Protokoll:
6047

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 6

  • date_rangeSitzungsnummer: 47

  • date_rangeDatum: 24. April 1970

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:01 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 11:23 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 47. Sitzung Bonn, Freitag, den 24. April 1970 Inhalt: Fragestunde (Drucksachen VI/637, VI/675) Frage des Abg. Dr. Müller-Hermann: Äußerung des Bundeskanzlers über die Preisentwicklung Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär 2377 B, C, D, 2378 A, C, D, 2379 A, B, C, D, 2381 A, B Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . 2377 B, C Breidbach (CDU/CSU) 2377 D Dr. Luda (CDU/CSU) 2378 A Junghans (SPD) 2378 B Dr. Apel (SPD) 2378 C Lenders (SPD) 2378 D Niegel (CDU/CSU) . . . . . . 2378 D Dr. Sprung (CDU/CSU) 2379 A Dr. Frerichs (CDU/CSU) . 2379 B Josten (CDU/CSU) . . . . . . 2379 C Kiep (CDU/CSU) . . . . . . . 2379 D Wehner (SPD) . . . . . . . 2380 A Frau Funcke, Vizepräsident . 2380 B, C, D Dasch (CDU/CSU) . . . . . . 2380 D Zander (SPD) 2381 A Dr. Althammer (CDU/CSU) . . . 2381 B Frage des Abg. Dr. Pohle: Indikatoren zur Preisentwicklung Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär 2381 C, D, 2382 A, B, C, D, 2383 B, C Dr. Pohle (CDU/CSU) 2381 D Dr. Luda (CDU/CSU) 2382 A Frau Funcke, Vizepräsident 2382 B, 2383 D Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . . 2382 B Lenders (SPD) . . . . . . . . . 2382 C Dr. Althammer (CDU/CSU) . . . 2382 D Dasch (CDU/CSU) 2383 B Dr. Klepsch (CDU/CSU) 2383 B Dr. Frerichs (CDU/CSU) . . . . 2383 C Fragen des Abg. Matthöfer: Rechtsstatus der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften Scheel, Bundesminister . . . . 2384 A, B Dröscher (SPD) 2384 B Matthöfer (SPD) 2384 C II Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. April 1970 Fragen des Abg. Dr. Häfele: Pressemeldungen über Unmenschlichkeiten gegenüber Indianern in Südamerika Scheel, Bundesminister . 2384 D, 2385 A Dr. Häfele (CDU/CSU) 2384 D Frage des Abg. Dr. Klepsch: Bemühungen der Bundesregierung zur Rettung des Lebens des Botschafters Graf von Spreti Scheel, Bundesminister . . . 2385 B, C, D, 2386 A, B, C, D, 2387 A, B, C, D, 2388 B, C, D Dr. Klepsch (CDU/CSU) . . . . 2385 C, D Dr. Hauser (Sasbach) (CDU/CSU) . . 2386 A Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) . . 2386 B Dr.-Ing. Bach (CDU/CSU) 2386 C Breidbach (CDU/CSU) 2386 D Dr. Marx (Kaiserslautern) (CDU/CSU) 2387 A Matthöfer (SPD) . . . . . . . . 2387 A Rasner (CDU/CSU) . . . . . . . 2387 C Frau Funcke, Vizepräsident . . . . 2387 C Benda (CDU/CSU) . . . . . . 2387 D Petersen (CDU/CSU) 2388 A Mattick (SPD) 2388 B Raffert (SPD) 2388 D Zur Geschäftsordnung Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . . 2388 D Aktuelle Stunde Konjunkturpolitik Dr. Pohle (CDU/CSU) 2389 B Junghans (SPD) 2390 C Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . 2391 B Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . 2392 C Mischnick (FDP) 2393 C Lenders (SPD) 2394 A Breidbach (CDU/CSU) 2395 A Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller, Bundesminister . . . . . . 2396 B Kienbaum (FDP) 2397 D Zander (SPD) 2398 D Dr. Barzel (CDU/CSU) 2399 D Dr. Apel (SPD) 2400 D Dr. Stoltenberg (CDU/CSU) . . . 2401 D Nächste Sitzung 2402 D Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 2403 Anlage 2 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Dr. Franz betr. Änderung der Verordnung über die Wohngeldlastenberechnung und Auswirkungen der Erhöhung des Diskontsatzes auf Bauvorhaben einkommensschwacher Gruppen 2403 D Anlage 3 Schriftliche Antwort auf die Mündliche 'Frage des Abg. Höcherl betr. Befreiung privater Schulen von der Gewerbesteuer 2404 B Anlage 4 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Wulff betr. Befreiung von Nahverkehrsunternehmen von der Mineralölsteuer 2404 D Anlage 5 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Schlee betr. gemeinsames Vorgehen überstaatlicher Organisationen gegen Verbrechen gegen das Völkerrecht 2405 A Anlage 6 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Schlee betr. Botschafter Graf von Spreti als erster in den letzten Jahren in Lateinamerika entführter Diplomat, der nicht ausgelöst worden ist 2405 B Anlage 7 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen der Abg. Benda und Dr. Müller (München) betr. Maßnahmen der Bundesregierung zum Schutz der deutschen Diplomaten 2405 C Anlage 8 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Benda betr. Sicherheit der Bediensteten der deutschen Auslandsvertretungen und ihrer Familienangehörigen 2406 A Anlage 9 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Dichgans betr. Prozentsätze der stadteigenen Flächen, die Bauland sein könnten 2406 C Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. April 1970 III Anlage 10 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Moersch betr. Berücksichtigung der Dienstzeit eines wissenschaftlichen Universitätsassistenten als Beförderungsdienstzeit . . . . . . . 2406 D Anlage 11 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Dr. Klepsch betr. Verlegung weiterer Bundesbehörden aus Koblenz 2407 A Anlage 12 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Dr. Hammans betr. Verlängerung der Öffnungszeit des Grenzübergangs Kaldenkirchen/SchwanenhausVenlo/Keulse Barriere und Bau des deutschen Zollamtsgebäudes . . . . . . . 2407 B Anlage 13 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Helms betr. Berücksichtigung privater und kommunaler Waldbesitzer bei der Aufteilung der Bundesmittel für den Wirtschaftswegebau . . 2407 D Anlage 14 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Weigl betr. Agrarlieferungen osteuropäischer Länder unter Umgehung der Außenhandelsbestimmungen der EWG . . . . . . . . . . . . 2408 B Anlage 15 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Dr. Klepsch betr. Verlegung des Bundesinstituts für Arbeitsschutz von Koblenz nach Dortmund . . . 2408 D Anlage 16 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Weigl betr. Gewährung von Darlehen zur Hausstandsgründung 2409 A Anlage 17 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Cramer betr. Einrichtung einer neuen Startbahn auf dem Militärflugplatz Upjever 2409 C Anlage 18 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Dr. von Nordenskjöld betr. Überschallflüge in den Landkreisen Nienburg und Diepholz 2409 D Anlage 19 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Zebisch betr. offene Planstellen für die Jugendzahnpflege . . . 2410 B Anlage 20 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Zebisch betr. Schaffung eines Jugendzahnpflegegesetzes . . . . 2410 D Anlage 21 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Baier betr. Trassenuntersuchungen über die Odenwald-Autobahn 2411 B Anlage 22 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Dr. Schmitt-Vockenhausen betr. Wahl des Bahnhofs Bischofsheim als Container-Umschlagplatz für den Rhein-Main-Raum 2411 C Anlage 23 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Dr. Weber (Köln) betr. Preiserhöhung für Schülerzeitkarten durch die Oberpostdirektion Köln . . . . . 2411 D Anlage 24 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Alber betr. Einführung der Fahrerlaubnis für Fahrer von Krankenkraftwagen . . . . . . . . . . 2412 A Anlage 25 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Dr. Jobst betr. Behebung des akuten Mangels an Transportladeraum 2412 C Anlage 26 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Dr. Probst betr. Trassierung der B 471 durch das Nervenkrankenhaus Haar 2412 D Anlage 27 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Dr. Wulff betr. Einstellung der Bauarbeiten an der EB 7 zwischen Letmathe und Iserlohn 2413 B Anlage 28 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Maucher betr. Interessen- 2413 D gemeinschaft „Mieterhöhung" Laupheim Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. April 1970 2377 47. Sitzung Bonn, den 24. April 1970 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr
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    Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. April 1970 2403 Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Dr. Ahrens ** 24. 4. Alber ** 24.4. von Alten-Nordheim 24.4. Amrehn** 24. 4. Dr. Artzinger * 24.4. Bals ** 24.4. Bauer (Würzburg) ** 24. 4. Becker (Pirmasens) 24.4. Behrendt * 25.4. Berlin 4. 5. Biehle 24.4. Dr. Birrenbach 8. 5. Blumenfeld ** 24.4. von Bockelberg 26.4. Böhm 24.4. Dr. Böhme 26.4. Dr. Brand (Pinneberg) 24. 4. Brünen 24. 4. Dr. Burgbacher 24. 4. Buschfort 24.4. Corterier 27. 4. Damm 25. 4. van Delden 24. 4. Frau Dr. Diemer-Nicolaus ** 24. 4. Dr. Dittrich * 25.4. Draeger ** 25. 4. Engelsberger 24.4. Frau Dr. Elsner * 24.4. Faller * 24.4. Fellermaier * 24. 4. Folger 24. 4. Dr. Franz 24. 4. Fritsch ** 24.4. Dr. Furler ** 24. 4. Geiger 24.4. Geldner 24. 4. Gottesleben 8. 5. Dr. Götz 24. 4. Graaff 24.4. _ Haase (Kassel) .24. 4. Haase (Kellinghusen) 24.4. Hauck 24. 4. Dr. Hein * 24. 4. Frau Herklotz ** 24. 4. Dr. Hermesdorf (Schleiden) ** 24. 4. Hösl 24. 4. Frau Huber 24. 4. Jaschke 24. 4. Frau Klee ** 24. 4. Dr. Kempfler 24. 4. Killat-von Coreth 24. 4. Kirst 24.4. Dr. Kliesing ** 24. 4. * Für Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen der Beratenden Versammlung des Europarates Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich Klinker * 24.4. Dr. Koch * 24. 4. Kohlberger 24.4. Konrad 28. 4. Frau Krappe 24. 4. Dr. Kreile 24. 4. Kriedemann * 24. 4. Freiherr von Kühlmann-Stumm 24. 4. Lange * 24. 4. Langebeck 24.4. Lenze (Attendorn) ** 24. 4. Liehr 24. 4. Dr. Löhr * 24. 4. Lücker (München) * 24. 4. Maibaum 24. 4. Meister * 24. 4. Memmel * 24. 4. Mertes 24. 4. Müller (Aachen-Land) * 24. 4. Dr. Müller (München) ** 24. 4. Müller (Remscheid) 24.4. Dr. Nölling 24. 4. Pöhler ** 24. 4. Richter ** 24. 4. Dr. Rinderspacher ** 24. 4. Rosenthal 24. 4. Roser ** 24. 4. Dr. Rutschke ** 24.4. Dr. Schellenberg 24. 4. Frau Schimschok 24. 4. Frau Schlei 24.4. Dr. Schmid (Frankfurt) ** 24. 4. Schmidt (Kempten) 24.4. Schmidt (Würgendorf) ** 24. 4. Dr. Schmücker ** 24. 4. Schneider (Königswinter) 3. 5. Frau Schroeder (Detmold) 24. 4. Schröder (Wilhelminenhof) 24. 4. Dr. Schulz (Berlin) ** 24.4. Schulhoff 24. 4. Seefeld 26.4. Dr. Schwörer * 24. 4. Sieglerschmidt ** 24. 4. Dr. Siemer 24.4. Steiner 26. 4. Dr. Starke (Franken) 24. 4. Urbaniak 24. 4. Frau Dr. Walz ** 24. 4. Ziegler 24. 4. Anlage 2 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Storck vom 23. April 1970 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Franz (Drucksache VI/635 Fragen A 69 und 70) : Ist die Bundesregierung bereit, infolge der Erhöhung der Hypothekenzinsen durch die Heraufsetzung des Diskontsatzes die Verordnung über die Wohngeldlastenberechnung vom 4. August 1967 dahingehend abzuändern, daß die Höchstgrenze für den 2404 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. April 1970 Ansatz der Belastung aus dem Kapitaldienst für Fremdmittel von bislang gemäß § 7 Abs. 2 8% entsprechend der Verteuerung der Hypotheken heraufgesetzt wird? Ist die Bundesregierung mit mir der Ansicht, daß sich die Erhöhung des Diskontsatzes insbesondere bei Bauvorhaben einkommensschwacher Gruppen mit hoher Inanspruchnahme von Fremdmitteln nachteilig und hemmend auswirkt und somit ohne eine Anhebung der Lastenzuschüsse nach dem Wohngeldgesetz dieser wichtige Komplex der Vermögensbildung beeinträchtigt werden kann? Die Begrenzung der Zinsen und Tilgungen für Fremdmittel zum Bau von Eigenheimen und Eigentumswohnungen auf 8 v. H. kann auch nach der Erhöhung ,der Hypothekenzinsen bei Sparkassen und Volksbanken aufgrund der Heraufsetzung des Diskontsatzes nicht für sich allein betrachtet werden. Wegen des engen Sachzusammenhanges mit anderen das Wohngeld betreffenden Vorschriften kann eine Erhöhung des Prozentsatzes unterschiedliche Folgen haben: 1. Es kann ein höherer Lastenzuschuß in Betracht kommen, wenn .die höhere Belastung ganz oder teilweise unterhalb .der Obergrenzen (§ 43 WohngeldG) bleibt. 2. Der Lastenzuschuß kann unverändert bleiben, wenn die höhere Belastung infolge Überschreitung der Obergrenzen sowieso unberücksichtigt bleiben muß. 3. Der Lastenzuschuß kann in vollem Umfange wegfallen, wenn die höhere Belastung die Obergrenzen um mehr als 35 v. H. oder in Ausnahmefällen um mehr als 40 v. H. übersteigt (§ 28 a WohngeldG). Gerade die bisherigen Vorschriften über die Obergrenzen (§ 43 WohngeldG) und die Versagung des Lastenzuschusses wegen besonders hoher Belastung (§ 28 a WohngeldG) werden den gewünschten Anforderungen nicht mehr gerecht. Eine Änderung wird deshalb bereits bearbeitet. Die Bundesregierung wird in Kürze den Entwurf eines Zweiten Wohngeldgesetzes vorlegen. Die grundlegenden Verbesserungen in diesem Gesetzentwurf, .die im Durchschnitt aller Wohngeld-fälle zu einer beträchtlichen Anhebung der Wohngeldleistungen führen werden, machen auch eine Änderung der Verordnung über die Wohngeldlastenberechnung erforderlich. Anlage 3 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Reischl vom 23. April 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Höcherl (Drucksache VI/635 Frage A 28) : Ist die Bundesregierung bereit, eine Gewerbesteueränderung mit dem Ziel vorzuschlagen, die privaten Schulen und andere allgemeinbildende oder berufsbildende Einrichtungen sowie Internate — unabhängig von ihrer Größe — von der Gewerbesteuer zu befreien, auch wenn die Voraussetzungen der Gemeinnützigkeitsverordnung formal nicht erfüllt sind? Privatschulen und andere allgemeinbildende oder berufsbildende Einrichtungen sind nur gewerbesteuerpflichtig, wenn der Schulbetrieb vom Inhaber nicht auf Grund eigener Fachkenntnisse geleitet wird, oder — in Folge seiner Größe auch vom fachlich vorgeblideten Inhaber nicht mehr persönlich und eigenverantwortlich geleitet werden kann, oder wenn solche Einrichtungen in der Form einer Kapitalgesellschaft, einer Genossenschaft oder von einer sonstigen juristischen Person des privaten Rechts oder von einem nichtrechtsfähigen Verein im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs geführt werden. Internate sind grundsätzlich gewerbesteuerpflichtig, es sei denn, das Internat ist einer Schule angeschlossen und dient dem Inhaber der Schule als notwendiges Hilfsmittel bei Ausübung seiner sonst freiberuflichen Tätigkeit, ohne daß aus der Unterhaltung des Internats ein besonderer Gewinn angestrebt wird. Es ist zuzugeben, daß in den Fällen, in denen eine solche Einrichtung von einem einzelnen oder von mehreren in einer Personengesellschaft betrieben wird, die Abgrenzung, ob eine freiberufliche oder eine gewerbliche Tätigkeit gegeben ist, in der Praxis schwierig sein mag. Solche Abgrenzungsschwierigkeiten können es noch nicht rechtfertigen, als Gewerbebetrieb geführte Privatschulen und ähnliche Einrichtungen ohne Rücksicht auf die Unternehmensform, auf die Größe oder auf ihre Zweckrichtung von der Gewerbesteuer freizustellen. Es kommt hinzu, daß der Kreis der in Frage stehenden Einrichtungen nicht eindeutig abgrenzbar ist. Es würden sich daraus also neue Abgrenzungsfragen ergeben. Zudem würden Berufungen anderer ähnlicher Gewerbebetriebe auf die Ausnahmen nicht auszuschließen sein. Nach Ansicht der Bundesregierung erscheint es auch zweifelhaft, ob durch eine generelle Gewerbesteuerbefreiung eine gezielte Förderung bildungspolitischer Belange erreicht werden könnte. Es würde im Gegenteil möglicherweise ein kaum zu wünschender Anreiz für fachlich nicht genügend qualifizierte berufsfremde Personen geschaffen werden, jedwede Ausbildung als Geschäft zu betreiben. Die Bundesregierung ist bereit, im Rahmen der geplanten Steuerreform zu prüfen, ob für private Schulen und andere allgemeinbildende oder berufsbildende Einrichtungen sowie Internate eine Lösung gefunden werden kann, wie sie nach geltendem Recht bereits für bestimmte andere Einrichtungen besteht. Anlage 4 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Reischl vom 23. April 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Wulff (Drucksache VI/635 Frage A 38) : Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, Nahverkehrsunternehmen, die keiner gleichwertigen Konkurrenz ausgesetzt sind und unwirtschaftliche Strecken vor allem auch im öffentlichen Interesse befahren müssen, von der Mineralölsteuer gänzlich zu befreien., um Preisermäßigungen zu ermöglichen oder aber etwaige geplante Preiserhöhungen zu vermeiden? Eine Verbesserung der Kostenlage der Nahverkehrsbetriebe hält auch die Bundesregierung für Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. April 1970 2405 wünschenswert. Sie sieht allerdings keine Möglichkeit für steuerliche Maßnahmen des Bundes mit diesem Ziel. Das gilt insbesondere auch für eine Befreiung von der Mineralölsteuer. Dieser Steuer sind als Verbrauchsteuer Befreiungen nämlich wesensfremd. Auch schlechte Wirtschaftslagen oder gar Notlagen können darum keinen Grund hierfür abgeben. Gleiches gilt, wenn der Verbrauch belasteter Erzeugnisse bei Erfüllung öffentlicher Aufgaben geschieht. Würde man anders entscheiden, ließen sich die Auswirkungen nicht übersehen. Andere Verbraucher mit öffentlichen Aufgaben würden entsprechende Forderungen stellen, z. B. Polizei, Bundeswehr, Feuerschutz, Rotes Kreuz, Technisches Hilfswerk. Für andere Maßnahmen zugunsten von Nahverkehrsunternehmen besitzt der Bund, abgesehen von den Bereichen der Bundesbahn und der Bundespost, nach der Verfassung keine Zuständigkeit. Anlage 5 Schriftliche Antwort des Bundesministers Scheel vom 23. April 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Schlee (Drucksache VI/635 Frage A 81): Warum betrachten es überstaatliche Organisationen, z. B. die UNO oder die NATO, nicht als ihre weltpolizeiliche Aufgabe, gegen Verbrechen gegen das Völkerrecht wie bei der Entführung und Ermordung des deutschen Botschafters Karl Graf von Spreti, gemeinsam vorzugehen? Die Befugnisse internationaler Organisationen richten sich nach ihren Satzungen. Die NATO ist eine regionale Organisation, die der gemeinsamen Verteidigung ihrer Mitgliedstaaten gegen bewaffnete Angriffe dient; „weltpolizeiliche Aufgaben" obliegen ihr nicht. Die Vereinten Nationen haben nur bei einer Bedrohung oder einem Bruch des Friedens und angesichts von Angriffshandlungen gewisse Zwangsbefugnisse. Die Voraussetzungen für ein solches Einschreiten der Vereinten Nationen liegen nicht bereits dann vor, wenn ein Staat in einem Einzelfall seine völkerrechtliche Verpflichtung zum Schutz eines bei ihm akkreditierten Diplomaten nicht erfüllt hat. Es ist in diesem Fall in erster Linie Sache des Entsendestaates, auf die Völkerrechtsverletzung zu reagieren. Die Bundesregierung hat das der Regierung Guatemalas gegenüber getan. Sie hat in diesem Zusammenhang auch erklärt, daß sie weltweite Schritte zur Verbesserung des Schutzes von Diplomaten für erforderlich hält; sie sieht darin eine wichtige Aufgabe auch für die Vereinten Nationen. Anlage 6 Schriftliche Antwort des Bundesministers Scheel vom 23. April 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Schlee (Drucksache VI/635 Frage A 82) : Ist der deutsche Botschafter Karl Graf von Spreti der erste der in den letzten Jahren in den lateinamerikanischen Staaten entführten Diplomaten und Politiker gewesen, der nicht ausgelöst und dadurch vor dem Tode bewahrt wurde? Ich beantworte Ihre Frage mit Ja. Anlage 7 Schriftliche Antwort des Bundesministers Scheel vom 23. April 1970 auf die Mündlichen Fragen der Abgeordneten Benda und Dr. Müller (München) (Drucksache VI/635 Fragen A 83 und 85) : Welche Maßnahmen hatte die Bundesregierung zum Schutz der deutschen Diplomaten ergriffen, nachdem in mehreren lateinamerikanischen Staaten, insbesondere auch in Guatemala, Diplomaten anderer Länder von Untergrundorganisationen entführt worden waren oder Entführungsversuche stattgefunden hatten? Welche konkreten Maßnahmen hat die Bundesregierung angeordnet, um die Sicherheit deutscher Diplomaten im Ausland besser als bisher zu gewährleisten? Nach Art. 29 der Wiener Konvention über diplomatische Beziehungen ist der Empfangsstaat zu allen geeigneten Maßnahmen verpflichtet, um Angriffe auf die Person, Freiheit und Würde der diplomatischen Vertreter anderer Staaten zu verhindern. Vor der Entführung Graf Spretis mußte aus der Berichterstattung unserer Vertretungen in Lateinamerika geschlossen werden, daß der den deutschen Diplomaten gewährte Schutz angemessen und ausreichend war. Unabhängig davon waren aber schon vor der Entführung des• Grafen Spreti unsere Vertretungen — soweit es von deutscher Seite möglich ist — auf eigene Sicherheitsmaßnahmen hingewiesen oder zu solchen Maßnahmen veranlaßt worden. Bei jeder Vertretung liegt seit Jahren ein Katalog von möglichen Maßnahmen zum Schutze der Bediensteten, aber auch zum Schutze anderer deutscher Staatsangehöriger — zu denken ist hier vor allem auch an die im offiziellen Auftrag wirkenden Lehrer, Dozenten, im Rahmen der Entwicklungshilfe entsandten Experten usw. —, um für Ausnahmesituationen gerüstet zu sein. Die Auslandsvertretungen sind verpflichtet, ihre Sicherungs- und Schutzmaßnahmen ständig .den örtlichen Umständen anzupassen, hierzu die Sicherungsorgane des Empfangsstaates einzuschalten und eng mit .den Missionen anderer Staaten zusammenzuarbeiten. Im Rahmen dieser Richtlinien haben die Vertretungen in Lateinamerika mit den zuständigen Organen des jeweiligen Empfangsstaates die ihnen örtlich notwendig erscheinenden Maßnahmen zum Schutz ,der Vertretungen und ihrer Angehörigen veranlaßt. Den Grad der notwendigen Sicherheitsmaßnahmen gegenüber Ausnahmesituationen, wie z. B. einer Entführung, können die Auslandsvertretungen selbst am besten aufgrund der örtlichen Verhältnisse beurteilen. Sie sind angewiesen, darüber zu berichten, damit gegebenenfalls Maßnahmen der Bundesregierung eingeleitet werden können. 2406 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. April 1970 Anlage 8 Schriftliche Antwort des Bundesministers Scheel vorn 23. April 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Benda (Drucksache VI/635 Frage A 84) : Welche Maßnahmen zum Schutz der deutschen Diplomaten in den in Frage kommenden Ländern beabsichtigt die Bundesregierung zu ergreifen, nachdem Botschafter Graf von Spreti in Guatemala ermordet wurde, ohne daß die dortige Regierung das Notwendige getan hat, um ihn aus der Gewalt der Entführer zu befreien? Noch am selben Tage, an dem die Ermordung des Botschafters bekannt wurde, hat das Auswärtige Amt eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die die Frage prüft, welche Maßnahmen getroffen werden können und sollen, um die Sicherheit der Bediensteten der deutschen Auslandsvertretungen und ihrer Familienangehörigen über +die geltenden Dienstvorschriften hinaus zu verbessern. Die Arbeitsgruppe hat ihre Tätigkeit sofort aufgenommen. Ihr gehören alle zuständigen Referate des Auswärtigen Amts an, sie wird je nach Bedarf um Vertreter anderer Ressorts, insbesondere .des Bundesministeriums des Innern, erweitert. Die 'Arbeitsgruppe hat die süd- und mittelamerikanischen Auslandsvertretungen sofort durch Drahterlasse über mögliche Sofortmaßnahmen zur Verstärkung der eigenen 'Sicherheit unterrichtet und um umgehende Berichterstattung über die Lage gebeten. Aufgrund der hierzu laufend eingehenden Berichte werden die Auslandsvertretungen angewiesen, welche zusätzlichen Maßnahmen sie von der Regierung des Gaststaates unter Anbietung der Gegenseitigkeit fordern sollen. Die Arbeitsgruppe prüft z. Z. im Benehmen mit allen deutschen Auslandsvertretungen, welche Maßnahmen unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles und örtlicher Verhältnisse von der Bundesregierung zur Verbesserung dieses Schutzes getroffen werden können. Die zweite Gruppe der eingeleiteten Maßnahmen bezieht sich auf eine verstärkte internationale Zusammenarbeit bei Sicherheitsvorkehrungen. Kontakte sind hierzu aufgenommen und werden in den nächsten Tagen weiter ausgedehnt. Aufgrund der bisherigen Erfahrungen läßt sich eine erfreuliche internationale Solidarität zur Durchführung gemeinsamer Maßnahmen unter den befreundeten Nationen feststellen. Ziel dieser Aktion ist vor allem eine weitgehende Zusammenarbeit und gegenseitige Unterstützung der Vertretungen der verschiedenen Staaten an Ort und Stelle bei der Durchführung von Schutzmaßnahmen zur Vorbeugung und Abwehr von verbrecherischen Angriffen auf Auslandsbedienstete. Darüber hinaus bemüht sich die Bundesregierung, auch internationale Organisationen für eine Behandlung dieser Frage zu interessieren. Sie denkt hierbei an eine gemeinsame Ächtung von Gewaltmaßnahmen gegen Unbeteiligte als Mittel der politischen Auseinandersetzung sowie an eine Konkretisierung der völkerrechtlichen Normen, die den Schutz und die Unverletzlichkeit diplomatischer Vertreter zum Inhalt halben. * Anlage 9 Schriftliche Antwort des Bundesministers Genscher vom 22. April 1970 auf die Schriftliche Frage de's Abgeordneten Dichgans (Drucksache VI/635 Frage B 1): Wie lauten die Prozentsätze der stadteigenen Flächen, die Bundesminister Genscher in der Fragestunde vom 12. Dezember 1969 genannt hat, für die dort genannten Städte, wenn man sie nur auf diejenigen stadteigenen Flächen bezieht, die bei guter Planung Bauland sein könnten? Über die Prozentsätze der stadteigenen Flächen, die in den Städten der Bundesrepublik Deutschland über 500 000 Einwohner bei guter Planung Bauland wären, liegt kein amtliches Zahlenmaterial vor. Auch die der Beantwortung Ihrer Frage in der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 12. Dezember 1969 zugrunde gelegten Resultate einer Erhebung des Deutschen Städtetages enthalten hierüber nichts. Angaben wären allenfalls im Wege einer weiteren Umfrage bei den Städten selbst zu erlangen. Falls Sie es wünschen, bin ich bereit, den Deutschen Städtetag zu bitten, die genannten Mitgliedstädte nach ihrem Baulandvorrat zu befragen. Anlage 10 Schriftliche Antwort des Bundesministers Genscher vom 22. April 1970 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Moersch (Drucksache V/635 Fragen B 2 und 3) : Inwieweit werden in der Bundesverwaltung Dienstzeiten als wissenschaftlicher Universitätsassistent im Beamtenverhältnis auf Widerruf als Probezeit und als Beförderungsdienstzeit berücksichtigt? Ist die Bundesregierung im Falle einer unterschiedlichen Berücksichtigung der Dienstzeiten der wissenschaftlichen Universitätsassistenten im Bund und bei den Ländern bereit, sich für eine gleiche Anrechnungspraxis einzusetzen, die dem besonderen Status dieser Beamten laufbahnmäßig Rechnung trägt? In der Bundesverwaltung werden bei früheren Universitätsassistenten, die die Laufbahnbefähigung besitzen oder denen die Befähigung nach den Vorschriften für Beamte besonderer Fachrichtungen auf einen in die Assistentenzeit fallenden Zeitpunkt rückwirkend zuerkannt werden kann, die Dienstzeiten als Assistent voll bei der Probezeit berücksichtigt. Sind in diesen Fällen die als Universitätsassistent im Beamtenverhältnis auf Widerruf zurückgelegten Zeiten länger als die Probezeit, so sind die längeren Zeiten je nach dem Zeitpunkt des Befähigungserwerbs auch auf die Beförderungsdienstzeiten anrechenbar. Dadurch wird einerseits dem Gesichtspunkt Rechnung getragen, daß für Universitätsassistenten — soweit sie als solche in ein Beamtenverhältnis berufen wurden — nach allen einschlägigen Vorschriften nur ein Beamtenverhältnis auf Widerruf vorgesehen ist, andererseits aber auch gewürdigt, daß die Assistenten Funktionen ausgeübt haben, die mit der Art ihrer späteren Tätigkeit im Bundesbeamten- Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. April 1970 2407 verhältnis grundsätzlich in hohem Maße vergleichbar sind. Universitätsassistenten, die die Befähigung noch nicht erworben haben, wird die Assistentenzeit bei der Einstellung in den Bundesdienst bis auf die Mindestprobezeit angerechnet. Diese beträgt ein Jahr und sechs Monate, ab 1. Mai 1970 — mit dem Inkrafttreten der neuen Bundeslaufbahnverordnung — nur noch ein Jahr. Der Bundesregierung ist bekannt, daß die Länder Dienstzeiten als wissenschaftlicher Assistent zum Teil in geringerem Umfang berücksichtigen als der Bund. Dies beruht auf inhaltlich nicht übereinstimmenden laufbahnrechtlichen Vorschriften oder auf einer anderweitigen Auslegung der Bestimmungen. Das Bundesministerium des Innern hat den Ländern seine Auffassung im September 1969 bekanntgegeben. Darüber hinaus ist eine Einwirkungsmöglichkeit nicht gegeben. Ich weise in diesem Zusammenhang darauf hin, daß die neue Bundeslaufbahnverordnung Klarstellungen enthält, die der in der Antwort zur Frage 1 dargelegten Praxis in der Bundesverwaltung Rechnung tragen. Anlage 11 Schriftliche Antwort .des Bundesministers Genscher vom 22. April 1970 auf ,die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Klepsch (Drucksache VI/635 Frage B 4) : Plant die Bundesregierung die Verlegung weiterer Bundesbehörden aus Koblenz? Die Bundesregierung plant, außer dem Bundesinstitut für Arbeitsschutz nur die Erprobungsstelle 51 der Bundeswehr aus Koblenz zu verlegen. Die Verlegung der in Metternich und Karthause untergebrachten Erprobungsstelle wird erwogen, weil sie zusammengelegt werden muß und weil sich die Erprobungsbedingungen infolge der Moselkanalisierung verschlechtert haben. Die Stadt Koblenz ist an der Räumung der Karthause interessiert, da es sich um städtisches Erholungs- und Bebauungsgebiet handelt. Der Zeitpunkt der Verlegung steht noch nicht fest; die Prüfung ist noch nicht abgeschlossen. Anlage 12 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Reischl vom 22. April 1970 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Hammans (Drucksache VI/635 Fragen B 5 und 6) : Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung einzuleiten, um am deutsch-niederländischen Grenzübergang Kaldenkirchen/ Schwanenhaus—Venlo/Keulse Barriere, der zur Zeit von 22 Uhr bis 6 Uhr für die Abfertigung von Gütern geschlossen ist, zumindest eine Verlängerung der Öffnungszeit bis 24 Uhr zu erreichen, damit neben der Verhinderung erheblicher Verkehrsstauungen eine bessere Ausnutzung von Transportkapazitäten und vor allem der bestehenden bilateralen Transportgenehmigungen gewährleistet werden kann? Was gedenkt die Bundesregierung zu veranlassen, um am neuen, von niederländischer Seite bereits komplett mit Zollabfertigung errichteten, von deutscher Seite bis etwa Ende April 1970 straßenmäßig fertiggestellten, vierspurigen Grenzübergang Schwanenhaus— Keulse Barriere den Bau des deutschen Zollamtsgebäudes, mit dem noch nicht begonnen wurde, zu beschleunigen, damit die Verlegung der Abfertigung vom bisherigen beengten auf den neuen Grenzübergang erfolgen kann? Das Zollamt Schwanenhaus ist z. Z. während des Sommerhalbjahres für den allgemeinen Güterverkehr wochentags von 6.00 bis 22.00 Uhr geöffnet. Für eine Ausdehnung der Öffnungszeit über 22.00 Uhr hinaus besteht kein allgemeines Verkehrsbedürfnis. Außerdem läßt der Personalmangel der Zollverwaltung eine Ausdehnung nicht zu. Es ist bekannt, .daß auch .die beim Übergang Schwanenhaus auf deutscher und niederländischer Seite ansässigen Spediteure z. Z. nicht an einer Verlängerung der Öffnungszeit interessiert sind, weil ihnen das dafür erforderliche zusätzliche Personal fehlt. Verlängerungen der Öffnungszeiten können außerdem erfahrungsgemäß nur wenig dazu beitragen, .den Verkehrsfluß zu entzerren. Der Stoßverkehr und die dadurch verursachten Stauungen verlagern sich nur auf eine spätere Stunde. Die neue Straße L 135, an der das neue Zollamt Schwanenhaus errichtet werden soll, ist seit dem 15. 4. 