Osten oder im Westen sitzen. Unter einem „kalten Krieger" versteht man gemeinhin eine Person, die eine Politik des kalten Krieges einer Politik der Entspannung vorzieht. Man wird zu diesem Kreis vielleicht aber auch noch die Personen im Osten wie im Westen — rechnen müssen, die zwar in abstracto für eine Verständigung sind, sie aber in concreto mit unerfüllbaren Bedingungen verbinden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, sind Sie nicht mit mir der Auffassung, daß die Äußerung des Herrn Staatssekretärs Bahr geeignet war, den Eindruck zu erwecken, daß die eigentlichen Schuldigen an der Teilung Deutschlands, am Todesstreifen quer durch Deutschland, an der Berliner Mauer und am Eisernen Vorhang im Westen und nicht im Osten säßen?
Nein, Herr Kollege, die Meinung kann eigentlich keiner haben, der die Politik dieser Bundesregierung und Herrn Kollegen Bahr kennt. Herr Bahr hat ja zur Frage der Haltung der DDR neulich noch im Fernsehen sehr eindeutig Stellung genommen.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 112 des Herrn Abgeordneten Dr. Jobst auf:
Treffen Meldungen zu, wonach Ministerialdirektor Ehrenberg vom Bundeskanzleramt anläßlich der letzten Innsbrucker Tagung des Vereins für Sozialpolitik die Auffassung vertreten hat, daß die liberale Marktwirtschaft bei der Produktion einer ausreichenden Infrastruktur versagt habe und daß nunmehr der Staat im Dualismus zur privaten Wirtschaft Kompetenz und Finanzierung der Strukturpolitik übernehmen müsse?
Der Abgeordnete ist im Saal.
Das Referat, das Herr Ministerialdirektor Dr. Ehrenberg am 1. Oktober 1970 in Innsbruck gehalten hat, ist im Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 14. Oktober 1970, Seite 1449 ff., im Wortlaut abgedruckt worden. Eine Äußerung, wie Sie Ihrer Frage, Herr Abgeordneter, entspricht, findet sich dort nicht. Allerdings hat Dr. Ehrenberg in seinem Referat eine Vernachlässigung der Infrastrukturinvestitionen in den 50er Jahren festgestellt und weiter ausgeführt, daß eine Veränderung der Bewußtseinslage zum Thema öffentliche Investitionen erst in der zweiten Hälfte der 60er Jahre begann.
Wieweit diese Feststellung den Fakten entspricht, ergibt sich meines Erachtens u. a. auch daraus, daß es in dem Programmentwurf der CDU zum Thema öffentliche Investitionen heißt:
Soweit die wachsenden Einnahmen des Staates nicht für die Finanzierung unserer vorrangigen Reformvorhaben ausreichen, ist ein steigender Anteil der öffentlichen Hand am Bruttosozialprodukt in einem sozial und gesamtwirtschaftlich vertretbaren Ausmaß notwendig.
Eine Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, räumen Sie mir nicht ein, daß mit dieser Äußerung eine Absage an die marktwirtschaftliche Ordnung vorbereitet wird?
Nein, Herr Kollege, das Gegenteil ist der Fall. Mit dieser Äußerung wird gesagt, daß wir in den letzten Jahren eine ganze Menge Dinge versäumt haben, die notwendig sind, um die marktwirtschaftliche Ordnung in diesem Lande aufrechtzuerhalten.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, wie erklären Sie sich dann Pressemeldungen über dieses Referat des Herrn Ehrenberg, die dahin lauteten, daß die Marktwirtschaft nach Meinung des Herrn Ehrenberg versagt habe?
Ich kann mir eigentlich nur vorstellen, daß diejenigen, die das geschrieben haben, das Referat mißverstanden haben. Der Text liegt aber, wie gesagt, vor. Jeder kann sich überzeugen, was gesagt worden ist.
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4248 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 76. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. November 1970
Ich rufe die Frage 113 des Herrn Abgeordneten Dr. Jobst auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, über den Umweg von Vorträgen politischer Beamter im In- und Ausland, die Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland auf die Ablösung der marktwirtschaftlichen Ordnung vorzubereiten?
Herr Kollege, es ist ein guter Brauch, daß die notwendige Verzahnung von praktischer Verwaltungsarbeit und wissenschaftlicher Theorie so gefördert wird, daß leitende Beamte zu Vorträgen auf wissenschaftlichen Tagungen aufgefordert werden. Einer solchen Aufforderung ist Herr Dr. Ehrenberg nachgekommen. Sie wurde, da der Verein für Sozialpolitik seine Tagungen im Zweijahresturnus vorbereitet, bereits im November 1968 an ihn gerichtet. Damals war Dr. Ehrenberg Leiter der Unterabteilung Strukturpolitik im Bundesministerium für Wirtschaft.
Die Bundesregierung denkt weder an eine Ablösung der marktwirtschaftlichen Ordnung noch ist diese in dem Referat von Herrn Dr. Ehrenberg in Innsbruck angedeutet worden.
Doch es wäre gut, wenn diese Frage auch in dem Sinne gedeutet werden könnte, daß der Opposition dieses Hauses die Stärkung der marktwirtschaftlichen Ordnung ebenso am Herzen liegt wie der Bundesregierung. Bei der demnächst zu behandelnden Novellierung des Kartellgesetzes wird Gelegenheit sein, daß festzustellen.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 114 des Herrn Abgeordneten Dr. Schmidt auf:
Billigt die Bundesregierung die Äußerung ihres Bundesbeauftragten für Naturschutz und Landschaftspflege Prof. Grzimek zum Naturschutzrecht: „Inzwischen ist es aber in der Bundesrepublik Deutschland zu Länderrecht degradiert worden" ?
Herr Bundesminister!
Herr Abgeordneter, der Ausdruck „degradiert" ist — das muß ich zugeben --- nicht sehr glücklich gewählt, um festzustellen, daß die Weitergeltung des früheren Reichsnaturschutzgesetzes als Landesrecht Nachteile hat. Die Bundesregierung ist aber mit Herrn Professor Grzimek der Auffassung, daß ein dringendes Bedürfnis besteht, die Aufgabengebiete Naturschutz und Landschaftspflege nicht nur durch Rahmenvorschriften, sondern durch volle Gesetze des Bundes zu regeln, da beide Angelegenheiten in der heutigen Zeit durch die Gesetzgebung einzelner Länder nicht mehr zufriedenstellend geregelt werden können. Sie hat daher dem Hohen Haus einen entsprechenden Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes vorgelegt.
Keine Zusatzfrage.
Dann rufe ich die Frage 115 des Herrn Abgeordneten Dr. Schmidt auf:
Welche Schritte hat der Beauftragte der Bundesregierung für Naturschutz und Landschaftspflege unternommen, bevor der Bundesminister für Verkehr entgegen einer Stellungnahme des Deutschen Rates für Landespflege und anderer fachlicher Gutachten entschieden hat, die Bundesstraße 42 in Eltville so bauen zu lassen, daß ein nicht wiedergutzumachender Eingriff in dieses Nah-Erholungsgebiet erfolgt?
Herr Bundesminister!
Herr Kollege, der Bundesminister für Verkehr hat vor kurzem entschieden, daß die Rheinuferlinie der weiteren Planung der Umgehung der Orte Eltville und Niederwalluf im Zuge der Bundesstraße 42 zugrunde gelegt werden soll. Er hat dementsprechend das nach § 16 des Bundesfernstraßengesetzes vorgeschriebene Planungsverfahren zur Bestimmung der Linienführung eingeleitet, das bisher nicht abgeschlossen worden ist. Der Bundesbeauftragte für Angelegenheiten des Naturschutzes ist in dieses Planungsverfahren eingeschaltet, gerade weil der Bund die landschaftliche Gestaltung des Rheinufers als eine besondere Verpflichtung anerkennt. Der weitere Verlauf dieses Verfahrens bleibt aber nun zunächst abzuwarten.
Keine Zusatzfragen. — Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister.
Dann rufe ich die Frage 116 des Herrn Abgeordneten Seiters auf:
Ist die von der Bundesregierung unmittelbar vor den Landtagswahlen in Hessen und Bayern an alle Haushaltungen verteilte Propagandaschrift „Aufbruch in die 70er Jahre" Ausdruck der von Staatssekretär Ahlers vertretenen Auffassung, es sei Aufgabe des Bundespresseamtes, die politische Wirklichkeit und die Arbeit der Regierung verschönert darzustellen?
