Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Einziger Punkt der Tagesordnung: Fragestunde
— Drucksachen VI/635, VI/675 —
Es liegen Dringliche Mündliche Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft vor. Zur Beantwortung ist der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. Arndt anwesend.
Ich rufe die Frage 1 des Herrn Abgeordneten Dr. Müller-Hermann auf:
Worauf stützt der Bundeskanzler seine Äußerung, die Preise beruhigten sich?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege MüllerHermann, die Außerungen des Herrn Bundeskanzlers bezog sich auf die Preisentwicklung und auf die Preiserwartungen. Nach dem soeben veröffentlichten Ifo-Konjunkturtest für März zogen die Preise für industrielle Güter ich zitiere jetzt — „erneut an; doch hat sich, nach den Meldungen zu schließen, der Preisanstieg weiter abgeschwächt". Per saldo ging die Erwartung steigender Preise, die bei der verarbeitenden Industrie in den Wochen v o r der Bundestagswahl mit 30 gemessen wurde, im Januar auf 27 und im März auf 8 zurück.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Müller-Hermann.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß auf Grund der gleichen Daten, die den Herrn Bundeskanzler zu dieser Äußerung veranlaßt hatten, Ihr Kollege Staatssekretär Dr. Rohwedder gesagt hat, eine Schwalbe mache noch keinen Sommer?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das ist mir nicht bekannt. Ich weiß nur, daß gestern im Wirtschaftsausschuß über den Text Ihrer noch nicht gestellten
Dringlichkeitsanfragen ausführlich diskutiert wurde. Ich glaube, die Abgeordneten haben von Staatssekretär Schöllhorn alle Auskünfte zu diesem Thema bekommen; Sie konnten leider nicht zugegen sein.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist nicht die Auslassung des Herrn Bundeskanzlers über die Preisentwicklung wirklich der Ausdruck einer übergroßen Selbstgefälligkeit, wenn ich etwa Herrn Poullain zitiere, ,der von erschreckenden Preissteigerungen der Bundesrepublik spricht?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich maße mir kein Urteil über die Ausführungen von Herrn Dr. Poullain an. Jedenfalls geben die Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers objektive statistische Berichterstattung wieder, auf die sich auch die Kommission der Europäischen Gemeinschaften stützt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Breidbach.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, nachdem Sie erklärt haben, daß der Bundeskanzler seine Äußerungen auf die Situation bei den industriellen Preisen stützt, darf ich Sie fragen, wie 'denn die Preissituation etwa bei den Verbrauchsgütern aussieht. Oder hat der Bundeskanzler die Verbrauchsgüter bei seiner Argumentation ausgeschlossen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Bundeskanzler hat sich auf die 'Gesamtheit der Industriepreise bezogen, die uns in den letzten Monaten erhebliche Sorge bereitet hatte und immer noch Sorgen bereitet, wenn auch in durchaus abgeschwächtem Maße. Es ist im Ifo-Konjunkturtest weiter gesagt worden, daß im Großhandel der Preisauftrieb nachgelassen hat und sich nach Meinung der Firmen in den kommenden Monaten weiter abschwächen wird. Das gleiche gilt für die Preisentwicklungen und die Preiserwartungen im Einzelhandel. Für die nächsten Monate — so heißt es da wörtlich — rechnet man mit einer weiteren Abschwächung der Preisauftriebstendenz.
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2378 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. April 1970
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Luda.
Herr Staatssekretär, Sie haben sich in Ihrer Antwort auf den Ifo-Test und auf die Preiserwartungen bezogen, die seitens der Unternehmer gegenüber dem Ifo-Institut geäußert worden sind. Herr Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir der Auffassung, daß nach allen sehr fragwürdigen Erfahrungen, die vor allem auch Sie in der Vergangenheit mit derartigen Prognosen gemacht haben, man in bezug auf solche Testmethoden besonders kritisch geworden sein sollte, und sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß viel wichtiger als dieser Ifo-Test die Tatsache ist, daß vor wenigen Tagen die Deutsche Bundesbank veröffentlicht hat, daß im Monat März das Geldvolumen eine Steigerungsrate von wiederum 14 Prozent gehabt hat und daß diese Steigerungsrate sich zwangsläufig in den nächsten Monaten im Sinne noch verstärkter Lebenshaltungskosten bemerkbar machen muß?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich will versuchen, diese multiple Frage nacheinander zu beantworten.
Erstens. Es ist nicht Aufgabe der Bundesregierung, sich über Statistiken der Deutschen Bundesbank, des Statistischen Bundesamtes oder öffentlicher oder privater Forschungsinstitute zustimmend oder ablehnend zu äußern. Es ist Aufgabe der Bundesregierung, diese Statistiken zugänglich zu machen und sie zu benutzen.
Zweitens. Die Bundesregierung ist wie jede verantwortungsbewußte Regierung — und diese Bundesregierung ist verantwortungsbewußt — gezwungen, sich laufend ein neues Bild von der künftigen Lage zu machen. Sie hat aus den schrecklichen Erfahrungen der Jahre 1965/66 gelernt,
als eine Bundesregierung unter Professor Erhard nicht in der Lage war, ihr Fehlurteil zu korrigieren, weil sie sich dazu nicht stark genug gefühlt hatte.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Junghans.
— Es tut mir leid, Herr Luda, Sie haben nicht nur eine, sondern schon drei Zusatzfragen gestellt. Ich kann nur eine zulassen.
— Ja, darin waren aber drei Fragen enthalten. Es gibt aber nur eine Zusatzfrage, abgesehen von dem Fragesteller selbst.
Bitte schön, Herr Abgeordneter Junghans.
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie die Angebotsseite, insbesondere die
Produktivitätsentwicklung bzw. die Elastizität der Produktion?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung teilt das allgemeine Urteil, daß die anhaltend starke Steigerung der Industrieproduktion eine der erstaunlichsten Leistungen der deutschen Volkswirtschaft ist. Daß nach langer Hochkonjunktur und ebenso langer Vollbeschäftigung in einem außergewöhnlich harten Winter noch Produktionszuwachsraten von 10 % möglich sind, ist ein Erfolg aller arbeitenden Menschen und auch derjenigen, ,die die wirtschaftspolitischen Daten setzen. Ich denke da insbesondere an die Deutsche Bundesbank.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Apel.
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie die Entwicklung der Verbraucherpreise, bzw. in welchen Bereichen hat sich die Preisentwicklung am wenigsten beruhigt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wir sind am meisten enttäuscht über die Entwicklung der Preise für Nahrungsmittel. Dort sind die Abweichungen von den berechtigten Hoffnungen, die wir uns zum Jahresbeginn auf Grund der Senkung der Interventionspreise für Agrargüter machen konnten, am größten.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Lenders.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie — nachdem nicht erst seit heute und aus welchen Gründen auch immer die Opposition die konjunktur- und preispolitische Situation offensichtlich dramatischer beurteilt als die Bundesregierung —
fragen: Sind Ihnen, Herr Staatssekretär, irgendwelche Vorschläge der Opposition zu konjunkturpolitischen Maßnahmen bekannt, die dieser von ,der Opposition vorgenommenen Dramatisierung der Situation entsprechen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein, von einem Programm, das Aussicht hätte, mit dem gegenwärtigen Preisauftrieb fertig zu werden, habe ich bisher noch nichterfahren.
Eine Zusatzfrage ,des Abgeordneten Niegel.
Herr Staatssekretär, Sie haben sich vorhin etwas eigenartig über die statistischen Ergebnisse und Untersuchungen des Ifo-Instituts und der Deutschen Bundesbank geäußert. Ist die Bundesregierung nicht bereit, aus diesen alarmierenden Zahlen, insbesondere der Deutschen Bundesbank, die Konsequenzen zu ziehen?
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. April 1970 2379
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Selbstverständlich zieht ,die Bundesregierung aus jeder Zahl die Konsequenzen. Deshalb verhehlt sie diese Zahlen auch der Öffentlichkeit nicht, und deswegen bezieht sie der Bundeskanzler in seine laufenden Überlegungen mit ein. Eine der interessantesten Entwicklungen ist, daß neuerdings die Exportaufträge wieder zu steigen beginnen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Sprung.
Herr Staatssekretär, hat der Herr Bundeskanzler bei seiner Äußerung, daß wir über den Berg sind und daß sich die Preisentwicklung beruhigen wird, vergessen, daß es im ersten Vierteljahresbericht des Bundeswirtschaftsministeriums heißt — ich zitiere —, der konjunkturelle Preisauftrieb, der die vorgelagerten Produktionsstufen zuerst erfaßt habe, werde demnächst für die Konsumenten stärker spürbar werden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich glaube, ich habe deutlich genug gemacht, ,daß der Bundeskanzler ein Urteil über 'die gesamten Industriepreise abgegeben hat. Er hat aber darauf verzichtet, daran zu erinnern, daß wir in einer Zeit stark steigender Preise im Ausland, insbesondere in den EWG-Ländern, leben. Er hat nicht darauf hingewiesen, daß bei der Harmonisierung .der Wirtschaftspolitik und bei der stärkeren Intensivierung der Europäischen Gemeinschaft ,die Bundesregierung es seit eh und je schwer hatte, Preisstabilität mit der ihr zukommenden Rangordnung in Europa durchzusetzen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Frerichs.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir und auch mit meinen Freunden der CDU/CSU-Fraktion der Auffassung, daß die jetzt schon feststellbare nachlassende Sparneigung breiter Kreise unserer Bevölkerung ein typisches Kennzeichen einer wachsenden Unsicherheit im Hinblick auf diese verfahrene Wirtschafts- unid Finanzpolitik und ein typisches Merkmal des wachsenden Vertrauensschwundes gegenüber dieser Bundesregierung ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Diese Frage kann ich verneinen; da bin ich mit Ihnen nicht einig. Ich darf Sie nur daran erinnern: Im Januar haben Sie und Ihre Kollegen von Kapitalflucht gesprochen. Davon ist jetzt überhaupt keine Rede mehr; die Devisenbestände steigen. Sie halben 1967 dem Bundeswirtschaftsminister unterstellt, er könne keinen Konjunkturaufschwung herbeiführen, weil die Industrie kein Vertrauen in ihn habe und nicht investiere. Sie
haben sich ein Jahr später revidieren müssen. Sie haben 1969 gesagt, Bundeswirtschaftsminister Professor Schiller könne die importierte Inflation nicht stoppen. Das Kabinett hat die von ihm beantragten Maßnahmen beschlossen. Die Aufwertung ist der wichtigste Schutzwall gegen Preissteigerungen von 7 %, wie wir sie im Ausland halben. Ich darf daran erinnern, daß noch im August der damalige Bundeskanzler Kiesinger gesagt hat, die Konjunktur werde sich abkühlen; alle Leute seien sich darüber einig, eine Aufwertung könne nicht in Frage kommen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Josten.
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Meinung, daß alle Lohnerhöhungen und Kostensteigerungen oder Materialpreiserhöhungen sich in der Preiskalkulation niederschlagen und daher mit weiteren Preissteigerungen zu rechnen ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein, diese Meinung kann ich deshalb nicht teilen, weil sie falsch ist. Nur Lohnerhöhungen, die Über die Produktivitätssteigerung hinausgehen, können einen Kostenauftrieb erzeugen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Kiep.
Herr Staatssekretär, beabsichtigt die Bundesregierung in dieser Lage, die Sie eben hier 'beschrieben haben, eventuell die Anwendung des Schiller-Plans aus dem Jahr 1965/66, der damals die Reduzierung der Preissteigerung vorgesehen hat, und zwar von 1 % pro Jahr bis herunter auf 1 %?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Erstens. Die Bundesregierung hat ihre Zielprojektion für dieses Jahr im Jahreswirtschaftsbericht bekanntgemacht. Die Verwirklichung dieser Zielprojektion ist Gegenstand der Geld-, Finanz- und allgemeinen Wirtschaftspolitik. Wir haben außerordentlich knappes Geld und einen sehr hohen Diskontsatz. Die Bundesregierung wird alles tun,
die Deutsche Bundesbank bei der Aufrechterhaltung dieses Diskontsatzes zu unterstützen.
Zweitens. Wir haben einen Haushalt, der im gesamten Bereich des Staates — Gebietskörperschaften plus Sozialversicherung — nach Meinung aller Fach-
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2380 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. April 1970
Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Arndtleute 1970 einen nennenswerten Überschuß ergibt. 1965/66, zu der Zeit, als Sie wirtschafts- und finanzpolitische Verantwortung trugen, gab es Defizite in einer Hochkonjunktur.Drittens. Wir haben die Aufwertung. Sie können mit mir darüber reden und rechten, ob der Aufwertungssatz richtig war, ob man nicht höher hätte herangehen müssen. Sie sind der Meinung gewesen, er sei zu hoch gewesen. Bei wem lag das größere Fehlurteil?
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wehner.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, ist Ihnen die folgende Stelle aus dem Leitartikel der „Bonner Rundschau/Kölner Rundschau" vom 20. dieses Monats bekannt? Sie lautet:
Auffallend ist die neue Strategie .der CDU-Wahlkämpfer. Während Barzel und Kiesinger noch am vorletzten Wochenende auf dem CSU-Parteitag in München die Sozialdemokraten überwiegend wegen ihrer Deutschland- und Ostpolitik angriffen, haben sie sich diesmal auf die Wirtschafts- und Finanzpolitik der Regierung Brandt/Scheel eingeschossen.
— Ereifern Sie sich bitte nicht, das ist eine CDU-Zeitung!
Das Zitat geht noch weiter:
Die CDU aber — —
Herr Kollege Wehner, ich bitte Sie, zur Frage zu kommen.
Können Sie, Frau Präsidentin, mir die Möglichkeit verschaffen, eine Frage ungestört stellen zu können, oder geht das hier nicht?
Ja, eine kurze Frage.
Sicher, ich will wissen, ob dem Herrn Staatssekretär das bekannt ist, und ich habe das Recht, genauso wie Sie , zu fragen.
Die CDU aber
— so heißt es in diesem Artikel — ist nun in einer schwierigen Lage.
Herr Kollege Wehner, — —
Jedes Prozent Preissteigerung steigert ihre Chance, am 14. Juni die Niederlage der Landtagswahl 1966 wettzumachen.
Herr Kollege Wehner — —
Soll, darf die Opposition sich freuen darüber, daß die Preise gestiegen sind, möglicherweise noch weiterhin steigen werden?
Ich bitte, das Mikrofon abzustellen.
Das wäre zynisch und pharisäisch.
Herr Kollege Wehner, Sie haben nicht das Wort.
Meine Frage war, ob dem Herrn Staatssekretär die politische Schlußfolgerung bekannt ist. — —
Herr Kollege Wehner, — —
... die gewollte Preissteigerung wie die damals gewollte Rezession.
Herr Kollege Wehner, Sie haben nicht das Recht, die Fragestunde in dieser Form zu mißbraußen.
Die Antwort wird nicht gegeben.
Die nächste Frage stellt Herr Kollege Dasch.