1970 fertig. Die neuen Abfertigungsanlagen für das ZA Schwanenhaus werden auf dem Gelände einer ehemaligen Kiesgrube erstellt. Das Baugelände mußte zunächst aufgeschüttet und ausreichend verfestigt werden, so daß mit den eigentlichen Bauarbeiten erst in etwa 4 Wochen begonnen werden kann. Die Anlagen können voraussichtlich im März 1971 in Betrieb genommen werden. Die niederländischen Zollabfertigungsanlagen sind auch noch nicht fertig. Die niederländische Zollverwaltung rechnet damit, ihre neuen Anlagen etwa im August 1970 in Betrieb nehmen zu können. Zu diesem Zeitpunkt kann die neue Straße für den Reiseverkehr in beiden Richtungen und für den Güterverkehr aus Deutschland in Richtung Niederlande geöffnet werden. Wegen der Abfertigung des Güterverkehrs aus den Niederlanden in Richtung Deutschland wird z. Z. mit der niederländischen Zollverwaltung verhandelt. Es wird angestrebt, diesen Verkehr bis zur Fertigstellung der neuen deutschen Abfertigungsanlagen weiter beim alten Grenzübergang Schwanenhaus abzufertigen. Der Verkehr kann dann ohne größere Schwierigkeiten nach der Abfertigung unmittelbar hinter dem alten Zollamt und der Grenze auf die neue Straße umgeleitet werden. Die deutsche Zollverwaltung wird alle ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Beschleunigung der Baumaßnahmen ausschöpfen. Anlage 13 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Logemann vom 20. April 1970 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Helms (Drucksache VI/635 Frage B 7): 2408 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. April 1970 Wie beurteilt die Bundesregierung die Klagen der privaten und kommunalen Waldbesitzer über eine unzureichende Berücksichtigung bei der Aufteilung der Bundesmittel für den forstlichen Wirtschaftswegebau, und wie kann nach Meinung der Bundesregierung hier Abhilfe geschaffen werden? Die zur Förderung des Wirtschaftswegebaues bestimmten Bundesmittel — Kap. 10 02 Tit. 882 14 — werden den zuständigen obersten Landesbehörden alljährlich global zugewiesen und von diesen nach eigenem Ermessen für den land- und forstwirtschaftlichen Wegebau vorgesehen. Dazu habe ich die Landesbehörden seit Jahren gebeten, den forstwirtschaftlichen Wegebau mit Rücksicht auf die wirtschaftlich bedrängte Lage der Forstwirtschaft bei der Aufteilung der Bundesmittel auf die beiden Bereiche besonders zu berücksichtigen. Eine Ausnahme von der oben geschilderten Sachbehandlung wird erstmals in diesem Jahr auf Antrag in Bayern praktiziert, wobei die für den forstwirtschaftlichen Wegebau bestimmten Mittel nicht mehr die Oberste Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern erhält, sondern unmittelbar das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Auch die Bundesmittel für zusätzliche Förderungsmaßnahmen in den von der Natur benachteiligten Gebieten — Kap. 10 02 Tit. 888 20 —, die den Ländern nach ihrem Vorschlag für die einzelnen Zweckbestimmungen zugewiesen werden, teilen die zuständigen Landesbehörden auf den land- und forstwirtschaftlichen Wegebau auf. Die genannte Empfehlung gebe ich stets auch in diesem Zusammenhang. Die bisher bekanntgewordenen Klagen des privaten und körperschaftlichen Waldbesitzes sind ursächlich mit darauf zurückzuführen, daß die Zuweisungen an Bundesmitteln in den letzten Jahren entsprechend der Verringerung der Ansätze im Haushaltsplan nicht ausreichen, den land- und forstwirtschaftlichen Wegebau im wünschenswerten und erforderlichen Umfang zu fördern. Daran würde bei unveränderten Titel-Ansätzen im Haushaltsplan auch eine getrennte Zuweisung der Wegebaumittel durch den Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten kaum etwas ändern können. Am ehesten wäre gegenwärtig noch eine stärkere Berücksichtigung des forstwirtschaftlichen Wegebaues bei der Aufteilung der Verstärkungsmittel aus Kap. 10 02 Tit. 882 20 denkbar, allerdings nur zu Lasten anderer Maßnahmen. Eine durchgreifende Besserung wäre zu erwarten, wenn die für den Wirtschaftswegebau bestimmten Förderungsmittel von Bund und Ländern dem Nachholbedarf entsprechend erhöht würden. Die entgegenstehenden Schwierigkeiten sind allgemein bekannt. Eine neue Grundlage wird sich beim Vollzug des Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" ergeben. Anlage 14 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Logemann vom 20. April 1970 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Weigl (Drucksache VI/635 Frage B 8) : Sind der Bundesregierung Fälle bekannt, daß osteuropäische Länder unter Umgehung des Außenhandelsschutzes der EWG Agrarlieferungen über die DDR vorgenommen haben? Der Bundesregierung sind keine Fälle bekanntgeworden, in denen osteuropäische Länder Agrarerzeugnisse im Rahmen des innerdeutschen Handels über die DDR in die Bundesrepublik geliefert und auf diesem Wege Außenhandelsbestimmungen der EWG umgangen haben. Der Warenverkehr zwischen den Währungsgebieten der DM-Ost und der DM-West unterliegt dem Recht des innerdeutschen Handels, dessen System durch das (einen Bestandteil des EWG-Vertrages bildende) Protokoll über den innerdeutschen Handel auch innerhalb der EWG anerkannt wird. Das Recht des innerdeutschen Handels sieht aber vor, daß die Lieferung von Waren, die nicht in den Währungsgebieten der DM-Ost oder DM-West gewonnen oder hergestellt sind, einer besonderen Vereinbarung bedürfen (Protokoll vom 16. Aug. 1960, Anlage 11 zum Berliner Abkommen vom 20. Sept. 1951, BA Nr. 32 vom 15. Febr. 1961). In den letzten acht Jahren sind derartige Vereinbarungen (mit Ausnahme von ausländischen Zeitschriften technischen und wissenschaftlichen Inhalts) für Bezüge der Bundesrepublik jedoch nicht getroffen worden; auch für die Zukunft ist das nicht beabsichtigt. Der Bundesregierung sind in den letzten Jahren — nur sie wurden überprüft — keine Fälle dafür bekanntgeworden, daß die DDR, die den innerdeutschen Handel über die staatlichen Außenhandelsbetriebe abwickelt, diese Regelung nicht beachtet hat. Damit muß aber als ausgeschlossen gelten, daß osteuropäische Länder Agrarerzeugnisse über die DDR in die Bundesrepublik geliefert haben, etwa um den Außenschutz der EWG zu umgehen. Anlage 15 Schriftliche Antwort des Bundesministers Arendt vom 23. April 1970 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Klepsch (Drucksache VI/635 Frage B 9) : Aus welchen Gründen ist die Verlegung des bisherigen Bundesinstituts für Arbeitsschutz von Koblenz nach Dortmund und ohne jegliche Anhörung der Stadt Koblenz erfolgt? Im Haushalt 1970 ist der stufenweise Ausbau des bisherigen Bundesinstituts für Arbeitsschutz in Koblenz zu einer Bundesanstalt für Unfallforschung und Arbeitsschutz vorgesehen. Eine erfolgversprechende Arbeit dieser Bundesanstalt ist nur dann gewährleistet, wenn sie eng mit Praxis und Wissenschaft zusammenarbeiten kann. Diese Voraussetzung ist im Ruhrgebiet durch den Ausbau der Universitäten Dortmund und Bochum sowie durch die Verbindung zu weiteren in der Nähe gelegenen gleichartigen wissenschaftlichen Instituten in besonderem Maße gegeben. Lediglich wegen der geographisch zentralen und verkehrsgünstigen Lage mitten im Industriegebiet sowie wegen der Nähe zu den Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. April 1970 2409 genannten vorhandenen und geplanten Universitäten ist Dortmund im Einvernehmen mit allen beteiligten Stellen als Standort für die neue Bundesanstalt bestimmt worden. Die Verlegung des jetzigen Bundesinstituts für Arbeitsschutz von Koblenz nach Dortmund ist auch mit dem zuständigen Personalrat abgestimmt worden. Sie soll voraussichtlich stufenweise durchgeführt werden. Da sich Koblenz zu meinem Bedauern wegen seiner Lage aus den angegebenen Gründen für den Sitz der neuen Anstalt nicht eignet, haben sich Verhandlungen hierüber mit der Stadt Koblenz erübrigt. Anlage 16 Schriftliche Antwort des Bundesministers Arendt vom 23. April 1970 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Weigl (Drucksache VI/635 Frage B 10) : Empfiehlt die Bundesregierung jetzt auf Grund einer nachhaltigen Verbesserung der Finanzlage der Rentenversicherungen die Gewährung von Darlehen zur Hausstandsgründung? Die Bundesregierung sieht sich auch unter Berücksichtigung der jetzigen Finanzlage der Rentenversicherungen außerstande, die Gewährung von Darlehen zur Hausstandsgründung aus Mitteln der Rentenversicherungen zu empfehlen. Die Darlehen würden Mittel der Rentenversicherungen in sehr beträchtlicher Höhe binden, einen beachtlichen jährlichen Zinsausfall verursachen und die Bildung der gesetzlich vorgeschriebenen Liquiditätsreserve erschweren. Der Gesetzgeber hat auf Grund der Erfahrungen in den Jahren der wirtschaftlichen Rezession im Dritten Rentenversicherungs-Änderungsgesetz den Versicherungsträgern bis zur Auffüllung der vorgeschriebenen Liquiditätsreserve eine Anlage ihrer Mittel — mit Ausnahme einer Rückstellung zur Erhaltung des Verwaltungsvermögens — nur in bestimmten liquiden Anlageformen gestattet. In der Rentenversicherung sind zwar infolge der anhaltenden wirtschaftlichen Aufwärtsentwicklung Beitragsmehreinnahmen zu verzeichnen, die die Finanzlage merklich verbessert haben. Die Auffüllung des Liquiditätsreservesolls wird jedoch trotz dieser Entwicklung insbesondere bei den Trägern der Rentenversicherung der Arbeiter in absehbarer Zeit nicht möglich sein. Solange jedenfalls, wie das vom Gesetzgeber geforderte Liquiditätsreservesoll in der Rentenversicherung nicht vorhanden ist, wird eine Vermögensanlage in anderen als liquiden Formen nicht vertretbar sein. Einsprechendes gilt für die Zahlung von Zuschüssen durch die Rentenversicherungsträger bei einer Darlehensgewährung durch Banken und Sparkassen. Bei mittleren Annahmen würde schon ein 3°/oiger Zuschuß jährliche Kosten in Höhe von rd. 55 bis 75 Mio DM verursachen. Das derzeitige Zinsniveau am Kapitalmarkt würde sogar einen Zinszuschuß von ca. 6 v. H. erfordern, um die Belastung der Begünstigten in tragbaren Grenzen zu halten. Das würde zu einer Belastung der gesetzlichen Rentenversicherungen von jährlich rd. 110 bis 150 Mio DM führen. Eine derartige Belastung der Rentenversicherungen läßt sich nach Auffassung der Bundesregierung zur Zeit nicht vertreten, zumal die finanziellen Möglichkeiten der Rentenversicherungen, die sich bei weiterhin günstiger Entwicklungi der Einnahmen in Zukunft ergeben könnten, notwendigen Verbesserungen im Leistungsrecht vorzubehalten sind. Anlage 17 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Berkhan vom 21. April 1970 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Cramer (Drucksache VI/635 Frage B 11): Wann ist mit der Einrichtung einer neuen Startbahn auf dem Militärflugplatz Upjever zum Zwecke der Lärmverminderung für die Zivilbevölkerung zu rechnen? Das Bundesministerium der Verteidigung hat zur Minderung der Lärmbelästigung im Nahbereich des NATO-Flugplatzes Upjever in ständiger Fühlungnahme mit der Niedersächsischen Landesregierung und den örtlichen Gebietskörperschaften drei Planungsvorschläge für den Bau einer neuen Start- und Landebahn ausgearbeitet. Das von Herrn Professor Dr. Bürck, TH München, erstellte Lärmgutachten zu diesen Vorschlägen hat ergeben, daß in allen 3 Fällen eine wirksame Verbesserung der Lärmsituation zu erwarten ist; insbesondere werden die durch den Fluglärm bisher am stärksten betroffenen Gemeinden ;Schortens und Heidmühle spürbar entlastet werden. Alle für die Durchführung eines Raumordnungsverfahrens notwendigen Unterlagen sind dem Herrn Niedersächsischen Minister des Innern am 29. Mai 1968 übersandt worden. Gleichzeitig wurde er gebeten, die raumordnerische Prüfung durchzuiführen und dem Bundesverteidigungsministerium die abschließende Stellungnahme der Niedersächsischen Landesregierung gemäß § 1 Absatz 2 des Landbeschaffungsgesetzes mitzuteilen. Zu der Frage, ob und welcher der drei Planungsvorschläge aus landesplanerischer Sicht verwirklicht werden kann, hat sich die Landesregierung bisher noch nicht verbindlich geäußert. Anlage 18 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Berkhan vom 21. April 1970 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. von Nordenskjöld (Drucksache VI/635 Frage B 12 und 13) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß sich die Bevölkerung der Landkreise Nienburg und Diepholz angesichts der überaus häufigen Überschallknalle, die oft entgegen den Richtlinien der 2410 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. April 1970 Bundeswehr und der alliierten Streitkräfte in den Abendstunden stattfinden und nachweisbare Sachschäden verursachen, bei allem Verständnis für die Notwendigkeit der Übungsflüge in einem Zustand der Empörung befindet und daß die immer mehr zunehmenden Tief- und Überschallflüge über einer im Kreis Nienburg gelegenen Sprengmittelfabrik ernste Unfallgefahren für die Beschäftigten des Werkes verursachen? Ist die Bundesregierung bereit, darauf hinzuwirken, daß Bundeswehr und alliierte Streitkräfte ihre Überschallflüge zeitweise in andere Gegenden verlegen, damit nicht immer der gleiche Personenkreis der Lämbelästigung unterliegt, oder ist verneinendenfalls wenigstens eine Beschränkung der Überschallflüge auf die Zeit bis 17 Uhr möglich? Wie den Abgeordneten des Deutschen Bundestages und den Länderregierungen bereits am 9. 10. 67 mitgeteilt wurde, ist beim gegenwärtigen Stand der Technik und dem geringen zur Verfügung stehenden bundesdeutschen Luftraum eine alle Seiten befriedigende Lösung des Lärmproblems nicht zu erzielen. Die zahlreichen Beschwerden über eine erhöhte Zahl von Überschallflügen in den vergangenen Monaten waren auf eine größere Luftverteidigungsübung der NATO einschließlich Vorübungen zurückzuführen. Sie erstreckte sich über das gesamte Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und wurde am 10. 4. 70 beendet. Ich hoffe, daß inzwischen wieder eine Beruhigung eingetreten ist. In den sogenannten Nachrichten für Luftfahrer der Bundesanstalt für Flugsicherung wird darauf hingewiesen, daß Industrieanlagen hoher Gefahrenklassen und Kernenergieanlagen zu umfliegen bzw. mit ausreichender Sicherheits-Mindestflughöhe zu überfliegen sind. Überschallflüge finden über allen Teilen der Bundesrepublik statt. Durch die Ausbreitung des Schalls bis zu 40 km beiderseits des Flugweges ist es bei der dichten Besiedlung leider nicht möglich, bestimmte Gebiete auszusparen. Die Flüge sind auf die Zeit von Montag bis 'Freitag von 08.00 bis 20.00 Uhr und an Samstagen von 08.00 bis 12.00 Uhr beschränkt. Feiertage sind ausgenommen. Der Führungsstab Luftwaffe ist zur Zeit bemüht, in Verhandlungen mit alliierten Dienststellen eine Neuregelung der von der NATO vorgeschriebenen Überschallflug-Übungen zu erreichen und dadurch aber die bisherigen Einschränkungen hinaus für die Zukunft noch weitere Erleichterungen zu schaffen. Anlage 19 Schriftliche Antwort des Bundesministers Frau Strobel vom 22. April 1970 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Zebisch (Drucksache VI/635 Frage B 14) : Stimmen Angaben, daß 10 % der Planstellen für die Jugendzahnpflege unbesetzt sind, und welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, diesen Ärztemangel in Zusammenarbeit mit den Ländern zu beheben? Amtliche Zahlen über die nicht besetzten Planstellen für Zahnärzte in der Jugendzahnpflege stehen mir nicht zur Verfügung. Nach einer Erhebung des Bundesverbandes der Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes waren am 31. Dezember 1968 9 % der Planstellen für Zahnärzte nicht besetzt. Nach der amtlichen Statistik der Berufe des Gesundheitswesens 1968 des Statistischen Bundesamtes waren in den 502 Gesundheitsämtern Ende 1968 4785 Ärzte und 2530 Schulzahnärzte entweder hauptamtlich oder im Nebenamt tätig. Im Vergleich zu 1967 ist die Zahl der in den Gesundheitsämtern tätigen Ärzte und Schulzahnärzte leicht zurückgegangen; die Zahl der nicht vollbeschäftigten Schulzahnärzte hat um 32 ab-, die Zahl der hauptamtlichen Schulzahnärzte dagegen um 9 zugenommen. Auch die Nachwuchssituation bei den Zahnärzten des öffentlichen Gesundheitsdienstes ist ungünstig. So sind z. B. in einem Bundesland von der Gesamtzahl aller über 25 Jahre alten Angestellten und Beamten 47 % unter 40 Jahre, bei den niedergelassenen Zahnärzten sind dies etwa 22% und bei den Jugendzahnärzten 2%. Es muß in Anbetracht dieser Überalterung damit gerechnet werden, daß künftig noch mehr Planstellen für die Jugendzahnpflege unbesetzt bleiben. Der Mangel an Zahnärzten des öffentlichen Gesundheitsdienstes wird nur dann behoben werden können, wenn der allgemeine Zahnärztemangel beseitigt werden kann und idas Gefälle in der Besoldung der Schulzahnärzte zum Einkommen der frei praktizierenden Zahnärzte verringert wird. Ich werde den allgemeinen Mangel an Zahnärzten, der im wesentlichen in der ungenügenden Ausbildungskapazität begründet ist, in der Konferenz der für das Gesundheitswesen zuständigen Minister und Senatoren der Länder am 23. und 24. April 1970 in Hamburg erneut zur Sprache bringen. Anlage 20 Schriftliche Antwort des Bundesministers Frau Strobel vom 21. April 1970 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Zebisch (Drucksache VI/635 Frage B 15) : Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, zu einem einheitlichen Jugendzahnpflegegesetz oder parallelen Länderregelungen zu kommen, und wird sie zumindest im eigenen Verantwortungsbereich, z. B. in Behördenräumlichkeiten, Zahnpflegeräume als eine Anfangsmaßnahme einrichten? Die Bundesregierung sieht zur Zeit keine Möglichkeit, zu einem einheitlichen Jugendzahnpflegegesetz zu kommen. Der 4. Bundestag hatte versucht, durch eine eigene Gesetzesinitiative zu einer bundeseinheitlichen Regelung der Jugendzahnpflege zu kommen (vgl. Bundestagsdrucks. IV/1260, IV/1266, IV/1735 und zu IV/ 1735). Der Bundesrat hatte seine Zustimmung zu dem Gesetzentwurf mit der Begründung verweigert, daß dem Bund eine Gesetzgebungszuständigkeit dafür nicht zustehe. Die Bundesregierung hatte sich wegen der Notwendigkeit und Dringlichkeit einer bundeseinheitlichen Regelung der Jugendzahnpflege im Jahre 1968 bemüht, durch eine Erweiterung der Gesetzgebungskompetenz des Bundes (V/3515) die notwendigen Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. April 1970 2411 Voraussetzungen für eine bundeseinheitliche Regelung des Bundeszahnpflegegesetzes zu schaffen. Bekanntlich ist diese Grundgesetzänderung nicht zustande gekommen. Die für das Gesundheitswesen zuständigen Minister und Senatoren der Länder haben bereits 1964 eine Entschließung gefaßt, in der sie den Ländern empfehlen, die Jugendzahnpflege nach möglichst einheitlichen Richtlinien auszurichten. Bisher ist jedoch eine Vereinheitlichung der Jugendzahnpflege durch Absprache unter den Ländern vor allem an der unterschiedlichen personellen Ausstattung in den Ländern gescheitert. Es bestehen im gegenwärtigen Zeitpunkt keine Überlegungen zur Einrichtung von Zahnpflegeräumen. Zahnpflegeräume sind vorwiegend bei Einrichtungen, in denen Kinder betreut werden, erwünscht, um die Kinder am Beispiel und durch Gewöhnung zu entsprechendem positivem Gesundheitsverhalten erziehen zu können. Das gilt besonders für Kindergärten, darüber hinaus für Tagesstätten, Schullandheime und Jugendwohnheime. Der Bund ist nicht Träger solcher Einrichtungen. Die mir nachgeordnete Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung trägt jedoch durch spezielle Ausstellungen in den Schulen zur Intensivierung der Zahngesundheitspflege bei. Darüber hinaus hat die Bundeszentrale mit der Entwicklung eines Jugendzahnhofes, der insbesondere Informations- und Anschauungsmaterial für den Jugendzahnarzt enthält, ein wirksames Mittel zur Gesundheitserziehung auf dem Gebiet der Jugendzahnpflege bereitgestellt. Ich bin aber gerne bereit, die von Ihnen aufgeworfenen Fragen gemeinsam mit dem für die Organisation zuständigen Bundesminister zu prüfen. Anlage 21 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 22. April 1970 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Baier (Drucksache VI/635 Frage B 16) : Bis zu welchem Zeitpunkt ist mit der Vorlage der Trassenuntersuchungen über die Odenwald-Autobahn im baden-württembergischen Bereich zu rechnen, und welcher Bauzeitplan besteht für die Odenwald-Autobahn? Die Straßenbauverwaltung führt gegenwärtig Voruntersuchungen für die Trasse der künftigen Autobahn zwischen Aschaffenburg und Stuttgart durch, die bei der Vielzahl der zu lösenden Probleme noch eine längere Zeit in Anspruch nehmen werden. Im Rahmen des Ausbauplanes für die Bundesfernstraßen in den Jahren 1971 bis 1985 ist die Verwirklichung der Nord-Ost-Umgehung von Stuttgart als die verkehrlich wichtigste Teilstrecke dieser Autobahn auf baden-württembergischem Gebiet in Aussicht genommen. Ebenso ist ein abschnittweiser Weiterbau dieser Strecke beabsichtigt. Anlage 22 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 22. April 1970 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Schmitt-Vockenhausen (Drucksache VI/635 Frage B 17) : Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, den großen Gesamtbahnhof Bischofsheim als Container-Bahnhof für den Rhein-Main-Raum zu verwenden? Die Deutsche Bundesbahn wählt den Standort eines Container-Umschlagplatzes nach dem Grundsatz aus, daß er möglichst im Zentrum des zu bedienenden Wirtschaftsgebiets liegt. Der Umschlagplatz muß gute Straßenanschlüsse besitzen und in das Netz der schnellen Güterzugverbindungen eingebaut sein. Bischofsheim liegt weder im Zentrum des Wirtschaftsgebiets Mainz—Wiesbaden, das von dort aus zu bedienen wäre, noch im Netz der Eil- und Schnellgüterzugverbindungen. Aus der Sicht der Deutschen Bundesbahn ist daher der Bahnhof Bischofsheim nicht geeignet für die Anlage eines Container-Umschlagplatzes. Vorgesehen für den Raum Mainz—Wiesbaden ist ein solcher Umschlagplatz im Gebiet der Stadt Mainz. Über den genauen Standort kann die Deutsche Bundesbahn erst entscheiden, wenn die z. Z. laufenden Untersuchungen abgeschlossen sind. Die Auswahl der Standorte von Container-Umschlagplätzen liegt auf Grund des Bundesbahngesetzes im Ermessen der Deutschen Bundesbahn. Anlage 23 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 22. April 1970 auf die Schriftlichen Fragen des .Abgeordneten Dr. Weber (Köln) (Drucksache VI/635 Fragen B 18 und 19) : Ist der Bundesregierung bekannt und hat sie gebilligt, daß die Oberpostdirektion Köln die• Preise für Schülerzeitfahrkarten mit der Begründung, sie seien nicht kostendeckend, um 50 bis 70% angehoben hat, und hat das Bundesverkehrsministerium selbst eine solche Überprüfung vorgenommen? Teilt die Bundesregierung die von den kommunalen Spitzenverbänden geäußerte Ansicht, daß diese Preiserhöhung unwirksam sei, weil sie nur durch eine Rechtsverordnung des Bundes hätte vorgenommen werden dürfen? Die Anhebung der Gebühren für Schülerzeitkarten wurde von der Oberpostdirektion Köln in eigener Zuständigkeit vorgenommen. Ich habe erst durch Presseveröffentlichungen der letzten Tage davon erfahren. Nach der Postreisegebührenordnung können die Oberpostdirektionen in eigener Zuständigkeit Gebührenmaßnahmen für die einzelne Linie treffen. Maßnahmen der Oberpostdirektion Köln, die über diesen Rahmen hinausgehen, sind nicht durch die Postreisegebührenordnung gedeckt. Ich lasse die Angelegenheit im Augenblick überprüfen und habe 2412 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. April 1970 die Oberpostdirektion vorsorglich angewiesen, die geplanten Gebührenanhebungen bis auf weiteres zurückzustellen. In diesem Zusammenhang sei eine allgemeine Bemerkung zu der finanziellen Situation der Schülerbeförderung im Postreisedienst gestattet: Die Gebühren für Schülerzeitkarten, die zum Teil noch unter dem Gebührenniveau von 1937 liegen, sind bei weitem nicht kostendeckend. Es werden Ermäßigungen bis zu 90 v. H. der Gebühr für einen Einzelfahrschein gewährt. Die auf diese Weise verursachten Mindererlöse aus dem Verkauf von Schülerzeitkarten betragen für das Rechnungsjahr 1969 rd. 73,3 Millionen DM und werden im Rechnungsjahr 1970 auf rd. 80 Millionen DM ansteigen. Anders als die Bahn erhält die Deutsche Bundespost für diese Verluste keinen Ausgleich aus Bundesmitteln. Die Mindererlöse stellen damit für die Deutsche Bundespost eine erhebliche, betriebsfremde politische Last dar. Anlage 24 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 22. April 1970 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Alber (Drucksache VI/635 Fragen B 20 und 21) : Haben der Bundesregierung bei der Einführung der Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung auch für Fahrer von Krankenkraftwagen statistische Unterlagen darüber vorgelegen, daß Unfälle gerade auf das Fehlen dieser zusätzlichen Fahrerlaubnis zurückzuführen waren, weil die Bundesregierung die Verpflichtung der Bestimmung des § 15 d StVZO für Fahrer von Krankenkraftwagen damit begründet [vgl. die Kleine Anfrage VI/597 (neu)], daß sie im Interesse der Verkehrssicherheit und im Interesse der Sicherheit der zu befördernden Kranken und Verletzten vorgenommen worden sei? Ist die Bundesregierung nicht auch der Meinung, daß der durch die Heraufsetzung des Alterserfordernisses auf 21 Jahre wahrscheinliche Ausfall von mindestens 40% der im Rettungsdienst ehrenamtlich tätigen Fahrer [vgl. Frage 5 der Kleinen Anfrage VI/597 (neu)] dem Interesse der zu befördernden Kranken und Verletzten mehr zuwiderläuft als eine fehlende zusätzliche Fahrerlaubnis? Besondere statistische Unterlagen über die Unfälle der Fahrer von Krankenkraftwagen haben bei der Ausdehnung des § 15 d der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung auf Mietwagenfahrer (d. h. auf Fahrer, die gesunde oder kranke Fahrgäste befördern) nicht vorgelegen und waren auch nicht erforderlich, weil es lediglich darum ging, grundsätzlich an alle Fahrer, die Fahrgäste — unabhängig ob kranke oder gesunde — befördern, die gleichen Anforderungen im Interesse der Verkehrssicherheit iu stellen. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß es im Interesse der zu befördernden Kranken und Verletzten liegt, möglichst vor ungeeigneten Fahrern geschützt zu werden, selbst wenn durch die hiermit zusammenhängende Heraufsetzung des Mindestalters für ,die Erlaubnis zur Fahrgastbeförderung zwar nicht die Zahl der Berufsfahrer, wohl aber die der ehrenamtlichen Helfer, die als Fahrer eingesetzt sind, eingeschränkt wird. Anlage 25 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 22. April 1970 auf ,die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Jobst (Drucksache VI/635 Frage B 22) : Was beabsichtigt die Bundesregierung zu unternehmen, um den akuten Mangel an Transportladeraum zu beheben, der bereits zu erheblichen Schwierigkeiten und teilweise zu Betriebseinschränkungen in der Wirtschaft geführt hat und der hauptsächlich auf die unzureichende Waggongestellung durch die Deutsche Bundesbahn zurückzuführen ist? Die Beschaffung der Fahrzeuge, ihre technische Fortentwicklung, die Bemessung des Neubauprogramms und die Disposition über den vorhandenen Bestand liegen nach dem Gesetz in der Hand der Deutschen Bundesbahn. Die Bundesregierung kann hier nur insoweit mitwirken, als sie die Deutsche Bundesbahn bei der Aufbringung der erforderlichen Mittel unterstützt und die Haushaltsansätze genehmigt. Das ist in den vergangenen Jahren regelmäßig geschehen. Wenn trotz der beträchtlichen Güterwagenbestellungen gegenwärtig bei bestimmten Gattungen Knappheit herrscht, so teils wegen der außerordentlich hohen Anforderungen, teils aber auch der schleppenden Auslieferung der Neubauwagen durch die Industrie, die unter Stahlmangel leidet, und vor allem auch wegen der erheblichen Verlangsamung des Wagenumlaufs durch die wachsenden Verzögerungen in der Entladung der Fahrzeuge durch die Empfänger. Die Bundesbahn wirkt der Wagenknappheit insbesondere durch Beschleunigung des Umlaufs — Verstärkung des Güterzugverkehrs — und durch möglichst schnelle Ausbesserung der Schadwagen entgegen. Es kann erwartet werden, daß dank der für den Sommer zu erwartenden erheblichen Lieferungen der Waggonbauindustrie und der üblichen saisonalen Entspannung sich die Transportraumlage in einigen Monaten normalisiert haben wird. Anlage 26 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 22. April 1970 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Probst (Drucksache VI/635 Fragen B 23 und 24) : Ist die Bundesregierung der Ansicht, daß bei der Trassierung der B 471 durch das Nervenkrankenhaus Haar mit 3000 Patienten die notwendige Ruhe und Sicherheit der Patienten gewährleistet werden können? Welche Alternativen zu der gegenwärtigen Trassierung wurden verworfen, und ist die Bundesregierung bereit, die bereits begonnene Ausführung bis zu einer neuerlichen Überprüfung der Trassenführung einzustellen? Verschiedene Pressemeldungen aus dem Raum München, nach denen die Trassierung einer neuen Bundesstraße durch das Nervenkrankenhaus Haar beabsichtigt und mit den Bauarbeiten hierzu bereits begonnen sei, treffen nicht zu. Die Sachlage ist daher irreführend dargestellt worden. Der richtige Sachverhalt ist folgender: Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. April 1970 2413 Durch das Gelände der Heilanstalt Haar verlief seit langem die ehemalige Kreisstraße M 11, die auch einem Teil des Durchgangsverkehrs zwischen der Autobahn München—Nürnberg bei Ismaning und der Autobahn München—Salzburg bei Hohenbrunn dient. Da dieser Straßenzug somit zum Teil auch vom überörtlichen Verkehr benutzt wird, wurde die M 11 mit Wirkung vom 1. 1. 1970 zur B 471 aufgestuft. Mit dieser Aufstufung ist lediglich die Baulast auf den Bund übertragen worden. Auf die Verkehrsbelastung hat die Aufstufung zunächst keinen Einfluß. Auch in Zukunft ist es nicht vorgesehen, den gesamten Reiseverkehr zwischen den Autobahnen über die B 471 umzuleiten. Dieser Straßenzug soll nur dann für eine Umleitung herangezogen werden, wenn während besonderer Verkehrsspitzen an einigen Wochenenden in den Sommerreisemonaten die übrigen Straßenzüge, insbesondere der Mittlere Ring, für .den Durchgangsverkehr nicht mehr ausreichen. Diese Umleitung während der Hauptreisezeit ist auch schon bislang durch die örtlichen Verkehrsbehörden vorgenommen worden. Auch hieran hat sich somit durch die Aufstufung nichts geändert. Auch ein umfassender Ausbau und eine Neu-trassierung der B 471 sind nicht vorgesehen. Durch einige örtliche Verbesserungen in kleinerem Rahmen soll nur der Verkehrsfluß und insbesondere die Verkehrssicherheit verbessert werden. Die B 471 soll im Bereich des Krankenhausgeländes so schnell wie möglich vom Durchgangsverkehr entlastet werden. Leider ist das örtliche Straßennetz im Osten von München so überlastet, daß andere Straßenzüge für eine Umleitung des Spitzenverkehrs nicht herangezogen werden können. Als einzige Möglichkeit bietet sich der künftige Äußere Fernstraßenring von München an. Es wurde daher angeordnet, daß der Bau 'des Äußeren Fernstraßenringes — Abschnitt Ost jetzt mit allem Nachdruck betrieben und mit Vorrang finanziert wird. Es ist vorgesehen, die Teilstrecke zwischen Feldkirchen und Putzbrunn, mit der auch die Umgehung von Haar sichergestellt wird, als ersten Abschnitt vorzuziehen. Soweit keine größeren Schwierigkeiten auftreten, sollen hier die Arbeiten im nächsten Jahr anlaufen. Mit der Fertigstellung dieser Teilstrecke ist nach dreijähriger Bauzeit zu rechnen. Bis dahin wird leider — wie seit vielen Jahren schon geschehen — ein Teil des Durchgangsverkehrs die B 471 benutzen. Die bisherigen verkehrslenkenden Maßnahmen zur Ableitung des Spitzenreiseverkehrs auf die B 471 sind von den Verkehrsbehörden des Landes Bayern in eigener Zuständigkeit getroffen worden. Die Aufstufung zur B 471 erfolgte im Einvernehmen mit den zuständigen Behörden des Landes Bayern. Anlage 27 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 22. April 1970 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Wulff (Drucksache VI/63'5 Fragen B 25 und 26) : Welche Überlegungen haben die Bundesregierung zur Einstellung der Bauarbeiten an der EB 7 zwischen Letmathe und Iserlohn im Landkreis Iserlohn bewogen, und trifft es zu, daß gleichwohl andere, der gleichen Dringlichkeitsstufe unterliegende Großbauarbeiten im übrigen Bundesgebiet weiter ausgeführt werden? Stimmt die Bundesregierung mit der Erklärung des Ministerpräsidenten Kühn überein, der am 6. April 1970 in Iserlohn äußerte, daß wegen der besonderen Bedeutung, die der Ausbau der EB 7 für den betreffenden Raum habe, die Bauarbeiten an der EB 7 nicht unter gegenwärtigen konjunkturdämpfenden Maßnahmen der Bundesregierung leiden dürfe? Von einer Einstellung der Arbeiten kann keine Rede sein. Durch die Beschränkung der Haushaltsmittel im Rahmen der Vorläufigen Haushaltsführung und die im Entwurf des Haushaltsgesetzes 1970 enthaltene Sperrung von Investitionsmitteln für den Bundesfernstraßenbau sind zur Zeit keine Mittel verfügbar, um neue Baumaßnahmen zu beginnen oder bei bereits laufenden Baumaßnahmen Anschlußaufträge zu vergeben. Dies bedeutet für die neue B 7, HohenlimburgLetmathe—Iserlohn, ebenso wie für alle anderen, in der Verwirklichung befindlichen Baumaßnahmen, daß die bereits vergebenen Baulose weitergeführt, neue jedoch nicht in Angriff genommen werden. Von einer Einstellung der Bauarbeiten kann insoweit keine Rede sein. Der Herr Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen hat — wie aus Ihrer Frage B 26 hervorgeht — am 6. April 1970 in Iserlohn die Bedeutung der neuen B 7 für den Raum Hagen/Iserlohn unterstrichen. Die Bundesregierung verkennt diese Bedeutung nicht und verweist auf die bisher für diese Neubaumaßnahmen geleisteten erheblichen Investitionen. Aus den übergeordneten Gesichtspunkten einer auf kontinuierliches Wirtschaftswachstum und Preisstabilität gerichteten Haushaltspolitik sind jedoch konjunkturdämpfende Maßnahmen mit entsprechenden Restriktionen im Bereich der Investitionen unvermeidlich geworden. Anlage 28 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. Lauritzen vom 23. April 1970 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Maucher (Drucksache VI/ 635 Frage B 27) : Was hat der Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen auf das Schreiben der Interessengemeinschaft Mieterhöhung, Laupheim, vom 14. März 1970 unternommen? Die Interessengemeinschaft „Mieterhöhung" Laupheim hat mich in ihrem Schreiben darauf hingewiesen, daß ,die Wohnungsbaugenossenschaft „Oberland" in Laupheim ab 1. April 1970 die Mieten bis zu 25 % erhöhen werde. Ich habe mich daraufhin mit der Wohnungsbaugenossenschaft in Verbindung gesetzt, die mir bestätigt hat, daß sie alle im Mietwohnungsbau eingesetzten Hypotheken von den örtlichen Sparkassen und Volksbanken erhalten habe. Da diese Hypotheken mit einer Zinsgleitklausel vereinbart sind, ,haben die Kreditgeber infolge der Erhöhung der Zinssätze für Spareinlagen auch 2414 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. April 1970 die Zinssätze für die Hypotheken erhöht. Nach den Angaben der Wohnungsbaugenossenschaft verlangt beispielsweise die Kreissparkasse Biberach für ihre Hypotheken ab r1. April 1970 8 % Zinsen, die Volksbank und die Kreissparkasse Ehingen beanspruchen 81/2 %. Die Wohnungsbaugenossenschaft war gezwungen, diese Zinsen an (die Mieter weiterzugeben, zumal sie ,die im vergangenen Jahr mit der Neuordnung der Zinssätze der Sparkassen für Einlagen aller Art verbundene Anhebung nicht auf die Mieter umgelegt hatte und deshalb ein Beanstandung ihres Prüfungsverbandes hinnehmen mußte. Auf die Möglichkeit einer Erhöhung des Zinssatzes bei Sparkassenhypotheken hat Herr Bundesminister Dr. Lauritzen in seiner Erklärung am 13. März 1970 vor (dem Deutschen Bundestag hingewiesen. Sobald mir die von der Wohnungsbaugenossenschaft „Oberland" erbetene weitere ausführliche Stellungnahme vorliegt, werde ich gegenüber der Interessengemeinschaft „Mieterhöhung" Laupheim zu der Auswirkung der Zinserhöhung auf die Mietenentwicklung eingehend Stellung nehmen.
Gesamtes Protokol
Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604700000
Die Sitzung ist eröffnet.
Einziger Punkt der Tagesordnung: Fragestunde
— Drucksachen VI/635, VI/675 —
Es liegen Dringliche Mündliche Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft vor. Zur Beantwortung ist der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. Arndt anwesend.
Ich rufe die Frage 1 des Herrn Abgeordneten Dr. Müller-Hermann auf:
Worauf stützt der Bundeskanzler seine Äußerung, die Preise beruhigten sich?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604700100
Herr Kollege MüllerHermann, die Außerungen des Herrn Bundeskanzlers bezog sich auf die Preisentwicklung und auf die Preiserwartungen. Nach dem soeben veröffentlichten Ifo-Konjunkturtest für März zogen die Preise für industrielle Güter ich zitiere jetzt — „erneut an; doch hat sich, nach den Meldungen zu schließen, der Preisanstieg weiter abgeschwächt". Per saldo ging die Erwartung steigender Preise, die bei der verarbeitenden Industrie in den Wochen v o r der Bundestagswahl mit 30 gemessen wurde, im Januar auf 27 und im März auf 8 zurück.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604700200
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Müller-Hermann.

