Protokoll:
6073

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 6

  • date_rangeSitzungsnummer: 73

  • date_rangeDatum: 15. Oktober 1970

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:02 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 10:09 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 73. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1970 Inhalt: Fragestunde (Drucksache VI/1253) Frage des Abg. Niegel: Entwurf des Städtebauberichtes 1970 Ravens, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 4075, B, D, 4076 A Niegel (CDU/CSU) . . . 4075 D, 4076 A Frage des Abg. Höcherl: Steigerung des Realeinkommens Dr. Schöllhorn, Staatssekretär 4076 A, B, C, D, 4077 A, B Höcherl (CDU/CSU) . . . . . 4076 B, C Niegel (CDU/CSU) . . . 4076 D, 4077 A Dr. Fuchs (CDU/CSU) 4077 B Frage des Abg. Höcherl: Höhe der Preissteigerungsrate Dr. Schöllhorn, Staatssekretär . . 4077 C, D, 4078 B, C, 4079 A Höcherl (CDU/CSU) 4077 D Niegel (CDU/CSU) . . . . . . 4078 A Engelsberger (CDU/CSU) . . . 4078 B Dr. Klepsch (CDU/CSU) . . . . 4078 C Dasch (CDU/CSU) . . . . . . 4078 D Dr. Fuchs (CDU/CSU) . . . . . 4079 A Frage des Abg. Blumenfeld: Gemeinsame Handelspolitik der Europäischen Gemeinschaften gegenüber Drittländern Dr. Schöllhorn, Staatssekretär . 4079 B, C, D, 4080 A, B, C Blumenfeld (CDU/CSU) . . . . 4079 C, D Dasch (CDU/CSU) 4079 D Dr. Klepsch (CDU/CSU) 4080 B Niegel (CDU/CSU) 4080 B Frage des Abg. Blumenfeld: Auswirkungen der Deutschlandpolitik auf die handelspolitische Behandlung der DDR durch die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Dr. Schöllhorn, Staatssekretär . . 4080 C, D, 4081 A Blumenfeld (CDU/CSU) . . . . 4080 C, D Meister (CDU/CSU) 4081 A Frage des Abg. Dr. Jobst: Förderungspräferenzen für das Zonenrandgebiet Dr. Schöllhorn, Staatssekretär . 4081 B, C, D, 4082 A, B, C, D Dr. Jobst (CDU/CSU) 4081 C Dr. Fuchs (CDU/CSU) 4081 D Niegel (CDU/CSU) 4082 A Dr. Kempfler (CDU/CSU) . . 4082 C Varelmann (CDU/CSU) 4082 D II Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 73. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1970 Frage des Abg. Dr. Klepsch: Eidesformel für Berufs- und Zeitsoldaten Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär 4083 B, C, D Dr. Klepsch (CDU/CSU) . . . 4083 C, D Fragen des Abg. Varelmann: Anteil der nach dem Ausbildungsförderungsgesetz geförderten Kinder aus Arbeiterfamilien Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . 4084 A, C Varelmann (CDU/CSU) . . . . 4084 B, C Frage des Abg. Dröscher: Einkommensgrenze für die Hilfe nach dem Honnefer Modell oder nach dem Ausbildungsförderungsgesetz Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär . . 4084 D, 4085 A, B, C Dröscher (SPD) . . . . . . . 4085 A, B Frau Schroeder (Detmold) (CDU/CSU) 4085 C Fragen des Abg. Pawelczyk: Förderung von Waisen nach dem Ausbildungsförderungsgesetz Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär . 4085 C, D, 4086 B, C, D, 4087 A, B Pawelczyk (SPD) 4086 B, C, D Niegel (CDU/CSU) 4087 A Frau Schroeder (Detmold) (CDU/CSU) 4087 B Frage des Abg. Seefeld: Erkenntnis von Professor Walter Jaide betr. 15- bis 18jährige Jugendliche Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär 4087 C Fragen des Abg. Pohlmann: Kernkraftwerk in Würgassen — Schadensersatzpflicht gegenüber Geschädigten Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 4087 D, 4088 A Nächste Sitzung 4088 C Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 4089 A Anlage 2 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Jobst betr. das Gesetz über die Zivilverteidigung der DDR 4089 B Anlage 3 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Enders betr. Einberufung von vor der Übernahme einer Artzpraxis in einem strukturschwachen Raum stehenden Ärzten zur Bundeswehr 4089 D Anlage 4 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Jung betr. Auswahlkriterien für studierende Offiziere . . . . 4090 A Anlage 5 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Baier betr. Vereinbarkeit der Beschränkung der Waisenrente in der Sozialversicherung und des Kinderzuschlages in den Besoldungsgesetzen auf unverheiratete Kinder mit dem Grundgesetz 4090 C Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 73. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1970 4075 73. Sitzung Bonn, den 15. Oktober 1970 Stenographischer Bericht Beginn: 9.02 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Apel 16. 10. Dr. Dittrich * 16. 10. Frau Frey 16. 10. Frau Geisendörfer 16. 10. Gewandt 16. 10. Gerlach (Emsland) * 16. 10. Haar (Stuttgart) 16. 10. Dr. Hallstein 16. 10. Hauser (Bad Godesberg) 16. 10. Helms 16. 10. Heyen 18. 12. Dr. Hubrig 16. 10. Dr. Jungmann 16. 10. Lemmrich 16. 10. Lensing 15. 10. Logemann 16. 10. Majonica 16. 10. Dr. Marx (Kaiserslautern) 16. 10. Meister * 16. 10. Müller (Aachen-Land) * 15. 10. Dr. Müller-Hermann 16. 10. 011esch 16. 10. Peters (Norden) 16. 10. Pieroth 16. 10. Frau Renger 15. 10. Richarts * 15. 10. Schmitt (Lockweiler) 16. 10. Schmidt (Würgendorf) ** 16. 10. Schulte (Schwäbisch-Gmünd) 16. 10. Dr. Schulz (Berlin) *** 15. 10. Stein 16. 10. Dr. Tamblé 30. 10. Tönjes 16. 10. Vehar 16. 10. Wendt 16. 10. Wilhelm 30. 10. Anlage 2 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Herold vom 14. Oktober 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Jobst (Drucksache VI/1253 Frage A 3) : * Für die Teilnahme an einer Sitzung des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an einer Tagung der Beratenden Versammlung des Europarates *** Für die Teilnahme an einer Tagung der Versammlung der Westeuropäischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Wird die Bundesregierung die Begründung für das „Gesetz über die Zivilverteidigung der DDR" mit angeblichen westdeutschen Bürgerkriegsplänen („Die Welt" vom 19. September 1970) unwidersprochen hinnehmen? Das Gesetz über die Zivilverteidigung der DDR wurde am 16. September 1970 in der 18. Tagung der Volkskammer vom Minister des Innern der DDR, Friedrich Dickel, begründet und am gleichen Tage von der Volkskammer angenommen. Die Begründung ist in ihren wesentlichen Teilen in der Zeitung „Neues Deutschland" vom 17. September 1970 abgedruckt. Innenminister Dickel motivierte die Notwendigkeit des neuen Gesetzes politisch mit allgemein gehaltenen Ausführungen über die fortbestehende gefährlichkeit des Imperialismus als ernster Feind des Sozialismus. In diesem Zusammenhang erwähnte er unter anderem die in der Bundesrepublik Deutschland angeblich aktiven Kräfte der Revanche und des Militarismus. Sachlich begründete Dickel das Gesetz damit, daß die bisher auf der Grundlage des Gesetzes vom 11. Februar 1958 über den Luftschutz in der DDR durchgeführten örtlichen Luftschutzmaßnahmen nicht mehr den Erfordernissen des Gesamtsystems einer modernen Landesverteidigung entsprechen. Von „westdeutschen Bürgerkriegsplänen" ist in der Begründung nicht die Rede. Eine Reaktion der Bundesregierung im Sinne der Fragestellung ist deshalb nicht nötig. Anlage 3 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Berkhan vom 15. Oktober 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Enders (Drucksache VI/1253 Frage A 85): Ist die Bundesregierung bereit, von der Einberufung von Ärzten zur Bundeswehr abzusehen, wenn sie unmittelbar und nachweislich vor der Übernahme einer Arztpraxis in einem strukturschwachen Raum stehen? Ihre Frage kann man nicht ohne weiteres mit Ja oder Nein beantworten. Ob ein Arzt, der vor der Übernahme einer Arztpraxis in einem strukturschwachen Raum steht, einberufen werden muß oder nicht, richtet sich nach dem öffentlichen Interesse. Überwiegt das öffentliche Interesse an der ärztlichen Versorgung der zivilen Bevölkerung in diesem Raum, dann müßte dieser Arzt unabkömmlich gestellt werden. Überwiegt aber das öffentliche Interesse am Wehrdienst, dann müßte er einberufen werden. Es gibt hierfür ein gesetzlich vorgeschriebenes Verfahren, an dem die kommunalen und die Wehrersatzbehörden gleichermaßen beteiligt sind, über das aber letztlich ein unabhängiger Ausschuß abschließend entscheidet. 4090 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 73. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Oktober 1970 Anlage 4 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Berkhan vom 15. Oktober 1970 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Jung (Drucksache VI/1253 Fragen A 87 und 88) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Auswahlkriterien für studierende Offiziere so unterschiedlich sind, daß in einigen Waffengattungen ein Studium auch „artfremder" Disziplinen möglich ist (z. B. der Geisteswissenschaften), während in anderen Waffengattungen nur das Studium eines entsprechenden Faches (Tiefbau, Elektrotechnik, Maschinenbau) möglich ist? Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, um die Einheitlichkeit der Auswahlkriterien zu gewährleisten? Die Kriterien für die Auswahl von Berufsoffizieren des Truppendienstes für ein technisches oder nichttechnisches Studium sind in allen Teilstreitkräften gleich. Ausschlaggebend sind der Bedarf der Streitkräfte und die Eignung der Offiziere für die vorgesehene oder angestrebte Verwendung. Die betreffenden Offiziere müssen überdurchschnittliche Beurteilungen in ihren bisherigen Verwendungen haben und überdurchschnittliche Eignung für ihre künftige fachliche Verwendung erkennen lassen. Die Kommandierung zu einem technischen oder nichttechnischen Studium hängt grundsätzlich nicht von der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Waffengattung (Dienstbereich, Fachrichtung) ab. So kann ein Offizier, der bislang auf Dienstposten mit überwiegend technischen Merkmalen verwendet worden ist, Antrag auf Zulassung zu einem geisteswissenschaftlichen Studium stellen, und umgekehrt. Die Auswahl von Berufsoffizieren zu einem wissenschaftlichen Hochschulstudium erfolgt — wie ich ausgeführt habe — nach einheitlichen Auswahlkriterien. Zur Zeit kann jedoch jährlich nur eine begrenzte Zahl von Berufsoffizieren des Truppendienstes zu einem Studium kommandiert werden. Es sind zur Zeit — mit Beginn jeweils zum Wintersemester — etwa 25 Offiziere für technische und 15 Offiziere für nichttechnische Fachrichtungen. Diese begrenzte Zahl bedingt eine besonders sorgfältige Auswahl, um die geeigneten Offiziere zu erfassen. Anlage 5 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Westphal vom 14. Oktober 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Baier (Drucksache VI/ 1253 Frage A 89) : Hat die Bundesregierung geprüft, ob die Beschränkung auf unverheiratete Kinder nach den neueren Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts betreffend Waisenrente in der Sozialversicherung und Kinderzuschlag in den Besoldungsgesetzen nach Artikel 6 des Grundgesetzes verfassungswidrig ist? Die Bundesregierung hat diese Prüfung vorgenommen. Das Ergebnis der Prüfung hat in dem Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Änderung sozial- und beamtenrechtlicher Vorschriften über Leistungen für verheiratete Kinder Niederschlag gefunden. Dieser Entwurf, der kürzlich vom Bundesrat im ersten Durchgang behandelt worden ist und demnächst dem Bundestag zugeleitet wird, hält sich in dem Rahmen, der vom Bundesverfassungsgericht in den von Ihnen genannten Entscheidungen für maßgeblich erklärt worden ist. Dazu war es insbesondere erforderlich, als Zeitpunkt des Inkrafttretens der erforderlichen Gesetzesänderungen bereits den 1. Juni 1970 vorzuschlagen. Die Einzelheiten des Gesetzentwurfs bitte ich der Pressemitteilung des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit vom 20. August 1970 zu entnehmen, die Ihnen gesondert zugeht.
Gesamtes Protokol
Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0607300000
Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe den einzigen Punkt der Tagesordnung auf:
Fragestunde
— Drucksache VI/1253 —
Die Frage 1 des Abgeordneten Weigl aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz ist zurückgezogen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Städtebau und Wohnungswesen. Ich rufe die Frage 2 des Abgeordneten Niegel auf:
Trifft es zu, daß der Bundesstädtebauminister den Entwurf des Städtebauberichtes 1970 oder wesentliche Teile davon nicht in seinem eigenen Hause, sondern durch ein der Unternehmensgruppe der „Neuen Heimat" angehörendes Unternehmen gegen eine hohe Vergütung erstellen läßt?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Karl Ravens (SPD):
Rede ID: ID0607300100
Herr Kollege Niegel, Ihre Frage beantworte ich mit Nein. Der Entwurf des Städtebauberichtes 1970 der Bundesregierung ist im Bundesministerium für Städtebau und Wohnungswesen erarbeitet worden. Er wird mit den Bundesressorts abgestimmt.
Im Rahmen des städtebaulichen Forschungsprogramms 1970 des Bundesministers für Städtebau, das insgesamt 46 Forschungsvorhaben enthält, wurden acht Forschungsaufträge unter dem besonderen Aspekt erteilt, daß ihre Ergebnisse oder Zwischenergebnisse in dem Städtebaubericht 1970 der Bundesregierung mitverwertet werden können. Im einzelnen sind dies folgende Forschungsarbeiten:
1. Zielvorstellungen, Theorie und Instrumente der Stadtentwicklung. Der Auftragnehmer ist das Kommunalwissenschaftliche Forschungszentrum in Berlin.
2. Weiterentwicklung von Methoden zur Typisierung von Gemeinden, insbesondere von Städten, u. a. unter dem Gesichtspunkt der Bestimmung ihrer Wachstumskräfte und Messung ihrer Attraktivität. Der Auftragnehmer ist der Ausschuß für Stadtforschung im Verband Deutscher Städtestatistiker.
3. Wissenschaftliche Grundlagen einer städtebaulichen Reformpolitik. Der Auftragnehmer ist die GEWOS in Hamburg.
4. Der Beitrag des Bauingenieurs zum Städtebau. Auftragnehmer ist Professor Gassner in Bonn.
5. Konsequenzen aus der Entwicklung des Bauwesens für den Städtebau. Auftragnehmer ist Professor Bley, Karlsruhe.
6. Grundsatzbericht über die Auswirkungen der industriellen Entwicklung auf das Bauen der Zukunft. Auftragnehmer ist Professor Weber, Hannover.
7. Analyse und Bewertung der Grundlagen und Maßstäbe der Entwicklungsplanungen der Länder für eine künftige Städtebaupolitik. Auftragnehmer ist Professor Wagner, Düsseldorf.
8. Zentrale Orte in ländlichen Räumen als Grundlage für Investitionspräferenzen im Sinne des § 1 des Städtebauförderungsgesetzes. Auftragnehmer ist die GEWOS in Hamburg.
Die GEWOS hat im Rahmen der Forschungsarbeit „Wissenschaftliche Grundlagen einer städtebaulichen Reformpolitik" neben eigenen Forschungen auch Ergebnisse weiterer Forschungsarbeiten im Hinblick auf das genannte Forschungsthema koordiniert.
In den Entwurf des Städtebauberichtes 1970 der Bundesregierung konnten auf Grund der Ergebnisse dieser Forschungsarbeiten neuere wissenschaftliche Erkenntnisse aufgenommen werden. Darüber hinaus finden Ergebnisse weiterer Untersuchungen, insbesondere aus dem Bereich der Studien und Modellvorhaben zur Erneuerung von Städten und Dörfern, in dem Berichtsentwurf Berücksichtigung.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0607300200
Eine Zusatzfrage.