Herrr Staatssekretär, Sie haben zuvor darüber gesprochen, daß man am meisten darüber enttäuscht ist, 'daß die Preise auf dem Nahrungsmittelsektor nicht zurückgegangen sind. Ich
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. April 1970 2381
Daschfrage Sie hier: worin sehen Sie die Ursachen? In den gestiegenen Aufwendungen der Verarbeitungsbetriebe, deren Un- oder Lohnkosten, oder sehen Sie die Ursachen in einer verstärkten Nachfrage, die die Marktlage der landwirtschaftlichen Erzeugnisse und Nahrungsgüter in den letzten Monaten verbessert hat?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege, ich bin kein Fachmann in diesen agrarwirtschaftlichen Fragen. Aber nachdem der Preisindex für die landwirtschaftlichen Erzeugerpreise im Januar veröffentlicht worden war, mußten wir feststellen, daß statt der erhofften und beschlossenen Senkung der Interventionspreise um 81/2% und der sich darauf gründenden Entschädigungszahlung an die Landwirte die Preise für Marktordnungsgüter im Durchschnitt nur um etwa .die Hälfte dieses Satzes gefallen sind.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Zander.
Herr Staaatsekretär, ist eine Feststellung, die gestern im Wirtschaftsausschuß getroffen wurde, zutreffend, wonach die in der gewollten Rezession zurückgegangenen Lohnkosten Ende 1969 erst wieder den Stand vom Frühjahr 1967 erreicht hatten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das kann durchaus zutreffen, Herr Kollege Zander. Ich weiß nur nicht recht, was es beweist. Die Wirtschaftslage im Frühjahr 1967 war wohl nicht der Himmel; damals litten wir immer noch an der Überwindung der durch die Wirtschaftspolitik der vorigen Bundesregierung unter Ludwig Erhard bewirkten Talfahrt.
Die letzte Zusatzfrage ides Herrn Abgeordneten Dr. Althammer.
Herr Staatssekretär, will die Bundesregierung untätig bleiben, obwohl bekannt ist, ,daß die Preissteigerungsraten bei den sozial schlechter gestellten Schichten überproportional steigen und jetzt bereits den Satz von 4 % überschritten haben?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung ist nicht untätig gewesen. Sie wissen, daß sie dem Hohen Hause eine wesentliche finanzielle Entlastung der Rentner vorgeschlagen hat — sie ist auch beschlossen worden —, nämlich die Aufhebung des Krankenversicherungsbeitrags. Das heißt, wir haben schon einiges getan, um das Schlimmste abzufangen.
Ich kann mir nur nicht den Hinweis darauf ersparen, daß das einzige Konjunkturprogramm Ihrer Fraktion, das ich kenne, nämlich das vom 20. Januar, im wesentlichen aus einem Nein zur Erhöhung von Steuern, wie der Investitionsteuer, und aus einem
Nein zur Einschränkung der degressiven Abschreibung besteht. Das Nein ist konkret; alles andere in diesem Papier ist vage.
Ich rufe die zweite Dringliche Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Pohle auf:
Welche konjunkturpolitischen Indikatoren liegen zur Zeit zur Frage der Preisentwicklung vor?
Bitte schön, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Dr. Pohle, zur Zeit liegen folgende Indikatoren zur Frage der Preisentwicklung vor. Während im Januar die Erzeugerpreise industrieller Produkte um 1,4 % gegenüber .Dezember gestiegen sind, ging diese Rate bis März auf 0,3 % gegenüber dem Vormonat zurück.
Im Lagebericht des Bundeswirtschaftsministeriums vom April heißt es hierzu — ich zitiere —:
Seit Juli 1969 war dies die niedrigste monatliche Steigerungsrate. Bei den Erzeugerpreisen für Verbrauchsgüter belief sich der Anstieg im März auf 0,2 % nach einem starken Preisschub zu Beginn des Jahres. Die Erzeugerpreise landwirtschaftlicher Produkte lagen im März um 2,5 % unter dem Stand vom Dezember. Der Preisanstieg für die Lebenshaltung flachte sich im Anstieg ab. Seine Zuwachsrate Januar zu Dezember betrug noch 1,2 %. Im März war der Anstieg nur ein Drittel so stark, nämlich 0,4 %.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Pohle.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt und ist sich die Bundesregierung bewußt, daß der Auftragseingang aus dem Inland nach 'wie vor außerordentliche Zuwachsraten aufweist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wir haben den Eindruck, daß seit Februar die Auftragseingänge aus dem Inland, auch bei Investitionsgütern, ihre Talfahrt nicht mehr fortgesetzt haben; d. h. es ist zu einer Festigung 'der Inlandsnachfrage gekommen. Damit ist die sehr hoch eingeschätzte Gefahr der Stagnation, also der Wiederholung der Vorgänge des Jahres 1966, erheblich gemildert.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ich habe noch eine Zusatzfrage bezüglich der industriellen Erzeugerpreise. Ist Ihnen bekannt, daß die Schwankungen vom Oktober bis Dezember angehalten haben und daß von Dezember bis Januar eine erhebliche Steigerung in Höhe von 1,4 % zu verzeichnen war?
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2382 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. April 1970
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Preisexplosion — das ist ganz richtig — fing nach der Bundestagswahl an. Sie wurde aber von den Unternehmern — das zeigt uns auch der Ifo-Konjunkturtest — bereits vor der Bundestagswahl für die Zeit nach der Bundestagswahl erwartet. Das ist die berühmte „zurückgestaute Inflation" . Aus Angst vor der Aufwertung versuchte man, die Preise möglichst tief zu halten und die wirtschaftspolitische Diskussion während der Wahlen möglichst kühl zu führen. Man war sich klar: nach der Wahl holen wir das alles nach.
Das konnte leider auch diese Bundesregierung nicht verhindern. Wir haben freie Preise. Das ist einer der wichtigsten Regelmechanismen, von denen neuerdings in Ihrer Fraktion so viel geredet wird.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Luda.
Herr Staatssekretär, Sie haben von den Preissteigerungsraten auf der Erzeugerstufe in den letzten Monaten gesprochen. Wäre es nicht richtiger gewesen, statt sich in Beantwortung einer am 24. April hier gestellten Frage auf Veröffentlichungen Ihres Hauses von Januar, Februar, März zu beziehen, auf den Jahresrechenschaftsbericht der Deutschen Bundesbank Bezug zu nehmen, der vor etwa einer Woche veröffentlicht worden ist und in dem geschrieben steht, daß die Preissteigerungsraten auf den Erzeugerstufen zur Zeit höher als jemals zuvor seit der Korea-Hausse seien, und wollen Sie mir nicht darin zustimmen,
daß die jetzigen Preissteigerungsraten auf der Erzeugerstufe demnächst zwangsläufig auf den Verbraucher durchschlagen werden?
Herr Kollege Luda, die Frage wird jetzt ebenfalls nicht beantwortet. Sie haben wiederum versucht, in eine Frage drei Fragen hineinzubringen. — Bitte schön, Herr Kollege Dr. Müller-Hermann!
Herr Staatssekretär, wie bringen Sie Ihre Feststellung, daß sich die Situation bei den Auftragseingängen beruhigt habe, mit der Tatsache in Einklang, daß z. B. die Auftragseingänge beim Maschinenbau im Februar 1970 saisonbedingt um 17 % über denen des Vormonats lagen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das ist die Beruhigung. Die Talfahrt der Auftragseingänge bei Investitionsgütern hat seit der Aufwertung nachgelassen.
Es scheint so zu sein, wenn der Ifo-Konjunkturtest und damit die Auskünfte der befragten Unternehmer richtig sind, daß jetzt sogar die gleiche Situation bei den Exportaufträgen eintritt. Die Preissteigerungen im Ausland sind natürlich viel exzessiver als bei uns. Leider können wir in Brüssel das deutsche Stabilitätsdenken nicht in dem Maße durchsetzen, wie wir es bisher gern gewollt hätten. Bei Preissteigerungen von 7% in Nachbarländern ist es tatsächlich schwierig, die Auftragseingänge aus dem Ausland auf die Dauer stabil zu halten und die Binnennachfrage zu entlasten. Andererseits ist natürlich diese Entwicklung — das möchte ich auch nicht vethehlen — ein außerordentliches Kompliment für die Leistungskraft unserer Wirtschaft und die in ihr tätigen Menschen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Lenders.
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie den konjunkturpolitischen und preispolitischen Bremsweg von Maßnahmen wie der Aufwertung und der Diskonterhöhung unter Berücksichtigung der übrigen Faktoren, die auf diesen Bremsweg einwirken?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ein Urteil darüber abzugeben, bin ich nicht in der Lage. Ich weiß nur, daß vor kurzem namhafte Persönlichkeiten der Deutschen Bundesbank geäußert haben, daß der Bremsweg diesmal kürzer als 1965/66 sein werde. Man sprach von sechs Monaten. Ich weiß nicht, ob das zutrifft. Jedenfalls ist die Bundesregierung verpflichtet, die Deutsche Bundesbank bei ihrer schweren Arbeit zu unterstützen, so wie auch die Bundesbank die Bundesregierung unterstützt.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Althammer.
Herr Staatssekretär, können Sie uns sagen, welche konkreten Maßnahmen die Bundesregierung zur Unterstützung der Bemühungen der Deutschen Bundesbank vorhat, nachdem der Geldumlauf im letzten Jahr eine Rekordausweitung um 14 Milliarden DM erfahren hat?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung hat in erster Linie aufgewertet. — —
— Ja, meine Herren, das sind eben komplizierte Zusammenhänge, und da muß man auch einmal ein bißchen gelesen haben.
Da kommen Worte hinein, die man nicht mag. Ichweiß, Aufwertung, das ist das Wort Ihrer Niederlage. Das hören Sie nicht gern. Aber ich kann es
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. April 1970 2383
Parlamentarischer Staatssekretär Dr. ArndtIhnen doch nicht vorenthalten, wenn es in den Zusammenhang gehört.
Sie sind abgewertet worden, natürlich, wer hört dann gerne etwas von Aufwertung!Ich darf die Frage des Kollegen Althammer beantworten. Erstens: Ohne die Aufwertung dieses Ausmaßes hätte die Bundesbank überhaupt keine Politik der Liquiditätseindämmung und der Zinserhöhungen betreiben können. Das steht expressiv verbis an mehreren Stellen im Geschäftsbericht der Bundesbank.Zweitens. Die Gesamtheit der öffentlichen Haushalte wird diesmal stabilisierend gefahren. Es gibt keine Defizite wie in der Hochkonjunktur 1965, es gibt einen Überschuß im öffentlichen Gesamthaushalt. Das ist ein großer Fortschritt, und man sollte diese harten Bemühungen der Gebietskörperschaften — das ist ja nicht nur der Bund — nicht dauernd madig machen. Hier ist ein Fortschritt eingetreten. Ich bin verpflichtet, das für die Gemeinden, für die Sozialversicherung und auch für die Länder anzuerkennen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dasch.
Herr Staatssekretär, Sie sprachen vorhin von einer 7%igen Preissteigerung in den Nachbarländern der deutschen Bundesrepublik. Ich frage Sie: Ist die stabilisierende Wirkung, die sich die Bundesregierung auf Grund der Aufwertung in .den Nachbar- und Haupthandelsländern der Bundesrepublik erhofft hat, nicht eingetreten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das ist natürlich ein delikates Thema. Wir können keine Annahmen über drie Preisentwicklung bei unseren ausländischen Freunden und Verbündeten machen, die ungünstiger sind als die von ihnen selbst abgegebenen. Das gilt nicht nur für die Länder der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft; .das gilt auch für Länder außerhalb dieses Blocks in Westeuropa. Heute kann man natürlich sagen, daß ein Teil der Aufwertungswirkung vom September/Oktober durch den überstarken internationalen Preisanstieg wieder aufgehoben ist. Da haben Sie völlig recht.
— Das haben Sie gesagt!
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Klepsch.
Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, in diesem Zusammenhang den kürzlich veröffentlichten Jahresbericht der Deutschen Bundesbank zu bestätigen, daß wir gegenwärtig die höchsten Preissteigerungen in den Erzeugerstufen haben, höher als jemals zuvor seit der KoreaHausse?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das will ich gern bestätigen.
Was wahr ist, muß man sagen.
Wir hätten eben im Frühjahr 1969 aufwerten sollen!
Eine letzte Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Frerichs.
Herr Staaatssekretär, ich bitte um Verständnis, wenn ich die Frage des Kollegen Dr. Althammer meiner Fraktion, die nicht klar beantwortet ist, noch einmal aufgreife und frage: Welche konkreten Maßnahmen beabsichtigt diese Bundesregierung jetzt und in Zukunft zur Unterstützung der Diskont- und Kreditpolitik der Deutschen Bundesbank? Jetzt: Hic Rhodus, hic salta!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung betrachtet die bisherigen finanzpolitischen Maßnahmen für ausreichend.
Auch die Bundesbank denkt so.
Beide wollen ihren Kurs halten, und beide halten
nichts davon, hektisch immer noch nach neuen
Schräubchen zu suchen, an denen man drehen kann.
Die Menschen draußen, die mit unseren Daten und auf Grund unserer Daten zu operieren haben, müssen sich auch über Zeitstrecken hinweg auf diese öffentlichen Daten verlassen können.
Ich halte nichts davon, Herr Kollege Frerichs, die Produktion von Lastkraftwagen in der Hochkonjunktur unverändert zu lassen und die Produktion von Straßen einzustellen. Hier muß einfach gesehen werden, daß Komplementärinvestitionen im öffentlichen Bereich nötig sind, wenn die Investitionen im privaten Sektor ihren Sinn haben sollen.
Meine Damen und Herren, im Interesse aller derjenigen Anfragenden, die ihre Frage fristgemäß eingereicht haben, möchte ich Zusatzfagen jetzt nicht mehr zulassen.Ich danke dem Herrn Staatssekretär für die Beantwortung der Dringlichen Fragen und komme damit zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts.
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2384 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. April 1970
Vizepräsident Frau FunckeZur Beantwortung ist Herr Bundesminister Scheel anwesend.Ich rufe die Frage 76 des Herrn Abgeordneten Matthöfer auf:Werden Ergebnisse der Verhandlungen der Bundesregierung wegen der Änderung des NATO-Statuts im Hinblick auf den Rechtsstatus der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften noch so rechtzeitig erzielt werden, daß sie bereits bei den im November dieses Jahres wieder anstehenden Neuwahlen der Betriebsvertretungen wirksam werden können?Bitte schön, Herr Bundesminister!
Herr Abgeordneter, das Übereinkommen wird in absehbarer Zeit unterzeichnet werden können. Nicht nur bei uns, sondern auch in den meisten anderen Vertragsstaaten folgt dann das parlamentarische Zustimmungsverfahren. Unter diesen Umständen ist nicht zu erwarten, daß der Vertrag noch rechtzeitig vor den im November anstehenden Wahlen für die Betriebsvertretungen in Kraft treten wird. Diese Wahlen erfordern nach dem Personalvertretungsgesetz zudem eine Vorbereitung von mindestens sechs Wochen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dröscher. Bitte schön! — Meine Damen und Herren, ich bitte um ein wenig Ruhe, sonst können sich der Herr Fragende und der Herr Antwortende gegenseitig nicht verstehen.
Herr Bundesminister, wie ist es eigentlich zu erklären, daß jetzt so lange laufenden Verhandlungen, die doch schon vor einem halben Jahr weitgehend abgeschlossen waren, nun nicht so zur vertraglichen Unterschrift führen, wie das vorgesehen war, so daß diese Verzögerung in den Wahlmöglichkeiten eintritt?
