Protokoll:
6044

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 6

  • date_rangeSitzungsnummer: 44

  • date_rangeDatum: 17. April 1970

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 13:47 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 44. Sitzung Bonn, Freitag, den 17. April 1970 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 2229 A Fragestunde (Drucksache VI/610) Fragen des Abg. Flämig: Robbenjagd in Kanada Dr. Dahrendorf, Parlamentarischer Staatssekretär . . 2229 B, C, D, 2230 A Flämig (SPD) 2229 C, 2230 A Frage des Abg. Dr. Kempfler: Ratifizierungsverfahren für die Europäische Konvention über die konsularischen Befugnisse Dr. Dahrendorf, Parlamentarischer Staatssekretär 2230 A, C, D Dr. Kempfler (CDU/CSU) . . . . 2230 B, C Frage der Abg. Frau Klee: Ratifizierungsverfahren für das Europäische Übereinkommen über die akademische Anerkennung von akademischen Graden und Hochschulzeugnissen 2230 D Fragen des Abg. Walkhoff: Vereinbarkeit der Tankstellenverträge mit dem Kartellrecht — Einsetzung einer Monopolkommission Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . 2231 A, B Walkhoff (SPD) . . . . . . . . 2231 B Frage des Abg. Dr. Fuchs: Verbesserung der Konditionen des ERP-Kreditprogramms in den Zonenrand- und Ausbaugebieten Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 2231 D, 2232 A, B Dr. Fuchs (CDU/CSU) 2232 A Fragen des Abg. Werner: Struktur- und Raumordnungspolitik der Bundesrepublik — Erwartungen der Entwicklungsländer Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär . . 2232 B, C, D, 2233 A Werner (CDU/CSU) . . . . . . 2232 C, D Frage des Abg. Weigl: ERP-Kredite zugunsten der mittelständischen gewerblichen Wirtschaft in Förderungsgebieten Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . 2233 A, B Weigl (CDU/CSU) . . . . . . . 2233 B Fragen des Abg. Geldner: Facharbeiternachwuchsmangel im Bereich des Handwerks Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 2233 C II Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Freitag, den 17. April 1970 Frage des Abg. Dröscher: Verpflichtung zur Unterbringung kriegsbeschädigter und aus Altersgründen beschränkt vermittlungsfähiger Arbeitskräfte 2234 B Fragen des Abg. Bäuerle: Pressemeldungen über Benachteiligung der Kriegerwitwen bei der zum 1. Januar 1971 beabsichtigten Rentenanpassung 2234 C Frage des Abg. Leicht: Förderung der Heime zur Erziehung und Berufsausbildung schwererziehbarer Jugendlicher Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 2234 D, 2235 A, B Leicht (CDU/CSU) 2235 A, B Fragen der Abg. Hansen, Frau Lauterbach und Löffler: Illegale Vermittlung von ausländischen Arbeitskräften ohne Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär 2235 B, C, 2236 A, B, C, D, 2237 A Hansen (SPD) . . . . . . . . . 2236 A Frau Lauterbach (SPD) 2236 B, C Dr. Geßner (SPD) 2236 D Härzschel (CDU/CSU) 2236 D Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) . 2237 A Frage des Abg. Pieroth: Flexiblere Regelung für Anträge auf Gewährung der Landabgaberente . . 2237 B Fragen des Abg. Cramer: Bearbeitung von Verbesserungsvorschlägen im Bereich des Bundesverteidigungsministeriums Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 2237 C, D, 2238 A Cramer (SPD) 2237 D, 2238 A Frage des Abg. Hansen: Pressemitteilungen über die Behandlung eines dienstunfähigen Soldaten Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär 2238 A, B, C Hansen (SPD) 2238 B Fragen des Abg. Dr. Enders: Rückforderungen von Studienbeihilfen an Nachwuchskräfte der Bundeswehr Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär . . 2238 C, D, 2239 A, B Dr. Enders (SPD) . . . 2238 D, 2239 A, B Fragen des Abg. Wende: Bereitstellung von Bundeswehrflugzeugen für Luftsportvereine Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär . 2239 C, D, 2240 A, B, C Wende (SPD) 2239 D, 2240 A Jung (FDP) 2240 C Frage des Abg, Dr. Klepsch: Hissung der Flagge der DDR durch Bundeswehrangehörige bei der Rennrodelweltmeisterschaft 2240 D Frage des Abg. Dr. Schmitt-Vockenhausen: Durchführung einer einheitlichen Warenkatalogisierung für Wirtschaft und öffentliche Verwaltung . . . . . . 2240 D Frage des Abg. Dr. Geßner: Eintragung von Blutgruppe, RhesusFaktor und Impfungen in Pässen und Personalausweisen Frau Strobel, Bundesminister . . 2241 B, C Dr. Geßner (SPD) 2241 C, D Fragen des Abg. Dr. Bechert (Gau-Algesheim) : Verkauf des Vitaminpräparats Multibionta in verschiedener Zusammensetzung — Schutz der Verbraucher vor Irreführung . . . . . . . . . . 2241 D Fragen des Abg. Burger: Auslegung des Bundessozialhilfegesetzes durch den Landwohlfahrtsverband Württemberg-Hohenzollern Frau Strobel, Bundesminister . . . 2241 D, 2242 A, B, C Burger (CDU/CSU) . . . . . . . 2242 B Fragen des Abg. Härzschel: Zahl der beschützenden Werkstätten für geistig Behinderte — Förderung solcher Werkstätten durch die Bundesregierung Frau Strobel, Bundesminister . . 2242 C, D, 2243 A, B Härzschel (CDU/CSU) . . 2242 D, 2243 A Burger (CDU/CSU) 2243 B Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Freitag, den 17. April 1970 III Frage des Abg. Dasch: Stellungnahme der Bundesregierung zu der Speiseeisverordnung der EG-Kommission Frau Strobel, Bundesminister 2243 B, C, D Dasch (CDU/CSU) 2243 C, D Beratung der Dokumentation der Bundesregierung über die Bemühungen zur Freilassung des entführten deutschen Botschafters Karl Graf von Spreti (Drucksache VI/622) Scheel, Bundesminister . . . . . 2243 D Ergänzung zum Entwurf des Bundeshaushaltsplans 1970 (Drucksache VI/580) Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller, Bundesminister 2246 A Dr. Althammer (CDU/CSU) . . . 2249 C Hermsdorf (Cuxhaven) (SPD) . . 2253 D Kirst (FDP) 2255 A Antrag betr. die soziale Lage der Schriftsteller, Komponisten und bildenden Künstler (Abg. Dr. Martin, Dr. Schober, Dr. Kotowski, Dr. Mikat, Rock, Dr. Schulze-Vorberg und Fraktion der CDU/CSU) (Drucksache VI/467) Dr. Schober (CDU/CSU) 2256 D Wende (SPD) 2258 D Moersch (FDP) 2260 C Absetzung des Punktes 4 von der Tagesordnung 2262 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes 1964 (Abg. Dr. Schmid-Burgk, Dr. Pohle, Porzner, Dr. Koch, Frau Funcke, Freiherr von Kühlmann-Stumm und Fraktionen der CDU/ CSU, SPD, FDP) (Drucksache VI/389) ; Bericht des Haushaltsausschusses gem. § 96 GO (Drucksache VI/626), Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache VI/589) — Zweite und dritte Beratung — 2262 D Antrag betr. Situation der Psychiatrie in der Bundesrepublik (Abg. Picard, Dr. Martin, Dr. Jungmann, Dr. Götz, Burger, Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein, von Thadden, Köster und Fraktion der CDU/CSU) (Drucksache VI/474) Picard (CDU/CSU) . . . 2263 B, 2267 B Dr. Schmitt-Vockenhausen, Vizepräsident (zur GO) 2267 B, 2269 C Dr. Schmidt (Krefeld) (SPD) . . . 2269 C, D Krall (FDP) 2271 D Frau Strobel, Bundesminister . . . 2272 B Dr. Martin (CDU/CSU) 2274 A Koenig (SPD) 2274 D von Thadden (CDU/CSU) 2276 B Dr. Jungmann (CDU/CSU) . . . 2277 A Dr. Schmitt-Vockenhausen, Vizepräsident . . . . . . . 2278 C Nächste Sitzung 2278 C Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 2279 A Anlage 2 Schriftliche Antwort auf die Zusatzfrage des Abg. Varelmann zu seiner Mündlichen Frage betr. den Anteil der auf Grund der Richtlinien in den Zonenrand- und Ausbaugebieten vergebenen Aufträge 2279 D Anlage 3 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Probst betr. Verdächtigung deutscher Wissenschaftler von seiten der DDR 2280 C Anlage 4 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Zimmermann betr Wahlberechtigung der Auslandsdeutschen zum Deutschen Bundestag 2281 A Anlage 5 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage der Abg. Frau Herklotz betr. Beteiligung der Bundesregierung an der Ausarbeitung einer Europäischen Charta der Umwelthygiene 2281 C Anlage 6 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Memmel betr. Steuerbelastung der nichtöffentlichen privaten Stiftungen in Bayern . . . . . . . . 2281 D Anlage 7 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Orgaß betr. Wegfall der Gebührenfreiheit für die Aufbewahrung von Bundesschatzbriefen 2282 A Anlage 8 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Dr. Weber (Köln) betr. Steuermindereinnahmen durch Steuerflucht in die Schweiz . . . . . . . . 2282 B IV Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Freitag, den 17. April 1970 Anlage 9 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Wolfram betr. Konzertierte Aktion und Erweiterung des Gesprächsteilnehmerkreises 2282 D Anlage 10 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Höcherl betr. Impuls der verteuerten Kreditkosten auf den Anstieg der Preise für Haushaltungs- und Investitionsgüter . . . . . . . . . 2283 B Anlage 11 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Baron von Wrangel betr. Zurückstellung von Projekten zur wirtschaftlichen und strukturellen Entwicklung im Zonenrandgebiet infolge der Haushaltssperrungen . . . . . . . . 2283 C Anlage 12 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Scheu betr. Aufgaben des Deutschen Normenausschusses . . . 2283 D Anlage 13 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Hermesdorf (Schleiden) betr. Bildung des Planungsausschusses nach dem Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" 2284 B Anlage 14 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Ruf betr. Verbesserung der wirtschaftlichen Situation der Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung 2284 C Anlage 15 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. von Thadden betr. Einrichtung regionaler Sektionen bei der Schaffung der Bundesknappschaft . . . 2284 D Anlage 16 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. von Thadden betr. Neuordnung der hüttenknappschaftlichen Pensionsversicherungen des Saarlandes . 2285 A Anlage 17 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Dr. Bechert (Gau-Algesheim) betr. Verkauf des Vitaminpräparats Multibionta in verschiedenen Zusammensetzungen und Schutz der Verbraucher vor Irreführung 2285 B Anlage 18 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Probst betr. Erstellung einer zentralen Giftkartei im Bundesgesundheitsamt . . . . . . . . 2285 D Anlage 19 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Schulte (SchwäbischGmünd) betr. Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit in der Bundesrepublik . . 2286 B Anlage 20 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Gerlach (Obernau) betr. Verwaltungsaufwand infolge der derzeitigen Gebührenregelung im Kfz-Zulassungswesen 2286 C Anlage 21 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage der Abg. Frau Funcke betr. Fahren von handgeschalteten Wagen nach der Fahrprüfung auf Wagen mit Automatik 2286 D Anlage 22 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Maucher betr. Abzweigung der für den Unfallrettungsdienst erforderlichen Mittel 2287 A Anlage 23 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Erhard (Bad Schwalbach) betr. Errichtung von Wildschutzzäunen an den Autobahnen . . . . . . . . . 2287 B Anlage 24 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Unland betr. Benachteiligung der Transportunternehmen in Grenzgebieten durch § 6 a des Güterkraftverkehrsgesetzes 2287 C Anlage 25 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Schulte (SchwäbischGmünd) betr. obligatorischen Einbau von Sicherheitsgurten in fabrikneue Personenkraftwagen 2287 D Anlage 26 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Schulz (Berlin) betr. Flugplatzgebühr für Auslandsflüge in West-Berlin 2287 D Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Freitag, den 17. April 1970 V Anlage 27 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Wagner (Günzburg) betr. Verminderung der Unfallgefahren durch Beseitigung der Bäume an Bundesstraßen 2288 A Anlage 28 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Leicht betr. Empfang der Sendung „Blick ins Land" in der Südpfalz 2288 B Anlage 29 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage der Abg. Frau Klee betr. Ratifizierungsverfahren für das europäische Übereinkommen über die akademische Anerkennung von akademischen Graden und Hochschulzeugnissen 2288 C Anlage 30 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Dr. Luda betr. Pressemeldungen über Äußerungen von Bundeskanzler Brandt in einer Sitzung des Bundeskabinetts 2288 C Anlage 31 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Möhring betr. Zerstörungen bei Übungen britischer Panzertruppen im Raum Amelinghausen 2288 D Anlage 32 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Bauer (Würzburg) betr. Veröffentlichung des Berichts der Europäischen Menschenrechtskommission über Griechenland 2289 B Anlage 33 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage der Abg. Frau Klee betr. Beteiligung der Bundesregierung an dem geplanten europäischen Komitee für die Erhaltung des kulturellen Erbes 2289 C Anlage 34 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Dr. Müller-Emmert betr. Informierung des Auslandes über die Sportförderung in der Bundesrepublik und die Vorbereitung der Olympischen Spiele — Diskreditierung der Bundesrepublik durch die DDR 2289 D Anlage 35 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Möhring betr. Herstellung von Notruftafeln des Bundesamtes für zivilen Bevölkerungsschutz . . . . 2290 C Anlage 36 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Baier betr. Beibehaltung des Zollamtes in Wiesloch 2290 D Anlage 37 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Weigl betr. Steuerausfälle durch die für Berliner Arbeitnehmer geplante Zulage zum Bruttolohn . . . . 2291 A Anlage 38 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Dr. Klepsch betr. Mietpreiserhöhungen in den Bundessozialwohnungen auf der Koblenzer Karthause 2291 B Anlage 39 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Weigl betr. Arbeitnehmerverdienste im Zonenrandgebiet und in Berlin 2291 C Anlage 40 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Niegel betr. Durchführungsverordnung zum Marktstrukturgesetz für Kartoffeln . . . . . . . . . 2291 D Anlage 41 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Schröder (Wilhelminenhof) betr. Arbeitsmarkt- und Berufsanalyse in den Bezirken Leer und Emden . . 2292 A Anlage 42 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Peiter betr. den endgültigen Standort des Kreiswehrersatzamtes Montabaur 2292 B Anlage 43 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Dr. Prassler betr. Mikrowellengeräte zur Erwärmung von Lebensmitteln 2292 C Anlage 44 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Meister betr. Flugplatzplanung im Raum Pforzheim 2293 A VI Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Freitag, den 17. April 1970 Anlage 45 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Dr. Arnold betr. Herabsetzung der Altersgrenze bei Führerscheinprüfungen . . . . . . . . . 2293 B Anlage 46 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Dasch betr. Umgehung von Wasserburg am Inn 2293 B Anlage 47 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Erhard (Bad Schwalbach) betr. Auswirkungen des Ordnungswidrigkeitengesetzes auf das Fahren unter Alkoholeinfluß 2293 C Anlage 48 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Dichgans betr. Lärmausstrahlung von Überschallverkehrsflugzeugen 2294 A Anlage 49 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Dr. Beermann betr. Ausbau der B 5 in Schleswig-Holstein . . . 2294 B Anlage 50 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Leicht betr. Straßenbaumaßnahmen in den Kreisen Landau, Bad Bergzabern, Germersheim und der Stadt Landau sowie im Raum Wörth . . . . 2294 D Anlage 51 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Baier betr. Neckarbrücke zwischen Neckargerach und Guttenbach . 2295 B Anlage 52 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Wagner (Günzburg) betr. Funkstörungen im Gebiet Günzburg/Leipheim 2295 C Anlage 53 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Dr. Arnold betr. Wegfall der Zustellung an Samstagen 2295 D Anlage 54 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Dr. Häfele betr. Anträge von Wohlfahrtseinrichtungen auf Ballonpostbeförderung 2295 D Anlage 55 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Dr. Dittrich betr. Mittel für den allgemeinen Schulbau und sonstige kulturelle Veranstaltungen . . . 2296 B Anlage 56 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Dichgans betr. Hochschulstatistikgesetz 2296 C Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Freitag, den 17. April 1970 2229 44. Sitzung Bonn, den 17. April 1970 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Abelein 17. 4. Adams *) 17. 4. Dr. Ahrens **) 24. 4. Dr. Aigner *) 17. 4. Alber 5*) 24. 4. von Alten-Nordheim 24. 4. Amrehn *5) 24. 4. Bals **) 24.4. Dr. Barzel 17.4. Bauer (Würzburg) **) 24. 4. Dr. Bayerl 18.4. Behrendt *) 25. 4. Berlin 4. 5. Biehle 17. 4. Dr. Birrenbach 8. 5. Blumenfeld **) 24. 4. Dr. Brand (Pinneberg) 17.4. Dr. Burgbacher 17.4. Burgemeister 30.4. Corterier 17.4. Damm 25. 4. van Delden 17. 4. Frau Dr. Diemer-Nicolaus 5*) 24. 4: Dr. Dittrich *) 17.4. Draeger *5) 24.4. Dröscher 17.4. Frau Dr. Elsner 17.4. Engelsberger 17. 4. Dr. Erhard 17.4. Faller 17. 4. Fellermaier *) 17. 4. Flämig *) 17. 4. Fritsch *5) 24. 4. Dr. Furler 5) 17.4. Gerlach *) 17. 4. Dr. Gleissner 17.4. Glüsing (Dithmarschen) 17.4. Gottesleben 8. 5. Graaff 18. 4. Haage *) 17.4. Haase (Kellinghusen) **) 24.4. Dr. Hein *) 17. 4. Frau Herklotz *5) 24. 4. Dr. Hermesdorff *5) 24. 4. Herold 17. 4. Hösl 17.4. Dr. Jahn (Braunschweig) *) 17. 4. Frau Klee 5*) 24. 4. Dr. Kliesing *5) 24. 4. Dr. Koch*) 17. 4. Köster 17.4. Konrad 28. 4. Frau Krappe 24. 4. *) Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments **) Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen der Beratenden Versammlung des Europarates Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Kriedemann*) 17. 4. Frau Dr. Kuchtner 17. 4. Lautenschlager 17. 4. Lemmer 17.4. Lemmrich **) 24. 4. Lenze (Attendorn) **) 24. 4. Dr. Löhr *) 18.4. Lücker *) 17.4. Dr. Luda 17.4. Maibaum 18. 4. Meister *) 19. 4. Memmel *) 17. 4. Dr. Mende 17.4. Müller (Aachen-Land) *) 24. 4. Dr. Müller . (München) **) 24. 4. Offergeld 17. 4. Frau Dr. Orth 17.4. Ott 17.4. Peters (Norden) 18.4. Pieroth 17. 4. Pöhler **) 24. 4. Pohlmann 17.4. Dr. Prassler 20.4. Dr. Probst 17.4. Richter **) 24. 4. Dr. Rinderspacher **) 24. 4. Dr. Ritz 17.4. Rösing 17. 4. Roser *5) 24.4. Dr. Rutschke **) 24.4. Schlee 17. 4. Frau Schlei 24.4. Dr. Schmid (Frankfurt) **) 24. 4. Schmidt (Würgendorf) **) 24.4. Dr. Schmücker 17.4. Dr. Schulz (Berlin) *5) 24. 4. Schwabe *) 17.4. Dr. Schwörer *) 17.4. Seefeld 26. 4. Seibert 17.4. Seiters 17.4. Sieglerschmidt **) 24. 4. Dr. Stark 17.4. Dr. Starke 17.4. Stein 17.4. Dr. Stoltenberg 17.4. Unertl 17. 4. von Weizsäcker 20.4. Wienand 20.4. von Wrangel 21.4. Wurbs 17.4. Anlage 2 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Arndt vom 14. April 1970 auf die Zusatzfrage des Abgeordneten Varelmann zu seiner Mündlichen Frage *). *) Siehe 41. Sitzung Seite 2087 C 2280 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Freitag, den 17. April 1970 In der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 20. März 1970 hatten Sie sich in einer Zusatzfrage erkundigt, wie hoch der prozentuale Anteil der Aufträge ist, die aufgrund der Richtlinien in den Zonenrandgebieten und den Ausbaugebieten vergeben werden. Des weiteren hatten Sie danach gefragt, ob die Bundesregierung ggfs. Listen über Firmen in den vorher genannten Gebieten führen könnte, die bereit sind, außerhalb dieser Gebiete Aufträge entgegenzunehmen. Hierzu darf ich Ihnen folgendes mitteilen: Der Anteil der öffentlichen Aufträge, die aufgrund der Richtlinien für die bevorzugte Berücksichtigung von Personen und Unternehmen aus dem Zonenrandgebiet und aus Berlin (West) bei der Vergabe öffentlicher Aufträge (letzte Fassung 19. Juni 1968 — Bundesanzeiger Nr. 138 vom 27. Juli 1968) von den Vergabestellen des Bundes in das Zonenrandgebiet vergeben worden sind, hat in den letzten Jahren (1965 bis einschließlich 1968) zwischen ca. 6,5 und ca. 10% des Auftragsvolumens des Bundes gelegen. Für das Jahr 1969 ist das Zahlenmaterial noch nicht vollständig. Nach den bislang eingegangenen Meldungen kann jedoch erwartet werden, daß mehr öffentliche Aufträge als im Vorjahr in dieses Gebiet gelangt sind. Für die Bundesausbaugebiete, die Sie ebenfalls erwähnt haben, gibt es keine Regelungen über die bevorzugte Behandlung bei der Vergabe öffentlicher Aufträge. Listen von Unternehmen in den Bundesausbaugebieten und im Zonenrandgebiet, die bereit sind, außerhalb der Heimat Aufträge entgegenzunehmen, aufzustellen und zu führen, dürfte aus mehreren Gründen nicht tunlich sein. Vor allem wären solche Listen kaum mit marktwirtschaftlichen Grundsätzen, von denen auch das öffentliche Auftragswesen getragen wird, zu vereinbaren. Wenn sie nämlich ihren Zweck erfüllen sollen, müßten die Aufträge unter Beschränkung oder sogar unter Ausschaltung des Wettbewerbs an die in den Listen verzeichneten Unternehmen vergeben werden. Ein solches Verfahren 1m Vergabewesen würde den Preis als Regulator ausschalten. Abgesehen davon würde es einen unvertretbaren Verwaltungsaufwand verursachen, für alle Vergabestellen derartige Listen anzulegen und sie ständig auf dem neuesten Stand zu halten. Bei der Ausgestaltung unseres Vergabewesens erscheint es auch gar nicht erforderlich, Firmenlisten anzulegen. Da nach den Verdingungsordnungen öffentliche Aufträge grundsätzlich ausgeschrieben werden, und zwar nicht nur im Bundesausschreibungsblatt, sondern darüber hinaus üblicherweise auch in Regionalblättern und Fachzeitschriften, hat jeder interessierte Unternehmer die Möglichkeit, sich um öffentliche Aufträge des Bundes zu bewerben. Wir waren uns in der Fragestunde schon darüber einig, daß Unternehmen in wirtschaftlich schwächeren Gebieten häufig geringere Kasten haben als Unternehmen in stark industrialisierten Gebieten, deshalb preisgünstigere Angebote abgeben und bei Bundesaufträgen leichter zum Ziele kommen können. Es wäre zu wünschen, wenn das Interesse von Unternehmen aus wirtschaftlich schwächeren Gebieten an öffentlichen Aufträgen künftig noch zunehmen würde. Anlage 3 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Herold vom 17. April 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Probst (Drucksache VI/610 Frage A 1) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß deutsche Wissenschaftler von seiten der DDR in Broschüren und Noten an die UNO und die Genfer Abrüstungskonferenz verdächtigt werden, auf dem verbotenen Gebiet der chemischen und biologischen Kampfstoffe zu arbeiten, und was gedenkt die Bundesregierung zum Schutz der Betroffenen gegen diese Behauptungen zu unternehmen? Es ist der Bundesregierung bekannt, daß deutsche Wissenschaftler von der DDR verdächtigt werden, an der Herstellung chemischer und biologischer Kampfstoffe zu arbeiten. Die Behauptung, die Bundesregierung bereite die chemische Kriegführung vor, gehört seit langen Jahren zu den ständig wiederholten Argumenten in der Propaganda der DDR- Regierung. Eine Ausweitung dieser Argumentation in Richtung auf den Vorwurf, die Bundesregierung bereite auch den bakteriologischen Krieg vor, zeichnet sich seit Anfang Dezember 1968 ab. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich am 23. Oktober 1954 bekanntlich verpflichtet, atomare, chemische und biologische Waffen nicht herzustellen. Sie unterliegt für die Einhaltung dieser Verpflichtung der Kontrolle durch das Rüstungskontrollamt der westeuropäischen Union. Chemische und bakteriologische Waffen werden dementsprechend in der Bundesrepublik Deutschland nicht hergestellt. Diesem Umfang unserer kontrollierter Rüstungsverzichte steht jedoch eine vergleichbare kontrollierte völkerrechtliche Verpflichtung der DDR, auf die Herstellung chemischer und biologischer Kampfmittel zu verzichten, nicht gegenüber. Die DDR unterliegt demgemäß auch keiner diesbezüglichen Kontrolle durch internationale Organe. Die Bundesregierung kann in der gegebenen Lage nicht davon ausgehen, daß ihr Verzicht auf die Herstellung chemischer und biologischer Waffen in jedem Falle und jeder Situation ein gleiches Verhalten anderer hervorruft. Solange Gefahren, die sich aus dieser Situation für die deutsche Bevölkerung ergeben, bestehen, müssen die Möglichkeiten zur Abwendung von Gefahren rechtzeitig untersucht werden. Für die mit diesen Arbeiten beschäftigten Wissenschaftler ist es vertraglich bindende Verpflichtung, daß sie nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht haben, Strafantrag zu stellen, wenn der Verdacht besteht, daß Untersuchungen für die Herstellung von Kampfstoffen zur biologischen und chemischen Kriegführung angestellt werden. Die von der DDR erhobenen Vorwürfe gegen Wissenschaftler in der Bundesrepublik Deutschland sind deshalb falsch und werden von der Bun- Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Freitag, den 17. April 1970 2281 desregierung nachdrücklich zurückgewiesen. Die Bundesregierung wird nicht versäumen, wenn dies notwendig ist, diesen Standpunkt in angemessener Weise zum Schutze der Betroffenen zum Ausdruck zu bringen. Sie wird sich dabei von den schutzbedürftigen Interessen der Betroffenen leiten lassen. Die Bundesregierung hält es für überzeugender als Vorwürfe, wenn sich die Regierung der DDR mit gleicher Wirkung völkerrechtlich verpflichten würde, auf die Herstellung chemischer und biologischer Waffen zu verzichten, wie die Bundesrepublik Deutschland vor 16 Jahren. Die Bundesregierung hofft, daß die Arbeiten an einer internationalen Konvention über das Verbot der Massenvernichtungswaffen erfolgreich voranschreiten und ist überzeugt, daß ihr völkerrechtlicher Verzicht auf die Herstellung von B- und C-Waffen sowie die aus der praktischen Erfahrung des Herstellungsverzichts gemachten Vorschläge an den Generalsekretär der Vereinten Nationen in ihrem Memorandum vom 12. September 1969 dem gefährdeten Frieden in dieser Welt mehr nützen als Polemik. Anlage 4 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dorn vom 17. April 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Zimmermann (Drucksache VI/610 Frage A 13) : Ist die Bundesregierung bereit, die Frage zu prüfen, deutschen Staatsbürgern, die vorübergehend oder ständig ihren Wohnsitz im Ausland haben, die Ausübung ihres Wahlrechts bei Bundestagswahlen zu ermöglichen? Die Bundesregierung hat bereits in der Fünften Wahlperiode geprüft, ob den Auslandsdeutschen insgesamt oder einzelnen ihrer Gruppen die Wahlberechtigung zum Deutschen Bundestag eingeräumt werden könnte. Anlaß hierzu war eine Änderung des Bundeswahlgesetzes mit dem Ziel, den deutschen Bediensteten zwischen- oder überstaatlicher Organisationen das aktive Wahlrecht bei Bundestagswahlen zuzugestehen. Ähnliche Bestrebungen waren in den parlamentarischen Beratungen des Entwicklungshelfergesetzes zugunsten dieses Personenkreises zu verzeichnen. Beide Vorhaben scheiterten durch die Anrufung des Vermittlungsausschusses durch den Bundesrat (Drucksache V/3897 [neu] und V/4107). Der Bundesrat hielt es für geboten, im Hinblick auf die Bedeutung und die Schwierigkeit der rechtlichen, insbesondere der verfassungrechtlichen, sowie rechtspolitischen Bedenken, die gesamte Problematik nochmals gründlich zu überdenken und eine etwaige gesetzliche Regelung dem Sechsten Deutschen Bundestag vorzubehalten. Dazu dürfte sich bei der Änderung des Bundeswahlgesetzes Gelegenheit ergeben, die bereits aus anderem Anlaß, insbesondere der Anpassung der Wahlkreiseinteilung an zwischenzeitliche Bevölkerungsverschiebungen und der Verbesserung einiger wahlrechtlicher Einzelregelungen vorgesehen ist. Das Gesamtproblem könnte dann im Sinne der Anregung des Bundesrats nochmals eingehend geprüft wenden. Wegen der zunehmenden internationalen Verflechtungen und der fortschreitenden europäischen Integration erscheint es in der Tat erstrebenswert, die Wahlberechtigung zum Deutschen Bundestag unter Berücksichtigung von Auslandsdeutschen stärker auszuweiten als es die Regelung für lAngehörige des öffentlichen Dienstes vorsieht, die auf Anordnung ihres Dienstherrn ihren Wohnsitz im Ausland genommen haben. Zur Zeit läßt sich noch nicht übersehen, in welchem Umfang eine Ausdehnung der Wahlberechtigung anläßlich der erwähnten Novellierung des Bundeswahlgesetzes wird vorgeschlagen werden können. Die Bundesregierung betrachtet es selbstverständlich auch weiterhin als ihr Anliegen, diese Bestrebungen der Auslandsdeutschen im Rahmen des rechtlich und politisch Möglichen einer zufriedenstellenden Lösung zuzuführen. Anlage 5 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dorn vom 17. April 1970 auf die Mündliche Frage der Abgeordneten Frau Herklotz (Drucksache VI/610 Frage A 19) : Ist die Bundesregierung bereit, entsprechend der Empfehlung 562 (1969) der Beratenden Versammlung des Europarates sich an der Ausarbeitung einer Europäischen Charta der Umwelthygiene zu beteiligen? Die 'Bundesregierung ist bereit, sich an der Ausarbeitung einer Europäischen Grundsatzerklärung zur Einrichtung einer Verwaltung für Umwelthygiene zu beteiligen. Nur eine solche Grundsatzerklärung ist in der Empfehlung 562 der Beratenden Versammlung ,des Europarates vorgesehen, von einer Charta ist dort nicht die Rede. Anlage 6 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Reischl vom 17. April 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Memmel (Drucksache VI/610 Frage A 31) : Sieht der Bundesfinanzminister eine Möglichkeit, den nichtöffentlichen privaten Stiftungen, die nach Artikel 34 des bayerischen Stiftungsgesetzes vorn 26. November 1954 aus der staatlichen Obhut ausgeschieden und damit der Körperschaftsteuer und Vermögensteuer unterworfen sind, zu helfen, damit sie ihrer Aufgabe, Stipendien auszuschütten, nachkommen können und damit nicht das Stiftungsvermögen durch die Steuerbelastung aufgezehrt wird? Das Steuerrecht unterscheidet nicht zwischen öffentlichen und nichtöffentlichen Stiftungen, soweit es sich um Stiftungen des Privatrechts handelt. Stiftungen sind nach § 1 Abs. 1 Ziff. 4 bzw. 5 des Körperschaftsteuergesetzes — KStG — unbeschränkt 2282 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Freitag, den 17. April 1970 körperschaftsteuerpflichtig und nach § 1 Abs. 1 Ziff. 2 d bzw. 2 e des Vermögensteuergesetzes —VStG — unbeschränkt vermögensteuerpflichtig. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sie unter staatlicher Obhut stehen oder nicht. Dienen sie jedoch nach ihrer Satzung und nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar kirchlichen, gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken, so sind sie von der Körperschaftsteuer und der Vermögensteuer befreit. Unterhalten sie einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, der über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgeht, so sind sie lediglich insoweit steuerpflichtig (§ 4 Abs. 1 Ziff. 6 KStG; § 3 Abs. 1 Ziff. 6 VStG). Die Bundesregierung sieht keine Möglichkeit, die nichtöffentlichen Stiftungen anders zu behandeln, da steuerlich eine Benachteiligung gegenüber den öffentlichen Stiftungen grundsätzlich nicht vorliegt. Anlage 7 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Reischl vom 15. April 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Orgaß (Drucksache VI/610 Frage A36): Ist die Bundesregierung bereit, darauf hinzuwirken, daß die von den Banken und Sparkassen für die Aufbewahrung von Bundesschatzbriefen erhobene Mindestdepotgebühr von jährlich 4 DM künftig entfällt, unter dem Gesichtspunkte, daß damit für weite Kreise der Bevölkerung das Interesse am Bundesschatzbrief geweckt und gefördert werden kann? Die bisherige Gebührenfreiheit für Kleindepots bis etwa 2000 DM, die auch für BundesschutzbriefBestände galt, ist von einem Teil der Kreditinstitute aufgehoben worden. Die Bundesregierung wird in Verhandlungen mit dem Kreditgewerbe zu erreichen versuchen, daß die Erwerber von Bundesschatzbriefen möglichst weitgehend von Depotgebühren freigestellt werden. Anlage 8 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller vom 17. April 1970 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Weber (Köln) (Drucksache VI/610 Fragen A 43 und 44) : Wie hoch schätzt das Bundesfinanzministerium die Steuermindereinnahmen, die dadurch entstanden sind, daß Einkünfte von deutschen Steuerpflichtigen der Besteuerung nach deutschem Recht entzogen und nur den weit milderen Steuergesetzen der Schweiz unterworfen worden sind (vgl. DGB-Nachrichtendienst vom 26. März 1970) ? Wird das Bundesfinanzministerium bei der Neufassung des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz entsprechend der Forderung des DGB darauf drängen, eine Steuerflucht in die Schweiz durch gesetzliche Maßnahmen zu verhindern, und rückwirkend — z. B. für einen Zeitraum von fünf Jahren — die der deutschen Besteuerung entzogenen Beträge nachversteuern? Unsere Aufkommensverluste aus Einkommens- und Vermögensverlagerungen in die Schweiz sind sehr hoch. Genaue Zahlen kann ich Ihnen aber nicht geben, weil gerade die wichtigsten Verlagerungsvorgänge von den Beteiligten sorgfältig geheimgehalten oder verschleiert werden — eine statistische Erfassung der Steuerflucht ist deshalb nur in ganz engen Grenzen möglich. Stichprobenmaterial liefern uns allerdings Einzelfälle, die der deutschen Finanzverwaltung bekannt sind und von ihr aufgegriffen werden, wobei die angestrebten Steuervorteile oft aufgrund des bestehenden Rechts, vor allem der Vorschriften gegen den Rechtsmißbrauch vereitelt werden. Aus einer Sammlung von Verlagerungen von Briefkastengesellschaften — sie betrifft auch Vermögensverlagerungen in andere Oasenländer als die Schweiz — ergibt sich je Fall im Durchschnitt ein angestrebter jährlicher Steuerausfall von mehreren Hunderttausend DM, in den größten Fällen sogar von mehreren Millionen DM im Jahr. Vorweg möchte ich bemerken, daß die Vorteile aus der Steuerflucht auf dem zwischenstaatlichen Steuergefälle zwischen der Bundesrepublik und der Schweiz beruhen. Dieses Steuergefälle kann durch eine Abkommensrevision nicht beseitigt werden, weil die Schweiz als souveräner Staat allein über ihr Steuerniveau zu befinden hat. Das deutsch-schweizerische Doppelbesteuerungsabkommen verstärkt die unerwünschten Auswirkungen des Steuergefälles, indem es Einkünfte dem an sich noch bestehenden deutschen Steueranspruch ganz oder teilweise entzieht. Die Bundesregierung ist daher seit langem in sehr schwierigen Verhandlungen bemüht, das Abkommen zu revidieren, um die deutsche Besteuerung in den Fällen, in denen das gegenwärtige Abkommen zu unangemessenen Steuervorteilen und Fiskaleinbußen führt, wieder herzustellen. Ich darf Sie um Verständnis bitten, wenn ich im Hinblick auf die international übliche Vertraulichkeit der Verhandlungen mich zu näheren Einzelheiten des Verhandlungsstandes noch nicht äußere. Ich kann Ihnen aber erklären, daß die Bundesregierung ihre Bemühungen auch in den kommenden Verhandlungen, die für Anfang Mai 1970 vorgesehen sind, mit allem Nachdruck fortsetzen wird, um zu einem baldigen Verhandlungsabschluß zu gelangen. Eine Rückwirkung der die Steuerpflichtigen stärker als bisher belastenden Revisionsregelungen würde allerdings gegen das verfassungsrechtliche Verbot verstoßen, die steuerliche Rechtsposition des Betroffenen nachträglich zu verschlechtern. Anlage 9 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Arndt vom 17. April 1970 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Wolfram (Drucksache VI/610 Fragen A 47 und 48) : Erfüllt nach Auffassung der Bundesregierung die „Konzertierte Aktion" optimal ihre Aufgabe, bzw. was könnte gerade im Hinblick auf die derzeitige kunjunkturelle Lage besser funktionieren? Ist die Bundesregierung bereit, außer den bisherigen Partnern weitere zu beteiligen, wie z. B. den Bundesverband der Banken, oder bestehen gegen eie Ausweitung des Gesprächsteilnehmerkreises berechtigte Bedenken? Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Freitag, den 17. April 1970 2283 Die Konzertierte Aktion hat die Aufgabe, die Zielvorstellungen und Strategien des Staates und der autonomen Gruppen im Wirtschaftsprozeß gegenseitig kennenzulernen und soweit aufeinander abzustimmen, daß im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht erhalten oder erforderlichenfalls wiederhergestellt wird. Auch bei idem letzten Gespräch am 17. März 1970 waren sich alle Beteiligten in diesem Sinne über Inhalt und Aufgabe der Konzertierten Aktion und der gemeinsamen Gespräche einig. Der Sachverständigenrat hat in seinem letzten Jahresgutachten klargestellt, ,daß es für eine wirksame Verhaltenskoordination nicht eines förmlichen Beschlusses bedarf; für den Konjunkturverlauf sei allein entscheidend, „daß jede Gruppe sehr genau die Grenzen erkennt und respektiert, bei deren Überschreiten sie sich selbst nicht weniger schadet als der Gesamtheit". Am 17. März 1970 haben alle Gesprächsteilnehmer bekundet, daß sie die wirtschaftspolitischen und einkommenspolitischen Ziele der Bundesregierung mit den ihnen autonom zur Verfügung stehenden Mitteln weiterverfolgen wollen. Es kann daher festgestellt werden, daß die Konzertierte Aktion auch in der gegenwärtigen Situation ihre Aufgabe erfüllt. Im Zusammenhang mit dem Gespräch im Rahmen der Konzertierten Aktion am 17. März 1970 hat der Bundesminister für Wirtschaft erneut geprüft, inwieweit der Kreis der unmittelbaren Gesprächsteilnehmer erweitert werden kann. Er ist — in Übereinstimmung mit den bereits Beteiligten — zu dem Entschluß gekommen, zu den künftigen Gesprächen auch zwei Vertreter der Kreditwirtschaft einzuladen. Die Benennung dieser beiden Teilnehmer liegt im Ermessen der Verbände des Kreditgewerbes. Der Kreis der unmittelbaren Teilnehmer an den Gesprächen muß bei der großen Zahl interessierter Organisationen zwangsläufig so beschränkt werden, daß eine fruchtbare Diskussion noch möglich ist. Daher sind Verbände auszuwählen, die einerseits die hier gewonnenen Einsichten einem möglichst großen Kreis von Entscheidungsträgern in der Wirtschaft nahebringen und andererseits der Bundesregierung die Auffassung der Wirtschaft möglichst repräsentativ vermitteln können. Anlage 10 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Arndt vom 17. April 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Höcherl (Drucksache VI/610 Frage A 55) : Wie hoch schätzt die Bundesregierung den Impuls der verteuerten Kreditkosten auf den Anstieg der Preise für Haushaltungs- und Investitionsgüter? Zweck der kreditpolitischen Maßnahmen der Deutschen Bundesbank vom 6. März 1970 ist die Anhebung des Zinsniveaus und damit die Verteuerung der Kredite. Hierdurch soll die Kreditaufnahme eingeschränkt werden mit der Folge, daß die gesamtwirtschaftliche Nachfrage vor allem nach Investitionsgütern zurückgeht, die Lagerhaltung reduziert wird und die konjunkturellen Spannungen, die für die derzeitigen Preissteigerungen ausschlaggebend sind, abgebaut werden. Es ist nicht auszuschließen, daß mit der Verteuerung der Kredite kurzfristig gewisse Preissteigerungen bei Investitionsgütern und Verbrauchsgütern verbunden sind. Die von den kreditpolitischen Restriktionen ausgehenden Wirkungen führen aber längerfristig zweifellos zu einer spürbaren Preisdämpfung. Insgesamt gesehen werden die Preise für Investitions- und Verbrauchsgüter weniger steigen, als dies ohne Anwendung des kreditpolitischen Instrumentariums der Fall sein würde. Eine quantifizierende Schätzung ist allerdings nicht möglich. Anlage 11 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Arndt vom 17. April 1970 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Baron von Wrangel (Drucksache VI/610 Fragen A 56 und 57) : Ist die Bundesregierung bereit, dem Deutschen Bundestag in einer Übersicht konkrete Angaben darüber zu machen, welche geplanten oder bereits laufenden Projekte für die wirtschaftliche und strukturelle Entwicklung in Zonenrandgebieten, vor allem in Schleswig-Holstein, durch die für das laufende Wirtschaftsjahr von der Bundesregierung beschlossenen Haushaltssperrungen zurückgestellt bzw. gestoppt werden müssen, und stehen solche Sperrungen nicht in Widerspruch zu dem Anliegen und den Zielvorstellungen der regionalen Förderungsprogramme? Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß in den strukturell bekanntlich schwachen und deshalb ja gezielt geförderten Zonenrandgebieten trotz der überspitzten Wirtschaftslage z. Z. keineswegs von einer Hochkonjunktur, die solche Einsparungen rechtfertigen würde, gesprochen werden kann und daß für diese Gebiete bei mangelnden Investitionen eine unerwünschte und bedenkliche Verödung eingeleitet werden könnte? Die Bundesregierung hat nicht die Absicht, Investitionen in den Fördergebieten zu erschweren. Deshalb wurden die Mittel für die regionale Wirtschaftsförderung auch 1970 aufgestockt. Die gute Konjunktur soll der Entwicklung dieser Regionen voll dienstbar bleiben. Im übrigen ist sichergestellt, daß laufende Projekte von den relativ geringfügigen Sperrungen nicht beeinträchtigt werden, und wird erwogen, dafür Sorge zu tragen, daß neue Vorhaben durch die Sperren nicht behindert werden. Anlage 12 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Arndt vom 17. April 1970 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Scheu (Drucksache VI/610 Fragen A 58 und 59) : 2284 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Freitag, den 17. April 1970 Da andere Länder — z. B. Großbritannien ca. 60 %, Frankreich über 50 % — einen wesentlichen Anteil der Kosten für die Normenausschüsse aus öffentlichen Mitteln aufbringen, während Bund (1,9 %) und Länder (2,9 %) zusammen nur 4,8 % aus öffentlichen Mitteln beisteuern, frage ich die Bundesregierung, ob sie die Absicht hat, ihren Beitrag für den Deutschen Normenausschuß so zu erhöhen, daß der durch den Deutschen Normenausschuß geleistete Beitrag zur wirtschaftlichen Infrastruktur und zur allgemeinen Wirtschafts- und Gewerbeförderung effektiver wird, und welche Beträge sie für möglich hält, um im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung in den nächsten Jahren die erforderliche Stärkung des Deutschen Normenausschusses durchzuführen? Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen oder beabsichtigt sie in Zukunft zu ergreifen, um nach Schaffung der entsprechenden Übersetzervoraussetzungen im Deutschen Normenausschuß die Wirtschafts-Attachés der deutschen Botschaften und Konsulate in die notwendige Vermittlung der Kenntnisse, Ergebnisse und Erfolge des deutschen Normenwerkes, insbesondere in den Entwicklungsländern und im Rahmen deutscher Industrieprojekte im Ausland, einzuschalten? Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die zunehmenden Aufgaben des Deutschen Normenausschusses, insbesondere auf den Gebieten der Sicherheitstechnik, des Verbraucherschutzes, der Rationalisierung und der Typisierung sowie seine intensivere Einschaltung in internationale Verhandlungen eine stärkere finanzielle Unterstützung von seiten der Bundesregierung rechtfertigt. Der Bundesminister für Wirtschaft hat deshalb erstmalig für das Haushaltsjahr 1970 einen besonderen Titel „Förderung des Normenwesens" in Höhe von 300 000 DM beantragt. Für das Hauhaltsjahr 1971 ist eine Steigerung auf 400 000 DM vorgesehen. Im Zuge der mittelfristigen Finanzplanung sind für die darauf folgenden Haushaltsjahre für die Förderung des Normenwesens folgende Titelansätze in Aussicht genommen: 1972 600 000 DM 1973 800 000 DM. Zu den erwähnten internationalen Aufgaben des Deutschen Normenausschusses gehört die Mitwirkung bei der Förderung des Normenwesens im Ausland, speziell im Rahmen der technischen Hilfe. Der Deutsche Normenausschuß steht deshalb mit meinem Haus sowie mit dem Auswärtigen Amt und dem Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit in ständiger Verbindung. Im Hinblick auf die unterschiedlichen technischen Gegebenheiten in den einzelnen Ländern muß sich die Zusammenarbeit den speziellen Erfordernissen anpassen. Die Einschaltung der Wirtschaftsabteilungen der deutschen Auslandsvertretungen in die Förderungsmaßnahmen auf dem Gebiet des Normenwesens verläuft durchaus zufriedenstellend. Allerdings würden personelle Strukturverbesserungen bei den Auslandsvertretungen auch der internationalen Arbeit auf dem Normenwesen zugute kommen. Anlage 13 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Arndt vom 17. April 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Hermesdorf (Sehleiden) (Drucksache VI/610 Frage A 64) : Warum ist der Planungsausschuß gemäß § 6 des Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" vom 6. Oktober 1969 bis jetzt noch nicht gebildet worden, und wann ist mit seiner Konstituierung zu rechnen? Die ursprünglich vorgesehene Sitzung des Planungsausschusses mußte aus Termingründen verschoben werden. Der Bundesminister für Wirtschaft hat den Ausschuß nunmehr für den 6. Mai 1970 zu seiner konstituierenden Sitzung einberufen. Anlage 14 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Rohde vom 17. April 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Ruf (Drucksache VI/610 Frage A 67): Ist die Bundesregierung bereit, die wirtschaftliche Situation der Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung, die bei einer Krankheitsdauer von mehr als sechs Wochen bei Krankenhausaufenthalt lediglich ein Hausgeld, d. h. ein erheblich vermindertes Krankengeld beziehen, zu verbessern? Wir wissen, Herr Kollege, aus den sozialpolitischen Beratungen gemeinsam um die Problematik des Hausgeldes, das bei stationärer Behandlung dem Versicherten zu zahlen ist. Dieses Hausgeld entspricht nicht in allen Fällen dem tatsächlichen Leistungsbedarf. Nach meiner Auffassung müssen die Barleistungen der Krankenversicherung, soweit sie Lohnersatzfunktion haben, so festgesetzt werden, daß es den Versicherten und ihren Familien möglich ist, ihren Lebensstandard auch während einer längeren Krankheitsdauer aufrechtzuerhalten. Zu diesem Fragenkomplex erwarten wir Vorschläge von der Sachverständigenkommission zur Weiterentwicklung der Krankenversicherung. Die Kommission wird voraussichtlich am 29. April zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammentreten. Anlage 15 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Rohde vom 17. April 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten von Thadden (Drucksache VI/610 Frage A 69) : Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß zur Sicherung einer versichertennahen Betreuung bei der Einrichtung der Bundesknappschaft regionale Sektionen eingerichtet und daß für den Bereich der Saarknappschaft eine eigene Sektion „Saar" geschaffen werden soll? Die Frage der Sektionen hat, wie ich aus eigener Erinnerung weiß, den Sozialpolitischen Ausschuß dieses Hohen Hauses bei den Beratungen des Gesetzes zur Errichtung der Bundesknappschaft eingehend beschäftigt. Der Gesetzgeber hat schließlich in § 153 Reichsknappschaftsgesetz der Bundesknappschaft die Möglichkeit eingeräumt, zur Durchführung der knappschaftlichen Krankenversicherung Sektionen zu bilden. Die nähere Bestimmung hat er dabei ausdrücklich der Satzung überlassen. Die Entscheidung darüber, ob und gegebenenfalls für welche Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Freitag, den 17. April 1970 2285 Bereiche eine Sektion zur Durchführung der knappschaftlichen Krankenversicherung zu bilden ist, obliegt daher ausschließlich den Selbstverwaltungsorganen der Bundesknappschaft. Anlage 16 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Rohde vom 17. April 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten von Thadden (Drucksache VI/610 Frage A 70): Wie weit sind die Verhandlungen zur Neuordnung der hüttenknappschaftlichen Pensionsversicherung des Saarlandes gediehen, bei denen das Bundesarbeitsministerium federführend ist? Wie Sie wissen, ist für die Neuordnung der hüttenknappschaftlichen Pensionsversicherung im Saarland ein Arbeitsausschuß gebildet worden, der überwiegend aus Vertretern der interessierten Stellen im 'Saarland besteht. Der Arbeitsausschuß hat bisher in mehreren Sitzungen die mit der Neuordnung der hüttenknappschaftlichen Pensionsversicherung zusammenhängenden Fragen und Probleme erörtert. Die Bundesregierung ist — wie auch die Mitglieder des Arbeitsausschusses — der Auffassung, daß eine systemgerechte Neuordnung der hüttenknappschaftlichen Pensionsversicherung bloßen Teillösungen vorzuziehen ist. Die nächste Sitzung des Arbeitsausschusses findet am 20. April 1970 in Bonn statt. Ich hoffe, daß die Bundesregierung in der zweiten Hälfte dieses Jahres den gesetzgebenden Körperschaften einen Gesetzentwurf vorlegen kann. Anlage 17 Schriftliche Antwort des Bundesministers Frau Strobel vom 15. April 1970 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Bechert (Gau-Algesheim) (Drucksache VI/610 Fragen A 89 und 90) : Trifft es zu, daß die Firma Merck/Darmstadt das Vitaminpräparat Multibionta mit dem gleichen Namen in der gleichen Aufmachung und zum gleichen Preis, aber in verschiedener Zusammensetzung zur Zeit verkauft, weil sie das alte Präparat noch bis zum 27. Januar 1971 verkaufen darf, welches u. a. Vitamin D und Vitamin A enthält, während das neue Präparat, das zur Zeit neben dem alten verkauft wird und nach dem 27. Januar 1971 allein verkauft werden wird, kein Vitamin D enthält und Vitamin A nur unterhalb der Sperrgrenze? Falls die Frage 89 mit ja zu beantworten ist, was wird die Bundesregierung tun, um die Verbraucher vor der Gefahr einer Irreführung zu schützen, da ja die meisten Käufer die Zusammensetzung des Präparates, die in sehr kleinem Druck auf der Verpackung angegeben ist, beim Kauf nicht lesen, überdies meistens nicht wissen, daß zwei verschiedene Präparate zum gleichen Preis in der gleichen Aufmachung auf dem Markt sied, von denen das zweite, in Zukunft allein auf dem Markt befindliche, frei verkäuflich ist, während das alte nur in Apotheken abgegeben wird? Es trifft zu, daß eine Arzneispezialität der Firma Merck AG mit der Bezeichnung Multibionta registriert worden ist, die sich in der Zusammensetzung der arzneilich wirksamen Bestandteile von einer bereits früher mit ,der Bezeichnung Multibionta registrierten Arzneispezialität der Firma Merck AG unterscheidet. Die Firma Merck AG hat der zuständigen obersten Landesgesundheitsbehörde gegenüber erklärt, daß kaum noch nennenswerte Bestände der Arzneispezialität alter Zusammensetzung im Handel sein dürften. Die alte Arzneispezialität Multibionta wird seit Juli 1969 nicht .mehr hergestellt und seit November 1969 von dem Hersteller nicht mehr ausgeliefert. Ein Hersteller von Arzneimitteln kann im Rahmen der Vorschriften des Arzneimittelgesetzes die Zusammensetzung der von ihm hergestellten Arzneispezialität ändern. Dieser Fall ist im § 23 Abs. 2 des Arzneimittelgesetzes geregelt. Danach gilt eine Arzneispezialität als neu und muß als neue Arzneispezialität registriert werden, wenn eine Änderung der arzneilich wirksamen Bestandteile vorgenommen wird. Wird im Zusammenhang mit der Neueintragung die alte Arzneispezialität auf Antrag des Herstellers gelöscht, so dürfen Packungen, die bereits in den Verkehr gebracht sind, noch für die Dauer eines Jahres abgegeben werden, soweit sonstige Vorschriften nicht entgegenstehen (§ 25 Abs. 3 Arzneimittelgesetz). Der Hersteller ist gesetzlich nicht verpflichtet, die Löschung zu beantragen. Einem weiteren Inverkehrbringen von Arzneispezialitäten mit derselben besonderen Bezeichnung kann u. a. die Vorschrift des § 8 des Arzneimittelgesetzes (Irreführung) entgegenstehen, falls diese im Einzelfall unter irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung in den Verkehr gebracht werden. Zuständig für die Einleitung von Maßnahmen sind die Länder und für 'die Entscheidung letztlich die Gerichte. Unabhängig davon, ob es sich im vorliegenden Fall um eine Irreführung im Sinne des § 8 des Arzneimittelgesetzes handelt, werde ich im Rahmen einer künftigen Novellierung des Arzneimittelgesetzes prüfen, ob das Bundesgesundheitsamt die Befugnis erhalten soll, bei Änderung der Zusammensetzung der arzneilich wirksamen Bestandteile einer im Verkehr befindlichen Arzneispezialität die Weiterverwendung der bisherigen Bezeichnung nur zuzulassen, wenn gleichzeitig die Löschung der alten Arzneispezialität erfolgt. Anlage 18 Schriftliche Antwort des Bundesministers Frau Strobel vom 15. April 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Probst (Drucksache VI/610 Frage A 93) : Welche Bewandtnis hat es mit der im Zusammenhang mit Beschuldigungen — siehe Frage 1 — erwähnten sogenannten „zentralen Giftkartei", die im Bundesgesundheitsamt erstellt wird? Bei der sogenannten Giftkartei handelt es sich um eine Informationskartei über handelsübliche Gifte, wie sie im Haushalt, im Garten und in Gewerbetrieben als Reinigungsmittel, Pflanzenschutzmittel, Lösungsmittel usw. Verwendung finden. Es 2286 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Freitag, den 17. April 1970 ist beabsichtigt, die Informationskartei auch auf Arzneimittel auszudehnen. Die Giftkartei enthält keine Informationen über chemische Kampfstoffe. Sie dient ausschließlich als Unterlage für die Beratung von Ärzten für die spezifische Behandlung von Vergiftungsfällen, wie sie durch unsachgemäße oder mißbräuchliche Verwendung täglich vorkommen. Die steigende Anzahl von Vergiftungen in Haushaltungen mit Mitteln des täglichen Bedarfs, von denen auch zahlreiche Kinder betroffen sind, veranlaßte das Bundesministerium für Gesundheitswesen im Jahre 1965, beim Bundesgesundheitsamt eine Dokumentationszentrale zur Erfassung aller Handelsartikel mit giftigen und gesundheitsschädlichen Stoffen einzurichten und eine Informationskartei für Vergiftungsfälle zu erstellen, die an eine begrenzte Anzahl von Krankenanstalten, die über die für die Behandlung von Vergiftungen entsprechenden Einrichtungen und Erfahrungen verfügen, verteilt werden. Diese Krankenanstalten geben Auskünfte an Ärzte im Vergiftungsfall. Diese sogenannte Giftkartei enthält 1. Hinweise für allgemeine Maßnahmen bei Vergiftungen, 2. sogenannte Stoffkarten, die Auskunft geben über die chemischen Stoffe, wie sie in Reinigungs- und Pflegemitteln des Haushalts und in Pflanzenschutzmitteln vorkommen, nach ihrer Beschaffenheit, Verwendung, Giftwirkung, ihrem Nachweis, den Symptomen und Behandlungsvorschlägen, 3. sogenannte Firmenkarten, die Auskunft geben über Sitz der Firmen. Rufnummer, Rufnummer des verantwortlichen Leiters oder Arztes, der mit Auskünften über die Firmenerzeugnisse dienen kann, 4. sogenannte Mittelkarten, die den Namen des Markenartikels und den Hersteller, die Handelsform und den Verwendungszweck sowie die für eine Vergiftung in Frage kommenden Bestandteile enthalten. Im übrigen verweise ich auf den Artikel im Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung „Maßnahmen zur Verhütung und Behandlung von Vergiftungen" (Nr. 22, Seite 223 vom 18. Februar 1970). Anlage 19 Schriftliche Antwort des Bundesministers Frau Strobel vom 15. April 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Schulte (Schwäbisch-Gmünd) (Drucksache VI/610 Frage A 94) : Ist es richtig, daß — einer Pressemitteilung zufolge — die Bundesrepublik Deutschland im Kampf gegen die Säuglingssterblichkeit an 21. Stelle unter den Ländern der Erde steht? Die von Ihnen genannte Pressenotiz, Herr Kollege Schulte, nach der die BRD im Kampf gegen die Säuglingssterblichkeit an 21. Stelle unter den Ländern der Erde steht, ist mir nicht bekannt. Nach Mitteilung des Statistischen Bundesamtes liegt die BRD nach Veröffentlichungen der UN mit einer Säuglingssterblichkeit von 22,8 auf 1000 Lebendgeborene im Jahre 1967 an 18. Stelle unter den Ländern der Erde und an 12. Stelle unter den Ländern Europas. Zahlen für 1968 liegen noch nicht von allen Ländern vor. In diesem Zusammenhang muß jedoch darauf hingewiesen werden, daß bei der Säuglingssterblichkeit eine absolute internationale Vergleichbarkeit nicht gegeben ist, da die Definition für Tot- und Lebendgeborene sowie die Registrierung von Säuglingssterbefällen in den einzelnen Ländern teilweise sehr variieren. Anlage 20 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 17. April 1970 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Gerlach (Obernau) (Drucksache VI/610 Fragen A 99 und 100) : Liegen der Bundesregierung Erfahrungsberichte vor, wonach die derzeitige Gebührenregelung im Kfz-Zulassungswesen ausgesprochen praxisfremd ist und einen unnötigen Verwaltungsaufwand erfordert? Hat die Bundesregierung Bedenken, die in Artikel I B der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr i. d. F. der Änderungsverordnung vom 15. Juli 1966 (BGBl. I S. 420) vorgesehenen 40 Einzelgebühren zu Pauschalgebühren zusammenzufassen, diese Pauschalgebühren etwa nach den einzelnen Zulassungsverfahren (Erstzulassung — Umschreibung — Stillegung — Wiederzulassung) zu bestimmen und damit die bisherigen 40 Einzelgebühren auf etwa 3 bis 5 Pauschalgebühren zu reduzieren? Erfahrungsberichte im Sinne der Anfrage liegen der Bundesregierung nicht vor. Es besteht auch kein Bedürfnis, statt der Einzelgebühren Pauschalgebühren im Kfz-Zulassungswesen festzusetzen. Den mit der Gebührenerhebung befaßten Stellen bereitet es keine Schwierigkeiten, für die häufiger vorkommenden Vorgänge im Zulassungsverfahren eine Gesamtgebühr auszuweisen, der die Einzelpositionen der Gebührenordnung als Rechnungsfaktor zugrunde liegen. Ein Verzicht auf differenzierte Einzelgebühren liegt auch nicht im Interesse der Kraftfahrzeughalter, da diese bei der Inanspruchnahme einer Einzelmaßnahme durch die unter Umständen viel zu hohe Pauschalgebühr unangemessen hoch belastet würden. Schließlich ist noch zu berücksichtigen, daß das Gebührenaufkommen nicht nur den Ländern, sondern zum Teil auch dem Bunde zufließt. Die Aufteilung in Einzelgebühren erleichtert die Abrechnung und deren Überprüfung. Anlage 21 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 17. April 1970 auf die Mündliche Frage der Abgeordneten Frau Funcke (Drucksache VI/610 Frage A 101) : Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Freitag, den 17. April 1970 2287 Trifft es zu, daß ein Test der Landesverkehrswacht in Hamburg ergeben hat, daß Fahrschüler, die auf Wagen mit Automatik gelernt und die Fahrprüfung bestanden haben, sich in einem handgeschalteten Wagen als unsicher und als Gefahrenquelle im Straßenverkehr erwiesen? Es trifft zu, daß die von der Landesverkehrswacht in Hamburg getesteten Personen — es handelt sich lediglich um zwei Damen —, die als Fahrschüler auf Wagen mit Automatik gelernt hatten und die ihre bisherige Fahrpraxis auf solchen Wagen erworben haben, sich auf handgeschalteten Wagen als unsicher und verkehrsgefährdend erwiesen. Wie der Bundesregierung bekannt wurde, hatten beide Testpersonen zu keiner Zeit — auch nicht während ihrer Fahrschulausbildung — auf Kraftfahrzeugen mit konventioneller Kraftübertragung geübt. Anlage 22 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 17. April 1970 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Maucher (Drucksache VI/610 Fragen A 102 und 103) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß dem Unfallrettungsdienst die notwendigen Mittel fehlen, um seiner Aufgabe gerecht zu werden? Ist die Bundesregierung bereit, aus dem besonderen Topf für die Publizierung der Straßenverkehrs-Ordnung wenigstens einen Teil der Mittel für den Unfallrettungsdienst abzuzweigen? Es ist der Bundesregierung bekannt, daß der Rettungsdienst in den dafür zuständigen Bundesländern oft nicht ausreichend finanziert wird. Der Bundesminister für Verkehr hat daher die Innenminister der Bundesländer dringend gebeten, den Rettungsdienst in ihren Landesbereichen zu überprüfen und, wo erforderlich, entsprechende Maßnahmen einzuleiten. Die für die Information der Bevölkerung über die neue Straßenverkehrsordnung veranschlagten Haushaltsmittel reichen nicht aus, um das zur Aufklärung der Bevölkerung vorgesehene Programm in vollem Umfang durchzuführen. Im übrigen ist die Aufklärung der Bevölkerung über die künftige Straßenverkehrsordnung nicht Selbstzweck, sondern sie ist ein unverzichtbarer Beitrag zur Verkehrserziehung. Sie dient somit der Unfallverhütung. Anlage 23 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen 'Staatssekretärs Börner vom 17. April 1970 ,auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Erhard (Bad Schwalbach) (Drucksache VI/610 Frage A 104) : Ist die Bundesregierung bereit, den Vorschlag von Professor Grzimek aufzunehmen und an den Bundesautobahnen, besonders an den gefährdeten Stellen, Wildschutzzäune zu errichten, um damit schwere Unfälle zu vermeiden? Die Bundesregierung prüft zur Zeit Zweckmäßigkeit und Umfang einer Ausrüstung der Bundesautobahnen mit Wildschutzzäunen. Zu diesem Zweck läßt sie im Rahmen eines umfangreichen Programms in einigen Ländern Versuche an Bundesautobahnen durchführen. Wenn auch der Bund rechtlich nicht verpflichtet ist, Wildschutzzäune an Straßen aufzustellen, so kommt eine Ausrüstung an Bundesautobahnen dennoch in Betracht, wenn die Versuchsergebnisse dafür sprechen sollten und die Unterhaltung derartiger Anlagen zusammen mit den jagdinteressierten Stellen vernünftig geregelt werden kann. Anlage 24 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 17. April 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Unland (Drucksache VI/610 Frage A 105) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß Transportunternehmen in Grenzgebieten durch die Regelung des § 6 a des Güterkraftverkehrsgesetzes benachteiligt werden, und ist sie bereit, durch eine Vorlage auf Änderung dieser Bestimmung fiktive Standorte zuzulassen, damit die Wettbewerbsfähigkeit dieses für die häufig schwach strukturierten Grenzgebiete wichtigen Wirtschaftszweiges verbessert wird? Nach Auffassung der Bundesregierung werden Transportunternehmen in Grenzgebieten durch die Regelung des § 6 a Güterkraftverkehrsgesetz grundsätzlich nicht benachteiligt. Es ist jedoch vorgesehen, noch in diesem Monat alle Probleme, die sich aus der derzeitigen Regelung ergeben, zusammen mit den Ländern zu erörtern. Anlage 25 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 17. April 1970 auf die. Mündliche Frage des Abgeordneten Schulte (Schwäbisch-Gmünd) (Drucksache VI/610 Frage A 106) : Beabsichtigt die Bundesregierung, entsprechend dem Vorbild anderer europäischer Länder, den Einbau von Sicherheitsgurten in fabrikneue Personenkraftwagen im Interesse der Sicherheit der Wageninsassen zur Pflicht zu machen? Eine entsprechende Vorschrift ist beabsichtigt und soll durch Änderungsverordnung in die Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) eingeführt werden. Anlage 26 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 17. April 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Schulz (Berlin) (Drucksache VI/610 Frage A 107): Warum muß in Westberlin für Auslandsflüge noch immer eine Flugplatzgebühr von 5 DM entrichtet werden, die in westdeutschen Flughäfen schon seit einiger Zeit nicht mehr erhoben wird? 2288 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Freitag, den 17. April 1970 Der Berliner Senat hat sich — in Übereinstimmung mit der Bundesregierung — nicht dazu entschließen können, den zuständigen alliierten Stellen eine Änderung der gegenwärtigen Gebührenregelung vorzuschlagen. Eine Beeinträchtigung der Stabilität der Flugreise im Auslandsflugverkehr von Berlin wäre nämlich bei einer Abwälzung der Gebühr auf die Luftverkehrsunternehmen zu befürchten. Anlage 27 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 17. April 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Wagner (Günzburg) (Drucksache VI/610 Frage A 108) : Wie beurteilt die Bundesregierung Vorschläge zur Verminderung der Unfallgefahren, die Baumbepflanzung entlang der Bundesstraßen zu beseitigen? Soweit Bäume an Bundesfernstraßen — nur für diese Straßen kann der Bund Weisungen erteilen für die Verkehrsteilnehmer eine akute Gefahr bilden, werden sie beseitigt. Eine Beseitigung aller Bäume wäre unzweckmäßig, da Untersuchungen ergeben haben, daß bei einer solchen Straße Unfallgefahr und Unfallschwere nicht geringer werden, sondern sich unter gewissen Umständen noch verschärfen. Das erklärt sich damit, daß sich auf baumlosen Straßen das Blickfeld des Kraftfahrers zwangsläufig erweitert und ihn zum schnelleren Fahren veranlaßt, was wiederum zunehmende Gefahren zur Folge hat. Anlage 28 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 17. April 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Leicht (Drucksache VI/610 Frage A 111): Ist die Bundesregierung bereit, alles Notwendige zu tun, um im Sendebereich des Südwestfunks auch der Südpfalz (Raum Bad Bergzabern, Landau, Germersheim) den Empfang der Sendung „Blick ins Land" (Berichte und Nachrichten aus Rheinland-Pfalz), der bisher in diesem Raum meistens durch die Sendung „Abendschau" (Berichte und Nachrichten aus Baden-Württemberg) überlagert wird, zu ermöglichen? Bei den angesprochenen Fragen handelt es sich um Sendeanlagen für das 1. Fernsehprogramm, für die nicht die Deutsche Bundespost, sondern der Südwestfunk zuständig ist. Das Fernsehleitungsnetz der Deutschen Bundespost würde es technisch ermöglichen, die im Land Rheinland-Pfalz liegenden Sendeanlagen des Südwestfunks mit einem anderen Programm zu versorgen als die im Land Baden-Württemberg. Es ist jedoch ausschließlich Sache des Südwestfunks, davon Gebrauch zu machen oder nicht. Anlage 29 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Dahrendorf vom 17. April 1970 auf die Mündliche Frage der Abgeordneten Frau Klee (Drucksache VI/610 Frage A 120) : Bis wann ist mit dem Abschluß des Ratifizierungsverfahrens für das Europäische Übereinkommen über die akademische Anerkennung von akademischen Graden und Hochschulzeugnissen zu rechnen, dessen Ratifizierungsgesetz vom Deutschen Bundestag bereits am 19. Juni 1969 verabschiedet wurde? Die Ratifikationsurkunde für das Europäische Übereinkommen über die akademische Anerkennung von akademischen Graden und Hochschulzeugnissen wurde am 30. Januar 1970 beim Generalsekretär des Europarates hinterlegt. Das Übereinkommen ist nach seinem Artikel 10 Absatz 3 am 28. Februar 1970 für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten. Die Bekanntmachung des Inkrafttretens gemäß Artikel 3 Absatz 2 des Gesetzes vom 23. Oktober 1969 zu dem genannten Europäischen Übereinkommen ist eingeleitet. Anlage 30 Schriftliche Antwort des Bundesminister Dr. Ehmke vom 16. April 1970 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Luda (Drucksache VI/610 Frage B 1) : Treffen Pressemeldungen zu, denen zufolge Bundeskanzler Brandt in einer Sitzung des Bundeskabinetts erklärt hat, die Steigerung des englischen Ausdrucks für Nachrichten laute: „News, bad news, Agnews"? Die Frage bezieht sich offensichtlich auf einen Bericht im „SPIEGEL" vom 30. März 1970 über Stil und Arbeitsweise im Kabinett seit dem Regierungswechsel. Als Beispiel dafür, daß der Kanzler im Kabinett auch „Die Richtlinien des Humors bestimmt" — so die Formulierung in diesem SpiegelArtikel, wird berichtet, Bundeskanzler Brandt habe in einer Kabinettsitzung in bezug auf den Vizepräsidenten der USA den in der Frage zitierten Scherz erzählt. Der Herr Bundeskanzler hat den Scherz jedoch nicht in dem vom „SPIEGEL" behaupteten Zusammenhang erzählt, sondern — wie ihm beiläufig berichtet worden war — als Beispiel dafür, welche Witze in amerikanischen Zeitungen über Politiker zu lesen sind. Anlage 31 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Dahrendorf vom 15. April 1970 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Möhring (Drucksache VI/610 Frage B 2) : Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um zu verhindern, daß bei Übungen britischer Panzertruppen im Raum Amelinghausen, Etzen—Dehnsen außerhalb der dafür vorgesehenen Flächen landwirtschaftlich genutzte Felder weiterhin befahren und damit Kulturen z. T. nachhaltig zerstört werden? Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Freitag, den 17. April 1970 2289 In dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland, Kanada und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland über die Durchführung von Manövern und anderen Übungen im Raume Soltau-Lüneburg vom 3. August 1959 (BGBl. 1961 II S. 1362) ist festgelegt, daß Panzerübungen bis zur Zugstärke nur auf bestimmten, den britischen und kanadischen Streitkräften zur ständigen Benutzung überlassenen Flächen (den sog. roten Flächen) durchgeführt werden. Geländeübungen mit größeren Panzereinheiten sind, soweit militärisch erforderlich, in dem gesamten westlich der Luhe gelegenen Teil des Übungsraums zugelassen. Für diese Übungen gelten zugunsten der Bevölkerung und ihres Vermögens die Schutzvorschriften des Art. 45 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut vom 3. August 1959 (BGBl. 1961 II S. 1183) und des Abkommens zu Artikel 45 Abs. 5 des Zusatzabkommens vom gleichen Tag (BGBl. 1961 II S. 1355), ergänzt und modifiziert durch die Vorschriften des SoltauLüneburg-Abkommens. Danach hat die übende Truppe alle notwendigen Maßnahmen zu treffen, damit Schäden so weit wie möglich vermieden werden und die wirtschaftliche Nutzung der Grundstücke nicht wesentlich beeinträchtigt wird (Artikel 45 Abs. 2 (a) des Zusatzabkommens). Die Schäden, die zu Ihrer Frage Anlaß gaben, entstanden in der zweiten Märzhälfte bei britischen Panzerübungen in Kompaniestärke. Sie waren witterungsbedingt und bei der Planung nicht vorauszusehen. Die Panzer sanken tief in das feuchte Erdreich ein, weil das Wasser starker Niederschläge in dem gefrorenen Boden nicht abfließen konnte. Auf Vorstellungen des Oberkreisdirektors in Soltau und des Regierungspräsidenten in Lüneburg brachen die britischen Militärbehörden die Übungen ab. Die Bundesregierung bedauert, daß die diesjährigen abnormen Witterungsverhältnisse zu den erwähnten Schäden geführt haben. Sie kann andererseits feststellen, daß sich die Zusammenarbeit der örtlichen und regionalen deutschen Stellen mit den entsprechenden britischen militärischen Stellen bewährt hat und daß die britischen Stellen sogleich in der gebotenen Weise reagiert haben. Artikel 45 Abs. 2 des Zusatzabkommens sieht für Grundstücke, auf denen erhebliche Übungsschäden entstanden sind, oder die wirtschaftliche Nutzung wesentlich beeinträchtigt worden ist, gewisse Schonzeiten vor. Demgemäß haben seit dem Abbruch der britischen Übungen im März bisher keine weiteren Panzerübungen im Raum Amelinghausen-EtzenDehnsen stattgefunden. Die zuständigen deutschen Stellen werden darüber wachen, daß die Schonfrist eingehalten wird. Bei etwaigen Schwierigkeiten würde der Ständige Ausschuß nach Artikel 5 Abs. 2 des Soltau-Lüneburg-Abkommens angerufen werden können, in dem die Bundesregierung vertreten ist. Anlage 32 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Dahrendorf vom 16. April 1970 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Bauer (Würzburg) (Drucksache VI/610 Frage B 3) : Wird sich die Bundesregierung im Ministerkomitee des Europarates entsprechend der Empfehlung 574 der Beratenden Versammlung des Europarates für die Veröffentlichung des Berichts der europäischen Menschenrechtskommission über die Lage in Griechenland einsetzen? Das Ministerkomitee des Europarats hat am 15. April mit der als Anlage beigefügten Resolution u. a. auch beschlossen, den Bericht der Europäischen Menschenrechtskommission über Griechenland zu veröffentlichen. Ich habe der Resolution als Vertreter der Bundesregierung zugestimmt. Anlage 33 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Dahrendorf vom 14. April 1970 auf die Schriftliche Frage der Abgeordneten Frau Klee (Drucksache VI/610 Frage B 4) : Hat die Bundesregierung die Absicht, entsprechend der Empfehlung 389 der Beratenden Versammlung des Europarates vom 26. Januar 1970, in Zusammenarbeit mit den Ländern sich an dem geplanten europäischen Komitee für die Erhaltung und Wiederbelebung des kulturellen Erbes zu beteiligen? Die Empfehlung 389 der Beratenden Versammlung des Europarats vom 26. Januar 1970 geht auf Entschließungen der Europäischen Konferenz der für Denkmalspflege zuständigen Minister vom 25. bis 27. November 1969 in Brüssel zurück. In der Entschließung I der genannten Konferenz wird die Einsetzung eines Sachverständigenausschusses für Denkmalspflege verlangt. Sie liegt zur Zeit den Ministerbeauftragten des Europarats zur Prüfung vor. Die Ministerbeauftragten haben auf ihrer 187. Sitzung im März d. J. das Generalsekretariat des Europarats beauftragt, konkrete Vorschläge auszuarbeiten, die Angaben über Zusammensetzung, Aufgaben und Kosten des Sachverständigenausschusses enthalten sollen. Die Bundesregierung steht in dieser Frage mit den Bundesländern in Verbindung, bei denen nach der Verfassung zum überwiegenden Teil die innerstaatliche Zuständigkeit liegt. Die Initiative der Brüsseler Konferenz wird von der Bundesregierung grundsätzlich begrüßt. Vor einer endgültigen Stellungnahme, die im Benehmen mit den Ländern erfolgen wird, müssen zunächst noch die Vorschläge des Generalsekretariats des Europarats abgewartet werden. Anlage 34 Schriftliche Antwort des Bundesministers Genscher vom 10. April 1970 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Müller-Emmert (Drucksache VI/610 Fragen B 5 und 6) : Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten — im Zusammenwirken mit den Olympischen Gremien in der Bundesrepublik Deutschland und dem Deutschen Sportbund —, dazu beizutragen, daß das Ausland stärker als bisher über die Sportförderung in der Bundesrepublik Deutschland und die Vorbereitungen der Olympischen Spiele 1972 publizistisch informiert wird? 2290 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Freitag, den 17. April 1970 Was unternimmt die Bundesregierung gegen den Versuch der DDR, im Ausland, insbesondere in den afro-asiatischen Ländern, ein Bild über die Vorbereitungen und Ziele der Olympischen Spiele 1972 in München und Kiel zu verbreiten, das mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt? In Zusammenarbeit mit dem Organisationskomitee für die Spiele der XX. Olympiade München 1972, in dem ich die Bundesregierung vertrete, wird das Ausland bereits seit längerer Zeit in vielfacher Form über die Vorbereitung der Olympischen Spiele 1972 informiert. Einen wesentlichen Teil dieser Arbeit leistet die Olympia-Pressestelle. Sie gibt Publikationen heraus und betreut Journalisten aus dem In- und Ausland. An Publikationen erscheinen u. a.: Manuskriptdienst „Olympia press": Der Dienst wird in einer Auflage von 11 500 Exemplaren und in 7 Sprachen herausgegeben. Empfänger sind vor allem die Redaktionen von Zeitungen, Zeitschriften und von Fernseh- und Rundfunkanstalten sowie Sportinstitutionen in 126 Ländern. Bulletin des. Organisationskomitees: Das Bulletin hat die Aufgabe, einzelne Teilbereiche der Vorbereitungen in ausführlicher Form darzustellen. Bisher sind zwei Ausgaben erschienen. Eine dritte wird vorbereitet. Olympia-Broschüren und Prospekte: Erschienen ist die Broschüre „Bundesrepublik Deutschland - Reiseland zwischen München und Kiel" in 70 000 Exemplaren und der Olympiaprospekt „München hat viel zu bieten — 1972 noch mehr" in 200 000 Exemplaren. Weitere Broschüren und Prospekte werden vorbereitet. Auch die deutschen Auslandsvertretungen nehmen sich der Informationsarbeit in zunehmendem Maße an. Alle Beteiligten haben ihre Planung darauf ausgerichtet, die gesamte Presse- und Öffentlichkeitsarbeit in dem Maße zu intensivieren, in dem der Zeitpunkt der Olympischen Spiele 1972 näherrückt. Die publizistische Information des Auslandes über die Sportförderung in der Bundesrepublik soll durch verschiedene Maßnahmen verstärkt werden. Es ist vorgesehen, ausländische Journalisten mehr als bisher in der Bundesrepublik insbesondere über Sportstättenbau, sportliche Ausbildungseinrichtungen und die Arbeit der Sportorganisationen zu unterrichten. Daneben soll die Unterrichtung des Auslandes über die Sportförderung in der Bundesrepublik u. a. in verstärktem Umfang durch Rundfunksendungen und durch die Verbreitung von Publikationen und Filmen über die deutschen Botschaften verbessert werden. Die Bundesregierung wird hierbei wie bisher mit dem Deutschen Sport und seinen Mitgliedsorganisationen eng zusammenarbeiten. Der Bundesregierung ist bekannt, daß die DDR auch die Olympischen Spiele in München zum Anlaß zu nehmen versucht, die Bundesrepublik durch falsche oder tendenziöse Meldungen zu diskreditieren. Sie tritt diesen Versuchen mit Mitteln entgegen, die gegenüber polemischer Propaganda angebracht sind. Die Bundesregierung sieht die beste Antwort auf eine entstellende Agitation darin, die deutsche Wirklichkeit in objektiver und verständlicher Form darzustellen. Auch die Presse- und Offentlichkeitsarbeit des Organisationskomitees dient diesem Zweck. Das Organisationskomitee unterhält mit Erfolg enge Kontakte zu Sporteinrichtungen und Sportorganisationen in Afrika und Asien. Anlage 35 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Schäfer vom 15. April 1970 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Möhring (Drucksache VI/610 Frage B 7) : Wurden für die Herstellung von Notruftafeln des Bundesamtes für den zivilen Bevölkerungsschutz, die im Raum Lüneburg—Uelzen zur Verteilung gelangten und die eine überwiegende Firmenreklame enthalten, für die das Bundesamt laut Aufdruck die Billigung gegeben hat, Steuermittel aufgewendet? Für die Herstellung der Notruftafeln hat das Bundesamt für zivilen Bevölkerungsschutz keine Steuermittel aufgewendet. Diese Notruftafeln werden von der Anzeigenverwaltung der Stadtbücherei-Werbung, Osnabrück, Rehmstrafe 7 a herausgegeben und finanziert. Der auf den Notruftafeln gegebene Hinweis auf das Bundesamt erfolgt kostenlos. Anlage 36 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Reischl vom 17. April 1970 ,auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Baier (Drucksache VI/610 Frage B 8) : Wird der Bundesminister der Finanzen angesichts der besonderen Bedeutung des Zollamtes Wiesloch für den dortigen Industrieraum auch weiterhin für die Beibehaltung des Zollamtes mit Sitz in Wiesloch eintreten? Mit Schreiben vom 13. November 1967 konnte Ihnen mein Amtsvorgänger zum Sachstand mitteilen, daß die Entscheidung über den Fortbestand des Zollamts Wiesloch erst nach Verwirklichung der Zollunion, d. h. nach dem 1. Juli 1968, fallen werde. Die Auswirkungen der Zollunion werden verständlicherweise erst nach und nach erkennbar. Die Überprüfung ist deshalb zunächst zurückgestellt worden. Nunmehr habe ich veranlaßt, daß die Oberfinanzdirektion Karlsruhe eine eingehende Geschäftsprüfung beim Zollamt Wiesloch durchführt Sie erstreckt sich u. a. auf die Unterbringung, die Abfertigungsmöglichkeiten, den Geschäftsumfang, den Personalbedarf und den Anteil des EWG-Verkehrs am Gesamtverkehr. Es kommt mir dabei vor allem auf die Entwicklung des Zollamts seit Inkrafttreten der Zollunion an. Von besonderer Bedeutung wird das gemeinschaftliche Versandverfahren sein, das erst am 1. Januar 1970 eingeführt wurde. Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Freitag, den 17. April 1970 2291 Vor Abschluß dieser Prüfung vermag ich zu der Frage, ob das Zollamt Wiesloch bestehen bleibt, nicht Stellung nehmen. Ich darf Sie zu gegebener Zeit erneut über den Sachstand unterrichten. Anlage 37 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Reischl vom 17. April 1970 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Weigl (Drucksache VI/610 Frage B 9) : Zu welchen Steuerausfällen wird die ab 1. Januar 1970 für Berliner Arbeitnehmer geplante Einführung einer Zulage von 8 % zum Bruttolohn führen? Die Einführung einer einheitlichen Arbeitnehmerzulage von 8 v. H. des Bruttolohnes anstelle der bisherigen 30v. H.-Lohnsteuerpräferenz und der degressiv gestaffelten Arbeitnehmerzulage in Berlin-West ab 1. Januar 1971 verursacht im Entstehungsjahr 1971 Steuermindereinnahmen von ,etwa 200 Millionen DM (darunter Bund 86 Millionen DM). Nach Rechnungsjahren betragen die Steuermindereinnahmen (in Millionen DM) 1970 1971 130 (Bund 56) 1972 215 (Bund 92) 1973 235 (Bund 101). Diese Angaben sind in der Bundesratsdrucksache 114/70 vom 4. März 1970 enthalten (Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Berlinhilfegesetzes und anderer Vorschriften). Anlage 38 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Ravens vom 15. April 1970 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Klepsch (Drucksache VI/610 Fragen B 10 und 11): In welcher Weise beabsichtigt die Bundesregierung, die durch die Diskonterhöhung verursachten Mietpreiserhöhungen in den Bundessozialwohnungen auf der Koblenzer Karthause (Flugfeld) um 0,34 DM je Quadratmeter auszugleichen? Wird auch die Bundesregierung gezwungen, auf Grund der Diskonterhöhung ihre bisher gewährte, laut Vertrag jederzeit widerrufliche, Zinsvergünstigung aufzuheben? Von den bisher mit Wohnungsfürsorgemitteln des Bundes in Koblenz auf der Karthause geförderten 605 Wohnungen für Angehörige der Bundeswehr werden durch die Erhöhung des Hypotheken-Zinssatzes lediglich 84 Wohnungen (Einfamilienreihenhäuser) der Frankfurter Siedlungsgesellschaft betroffen. Die Koblenzer Sparkasse, die s. Zt. ein Hypotheken-Darlehen zur Finanzierung dieser Wohnungen gewährte, hat im Zuge der allgemeinen Zinserhöhung ihren Zinssatz von 6,5 % auf 8% ,angehoben. Die Frankfurter Siedlungsgesellschaft hat nunmehr mit der Koblenzer Sparkasse eine Tilgungsstreckung ausgehandelt mit .der Maßgabe, daß die Tilgung der Hypothek vorübergehend ,ausgesetzt und Zinsen innerhalb der früheren Gesamtannuität von 7,5 % (6,5% Zinsen und 1 % Tilgung) gezahlt werden. Bezüglich der restlichen 0,5 % Zinsen ist eine vorübergehende Abwälzung auf die Mieter nicht vermeidbar. Die ursprüngliche Belastung wird sich jedoch durch die eingeleiteten Maßnahmen von 0,35 DM/qm/Wofl/Monat auf rund 0,11 DM/qm/ Wofl/Monat verringern. Da der Zinssatz für das Bundesdarlehen bereits auf 0 % gesenkt ist, kann die verbleibende Belastung vom Bund nicht übernommen werden. Nach einer Senkung des Sparkassen-Zinssatzes wird darauf zu achten sein, daß auch die Mieterhöhung wieder abgebaut wird. Die Erhöhung des Diskontsatzes hat auf den Zinssatz der Bundesdarlehen keinen Einfluß. Die Bundesregierung ist nicht gezwungen, die widerrufliche Zinsvergünstigung deshalb aufzuheben. Anlage 39 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Arndt vom 16. April 1970 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Weigl (Drucksache VI/610 Frage B 12) : Trifft es zu, daß die Auswertung statistischer Unterlagen über die Einkünfte von Zweikinderfamilien ergab, daß die Arbeitnehmerverdienste im Zonenrandgebiet wesentlich unter den Arbeitnehmerverdiensten in Berlin liegen? Derartige statistische Unterlagen sind der Bundesregierung nicht bekannt. Das in der schriftlichen Antwort auf die Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Götz (39. Sitzung vom 18. März 1970 — Anlage 13 — S. 2050) angekündigte Zahlenmaterial zum Zweitkindergeld läßt die von Ihnen gewünschte regionale Interpretation ebenfalls nicht zu. Anlage 40 Schriftliche Antwort des Bundesministers Ertl vom 1. April 1970 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Niegel (Drucksache VI/610 Frage B 13) : Ist mit der baldigen Vorlage der entsprechenden Durchführungsverordnung nach dem Marktstrukturgesetz für Kartoffeln zu rechnen, damit die betroffenen Landwirte und Wirtschaftskreise noch rechtzeitig für die diesjährige Ernte disponieren können? Der Entwurf einer Verordnung zum Marktstrukturgesetz: Kartoffeln ist bereits fertiggestellt. Dieser Entwurf wird Gegenstand einer für den 10. April 1970 anberaumten Besprechung mit der beteiligten Wirtschaft sein. Ich hoffe, daß sich dabei die Vertreter der Kartoffelwirtschaft in ihren Vorstellungen über die Mindesterzeugungsmengen für Erzeuger- 2292 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Freitag, den 17. April 1970 gemeinschaften näher kommen werden, damit der Verordnungsentwurf noch vor der Sommerpause dem Bundesrat zur Beratung und Zustimmung zugeleitet werden kann. Die betroffenen Landwirte und Wirtschaftskreise könnten dann noch rechtzeitig für die diesjährige Ernte entsprechende Dispositionen treffen. Anlage 41 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Rohde vom 15. April 1970 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Schröder (Wilhelminenhof) (Drucksache VI/610 Frage B 14) : Ist die Bundesregierung bereit, angesichts der neueren Zahlen über die Erwerbstätigkeit und die Arbeitslosigkeit im Bezirk Leer und Emden, wonach im besonderen der Arbeitsamtsbezirk Leer mit einer Arbeitslosenquote von 10 % im Bundesgebiet eine Spitzenstellung einnimmt, als Grundlage für alle Maßnahmen zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur eine soziologische Untersuchung bzw. Arbeitsmarkt- und Berufsanalyse zu fertigen? Die Bundesregierung hält es für eine wichtige Aufgabe, die Wirtschaftsstruktur in den Bezirken Leer und Emden zu verbessern. Diesem Ziel dient vor allem das Regionale Aktionsprogramm Nordwest-Niedersachsen, das der Interministerielle Ausschuß für Regionale Wirtschaftspolitik im August 1969 verabschiedet hat. Das Programm beruht auf einer vom Land Niedersachsen vorgenommenen Untersuchung des Arbeitsmarktes in diesem Raum. Auch das Rationalisierungs- Kuratorium der Deutschen Wirtschaft, Landesbezirk Niedersachsen, hat eine eingehende Arbeitsmarkt- und Berufsanalyse des ostfriesischen Raumes in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse in etwa drei Monaten vorliegen werden. Sie werden Verständnis dafür haben, daß die Bundesregierung zunächst von diesen Untersuchungen ausgehen wird. Sie ist jedoch bereit, sich mit dem Land Niedersachsen in Verbindung zu setzen, um gemeinsam die Frage zu erörtern, wann und inwieweit weitere Untersuchungen des niedersächsischen Arbeitsmarktes erforderlich sind. Ein im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung entwickeltes Modell zur quantitativen und qualitativen Analyse des Arbeitsmarktes in der Bundesrepublik und zur Prognose seiner Entwicklung ist den Ländern bereits zugeleitet worden. Die in diesem Modell erarbeiteten Methoden sind besonders geeignet, regionale Arbeitsmärkte rasch und tiefgegliedert zu untersuchen. Anlage 42 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Berkhan vom 15. April 1970 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Peiter (Drucksache VI/610 Fragen B 15 und 16) : Bestehen Pläne über den endgültigen Standort des Kreiswehrersatzamtes Montabaur? Ist die Bundesregierung bereit, das Kreiswehrersatzamt wieder von Neuwied nach Montabaur zurückzuverlegen? Zu Ihren mündlichen Anfragen in der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 15./17. April 1970, die den künftigen Standort des Kreiswehrersatzamtes Montabaur betreffen, teile ich Ihnen mit, daß die Absicht, das Kreiswehrersatzamt von Neuwied nach Montabaur zu verlegen, nach wie vor besteht. Voraussetzung ist jedoch daß eine geeignete Unterkunft für das Kreiswehrersatzamt in Montabaur geschaffen werden kann und für das derzeitig vom Kreiswehrersatzamt genutzte Gebäude in Neuwied eine anderweitige Verwendung gefunden wird. Anlage 43 Schriftliche Antwort des Bundesministers Frau Strobel vom 15. April 1970 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Prassler (Drucksache VI/610 Fragen B 17 und 18) : Sind Mikrowellengeräte, die zur Zeit in erhöhtem Umfang zur Speisenzubereitung in Lebensmittelgeschäfte verkauft und vermietet werden, darauf geprüft, ob durch ihre Strahlungsintensität Gesundheitsschäden für das Bedienungspersonal entstehen können und ob die darin zubereiteten Speisen auf Dauer unbedenklich genossen werden können? Werden Mikrowellengeräte bereits von deutschen Firmen gebaut und verkauft, oder sind bisher nur Einfuhr- und Verkaufslizenzen besonders für Geräte amerikanischer Bauart erteilt worden? Mikrowellengeräte zur Erwärmung von Lebensmitteln sind Hochfrequenzanlagen, die den Bestimmungen des Hochfrequenzgerätegesetzes unterliegen. Nach diesem Gesetz bedürfen derartige Geräte einer Betriebsgenehmigung, die nach Prüfung des Gerätes durch die zuständige Genehmigungsstelle der Deutschen Bundespost erteilt wird. Bei der Prüfung wird unterschieden zwischen seriengeprüften und einzelgeprüften Geräten. Die Prüfung erstreckt sich insbesondere darauf, ob das Gerät allseitig geschlossen ist und die Wärmeerzeugung selbsttätig unterbrochen wird, wenn die Tür des Gerätes geöffnet wird. Durch diese Vorschrift werden die in den USA bekanntgewordenen Gesundheitsschäden vermieden. Nach einer Untersuchung des Public Health Service NCRH (National Center of Radiological Health) — Report TSB (Technical Service Branch) Nr. 5 vom Dezember 1968 ist in den meisten Fällen die Schädigung auf ein Versagen des Sicherheitsschalters zurückzuführen, der beim Öffnen des Gerätes die Hochfrequenz abschalten soll. Auf Grund der zunehmenden Anwendung der Mikrowellengeräte, insbesondere zu Kochzwecken, wird zur Zeit die Grundlage für eine gesetzliche Regelung erarbeitet. Gleichzeitig ist eine VDE-Prüfnorm in Vorbereitung. Mikrowellengeräte werden nach Auskunft des Zentralverbandes der Elektroindustrie in der Bundesrepublik von drei Firmen hergestellt. Außerdem werden über den Fachhandel im Ausland hergestellte Geräte, darunter Produkte aus Schweden, der Schweiz und den USA, importiert. Alle Geräte unterliegen der in der vorhergehenden Antwort bereits erwähnten Prüfung und Betriebsgenehmigung. Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Freitag, den 17. April 1970 2293 Anlage 44 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 15. April 1970 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Meister (Drucksache VI/610 Fragen B 19 und 20) : Ist die Bundesregierung unterrichtet, ob die Absicht besteht, im Raume Pforzheim, Gewann Katharinentaler Hof, einen Großflughafen zu errichten? Ist die Bundesregierung in der Lage, über den Stand der Planungen Auskunft zu erteilen? Die Bundesregierung ist durch das nach § 31 Abs. 2 Luftverkehrsgesetz zuständige Innenministerium Baden-Württemberg, an das Sie Ihre Anfrage ebenfalls gerichtet haben, über dessen Vorstellungen im Zusammenhang mit Flugplatzplanungen im Raum Pforzheim unterrichtet. Nähere Angaben hierzu als die Ihnen vom zuständigen Innenministerium des Landes BadenWürttemberg mit Schreiben vom 24. März 1970 übermittelten, sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt hier nicht bekannt. Ergänzend ist jedoch zu bemerken, daß von Beginn der Planung eines Verkehrsflughafens bis zu seiner Inbetriebnahme im allgemeinen mindestens 10 Jahre vergehen. Bei nicht rechtzeitig eingeleiteten Maßnahmen besteht daher die Gefahr, daß geeignetes Gelände unter Berücksichtigung der erforderlichen raumordnerischen Maßnahmen nur mit großem finanziellen Aufwand bereitgestellt werden kann. Vorausschauende Planungen, wie hier die Suche nach einem geeigneten Gelände für einen neuen Flughafen sollen dem vorbeugen. Anlage 45 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 15. April 1970 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Arnold (Drucksache VI/610 Frage B 21): Wie beurteilt die Bundesregierung Vorschläge, nach denen die Altersgrenze bei Führerscheinprüfungen auf 16 Jahre herabgesetzt werden soll? Für den Erwerb von Fahrerlaubnissen bestehen zur Zeit folgende Altersgrenzen: vollendetes 21. Lebensjahr für den Führerschein der Klasse 2, vollendetes 18. Lebensjahr für den Führerschein der Klassen 1 und 3, vollendetes 16. Lebensjahr für den Führerschein der Klassen 4 und 5. Eine Änderung dieser Altersgrenzen ist zur Zeit nicht beabsichtigt. Es wird jedoch geprüft, ob die. Voraussetzungen vorliegen, die eine Herabsetzung der Altersgrenze für den Führerschein der Klasse 3 rechtfertigen können. Anlage 46 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 15. April 1970 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dasch (Drucksache VI/610 Frage B 22) : Ich frage die Bundesregierung, wie weit die Planungen und Vorhaben gediehen sind, den Durchgangsverkehr durch die Stadt Wasserburg/Inn durch eine Ortsumgehung (Neubau der B 304) zu entlasten, und bis wann mit einem eventuellen Baubeginn gerechnet werden kann? Die Beratungen über den Ausbauplan für die Bundesfernstraßen in den Jahren 1971 bis 1985 sind noch nicht abgeschlossen. Im Hinblick auf die gegenwärtige Haushaltssituation und eine Vielzahl vordringlicher Straßenbauprojekte läßt sich jedoch schon jetzt erkennen, daß mit dem Bau der Umgehung von Wasserburg/Inn im Zuge der Bundesstraße 304 im 1. Fünfjahresplan. (1971 bis 1975) nicht begonnen werden kann. Dessen ungeachtet wird die Planung für diese Umgehung weiter bearbeitet. Nach Untersuchung verschiedener Varianten liegt die generelle Linienführung fest. Anlage 47 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 15. April 1970 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Erhard (Bad Schwalbach) (Drucksache VI/610 Frage B 23) : Welche Erfahrungen und Ergebnisse liegen vor über die Wirkungen des Ordnungswidrigkeitengesetzes im Zusammenhang mit dem Bußgeldkatalog auf das Verhalten der Kraftfahrer im Straßenverkehr, insbesondere auf das Fahren unter Alkoholeinfluß? Das Führen von Kraftfahrzeugen unter Alkoholeinfluß wird nicht als Ordnungswidrigkeit geahndet, sondern als Vergehen nach § 315 c Abs. 1 Nr. 1 oder § 316 des Strafgesetzbuches bestraft. Weder das Ordnungswidrigkeitengesetz noch der Bußgeldkatalog enthalten eine Bestimmung, in das Fahren unter Alkohol mit Geldbuße bedroht bzw. in der eine Geldbuße festgesetzt ist. Das sog. 0,8-Promille-Gesetz, das für das Fahren unter Alkoholeinfluß einen besonderen Bußgeldtatbestand vorsieht, wurde vom Gesetzgeber nicht verabschiedet. Zur Frage, welche Auswirkungen das Ordnungswidrigkeitengesetz im Zusammenhang mit dem Bußgeldkatalog seit dem 1. Januar 1969 auf das Verhalten der Kraftfahrer im Straßenverkehr allgemein hat, ist folgendes zu bemerken: Aus allen Bundesländern wurde berichtet, daß sich die Verkehrsdisziplin in :den ersten Monaten des Jahres 1969 verbessert, dann allerdings wieder leicht nachgelassen hat. Die Unfallentwicklung im Jahre 1969 ist gegenüber 1968 im Ganzen gesehen positiv zu beurteilen: nach der vorläufigen Unfallstatistik des Bundesverkehrsministeriums für das Jahr 1969 ist gegenüber 1968 zwar eine Zunahme zu verzeichnen bei der Gesamtzahl der Unfälle um 2,4%, bei der Zahl der Unfälle mit Sachschäden um 3,5 %; hingegen liegt eine Abnahme vor bei den Unfällen mit Personenschäden um 0,5 % und bei den durch Verkehrsunfälle getöteten Personen um 0,3 %. Berücksichtigt man, daß der Kraftfahrzeugbestand von Januar 1969 bis Januar 1970 um 8,1 % zugenommen hat, so ist nicht nur die leichte Abnahme der 2294 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Freitag, den 17. April 1970 Unfälle mit Personenschäden positiv zu bewerten, sondern auch die verhältnismäßig geringe Zunahme der Unfälle mit Sachschäden um nur 3,5 %. Inwieweit diese Entwicklung auf die Einführung des Ordnungswidrigkeitengesetzes und des Bußgeldkataloges zurückzuführen ist, läßt sich jedoch nicht mit Bestimmtheit sagen. Es ist aber nicht auszuschließen, daß die Neuregelung in der Verfolgung und Ahndung von Verkehrsverstößen zur Hebung der Verkehrsdisziplin und zur relativ positiven Unfallentwicklung mit beigetragen hat. Anlage 48 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 15. April 1970 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dichgans (Drucksache VI/610 Frage B 24) : Trifft es zu, daß der Start- und Landelärm der Überschallmaschinen, die nach der auf die Kleine Anfrage — Drucksache VI/331 — erteilten Antwort vom 17. Februar 1970 — Drucksache VI/403 — über besiedelten Gebieten nur mit Unterschallgeschwindigkeit geflogen werden sollen, gleichwohl im Augenblick des Starts und der Landung etwa doppelt so groß sein wird wie derjenige der zur Zeit lautstärksten Flugzeuge, der Caravellen? Bisher ist nicht bekannt, welche Lärmausstrahlung Überschallverkehrsflugzeuge beim Start und bei der Landung ausüben. Meßwerte der bisher lediglich in der Erprobung befindlichen britisch-französischen Concorde sind nicht bekannt geworden. Es wird vermutet, daß die Lärmellipse breiter, wegen des großen Leistungsüberschusses und daher steileren Starts jedoch kürzer sein wird. Anlage 49 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 15. April 1970 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Beermann (Drucksache VI/610 Fragen B 25 und 26) : Warum ist der Haushaltsplan 1970 lediglich für den Ausbau der B 5 bei Geesthacht (Anlage zur Drucksache VI/300, Einzelplan 12 — Finanzhaushalt — Anlage 1 zu Kapitel 12 10, zu Tit. 760 21, Kennzeichen 1021, lfd. Nr. 385) ein Betrag eingesetzt, während für einen Gesamtausbau der B 5 keine Mittel vorgesehen sind, obgleich wegen des wachsenden Pendlerverkehrs zwischen Lauenburg und Geesthacht einerseits und Hamburg andererseits dies dringend erforderlich ist? Ist es richtig, daß der gleichzeitige Ausbau des Elbe-LübeckKanals mit dem Elbe-Seiten-Kanal — eine Maßnahme von wirtschaftlicher Bedeutung für die Kreise Stormarn/Lauenburg — bis jetzt daran gescheitert ist, daß das Land Schleswig-Holstein sich geweigert hat, den von ihm zu tragenden finanziellen Beitrag aufzubringen, während das ebenfalls einkommensschwache Land Niedersachsen den in den Regierungsabkommen vom Bund und den beteiligten Ländern im Verhältnis 2 :1 festgesetzten Beitrag zum Elbe-Seiten-Kanal, der für Niedersachsen von gleicher wirtschaftlicher Bedeutung ist wie der Elbe-LübeckKanal für Schleswig-Holstein, gezahlt hat? Die Tatsache, daß im Entwurf des Bundeshaushaltsplanes für das Haushaltsjahr 1970 an der von Ihnen genannten Stelle bei Kz. 1021, lfd. Nr. 385 nur ein einzelnes Bauvorhaben „Ausbau bei Geesthacht" aufgeführt ist, bedeutet keineswegs, daß sonst an der B 5 in Schleswig-Holstein nichts geschieht. So ist weiterhin bei Kz. 1031, lfd. Nr. 284 b der „Ausbau der Ortsdurchfahrt Geesthacht (Geesthachter-Straße) " mit Gesamtkosten von 1 850 000 DM ausgebracht. Darüber hinaus aber enthält die GlobalKz. 1010 „Kleiner Um- und Ausbau" (Seite 106) Baumaßnahmen zur Herstellung einer breiteren Fahrbahn und z. T. auch von Radwegen zwischen der Landesgrenze und Escheburg auf 4,3 km Länge, zwischen Geesthacht und Lauenburg auf 13,6 km Länge, sowie in Lauenburg auf 2,5 km Länge. Von den für diese im Haushaltsplan nicht ersichtlichen Maßnahmen veranschlagten Gesamtkosten von 7,2 Millionen DM sind seit 1968 rd. 2,2 Millionen DM investiert worden. Der Ausbau wird 1970 im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten fortgesetzt. Auf lange Sicht ist von der Bundesautobahn bei Hamburg-Moorfleeth bis zur B 404 auf neuer Trasse der 4spurige Neubau der B 5 (sog. Marschenlandstraße) mit anschließender Ortsumgehung Geesthacht vorgesehen; diese Planung ist in dem in Vorbereitung befindlichen „Ausbauplan für die Bundesfernstraßen 1971/85" berücksichtigt worden. Nach dem Regierungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland, der Freien und Hansestadt Hamburg, dem Land Niedersachsen und dem Land Schleswig-Holstein vom 14. September 1966 über den Bau des Elbe-Seitenkanals und den Ausbau der Oststrecke des Mittellandkanals werden die Kosten für den Bau des Elbe-Seitenkanals wie folgt aufgebracht: Bund: 66 2/3 % Hamburg: 33 1/3 %. Das Land Niedersachsen trägt zu den Kosten für den Bau des Elbe-Seitenkanals nicht bei. Für den Ausbau des Elbe-Lübeck-Kanals konnte das Land Schleswig-Holstein zum Zeitpunkt des Abschlusses des genannten Regierungsabkommens eine Kostenbeteiligung nicht zusagen. In Artikel 2 des Abkommens ist daher festgelegt, daß der Ausbau des Elbe-Lübeck-Kanals in einem Zusatzabkommen zur gegebenen Zeit geregelt wird. Ein derartiges Zusatzabkommen ist bisher nicht abgeschlossen worden. Um für weitere Überlegungen über den Ausbau des Elbe-Lübeck-Kanals die erforderlichen technischen Unterlagen zu schaffen, führt zur Zeit die dem Bundesminister für Verkehr unterstehende Wasser- und Schiffahrtsdirektion Kiel auf Kosten des Landes Schleswig-Holstein Untersuchungen darüber durch, in welchem Umfang der Elbe-Lübeck-Kanal für einen vollschiffigen Anschluß des Hafens Lübeck an das deutsche Binnenschiffahrtsstraßennetz ausgebaut werden müßte und welche Kosten dabei entstehen würden. Anlage 50 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretär Börner vom 15. April 1970 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Leicht (Drucksache VI/610 Fragen B 27 und 28) : Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Freitag, den 17. April 1970 2295 Wo werden und in welch finanzieller Höhe im Raum der Kreise Landau, Bad Bergzabern, Germersheim und der Stadt Landau Straßenbaumaßnahmen an Bundesstraßen noch in diesem Jahr durchgeführt? Aus welchen Gründen werden die infolge Ansiedlung größerer Wirtschaftsunternehmungen sehr dringlichen Straßenbaumaßnahmen im Zuge der B 9 und B 10 im Raum Wörth in diesem Jahr nicht in Angriff genommen? Im Raum der Kreise Landau, Bad Bergzabern, Germersheim und der Stadt Landau werden im Jahre 1970 voraussichtlich folgende größere Straßenbaumaßnahmen an Bundesstraßen mit den nachstehenden Beträgen durchgeführt: B 9, zwischen Wörth und Jockgrim 3,5 Millionen DM B 35, Rheinbrücke Germersheim einschließlich linksrheinische Anbindung an die vorhandene B 9 und rechtsrheinischer Anschluß an die L 557 (BadenWürttemberg) 8,5 Millionen DM Daneben sind noch folgende kleinere Maßnahmen vorgesehen: B 10, Beseitigung des schienengleichen Bahnüberganges bei Wörth 1,0 Millionen DM B 10, „Römerweg", Fertigstellung der Anschlußstelle Insheim rd. 1,0 Millionen DM Durch die Beschränkung der Hauhaltsmittel im Rahmen der Vorläufigen Haushaltsführung und die im Entwurf des Haushaltsgesetzes 1970 enthaltene Sperrung von Investitionsmitteln für den Bundesfernstraßenbau zur Dämpfung der Konjunktur sind z. Z. keine Mittel verfügbar, weitere dringliche Straßenbaumaßnahmen im Zuge der B 9 und B 10 im Raum Wörth in diesem Jahr zu beginnen. Ungeachtet dieser finanziellen Schwierigkeiten kann die Umgehungsstraße Wörth im Zuge der B 10 wegen der Einsprüche und Klagen gegen die Planung nicht in Angriff genommen werden. Anlage 51 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 15. April 1970 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Baier (Drucksache VI/610 Frage B 29) : Wie beurteilt der Bundesminister für Verkehr die Forderung der Bevölkerung und des Kreistages im Landkreis Mosbach nach dem Bau einer Neckarbrücke zwischen Neckargerach und Guttenbach, und in welcher Weise wird der Bundesminister für Verkehr dieses Vorhaben fördern und finanziell unterstützen? Die geplante Neckarbrücke zwischen Neckargerach und Guttenbach liegt nicht im Zuge einer Bundesfernstraße, so daß die Zuständigkeit des Bundes nicht gegeben ist. Der Bund kann lediglich nach Maßgabe der geltenden Richtlinien einen Zuschuß zu den Kosten für den Bau einer solchen Brücke im Rahmen der dem Lande Baden-Württemberg zur Verfügung stehenden Zuschußmittel des Bundes gewähren. Ein diesbezüglicher Antrag des zuständigen Baulastträgers liegt weder dem Bundesminister für Verkehr noch, soweit hier bekannt ist, der Straßenbauverwaltung des Landes Baden-Württemberg vor. Anlage 52 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 15. April 1970 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Wagner (Günzburg) (Drucksache VI/610 Frage B 30) : Welche Maßnahmen beabsichtigt die Bundesregierung zu ergreifen, um die Störung des Rundfunk- und Fernsehempfangs durch Flugzeuge, die auf dem Flugplatz in Leipheim starten und landen, zu beseitigen? Bei der zuständigen Funkstörungsmeßstelle Augsburg der Deutschen Bundespost liegen keine Funkstörungsmeldungen aus dem Gebiet Günzburg/Leipheim vor, die auf die Flugzeuge des Flughafens Leipheim zurückzuführen wären. Die Ton- und Fernseh-Rundfunkteilnehmer, deren Empfang beeinträchtigt wird, sollten ihre konkreten Störungsmeldungen an die Funkstörungsmeßstelle in 89 Augsburg, Grottenau 1, Fernsprecher 08 21 —31 84 15 richten, damit die Störungsursache geklärt und der Betroffene über Abhilfemaßnahmen beraten werden kann. Anlage 53 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 15. April 1970 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Arnold (Drucksache VI/610 Frage B 31): Wird die. Bundesregierung der Forderung der Hamburger Postgewerkschaft entsprechen, die Briefzustellung an den Samstagen abzuschaffen? Aus Kreisen der Hamburger Postgewerkschaft ist mir erstmalig im Dezember 1966 die Bitte vorgetragen worden, den Wünschen des Personals auf Wegfall der Zustellung an Samstagen zu entsprechen. Ich habe seinerzeit diese Bitte nach Abwägung der Interessenlage aller Betroffenen abgelehnt. Zur Zeit wird mit der Deutschen Postgewerkschaft erneut über die Angelegenheit verhandelt. Anlage 54 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Börner vom 15. April 1970 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Häfele (Drucksache VI/610 Fragen B 32 und 33) : 2296 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 44. Sitzung. Bonn, Freitag, den 17. April 1970 Ist die Deutsche Bundespost bereit, ihre bisherige Haltung zu überprüfen, wonach Anträge von Wohlfahrtseinrichtungen, z. B. des Pestalozzi-Kinderdorfes Wahlwies, auf Ballonpostbeförderung abgelehnt wurden? Ist sich die Deutsche Bundespost darüber im klaren, daß sie mit ihrer ablehnenden Haltung im Vergleich zu anderen Staaten isoliert dasteht und daß kaum nennenswerte Erschwerungen in den Dienstgeschäften im Interesse der guten Sache auch von der Deutschen Bundespost in Kauf genommen werden sollten? Die Leitung des Kinderdorfes von Wahlwies hat beantragt, daß von ihr vorbereitete Sendungen, die sie selbst mit Luftballons auflassen will, jeweils am Start- und Landeort der Ballons einen Einlieferungsstempel der Post erhalten. Das würde jedoch aus folgenden Gründen zu einer Falschbeurkundung führen: Durch den Poststempel wird die Einlieferung einer Sendung beurkundet. Damit werden außerdem eine Reihe von gesetzlich festgelegten rechtlichen Konsequenzen wirksam wie z. B. die Verpflichtung, die Sendung an den Empfänger weiterzuleiten. Wegen dieses beurkundenden Charakters des Poststempels dürfen Sendungen, die aus Anlaß von Flugveranstaltungen eingeliefert werden, keine Angaben tragen, aus denen ein Käufer oder Sammler den unrichtigen Schluß ziehen könnte, als sei die Sendung von der Deutschen Bundespost z. B. mit einem Ballon, einer Rakete oder einem Segelflugzeug befördert worden. Zulässig wäre lediglich ein Vermerk wie z. B. „Vor der Posteinlieferung mit Ballon befördert". Aus diesen Gründen kann eine Überprüfung der bisherigen Haltung der Deutschen Bundespost zu keinem anderen Ergebnis führen. Die Frage der betrieblichen Belastung ist dabei ebensowenig ausschlaggebend wie der Umstand, daß andere Postverwaltungen anders verfahren. Im übrigen teilt auch die Aerophilatelie in dieser Frage die Haltung der Deutschen Bundespost. Anlage 55 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. von Dohnanyi vom 14. April 1970 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dr. Dittrich (Drucksache VI/610 Frage B 34) : Sind die Ausgaben für Bildung und Wissenschaft in Höhe von 305 Millionen DM auch gesperrt für die Investitionsvorhaben im Zonenrandgebiet hinsichtlich der Schulbauförderung und sonstigen kulturellen Vorhaben? Im Haushalt des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft für 1970 sind zwar Mittel für Maßnahmen zur Erneuerung und raschen Verbesserung des Bildungssystems veranschlagt. Diese sind jedoch für Maßnahmen der Bildungsforschung und Bildungsplanung, nicht für den allgemeinen Schulbau und sonstige kulturelle Veranstaltungen vorgesehen. Die Sperre in Höhe von 305 Millionen DM hat daher auf derartige Vorhaben keinen Einfluß. Anlage 56 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. von Dohnanyi vom 14. April 1970 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Dichgans (Drucksache VI/610 Frage B 35) : Wann wird die Hochschulstatistik so ausgebaut sein, daß sie binnen angemessener Frist Angaben über die Aufwendungen der öffentlichen Kassen für das Studium eines Studenten im Jahresdurchschnitt (Studienjahr) und für die durchschnittliche Studiendauer liefert, unterteilt nach den wichtigsten Fächergruppen, ferner unterteilt nach Kosten der laufenden Lehre, der lehrbezogenen Forschung sowie der Bauten und sonstigen Investitionen? Eine zuverlässige Aussage zu den gestellten Fragen wird dann gegeben sein, wenn die Hochschulstatistik —eine eindeutige Berechnung der durchschnittlichen Studiendauer für Fächer bzw. Fachbereiche ,ermöglicht — eine Kostenstellenrechnung der Hochschulverwaltung ausweist, mit deren Hilfeeine eindeutige Zuordnung der Hochschulausgaben auf Fachbereiche möglich ist — eine Kostenartenrechnung besitzt, die eine Trennung der Ausgaben für Forschung und Lehre möglich macht. Die Bundesregierungbereitet gegenwärtig ein Hochschulstatistikgesetz vor, das dem Bundestag noch in diesem Jahr vorgelegt werden soll. Verbunden mit diesem Gesetz sollen die technischen Voraussetzungen dafür geschaffen werden, daß alle relevanten hochschulstatistischen Daten eines .Semesters von der Amtlichen Statistik jeweils zu Beginn des folgenden Semesters zur Verfügung gestellt werden können. Durch das Hochschulstatistikgesetz wird die bereits seit 1966 durchgeführte individualisierte Verlaufsstatistik auf eine gesetzliche Grundlage gestellt. Es soll erreicht werden, daß bis zum Ende des Jahres 1971 alle hochschulstatistischen Daten bis einschließlich Sommersemester 1971 veröffentlicht sind. Nach Vorliegen der individualstatistischen Daten für einen Studienablauf (Kohorte) wird eine zuverlässige Ermittlung der durchschnittlichen Studiendauer möglich sein. Im Rahmen der gegenwärtig stattfindenden Novellierung des Finanzstatistikgesetzes ist beabsichtigt, die Ausgaben der einzelnen Hochschularten zusätzlich nach Fachbereichen zu gliedern. Auf eine möglichst rasche Einführung der Kostenstellenrechnung an den Hochschulen hat der Bund allerdings keinen Einfluß. Ein annähernd zuverlässiger Ausweis der Ausgaben, nach Forschung und Lehre getrennt, setzt umfangreiche empirische Untersuchungen voraus, insbesondere über die zeitliche Belastung der Lehreinheiten durch Lehrveranstaltungen, Forschungsarbeit und Verwaltung. Diese Untersuchungen werden nur mit Hilfe der Informationszentren an den Hochschulen und der Hochschul-Informations-System GmbH durchgeführt werden können. Ergebnisse hierzu werden nicht vor Ende des Jahres 1971 vorliegen.
Gesamtes Protokol
Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604400000
Die Sitzung ist eröffnet.
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat soll die heutige Tagesordnung erweitert werden um die
Beratung der Dokumentation der Bundesregierung über die Bemühungen zur Freilassung des entführten deutschen Botschafters Karl Graf von Spreti
— Drucksache VI/622 —
Ist das Haus mit der Erweiterung einverstanden? — Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen. Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, diesen Punkt um 10 Uhr aufzurufen. Die Vorlage soll heute vom Bundesaußenminister lediglich eingebracht werden. Der Termin einer eventuellen Aussprache wird noch interfraktionell vereinbart.
Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde
— Drucksache VI/610 —
Wir kommen zunächst zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts. Ich rufe die Frage 117 des Abgeordneten Flämig auf:
Was ist aus den Bemühungen der früheren Bundesregierung geworden, auf geeignetem diplomatischem Wege etwas gegen das Abschlachten Tausender von jungen Robben in Nordkanada und auf Labrador zu unternehmen?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Prof. Dr. Ralf Dahrendorf (FDP):
Rede ID: ID0604400100
Die frühere Bundesregierung hat zweimal zur Frage des Seehundfanges in Kanada Stellung genommen, nämlich am 16. Februar 1967 und am 19. Januar 1968 auf Fragen des Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen.
Die kanadische Regierung hat im Oktober 1969 neue Richtlinien für die Robbenjagd an der Ostküste Kanadas in der Fangsaison 1970 erlassen. Diese Richtlinien enthalten gewisse Einschränkungen, die früher nicht gegeben waren. Sie verbieten insbesondere die Jagd von Flugzeugen aus und die Enthäutung von noch lebenden Tieren. Sie schließen auch Robbenbabys von der Jagd aus. Im übrigen werden in diesen Richtlinien Feuerwaffen und genau beschriebene Knüppel als Instrumente für die Robbenjagd ausdrücklich zugelassen.
Diese Bestimmungen sind übrigens im Januar 1970 auch für die norwegische Seehundjagd übernommen worden. Ein Zusammenhang zwischen den Bemühungen der Bundesregierung und diesen neuen Richtlinien besteht allerdings nicht. Sie sind unabhängig von unseren Bemühungen von der kanadischen Regierung erlassen worden.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604400200
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Flämig.