Lorenz Niegel (CSU):
Rede ID: ID0607300300
Herr Staatssekretär, wurden Aufträge an die „Neue Heimat" weder im Städtebauberichtsverfahren noch sonstwie erteilt?

Karl Ravens (SPD):
Rede ID: ID0607300400
An die „Neue Heimat" wurden überhaupt keine Aufträge erteilt, Herr Kollege Niegel. Es wurden Aufträge an die GEWOS erteilt. Ich habe sie beide genannt.




Lorenz Niegel (CSU):
Rede ID: ID0607300500
Welche Entschädigungssätze werden dafür bezahlt?

Karl Ravens (SPD):
Rede ID: ID0607300600
Die Summen belaufen sich ingesamt auf 570 000 DM für alle acht von mir genannten Forschungsaufträge.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0607300700
Keine weiteren Zusatzfragen mehr.
Bei den Fragen 3 — Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen — und 4 — Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit — sind die Fragesteller, die Abgeordneten Dr. Jobst und Porzner, mit schriftlicher Beantwortung einverstanden. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft. Ich rufe die Frage 53 des Abgeordneten Höcherl auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die kürzlich in einem Interview geäußerte Meinung des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesministerium für Wirtschaft, Philip Rosenthal, wonach „unter dem Strich" die Einkommen im Durchschnitt eine reale Steigerung von 9 % (8,5 % / 7,5 %) erfahren haben, obwohl der Anstieg der Preise für Lebenshaltung, Wohnraumbeschaffung und -nutzung z. T. weit über dem statistischen Durchschnitt liegt und der nominale Einkommenszuwachs durch überproportionale Lohnsteuerzahlungen gemindert wird?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0607300800
Herr Präsident! Ich darf die Frage wie folgt beantworten. Herr Rosenthal hat in jeder seiner Aussagen die Preisstabilität als eines der im Stabilitäts- und Wachstumsgesetz vorgeschriebenen gesamtwirtschaftlichen Ziele bezeichnet und auf das entschlossene Handeln der Bundesregierung zur Bekämpfung der Preissteigerung hingewiesen, beginnend mit der Aufwertung der D-Mark im Herbst vergangenen Jahres und fortgesetzt mit den Ihnen bekannten weiteren Schritten. Herr Rosenthal hat allerdings zugleich betont, daß zu einem Gesamtbild unserer Situation auch der Aspekt der gestiegenen Realeinkommen gehört, also das, was dem Arbeitnehmer nach Abzug von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen unter Berücksichtigung der Preissteigerungen „unter dem Strich" verbleibt. Seine Berechnungen sind inzwischen vom Statistischen Bundesamt bestätigt worden. Nach diesen Berechnungen verbleibt nach dem Abzug der Lohnsteuer sowie der Versicherungsbeiträge und unter Berücksichtigung der eingetretenen Steigerung der Lebenshaltungskosten eine Zunahme der reinen Nettolohn-und -gehaltssumme je beschäftigten Arbeitnehmer von gut 8 %.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0607300900
Eine Zusatzfrage.

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0607301000
Ich kann zwar verstehen, daß der einzelne Arbeitnehmer errechnet, was „unter dem Strich" verbleibt. Muß aber ein Staatssekretär nicht auch die übrigen Folgen einer solchen Errechnung bedenken?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0607301100
Natürlich müssen bei solchen Berechnungen und bei solchen Bewegungen, wie wir sie im Jahre 1970 gehabt haben, die positiven wie die negativen Seiten berücksichtigt werden. Aber seit dem Jahre 1956 wird in schöner Regelmäßigkeit in den Lageberichten des Bundeswirtschaftsministeriums zum Jahresende immer die Rechnung aufgemacht: Wie hoch war die Reallohnsteigerung, die Verbesserung der Kaufkraft? Niemand hat bisher an solchen Berechnungen Anstoß genommen und daraus eine Kritik abgeleitet, wie sie jetzt in der Öffentlichkeit zu hören war.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0607301200
Eine weitere Zusatzfrage.

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0607301300
Glauben Sie nicht, daß die Bundesbank mit ihrer Bemerkung, es handle sich um eine hausgemachte Inflation, genau an diesen Sachverhalt gedacht hat?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0607301400
Die Feststellung, von welchen Ursachen eine Inflation kommt, ist viel zu kompliziert, als daß man sagen kann: es gibt eine rein hausgemachte und eine rein importierte Inflation. Das ist weder bei uns noch in anderen Ländern der Fall. Immer sind auch Einflüsse von außen maßgebend. Wenn Sie sich etwa die Kosten- und Lohnentwicklung in fast allen Industrieländern der westlichen Welt anschauen, werden Sie sehen, daß das Phänomen, mit dem wir es hier in der Bundesrepublik zu tun haben, sehr weit verbreitet ist. Ich halte nichts von den scharfen Unterscheidungen zwischen hausgemachter und importierter Inflation. Man kann nur in bestimmten Perioden sagen: Schwergewichte kommen aus dieser oder jener Entwicklung.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0607301500
Sie haben keine Zusatzfrage mehr. — Herr Abgeordneter Niegel!

Lorenz Niegel (CSU):
Rede ID: ID0607301600
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie den Leitartikel von Dr. Walter Slotosch in der „Süddeutschen Zeitung" vom Samstag vor einer Woche, der sich sehr hart und scharf mit den Äußerungen des Herrn Staatssekretärs Rosenthal auseinandersetzt und zu dem Ergebnis kommt, daß a) unter dem Strich nicht mehr bleibt und b) der deutsche Sparer 28 Milliarden DM Sparverlust durch die Untätigkeit der Regierung hat?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0607301700
Ich schätze Herrn Slotosch
als — —

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0607301800
Entschuldigen Sie, ich habe Ihre Zwischenfrage nicht recht verstanden. Haben Sie den Herrn Staatssekretär gefragt, ob er einen Zeitungsartikel billigt?

Lorenz Niegel (CSU):
Rede ID: ID0607301900
Zu den Äußerungen von Herrn Rosenthal!