Zur Beantwortung Herr Staatssekretär Ahlers.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, schon früher habe ich es immer als unhöflich, wenn nicht als unkorrekt empfunden, wenn Beamte auf die Fragen eines Abgeordneten lediglich mit Ja oder Nein antworten. Ihre erste Frage allerdings ist so präzise formuliert, daß es fast unhöflich wäre, wenn ich sie nicht nur mit Ja beantwortete.Dennoch möchte ich Sie bitten, mir folgende zusätzliche Bemerkungen zu gestatten.Erstens. Meine Formulierung, Öffentlichkeitsarbeit sei die Verbreitung von Wahrheit in verschönerter Form, trägt natürlich in gewisser Weise den Makel der Selbstironie. Dennoch glaube ich, daß sie von der eigentlichen Aufgabenstellung der Öffentlichkeitsarbeit nicht sehr weit entfernt ist.Zweitens. Einen Zusammenhang mit den Landtagswahlen in Hessen und in Bayern in bezug auf die Beilage, die das Bundespresseamt herausgegeben hat, sehe ich nicht. Es gehört zu den legitimen Aufgaben des Presseamts, in organischer zeitlicher Reihenfolge die Arbeit der Bundesregierung zusammenfassend darzustellen. Daß der Jahrestag der Regierungserklärung in unmittelbarer Nähe der Landtagswahlen in Bayern und Hessen lag, haben wir nicht zu vertreten.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 76. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. November 1970 4249
Staatssekretär AhlersDrittens. Ich möchte sagen, daß sich das Presseamt wirklich bemüht, keine Propagandaschriften zu verfassen, sondern seit langer Zeit — und das gilt auch für meine Vorgänger — sich bemüht, sachliche Informationsarbeit zu treiben. Ich wäre wirklich dankbar, wenn man uns nicht immer den Vorwurf der Propaganda machte.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege.
Herr Staatssekretär, wären Sie dann wenigstens bereit, an dieser Stelle einzuräumen, daß es sich eben nicht um eine sehr korrekte Bilanz handelt, wenn in dieser Schrift kein Wort darüber steht, daß an Stelle der bis zu den Landtagswahlen am 14. Juni in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und im Saarland versprochenen Steuersenkungen tatsächlich Steuervorauszahlungen eingetreten sind und daß wir, um ein zweites Beispiel zu nennen, heute Preissteigerungen haben, die die „Süddeutsche Zeitung" am 12. September zu dem Kommentar veranlaßten, daß die Bundesregierung mit diesen Preissteigerungen, mit dieser unkontrollierten Inflation die Mittel verspielt habe, mit denen sie ihre Reformpläne habe finanzieren wollen?
Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich gehe davon aus, daß die Verbreitung solcher Kenntnisse nicht zu den Aufgaben des Bundespresseamts gehört. Wir sind in unserer Schrift insoweit auf den zweiten Vorwurf, den die Opposition gegen die Regierung erhebt, eingegangen, als die Regierung eingeräumt hat, daß es unliebsame Preissteigerungen gegeben hat, und wir versucht haben, zu erklären, was die Regierung dagegen getan hat. Ein Hinweis auf die Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen wäre, glaube ich, nach dem Inhalt dieser Beilage nicht angebracht gewesen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, wann die auf Seite 4 dieser Schrift angekündigte Aufhebung der starren Altersgrenze von 65 Jahren erfolgen wird?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein, Herr Abgeordneter. Das fällt nicht in meinen Geschäftsbereich. Das kann ich Ihnen nicht sagen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Biehle.
Herr Staatssekretär, verstehen Sie unter verschönerndem Darstellen die Möglichkeit, so wie es eben Herr Ehmke getan hat, wenn es in den optischen Bereich hineinpaßt, Pressestimmen zu zitieren — im Fall der Würzburger Vorfälle —, anstatt den Wahrheitsgehalt vorher zu prüfen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, es tut mir leid, ich habe die Frage nicht verstanden.
Ich frage, ob Sie unter „verschönerter Darstellung", wie es in der Frage geheißen hat, die Möglichkeit verstehen, nur Pressestimmen zu zitieren, wenn es einem in das optische Bild paßt, anstatt vorher den Wahrheitsgehalt zu prüfen?
Herr Kollege Biehle, Ihre Frage steht nicht in einem Sachzusammenhang mit der Frage des Herrn Abgeordneten Seiters. Es steht damit dem Herrn Staatssekretär frei, sie nicht zu beantworten.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Lenz.
Herr Staatssekretär, wäre es nicht zutreffend, wenn man sagte, Ihre Erklärung, daß die derzeit laufenden Öffentlichkeitsarbeitsmaßnahmen Ihres Amtes in keinem Zusammenhang mit den Landtagswahlen stünden, sei eine Darstellung der Wahrheit in verschönerter Form?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein, Herr Abgeordneter Lenz, nicht in bezug auf die Beilage. Ich habe schon in der letzten Fragestunde, an der ich teilnehmen durfte, darauf hingewiesen, daß wir selbstverständlich zum Jahrestag der Bundesregierung etwas publizistisch unternehmen müßten und unternehmen würden.
Eine letzte Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Ritz.
Herr Staatssekretär, halten Sie es nicht für eine Irreführung der Öffentlichkeit, wenn es in dieser Broschüre, die auch ich als Propagandaschrift bezeichnen möchte, heißt — ich zitiere —: „Bei der Strukturverbesserung unserer Landwirtschaft hilft der Bund. Er gibt Prämien und mehr Altershilfe", wenn gleichzeitig als Tatsache zu registrieren bleibt, daß weder die Bundesregierung noch die Koalitionsparteien bereit sind, einem Antrag der CDU/CSU auf Erhöhung der Altershilfe zuzustimmen?
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4250 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 76. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. November 1970
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein, Herr Abgeordneter, ich kann Ihnen da nicht voll zustimmen, obwohl ich weiß, daß dieser Passus in der Beilage eine Diskussion hervorgerufen hat. Ich möchte darauf in folgender Weise antworten. Durch das Fünfte Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte, das dem Hohen Hause vorliegt, wird die Altershilfe verbessert, und zwar durch eine Erweiterung des anspruchsberechtigten Personenkreises für die Landabgaberente sowie durch eine Erhöhung des Betrages, der Landabgaberente.
— Wir haben das subsumiert, Herr Abgeordneter.
Ich rufe die Frage 117 des Herrn Abgeordneten Seiters auf:
Ist die Bundesregierung bereit einzuräumen, daß diese aus Steuergeldern finanzierte Schrift nicht nur eine verschönerte Darstellung der Regierungsarbeit enthält, sondern teilweise sogar absolute Falschinformationen, wie z. B. die Angabe, von 1971 bis 1985 würden 125 Milliarden DM für Verkehrswege eingesetzt, obwohl nach der Planung von Verkehrsminister Leber bis 1985 nur 73 Milliarden DM tatsächlich zur Verfügung stehen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, in diesem Bezug kann ich Ihnen nicht zustimmen. In dem von Ihnen beanstandeten Satz sind zwei Komplexe angesprochen, nämlich der Bedarfsplan für den Ausbau der Bundesfernstraßen in den Jahren 1971 bis 1985 und der gesamte Verkehrswegebau. Diese zwangsläufig sehr knappe Zusammenfassung hat dazu geführt, daß wir mit den 125 Milliarden DM sogar eine Zahl an der untersten Grenze — wenn Sie den Komplex zusammennehmen angegeben haben. Aller Voraussicht nach werden für den gesamten Verkehrswegebau bis 1985 erheblich mehr Mittel bereitgestellt werden und wird die angegebene Zahl für die Bundesfernstraßen allein nicht wesentlich darunter liegen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich diese Antwort so verstehen, daß die Auskunft von Herrn Verkehrsminister Leber in seiner Schrift über die Bundesfernstraßen, für den Straßenbau insgesamt seien nur 93 Milliarden DM an Finanzmitteln zu erwarten, falsch ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich möchte hier um Gottes willen keinen Bundesminister korrigieren. Nur ist es bei diesen Vorausschätzungen klar, daß gewisse Zahlen mal an der untersten und mal an der obersten Grenze liegen. Wir haben uns, wie gesagt, in der Beilage bewußt an eine untere Grenze gehalten.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, halten Sie es nicht für eine absolute Falschinformation, wenn Sie angesichts der Baupreissteigerungen, die alle finanziellen Planungen über den Haufen werfen, auf Seite 5 sagen: „Bis 1974 hat die Bundesregierung die gewaltige Summe von 1,7 Milliarden DM zusätzlich für den Wohnungsbau fest eingeplant. So wird das Wohnproblem gelöst." Mein Kommentar: So einfach ist das?