Dr. Ernst Müller-Hermann (CDU):
Rede ID: ID0604700300
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß auf Grund der gleichen Daten, die den Herrn Bundeskanzler zu dieser Äußerung veranlaßt hatten, Ihr Kollege Staatssekretär Dr. Rohwedder gesagt hat, eine Schwalbe mache noch keinen Sommer?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604700400
Das ist mir nicht bekannt. Ich weiß nur, daß gestern im Wirtschaftsausschuß über den Text Ihrer noch nicht gestellten
Dringlichkeitsanfragen ausführlich diskutiert wurde. Ich glaube, die Abgeordneten haben von Staatssekretär Schöllhorn alle Auskünfte zu diesem Thema bekommen; Sie konnten leider nicht zugegen sein.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604700500
Eine zweite Zusatzfrage.

Dr. Ernst Müller-Hermann (CDU):
Rede ID: ID0604700600
Herr Staatssekretär, ist nicht die Auslassung des Herrn Bundeskanzlers über die Preisentwicklung wirklich der Ausdruck einer übergroßen Selbstgefälligkeit, wenn ich etwa Herrn Poullain zitiere, ,der von erschreckenden Preissteigerungen der Bundesrepublik spricht?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604700700
Ich maße mir kein Urteil über die Ausführungen von Herrn Dr. Poullain an. Jedenfalls geben die Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers objektive statistische Berichterstattung wieder, auf die sich auch die Kommission der Europäischen Gemeinschaften stützt.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604700800
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Breidbach.

Ferdinand Breidbach (CDU):
Rede ID: ID0604700900
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, nachdem Sie erklärt haben, daß der Bundeskanzler seine Äußerungen auf die Situation bei den industriellen Preisen stützt, darf ich Sie fragen, wie 'denn die Preissituation etwa bei den Verbrauchsgütern aussieht. Oder hat der Bundeskanzler die Verbrauchsgüter bei seiner Argumentation ausgeschlossen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604701000
Der Bundeskanzler hat sich auf die 'Gesamtheit der Industriepreise bezogen, die uns in den letzten Monaten erhebliche Sorge bereitet hatte und immer noch Sorgen bereitet, wenn auch in durchaus abgeschwächtem Maße. Es ist im Ifo-Konjunkturtest weiter gesagt worden, daß im Großhandel der Preisauftrieb nachgelassen hat und sich nach Meinung der Firmen in den kommenden Monaten weiter abschwächen wird. Das gleiche gilt für die Preisentwicklungen und die Preiserwartungen im Einzelhandel. Für die nächsten Monate — so heißt es da wörtlich — rechnet man mit einer weiteren Abschwächung der Preisauftriebstendenz.




Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604701100
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Luda.

Dr. Manfred Luda (CDU):
Rede ID: ID0604701200
Herr Staatssekretär, Sie haben sich in Ihrer Antwort auf den Ifo-Test und auf die Preiserwartungen bezogen, die seitens der Unternehmer gegenüber dem Ifo-Institut geäußert worden sind. Herr Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir der Auffassung, daß nach allen sehr fragwürdigen Erfahrungen, die vor allem auch Sie in der Vergangenheit mit derartigen Prognosen gemacht haben, man in bezug auf solche Testmethoden besonders kritisch geworden sein sollte, und sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß viel wichtiger als dieser Ifo-Test die Tatsache ist, daß vor wenigen Tagen die Deutsche Bundesbank veröffentlicht hat, daß im Monat März das Geldvolumen eine Steigerungsrate von wiederum 14 Prozent gehabt hat und daß diese Steigerungsrate sich zwangsläufig in den nächsten Monaten im Sinne noch verstärkter Lebenshaltungskosten bemerkbar machen muß?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604701300
Ich will versuchen, diese multiple Frage nacheinander zu beantworten.
Erstens. Es ist nicht Aufgabe der Bundesregierung, sich über Statistiken der Deutschen Bundesbank, des Statistischen Bundesamtes oder öffentlicher oder privater Forschungsinstitute zustimmend oder ablehnend zu äußern. Es ist Aufgabe der Bundesregierung, diese Statistiken zugänglich zu machen und sie zu benutzen.

(Abg. Dr. Luda: Kritisch zu benutzen, ja!)

Zweitens. Die Bundesregierung ist wie jede verantwortungsbewußte Regierung — und diese Bundesregierung ist verantwortungsbewußt — gezwungen, sich laufend ein neues Bild von der künftigen Lage zu machen. Sie hat aus den schrecklichen Erfahrungen der Jahre 1965/66 gelernt,

(Zurufe von der CDU/CSU: Schrecklich! Schrecklich!)

als eine Bundesregierung unter Professor Erhard nicht in der Lage war, ihr Fehlurteil zu korrigieren, weil sie sich dazu nicht stark genug gefühlt hatte.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604701400
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Junghans.

(Abg. Dr. Luda meldet sich zu einer weiteren Zwischenfrage.)

— Es tut mir leid, Herr Luda, Sie haben nicht nur eine, sondern schon drei Zusatzfragen gestellt. Ich kann nur eine zulassen.

(Abg. Dr. Luda: Ich habe nur eine Frage gestellt!)

— Ja, darin waren aber drei Fragen enthalten. Es gibt aber nur eine Zusatzfrage, abgesehen von dem Fragesteller selbst.
Bitte schön, Herr Abgeordneter Junghans.