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0607302000
Ob er den billigt? Niegel (CDU/CSU) : Wie er ihn beurteilt!




Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0607302100
Ich habe Zweifel, ob ich diese Frage zulassen kann. — Ich lasse die Frage nicht zu.

Lorenz Niegel (CSU):
Rede ID: ID0607302200
Darf ich die Frage anders stellen?

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0607302300
Bitte!

Lorenz Niegel (CSU):
Rede ID: ID0607302400
Herr Staatssekretär, ist Ihnen der Artikel in der „Süddeutschen Zeitung" bekannt, in dem sich Herr Dr. Walter Slotosch mit den Äußerungen des Herrn Staatssekretärs Rosenthal befaßt?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0607302500
Ich lese die „Süddeutsche Zeitung" regelmäßig, insbesondere die Artikel meines langjährigen Bekannten Walter Slotosch. Ich kenne Herrn Slotosch seit meiner Zeit im Ifo-Institut. Er ist ein sehr engagierter Journalist und Nationalökonom, hat aber zu bestimmten Indizes ein ganz bestimmtes Verhältnis. Schon viele Bundesregierungen vor dieser haben mit Herrn Walter Slotosch über die Aussagefähigkeit eines bestimmten Index, auf den Herr Slotosch sich immer bezieht und von dem er seine Rechnungen ableitet, Diskussionen geführt. Wir haben ihn nicht überzeugt, er uns aber auch nicht.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0607302600
Eine Bemerkung. Ich habe die Frage zwar noch einmal zugelassen, aber es ist nicht Sache der Fragestunde, die Regierung danach zu befragen, was sie von Zeitungsartikeln hält.
Herr Abgeordneter Fuchs!

Dr. Karl Fuchs (CSU):
Rede ID: ID0607302700
Herr Staatssekretär, würden Sie mir zustimmen, daß bei dieser Rechnung unter dem Strich, selbst unterstellt, daß sie stimmen würde, eine große Gruppe der Bevölkerung — z. B. Rentner, Mehrkinderfamilien, Sparer, Landwirte --nicht einbezogen werden kann, weil sie mit Sicherheit die Preissteigerungen nicht ersetzt bekommt?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0607302800
Herr Abgeordneter, ich wollte, unsere Statistik wäre so aussagefähig, daß wir solche Durchschnittsrechnungen disaggregieren könnten. Bei uns in der Bundesrepublik fehlt nach wie vor eine einigermaßen zuverlässige und aktuelle Einkommensstatistik. Alle Versuche, eine solche Statistik einzuführen — die Vorschläge sind schon seit vielen Jahren auf dem Tisch —, sind bisher gescheitert. Der letzte Versuch in diesem Hause war gescheitert, weil sich nach dem Einspruch der Länder keine Mehrheit im Vermittlungsausschuß ergeben hat.
Man kann solche Durchschnittsrechnungen also nicht auf die Gruppen herunterdisaggregieren, die hier angesprochen sind. Natürlich gibt es bei dieser Durchschnittsrechnung eine Spanne besonders Begünstigter und weniger Begünstigter.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0607302900
Keine Zusatzfrage mehr.
Ich rufe die Frage 54 des Herrn Abgeordneten Höcherl auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung des kürzlich aus dem Bundesministerium für Wirtschaft ausgeschiedenen Parlamentarischen Staatssekretärs, Dr. Klaus Dieter Arndt, daß man mit einer Geldentwertung von 3 bis 4 °Is leben müsse?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0607303000
Herr Abgeordneter, aus allen Aussagen der Bundesregierung geht eindeutig hervor, daß sie eine Verminderung der Preissteigerungsrate als eines ihrer vordringlichsten Ziele ansieht. Ihre Annahmen über die gesamtwirtschaftliche Entwicklung hat die Bundesregierung im Anhang zum Finanzplan des Bundes 1970 bis 1974 bekanntgegeben. Sie hat dort ausgeführt:
Nach dieser Zielprojektion wird eine durchschnittliche Zuwachsrate des gesamtwirtschaftlichen Preisniveaus und insbesondere des Preisniveaus des privaten Verbrauchs von 21/2 bis 2 % angestrebt. Das bedeutet bei der 1969/70 gegebenen Ausgangslage eine sukzessive Verminderung der Preissteigerungsrate.
Die Bundesregierung ist entschlossen, ihre Wirtschaftspolitik auf dieses Ziel ebenso auszurichten wie auf die übrigen dort definierten Ziele der Vollbeschäftigung, des angemessenen Wirtschaftswachstums und des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0607303100
Zusatzfrage.

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0607303200
Herr Staatssekretär, ich hätte gern eine Antwort auf meine Frage gehabt, ob Sie die Meinung des früheren Staatssekretärs Arndt teilen oder nicht.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0607303300
Herr Abgeordneter, mit der Antwort, die ich gegeben habe, ist das sicher gesagt. Ich habe nicht vorgelesen, daß die Bundesregierung eine Preissteigerung von 3 bis 4 % anstrebt.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0607303400
Noch eine Zusatzfrage.

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0607303500
War der Grund dafür, daß Staatssekretär Arndt sein Amt aufgegeben hat, vielleicht der, daß man dort seine Meinungen nicht teilt?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0607303600
Sie wissen, daß die Zusammenarbeit zwischen Herrn Minister Schiller und Herrn Arndt von Anfang an zeitlich begrenzt war und daß eine Vereinbarung bestand, diese Zusammenarbeit nach einer bestimmten Zeit zu beenden. Die Meinungsäußerungen von Herrn Arndt haben keineswegs etwas mit seinem Ausscheiden aus dem



Staatssekretär Dr. Schöllhorn
Amt des Staatssekretärs beim Wirtschaftsminister zu tun.

(Abg. Höcherl meldet sich zu einer weiteren Zusatzfrage.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0607303700
Sie hatten schon zwei Zusatzfragen gestellt, Herr Abgeordneter Höcherl.

(Abg. Höcherl: Herr Präsident, ich weiß, mir steht keine Frage mehr zu. Ich wollte nur sagen: Es sind sphinxhafte Antworten.)

— Es tut mir leid, daß ich den früheren Beamtenminister daran erinnern muß, daß die Frage nach den Gründen für die Annahme eines Gesuchs um Dienstentlassung eines Parlamentarischen Staatssekretärs nicht in die Fragestunde gehört.
Herr Abgeordneter Niegel!

Lorenz Niegel (CSU):
Rede ID: ID0607303800
Herr Staatssekretär, ich komme auf meine Frage von vorhin zurück. Hat Herr Slotosch im Gegensatz zu Herrn Arndt in dem fraglichen Artikel nachgerechnet, daß sogar 8 % Geldentwertung vorhanden sind? Da Sie vorhin gesagt haben, daß Sie die Meinung von Herrn Slotosch nicht teilen, möchte ich doch fragen: Hat Herr Slotosch mit seinen Voraussagen nicht immer leider recht behalten?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0607303900
Es geht bei diesen Feststellungen von Herrn Slotosch und auch bei der Beantwortung dieser Frage nicht um Vorhersagen, sondern um tatsächlich eingetretene Entwicklungen. Ich habe Ihnen, glaube ich, an Hand der Berechnungen des Statistischen Bundesamts nachgewiesen, daß die Äußerungen hier stimmen. Ich bin gern bereit, Ihnen all die Schriftsätze zur Verfügung zu stellen, die bei dem Schriftwechsel mit Herrn Slotosch in den letzten Jahren entstanden sind. Dann können Sie im Detail sehen, warum wir die Ausrichtung aller Berechnungen auf den BSP-Index nicht für eine brauchbare Grundlage zur Berechnung von Realeinkommensentwicklungen halten.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0607304000
Herr Abgeordneter Engelsberger zu einer Zusatzfrage.

Matthias Engelsberger (CSU):
Rede ID: ID0607304100
Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung die Auffassung des früheren Staatssekretärs Arndt, daß man mit der Inflation leben müsse oder aber in eine Rezession hineinkomme, also eine stabile Entwicklung bei Vollbeschäftigung nicht möglich sei?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0607304200
Die Bundesregierung hat nicht zuletzt in der Beantwortung der Großen Anfrage der CDU/CSU dargelegt, wie sie die Probleme und die Schwierigkeiten der jetzigen Lage beurteilt. Sie hat dabei auch darauf hingewiesen — ich kann es nur wiederholen —, daß es in bestimmten Situationen, bei bestimmten außenwirtschaftlichen Entwicklungen für ein einzelnes Land schwieriger wird, sich mit autonomen Maßnahmen von internationalen Entwicklungen abzuhängen. Es besteht in fast jeder Konjunktursituation, vor allem in der heutigen, wo der Boom zu Ende geht, ein mehrfaches Risiko. Die ganze Kunst der Wirtschaftspolitik besteht darin, den besten und vernünftigsten Kurs zwischen den Risiken der Preissteigerungen und den Risiken eines Rückgangs der Beschäftigung anzustreben. Das Risiko hinsichtlich Wachstum und Stabilität ist kein spezifisch deutsches, sondern dieses gibt es in jeder hochentwickelten Volkswirtschaft.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0607304300
Herr Abgeordneter Dr. Klepsch!

Dr. Egon Alfred Klepsch (CDU):
Rede ID: ID0607304400
Herr Staatssekretär, hat der seinerzeitige Parlamentarische Staatssekretär Arndt die Auffassung, daß man mit einer Geldentwertung von 3 bis 4 % leben müsse, schon vertreten, als er sich noch im Amt befand?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0607304500
Ich glaube, Herr Abgeordneter, daß man die Äußerungen von Herrn Arndt, so, wie Sie sie jetzt wiedergeben, und so modifiziert gar nicht sehen kann. Herr Arndt hat in seinen Vorträgen und Äußerungen eine ganze Reihe von Bedingungen genannt und Modifikationen angebracht. In der Tat muß eine hochintegrierte Volkswirtschaft — das war die Kernaussage, und ihr kann niemand widersprechen — auch mit den Folgen rechnen, die von der Entwicklung aus dem Ausland kommen. Diese Auffassung vertritt jeder Wissenschaftler. Auch ich vertrete diese Auffassung, daß es autonome Wirtschaftspolitik und autonome Steuerung in keinem Land gibt.
Daher, Herr Abgeordneter — das ist eines der wesentlichsten Motive —, wollen wir in der EWG diesen Verlust an Autonomie, den jedes Land hat, durch ein Mehr an gemeinschaftlichen Instrumenten, durch ein Mehr an gemeinschaftlichem Handeln ersetzen. Das war der wirtschaftspolitische Anstoß zu den Beschlüssen von Den Haag, und das ist der wirtschaftspolitische Grund, warum wir mit diesem Gegeneinander und diesem ständigen Sich-Infizieren mit schlechten Entwicklungen, jedenfalls in der EWG, möglichst bald Schluß machen wollen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0607304600
Sie stellen keine Zusatzfrage mehr; Sie sind ausgiebig unterrichtet worden.
Herr Dasch!