Herr Kollege, bei .solchen internationalen Abkommen dauert die Vollbereitung zur Unterschrift deswegen so lange, weil die redaktionelle Abstimmung unter den vielen Beteiligten und auch die sprachliche Abstimmung immer noch Zeit in Anspruch nehmen. Wir sind ja auf andere angewiesen. Aber jetzt ist die Vorarbeit so weit abgeschlossen, daß eine Unterzeichnung im Laufe des Monats Mai erfolgen könnte.
Keine Zusatzfrage. — Ich rufe dann Frage 77 des Herrn Abgeordneten Matthöfer auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß durch eine weitere Verzögerung der Verhandlungen die einzelnen Hauptquartiere weiterhin willkürlich Erlasse veröffentlichen können, da sich, wie das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung 1 ABR 9/69 vom 19. Dezember 1969 ausführte, bei der derzeitigen Rechtslage, insbesondere im Zusammenhang mit dem Fehlen eines Hauptpersonalrats, die Gefahr einer Umgehung der Beteiligung der einzelnen Personalräte nicht leugnen läßt?
Herr Kollege Matthöfer, das geltende Betriebsvertretungsrecht der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften ist in der Tat unbefriedigend, weil Hauptbetriebsvertretungen bei den obersten Behörden der Streitkräfte fehlen. Es können sich Fälle
ergeben, in denen das Mitwirkungsrecht der Bezirks- und der örtlichen Betriebsvertretungen nicht zum Zuge kommt, wenn allgemeine Anordnungen der Hauptquartiere ergehen, die für die mittleren und unteren Behörden verbindlich sind.
Weil die Bundesregierung diesen Zustand ändern wollte, hat sie diese Fragen in die Verhandlungen mit den Entsendestaaten einbezogen. Wir legen Wert darauf, daß ,dieser unibefriedigende Zustand in dem neuen Abkommen geändert wird.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Matthöfer.
Habe ich Sie richtig verstanden, Herr Minister, daß in dem unterzeichnungsreifen Abkommen diese Fragen der Vertretung auch auf den oberen Ebenen im Interesse der Beschäftigten zufriedenstellend geregelt sind?
Herr Abgeordneter, das war unser Ziel bei den Verhandlungen. Ich möchte vor der Unterzeichnung keine Einzelheiten über das Ergebnis der Verhandlungen mitteilen. Aber das Ergebnis liegt in dieser Richtung.
Keine weitere Zusatzfrage. — Ich rufe die Frage 78 des Abgeordneten Dr. Häfele auf:
Sind der Bundesregierung Pressemeldungen bekannt, nach denen in Südamerika Morde und Folterungen, z. B. an Indianern, verübt werden?
Ja, Herr Abgeordneter, die Bundesregierung verfolgt seit September 1969 derartige Pressemeldungen. Diese Nachrichten stützen sich vorwiegend auf Untersuchungen des brasilianischen Innenministeriums vom März des Jahres 1968. Die Nachricht über eine angeblich systematische Ausrottung der Indianer wurde inzwischen allerdings von ihrem Uriheber selbst widerrufen.
Eine entsprechende Anfrage des Abgeordneten Dr. Wilhelm Nölling wurde in der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 14. November des vorigen .Jahres beantwortet.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Häfele.
Können Sie etwas über den Umfang der Gewalttaten in den südamerikanischen Ländern sagen?
Herr Abgeordneter, Zahlen kann ich Ihnen leider nicht nennen.
Keine weitere Zusatzfrage.Ich rufe die Frage 79 des Herrn Abgeordneten Dr. Häfele auf:
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. April 1970 2385
Vizepräsident Frau FunckeWas hat die Bundesregierung getan und gedenkt sie zu tun um solche Unmenschlichkeiten zu verhindern?Bitte schön, Herr Bundesaußenminister!
Herr Abgeordneter, die Haltung der Bundesregierung gegenüber Morden und Folterungen ist ganz eindeutig. Die Bundesregierung ist aber leider nicht in der Lage, überall in ,der Welt einzugreifen, wo solche Unmenschlichkeiten verübt werden. Sie ist nicht in der Lage, Straftaten zu verhindern und zu verfolgen, die sich auf dem Gebiet eines fremden Staates ereignen. Nach dem allgemeinen Völkerrecht darf sie auf einen ausländischen Staat grundsätzlich nur zum Schutz der eigenen Staatsangehörigen einwirken.
Die brasilianische Regierung selbst hat die Übergriffe angeprangert und ist gegen die Schuldigen eingeschritten, sobald sie von dem Verbrechen Kenntnis erhalten hatte. Gleichzeitig ergriff die brasilianische Regierung geeignet erscheinende Maßnahmen, um die Urwaldbewohner verstärkt zu schützen. Eine Intervention der Bundesregierung zugunsten der Indianer würde der brasilianische Staat als einen Eingriff in seine Gerichtsbarkeit und seine inneren Angelegenheiten auffassen. Die Bundesregierung verfügt auch über keinen tatsächlichen Nachweis darüber, daß sich in jüngster Zeit erneut Übergriffe gegen die Indianer ereignet haben.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 80 des Herrn Abgeordneten Dr. Klepsch auf:
Was hat die Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler und der Bundesminister des Auswärtigen, unternommen, um das Leben des Botschafters Graf von Spreti zu retten?
Herr Abgeordneter, Sie fragen ganz allgemein nach den Maßnahmen, die die Bundesregierung zur Rettung des Lebens des Botschafters Graf von Spreti ergriffen hat. Es ist dem Bundestag ein Bericht zugegangen, ,der die Einzelheiten der Maßnahmen enthält, die die Bundesregierung ergriffen hat. Sie haben in Ihrer Frage auch speziell nach dem gefragt, was der Herr Bundeskanzler und der Bundesaußenminister selbst in dieser Sache getan haben. Sie dürfen davon ausgehen, daß alle Maßnahmen, die in dem Ihnen zugegangenen Bericht als Maßnahmen des Auswärtigen Amts bezeichnet worden sind, Maßnahmen sind, die der Außenminister angeordnet oder in Abstimmung mit seinen Mitarbeitern gebilligt hat.
Die Aktivität des Bundeskanzlers ist in diesem Bericht beschrieben. Der Bundeskanzler hat einen Appell an den Staatschef Guatemalas und einen Appell an das Volk gerichtet, der in der Landessprache über eine ganze Anzahl von Sendern ergangen ist. Außerdem ist zum selben Zeitpunkt, zu dem die persönliche Botschaft des Außenministers an den Außenminister Guatemalas ergangen ist, eine Botschaft des Bundeskanzlers an den Staatspräsidenten Guatemalas ergangen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Klepsch.
Herr Bundesminister, hätten Sie es — wenn schon ein Sonderbotschafter nach Guatemala entsandt werden sollte, Sie selbst diese Aufgabe aber nicht übernehmen konnten — nicht für angebracht gehalten, einen der Staatssekretäre oder einen der Parlamentarischen Staatssekretäre des Bundeskanzleramtes oder des Auswärtigen Amtes zum Sondergesandten zu machen?
Herr Abgeordneter, wir haben diese Frage sehr wohl erörtert, bevor wir eine Entscheidung getroffen haben. Im nachhinein hat sich herausgestellt, daß unsere Entscheidung, einen landes- und sprachkundigen Beamten im Range eines Ministerialdirektors zu entsenden, richtig gewesen ist; denn schon seine Entsendung hat die Erpresser veranlaßt, höhere Forderungen zu stellen, als ursprünglich angemeldet worden sind. Wir hatten es ja hier mit einer Verbrechenssparte zu tun, bei der die Einwirkungsmöglichkeiten von außen sehr beschränkt sind und sehr sorgfältig abgewogen werden müssen. Spektakuläre Maßnahmen und spektakulärer Druck auf die Erpresser führt nicht in allen Fällen zum Erfolg. Wir mußten ja Wert darauf legen, den Botschafter aus den Händen der uns unbekannten Erpresser lebend zurückzubekommen.
Zu einer Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Klepsch.
Herr Bundesminister, soll ich Ihrer Antwort also entnehmen, daß die von Ihnen ergriffenen Maßnahmen, die Sie hier aufgeführt haben — Botschaft des Bundeskanzlers an das Volk von Guatemala usw. —, gerade den gegenteiligen Effekt erzielten, und wollen Sie damit zum Ausdruck bringen, daß es klüger gewesen wäre, von Anfang an den Weg zu suchen, das Leben des Botschafters auf eine andere Weise zu retten?
Herr Abgeordneter, wenn Sie einmal die Dokumentation der Bundesregierung genau durchlesen,
dann werden Sie sehen, daß sich die Maßnahmen immer weiter verstärkten, und zwar genau parallel den Ergebnissen der Bemühungen bei der guatemaltekischen Regierung. In dem Zeitpunkt, als wir den Sonderbeauftragten der Bundesregierung nach Guatemala entsandten, war seine Entsendung auch der Person nach die richtige Entscheidung. Eine andere Entscheidung hätte — man mag darüber streiten — nach unserer festen Überzeugung keinen besseren Erfolg gehabt, vielleicht sogar eine Verschärfung der in diesem Augenblick vorhanden gewesenen Lage bedeutet.
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2386 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. April 1970
Zu einer Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hauser.
Welche Umstände führten nach Ihrer Meinung, Herr Minister, dazu, daß laut Wickert-Blitzumfrage immerhin 79 % unserer Bevölkerung zu der Meinung kommen mußten, in dem beklagenswerten Fall Graf Spreti sei von deutscher Seite zuwenig getan worden?
Herr Kollege, es ist ganz verständlich, daß die öffentliche Meinung in diesem Fall wegen seiner Besonderheit und der Tragik außergewöhnlich engagiert und erregt gewesen ist. Aber die öffentliche Meinung ist nicht immer maßgebend für Entscheidungen, bei denen man viele Umstände berücksichtigen muß. Wenn Sie die öffentliche Meinung z. B. heute betrachten, werden Sie überrascht feststellen, daß die ursprüngliche Auffassung, die Bundesregierung habe zuwenig hart reagiert, schon in das Gegenteil umschlägt. Manche Zeitungen schreiben heute, die Reaktion der Bundesregierung sei zu hart gewesen.
Unter Berücksichtigung der Erfahrung, daß die öffentliche Meinung in einem solchen Fall verständlicherweise sehr engagiert ist, haben wir unsere Maßnahmen immer genau auf den Zweck abgestellt. Wir haben uns dabei zwar von Gefühlen leiten lassen, aber wir haben sie sehr kontrolliert und bedacht, welche Folge jede einzelne Maßnahme haben würde, auch auf die Lebensumstände, auch auf die Situation der anderen Diplomaten im Ausland und der anderen Deutschen, die in diesem Land leben.
Zu einer Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Schulze-Vorberg.
Herr Bundesminister, was hat die Bundesregierung getan, um dem Botschafter von Guatemala, dem Mann, der sich bereit erklärt hat, sich in die Hände der Rebellen zu begeben — und der dann erstaunlicherweise hier als einziger zum Verlassen unseres Landes aufgefordert worden ist --, die technischen Möglichkeiten zu geben, sein Angebot zu realisieren? Hatte die Bundesregierung dem Botschafter insbesondere das Flugzeug angeboten, das dann für den zu späten Flug nach Guatemala Ihnen zur Verfügung stand?
Herr Abgeordneter, mit dem Botschafter haben mehrere Gespräche stattgefunden. Sie wissen es aus dem Bericht. Die Bundesregierung hat dem Botschafter auch bestätigt, daß seine Haltung und seine Bemühungen zu achten sind. Der Botschafter hat in einer Pressekonferenz seine persönliche Bereitschaft, sich zur Verfügung zu stellen, der Öffentlichkeit wohl mitgeteilt, aber keine technischen Hilfsmittel erbeten, damit er diese seine private Entscheidung in die Tat hätte umsetzen können. Man muß also annehmen, daß er entweder seine Entscheidung mit eigenen Mitteln durchzuführen beabsichtigte oder vielleicht den Zeitpunkt noch nicht für gekommen hielt.
Das Anbieten von Verkehrsmitteln, um jemandem, der öffentlich erklärt, sich in die Hände von Erpressern begeben zu wollen, bei der Verwirklichung seiner Entscheidung zu helfen, finde ich nicht gerade als eine im diplomatischen Verkehr übliche Maßnahme.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Bach.
Herr Bundesaußenminister, ich glaube, die Dokumentationen sind, wenigstens nach Zeitungsmeldungen zu urteilen, nicht ganz vollständig. Können Sie mir sagen, ob die Bundesregierung, vertreten durch das Auswärtige Amt, dem Herrn Bundespräsidenten den Entwurf eines Telegramms oder eines Aufrufs vorgelegt hat, in dem dieser sich für die Befreiung des Grafen Spreti aus der Gefangenschaft einsetzen sollte?
Herr Abgeordneter, zu dieser Frage hat das Bundespräsidialamt schon Stellung genommen.
— Ich habe nicht die Absicht, zu Erklärungen des Bundespräsidenten Stellung zu nehmen. Das Bundespräsidialamt hat Stellung genommen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Breidbach.
Herr Bundesaußenminister, warum haben Sie in der kritischen Situation noch vor dem Tode des Grafen Spreti nicht etwa einen der Südamerika-Experten dieses Hauses — ich denke an den Kollegen Matthöfer — nach Südamerika geschickt, um vom Kollegen Matthöfer prüfen zu lassen, ob nicht die Möglichkeit bestanden hätte, direkten Kontakt mit den Rebellen aufzunehmen?
Herr Kollege, wir haben den Versuch unternommen, auf allen Wegen Kontakt auch mit den Entführern zu bekommen.
Wir haben die Kanäle zu benutzen versucht, die wir selbst kannten. Natürlich kennen wir nicht alle Südamerika- und Guatemala-Experten. Wir sind darauf angewiesen gewesen, daß sich besondere Kenner der Verhältnisse bei der Bundesregierung meldeten.
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. April 1970 2383
Bundesminister ScheelSoweit sie sich gemeldet haben, haben wir ihre Hilfe in Anspruch genommen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Ageordneten Dr. Marx.
Herr Bundesaußenminister, da niemand in der CDU/ CSU-Fraktion in diesem Hause irgendeine Aktivität des Herrn Bundespräsidenten diskutieren wird, wiederhole ich jenen wichtigen Teil der Frage des Herrn Kollegen Bach, ob Ihr Haus einen Entwurf gefertigt und vorgelegt hat.
Herr Kollege Dr. Marx, ich wiederhole meine Antwort, daß der Herr Bundespräsident erklärt hat, daß er nicht abgelehnt hat, sich zu verwenden.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Matthöfer.
Stimmen Sie mit mir darin überein, Herr Bundesminister, daß die Entsendung von „selbsternannten" oder von ohne um die eigene Meinung dazu befragten von anderen ernannten Experten nicht nützlich gewesen wäre, weil der Kontakt, den man vielleicht hätte herstellen können, ohne Erfolg hätte bleiben müssen, da diejenigen, die den Botschafter hätten auslösen können, nämlich die guatemaltekische Regierung, nicht sofort beim erstenmal auf das Angebot der Entführer eingegangen sind, wie diese nach .dem bisherigen Verhalten von lateinamerikanischen 'Regierungen, auch dem der guatemaltekischen, eigentlich hätten annehmen können, sondern Suchaktionen durchgeführt haben, die das Leben des Botschafters gefährdeten, und daß es 'deshalb falsch ist, hier im Lande Angriffe gegen die eigene Regierung zu richten, anstatt diejenigen anzugreifen, die die wirkliche Schuld am Tode des deutschen Botschafters in Guatemala haben?