Hans-Jürgen Junghans (SPD):
Rede ID: ID0604701500
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie die Angebotsseite, insbesondere die
Produktivitätsentwicklung bzw. die Elastizität der Produktion?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604701600
Die Bundesregierung teilt das allgemeine Urteil, daß die anhaltend starke Steigerung der Industrieproduktion eine der erstaunlichsten Leistungen der deutschen Volkswirtschaft ist. Daß nach langer Hochkonjunktur und ebenso langer Vollbeschäftigung in einem außergewöhnlich harten Winter noch Produktionszuwachsraten von 10 % möglich sind, ist ein Erfolg aller arbeitenden Menschen und auch derjenigen, ,die die wirtschaftspolitischen Daten setzen. Ich denke da insbesondere an die Deutsche Bundesbank.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604701700
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Apel.

Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID0604701800
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie die Entwicklung der Verbraucherpreise, bzw. in welchen Bereichen hat sich die Preisentwicklung am wenigsten beruhigt?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604701900
Wir sind am meisten enttäuscht über die Entwicklung der Preise für Nahrungsmittel. Dort sind die Abweichungen von den berechtigten Hoffnungen, die wir uns zum Jahresbeginn auf Grund der Senkung der Interventionspreise für Agrargüter machen konnten, am größten.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604702000
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Lenders.

Helmut Lenders (SPD):
Rede ID: ID0604702100
Herr Staatssekretär, darf ich Sie — nachdem nicht erst seit heute und aus welchen Gründen auch immer die Opposition die konjunktur- und preispolitische Situation offensichtlich dramatischer beurteilt als die Bundesregierung —

(Lachen bei der CDU/CSU.)

fragen: Sind Ihnen, Herr Staatssekretär, irgendwelche Vorschläge der Opposition zu konjunkturpolitischen Maßnahmen bekannt, die dieser von ,der Opposition vorgenommenen Dramatisierung der Situation entsprechen?

(Erneutes Lachen bei der CDU/CSU.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604702200
Nein, von einem Programm, das Aussicht hätte, mit dem gegenwärtigen Preisauftrieb fertig zu werden, habe ich bisher noch nichterfahren.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604702300
Eine Zusatzfrage ,des Abgeordneten Niegel.

Lorenz Niegel (CSU):
Rede ID: ID0604702400
Herr Staatssekretär, Sie haben sich vorhin etwas eigenartig über die statistischen Ergebnisse und Untersuchungen des Ifo-Instituts und der Deutschen Bundesbank geäußert. Ist die Bundesregierung nicht bereit, aus diesen alarmierenden Zahlen, insbesondere der Deutschen Bundesbank, die Konsequenzen zu ziehen?




Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604702500
Selbstverständlich zieht ,die Bundesregierung aus jeder Zahl die Konsequenzen. Deshalb verhehlt sie diese Zahlen auch der Öffentlichkeit nicht, und deswegen bezieht sie der Bundeskanzler in seine laufenden Überlegungen mit ein. Eine der interessantesten Entwicklungen ist, daß neuerdings die Exportaufträge wieder zu steigen beginnen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604702600
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Sprung.

Dr. Rudolf Sprung (CDU):
Rede ID: ID0604702700
Herr Staatssekretär, hat der Herr Bundeskanzler bei seiner Äußerung, daß wir über den Berg sind und daß sich die Preisentwicklung beruhigen wird, vergessen, daß es im ersten Vierteljahresbericht des Bundeswirtschaftsministeriums heißt — ich zitiere —, der konjunkturelle Preisauftrieb, der die vorgelagerten Produktionsstufen zuerst erfaßt habe, werde demnächst für die Konsumenten stärker spürbar werden?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604702800
Ich glaube, ich habe deutlich genug gemacht, ,daß der Bundeskanzler ein Urteil über 'die gesamten Industriepreise abgegeben hat. Er hat aber darauf verzichtet, daran zu erinnern, daß wir in einer Zeit stark steigender Preise im Ausland, insbesondere in den EWG-Ländern, leben. Er hat nicht darauf hingewiesen, daß bei der Harmonisierung .der Wirtschaftspolitik und bei der stärkeren Intensivierung der Europäischen Gemeinschaft ,die Bundesregierung es seit eh und je schwer hatte, Preisstabilität mit der ihr zukommenden Rangordnung in Europa durchzusetzen.

(Zurufe von der CDU/CSU.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604702900
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Frerichs.

Dr. Göke D. Frerichs (CDU):
Rede ID: ID0604703000
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir und auch mit meinen Freunden der CDU/CSU-Fraktion der Auffassung, daß die jetzt schon feststellbare nachlassende Sparneigung breiter Kreise unserer Bevölkerung ein typisches Kennzeichen einer wachsenden Unsicherheit im Hinblick auf diese verfahrene Wirtschafts- unid Finanzpolitik und ein typisches Merkmal des wachsenden Vertrauensschwundes gegenüber dieser Bundesregierung ist?

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604703100
Diese Frage kann ich verneinen; da bin ich mit Ihnen nicht einig. Ich darf Sie nur daran erinnern: Im Januar haben Sie und Ihre Kollegen von Kapitalflucht gesprochen. Davon ist jetzt überhaupt keine Rede mehr; die Devisenbestände steigen. Sie halben 1967 dem Bundeswirtschaftsminister unterstellt, er könne keinen Konjunkturaufschwung herbeiführen, weil die Industrie kein Vertrauen in ihn habe und nicht investiere. Sie
haben sich ein Jahr später revidieren müssen. Sie haben 1969 gesagt, Bundeswirtschaftsminister Professor Schiller könne die importierte Inflation nicht stoppen. Das Kabinett hat die von ihm beantragten Maßnahmen beschlossen. Die Aufwertung ist der wichtigste Schutzwall gegen Preissteigerungen von 7 %, wie wir sie im Ausland halben. Ich darf daran erinnern, daß noch im August der damalige Bundeskanzler Kiesinger gesagt hat, die Konjunktur werde sich abkühlen; alle Leute seien sich darüber einig, eine Aufwertung könne nicht in Frage kommen.

(Abg. Dr. Klepsch: Was der Parlamentarische Staatssekretär ausführt, hat mit der Frage nichts mehr zu tun! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604703200
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Josten.

Johann Peter Josten (CDU):
Rede ID: ID0604703300
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Meinung, daß alle Lohnerhöhungen und Kostensteigerungen oder Materialpreiserhöhungen sich in der Preiskalkulation niederschlagen und daher mit weiteren Preissteigerungen zu rechnen ist?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604703400
Nein, diese Meinung kann ich deshalb nicht teilen, weil sie falsch ist. Nur Lohnerhöhungen, die Über die Produktivitätssteigerung hinausgehen, können einen Kostenauftrieb erzeugen.

(Beifall bei der SPD.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604703500
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Kiep.

Dr. Walther Leisler Kiep (CDU):
Rede ID: ID0604703600
Herr Staatssekretär, beabsichtigt die Bundesregierung in dieser Lage, die Sie eben hier 'beschrieben haben, eventuell die Anwendung des Schiller-Plans aus dem Jahr 1965/66, der damals die Reduzierung der Preissteigerung vorgesehen hat, und zwar von 1 % pro Jahr bis herunter auf 1 %?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604703700
Erstens. Die Bundesregierung hat ihre Zielprojektion für dieses Jahr im Jahreswirtschaftsbericht bekanntgemacht. Die Verwirklichung dieser Zielprojektion ist Gegenstand der Geld-, Finanz- und allgemeinen Wirtschaftspolitik. Wir haben außerordentlich knappes Geld und einen sehr hohen Diskontsatz. Die Bundesregierung wird alles tun,

(Zurufe von der CDU/CSU)

die Deutsche Bundesbank bei der Aufrechterhaltung dieses Diskontsatzes zu unterstützen.

(Abg. Rasner: Die Bundesregierung hat überhaupt nichts getan!)

Zweitens. Wir haben einen Haushalt, der im gesamten Bereich des Staates — Gebietskörperschaften plus Sozialversicherung — nach Meinung aller Fach-



Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Arndt
leute 1970 einen nennenswerten Überschuß ergibt. 1965/66, zu der Zeit, als Sie wirtschafts- und finanzpolitische Verantwortung trugen, gab es Defizite in einer Hochkonjunktur.
Drittens. Wir haben die Aufwertung. Sie können mit mir darüber reden und rechten, ob der Aufwertungssatz richtig war, ob man nicht höher hätte herangehen müssen. Sie sind der Meinung gewesen, er sei zu hoch gewesen. Bei wem lag das größere Fehlurteil?

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604703800
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wehner.

Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0604703900
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, ist Ihnen die folgende Stelle aus dem Leitartikel der „Bonner Rundschau/Kölner Rundschau" vom 20. dieses Monats bekannt? Sie lautet:
Auffallend ist die neue Strategie .der CDU-Wahlkämpfer. Während Barzel und Kiesinger noch am vorletzten Wochenende auf dem CSU-Parteitag in München die Sozialdemokraten überwiegend wegen ihrer Deutschland- und Ostpolitik angriffen, haben sie sich diesmal auf die Wirtschafts- und Finanzpolitik der Regierung Brandt/Scheel eingeschossen.

(Abg. Dr. Klepsch: Was hat das eigentlich mit dieser Frage zu tun? Wo ist denn hier der Sachzusammenhang? — Weitere Zurufe von ,der CDU/CSU.)

— Ereifern Sie sich bitte nicht, das ist eine CDU-Zeitung!

(Lachen bei der CDU/CSU.)

Das Zitat geht noch weiter:
Die CDU aber — —

(Weitere Zurufe und große Unruhe bei der CDU/CSU.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604704000
Herr Kollege Wehner, ich bitte Sie, zur Frage zu kommen.

Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0604704100
Können Sie, Frau Präsidentin, mir die Möglichkeit verschaffen, eine Frage ungestört stellen zu können, oder geht das hier nicht?

(Anhaltende Unruhe.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604704200
Ja, eine kurze Frage.

Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0604704300
Sicher, ich will wissen, ob dem Herrn Staatssekretär das bekannt ist, und ich habe das Recht, genauso wie Sie (zur CDU/CSU), zu fragen.
Die CDU aber
— so heißt es in diesem Artikel — ist nun in einer schwierigen Lage.

(Anhaltende Unruhe und Zurufe. — Glocke des Präsidenten.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604704400
Herr Kollege Wehner, — —

Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0604704500

Jedes Prozent Preissteigerung steigert ihre Chance, am 14. Juni die Niederlage der Landtagswahl 1966 wettzumachen.

(Glocke des Präsidenten.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604704600
Herr Kollege Wehner — —

Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0604704700

Soll, darf die Opposition sich freuen darüber, daß die Preise gestiegen sind, möglicherweise noch weiterhin steigen werden?

(Anhaltende Unruhe.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604704800
Ich bitte, das Mikrofon abzustellen.

Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0604704900

Das wäre zynisch und pharisäisch.

(Glocke des Präsidenten.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604705000
Herr Kollege Wehner, Sie haben nicht das Wort.

(Anhaltende große Unruhe.)


Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0604705100
Meine Frage war, ob dem Herrn Staatssekretär die politische Schlußfolgerung bekannt ist. — —

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604705200
Herr Kollege Wehner, — —

(Anhaltende Unruhe.)


Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0604705300
... die gewollte Preissteigerung wie die damals gewollte Rezession.

(Anhaltende Unruhe. — Abg. Rasner: Er soll mal die Geschäftsordnung lesen! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU. — Glocke des Präsidenten.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604705400
Herr Kollege Wehner, Sie haben nicht das Recht, die Fragestunde in dieser Form zu mißbraußen.

(Beifall bei der CDU/CSU.) Die Antwort wird nicht gegeben.


(Abg. Dr. Luda: Der macht hier doch, was er will, der Mann!)

Die nächste Frage stellt Herr Kollege Dasch.

Valentin Dasch (CSU):
Rede ID: ID0604705500
Herrr Staatssekretär, Sie haben zuvor darüber gesprochen, daß man am meisten darüber enttäuscht ist, 'daß die Preise auf dem Nahrungsmittelsektor nicht zurückgegangen sind. Ich



Dasch
frage Sie hier: worin sehen Sie die Ursachen? In den gestiegenen Aufwendungen der Verarbeitungsbetriebe, deren Un- oder Lohnkosten, oder sehen Sie die Ursachen in einer verstärkten Nachfrage, die die Marktlage der landwirtschaftlichen Erzeugnisse und Nahrungsgüter in den letzten Monaten verbessert hat?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604705600
Herr Kollege, ich bin kein Fachmann in diesen agrarwirtschaftlichen Fragen. Aber nachdem der Preisindex für die landwirtschaftlichen Erzeugerpreise im Januar veröffentlicht worden war, mußten wir feststellen, daß statt der erhofften und beschlossenen Senkung der Interventionspreise um 81/2% und der sich darauf gründenden Entschädigungszahlung an die Landwirte die Preise für Marktordnungsgüter im Durchschnitt nur um etwa .die Hälfte dieses Satzes gefallen sind.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604705700
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Zander.

Karl Fred Zander (SPD):
Rede ID: ID0604705800
Herr Staaatsekretär, ist eine Feststellung, die gestern im Wirtschaftsausschuß getroffen wurde, zutreffend, wonach die in der gewollten Rezession zurückgegangenen Lohnkosten Ende 1969 erst wieder den Stand vom Frühjahr 1967 erreicht hatten?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604705900
Das kann durchaus zutreffen, Herr Kollege Zander. Ich weiß nur nicht recht, was es beweist. Die Wirtschaftslage im Frühjahr 1967 war wohl nicht der Himmel; damals litten wir immer noch an der Überwindung der durch die Wirtschaftspolitik der vorigen Bundesregierung unter Ludwig Erhard bewirkten Talfahrt.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604706000
Die letzte Zusatzfrage ides Herrn Abgeordneten Dr. Althammer.

Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0604706100
Herr Staatssekretär, will die Bundesregierung untätig bleiben, obwohl bekannt ist, ,daß die Preissteigerungsraten bei den sozial schlechter gestellten Schichten überproportional steigen und jetzt bereits den Satz von 4 % überschritten haben?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604706200
Die Bundesregierung ist nicht untätig gewesen. Sie wissen, daß sie dem Hohen Hause eine wesentliche finanzielle Entlastung der Rentner vorgeschlagen hat — sie ist auch beschlossen worden —, nämlich die Aufhebung des Krankenversicherungsbeitrags. Das heißt, wir haben schon einiges getan, um das Schlimmste abzufangen.
Ich kann mir nur nicht den Hinweis darauf ersparen, daß das einzige Konjunkturprogramm Ihrer Fraktion, das ich kenne, nämlich das vom 20. Januar, im wesentlichen aus einem Nein zur Erhöhung von Steuern, wie der Investitionsteuer, und aus einem
Nein zur Einschränkung der degressiven Abschreibung besteht. Das Nein ist konkret; alles andere in diesem Papier ist vage.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604706300
Ich rufe die zweite Dringliche Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Pohle auf:
Welche konjunkturpolitischen Indikatoren liegen zur Zeit zur Frage der Preisentwicklung vor?
Bitte schön, Herr Staatssekretär!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604706400
Herr Kollege Dr. Pohle, zur Zeit liegen folgende Indikatoren zur Frage der Preisentwicklung vor. Während im Januar die Erzeugerpreise industrieller Produkte um 1,4 % gegenüber .Dezember gestiegen sind, ging diese Rate bis März auf 0,3 % gegenüber dem Vormonat zurück.
Im Lagebericht des Bundeswirtschaftsministeriums vom April heißt es hierzu — ich zitiere —:
Seit Juli 1969 war dies die niedrigste monatliche Steigerungsrate. Bei den Erzeugerpreisen für Verbrauchsgüter belief sich der Anstieg im März auf 0,2 % nach einem starken Preisschub zu Beginn des Jahres. Die Erzeugerpreise landwirtschaftlicher Produkte lagen im März um 2,5 % unter dem Stand vom Dezember. Der Preisanstieg für die Lebenshaltung flachte sich im Anstieg ab. Seine Zuwachsrate Januar zu Dezember betrug noch 1,2 %. Im März war der Anstieg nur ein Drittel so stark, nämlich 0,4 %.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604706500
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Pohle.

Dr. Wolfgang Pohle (CSU):
Rede ID: ID0604706600
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt und ist sich die Bundesregierung bewußt, daß der Auftragseingang aus dem Inland nach 'wie vor außerordentliche Zuwachsraten aufweist?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604706700
Wir haben den Eindruck, daß seit Februar die Auftragseingänge aus dem Inland, auch bei Investitionsgütern, ihre Talfahrt nicht mehr fortgesetzt haben; d. h. es ist zu einer Festigung 'der Inlandsnachfrage gekommen. Damit ist die sehr hoch eingeschätzte Gefahr der Stagnation, also der Wiederholung der Vorgänge des Jahres 1966, erheblich gemildert.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604706800
Eine zweite Zusatzfrage.

Dr. Wolfgang Pohle (CSU):
Rede ID: ID0604706900
Herr Staatssekretär, ich habe noch eine Zusatzfrage bezüglich der industriellen Erzeugerpreise. Ist Ihnen bekannt, daß die Schwankungen vom Oktober bis Dezember angehalten haben und daß von Dezember bis Januar eine erhebliche Steigerung in Höhe von 1,4 % zu verzeichnen war?




Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604707000
Die Preisexplosion — das ist ganz richtig — fing nach der Bundestagswahl an. Sie wurde aber von den Unternehmern — das zeigt uns auch der Ifo-Konjunkturtest — bereits vor der Bundestagswahl für die Zeit nach der Bundestagswahl erwartet. Das ist die berühmte „zurückgestaute Inflation" . Aus Angst vor der Aufwertung versuchte man, die Preise möglichst tief zu halten und die wirtschaftspolitische Diskussion während der Wahlen möglichst kühl zu führen. Man war sich klar: nach der Wahl holen wir das alles nach.

(Lachen bei der CDU/CSU.)

Das konnte leider auch diese Bundesregierung nicht verhindern. Wir haben freie Preise. Das ist einer der wichtigsten Regelmechanismen, von denen neuerdings in Ihrer Fraktion so viel geredet wird.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604707100
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Luda.

Dr. Manfred Luda (CDU):
Rede ID: ID0604707200
Herr Staatssekretär, Sie haben von den Preissteigerungsraten auf der Erzeugerstufe in den letzten Monaten gesprochen. Wäre es nicht richtiger gewesen, statt sich in Beantwortung einer am 24. April hier gestellten Frage auf Veröffentlichungen Ihres Hauses von Januar, Februar, März zu beziehen, auf den Jahresrechenschaftsbericht der Deutschen Bundesbank Bezug zu nehmen, der vor etwa einer Woche veröffentlicht worden ist und in dem geschrieben steht, daß die Preissteigerungsraten auf den Erzeugerstufen zur Zeit höher als jemals zuvor seit der Korea-Hausse seien, und wollen Sie mir nicht darin zustimmen,

(Glocke des Präsidenten)

daß die jetzigen Preissteigerungsraten auf der Erzeugerstufe demnächst zwangsläufig auf den Verbraucher durchschlagen werden?

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604707300
Herr Kollege Luda, die Frage wird jetzt ebenfalls nicht beantwortet. Sie haben wiederum versucht, in eine Frage drei Fragen hineinzubringen. — Bitte schön, Herr Kollege Dr. Müller-Hermann!

(Abg. Dr. Luda: Die Regierung hat Grund genug, solchen Fragen auszuweichen!)


Dr. Ernst Müller-Hermann (CDU):
Rede ID: ID0604707400
Herr Staatssekretär, wie bringen Sie Ihre Feststellung, daß sich die Situation bei den Auftragseingängen beruhigt habe, mit der Tatsache in Einklang, daß z. B. die Auftragseingänge beim Maschinenbau im Februar 1970 saisonbedingt um 17 % über denen des Vormonats lagen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604707500
Das ist die Beruhigung. Die Talfahrt der Auftragseingänge bei Investitionsgütern (Inland) hat seit der Aufwertung nachgelassen.

(Abg. Dr. Müller-Hermann: Nennen Sie das Talfahrt?)

Es scheint so zu sein, wenn der Ifo-Konjunkturtest und damit die Auskünfte der befragten Unternehmer richtig sind, daß jetzt sogar die gleiche Situation bei den Exportaufträgen eintritt. Die Preissteigerungen im Ausland sind natürlich viel exzessiver als bei uns. Leider können wir in Brüssel das deutsche Stabilitätsdenken nicht in dem Maße durchsetzen, wie wir es bisher gern gewollt hätten. Bei Preissteigerungen von 7% in Nachbarländern ist es tatsächlich schwierig, die Auftragseingänge aus dem Ausland auf die Dauer stabil zu halten und die Binnennachfrage zu entlasten. Andererseits ist natürlich diese Entwicklung — das möchte ich auch nicht vethehlen — ein außerordentliches Kompliment für die Leistungskraft unserer Wirtschaft und die in ihr tätigen Menschen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604707600
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Lenders.

Helmut Lenders (SPD):
Rede ID: ID0604707700
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie den konjunkturpolitischen und preispolitischen Bremsweg von Maßnahmen wie der Aufwertung und der Diskonterhöhung unter Berücksichtigung der übrigen Faktoren, die auf diesen Bremsweg einwirken?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604707800
Ein Urteil darüber abzugeben, bin ich nicht in der Lage. Ich weiß nur, daß vor kurzem namhafte Persönlichkeiten der Deutschen Bundesbank geäußert haben, daß der Bremsweg diesmal kürzer als 1965/66 sein werde. Man sprach von sechs Monaten. Ich weiß nicht, ob das zutrifft. Jedenfalls ist die Bundesregierung verpflichtet, die Deutsche Bundesbank bei ihrer schweren Arbeit zu unterstützen, so wie auch die Bundesbank die Bundesregierung unterstützt.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604707900
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Althammer.

Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0604708000
Herr Staatssekretär, können Sie uns sagen, welche konkreten Maßnahmen die Bundesregierung zur Unterstützung der Bemühungen der Deutschen Bundesbank vorhat, nachdem der Geldumlauf im letzten Jahr eine Rekordausweitung um 14 Milliarden DM erfahren hat?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604708100
Die Bundesregierung hat in erster Linie aufgewertet. — —

(Lachen bei der CDU/CSU.)

— Ja, meine Herren, das sind eben komplizierte Zusammenhänge, und da muß man auch einmal ein bißchen gelesen haben.

(Beifall bei ,den Regierungsparteien.)

Da kommen Worte hinein, die man nicht mag. Ich
weiß, Aufwertung, das ist das Wort Ihrer Niederlage. Das hören Sie nicht gern. Aber ich kann es



Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Arndt
Ihnen doch nicht vorenthalten, wenn es in den Zusammenhang gehört.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Sie sind abgewertet worden, natürlich, wer hört dann gerne etwas von Aufwertung!
Ich darf die Frage des Kollegen Althammer beantworten. Erstens: Ohne die Aufwertung dieses Ausmaßes hätte die Bundesbank überhaupt keine Politik der Liquiditätseindämmung und der Zinserhöhungen betreiben können. Das steht expressiv verbis an mehreren Stellen im Geschäftsbericht der Bundesbank.
Zweitens. Die Gesamtheit der öffentlichen Haushalte wird diesmal stabilisierend gefahren. Es gibt keine Defizite wie in der Hochkonjunktur 1965, es gibt einen Überschuß im öffentlichen Gesamthaushalt. Das ist ein großer Fortschritt, und man sollte diese harten Bemühungen der Gebietskörperschaften — das ist ja nicht nur der Bund — nicht dauernd madig machen. Hier ist ein Fortschritt eingetreten. Ich bin verpflichtet, das für die Gemeinden, für die Sozialversicherung und auch für die Länder anzuerkennen.

(Abg. Dr. Althammer: Ich habe nach der Zukunft gefragt!)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604708200
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dasch.

Valentin Dasch (CSU):
Rede ID: ID0604708300
Herr Staatssekretär, Sie sprachen vorhin von einer 7%igen Preissteigerung in den Nachbarländern der deutschen Bundesrepublik. Ich frage Sie: Ist die stabilisierende Wirkung, die sich die Bundesregierung auf Grund der Aufwertung in .den Nachbar- und Haupthandelsländern der Bundesrepublik erhofft hat, nicht eingetreten?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604708400
Das ist natürlich ein delikates Thema. Wir können keine Annahmen über drie Preisentwicklung bei unseren ausländischen Freunden und Verbündeten machen, die ungünstiger sind als die von ihnen selbst abgegebenen. Das gilt nicht nur für die Länder der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft; .das gilt auch für Länder außerhalb dieses Blocks in Westeuropa. Heute kann man natürlich sagen, daß ein Teil der Aufwertungswirkung vom September/Oktober durch den überstarken internationalen Preisanstieg wieder aufgehoben ist. Da haben Sie völlig recht.

(Abg. Dr. Barzel: Da müssen Sie also neu aufwerten?!)

— Das haben Sie gesagt!

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604708500
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Klepsch.

Dr. Egon Alfred Klepsch (CDU):
Rede ID: ID0604708600
Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, in diesem Zusammenhang den kürzlich veröffentlichten Jahresbericht der Deutschen Bundesbank zu bestätigen, daß wir gegenwärtig die höchsten Preissteigerungen in den Erzeugerstufen haben, höher als jemals zuvor seit der KoreaHausse?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604708700
Das will ich gern bestätigen.

(Zuruf von der CDU/CSU: „Gern", das ist gut!)

Was wahr ist, muß man sagen.

(Abg. Rasner: „Gern" war gut! — Beifall bei der CDU/CSU.)

Wir hätten eben im Frühjahr 1969 aufwerten sollen!

(Zustimmung bei der SPD.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604708800
Eine letzte Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Frerichs.

Dr. Göke D. Frerichs (CDU):
Rede ID: ID0604708900
Herr Staaatssekretär, ich bitte um Verständnis, wenn ich die Frage des Kollegen Dr. Althammer meiner Fraktion, die nicht klar beantwortet ist, noch einmal aufgreife und frage: Welche konkreten Maßnahmen beabsichtigt diese Bundesregierung jetzt und in Zukunft zur Unterstützung der Diskont- und Kreditpolitik der Deutschen Bundesbank? Jetzt: Hic Rhodus, hic salta!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604709000
Die Bundesregierung betrachtet die bisherigen finanzpolitischen Maßnahmen für ausreichend.

(Aha-Rufe von der CDU/CSU.) Auch die Bundesbank denkt so.


(Widerspruch bei der CDU/CSU.)

Beide wollen ihren Kurs halten, und beide halten
nichts davon, hektisch immer noch nach neuen
Schräubchen zu suchen, an denen man drehen kann.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Die Menschen draußen, die mit unseren Daten und auf Grund unserer Daten zu operieren haben, müssen sich auch über Zeitstrecken hinweg auf diese öffentlichen Daten verlassen können.

(Abg. Dr. Luda: Laissez faire!)

Ich halte nichts davon, Herr Kollege Frerichs, die Produktion von Lastkraftwagen in der Hochkonjunktur unverändert zu lassen und die Produktion von Straßen einzustellen. Hier muß einfach gesehen werden, daß Komplementärinvestitionen im öffentlichen Bereich nötig sind, wenn die Investitionen im privaten Sektor ihren Sinn haben sollen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604709100
Meine Damen und Herren, im Interesse aller derjenigen Anfragenden, die ihre Frage fristgemäß eingereicht haben, möchte ich Zusatzfagen jetzt nicht mehr zulassen.
Ich danke dem Herrn Staatssekretär für die Beantwortung der Dringlichen Fragen und komme damit zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts.