Herr Kollege Seiters, die Fragestunde ist nicht für Kommentare da.
Gut. Ich darf die Frage wieholen: Halten Sie es nicht für eine absolute Falschinformation, wenn Sie so vereinfacht diese Dinge darstellen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, einmal ist es unvermeidlich, daß man vereinfachende Darstellungen gibt. Zum zweiten würde ich Ihnen in dem Fall einräumen, man hätte besser schreiben sollen: „So soll es gelöst werden."
Herr Abgeordneter Apel zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß dem Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen bis 1985 noch die Finanzierung entgegenzustellen sein wird, die, wie auch Herr Bundesverkehrsminister Leber stets gesagt hat, nicht voll gesichert ist, und daß damit dieses Haus wie das Bundesverkehrsministerium aufgerufen sein wird, noch in der nächsten Woche bei der ersten Lesung des Bundesfernstraßenplans darüber nachzudenken?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Jawohl, Herr Abgeordneter, das ist mir bekannt. Ich wollte dem Verkehrsministerium nur nicht vorgreifen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wollen Sie nicht einräumen — insbesondere nach der Frage des Kollegen Apel —, daß Sie in Ihrer Information falsche Hoffnungen erweckt haben, Hoffnungen, die die Bundesregierung nicht erfüllen kann, und daß damit in Ihrer Information eine falsche Aussage in, wie Sie es bezeichnen, „verschönerter Form" erfolgt ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein, Herr Abgeordneter, das kann ich Ihnen nicht einräumen. Ich gehe selbstverständlich davon aus, daß die Bundesregierung ihre Versprechungen erfüllen wird.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 76. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. November 1970 4251
) Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen: Keine weiteren Zusatzfragen. Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes erledigt. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.Wir kommen nun zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und fahren dort fort, wo wir gestern nachmittag die Fragestunde unterbrochen haben. Ich rufe die Frage 20 des Herrn Abgeordneten Dr. Ritz auf:Kann die Bundesregierung Angaben darüber machen, wer die Kosten für die Verteilung des von Staatssekretär Dr. Griesau verfaßten Wahlkampfbriefes an die hessischen Landwirte trägt?
Herr Kollege Dr. Ritz, ich beantworte Ihre Frage wie folgt. Die Kosten für die Verteilung des Briefes sowie die Verteilung hat der Landesverband Hessen der FDP übernommen.
Eine Zusatzfrage.
Dr. Ritz Herr Staatssekretär, wer hat einer Werbefirma den Auftrag erteilt, den von Herrn Dr. Griesau verfaßten Brief an die Empfänger zu verteilen?
Logemann, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft
) und Forsten: An eine Werbefirma ist kein Auftrag erteilt worden.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, ob und, wenn ja, wann in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ein beamteter Staatssekretär in dieser Form eines offenen Wahlbriefes in einen Wahlkampf für seine Partei eingegriffen hat?
Ich kann Ihnen dafür kein Beispiel sagen, aber mir ist durchaus bekannt, daß auch schon in anderen Fällen, bei anderen Wahlkämpfen Vorgänger von Herrn Staatssekretär Dr. Griesau aktiv in den Wahlkampf eingegriffen haben.
Entschuldigen Sie, Herr Kollege, Ihr Fragenkontingent ist erschöpft. — Aber der Herr Kollege Ehnes hat eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, aus welchen Mitteln werden die Aufklärungsomnibusse bezahlt, die kurz vor der bayerischen Landtagswahl vom BML schwerpunktmäßig im Unterbezirk Mittelfranken eingesetzt werden? Können Sie darüber Auskunft geben, ob Dienstangehörige vom BML für diese parteipolitische Aktion aufgefordert wurden?
Herr Kollege, ich wollte Sie nur darauf aufmerksam machen, daß Ihre Zusatzfrage nicht mehr in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Hauptfrage steht, wie es die Richtlinien für die Fragestunde erfordern. Aber ich überlasse es dem Herrn Staatssekretär, ob er die Frage trotzdem beantworten will.
Herr Präsident, da die Frage schon gestern eine Rolle spielte, bin ich gern bereit, darauf einzugehen. In der gestrigen Fragestunde hat ja ein Kollege der CSU die gleiche Frage gestellt. Ich darf dazu folgendes sagen.
Das BML führt seit 1957 mit verschiedenen Werbefirmen Filmdienste in der Form durch, daß solche Wagen eingesetzt werden, die in Dörfern, Kleinstädten, an Seen und auf Campingplätzen ausgewählte Filme vorführen, um die Landwirte über die Politik der Bundesregierung aufzuklären und um bei der Stadtbevölkerung Verständnis für die Probleme der Landwirtschaft zu wecken. So haben z. B. in den Jahren 1957 bis 1965 mehr als 10 000 Filmvorführungen vor rund 1,5 Millionen Zuschauern stattgefunden.
Im Jahre 1970 waren seit dem 1. Juli zunächst in Norddeutschland, dann in Baden-Württemberg und in den bayerischen Alpengebieten drei Wagen unterwegs, die vor allem über Naturschutz und Landschaftspflege informierten.
Seit dem 26. Oktober, als das einzelbetriebliche Förderungs- und soziale Ergänzungsprogramm für die Land- und Forstwirtschaft fertiggestellt worden ist, werden in Dias und auf Tonband auch dazu Angaben gemacht. Es werden ferner einige Agrarfilmstreifen aus Wochenschauen und der sich mit Strukturproblemen befassende Film „Was geht denn das mich an?" vorgeführt. Derselbe Film stand übrigens auch im Mittelpunkt des Einsatzes der Wagen vom 7. November 1966 in ausgewählten Kreisen des Regierungsbezirks Oberpfalz und Oberfranken. Damals waren fünf Wagen unterwegs. Heute sind es drei.
Damals beliefen sich die Kosten auf rund 35 000 DM, sie betragen bei der derzeitigen Aktion in Unter- und Mittelfranken zirka 23 000 DM. Beamte unseres Hauses sind dabei nicht vertreten und wirken nicht mit.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Rutschke.
Herr Staatssekretär, ist es vielleicht nicht zweckmäßig, daß das Bundesernährungsministerium dort eingreift, wo besonders falsche Vorstellungen in der Bevölkerung durch Behauptungen erweckt werden, die den Tatsachen nicht entsprechen?
Sicherlich ist das besonders notwendig.
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4252 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 76. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. November 1970
Parlamentarischer Staatssekretär LogemannAber ich glaube, damit hat der jetzige Reiseplan der drei Busse nichts zu tun. Dieser ist bereits früher festgelegt worden. Natürlich bemüht man sich, in Schwerpunkten besonders zu wirken.
Ich rufe die Frage 21 des Abgeordneten Dr. Reinhard auf:
Hält die Bundesregierung es mit der Stellung und den Aufgaben eines beamteten Staatssekretärs in einem Bundesministerium für vereinbar, wenn der Staatssekretär Dr. Griesau im Bundesernährungsministerium mit einem an alle Landwirte in Hessen gerichteten Schreiben unmittelbar in den Landtagswahlkampf in Hessen für eine Partei eingreift?
— Herr Kollege, nach den Richtlinien der Fragestunde entscheidet der amtierende Präsident. Wir waren ohnehin — ich muß das hier noch einmal sagen — vom Thema der Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Ritz, wie sich eindeutig ergibt, sehr weit abgewichen. Da derselbe Problemkreis noch in zwei Fragen des Herrn Abgeordneten Dr. Reinhard behandelt wird, haben Sie die Möglichkeit, Ihre Meinung geltend zu machen.
Herr Staatssekretär!
Herr Präsident, da sich die Fragen mit derselben Sache befassen, gestatten Sie mir bitte, die Fragen 21 und 22 gemeinsam zu beantworten.
Herr Staatssekretär, der Fragesteller ist nicht einverstanden. Er hat das Recht auf getrennte Beantwortung seiner Fragen.
— Das brauchen Sie nicht; das ist damit erledigt. — Ich bitte Sie, Herr Staatssekretär, die Fragen gesondert zu beantworten.
Ich habe für beide Fragen nur eine Antwort. Aber ich will versuchen, sie getrennt zu beantworten.
Es ist der Bundesregierung bekannt, daß Dr. Griesau als führendes Mitglied der FDP am hessischen Landtagswahlkampf teilnimmt. Diese Teilnahme hat mit seiner Stellung und seinen Aufgaben als beamteter Staatssekretär im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten nichts zu tun.
Herr Dr. Reinhard!