Valentin Dasch (CSU):
Rede ID: ID0607304700
Herr Staatssekretär, befürchtet die Bundesregierung nicht auf Grund der Aussagen beispielsweise des früheren Staatssekretärs Arndt, der 3 bis 4 % Inflationsrate angibt, oder des Herrn Slotosch, der bis zu 8% geht, daß, wie vorher aus Ihrer Aussage zu entnehmen war, die Konjunktur ausläuft und trotzdem die Preisentwicklungen in absehbarer Zeit nicht entschärft werden?




Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0607304800
Die Bundesregierung sieht natürlich aus ihrer eigenen Erfahrung, aus der Erfahrung der ganzen Nachkriegsentwicklung und aus den Erfahrungen in anderen Ländern, daß es nirgendwo die absolute zeitliche Parallelität von Konjunkturzyklus und Preisbewegung gibt. Herr Minister Schiller hat vor dem Hohen Haus bei der Beantwortung der Großen Anfrage auch darauf hingewiesen, daß die Preisberuhigung der Konjunkturberuhigung mit einigem zeitlichem Abstand folgt.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0607304900
Herr Abgeordneter Fuchs!

Dr. Karl Fuchs (CSU):
Rede ID: ID0607305000
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie die Aussagen des amerikanischen Wirtschafts- und Finanzwissenschaftlers Friedman, die sich in Übereinstimmung mit den Vorstellungen von Herrn Slotosch bewegen?

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0607305100
Herr Abgeordneter, wir haben hier kein Kolleg, auch kein Seminar und keine akademische Prüfung. Die Antwort auf die Frage, wie der Herr Staatssekretär die Schriften eines amerikanischen Wissenschaftlers beurteilt, mag interessant sein. Aber das hat mit Sinn und Zweck der Fragestunde nichts zu tun. Ich lasse die Frage nicht zu.
Ich rufe die Frage 55 des Herrn Abgeordneten Blumenfeld auf:
Ist die Bundesregierung bereit, im Ministerrat der Europäischen Gemeinschaften baldige Beschlüsse über die Verwirklichung der gemeinsamen Außenhandels-, Investitions- und Kreditpolitik gegenüber Drittländern — insbesondere den Ländern des COMECON — herbeizuführen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0607305200
Herr Abgeordneter, ich darf Ihre Frage wie folgt beantworten. Die Bundesregierung hat bereits am 16. Dezember 1969 im Ministerrat der Europäischen Gemeinschaften einer schrittweise einzuführenden gemeinsamen Handelspolitik zugestimmt. Die gemeinsame Handelspolitik läßt sich allerdings nur gegenüber denjenigen Ländern verwirklichen, die die Europäischen Gemeinschaften als handelspolitischen Partner anerkennen. Das ist zur Zeit bei den COMECON-Ländern nicht der Fall. Diesen Ländern gegenüber kann die gemeinsame Handelspolitik daher zunächst nur durch eine enge Koordinierung der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften realisiert werden. Dies ist bisher geschehen und geschieht auch heute noch. Die Investitions- und Kreditpolitik ist nicht Gegenstand des von mir erwähnten Ministerratsbeschlusses gewesen. Über die Kreditfragen finden aber heute bereits enge Konsultationen statt, an denen sich die Bundesregierung aktiv beteiligt.
Ich möchte hinzufügen, daß wir bestrebt sind und ein großes Interesse daran haben, innerhalb der Europäischen Gemeinschaften insbesondere die Bedingungen für die Ausfuhrkreditversicherung zu harmonisieren. Auf diesem Gebiet muß es in der Europäischen Gemeinschaft noch zu einer engeren Koordinierung kommen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0607305300
Eine Zusatzfrage.

Erik Bernhard Blumenfeld (CDU):
Rede ID: ID0607305400
Herr Staatssekretär, darf ich Ihrer Antwort entnehmen, daß sich die Bundesregierung auch darüber klar ist, daß an sich seit dem 1. Januar dieses Jahres diese gemeinsame Handelspolitik gegenüber den Ländern, die die EWG, um mit Ihren Worten zu sprechen, anerkennen, praktiziert werden müßte und daß wir uns, wenn auch nicht in einem vertragswidrigen Zustand, so doch in einem nicht vertragsgerechten Zustand befinden? Und wie gedenkt sich die Bundesregierung gegenüber dieser auch formalen Feststellung zu verhalten?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0607305500
Ich verstehe nicht, in welchem Punkte sich die Bundesregierung nicht vertragskonform verhielte. Meinen Sie, Herr Abgeordneter, die beabsichtigten und die abgeschlossenen Handelsverträge mit einigen Ostblockstaaten? In jedem dieser Fälle haben wir vor der Aufnahme der Verhandlungen in Brüssel konsultiert und uns im Rahmen der Ergebnisse dieser Konsultationen gehalten. Vor Abschluß der Verträge haben wir dann, wie Sie wissen, ein erneutes Konsultationsverfahren in der Gemeinschaft praktiziert.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0607305600
Zweite Zusatzfrage.

Erik Bernhard Blumenfeld (CDU):
Rede ID: ID0607305700
Herr Staatssekretär, meine Frage geht mehr dahin, was die Bundesregierung zusammen mit den anderen Regierungen nunmehr tut, um diese an sich seit dem 1. Januar fällige gemeinsame Außenhandelspolitik zu praktizieren, bzw. wann sie sie glaubt in Kraft setzen zu können.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0607305800
Sie praktiziert sie, indem sie alle diejenigen Elemente, bei denen die einzelnen EWG-Staaten noch autonom und bilateral vorgehen, auf allen Ebenen und in allen Organen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft mit erörtert und mit diskutiert und darauf drängt, daß diese Elemente vereinheitlicht werden. Das ist aber nicht allein ein deutsches Problem. Das Problem besteht vielmehr darin, daß eben auch die anderen Staaten sich noch nicht zu gemeinsamen Elementen etwa der Handelsverträge entschlossen oder bereit gefunden haben. Aber wir sind sehr daran interessiert, daß der Übergang zu der echten gemeinsamen Handelspolitik schnell vor sich geht und daß künftig die EWG der Verhandlungspartner für Handelsabkommen mit Drittländern wird, wie es bei Japan durch ein Mandat an die Kommission geschehen ist und wie es auch bei Verhandlungen mit anderen Ländern angestrebt wird.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0607305900
Herr Abgeordneter Dasch!

Valentin Dasch (CSU):
Rede ID: ID0607306000
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung in der Europäischen Gemeinschaft einen Zeitplan vorschlagen, der die Verwirklichung



Dasch
der gemeinsamen Konjunktur-, Wirtschafts- und Währungspolitik innerhalb eines gewissen Zeitraumes etwa so vorsieht wie bei der Schaffung des gemeinsamen Agrarmarktes?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0607306100
Herr Abgeordneter, Sie werden die Beschlüsse und das Votum der Bundesregierung zu dem in der vorigen Woche unter dem Vorsitz von Herrn Ministerpräsident Werner abgeschlossenen Bericht in Kürze erfahren. Dieser Bericht ist noch nicht veröffentlicht. Ohne der Veröffentlichung des Berichtes vorzugreifen, darf ich sagen, daß jedenfalls die Sachverständigen, die an dem Bericht mitgearbeitet haben — ich war einer von diesen sechs Leuten —, durchaus die Vorstellung haben, man sollte Zeitpläne für die Stufen einführen. Wir waren aber nicht der Meinung, daß man den Prozeß der Wirtschafts- und Währungsunion mit Datum und Uhr, wie es bei einigen Agrarfragen geschehen ist, regeln kann. In den Zeitplänen muß man flexibler sein, und zwar flexibler in beiden Richtungen, d. h. auch hinsichtlich der Möglichkeit, in kürzeren Abständen solche Ziele zu erreichen. Aber in Zeithorizonten und in Jahresabschnitten gerechnet, haben die Sachverständigen durchaus die Vorstellung, daß man auf jeden Fall für Beginn und Ende der ersten Stufe einen genauen Zeitplan haben soll. Die Bundesregierung wird zu diesen Vorschlägen in Kürze Stellung nehmen, und zwar im Ministerrat der Gemeinschaft. Ich bin überzeugt, daß sie die Ansicht teilt, daß Stufenpläne in die zeitlichen Horizonte eingebaut sein müssen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0607306200
Herr Abgeordneter Klepsch!

Dr. Egon Alfred Klepsch (CDU):
Rede ID: ID0607306300
Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung die Auffassung des Mitglieds der Europäischen Kommission Herrn Dahrendorf, daß die Möglichkeiten der EWG in der Ostpolitik bei weitem noch nicht ausgeschöpft sind und daß vermieden werden muß, daß die EWG-Staaten sich gegenseitig auszuspielen versuchen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0607306400
Selbstverständlich teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß es für die Gemeinschaft und für die Länder in der Gemeinschaft nicht günstig ist, wenn sie sich gegenseitig ausspielen lassen. Auf der anderen Seite — das, habe ich vorhin betont — bestehen noch durchaus unterschiedliche Ausrichtungen und durchaus unterschiedliche Interessenlagen bei den einzelnen EWG-Ländern. Wie bei jedem anderen Integrationsprozeß wird die Kunst der Politik darin bestehen, hier einen Interessenausgleich zu finden.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0607306500
Herr Abgeordneter Niegel!

Lorenz Niegel (CSU):
Rede ID: ID0607306600
Herr Staatssekretär, bei der Überlegung bezüglich der Länder des COMECON kommt die Frage auf, ob nicht zusätzliche belastende Einfuhren, und zwar zu Lasten der deutschen und der Landwirtschaft in der EWG, auf uns zukommen könnten.

(Abg. Dr. Apel: Was hat das mit der Frage zu tun?)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0607306700
Die Frage kommt auf. Sie kommt bei jeder Erweiterung des Handels, mit welchen Ländern auch immer, auf.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0607306800
Keine weitere Zusatzfrage.
Dann rufe ich die Frage 56 des Herrn Abgeordneten Blumenfeld auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Auswirkungen ihrer Deutschlandpolitik auf die handelspolitische Behandlung der DDR durch die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0607306900
Die handelspolitische Stellung der DDR im Verhältnis zu den Europäischen Gemeinschaften wird von der Deutschlandpolitik der Bundesregierung nicht berührt, da sie durch das Protokoll über den innerdeutschen Handel Bestandteil des EWG-Vertrages und damit rechtlich eindeutig abgesichert ist. Eine Änderung dieser besonderen Stellung ist weder beabsichtigt noch zu erwarten.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0607307000
Eine Zusatzfrage.