Herr Kollege, es ist vor allem zu sagen, daß die Entführer ja nicht bekannt waren. Es gab nur eine Möglichkeit, mit den Entführern in Kontakt zu kommen, nämlich über den Preis, den sie für die Freilassung des Entführten gefordert haben. Der Preis war die Freilassung von Gefangenen. Diese Gefangenen befanden sich im Gewahrsam der guatemaltekischen Regierung. Deswegen war es nur über die guatemaltekische Regierung möglich, Herr Kollege, die Freilassung des Grafen Spreti zu erreichen. Es hat niemanden gegeben und gibt bis zur Stunde niemanden, der mit den Entführern einen zweiseitigen Kontakt gehabt hätte. Das ist nun einmal eine Besonderheit dieser Sparte Entführung und Erpressung.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Rasner.
Herr Bundesaußenminister, ich möchte nicht danach fragen, was der Herr Bundespräsident oder das Bundespräsidialamt getan oder unterlassen haben soll; ich möchte Sie fragen, ob das Auswärtige Amt eine Anregung in diesem Bereich an den Herrn Bundespräsidenten oder an das Bundespräsidialamt übermittelt hat.
Herr Abgeordneter, ich darf — —
Einen Augenblick bitte, Herr Bundesaußenminster. Ich meine, es gehört zu dem guten Stil dieses Hauses, sich über Gespräche, die der Herr Bundespräsident führt, und über Entscheidungen, die er trifft, weder direkt noch indirekt zu unterhalten.
Der Bundesaußenminister hat zweimal eine Antwort gegeben. Das Haus hat Anspruch auf Fragen; es hat nicht Anspruch auf bestimmte Antworten. Ich lasse die Frage nicht mehr zu.
Eine Frage des Herrn Kollegen Benda.
Herr Bundesminster, würden Sie die Frage einer eventuellen Einschaltung von Kollegen, wie insbesondere des Herrn Kollegen Matthöfer, noch einmal kommentieren, wenn Sie zur Kenntnis nehmen, was Herr Kollege Matthöfer in der vorletzten Ausgabe 'der Zeitschrift „Quick" zu diesem Thema gesagt hat? Er hat gesagt — ich zitiere —:
Nicht nur ich kenne in Guatemala Leute, die aller Wahrscheinlichkeit nach Kontakt zu den Guerillas hätten herstellen können. Ich weiß nicht, ob man solche Kontakte genutzt hat.
An mich jedenfalls ist das Außenministerium nicht herangetreten. Das wundert mich auch nicht; das Amt arbeitet ja auf seinem eigenen Strang.
Soweit das Zitat.
Herr Kollege zunächst einmal darf ich sagen, daß wir nicht wußten, )daß Herr Kollege Matthöfer über diese besonderen Beziehungen verfügt. Wir wären sicher an ihn herangetreten, wenn er sich in der Zeit, in der das nötig gewesen ist, beim Auswärtigen Amt gemeldet hätte, und wir wären an jeden herangetreten, der von sich selbst annehmen konnte, Bezie-
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Bundesminister Scheel
hungen zu den Rebellen herzustellen. Wir haben alle diese Kanäle genutzt, soweit sie uns bekanntgeworden sind. Also hier ist der Fehler nur der gewesen, daß wir nicht gewußt haben, daß solche Möglichkeiten vielleicht bestanden hätten.
Ich darf aber die Gelegenheit benutzen — mit Ihrer liebenswürdigen Erlaubnis, Frau Präsidentin — ein Wort zu Herrn Rasner zu sagen, weil ich seine Frage richtig verstanden halbe.
Es dient der Aufklärung, wenn ich das sage. Das Auswärtige Amt ist der Meinung gewesen, Herr Kollege Rasner, daß der Gesprächspartner für den Staatsprälidenten Mendez Montenegro in Guatemala, der der Regierungschef ist, auf unserer Seite der Regierungschef sein müsse. Wir halben dem Bundeskanzler diesen Vorschlag gemacht.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Petersen.
Herr Minister, können Sie mir sagen, zu welchem Zeitpunkt Sie Ihrem Sonderbotschafter Hoppe die Ermächtigung erteilt haben, auf finanzielle Verhandlungen den Rebellen gegenüber einzugehen?
Der Sonderbotschafter Hoppe hatte Vollmacht, auch über finanzielle Forderungen zu verhandeln. Allerdings ist es eine problematische Sache, die Bereitschaft, finanzielle Forderungen zu erfüllen, öffentlich bekanntzugeben,
weil man damit naturgemäß die übrigen deutschen Diplomaten gefährden müßte. Daher hat der Sonderbeauftragte der Bundesregierung von dieser seiner Vollmacht in der geeigneten Form Gebrauch gemacht. Es ist der Regierung von Guatemala, als dieser Teil behandelt worden ist, erklärt worden, daß finanzielle Schwierigkeiten bei der Auslösung nicht bestehen würden.
— Herr Ministerialdirektor Hoppe hat zu jeder Zeit diese Haltung eingenommen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Mattick.
Herr Bundesminister, würden Sie mir zustimmen, wenn ich feststelle, daß nach der jetzigen Darstellung ;des ganzen Vorgangs das Schicksal unseres Botschafters mit seiner Verschleppung bereits entschieden war, da die Regierung in Guatemala die Bedingungen, die die Rebellen gestellt hatten, aus anderen als aus rechtlichen Gründen gar nicht mehr erfüllen konnte und es den Rebellen nicht auf Geld, sondern auf ein Exempel ankam?
Herr Abgeordneter, man wird die wahren Motive für diesen Mord erst dann entdecken können, wenn die Mörder gefaßt sind. Der Ablauf der Geschehnisse deutet darauf hin, daß ungewöhnliche Umstände zusammengetroffen sein müssen; denn wenige Stunden vor dem Mord ist uns noch verbindlich mitgeteilt worden, daß der erste direkte Kontakt zwischen der Regierung und den Entführern hergestellt worden sei und daß die Entführer sich bereit erklärt hätten, in Verhandlungen einzutreten. Das ist eigentlich der normale Verlauf einer solchen Aktion gewesen, auch dann, wenn die Forderungen von Entführern nicht in vollem Umfange erfüllt werden konnten. Die Regierung hatte ja in den ersten Kontakten erkennen lassen, daß sie, was die Herausgabe von Gefangenen anging, Teilforderungen zu erfüllen bereit sein würde. Es ist dann — eigentlich unmotiviert — wenige Stunden nach 'dieser uns mitgeteilten Kontaktnahme der Mord geschehen. Es ist unbekannt, aus welcher Reaktion heraus die Mörder den Festgehaltenen erschossen haben.
Eine letzte Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Raffert.
Herr Bundesaußenminister, ist Ihnen 'bekanntgeworden, daß unmittelbar nach dem Erscheinen des Artikels in der Illustrierten „Quick" der Kollege Matthöfer sich nicht nur in einem Schreiben an diese Zeitschrift, sondern auch in den Mitteilungen 'der SPD-Fraktion und auf andere Weise korrigierend und dementierend gegen die in dieser Zeitschrift wiedergegebene Darstellung seiner Ausführungen gewandt hat?
Herr Kollege, ich habe davon Kenntnis genommen. Ich habe soeben meine Antwort auf die Fragen, die sich darauf bezogen, auf hypothetische Fälle abgestellt. Wir hätten in jedem Falle die Möglichkeit wahrgenommen, wenn sich Kollegen oder andere Sachverständige an uns gewandt hätten, um zu zeigen, wie man mit den Entführern direkt in Verbindung kommen kann. Ich weiß, daß der Herr Kollege Matthöfer die Darstellung seines Interviews unmittelbar nach Erscheinen 'berichtigt und auf korrekte Wiedergabe gedrungen hat.
Das war die letzte Zusatzfrage. Damit ist die Fragestunde beendet. Die Frage 86 ist vom Fragesteller zurückgezogen worden. Die nicht aufgerufenen Fragen werden schriftlich beantwortet. Ich bedanke mich bei dem Herrn Bundesaußenminister.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Kollege Dr. Müller-Hermann.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Namen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion beantrage ich, daß
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. April 1970 2389
Dr. Müller-Hermannjetzt eine Aktuelle Stunde im Zusammenhang mit den von uns eingebrachten Dringlichkeitsanfragen zur Konjunkturpolitik durchgeführt wird. Ich habe dafür zwei Gründe.Herr Staatssekretär Arndt, dessen Sachkenntnis und Sachverstand wir alle sehr wohl kennen und respektieren, hat sich heute in einer sehr schwierigen Position befunden. Es wird niemanden überraschen, wenn ich feststelle, daß seine Antworten in keiner Weise 'ausreichend und befriedigend gewesen sind.
Der zweite Anlaß ist der, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister Schiller heute Geburtstag hat.
Ich glaube, wir präsentieren ihm ein Geschenk, wenn wir jetzt noch über die Konjunkturpolitik debattieren.
Es ist eine Aktuelle Stunde verlangt worden. Das Verlangen ist hinreichend unterstützt. Damit ist die Debatte in der
Aktuellen Stunde
eröffnet. Ich bitte um Wortmeldungen. — Das Wort hat .der Abgeordnete Dr. Pohle.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mein Kollege Müller-Hermann hat soeben ausgeführt, warum wir die Aktuelle Stunde beantragen. Nehmen Sie es mir nicht übel, Herr Staatssekretär, in der Tat waren Ihre Antworten nicht befriedigend.Ich glaube, daß man diesem Problem, das wir hier zu besprechen haben, auch nicht dadurch beikommen kann — das ist eine Vorbemerkung, die ich insbesondere an die Adresse der Wirtschaft richte —, daß man es in privaten Zirkeln oder bei Wirtschaftsvereinigungen abhandelt, sondern das gehört in das Forum des Parlaments;
das gehört nun einmal zu den Spielregeln der parlamentarischen Demokratie. Denn hier ist die größte Transparenz für eine solche Debatte vorhanden.Lassen Sie mich eine zweite Vorbemerkung machen! Ich glaube nicht, sehr verehrter Herr Wehner, daß man der Opposition die Befugnis und die Verpflichtung absprechen kann, die Themen vorzutragen und in die Debatte einzuführen, die sie für richtig hält.
Von dieser Verpflichtung kann uns niemand entbinden. Diese Themen sind nun einmal die Ostpolitik und dann wieder einmal andere Fragen; das ist die immer schwelende Frage der derzeitigen Preisentwicklung. Deshalb die Aktuelle Stunde. Wir haben sie beantragt, weil wir von ernster Sorge erfüllt sind. Wir sind es ja nicht allein; es ist in der Fragestunde bereits darauf hingewiesen worden, daß wir uns in der Gesellschaft eines sehr verantwortungsvollen Mannes, nämlich des Herrn Dr. Poullain, befinden, der von einer erschreckenden Preissteigerung gesprochen hat, aber auch in der Gesellschaft der maßgeblichen Exponenten der Bundesbank und auch gewisser Teile der Industrie, ganz abgesehen davon, daß in der Bevölkerung eine große Unruhe um sich gegriffen hat.
Der Parlamentarische Staatssekretär hat zwei Indikatoren aufgezeigt. Ich glaube, sie sind beide nicht durchschlagend.Das eine ist die Abschwächung der Steigerungsraten der industriellen Erzeugerpreise. Das ist offensichtlich der Punkt, auf den sich auch der Herr Bundeskanzler bezogen hat. Ich habe ihm bereits entgegengehalten, daß die industriellen Erzeugerpreise auch schon von Oktober bis Dezember ein schwankendes Bild aufwiesen und daß die Tatsache, daß die Steigerungsrate der industriellen Erzeugerpreise vom Januar zum Februar und vom Februar zum März um ein Geringes gesunken ist, noch kein genügender Indikator für die wirkliche Abschwächung der Konjunktur ist.Das gleiche gilt für die Auftragseingänge. Die Auftragseingänge aus dem Inland sind viel stärker gestiegen, wenn auch die aus dem Ausland zurückgegangen sind. Auf alle Fälle ist die Übernachfrage, die sich ergibt, wenn man die Auftragseingänge in Beziehung setzt zum Umsatz, erheblich. Sie belief sich im Oktober 1969 nach dem letzten Bericht des Bundeswirtschaftsministers auf 7,8 %, im November auf 6,6 %, im Dezember auf 1,7 %, im Januar 1970 auf 6,9 % und erreichte im Februar, dem letzten Monat, für den mir entsprechende Zahlen vorliegen, seinen seit Oktober bisher höchsten Stand mit 11,1 %. Das ist also ein Auftragspolster von vier Monaten. Demgegenüber betrug der Höchststand in den beiden vorangegangenen Hochkonjunkturen nur zweieinhalb bis drei Monatsproduktionen. Das zeigt meiner Ansicht nach, daß sich die Konjunktur durchaus noch nicht abgeschwächt hat.Es kommt hinzu, daß die Mengenkonjunktur anhält. Das ist ein sehr ernstes Wort. Auf der anderen Seite hat sich die Kosten-Preis-Spirale so entwickelt, daß sie — nun gebrauche ich ein Wort von Herrn Emminger - an die äußerste Grenze zu stoßen beginnt, nämlich an die Grenze der Rentabilität und der Wettbewerbsfähigkeit. So. kommt in die Situation von dieser Seite her eine außergewöhnliche Brisanz.Der Herr Staatssekretär hat davon gesprochen, daß es erfreulicherweise gelungen sei, durch eine große Elastizität eine gewisse Produktivitätssteigerung herbeizuführen. Ich gebe ihm darin recht. Trotzdem hat diese Produktivitätssteigerung und die in ihr zum Ausdruck gekommene Elastizität der deutschen Wirtschaft nicht ausgereicht, die Preis-und Kostensteigerungen voll zu kompensieren. Darüber gibt es keinen Zweifel.Nun hat die Bundesregierung vor zwei Monaten noch — jedenfalls durch den Bundeswirtschaftsmini-
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Dr. Pohlester, wenn auch nicht an dieser Stelle, so doch in der Öffentlichkeit — fortwährend von Manipulationen auf der Steuerseite gesprochen. Teils in Anwendung, teils nicht in Anwendung des Stabilitätsgesetzes war von der Investitionssteuer die Rede, dann von Steuererhöhungen in der Einkommensteuer, dann von Manipulationen bezüglich der Abschreibungen, dann von Manipulationen bezüglich der Vorauszahlungen. Und auf einmal sind alle diese Behelfe, ohne hier besprochen worden zu sein, in der Versenkung verschwunden. Heute wird davon nicht mehr gesprochen. Im Gegenteil! Es wird versucht, eine Preissteigerung um 3 % auch auf dem Lebenshaltungssektor herunterzuspielen, während es in der Zeit von 1965 unter der Bundeskanzlerschaft von Ludwig Erhard noch als Todsünde galt, wenn überhaupt von diesen dreiprozentigen Steigerungen die Rede war.
Das betrachten wir nicht als eine stetige, vernünftige Wirtschaftspolitik; das ist die Hektik, von der die Rede gewesen ist. Ich wiederhole, dieses Hin und Her bringt draußen nur Verwirrung, und deswegen frage ich die Bundesregierung im Anschluß an das, was der Parlamentarische Staatssekretär hier gesagt hat:Erstens. Wann wird die Bundesregierung die dringend erforderliche Korrektur ihrer volkswirtschaftlichen Zielprojektion und eine Ergänzung des Jahreswirtschaftsberichts vorlegen?