Herr Staatssekretär, steht Ihre Aussage nicht in krassem Widerspruch zu § 53 des Beamtengesetzes? Dazu heißt es im Standardkommentar zum Bundesbeamtengesetz von Plog-Wiedow:
Es gehört zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums, daß ein Beamter als Diener des ganzen Volkes in seiner Amtsführung politisch neutral sein muß.
Und es heißt weiter:
Hieraus folgt, daß der Beamte während des Dienstes und in dienstlicher Eigenschaft
— wie es hier gegeben ist —
sich jeder politischer Betätigung zu enthalten hat. Mit der Natur des Beamtenverhältnisses als eines öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnisses, das die ganze Persönlichkeit des Beamten erfaßt, ist es aber auch unvereinbar, wenn der Beamte außerhalb des Dienstes eine schrankenlose und in den Mitteln unbegrenzte politische Tätigkeit entfaltet.
Darf ich hier feststellen, daß Ihre Ansicht in krassem Widerspruch zur Auffassung dieser namhaften Juristen steht?
Herr Kollege Reinhard, ich entziehe Ihnen zu weiteren Ausführungen das Wort. Sie müssen sich an die Richtlinien der Fragestunde halten.
Die Richtlinien der Fragestunde sehen vor, daß Fragen knapp und kurz gehalten werden müssen. Das, was Sie ausgeführt haben, hätten Sie in einer kurzen, zusammenfassenden Zusatzfrage sagen können.
Dazu hat jetzt der Herr Staatssekretär das Wort.
Herr Dr. Reinhard, ich darf noch einmal sagen, daß das, was Herr Dr. Griesau im Wahlkampf getan hat, nicht einmalig ist, sondern daß durchaus auch andere beamtete Staatssekretäre im Wahlkampf tätig gewesen sind, u. a. auch der Vorgänger von Herrn Dr. Griesau, Herr Dr. Neef, soviel ich weiß.Weiterhin darf ich zu Ihrer letzten Frage folgendes sagen. Ich bin zwar kein Beamtenrechtler, aber mir ist bekannt, daß das Grundrecht der freien Meinungsäußerung durch das Beamtenrecht nur insoweit eingeschränkt wird, als sich der Beamte bei politischer Betätigung Zurückhaltung aufzuerlegen hat. Diese notwendige Zurückhaltung ist nach Ansicht der Bundesregierung — und diese habe ich hier vorzutragen — von Herrn Dr. Griesau gewahrt worden.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 76. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. November 1970 4253
Eine weitere Zusatzfrage.
Wird die Bundesregierung angesichts des Widerspruchs, der gegenüber Ihrer Auffassung erhoben worden ist, in dieser für die demokratischen Spielregeln, aber auch für den Stand der beamteten Staatssekretäre wichtigen Frage ein Rechtsgutachten einholen?
Nein, das ist nicht beabsichtigt.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Lotze.
Herr Staatssekretär, könnten Sie dem Fragesteller noch einmal kurz und knapp bestätigen, daß sich beamtete Staatssekretäre auch bereits zu früheren Zeiten in Wahlkämpfe eingeschaltet haben?
Herr Kollege Lotze, ich kann dazu nur wiederholen, was ich schon gesagt habe: daß, wie meinem Hause bekannt ist, der Vorgänger von Herrn Dr. Griesau, der beamtete Staatssekretär Dr. Neef, auch aktiv in Wahlkämpfe eingegriffen hat.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Ritz.
Herr Staatssekretär, teilen Sie mit mir die Auffassung, daß, wenn schon ein beamteter Staatssekretär in den Wahlkampf eingreift oder eingreifen darf, jede seine Äußerungen amtlichen Charakter tragen müßte und nicht so parteipolitisch gefärbt sein darf, wie das nach unserer Überzeugung hier der Fall war?
Herr Dr. Ritz, auch ich habe sehr sorgfältig den Brief gelesen, der hier zu Debatte steht. Ich muß dazu feststellen, daß der Inhalt wirklich sehr sachlich ist. Da ist ja nichts aus dem „Bayernkurier" abgeschrieben worden, sondern dort ist ganz sachlich die Agrarpolitik der Bundesregierung dargestellt worden.
Ich bin der Auffassung, daß das, was Herr Dr. Griesau getan hat, mit seiner Stellung durchaus vereinbar ist.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Niegel.
Herr Staatssekretär, besteht ein Zusammenhang zwischen dem wahlpolitischen Einsatz des Herrn Staatssekretärs Griesau und dem
Einsatz der von Ihnen soeben erwähnten Busse in Mittelfranken, der zu einem recht verdächtigen Zeitpunkt — 14 Tage vor der bayerischen Landtagswahl — stattfindet?
Nein, Herr Kollege Niegel, ein solcher Zusammenhang besteht durchaus nicht. Ich habe ja darauf hingewiesen, daß im Jahre 1966 solche Busse in größerem Umfang eingesetzt wurden, als das gegenwärtig der Fall ist.
— Auch damals sind die Busse auf Veranlassung des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten eingesetzt worden. Seinerzeit war Herr Höcherl Minister.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Fellermaier.
Herr Staatssekretär, muß man sich nicht wundern über diese Nervosität, die hier von der CDU/CSU gespielt wird, angesichts der Tatsache, daß es im bayerischen Landtagswahlkampf gang und gäbe ist, daß leitende Beamte der verschiedenen Ministerien als Wahlredner der CSU landauf, landab ziehen?
Herr Kollege Fellermaier, auch diese Frage steht nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Frage. Aber es steht dem Herrn Staatssekretär auch hier frei, darauf zu antworten.
Herr Kollege Fellermaier, ich bin in der Tat überrascht über die Aktivität, die die Opposition zur Frage des Einsatzes unseres beamteten Staatssekretärs Dr. Griesau entfaltet. Ich kann die Aktivität nur darauf zurückführen, daß offenbar sichtbar wird, wie sich Herr Dr. Griesau in Hessen sehr sachlich mit den Problemen der Agrarpolitik auseinandersetzt und dort zur sachlichen Aufklärung beiträgt.
Eine letzte Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dasch.
Herr Staatssekretär, wie verträgt sich Ihre Aussage von vorhin, daß durch die Veranstaltungen in Mittelfranken beispielsweise das neue Förderungsprogramm der Landwirtschaft verkündet werden solle — sogar in Filmen —, mit der Tatsache, daß dieses Programm noch gar nicht endgültig Niederschlag in einem Gesetz, geschweige denn in Verordnungen des Ministeriums gefunden hat?
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4254 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 76. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. November 1970
Die Beratung des Förderungsprogramms ist im Ernährungsministerium an sich abgeschlossen. Zur Zeit arbeiten wir die Richtlinien aus. Wir sehen keine Schwierigkeiten, mit diesen Richtlinien die angestrebte Agrarpolitik zu verwirklichen. Die Länder werden sicherlich zustimmen; Widerspruch gibt es kaum.
Ich rufe die Frage 22 des Herrn Abgeordneten Dr. Reinhard auf:
Hält die Bundesregierung es für zulässig und mit den Spielregeln der Demokratie vereinbar, wenn der beamtete Staatssekretär Dr. Griesau seine frühere Stellung als Hauptgeschäftsführer beim hessischen Bauernverband in Verbindung mit seinem jetzigen Amt dazu ausnutzt, urn für eine Partei Wahlwerbung zu betreiben?
Herr Dr. Reinhard, die Bundesregierung steht auf dem Boden des im Grundgesetz verankerten Grundrechts jedes Staatsbürgers, seine politische Meinung frei zu äußern. Eine unzulässige Verquickung von parteipolitischer Aktivität und amtlicher Stellung liegt nach Ansicht der Bundesregierung nicht vor.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, halten Sie es auch für taktvoll und mit der Stellung eines beamteten Staatssekretärs für vereinbar, wenn Herr Dr. Griesau als Staatssekretär des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten einerseits seine frühere Stellung im hessischen Bauernverband ausnutzt, um für eine Partei Wahlwerbung zu betreiben, andererseits laut
dpa die Forderung des Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes als „menschlich unanständig" bezeichnet?
Zu dem letzten Zitat von Äußerungen des Herrn Dr. Griesau möchte ich hier nicht Stellung nehmen, zumal da es von der eigentlichen Fragestellung wegführt. Ich möchte dazu nur sagen, daß Herr Dr. Griesau es für richtig gehalten hat, seine Qualifikation in der Agrarpolitik durch einen Hinweis auf seine frühere Tätigkeit im hessischen Bauernverband darzustellen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Dr. Reinhard.