Gerhard Flämig (SPD):
Rede ID: ID0604400300
Herr Staatssekretär, es läßt sich also von uns aus nicht übersehen, ob die Behauptung des Beamten des Welttierschutzbundes, es habe sich trotz der Richtlinien nichts geändert, zutrifft oder nicht?

Prof. Dr. Ralf Dahrendorf (FDP):
Rede ID: ID0604400400
Herr Kollege, um diese Frage zu beantworten, muß ich gleich die Frage 118 mit beantworten, denn sie ist im Grunde mit der Zusatzfrage identisch.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604400500
Bitte sehr! Dann rufe ich noch die Frage 118 des Abgeordneten Flämig auf:
Treffen die Angaben in der „Report"-Sendung vom 23. März
1970 zu, wonach Feststellungen eines Beauftragten des Welttierschutzbundes ergeben haben, daß sich an den Abschlachtmethoden trotz des weltweiten Protestes nichts geändert habe?

Prof. Dr. Ralf Dahrendorf (FDP):
Rede ID: ID0604400600
Herr Präsident, die Bundesregierung hat in der Tat keine Möglichkeit, die Angaben zu überprüfen, die der Beauftragte des Welttierschutzbundes, Davies, gemacht hat. Wir haben diese Angaben genau studiert. Sie besagen, daß sich nach seinen Beobachtungen nichts geändert habe. Es gibt keine regierungsoffizielle Stellungnahme, und unsere Botschaft in Kanada hat bei ihren Versuchen, genaue Informationen zu bekommen, bisher keine Möglichkeit zu einer genauen Überprüfung gefunden.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604400700
Eine zweite Zusatzfrage.




Gerhard Flämig (SPD):
Rede ID: ID0604400800
Herr Staatssekretär, beabsichtigt die Bundesregierung, in dieser Sache erneut zu intervenieren?

Prof. Dr. Ralf Dahrendorf (FDP):
Rede ID: ID0604400900
Herr Kollege, wir haben diese Frage genau erwogen. Die Haltung der Bundesregierung gegenüber jeder Form von Grausamkeit, gerade auch der Grausamkeit gegenüber Tieren, ist ganz eindeutig. Leider ist die Bundesregierung aber nicht in der Lage, überall in der Welt, wo Grausamkeiten gegen Menschen oder Tiere vorkommen, erfolgreich zu intervenieren. Wir bringen dieses Thema in unseren Gesprächen mit Vertretern Kanadas immer wieder zur Sprache. Das ist aber weniger als eine Intervention in dem Sinne, in dem Sie es meinen. Ich halte unsere Möglichkeiten hier für leider sehr beschränkt.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604401000
Dann rufe ich die Frage 119 des Abgeordneten Dr. Kempfler auf:
Welches ist der Stand des Ratifizierungsverfahrens für die Europäische Konvention über die konsularischen Befugnisse und der beiden Zusatzprotokolle, die am 11. Dezember 1967 von der Bundesregierung unterzeichnet wurden?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Prof. Dr. Ralf Dahrendorf (FDP):
Rede ID: ID0604401100
Herr Präsident, zur Vorbereitung des deutschen Ratifizierungsverfahrens ist vom Auswärtigen Amt im Benehmen mit den zuständigen Ressorts eine deutsche Übersetzung des Europäischen Übereinkommens vom 11. Dezember 1967 und der beiden FakultativProtokolle über den Schutz der Flüchtlinge und die Zivilluftfahrt gefertigt worden. Auf Einladung der österreichischen Regierung soll auf einer Übersetzungskonferenz in der ersten Hälfte des Monats Juni 1970 in Wien eine gemeinsame deutschsprachige Übersetzung des Übereinkommens und seiner beiden Fakultativprotokolle erstellt werden. Der Bundesregierung ist jedoch bekannt, daß zahlreiche europäische Staaten nicht beabsichtigen, das Übereinkommen zu unterzeichnen oder zu ratifizieren. Grund hierfür ist vor allem die Tatsache, daß das Übereinkommen in nicht unwesentlichen Punkten mit dem Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen vom 24. April 1963 nicht übereinstimmt.
Die Bundesregierung prüft daher zur Zeit, ob sie warten soll, bis insgesamt fünf Staaten — die erforderliche Anzahl für das Inkrafttreten — das Übereinkommen ratifiziert haben, um dann die Anregung zu einer Änderungskonferenz zu geben, oder ob sie jetzt schon Änderungen ins Auge fassen und mit den anderen Ländern beraten sollte, die es wahrscheinlicher machen, daß eine breitere Ratifizierungsgrundlage geschaffen wird.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604401200
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Kempfler.

Dr. Friedrich Kempfler (CSU):
Rede ID: ID0604401300
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Ansicht, daß eine lange Zeitspanne zwischen der Empfehlung und der Ratifizierung dem Europagedanken abträglich ist? Und werden Sie deshalb im Auswärtigen Amt alles tun, um die Ratifizierung im allgemeinen und im besonderen möglichst bald herbeizuführen?

Prof. Dr. Ralf Dahrendorf (FDP):
Rede ID: ID0604401400
. Herr Kollege, ich teile Ihre Meinung, daß es für die Verwirklichung des Europagedankens sehr sinnvoll wäre, wenn es uns gelänge, im europäischen Bereich für die konsularischen Vertretungen Voraussetzungen zu schaffen, die günstiger sind als diejenigen, die das Wiener Abkommen vorsieht; darum geht es ja.
Zugleich haben wir aber durch unsere Missionen feststellen müssen, daß eine ganze Reihe von Ländern - darunter die Schweiz, die Niederlande, Irland, Dänemark, Malta, das Vereinigte Königreich, Luxemburg, Frankreich, Belgien — nicht bereit sind, dieses Abkommen zu ratifizieren, so daß es sehr schwierig sein wird, ohne das bloße Zurückgehen auf das Wiener Abkommen eine Grundlage zu finden, die in Europa allgemein akzeptiert wird und daher dem von uns beiden verfolgten Europagedanken dienen würde.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604401500
Zu einer zweiten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Kempfler.

Dr. Friedrich Kempfler (CSU):
Rede ID: ID0604401600
Herr Staatssekretär, darf ich in diesem Fall also feststellen, daß es jedenfalls nicht an der deutschen Bundesregierung liegt, daß das Abkommen noch nicht ratifiziert ist.

Prof. Dr. Ralf Dahrendorf (FDP):
Rede ID: ID0604401700
Das ist sehr richtig. Die deutsche Bundesregierung gehört zu den Regierungen der Länder, die die Ratifizierung dieses Abkommens mit großer Entschiedenheit fördern.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604401800
Ich rufe die Frage 120 der Abgeordneten Frau Klee auf:
Bis wann ist mit dem Abschluß des Ratifizierungsverfahrens für das Europäische Übereinkommen über die akademische Anerkennung von akademischen Graden und Hochschulzeugnissen zu rechnen, dessen Ratifizierungsgesetz vom Deutschen Bundestag bereits am 19. Juni 1969 verabschiedet wurde?
Die Frage wird schriftlich beantwortet. Eine Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Die Fragen 121 bis 126 wurden von den Fragestellern zurückgezogen.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zur Fortsetzung der Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft. Die Fragen 47 bis 52 wurden bereits beantwortet.
Ich rufe die Frage 53 des Abgeordneten Walkhoff auf:
Ist die Bundesregierung bereit, die Tankstellenverträge hinsichtlich ihrer grundsätzlichen Vereinbarkeit mit dem Kartellrecht zu überprüfen?
Bitte, Herr Staatssekretär!




Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604401900
Ich bitte, die beiden Fragen zusammen beantworten zu dürfen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604402000
Bitte sehr. Ich rufe auch die Frage 54 des Abgeordneten Walkhoff auf:
Kann nach angelsächsischem Vorbild eine „Monopolkommission" eingesetzt werden, die u. a. die wettbewerbsbeschränkenden Praktiken der Mineralölgesellschaften kontrolliert?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604402100
Eine kartellrechtliche Überprüfung von Tankstellenverträgen ist nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen bereits laufende Aufgabe der Kartellbehörden. Das Bundeskartellamt hat sich in der Vergangenheit in zahlreichen Verfahren mit Tankstellenverträgen beschäftigen müssen. Bei der Beurteilung ist enscheidend, daß die Märkte offenbleiben und sich die Abhängigkeit der Tankstelleninhaber von den Mineralölgesellschaften in den Grenzen des Gesetzes hält. Darüber hinaus wird erwogen, im Rahmen der Novellierung des Kartellgesetzes die Mißbrauchsaufsicht bei Ausschließlichkeitsverträgen noch zu verschärfen.
Schließlich finden zur Zeit Verhandlungen zwischen den Spitzenverbänden des Tankstellengewerbes und den Mineralölgesellschaften statt. Gegenstand der Verhandlungen ist die künftige Gestaltung der Verträge zwischen den Gesellschaften und den Stationären.
Die Bundesregierung hat in ihrer Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969 und auch im Jahreswirtschaftsbericht 1969 ausgeführt, daß die Einrichtung einer unabhängigen Monopolkommission ein wichtiges Instrument für die geplante präventive Fusionskontrolle sein kann. Für die Kontrolle über wettbewerbsbeschränkende Verträge ist aber in Deutschland eine Monopolkommission nicht erforderlich, weil wir hier das Bundeskartellamt und die Landeskartellbehörden haben.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604402200
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Walkhoff.

Karl-Heinz Walkhoff (SPD):
Rede ID: ID0604402300
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß man in Fachkreisen im Hinblick auf die Preisentwicklung im Benzingeschäft bereits von Dumping-Preisen einiger Gesellschaften spricht, die auf Kosten der Tankstellenpächter aufrechterhalten werden können, und daß man in den gleichen Fachkreisen meint, diese Preispolitik richte sich in erster Linie gegen die deutsche Aral-Gesellschaft, die als nicht erdölfördernde Gesellschaft bei einer solchen Preispolitik in einer sehr schwierigen Situation wäre?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604402400
Wenn ich mir zu interpretieren erlauben darf, trugen Sie ein mögliches Manöver internationaler Gesellschaften gegen die Aral vor. Dafür habe ich nicht die geringsten Indizien.
Was wir im Tankstellengewerbe bei den Benzinpreisen zu beklagen haben, sind Mißbräuche, die z. B. durch Ausnutzung steuerlicher Vorschriften — auch tatsächlich widersprüchlich auszulegender Vorschriften — entstanden sind. Sie kennen das sogenannte Blindenprivileg bei der Mehrwertsteuer, das gerade bei Produkten mit hohen Verbrauchsteuern — das ist das Benzin — zu Mißräuchen führen kann. Wir haben praktisch einen Do-it-yourself-Service bei verschiedenen Supermärkten und C & C-Läden, die ebenfalls dem normalen Geschäft der Tankstellen des mittelständischen Gewerbes Abbruch getan haben.
Aber die Bundesregierung ist in allen diesen Punkten von vornherein seit mehr als einem Jahr in Verbindung mit den Tankstellenverbänden, den Gesellschaften und mit den Außenseitern. Sie wird an den Punkten, wo Gesetzesinitiativen diesem Hause zu unterbreiten sind, auch das ihre dazu tun, damit eine vernünftige Existenz in diesem Gewerbe weiterhin möglich ist.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604402500
Dann kommen wir zur Frage 55 des Abgeordneten Höcherl. — Er ist nicht da; die Frage wird schriftlich beantwortet.
Die Fragen 56 und 57 werden schriftlich beantwortet.
Frage 58 des Abgeordneten Scheu wird auch wegen Abwesenheit des Fragestellers schriftlich beantwortet, dasselbe gilt auch für Frage 59.
Dann kommen wir zur Frage 60 des Abgeordneten Dr. Fuchs:
Ist die Bundesregierung bereit, entsprechend einer Forderung der bayerischen Grenzland-Handwerkskammern in den Zonenrand- und Ausbaugebieten zum Ausgleich der durch die Diskontsatzerhöhung wesentlich gestiegenen Kreditkosten die vorhandenen Kreditprogramme, insbesondere das ERP-Kreditprogramm, in ihren Konditionen durch Senkung der Zinssätze und die Erhöhung der Laufzeiten zu verbessern?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604402600
Die Mittel des ERP-
Sondervermögens sind beschränkt. Deshalb ist eine Ausweitung des Kreditvolumens in diesem Jahr nicht möglich. Durch eine Senkung der ohnehin begünstigten Zinssätze für ERP-Kredite würde das verfügbare Volumen der ERP-Kreditprogramme noch weiter eingeengt werden; d. h. es könnten dann noch weniger Antragsteller bedient werden. Deshalb kann die Bundesregierung diesen Weg nicht gehen und ist ihn bei ihrem gestrigen Beschluß über den Entwurf des ERP-Wirtschaftsplanes 1970 auch nicht gegangen.
Zudem weise ich darauf hin, daß durch das Ansteigen des Marktzinses bei dem nach wie vor gleichbleibenden günstigen Zinssatz der ERP-Kreditmittel sich der Subventionswert für den Kreditnehmer ja ohnehin erhöht hat, weil sich die Differenz von ERP- Zins zu Marktzins erhöhte.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604402700
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Fuchs.




Dr. Karl Fuchs (CSU):
Rede ID: ID0604402800
Herr Staatssekretär, sehen Sie eine andere Möglichkeit, um der doch wohl berechtigten Sorge, die in der Forderung der Grenzlandkammern auf eine Vergünstigung und eine bessere Ausstattung mit Krediten, vor allem der mittelständischen Wirtschaft in den Grenzland- und in den Aufbaugebieten, zum Ausdruck kommt, abzuhelfen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604402900
Herr Kollege Dr. Fuchs, diese Grenzlandprogramme sind alle nicht eingeschränkt, sondern ausgedehnt worden, auch die Kredite für die mittelständische Wirtschaft in den ländlichen und den sonstigen -Fördergebieten aus dem ERP-Programm. Wir haben in diesem Punkte ja nicht gespart, sondern sind — gerade wegen der guten Konjunktur und der sich daraus ergebenden Investitionschancen — weiterhin bei einer zügig expandierenden Regionalpolitik im Grenzland geblieben.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604403000
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Fuchs.

Dr. Karl Fuchs (CSU):
Rede ID: ID0604403100
Herr Staatssekretär, da meine Frage ja nicht auf das Volumen abzielt, sondern auf die Bedingungen, und da Sie doch wohl zugestehen werden, daß die Bedingungen dort, in diesen wirtschaftlich schwachen Gebieten gegenüber den wirtschaftlich starken Gebieten, eine nicht unerhebliche Erschwernis darstellen, darf ich Sie noch einmal fragen, ob nicht noch eine andere Möglichkeit besteht.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604403200
Nein. Die Bedingungen sind gut. In wirtschaftlich starken Gebieten gibt es nichts Vergleichbares an Förderung. Es wäre widersinnig, die Bedingungen in der Hochkonjunktur noch zu verbessern. — Wenn überhaupt, dann müßte man sie in einer schlechten Konjunkturlage gegenüber dem gegenwärtigen Stand verbessern.

(Abg. Dr. Fuchs meldet sich zu einer weiteren Zusatzfrage.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604403300
Sie haben nur zwei Zusatzfragen, Herr Abgeordneter Dr. Fuchs. — Diese Frage ist damit erledigt.
Wir kommen zur Frage 61 des Abgeordneten Werner:
Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung in Hinsicht auf strukturelle Anpassungsmaßnahmen in Industrieländern für ihre eigene Struktur- und Raumordnungspolitik in Verbindung mit den Erwartungen der Entwicklungsländer für die zweite Entwicklungsdekade zu ergreifen?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604403400
Ich bitte, die beiden Fragen zusammen beantworten zu dürfen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604403500
Bitte sehr! Dann rufe ich noch ,die Frage 62 des Abgeordneten Werner auf:
Besteht über solche Maßnahmen Ubereinstimmung mit den Ländern?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604403600
Die Bundesregierung beabsichtigt, ihre in den 60er Jahren begonnene Struktur- und Raumordnungspolitik auch in diesem Jahrzehnt zielstrebig fortzusetzen. Das bedeutet für die sektorale Strukturpolitik, daß verstärkt zukunftsträchtige Wirtschaftszweige gefördert werden, und das bedeutet für den Bereich der regionalen Strukturpolitik, daß wirtschaftsschwache Gebiete ebenfalls verstärkt gefördert werden. Geschieht dies weiterhin, kann die Politik der Öffnung der Märkte der 'Bundesrepublik Deutschland — und diese Öffnung der Märkte schließt die Produkte der Entwicklungsländer mit ein — ebenfalls fortgesetzt werden.
In diesem Prozeß entstehen den Entwicklungsländern die Vorteile, die sie auf Grund ihrer Kostenlage und ihrer spezifischen Produktionen haben. Es entsteht ihnen nicht der Nachteil, daß gegenüber ihrer Produktion Sperren errichtet werden.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604403700
Eine Zusatzfrage.

Rudolf Werner (CDU):
Rede ID: ID0604403800
Herr Staatssekretär, darf ich Ihre Antwort so verstehen, daß die Bundesregierung keinerlei Konzeption hat, wie die deutsche Wirtschaftsstruktur im Hinblick auf ihren eigenen Kabinettsbeschluß über Entwicklungshilfefragen verändert werden kann, um meinetwegen bestimmte Produktionsstufen mit Unterstützung der Regierung abzubauen? So ist doch wohl der Erlaß gemeint.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604403900
Sie können aus meiner Antwort keinesfalls schließen, Herr Kollege, daß wir keine Konzeption hätten. Nur gibt es sehr wenige Produktionen der Entwicklungsländer, deren Anteil an der deutschen Einfuhr so gravierend ist, daß er spezielle wirtschaftspolitische Maßnahmen rechtfertigt. Selbstverständlich haben wir Anpassungen in der Textilindustrie, die wir im Rahmen der regionalen Wirtschaftsförderung unterstützen. Aber die meisten Textilimporte kommen nicht aus Entwicklungsländern, und es wäre unsinnig, zwischen Betrieben zu differenzieren, die wegen Importen aus Entwicklungsländern und Importen aus anderen Ländern der Anpassung bedürfen.
Ich kann Ihnen aber ein Beispiel für ein Entwicklungsland-Produkt nennen, das einen sehr hohen Anteil an der deutschen Einfuhr hat, nämlich Erdöl. Als der deutsche Erdölzoll im Jahre 1963 in Verbindung mit den EWG-Regelungen aufgehoben wurde, d: h. als ausländisches, zum großen Teil arabisches Erdöl auf dem Markt preisgünstiger als die eigene deutsche Produktion auftreten konnte, hat man für die deutschen Erdölunternehmen Anpassungshilfen gegeben. Diese Hilfen setzen sich auch noch heutzutage im Bundeshaushalt fort.

Rudolf Werner (CDU):
Rede ID: ID0604404000
Herr Staatssekretär, wenn die Strukturmaßnahmen, die ergriffen werden sollen, den Entwicklungsländern helfen sollen, würden Sie dann meinen, daß die Regierung in der Lage wäre, dafür zu gegebener Zeit irgendeine Konzeption vorzulegen?




Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604404100
Ich glaube, Sie suchen nach einer Konzeption in Richtung Dirigismus. Ich habe beinahe den Eindruck, daß man nach Ihrer Meinung diese oder jene Produktion in Deutschland unterbinden oder staatlicherseits verbieten sollte, damit Entwicklungsländer diese übernehmen können. Nichts liegt der Bundesregierung ferner als das.
Worauf die Entwicklungsländer neben der Förderung ihrer Industrialisierung und ihrer technischen Entwicklung einen Anspruch haben, ist, daß wir ihnen nach Möglichkeit unseren kaufkräftigen Markt öffnen. Hier sind wir weiter als andere Länder. Ich bitte um Ihre Unterstützung dafür, daß wir diesen Vorsprung gegenüber anderen Industrieländern auch künftig halten können.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604404200
Wir kommen dann zur Frage 63 des Abgeordneten Weigl:
Welcher Anteil des im Haushaltsjahr 1970 vorgesehenen ERP- Programms zur Gewährung von Krediten zugunsten der mittelständischen gewerblichen Wirtschaft in den von der Bundesregierung anerkannten Förderungsgebieten ist bereits durch Kreditzusagen erschöpft?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604404300
Herr Kollege Weigl, im Haushalt 1970 sind Kreditmittel für die mittelständische gewerbliche Wirtschaft in den Bundesfördergebieten in Höhe von 207,5 Millionen DM vorgesehen. Hiervon sind zur Zeit 40 Millionen DM mit Projekten belegt, und zwar handelt es sich dabei um die Erfüllung einer Verpflichtungsermächtigung aus dem Jahre 1969.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604404400
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Weigl.

Franz Weigl (CSU):
Rede ID: ID0604404500
Herr Staatssekretär, darf ich fragen, für welches Kreditvolumen zur Zeit Anträge vorliegen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604404600
Das kann ich Ihnen nicht beantworten. Jedenfalls sind die restlichen 167,5 Millionen DM in keiner Weise erschöpft. Das ist mir bekannt.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604404700
Zweite Zusatzfrage.

Franz Weigl (CSU):
Rede ID: ID0604404800
Würden Sie mir vielleicht mitteilen, bis wann dann mit der Freigabe der restlichen Mittel .gerechnet werden kann?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604404900
Anträge können selbstverständlich bereits gestellt werden und werden auch bearbeitet. Der ERP-Wirtschaftsplan wird in diesen Tagen dem Bundesrat zugeleitet. Bis zur endgültigen Beschlußfassung durch Bundesrat und
Bundestag kann selbstverständlich nicht definitiv über diese Mittel verfügt werden.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604405000
Ich komme damit zur Frage 64 des Abgeordneten Dr. Hermesdorf (Schieiden). — Ist der Herr Abgeordnete im Saal? — Das ist nicht der Fall. Dann wird die Frage schriftlich beantwortet.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Ich rufe die Frage 65 des Abgeordneten Geldner auf:
Ist der Bundesregierung der Facharbeiternachwuchsmangel, insbesondere im Bereich des Handwerks, bekannt, und was kann nach Auffassung der Bundesregierung getan werden, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken?

Helmut Rohde (SPD):
Rede ID: ID0604405100
Herr Präsident, ich möchte diese Frage gern zusammen mit der Frage 66 beantworten.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604405200
Beide Fragen gemeinsam? Bitte sehr. Dann rufe ich auch die Frage 66 des Abgeordneten Geldner auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die Bereitschaft, eine Handwerkslehre anzutreten bzw. nach der Lehre im Handwerk tätig zu bleiben, wesentlich davon abhängt, welche Chancen der Betreffende für die Zukunft sieht, einen Handwerksbetrieb zu übernehmen oder eine entsprechende selbständige Existenz zu gründen?

Helmut Rohde (SPD):
Rede ID: ID0604405300
Der Bundesregierung ist der Mangel an Facharbeiternachwuchs bekannt. Es gibt allerdings keine Anhaltspunkte dafür, daß der Nachwuchsmangel im Handwerk relativ größer ist als in anderen Ausbildungsbereichen. Richtig ist vielmehr, Herr Kollege, daß im Handwerk wie auch in Industrie und Handel bestimmte Berufe ihren Bedarf an Nachwuchskräften nahezu abdecken können, während sich in anderen Berufen — auch Handwerksberufen — der Mangel an Facharbeiternachwuchs stark bemerkbar macht.
Der quantitative Zugang von Nachwuchskräften zu den einzelnen Ausbildungsberufen hängt nicht zuletzt davon ab, inwieweit es den Betrieben gelingt, durch gute Ausbildungsleistungen attraktiv zu sein. Dieses Hohe Haus hat durch die Verabschiedung des Berufsbildungsgesetzes und des Arbeitsförderungsgesetzes Voraussetzungen für eine Verbesserung und Intensivierung der beruflichen Bildung geschaffen. Ich darf in diesem Zusammenhang auf die verbesserten Möglichkeiten der Berufsberatung, der Ausbildungsstellenvermittlung, der überbetrieblichen Ausbildung und der Ausbildungs- und Fortbildungsförderung verweisen. Im übrigen gibt die Bundesregierung im Rahmen der Gewerbeförderung seit langem Hilfen für überbetriebliche Aus- und Fortbildungsmaßnahmen in Handwerk und Handel sowie im Hotel- und Gaststättengewerbe.
Ihre zweite Frage, Herr Kollege, läßt sich nicht einfach — darum bitte ich um Verständnis — mit



Parlamentarischer Staatssekretär Rohde
Ja oder Nein beantworten. Bei Antritt der Ausbildung steht für die große Masse der Handwerkslehrlinge die Überlegung, sich später selbständig zu machen, grundsätzlich nicht im Vordergrund. Vielmehr dürften hier persönliche Interessen und Neigungen sowie der Wunsch nach einer soliden Berufsausbildung vorherrschende Motive sein. Immerhin werden zur Zeit noch über 60 % aller gewerblichen Lehrlinge im Handwerk ausgebildet. Dagegen dürfte nach Beendigung der Ausbildung die Bereitschaft, im Handwerk zu bleiben, je nach dem erlernten Beruf in einer Reihe von Fällen auch davon beeinflußt werden, ob die Gründung einer selbständigen Existenz oder die Übernahme des elterlichen Betriebs möglich und vorteilhaft ist.
Die Bundesregierung ist der Meinung — und hat dies schon wiederholt zum Ausdruck gebracht —, daß auch die Bereitschaft zu wirtschaftlicher Selbständigkeit gefördert werden sollte, und unterstützt dahin gehende Bestrebungen mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln. Hierzu wäre eine Vielzahl von Maßnahmen zu nennen, die ich Ihnen gern schriftlich mitteilen werde.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604405400
Die Frage ist erledigt.
Ich komme zu Frage 67. — Sie wird schriftlich beantwortet, da Herr Ruf abwesend ist.
Ich rufe die Frage 68 des Abgeordneten Dröscher auf:
Kann die Bundesregierung einen Überblick darüber geben, ab wann die Verpflichtung zur Unterbringung kriegsbeschädigter Arbeitskräfte für die Wirtschaft abgebaut werden kann, und besteht — falls die Frage .bejaht wird — die Möglichkeit, eine ähnliche gesetzliche Regelung für die Unterbringung von Arbeitskräften, die auf Grund ihres Alters schlechter vermittlungsfähig sind, zu schaffen?
Die Frage wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Rohde vom 15. April 1970 lautet:
Das von Ihnen angesprochene Problem wird bei der vorgesehenen Novellierung des Schwerbeschädigtengesetzes behandelt. Die Überlegungen dazu sind in meinem Hause noch nicht abgeschlossen. Ich darf aber darauf hinweisen, daß bereits nach geltendem Recht neben den Kriegsbeschädigten auch die bei Arbeitsunfällen Verletzten, die Blinden und die Berechtigten nach dem Soldatenversorgungsgesetz zu dem durch das Schwerbeschädigtengesetz besonders geschützten Personenkreis gehören. Ein Rückgang der Zahl der Kriegsbeschädigten im erwerbsfähigen Alter wird daher den Bestand des heute schon geschützten Personenkreises nicht grundlegend beeinflussen. Im übrigen wird anläßlich der Novellierung des Schwerbeschädigtengesetzes zu prüfen sein, inwieweit weitere Gruppen von Behinderten in den Schutz des Gesetzes einbezogen werden können.
Zum Problem der älteren Arbeitnehmer darf ich Ihnen versichern, daß die Bundesregierung darauf ihre besondere Aufmerksamkeit richtet. Bei Lösungsvorschlägen in Ihrem Sinne muß allerdings sorgfältig geprüft werden, welche Auswirkungen sich konkret für diesen Kreis von Arbeitnehmern ergeben würden, wenn er generell ähnlich geschützt würde wie die Schwerbeschädigten. Es muß der unzutreffende Eindruck vermieden
werden, bei älteren Arbeitnehmern sei ganz allgemein das berufliche Leistungsvermögen herabgesetzt. Es darf keine Regelung eingeführt werden, die als Diskriminierung der Betroffenen empfunden werden könnte.
Aus diesen Gründen sollte das Schwergewicht der sozialpolitischen Initiative zum Schutz der älteren Arbeitnehmer auf Maßnahmen zur rechtzeitigen beruflichen Anpassung nach dem Arbeitsförderungsgesetz und auf verstärkten Anstrengungen im Rahmen einer langfristigen betrieblichen Personalplanung liegen, um für ältere Arbeitnehmer qualifizierte Arbeitsplätze und entsprechende Einkommen zu sichern. Es geht hier um eine schwerwiegende und in ihrer Bedeutung wachsende Aufgabe, zu deren Lösung nicht nur der Gesetzgeber, sondern auch die Tarifvertragsparteien und die Betriebe beitragen müssen. Wir wollen dieses Thema deshalb in die „Sozialpolitische Gesprächsrunde" mit den sozialen Gruppen einbeziehen, um auch auf diesem Wege bei allen Beteiligten und der Öffentlichkeit insgesamt ein größeres Verständnis für diese Aufgabe zu wecken.
Ich komme zur Frage 69 des Abgeordneten von Thadden. — Der Fragesteller ist nicht im Saal. Die Frage wird ebenso wie die nächste schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Fragen 71 und 72 des Abgeordneten Bäuerle auf:
Treffen Pressemeldungen zu, nach denen etwa 400 000 Kriegerwitwen bei der zum 1. Januar nächsten Jahres beabsichtigten Rentenanpassung nur eine geringe bzw. keine finanzielle Verbesserung erhalten, da bei der Berechnung des Schadensausgleichs die Grundrenten in vollem Umfang angerechnet werden?
Wird die Bundesregierung gesetzliche Voraussetzungen schaffen, damit zukünftige Grundrentenerhöhungen nach den jährlichen Anpassungen bei der Ermittlung des Bruttoeinkommens, an dem sich der Schadensausgleich orientiert, außer Betracht bleiben, um die Benachteiligung der Witwen zu beseitigen?
Die Fragen werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Rohde vom 16. April 1970 lautet:
Zu den von Ihnen genannten Meldungen darf ich folgendes anmerken: Bei der zum 1. Januar 1971 vorgesehenen Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes kommen die meisten der 400 000 Witwen mit Anspruch auf Schadensausgleich in den vollen Genuß der Erhöhung ihrer Grund- und Ausgleichsrente. Kürzungen, die diese Witwen anläßlich der ersten Anpassung zum 1. Januar 1970 hinnehmen mußten, werden 1971 sogar wieder ausgeglichen.
Der erhebliche Unterschied, der sich für Witwen mit Anspruch auf Schadensausgleich bei der Rentenanpassung zum 1. Januar 1971 gegenüber der Rentenerhöhung 1970 ergibt, ist eine Folge der 1964 beschlossenen Regelung des Schadensausgleichs für Kriegerwitwen. Danach wird der Schadensausgleich der Witwen nach dem Unterschied zwischen dem tatsächlichen Einkommen der Witwe und dem Vergleichseinkommen, d. h. dem mutmaßlichen Einkommen ihres gefallenen Mannes berechnet. Jede Einkommenserhöhung, auch die Erhöhung der Grund- und Ausgleichsrente, führt daher zu einer Kurzung des Schadensausgleichs, wenn nicht gleichzeitig das Vergleichseinkommen entsprechend steigt. Das Vergleichseinkommen wird jedoch nach dem Gesetz nur zum Beginn jedes ungeraden Jahres neu festgestellt. Wäre schon 1969, also in einem ungeraden Jahr, ein Erstes Anpassungsgesetz verabschiedet worden, so hätte die Erhöhung des Vergleichseinkommens eine Kürzung des Schadensausgleichs verhindert. Jetzt wird ein voller Ausgleich 1971 erfolgen.
Einer Änderung des Gesetzes in dem Sinne, wie Sie es in Ihrer zweiten Frage angedeutet haben, wird unter diesen Voraussetzungen jetzt nicht näherzutreten sein. Zu prüfen ist dagegen, ob künftig eine jährliche Berücksichtigung neuer Vergleichseinkommen erreicht werden kann. Ich werde mit dem Herrn Bundesfinanzminister die Frage der dafür erforderlichen, nicht unerhebliche Haushaltsmittel im Hinblick auf eine entsprechende Gesetzesänderung vor der übernächsten Anpassung, bei der das Problem erneut akut wird (1972), erörtern.
Dann komme ich zur Frage 73 des Abgeordneten
Leicht:
Können Heime, die Erziehung und Berufsausbildung schwererziehbarer Jugendlicher vornehmen, in den Genuß der Förderung nach dem Arbeitsförderungsgesetz kommen?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.