Vizepräsident Frau Funcke
Zur Beantwortung ist Herr Bundesminister Scheel anwesend.
Ich rufe die Frage 76 des Herrn Abgeordneten Matthöfer auf:
Werden Ergebnisse der Verhandlungen der Bundesregierung wegen der Änderung des NATO-Statuts im Hinblick auf den Rechtsstatus der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften noch so rechtzeitig erzielt werden, daß sie bereits bei den im November dieses Jahres wieder anstehenden Neuwahlen der Betriebsvertretungen wirksam werden können?
Bitte schön, Herr Bundesminister!

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0604709200
Herr Abgeordneter, das Übereinkommen wird in absehbarer Zeit unterzeichnet werden können. Nicht nur bei uns, sondern auch in den meisten anderen Vertragsstaaten folgt dann das parlamentarische Zustimmungsverfahren. Unter diesen Umständen ist nicht zu erwarten, daß der Vertrag noch rechtzeitig vor den im November anstehenden Wahlen für die Betriebsvertretungen in Kraft treten wird. Diese Wahlen erfordern nach dem Personalvertretungsgesetz zudem eine Vorbereitung von mindestens sechs Wochen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604709300
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dröscher. Bitte schön! — Meine Damen und Herren, ich bitte um ein wenig Ruhe, sonst können sich der Herr Fragende und der Herr Antwortende gegenseitig nicht verstehen.

Wilhelm Dröscher (SPD):
Rede ID: ID0604709400
Herr Bundesminister, wie ist es eigentlich zu erklären, daß jetzt so lange laufenden Verhandlungen, die doch schon vor einem halben Jahr weitgehend abgeschlossen waren, nun nicht so zur vertraglichen Unterschrift führen, wie das vorgesehen war, so daß diese Verzögerung in den Wahlmöglichkeiten eintritt?

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0604709500
Herr Kollege, bei .solchen internationalen Abkommen dauert die Vollbereitung zur Unterschrift deswegen so lange, weil die redaktionelle Abstimmung unter den vielen Beteiligten und auch die sprachliche Abstimmung immer noch Zeit in Anspruch nehmen. Wir sind ja auf andere angewiesen. Aber jetzt ist die Vorarbeit so weit abgeschlossen, daß eine Unterzeichnung im Laufe des Monats Mai erfolgen könnte.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604709600
Keine Zusatzfrage. — Ich rufe dann Frage 77 des Herrn Abgeordneten Matthöfer auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß durch eine weitere Verzögerung der Verhandlungen die einzelnen Hauptquartiere weiterhin willkürlich Erlasse veröffentlichen können, da sich, wie das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung 1 ABR 9/69 vom 19. Dezember 1969 ausführte, bei der derzeitigen Rechtslage, insbesondere im Zusammenhang mit dem Fehlen eines Hauptpersonalrats, die Gefahr einer Umgehung der Beteiligung der einzelnen Personalräte nicht leugnen läßt?

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0604709700
Herr Kollege Matthöfer, das geltende Betriebsvertretungsrecht der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften ist in der Tat unbefriedigend, weil Hauptbetriebsvertretungen bei den obersten Behörden der Streitkräfte fehlen. Es können sich Fälle
ergeben, in denen das Mitwirkungsrecht der Bezirks- und der örtlichen Betriebsvertretungen nicht zum Zuge kommt, wenn allgemeine Anordnungen der Hauptquartiere ergehen, die für die mittleren und unteren Behörden verbindlich sind.
Weil die Bundesregierung diesen Zustand ändern wollte, hat sie diese Fragen in die Verhandlungen mit den Entsendestaaten einbezogen. Wir legen Wert darauf, daß ,dieser unibefriedigende Zustand in dem neuen Abkommen geändert wird.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604709800
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Matthöfer.

Hans Matthöfer (SPD):
Rede ID: ID0604709900
Habe ich Sie richtig verstanden, Herr Minister, daß in dem unterzeichnungsreifen Abkommen diese Fragen der Vertretung auch auf den oberen Ebenen im Interesse der Beschäftigten zufriedenstellend geregelt sind?

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0604710000
Herr Abgeordneter, das war unser Ziel bei den Verhandlungen. Ich möchte vor der Unterzeichnung keine Einzelheiten über das Ergebnis der Verhandlungen mitteilen. Aber das Ergebnis liegt in dieser Richtung.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604710100
Keine weitere Zusatzfrage. — Ich rufe die Frage 78 des Abgeordneten Dr. Häfele auf:
Sind der Bundesregierung Pressemeldungen bekannt, nach denen in Südamerika Morde und Folterungen, z. B. an Indianern, verübt werden?

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0604710200
Ja, Herr Abgeordneter, die Bundesregierung verfolgt seit September 1969 derartige Pressemeldungen. Diese Nachrichten stützen sich vorwiegend auf Untersuchungen des brasilianischen Innenministeriums vom März des Jahres 1968. Die Nachricht über eine angeblich systematische Ausrottung der Indianer wurde inzwischen allerdings von ihrem Uriheber selbst widerrufen.
Eine entsprechende Anfrage des Abgeordneten Dr. Wilhelm Nölling wurde in der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 14. November des vorigen .Jahres beantwortet.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604710300
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Häfele.

Dr. Hansjörg Häfele (CDU):
Rede ID: ID0604710400
Können Sie etwas über den Umfang der Gewalttaten in den südamerikanischen Ländern sagen?

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0604710500
Herr Abgeordneter, Zahlen kann ich Ihnen leider nicht nennen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604710600
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 79 des Herrn Abgeordneten Dr. Häfele auf:



Vizepräsident Frau Funcke
Was hat die Bundesregierung getan und gedenkt sie zu tun um solche Unmenschlichkeiten zu verhindern?
Bitte schön, Herr Bundesaußenminister!

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0604710700
Herr Abgeordneter, die Haltung der Bundesregierung gegenüber Morden und Folterungen ist ganz eindeutig. Die Bundesregierung ist aber leider nicht in der Lage, überall in ,der Welt einzugreifen, wo solche Unmenschlichkeiten verübt werden. Sie ist nicht in der Lage, Straftaten zu verhindern und zu verfolgen, die sich auf dem Gebiet eines fremden Staates ereignen. Nach dem allgemeinen Völkerrecht darf sie auf einen ausländischen Staat grundsätzlich nur zum Schutz der eigenen Staatsangehörigen einwirken.
Die brasilianische Regierung selbst hat die Übergriffe angeprangert und ist gegen die Schuldigen eingeschritten, sobald sie von dem Verbrechen Kenntnis erhalten hatte. Gleichzeitig ergriff die brasilianische Regierung geeignet erscheinende Maßnahmen, um die Urwaldbewohner verstärkt zu schützen. Eine Intervention der Bundesregierung zugunsten der Indianer würde der brasilianische Staat als einen Eingriff in seine Gerichtsbarkeit und seine inneren Angelegenheiten auffassen. Die Bundesregierung verfügt auch über keinen tatsächlichen Nachweis darüber, daß sich in jüngster Zeit erneut Übergriffe gegen die Indianer ereignet haben.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604710800
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 80 des Herrn Abgeordneten Dr. Klepsch auf:
Was hat die Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler und der Bundesminister des Auswärtigen, unternommen, um das Leben des Botschafters Graf von Spreti zu retten?

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0604710900
Herr Abgeordneter, Sie fragen ganz allgemein nach den Maßnahmen, die die Bundesregierung zur Rettung des Lebens des Botschafters Graf von Spreti ergriffen hat. Es ist dem Bundestag ein Bericht zugegangen, ,der die Einzelheiten der Maßnahmen enthält, die die Bundesregierung ergriffen hat. Sie haben in Ihrer Frage auch speziell nach dem gefragt, was der Herr Bundeskanzler und der Bundesaußenminister selbst in dieser Sache getan haben. Sie dürfen davon ausgehen, daß alle Maßnahmen, die in dem Ihnen zugegangenen Bericht als Maßnahmen des Auswärtigen Amts bezeichnet worden sind, Maßnahmen sind, die der Außenminister angeordnet oder in Abstimmung mit seinen Mitarbeitern gebilligt hat.
Die Aktivität des Bundeskanzlers ist in diesem Bericht beschrieben. Der Bundeskanzler hat einen Appell an den Staatschef Guatemalas und einen Appell an das Volk gerichtet, der in der Landessprache über eine ganze Anzahl von Sendern ergangen ist. Außerdem ist zum selben Zeitpunkt, zu dem die persönliche Botschaft des Außenministers an den Außenminister Guatemalas ergangen ist, eine Botschaft des Bundeskanzlers an den Staatspräsidenten Guatemalas ergangen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604711000
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Klepsch.

Dr. Egon Alfred Klepsch (CDU):
Rede ID: ID0604711100
Herr Bundesminister, hätten Sie es — wenn schon ein Sonderbotschafter nach Guatemala entsandt werden sollte, Sie selbst diese Aufgabe aber nicht übernehmen konnten — nicht für angebracht gehalten, einen der Staatssekretäre oder einen der Parlamentarischen Staatssekretäre des Bundeskanzleramtes oder des Auswärtigen Amtes zum Sondergesandten zu machen?

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0604711200
Herr Abgeordneter, wir haben diese Frage sehr wohl erörtert, bevor wir eine Entscheidung getroffen haben. Im nachhinein hat sich herausgestellt, daß unsere Entscheidung, einen landes- und sprachkundigen Beamten im Range eines Ministerialdirektors zu entsenden, richtig gewesen ist; denn schon seine Entsendung hat die Erpresser veranlaßt, höhere Forderungen zu stellen, als ursprünglich angemeldet worden sind. Wir hatten es ja hier mit einer Verbrechenssparte zu tun, bei der die Einwirkungsmöglichkeiten von außen sehr beschränkt sind und sehr sorgfältig abgewogen werden müssen. Spektakuläre Maßnahmen und spektakulärer Druck auf die Erpresser führt nicht in allen Fällen zum Erfolg. Wir mußten ja Wert darauf legen, den Botschafter aus den Händen der uns unbekannten Erpresser lebend zurückzubekommen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604711300
Zu einer Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Klepsch.

Dr. Egon Alfred Klepsch (CDU):
Rede ID: ID0604711400
Herr Bundesminister, soll ich Ihrer Antwort also entnehmen, daß die von Ihnen ergriffenen Maßnahmen, die Sie hier aufgeführt haben — Botschaft des Bundeskanzlers an das Volk von Guatemala usw. —, gerade den gegenteiligen Effekt erzielten, und wollen Sie damit zum Ausdruck bringen, daß es klüger gewesen wäre, von Anfang an den Weg zu suchen, das Leben des Botschafters auf eine andere Weise zu retten?

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0604711500
Herr Abgeordneter, wenn Sie einmal die Dokumentation der Bundesregierung genau durchlesen,

(Abg. Dr. Klepsch: Ich habe sie genau gelesen!)

dann werden Sie sehen, daß sich die Maßnahmen immer weiter verstärkten, und zwar genau parallel den Ergebnissen der Bemühungen bei der guatemaltekischen Regierung. In dem Zeitpunkt, als wir den Sonderbeauftragten der Bundesregierung nach Guatemala entsandten, war seine Entsendung auch der Person nach die richtige Entscheidung. Eine andere Entscheidung hätte — man mag darüber streiten — nach unserer festen Überzeugung keinen besseren Erfolg gehabt, vielleicht sogar eine Verschärfung der in diesem Augenblick vorhanden gewesenen Lage bedeutet.




Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604711600
Zu einer Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hauser.

Dr. Hugo Hauser (CDU):
Rede ID: ID0604711700
Welche Umstände führten nach Ihrer Meinung, Herr Minister, dazu, daß laut Wickert-Blitzumfrage immerhin 79 % unserer Bevölkerung zu der Meinung kommen mußten, in dem beklagenswerten Fall Graf Spreti sei von deutscher Seite zuwenig getan worden?

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0604711800
Herr Kollege, es ist ganz verständlich, daß die öffentliche Meinung in diesem Fall wegen seiner Besonderheit und der Tragik außergewöhnlich engagiert und erregt gewesen ist. Aber die öffentliche Meinung ist nicht immer maßgebend für Entscheidungen, bei denen man viele Umstände berücksichtigen muß. Wenn Sie die öffentliche Meinung z. B. heute betrachten, werden Sie überrascht feststellen, daß die ursprüngliche Auffassung, die Bundesregierung habe zuwenig hart reagiert, schon in das Gegenteil umschlägt. Manche Zeitungen schreiben heute, die Reaktion der Bundesregierung sei zu hart gewesen.
Unter Berücksichtigung der Erfahrung, daß die öffentliche Meinung in einem solchen Fall verständlicherweise sehr engagiert ist, haben wir unsere Maßnahmen immer genau auf den Zweck abgestellt. Wir haben uns dabei zwar von Gefühlen leiten lassen, aber wir haben sie sehr kontrolliert und bedacht, welche Folge jede einzelne Maßnahme haben würde, auch auf die Lebensumstände, auch auf die Situation der anderen Diplomaten im Ausland und der anderen Deutschen, die in diesem Land leben.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604711900
Zu einer Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Schulze-Vorberg.

Dr. Max Schulze-Vorberg (CSU):
Rede ID: ID0604712000
Herr Bundesminister, was hat die Bundesregierung getan, um dem Botschafter von Guatemala, dem Mann, der sich bereit erklärt hat, sich in die Hände der Rebellen zu begeben — und der dann erstaunlicherweise hier als einziger zum Verlassen unseres Landes aufgefordert worden ist --, die technischen Möglichkeiten zu geben, sein Angebot zu realisieren? Hatte die Bundesregierung dem Botschafter insbesondere das Flugzeug angeboten, das dann für den zu späten Flug nach Guatemala Ihnen zur Verfügung stand?

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0604712100
Herr Abgeordneter, mit dem Botschafter haben mehrere Gespräche stattgefunden. Sie wissen es aus dem Bericht. Die Bundesregierung hat dem Botschafter auch bestätigt, daß seine Haltung und seine Bemühungen zu achten sind. Der Botschafter hat in einer Pressekonferenz seine persönliche Bereitschaft, sich zur Verfügung zu stellen, der Öffentlichkeit wohl mitgeteilt, aber keine technischen Hilfsmittel erbeten, damit er diese seine private Entscheidung in die Tat hätte umsetzen können. Man muß also annehmen, daß er entweder seine Entscheidung mit eigenen Mitteln durchzuführen beabsichtigte oder vielleicht den Zeitpunkt noch nicht für gekommen hielt.
Das Anbieten von Verkehrsmitteln, um jemandem, der öffentlich erklärt, sich in die Hände von Erpressern begeben zu wollen, bei der Verwirklichung seiner Entscheidung zu helfen, finde ich nicht gerade als eine im diplomatischen Verkehr übliche Maßnahme.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604712200
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Bach.

Dr. Franz Josef Bach (CDU):
Rede ID: ID0604712300
Herr Bundesaußenminister, ich glaube, die Dokumentationen sind, wenigstens nach Zeitungsmeldungen zu urteilen, nicht ganz vollständig. Können Sie mir sagen, ob die Bundesregierung, vertreten durch das Auswärtige Amt, dem Herrn Bundespräsidenten den Entwurf eines Telegramms oder eines Aufrufs vorgelegt hat, in dem dieser sich für die Befreiung des Grafen Spreti aus der Gefangenschaft einsetzen sollte?

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0604712400
Herr Abgeordneter, zu dieser Frage hat das Bundespräsidialamt schon Stellung genommen.

(Abg. Dr.-Ing. Bach: Das war eine Frage an das Auswärtige Amt! — Abg. Dr. Barzel: Hier ist doch die Bundesregierung gefragt! — Abg. Dr. Klepsch: Das Auswärtige Amt speziell!)

— Ich habe nicht die Absicht, zu Erklärungen des Bundespräsidenten Stellung zu nehmen. Das Bundespräsidialamt hat Stellung genommen.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Klepsch: Die Frage lautete doch, ob Sie etwas vorgelegt haben, und nicht, wie entschieden worden ist! — Weitere Zurufe.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604712500
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Breidbach.

Ferdinand Breidbach (CDU):
Rede ID: ID0604712600
Herr Bundesaußenminister, warum haben Sie in der kritischen Situation noch vor dem Tode des Grafen Spreti nicht etwa einen der Südamerika-Experten dieses Hauses — ich denke an den Kollegen Matthöfer — nach Südamerika geschickt, um vom Kollegen Matthöfer prüfen zu lassen, ob nicht die Möglichkeit bestanden hätte, direkten Kontakt mit den Rebellen aufzunehmen?

(Heiterkeit und Zurufe von der CDU/CSU.— Lachen und Zurufe von der SPD.)


Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0604712700
Herr Kollege, wir haben den Versuch unternommen, auf allen Wegen Kontakt auch mit den Entführern zu bekommen.

(Abg. Dr. Klepsch: Matthöfer beklagt sich, daß Sie ihn nicht gefragt haben!)

Wir haben die Kanäle zu benutzen versucht, die wir selbst kannten. Natürlich kennen wir nicht alle Südamerika- und Guatemala-Experten. Wir sind darauf angewiesen gewesen, daß sich besondere Kenner der Verhältnisse bei der Bundesregierung meldeten.



Bundesminister Scheel
Soweit sie sich gemeldet haben, haben wir ihre Hilfe in Anspruch genommen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604712800
Eine Zusatzfrage des Herrn Ageordneten Dr. Marx.

Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0604712900
Herr Bundesaußenminister, da niemand in der CDU/ CSU-Fraktion in diesem Hause irgendeine Aktivität des Herrn Bundespräsidenten diskutieren wird, wiederhole ich jenen wichtigen Teil der Frage des Herrn Kollegen Bach, ob Ihr Haus einen Entwurf gefertigt und vorgelegt hat.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0604713000
Herr Kollege Dr. Marx, ich wiederhole meine Antwort, daß der Herr Bundespräsident erklärt hat, daß er nicht abgelehnt hat, sich zu verwenden.

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Das ist nicht die Frage! — Abg. Dr. Klepsch: Das ist überhaupt keine Antwort!)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604713100
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Matthöfer.

Hans Matthöfer (SPD):
Rede ID: ID0604713200
Stimmen Sie mit mir darin überein, Herr Bundesminister, daß die Entsendung von „selbsternannten" oder von ohne um die eigene Meinung dazu befragten von anderen ernannten Experten nicht nützlich gewesen wäre, weil der Kontakt, den man vielleicht hätte herstellen können, ohne Erfolg hätte bleiben müssen, da diejenigen, die den Botschafter hätten auslösen können, nämlich die guatemaltekische Regierung, nicht sofort beim erstenmal auf das Angebot der Entführer eingegangen sind, wie diese nach .dem bisherigen Verhalten von lateinamerikanischen 'Regierungen, auch dem der guatemaltekischen, eigentlich hätten annehmen können, sondern Suchaktionen durchgeführt haben, die das Leben des Botschafters gefährdeten, und daß es 'deshalb falsch ist, hier im Lande Angriffe gegen die eigene Regierung zu richten, anstatt diejenigen anzugreifen, die die wirkliche Schuld am Tode des deutschen Botschafters in Guatemala haben?

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0604713300
Herr Kollege, es ist vor allem zu sagen, daß die Entführer ja nicht bekannt waren. Es gab nur eine Möglichkeit, mit den Entführern in Kontakt zu kommen, nämlich über den Preis, den sie für die Freilassung des Entführten gefordert haben. Der Preis war die Freilassung von Gefangenen. Diese Gefangenen befanden sich im Gewahrsam der guatemaltekischen Regierung. Deswegen war es nur über die guatemaltekische Regierung möglich, Herr Kollege, die Freilassung des Grafen Spreti zu erreichen. Es hat niemanden gegeben und gibt bis zur Stunde niemanden, der mit den Entführern einen zweiseitigen Kontakt gehabt hätte. Das ist nun einmal eine Besonderheit dieser Sparte Entführung und Erpressung.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604713400
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Rasner.

Will Rasner (CDU):
Rede ID: ID0604713500
Herr Bundesaußenminister, ich möchte nicht danach fragen, was der Herr Bundespräsident oder das Bundespräsidialamt getan oder unterlassen haben soll; ich möchte Sie fragen, ob das Auswärtige Amt eine Anregung in diesem Bereich an den Herrn Bundespräsidenten oder an das Bundespräsidialamt übermittelt hat.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0604713600
Herr Abgeordneter, ich darf — —

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604713700
Einen Augenblick bitte, Herr Bundesaußenminster. Ich meine, es gehört zu dem guten Stil dieses Hauses, sich über Gespräche, die der Herr Bundespräsident führt, und über Entscheidungen, die er trifft, weder direkt noch indirekt zu unterhalten.

(Beifall bei den Regierungsparteien. Abg. Dr. Klepsch: Der Bundespräsident ist doch gar nicht gemeint! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

Der Bundesaußenminister hat zweimal eine Antwort gegeben. Das Haus hat Anspruch auf Fragen; es hat nicht Anspruch auf bestimmte Antworten. Ich lasse die Frage nicht mehr zu.

(Erneuter Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Rasner: Ich habe aber nur den Bundesaußenminister gefragt! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

Eine Frage des Herrn Kollegen Benda.

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0604713800
Herr Bundesminster, würden Sie die Frage einer eventuellen Einschaltung von Kollegen, wie insbesondere des Herrn Kollegen Matthöfer, noch einmal kommentieren, wenn Sie zur Kenntnis nehmen, was Herr Kollege Matthöfer in der vorletzten Ausgabe 'der Zeitschrift „Quick" zu diesem Thema gesagt hat? Er hat gesagt — ich zitiere —:
Nicht nur ich kenne in Guatemala Leute, die aller Wahrscheinlichkeit nach Kontakt zu den Guerillas hätten herstellen können. Ich weiß nicht, ob man solche Kontakte genutzt hat.

(Hört! 'Hört! bei der CDU/CSU.)

An mich jedenfalls ist das Außenministerium nicht herangetreten. Das wundert mich auch nicht; das Amt arbeitet ja auf seinem eigenen Strang.
Soweit das Zitat.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0604713900
Herr Kollege zunächst einmal darf ich sagen, daß wir nicht wußten, )daß Herr Kollege Matthöfer über diese besonderen Beziehungen verfügt. Wir wären sicher an ihn herangetreten, wenn er sich in der Zeit, in der das nötig gewesen ist, beim Auswärtigen Amt gemeldet hätte, und wir wären an jeden herangetreten, der von sich selbst annehmen konnte, Bezie-
2388 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 47. Sitzung.. Bonn, Freitag, den 24. April 1970
Bundesminister Scheel
hungen zu den Rebellen herzustellen. Wir haben alle diese Kanäle genutzt, soweit sie uns bekanntgeworden sind. Also hier ist der Fehler nur der gewesen, daß wir nicht gewußt haben, daß solche Möglichkeiten vielleicht bestanden hätten.
Ich darf aber die Gelegenheit benutzen — mit Ihrer liebenswürdigen Erlaubnis, Frau Präsidentin — ein Wort zu Herrn Rasner zu sagen, weil ich seine Frage richtig verstanden halbe.

(Ah-Rufe von der CDU/CSU.)

Es dient der Aufklärung, wenn ich das sage. Das Auswärtige Amt ist der Meinung gewesen, Herr Kollege Rasner, daß der Gesprächspartner für den Staatsprälidenten Mendez Montenegro in Guatemala, der der Regierungschef ist, auf unserer Seite der Regierungschef sein müsse. Wir halben dem Bundeskanzler diesen Vorschlag gemacht.

(Abg. Rasner: Ich bedanke mich, daß Sie geantwortet haben, Herr Außenminister!)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604714000
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Petersen.

Peter Petersen (CDU):
Rede ID: ID0604714100
Herr Minister, können Sie mir sagen, zu welchem Zeitpunkt Sie Ihrem Sonderbotschafter Hoppe die Ermächtigung erteilt haben, auf finanzielle Verhandlungen den Rebellen gegenüber einzugehen?

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0604714200
Der Sonderbotschafter Hoppe hatte Vollmacht, auch über finanzielle Forderungen zu verhandeln. Allerdings ist es eine problematische Sache, die Bereitschaft, finanzielle Forderungen zu erfüllen, öffentlich bekanntzugeben,

(Abg. Dr. Klepsch: Nein, zu welchem Zeitpunkt?!)

weil man damit naturgemäß die übrigen deutschen Diplomaten gefährden müßte. Daher hat der Sonderbeauftragte der Bundesregierung von dieser seiner Vollmacht in der geeigneten Form Gebrauch gemacht. Es ist der Regierung von Guatemala, als dieser Teil behandelt worden ist, erklärt worden, daß finanzielle Schwierigkeiten bei der Auslösung nicht bestehen würden.

(Abg. Petersen: Zu welchem Zeitpunkt? — Abg. Dr. Klepsch: Das war doch die Frage!)

— Herr Ministerialdirektor Hoppe hat zu jeder Zeit diese Haltung eingenommen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604714300
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Mattick.

Kurt Mattick (SPD):
Rede ID: ID0604714400
Herr Bundesminister, würden Sie mir zustimmen, wenn ich feststelle, daß nach der jetzigen Darstellung ;des ganzen Vorgangs das Schicksal unseres Botschafters mit seiner Verschleppung bereits entschieden war, da die Regierung in Guatemala die Bedingungen, die die Rebellen gestellt hatten, aus anderen als aus rechtlichen Gründen gar nicht mehr erfüllen konnte und es den Rebellen nicht auf Geld, sondern auf ein Exempel ankam?

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0604714500
Herr Abgeordneter, man wird die wahren Motive für diesen Mord erst dann entdecken können, wenn die Mörder gefaßt sind. Der Ablauf der Geschehnisse deutet darauf hin, daß ungewöhnliche Umstände zusammengetroffen sein müssen; denn wenige Stunden vor dem Mord ist uns noch verbindlich mitgeteilt worden, daß der erste direkte Kontakt zwischen der Regierung und den Entführern hergestellt worden sei und daß die Entführer sich bereit erklärt hätten, in Verhandlungen einzutreten. Das ist eigentlich der normale Verlauf einer solchen Aktion gewesen, auch dann, wenn die Forderungen von Entführern nicht in vollem Umfange erfüllt werden konnten. Die Regierung hatte ja in den ersten Kontakten erkennen lassen, daß sie, was die Herausgabe von Gefangenen anging, Teilforderungen zu erfüllen bereit sein würde. Es ist dann — eigentlich unmotiviert — wenige Stunden nach 'dieser uns mitgeteilten Kontaktnahme der Mord geschehen. Es ist unbekannt, aus welcher Reaktion heraus die Mörder den Festgehaltenen erschossen haben.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604714600
Eine letzte Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Raffert.