Sind Ihre Ausführungen so zu verstehen, daß Sie mit den Erklärungen von Herrn Dr. Griesau einer Meinung sind?
Den Aussagen Dr. Griesaus in bezug auf Erklärungen des Bauernpräsidenten von Heereman auf der Delegiertentagung des Deutschen Bauernverbandes in diesen Erklärungen wurde ja doch in gewisser Weise auf die Erfüllung bestimmter Forderungen gedrängt — kann ich mich insoweit anschließen, als Herr Dr. Griesau mit seiner Aussage zum Ausdruck bringen wollte, daß es menschlich nicht richtig wäre, einen kranken Minister im Augenblick mit solchen Forderungen zu konfrontieren.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Rutschke.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Meinung, daß es nicht nur die Pflicht, sondern geradezu die Aufgabe eines Staatssekretärs ist, unberechtigte Angriffe und verleumderische Behauptungen über das Ministerium zurückzuweisen?
Ich bin durchaus Ihrer Auffassung; ich kann das nur bestätigen. In diesem Zusammenhang möchte ich noch sagen, daß es Herrn Dr. Griesau in Hessen wirklich schwergemacht worden ist, Veranstaltungen durchzuführen. Ich weise darauf hin, daß er aufgefordert worden ist, in einer Bauernveranstaltung, die durch den Bauernverband einberufen werden sollte, zu sprechen, und daß dann die Versammlung plötzlich durch Einwirkung ganz bestimmter Kreise — Herr Dr. Reinhard, Sie würden die Namen kennen, wenn ich sie Ihnen nennen würde — abgesagt wurde. Auf Wählerinitative, auf Initiative von drei oder vier Landwirten wurde dann aber doch zu dieser Versammlung eingeladen. Erfreulicherweise hatte Herr Dr. Griesau dann Gelegenheit, in einem vollen Saal zu sprechen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Lemmrich.
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, inwieweit die Aufgaben des Herrn Staatssekretärs Dr. Griesau im Ministerium durch diesen intensiven Einsatz, der ja auch zeitliche Anforderungen beträchtlichen Ausmaßes an ihn stellt, vernachlässigt werden?
Diese Frage, die, meine ich, nicht berechtigt ist, läßt sich sehr einfach beantworten. Die Wahlveranstaltungen in Hessen sind zum großen Teil am Abend durchgeführt worden. Herr Dr. Griesau hat durch diese Tätigkeit im Wahlkampf
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 76. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. November 1970 4255
Parlamentarischer Staatssekretär Logemannseine Aufgaben im Ministerium durchaus nicht vernachlässigt.
Eine letzte Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Niegel.
Herr Staatssekretär, können Sie feststellen, ob sich die Vorgänger von Herrn Dr. Griesau, Herr Dr. Sonnemann, Herr Hüttebräuker und Herr Dr. Neef, in ähnlichen Briefen ebenfalls an Wähler einer bestimmten Partei gewandt und sie aufgefordert haben, einer bestimmten Partei den Vorzug zu geben, und dabei die Agrarpolitik einseitig darstellen?
Ich kann nur feststellen, was ich vorhin schon ausgeführt habe, daß nämlich Herr Dr. Neef, der unmittelbare Vorgänger von Herrn Dr. Griesau, sehr aktiv in Wahlkämpfen tätig gewesen ist. Ich habe keine Unterlagen darüber, wie es bezüglich der einzelnen Möglichkeiten gewesen ist, die man dabei ausgenutzt hat. Auf diese Frage kann ich Ihnen keine Antwort geben. Ich habe nicht so weit nachgeforscht.
Meine Damen und Herren, im Interesse der zahlreichen Fragesteller, die auf die Beantwortung ihrer Fragen warten, rufe ich jetzt die Frage 23 des Herrn Abgeordneten Pohlmann auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß das Land Hessen unter Hinweis auf die „Verordnung über gesetzliche Handelsklassen für Rohholz" vom 31. Juli 1969 auf Landesebene Güteverschlechterungen bei der Rundholzsortierung, insbesondere hei der Buche, vornehmen will, die unter Einschluß einer offiziellen Preiserhöhung von etwa 7 % eine Rundholzverteuerung von insgesamt etwa 20 % bedeuten?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege, das Land Hessen beabsichtigt nicht, zunächst in Erwägung gezogene Sonderregelungen bei der Gütesortierung von Rohholz zu treffen. Bei der Einführung der gesetzlichen Handelsklassen für Rohholz nach der Verordnung von 1969 ist lediglich vorgesehen, die seit der Sturmkatastrophe 1967 in Hessen, insbesondere in Südhessen, regional verlorengegangene Einheitlichkeit bei der Anwendung von Gütebestimmungen wiederherzustellen. Dabei ist es nicht auszuschließen, daß in einigen Gegenden Hessens auch ein — wenn auch geringfügiger — Anteil des Holzes infolge seiner Güteeigenschaften in eine preisgünstigere Güteklasse rückt. Eine Verteuerung des Holzes allein wegen einer Güteverschlechterung in der von Ihnen angedeuteten Höhe von 13 0/o wird dadurch jedoch bei weitem nicht eintreten.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, was will die Bundesregierung tun, um zu verhindern, daß die Länder die HKS für Alleingänge zwecks Preiserhöhungen benutzen?
Darauf komme ich gleich bei der Beantwortung Ihrer zweiten Frage zu sprechen.
Keine Zusatzfrage zu dieser Frage.
Dann rufe ich die Frage 24 des Herrn Abgeordneten Pohlmann auf:
Hält die Bundesregierung solche Verteuerungen wirtschaftspolitisch für vertretbar?
Da etwa 50 vom Hundert des Holzbedarfs eingeführt werden müssen, richtet sich der Inlandpreis für Rohholz und damit auch die Preisentwicklung für 1971 weitgehend nach dem europäischen Holzmarkt.
Der Index für forstwirtschaftliche Produkte betrug im Juli 1970 100,4 gegenüber 100 im Jahre 1962. Angesichts der ungünstigen Betriebsergebnisse in der Forstwirtschaft wäre daher eine Verteuerung in der von Ihnen angegebenen Höhe von 7 vom Hundert, wenn sie der Entwicklung des europäischen Holzmarktes entspricht, vertretbar.
Möchten Sie noch eine Zusatzfrage stellen?
Ja, ich habe noch eine Zusatzfrage. Ich möchte meine Frage wiederholen — ich dachte, Sie hätten Sie jetzt beantwortet —: Was will die Bundesregierung tun, um zu verhindern, daß die Länder die HKS für Alleingänge zwecks Preiserhöhungen benutzen?
Ich glaube, das wird aus der Sicht der Länder gar nicht möglich sein. Es gibt in der Holzwirtschaft einen scharfen Wettbewerb, so daß solche Preiserhöhungen eigentlich schon auf Grund dieses Wettbewerbs ausgeschaltet werden müßten.
Eine letzte Zusatzfrage.
Ist die Bundesregierung bereit, auf eine bundeseinheitliche Aushaltungsrichtlinie für Rohholz hinzuwirken?
Ich möchte diese Frage schriftlich beantworten, weil ich im Augenblick überfordert bin.
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4256 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 76. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. November 1970
Meine Damen und Herren, damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft. Zur Beantwortung steht Herr Staatssekretär von Dohnanyi zur Verfügung. Ich rufe die Frage 102 der Abgeordneten Frau Dr. Walz auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung nach der Reise des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft in die Sowjetunion den praktischen Wert eines Erfahrungsaustausches auf den Gebieten Bedarfsfeststellungen an den Hochschulen, Weiterbildung der Hochschulabsolventen und Didaktik an den Hochschulen?
Bundesminister Leussink hat in seinem Gespräch mit dem sowjetischen Hochschulminister Jeljutin ein Treffen von Experten auf den von Ihnen, Frau Kollegin Walz, genannten Gebieten angeregt, und Herr Jeljutin hat dem Vorschlag zugestimmt. Einzelheiten aber konnten noch nicht vereinbart werden.
Vor einigen Tagen war nun der Präsident der Akademie der pädagogischen Wissenschaften der UdSSR, Herr Professor Chwostow, bei mir, und wir haben uns über Probleme der Hochschul- und Bildungsreform unterhalten und dabei unter anderem auch gerade die von Ihnen angeschnittenen Fragen berührt. Aber, Frau Kollegin Walz, die Angelegenheit ist natürlich noch im Beginn, und es kann über die Möglichkeiten dieses Erfahrungsaustausches im Augenblick noch nichts gesagt werden.