Zweitens. Erwartet die Bundesregierung .ein Sondergutachten des Sachverständigenrats und wann wird die Bundesregierung das veröffentlichen?Drittens. Ist die Bundesregierung bereit, den Bericht des Vorsitzenden des Sachverständigenrates an den Herrn Bundeskanzler, der laut Pressemeldungen vor Ostern schwere Besorgnisse über die konjunkturelle Entwicklung und das konjunkturpolitische Verhalten der Bundesregierung enthält, der Öffentlichkeit bekanntzugeben?
Viertens. Es ist eine Aufgabe der Bundesregierung — das sage ich einem der Kollegen, die vorhin eine Frage gestellt haben — und nicht Aufgabe der Opposition, Vorschläge zu machen. Man kann sich nicht einfach dadurch aus der Verantwortung drehen, daß man sagt: ihr müßt erst einmal Vorschläge machen. Nein, wir erwarten die Vorschläge der verantwortlichen Bundesregierung; dann werden wir uns dazu äußern.
Deshalb meine letzte Frage: Wie ist heute die politische Zielsetzung der Bundesregierung, nachdem das in der Regierungserklärung abgegebene Versprechen, das Stabilitätsgesetz anzuwenden, aus diesen oder jenen Gründen, sicherlich aber aus Gründen der Koalitionssymmetrie und nicht aus sachlichen Gründen, nicht angewandt worden ist?
Meine Herren und Damen, ich möchte zunächst dem Hause bekanntgeben, daß der Ältestenrat 10 Minuten nach Schluß ,der Aktuellen Stunde des Plenums zusammentritt. Das gleiche dürfte für alle die Ausschüsse gelten, die für heute morgen einberufen worden sind. Abweichend davon hat ,der Auswärtige Ausschuß ausnahmsweise gebeten, zuzustimmen, daß er bereits um 11 Uhr zusammentritt, unabhängig vom Ende der Sitzung, wegen einer Unterrichtung durch die Bundesregierung.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Junghans.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Wir begrüßen ausdrücklich, daß der Herr Bundeskanzler das ausgesprochen hat, was überall in der Wirtschaft, in der Bevölkerung die herrschende Meinung ist, nämlich ,daß die Konjunktur nur dann in ein ruhiges Fahrwasser gerät, wenn endlich, Herr Pohle, damit aufgehört wird, Konjunktur, Wohlstand und Vollbeschäftigung um naheliegender wahlpolitischer Vorteile willen bei den Landtagswahlen durch hektisches Gerede aufs Spiel zu setzen.
Der Bevölkerung geht es wesentlich besser als vor einem Jahr.
Wir haben ein reales Wachstum von 6 bis 7 %.Wir beglückwünschen ferner die Bundesregierung, daß sie sich in der Vergangenheit — und wir hoffen, auch in Zukunft — von der Opposition nicht irremachen lassen hat und wird in einer konsequenten Konjunkturpolitik.
— Ich darf, Herr Barzel, nur daran erinnern, was Ihr Kollege Strauß noch im September gesagt hat. Er sagte, würden die Vorschläge von Herrn Schiller aus jüngster Zeit jetzt angewandt, dann würde die Konjunktur in wenigen Monaten abgewürgt. Das zur Prognosefähigkeit der Opposition. Außerdem sagte Herr Müller-Hermann am 30. Oktober hier:Wir hätten Anlaß, uns sehr mit der Frage zu beschäftigen, wie wir — um ein Wort meines Fraktionschefs zu gebrauchen — mit dem Klotz am Bein einer überzogenen Aufwertungsquote leben können, ohne Schaden jetzt und auf die Dauer zu nehmen.Wir bitten daher die Bundesregierung, — so Sie, Herr Barzel —daß sie die Schäden für die wichtigen Bereiche unserer Wirtschaft abzuwehren bemüht ist, im Interesse der inneren Stabilität, sicherer Arbeitsplätze, regionaler Ausgewogenheit und eines organischen Wirtschaftswachstums, an dem alle Bürger teilhaben.Klar ist doch, daß die Bundesregierung — und wir beglückwünschen sie dazu — zur Sicherung der
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. April 1970 2391
JunghansKonjunktur, der Vollbeschäftigung, der Arbeitsplätze das Verantwortliche getan hat. Klar ist doch, daß die kreditpolitischen Maßnahmen der Bundesbank erst möglich und wirksam werden konnten, nachdem die neue Bundesregierung das Ihre durch die Aufwertung getan hatte.Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, wollten das alles verhindern. Sie haben nämlich Anfang 1969 nicht nur die Konjunkturpolitik der Bundesregierung lahmgelegt, sondern darüber hinaus der Bundesbank hinsichtlich der Erfüllung ihrer Aufgaben auch noch die Hände gebunden.
Daß Sie, meine Damen und Herren, mit einer solchen von Ihnen in den Ansätzen konzipierten Konjunkturpolitik des Jahres 1969 — und wahrscheinlich fortgesetzt im Jahre 1970 — nicht weiter Schaden anrichten können, das haben Sie dem Votum der Wähler am 28. September 1969 zu danken.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Müller-Hermann.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des Kollegen Junghans bestätigen: manchen Leuten scheint es schon lästig zu sein, wenn über die Preissituation überhaupt gesprochen wird.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird sich dadurch mit Sicherheit nicht beirren lassen.
Wenn wir immer wieder auf die Gefahren einer Inflationsentwicklung hinweisen, so tun wir das deshalb, weil wir befürchten, daß sich in unserem Lande allmählich eine Inflationsmentalität ausbreitet.
Ich will einen gewiß unverdächtigen Zeugen zitieren, die Bundesbank, die in ihrem neuesten Jahresbericht folgendes feststellt:Bei einer jährlichen Preissteigerungsrate für Verbrauchsgüter von 5 % wird der Wert eines Geldvermögens nach 13 Jahren halbiert und nach einem 40jährigen Arbeitsleben auf 13 % des Ausgangswertes reduziert.
Wörtlich heißt es dann im Anschluß an diese Feststellung im Bericht der Bundesbank:Diese Konsequenzen sollte vor Augen haben, wer der Tolerierung stetiger, angeblich aber in Grenzen zu haltender Preissteigerungen das Wort redet.Dies, meine Damen und Herren, und nichts anderes ist die Position der Opposition.
Die Glaubwürdigkeit unserer Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung hängt untrennbar von der Stabilität des Geldwertes ab. Das aber heißt, Herr Junghans: für uns ist das Problem der Geldwertstabilität ein gesellschaftspolitisches Problem ersten Ranges.
Wer nicht durch mutiges Handeln glaubwürdig macht, daß er für die Stabilität des Geldwertes eintritt, der muß sich auch die Frage gefallen lassen, ob er wirklich noch ernsthaft an der Stabilisierung unserer freiheitlichen und marktwirtschaftlichen Gesellschaftsordnung interessiert ist.
Diese Bundesregierung hat sich zur Anwendung des Stabilitätsgesetzes nicht durchringen können. Herr Poullain hat gesagt: „Gebraucht wird eine ökonomisch denkende und beherzte Regierung, die das vorzügliche Stabilitätsgesetz anwendet." Das heißt doch wohl: er sagt wie wir, die Regierung hat nicht ökonomisch gedacht und nicht mutig agiert,
und zwar, Herr Junghans — das muß ich jetzt an Ihre Adresse zurückgeben —, doch aus wahltaktischen Erwägungen. Bundeswirtschaftsminister Schiller hat vor dem Parlament selber erklärt, daß nicht ökonomische, sondern politische Gründe dafür ausschlaggebend waren, daß man das Stabilitätsgesetz nicht anders verwandt hat.
Nein, man hat die Last des unpopulären Bremsens der Bundesbank zugeschoben. Sie war genötigt, den höchsten Diskontsatz der Nachkriegsgeschichte festzusetzen. Damit ist — darüber müssen wir uns doch im klaren sein — der Spielraum für weitere Aktivitäten der Bundesbank völlig ausgeschöpft. Andererseits gibt es schon heute erste Anzeichen dafür, daß die erwarteten Bremswirkungen auf Grund des hohen deutschen Zinsniveaus von außen her sehr bald unterlaufen werden könnten. Damit wäre praktisch das einzige konjunkturpolitische Bremsinstrument, das zur Zeit in Anwendung ist, ausmanövriert.Sicher ist vorerst nur folgendes, meine Damen und Herren, nämlich daß .die Diskonterhöhung in erster Linie diejenigen trifft, die nicht über große Selbstfinanzierungsmöglichkeiten verfügen
und nicht auf ausländische Geld- und Kapitalmärkte zurückgreifen können.
Die Konjunkturdämpfung wird mit anderen Worten auf dem Rücken der mittelständischen Schichten und der sogenannten kleinen Leute ausgetragen.
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2392 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. April 1970
Dr. Müller-HermannDie Diskonterhöhung trifft die Hypothekenschuldner; sie verteuert die Wohnungsmieten. Wir werden uns in der nächsten Woche über dieses Thema ausgiebig unterhalten. Unter der Diskonterhöhung leiden einige überhaupt nicht und andere doppelt und dreifach.
Herr Arndt hat heute hier bestätigt, daß die Bundesregierung keine Möglichkeiten sehe und es auch nicht für nötig halte, weitere Maßnahmen gegen die inflationäre Preisentwicklung zu ergreifen. Statt dessen appelliert sie jetzt auf verschiedenen Wegen an die Adresse der Tarifpartner und erklärt, diese bestimmten entscheidend die konjunkturpolitische Weiterentwicklung. Das sind die Maßhalteappelle, die man früher von Ihrer Seite verhöhnt hat. Natürlich müssen sich die Tarifpartner heute sehr wohl überlegen, ob es sich für sie langfristig auszahlen wird, wenn sie um sehr kurzfristiger Interessen willen die Marktsituation in der Weise ausnutzen, daß sie mögliche Geldentwertungsraten schon in den Preis- und Lohndispositionen vorwegnehmen.
Meine Damen und Herren, dieser Hinweis wird jedoch um seine Wirksamkeit gebracht, wenn die Bundesregierung — ich zitiere hier aus einer angesehenen deutschen Zeitung — „mitten im Boom ständig die Sorge vor einem möglichen Konjunkturrückgang äußert und immer wieder versichert, dazu werde sie es nicht kommen lassen". Man sollte nicht immer vom „Durchstarten" reden, solange es vordringlich ist, bei allen Verantwortlichen zunächsteinmal das Stabilitätsbewußtsein abzusichern.
Herr Kollege, Ihre Zeit ist abgelaufen. Würden Sie bitte zum Ende kommen.
Ja. — Meine Damen und Herren, wir sind an die Ungereimtheiten und Widersprüchlichkeiten in den Aussagen dieser Bundesregierung schon gewöhnt. Wenn der Bundeskanzler jetzt erklärt, daß wir aus dem Gröbsten heraus seien, so kann ich dazu nur bemerken: Das hören wir von Monat zu Monat aufs neue. Sicher scheint nur zu sein, daß die jeweils neuesten Konjunkturdaten und Konjunkturprognosen denen widersprechen, die die Bundesregierung unmittelbar zuvor bekanntgegeben hat. Das ist offenbar die neue Form der Fortschreibung konjunkturpolitischer Daten.
Angesichts der Untätigkeit der Bundesregierung und der Widersprüchlichkeit Ihrer Aussagen, meine Damen und Herren, gibt es für uns jedenfalls nur eine Schlußfolgerung: Diese Bundesregierung hat abgewirtschaftet.
Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. Arndt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Kollege Pohle hat hier einige Fragen gestellt. Die erste lautete: Wann wird der Nachtrag zum Jahreswirtschaftsbericht kommen? Meine Antwort: Der Nachtrag wird nach Vorliegen der Gemeinschaftsdiagnose unverzüglich in Arbeit genommen werden.
— Die Gemeinschaftsdiagnose der Institute wird Montag vorliegen. Dann wird man unverzüglich an die Arbeit gehen.
- Zwei, drei Wochen wird es mindestens dauern.
Zweitens: Ist ein Sondergutachten des Sachverständigenrates zu erwarten? Meine Antwort: Der Sachverständigenrat erwägt, ein Sondergutachten vorzulegen. Mehr kann ich dazu nicht sagen.Drittens: Ist die Veröffentlichung eines Briefes des Vorsitzenden des Sachverständigenrates an den Bundeskanzler zu erwarten? — Meine Antwort: Nein, das ist nicht üblich. Das Jahresgutachten wird veröffentlicht; Sondergutachten können im beiderseitigen Einvernehmen veröffentlicht werden. Hier geht es um einen Brief, in dem erwogen wird, eventuellein Gutachten anzufertigen,
— in dem das Hin und Her, das bei der Erwägung ins Gewicht fällt, beleuchtet wurde. Vorschläge sind in dem Brief nicht enthalten.
— Wenn Sie Idas .so genau wissen, dann fragen Sie doch Herrn Schäfer!Viertens. Wie ist 'die wirtschaftspolitische Zielsetzung der Bundesregierung, nachdem das Versprechen, das Stabilitätsgesetz anzuwenden, nicht erfüllt ist? Meine Antwort: Das Stabilitätsgesetz ist angewendet worden, und zwar — das hören Sie jetzt wieder nicht genie —: § 4 — außenwirtschaftliche Absicherung, also Aufwertung —; § 6 — Ausgabensperren —, § ,15 — obligatorische Konjunkturausgleichsrücklage von Bund unid Ländern. Dies ist die Voraussetzung für eine wirksame Anwendung der kreditpolitischen Instrumente. Die Bundesregierung wird die Bundesbank — ich wiederhole es noch einmal — darin unterstützen, daß sie in dieser Welt ganz anderer Entwicklungen ihren kredit- und diskontpolitischen Kurs durchhalten kann.Zum anderen kann ich mir nach wie vor den Vorwurf an Ihre Adresse nicht ersparen, daß ich von Ihnen seit 'der Wahl ständige Kritik an der wirtschaftlichen Lage, am wirtschaftlichen Fleiß dieses Volkes,
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. April 1970 2393
Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Arndtan den Zukunftsaussichten höre, aber bisher von der CDU/CSU-Fraktion kein Programm erfahren habe, wie man es anders machen sollte.
Das einzige, wozu Sie sich aufgeschwungen haben, sind die sechs Punkte vom 20. Januar:1. Eine antizyklische Haushaltspolitik durch Stilllegung von Geldern und zeitliche Verlagerung von Ausgaben: Es ist nicht gesagt, welche Ausgaben und für welche Zeit, denn das ist das Unbequeme. Dem gehen Sie aus dem Wege.
2. Mit Hilfe des Stabilitätsgesetzes soll die Regierung konjunkturgerechtes und koordiniertes Verhalten von Bund, Ländern und Gemeinden sicherstellen: Das ist geschehen.
3. Anreize zu einer verstärkten Vermögensbildung und Spartätigkeit, um den Konsumüberhang abzubauen: Das sind Dinge, die wir alle selbst gemacht haben.4. Die Steuersenkungsvorschläge der Regierung sollten zurückgestellt werden; die Regierung müsse ihre künftige Steuerpolitik offenlegen: Da ist es zu einem gemeinsamen Übereinkommen gekommen.