Joachim Raffert (SPD):
Rede ID: ID0604714700
Herr Bundesaußenminister, ist Ihnen 'bekanntgeworden, daß unmittelbar nach dem Erscheinen des Artikels in der Illustrierten „Quick" der Kollege Matthöfer sich nicht nur in einem Schreiben an diese Zeitschrift, sondern auch in den Mitteilungen 'der SPD-Fraktion und auf andere Weise korrigierend und dementierend gegen die in dieser Zeitschrift wiedergegebene Darstellung seiner Ausführungen gewandt hat?

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0604714800
Herr Kollege, ich habe davon Kenntnis genommen. Ich habe soeben meine Antwort auf die Fragen, die sich darauf bezogen, auf hypothetische Fälle abgestellt. Wir hätten in jedem Falle die Möglichkeit wahrgenommen, wenn sich Kollegen oder andere Sachverständige an uns gewandt hätten, um zu zeigen, wie man mit den Entführern direkt in Verbindung kommen kann. Ich weiß, daß der Herr Kollege Matthöfer die Darstellung seines Interviews unmittelbar nach Erscheinen 'berichtigt und auf korrekte Wiedergabe gedrungen hat.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604714900
Das war die letzte Zusatzfrage. Damit ist die Fragestunde beendet. Die Frage 86 ist vom Fragesteller zurückgezogen worden. Die nicht aufgerufenen Fragen werden schriftlich beantwortet. Ich bedanke mich bei dem Herrn Bundesaußenminister.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Kollege Dr. Müller-Hermann.

Dr. Ernst Müller-Hermann (CDU):
Rede ID: ID0604715000
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Namen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion beantrage ich, daß



Dr. Müller-Hermann
jetzt eine Aktuelle Stunde im Zusammenhang mit den von uns eingebrachten Dringlichkeitsanfragen zur Konjunkturpolitik durchgeführt wird. Ich habe dafür zwei Gründe.
Herr Staatssekretär Arndt, dessen Sachkenntnis und Sachverstand wir alle sehr wohl kennen und respektieren, hat sich heute in einer sehr schwierigen Position befunden. Es wird niemanden überraschen, wenn ich feststelle, daß seine Antworten in keiner Weise 'ausreichend und befriedigend gewesen sind.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Tamblé: Sie haben sie nicht verstanden!)

Der zweite Anlaß ist der, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister Schiller heute Geburtstag hat.

(Heiterkeit bei ,der CDU/CSU. — Abg. Wehner: Takt war noch nie Ihre starke Seite!)

Ich glaube, wir präsentieren ihm ein Geschenk, wenn wir jetzt noch über die Konjunkturpolitik debattieren.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604715100
Es ist eine Aktuelle Stunde verlangt worden. Das Verlangen ist hinreichend unterstützt. Damit ist die Debatte in der
Aktuellen Stunde
eröffnet. Ich bitte um Wortmeldungen. — Das Wort hat .der Abgeordnete Dr. Pohle.

Dr. Wolfgang Pohle (CSU):
Rede ID: ID0604715200
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mein Kollege Müller-Hermann hat soeben ausgeführt, warum wir die Aktuelle Stunde beantragen. Nehmen Sie es mir nicht übel, Herr Staatssekretär, in der Tat waren Ihre Antworten nicht befriedigend.
Ich glaube, daß man diesem Problem, das wir hier zu besprechen haben, auch nicht dadurch beikommen kann — das ist eine Vorbemerkung, die ich insbesondere an die Adresse der Wirtschaft richte —, daß man es in privaten Zirkeln oder bei Wirtschaftsvereinigungen abhandelt, sondern das gehört in das Forum des Parlaments;

(Beifall bei der CDU/CSU)

das gehört nun einmal zu den Spielregeln der parlamentarischen Demokratie. Denn hier ist die größte Transparenz für eine solche Debatte vorhanden.
Lassen Sie mich eine zweite Vorbemerkung machen! Ich glaube nicht, sehr verehrter Herr Wehner, daß man der Opposition die Befugnis und die Verpflichtung absprechen kann, die Themen vorzutragen und in die Debatte einzuführen, die sie für richtig hält.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Von dieser Verpflichtung kann uns niemand entbinden. Diese Themen sind nun einmal die Ostpolitik und dann wieder einmal andere Fragen; das ist die immer schwelende Frage der derzeitigen Preisentwicklung. Deshalb die Aktuelle Stunde. Wir haben sie beantragt, weil wir von ernster Sorge erfüllt sind. Wir sind es ja nicht allein; es ist in der Fragestunde bereits darauf hingewiesen worden, daß wir uns in der Gesellschaft eines sehr verantwortungsvollen Mannes, nämlich des Herrn Dr. Poullain, befinden, der von einer erschreckenden Preissteigerung gesprochen hat, aber auch in der Gesellschaft der maßgeblichen Exponenten der Bundesbank und auch gewisser Teile der Industrie, ganz abgesehen davon, daß in der Bevölkerung eine große Unruhe um sich gegriffen hat.

(Lachen bei der SPD.)

Der Parlamentarische Staatssekretär hat zwei Indikatoren aufgezeigt. Ich glaube, sie sind beide nicht durchschlagend.
Das eine ist die Abschwächung der Steigerungsraten der industriellen Erzeugerpreise. Das ist offensichtlich der Punkt, auf den sich auch der Herr Bundeskanzler bezogen hat. Ich habe ihm bereits entgegengehalten, daß die industriellen Erzeugerpreise auch schon von Oktober bis Dezember ein schwankendes Bild aufwiesen und daß die Tatsache, daß die Steigerungsrate der industriellen Erzeugerpreise vom Januar zum Februar und vom Februar zum März um ein Geringes gesunken ist, noch kein genügender Indikator für die wirkliche Abschwächung der Konjunktur ist.
Das gleiche gilt für die Auftragseingänge. Die Auftragseingänge aus dem Inland sind viel stärker gestiegen, wenn auch die aus dem Ausland zurückgegangen sind. Auf alle Fälle ist die Übernachfrage, die sich ergibt, wenn man die Auftragseingänge in Beziehung setzt zum Umsatz, erheblich. Sie belief sich im Oktober 1969 nach dem letzten Bericht des Bundeswirtschaftsministers auf 7,8 %, im November auf 6,6 %, im Dezember auf 1,7 %, im Januar 1970 auf 6,9 % und erreichte im Februar, dem letzten Monat, für den mir entsprechende Zahlen vorliegen, seinen seit Oktober bisher höchsten Stand mit 11,1 %. Das ist also ein Auftragspolster von vier Monaten. Demgegenüber betrug der Höchststand in den beiden vorangegangenen Hochkonjunkturen nur zweieinhalb bis drei Monatsproduktionen. Das zeigt meiner Ansicht nach, daß sich die Konjunktur durchaus noch nicht abgeschwächt hat.
Es kommt hinzu, daß die Mengenkonjunktur anhält. Das ist ein sehr ernstes Wort. Auf der anderen Seite hat sich die Kosten-Preis-Spirale so entwickelt, daß sie — nun gebrauche ich ein Wort von Herrn Emminger - an die äußerste Grenze zu stoßen beginnt, nämlich an die Grenze der Rentabilität und der Wettbewerbsfähigkeit. So. kommt in die Situation von dieser Seite her eine außergewöhnliche Brisanz.
Der Herr Staatssekretär hat davon gesprochen, daß es erfreulicherweise gelungen sei, durch eine große Elastizität eine gewisse Produktivitätssteigerung herbeizuführen. Ich gebe ihm darin recht. Trotzdem hat diese Produktivitätssteigerung und die in ihr zum Ausdruck gekommene Elastizität der deutschen Wirtschaft nicht ausgereicht, die Preis-und Kostensteigerungen voll zu kompensieren. Darüber gibt es keinen Zweifel.
Nun hat die Bundesregierung vor zwei Monaten noch — jedenfalls durch den Bundeswirtschaftsmini-



Dr. Pohle
ster, wenn auch nicht an dieser Stelle, so doch in der Öffentlichkeit — fortwährend von Manipulationen auf der Steuerseite gesprochen. Teils in Anwendung, teils nicht in Anwendung des Stabilitätsgesetzes war von der Investitionssteuer die Rede, dann von Steuererhöhungen in der Einkommensteuer, dann von Manipulationen bezüglich der Abschreibungen, dann von Manipulationen bezüglich der Vorauszahlungen. Und auf einmal sind alle diese Behelfe, ohne hier besprochen worden zu sein, in der Versenkung verschwunden. Heute wird davon nicht mehr gesprochen. Im Gegenteil! Es wird versucht, eine Preissteigerung um 3 % auch auf dem Lebenshaltungssektor herunterzuspielen, während es in der Zeit von 1965 unter der Bundeskanzlerschaft von Ludwig Erhard noch als Todsünde galt, wenn überhaupt von diesen dreiprozentigen Steigerungen die Rede war.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Das betrachten wir nicht als eine stetige, vernünftige Wirtschaftspolitik; das ist die Hektik, von der die Rede gewesen ist. Ich wiederhole, dieses Hin und Her bringt draußen nur Verwirrung, und deswegen frage ich die Bundesregierung im Anschluß an das, was der Parlamentarische Staatssekretär hier gesagt hat:
Erstens. Wann wird die Bundesregierung die dringend erforderliche Korrektur ihrer volkswirtschaftlichen Zielprojektion und eine Ergänzung des Jahreswirtschaftsberichts vorlegen?

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Zweitens. Erwartet die Bundesregierung .ein Sondergutachten des Sachverständigenrats und wann wird die Bundesregierung das veröffentlichen?
Drittens. Ist die Bundesregierung bereit, den Bericht des Vorsitzenden des Sachverständigenrates an den Herrn Bundeskanzler, der laut Pressemeldungen vor Ostern schwere Besorgnisse über die konjunkturelle Entwicklung und das konjunkturpolitische Verhalten der Bundesregierung enthält, der Öffentlichkeit bekanntzugeben?

(Abg. Dr. Müller-Hermann: Sehr wahr!)

Viertens. Es ist eine Aufgabe der Bundesregierung — das sage ich einem der Kollegen, die vorhin eine Frage gestellt haben — und nicht Aufgabe der Opposition, Vorschläge zu machen. Man kann sich nicht einfach dadurch aus der Verantwortung drehen, daß man sagt: ihr müßt erst einmal Vorschläge machen. Nein, wir erwarten die Vorschläge der verantwortlichen Bundesregierung; dann werden wir uns dazu äußern.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Deshalb meine letzte Frage: Wie ist heute die politische Zielsetzung der Bundesregierung, nachdem das in der Regierungserklärung abgegebene Versprechen, das Stabilitätsgesetz anzuwenden, aus diesen oder jenen Gründen, sicherlich aber aus Gründen der Koalitionssymmetrie und nicht aus sachlichen Gründen, nicht angewandt worden ist?

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604715300
Meine Herren und Damen, ich möchte zunächst dem Hause bekanntgeben, daß der Ältestenrat 10 Minuten nach Schluß ,der Aktuellen Stunde des Plenums zusammentritt. Das gleiche dürfte für alle die Ausschüsse gelten, die für heute morgen einberufen worden sind. Abweichend davon hat ,der Auswärtige Ausschuß ausnahmsweise gebeten, zuzustimmen, daß er bereits um 11 Uhr zusammentritt, unabhängig vom Ende der Sitzung, wegen einer Unterrichtung durch die Bundesregierung.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Junghans.

Hans-Jürgen Junghans (SPD):
Rede ID: ID0604715400
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Wir begrüßen ausdrücklich, daß der Herr Bundeskanzler das ausgesprochen hat, was überall in der Wirtschaft, in der Bevölkerung die herrschende Meinung ist, nämlich ,daß die Konjunktur nur dann in ein ruhiges Fahrwasser gerät, wenn endlich, Herr Pohle, damit aufgehört wird, Konjunktur, Wohlstand und Vollbeschäftigung um naheliegender wahlpolitischer Vorteile willen bei den Landtagswahlen durch hektisches Gerede aufs Spiel zu setzen.

(Beifall bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)

Der Bevölkerung geht es wesentlich besser als vor einem Jahr.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Lachen bei der CDU/CSU.)

Wir haben ein reales Wachstum von 6 bis 7 %.
Wir beglückwünschen ferner die Bundesregierung, daß sie sich in der Vergangenheit — und wir hoffen, auch in Zukunft — von der Opposition nicht irremachen lassen hat und wird in einer konsequenten Konjunkturpolitik.

(Zuruf des Abg. Dr. Barzel.)

— Ich darf, Herr Barzel, nur daran erinnern, was Ihr Kollege Strauß noch im September gesagt hat. Er sagte, würden die Vorschläge von Herrn Schiller aus jüngster Zeit jetzt angewandt, dann würde die Konjunktur in wenigen Monaten abgewürgt. Das zur Prognosefähigkeit der Opposition. Außerdem sagte Herr Müller-Hermann am 30. Oktober hier:
Wir hätten Anlaß, uns sehr mit der Frage zu beschäftigen, wie wir — um ein Wort meines Fraktionschefs zu gebrauchen — mit dem Klotz am Bein einer überzogenen Aufwertungsquote leben können, ohne Schaden jetzt und auf die Dauer zu nehmen.
Wir bitten daher die Bundesregierung, — so Sie, Herr Barzel —
daß sie die Schäden für die wichtigen Bereiche unserer Wirtschaft abzuwehren bemüht ist, im Interesse der inneren Stabilität, sicherer Arbeitsplätze, regionaler Ausgewogenheit und eines organischen Wirtschaftswachstums, an dem alle Bürger teilhaben.
Klar ist doch, daß die Bundesregierung — und wir beglückwünschen sie dazu — zur Sicherung der



Junghans
Konjunktur, der Vollbeschäftigung, der Arbeitsplätze das Verantwortliche getan hat. Klar ist doch, daß die kreditpolitischen Maßnahmen der Bundesbank erst möglich und wirksam werden konnten, nachdem die neue Bundesregierung das Ihre durch die Aufwertung getan hatte.
Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, wollten das alles verhindern. Sie haben nämlich Anfang 1969 nicht nur die Konjunkturpolitik der Bundesregierung lahmgelegt, sondern darüber hinaus der Bundesbank hinsichtlich der Erfüllung ihrer Aufgaben auch noch die Hände gebunden.

(Abg. Wehner: Sehr wahr! — Abg. Dr. Stoltenberg: Was ist das für eine Geschichtsschreibung? — Weitere Zurufe von der Mitte.)

Daß Sie, meine Damen und Herren, mit einer solchen von Ihnen in den Ansätzen konzipierten Konjunkturpolitik des Jahres 1969 — und wahrscheinlich fortgesetzt im Jahre 1970 — nicht weiter Schaden anrichten können, das haben Sie dem Votum der Wähler am 28. September 1969 zu danken.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Unruhe bei der CDU/CSU.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604715500
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Müller-Hermann.

Dr. Ernst Müller-Hermann (CDU):
Rede ID: ID0604715600
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des Kollegen Junghans bestätigen: manchen Leuten scheint es schon lästig zu sein, wenn über die Preissituation überhaupt gesprochen wird.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird sich dadurch mit Sicherheit nicht beirren lassen.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Wenn wir immer wieder auf die Gefahren einer Inflationsentwicklung hinweisen, so tun wir das deshalb, weil wir befürchten, daß sich in unserem Lande allmählich eine Inflationsmentalität ausbreitet.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU. — Unruhe bei der SPD.)

Ich will einen gewiß unverdächtigen Zeugen zitieren, die Bundesbank, die in ihrem neuesten Jahresbericht folgendes feststellt:
Bei einer jährlichen Preissteigerungsrate für Verbrauchsgüter von 5 % wird der Wert eines Geldvermögens nach 13 Jahren halbiert und nach einem 40jährigen Arbeitsleben auf 13 % des Ausgangswertes reduziert.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

Wörtlich heißt es dann im Anschluß an diese Feststellung im Bericht der Bundesbank:
Diese Konsequenzen sollte vor Augen haben, wer der Tolerierung stetiger, angeblich aber in Grenzen zu haltender Preissteigerungen das Wort redet.
Dies, meine Damen und Herren, und nichts anderes ist die Position der Opposition.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Die Glaubwürdigkeit unserer Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung hängt untrennbar von der Stabilität des Geldwertes ab. Das aber heißt, Herr Junghans: für uns ist das Problem der Geldwertstabilität ein gesellschaftspolitisches Problem ersten Ranges.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wer nicht durch mutiges Handeln glaubwürdig macht, daß er für die Stabilität des Geldwertes eintritt, der muß sich auch die Frage gefallen lassen, ob er wirklich noch ernsthaft an der Stabilisierung unserer freiheitlichen und marktwirtschaftlichen Gesellschaftsordnung interessiert ist.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU. — Zuruf von der SPD: Sie fragen ein Jahr zu spät!)

Diese Bundesregierung hat sich zur Anwendung des Stabilitätsgesetzes nicht durchringen können. Herr Poullain hat gesagt: „Gebraucht wird eine ökonomisch denkende und beherzte Regierung, die das vorzügliche Stabilitätsgesetz anwendet." Das heißt doch wohl: er sagt wie wir, die Regierung hat nicht ökonomisch gedacht und nicht mutig agiert,

(Beifall bei der CDU/CSU)

und zwar, Herr Junghans — das muß ich jetzt an Ihre Adresse zurückgeben —, doch aus wahltaktischen Erwägungen. Bundeswirtschaftsminister Schiller hat vor dem Parlament selber erklärt, daß nicht ökonomische, sondern politische Gründe dafür ausschlaggebend waren, daß man das Stabilitätsgesetz nicht anders verwandt hat.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Nein, man hat die Last des unpopulären Bremsens der Bundesbank zugeschoben. Sie war genötigt, den höchsten Diskontsatz der Nachkriegsgeschichte festzusetzen. Damit ist — darüber müssen wir uns doch im klaren sein — der Spielraum für weitere Aktivitäten der Bundesbank völlig ausgeschöpft. Andererseits gibt es schon heute erste Anzeichen dafür, daß die erwarteten Bremswirkungen auf Grund des hohen deutschen Zinsniveaus von außen her sehr bald unterlaufen werden könnten. Damit wäre praktisch das einzige konjunkturpolitische Bremsinstrument, das zur Zeit in Anwendung ist, ausmanövriert.
Sicher ist vorerst nur folgendes, meine Damen und Herren, nämlich daß .die Diskonterhöhung in erster Linie diejenigen trifft, die nicht über große Selbstfinanzierungsmöglichkeiten verfügen

(Abg. Dr. Barzel: Sehr wahr!)

und nicht auf ausländische Geld- und Kapitalmärkte zurückgreifen können.

(Abg. Dr. Barzel: Sehr richtig!)

Die Konjunkturdämpfung wird mit anderen Worten auf dem Rücken der mittelständischen Schichten und der sogenannten kleinen Leute ausgetragen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)




Dr. Müller-Hermann
Die Diskonterhöhung trifft die Hypothekenschuldner; sie verteuert die Wohnungsmieten. Wir werden uns in der nächsten Woche über dieses Thema ausgiebig unterhalten. Unter der Diskonterhöhung leiden einige überhaupt nicht und andere doppelt und dreifach.

(Abg. Dr. Barzel: Sehr wahr!)

Herr Arndt hat heute hier bestätigt, daß die Bundesregierung keine Möglichkeiten sehe und es auch nicht für nötig halte, weitere Maßnahmen gegen die inflationäre Preisentwicklung zu ergreifen. Statt dessen appelliert sie jetzt auf verschiedenen Wegen an die Adresse der Tarifpartner und erklärt, diese bestimmten entscheidend die konjunkturpolitische Weiterentwicklung. Das sind die Maßhalteappelle, die man früher von Ihrer Seite verhöhnt hat. Natürlich müssen sich die Tarifpartner heute sehr wohl überlegen, ob es sich für sie langfristig auszahlen wird, wenn sie um sehr kurzfristiger Interessen willen die Marktsituation in der Weise ausnutzen, daß sie mögliche Geldentwertungsraten schon in den Preis- und Lohndispositionen vorwegnehmen.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren, dieser Hinweis wird jedoch um seine Wirksamkeit gebracht, wenn die Bundesregierung — ich zitiere hier aus einer angesehenen deutschen Zeitung — „mitten im Boom ständig die Sorge vor einem möglichen Konjunkturrückgang äußert und immer wieder versichert, dazu werde sie es nicht kommen lassen". Man sollte nicht immer vom „Durchstarten" reden, solange es vordringlich ist, bei allen Verantwortlichen zunächst
einmal das Stabilitätsbewußtsein abzusichern.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604715700
Herr Kollege, Ihre Zeit ist abgelaufen. Würden Sie bitte zum Ende kommen.

Dr. Ernst Müller-Hermann (CDU):
Rede ID: ID0604715800
Ja. — Meine Damen und Herren, wir sind an die Ungereimtheiten und Widersprüchlichkeiten in den Aussagen dieser Bundesregierung schon gewöhnt. Wenn der Bundeskanzler jetzt erklärt, daß wir aus dem Gröbsten heraus seien, so kann ich dazu nur bemerken: Das hören wir von Monat zu Monat aufs neue. Sicher scheint nur zu sein, daß die jeweils neuesten Konjunkturdaten und Konjunkturprognosen denen widersprechen, die die Bundesregierung unmittelbar zuvor bekanntgegeben hat. Das ist offenbar die neue Form der Fortschreibung konjunkturpolitischer Daten.
Angesichts der Untätigkeit der Bundesregierung und der Widersprüchlichkeit Ihrer Aussagen, meine Damen und Herren, gibt es für uns jedenfalls nur eine Schlußfolgerung: Diese Bundesregierung hat abgewirtschaftet.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Lachen und Zurufe von den Regierungsparteien.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604715900
Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. Arndt.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604716000
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Kollege Pohle hat hier einige Fragen gestellt. Die erste lautete: Wann wird der Nachtrag zum Jahreswirtschaftsbericht kommen? Meine Antwort: Der Nachtrag wird nach Vorliegen der Gemeinschaftsdiagnose unverzüglich in Arbeit genommen werden.

(Abg. Dr. Barzel: Wann?)

— Die Gemeinschaftsdiagnose der Institute wird Montag vorliegen. Dann wird man unverzüglich an die Arbeit gehen.

(Abg. Dr. Barzel: Wann kommt das ungefähr?)

- Zwei, drei Wochen wird es mindestens dauern.

(Abg. Dr. Barzel: Zwei, ,drei Wochen? — Danke!)

Zweitens: Ist ein Sondergutachten des Sachverständigenrates zu erwarten? Meine Antwort: Der Sachverständigenrat erwägt, ein Sondergutachten vorzulegen. Mehr kann ich dazu nicht sagen.
Drittens: Ist die Veröffentlichung eines Briefes des Vorsitzenden des Sachverständigenrates an den Bundeskanzler zu erwarten? — Meine Antwort: Nein, das ist nicht üblich. Das Jahresgutachten wird veröffentlicht; Sondergutachten können im beiderseitigen Einvernehmen veröffentlicht werden. Hier geht es um einen Brief, in dem erwogen wird, eventuell
ein Gutachten anzufertigen,

(Abg. Dr. Stoltenberg: Außer der Erwägung steht noch etwas mehr drin!)

— in dem das Hin und Her, das bei der Erwägung ins Gewicht fällt, beleuchtet wurde. Vorschläge sind in dem Brief nicht enthalten.

(Abg. Dr. Stoltenberg: Das Hin und Her der Wirtschaftspolitikwird darin beleuchtet!)

— Wenn Sie Idas .so genau wissen, dann fragen Sie doch Herrn Schäfer!
Viertens. Wie ist 'die wirtschaftspolitische Zielsetzung der Bundesregierung, nachdem das Versprechen, das Stabilitätsgesetz anzuwenden, nicht erfüllt ist? Meine Antwort: Das Stabilitätsgesetz ist angewendet worden, und zwar — das hören Sie jetzt wieder nicht genie —: § 4 — außenwirtschaftliche Absicherung, also Aufwertung —; § 6 — Ausgabensperren —, § ,15 — obligatorische Konjunkturausgleichsrücklage von Bund unid Ländern. Dies ist die Voraussetzung für eine wirksame Anwendung der kreditpolitischen Instrumente. Die Bundesregierung wird die Bundesbank — ich wiederhole es noch einmal — darin unterstützen, daß sie in dieser Welt ganz anderer Entwicklungen ihren kredit- und diskontpolitischen Kurs durchhalten kann.
Zum anderen kann ich mir nach wie vor den Vorwurf an Ihre Adresse nicht ersparen, daß ich von Ihnen seit 'der Wahl ständige Kritik an der wirtschaftlichen Lage, am wirtschaftlichen Fleiß dieses Volkes,

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Widerspruch bei der CDU/CSU)




Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Arndt
an den Zukunftsaussichten höre, aber bisher von der CDU/CSU-Fraktion kein Programm erfahren habe, wie man es anders machen sollte.

(Beifall bei ,den Regierungsparteien. — Zurufe von der CDU/CSU.)

Das einzige, wozu Sie sich aufgeschwungen haben, sind die sechs Punkte vom 20. Januar:
1. Eine antizyklische Haushaltspolitik durch Stilllegung von Geldern und zeitliche Verlagerung von Ausgaben: Es ist nicht gesagt, welche Ausgaben und für welche Zeit, denn das ist das Unbequeme. Dem gehen Sie aus dem Wege.

(Abg. Dr. Müller-Hermann: Das ist doch inzwischen bei den Haushaltsberatungen laufend geschehen!)

2. Mit Hilfe des Stabilitätsgesetzes soll die Regierung konjunkturgerechtes und koordiniertes Verhalten von Bund, Ländern und Gemeinden sicherstellen: Das ist geschehen.

(Widerspruch bei der CDU/CSU.)

3. Anreize zu einer verstärkten Vermögensbildung und Spartätigkeit, um den Konsumüberhang abzubauen: Das sind Dinge, die wir alle selbst gemacht haben.
4. Die Steuersenkungsvorschläge der Regierung sollten zurückgestellt werden; die Regierung müsse ihre künftige Steuerpolitik offenlegen: Da ist es zu einem gemeinsamen Übereinkommen gekommen.

(Abg. Dr. Stoltenberg: Nein!)

5. Keine Ausweitung der Investitionssteuer und keine Veränderung der Sätze der degressiven Abschreibung: Dazu sagen Sie nein. Aber gerade das hätte unmittelbar gewirkt.
6. Die gegenwärtige Kreditpolitik der Bundesbank müsse beibehalten werden — damals die niedrige —, bis sich die Bundesregierung zu entscheidenden Schritten entschließe: Die Bundesregierung hat seitdem einen viel restriktiveren Kurs betrieben, und die Bundesbank mußte dennoch ihre Kreditpolitik verschärfen, weil die Erbschaft Ihres Neins zur Aufwertung immer noch nachwirkt.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Das dauert eben seine neun Monate. Sie haben nichts getan, um die Wirtschaftspolitik in ihrer schwierigen Aufklärungsarbeit im Parlament zu unterstützen. Sie haben eine andere Haltung gezeigt als damals die SPD-Fraktion gegenüber Ludwig Erhard und Kurt Schmücker: die SPD-Fraktion hat geholfen.