Frau Kollegin, eine Zusatzfrage.
Können Sie, Herr Staatssekretär, bestätigen, daß in der Sowjetunion auf dem Gebiete der Hochschulplanung allein Bedarfsgesichtspunkte ausschlaggebend sind, und zwar in der Weise, daß Stipendien und Studienplätze nur an die Leute vergeben werden, für die der Staat und die Wirtschaft Bedarf haben, wobei gleichzeitig strengste Leistungsmaßstäbe angelegt werden?
Es ist schwierig, Frau Kollegin Walz, dies so pauschal zu bestätigen. Sicherlich ist in jeder Zentralverwaltungswirtschaft die Frage der Zusammenhänge zwischen Bedarf und Planung etwa so zu beantworten, wie Sie es hier für die Sowjetunion getan haben. Andererseits gibt es aber offenbar auch dort bestimmte Bereiche der Grundlagenforschung, in denen sich ein Bedarf in diesem Sinne gar nicht planen oder voraussagen läßt. Gerade in diesen Bereichen ist also dann ein etwas breiterer Spielraum vorhanden.
Zu dem zweiten Punkt Ihrer Feststellung, zu den Leistungsanforderungen, kann ich nur aus meinem Gespräch mit Herrn Chwostow berichten, daß er mir sagte, bei einer Studentenversammlung, die er hier gehabt habe, habe man ihn bedrängt, doch festzustellen, daß in der Sowjetunion für bestimmte Dinge keine Prüfungen stattfänden; er habe das aber in keiner Weise feststellen können, ganz im Gegenteil, man sei im Augenblick dabei, die Prüfungsanforderungen in bestimmten Bereichen zu verschärfen. Insofern muß ich Ihnen recht geben.
Eine weitere Zusatzfrage.
Teilt die Bundesregierung die Auffassung nicht, Herr Staatssekretär, daß sich eine Verwertbarkeit von sowjetischen Verfahren gerade auf den Gebieten Bedarfsfeststellung, Weiterbildung und Hochschuldidaktik schon vom System her verbietet, da eben gerade dort hauptsächlich Bedarfsgesichtspunkte gelten, während wir ja immerhin die Art. 5 und 12 des Grundgesetzes haben und uns auf ein solches Verfahren in keiner Weise einlassen können?
Frau Kollegin Walz, ich glaube, es gibt keinen Bereich der Entwicklung von Bildung und Wissenschaft auf dieser Erde, der die Bundesregierung und die Länderregierungen nicht interessieren sollte.
Erfahrungsaustausch heißt, Informationen und Kenntnisse über andere sammeln, um diese eventuell, soweit das möglich ist, umzusetzen. Sie wissen, daß diese Bundesregierung ganz gewiß nicht bereit ist, Fragen des Bedarfs und der Zwänge, die der Bedarf ausüben könnte, zum zentralen Punkt der Hochschulplanung zu machen. Ich hoffe, daß das ganze Haus — auch die Opposition — die Regierung bei dieser sehr liberalen Auffassung der Bildungspolitik unterstützen wird.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Meister.
Herr Staatssekretär, sind Sie darüber unterrichtet, wie groß in der UdSSR etwa der Anteil derjenigen Studierenden an wissenschaftlichen Hochschulen ist, die ihre Studien nicht abschließen? Liegt er etwa in der gleichen Höhe wie bei uns? Bei uns sollen es 30 % sein.
Der Anteil ist in dieser Weise nicht vergleichbar, Herr Kollege. Sicher ist nur, daß, wie Frau Kollegin Walz schon angedeutet hat, der Leistungsanspruch sehr hoch ist, so daß in der Sowjetunion ein Numerus clausus dahin gehend besteht, daß von fünf Bewerbern etwa nur einer Zugang zu den Hochschulen hat.
Ich rufe die Frage 103 der Abgeordneten Frau Walz auf:Welches sind die Vorstellungen der Bundesregierung über eine Beteiligung des Bundes an dein Finanzbedarf des zur Zeit noch voll von der Stiftung Volkswagenwerk getragenen „Hochschul-Informations-System" in Hannover?Herr Staatssekretär!
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 76. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. November 1970 4257
Nach Art. 4 des Verwaltungsabkommens zwischen Bund und Ländern über die Errichtung einer gemeinsamen Kommission der Bildungsplanung ist es Aufgabe dieser Kommission, Frau Kollegin Walz, Vorschläge für die gemeinsame Errichtung und Fortentwicklung überregionaler Informationssysteme für das Bildungswesen zu machen. Dieses Problem kann daher eben nur gemeinsam mit den Ländern gelöst werden.
Eine Zusatzfrage.
Wie erklären Sie es, Herr Staatssekretär, daß z. B. im Bericht des Wissenschaftsrates auf die Hochschul-Informations-Geselischaft verwiesen ist, die ja im Augenblick als einzige Grundlagen zur Analyse von Hochschulabläufen liefert, im Bildungsbericht der Regierung aber nicht, obwohl Sie doch mit den Ländern zusammen im Kuratorium des HIS sitzen?
Der Bildungsbericht der Bundesregierung, Frau Kollegin Walz, kann nicht alle Einzelheiten berühren. Es ist gar kein Zweifel, daß das Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft am Fortbestehen des Systems, das von diesem Institut geschaffen worden ist, interessiert ist. Wir suchen gemeinsam mit den Ländern hierfür eine Lösung.
Eine letzte Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Sie sind also nicht bereit — oder vielleicht doch? —, wenn die Mittel der Volkswagenstiftung für das HIS auslaufen — und die sollen ja jetzt auslaufen —, sich von Bund- und Länderseite entsprechend in dieser Sache zu engagieren?
Frau Kollegin Walz, ich weiß nicht, wie Sie diese Schlußfolgerung ziehen können, daß wir dazu nicht bereit wären. Wir sind nur dafür, daß man Fragen der Bildungspolitik und damit auch dieses Problem eines überregionalen Hochschul-Informations-Systems sorgfältig prüft. Ich sagte, wir kennen die Problematik, vor der wir hier stehen. Bund und Länder werden bemüht sein, das hier einmal Geschaffene zu erhalten und Wege zu finden, es zu finanzieren. Wie das geschehen kann, Frau Kollegin Walz, kann ich aber heute ohne die Entscheidung der Bildungsplanungskommission natürlich noch nicht sagen.
Ich rufe die nächste Frage, die Frage des Herrn Abgeordneten Hansen, auf:
Ist die Bundesregierung bereit, auf die Länder einzuwirken, die Lernmittelfreiheit auch auf den Bereich der Elementarstufe auszudehnen, damit auch den Kindern sozial schwacher Schichten die unverhältnismäßig teuren und zur Förderung der Lernfähigkeit im Kindesalter notwendigen Übungsmittel (Bücher, Spiele usw.) zugänglich werden?
Herr Staatssekretär, bitte!
Herr Kollege, die Bundesregierung hat mehrfach erklärt, daß die strukturelle, inhaltliche und organisatorische Neuordnung der Elementarerziehung in der Bildungsreform Priorität genießt. Dazu gehört nach Auffassung der Bundesregierung, die aber hierüber natürlich nicht allein zu befinden hat, auch die Ausdehnung der Lernmittelfreiheit auf diesen Bereich. Die Bundesregierung wird sich daher im Rahmen der Planungsüberlegungen in der BundLänder-Kommission für Bildungsplanung für eine entsprechende Regelung einsetzen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie in dieser Frage mit mir einer Meinung, daß die Regelung der Lernmittelfreiheit in den Ländern vereinheitlicht werden sollte, etwa in dem Sinne, daß statt nach den bisher errechneten Durchschnittsbeträgen Pauschbeträge nach Stufen gegeben werden sollten, auch unter Einbeziehung der Elementarstufe, d. h. des Vorschulalters?
Herr Kollege, ich glaube, Sie haben mir zwei Fragen gestellt. Die erste Frage ist die, ob wir auf dem Standpunkt stehen, daß hier eine Vereinheitlichung angestrebt werden sollte. Ich kann das nur bestätigen. Die Länder machen über die KMK ständig den Versuch, die hier divergierenden Regelungen zu vereinheitlichen. Im Rahmen der Bildungsplanungskommission werden wir diese Bestrebungen unterstützen.
Welche Regelung dann in die Vereinheitlichung einfließen sollte — die von Ihnen genannte Pauschregelung oder eine andere —, das kann ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht sagen. Das wird auch ein Ergebnis der gemeinsamen Arbeit in der Bildungsplanungskommission sein.
Eine Zusatzfrage.