5. Keine Ausweitung der Investitionssteuer und keine Veränderung der Sätze der degressiven Abschreibung: Dazu sagen Sie nein. Aber gerade das hätte unmittelbar gewirkt.6. Die gegenwärtige Kreditpolitik der Bundesbank müsse beibehalten werden — damals die niedrige —, bis sich die Bundesregierung zu entscheidenden Schritten entschließe: Die Bundesregierung hat seitdem einen viel restriktiveren Kurs betrieben, und die Bundesbank mußte dennoch ihre Kreditpolitik verschärfen, weil die Erbschaft Ihres Neins zur Aufwertung immer noch nachwirkt.
Das dauert eben seine neun Monate. Sie haben nichts getan, um die Wirtschaftspolitik in ihrer schwierigen Aufklärungsarbeit im Parlament zu unterstützen. Sie haben eine andere Haltung gezeigt als damals die SPD-Fraktion gegenüber Ludwig Erhard und Kurt Schmücker: die SPD-Fraktion hat geholfen.
— Ja, sie hat geholfen! Sie hat ihre Ausgabenanträge zurückgezogen.
Sie hat ihnen in allen Sachfragen geholfen. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren: Es geht Ihnen nicht nur darum, hier sachliche Kritik an der Regierung zu üben, Sie werden vielmehr mit dem 28. September des vorigen Jahres nicht fertig! Sie wollen immer noch Rache für die Aufwertung,
Rache für die Wahlniederlage und auch Rache an Schiller nehmen, dessen Geburtstag hier in so freundlicher Weise erwähnt worden ist.
Das Wort hat der Abgeordnete Mischnick.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem in den letzten Wochen eine doch sichtbare Beruhigung eingetreten ist und spürbar wurde, hatten wir die Hoffnung,
daß sich endlich einmal auch bei denjenigen langsam die Einsicht durchsetzt, die früher, als wir in der Opposition waren, immer die Mahnungen an uns richteten, nicht durch hektisches Getriebe Dinge, die im Gange sind, zu gefährden. Heute halten Sie es aber wieder für notwendig, hochzureden, was im Augenblick in einer Beruhigungsphase ist. Wir bedauern das sehr. Sie nützen der Sache mit dieser Debatte in diesem Augenblick, ohne konkret zu sagen, was anders gemacht werden soll, gar nicht. Sie schaden damit nur!
Wenn Sie nun davon sprechen, daß Sie die Sorge haben, es könne eine allgemeine Inflationsmentalität eintreten: Diese Sorge beherrscht uns alle. Nur, meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU/CSU, Sie hätten rechtzeitig Gelegenheit gehabt, dafür zu sorgen, .daß diese Inflationsmentalität nicht eintritt. Vor einem Jahr haben Sie versagt. Das können Sie heute nicht verwischen!
Ich darf Sie daran erinnern, daß hier in diesem Hause immer wieder von der Bundesregierung auf die restriktive Haushaltspolitik nicht nur hingewiesen worden ist, sondern daß alles, was in ihren Kräften steht, im Zuge der Haushaltsberatung dazu geschieht. Und wenn aus Ihren Reihen — meistens nicht als offizielle Fraktionsmeinung, sondern als Gruppenmeinung, die auch draußen im Lande vertreten wird — gleichzeitig die Forderung kommt, Konjunktursperren, die wir vorgesehen haben, aufzuheben,
dann ist das das Gegenteil von dem, was Sie jetzt hier verlangen.
Und ein Letztes. Wir wissen ganz genau, daß in .den letzten Wochen bei Ihnen die Überlegung an-
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2394 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. April 1970
Mischnickgestellt wurde, ab es richtig ist, immer die Deutschland- und Außenpolitik in den Vordergrund zu rücken, und daß Sie .die Mahnung bekamen, Sie sollten sich nun einmal auf den wirtschaftspolitischen Sektor begeben. Diese Mahnung war berechtigt, aber Sie sind nicht in der Lage, konkret zu sagen, was Sie wollen. Deshalb ist auch hier Ihr Versagen deutlich.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Lenders.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf schon sagen, ich bewundere den Mut der Opposition, wie sie sich mit den schlecht verhüllten wirtschaftspolitischen Blößen immer wieder in solche Debatten stürzt. Meine Damen und Herren, Sie erinnern sich doch sicherlich daran, daß wir vor einigen Wochen hier schon einmal gemeinsam in einer Aktuellen Stunde über diese Fragen diskutiert haben, und vielleicht erinnern Sie sich auch daran, was zum Teil Ihre eigene Presse über das schrieb; was Sie hier zu bieten hatten.
Sie schrieb nämlich sehr negativ, und auch in dieser Presse — das darf ich Ihnen, Herr Dr. Pohle, sagen — kam die Meinung: Wirtschaftspolitische Debatten — schön und gut, aber wenn die Opposition nicht in der Lage ist, in einer solchen Situation eigene Vorschläge zu machen, dann wäre es besser, sie würde auf solche Debatten verzichten.
Meine Damen und Herren, Ihnen als Opposition gefällt nicht, daß der Bundeskanzler die vom Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Arndt wiedergegebenen Trendergebnisse unserer konjunkturpolitischen und preispolitischen Entwicklung dazu benutzt hat, unserer Bevölkerung — und das betone ich mit aller Deutlichkeit — zu Recht zu sagen: Laßt euch nicht in die Inflationsangst treiben!
Und ich habe den Eindruck, daß Ihnen das nicht paßt, weil es Ihnen nicht ins politische Konzept hineinpaßt
und weil Sie — auch das ist vielfach angeklungen, und ich beziehe mich auf das Zitat aus der „Bonner Rundschau", das eben hier von dem Herrn Kollegen Wehner gebracht wurde — offensichtlich in dieser Situation in der Bevölkerung Unsicherheit wollen und Unsicherheit brauchen.
Ich unterstelle Ihnen nun keineswegs, daß Sie nicht auch ernste Sorgen hätten, was die konjunkturpolitische Situation und die konjunkturpolitische Entwicklung angeht. Das steht sicher außer Zweifel. Für uns und auch für die Öffentlichkeit ist es nur außerordentlich schwierig, auseinanderzuhalten, wieweit das, was Sie hier provozieren, taktisch-politischer Natur und wieweit es wirklich von echter Sorge getragen ist.
Und zweitens — es tut mir furchtbar leid; das mag Ihnen sicherlich inzwischen in den Ohren klingeln —: Wenn Ihre Sorgen wirklich so echt sind, wie Herr Dr. Pohle sie soeben vorgetragen hat — und jetzt kommt noch ein entscheidender Punkt —, wenn Sie wirklich in der Beurteilung der konjunktur- und preispolitischen Situation ganz entschieden anderer Auffassung sind als die Bundesregierung oder als die Koalitionsfraktionen, dann bleiben Sie nur glaubwürdig, wenn Sie eigene Vorschläge machen.
Sie können nicht sagen: Das ist Aufgabe der Regierung! Wenn Sie die Situation offensichtlich anders beurteilen,
müssen Sie auch andere Vorschläge machen. Sie können sich dann nicht aus der Hintertür herausschleichen; das geht nicht!
Wenn Sie sagen, die Beurteilung der konjunkturpolitischen Situation durch die Bundesregierung sei problematisch, und sagen, man sollte dieser Beurteilung nicht allzu viel Glauben schenken, darf ich Sie an folgendes erinnern — das ist hier auch schon vielfach angeklungen —: Wie haben Sie sich etwa in der Beurteilung der konjunkturpolitischen Situation im Sommer des vergangenen Jahres geirrt? Sie sind davon ausgegangen, daß eine Aufwertung nicht notwendig sei. Sie haben im Sommer des vergangenen Jahres erklärt, es sei auch ohne Aufwertung möglich, die Preise zu stabilisieren.
Da war Ihr Widerstand gegen die Aufwertung. Dieser Widerstand hat uns die heutige Entwicklung beschert, mit der sich die Bundesregierung und mit der wir uns auseinanderzusetzen haben.
Ich möchte eine letzte Bemerkung machen. Wer hat im Herbst des vergangenen Jahres — auch das muß wiederholt werden —, als die Aufwertung kam, geschrien: Das sei zu viel, das stürze uns in die nächste Rezession, das gefährde die Arbeitsplätze? Auch das waren Sie! Ich glaube, Herr Junghans hat in diesem Zusammenhang ein entsprechendes Zitat gebracht.Wir dürfen folgendes feststellen. Wir als Koalitionsfraktionen sind uns mit der Bundesregierung in der Beurteilung der konjunkturpolitischen Situation einig. Es kommt jetzt darauf an, durch hektische Maßnahmen nicht die nächste Rezession heraufzubeschwören. Sicherlich ist auch unser Ziel ein stabiles Preisniveau, aber für uns ist es genauso wichtig, die Arbeitsplätze zu sichern und die Bevölkerung davor zu bewahren, daß wir in eine neue
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. April 1970 2395
LendersRezession hineinschlittern. Das ist unser Konzept, hinter dem wir stehen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Breidbach.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Lenders, ich bedauere es fast, daß wir uns darüber unterhalten müssen, welches Verständnis von parlamentarischer Demokratie man in diesem Hause pflegen sollte, insbesondere deshalb, weil die Bundesregierung ein Mehr an Demokratie angekündigt hat. Nach der Auffassung von parlamentarischer Demokratie ist es die wichtigste Aufgabe dieses Parlaments und insbesondere der Opposition, diese Regierung zu kontrollieren und zu kritisieren. Wenn sich darüber hinaus die Möglichkeit bietet, auch konstruktive Vorschläge zu machen — und wir haben sie — —
— Lachen Sie ruhig!
— Herr Kollege Apel, Sie haben zu früh geklatscht;denn wir haben konstruktive Vorschläge gemacht
und Ihnen durch unseren Fraktionsvorsitzenden ein Angebot gemacht, diese Fragen in aller Klarheit gemeinsam zu besprechen, um die Stabilität der Preise zu sichern.
Lassen Sie mich ein Zweites sagen. Herr Kollege Lenders, Sie haben gesagt: Wir brauchen diese Unsicherheit. Wer hat denn in den vergangenen Jahren versucht, mit Unsicherheit Wahlkämpfe zu führen? Wenn Sie sich an das, was in Nordrhein-Westfalen passiert ist — ich erinnere sehr deutlich an die Broschüren, Herr Lenders, die Sie heute zum Landtagswahlkampf in Nordrhein-Westfalen herausgeben —, erinnern, werden Sie feststellen, daß Sie diese Unsicherheit bisher immer für sich in Anspruch genommen haben.
Herr Kollege Arndt, ich kann Ihnen sagen, daß ich sehr viel Mitgefühl habe, weil Sie hier sechs Wochen vor Ihrem Ausscheiden aus dem Bundeswirtschaftsministerium noch über die Wirtschaftspolitik eines Ministers diskutieren und Antworten geben müssen, der bedauerlicherweise zum jetzigen Zeitpunkt nicht da sein kann.Aber ich möchte Ihnen für die letzten sechs Wochen eines mit auf den Weg geben. Herr Kollege Arndt. Wenn Sie hier als Parlamentarischer Staatssekretär davon sprechen, daß wir versuchen wollten, den wirtschaftlichen Fleiß des deutschen Volkes zu unterminieren, dann muß ich Ihnen klar zur Antwort geben, daß Sie den wirtschaftlichen Fleiß des deutschen Volkes dadurch mißbrauchen, daß Siein Ihrer Wirtschaftspolitik Preissteigerungsraten haben, die diesem Volk einen Teil des Fleißes abnehmen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer die Regierungserklärung liest, wird einen phantastischen Satz finden: Wir werden die Forderungen des Gesetzes zur Förderung von Stabilität und Wachstum erfüllen. — Herr Arndt hat versucht, gerade an drei Punkten nachzuweisen, daß man dieser Forderung nachgekommen ist. Ich frage Sie, Herr Arndt: mit welchem Effekt? Sie haben doch die neuesten Zahlen etwa des Statistischen Bundesamtes über die Verbraucherpreise ebenso wie ich gelesen. Sie wissen, daß wir bei den Verbrauchsgütern Steigerungen haben, die um 4 % bei zweiköpfigen Haushalten, in denen Sozialhilfeempfänger und Rentner sind, weit über 4 % liegen. Die Ausgaben für Kinder sind zwischenzeitlich um 6 % geklettert. Muß man noch mehr Zahlen nennen, um aufzuzeigen, daß Sie z. B. im Frühjahr dieses Jahres Inserate mit einem Pfeil nach unten für Verbrauchsgüterpreissenkungen herausgegeben haben und zwischenzeitlich selber feststellen müssen, daß sich dieser Pfeil in der Richtung geirrt hat! Er zeigt nämlich zwischenzeitlich nach oben und ist genauso eine Richtungsirrung wie vieles, was Sie in der Wirtschaftspolitik in den vergangenen sechs Monaten und auch vor der Wahlkampfzeit versprochen haben.
Herr Kollege Arndt, von Ihrer Seite ist in der Vergangenheit sehr oft in diesem Hause Herr Poullain zitiert worden, auch von seiten der Fraktion und der Regierung. Ich darf das, was ich hier vorhin mit den Zahlen angedeutet habe, durch eine neueste Aussage des Herrn Poullain untermauern, damit Sie sich nicht immer darüber beschweren können, daß die Opposition hier böse Dinge sagt, sondern dies ist vielleicht ein Mann, dem man Objektivität zutrauen kann. Herr Poullain hat laut einer Meldung der „Welt" gestern erklärt, für dieses Jahr rechne er mit einer Steigerung der Lebenshaltungskosten „von 4 °/o oder einem Schnäpschen mehr". Der Kaufkraftverlust gefährde nicht nur die Vermögenspolitik der Bundesregierung, sondern bewirke eine reale Umverteilung zugunsten der Besitzenden und zu Lasten der Ärmeren. — Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist die Situation, in die uns die Wirtschaftspolitik dieser Regierung gebracht hat.
— Ach, Herr Kollege Wehner, Sie haben schon des öfteren gesagt, daß die CDU eine reaktionäre Partei sei bzw. daß sie gewählt werden sollte.
Herr Kollege Wehner, ich überlasse es Ihrer subjektigen Beurteilung, was reaktionär und Was nicht reaktionär ist. Die objektive Meinung der Bevölkerung werden Sie am „Zahltag" irgendwann zu sehen bekommen.
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2396 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. April 1970
Herr Kollege Breidbach, auch Ihre Zeit ist abgelaufen. Ich bitte, zu Ende zu kommen.
Ich bin sofort fertig. — Sie haben der Bevölkerung im Wahlkampf versprochen: Wir schaffen das moderne Deutschland. Dazu haben Sie eine phantastische Broschüre herausgegeben. Mit Genehmigung der Frau Präsidentin möchte ich dieses Zitat noch bringen und dann meine Ausführungen beenden. Hier steht drin — Sie werden gleich wieder klatschen, aber hören Sie ganz zu! —:
Aber wir machen uns Gedanken um die Zukunft. Die CDU/CSU will dagegen den Weg des politischen Schlendrians von 1966 wiederholen ..
Usw. usw.
— Sie klatschen immer zu früh; denn zwei Sätze weiter heißt es:
Wir brauchen keine Reden, sondern Taten.
Sie haben bisher über Wirtschaftspolitik geredet, aber wenig gesagt, und die Taten sind ausgeblieben. Wenn Sie mit diesem Stil das „moderne Deutschland" schaffen wollen, dann werden Sie schwer enttäuscht sein. Zum modernen Deutschland gehören Glaubwürdigkeit, konkrete Entscheidungen, ein konkretes Konzept. Sie sind im Moment unfähig, dies zu bieten.