(Lachen bei der CDU/CSU.)

— Ja, sie hat geholfen! Sie hat ihre Ausgabenanträge zurückgezogen.

(Beifall bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)

Sie hat ihnen in allen Sachfragen geholfen. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren: Es geht Ihnen nicht nur darum, hier sachliche Kritik an der Regierung zu üben, Sie werden vielmehr mit dem 28. September des vorigen Jahres nicht fertig! Sie wollen immer noch Rache für die Aufwertung,

(Beifall bei den Regierungsparteien)

Rache für die Wahlniederlage und auch Rache an Schiller nehmen, dessen Geburtstag hier in so freundlicher Weise erwähnt worden ist.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der CDU/CSU.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604716100
Das Wort hat der Abgeordnete Mischnick.

Wolfgang Mischnick (FDP):
Rede ID: ID0604716200
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem in den letzten Wochen eine doch sichtbare Beruhigung eingetreten ist und spürbar wurde, hatten wir die Hoffnung,

(Beifall bei den Regierungsparteien. — OhRufe bei der CDU/CSU.)

daß sich endlich einmal auch bei denjenigen langsam die Einsicht durchsetzt, die früher, als wir in der Opposition waren, immer die Mahnungen an uns richteten, nicht durch hektisches Getriebe Dinge, die im Gange sind, zu gefährden. Heute halten Sie es aber wieder für notwendig, hochzureden, was im Augenblick in einer Beruhigungsphase ist. Wir bedauern das sehr. Sie nützen der Sache mit dieser Debatte in diesem Augenblick, ohne konkret zu sagen, was anders gemacht werden soll, gar nicht. Sie schaden damit nur!

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Wenn Sie nun davon sprechen, daß Sie die Sorge haben, es könne eine allgemeine Inflationsmentalität eintreten: Diese Sorge beherrscht uns alle. Nur, meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU/CSU, Sie hätten rechtzeitig Gelegenheit gehabt, dafür zu sorgen, .daß diese Inflationsmentalität nicht eintritt. Vor einem Jahr haben Sie versagt. Das können Sie heute nicht verwischen!

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Müller-Hermann: Wo waren denn die Preise vor einem Jahr, Herr Mischnick?)

Ich darf Sie daran erinnern, daß hier in diesem Hause immer wieder von der Bundesregierung auf die restriktive Haushaltspolitik nicht nur hingewiesen worden ist, sondern daß alles, was in ihren Kräften steht, im Zuge der Haushaltsberatung dazu geschieht. Und wenn aus Ihren Reihen — meistens nicht als offizielle Fraktionsmeinung, sondern als Gruppenmeinung, die auch draußen im Lande vertreten wird — gleichzeitig die Forderung kommt, Konjunktursperren, die wir vorgesehen haben, aufzuheben,

(Abg. Wehner: Sehr wahr!)

dann ist das das Gegenteil von dem, was Sie jetzt hier verlangen.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Wehner: Demagogie ist das!)

Und ein Letztes. Wir wissen ganz genau, daß in .den letzten Wochen bei Ihnen die Überlegung an-



Mischnick
gestellt wurde, ab es richtig ist, immer die Deutschland- und Außenpolitik in den Vordergrund zu rücken, und daß Sie .die Mahnung bekamen, Sie sollten sich nun einmal auf den wirtschaftspolitischen Sektor begeben. Diese Mahnung war berechtigt, aber Sie sind nicht in der Lage, konkret zu sagen, was Sie wollen. Deshalb ist auch hier Ihr Versagen deutlich.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Rasner: Der ist drollig und sonst gar nichts!)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604716300
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Lenders.

Helmut Lenders (SPD):
Rede ID: ID0604716400
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf schon sagen, ich bewundere den Mut der Opposition, wie sie sich mit den schlecht verhüllten wirtschaftspolitischen Blößen immer wieder in solche Debatten stürzt. Meine Damen und Herren, Sie erinnern sich doch sicherlich daran, daß wir vor einigen Wochen hier schon einmal gemeinsam in einer Aktuellen Stunde über diese Fragen diskutiert haben, und vielleicht erinnern Sie sich auch daran, was zum Teil Ihre eigene Presse über das schrieb; was Sie hier zu bieten hatten.

(Abg. Wehner: Sehr wahr!)

Sie schrieb nämlich sehr negativ, und auch in dieser Presse — das darf ich Ihnen, Herr Dr. Pohle, sagen — kam die Meinung: Wirtschaftspolitische Debatten — schön und gut, aber wenn die Opposition nicht in der Lage ist, in einer solchen Situation eigene Vorschläge zu machen, dann wäre es besser, sie würde auf solche Debatten verzichten.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Meine Damen und Herren, Ihnen als Opposition gefällt nicht, daß der Bundeskanzler die vom Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Arndt wiedergegebenen Trendergebnisse unserer konjunkturpolitischen und preispolitischen Entwicklung dazu benutzt hat, unserer Bevölkerung — und das betone ich mit aller Deutlichkeit — zu Recht zu sagen: Laßt euch nicht in die Inflationsangst treiben!

(Beifall bei der SPD.)

Und ich habe den Eindruck, daß Ihnen das nicht paßt, weil es Ihnen nicht ins politische Konzept hineinpaßt

(Zuruf "von der SPD: Die haben doch gar keins!)

und weil Sie — auch das ist vielfach angeklungen, und ich beziehe mich auf das Zitat aus der „Bonner Rundschau", das eben hier von dem Herrn Kollegen Wehner gebracht wurde — offensichtlich in dieser Situation in der Bevölkerung Unsicherheit wollen und Unsicherheit brauchen.

(Abg. Wehner: Brauchen, ja!)

Ich unterstelle Ihnen nun keineswegs, daß Sie nicht auch ernste Sorgen hätten, was die konjunkturpolitische Situation und die konjunkturpolitische Entwicklung angeht. Das steht sicher außer Zweifel. Für uns und auch für die Öffentlichkeit ist es nur außerordentlich schwierig, auseinanderzuhalten, wieweit das, was Sie hier provozieren, taktisch-politischer Natur und wieweit es wirklich von echter Sorge getragen ist.

(Beifall bei der SPD.)

Und zweitens — es tut mir furchtbar leid; das mag Ihnen sicherlich inzwischen in den Ohren klingeln —: Wenn Ihre Sorgen wirklich so echt sind, wie Herr Dr. Pohle sie soeben vorgetragen hat — und jetzt kommt noch ein entscheidender Punkt —, wenn Sie wirklich in der Beurteilung der konjunktur- und preispolitischen Situation ganz entschieden anderer Auffassung sind als die Bundesregierung oder als die Koalitionsfraktionen, dann bleiben Sie nur glaubwürdig, wenn Sie eigene Vorschläge machen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Sie können nicht sagen: Das ist Aufgabe der Regierung! Wenn Sie die Situation offensichtlich anders beurteilen,

(Abg. Wehner: Sehr wahr!)

müssen Sie auch andere Vorschläge machen. Sie können sich dann nicht aus der Hintertür herausschleichen; das geht nicht!

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Wenn Sie sagen, die Beurteilung der konjunkturpolitischen Situation durch die Bundesregierung sei problematisch, und sagen, man sollte dieser Beurteilung nicht allzu viel Glauben schenken, darf ich Sie an folgendes erinnern — das ist hier auch schon vielfach angeklungen —: Wie haben Sie sich etwa in der Beurteilung der konjunkturpolitischen Situation im Sommer des vergangenen Jahres geirrt? Sie sind davon ausgegangen, daß eine Aufwertung nicht notwendig sei. Sie haben im Sommer des vergangenen Jahres erklärt, es sei auch ohne Aufwertung möglich, die Preise zu stabilisieren.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

Da war Ihr Widerstand gegen die Aufwertung. Dieser Widerstand hat uns die heutige Entwicklung beschert, mit der sich die Bundesregierung und mit der wir uns auseinanderzusetzen haben.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich möchte eine letzte Bemerkung machen. Wer hat im Herbst des vergangenen Jahres — auch das muß wiederholt werden —, als die Aufwertung kam, geschrien: Das sei zu viel, das stürze uns in die nächste Rezession, das gefährde die Arbeitsplätze? Auch das waren Sie! Ich glaube, Herr Junghans hat in diesem Zusammenhang ein entsprechendes Zitat gebracht.
Wir dürfen folgendes feststellen. Wir als Koalitionsfraktionen sind uns mit der Bundesregierung in der Beurteilung der konjunkturpolitischen Situation einig. Es kommt jetzt darauf an, durch hektische Maßnahmen nicht die nächste Rezession heraufzubeschwören. Sicherlich ist auch unser Ziel ein stabiles Preisniveau, aber für uns ist es genauso wichtig, die Arbeitsplätze zu sichern und die Bevölkerung davor zu bewahren, daß wir in eine neue



Lenders
Rezession hineinschlittern. Das ist unser Konzept, hinter dem wir stehen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604716500
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Breidbach.

Ferdinand Breidbach (CDU):
Rede ID: ID0604716600
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Lenders, ich bedauere es fast, daß wir uns darüber unterhalten müssen, welches Verständnis von parlamentarischer Demokratie man in diesem Hause pflegen sollte, insbesondere deshalb, weil die Bundesregierung ein Mehr an Demokratie angekündigt hat. Nach der Auffassung von parlamentarischer Demokratie ist es die wichtigste Aufgabe dieses Parlaments und insbesondere der Opposition, diese Regierung zu kontrollieren und zu kritisieren. Wenn sich darüber hinaus die Möglichkeit bietet, auch konstruktive Vorschläge zu machen — und wir haben sie — —

(Gelächter bei den Regierungsparteien.) — Lachen Sie ruhig!


(Zurufe und Beifall bei den Regierungsparteien.)

— Herr Kollege Apel, Sie haben zu früh geklatscht;
denn wir haben konstruktive Vorschläge gemacht

(Abg. Wehner: Wunderbar!)

und Ihnen durch unseren Fraktionsvorsitzenden ein Angebot gemacht, diese Fragen in aller Klarheit gemeinsam zu besprechen, um die Stabilität der Preise zu sichern.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Lassen Sie mich ein Zweites sagen. Herr Kollege Lenders, Sie haben gesagt: Wir brauchen diese Unsicherheit. Wer hat denn in den vergangenen Jahren versucht, mit Unsicherheit Wahlkämpfe zu führen? Wenn Sie sich an das, was in Nordrhein-Westfalen passiert ist — ich erinnere sehr deutlich an die Broschüren, Herr Lenders, die Sie heute zum Landtagswahlkampf in Nordrhein-Westfalen herausgeben —, erinnern, werden Sie feststellen, daß Sie diese Unsicherheit bisher immer für sich in Anspruch genommen haben.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Herr Kollege Arndt, ich kann Ihnen sagen, daß ich sehr viel Mitgefühl habe, weil Sie hier sechs Wochen vor Ihrem Ausscheiden aus dem Bundeswirtschaftsministerium noch über die Wirtschaftspolitik eines Ministers diskutieren und Antworten geben müssen, der bedauerlicherweise zum jetzigen Zeitpunkt nicht da sein kann.
Aber ich möchte Ihnen für die letzten sechs Wochen eines mit auf den Weg geben. Herr Kollege Arndt. Wenn Sie hier als Parlamentarischer Staatssekretär davon sprechen, daß wir versuchen wollten, den wirtschaftlichen Fleiß des deutschen Volkes zu unterminieren, dann muß ich Ihnen klar zur Antwort geben, daß Sie den wirtschaftlichen Fleiß des deutschen Volkes dadurch mißbrauchen, daß Sie
in Ihrer Wirtschaftspolitik Preissteigerungsraten haben, die diesem Volk einen Teil des Fleißes abnehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer die Regierungserklärung liest, wird einen phantastischen Satz finden: Wir werden die Forderungen des Gesetzes zur Förderung von Stabilität und Wachstum erfüllen. — Herr Arndt hat versucht, gerade an drei Punkten nachzuweisen, daß man dieser Forderung nachgekommen ist. Ich frage Sie, Herr Arndt: mit welchem Effekt? Sie haben doch die neuesten Zahlen etwa des Statistischen Bundesamtes über die Verbraucherpreise ebenso wie ich gelesen. Sie wissen, daß wir bei den Verbrauchsgütern Steigerungen haben, die um 4 % bei zweiköpfigen Haushalten, in denen Sozialhilfeempfänger und Rentner sind, weit über 4 % liegen. Die Ausgaben für Kinder sind zwischenzeitlich um 6 % geklettert. Muß man noch mehr Zahlen nennen, um aufzuzeigen, daß Sie z. B. im Frühjahr dieses Jahres Inserate mit einem Pfeil nach unten für Verbrauchsgüterpreissenkungen herausgegeben haben und zwischenzeitlich selber feststellen müssen, daß sich dieser Pfeil in der Richtung geirrt hat! Er zeigt nämlich zwischenzeitlich nach oben und ist genauso eine Richtungsirrung wie vieles, was Sie in der Wirtschaftspolitik in den vergangenen sechs Monaten und auch vor der Wahlkampfzeit versprochen haben.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Herr Kollege Arndt, von Ihrer Seite ist in der Vergangenheit sehr oft in diesem Hause Herr Poullain zitiert worden, auch von seiten der Fraktion und der Regierung. Ich darf das, was ich hier vorhin mit den Zahlen angedeutet habe, durch eine neueste Aussage des Herrn Poullain untermauern, damit Sie sich nicht immer darüber beschweren können, daß die Opposition hier böse Dinge sagt, sondern dies ist vielleicht ein Mann, dem man Objektivität zutrauen kann. Herr Poullain hat laut einer Meldung der „Welt" gestern erklärt, für dieses Jahr rechne er mit einer Steigerung der Lebenshaltungskosten „von 4 °/o oder einem Schnäpschen mehr". Der Kaufkraftverlust gefährde nicht nur die Vermögenspolitik der Bundesregierung, sondern bewirke eine reale Umverteilung zugunsten der Besitzenden und zu Lasten der Ärmeren. — Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist die Situation, in die uns die Wirtschaftspolitik dieser Regierung gebracht hat.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Wehner: Deswegen soll man Ihre reaktionäre Partei wählen!)

— Ach, Herr Kollege Wehner, Sie haben schon des öfteren gesagt, daß die CDU eine reaktionäre Partei sei bzw. daß sie gewählt werden sollte.

(Klatschen bei der SPD.)

Herr Kollege Wehner, ich überlasse es Ihrer subjektigen Beurteilung, was reaktionär und Was nicht reaktionär ist. Die objektive Meinung der Bevölkerung werden Sie am „Zahltag" irgendwann zu sehen bekommen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)





Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604716700
Herr Kollege Breidbach, auch Ihre Zeit ist abgelaufen. Ich bitte, zu Ende zu kommen.

Ferdinand Breidbach (CDU):
Rede ID: ID0604716800
Ich bin sofort fertig. — Sie haben der Bevölkerung im Wahlkampf versprochen: Wir schaffen das moderne Deutschland. Dazu haben Sie eine phantastische Broschüre herausgegeben. Mit Genehmigung der Frau Präsidentin möchte ich dieses Zitat noch bringen und dann meine Ausführungen beenden. Hier steht drin — Sie werden gleich wieder klatschen, aber hören Sie ganz zu! —:
Aber wir machen uns Gedanken um die Zukunft. Die CDU/CSU will dagegen den Weg des politischen Schlendrians von 1966 wiederholen ..
Usw. usw.

(Klatschen bei der SPD.)

— Sie klatschen immer zu früh; denn zwei Sätze weiter heißt es:
Wir brauchen keine Reden, sondern Taten.

(Erneutes Klatschen bei der SPD. — Beifall bei der CDU/CSU.)

Sie haben bisher über Wirtschaftspolitik geredet, aber wenig gesagt, und die Taten sind ausgeblieben. Wenn Sie mit diesem Stil das „moderne Deutschland" schaffen wollen, dann werden Sie schwer enttäuscht sein. Zum modernen Deutschland gehören Glaubwürdigkeit, konkrete Entscheidungen, ein konkretes Konzept. Sie sind im Moment unfähig, dies zu bieten.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604716900
Das Wort hat der Herr Bundesminister Dr. Möller.

Dr. Alex Möller (SPD):
Rede ID: ID0604717000
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Müller-Hermann hat die Tatsache dieser Aktuellen Stunde auch mit dem Geburtstag meines Kollegen Schiller begründet. Er hätte ein Geburtstagsgeschenk hinzufügen können, nämlich die Erkenntnis, daß seine Freunde und er nun endlich zuzugeben bereit sind, daß für die Preisentwicklung ,der letzten Zeit die Politiker verantwortlich sind, die eine rechtzeitige Aufwertung verweigert .

(Beifall bei den Regierungsparteien — Lachen bei der CDU/CSU — Abg. Dr. Klepsch: Was haben Sie denn noch im Mai geschrieben?! — Weitere Zurufe)

und damit eine inflatorische Entwicklung verursacht haben. Das muß man sagen, wenn hier Herr Kollege Breidbach hervorgehoben hat, das sei die Wirtschaftspolitik, in die uns diese Regierung gebracht habe, als er die Preissteigerungen der jetzigen Zeit berührte.
Ich darf mich auf Herrn Emminger beziehen, der in einer Rede, am 24. März in den Nachrichten der Bundesbank veröffentlicht, eine Erklärung über den bisher zu geringen Bremseffekt der Aufwertung gegeben und dabei zwei Umstände angeführt hat.
Erstens, die Preissteigerungen im Ausland sind schneller und stärker weitergegangen, als man angenommen hatte. Der zweite Grund, warum sich die Dinge anders entwickelt haben, als man im vergangenen Oktober vielfach erwartet hatte — nun hören Sie bitte zu —, liege im verspäteten Zeitpunkt der Aufwertung.
Diese Tatsache wird in einer der jüngsten Reden, die der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages, Otto Wolff von Amerongen, gehalten hat, bestätigt. Er hat in dieser Rede erklärt: Wir haben aufgewertet, aber wir haben zu spät aufgewertet. Die Saat für die Preisentwicklung, die jetzt aufgeht, ist damals in gewissem Maße schon gesät worden.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Ritz: Siehe Ihre Stellungnahme vom 23. Mai!)

Mit dieser Tatsache müssen Sie sich, meine Damen und Herren, einmal auseinandersetzen.

(Abg. Dr. Ritz: Sie auch!)

Denn das, was durch die verspätete Aufwertung versäumt worden ist, ist nicht in einigen Monaten in Ordnung zu bringen. Das weiß jeder, der sich objektiv und fachmännisch mit diesen Tatbeständen auseinandersetzt.
In diesem Hohen Hause hat es vor einigen Jahren einmal eine Diskussion darüber gegeben, daß Herr Dr. Mende in einer Fernsehdiskussion das Wort „Inflation" ausgesprochen hatte. Was Sie seit einigen Wochen in dieser Preisdebatte machen,

(Abg. Wehner: Ist die Multiplikation von Mende!)

trägt dazu bei, daß die Inflationsmentalität im deutschen Volk entstehen könnte,

(Abg. Wehner: Die Sie brauchen!)

die Sie angesprochen haben und die weiß Gott nicht vorhanden ist, weil es keine demokratische Partei in der Bundesrepublik geben kann, die nicht auch die Geldwertstabilität als ein gesellschaftspolitisches Problem ersten Ranges ansieht.
Meine Damen und Herren, Sie haben behauptet, wir hätten das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz nicht in genügendem Umfang angewandt. Herr Kollege Arndt hat Ihnen bereits einige Beispiele genannt. Ich kann nur hinzufügen, daß der Finanzminister in einer dauernden Abwehrschlacht steht,

(Abg. Dr. Luda: Gegen die Genossen!)

um zu verhindern, daß 'die Konjunktursperren in Teilen aufgehoben werden.

(Abg. Wehner: Sehr wahr!)

Hier zeigen sich doch überall die Lobbyisten, die nachweisen, daß gerade der Teil der Konjunktursperre nicht aufrechterhalten werden kann, der ihnen nicht paßt.

(Beifall bei der SPD.)

Da Sie in verschiedenen 'Debatten auseinandergesetzt haben, die Konjunktursperren müßten noch erhöht werden und es müßten noch Ausgabekürzungen eintreten, wollen wir am Schluß der Beratun-



Bundesminister Dr. Möller
gen des Haushaltsausschusses einmal den Katalog der Anträge mit ihrer Behandlung und ihrer Erledigung zusammenstellen, der von Ihnen mit einer solchen Zielsetzung ausgeht. Wenn Sie da erhebliche Verbesserungen erreichen könnten, wäre ich der erste, der das anerkennt.
Sie haben, Herr Kollege Pohle, gemeint, es sei nicht Sache der Opposition, Vorschläge zu machen, wie man es besser macht. Das ist nun der bequemste Standpunkt, den man in der Politik überhaupt einnehmen kann,

(Beifall bei den Regierungsparteien)

und das beweist, daß Sie einfach nicht in der Lage sind, die Rolle zu erkennen, die einer verantwortungsbewußten Opposition in einem demokratischen Staat zusteht.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Lachen und Zurufe von der CDU/CSU.)

Wir haben eine ernstere Situation gehabt als die jetzige: das war der Herbst 1966, als Ihre Wirtschaftspolitik bankrott gemacht hatte.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Dieser Bankrott war doch so offensichtlich, daß Sie selbst Ihren eigenen Kanzler gestürzt haben.

(Erneuter Beifall hei den Regierungsparteien. — Zurufe von der CDU/CSU.)

Nicht wir, sondern Sie in Ihrer Fraktion haben den Kanzler gestürzt, der für diese Wirtschaftspolitik verantwortlich war.
In dieser Situation — lesen Sie sich die Protokolle vom November 1966 durch, meine Damen und Herren von der CDU/CSU! — hat sich die sozialdemokratische Opposition nicht auf den bequemen Standpunkt der Genugtuung begeben, sondern wir haben Alternativvorschläge entwickelt.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Müller-Hermann: Wir auch! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

Ein Teil von Ihnen hat damals diese Alternativvorschläge nicht begriffen; das gebe ich gern zu. Aber wir haben z. B. in den Mittelpunkt dieser Auseinandersetzungen die Entwicklung des Eventualhaushalts gestellt, um die Konjunkturlage beherrschen zu können. 'Daß dieser Eventualhaushalt dann als Konjunkturhaushalt in die Geschichte unserer Wirtschaftspolitik eingegangen ist, das ist ein positiver Beitrag der Sozialdemokratie aus der Zeit der Opposition.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der CDU/CSU.)

Herr Kollege Pohle und meine Damen und Herren von der Opposition, machen Sie sich es doch nicht zu einfach! Wenn Sie der Meinung sind, daß das, was wir tun, nicht ausreicht, dann stellen Sie doch selbst die Anträge, die die Regierung und die Koalition zwingen, eine Aussage zu Ihren Vorstellungen zu machen!

(Abg. Dr. Müller-Hermann: Sie weichen ja dauernd aus!)

Dann wollen wir in einem ehrlichen geistigen Ringen den Versuch unternehmen, das Beste zu tun, was in dieser Konjunktur gemacht werden kann.

(Anhaltende Zurufe von der CDU/CSU.)

Aber das, was Sie mit Ihren Debatten hier auslösen, das ist nicht eine Kontrolle der Regierung, das ist nicht bessere Demokratie, sondern das ist ein Ausnutzen einer Unruhe, die in der Bevölkerung durch Ihre Haltung entstanden ist,

(erregte Zurufe von der CDU/CSU)

und Sie sollten durch ein anderes, disziplinierteres Verhalten dazu beitragen,

(Lachen bei der CDU/CSU)

daß wir von einer anderen, sachlicheren Plattform aus diskutieren.
Der Herr Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie hat am Dienstag in seiner Rede erklärt, was nach seiner Meinung notwendig sei: Ruhe durch Verzicht auf weitere konjunkturpolitische Maßnahmen, Ruhe aber auch durch Versachlichung der öffentlichen Diskussion und durch Enthaltung aller dramatisierenden Äußerungen. Das, meine Damen und Herren von der Opposition, sollten Sie sich hinter die Ohren schreiben.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der CDU/CSU.)

Ich sage Ihnen: unsere Mark ist und bleibt stabil. Das weiß jedermann in der Welt, nur nicht die CDU in diesem Deutschen Bundestag.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der CDU/CSU.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604717100
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kienbaum.

Gerhard Kienbaum (FDP):
Rede ID: ID0604717200
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Ich habe mich bisher bemüht, die Vergangenheit, insbesondere vor Beginn dieser Legislaturperiode, ruhen zu lassen, da ich erst mit dem Wahltag in dieses Hohe Haus eingezogen bin. Es scheint aber nicht möglich zu sein, von dieser Vergangenheit loszukommen. Das zeigt der bisherige Verlauf der Aktuellen Stunde.

(Abg. Dr. Müller-Hermann: Suche nach Alibis!)

— Da fragt sich, wer.

(Zuruf von der CDU/CSU: Ja, eben!)

Deshalb darf ich feststellen: wenn Kritik an Überkonjunktur, an Preissteigerungen geübt wird, dann tun wir das. Es freut uns, daß sich die derzeitige Opposition daran beteiligt.

(Zuruf von ,der CDU/CSU: „Derzeitig" ist gut! — Abg. Dr. Stoltenberg: Das klingt schon ganz anders! — Weitere Zurufe und Lachen bei der CDU/CSU.)

Aber die derzeitige Opposition sollte sich ein für allemal darüber klar sein: solange in der Vergangenheit gewühlt wird, wird die Verantwortlichkeit für diese Vergangenheit nicht zu vernebeln sein. Die



Kienbaum
Verantwortlichkeit für die soeben erwähnten Punkte
— Preissteigerungen heute, 'Überkonjunktur heute
— liegt bei der Regierung Kiesinger; sie liegt insbesondere — —

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Lachen und Zurufe bei der CDU/CSU: Und Herrn Schiller!)

— Sie können sich die allergrößte Mühe geben, diese Verantwortung wird nicht wegzuwischen sein, und in sie ist eingeschlossen Herr Strauß als Finanzminister,

(Zurufe von der CDU/CSU)

in sie ist eingeschlossen die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der CDU/CSU: Und die SPD und Herr Schiller!)

Ich darf eine zweite Feststellung treffen. Die Wirtschaft — es wurde soeben auch die Formulierung einer anderen bedeutsamen Stelle zitiert — braucht Ruhe. Ich habe diese Feststellung bei der Erörterung des Jahreswirtschaftsberichtes mit 'den Worten „endlich Ruhe" ergänzt. Es muß wieder möglich sein, daß sich die Anbieter und die Nachfrager messen.

(Abg. Stein [Honrath] : Auf welcher Preishöhe?)

Deshalb darf ich feststellen: die getroffenen Maßnahmen — und ich wiederhole das Ergebnis der gestrigen Erklärungen im Wirtschaftsausschuß — beginnen zu wirken.