Erik Bernhard Blumenfeld (CDU):
Rede ID: ID0607307100
Herr Staatssekretär, da Ihre Antwort mich natürlich nicht voll befriedigt, darf ich Sie fragen, wie die Bundesregierung die Tatsache bewertet, daß im Europäischen Parlament schon zu wiederholten Malen Abgeordnete anderer europäischer Staaten den Tatbestand, der in meiner Frage beschrieben ist, zum Gegenstand ihrer Kritik gemacht haben.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0607307200
Daß es immer wieder Kritik an der besonderen Stellung der DDR und an den Konsequenzen dieses Protokolls aus anderen EWG-Ländern gibt, ist mir bekannt. Aber wir haben diese Sonderstellung, die uns durch das Protokoll gegeben wird, ja nicht einfach geschenkt bekommen. Vielmehr ist hier darauf hinzuweisen, daß der EWG-Vertrag auch für andere Länder Sonderregelungen und Begünstigungen vorsieht. Man darf also wohl davon ausgehen, daß die Gewährung bestimmter Vorteile im Wege des Interessenausgleichs erfolgt ist. Wir können daher dieser Kritik immer wieder mit guten Argumenten entgegentreten. Der Vertrag und das Protokoll über die besonderen Beziehungen bleiben gültig. Natürlich kann man an Vertragstexten bzw. an vertraglichen Vereinbarungen Kritik üben, aber dadurch kann und wird man sie nicht ändern.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0607307300
Eine letzte Zusatzfrage.

Erik Bernhard Blumenfeld (CDU):
Rede ID: ID0607307400
Herr Staatssekretär, ergibt sich aus ihrer Antwort nicht die Konsequenz, daß die Bundesregierung bei einer eventuellen An-



Blumenfeld
erkennung der DDR in ihrer Verteidigung dieser bisherigen Position in bezug auf die Präferenzbehandlung in erhebliche Schwierigkeiten geraten würde — um mich mit einem Understatement auszudrücken —?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0607307500
Diese Frage ist rein theoretischer Natur. Wie Sie wissen, beabsichtigt die Bundesregierung keine völkerrechtliche Anerkennung der DDR. Der Bundesregierung geht es allein um eine vertragliche Regelung des Verhältnisses der beiden deutschen Staaten zueinander durch die Vereinbarung „besonderer Beziehungen". Davon würden die juristischen Grundlagen des EWG-Vertrages und das Protokoll über den innerdeutschen Handel nicht berührt.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0607307600
Zu einer Zusatzfrage Abgeordneter Meister.

Siegfried Meister (CDU):
Rede ID: ID0607307700
Herr Staatssekretär, können Sie zahlenmäßig angeben, in welchem Ausmaß die DDR durch diese Regelung im Jahresdurchschnitt begünstigt wird?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0607307800
Nein, die Zahl kann ich Ihnen aus dem Stegreif nicht nennen. Ich glaube auch nicht, daß man die Begünstigungen genau beziffern kann, denn es ist wohl nicht möglich, die Auswirkungen der besonderen Regelungen auf Heller und Pfennig zu berechnen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0607307900
Wir kommen zu Frage 57 des Abgeordneten Schmidt (Kempten). — Der Fragesteller ist nicht im Saal. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 58 des Abgeordneten Dr. Jobst auf:
Wird die Bundesrepublik im Hinblick auf die Aushöhlung der Prioritäten des Zonenrandgebiets durch Ausweitung der Förderungsgebiete und durch Bildung von Schwerpunktorten außerhalb des Zonenrandgebiets mit annähernd gleich hohen — oder höheren — Förderungssätzen wie im Zonenrandgebiet selbst die Förderungssätze für das Zonenrandgebiet anheben und wirksame Präferenzen wieder herstellen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0607308000
Herr Abgeordneter, die Förderungspräferenzen für das Zonenrandgebiet haben sich in den letzten zwei Jahren nicht verschlechtert, sondern erheblich verbessert. Bis 1968 konnten bei Betriebsansiedlungen und bei Betriebserweiterungen — sei es im Zonenrandgebiet, sei es außerhalb — die Investitionskosten unterschiedslos nur bis maximal 15 % verbilligt werden. Dagegen beträgt der Spitzenwert der Verbilligung heute 25 %, und dieser Satz von 25 % wird nur im Zonenrandgebiet, und zwar innerhalb des Zonenrandgebiets in 31 übergeordneten Schwerpunktorten, gewährt. Die anderen, außerhalb des Zonenrandgebiets gelegenen übergeordneten Schwerpunktorte folgen mit 20 % Präferenzen.
Innerhalb des Zonenrandgebiets wiederum kommen zu den genannten Investitionsbegünstigungen noch die Sonderabschreibungen hierzu, deren Subventionswert zwischen 8 % und 18 % schwankt.
Ferner sind ausschließlich dem Zonenrandgebiet Vergünstigungen vorbehalten wie Frachthilfen, Bevorzugung bei der Vergabe öffentlicher Aufträge und Zuschüsse zu Infrastrukturmaßnahmen, die, wie Sie wissen, bis zu 100 % betragen.
Von einer Aushöhlung der Prioritäten des Zonenrandgebiets kann man deshalb wohl nicht sprechen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0607308100
Eine Zusatzfrage.

Dr. Dionys Jobst (CSU):
Rede ID: ID0607308200
Herr Staatssekretär, aus Ihrer Antwort kann ich also Ihre Zustimmung zu meiner Ansicht entnehmen, daß das Zonenrandgebiet — neben Berlin — besonders, d. h. stärker als die anderen Gebiete, wirtschaftlich gefördert werden sollte?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0607308300
Ja.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0607308400
Eine letzte Zusatzfrage.

Dr. Dionys Jobst (CSU):
Rede ID: ID0607308500
Herr Staatssekretär, halten Sie diese soeben auch von Ihnen selbst bejahte Förderungspriorität angesichts der Tatsache, daß außerhalb des Zonenrandgebiets in etwa gleich hohe Förderungen gewährt werden, und zwar für Gebiete, die nicht die Randlage und die Schwierigkeiten wie jene Gebiete im Zonenrandgebiet selbst haben, für tatsächlich gegeben?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0607308600
In meiner ersten Antwort habe ich auf die Differenzen zwischen den maximalen Förderungssätzen außerhalb des Zonenrandgebiets einerseits und denjenigen — bedeutend höheren — im Zonenrandgebiet andererseits sowie auf die zusätzlichen Begünstigungen hingewiesen, die man nicht alle genau in Prozentzahlen angeben kann, die aber, wie gesagt, bei den Sonderabschreibungen immerhin bis zu 18 % betragen. Daraus ergibt sich, daß die Förderung von Ansiedlungen und der Wirtschaftsentwicklung im Zonenrandgebiet stärker ist als in den übrigen Gebieten. Die Politik der regionalen Förderung hatte und hat einen erheblichen Schwerpunkt in der Ausrichtung auf das Zonenrandgebiet. Das wird auch so bleiben. Wie sich aus den vorliegenden Zahlen ergibt, entfallen 60 % der Förderungsmittel auf das Zonenrandgebiet. Der Umfang der Förderungsmittel ist laufend gestiegen und wird im Jahre 1970 erheblich mehr als 200 Millionen DM betragen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0607308700
Abgeordneter Dr. Fuchs zu einer Zusatzfrage.

Dr. Karl Fuchs (CSU):
Rede ID: ID0607308800
Herr Staatssekretär, ergibt sich nicht aus der Tatsache, daß das Pro-Kopf-Einkommen im Zonenrandgebiet — und da wiederum besonders in den revierfernsten Gebieten — am



Dr. Fuchs
niedrigsten ist, sowie aus der Tatsache, daß die Arbeitslosenzahlen dort wesentlich über dem Durchschnitt liegen, die Folgerung, daß die Präferenz für das Zonenrandgebiet noch nicht die notwendige Wirkung erzielt hat und daß infolgedessen vielleicht noch griffigere Förderungsmaßnahmen erforderlich sind?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0607308900
Wenn jemand die bisher erreichten Wirkungen immer wieder kritisch überprüft, dann ist es diese Bundesregierung. Der Anreiz für Betriebsansiedlungen allein reicht nicht aus. Nach unserer Meinung ist es in immer stärkerem Maße erforderlich, dort solche Umweltbedingungen
— wenn ich das ein bißchen geschraubt so ausdrükken darf — zu schaffen, die neben den finanziellen Begünstigungen ein Unternehmen veranlassen können, in diese zum Teil sehr schönen Gegenden zu gehen. Das heißt, man muß dort den Wohnwert und den Freizeitwert erhöhen und Schulen und Universitäten in diesen Räumen schaffen, um die Gegend im ganzen attraktiv zu machen. Direkte Investitionsanreize allein genügen heute nicht mehr, um ein Gebiet zu entwickeln.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0607309000
Herr Abgeordneter Niegel!

Lorenz Niegel (CSU):
Rede ID: ID0607309100
Herr Staatssekretär, wäre die Bundesregierung folglich bereit, zur Herstellung der Priorität für das Zonenrandgebiet die Förderungssätze für diese Regionen zu erhöhen und — zumal da Sie soeben sagten, daß neben der Investitionszulage auch andere Förderungen Platz greifen sollten — eventuell einen zusätzlichen Arbeitnehmerfreibetrag einzuräumen, wie das der Fraktionsvorsitzende Wehner vor einem Jahr bei uns im Zonenrandgebiet in Oberfranken verkündet hat?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0607309200
Ich glaube, ich habe mit meiner Antwort auf die letzte Zusatzfrage deutlich gemacht, daß ich von weiteren Erhöhungen der Investitionsanreize nicht viel halte. Damit allein wird man die Wirkungen, die wir alle haben wollen, nicht erzielen. Es kommt sehr viel mehr auf Infrastrukturmaßnahmen an.
Im übrigen finden diese Förderungen auch statt. Wir stimmen uns, was den Straßenbau anlangt, sehr eng mit dem Bundesverkehrsministerium ab. Die Verlängerung der Autobahn nach Passau ist ein Beispiel dafür, wie man die Politik koordinieren muß, um alle Mittel und alle Aktivitäten auf das angestrebte Ziel auszurichten.
Die Fragen der Gewährung von Arbeitnehmerfreibeträgen und von steuerlichen Begünstigungen sind außerordentlich kompliziert. Man muß sehr sorgfältig darüber nachdenken, welche Wirkungen
— Folgewirkungen, Schaffung von Präzedenzfällen
— durch solche steuerlichen Vergünstigungen hervorgerufen werden können. Eine Lösung des Entwicklungsproblems allein durch Arbeitnehmerfreibeträge sehe ich nicht,

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0607309300
Herr Abgeordneter Dr. Kempfler!

Dr. Friedrich Kempfler (CSU):
Rede ID: ID0607309400
Herr Staatssekretär, darf ich Ihren Antworten entnehmen, daß Sie nach dem gegenwärtigen Stand der Dinge das Gefälle zwischen den Investitionsanreizen im Zonenrandgebiet und denen in den Förderungsgebieten immer zwischen den Investitionsanreizen im Zonengrenzeine gewisse Präferenz hinsichtlich dieser Investitionsanreize besitzt?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0607309500
Die Antwort ist: Ja. Das ging aus den Zahlen, die ich genannt habe, hervor.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0607309600
Weitere Zusatzfrage.