Das Wort hat der Herr Bundesminister Dr. Möller.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Müller-Hermann hat die Tatsache dieser Aktuellen Stunde auch mit dem Geburtstag meines Kollegen Schiller begründet. Er hätte ein Geburtstagsgeschenk hinzufügen können, nämlich die Erkenntnis, daß seine Freunde und er nun endlich zuzugeben bereit sind, daß für die Preisentwicklung ,der letzten Zeit die Politiker verantwortlich sind, die eine rechtzeitige Aufwertung verweigert .
und damit eine inflatorische Entwicklung verursacht haben. Das muß man sagen, wenn hier Herr Kollege Breidbach hervorgehoben hat, das sei die Wirtschaftspolitik, in die uns diese Regierung gebracht habe, als er die Preissteigerungen der jetzigen Zeit berührte.Ich darf mich auf Herrn Emminger beziehen, der in einer Rede, am 24. März in den Nachrichten der Bundesbank veröffentlicht, eine Erklärung über den bisher zu geringen Bremseffekt der Aufwertung gegeben und dabei zwei Umstände angeführt hat.Erstens, die Preissteigerungen im Ausland sind schneller und stärker weitergegangen, als man angenommen hatte. Der zweite Grund, warum sich die Dinge anders entwickelt haben, als man im vergangenen Oktober vielfach erwartet hatte — nun hören Sie bitte zu —, liege im verspäteten Zeitpunkt der Aufwertung.Diese Tatsache wird in einer der jüngsten Reden, die der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages, Otto Wolff von Amerongen, gehalten hat, bestätigt. Er hat in dieser Rede erklärt: Wir haben aufgewertet, aber wir haben zu spät aufgewertet. Die Saat für die Preisentwicklung, die jetzt aufgeht, ist damals in gewissem Maße schon gesät worden.
Mit dieser Tatsache müssen Sie sich, meine Damen und Herren, einmal auseinandersetzen.
Denn das, was durch die verspätete Aufwertung versäumt worden ist, ist nicht in einigen Monaten in Ordnung zu bringen. Das weiß jeder, der sich objektiv und fachmännisch mit diesen Tatbeständen auseinandersetzt.In diesem Hohen Hause hat es vor einigen Jahren einmal eine Diskussion darüber gegeben, daß Herr Dr. Mende in einer Fernsehdiskussion das Wort „Inflation" ausgesprochen hatte. Was Sie seit einigen Wochen in dieser Preisdebatte machen,
trägt dazu bei, daß die Inflationsmentalität im deutschen Volk entstehen könnte,
die Sie angesprochen haben und die weiß Gott nicht vorhanden ist, weil es keine demokratische Partei in der Bundesrepublik geben kann, die nicht auch die Geldwertstabilität als ein gesellschaftspolitisches Problem ersten Ranges ansieht.Meine Damen und Herren, Sie haben behauptet, wir hätten das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz nicht in genügendem Umfang angewandt. Herr Kollege Arndt hat Ihnen bereits einige Beispiele genannt. Ich kann nur hinzufügen, daß der Finanzminister in einer dauernden Abwehrschlacht steht,
um zu verhindern, daß 'die Konjunktursperren in Teilen aufgehoben werden.
Hier zeigen sich doch überall die Lobbyisten, die nachweisen, daß gerade der Teil der Konjunktursperre nicht aufrechterhalten werden kann, der ihnen nicht paßt.
Da Sie in verschiedenen 'Debatten auseinandergesetzt haben, die Konjunktursperren müßten noch erhöht werden und es müßten noch Ausgabekürzungen eintreten, wollen wir am Schluß der Beratun-
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. April 1970 2397
Bundesminister Dr. Möllergen des Haushaltsausschusses einmal den Katalog der Anträge mit ihrer Behandlung und ihrer Erledigung zusammenstellen, der von Ihnen mit einer solchen Zielsetzung ausgeht. Wenn Sie da erhebliche Verbesserungen erreichen könnten, wäre ich der erste, der das anerkennt.Sie haben, Herr Kollege Pohle, gemeint, es sei nicht Sache der Opposition, Vorschläge zu machen, wie man es besser macht. Das ist nun der bequemste Standpunkt, den man in der Politik überhaupt einnehmen kann,
und das beweist, daß Sie einfach nicht in der Lage sind, die Rolle zu erkennen, die einer verantwortungsbewußten Opposition in einem demokratischen Staat zusteht.
Wir haben eine ernstere Situation gehabt als die jetzige: das war der Herbst 1966, als Ihre Wirtschaftspolitik bankrott gemacht hatte.
Dieser Bankrott war doch so offensichtlich, daß Sie selbst Ihren eigenen Kanzler gestürzt haben.
Nicht wir, sondern Sie in Ihrer Fraktion haben den Kanzler gestürzt, der für diese Wirtschaftspolitik verantwortlich war.In dieser Situation — lesen Sie sich die Protokolle vom November 1966 durch, meine Damen und Herren von der CDU/CSU! — hat sich die sozialdemokratische Opposition nicht auf den bequemen Standpunkt der Genugtuung begeben, sondern wir haben Alternativvorschläge entwickelt.
Ein Teil von Ihnen hat damals diese Alternativvorschläge nicht begriffen; das gebe ich gern zu. Aber wir haben z. B. in den Mittelpunkt dieser Auseinandersetzungen die Entwicklung des Eventualhaushalts gestellt, um die Konjunkturlage beherrschen zu können. 'Daß dieser Eventualhaushalt dann als Konjunkturhaushalt in die Geschichte unserer Wirtschaftspolitik eingegangen ist, das ist ein positiver Beitrag der Sozialdemokratie aus der Zeit der Opposition.
Herr Kollege Pohle und meine Damen und Herren von der Opposition, machen Sie sich es doch nicht zu einfach! Wenn Sie der Meinung sind, daß das, was wir tun, nicht ausreicht, dann stellen Sie doch selbst die Anträge, die die Regierung und die Koalition zwingen, eine Aussage zu Ihren Vorstellungen zu machen!
Dann wollen wir in einem ehrlichen geistigen Ringen den Versuch unternehmen, das Beste zu tun, was in dieser Konjunktur gemacht werden kann.
Aber das, was Sie mit Ihren Debatten hier auslösen, das ist nicht eine Kontrolle der Regierung, das ist nicht bessere Demokratie, sondern das ist ein Ausnutzen einer Unruhe, die in der Bevölkerung durch Ihre Haltung entstanden ist,
und Sie sollten durch ein anderes, disziplinierteres Verhalten dazu beitragen,
daß wir von einer anderen, sachlicheren Plattform aus diskutieren.Der Herr Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie hat am Dienstag in seiner Rede erklärt, was nach seiner Meinung notwendig sei: Ruhe durch Verzicht auf weitere konjunkturpolitische Maßnahmen, Ruhe aber auch durch Versachlichung der öffentlichen Diskussion und durch Enthaltung aller dramatisierenden Äußerungen. Das, meine Damen und Herren von der Opposition, sollten Sie sich hinter die Ohren schreiben.
Ich sage Ihnen: unsere Mark ist und bleibt stabil. Das weiß jedermann in der Welt, nur nicht die CDU in diesem Deutschen Bundestag.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kienbaum.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Ich habe mich bisher bemüht, die Vergangenheit, insbesondere vor Beginn dieser Legislaturperiode, ruhen zu lassen, da ich erst mit dem Wahltag in dieses Hohe Haus eingezogen bin. Es scheint aber nicht möglich zu sein, von dieser Vergangenheit loszukommen. Das zeigt der bisherige Verlauf der Aktuellen Stunde.
— Da fragt sich, wer.
Deshalb darf ich feststellen: wenn Kritik an Überkonjunktur, an Preissteigerungen geübt wird, dann tun wir das. Es freut uns, daß sich die derzeitige Opposition daran beteiligt.
Aber die derzeitige Opposition sollte sich ein für allemal darüber klar sein: solange in der Vergangenheit gewühlt wird, wird die Verantwortlichkeit für diese Vergangenheit nicht zu vernebeln sein. Die
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KienbaumVerantwortlichkeit für die soeben erwähnten Punkte— Preissteigerungen heute, 'Überkonjunktur heute— liegt bei der Regierung Kiesinger; sie liegt insbesondere — —
— Sie können sich die allergrößte Mühe geben, diese Verantwortung wird nicht wegzuwischen sein, und in sie ist eingeschlossen Herr Strauß als Finanzminister,
in sie ist eingeschlossen die CDU/CSU-Fraktion.
Ich darf eine zweite Feststellung treffen. Die Wirtschaft — es wurde soeben auch die Formulierung einer anderen bedeutsamen Stelle zitiert — braucht Ruhe. Ich habe diese Feststellung bei der Erörterung des Jahreswirtschaftsberichtes mit 'den Worten „endlich Ruhe" ergänzt. Es muß wieder möglich sein, daß sich die Anbieter und die Nachfrager messen.
Deshalb darf ich feststellen: die getroffenen Maßnahmen — und ich wiederhole das Ergebnis der gestrigen Erklärungen im Wirtschaftsausschuß — beginnen zu wirken.
Diese getroffenen Maßnahmen — die Aufwertung, die Kreditpolitik und die Haushaltspolitik — beginnen zu wirken, und verantwortlich für diese Maßnahmen ist die jetzige Regierung und die Koalition.
— Das wird ja sowieso ins Protokoll kommen.
Dagegen haben sich die geäußerten Befürchtungen, die zum Teil aus der Verantwortlichkeit von Kollegen Ihrer Fraktion stammen, zum Teil von diesen aufgegriffen oder konzipiert worden sind, nicht bestätigt; ich meine, die geäußerten Befürchtungen, ein Liquiditätskollaps sei zu befürchten, eine Exportgefährdung stehe vor ,der Tür, ja es drohe die Gefahr einer Rezession.
Demgegenüber ist wirkungsvoll eingeleitet die schärfere Auslese der Privatinvestitionen mit Wirkung auf .die Produktivität. Gerade zu diesem Punkt hat gestern einer Ihrer Kollegen so bemerkenswerte Ausführungen gemacht, daß Herr Dr. Irmler von der Bundesbank ihm frontal entgegentreten mußte, nämlich daß .die Falschen mit den Maßnahmen getroffen seien. Ich wiederhole: die wünschenswerten Entwicklungen sind dadurch gefördert worden, nämlich die schärfere Auslese der Privatinvestitionen in Richtung auf produktivitätssteigernde Wirkungen.Als zweites: der langfristige Kapitalexport zwecks Aufbau von Kapazitäten im Ausland ist in Gang gebracht und wird fortgesetzt werden müssen. Auch in dieser Linie wirken ,die getroffenen Maßnahmen.Nun haben Sie sehr lautstark Stellung genommen; ich konnte nicht ganz verstehen, was darin außer der Lautstärke die Argumente waren. Deshalb darf ich abschließend feststellen: ich persönlich bin absolut guten Mutes, nämlich daß die Bürger dieses Landes, auf die Sie heute morgen und in der letzten Zeit in Ihren Äußerungen abgehoben haben, die Verantwortlichen für die Versäumnisse der Vergangenheit kennen und im Gedächtnis behalten werden
und daß es uns gelingen wird, eine nachträgliche Vernebelung der Verantwortung zu verhindern.
Als letztes darf ich feststellen: Es wird uns auch— wenn Ihnen das nicht schmeckt, kann ich das verstehen — gelingen, die Situation zu meistern.
Das Wort hat ,der Abgeordnete Zander.
— Herr Kollege, eine Kritik an dem amtierenden Präsidenten steht Ihnen nicht zu.
Herr Abgeordneter Zander!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Von verschiedenen Sprechern der Regierungskoalition ist der Opposition vorgeworfen worden, sie dramatisiere in leichtfertiger Weise die wirtschaftspolitische Entwicklung. Ich meine — und das meine ich sehr ernst —:
Das, was hier vom Kollegen Breidbach gesagt worden ist, ist nicht nur ein Beweis für diese Behauptung, sondern ein Beweis dafür, daß hier Panikmache betrieben wird, systematische Panikmache.
Ich finde, das ist ein erschreckendes Beispiel, was hier von dem Kollegen Breidbach zum Teil gesagt worden ist.
— Über Vergeßlichkeit werden wir gleich noch ein Wort zu wechseln haben.Lassen Sie mich folgendes sagen: Alle kompetenten Beobachter des wirtschaftlichen Geschehens sind sich darüber einig, daß wir in einer Spätphase
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Zandereiner konjunkturellen Entwicklung leben, in der bestimmte Abläufe festgelegt und auch nur noch geringfügig zu beeinflussen sind.
— Herr Kollege Stoltenberg, Sie sagen: Das widerspricht den Feststellungen der Bundesbank. Ich möchte Ihnen nur sagen: Es wird aber unterstützt durch die Stellungnahme des BDI zum Jahreswirtschaftsbericht. Da heißt es:Die Spätphase der Konjunktur ...— denken Sie sich ein paar Punkte; ich lasse da etwas aus —legt die Entwicklung im ersten Halbjahr 1970 so weitgehend fest, daß ihr Verlauf durch wirtschaftspolitische Maßnahmen jetzt nicht mehr grundlegend zu ändern ist.So weit das Zitat.
— Das ist drei Monate alt, spricht aber vom ersten Halbjahr 1970, Herr Kollege Stoltenberg. Vor drei Monaten wurde das prognostiziert.Meine Damen und Herren, ich meine folgendes — und da muß ich das unterstreichen, was hier vom Kollegen Kienbaum gesagt wurde —: Es ist nach diesen einschneidenden Maßnahmen des letzten halben Jahres — der Aufwertung der D-Mark und den kreditpolitischen Beschlüssen der Bundesbank— für die Wirtschaft nichts dringender erforderlich als Ruhe. Und in dieser Situation verlangen Sie Hektik.
Sie wollen Angst machen, seit der Aufwertung.
— Einigen Sie sich vielleicht auf einen Zwischenruf; dann kann ich darauf antworten. — Seit der Aufwertung der D-Mark besteht Ihr wirtschaftspolitisches Konzept darin, Angst zu verbreiten.
Meistens haben 'Sie dann noch Schwierigkeiten mit den Argumenten.Wie ist die Lage tatsächlich? Ich meine, die Arbeitsplätze sind sicher, und niemand braucht Angst um seinen Arbeitsplatz zu haben. Eine gewollte Rezession wird es unter dieser Bundesregierung nicht geben.
Zweitens: Die Preisentwicklung, über die Sie klagen und die Sie dramatisieren, ist eine Folge Ihrereigenen Fehler. Die Bundesregierung hat mit angemessenen Mitteln auf diese Situation reagiert.
Drittens. Die Beruhigung ist nun gerade nach den Aussagen des Parlamentarischen Staatssekretärs in der Fragestunde heute vormittag unverkennbar.
Ich habe mir heute morgen folgendes notiert:Der Preisanstieg bei industriellen 'Gütern ist weiter abgeschwächt. Die Erwartungen über den Preisauftrieb bei den Unternehmern sind .erheblich zurückgegangen.
Im Großhandel hat der Preisauftrieb nachgelassen. Erzeugerpreise für Verbrauchsgüter im März nur noch um 0,2% gestiegen. Erzeugerpreise landwirtschaftlicher Produkte im März um 2,5 % unter dem Stand von Dezember.Und schließlich:Der Preisanstieg für die Lebenshaltungskosten im März nur noch um 0,4%.