Helmut Rohde (SPD):
Rede ID: ID0604405500
Herr Kollege, nach § 50 Abs. 1 des Arbeitsförderungsgesetzes kann die Bundesanstalt für Arbeit Einrichtungen, die der beruflichen Ausbildung dienen, durch Darlehen und Zuschüsse fördern. Gemäß Abs. 2 dieser Vorschrift darf die Förderung aber nur erfolgen, soweit nicht der Träger der Einrichtung oder ein anderer gesetzlich verpflichtet ist, die Kosten zu tragen. Nach dem Jugendwohlfahrtsgesetz sind die Träger der öffentlichen Jugendhilfe verpflichtet, die Kosten zu übernehmen, die für Jugendliche entstehen, denen Erziehungshilfe gewährt wird bzw. für die Erziehungshilfe angeordnet ist. Hierzu zählen auch die Kosten, die für die Errichtung, Einrichtung und Unterhaltung von erforderlichen Ausbildungsstätten entstehen. Somit bestehen nach den gesetzlichen Regelungen vorrangige Verpflichtungen zur



Parlamentarischer Staatssekretär Rohde Kostenübernahme, die eine institutionelle Förderung nach dem Arbeitsförderungsgesetz ausschließen. Es sind jedoch keine Bedenken zu erheben -
das will ich hinzufügen, Herr Kollege —, wenn an Maßnahmen sonstiger Einrichtungen, die nach dem Arbeitsförderungsgesetz gefördert werden, neben anderen Personen auch einzelne Jugendliche aus dem von Ihnen genannten Kreis teilnehmen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604405600
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Leicht.

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0604405700
Herr Staatssekretär, gibt es nicht auch eine Vorschrift, die besagt, daß dann, wenn die — wie Sie richtig sagten — zuständigen Träger nach der Jugendhilfe nicht einspringen, doch in zweiter Linie die Förderungsmaßnahmen des Arbeitsförderungsgesetzes in Frage kommen?

Helmut Rohde (SPD):
Rede ID: ID0604405800
Herr Kollege, ich darf Ihnen sagen, daß ich auf Grund Ihrer Frage den Sachverhalt nach dem geltenden Gesetz habe sorgfältig überprüfen lassen. Dabei sind auch die Beamten unseres Hauses zu den Feststellungen gekommen, die ich Ihnen hier vorgetragen habe.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604405900
Eine zweite Zusatzfrage, bitte.

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0604406000
Glauben Sie nicht, Herr Staatssekretär, daß man gerade bei den hier angesprochenen Heimen für schwererziehbare Jugendliche davon sprechen könnte, daß diese Kinder seelisch behindert sind und damit schon unter das Arbeitsförderungsgesetz fallen?

Helmut Rohde (SPD):
Rede ID: ID0604406100
Herr Kollege, in dem Fall, in dem sich solche Überlegungen auch auf mögliche Rehabilitationsmaßnahmen erstrecken könnten, würde ich gern Ihre Anregung aufnehmen, sie mit dem Herrn Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit zu erörtern.

(Abg. Leicht: Ich wäre Ihnen dafür 'dankbar!)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604406200
Damit komme ich zur Frage 74 des Abgeordneten Hansen:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um den Menschenhandel mit Gastarbeitern ohne Aufenthaltsgenehmigung für die Bundesrepublik Deutschland zu unterbinden, wie er laut „Panorama" am 6. April 1970 z. B. durch eine Firma in Stuttgart betrieben wird, welche Arbeitskräfte weit unter Tarif einstellen soll, wobei die geringfügigen Strafen für ihre illegale Tätigkeit die erzielten Gewinne kaum schmälern würde?
Herr Staatssekretär, bitte!

Helmut Rohde (SPD):
Rede ID: ID0604406300
Herr Präsident, ich bitte, die vier Fragen, die von dem Herrn Kollegen Hansen, von der Frau Kollegin Lauterbach und von einem anderen Kollegen zu dem gleichen Sachverhalt gestellt worden sind, gemeinsam beantworten zu dürfen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604406400
Das ist zwar ungewöhnlich; aber wir können es machen. Das Recht auf Zusatzfragen der einzelnen Kollegen bleibt aufrechterhalten.
Ich rufe also auch die Fragen 75 und 76 der Abgeordneten Frau Lauterbach und die Frage 77 des Abgeordneten Löffler auf:
Ist die Bundesregierung darüber informiert, daß es laut Panorama-Sendung vom 6. April d. J. rund 200 bekannte und eine nur schätzbare Dunkelziffer unbekannter Unternehmer gibt, die als Touristen einreisende ausländische Arbeitnehmer illegal anheuern und sie als „Leiharbeiter" vor allem an Baufirmen in einer Größenordnung vermieten, daß man von einer Beherrschung des sogenannten „grauen Gastarbeitermarktes" im Baugewerbe sprechen kann?
Teilt die Bundesregierung meine Meinung, daß dieser Art von Firmen das Handwerk gelegt werden muß, und welche Möglichkeiten sieht sie sowohl dazu, wie auch den betroffenen Leiharbeitern zu ihren elementarsten Menschenrechten zu verhelfen?
Wie gedenkt die Bundesregierung gegen die Agenturen vorzugehen, welche ausländische Arbeiter ohne Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung mit hohem Gewinn als Arbeitskräfte an industrielle Unternehmen weitervermitteln?

Helmut Rohde (SPD):
Rede ID: ID0604406500
Frau Kollegin Lauterbach! Meine Herren Kollegen! Die Bundesregierung verurteilt aufs schärfste, wenn Ausländer, die sich ohne Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis im Bundesgebiet aufhalten, von skrupellosen Geschäftemachern ausgebeutet werden. Die zuständigen Stellen arbeiten unter Federführung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung eng zusammen, um die von Ihnen geschilderten Praktiken durch Straf-, Bußgeld- und Verwaltungszwangsverfahren zu unterbinden.
Welche Maßnahmen in den Fällen der „Panorama"-Sendung vom 6. April 1970 im einzelnen getroffen wurden, lasse ich zur Zeit feststellen. Nach Abschluß dieser Ermittlungen werde ich Sie selbstverständlich ergänzend unterrichten.
Nach meinen bisherigen Informationen dürfte in den von Ihnen genannten Fällen unerlaubte Arbeitsvermittlung vorliegen. Die gesetzlichen Möglichkeiten lassen es hier zu, den illegalen Vermittlern, gegebenenfalls auch durch Betriebsschließungen, das Handwerk zu legen. Die Sachaufklärung stößt allerdings häufig .auf erhebliche Schwierigkeiten; denn von den beteiligten Personen sind gewöhnlich keine Angaben zu erhalten.
Der Umfang der illegalen Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer läßt sich deshalb auch kaum abschätzen, worauf Frau Kollegin Lauterbach in ihrer Anfrage ebenfalls hingewiesen hat. Gesetzesverstöße in diesem Bereich sind im Baugewerbe besonders schwer zu erfassen. Daher dürfte hier ein Schwerpunkt der illegalen Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer liegen.
Um diese Mißstände zu beseitigen, wird in meinem Hause die gesetzliche Einführung einer erweiterten Meldepflicht für Unternehmen, die sogenannte Leiharbeiter beschäftigen, vorbereitet. Außerdem laufen Vorarbeiten für gesetzliche Neuregelungen, um arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Nachteile für die betroffenen Arbeitnehmer auszuschließen. Ich hoffe, daß damit die von Ihnen zu Recht ver-



Parlamentarischer Staatssekretär Rohde
urteilten Praktiken ausgeschaltet werden. Ein entsprechender Gesetzentwurf, Frau Kollegin, wird dem
Hohen Hause noch im Laufe dieses Jahres zugeleitet.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604406600
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Hansen.

Karl-Heinz Hansen (SPD):
Rede ID: ID0604406700
Herr Staatssekretär, ist bei diesen Gesetzesänderungen auch daran gedacht worden, Mittel und Wege zu finden, um die illegale Einreise von Gastarbeitern ohne Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung überhaupt zu unterbinden und auch die bis jetzt angedrohten Strafen drastisch zu erhöhen?

Helmut Rohde (SPD):
Rede ID: ID0604406800
Herr Kollege, zunächst darf ich ein Wort zu den Strafen nachgeltendem Recht sagen. Die illegale Anwerbung oder Arbeitsvermittlung aus dem Ausland ins Inland wird mit Geldstrafe oder Gefängnis bis zu einem Jahr bestraft. Weil in diesen Fällen grundsätzlich anzunehmen ist, daß der Täter aus Gewinnsucht handelt, kann die Geldstrafe bis zu einem Betrage von 100 000 DM verhängt werden. In jedem Falle soll die Geldstrafe den Gewinn, den der Täter aus der Tat gezogen hat, übersteigen. Unabhängig von der Ahndung begangener Verstöße gegen das Vermittlungsmonopol kann ,die Bundesanstalt für Arbeit nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz Betriebsschließungen vornehmen, um künftige Gesetzesverletzungen zu verhindern.
Das wollte ich zur Klarstellung des geltenden Rechts anfügen. Aber selbstverständlich wird diese Frage der Strafen ebenso wie die von Ihnen genannte andere Frage im Zusammenhang mit dem Gesetzentwurf, den wir vorlegen werden, erörtert werden.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604406900
Zu einer Zusatzfrage Frau Abgeordnete Lauterbach.

Ellen Lauterbach (SPD):
Rede ID: ID0604407000
Herr Staatssekretär, welche rechtlichen Möglichkeiten sieht die Bundesregierung oder kann sie bis zur Einbringung des Gesetzentwurfes schaffen, um den bereits vorhandenen illegalen Gastarbeitern zu rechtsgültigen Arbeitsverträgen bzw. zu gesetzlich-sozialer Sicherheit zu verhelfen?

Helmut Rohde (SPD):
Rede ID: ID0604407100
Frau Kollegin, ich habe schon in meiner Antwort darauf hingewiesen, daß wir nicht nur die in der Panorama-Sendung genannten Fälle verfolgen, untersuchen und Ihnen von dem Ergebnis dieser Untersuchung berichten werden, sondern daß auch unter Federführung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung die Zusammenarbeit der verschiedenen Stellen der Sozialversicherung, der Steuerbehörden usw. organisiert worden ist, um die Mißstände auf dem Gebiet der Leiharbeiter abzubauen.
Im übrigen, Frau Kollegin, darf ich darauf aufmerksam machen, daß zur Zeit vor dem Bundessozialgericht ein Verfahren anhängig ist, bei dem prinzipiell über die Abgrenzung zwischen erlaubter Arbeitnehmerüberlassung und unerlaubter Arbeitsvermittlung entschieden werden soll. Allerdings hat dieses Verfahren für die in der Panorama-Sendung genannten Fälle keine Bedeutung, weil wir davon ausgehen, daß es sich hierbei offensichtlich schon nach geltendem Recht um unerlaubte Arbeitsvermittlungen handelt.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604407200
Zu einer Zusatzfrage Frau Abgeordnete Lauterbach.

Ellen Lauterbach (SPD):
Rede ID: ID0604407300
Herr Staatssekretär, würden Sie die Möglichkeit sehen, uns gelegentlich einmal mitzuteilen, in welcher Höhe durch diese Art von Firmen dem Fiskus und den Sozialversicherungsträgern durch nicht abgeführte Lohnsteuern und Sozialabgaben materieller Schaden entstanden ist?

Helmut Rohde (SPD):
Rede ID: ID0604407400
Frau Kollegin, soweit das möglich ist, werden wir es selbstverständlich tun. Ich darf Ihnen versichern, daß in den letzten Monaten seitens unseres Hauses besonderes Gewicht darauf gelegt worden ist, diesen Mißständen auf dem Felde der Leiharbeiter auch hinsichtlich der Auswirkungen auf das Sozialversicherungs- und das Steuerrecht auf die Spur zu kommen und zu begegnen. Das wird im Zusammenhang mit der Gesetzesberatung ebenfalls zur Sprache gebracht werden.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604407500
Herr Abgeordneter Löffler, wollen Sie eine Zusatzfrage stellen?

(Abg. Löffler: Nein!)

Bitte sehr, Herr Abgeordneter Dr. Geßner!

Dr. Manfred Achim Geßner (SPD):
Rede ID: ID0604407600
Herr Staatssekretär, Sie hatten eben mitgeteilt, daß auf Grund der geltenden Gesetze sehr erhebliche und empfindliche Strafen verhängt werden können. Ich hätte gern von Ihnen gewußt, ob Sie uns etwas über die gängige Gerichtspraxis in dieser Frage sagen können.

Helmut Rohde (SPD):
Rede ID: ID0604407700
Herr Kollege, ich bitte um Verständnis dafür, daß ich Ihnen eine Bestandsaufnahme der Gerichtsverfahren schriftlich zuleite.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604407800
Herr Abgeordneter Härzschel!

Kurt Härzschel (CDU):
Rede ID: ID0604407900
Herr Staatssekretär, ich wollte an sich dieselbe Frage stellen. Ist Ihnen bekannt, inwieweit im Rahmen des geltenden Rechts Verurteilungen stattgefunden haben? Es wäre doch für dieses Haus interessant zu wissen, wie die Praxis bisher gewesen ist.




Helmut Rohde (SPD):
Rede ID: ID0604408000
Herr Kollege, ich darf auf Ihre Frage die gleiche Antwort geben, die ich eben Herrn Kollegen Dr. Geßner erteilt habe. Sie können sicher sein, daß wir darum bemüht sind, Sie in dieser Angelegenheit zügig zu unterrichten.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604408100
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Schulze-Vorberg!

Dr. Max Schulze-Vorberg (CSU):
Rede ID: ID0604408200
Herr Staatssekretär, darf ich den Antworten, die Sie eben gegeben haben, entnehmen, daß die Bundesregierung tatsächlich keine Ubersicht darüber hat, welche justitiellen Gegenmaßnahmen gegen diese skandalösen Vorfälle, die die einzig wirksamen sind, getroffen worden sind?

Helmut Rohde (SPD):
Rede ID: ID0604408300
Nein, Herr Kollege, das können Sie meiner Antwort nicht entnehmen. Sie können meiner Antwort lediglich mein Bemühen entnehmen, diese Strafen hier nicht nur in einigen Einzelfällen darzustellen, sondern eine präzise Ubersicht über .die Strafpraxis im ganzen zu geben.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604408400
Damit sind diese vier Fragen erledigt.
Ich rufe die Frage 78 des Abgeordneten Pieroth auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Alterskassen der Landwirtschaft bei Anträgen auf Landabgaberente die Voraussetzung einer fünfjährigen überwiegend hauptberuflichen Bewirtschaftung (§ 41 Abs. 1 Buchstabe d des Vierten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte) so streng auslegen, daß selbst wegen kurzer Unterbrechungen und bei Landwirten, die weit über fünf Jahre hauptberuflich tätig sind, die Rente abgelehnt wird, und ist die Bundesregierung bereit, hier eine flexiblere Regelung einzuführen, damit die Strukturverbesserung gefördert und soziale Härten vermieden werden?
Der Fragesteller hat um schriftliche Beantwortung gebeten. Die Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Rohde vom 16. April 1970 lautet:
Die Landabgaberente ist im Sommer vorigen Jahres neu eingeführt worden. Die Bundesregierung beobachtet laufend, welche Erfahrungen mit den einzelnen Bestimmungen des Gesetzes gemacht werden. Soweit bisher Härten aufgetreten sind, die durch eine extensive Auslegung des Gesetzes behoben werden konnten, ist dies in Zusammenarbeit mit den Stellen, die mit der Durchführung des Gesetzes beauftragt sind, geschehen. Bisher ist der Bundesregierung noch nicht berichtet worden, daß die gesetzliche Voraussetzung einer wenigstens 5jährigen überwiegend hauptberuflichen Tätigkeit als Landwirt vor der Landabgabe zu Härten der von Ihnen geschilderten Art geführt hat. Ich wäre daher dankbar, wenn Sie mir derartige Fälle, die Sie offensichtlich im Auge haben, mitteilen würden. Ich werde dann gern prüfen lassen, ob und wie auch in diesen Fällen geholfen werden kann.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich komme nun zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung, zunächst zu den Fragen 79 und 80 des Abgeordneten Cramer:
Trifft es zu, daß im Bereich des Bundesverteidigungsministeriums Verbesserungsvorschläge, die bei ihrer Verwirklichung erhebliche Arbeitsleistungssteigerungen bedingen, viele Monate im Verwaltungsgang bleiben, ohne bearbeitet zu werden?
Ist der Bundesregierung bekannt, daß Vorschläge aus dem Marinearsenal Wilhelmshaven 19 Monate ohne Entscheidung geblieben sind, und teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß bei einer solchen Verfahrensdauer die lobenswerte Eigeninitiative der Beschäftigten in ihrem Bereich gelähmt wird?
Herr Staatssekretär, ich darf bitten.

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0604408500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Cramer, die Bundesregierung teilt Ihre Auffassung, daß eine zügige Bearbeitung von Verbesserungsvorschlägen die Eigeninitiative der Beschäftigten fördern kann. Sie ist daher bemüht, die Prüfung der Verbesserungsvorschläge so schnell wie möglich abzuschließen und den Verbesserungseffekt nutzbar zu machen. Die Bearbeitungsdauer ist so unterschiedlich wie die jeweiligen Verbesserungsvorschläge selbst. Bearbeitungszeiten von 19 Monaten sind jedoch Ausnahmefälle. Da weder Name noch Dienststelle des Einsenders registriert werden, um die Objektivität der Prüfung zu gewährleisten, kann ich im Moment nicht beurteilen, ob bei der Bearbeitung von Vorschlägen aus dem von Ihnen genannten Bereich unangemessene Verzögerungen eingetreten sind. Um das überprüfen zu können, bitte ich Sie, mir die genaue Bezeichnung der Verbesserungsvorschläge und die Zeiten der Einsendungen bekanntzugeben. Ich werde Sie sodann schriftlich über den Stand der Angelegenheit unterrichten.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604408600
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Cramer.

Johann Cramer (SPD):
Rede ID: ID0604408700
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß bei einer so langen Verzögerung der Bearbeitung von Verbesserungsvorschlägen die Gefahr besteht, daß Unberechtigte davon erfahren und zum Nachteil des Erfinders in der Zwischenzeit Rechte anmelden, vor allem, wenn solche Vorschläge in der Zwischenzeit bis zur Anerkennung schon bei Arbeitsvorgängen realisiert werden?

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0604408800
Herr Kollege Cramer, ich kann das nicht ausschließen. Nach der anderen Seite bemühen wir uns, um künftig besser überwachen zu können, daß bei der Bearbeitung durch die verschiedenen Stellen kein Leerlauf entsteht, ein Kontrollverfahren des Geschäftsganges und der Prüfungs- und Bewertungsausschüsse einzuführen und zu intensivieren. Im Zusammenhang damit ist beabsichtigt, Kontrollzettel einzuführen, die sofort an den Ausschuß zurückzusenden sind und auf denen Bearbeiter, Sachstand und eventuelle Hinderungsgründe für eine baldige Stellungnahme anzugeben sind. Die Erfahrungen im Vorschlagswesen — von denen bis Ende 1969 eingegangenen 6391 Vorschlägen konnten bisher 6161 abschließend bearbeitet werden — erlauben erfreulicherweise die Feststellung, daß alle am Vorschlagswesen beteiligten Stellen aufgeschlossen und im großen und ganzen zügig mitarbeiten.




Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604408900
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Cramer.

Johann Cramer (SPD):
Rede ID: ID0604409000
Darf ich Sie fragen, Herr Staatssekretär, ob Sie davon Kenntnis nehmen wollen, daß dieser Fall, der 19 Monate gedauert hat, inzwischen 21 Monate andauerte, aber in den letzten Tagen erledigt wurde. Es liegen jedoch noch ähnliche Fälle vor. Wenn ich Ihnen die mitteilen darf, sind Sie bereit, dann dafür einzutreten, daß solche Fälle in Zukunft schneller beantwortet werden?

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0604409100
Herr Kollege Cramer, ich hatte darum gebeten. Aber Vorschläge müssen bewertet werden, und es kann sein, daß die Bewertung von komplizierten Vorschlägen wirklich viele Monate Arbeit erfordert. Ich kann hier zu den einzelnen Fällen nichts sagen, da ich sie nicht kenne.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604409200
Ich komme zur Frage 81 des Abgeordneten Hansen:
Treffen Pressemeldungen zu, wonach ein an einem Skelettschaden der Wirbelsäule leidender und damit dienstunfähiger Soldat als „Simulant" wochenlang in der neurologisch-psychiatrischen Abteilung des Hamburger Bundeswehrlazaretts zubrachte, um dann wegen „seelischer Fehlhaltung" als dienstunfähig entlassen zu werden?

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0604409300
Herr Kollege Hansen, ich bitte um Verständnis dafür, daß Fragen, die sich auf den Gesundheitszustand eines einzelnen Soldaten beziehen, nicht beantwortet werden können. Sie unterliegen nämlich der ärztlichen Schweigepflicht, solange der Betroffene den Arzt nicht von seiner Schweigepflicht entbindet. Sollten Sie es wünschen, so werde ich versuchen, das Einverständnis des früheren Soldaten einzuholen und Ihre Frag e sodann schriftlich beantworten.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604409400
Eine Zusatzfrage.

Karl-Heinz Hansen (SPD):
Rede ID: ID0604409500
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß es sich hier nicht nur um das ärztliche Problem handelt, sondern um die Behandlung des Soldaten Nütz während seiner gesamten Dienstzeit in der Bundeswehr?

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0604409600
Herr Kollege Hansen, ich bin bereit, das zur Kenntnis zu nehmen, konnte das allerdings aus der Fragestellung nicht ablesen. Ich muß Sie aber auch wissen lassen, daß wir mehrfach versucht haben, den Soldaten dazu zu bringen, daß er den behandelnden Arzt von der Schweigepflicht entbindet. Das ist bisher nicht gelungen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604409700
Eine zweite Zusatzfrage.

Karl-Heinz Hansen (SPD):
Rede ID: ID0604409800
Herr Staatssekretär, darf ich Sie dann fragen, ob Ihnen bekannt ist, daß, wie aus Pressemeldungen zu ersehen war, für eventuelle Ersatzansprüche des Soldaten Nütz wichtige Unterlagen — es wird von Röntgenaufnahmen gesprochen — bei Dienststellen der Bundeswehr verschwunden sein sollen.

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0604409900
Das ist mir bekannt, aber ich kann das hier weder bestätigen noch dementieren. Presseberichte sind vor Gericht kein beweiskräftiges Material.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604410000
Ich komme zur Frage 82 des Abgeordneten Dr. Enders:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß Rückforderungen von Studienbeihilfen an Nachwuchskräfte der Bundeswehr ungleich härter eingezogen werden als Rückforderungsansprüche nach der Gewährung des Honnefer Modells?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0604410100
Herr Präsident! Herr Kollege Enders, ich beantworte Ihre Frage folgendermaßen. Der Bundesregierung ist bekannt, daß Rückforderungen von Studienbeihilfen der Bundeswehr und Rückforderungen nach dem Honnefer Modell nach unterschiedlichen Grundsätzen eingezogen werden. Die Studienbeihilfe ist eine Förderungsmaßnahme für Nachwuchskräfte der Bundeswehr, die unabhängig von der wirtschaftlichen Lage des Bewerbers gewährt wird. Leistungen nach dem Honnefer Modell erhalten dagegen nur Studenten, die einer wirtschaftlichen Hilfe bedürfen.
Die Rückzahlung beider Förderungsbeträge richtet sich nach den allgemeinen haushaltsrechtlichen Bestimmungen des Bundes. Bei Darlehen nach dem Honnefer Modell wird von vornherein die schlechte wirtschaftliche Lage des geförderten Studenten berücksichtigt. Daher sind auch für diesen Personenkreis die Rückzahlungsbedingungen allgemein günstiger geregelt als für die Stipendiaten der Bundeswehr.
Bei der Rückforderung von Studienbeihilfen der Bundeswehr muß dagegen in jedem Einzelfall geprüft werden, ob eine Stundung unter Gewährung von Ratenzahlung, eine Niederschlagung oder ein Erlaß der Forderung gerechtfertigt ist. Die Einziehungspraxis berücksichtigt schon heute die in Ihrer zweiten Frage genannten Gesichtspunkte.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604410200
Eine Zusatzfrage.

Dr. Wendelin Enders (SPD):
Rede ID: ID0604410300
Herr Staatssekretär, werden vor der Gewährung der Stipendien an Nachwuchskräfte der Bundeswehr Eignungsprüfungen durchgeführt?

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0604410400
Herr Kollege Enders, ich kann Ihnen das nicht sagen. Auf jeden Fall muß die Eignung für die gewählte Fachrichtung, die generell von dem Studenten gefordert wird, auch von dem Soldaten nachgewiesen sein. Ich bin bereit, Ihnen diese Frage schriftlich zu beantworten.




Dr. Wendelin Enders (SPD):
Rede ID: ID0604410500
Herr Staatssekretär, würden Sie mir dann zustimmen, daß, wenn die Bundeswehr die Eignung des Bewerbers anerkennt und er aus irgendeinem Grunde seine Prüfungen nicht besteht, kein Verschulden vorliegt?

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0604410600
Herr Kollege Enders, es geht nicht um die Frage des Verschuldens, sondern es geht darum, daß hier Darlehen nach gesetzlichen Regelungen, an die der Bundesminister der Verteidigung gebunden ist, gewährt werden. Er hat keinen Ermessensspielraum.

(Abg. Dr. Enders meldet sich zu einer Zusatzfrage.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604410700
Ja, Herr Kollege Dr. Enders, nunmehr käme erst Ihre nächste Fragedran, die Frage 83:
Ist die Bundesregierung bereit, von den Studenten, die als Nachwuchskräfte der Bundeswehr Studienbeihilfe erhielten und ohne nachweisbares Verschulden ihr Studium abbrechen mußten, die Rückzahlung in niedrigen Raten, ohne Berechnung der Zinsen und erst nach Abschluß einer anderen Berufsausbildung anzufordern?
Oder ist die schon 'beantwortet?

Dr. Wendelin Enders (SPD):
Rede ID: ID0604410800
Ich glaube, sie ist schon beantwortet.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604410900
Dann können Sie noch eine Frage stellen.

Dr. Wendelin Enders (SPD):
Rede ID: ID0604411000
Wenn Sie sich noch einmal überzeugen möchten, ob die zweite Frage beantwortet ist — —

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0604411100
Ich habe den Eindruck, ich habe die zweite Frage mit beantwortet.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604411200
Ja, ich hatte auch den Eindruck.

Dr. Wendelin Enders (SPD):
Rede ID: ID0604411300
Herr Staatssekretär, möchten Sie in dem Sinne großzügig verfahren, daß Rückforderungen, wenn sie an Stipendiaten gestellt werden, mit Rücksicht auf die besondere Situation der jungen Menschen erhoben werden?

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0604411400
Das geschieht heute schon, Herr Kollege Enders. Auf die soziale Situation des Betroffenen wird immer Rücksicht genommen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604411500
Dann komme ich zu den Fragen 84 und 85 des Abgeordneten Wende:
Welche Erfahrungen hat die Bundesregierung mit dem Luftsporterlaß V/R III/2, Az.: 12-03-00 vom 16. Januar 1967 (FUII 1V/3, Az.: 01-52-40 vom 7. November 1968) hinsichtlich der Auswirkungen auf die Zusammenarbeit mit den Luftsportvereinen in der Bundesrepublik Deutschland gemacht?
Teilt die Bundesregierung die Bedenken, wie sie in einer kürzlich vorgelegten Dokumentation des baden-württembergischen Luftfahrtverbandes e. V. gegen den Erlaß Nr. V/R III/2, Az.: 12-03-00 vom 16. Januar 1967 (FÜH IV/3, Az.: 01-52-40 vom 7. November 1968) erhoben worden sind?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0604411600
Herr Kollege Wende, die Fragen beziehen sich offenbar auf die kostenfreie Bereitstellung von Bundeswehr-Flugzeugen bzw. -Hubschraubern für private Luftsportvereine. In früheren Jahren konnte in dieser Frage großzügig verfahren werden. Die immer noch ungeklärte Haftungsfrage und die Haushaltsrichtlinien zwangen die Bundesregierung jedoch, die bisher geübte Großzügigkeit örtlichen privaten Vereinen gegenüber einzuschränken, und zwar auf die Unterstützung derjenigen Veranstaltungen, an denen die Bundeswehr ein erhebliches dienstliches Interesse hat. Ob und wann ,ein solches dienstliches Interesse vorliegt, regelt ein Erlaß, der durch den Führungsstab des Heeres, Referat FüH IV/3, herausgegeben ist. Die Bundesregierung versteht die finanziellen Sorgen der privaten Luftsportvereine, wie sie in der von Ihnen zitierten Dokumentation des Baden-Württembergischen Luftfahrtsverbandes e. V. bezüglich kostenfreier Gestellung von BundeswehrHubschraubern zum Ausdruck kommt. Sie sieht sich jedoch nicht in der Lage, diesen Wünschen zu entsprechen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604411700
Eine Zusatzfrage.

Manfred Wende (SPD):
Rede ID: ID0604411800
Herr Staatssekretär, meinen Sie nicht, daß es Ausnahmen von dieser Verordnung dann geben sollte, wenn es sich beispielsweise um die Durchführung von Jugendlagern handelt, die bisher in sehr guter Zusammenarbeit z. B. mit der 1. Luftlandedivision in Bruchsal durchgeführt worden sind und deren Durchführung in Zukunft nicht mehr möglich ist?

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0604411900
Herr Kollege Wende, ich teile Ihre Meinung; aber ich mache Sie darauf aufmerksam, daß die versicherungsrechtliche Seite nicht geklärt ist. Solange sie nicht geklärt ist, kann ich nicht zulassen, daß Soldaten in eine schwierige Situation gebracht werden, weil sie unter Umständen persönlich zur Haftung herangezogen werden können.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604412000
Eine zweite Zufrage.

Manfred Wende (SPD):
Rede ID: ID0604412100
Herr Staatssekretär, da die Bundeswehr die Hilfe bei deutschen, Europa- und Weltmeisterschaften auch weiterhin übernimmt, wäre es nicht möglich, daß man bei sehr wichtigen internationalen Wettbewerben und auch bei Landesmeisterschaften, die nun einmal für das Training der Luftsportler notwendig sind, solche Ausnahmegenehmigungen erteilt?




Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0604412200
Herr Kollege Wende, die zuständigen Bearbeiter im Bundesministerium der Verteidigung beobachten diese Frage sehr sorgfältig, und jedesmal, wenn sich im Rahmen der gültigen Verordnungen und Gesetze eine Möglichkeit bietet, sind wir bereit, diese Hilfe zu gewähren. Wo gesetzliche oder Verordnungsbestimmungen dem entgegenstehen, ist das leider nicht möglich.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604412300
Sie haben wieder beide Fragen beantwortet, Herr Staatssekretär?

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0604412400
Ich habe beide Fragen zusammen beantwortet.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604412500
Dann haben Sie noch eine Zusatzfrage. Bitte sehr, Herr Wende!

Manfred Wende (SPD):
Rede ID: ID0604412600
Herr Staatssekretär, meinen Sie nicht auch, daß es ein unguter Zustand ist, wenn bei Veranstaltungen dieser Art die deutschen Luftsportler die Hilfe der alliierten Flugzeuge in Anspruch nehmen müssen, und daß es gerade bei internationalen Veranstaltungen einen etwas merkwürdigen Eindruck macht, wenn die deutsche Luftwaffe solche Flugzeuge nicht zur Verfügung stellt?

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0604412700
Ich teile Ihre Auffassung. Aber ich kann immer nur das gleiche antworten: die ausländischen Luftwaffen arbeiten unter anderen versicherungsrechtlichen Bedingungen. Wir haben bisher keine Versicherung gefunden, die bereit ist, das Risiko zu übernehmen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604412800
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Jung.

Kurt Jung (FDP):
Rede ID: ID0604412900
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß es hier nicht darum geht, den Luftsportvereinen finanzielle Hilfe zu leisten, sondern daß es der ausdrückliche Wunsch der Bundeswehreinheiten ist, in Zusammenarbeit mit den Luftsportvereinen einmal die Bundeswehr in der Öffentlichkeit sich selbst darstellen zu lassen, zum anderen um Nachwuchs zu gewinnen, und zum dritten, um die Luftsportgruppen der Bundeswehr von den zivilen Vereinen mit zivilen Flugzeugen und Fluglehrern zu unterstützen.

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0604413000
Herr Kollege Jung, ich weiß natürlich, daß es einen engen Zusammenhang zwischen luftsporttreibenden jungen und älteren Damen und Herren und der deutschen Luftwaffe bzw. der zivilen deutschen Luftfahrt gibt. Nichtsdestoweniger bleibt der Tatbestand, daß wir der Werbung z. B. von Freiwilligen nicht ein so großes Gewicht beimessen können, wie es aus Ihrer Frage hervorzugehen scheint. Darüber hinaus ist die
Selbstdarstellung der Luftwaffe auch gegeben, wenn wir bei diesen Veranstaltungen nicht teilnehmen, da wir einen Teil der Teilnehmer, der Sportler, stellen, die privat in den Vereinen organisiert sind. Es ist durchaus bekannt, daß es eine enge Klammer zwischen unseren Luftwaffensoldaten und den Luftsportvereinen gibt.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604413100
Eine weitere Zusatzfrage.

Kurt Jung (FDP):
Rede ID: ID0604413200
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, diese Frage noch einmal zu prüfen, wenn z. B. die Luftsportverbände eine Versicherung fänden, die dann, von ihnen bezahlt, die Haftung für den Einsatz von Flugzeugen und Personal der Bundeswehr übernehmen würde?

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0604413300
Es ist sehr schwer, hierauf eine Antwort zu geben, weil ich nicht genau weiß, ob es in Ihrer Frage „Ihnen" oder „ihnen" hieß, ob es sich also auf die Luftsportvereine oder auf mich, d. h. .auf das Bundesministerium der Verteidigung, bezog.
Daher kann ich nur sagen: Wir sind immer bereit, in eine erneute Prüfung einzutreten, weil das Bundesministerium der Verteidigung ein Interesse daran hat, dem deutschen Luftsport, soweit es Gesetze und Verordnungen zulassen, zur Seite zu stehen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604413400
Ich rufe nunmehr die Frage 86 des Abgeordneten Dr. Klepsch auf:
Auf wessen Weisung haben Bundeswehrangehörige in Uniform bei der Rennrodelweltmeisterschaft in Königssee am 31. Januar 1970 die Flagge der DDR gehißt, und war es die Absicht der Bundesregierung, diesen Vorgang durch Veröffentlichung in der Wochenzeitung „Das Parlament" zu unterstreichen?
Die Frage wird wunschgemäß schriftlich beantwortet. Die Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Berkhan vom 17. April 1970 lautet:
Zu den vom 31. 1. bis 1. 2. 1970 in Königsee durchgeführten Rennrodel-Weltmeisterschaften wurden lediglich Bahndienste durch Soldaten der Bundeswehr gestellt.
Das Hissen der Flaggen durch Soldaten war bei den Vorbesprechungen mit dem Organisationskomitee ausdrücklich ausgeschlossen worden. Übermäßiger Schneefall während des Beginns verlangte den Einsatz aller zivilen Arbeitskräfte und auch vermehrt den von Soldaten zur Präparierung der Strecke. Kurz vor Beginn der Veranstaltung wandten sich die Organisatoren an den Einsatzleiter der Bundeswehr, den stellvertretenden Bataillonskommandeur GebJgBtl 232, mit der drängenden Bitte, zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen und pünktlichen Beginns der Veranstaltung, Soldaten zum Hissen der Flaggen abzustellen. Er kam dieser Bitte nach.
Das Flaggenhissen erfolgte ohne militärisches Zeremoniell.
Es war zu keiner Zeit Absicht der Bundesregierung, diesen nicht beabsichtigten Vorfall durch eine bildliche Veröffentlichung obendrein zu unterstreichen. Wenn auch die Herausgabe der Wochenzeitung Das Parlament" unter der Verantwortung der Bundeszentrale für politische Bildung erfolgt, so wurde das besagte Bild ohne eine diesbezügliche Weisung an den zuständigen Redakteur ausschließlich aus dessen eigener Verantwortlichkeit veröffentlicht. Er erhielt dieses Pressefoto von einem Bilddienst und fand es veröffentlichungswert.
Ich rufe die Frage 87 des Abgeordneten Dr. Schmitt-Vockenhausen auf:
Welche Maßnahmen sind noch erforderlich, um die einheitliche Warenkatalogisierung für Wirtschaft und öffentliche Verwaltung gemäß dem Kabinettsbeschluß vom 16. September 1968 durchzuführen?



Die Frage wird ebenfalls auf Wunsch schriftlich beantwortet. Die Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Berkhan vom 15. April 1970 lautet:
Der in Ihrer Frage angezogene Kabinettbeschluß bezieht sich nicht auf die Einführung der einheitlichen Materialkatalogisierung in Wirtschaft und öffentlicher Verwaltung, sondern nur in der Bundesverwaltung.
Die Einführung der einheitlichen Materialkatalogisierung in der gesamten Bundesverwaltung wird sich auf einen Zeitraum von etwa fünf Jahren erstrecken, und zwar ab dem Zeitpunkt, zu dem die verwaltungsmäßigen Voraussetzungen dazu geschaffen sind. Die Einrichtung der erforderlichen zusätzlichen Stellen und ihre Besetzung mit geeigneten Kräften bereitet, besonders im Hinblick auf die gespannte Lage des Arbeitsmarktes, große Schwierigkeiten.
Trotzdem sind bereits erste Erfolge erzielt worden. Folgende Maßnahmen sind noch erforderlich:
1. Bereitstellung des notwendigen, aber bisher noch nicht in ausreichendem Umfange vorhandenen Personals.
2. Fertigstellen von Verfahren für den Anschluß materialbewirtschaftender Stellen der Bundesverwaltung an das einheitliche Katalogisierungssystem und für die Übernahme des bereits vorhandenen Datenbestandes.
3. Überarbeiten der Katalogisierungsvorschriften und -hilfsmittel, die bisher nur auf die Belange der Bundeswehr ausgerichtet waren und nun für die Anwendbarkeit in der gesamten Bundesverwaltung „neutralisiert" werden müssen.
Die Herausgabe der wesentlichen Verfahrensrichtlinien und der hauptsächlichen Katalogisierungsunterlagen ist bis Ende 1970 vorgesehen.
4. Verstärkung der Ausbildungskapazität ab 1970/71 bei der Logistikschule in Hamburg und beim Materialamt in Hangelar.
5. Inkraftsetzen von für die gesamte Bundesverwaltung gültigen Beschaffungsgrundlagen und Richtlinien zur wirtschaftlichen Nutzbarmachung der einheitlichen Materialkatalogisierung für den Bundeshaushalt.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen nun zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit. Ich rufe zunächst die Frage 88 des Abgeordneten Dr. Geßner auf:
Hält es die Bundesregierung für angebracht, daß künftig in Pässen und Personalausweisen Blutgruppe, Rhesusfaktor oder Impfungen eingetragen werden können?
Bitte sehr, Frau Ministerin!