Dr. Friedrich Kempfler (CSU):
Rede ID: ID0607309700
Könnte man — dies unterstellt — der Lösung des Problems nicht dadurch näherkommen, daß man die Fördergebiete noch einmal nach allgemeinen Richtlinien des Instituts für Raumordnung überprüft und daß man den Gebieten mit Randlage einen besonderen Förderungswert zumißt?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0607309800
Herr Abgeordneter, die Förderungswerte und die Förderungsgebiete müssen ständig überprüft werden. Wir nehmen von Zeit zu Zeit bei harter Kritik der jeweils Betroffenen — Fördergebiete aus der Begünstigung heraus, wenn wir zu der Überzeugung kommen, daß sie nicht mehr der besonderen Förderung bedürfen.
Ich muß jedoch darauf hinweisen, daß wir — insbesondere nachdem das Institut der Gemeinschaftsaufgaben vorhanden ist — in all diesen Fragen nicht autonom, sondern in Abstimmung mit den Ländern, mit den Landesregierungen, handeln. Da gibt es oft differierende Auffassungen. Aber an der ständigen Überprüfung arbeiten wir. Jede zusätzliche statistische Erkenntnis und jede zusätzliche Meßziffer werden bei der Veränderung von Förderungsgebieten nützlich sein.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0607309900
Herr Abgeordneter Varelmann!

Franz Varelmann (CDU):
Rede ID: ID0607310000
Herr Staatssekretär, gibt es nicht außerhalb des Zonenrandgebietes ebenfalls Gebiete, wo die wirtschaftlichen Verhältnisse ebenso kritisch oder noch kritischer als im Zonenrandgebiet sind? Ist die Bundesregierung bereit, diese Gebiete mit gleichen Mitteln zu fördern wie die Bezirke im Zonenrandgebiet?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0607310100
Natürlich ist das Zonenrandgebiet auch kein einheitliches und wirtschaftlich völlig homogenes Gebiet. Selbstverständlich gibt es außerhalb des Zonenrandgebietes Gegenden, Bezirke und Bereiche in unserem Lande, die ebenfalls mit großen strukturellen Schwierigkeiten zu kämpfen haben,



Staatssekretär Dr. Schöllhorn
Aber die besondere Förderung des Zonenrandgebietes ist von Anfang an auf Grund einer politischen Entscheidung erfolgt. Sie nimmt auf die Tatsache Rücksicht, daß hier durch die Teilung Deutschlands zusätzliche Erschwernisse in Räumen entstanden sind, die auch vorher nicht hoch entwickelt gewesen sind. Dieser politische Faktor und dieser Einfluß rechtfertigen nach Auffassung der Bundesregierung weiterhin eine präferenzierte Behandlung des Zonenrandgebietes.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0607310200
Keine Zusatzfrage mehr.
Eine Bemerkung noch! Ich habe ein bißchen großzügig Zusatzfragen gestattet. Nach den Richtlinien hat der Fragesteller zwei Zusatzfragen, die anderen Mitglieder des Hauses haben nur eine. Ich werde mich jetzt strikt an die Richtlinien halten.
Im übrigen möchte ich noch einmal darum bitten, daß wir die Fragestunde nicht für ein Kolleg halten, in dem wir wissenschaftliche Meinungen erfragen.
Frage 59 des Abgeordneten Leicht. — Der Fragesteller ist nicht im Saal; die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Fragen 60 und 61 — des Abgeordneten Dr. Wagner (Trier) — werden am Freitag vom Auswärtigen Amt beantwortet.
Die Fragen 62 und 63 — des Abgeordneten Zander — und die Frage 64 — des Abgeordneten Dr. Schmitt-Vockenhausen — sind von den Fragestellern zurückgezogen worden.
Fragen 65 und 66 des Abgeordneten Härzschel. — Der Fragesteller ist nicht im Saal; die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich ziehe jetzt — entgegen dem vorliegenden Katalog der Fragen — die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung vor.
Frage 85 des Abgeordneten Dr. Enders. — Dr. Enders ist nicht im Saal; die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Frage 86 des Abgeordneten Dr. Klepsch:
Treffen Pressemeldungen zu, wonach erwogen werde, die Eidesformel für Berufs- und Zeitsoldaten: „Ich schwöre, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen, so wahr mir Gott helfe", durch eine Gelöhnisformel folgenden Inhalts zu ersetzen: „Ich gelobe, die Bundesrepublik Deutschland, Recht und Freiheit gemäß dem Grundgesetz tapfer zu verteidigen und meine Pflicht gewissenhaft zu erfüllen"?

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0607310300
Herr Kollege Dr. Klepsch, diese Pressemeldung trifft nicht zu. Der Eid, den Berufs- und Zeitsoldaten zu leisten haben, kann nur im Zusammenhang mit der Eidesleistung im übrigen öffentlichen Dienst gesehen werden. Eine Ersetzung des Eides durch eine Gelöbnisformel nur für Soldaten kommt daher nicht in Betracht.
Eine deutlichere Fassung der Eidesformel erscheint jedoch notwendig. Die Überlegungen, wie diese Fassung endgültig aussehen soll, sind noch nicht abgeschlossen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0607310400
Eine Zusatzfrage.

Dr. Egon Alfred Klepsch (CDU):
Rede ID: ID0607310500
Herr Staatssekretär, Sie würden damit sagen, ,daß die Meldung der „Frankfurter Rundschau" vom 1. Oktober 1970, gezeichnet von Herrn Volkmar Hoffmann, unzutreffend ist.

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0607310600
Herr Kollege Dr. Klepsch, ich kann weder sagen, ob sie zutreffend ist, noch sagen, ob sie unzutreffend ist. Ich kenne diese Meldung nicht. Ich lese viele Zeitungen. Aber diese Meldung ist mir entgangen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0607310700
Die letzte Zusatzfrage.

Dr. Egon Alfred Klepsch (CDU):
Rede ID: ID0607310800
Herr Staatssekretär, in dieser Meldung ist das zitiert, was ich in meiner Frage aufgeführt habe. Da ich mir schwer vorstellen kann, daß der Herr Hoffmann sich diese Formel selber ausgedacht hat — —

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0607310900
Fragen Sie doch! Was wollen Sie wissen?

Dr. Egon Alfred Klepsch (CDU):
Rede ID: ID0607311000
Ich möchte wissen, ob der Staatssekretär, als meine Frage an das Haus ging und er sie erhielt — da ich mir schwer vorstellen kann, daß der Mann sich die zitierte Formel aus den Fingern gesogen hat —, nicht nachgeprüft hat, ob solche Formeln in seinem Hause von den Personen vorbereitet werden, die hier zitiert sind; weil er sagt, er wisse nichts.

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0607311100
Herr Kollege Dr. Klepsch, ich habe soeben noch einmal Ihre Frage nachgelesen. Leider haben Sie in der Frage auf diese Zeitungsmeldung nicht hingewiesen. Daher habe ich das auch nicht geprüft.

Dr. Egon Alfred Klepsch (CDU):
Rede ID: ID0607311200
Meine Frage bezog sich ausschließlich darauf — —

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0607311300
Sie haben keine Zusatzfrage mehr.

(Abg. Dr. Klepsch: Ich werde die Frage neu einbringen!)

Fragen 87 und 88 des Abgeordneten Jung. — Der Fragesteller ist nicht im Saal; die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Dann rufe ich aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit die Frage 89 des Abgeordneten Baier auf. Der Fragesteller hat um schriftliche Beantwortung gebeten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.



Vizepräsident Dr. Schmid
Dann kommen wir zur Frage 90 des Abgeordneten Varelmann:
Wie hoch ist der Anteil der Kinder aus Arbeiterfamilien, die nach Beendigung der Volksschule eine weiterführende Schule besuchen und keine Ausbildungsförderung erhalten?

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0607311400
Herr Präsident, darf ich wegen des engen Sachzusammenhangs die beiden Fragen 90 und 91 zusammen beantworten?

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0607311500
Der Fragesteller ist einverstanden. Frage 91 des Abgeordneten Varelmann:
Wie hoch ist der Anteil der Kinder aus Arbeiterfamilien, die als Schüler einer weiterführenden Schule oder als Studenten einer Hochschule aus dem Ausbildungsförderungsgesetz profitieren?

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0607311600
Der Bundesregierung stehen derzeit statistische Angaben über die Berufstätigkeit der Eltern der Schüler, die Leistungen nach dem 1. Ausbildungsförderungsgesetz erhalten, noch nicht zur Verfügung. Das Gesetz ist am 1. Juli 1970 in Kraft getreten.
Um die Ämter für Ausbildungsförderung nur in dem unbedingt erforderlichen Umfang mit statistischen Arbeiten zu belasten, soll jährlich nur eine Bundesstatistik durchgeführt werden. Sie wird für das Jahr 1970 frühestens Ende März 1971 vorliegen.
Aus denselben Gründen kann die Bundesregierung bisher leider keine Angaben darüber machen, wie ,hoch der Anteil ,der Kinder aus Arbeiterfamilien ist, die als Schüler weiterführender Schulen Leistungen nach dem Ersten Ausbildungsförderungsgesetz erhalten. Sie wissen, Herr Kollege Varelmann, daß es ein wesentliches Ziel dieses Gesetzes ist, Kindern aus den Sozialschichten mit geringem Einkommen den Weg zu weiterführenden Bildungsgängen zu eröffnen.
Studenten an Hochschulen sind nicht in den Förderungsbereich des 1. Ausbildungsförderungsgesetzes einbezogen. Die Studenten an wissenschaftlichen Hochschulen werden derzeit nach den Besonderen Bewilligungsbedingungen des Honnefer Modells gefördert. Von allen nach dem Honnefer Modell geförderten Studenten an wissenschaftlichen Hochschulen haben 16 v. H. einen Vater, der Arbeiter ist. Von den Studenten an wissenschaftlichen Hochschulen, deren Vater Arbeiter ist, erhalten die Hälfte — genau gesagt 52 v. H. — Förderung nach dem Honnefer Modell.
Dies sind allerdings Zahlen aus dem Jahre 1967. Neuere stehen zur Zeit nicht zur Verfügung.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0607311700
Eine Zusatzfrage.

Franz Varelmann (CDU):
Rede ID: ID0607311800
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß in vielen Arbeiter- und kinderreichen Familien die Meinung vorherrschend ist: Wir können unseren Sohn oder die Tochter zwar auf eine Realschule schicken, aber wir sind nicht in der Lage, die Kosten dafür aufzubringen? Wäre es deshalb nicht angebracht, auch die Realschule in die Förderung einzubeziehen?

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0607311900
Herr Kollege Varelmann, es ist vorgesehen, daß das noch fehlende Jahr, das für die Realschulen von besonderer Wichtigkeit ist, in unser System der Ausbildungsförderung einbezogen wird. Das ist nach der Regierungserklärung für den 1. Januar 1973 vorgesehen. Wie Sie wissen, ist das ein Problem der Bereitstellung der Mittel. Die erforderlichen Beträge sind im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung für diesen Zeitpunkt vorgesehen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0607312000
Eine zweite Zusatzfrage.

Franz Varelmann (CDU):
Rede ID: ID0607312100
Herr Staatssekretär, wäre es nicht angebracht, diesen Termin ein Jahr früher festzulegen, damit der kritische Punkt, den den wir zur Zeit alle sehen, beseitigt würde?