Wenn Sie dramatisieren wollen, dann haben Sie sich den unglücklichsten Zeitpunkt dazu ausgesucht, weil wichtige Indikatoren zeigen, daß die Situation sich beruhigt. Ich meine, diese Entwicklung ist erfreulich. Wer allerdings die Augen davor verschließt, wer diese Tatsachen der Beruhigung nicht zur Kenntnis nehmen will, der kann sich hier hinstellen und dramatisieren und Hektik verlangen. Ob er der Wirtschaft, ob er der gesellschaftlichen und sozialen Entwicklung in der Bundesrepublik damit einen Dienst tut, das ist eine Frage, die Sie selbst beantworten können. Ich kann nur noch einmal sagen: wir warten auf Ihre Konzepte, wenn Sie die Situation so dramatisch einschätzen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Barzel.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrter Herr Kollege, wer bei einer Lebenshaltungskostensteigerung von 4 % und einem Diskontsatz von 71/2% nichts anderes als die Parole für Ruhe auszugeben bereit ist, vertritt eine Politik, mit großer Energie die Zügel unverantwortlich schleifen zulassen.
Ich möchte Sie, Herr Kotlege Möller, bitten die Abteilung Lautstärke dem Kollegen ihrer Fraktion zu überlassen, der das kann und dem das ganz gut steht. Ihnen steht es auch nicht, unsere Sorgen zu diskreditieren, Herr Kollege Möller.
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2400 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. April 1970
Dr. BarzelIch möchte gleich einen Vorschlag machen, und zu diesem Vorschlag
— ja, warten Sie einmal — kommen wenige Vorbemerkungen. Als diese Bundesregierung begann,
— Herr Dorn, Sie sind sogar ein Zeuge für das, was ich jetzt sage —
gab es vor dem Aufwertungsbeschluß eine Konsultation, in der wir drei Dinge erklärt haben. Einmal, die Regierung solle sich bemühen, die Agrarpolitik europäisch dauerhaft abzusichern. Ob das geschehen ist, ist mit einem Fragezeichen zu versehen, nachdem die Kommission gegen dieses Gesetz über die 920 Millionen DM Bedenken angemeldet hat und die 920 Millionen DM, die die Bundesregierung den deutschen Bauern seit dem 1. Januar als Währungsausgleich schuldet, bis heute nicht angekommen sind.Zweitens. Wir hatten vorgeschlagen, die Politik sparsamer Haushaltswirtschaft und der Schuldentilgung fortzusetzen. Das Gegenteil ist geschehen; die Bundesregierung hat ausweislich der Debatte vom Februar, Herr Bundesfinanzminister, in den Monaten November und Dezember das Geld geradezu mit der Schaufel herausgeschüttet.
Wir hatten zum dritten vorgeschlagen, zusammen mit der Aufwertung ein Programm binnenwirtschaftlicher Preisstabilisierung aufzustellen. Das Gegenteil ist geschehen. Die Regierung kam mit Steuersenkungsvorschlägen, die wir verhindert haben. Das hat es noch nicht gegeben, daß eine Opposition das tut.
Meine Damen und Herren, diese Regierung trat mit der Behauptung an, eine Wirtschaftspolitik, ein Programm und einen Mann zu haben, der imstande sei, eine Preissteigerungsrate von 3 % im nächsten Jahr auf 2%, im übernächsten Jahr auf 1% zu senken und dann bei 1% stabil zu halten. Wir stellen fest, die SPD hat weder diesen Mann noch diese Politik, noch dieses Programm.
Die Bundesregierung erklärte im Januar durch den Mund ihres Parlamentarischen Staatssekretärs, die Preiswelle sei gebrochen. Ich frage Sie, wie die Steigerungen seit dieser Erklärung sind. Und Sie mahnen uns zur Ruhe!Der Bundeswirtschaftsminister hat hier in der Zeit, als er von dort —der Oppositionsseite — hier heraufkam, eine Theorie vertreten, indem er sagte, die „inflationäre Lücke" — ich will das jetzt nicht theoretisch untersuchen — bestehe an der Spanne zwischen dem Zuwachs des realen Bruttosozialprodukts und dem Ansteigen der Ausgaben des Bundeshaushalts. Ich stelle fest, daß diese Spanne nach den Daten dieser 'Bundesregierung 6% beträgt. Dassind mit den Worten des Bundeswirtschaftsministers Schiller 6% einkalkulierte inflationäre Lücke.
Nun fragen Sie nach unseren Vorschlägen. Der Kollege Pohle hat hier für uns Fragen nach Daten, Zusammenhängen und Fortschreibungen von Berichten gestellt. Der Herr Parlamentarische Staatssekretär war so freundlich, heute in Aussicht zu stellen, in einigen Wochen werde es soweit sein. Wir fragen seit 6 Wochen nach diesen neuen Daten.Ich möchte Ihnen folgendes Angebot machen.
— Sie wollen doch etwas von uns hören. Wenn wir dann etwas sagen, paßt es Ihnen auch wieder nicht. Am 2. Dezember haben Sie auch erst so komisch reagiert, und plötzlich rief Herr Möller, — er paßt schon auf, er hat es schon begriffen.Ich möchte Ihnen folgendes Angebot machen.1. Die Bundesregierung legt so schnell wie möglich die neuen Indikatoren und ihre neue Meinung vor — entsprechend den vier Fragen des Kollegen Pohle —, damit das ganze Haus objektive Unterlagen für gemeinsames Handeln findet.2. Wir suchen eine Verständigung über die äußerste Beschneidung ausgabewirksamer Gesetzesbeschlüsse in diesem Jahr.
— Wir suchen eine Verständigung, habe ich gesagt, Herr Kollege, und nicht 'dauernd Ihre Abstimmungsguillotine mit 17 zu 16, die Argumente überhaupt nicht würdigt.
3. Für den Fall, daß 1 und 2 eintreten und die Bundesregierung sich entschließt, gestützt auf die Daten und die Ziffer 2, das Stabilitätsgesetz anzuwenden, sind wir bereit, Ihre Vorschläge konstruktiv zu prüfen und, wenn sie in die Landschaft passen, auch zu unterstützen.Dies ist das Angebot der Opposition in dieser Debatte, meine Damen und Herren.
Das Wort hat der Abgeordnete Apel.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Das letztemal hat das Hohe Haus am 13. März in einer Aktuellen Stunde über die aktuelle konjunkturpolitische Situation in unserem Lande gesprochen. Die Reaktion draußen im Lande in der Fachpresse war, man möchte jetzt doch erst einmal Ruhe haben; denn nach der Diskonterhöhung müsse man mit dem neuen Datenkranz fertigwerden; man
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Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. April 1970 2401
Dr. Apelwolle also nicht mehr eine Diskussion haben, die zum Schluß doch nur Unruhe bringe.
— Nein, das war auch die Parole der Fachpresse, und Sie, die Herren der CDU/CSU, sind nicht besonders gut dabei weggekommen.Was hat sich nun eigentlich inzwischen wesentlich geändert? Es gibt gewisse Tendenzen zu einer gewissen Beruhigung; sie sind unübersehbar und wurden heute morgen ja auch von dem Herrn Parlamentarischen Staatssekretär dargestellt. Insofern ist die Aussage des Herrn Bundeskanzlers durchaus zutreffend. Auf ,der anderen Seite wissen wir Wirtschaftspolitiker, daß der Datenkranz zur Zeit flattert. Wir wissen nicht, ob die Beruhigung, die zur Zeit sichtbar und deutlich ist, auf ,die Dauer anhält, obwohl eine Zahlenreihe — sie ist eben vom Herrn Kollegen Zander schon angesprochen worden — interessant ist, nämlich die Entwicklung der industriellen Erzeugerpreise, die in diesem Jahre eine eindeutig abwärts gerichtete Tendenz zeigt.Es ist interessant — ich darf das mit Genehmigung der Frau Präsidentin zitieren —, daß gestern der „Volkswirt" in seinen Indikatoren zur Industriekonjunktur folgendes ausgesagt hat — ich zitiere —:Die Unternehmer sind noch bei Laune. Dennochstecken sie ihre Erwartungen etwas zurück.Und weiter:Was viele Unternehmer erwarteten, trat inzwischen ein: die Inlandsnachfrage beginnt auf hohem Niveau zu stagnieren, während die Auslandsnachfrage bereits deutlich nachgab.Das ist die Situation, und ich frage mich in der Tat, was die CDU bewogen hat, heute morgen die Aktuelle Stunde angesichts dieses Datenkranzes, der gewisse Tendenzen zeigt, aber keine erschrekkenden, wie Sie behaupten, neuen Entwicklungen darstellt, vom Zaune zu brechen.Ich muß mit meinen Kollegen zu Recht folgendes fragen. Wenn Sie diesen Datenkranz im „Volkswirt" und die neuen Daten des Ministeriums bestreiten, wenn Sie also meinen, es gehe hier nicht um einen konjunkturellen Schnupfen, sondern um mehr, dann müssen wir Sie fragen, was Sie diesem Patienten verschreiben wollen. Wir sind in uns konjunkturell logisch und schlüssig. Wir schlagen zu der Situation, die gegeben ist, das vor, was zweckmäßig und angebracht ist.Ein Weiteres! Seit 1966 hat die Opposition und damalige Regierungspartei in diesem Lande entweder Krise gemacht oder Krise geredet. Uns überzeugt das nicht mehr, was Sie seit 1966 in der Konjunkturpolitik machen. Denn seit 1966 sind Sie weder personell noch sachlich dabeigewesen,
sondern haben den Sozialdemokraten die Verpflichtung für ,die Überwindung der verschiedenen Täler überlassen. Herr Müller-Hermann, wenn man also fragt, wer hier abgewirtschaftet hat, dann muß ichsagen: die CDU/CSU in diesen vier bis fünf Jahren Konjunkturpolitik in unserem Lande.
Und wenn man einmal die Personen der CDU in der Wirtschaftspolitik, die wir in diesen Tagen und heute wieder erlebt haben, vor dem Auge Revue passieren läßt, so ist auch personell keine echte Alternative zu sehen. Es kommt hinzu, meine Damen und Herren, daß man hier im Hause nicht von Stabilität reden darf, wenn man gestern in einer ganzen ,Reihe von Fachausschüssen des Deutschen Bundestages, z. B. im Wirtschaftsausschuß, im Haushaltsausschuß, im Wissenschaftsausschuß, wie ich von Herrn Staatssekretär von Dohnanyi gehört habe, und in anderen Ausschüssen auf die Tube gedrückt und rücksichtslos Ausgabenerhöhungen ohne Deckung durchgesetzt hat.
Sie müssen in Ihrer Haltung etwas konsistenter sein.
Meine Damen und Herren, was bleibt also angesichts des „Datenkranzes", den wir halben, Herr Barzel, zu tun? Wir sind für eine Reihe von Maßnahmen, die schnell redressierbar und der Situation angepaßt sind. Solche Maßnahmen sind zur Zeit wirksam. Wir 'bleiben arm Ball. Natürlich können wir nicht so tun, als liefe die .Konjunktur jetzt sicher, sondern müssen genau aufpassen, wie sich die Situation weiterentwickelt. Insofern nehmen wir das Angebot von Herrn Barzel zur Kenntnis.Aber, meine Damen und Herren, eines tun wir nicht: Wir reden in diesem Hause die Konjunktur nicht tot und reden uns nicht in die Inflation. Wir haben es nicht nötig, alle sechs Wochen im Deutschen Bundestag Wahlreden für den Landtagswahlkampf zu halten.
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2402 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. April 1970
— Die schöpferische und geistige Unruhe! Jetzt dagegen rücken Sie in die Nähe eines historischen Spruchs oder einer vergangenen Formel der CDU/ CSU aus dem Jahre 1953, der lautete: „Keine Experimente!"
Meine Damen und Herren, wir stehen mit unseren Sorgen und Forderungen in diesen Tagen in der Hauptrichtung der wirtschaftspolitischen und nationalökonomischen Diskussion. Das können Sie nicht bestreiten. Jeder, der in diesen Tagen den Wirtschaftsteil der Zeitungen liest, wird feststellen, daß vom Deutschen Industrieinstitut, dem Bundesverband der Deutschen Industrie — lesen Sie einmal nach, was Herr Rodenstock gestern gesagt hat; er hat von der „schwersten Zerreißprobe" für die deutsche Wirtschaft seit langem gesprochen —, von den Sparkassen bis hin zu den Nationalökonomen die gleichen Fragen gestellt und die gleichen Forderungen an die Regierung gerichtet werden, wie wir sie hier stellen. Wenn Sie uns hier der Demagogie oder des Opportunismus bezichtigen, dann richten Sie den Vorwurf auch gegen bedeutende unabhängige Sprecher der deutschen Wirtschaft, der Gewerkschaft und der Wissenschaft, die ähnliche Sorgen äußern, wie wir es hier heute tun.
Meine Damen und Herren, einige Bemerkungen zur Sache. Herr Kollege Arndt hat gesagt, das Stabilitätsgesetz ist angewandt, und er hat von der Aufwertung gesprochen, der Konjunkturausgleichsrücklage und der angeblich stabilitätsgerechten Ausgabenpolitik. Ihnen ist in den letzten Monaten immer wieder bescheinigt worden — im Februar-Bericht der Bundesbank, Herr Bundesfinanzminister, und erneut von dem Mitglied des Präsidiums, Dr. Irmler, in diesen Tagen in den Ausschüssen des Bundestages —, daß man von einer stabilitätsgerechten antizyklischen Finanzpolitik nicht sprechen kann.
Sie müssen zur Kenntnis nehmen, daß die Ausgaben des Bundes offensichtlich im Gegensatz zu Ihren Vorhersagen in den ersten Monaten dieses Jahres stärker gestiegen sind als in den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres, in denen Finanzminister Strauß die Verantwortung für die Bundeskasse trug. Das sind Dinge, die Sie nicht mit Schweigen und Polemik übergehen können, über die wir hier reden müssen.Alle diese Maßnahmen, Herr Kollege Arndt, die Sie nannten, wurden doch vor dem 17. Februar von Ihnen eingeleitet, als zunächst der Wirtschaftsminister und dann der Bundeskanzler von diesem Platze 'sagten, daß die Regierung entschlossen sei, das Stabilitätsgesetz anzuwenden. Nichts ist bis zum heutigen Tage erfolgt.Deshalb werden wir Sie aus dieser Diskussion auf Grund der Verantwortung, die wir alle für die Stabilität, eine angemessene Preisentwicklung, die Sicherheit des Wachstums und der Arbeitsplätze in Deutschland tragen, nicht entlassen können. Wir lassen uns durch Lautstärke, wir lassen uns durch Angriffe, wir lassen uns durch eine falsche Darstellung der jüngsten Vergangenheit nicht beirren. Wir haben heute konkrete Vorschläge gemacht,
und wir werden in der Lage sein, sie bereits in wenigen Wochen in diesem Hause zu diskutieren. Sie werden um die Antwort auf die Fragen der CDU/CSU und der deutschen Öffentlichkeit nicht herumkommen.
Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Aktuellen Stunde.
Ich berufe das Haus ein auf Mittwoch, den 29. April 1970; die Uhrzeit wird noch bekanntgegeben.
Die Sitzung ist geschlossen.