Käte Strobel (SPD):
Rede ID: ID0604413500
Die vorsorgliche Blutgruppenfeststellung, die für jeden Mitbürger möglich ist, wird als lebensrettende Maßnahme für Verletzte am Unfallort, auf dem Transport zum Krankenhaus und auch bei der sofortigen nachfolgenden Krankenhausversorgung von der Öffentlichkeit überschätzt. Vollbluttransfusionen am Unfallort als Dringlichkeitsmaßnahme zur Auffüllung des Kreislaufs sind in keinem Falle notwendig und technisch auch kaum durchführbar, da es praktisch unmöglich ist, die zwingend vorgeschriebene Verträglichkeitsprobe am Unfallort durchzuführen. Die ohne Feststellung der Blutgruppenmerkmale sofort anwendbaren Humaneiweißlösungen und künstlichen Blutersatzmittel haben die gleiche und manchmal sogar eine bessere therapeutische Wirkung.
Bestimmungen des Rhesusfaktors und der Blutgruppe erfolgen im Rahmen der Schwangerenvorsorgeuntersuchung. Die Ergebnisse werden in den Mütterpaß eingetragen.
Impfungen werden in ein Impfbuch eingetragen, das jeder Impfling nach § 16 des Bundesseuchengesetzes bei der ersten Impfung erhält. Für Impfungen im internationalen Reiseverkehr gibt es Impfzeugnisse, die durch die internationalen Gesundheitsvorschriften festgelegt sind. Die nationalen und internationalen Impfzeugnisse sind in einem kombinierten Impfbuch zusammengefaßt, das zudem auf seinen beiden letzten Seiten noch Eintragungen für den Notfall enthält, u. a. auch Blutgruppe und Rhesusfaktor. Dieses kombinierte Impfbuch hat sich bewährt. Es kann in den Personalausweis eingelegt werden.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604413600
Eine Zusatzfrage, bitte!

Dr. Manfred Achim Geßner (SPD):
Rede ID: ID0604413700
Frau Bundesministerin, Sie hatten eben dargelegt, daß es eine ganze Reihe von Möglichkeiten gibt, um das an verschiedenen Stellen eintragen zu lassen. Aber meinen Sie nicht, daß es vielleicht doch richtiger wäre, wenn man das alles in einem Dokument zusammenfaßte?

Käte Strobel (SPD):
Rede ID: ID0604413800
Herr Kollege, daran ist kein Staatsbürger gehindert. Es gibt auf dem Markt eine ganze Reihe von Angeboten an solchen Pässen. Sowohl ich persönlich als auch die verschiedenen Ministerien, die darüber immer wieder Ressortbesprechungen geführt haben, sind der Meinung, daß ein solcher amtlicher Ausweis ja auf einen Untersuchungszwang hinauslaufen würde. Ich muß Ihnen ehrlich sagen: da habe ich Hemmungen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604413900
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Geßner.

Dr. Manfred Achim Geßner (SPD):
Rede ID: ID0604414000
Frau Bundesministerin, ist Ihnen bekannt, ob in anderen Staaten gleiche oder ähnliche Regelungen durchgeführt werden? Wenn ja, zu welchen Auswirkungen könnten sie dort geführt haben?

Käte Strobel (SPD):
Rede ID: ID0604414100
Herr Kollege, da ich nicht sicher bin, darauf eine absolut richtige Antwort geben zu können, bitte ich Sie, mich das noch prüfen zu lassen. Ich bin gern bereit, Ihnen das Ergebnis mitzuteilen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604414200
Ich rufe dann die Fragen 89 und 90 des Abgeordneten Dr. Bechert (Gau-Algesheim) auf.
Die Fragen werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 91 des Abgeordneten Burger auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß im Rundschreiben 225/69 des Landeswohlfahrtsverbandes Württemberg-Hohenzollern vorn 22. September 1969 eine Auslegung des § 39 Abs. 1 Nr. 5 des Bundessozialhilfegesetzes getroffen wird, die eine Einschränkung des Kreises der Hilfsbedürftigen bedeutet?
Bitte, Frau Ministerin!

Käte Strobel (SPD):
Rede ID: ID0604414300
Ich möchte gern die beiden Fragen zusammen beantworten.




Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604414400
Dann rufe ich auch die Frage 92 des Abgeordneten Burger auf:
Ist die Bundesregierung mit mir der Auffassung, daß eine solche Auslegung dem erklärten Willen des Gesetzgebers, durch die zweite Novelle zum Bundessozialhilfegesetz keine Verschlechterungen, sondern Verbesserungen zu erreichen, widerspricht, und ist die Bundesregierung bereit, mit den Bundesländern alsbald Fühlung aufzunehmen, um derartige Fehlinterpretationen zu verhindern bzw. unverzüglich wieder zu beseitigen?

Käte Strobel (SPD):
Rede ID: ID0604414500
Die Bundesregierung teilt die Auffassung, daß es dem Willen des Gesetzgebers entspricht, durch die 2. Novelle zum Bundessozialhilfegesetz keine Verschlechterungen, sondern Verbesserungen zu erreichen. Dies gilt auch für § 39 Abs. 1 Nr. 5 des Bundessozialhilfegesetzes, der durch eine Erweiterung des berechtigten Personenkreises eine Verbesserung gegenüber der bisherigen Rechtslage gebracht hat. Die Bundesregierung sieht daher in dem von Ihnen erwähnten Rundschreiben des Landeswohlfahrtsverbandes Württemberg-Hohenzollern — auch im Hinblick auf die Einführung des Wortes „wesentlich" in § 39 Abs. 1 Nr. 5 des Bundessozialhilfegesetzes — keine Einschränkung des Kreises der Hilfsbedürftigen. Die Bundesregierung ist im übrigen bemüht, im ständigen Kontakt mit den für die Durchführung des BSHG zuständigen Stellen in den Ländern auf eine dem Gesetz entsprechende und gleichmäßige Auslegung des Gesetzes im gesamten Bundesgebiet hinzuwirken.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604414600
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Burger.

Albert Burger (CDU):
Rede ID: ID0604414700
Ich darf noch einmal fragen, Frau Minister. Sie sind also der Auffassung, daß durch die Neufassung des BSHG, und zwar des § 39 Abs. 1 Nr. 5, wo es heißt „Personen, die durch Schwäche ihrer geistigen Kräfte wesentlich behindert sind" im Vergleich zur früheren Fassung „Personen, deren geistige Kräfte schwach entwickelt sind", keine ungewollte Beschränkung der Leistungspflicht eintreten darf?

Käte Strobel (SPD):
Rede ID: ID0604414800
Ich weiß aus den Verhandlungen, Herr Kollege Burger — damals war noch das Innenministerium für das BSHG zuständig, aber das Gesundheitsministerium hat sich gerade um diese Verbesserung für die geistig behinderten Personen sehr stark bemüht —, daß es uns allen um eine Verbesserung gegangen ist und vor allem auch darum, aus früheren Ermessensentscheidungen jetzt Rechtsansprüche zu machen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604414900
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Burger.

Albert Burger (CDU):
Rede ID: ID0604415000
Könnte, Frau Minister, durch die notwendige Neufassung des bisherigen § 5 der Eingliederungshilfeverordnung gewährleistet werden, daß keine Einschränkung der Leistungspflicht für bisher Berechtigte eintritt?

Käte Strobel (SPD):
Rede ID: ID0604415100
Eigentlich muß es gewährleistet sein. Aber ich bin gern bereit, über die Länder noch einmal darauf aufmerksam zu machen, daß es um eine Verbesserung und nicht um eine Minderung der Leistungen gegangen ist.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604415200
Dann komme ich zur Frage 93 des Abgeordneten Dr. Probst. Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Dann wird die Frage schriftlich beantwortet.
Ich komme zur Frage 94 des Abgeordneten Schulte (Schwäbisch-Gmünd). Ist er im Saal? — Das ist nicht der Fall. Dann wird auch diese Frage schriftlich beantwortet.
Ich komme zur Frage 95 des Abgeordneten Härzschel:
Wieviel beschützende Werkstätten für geistig Behinderte gibt es im Bundesgebiet und wieviel wären zusätzlich notwendig, um allen Behinderten, die dazu in der Lage sind, einen solchen Arbeitsplatz zu geben?
Bitte sehr!

Käte Strobel (SPD):
Rede ID: ID0604415300
Herr Kollege, auch diese beiden Fragen würde ich gern zusammen beantworten.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604415400
Dann rufe ich auch die Frage 96 des Abgeordneten Härzschel mit auf:
Welchen Beitrag leistet die Bundesregierung dazu, und was gedenkt sie zu tun, um den Ausbau solcher Werkstätten zu fördarn und die Unterhaltung zu sichern?

Käte Strobel (SPD):
Rede ID: ID0604415500
Nach den mir vorliegenden Unterlagen bestanden im Oktober 1969 insgesamt 160 beschützende Werkstätten, in denen rund 7300 geistig behinderte Menschen betreut werden. Wieviel Werkstätten dieser Art zusätzlich erforderlich sind, wird gegenwärtig im Rahmen des Aktionsprogramms der Bundesregierung zur Förderung der Rehabilitation der Behinderten geprüft. Ich bin daher heute leider noch nicht in der Lage, Ihnen darüber genaue Zahlenangaben zu machen. Die Bundesregierung fördert bei der Durchführung des Aktionsprogramms im Rahmen ihrer verfassungsrechtlichen Möglichkeiten die Errichtung und den Ausbau von Einrichtungen mit Modellcharakter oder überegionaler Bedeutung. Darüber hinaus wird der Ausbau und die Unterhaltung von beschützenden Werkstätten durch die Bundesanstalt für Arbeit auf Grund des Arbeitsförderungsgesetzes unterstützt.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604415600
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Härzschel.

Kurt Härzschel (CDU):
Rede ID: ID0604415700
Frau Minister, würden Sie mir zustimmen, wenn ich sage, daß es nicht genügt, nur Schulen für geistig Behinderte im schulpflichtigen Alter zu schaffen, sondern daß auch eine Fortsetzung der Arbeit in der beschützenden Werkstatt angestrebt werden muß?




Käte Strobel (SPD):
Rede ID: ID0604415800
Ich stimme Ihnen vollkommen zu, Herr Kollege. Aber ich muß Sie darauf aufmerksam machen, daß die Durchführung des Bundessozialhilfegesetzes Aufgabe der Länder und gerade die Schaffung dieser beschützenden Werkstätten weitgehend Aufgabe der Länder und Gemeinden ist, woran sich auch die freien Verbände erheblich beteiligen. Der Bund hat verfassungsrechtlich über Modelleinrichtungen, die überregionalen Charakter haben, hinaus keine Möglichkeiten, hier direkten Einfluß zu nehmen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604415900
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Härzschel.

Kurt Härzschel (CDU):
Rede ID: ID0604416000
Würden Sie bereit sein, mit den Ländern in dieser Richtung Fühlung aufzunehmen und sich dafür einzusetzen, daß diese Aufgabe auch bei den Ländern stärker in Angriff genommen wird?

Käte Strobel (SPD):
Rede ID: ID0604416100
Sehr gern, Herr Kollege. Ich sehe gerade auf den Gebieten, auf denen der Bund zwar Gesetzgebungsbefugnisse, aber keine Verwaltungskompetenzen hat, meine Aufgabe darin, im Wege des kooperativen Föderalismus auf eine befriedigende Lösung der Aufgaben mit hinzuwirken.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604416200
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Burger.

Albert Burger (CDU):
Rede ID: ID0604416300
Frau Minister, wer ist eigentlich für die Errichtung und Erstellung von beschützenden Werkstätten zuständig?

Käte Strobel (SPD):
Rede ID: ID0604416400
Herr Kollege Burger, die mit dem BSHG zusammenhängenden Aufgaben sind in erster Linie Aufgaben der Länder. Sie sind weitgehend auf die Gemeinden delegiert. Es ist aber niemand z. B. auch von den freien Wohlfahrtsverbänden gehindert, solche Einrichtungen zu schaffen. Der Bund selber kann das nicht.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604416500
Die Frage 97 ist bereits vom Bundesministerium des Innern beantwortet worden.
Ich rufe dann die Frage 98 des Abgeordneten Dasch auf:
Ich frage die Bundesregierung, welche Stellungnahme sie zu der Speiseeisverordnung der EWG-Kommission deswegen abgeben wird, da entgegen der vorher vorhandenen Absicht, nur tierisches Fett als Milchfett für die Herstellung von Speiseeis und kein anderes pflanzliches Fett als Kakaobutter zu verwenden, in der Verordnung jedoch vorgesehen ist, daß auch Pflanzenfetteis mit mindestens 5 % zugelassen wird?

Käte Strobel (SPD):
Rede ID: ID0604416600
Im Benehmen mit dem Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten beantworte ich die Frage des Herrn Abgeordneten Dasch wie folgt: Die Vertreter der Bundesregierung im Sachverständigenausschuß bei der
Kommision haben bei der Beratung der SpeiseeisRichtlinie, die von der Generaldirektion 3 der EWG-Kommission erstellt worden ist, stets die Forderung erhoben, daß zur Herstellung von Speiseeis nur Milchfett verwendet werden soll. Sie haben gemeinsam mit den französischen Delegierten stets gegen die Verwendung anderer Fette, insbesondere von Pflanzenfett, einen Vorbehalt angemeldet. Die Vertreter der Bundesregierung beabsichtigen, auch weiterhin im Sinne der geltenden deutschen gesetzlichen Bestimmungen die Verwendung von Pflanzenfett bei der Herstellung von Speiseeis abzulehnen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604416700
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dasch.

Valentin Dasch (CSU):
Rede ID: ID0604416800
Frau Minister, kann ich Ihrer Antwort entnehmen, daß die Bundesregierung 'bemüht ist, dem Verbraucherwillen, daß bei der Herstellung von Speiseeis nur Butterfett, also gutes, hochwertiges Fett verwendet wird, Rechnung zu tragen?

Käte Strobel (SPD):
Rede ID: ID0604416900
Die Bundesregierung ist in den Verhandlungen in Brüssel bemüht, die Vertreter der anderen vier Staaten von ihrer Auffassung zu überzeugen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604417000
Eine zweite Zufrage.

Valentin Dasch (CSU):
Rede ID: ID0604417100
Frau Minister, würden Sie mir zustimmen, wenn ich sage, daß die Verwendung von Butterfett, das in Deutschland und in der EWG reichlich vorhanden ist, einen Beitrag zur Marktentlastung darstellt?

Käte Strobel (SPD):
Rede ID: ID0604417200
Ich bin bereit, ja zu sagen, meine aber, daß dies nicht das einzige Motiv dafür sein kann, .daß bei der Herstellung von Spreiseeis Milchfette verwendet werden sollen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604417300
Ich danke Ihnen, Frau Ministerin. Die Zeit für die Fragestunde ist abgelaufen. Die Fragen 109 und 110 sind zurückgezogen. Die nicht erledigten Fragen werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe dann den Zusatzpunkt zur Tagesordnung auf:
Beratung der Dokumentation der Bundesregierung über die Bemühungen zur Freilassung des entführten deutschen Botschafters Karl Graf von Spreti
— Drucksache VI/622 —.
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Auswärtigen.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0604417400
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Die Bundesregierung hat dem Hohen Hause



Bundesminister Scheel
und der Öffentlichkeit eine umfassende Darlegung aller mit der Entführung und dem tragischen Ende des deutschen Botschafters in Guatemala, Graf von Spreti, zusammenhängenden Tatsachen und Ereignisse übermittelt. Diese liegt Ihnen nun als Drucksache vor. Der Bericht gibt lückenlos den chronologischen Ablauf der Entwicklung wieder. Er stützt sich auf den Telegrammwechsel der Botschaft in Guatemala und anderer Außenstellen mit der Zenttrale, auf Telefonate und mündliche Mitteilungen des Sonderbeauftragten der Bundesregierung, Ministerialdirektor Hoppe, und des deutschen Geschäftsträgers in Guatemala, Botschaftsrat Mikesch.
In Ergänzung dieses Berichtes möchte ich Ihnen, meine Damen und Herren, die Motive erläutern, die das in der Dokumentation dargestellte Handeln bestimmt haben. Damit sollen gleichzeitig die in der Öffentlichkeit aufgeworfenen kritischen Fragen beantwortet werden.
Nach der Entführung unseres Botschafters haben wir die Situation wie folgt gesehen. Wir waren primär auf die Mitwirkung und den guten Willen der guatemaltekischen Regierung angewiesen, die die Staatsgewalt im Lande ausübt und allein die von den Entführern zunächst gestellten Bedingungen zu erfüllen in der Lage war, nämlich die Freilassung von Gefangenen zu bewirken. Darüber hinaus hatten wir uns um die Vermittlung Dritter zu bemühen, welche die verhärteten Verhandlungspositionen hätten beeinflussen können. Schließlich mußten wir eigene Kontakte zu den Entführern suchen.
All dies ist geschehen. Ein spektakuläres Auftreten der Bundesregierung gleich nach der Entführung hätte die Verhandlungsbereitschaft der guatemaltekischen Regierung nach unserer Einschätzung nicht erhöht. Daß ihre Verhandlungsbereitschaft nur sehr begrenzt war, stellte sich später heraus.
Der Sonderbeauftragte der Bundesregierung, Ministerialdirektor Hoppe, war mit allen erforderlichen Vollmachten ausgestattet. Er verfügt über eigene mehrjährige Lateinamerika-Erfahrungen und entsprechende Sprachkenntnisse. Er hat alles in seiner Macht Stehende getan, um das Leben des Botschafters zu retten. Doch schon das Bekanntwerden seiner Entsendung veranlaßte die Rebellen, ihre Forderungen heraufzuschrauben. Die Entsendung eines Staatssekretärs hätte sicher eine ähnliche Wirkung gehabt.
Auch die Frage des Lösegeldes ist in der Öffentlichkeit lebhaft debattiert worden. Natürlich war die Bundesregierung bereit, zur Rettung des Botschafters Lösegeld zu zahlen. Eine öffentliche Erklärung der Bundesregierung, sie werde bedingungslos jede Lösegeldforderung erfüllen, konnte jedoch niemals erwogen werden. Damit hätten wir nur aller Welt vor Augen geführt, wie einträglich es sein kann, deutsche Diplomaten zu entführen, und dafür geradezu einen neuen Anreiz geschaffen. Gegen solche Angebote bestanden auch innerhalb des diplomatischen Corps in Guatemala erhebliche Bedenken. Sie hätten letztlich auch keine Wirkung gehabt; denn diesen Entführern ging es nicht in erster Linie um Geld — sie wußten genau, daß sie von uns Geld hätten haben können —, ihnen kam es .auf die Freilassung der Gefangenen an.
Nachdem die guatemaltekische Regierung die Forderung der Entführer abgelehnt hatte, wurde es um so wichtiger, einen unmittelbaren Kontakt zu den Entführern zu finden, um zu einem Arrangement zu gelangen. Viele Ortskundige haben bis zuletzt auf ein solches Arrangement gehofft. Unsere Vertretung in Guatemala und der Sonderbeauftragte haben keine Mühe gescheut, diesen Kontakt zustande zu bringen. Es erwies sich als unmöglich; die Erpresser blieben konsequent im Untergrund undtraten mit der Umwelt nur durch Hinweise auf Fundstellen deponierter Briefe oder durch kurze Telefonanrufe von unbekannten Standorten aus in Berührung.
So wurde der nächtliche Bereitschaftsdienst der Botschaft in der Nacht vom 3. zum 4. April um Mitternacht telefonisch ersucht, man möge sich in eine bestimmte Straße, begeben, dort liege ein Paket zur Abholung bereit. Der Anrufer legte nach dieser Mitteilung sofort wieder auf. Das Paket, das Angehörige der Botschaft kurz nach Mitternacht an der angegebenen Stelle fanden, enthielt die bekannten fünf Briefe des Botschafters an den Staatspräsidenten, den Außenminister, den Nuntius, den Sohn des Ermordeten und den Geschäftsträger. Die Kontakte der Rebellen mit dem Nuntius bestanden darin, daß sie an Stellen, die ein Auffinden gewährleisteten, Briefe deponierten.
Erst am letzten Tag, am Sonntag, dem 5. April, um 14.45 Uhr Ortszeit, traten die Terroristen von einem unbekannten Ort aus in unmittelbare telefonische Verbindung mit dem Nuntius und sprachen mit ihm etwa zwei Minuten lang. Jedes Bemühen des Nuntius, diesen Anruf zu einer Verhandlung auszuweiten, blieb vergeblich. Die Terroristen verlangten stereotyp die sofortige Zusicherung der Freilassung der Gefangenen. Da der Nuntius diese Zusage nicht geben konnte, beendeten die Terroristen den Anruf mit der Erklärung, die Frist für Graf Spreti laufe in 20 Minuten ab. Zu keinem Zeitpunkt spielte die Lösegeldfrage eine wesentliche Rolle.
Die vielfältigen Bitten der Botschaft um Hinweise an Mitglieder der deutschen Kolonie, an Experten der technischen Hilfe, Vertreter der Stiftungen, Einheimische, Bekannte und Unbekannte führten alle nicht weit. Ein deutscher Nachrichtendienst ist in Guatemala nicht vorhanden. Wir haben uns mit dieser negativen Feststellung nicht begnügt, sondern andere Dienste angesprochen, ohne daß dies eine Spur ergeben hätte.
Von seiten der Entführer gab es auf unsere Kontaktversuche nicht die geringste Reaktion. Selbst wenn eine Fühlungnahme gelungen wäre, bliebe zu bedenken, daß hierdurch die guatemaltekische Regierung aus ihrer völkerrechtlichen und menschlichen Verantwortung nicht hätte entlassen werden dürfen. Bei einem Scheitern direkter Verhandlungsversuche hätte sie — vermutlich froh, der Verantwortung ledig zu sein — eine Schuld dafür der Bundesregierung angelastet.

(Abg. Wehner: Sehr wahr!)

Es ist notwendig, darauf hinzuweisen, daß ein Kontakt zu Entführern nicht hergestellt werden kann, wenn diese sich ihm entziehen wollen. Die-



Bundesminister Scheel
ses ist eine einfache Regel aus der Kriminologie, und sie hat sich im vorliegenden Falle bestätigt.
Deshalb ist einige Skepsis angebracht, wenn jetzt, nachdem die Tragödie sich vollzogen hat, Leute mit angeblich weitreichenden Beziehungen auftreten, die von sich behaupten, sie hätten einen Kontakt zu den Entführern vermitteln können, wenn man sie nur rechtzeitig eingeschaltet hätte. Alle diese Landeskundigen und Experten, die uns ja nicht bekannt waren, meldeten sich zu spät. Sie haben der Bundesregierung ihre Dienst nicht angeboten, als der Botschafter Graf von Spreti noch lebte.
Sämtliche Entscheidungen des Auswärtigen Amtes, die den Ablauf der Ereignisse in unserem Sinne beeinflussen sollten, sind nach sorgfältigster Prüfung der Umstände und Konsequenzen von den dafür zuständigen Beamten vorbereitet und in ständiger Abstimmung mit mir getroffen worden. Sie können sicher sein, daß im Auswärtigen Amt und besonders in der Botschaft in Guatemala die dazu notwendige Sachkenntnis und Vertrautheit mit den lateinamerikanischen Verhältnissen vorhanden ist.
Durch Fernschreiber und Telefon mit der Zentrale zu jeder Minute verbunden, habe ich von meinem Urlaubsort aus in der sachlich gebotenen Weise auf die Entscheidungen Einfluß genommen. In dem Augenblick, in dem Aussicht bestand, mit den Entführern zu direkten Verhandlungen zu kommen, habe ich meinen Urlaub abgebrochen; Graf Spreti lebte noch, und wir alle hatten Hoffnung.
Selbstverständlich habe ich mir mehr als einmal die Frage gestellt, ob wir wirklich alles getan haben, um das Leben unseres Botschafters zu retten. Ich kann darauf auch hier und heute nur antworten: wir haben alles getan, was in unserer Macht lag. Und doch konnten wir jene irregeleiteten und in ihrem kaltblütigen Haß uns so fremden Menschen nicht daran hindern, den Grafen Spreti zu töten.
Die Kritik an meinem Entschluß, nach Ablauf dieser Ereignisse nach Guatemala zu fliegen, um den toten Botschafter heimzuholen, ist mir nie recht begreiflich gewesen. Ich habe mich zu der Reise entschlossen in einer spontanen menschlichen Reaktion gegenüber der schwergeprüften Familie des Ermordeten. Ich habe diese Reise zugleich aber als eine Möglichkeit betrachtet, etwas für die Sicherheit der in Guatemala lebenden Deutschen zu tun; und es sind Tausende, die dort leben. Meine Anwesenheit dort sollte schließlich allen Staaten, in denen es ähnliche Gefahren gibt, demonstrativ vor Augen führen, welche schwerwiegende und grundsätzliche Bedeutung die Bundesregierung diesem unerhörten Fall zumißt.
Es war der bisher erste und einzige Fall, in dem die Entführer eines Diplomaten die erpresserische Morddrohung tatsächlich ausgeführt haben. Ihr eigentliches Ziel haben sie damit nicht erreicht, es sei denn das, Schrecken und Terror zu verbreiten. Wie gesagt, dies war der erste Fall, und wir können im Interesse geordneter internationaler Beziehungen nur hoffen, daß sich ein solches Verbrechen niemals wiederholt.
Die Gefühle der Empörung und Erbitterung durften jedoch nicht der einzige Maßstab für die Reaktion der Bundesregierung gegenüber Guatemala sein. Der vielfach geforderte vollständige Abbruch der diplomatischen Beziehungen wäre eine Überreaktion gewesen, die die Sicherheit unserer Diplomaten in Lateinamerika und in anderen gefährdeten Teilen der Welt weiter beeinträchtigt hätte, weil er potentiellen Entführern ein noch stärkeres Druckmittel gegenüber ihren eigenen Regierungen in die Hand geben würde. Ferner ist zu bedenken, daß in Guatemala viele Deutsche und Deutschstämmige leben, die den unmittelbaren Kontakt zur Bundesrepublik brauchen und deren Interessen gegenüber der guatemaltekischen Regierung vertreten werden müssen. Sie haben uns dringend ersucht, die Beziehungen nicht vollständig abzubrechen.
Es ist der Bundesregierung auch der Vorwurf gemacht worden, sie habe die bürgerkriegsähnliche Situation in Guatemala zu spät erkannt und ihre Vertretung zu lange dort gelassen. Bei einer solchen Sicht der Dinge müßten wir in einer beträchtlichen Zahl von Ländern unsere diplomatischen Vertretungen schließen. Das liegt weder im Interesse der in solchen Ländern lebenden Deutschen noch im wohlverstandenen Interesse der Bundesrepublik.
Meine Damen und Herren, das sinnlose Opfer von Graf von Spreti darf uns nicht zu Maßnahmen verleiten, die andere Unschuldige, unsere Landsleute in Guatemala und die Bevölkerung des Landes treffen würden. Es stellt uns vielmehr vor die Aufgabe, keine Anstrengungen zu scheuen, um die Wiederholung solcher Tragödien in der Zukunft entgegenzuwirken. Wir wissen um diese Verpflichtung, sie hat unser Handeln bestimmt und wird es weiter bestimmen.
Eine besondere Arbeitsgruppe des Auswärtigen Amtes hat sofort die Richtlinien für Ausnahmesituationen, die jede Auslandsvertretung hat, im Lichte dieser bestürzenden Entwicklung überprüft. Erste ergänzende Weisungen sind bereits in der letzten Woche ergangen. Weitere Maßnahmen werden vorbereitet. Wir stehen dazu auch in Fühlung mit befreundeten Regierungen. Der Herr Bundeskanzler hat das Problem bei seinem Besuch in Washington zweimal mit Präsident Nixon erörtert. Ich habe mit dem italienischen Außenminister Moro in Rom darüber gesprochen. Wir haben Kontakte mit Großbritannien und mit den Niederlanden. Der deutsche Vertreter in der WEU hat die Bildung einer Arbeitsgruppe vorgeschlagen, die sich mit diesem Problem beschäftigen wird. Unsere Überlegungen gehen schließlich dahin, im Rahmen der Vereinten Nationen etwa durch Ergänzung der Wiener Konventionen neue und erweiterte Normen zum Schutz der Diplomaten zu erarbeiten.
Meine Damen und Herren, es gilt, alles zu unternehmen, um anarchischer Gewalt durch organisierte internationale Bemühungen entgegenzutreten.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604417500
Das Haus hat die Erklärung des Herrn Bundesministers des Auswärtigen entgegengenommen. Anträge zur Geschäftsord-



Vizepräsident Dr. Jaeger
nung sind nicht gestellt. Über den Termin einer eventuellen Aussprache wird der Ältestenrat entscheiden.
Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:
Beratung der von der Bundesregierung beschlossenen Ergänzung zum Entwurf des Bundeshaushaltsplans 1970
— Drucksache VI//580 —
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.

Dr. Alex Möller (SPD):
Rede ID: ID0604417600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Ehre, dem Hohen Hause den Entwurf eines Ergänzungshaushalts 1970 vorzulegen und hierzu einige Ausführungen zu machen. Lassen Sie mich zunächst einige Worte zur Entstehungsgeschichte dieses Entwurfs sagen.

(Unruhe.)

Ich habe am 18. Februar 1970 den von der Bundesregierung am 23. Januar 1790 beschlossenen Entwurf des Bundeshaushalts 1970/71 und den mehrjährigen Finanzplan 1969 bis 1973 vorgelegt. In dem in den letzten Monaten des Jahres 1969 aufgestellten Entwurf des Bundeshaushaltsplans konnten aus zeitlichen Gründen die Änderungen nicht berücksichtigt werden, die sich aus der neuen Aufgabenverteilung nach der Neuorganisation der Bundesregierung ergeben haben. Über ihre den Verwaltungshaushalt berührenden Auswirkungen auf die Personal- und sächlichen Verwaltungsausgaben hinaus ist seit der Aufstellung des Haushaltsentwurfs 1970/71 in einigen Bereichen ein unvorhergesehener und unabweisbarer Bedarf entstanden.

(Anhaltende Unruhe.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604417700
Meine Damen und Herren, ich darf um etwas mehr Ruhe und auch darum bitten, Privatgespräche außerhalb des Sitzungssaals zu führen.

Dr. Alex Möller (SPD):
Rede ID: ID0604417800
Für solche notwendig werdenden Änderungen eines Haushaltsentwurfs sieht die neue Bundeshaushaltsordnung die Vorlage eines Ergänzungshaushalts vor. Die Bundesregierung war deshalb nach dem neuen Haushaltsrecht gezwungen, sie in einem Ergänzungshaushalt zusammenzufassen. Sie hat am 19. März 1970 den Ihnen nunmehr vorliegenden Entwurf beschlossen.
Es war eines der wesentlichsten Ziele der Haushaltsreform — wenn ich daran erinnern darf —, die Behandlung von Vorlagen zur Änderung des Haushaltsgesetzes und des Haushaltsplans so weit wie möglich zu beschleunigen. In Art. 110 des Grundgesetzes ist deshalb vorgesehen, daß Ergänzungs- und Nachtragshaushalte gleichzeitig beim Bundesrat und beim Bundestag eingebracht werden. Das durch diese Neufassung des Art. 110 des Grundgesetzes eingeführte vereinfachte Verfahren für die Behandlung von Ergänzungs- und Nachtragshaushalten sollte das früher geübte Verfahren der „Nachschiebung" endgültig beseitigen. Nach der Beratung des Ergänzungshaushalts im Parlament geht der Ergänzungshaushalt im Kernhaushalt 1970 auf.
Die wichtigsten Kriterien des Entwurfs des Ergänzungshaushalts möchte ich meinen weiteren Ausführungen voranstellen.
Erstens. Der Ergänzungshaushalt bezieht sich ausschließlich auf den Entwurf des Haushaltsplans für das Haushaltsjahr 1970.
Zweitens. In dem den Finanzhaushalt betreffenden Teil des Ergänzungshaushalts sind nur unabweisbare Ausgaben für wichtige Maßnahmen veranschlagt worden. In den Entwurf des Ergänzungshaushalts zum Verwaltungshaushalt wurden nur die bei Anlegung eines strengen Maßstabes unausweichlichen Personalvermehrungen von insgesamt 247 Stellen aufgenommen, wovon lediglich 192 Stellen im Haushaltsjahr 1970 und der Rest in 1971 besetzt werden dürfen.
Drittens. Der Entwurf des Ergänzungshaushalts 1970 erhöht das Volumen des Kernhaushalts nicht. Vielmehr sind bei den Geldansätzen auf der Ausgabenseite nur Umschichtungen in einer Gesamthöhe von 378 Millionen DM vorgenommen worden. Der Erhöhung von Ansätzen stehen Herabsetzungen an anderer Stelle in entsprechender Höhe gegenüber.
Lassen Sie mich zu dieser den Ergänzungshaushalt charakterisierenden Zusammenfassung einige erläuternde Bemerkungen machen.
Auf die Vorlage eines Ergänzungshaushalts für das Haushaltsjahr 1971 hat die Bundesregierung verzichtet.
Den weitaus größten Anteil am Gesamtvolumen des Ergänzungshaushalts in Höhe von 378 Millionen DM nimmt der Finanzhaushalt mit einem Volumen von 316,5 Millionen DM ein, das auf folgende Maßnahmen aufgeteilt ist.
Im Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft wird ein bisheriger Globaltitel von 170 Millionen DM für Hilfsmaßnahmen im Energiebereich sowie der Ansatz für Frachthilfe in Höhe von 50 Millionen DM aufgelöst und für einige nunmehr konkretisierte Einzelvorhaben verwendet. Es handelt sich hierbei um 120 Millionen DM für die Absatzförderung bei der Kokskohle, 20 Millionen DM für die Erleichterung der Versorgungslage auf dem Koksmarkt und 80 Millionen DM für Investitionszuschüsse an Bergbauunternehmen.
Im Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen müssen 21,8 Millionen DM für den Grunderwerb zur Errichtung des Europäischen Patentamts in München aufgewendet werden. Sie wissen, meine Damen und Herren, daß sich die Bundesregierung wie ihre Vorgängerin mit Nachdruck bemüht, diese europäische Einrichtung für die Bundesrepublik zu gewinnen. Die Verhandlungen über die Errichtung des Europäischen Patentamts werden aber zweifellos wesentlich erleichtert, wenn die grundstücksmäßigen Voraussetzungen bereits jetzt als gesichert angesehen werden können. Im übrigen ist damit keinerlei Risiko verbunden. Weitere Maß-



Bundesminister Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
nahmen, etwa die Ausschreibung eines Architektenwettbewerbs, sind von der Bundesregierung bis zur endgültigen Entscheidung über den Sitz des Europäischen Patentamts zurückgestellt worden.
Im Bereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung sind für den zivilen Ersatzdienst 21,4 Millionen DM notwendig, die für den Bau einer Ausbildungsstätte und von Unterkünften für Dienstleistende sowie für Ausbildungskosten im Finanzhaushalt bereitgestellt werden müssen.
Schließlich sind im Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit 19 Millionen DM für die Aufstockung der Technischen Hilfe und der multilateralen Hilfe notwendig. Diese Ausgaben sind zur Erfüllung unserer internationalen Verpflichtungen unumgänglich.
Bei ihrer Beschlußfassung über den Verwaltungshaushalt hat sich die Bundesregierung von dem Grundgedanken leiten lassen, daß zusätzliches Personal nur zur Bewältigung neuer Aufgaben oder zur Intensivierung bereits begonnener Maßnahmen eingestellt werden darf, wie sie sich in ihrer Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969 vor allem auf innenpolitischem Gebiet zum Ziel gesetzt hat. Darüber hinaus mußte der Tatsache Rechnung getragen werden, daß in einigen Bereichen schon aus der verfassungsrechtlichen Neuverteilung von Aufgaben zwischen Bund und Ländern dem Bund zusätzliche Aufgaben erwachsen sind, die auch nur durch zusätzliches Personal bewältigt werden können. Ich darf hierzu auf die Bildungsplanung nach Art. 91 b Grundgesetz verweisen, bei der Bund und Länder auf Grund von Vereinbarungen zusammenwirken sollen, und auch auf die Krankenhausfinanzierung, für die der Bund nunmehr eine Gesetzeskompetenz hat.
Daraus hat sich die Notwendigkeit von Personalvermehrungen vor allem beim Bundeskanzleramt, bei den Bundesministerien des Innern, der Justiz, für Arbeit und Sozialordnung, für Jugend, Familie und Gesundheit sowie beim Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft ergeben.
Im Bundeskanzleramt sollen mit den im Ergänzungshaushalt vorgesehenen 89 zusätzlichen Personalstellen, von denen 40 Stellen erst ab 1. Januar 1971 besetzt werden dürfen, vor allem zwei neue Abteilungen für Innere Angelegenheiten und Planung, darunter auch die Koordinierung der Bildung und Wissenschaft sowie die Koordinierung der Umweltfragen, gebildet werden. Darüber hinaus soll mit dem neuen Personal die Arbeit in den bereits vorhandenen Abteilungen intensiviert und auch der Registratur- und sonstige innere Dienst verstärkt werden.
Die Bundesregierung glaubt, daß mit diesen personellen und organisatorischen Maßnahmen das Bundeskanzleramt in die Lage versetzt wird, seiner Planungs- und Koordinierungsaufgabe gerecht zu werden.
Im Bereich des Bundesministers des Innern sollen mit 84 zusätzlichen Stellen, davon 15 Stellen erst ab 1. Januar 1971 besetzbar, im wesentlichen die neuen Aufgaben der Reform des Dienstrechts, der
Bundesstaatsreform-Kommission und eines neu zu errichtenden Instituts für Sportwissenschaft erfüllt werden. Nicht zuletzt ist aus dem Bereich des Bundesministers des Innern die Bereitstellung von zusätzlichem Personal für den zivilen Ersatzdienst zu erwähnen, die wegen der wachsenden Zahl von Ersatzdienstpflichtigen unausweichlich geworden ist. Neue Personalstellen für den zivilen Ersatzdienst sind auch im Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung notwendig.
Im Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft sind für .die Erfüllung der bereits erwähnten neuen Bundesaufgaben auf dem Gebiete der Bildungsplanung zusätzliche Stellen erforderlich. Darüber hinaus muß im bereits vorhandenen Geschäftsbereich ein Zuwachs an Aufgaben, vor allen Dingen im Bereich der Reaktorsicherheit, bewältigt werden.
Der Mehraufwand für die neuen Personalstellen in Höhe von 5,7 Millionen DM jährlich kann teils in den Personalansätzen der betroffenen Einzelpläne, teils im Personalverstärkungstitel des Einzelplans 60 ausgewiesen werden.
Zu diesem Mehraufwand für die Bezüge und Vergütungen treten zusätzliche sächliche Verwaltungsausgaben in Höhe von 55,8 Millionen DM, die nahezu ganz in den Einzelplänen und nur zu einem geringen Teil von 1,7 Millionen DM im Gesamthaushalt ausgeglichen werden müssen.
Meine Damen und Herren, ich darf nochmals herausstellen, daß der aus den dargelegten Gründen notwendig gewordene Ergänzungshaushalt das Volumen des Kernhaushalts, der gegenwärtig im Haushaltsausschuß beraten wird, nicht ausweitet und auch die im Entwurf des Haushaltsgesetzes 1970 vorgesehenen Haushaltssperren nicht berührt. Eine Änderung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes ist aus diesem Grunde nicht notwendig. Der Entwurf des Ergänzungshaushalts steht auch mit den stabilitätspolitischen Bemühungen der Bundesregierung nicht in Widerspruch. Er ordnet sich vielmehr in das Konzept der Bundesregierung ein, mit einer restriktiven Haushaltspolitik in einer Phase der Hochkonjunktur zur Stabilität beizutragen.
Meine Damen und Herren, ich habe dieses Konzept und die aus ihm folgenden haushaltspolitischen Stabilisierungsmaßnahmen der Bundesregierung in meiner Etatrede am 18. Februar 1970 dargelegt. Ich darf diese Maßnahmen dem Hohen Hause nochmals in Erinnerung bringen: Haushaltsgesetzliche Sperre in Höhe von 2,7 Milliarden DM, verschärfte vorläufige Haushaltsführung, Bildung einer Konjunkturausgleichsrücklage in Höhe von 1,5 Milliarden DM.
Es sei mir an dieser Stelle gestattet, einen kurzen Überblick über den bisherigen Ablauf des Haushalts in den ersten drei Monaten des Jahre 1970 zu geben, aus dem deutlich wird, daß die Bundesregierung ihrem Konzept entsprechend gehandelt hat.
Zunächst einige Bemerkungen zur Kassenlage des Bundes. Am Ende des Jahres 1969 hat der Bund bei der Deutschen Bundesbank einen Kassenkredit in Höhe von rund 1,8 Milliarden DM in Anspruch neh-