Eigentlich ist die Frage beantwortet, aber ich will sie noch einmal stellen, um deutlich zu hören: Sie wären also bereit, Herr Staatssekretär, in den Entwurf eines Gesamtbildungsplanes, der der Bund-Länder-Kommission vorgelegt werden soll, Vorschläge zur Vereinheitlichung etwa in dieser Richtung zu machen?
Ich bin ganz sicher, daß das so sein wird, Herr Kollege Hansen.
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4258 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 76. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. November 1970
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Rutschke.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht auch der Meinung, daß eine Förderung dieser Art auf die sozial schwachen Schichten begrenzt bleiben sollte?
Die Frage, Herr Kollege Rutschke, ist in diesem Zeitpunkt schwer zu entscheiden. Es ist kein Zweifel, daß wir im Zusammenhang mit den vor uns liegenden Aufgaben der Bildungsreform feststellen werden, daß die Mittel für Bildung und Wissenschaft knapp sind, gleichgültig, wie sehr die Bundesregierung weiterhin bemüht sein wird, den Anteil zu erhöhen.
Bei dieser Problematik wird man immer wieder überlegen müssen, ob nicht doch gewisse Maßnahmen zunächst sozial schwächeren Schichten zuzuordnen sind. Auf die Dauer sollte jedoch eine solche Differenzierung entfallen. Das ist aber eine Frage der langfristigen Entwicklung.
Frau Abgeordnete Dr. Walz zu einer letzten Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen nicht klar, daß selbst in den Ländern, wo es Lernmittelfreiheit schon seit Jahren gibt, diese in keiner Weise voll ausgeschöpft werden kann, weil die Länder es einfach nicht bezahlen können? Wenn Sie nun bedenken, daß, die Länder jetzt schon 67% der Bildungsausgaben haben, wie wollen Sie es dann verantworten, ihnen hier eine neue große Aufgabe ohne Mittel des Bundes zuzuweisen?
Frau Kollegin Walz, die Länder haben ja leider einen höheren Anteil als 67 % an den Bildungsausgaben. An Bildung allein sind es etwa 94%, an Bildung und Wissenschaft zusammen sind es etwa 80 %. Es ist völlig klar, daß bei neuen Aufgaben die Frage der Verteilung der Lasten zwischen Bund und Ländern immer wieder zu erwägen sein wird. Auch das ist ja, wie Sie wissen, eine zentrale Aufgabe der Bildungsplanungskommission. Deswegen kann auch über die Frage, die Herr Hansen hier gestellt hat, letzten Endes nur im Rahmen einer Gesamtreform und eines Gesamtkonzeptes entschieden werden.
Die Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Klepsch wird in Zusammenhang mit den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung beantwortet.
Die Fragen 106 und 107 werden nach der mir vorliegenden Ubersicht schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe als nächste Frage die des Herrn Abgeordneten Dr. Haack auf:
Wie steht die Bundesregierung zu dem Vorschlag, den Bau von Studentenwohnheimen in die Finanzierung nach dem Hochschulbauförderungsgesetz einzubeziehen?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege, die Bundesregierung hat in dem diesjährigen Bericht zur Bildungspolitik hinsichtlich der Frage der Einbeziehung des Studentenwohnheimbaues in die Gemeinschaftsaufgabe „Hochschulbau" folgendes ausgeführt; ich darf das mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren. Es heißt dort:
Die Bundesregierung erwägt, die Finanzierung des studentischen Wohnheimbaues auf eine neue Grundlage zu stellen und sie in die Gemeinschaftsaufgabe nach dem Hochschulbauförderungsgesetz einzubeziehen. Die notwendigen Ausbaumaßnahmen können sonst nicht sichergestellt werden. Eine erhebliche Vermehrung der Mittel für den studentischen Wohnheimbau ist erforderlich.
Aber unabhängig davon, Herr Kollege, ob der Studentenwohnraumbau in die Gemeinschaftsaufgabe „Hochschulbau" einbezogen werden wird oder nicht — das ist ja eine Frage, die auch mit den Ländern zu entscheiden sein wird —, wird die Bundesregierung ihre Anstrengungen zu einer Verstärkung des Studentenwohnheimbaues oder -wohnraumbaues im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten fortsetzen. Ich darf nur darauf hinweisen, Herr Kollege, daß, resultierend aus den von uns übernommenen Planungen 1969/70, im Haushalt 1970 23 Millionen DM für diese Aufgaben vorgesehen waren und daß wir für den Haushalt 1971 eine Steigerung auf 52 Millionen DM vorsehen.
Eine Zusatzfrage!
Ich habe die Frage deshalb gestellt, Herr Staatssekretär, weil vor kurzem eine Konferenz von Universitätsstädten stattgefunden hat, die diese Forderung noch einmal erhoben haben. Ich darf voraussetzen, daß der Vorschlag dieses Gremiums auch der Bundesregierung bekannt ist und daß sie darauf geantwortet hat.
Herr Kollege, Sie nehmen wahrscheinlich Bezug auf die Diskussion in Regensburg.
— Diese Diskussion ist der Bundesregierung bekannt. Wir haben hier mit einem Problem zu tun, das nur zwischen Bund und Ländern, und zwar, wie ich glaube, in der von mir hier aus dem Bildungsbericht zitierten Weise gelöst werden kann.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 76. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. November 1970 4259
Damit sind die Fragen aus Ihrem Geschäftsbereich beantwortet. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Rohde zur Verfügung.
Die Fragen 25 bis 27 der Abgeordneten Ruf und Maucher werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 28 der Abgeordneten Frau Funcke auf:
Gibt es Arbeitsämter in der Bundesrepublik Deutschland, die von Frauen geleitet werden?
Frau Kollegin, ich darf Sie bitten, damit einverstanden zu sein, daß ich Ihre beiden Fragen im Zusammenhang beantworte.
Die Fragestellerin ist einverstanden. Ich rufe also auch die Frage 29 der Frau Abgeordneten Funcke auf:
Beabsichtigt die Bundesanstalt für Arbeit, Frauen an leitende Stellen in der Arbeitsverwaltung zu berufen?
Von den 146 Arbeitsämtern in der Bundesrepublik werden vier von Frauen geleitet, und zwar die Arbeitsämter Wesel, Detmold, Meschede und Weiden. Neben diesen vier Arbeitsamtsdirektorinnen gibt es etwa 40 leitende Mitarbeiterinnen, die als Vizepräsidentin, Abteilungsleiterinnen und Referentinnen in der Bundesanstalt für Arbeit tätig sind.
Ihre zweite Frage kann ich mit Ja beantworten. Bei den personellen Entscheidungen für leitende Dienstposten sollen, wie uns die Bundesanstalt mitgeteilt hat, auch in Zukunft die nach Alter und Qualifikation in Betracht kommenden weiblichen Bediensteten berücksichtigt werden.
Im übrigen werde ich Ihre Fragen, Frau Kollegin, und damit die Erwartungen, die darin zum Ausdruck kommen, an die Bundesanstalt weiterleiten.
Ich rufe die Frage 30 des Abgeordneten Härzschel auf:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um hei der Gewährung von zinsgünstigen Baudarlehen aus der Rentenversicherung den Arbeitern die gleiche Möglichkeit zu eröffnen wie den Angestellten?
Herr Staatssekretär!
Herr Kollege, bereits am 9. Oktober dieses Jahres wurde bei der Beantwortung einer von Ihnen ähnlich gestellten Frage von unserem Hause darauf hingewiesen, daß in dem mit einer einzigen Gegenstimme verabschiedeten 3. Rentenversicherungs-Änderungsgesetz der Bildung einer ausreichenden Liquiditätsreserve Vorrang gegeben worden ist. Die Rentenversicherungsträger sind danach gehalten, ihre Überschüsse nicht anders als in den für die Liquiditätsreserve vorgesehenen Anlageformen anzulegen. Dank der günstigen wirtschaftlichen Entwicklung und dem damit verbundenen Anstieg der Beitragseinnahmen ist zwar die Liquiditätsreserve der Träger der Rentenversicherung der Arbeiter inzwischen erheblich angewachsen, das gesetzlich vorgeschriebene Liquiditäts-Soll aber noch nicht erfüllt.
Sobald das Liquiditäts-Soll aufgefüllt sein wird — bei weiterhin anhaltender günstiger Entwicklung der Beitragseinnahmen kann damit in absehbarer Zeit gerechnet werden —, können auch die Träger der Arbeiterrentenversicherung ihren Versicherten wieder in gewissem Umfang zinsgünstige Baudarlehen zur Verfügung stellen.