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0607312200
Herr Kollege Varelmann, wir sind dabei, das Ausbildungsförderungssystem Schritt für Schritt auszubauen. Wir haben uns vorgenommen, im nächsten Jahr das Honnefer Modell einzubeziehen und dabei auch strukturelle Verbesserungen vorzunehmen. Im Zuge des ständigen Ausbaues des Ausbildungsförderungssystems ist die von Ihnen in besonderer Weise angesprochene Erweiterung für den 1. Januar 1973 vorgesehen. Ich würde auch gern schneller an dieses Problem herangehen. Aber das ist ein Problem der Einordnung der Finanzierungsmittel.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0607312300
Ich rufe die Frage 92 des Abgeordneten Dröscher auf:
Hält es die Bundesregierung für richtig, daß im Fall eines Volksschullehrers, der gleichzeitig drei Kinder in der Ausbildung hat, infolge der Einkommensgrenze für keines der Kinder eine Hilfe nach dem Honnefer Modell oder nach dem Ausbildungsförderungsgesetz erreichbar ist?

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0607312400
Herr Kollege Dröscher, generell ist die Bundesregierung der Auffassung, daß nach den geltenden rechtlichen Vorschriften noch nicht alle diejenigen Auszubildenden Förderungsleistungen erhalten, für die dies wünschenswert wäre. So gibt es Unterhaltsverpflichtete, die den individuellen Lebensunterhalts- und Ausbildungsbedarf nur unter sehr erheblichen Anstrengungen in vollem Umfang aufzubringen vermögen. Die Bundesregierung sieht darum in dem weiteren Ausbau des Systems der individuellen Ausbildungsförderung eine ihrer vordringlichen Aufgaben.
Nach dem Grundsatzbeschluß der Bundesregierung zur Ausbildungsförderung vom 4. Juni 1970 ist sie bestrebt, die Einkommensfreibeträge der Eltern und Ehegatten, die bei der Berechnung des Förderungsbetrages anrechnungsfrei bleiben, schritt-



Parlamentarischer Staatssekretär Westphal
weise zu erhöhen. Dadurch wird Ausbildungsförderung, soweit die hierfür erforderlichen Mittel zur Verfügung stehen, in steigendem Maße auch Kindern aus mittleren Einkommensschichten geleistet werden.
Noch vordringlicher ist es allerdings, alle Schulgattungen, also etwa auch die Berufsfachschulen ohne ,die Zugangsvoraussetzung „Realschulabschluß", in den Förderungsbereich einzubeziehen.
Zu dem Einzelfall, den Sie, Herr Kollege Dröscher, angesprochen haben, Stellung zu nehmen, bin ich nicht in der Lage, da die Angaben über die Art der Ausbildung und Unterbringung der Kinder sowie die wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern nicht ausreichend sind. Ich könnte ihn nur prüfen, wenn ich darüber die entsprechenden Unterlagen hätte.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0607312500
Eine Zusatzfrage.

Wilhelm Dröscher (SPD):
Rede ID: ID0607312600
Herr Staatssekretär, trifft es also zu, daß gerade kinderreiche Familien, bei denen sich gleichzeitig mehrere Kinder in der Ausbildung befinden — etwa beim Studium — und die dafür erhebliche Beträge aufwenden müssen, besonders benachteiligt sind, weil diese Summierung von Ausbildungskosten beim Honnefer Modell nicht entsprechend berücksichtigt ist?

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0607312700
Herr Kollege Dröscher, ich muß zunächst sagen, das ist kein Problem der kinderreichen Familien, sondern ein Problem der Gehaltshöhe des Vaters, der Einkünfte beider Eltern oder aller Einkommen der Familie. Außerdem ist es beim Honnefer Modell und auch beim 1. Ausbildungsförderungsgesetz, das die weiterführenden Schulen betrifft, so, daß die Kinderzahl bei den anrechnungsfreigestellten Beträgen ihre Berücksichtigung findet.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0607312800
Eine weitere Zusatzfrage.

Wilhelm Dröscher (SPD):
Rede ID: ID0607312900
Herr Staatssekretär, nachdem ich gehört habe, daß das Honnefer Modell im nächsten Jahr verbessert werden soll, frage ich Sie: Wird dieser Komplex in die Erörterungen einbezogen, und kann man damit rechnen, daß bei den steigenden Ausbildungskosten für Studenten, die man doch monatlich mit 450 bis 500 DM ansetzen muß, gerade auch mittlere Einkommen eher als bisher zum Zuge kommen werden?

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0607313000
Es wird ein ständiges Bemühen der Bundesregierung sein, Einkommensfreibeträge zu erhöhen, um dadurch mehr Schichten einzubeziehen. Damit hat natürlich auch die Diskussion um die Erhöhung der Sätze des Honnefer Modells, die zur Zeit mit den Ländern geführt wird und unsere Vorbereitung eines Bundesausbildungsförderungsgesetzes für den 1. Oktober nächsten Jahres etwas zu tun.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0607313100
Eine Zusatzfrage.

Christa Schroeder (CDU):
Rede ID: ID0607313200
Herr Staatssekretär, darf ich Ihren Ausführungen entnehmen, daß Sie bei dem Ausbau des Ausbildungsförderungsgesetzes auf die Mehrkinderfamilie besondere Rücksicht nehmen werden?

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0607313300
Wir werden es weiterhin tun. Wir haben ja Anrechnungsfreibeträge, die nach der Kinderzahl gestaffelt sind. Über die Einkommensfreigrenzen hinaus werden noch der Anteil für die Eltern —25 % — und der Anteil für jedes weitere Kind —5 % — freigestellt.
In dem von Herrn Kollegen Dröscher genannten Fall waren es drei Kinder. Von dem überschießenden Betrag werden dann also noch einmal 25 % plus 15 % gleich 40 % freigestellt. Das würde sich bei erhöhter Kinderzahl weiter in positiver Weise auswirken.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0607313400
Ich rufe die Frage 93 des Abgeordneten Pawelczyk auf:
Gedenkt die Bundesregierung, den gegenwärtigen Zustand zu ändern, in dem Kinder, die von ihren Eltern versorgt werden, Ausbildungsförderung erhalten können, während Waisen, die sich in einer schwierigen finanziellen Lage befinden, davon ausgeschlossen sind, weil sie ein persönliches Einkommen haben?

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0607313500
Darf ich beide Fragen zusammen beantworten?

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0607313600
Bitte. — Dann rufe ich auch die Frage 94 des Abgeordneten Pawelczyk auf:
Wenn ja, ist die Bundesregierung bereit, den Waisen bis zum Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung in Härtefällen zu helfen, die beispielsweise dadurch eingetreten sind, daß bisherige Ausbildungsbeihilfen von Bundesländern an Waisen nach dem Inkrafttreten des Ausbildungsförderungsgesetzes entfallen sind?

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0607313700
Herr Kollege Pawelczyk, es entspricht nicht dem gegenwärtigen Rechtszustand, daß Kinder, die von ihren Eltern versorgt werden, Ausbildungsförderung erhalten können, während Waisen davon ausgeschlossen sind.
Es ist allerdings so, daß nach dem Willen des Gesetzgebers eigenes Einkommen des Auszubildenden, das nicht Arbeitseinkommen ist, in der Regel voll auf den Bedarfssatz angerechnet wird. Das gilt auch für Waisenrenten. Eine Ausnahme ist im wesentlichen nur für die Renten nach oder entsprechend dem Bundesversorgungsgesetz gemacht, hier bleiben nämlich die Grundrenten anrechnungsfrei. Durch die Verwaltungsvorschrift ist zudem angeordnet, daß monatlich 17 DM als Werbungskostenpauschale anrechnungsfrei bleiben.
Sachlich fand die weitgehende Anrechnung der Renten auf den Bedarfssatz ihre Rechtfertigung darin, daß die Rente Unterhaltsersatzfunktion hat, d. h. an die Stelle der Unterhaltsleistung des verstorbe-



Parlamentarischer Staatssekretär Westphal
nen Elternteils tritt. Wenn das Einkommen eines Elternteils die Freibeträge um einen Betrag in Höhe der Waisenrente übersteigt, erhält auch dieser Auszubildende insoweit keine Ausbildungsförderung. Es ist dabei zu beachten, daß die Rente eigenes Einkommen der Waise ist und nicht etwa dem hinterbliebenen Elternteil zusteht. Darum besteht keine Möglichkeit, von der Anrechnung etwa im Hinblick auf das geringe Einkommen des hinterbliebenen Elternteils abzusehen.
In dem Referentenentwurf des Bundesausbildungsförderungsgesetzes, das am 1. Oktober 1971 in Kraft treten soll, ist eine weitergehende Freistellung der Renten vorgesehen. Es soll damit dem Umstand Rechnung getragen werden, daß sich bei den Eltern der Halb- und Vollwaise der Freibetrag von 50 DM für den Auszubildenden selbst in der Regel nicht auswirkt und zudem diese Auszubildenden häufig einen Mehrbedarf für die Abgeltung ihrer persönlichen Betreuung haben.
Spätestens zu dem angegebenen Termin wird nach meinen Vorstellungen die weitergehende Freistellung der Renten erfolgen.
Unter dem Gesichtspunkt der Härtefälle möchte ich noch hinzufügen, daß Leistungen zur individuellen Förderung der Ausbildung nur nach den gesetzlichen Bestimmungen erbracht werden können. Das 1. Ausbildungsförderungsgesetz enthält keine Vorschrift, nach der über die Grundrenten und die Werbungskostenpauschale hinaus ein weiterer Teil der Waisenrente von der Anrechnung auf den Bedarfssatz freigestellt werden kann. Die Bundesregierung ist daher auch in den einzelnen Fällen, in denen mit Inkrafttreten des Ausbildungsförderungsgesetzes eine Verminderung der Leistungen eingetreten ist, nicht in der Lage, bis zum Inkrafttreten einer neuen Regelung Waisenrenten ganz oder teilweise von der Anrechnung freizustellen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0607313800
Eine Zusatzfrage.

Alfons Pawelczyk (SPD):
Rede ID: ID0607313900
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Auffassung, daß hierbei Härten auftreten — und es gibt etliche Fälle —, die die Betroffenen aus eigener Kraft deswegen nicht überbrücken können, weil Leistungen der Bundesländer seit Inkrafttreten dieses Gesetzes entfallen?

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0607314000
Ich muß dies leider bestätigen. Das ist eine Konsequenz des Gesetzes, so wie es beschlossen worden ist.
Der Bund hat die konkurrierende Gesetzgebung für Ausbildungsförderung. Das Gesetz hat die Regelung der Länder außer Kraft gesetzt. Dadurch ist eine solche in Einzelfällen negative Wirkung eingetreten.

Alfons Pawelczyk (SPD):
Rede ID: ID0607314100
Gibt es für diese besonderen Härtefälle nicht die Möglichkeit, sie in die geplanten Verbesserungen nach dem Honnefer Modell — wenn ich das richtig in Erinnerung habe, sind diese Verbesserungen zum 1. Januar 1971 vorgesehen — einzubeziehen?