Bundesminister Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
men müssen. Er war notwendig, weil für die Zahlung von Gehältern, Versorgungsbezügen und Renten für den Monat Januar 1970 rund 2,3 Milliarden DM aufzuwenden gewesen sind. Dieser Kassenkredit konnte erst zu Beginn der zweiten Märzhälfte abgebaut werden. Am 20. März 1970 hatte der Bund wieder ein Kassenguthaben bei der Deutschen Bundesbank in Höhe von 1,583 Milliarden DM und brauchte seitdem einen Kassenkredit nicht mehr in Anspruch zu nehmen.
Diese Entwicklung der Kassenlage in den ersten zwei Monaten des Jahres 1970 hat ihren Grund vornehmlich darin, daß der Bund in diesem Zeitraum fällige Schulden in Höhe von 1,3 Milliarden DM getilgt, aber mit Rücksicht auf den Kapitalmarkt von den für diese Tilgung ursprünglich vorgesehenen Anschlußfinanzierungen abgesehen hatte. Zum anderen — darauf habe ich am 23. März 1970 vor Beginn der Osterpause zur Beantwortung von Anfragen in einer Pressekonferenz bereits hingewiesen — ist diese Kassenentwicklung ganz wesentlich auch eine Auswirkung der im Rahmen der Finanzreform festgelegten Neuverteilung der Steuereinnahmen zwischen Bund und Ländern. Ich möchte diese Frage heute nicht weiter vertiefen, aber doch darauf hinweisen, daß ein für den Bund nachteiliger Vorfinanzierungseffekt zugunsten der Länder besteht, der sich auch künftig in den ersten Monaten eines Jahres erheblich auf die Liquiditätslage des Bundes auswirken wird. In diesem Jahr waren die Steuereinnahmen des Bundes in den Monaten Januar und Februar 1970 um 1,268 Milliarden DM niedriger, als es nach der alten Steuerverteilung der Fall gewesen wäre. Entsprechend höher sind demgegenüber die Steuereinnahmen der Länder.
Trotz dieser zunächst ungünstigen Entwicklung der Kassenlage des Bundes war es möglich, die erste Rate der Konjunkturausgleichsrücklage des Bundes in Höhe von 750 Millionen DM, die nach der Verordnung der Bundesregierung vom 13. Februar, 1970 bis zum 31. März 1970 auf ein Sonderkonto bei der Deutschen Bundesbank einzuzahlen war, am 23. März aus laufenden Einnahmen des Bundes zu überweisen. Das Kassenguthaben des Bundes hat an diesem Tage nach Zahlung der ersten Rate der Konjunkturausgleichsrücklage 1,252 Milliarden DM betragen. Ich will nicht noch einmal auf die zahlreichen Äußerungen des Mißtrauens und auf die Unterstellungen aus den Reihen der Opposition eingehen, die in den Wochen vor der Zahlung der ersten Tranche der Konjunkturausgleichsrücklage zu hören waren. Ich stelle nur mit einer sicher gerechtfertigten Genugtuung fest, daß die Opposition dann die Zahlung der ersten Rate aus laufenden Einnahmen begrüßt hat. Ich muß ihr allerdings widersprechen, als sie diese Tatsache als einen Erfolg ihres ständigen Drängens wertet.
Nicht zuletzt möchte ich auch auf die zustimmenden Äußerungen der Deutschen Bundesbank verweisen, die darüber hinaus die Verbesserung der Kassenlage des Bundes im ersten Vierteljahr um nicht weniger als 3,3 Milliarden DM als wesentlichen Beitrag einer gegen den Preisauftrieb gerichteten Haushaltspolitik begrüßt.
Lassen Sie mich nun ein Wort zur vorläufigen Haushaltsführung des Bundes sagen. Ich habe in meiner Etatrede am 18. Februar 1970 ausgeführt, daß die Regelung der vorläufigen Haushaltsführung des Bundes bis zur Verabschiedung des Haushaltsgesetzes 1970 gegenüber den Vorjahren verschärft worden sei. Inzwischen habe ich in meinem Hause noch die zusätzliche Anordnung getroffen, daß etwaige Ausnahmen von den Bestimmungen über die vorläufige Haushaltsführung nur mit meiner Zustimmung zugelassen werden können, und zwar ohne Rücksicht auf die Höhe des von der Ausnahme betroffenen Betrages. Ich bin mir andererseits aber darüber im klaren, daß diese strenge Handhabung der Bestimmungen über die vorläufige Haushaltsführung in manchen wichtigen Aufgabenbereichen des Bundes, z. B. im Straßenbau, zu schwierigen Situationen führen kann.
Die Bundesregierung wird in jedem Einzelfall unter sorgfältiger Abwägung der konjunkturellen Erfordernisse einerseits und der regionalen und strukturellen Bedeutung der in Frage stehenden Maßnahmen andererseits entscheiden, ob eine Ausnahme von der vorläufigen Haushaltsführung zugelassen werden kann. Auf diese Weise werden wir unzumutbare Verzögerungen bei der Erfüllung wichtiger Aufgaben vermeiden können.
Die restriktive Wirkung der vorläufigen Haushaltsführung wird noch dadurch verstärkt, daß erstmalig für den Monat April 1970 auf meine Anordnung die Betriebsmittelanforderungen der Ressorts um durchschnittlich 18 v. H. der nicht auf Rechtsverpflichtungen beruhenden Ausgaben gekürzt worden sind. Dadurch werden die Ausgaben des Bundes im April 1970 um rund 600 Millionen DM unter dem Betrag liegen, der nach der vorläufigen Haushaltsführung verfügbar wäre. Auch daraus mögen Sie ersehen, daß wir uns ständig darum bemühen, daß die Ausgabeentwicklung in diesen Zeiten der noch immer andauernden Hochkonjunktur antizyklisch bleibt.
Ich muß in diesem Zusammenhang auf die Vorwürfe des Abgeordneten Leicht eingehen, der mir im „Deutschland-Union-Dienst" vom 9. April 1970 vorgeworfen hat, daß ich unfähig sei, eine antizyklische Haushaltspolitik zu betreiben, daß ich die Öffentlichkeit durch Haushaltsmanipulationen irregeführt und die gesetzlichen Bestimmungen der Bundeshaushaltsordnung in krasser Form mißachtet hätte. Dazu darf ich folgendes feststellen:
Erstens. Zur weiteren Verschärfung der vorläufigen Haushaltsführung habe ich soeben klar und eindeutig Stellung genommen.
Zweitens. Auf die erhöhten Ausgaben des Bundes im Monat Dezember 1969 bin ich während der Haushaltsdebatte am 19. Februar 1970 in detaillierter Form eingegangen. Nach meinen Informationen hat inzwischen der Haushaltsausschuß von den wesentlichsten Ausgabepositionen z. T. einstimmig z. T. mit Mehrheit zustimmend Kenntnis genommen. Darunter sind die Positionen enthalten, die Herr Kollege Leicht in seinem „Quo-vadis"-Artikel nannte.



Bundesminister Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
Drittens. Der sehr schwere Vorwurf des krassen Verstoßes gegen Bestimmungen des Haushaltsrechts ist mir völlig unverständlich. Sie, Herr Kollege Leicht, hätten der Vollständigkeit halber auch den § 72 Abs. 3 der Bundeshaushaltsordnung zitieren und vor allem richtig würdigen müssen, wonach Zahlungen, die im abgelaufenen Haushaltsjahr fällig waren, jedoch erst später geleistet wurden, in den Büchern des abgelaufenen Haushaltsjahres gebucht werden, solange die Bücher nicht abgeschlossen sind.
Bereits am 12. September 1969 — und ich bitte hier das Hohe Haus, diesen Zeitpunkt zu beachten — sind für den Abschluß der Kassenbücher des Bundes für das Rechnungsjahr 1969 die einzelnen Termine für die Amtskassen bis einschließlich Oberkassen festgelegt worden. Für die Oberkassen wurden als Abschlußtermin der 13. Januar 1970 bestimmt. In demselben Rundschreiben vom 12. September 1969 ist angekündigt worden, daß wegen des Abschlusses der Bücher der Bundeshauptkasse eine gesonderte Mitteilung ergeht. Der Abschluß der Bücher der Bundeshauptkasse ist dann auf den 25. Februar 1970 festgelegt worden.
Auch in der Vergangenheit haben die Abschlußtermine für die Bundeshauptkasse immer im Februar gelegen,

(Abg. Wehner: Hört! Hört!)

so für 1967 am 20. Februar 1968 und für 1968 am 11. Februar 1969.

(Abg. Wehner: Hört! Hört!)

Bis zum 25. Februar 1970 konnten alle im Rechnungsjahr 1969 fälligen, aber erst später geleisteten Zahlungen noch für das abgelaufene Haushaltsjahr gebucht werden.
Wie diese Ihre Vorwürfe, Herr Kollege Leicht, in der fachkundigen Presse gewertet werden, ergibt sich aus einer „Würdigung" der „Stuttgarter Zeitung" vom 1. April 1970, deren Schlußteil ich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren darf. Er lautet:
Es ist gut, wenn die Opposition genau darauf aufpaßt, daß die Haushaltswirtschaft des Bundes ohne Tricks abgewickelt wird. Aber es ist nicht gut, wenn ein Abgeordneter — und sei er noch so oppositionell — einem Bundesminister öffentlich Gesetzesbruch vorwirft, ohne daß er sich über den Gesetzeswortlaut noch einmal genau Gewißheit verschafft hat.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Liest man nämlich jenen § 72 der Bundeshaushaltsordnung,
— ich zitiere immer noch die „Stuttgarter Zeitung" —
den Leicht dem Minister um die Ohren schlagen möchte, dann erfährt man, daß das Bundesfinanzministerium bei seinen Nachbuchungen genau im Sinne gerade dieser Vorschrift verfahren ist. Von einem Parlamentarier, der fast drei Jahre lang einen Finanzminister politisch vertreten hat und heute dem Haushaltsausschuß des Bundestages vorsitzt, sollte man solche Mühewaltung eigentlich erwarten, wenn nicht gar verlangen dürfen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Abermals macht es sich leider die Opposition im wahrsten Sinne des Wortes zu leicht.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Meine Damen und Herren, ich bitte das Hohe Haus um Verständnis dafür, daß ich eine Zeitungsstimme zitiert habe, da mir als Bundesfinanzminister immer daran ,gelegen sein muß, im guten Einvernehmen insbesondere mit dem Vorsitzenden des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundetages zusammenzuarbeiten.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0604417900
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Althammer.

Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0604418000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Uns liegt im Augenblick ein Ergänzungshaushalt zum Haushalt 1970 vor. Die Vorgeschichte dieser Debatte deutet darauf hin, daß die Koalitionsfraktionen die Überweisung dieses Ergänzungshaushaltes ohne Debatte im Plenum des Bundestages gewünscht hatten. Dieser Wunsch steht in Einklang damit, wie diskret der Herr Bundesfinanzminister die Vorarbeiten zu diesem Ergänzungshaushalt bis heute behandelt hat. Weder hat der Herr Bundesfinanzminister bei seiner Rede zur Einbringung des Bundeshaushalts 1970 ein Wort davon verlauten lassen, daß in seinem Hause bereits zu diesem Zeitpunkt ein Ergänzungshaushalt vorbereitet wird, noch hat er am 20. März dieses Jahres bei der Aussprache im Bundesrat — am Tage, nachdem dieser Ergänzungshaushalt vom Bundeskabinett beschlossen worden war — ein Wort über diesen Ergänzungshaushalt verloren.

(Zuruf von der CDU/CSU: Typisch!)

Ich weiß nicht, ob das darauf hindeutet, daß Meldungen zutreffen, wonach der Herr Bundesfinanzminister selbst es vermeiden wollte, daß ein solcher Ergänzungshaushalt kommt und er im Kabinett überstimmt worden ist. Wenn diese Meldungen zutreffen, würde ihn persönlich das ehren. Aber das ist für uns auch die Veranlassung, daß wir von der CDU/CSU darauf bestanden haben, eine so wichtige und in ihrem finanziellen Volumen durchaus gravierende Sache wie diesen Ergänzungshaushalt hier vor diesem Hohen Hause zu diskutieren. Es handelt sich immerhin um 378 Millionen DM, die hier umgeschichtet 'werden sollen.
Es ist dann — und das war erwartet worden — mit sehr großer Genugtuung darauf hingewiesen worden, daß diese Umschichtung angeblich ohne eine Ausweitung des Haushalts und damit, so sollte wohl gesagt werden, ohne zusätzlichen Anheizungseffekt auf die Konjunktur abgewickelt werden soll. Ich glaube, auch dieser Behauptung kann man nicht zustimmen. Erstens ist festzustellen, daß durch verschiedene Umschichtungen Ausgaben, die, wie bisher



Dr. Althammer
vorgesehen waren, in europäische Fonds eingehen sollten, jetzt im eigenen Land in zusätzliche Leistungen umgewandelt werden. Zweitens möchte ich auf eine Tatsache hinweisen, über die der Herr Bundesfinanzminister bei seiner Rede hier eben schamhaft überhaupt hinweggegangen ist, nämlich daß dieser Ergänzungshaushalt neben dem Umschichtungsvolumen von über 300 Millionen DM noch Bindungsermächtigungen in Höhe von über 1 Milliarde DM enthält, die zu den Bindungsermächtigungen, die ohnehin schon im Kernhaushalt stehen, noch hinzukommen. Jeder Fachmann auf diesem Gebiete weiß, daß für die öffentliche Nachfrage auf dem Markt Bindungsermächtigungen so gut wie bares Geld sind,

(Sehr richtig! und Beifall bei der CDU/CSU)

und davon geht dann eben ein entsprechender Nachfragesog zusätzlicher Art aus.
Ich glaube, diese Debatte kann es aber auch gar nicht vermeiden — und insbesondere nicht, nachdem der Herr Bundesfinanzminister selbst hier wiederum die angeblich so großartigen Leistungen im Bereich des Haushalts zur Konjunkturdämpfung erwähnt hat —, die Gesamtlandschaft, in die diese zusätzlichen Bindungsermächtigungen und diese Umschichtungen hineingestellt werden, zu beleuchten. Wie sieht heute, meine sehr verehrten Damen und Herren, die wirtschafts- und konjunkturpolitische Lage aus? Uns liegen die neuesten Daten der Deutschen Bundesbank vor. Wenn ich es zusammenfassen darf: die Bundesbank sagt, daß der Boom in der Bundesrepublik unvermindert weitergeht. Hier ist doch die Frage zu stellen, ob sich eine Regierung damit beruhigen kann, daß diese Situation von einer neutralen Stelle festgestellt wird. Auch all die verschiedenen Beruhigungsversuche, die wir im ersten Vierteljahresbericht des Bundeswirtschaftsministeriums finden, gehen demgegenüber ins Leere.
Ich möchte nur einige wenige Zahlen nennen, die das hektisch angeheizte Konjunkturklima in der Bundesrepublik beleuchten. Die Auftragseingänge lagen im Januar 1970 um 6% über denen des Vorjahres, und im Februar lagen sie um 9 % darüber, verglichen mit den tatsächlich ausgefolgten Lieferungen. Das bedeutet, daß wir heute in der Wirtschaft insgesamt ein Rekordpolster von Aufträgen haben, das für die Zeit von vier Monaten ausreicht. Das war seit Bestehen der Bundesrepublik noch niemals der Fall.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wenn der Bundeswirtschaftsminister insbesondere den Maschinenbau erwähnt, darf ich darauf hinweisen, daß der Überhang an Investitionen im Bereich des Maschinenbaus im Januar gegenüber dem Vorjahr bei 22 % lag und im Februar bei 27%.
Wir sehen weiter, daß auf dem Arbeitsmarkt ein akuter Mangel an Arbeitskräften besteht. Wenn Sie das mit der Lohn- und Preisentwicklung zusammennehmen und insbesondere mit der Entwicklung des Geldwertes und der Geldwertstabilität, dann ergibt sich hier ganz klar, daß wir auch in der Zukunft einen hohen Zuwachs im Kostensektor haben werden, wenn nichts geschieht, um diesen Dingen entgegenzutreten. Wie sich das bereits jetzt niedergeschlagen hat, sehen Sie im Bereich der Lebenshaltungskosten, die nach den offiziellen Ziffern im Durchschnitt um 3,7 % über denen des Vorjahres liegen.
Dabei müssen Sie berücksichtigen, daß die sozial schwachen Schichten unserer Bevölkerung, z. B. die Rentner und Familien mit mehreren Kindern, noch wesentlich höhere Lebenshaltungsverteuerungen zu verzeichnen haben.
Ich möchte Ihnen eine andere Zahl nennen, die besonders alarmierend ist: Binnen eines Jahres — es handelt sich hier um die Vergleichszahlen von Februar 1969 bis Februar 1970 — hat sich das Geldvolumen in der. Bundesrepublik um 14 % ausgeweitet. Hier haben wir es mit einem Inflationierungsfaktor allererster Ordnung zu tun. Entsprechend sind natürlich auch die Schätzungen der Fachleute über die Geldentwertungsrate des Jahres 1930, die wir zu verzeichnen haben werden, wenn dieser Entwicklung von dieser Regierung nicht nachdrücklich entgegengetreten wird.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wir werden nach diesen Umrechnungen der Entwicklung der letzten drei Monate auf das ganze Jahr eine Geldentwertungsrate zu verzeichnen haben, die zwischen 4,5 und 5 % liegt.

(Abg. Haase [Kassel] : Schiller-Politik! — Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

Wenn sich diese Entwicklung so fortsetzt, werden wir schließlich in eine Stagnation ohne Stabilität hineinkommen.

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Sehr wahr!)

Schon heute ist die Bundesrepublik Deutschland, die in den vergangenen zwanzig Jahren als Musterschüler der Stabilitätspolitik galt, als Durchschnittsschüler in die Gruppe der Länder mit einer durchschnittlichen Inflationsrate zwischen 4 und 5 % hineingeraten. Das ist ein Sachverhalt, der auch von ausländischen Währungsfachleuten auf das alleräußerste bedauert wird.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich muß Ihnen aber noch eine weitere alarmierende Zahl mitteilen. Es handelt sich um den Rückgang der Sparneigung.

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Ja, das hängt damit zusammen!)

Wenn wir einen Vergleich der Sparentwicklung in den Monaten Januar und Februar des Jahres 1969 und 1970 ziehen, zeigt sich, daß sich der Zuwachs der Sparraten in diesen beiden Vergleichsräumen halbiert hat.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das Vertrauen ist weg! — Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

Wenn Sie das auf Jahreszahlen umrechnen, würde das bedeuten, daß sich das Sparkapital des Jahres 1969, das um 11,9 Milliarden DM gestiegen ist, im Jahr 1970 allenfalls noch um 5,2 Milliarden DM erhöhen würde. Das sind weniger als 50 % Zunahme gegenüber dem Vorjahr; und darin sind nicht nur



Dr. Althammer
die geringeren Spareingänge enthalten, sondern insbesondere auch die Abhebungen, die in diesen Monaten besonders deutlich waren.
Um noch ein Letztes zu sagen: Auch der Trost, daß nun die Deutsche Bundesbank den Diskontsatz auf einen seit dem Kriegsende nie erreichten Höchstsatz hinaufsetzen mußte,

(Zuruf von der CDU/CSU: Seit 1931!)

schlägt offenbar nicht durch. Die neuesten Erkenntnisse auf diesem Gebiet zeigen, daß die Investitionsneigung trotz der 7,5 % Diskontsatzerhöhung ungemindert weitergeht. Wenn Sie die Frage stellen, warum das so ist, ergibt sich die bedrückende Konsequenz, daß sich offenbar allmählich die Auffassung durchsetzt, man müsse in der Bundesrepublik mit einer Inflationsquote um die 5% herum pro Jahr leben.

(Abg. Haase der sozialistischen Regierung!)

Wenn man sich daran gewöhnt, schrecken natürlich auch nicht mehr Zinserhöhungen von 11 bis 12 %; denn diese Quote von 5 % Geldentwertung kann man abziehen, und der Sachwertbesitzer muß feststellen, daß er immer noch günstiger dasteht, als wenn er auf irgendwelche Sachinvestitionen verzichtet hätte.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Es ist also die Frage berechtigt, was die Sozialdemokratie- in den letzten sechs Monaten in dieser Situation getan hat,

(Zuruf von der CDU/CSU: Nichts!)

Es hat damit begonnen, daß man in der Regierungserklärung neue Versprechungen in Höhe von über einer Milliarde DM gemacht hat. Die Versprechungen haben sich darin fortgesetzt, daß man uns darauf vertröstet hat, in der zweiten Jahreshälfte 1970 werde dank der Aufwertung ein deutlicher Konjunkturabschwung eintreten.

(Zurufe von der CDU/CSU: Nichts ist davon wahr! — Märchenstunde war das!)

Wir stellen heute fest, daß davon überhaupt nicht die Rede sein kann; denn die vielgepriesene Aufwertung hat genau diesen Effekt nicht gebracht.
Wir haben weiter gesehen, daß im Monat Februar eine sehr dramatische Diskussion über Maßnahmen eingesetzt hat, die diese Regierung oder Teile von ihr ergreifen wollten, um diese Situation zu ändern. Bundeswirtschaftsminister Schiller hat ja sehr dramatische Vergleiche gebracht. Er hat von der „Völkerschlacht bei Leipzig" und von der „Schlacht am Skagerrak" gesprochen. Wir mußten feststellen, daß er sein Waterloo erlebt hat und daß all seine Vorschläge ins Wasser gefallen sind.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Heute fragen wir: was gedenkt die Regierung, was gedenkt die Koalition angesichts dieser Situation jetzt zu tun?

(Abg. Haase [Kassel] : Nichts!) Wir hören nichts anderes als Fehlanzeigen auf diesem Gebiet. Es bleibt vielleicht noch der schwache Trost — und damit wird draußen operiert —, daß die Haushaltspolitik dieser Bundesregierung angeblich so stark antiinflationistisch sei. Darum ist es doch angebracht, nachdem der Herr Minister es heute noch einmal vorgetragen hat, auch darauf einige Gedanken zu verschwenden.

Wie war denn die Haushaltsentwicklung dieser ersten drei Monate des Jahres 1970? Der Herr Minister hat auf Reserven verwiesen, die er habe, aber er hat sich wohlweislich gehütet, die Frage zu beantworten, wie die Prozentzahlen der realen Ausgabenentwicklung des Jahres 1969 im Vergleich zur Ausgabenentwicklung des Jahres 1970 sind.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich darf, meine sehr verehrten Damen und Herren, das jetzt nachtragen. Die offiziellen Zahlen liegen bei 7 % Zuwachs der Ausgabenentwicklung 1969 gegenüber 1970.

(Abg. Leicht: Und mehr!)

Ich will hier gleich ein Argument vorwegnehmen. Man wird dagegen vielleicht einwenden, daß hier gewisse Zwangsverpflichtungen durch die Verbesserung der Kriegsopferversorgung, durch Besoldungserhöhungen und ähnliches bestanden haben. Das mag richtig sein. Dann kann man aber die Haushaltsführung des Jahres 1970 nicht als konjunkturdämpfend bezeichnen.

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Sehr wahr!)

Es kommt noch ein Weiteres hinzu. Jetzt komme ich zur Auseinandersetzung des Herrn Finanzministers mit meinem Kollegen Albert Leicht. Mein Kollege Albert Leicht hat nachgewiesen, daß fast 1 Milliarde DM, über 900 Millionen DM, noch im Jahre 1970 auf Rechnung des Jahres 1969 bezahlt worden sind. Von dem konjunkturpolitischen Effekt dieser Maßnahme hat der Herr Minister nicht gesprochen. Denn natürlich ist unzweifelbar, daß diese Zahlungen im Jahre 1970 auf die gegenwärtige Konjunktursituation drücken und dort diesen Steigerungsprozentsatz von 7 noch einmal erhöhen.
Zur rechtlichen Seite der Sache ist zu sagen, daß der Herr Minister bei seiner Darlegung übersehen hat, daß die Gesetzeslage ganz klar so ist, daß buchungs- und kassentechnische Vorgänge noch in den beiden ersten' Monaten des folgenden Jahres vorgenommen werden können, daß man aber nicht unter Berufung auf diese Möglichkeiten, einen geordneten Kassenabschluß zu vollziehen, neue wesentliche Ausgabenpositionen vom Jahr 1970 auf das Jahr 1969 übertragen kann.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Genau darum geht es! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Das ist Schummel!)

Vielleicht werden die Herren von der Stuttgarter Zeitung, wenn sie das genauer studieren — und mein Kollege Leicht hat es ihnen in einem Brief noch einmal dargelegt —, auch zu der Erkenntnis kommen, daß diese Maßnahmen von den Vorschriften jedenfalls nicht gedeckt sind. Im übrigen darf



Dr. Althammer
ich aus den Besprechungen im Haushaltsausschuß hier vortragen, daß man sich intern völlig darüber einig ist, daß man hier eine Entlastungsmaßnahme des Haushalts 1970 durch Belastung des Jahres 1969 vornehmen wollte.

(Abg. Haase [Kassel] : Aus Gründen der Optik!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn also soviel von Konjunkturausgleichsrücklage und von den hohen Kasseneinlagen des Bundes gesprochen wird, dann kann das angesichts dieser Zahlen nur besagen, daß noch weitere Anheizungseffekte vermieden worden sind. Es ist aber unbestreitbar, daß sich durch das, was sich sowohl auf dem Haushaltsgebiet wie durch die Untätigkeit auf anderen Gebieten vollzogen hat, eine weitere Konjunkturerhitzung bewirkt hat.
Ich möchte noch auf einen anderen Vorwurf eingehen, der hier gerne erhoben wird. Es wird uns gesagt, die CDU/CSU sei groß im Kritisieren der Regierung, sie steuerte aber selbst keine konstruktiven Vorschläge bei. Ich möchte deshalb noch einmal ganz kurz — ich muß mich diesen Fragen jetzt etwas gestrafft widmen — auf die wesentlichen Punkte unserer Beiträge in dieser Konjunktursituation hinweisen.
Das erste und deutlichste Zeichen war wohl die Erklärung, die unser Fraktionsvorsitzender, als der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung Versprechungen mit finanziellen Auswirkungen in Höhe von über 1 Milliarde DM gemacht hat, namens der CDU/CSU von diesem Pulte aus abgegeben hat: Wir, die Opposition, werden diesen Weg nicht mitgehen; wir bieten der Regierung ein finanzielles Stillhalteabkommen an. Das war ein deutlicher Akzent in dieser Situation, als die Regierung noch davon ausging, daß man wesentlich erhöhte Ausgaben tätigen könne. Hier hat die CDU/CSU ganz deutlich die Stabilität betont.

(Zuruf des Abg. Moersch.)

— Bitte, Herr Kollege, lesen Sie es doch im Protokoll nach. Dann können Sie es selbst feststellen.

(Abg. Moersch: Was gesagt wurde, weiß ich, aber die Anträge sprechen dagegen!)

In der Debatte über den Jahreswirtschaftsbericht haben die Kollegen Müller-Hermann und Stoltenberg konkrete Vorschläge der CDU/CSU zur Konjunkturdämpfung vorgelegt. Leider hat man auf diese Vorschläge nicht gehört.

(Zuruf von der SPD: Welche?)

— Haben Sie einen kleinen Moment Geduld. Ich werde sofort auf diese Dinge zu sprechen kommen, und zwar in so konkreter Form, wie sie in der letzten Zeit hier von uns effektuiert worden sind. Das andere, Herr Kollege, was von der CDU/CSU sowohl in der Presse als auch von diesem Podium aus vorgeschlagen worden ist, können Sie im übrigen ja jederzeit in den Protokollen der Debatte über den Jahreswirtschaftsbericht nachlesen.

(Zuruf von der SPD: Das war ja kalter Kaffee!)

Ich möchte nun weiter vortragen, was die CDU/ CSU in den Ausschußberatungen konkret vorgeschlagen hat. Am 26. Februar .dieses Jahres habe ich im Haushaltsausschuß namens der CDU/CSU den Antrag gestellt, Verwaltungsbauten bis zu einer Änderung der Konjunktursituation grundsätzlich einzustellen. Der Antrag ist von der anderen Seite abgelehnt worden.
In der Sitzung des Haushaltsausschusses vom 11. März habe ich namens der CDU/CSU einen weiteren detaillierten Antrag gestellt. Dieser Antrag beinhaltete eine sofortige Einzahlung der Konjunkturausgleichsrücklage in Höhe von 1,5 Milliarden DM durch den Bund. Er beinhaltete in der zweiten Ziffer, die gesperrten Haushaltsansätze, soweit sie nach der jetzigen Erkenntnis endgültig gesperrt bleiben müssen, ebenfalls dieser Konjunkturausgleichsrücklage zuzuführen. In einer dritten Position haben wir damals dem Haushaltsausschuß empfohlen, der Regierung gegenüber zum Ausdruck zu bringen, daß er nicht bereit wäre, in dieser Situation noch einen zusätzlichen Ergänzungshaushalt zu behandeln. In der vierten Ziffer haben wir noch einmal den Antrag auf Beschränkung der Bauten gestellt.
Alle diese Anträge wurden von der Koalition abgelehnt. Ähnlich ergeht es uns jetzt Woche für Woche bei 'den weiteren Kürzungsanträgen, bei den Anträgen, Bindungen in endgültige Streichungen umzuwandeln. All das wird von der Koalition bisher abgelehnt.

(Zuruf von der CDU/CSU: Niedergeknüppelt!)

Die Koalition wird es selber gegenüber dem Volk zu verantworten haben, wie sie sich in dieser Konjunktursituation verhält. Eines möchte ich aber hier mit aller Deutlichkeit sagen. Angesichts der Mannigfaltigkeit unserer Vorschläge — ich habe in diesem Zusammenhang unsere Vorschläge zur Vermögensbildung als weitere Maßnahme zur Konjunkturdämpfung noch nicht einmal erwähnt — sollte man uns nicht entgegenhalten, daß die CDU/CSU ihrerseits keine konstruktiven Vorschläge mache.
Ich möchte nun noch einige deutliche Worte zum Ergänzungshaushalt, wie ihn die Regierung hier vorgelegt hat, sagen.
Ein wesentlicher Punkt dieses Ergänzungshaushalts ist eine von der Regierung begehrte Personalvermehrung. Man muß das im Zusammenhang mit den Personalanforderungen sehen, die schon im Kernhaushalt des Jahres 1970 enthalten sind. Die Fachleute des Bundesrats haben dankenswerterweise eine 'detaillierte Aufschlüsselung dieser Stellenanforderungen vorgelegt. Danach werden im Kernhaushalt rund 5600 Stellen gefordert, davon allein 746 Stellen bei ,den Obersten Bundesbehörden. Jetzt werden 247 weitere neue Stellen im Ergänzungshaushalt gefordert.
Der Herr Bundesfinanzminister hat nun zu begründen versucht, mit welchen neuen Aufgaben diese Stellenanforderungen gerechtfertigt werden könnten. Ich darf aber daran erinnern, daß diese Bundesregierung nach ihrer Installierung groß als



Dr. Althammer
Erfolg herausgestellt hat, daß die Einsparung von vier Ministerien zu wesentlichen Stellenkürzungen führen werde.

(Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604418100
Ja, aber bei den Planstellen wird sich das auswirken. — Ich stelle heute die Frage: Wo sind die Planstellen, die hier eingespart werden sollen?

(Beifall und Zurufe bei der CDU/CSU.)

Ich habe gestern bei der Beratung eines Einzelplans im Haushaltsausschuß auch diese Frage gestellt. Darauf hat man mir beim Bundesfinanzministerium gesagt, die 22 einzusparenden Stellen seien im wesentlichen an die Herren Parlamentarischen Staatssekretäre zur Bedienung ihrer Büros gegangen.
Es kommt aber noch etwas Weiteres hinzu. Angesichts dessen, was in der Öffentlichkeit über die unguten Methoden, die sich auf dem personalpolitischen Gebiet gezeigt haben — insbesondere im Bundesfinanzministerium und noch krasser im Bundeskanzleramt —, bekanntgeworden ist, hat man, glaube ich, keine Neigung, große Stellenanforderungen. zu erfüllen.

(Zurufe von der SPD.)

Ich darf jetzt aber auf eine grundsätzliche Entwicklung kurz hinweisen. Wir stellen fest, daß das Bundeskanzleramt dabei ist, gigantische Pläne für Neubauten mit einem Bauvolumen von über 100 Millionen DM zu entwickeln, daß man hier in Bonn, wie schon gesagt worden ist, ein neues Pentagon errichten will. Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, daß dann auch die Entwicklung der Personalanforderungen, wie sie jetzt begonnen hat, in den kommenden Jahren weitergehen wird.
Wir sehen weiter, daß die Planungsabteilungen bei den einzelnen Ministerien ganz deutlich die Neigung haben, sich auszuweiten. Wir stellen die Frage: Soll das dazu führen, daß neben der alten klassischen Form der Ministerien mit ihren Referaten ein neues Über-Ministerium, genannt „Planungsabteilung", stehen soll, das nun wieder zu einem Superministerium beim Kanzleramt in Beziehung gesetzt wird, so daß sich drei Instanzen — normales Ministerium, Planungsabteilung und ausgeweitetes Kanzleramt — in bürokratischer Art und Weise gegenseitig beschäftigen? Solche Fragen drängen sich auf, wenn man diese neuen Stellenanforderungen sieht.
Ein letztes — ich habe es vorhin schon kurz angedeutet —: Zu den Verpflichtungsermächtigungen im Kernhaushalt, die nach den Anträgen der Regierung 25,6 Milliarden DM betragen, sollen jetzt noch einmal 1,22 Milliarden DM weitere Verpflichtungsermächtigungen hinzukommen. Das bedeutet ein weiteres Anheizen der Konjunktur, wie ich schon eingangs dargelegt habe.
Ich darf kurz die Bilanz dieser Entwicklung ziehen. Man hätte angesichts der Konjunktursituation, die heute Daten aufweist, die in der Bundesrepublik seit Kriegsende noch nie zu verzeichnen waren, erwartet, daß die Bundesregierung dem Parlament 'deutliche, spürbare konjunkturdämpfende Maßnahmen vorlegt. Das wäre insbesondere notwendig gewesen, nachdem die Bundesbank jetzt schon zu erkennen gibt, daß auch die drastische Diskontsatzerhöhung keine wesentliche, spürbare Erleichterung bringt. Statt dessen legt man uns einen Ergänzungshaushalt mit den vorher aufgezeigten weiteren Konjunkturanheizungseffekten vor.
Man muß sich hier die Frage stellen, warum der Bundeskanzler zu dieser alarmierenden wirtschafts- und finanzpolitischen Situation dieser Monate nicht Stellung nimmt.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Das einzige, was man in der Öffentlichkeit darüber gehört hat, war seine Äußerung, daß das Stabilitätsgesetz, das ja in früheren Jahren so angepriesen worden war, ein zu grobes Geschütz sei, um dieser Konjunkturentwicklung beizukommen. Wir haben die Vermutung und den dringenden Verdacht, daß nicht das Stabilitätsgesetz ein untaugliches Instrument ist, sondern daß diese Regierung nicht den Mut hat, nachdrückliche Stabilisierungsmaßnahmen zu ergreifen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wir sehen heute, daß die Teuerungswelle weitergeht, daß die Inflationsrate eine nie gekannte Rekordhöhe mit der Neigung zur Dauer hat. Wir stellen fest, daß die Sparkapitalbildung alarmierend zurückgegangen ist. Das kann doch nichts anderes besagen als: daß diese Regierung einen deutlichen Vertrauensschwund in der Öffentlichkeit zu verzeichnen hat.

(Lachen bei der SPD. — Abg. Wehner: Miesmacher!)