Diese Fragen werde ich bei den in der Fragestunde am 9. Oktober 1970 angekündigten Gesprächen mit dem Verband Deutscher Rentenversicherungsträger berücksichtigen. Von dem Ergebnis dieser Gespräche, Herr Kollege, werde ich Sie selbstverständlich unterrichten.
Eine Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, darf ich Ihrer Antwort entnehmen, daß die Bundesregierung nicht bereit ist, gesetzliche Maßnahmen zu ergreifen, um eine Gleichstellung zu erreichen, obwohl bei der Neuformulierung des Rentenversicherungsrechts deutlich zum Ausdruck kam, daß beide Zweige gleichbehandelt werden sollen?
Herr Kollege, die Regelungen über die finanziellen Grundlagen der Rentenversicherung sowohl der Arbeiter als auch der Angestellten sind erst im vergangenen Jahr durch Gesetz beschlossen worden. Wie Sie wissen, ist es erste Aufgabe der Rentenversicherungsträger — das hat sich wie ein roter Faden damals durch die Beratungen in dem zuständigen Fachausschuß des Parlaments gezogen —, die Rentenzahlungen sicherzustellen. Wenn Sie jetzt darüber hinausgehende Änderungen wünschen, würde das die Finanzgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung berühren. Damit wäre ein Fragenkomplex aufgeworfen, Herr Kollege, den wir hier seinem ganzen Umfang nach in einer Fragestunde schwerlich behandeln können.
Eine weitere Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, würden Sie mir zustimmen, daß damit in der Regel im Wohnungsbau gerade die besser verdienenden Angestellten zinsgünstige Darlehen erhalten können, während das bei den Arbeitern nicht möglich ist?
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4260 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 76. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. November 1970
Herr Kollege, ich sage nicht, daß es hier keine Probleme gibt, sondern habe schon in meiner einleitenden Antwort darauf hingewiesen, daß wir die Gelegenheit des Gesprächs mit den Rentenversicherungsträgern dazu nutzen werden, auch die von Ihnen aufgeworfene Frage zu erörtern.
Die Fragesteller der Fragen 31 bis 33, die Abgeordneten Schiller und Dr. Haack, haben um schriftliche Beantwortung ihrer Fragen gebeten. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Damit haben wir die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung erledigt. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Bayerl zur Verfügung.
Ich rufe zunächst die Frage 34 des Abgeordneten Hussing auf. Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 35 des Abgeordneten Weigl auf. — Auch der' Abgeordnete Weigl ist nicht anwesend. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Der Abgeordnete Hein, der die Fragen 36 und 37 gestellt hat, ist ebenfalls nicht anwesend. Die Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 38 des Abgeordneten Dr. Marx auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung des niedersächsischen Justizministers, daß die Tätigkeit der "arbeitslos" gewordenen „Zentralen Erfassungsstelle der Westdeutschen Länderjustizverwaltungen zur Registrierung von Gewalt und Willkürakten an der Zonengrenze und in der DDR" auch dadurch ersetzt werden könnte, daß Unrechtstaten, Rechtsbeugungen und Terrorurteile in der DDR" „künftig von den zuständigen Staatsanwaltschaften, auch denen in der DDR, erfaßt" werden könnten?
Herr Präsident, ich bitte, die Fragen 38 bis 41 zusammen beantworten zu dürfen.
Wenn der Fragesteller damit einverstanden ist, bestehen keine Bedenken, seine Fragen zusammen zu beantworten.
Ein Teil der Fragen, Herr Präsident, ist durch eine zwischenzeitliche Entscheidung ohnehin erledigt.
Herr Kollege, ich darf Sie nur darauf aufmerksam machen, daß wir inzwischen 15 Uhr haben und daß Sie, wenn Sie der Verbindung der Fragen zustimmen, die Chance zu mehr Zusatzfragen haben.
Ich stimme zu. Ich sagte ja, ein Teil der Fragen ist ohnehin erledigt.
Ich rufe dann auch noch die Frage 39, Ihre zweite Frage, Herr Dr. Marx, auf:
Entspricht der Wunsch des niedersächsischen Justizministers Schäfer, die „Zentrale Erfassungsstelle für Gewalt- und Willkürakte in der DDR" aufzulösen, der politischen Absicht der Bundesregierung im Zusammenhang mit der neu formulierten Deutschlandpolitik?
Herr Kollege Marx — und Herr Kollege Lenz, der die Fragen 40 und 41 gestellt hat —, der Justizminister des Landes Niedersachsen hat gelegentlich der Justizministerkonferenz vom 28. bis 30. Oktober 1970 in Hannover die Frage der weiteren Arbeit und Organisation der Zentralen Erfassungsstelle der Landesjustizverwaltungen in Salzgitter aufgeworfen. Die Frage ist eingehend erörtert worden. Die Justizminister der Länder haben nach Abstimmung mit dem Bundesminister der Justiz wie folgt Stellung genommen:
Nach Unterrichtung durch Herrn Justizminister Schäfer über die Zentrale Erfassungsstelle der Landesjustizverwaltungen in Salzgitter sehen die Justizminister keinen Anlaß, ihre früheren Beschlüsse über die Einrichtung und Tätigkeit dieser Erfassungsstelle abzuändern.
Ich habe dem nichts hinzuzufügen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Marx.
Herr Staatssekretär, ich will mich in meiner Frage ganz vorsichtig ausdrücken: Ist mit diesem Beschluß auch die Frage 38 beantwortet, worin ich nach Ihrer Haltung zu der Bemerkung des niedersächsischen Justizministers fragte?
Ja; sonst wäre die Erfassungsstelle nicht mit Zustimmung des Bundesjustizministers beibehalten worden.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, erlauben Sie, daß ich die politische Frage stelle: Stimmen Sie den Feststellungen des niedersächsischen Justizministers zu, daß die von der Zentralen Erfassungsstelle in Salzgitter-Bad erfaßten Unrechtstatbestände und Rechtsbeugungen, deren sich ja Staatsanwälte in der DDR schuldig machen, von den gleichen Staatsanwälten geahndet werden können?
Sicher nicht in vollem Umfang; sonst wäre die Erfassungsstelle schon im jetzigen Zeitpunkt überflüssig.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 76. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. November 1970 4261
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, da Sie sagen „nicht in vollem Umfange", darf ich fragen: In welchem Umfang halten Sie dies für möglich?
Das ist bei der Vielfalt der Sachverhalte, die dabei in Rede stehen können, sicher sehr schwer zu differenzieren.
Eine letzte Zusatzfrage, Herr Dr. Marx.
Herr Staatssekretär, inwieweit glauben Sie, daß das vorhandene Rechtssystem in der DDR — ich meine nicht das in der Verfassung garantierte, sondern das praktizierte — dies überhaupt ermöglichte?
Sicher wird es das nicht ermöglichen nach unseren rechtsstaatlichen Vorstellungen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Lenz.
Herr Staatssekretär, ist aus Ihren Antworten zu entnehmen, daß sich die Bundesregierung von Anfang an der Auflösung der Erfassungsstelle widersetzt hat?
Sie hat sich in dem Zeitpunkt der Auflösung widersetzt, als es für uns aktuell wurde: bei der Justizministerkonferenz.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Hauser als letzte Zusatzfrage!
— — Herr Kollege Dr. Lenz, ich konnte zu diesem Zeitpunkt nur noch ,die Fragen des Abgeordneten Dr. Marx aufrufen, und hierzu haben Sie nach den Richtlinien der Fragestunde leider nur eine Zusatzfrage. Ich gebe jetzt aber dem Kollegen Hauser die Möglichkeit, noch eine Zusatzfrage zu stellen.
Herr Staatssekretär, schien es Ihnen politisch überaus klug, daß der niedersächsische Justizminister in Zusammenhang mit seiner Denkübung über die Auflösung der Zentralstelle die Äußerung tat: „Wir haben für die Schweiz und die Niederlande auch nicht besondere Erfassungsstellen, dafür reichen die geltenden Gesetze und Zuständigkeiten aus" und damit den Vergleich übernahm, den Herr Schukow bezüglich der Unveränderbarkeit der Grenze zur DDR gebrauchte, als er sagte, diese Grenze sei ebenso un-veränderbar wie die gegenüber der Schweiz und Frankreich?
Herr Kollege Hauser, die Bundesregierung hat über die politische Klugheit von Landesjustizministern nicht zu befinden.
Meine Damen und Herren, damit stehen wir am Ende der heutigen Fragestunde.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Freitag, den 6. November, 9.00 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.