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0607314200
Herr Kollege Pawelczyk, die Bundesregierung hat, nachdem diese Erkenntnisse aus der Anwendung des 1. Ausbildungsförderungsgesetzes gewonnen wurden, vorgesehen, diesem Problem bei der Vorbereitung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes so schnell wie möglich Rechnung zu tragen und eine Verbesserung für die Waisen herbeizuführen. Das hieße für die Bundesregierung — das Referentenstadium ist jetzt erreicht —: Einbringung der Vorlage etwa gegen Ende dieses Jahres, aber Inkrafttreten erst zum 1. Oktober 1971.
Sie sprechen die Verbesserungsmöglichkeiten des Honnefer Modells zum 1. Januar 1971 an. Dazu möchte ich sagen, ich sehe eine Chance. Mehr kann ich allerdings im Augenblick dazu unsererseits nicht sagen. Wir werden jede Möglichkeit nutzen und hoffen, in Zusammenarbeit mit dem Hause diese Schwäche, die sich bei dem Gesetz ergeben hat, schnell auszumerzen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0607314300
Eine Zusatzfrage.

Alfons Pawelczyk (SPD):
Rede ID: ID0607314400
Im Zusammenhang mit den Verbesserungen zum 1. Oktober 1971, von denen Sie sprachen, möchte ich fragen: Ist da eine teilweise oder eine völlige Freistellung der Renten geplant?

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0607314500
Es kann nur eine teilweise Freistellung sein, weil es sich darum handelt, dieses Einkommen, das die Waise als eigenes Einkommen erhält, auch weiterhin in seiner Unterhaltsersatzfunktion zu sehen. Wir müssen aber praktisch eine Lösung finden, die nicht die Waisen aus dieser Konsequenz heraus in eine schlechtere Lage bringen darf, so wie sich das jetzt gezeigt hat.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0607314600
Eine weitere Zusatzfrage.

Alfons Pawelczyk (SPD):
Rede ID: ID0607314700
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mit mir darin überein, daß der jetzige Höchstbetrag von 150 DM heraufgesetzt werden muß, weil sich gezeigt hat, daß es eine erhebliche Anzahl von Familien gibt, deren Einkommen deutlich unter dem Betrag von 12 000' DM pro Jahr liegt?

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0607314800
Ich kann dazu nur sagen, daß es auch nach dem Grundsatzbeschluß der Bundesregierung vom 4. Juni 1970 im Hinblick auf die Fortführung der Entwicklung beim Ausbildungsförderungsgesetz unsere Absicht ist, sowohl die Bedarfssätze als auch — noch viel mehr — die Einkommensfreibeträge nach oben hin zu entwickeln, um mehr Schichten unseres Volkes in diese Förderung einzubeziehen.




Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0607314900
Herr Abgeordneter Niegel!

Lorenz Niegel (CSU):
Rede ID: ID0607315000
Herr Staatssekretär, Waisenkinder würden vor dem Tod des Vaters eine Förderung nach dem Ausbildungsförderungsgesetz erhalten, auch dann, wenn das Familieneinkommen wesentlich höher wäre. Nachdem der Vater gestorben ist, erhalten sie eine selbständige Waisenrente. Sie werden damit aus der Förderung ausgeschaltet. Wird man diese Benachteiligung der Waisenkinder beseitigen nach dem Grundsatz, den die Bundesministerin Käte Strobel in einer Broschüre verkündet hat, nämlich allen jungen Menschen die gleichen Start- und Ausbildungschancen unabhängig vom Einkommen ihrer Eltern zu sichern?

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0607315100
Ich habe diese Frage bereits beantwortet, Herr Kollege, möchte aber deutlich machen, daß unser Bestreben dahin geht, die Schwäche, die sich bei dem Gesetz gezeigt hat und die man vorher nicht übersehen hat die Folge des Ausbildungsförderungsgesetzes war, daß bessere Länderregelungen außer Kraft getreten sind —, zu überwinden. Im muß allerdings hinzufügen: es ist eine Entscheidung dieses Hohen Hauses gewesen, die Waisen so einzuordnen, wie es jetzt der Fall ist. Eine Kritik kann also nicht nur der Bundesregierung angelastet werden.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0607315200
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Schroeder.

Christa Schroeder (CDU):
Rede ID: ID0607315300
Hält es die Bundesregierung nach den bis jetzt gemachten Erfahrungen weiterhin für richtig, daß die alleinwohnenden Vollwaisen nur den geringeren Förderungsbetrag von 300 DM erhalten, wie ihn sonst Kinder im Elternhaus bekommen, und nicht den vollen Betrag von 350 DM, obwohl ihnen doch der Rückhalt des Elternhauses fehlt? Wären Sie bereit, dies in Ihre weiteren Überlegungen zur Abänderung einzubeziehen?

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0607315400
Ich würde es gern in diese Überlegungen einbeziehen. Man muß aber davon ausgehen, daß es sich bei den Vollwaisen eben um ein eigenes Einkommen und um einen eigenen Haushalt in diesem Sinne handelt. Wir können die Frage nur in die Überlegungen für künftige Regelungen einbeziehen. Das will ich Ihnen gern zusagen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0607315500
Ich rufe die Frage 95 des Abgeordneten Seefeld auf:
Teilt die Bundesregierung die in einer Studie von Professor Walter Jaide gefundenen Erkenntnisse, bei 15- bis 18jährigen deutschen Jugendlichen zeige sich eine politische Apathie, sie sei spießig, konservativ, desinteressiert, und in ihren Ansichten machten sich nationalistische, teils faschistische Tendenzen bemerkbar, und wenn ja, welche Absichten hat die Bundesregierung, um diesen Tendenzen wirksam begegnen zu können?
Ist der Abgeordnete im Saal? — Er ist anwesend.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0607315600
Herr Kollege Seefeld, den Erkenntnissen von Professor Dr. Walter Jaide liegt eine im vergangenen Jahr durchgeführte repräsentative Stichprobe zugrunde, die sich auf insgesamt 1800 Jugendliche im Alter von 15 bis 19 Jahren erstreckte. Diese Untersuchungen haben ergeben, daß sich eine sogenannte „progressiv-liberale" und eine pazifistische Grundeinstellung einerseits sowie eine „restaurativ-autoritäre" und eine „faschistoide" Meinungsdimension andererseits in der Jugend insgesamt etwa die Waage halten. Dabei ist ein Zusammenhang mit den Bildungschancen, die die Jugendlichen jeweils für sich hatten, unverkennbar. Man spürt den großen Nachholbedarf an Bildungsmöglichkeiten gerade bei der Jugend aus Arbeiterfamilien. Die Bundesregierung mißt den Untersuchungsergebnissen Gewicht bei, hält es allerdings für wünschenswert, die einschlägigen Forschungen fortzuführen. Auch das Gespräch mit Fachleuten und Praktikern der Jugendarbeit über die Erhebungsergebnisse ist erforderlich.
Die Bundesregierung ist im Einklang mit ihren Bemühungen um eine grundlegende Reform unseres Bildungswesens bestrebt, die Angebote der außerschulischen Jugendbildung und Jugendarbeit auszuweiten und zu qualifizieren. Politische Bildung wird daher künftig noch stärker als bisher zum Schwerpunktprogramm des Bundesjugendplanes. Ihre Förderung wird bereits im nächsten Jahr fühlbar verstärkt. Durch Einrichtung eines besonderen Jugendplan-Programms zur Erprobung neuer methodischer und didaktischer Wege in der außerschulischen Jugendarbeit und Jugendbildung soll der Spielraum auch für neue Ansätze in der politischen Jugendbildung erweitert werden. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei der werktätigen Jugend in Stadt und Land, insbesondere den Lehrlingen und ungelernten Arbeitern.
Die Bundesregierung wirkt bei diesen Bemühungen eng mit den öffentlichen und freien Trägern der Jugendarbeit, insbesondere mit den Jugendverbänden und den zahlreichen Institutionen der politischen Bildung der nichtorganisierten Jugend zusammen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0607315700
Keine Zusatzfrage.
Meine Damen und Herren, um noch die Fragen aus dem Geschäftsbereich ides Bundesministers für Bildung und Wissenschaft zu erledigen, verlängere ich die Fragestunde um ein paar Minuten.
Ich rufe die Frage 96 des Abgeordneten Pohlmann auf:
Ist die Bundesregierung wie bei den Kernkraftwerken in Aachen und Weisweiler bereit, auch beim Kernkraftwerk in Würgassen einen Baustopp zu verfügen, bis mit letzter Sicherheit garantiert ist, daß die Werksanlage auf Natur, Landschaft, Tier und Mensch keinerlei schädliche Einflüsse haben wird?
Bitte, Herr Staatssekretär von Dohnanyi.

Dr. Klaus von Dohnanyi (SPD):
Rede ID: ID0607315800
Der Bau des Kernkraftwerkes Würgassen ist nach einem strengen Genehmigungsverfahren entsprechend den Vorschriften des Atomgesetzes



Parlamentarischer Staatssekretär Dr. von Dohnanyi genehmigt worden. Dabei haben neben den behördlichen Sachverständigen anerkannte und führende Fachleute als unabhängige Gutachter mitgewirkt, insbesondere die Reaktorsicherheitskommission, das Institut für Reaktorsicherheit und der Technische Überwachungsverein. Damit ist sichergestellt, daß die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden durch die Errichtung und den Betrieb der Anlage getroffen ist.
In dem von Ihnen angesprochenen Fall Weisweiler, Herr Kollege, hat der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft keinen Baustopp ausgesprochen, sondern lediglich empfohlen, für den technologisch neuartigen Prototyp des Schnellen Brüters einen anderen Standort zu wählen. Diese Entscheidung erfolgte in Übereinstimmung mit der international üblichen Praxis, Prototypen nicht 'in Ballungsräumen zu errichten.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0607315900
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 97 des Abgeordneten Pohlmann auf:
Ist die Bundesregierung — ähnlich wie in verschiedenen Ländern der USA — bereit, den Betroffenen, die ggf. einen Schaden erleiden, einen besonderen rechtlichen Schutz zukommen zu lassen?

Dr. Klaus von Dohnanyi (SPD):
Rede ID: ID0607316000
Der Bund ist verpflichtet, das zu tun.
Der Bund ist nach den Vorschriften des Bundesatomgesetzes zu einer Freistellung bis zu 500 Millionen DM je Schadensereignis verpflichtet. Dies ist von Bedeutung, falls die Schadensersatzverpflichtungen des Inhabers der Atomanlage von der gesetzlich angeordneten Deckungsvorsorge, meist einer Haftpflichtversicherung, nicht gedeckt sind oder aus ihr nicht erfüllt werden können.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0607316100
Keine Zusatzfrage.
Der Abgeordnete Hansen hat gebeten, seine Fragen 98 und 99 schriftlich zu beantworten. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir kommen zur Frage 100 des Abgeordneten Wende. — Der Fragesteller ist nicht im Saal; die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Die Fragen 101 und 102 des Abgeordneten Walkhoff sind vom Fragesteller zurückgezogen worden. Dasselbe gilt für die Fragen 103 und 104 der Abgeordneten Frau von Bothmer.
Meine Damen und Herren, damit stehen wir am Ende der Fragestunde. Ich berufe die nächste Sitzung auf morgen, Freitag, den 16. Oktober 1970, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.