(Zurufe von ,der CDU/CSU: Ach!)

Diese getroffenen Maßnahmen — die Aufwertung, die Kreditpolitik und die Haushaltspolitik — beginnen zu wirken, und verantwortlich für diese Maßnahmen ist die jetzige Regierung und die Koalition.

(Abg. Windelen: Das muß ins Protokoll!) — Das wird ja sowieso ins Protokoll kommen.

Dagegen haben sich die geäußerten Befürchtungen, die zum Teil aus der Verantwortlichkeit von Kollegen Ihrer Fraktion stammen, zum Teil von diesen aufgegriffen oder konzipiert worden sind, nicht bestätigt; ich meine, die geäußerten Befürchtungen, ein Liquiditätskollaps sei zu befürchten, eine Exportgefährdung stehe vor ,der Tür, ja es drohe die Gefahr einer Rezession.

(Abg. Dr. Luda: Das hat Schiller gesagt! — Abg. Windelen: Das hat Herr Schiller gesagt!)

Demgegenüber ist wirkungsvoll eingeleitet die schärfere Auslese der Privatinvestitionen mit Wirkung auf .die Produktivität. Gerade zu diesem Punkt hat gestern einer Ihrer Kollegen so bemerkenswerte Ausführungen gemacht, daß Herr Dr. Irmler von der Bundesbank ihm frontal entgegentreten mußte, nämlich daß .die Falschen mit den Maßnahmen getroffen seien. Ich wiederhole: die wünschenswerten Entwicklungen sind dadurch gefördert worden, nämlich die schärfere Auslese der Privatinvestitionen in Richtung auf produktivitätssteigernde Wirkungen.
Als zweites: der langfristige Kapitalexport zwecks Aufbau von Kapazitäten im Ausland ist in Gang gebracht und wird fortgesetzt werden müssen. Auch in dieser Linie wirken ,die getroffenen Maßnahmen.
Nun haben Sie sehr lautstark Stellung genommen; ich konnte nicht ganz verstehen, was darin außer der Lautstärke die Argumente waren. Deshalb darf ich abschließend feststellen: ich persönlich bin absolut guten Mutes, nämlich daß die Bürger dieses Landes, auf die Sie heute morgen und in der letzten Zeit in Ihren Äußerungen abgehoben haben, die Verantwortlichen für die Versäumnisse der Vergangenheit kennen und im Gedächtnis behalten werden

(Zurufe von der CDU/CSU)

und daß es uns gelingen wird, eine nachträgliche Vernebelung der Verantwortung zu verhindern.

(Zurufe von der CDU/CSU: Ausgezeichnet! Dabei helfen wir Ihnen!)

Als letztes darf ich feststellen: Es wird uns auch
— wenn Ihnen das nicht schmeckt, kann ich das verstehen — gelingen, die Situation zu meistern.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604717300
Das Wort hat ,der Abgeordnete Zander.

(Abg. Dr. Schulze-Vorberg: Die neue Demokratie! 4:1 Regierung und Opposition! Das Verhältnis der Redner zwischen Regierung und Opposition ist 4:1!)

— Herr Kollege, eine Kritik an dem amtierenden Präsidenten steht Ihnen nicht zu.

(Beifall bei den Regierungsparteien.) Herr Abgeordneter Zander!


Karl Fred Zander (SPD):
Rede ID: ID0604717400
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Von verschiedenen Sprechern der Regierungskoalition ist der Opposition vorgeworfen worden, sie dramatisiere in leichtfertiger Weise die wirtschaftspolitische Entwicklung. Ich meine — und das meine ich sehr ernst —:

(Abg. Dr. Müller-Hermann: Das müssen Sie Herrn Poullain sagen!)

Das, was hier vom Kollegen Breidbach gesagt worden ist, ist nicht nur ein Beweis für diese Behauptung, sondern ein Beweis dafür, daß hier Panikmache betrieben wird, systematische Panikmache.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Lebhafte Zurufe von der CDU/CSU.)

Ich finde, das ist ein erschreckendes Beispiel, was hier von dem Kollegen Breidbach zum Teil gesagt worden ist.

(Abg. Dr. Müller-Hermann: Was seid ihr alle vergeßlich!)

— Über Vergeßlichkeit werden wir gleich noch ein Wort zu wechseln haben.
Lassen Sie mich folgendes sagen: Alle kompetenten Beobachter des wirtschaftlichen Geschehens sind sich darüber einig, daß wir in einer Spätphase



Zander
einer konjunkturellen Entwicklung leben, in der bestimmte Abläufe festgelegt und auch nur noch geringfügig zu beeinflussen sind.

(Abg. Dr. Stoltenberg: Das widerspricht den Feststellungen der Bundesbank in ihrem letzten Bericht!)

— Herr Kollege Stoltenberg, Sie sagen: Das widerspricht den Feststellungen der Bundesbank. Ich möchte Ihnen nur sagen: Es wird aber unterstützt durch die Stellungnahme des BDI zum Jahreswirtschaftsbericht. Da heißt es:
Die Spätphase der Konjunktur ...
— denken Sie sich ein paar Punkte; ich lasse da etwas aus —
legt die Entwicklung im ersten Halbjahr 1970 so weitgehend fest, daß ihr Verlauf durch wirtschaftspolitische Maßnahmen jetzt nicht mehr grundlegend zu ändern ist.
So weit das Zitat.

(Abg. Dr. Stoltenberg: Es ist drei Monate alt!)

— Das ist drei Monate alt, spricht aber vom ersten Halbjahr 1970, Herr Kollege Stoltenberg. Vor drei Monaten wurde das prognostiziert.
Meine Damen und Herren, ich meine folgendes — und da muß ich das unterstreichen, was hier vom Kollegen Kienbaum gesagt wurde —: Es ist nach diesen einschneidenden Maßnahmen des letzten halben Jahres — der Aufwertung der D-Mark und den kreditpolitischen Beschlüssen der Bundesbank
— für die Wirtschaft nichts dringender erforderlich als Ruhe. Und in dieser Situation verlangen Sie Hektik.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der CDU/CSU.)

Sie wollen Angst machen, seit der Aufwertung.

(Abg. Dr. Klepsch: Aber Herr Möller sagt doch, es ist Unsicherheit da! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

— Einigen Sie sich vielleicht auf einen Zwischenruf; dann kann ich darauf antworten. — Seit der Aufwertung der D-Mark besteht Ihr wirtschaftspolitisches Konzept darin, Angst zu verbreiten.

(Abg. Dr. Müller-Hermann: Die Angst verbreiten Sie mit den Anträgen zum SPD-Parteitag!)

Meistens haben 'Sie dann noch Schwierigkeiten mit den Argumenten.
Wie ist die Lage tatsächlich? Ich meine, die Arbeitsplätze sind sicher, und niemand braucht Angst um seinen Arbeitsplatz zu haben. Eine gewollte Rezession wird es unter dieser Bundesregierung nicht geben.

(Beifall 'bei den Regierungsparteien.)

Zweitens: Die Preisentwicklung, über die Sie klagen und die Sie dramatisieren, ist eine Folge Ihrer
eigenen Fehler. Die Bundesregierung hat mit angemessenen Mitteln auf diese Situation reagiert.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Müller-Hermann: Das wird durch Wiederholung nicht wahrer!)

Drittens. Die Beruhigung ist nun gerade nach den Aussagen des Parlamentarischen Staatssekretärs in der Fragestunde heute vormittag unverkennbar.

(Zuruf von der CDU/CSU.)

Ich habe mir heute morgen folgendes notiert:
Der Preisanstieg bei industriellen 'Gütern ist weiter abgeschwächt. Die Erwartungen über den Preisauftrieb bei den Unternehmern sind .erheblich zurückgegangen.

(Abg. Dr. Müller-Hermann: Nur um ,12 Prozent!)

Im Großhandel hat der Preisauftrieb nachgelassen. Erzeugerpreise für Verbrauchsgüter im März nur noch um 0,2% gestiegen. Erzeugerpreise landwirtschaftlicher Produkte im März um 2,5 % unter dem Stand von Dezember.
Und schließlich:
Der Preisanstieg für die Lebenshaltungskosten im März nur noch um 0,4%.

(Abg. Dr. Müller-Hermann: Nur noch!)

Wenn Sie dramatisieren wollen, dann haben Sie sich den unglücklichsten Zeitpunkt dazu ausgesucht, weil wichtige Indikatoren zeigen, daß die Situation sich beruhigt. Ich meine, diese Entwicklung ist erfreulich. Wer allerdings die Augen davor verschließt, wer diese Tatsachen der Beruhigung nicht zur Kenntnis nehmen will, der kann sich hier hinstellen und dramatisieren und Hektik verlangen. Ob er der Wirtschaft, ob er der gesellschaftlichen und sozialen Entwicklung in der Bundesrepublik damit einen Dienst tut, das ist eine Frage, die Sie selbst beantworten können. Ich kann nur noch einmal sagen: wir warten auf Ihre Konzepte, wenn Sie die Situation so dramatisch einschätzen.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der CDU/CSU.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604717500
Das Wort hat Herr Abgeordneter Barzel.

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID0604717600
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrter Herr Kollege, wer bei einer Lebenshaltungskostensteigerung von 4 % und einem Diskontsatz von 71/2% nichts anderes als die Parole für Ruhe auszugeben bereit ist, vertritt eine Politik, mit großer Energie die Zügel unverantwortlich schleifen zulassen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich möchte Sie, Herr Kotlege Möller, bitten die Abteilung Lautstärke dem Kollegen ihrer Fraktion zu überlassen, der das kann und dem das ganz gut steht. Ihnen steht es auch nicht, unsere Sorgen zu diskreditieren, Herr Kollege Möller.

(Beifall bei der CDU/CSU.)




Dr. Barzel
Ich möchte gleich einen Vorschlag machen, und zu diesem Vorschlag

(Zuruf von der SPD: Na, ,was kommt jetzt?)

— ja, warten Sie einmal — kommen wenige Vorbemerkungen. Als diese Bundesregierung begann,

(Zuruf des Abg. Dorn)

— Herr Dorn, Sie sind sogar ein Zeuge für das, was ich jetzt sage —

(Abg. Dorn: Daß weiß ich doch!)

gab es vor dem Aufwertungsbeschluß eine Konsultation, in der wir drei Dinge erklärt haben. Einmal, die Regierung solle sich bemühen, die Agrarpolitik europäisch dauerhaft abzusichern. Ob das geschehen ist, ist mit einem Fragezeichen zu versehen, nachdem die Kommission gegen dieses Gesetz über die 920 Millionen DM Bedenken angemeldet hat und die 920 Millionen DM, die die Bundesregierung den deutschen Bauern seit dem 1. Januar als Währungsausgleich schuldet, bis heute nicht angekommen sind.
Zweitens. Wir hatten vorgeschlagen, die Politik sparsamer Haushaltswirtschaft und der Schuldentilgung fortzusetzen. Das Gegenteil ist geschehen; die Bundesregierung hat ausweislich der Debatte vom Februar, Herr Bundesfinanzminister, in den Monaten November und Dezember das Geld geradezu mit der Schaufel herausgeschüttet.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wir hatten zum dritten vorgeschlagen, zusammen mit der Aufwertung ein Programm binnenwirtschaftlicher Preisstabilisierung aufzustellen. Das Gegenteil ist geschehen. Die Regierung kam mit Steuersenkungsvorschlägen, die wir verhindert haben. Das hat es noch nicht gegeben, daß eine Opposition das tut.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren, diese Regierung trat mit der Behauptung an, eine Wirtschaftspolitik, ein Programm und einen Mann zu haben, der imstande sei, eine Preissteigerungsrate von 3 % im nächsten Jahr auf 2%, im übernächsten Jahr auf 1% zu senken und dann bei 1% stabil zu halten. Wir stellen fest, die SPD hat weder diesen Mann noch diese Politik, noch dieses Programm.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Die Bundesregierung erklärte im Januar durch den Mund ihres Parlamentarischen Staatssekretärs, die Preiswelle sei gebrochen. Ich frage Sie, wie die Steigerungen seit dieser Erklärung sind. Und Sie mahnen uns zur Ruhe!
Der Bundeswirtschaftsminister hat hier in der Zeit, als er von dort —der Oppositionsseite — hier heraufkam, eine Theorie vertreten, indem er sagte, die „inflationäre Lücke" — ich will das jetzt nicht theoretisch untersuchen — bestehe an der Spanne zwischen dem Zuwachs des realen Bruttosozialprodukts und dem Ansteigen der Ausgaben des Bundeshaushalts. Ich stelle fest, daß diese Spanne nach den Daten dieser 'Bundesregierung 6% beträgt. Das
sind mit den Worten des Bundeswirtschaftsministers Schiller 6% einkalkulierte inflationäre Lücke.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf des Abg. Dorn.)

Nun fragen Sie nach unseren Vorschlägen. Der Kollege Pohle hat hier für uns Fragen nach Daten, Zusammenhängen und Fortschreibungen von Berichten gestellt. Der Herr Parlamentarische Staatssekretär war so freundlich, heute in Aussicht zu stellen, in einigen Wochen werde es soweit sein. Wir fragen seit 6 Wochen nach diesen neuen Daten.
Ich möchte Ihnen folgendes Angebot machen.

(Zuruf von der SPD: Ach, wie großzügig! Weitere Zurufe von der SPD.)

— Sie wollen doch etwas von uns hören. Wenn wir dann etwas sagen, paßt es Ihnen auch wieder nicht. Am 2. Dezember haben Sie auch erst so komisch reagiert, und plötzlich rief Herr Möller, — er paßt schon auf, er hat es schon begriffen.
Ich möchte Ihnen folgendes Angebot machen.
1. Die Bundesregierung legt so schnell wie möglich die neuen Indikatoren und ihre neue Meinung vor — entsprechend den vier Fragen des Kollegen Pohle —, damit das ganze Haus objektive Unterlagen für gemeinsames Handeln findet.
2. Wir suchen eine Verständigung über die äußerste Beschneidung ausgabewirksamer Gesetzesbeschlüsse in diesem Jahr.

(Abg. Haehser: Das haben wir gestern im Haushaltsausschuß gemerkt, was Sie darunter verstehen!)

— Wir suchen eine Verständigung, habe ich gesagt, Herr Kollege, und nicht 'dauernd Ihre Abstimmungsguillotine mit 17 zu 16, die Argumente überhaupt nicht würdigt.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

3. Für den Fall, daß 1 und 2 eintreten und die Bundesregierung sich entschließt, gestützt auf die Daten und die Ziffer 2, das Stabilitätsgesetz anzuwenden, sind wir bereit, Ihre Vorschläge konstruktiv zu prüfen und, wenn sie in die Landschaft passen, auch zu unterstützen.
Dies ist das Angebot der Opposition in dieser Debatte, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604717700
Das Wort hat der Abgeordnete Apel.

Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID0604717800
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Das letztemal hat das Hohe Haus am 13. März in einer Aktuellen Stunde über die aktuelle konjunkturpolitische Situation in unserem Lande gesprochen. Die Reaktion draußen im Lande in der Fachpresse war, man möchte jetzt doch erst einmal Ruhe haben; denn nach der Diskonterhöhung müsse man mit dem neuen Datenkranz fertigwerden; man



Dr. Apel
wolle also nicht mehr eine Diskussion haben, die zum Schluß doch nur Unruhe bringe.

(Abg. Dr. Luda: Das war Schillers Parole!)

— Nein, das war auch die Parole der Fachpresse, und Sie, die Herren der CDU/CSU, sind nicht besonders gut dabei weggekommen.
Was hat sich nun eigentlich inzwischen wesentlich geändert? Es gibt gewisse Tendenzen zu einer gewissen Beruhigung; sie sind unübersehbar und wurden heute morgen ja auch von dem Herrn Parlamentarischen Staatssekretär dargestellt. Insofern ist die Aussage des Herrn Bundeskanzlers durchaus zutreffend. Auf ,der anderen Seite wissen wir Wirtschaftspolitiker, daß der Datenkranz zur Zeit flattert. Wir wissen nicht, ob die Beruhigung, die zur Zeit sichtbar und deutlich ist, auf ,die Dauer anhält, obwohl eine Zahlenreihe — sie ist eben vom Herrn Kollegen Zander schon angesprochen worden — interessant ist, nämlich die Entwicklung der industriellen Erzeugerpreise, die in diesem Jahre eine eindeutig abwärts gerichtete Tendenz zeigt.
Es ist interessant — ich darf das mit Genehmigung der Frau Präsidentin zitieren —, daß gestern der „Volkswirt" in seinen Indikatoren zur Industriekonjunktur folgendes ausgesagt hat — ich zitiere —:
Die Unternehmer sind noch bei Laune. Dennoch
stecken sie ihre Erwartungen etwas zurück.
Und weiter:
Was viele Unternehmer erwarteten, trat inzwischen ein: die Inlandsnachfrage beginnt auf hohem Niveau zu stagnieren, während die Auslandsnachfrage bereits deutlich nachgab.
Das ist die Situation, und ich frage mich in der Tat, was die CDU bewogen hat, heute morgen die Aktuelle Stunde angesichts dieses Datenkranzes, der gewisse Tendenzen zeigt, aber keine erschrekkenden, wie Sie behaupten, neuen Entwicklungen darstellt, vom Zaune zu brechen.
Ich muß mit meinen Kollegen zu Recht folgendes fragen. Wenn Sie diesen Datenkranz im „Volkswirt" und die neuen Daten des Ministeriums bestreiten, wenn Sie also meinen, es gehe hier nicht um einen konjunkturellen Schnupfen, sondern um mehr, dann müssen wir Sie fragen, was Sie diesem Patienten verschreiben wollen. Wir sind in uns konjunkturell logisch und schlüssig. Wir schlagen zu der Situation, die gegeben ist, das vor, was zweckmäßig und angebracht ist.
Ein Weiteres! Seit 1966 hat die Opposition und damalige Regierungspartei in diesem Lande entweder Krise gemacht oder Krise geredet. Uns überzeugt das nicht mehr, was Sie seit 1966 in der Konjunkturpolitik machen. Denn seit 1966 sind Sie weder personell noch sachlich dabeigewesen,

(Zuruf des Abg. Dr. Müller-Hermann)

sondern haben den Sozialdemokraten die Verpflichtung für ,die Überwindung der verschiedenen Täler überlassen. Herr Müller-Hermann, wenn man also fragt, wer hier abgewirtschaftet hat, dann muß ich
sagen: die CDU/CSU in diesen vier bis fünf Jahren Konjunkturpolitik in unserem Lande.

(Beifall bei der SPD.)

Und wenn man einmal die Personen der CDU in der Wirtschaftspolitik, die wir in diesen Tagen und heute wieder erlebt haben, vor dem Auge Revue passieren läßt, so ist auch personell keine echte Alternative zu sehen.
Es kommt hinzu, meine Damen und Herren, daß man hier im Hause nicht von Stabilität reden darf, wenn man gestern in einer ganzen ,Reihe von Fachausschüssen des Deutschen Bundestages, z. B. im Wirtschaftsausschuß, im Haushaltsausschuß, im Wissenschaftsausschuß, wie ich von Herrn Staatssekretär von Dohnanyi gehört habe, und in anderen Ausschüssen auf die Tube gedrückt und rücksichtslos Ausgabenerhöhungen ohne Deckung durchgesetzt hat.

(Abg. Stein [Honrath] : Wer hat das im Wirtschaftsausschuß getan? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

Sie müssen in Ihrer Haltung etwas konsistenter sein.

(Abg. Stein [Honrath] : Das ist eine völlig falsche Darstellung!)

Meine Damen und Herren, was bleibt also angesichts des „Datenkranzes", den wir halben, Herr Barzel, zu tun? Wir sind für eine Reihe von Maßnahmen, die schnell redressierbar und der Situation angepaßt sind. Solche Maßnahmen sind zur Zeit wirksam. Wir 'bleiben arm Ball. Natürlich können wir nicht so tun, als liefe die .Konjunktur jetzt sicher, sondern müssen genau aufpassen, wie sich die Situation weiterentwickelt. Insofern nehmen wir das Angebot von Herrn Barzel zur Kenntnis.
Aber, meine Damen und Herren, eines tun wir nicht: Wir reden in diesem Hause die Konjunktur nicht tot und reden uns nicht in die Inflation. Wir haben es nicht nötig, alle sechs Wochen im Deutschen Bundestag Wahlreden für den Landtagswahlkampf zu halten.

(Beifall bei ,den Regierungsparteien.)


(das nicht nötig, Sie anscheinend doch. Als letzter Redner hat der Abgeordnete Dr. Stoltenberg das Wort. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn man eine kurze Wertung dieser Debatte zieht, muß main, glaube ich, sagen, daß die Handlungsunfähigkeit der Regierung nicht durch eine parteiische Darstellung oder ein Umschreiben der Vergangenheit, der letzten zwei Jahre, zu verschleiern und zu bemänteln ist. Dr. Stoltenberg Wir haben hier von ,der einen und der anderen Seite eine Fülle von Anschuldigungen über angebliche Fehler und Versäumnisse in der Vergangenheit durch Politiker der CDU/CSU, den früheren Finanzminister, den Bundeskanzler usw. gehört. Wenn wir einmal versuchen, eine wirkliche Bilanz der letzten .zwei Jahre zu ziehen — das werden alle in diesem Hause tun müssen, und es wird auch für die nationalökonomische und wirtschaftliche Diskussion außerhalb dieses Hauses notwendig sein —, können wir wohl feststellen, daß wir alle im Jahre 1969 Schwierigkeiten gehabt haben, ,den Konjunkturverlauf sicher 2u erkennen. Wer die verschiedenen oft voneinander abweichenden Äußerungen der wirtschaftswissenschaftlichen Institute im vergangenen Jahr nachliest, wind wohl auch diese in die Diskussion einzubeziehen haben. Aber galt das nicht auch und in erster Linie für den Wirtschaftsminister, seinen Parlamentarischen Staatssekretär und für andere, die heute hier als Ankläger gegen uns auftreten? Wir wollen nicht noch einmal das gesamte Bild darstellen. Aber hat nicht der Kollege Arndt noch im Dezember und im Januar gesagt, daß der Preisauftrieb gebrochen, der Auftrieb gebremst und ein weiteres Handeln nicht notwendig seien, eine Prognose, die durch die Zahlen im ,Februar widerlegt wurde, Zahlen, die im Februar jene hektische Aktivität bei Ihnen auslösten? Ungeachtet dessen versuchen Sie heute wiederum, die gleichen fragwürdigen Beruhigungsformeln vorzutragen. Heute ist hier häufiger als in allen Bundestagsdebatten, an denen ich seit 1957 teilgenommen habe, das magische Wort der Sozialdemokraten von der „Ruhe" gefallen. Ich muß Sie jedoch daran erinnern, daß Sie vor der Bundestagswahl die „schöpferische Unruhe" als das bestimmende geistige und politische Prinzip einer modernen Politik bezeichnet haben. (Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf von der SPD: „Schöpferische"?!)


(Erneuter Beifall bei den Regierungsparteien.)

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604717900
Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0604718000

(Beifall bei der 'CDU/CSU.)





(Abg. Rösing: Sehr gut!)

— Die schöpferische und geistige Unruhe! Jetzt dagegen rücken Sie in die Nähe eines historischen Spruchs oder einer vergangenen Formel der CDU/ CSU aus dem Jahre 1953, der lautete: „Keine Experimente!"

(Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren, wir stehen mit unseren Sorgen und Forderungen in diesen Tagen in der Hauptrichtung der wirtschaftspolitischen und nationalökonomischen Diskussion. Das können Sie nicht bestreiten. Jeder, der in diesen Tagen den Wirtschaftsteil der Zeitungen liest, wird feststellen, daß vom Deutschen Industrieinstitut, dem Bundesverband der Deutschen Industrie — lesen Sie einmal nach, was Herr Rodenstock gestern gesagt hat; er hat von der „schwersten Zerreißprobe" für die deutsche Wirtschaft seit langem gesprochen —, von den Sparkassen bis hin zu den Nationalökonomen die gleichen Fragen gestellt und die gleichen Forderungen an die Regierung gerichtet werden, wie wir sie hier stellen. Wenn Sie uns hier der Demagogie oder des Opportunismus bezichtigen, dann richten Sie den Vorwurf auch gegen bedeutende unabhängige Sprecher der deutschen Wirtschaft, der Gewerkschaft und der Wissenschaft, die ähnliche Sorgen äußern, wie wir es hier heute tun.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren, einige Bemerkungen zur Sache. Herr Kollege Arndt hat gesagt, das Stabilitätsgesetz ist angewandt, und er hat von der Aufwertung gesprochen, der Konjunkturausgleichsrücklage und der angeblich stabilitätsgerechten Ausgabenpolitik. Ihnen ist in den letzten Monaten immer wieder bescheinigt worden — im Februar-Bericht der Bundesbank, Herr Bundesfinanzminister, und erneut von dem Mitglied des Präsidiums, Dr. Irmler, in diesen Tagen in den Ausschüssen des Bundestages —, daß man von einer stabilitätsgerechten antizyklischen Finanzpolitik nicht sprechen kann.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Sie müssen zur Kenntnis nehmen, daß die Ausgaben des Bundes offensichtlich im Gegensatz zu Ihren Vorhersagen in den ersten Monaten dieses Jahres stärker gestiegen sind als in den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres, in denen Finanzminister Strauß die Verantwortung für die Bundeskasse trug. Das sind Dinge, die Sie nicht mit Schweigen und Polemik übergehen können, über die wir hier reden müssen.
Alle diese Maßnahmen, Herr Kollege Arndt, die Sie nannten, wurden doch vor dem 17. Februar von Ihnen eingeleitet, als zunächst der Wirtschaftsminister und dann der Bundeskanzler von diesem Platze 'sagten, daß die Regierung entschlossen sei, das Stabilitätsgesetz anzuwenden. Nichts ist bis zum heutigen Tage erfolgt.
Deshalb werden wir Sie aus dieser Diskussion auf Grund der Verantwortung, die wir alle für die Stabilität, eine angemessene Preisentwicklung, die Sicherheit des Wachstums und der Arbeitsplätze in Deutschland tragen, nicht entlassen können. Wir lassen uns durch Lautstärke, wir lassen uns durch Angriffe, wir lassen uns durch eine falsche Darstellung der jüngsten Vergangenheit nicht beirren. Wir haben heute konkrete Vorschläge gemacht,

(lebhafte Zurufe von der SPD: Welche?)

und wir werden in der Lage sein, sie bereits in wenigen Wochen in diesem Hause zu diskutieren. Sie werden um die Antwort auf die Fragen der CDU/CSU und der deutschen Öffentlichkeit nicht herumkommen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0604718100
Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Aktuellen Stunde.
Ich berufe das Haus ein auf Mittwoch, den 29. April 1970; die Uhrzeit wird noch bekanntgegeben.
Die Sitzung ist geschlossen.