Wir möchten feststellen: wenn diese Entwicklung weiterhin nicht gesteuert wird und wenn unsere Bevölkerung, wenn die sozial besonders anfälligen Schichten weiter mit solchen Teuerungsraten, mit Inflationsraten von 5 % zu rechnen haben, dann können sozialpolitische Leistungen, dann können Vermögensbildungsmaßnahmen das, was hier der Bevölkerung weggenommen wird, niemals wiedergutmachen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich meine, wenn diese Bilanz der ersten sechs Monate zu ziehen ist, dann ist der Regierungswechsel in Bonn im Herbst des vergangenen Jahres für unsere Bevölkerung zu teuer bezahlt worden.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0604418200
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hermsdorf.

Hans Hermsdorf (SPD):
Rede ID: ID0604418300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am Schluß der gestrigen Haushaltsausschußsitzung hatte ich mit dem Kollegen Dr. Althammer eine kurze Unterhaltung. Ich habe ihn gefragt, ob wir heute morgen über den



Hermsdorf (Cuxhaven)

Ergänzungshaushalt oder über Konjunkturpolitik reden. Die Äußerung des Kollegen Althammer zu meiner Information war: wir reden über den Ergänzungshaushalt. Ich habe hiervon so gut wie nichts gespürt.

(Zustimmung bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)

Daß Sie hier den Versuch machen, eine allgemeine Haushalts- oder eine konjunkturpolitische Debatte zu entfachen, ist Ihr Recht. Ob Sie damit der Arbeit dieses Hauses und sich selbst dienen, lasse ich dahingestellt. Es war die Auffassung der Koalitionsfraktionen, daß eine erste Lesung dieses Ergänzungshaushalts rechtlich überhaupt nicht notwendig und sachlich nicht erforderlich gewesen wäre. Die Rede des Kollegen Althammer beweist, wie richtig wir in unserer Auffassung gelegen haben.
Es war rechtlich nicht notwendig, denn wir haben — alle Fraktionen im Hause — die Geschäftsordnung dieses Hohen Hauses dahingehend geändert, daß nach § 77 ein Ergänzungshaushalt direkt, ohne Aussprache an den Haushaltsausschuß dieses Hohen Hauses überwiesen werden kann und — in der Regel — soll. Sie haben gegen den Vorschlag der Koalitionsfraktionen, dies so zu praktizieren, im Ältestenrat Einspruch erhoben. Der Bundestagspräsident hat diesen Einspruch der Großen Fraktion zur Kenntnis genommen. Somit sind wir hier angeblich zu einer Beratung des Ergänzungshaushalts gekommen.
Ich kann nur sagen: das war bisher keine Beratung des Ergänzungshaushalts, sondern es war eine Debatte über Haushaltsvollzug, Kernhaushalt, Konjunkturpolitik, und in einem gewissen Sinne sind das alles Dinge gewesen, die man nach Abschluß der Beratungen des Haushaltsausschusses über Kernhaushalt und den Ergänzungshaushalt hier in einer zweiten und dritten Lesung hätte vorbringen sollen, aber nicht bei Einbringung des Ergänzungshaushaltes.
Sie müssen doch zugeben, Herr Kollege Althammer — Sie haben es auch nicht bestritten —, daß eine Ausweitung des finanziellen Volumens des Haushalts durch den Ergänzungshaushalt nicht erfolgt.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Er hat also auf die Konjunktur nicht den mindesten Einfluß.
Der einzige Punkt des Ergänzungshaushalts selber, den Sie angesprochen haben und über den man hinsichtlich der Konjunktur ein bißchen unterschiedlicher Meinung sein könnte, ist die Frage der Verpflichtungsermächtigungen. Durch den Ergänzungshaushalt werden für etwas über 1 Milliarde DM Verpflichtungsermächtigungen nachgeschoben. Sie wissen genausogut wie ich, daß diese 1970 nicht fällig werden. Sie wissen aber auch, daß in diesem Betrag 1 Milliarde DM Verpflichtungsermächtigungen für den Airbus enthalten sind, ein internationales Vorhaben, von dem Sie hoffentlich nicht herunter wollen. Oder sollten Sie Ihre Meinung hier geändert haben?

(Beifall bei den Regierungsparteien.) Das geschah also zwangsläufig.

Es besteht nicht der mindeste Anlaß, den Ergänzungshaushalt zu dramatisieren. Wir hätten wegen des Zeitdrucks, in dem wir uns befinden, und bei der Größenordnung, in der der Ergänzungshaushalt vorgelegt worden ist, besser daran getan, im Interesse der Arbeit des ganzen Hauses und der Arbeit des Ausschusses im besonderen so zu verfahren, wie es die Koalitionsfraktionen vorgeschlagen hatten.
Lassen Sie mich jetzt noch ein Wort zu der Frage sagen, warum es zu dem Ergänzungshaushalt gekommen ist. Sie wissen, daß wir, d. h. alle drei Fraktionen, also auch Sie, bei der Haushaltsreform den Begriff „Ergänzungshaushalt" in das Gesetz neu aufgenommen haben, und zwar mit der Begründung, in Zukunft die Vorlage von Nachschiebelisten und ähnlichen Dingen, die am Parlament vorbeigehen und nur im Auschuß beraten werden, zu unterbinden und diesem Haus den Haushalt als Ganzes eben durch die Vorlage des Ergänzungshaushalts transparenter zu machen. Das war der allgemeine Wunsch, und diesem Wunsch ist Rechnung getragen worden. Ich weiß nicht, warum Sie sich jetzt dagegen wenden.
Der nächste Punkt betrifft die Terminfrage. Aus der Terminfrage ergeben sich natürlich eine Reihe von Konsequenzen, die in der Personalfrage ihren Niederschlag gefunden haben. Sie, Herr Althammer, haben gesagt, im Kernhaushalt seien soundso viele neue Stellen ausgewiesen. Richtig, im Kernhaushalt sind 5680 neue Stellen enthalten. Sie wissen aber ganz genau, daß über 1600 Stellen allein auf das Brüsseler Paket zurückgehen und im Verteidigungshaushalt ausgewiesen sind. Diese Stellenvermehrung hat die vorhergehende Regierung zu verantworten. Ich erhebe hier keinen Vorwurf, sondern möchte nur sagen, womit das zusammenhängt, wenn man darauf verweist, was an Personal im Ergänzungshaushalt angefordert worden ist. Hier wurde das Bundeskanzleramt erwähnt. Darüber hat schon eine Debatte zwischen Herrn Wörner und Herrn Minister Ehmke stattgefunden. Sie wissen jedoch, daß im Kernhaushalt keine einzige zusätzliche Stelle für das Bundeskanzleramt steht. Die neuen Stellen sind vielmehr im Ergänzungshaushalt ausgewiesen.
Sie müssen auch den Zeitdruck berücksichtigen, unter dem die Regierung gestanden hat, um den Haushalt pünktlich vorlegen zu können. Unter Berücksichtigung des zeitlichen Ablaufs der Ereignisse, angefangen von der Wahl, der Bildung dieser Regierung, der Regierungserklärung, bis zur Vorlage des Haushalts, ist es selbstverständlich, daß nachträglich noch einige Umstrukturierungen, die sich auf Grund neuer Erkenntnisse ergeben haben, im Ergänzungshaushalt nachgeschoben werden müssen.
Ich kann Ihnen nur sagen, daß es besser gewesen wäre, wenn Sie das berücksichtigt hätten. Sie hätten lieber zu dem Ergänzungshaushalt in der



Hermsdorf (Cuxhaven)

vorliegenden Form, der keine Verschlechterung der konjunkturellen Lage und keine Ausweitung des Finanzvolumens bedeutet, Stellung nehmen sollen. Wenn wir uns sachlich an die Arbeit gemacht hätten, wären wir schnell damit fertig geworden. Das hätte dem Hohen Hause besser angestanden.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0604418400
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kirst.

Victor Kirst (FDP):
Rede ID: ID0604418500
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich im wesentlichen darauf beschränken, ein paarallgemeine Bemerkungen über den Charakter und die Bedeutung eines Ergänzungshaushalts zu machen und einige konkrete Feststellungen über den Ergänzungshaushalt 1970 zu treffen, den wir heute an den Haushaltsausschuß überweisen werden. Ich glaube, beides dient dazu, die meiner Ansicht nach etwas übersteigerte Allergie der Opposition gegen diesen Ergänzungshaushalt ins rechte Licht zu rücken.
Ich habe mich seit unserer letzten Debatte zwar davon überzeugt, daß es dm Bundestag Ergänzungshaushalte bisher nicht gegeben hat. So kann ich mir die Ablehnung der CDU/CSU gegenüber dem Instrument des Ergänzungshaushalts eigentlich nur als die für eine konservative Partei typische Ablehnung und Angst vor allem Neuen und Unbekannten erklären.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Meine Damen und Herren, Herr Kollege Leicht, es mag also im Bundestag diese Ergänzungshaushalte bisher nicht .gegeben haben. In den Ländern, wo ich bisher gewirkt habe, waren sie gang und gäbe. Vielleicht beruhigt es Sie etwas, wenn ich ihnen aus meiner Erinnerung sage, daß der erste Ergänzungshaushalt, den ich in meinem parlamentarischen Leben beraten habe, mir 1954 von einem CDU-Finanzsenator vorgelegt wurde.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0604418600
Herr Kollege Kirst, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Althammer?

Victor Kirst (FDP):
Rede ID: ID0604418700
Ja.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604418800
Herr Kollege Kirst, würden Sie zur Kenntnis nehmen, daß wir, nachdem wir selber an diesem Gesetz entscheidend mitgewirkt haben, den Ergänzungshaushalt selbstverständlich nicht als Institution ablehnen und daß wir ihn allenfalls in einer konkreten Situation mit diesen Zahlen ablehnen?

Victor Kirst (FDP):
Rede ID: ID0604418900
Herr Althammer, die Feststellung, die in Ihrer Frage lag, ist immerhin schon ein Fortschritt.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Denn nach den Vordebatten, die teils in diesem
Hause, teils auf anderer Ebene darüber geführt
worden sind, konnte oder mußte man sogar den Eindruck haben, daß Sie, obwohl Sie die entsprechenden Gesetze im vergangenen Jahr mit beschlossen haben, überhaupt dagegen seien.
Dafür aber, Herr Kollege Althammer, daß jenseits grundsätzlicher Überlegungen aus konkretem Anlaß dieser Ergänzungshaushalt ,abzulehnen sei, sind Sie uns den Beweis schuldig geblieben. Ich werde darauf im einzelnen noch eingehen.
Sie haben gemeint, wir wollten diesen Ergänzungshaushalt mit Diskretion behandeln und deshalb nicht debattieren. Ich glaube, da sehen Sie die Dinge völlig falsch. Was wir wollten, Herr Kollege Althammer — und Herr Kollege Leicht wird dafür vielleicht sogar Verständnis haben —, ist folgendes. Wir hatten vorgesehen, heute noch zumindest den Vormittag mit der Beratung des Haushalts 1970 im Haushaltsausschuß zuzubringen, um eine termingemäße Verabschiedung zu den Sommerferien zu ermöglichen. Das ist uns jetzt nicht möglich.

(Zuruf von der SPD: Sehr wahr!)

Im übrigen, um das noch zum Grundsätzlichen zu sagen — auch darauf ist schon hingewiesen worden —: Früher hat man eben diese Nachschiebelisten, oder wie es hieß, gehabt. Das war, wenn Sie so wollen, ein Ergänzungshaushalt in Loseblattform.
Der Ergänzungshaushalt ist auch in § 32 der Bundeshaushaltsordnung gesetzlich verankert. Er dient der Haushaltswahrheit und der Haushaltsklarheit. Von diesem Instrument sollte man, Herr Althammer, jenseits aller aktuellen konjunkturpolitischen Überlegungen Gebrauch machen. Wir wissen genau, daß jeder Haushaltsplan nur eine Momentaufnahme im Augenblick seiner Aufstellung sein kann und daß die dynamische Entwicklung — das Leben geht auch im Staat weiter — während der Beratungsphase einfach eine solche zeitgemäße Anpassung erfordert. Ich glaube, das Parlament sollte Wert darauf legen, am Ende im Juni hier einen möglichst aktualisierten Haushalt anzunehmen.
Herr Kollege Leicht, Sie machten eben den Zwischenruf, daß ich vielleicht Nachtrag und Ergänzung verwechsle. Das tue ich bestimmt nicht. Ich gebe Ihnen in einem recht: daß der Ergänzungshaushalt 1970 insofern naturnotwendig ein Sonderfall ist, als wir den Haushalt 1970 erst im Mai oder Juni verabschieden werden und inhaltlich der Ergänzungshaushalt 1970 notwendigerweise schon mehr ein Nachtrag ist. Formal ist er aber eine Ergänzung, weil wir das Haushaltsgesetz und den Haushalt noch nicht verabschiedet haben.
Wir sollten uns aber — um konkret auf die Vorlage des Ergänzungshaushalts 1970 zu kommen — nicht durch das drucktechnische Volumen über das wahre Ausmaß der Veränderungen, die darin vorgeschlagen werden, täuschen lassen. Ich glaube, das täuscht doch sehr. Das ist nun aber einfach nicht zu vermeiden. Ich meine, wenn wir den Ergänzungshaushalt 1970 konkret werten, sind zwei Feststellungen ganz klar und nicht zu widerlegen.
1. Das Volumen des Haushalts 1970 ändert sich durch diesen Ergänzungshaushalt um nicht einen



Kirst
Pfennig. Das steht, glaube ich, fest, und das wollen wir hier festhalten.
2. Herr Kollege Althammer, im Gegensatz zu Ihnen bin ich der Auffassung — und nicht nur der Auffassung, sondern zu Recht der Auffassung —, daß auch die konjunkturpolitische Qualität des Haushalts 1970 durch den Ergänzungshaushalt in keiner Weise beeinträchtigt wird.
Herr Kollege Althammer, Sie haben — weil auch Sie es sonst nicht belegen zu können glaubten — gemeint, daß eine Verschlechterung der konjunkturpolitischen Qualität des Haushalts durch die Bindungsermächtigungen, durch die Verpflichtungsermächtigungen — wir sollten zur Klarheit die jetzt gültigen Begriffe verwenden — eingetreten sei. Eine Milliarde DM: Herr Kollege Hermsdorf hat schon darauf hingewiesen. Da steckt aber nicht nur das drin, was er bekannterweise sagte. Da stecken auch 304 Millionen DM für die Fortsetzung und Ausweitung des Werfthilfeprogramms drin. Herr Althammer, fragen Sie einmal Ihre Kollegen Schmid-Burgk, Gewandt und andere aus der Hansestadt, die ich im Moment nicht sehe, was sie eigentlich dazu meinen, daß Sie diese Ausweitung hier ablehnen.

(Beifall bei der FDP.)

Ich möchte hier nicht unter falscher Flagge eine konjunkturpolitische Debatte führen. Deshalb, Herr Althammer, bin ich nicht der Meinung daß es richtig ist, hier heute die Debatten vom März fortzusetzen. Ich glaube auch, wir würden damit der damals eingenommenen Haltung, die wir hier vertreten haben, widersprechen. Wir haben seinerzeit gesagt, daß, nachdem damals die Weichen gestellt waren, es nun richtig sei, Ruhe an der Front der wirtschaftlichen Entwicklung eintreten zu lassen. Insofern gehen wir also auf diese im übrigen nicht wahrer gewordenen Behauptungen hier nicht ein.

(Abg. Leicht: Zahlen sind wahr!)

Meine Damen und Herren! Trotz eifrigen Suchens habe ich — und das zeigt deutlich, wie begrenzt ja letzten Endes das Volumen dieses Ergänzungshaushalts ist — nur wenige Schwerpunkte in den einzelnen Bereichen finden können. Nachdem der Herr Finanzminister in seiner Einbringungsrede auf die wesentlichen Punkte hingewiesen hat, kann ich es mir ersparen, das im einzelnen hier darzulegen.
Eine kurze Bilanz zeigt doch folgendes: Von den 26 Einzelplänen dieses Haushalts werden nur 17 überhaupt durch den Ergänzungshaushalt betroffen. Dabei ergibt sich für neun Einzelpläne intern eine völlige Deckung, d. h. es handelt sich um reine Umschichtungen, nicht um Veränderungen per Saldo. Lediglich in den verbleibenden acht Einzelplänen ergeben sich auch per Saldo gewisse Änderungen, die insgesamt ein Volumen von 50 Millionen DM ausmachen.
Ich meine also, wir sollten weder vom konkreten Inhalt dieses Haushalts her zu unnötiger Dramatisierung noch bei falschem Anlaß zu neuen konjunkturpolitischen Debatten kommen.
Ich darf den Eindruck, den ich bisher von diesem Ergänzungshaushalt gewonnen habe, wie folgt zusammenfassen. Er enthält eine Summe von vielen Hundert, in Ausmaß und Bedeutung sehr unterschiedlichen Veränderungen, die, soweit sie nicht zwangsläufig sind, sicher durchaus diskussionsfähig sind, auf Grund des ersten Eindrucks jedoch im Prinzip als akzeptabel erscheinen.
Ich meine, wir sollten durch eine schnelle Überweisung dieses Ergänzungshaushalts 1970 die Voraussetzung dafür schaffen, daß der Haushaltsausschuß seine Arbeiten am Gesamthaushalt 1970 zügig fortsetzen kann.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0604419000
Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Vorschlag des Ältestenrats geht dahin, die Vorlage an den Haushaltsausschuß zu überweisen. — Ich stelle allgemeines Einverständnis fest. Ich danke Ihnen.
Ich rufe den nächsten Punkt der heutigen Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Martin, Dr. Schober, Dr. Kotowski, Dr. Mikat, Rock, Dr. Schulze-Vorberg und der Fraktion der CDU/CSU
betr. die soziale Lage der Schriftsteller, Komponisten und bildenden Künstler
— Drucksache VI/467 —
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schober.

Dr. Kurt Schober (CDU):
Rede ID: ID0604419100
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Es gibt einen bewegenden Briefwechsel zwischen Walter v. Molo und Theodor Heuss aus dem Jahre 1952. Der Dichter machte den Präsidenten auf die schwierige Lage derjenigen aufmerksam, die ihr Brot mit der Feder verdienen müssen. Walter v. Molo unterbreitete auch einige Vorschläge, wie man die soziale Lage der Schriftsteller verbessern könne. Er verlangte nicht etwa eine staatliche Hilfe für diesen Personenkreis, sondern es kam dem Dichter darauf an, durch eine Änderung des Urheberrechts dafür zu sorgen, daß die Einkünfte der Schriftsteller stiegen.
Theodor Heuss, der selber ein Schriftsteller von hohen Gnaden war, antwortete Walter v. Molo in freundlicher Weise, daß er durchaus für das Verständnis habe, was die Schriftsteller und vor allen Dingen er — v. Molo — wollten, daß aber doch gewisse Schwierigkeiten auftauchten, zunächst hinsichtlich der Frage, wer überhaupt ein Schriftsteller sei, und insbesondere auch hinsichtlich der weiteren Frage: Sind denn die Schriftsteller hinreichend organisiert, um ihre Wünsche durchzusetzen?
Meine Damen und Herren, die Fragen, die im Zusammenhang mit diesem Briefwechsel aufgeworfen worden waren, sind durch die Jahre hindurch nicht mehr zur Ruhe gekommen, obgleich eine Lösung auch nicht erreicht worden ist. Im vergangenen Jahr allerdings hatten wir eine neue Situation: Am



Dr. Schober
8. Juni 1969 wurde im Kölner Gürzenich der Verband Deutscher Schriftsteller gegründet; Sie haben vielleicht in den Zeitungen davon gelesen. Vor allem hat die spektakuläre Rede von Heinrich Böll „Ende der Bescheidenheit" in der Welt Aufsehen erregt.
Die Forderungen, die die Schriftsteller bei der Gründung ihres Verbandes in Köln gestellt haben, laufen eigentlich auf das hinaus, was schon Walter v. Molo wollte, nämlich eine Verbesserung des Urheberrechts. Das Verlangen nach Novellierung des Urheberrechts konzentriert sich in erster Linie auf einige Paragraphen dieses Gesetzes, die diesem Hohen Hause schon einmal vorgelegen haben; aber es ist nicht gelungen, die Änderungen, die gewünscht wurden, durchzusetzen. Es geht vor allen Dingen um die Novellierung der §§ 27 und 46.
Bei § 27 handelt es sich um die Frage, ob es nicht richtig wäre, eine Vergütungspflicht auf die Buchausleihe in öffentlichen Büchereien und Werksbüchereien einzuführen. Es ist das ein Problem, das noch einmal diskutiert werden muß. Ich möchte nicht den notwendigen Erörterungen im Rechtsausschuß vorgreifen, aber ich bin doch der Meinung, daß man diese Frage einmal ernstlich prüfen sollte; denn wenn es möglich wäre, die Vergütungspflicht auch auf die Buchausleihe in öffentlichen Büchereien und Werksbüchereien zu erstrecken, ergäbe sich dadurch eine erhebliche Mehreinnahme für die Schriftsteller.
Weiter ist — ich halte das ebenfalls für besonders wichtig — die Einführung der Vergütungspflicht für die Aufnahme von Werken in Sammlungen für den Schulgebrauch im Gespräch. Es handelt sich hier um den sogenannten „Schulbuch-Paragraphen". Bisher ist es ja so, daß die Schriftsteller keine Vergütung für Beiträge bekommen, die in Schulbüchern enthalten sind.
Es gibt noch einige andere Probleme, die im Zusammenhang mit dem Urheberrecht stehen. Ich möchte etwa auf die alte Forderung der Schriftsteller hinweisen, eine sogenannte Urhebernachfolgegebühr einzuführen, d. h. auch solche Werke honorarpflichtig zu machen, die schon frei sind, für die also kein Schutz urheberrechtlicher Art mehr besteht. Ob es möglich sein wird, diese Nachfolgegebühr einzuführen, wage ich im Augenblick nicht vorherzusagen, jedoch bin ich der Ansicht, auch diese Frage sollte ernsthaft geprüft werden.
Weiterhin meinen die Schriftsteller — und ich bin der Auffassung, daß man dem beipflichten sollte —, daß eine Neufassung der Stockholmer Urheberrechtsprotokolle hinsichtlich der Entwicklungsländer dringend notwendig ist. Die Schriftsteller fühlen sich, was die Entwicklungsländer angeht, man kann ruhig sagen: ausgebeutet, weil sie aus Übersetzungen in diesen Ländern keine Honorare bekommen. Bei der Neufassung der Stockholmer Protokolle ist dieser Punkt zunächst einmal ausgeklammert worden, eine Neuregelung ist jedoch dringend notwendig.
Entscheidend ist es dem Schriftstellerverband, daß er seinen Mitgliedern — aber auch allen anderen, die sich von der Feder ernähren — zu regelmäßigen größeren Einnahmen verhilft, Einnahmen, die die Öffentlichkeit insofern trägt, als eben das Urheberrecht mit finanziellen Auswirkungen geändert wird. Es soll ein Sozialfonds gegründet werden, der 'zur Einrichtung einer Altersversorgung dient, zur Sozialhilfe für alte und in Not geratene Autoren und auch für Arbeitsbeihilfen für junge Autoren.
Um diesen Forderungen möglicherweise eine Grundlage zu geben, hat die Fraktion der CDU/CSU eine Sozialenquete beantragt, und ich habe die Ehre, diese kurz noch zu begründen: Wir bitten die Bundesregierung, eine Untersuchung einzuleiten, die die soziale Lage der Schriftsteller, Komponisten und bildenden Künstler ergründet. Darüber gibt es kaum Voruntersuchungen. Der Schriftstellerverband hat hier die Initiative ergriffen, der wir uns sehr gern angeschlossen haben. Ein Frankfurter Institut ist bereit, diese Sozialenquete durchzuführen. Ich möchte nicht sagen, daß es dieses Institut sein muß; das ist Sache der Bundesregierung, das festzulegen. Die Kosten sind auf etwa 100 000 DM veranschlagt, und wir meinen, daß es möglich sein müßte, diese Aufgabe zu lösen.
Nun haben wir nicht nur die soziale Lage der Schriftsteller im Auge, sondern wir meinen, daß die Komponisten und die bildenden Künstler sich in einer ähnlichen Lage befinden wie die Schriftsteller. Zwar haben die Komponisten die GEMA, die befriedigender arbeitet als die Verwertungsgesellschaft Wort; aber auch das scheint uns noch etwas undurchsichtig zu sein. Wir möchten gern für diesen ganzen Komplex eine Aufklärung haben, eine soziologische Untersuchung, die uns darlegt, wie dieser für die Zukunft des deutschen Volkes besonders wichtige Bevölkerungsteil eigentlich lebt.
Nun möchten wir gern, daß die Sozialenquete sich nicht nur dafür interessiert, welche Einnahmen diese Bevölkerungskreise haben, sondern es interessiert uns auch die Frage: Wer ist eigentlich ein Schriftsteller, oder wer bezeichnet sich als einen solchen? Sind die Leute, die Schriftsteller sind oder Komponisten oder bildende Künstler, im Hauptberuf tätig, oder machen sie das nur nebenberuflich? Machen sie das vielleicht deswegen nebenberuflich, weil sie keine Chance sehen, hauptberuflich ihren Lebensunterhalt mit ihrer Arbeit zu gewinnen?

(Abg. Moersch: Herr Schober, war Goethe hauptberuflich oder nebenberuflich Schriftsteller?)

— Das ist eine Frage, Herr Moersch, die schwer zu klären ist. Goethe war sowohl Minister als auch Dichter. Aber es gab, wie Sie wissen, eine größere Zahl von Schriftstellern im vergangenen Jahrhundert — wie auch im heutigen Jahrhundert —, die versucht haben, allein mit ihrer schriftstellerischen Arbeit ihren Lebensunterhalt zu gewinnen, und die die Problematik dieser Tätigkeit auch immer gesehen haben. Ich erinnere etwa an Theodor Fontane, der ja erst in sehr späten Jahren zu Ruhm und auch zu ausreichenden Einnahmen kam, der sich immer darüber Gedanken gemacht hat: Welche Stellung hat eigentlich der Schriftsteller in der Nation?



Dr. Schober
Wie können wir dafür sorgen, daß derjenige, der mit der Feder seinen Lebensunterhalt verdient, einmal die soziale Stellung hat, die er braucht, aber auch die Einnahmen, die ihn in die Lage versetzen, zu leben? Nun wollen wir natürlich nicht etwa hier postulieren, daß jeder, der sich berufen fühlt, Schriftsteller zu sein, auch einen Lebensunterhalt garantiert bekommt. Das ist natürlich eine Forderung, die man nicht erheben kann. Aber es ist doch die Frage wirklich der Erörterung wert, wie die Leute, die heute als Schriftsteller tätig sind oder als Komponisten oder als bildende Künstler, ihren Lebensunterhalt gewinnen, und wir möchten das gern durch eine Sozialenquete erhellt bekommen.

(Abg. Moersch: Was halten Sie von einem reichen Vater als Grundlage der Schriftstellerei?)

— Herr Moersch, es ist ja eben so, daß die Güter verschieden verteilt sind. Einen reichen Vater zu haben, ist sicher eine gute Sache, aber Sie würden mir doch sicher zustimmen, daß es nicht richtig wäre, daß nur diejenigen als Schriftsteller oder überhaupt als Künstler tätig sein können, die einen reichen Vater haben. Im Gegenteil, man sollte doch allen Menschen, die die Befähigung haben, diesen Beruf auszuüben, die Möglichkeit geben, sich dann eben auch durchzusetzen, und das sollte nicht von vornherein daran scheitern, daß sie von Haus aus in einer schlechten sozialen Lage sind.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0604419200
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Raffert? — Bitte.

Joachim Raffert (SPD):
Rede ID: ID0604419300
Herr Dr. Schober, wieweit könnten Sie sich denken, daß in Ihrem Kollegenkreis, im Kreis der Verleger, dazu mehr beigetragen werden könnte, als es bisher der Fall zu sein scheint?

Dr. Kurt Schober (CDU):
Rede ID: ID0604419400
Herr Kollege Raffert, sicherlich hat immer ein gewisses Spannungsverhältnis zwischen den Schriftstellern und den Verlegern bestanden; aber ich meine, daß die Änderung des Urheberrechts in den Paragraphen, die ich soeben genannt habe, vor allem in den §§ 27 und 46, nicht auf einen unüberwindlichen Widerstand im Kreise der Verleger stoßen würde. Die sogenannten Lesebuch-Verleger machen bei der Änderung des § 46 etwas Schwierigkeiten. Aber das ist nicht unüberwindlich.
Sicher ist — es gibt allerdings nur wenige Untersuchungen darüber —, daß von den etwa 6500 Menschen, die ihren Lebensunterhalt hauptsächlich vom Bücherschreiben bestreiten, zwei Drittel weniger verdienen als 20 000 DM. Woran das liegt, müßte man im einzelnen untersuchen. Dieses Faktum sollte jedoch zum Nachdenken anregen. Deshalb haben wir die Bitte, daß diese Sozialenquete durchgeführt wird. Sie sollte auch die soziologische Stellung der Schriftsteller beleuchten, etwa ihr soziologisches Selbstverständnis, die Mitarbeit in den Organisationen, die Beurteilung dieses Standes durch andere Gruppen und ähnliches mehr.
Die Schriftsteller leben ein bißchen am Rande der Gesellschaft. Sie haben häufig den Eindruck, daß sie zwar schreiben dürfen und daß wir auch Meinungsfreiheit haben — ich möchte noch einmal deutlich betonen, daß das gar nicht anders sein kann und sein darf -, daß sie aber mit dem, was sie sagen, in der Gesellschaft nicht recht durchdringen. Wir alle in diesem Hohen Hause sollten von der bewegenden und weltgestaltenden Kraft des Wortes wie aber auch der Musik und der bildenden Kunst überzeugt sein, und wir sollten das, was in unseren Kräften steht, tun, um zu erreichen, daß dieser für die Zukunft so wichtige Teil unserer Bevölkerung die Möglichkeit erhält, ein Leben zu führen, das ihn von den größten materiellen Sorgen befreit, wenn er eben die Voraussetzungen erfüllt, die man an einen Künstler oder Schriftsteller stellen muß und stellen darf.

(Abg. Moersch: Wer bestimmt die Voraussetzungen? Das ist doch das Problem!)

— Das ist das Problem, Herr Moersch. Ich bin mit Ihnen völlig einer Meinung,

(Abg. Moersch: Offensichtlich das Parlament und nicht die Regierung!)

daß es nicht eine staatlich sanktionierte oder staatlich geförderte Kunst gebne darf. Für den Schriftsteller in totälitären Staaten ist die Verführung, eine staatstreue Kunst zu betreiben und dafür dann auch das nötige Honorar einzuheimsen, sicherlich groß. Das lehnen wir natürlich ab.
Mit dem Antrag ist nicht gemeint, daß das Parlament oder eine andere Institution unseres Staates in irgendeiner Weise bevormundend diesem Kreise der Bevölkerung entgegentreten sollte. Was wir wollen, ist eine Erhellung seiner Situation, sind die gesetzlichen Konsequenzen, die ich soeben angedeutet habe. Es handelt sich haustsächlich um die Änderung des Urheberrechts. Ich hoffe und wünsche, daß dieses Hohe Haus einig ist in den Bestrebungen, die wir auf Anregung des Deutschen Schriftstellerverbandes aufgegriffen haben und die diesem Antrag zugrunde liegen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0604419500
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wende.

Manfred Wende (SPD):
Rede ID: ID0604419600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben soeben sehr schöne und große Worte gehört und auch den Wunsch der CDU/CSU- Fraktion zur Kenntnis genommen, den Schriftstellern mittels einer Sozialenquete zu einem besseren soziologischen Selbstverständnis zu verhelfen. Ich würde mir an Ihrer Stelle von diesem Bemühen und diesem Ergebnis nicht allzuviel versprechen. Denn immer dann, wenn sich Schriftsteller in ihrem Selbstverständnis geäußert haben, dann gab es doch einige Konfliktsituationen gerade zur CDU/CSU. Es entbehrt eigentlich auch nicht der Pikanterie, daß es noch gar nicht so lange her ist, daß diese Spezies



Wende
von Mitbürgern aus den ersten Reihen der CDU/CSU immerhin nicht gerade mit dem Kosenamen „Pinscher" abgetan worden ist.

(Heiterkeit bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)

— Nun ja, das ist schon eine Weile her. Da muß man wohl nicht schwer erraten, wo dann die Billigkeit gelegen hat. Die Schriftsteller haben auf ihre Weise auch sehr genau zu erkennen gegeben, wo sie eigentlich stehen, von Thaddäus Troll über Heinrich Böll bis fast — fast allerdings — Martin Walser. Das möchte ich doch sagen, und insofern hätte ich keine allzu großen Hoffnungen.
Meine Damen und Herren, auch wir sind der Meinung — und die sozialdemokratische Bundestagsfraktion beschäftigt sich nicht erst seit heute oder seit der Gründung des Verbandes der Schriftsteller mit der sozialen Lage der Schriftsteller —, daß die soziale Lage der Schriftsteller nicht gut ist und daß es sehr begrüßenswert wäre, wenn eine Sozialenquete einmal darüber Auskunft, und zwar wissenschaftliche Auskunft, geben würde, welche Funktion, welche Position die Schriftsteller in dieser Gesellschaft einnehmen, wie gerade ihre soziale Lage ist.
Ich darf Ihnen sagen — das ist übrigens dem „Kulturpolitischen Informationsdienst" Nr. 1 des Jahres 1970 der CDU zu entnehmen —, daß der rheinland-pfälzische Kultusminister Vogel fest zugesagt hat, daß die Kultusministerkonferenz der Länder dieses Projekt in einer Größenordnung von etwa 80 000 bis 100 000 DM finanzieren möchte. Das war im Januar. In der Zwischenzeit hat sich allerdings Herr Kultusminister Vogel in der Kultusministerkonferenz der Länder offenbar nicht durchsetzen können, so daß es nicht dazu kommen wird, daß die Länder dieses Projekt finanzieren.

(Zuruf von der CDU/CSU: Stimmt nicht!)

Wir werden das sehr begrüßen, und die Schriftsteller haben eine entsprechende Zusage bereits bekommen, so daß — —

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0604419700
Entschuldigung, wollen Sie eine Zwischenfrage zulassen, weil sonst die Gefahr besteht, daß der Sachzusammenhang der Frage mit Ihren Ausführungen nicht mehr gegeben ist?

Manfred Wende (SPD):
Rede ID: ID0604419800
Nein, ich möchte jetzt mit diesem Punkt fortfahren. — Auch wir glauben, daß diese Sozialenquete sehr nützlich sein wird, und die Schriftsteller haben bereits eine Zusage, daß eine solche Sozialenquete aus Bundesmitteln hergestellt werden wird.

(Abg. Dr. Martin: Wer hat denn diese Zusage gegeben?)

— Das ist eine Tatsache, die auf der Tagung des Verbandes der Schriftsteller in Hannover der Öffentlichkeit am 10. April bekanntgegeben worden ist.

(Abg. Dr. Schober: Das muß doch erst durch das Parlament laufen!)

Meine Damen und Herren, es ist klar, daß die Schriftsteller, sofern sie freie Schriftsteller sind und nicht fest angestellt sind, beispielsweise bei Rundfunkanstalten oder im Fernsehen tätig sind, daß die Autoren und auch die Künstler weit hinter der Entwicklung zurückgeblieben sind. Während in den letzten 15 Jahren die Gehälter der fest angestellten Schriftsteller und Künstler bei den Rundfunkanstalten etwa um 30 bis 40 % gestiegen sind, sind die Honorare der Schriftsteller im freien Buchgeschäft praktisch seit 15 Jahren eingefroren. Wir sind also der Meinung — und wir werden eine entsprechende initiative in das Parlament bringen —, daß das Urheberrechtsgesetz novelliert werden soll, gerade in den von Ihnen, Herr Kollege Dr. Schober, angesprochenen §§ 46 und 27, wo es um die Honorarpflicht für Werke zeitgenössischer Urheber im Schul- und Kirchengebrauch geht sowie auch um die Tantiemen bei Buchausleihe in öffentlichen Büchereien — Buchausleihe, also nicht nur Vermietung, wie ursprünglich vorgesehen — und natürlich auch bei den Werkbüchereien. Schließlich soll gerade aus Mitteln, die den Schriftstellern dadurch zufließen, ein Sozialwerk für Schriftsteller geschaffen werden, das dann das skandinavische Modell, das den Schriftstellern selbst als erstrebenswert vorschwebt, verwirklichen wird.
Die Urhebernachfolgegebühr in Höhe von 1% vom Ladenpreis auf gemeinfreie Werke war, wie Sie es angedeutet haben, ursprünglich vom Gesetzgeber bereits in der gesetzlichen Regelung vom 9. September 1965 vorgesehen. Aber Sie haben auch versäumt zu erwähnen, daß sie vom Bundesrat zu Fall gebracht worden ist und hier bekannterweise auch vom Land Rheinland-Pfalz. Wahrscheinlich haben dabei Probleme der Lernmittelfreiheit eine Rolle gespielt. Vielleicht wollte Kultusminister Vogel jetzt eine Art Wiedergutmachung an den Schriftstellern leisten.
Ich meine, daß bei dieser Novellierung keine Hektik am Platze sein darf. Wir haben Kontakt mit den Schriftstellern. Wir werden uns in unserer Fraktion mit den neuen Formulierungen dieser Paragraphen sehr gewissenhaft beschäftigen. Es wäre aber falsch, wollte man den Schriftstellern nun sagen, daß für sie herrliche Zeiten anbrechen würden.

(Abg. Dr. Schober: Das kann man ihnen nicht versprechen!)

Man sollte hier einmal an das Beispiel der Musiker erinnern, die es fertiggebracht haben, schon vor einigen Jahrzehnten die GEMA zu gründen. Diese mächtige Gemeinschaft — damals von Richard Strauß gegründet — hat die Musiker und Komponisten zusammen mit den Musikverlegern heute in eine feste Position gebracht. Hier hat man Solidarität gezeigt. Die GEMA hat im letzten Jahr einen Jahresabschluß von 150 Millionen DM gehabt.
Wir müssen feststellen, daß die Schriftsteller und freien Journalisten, die wir ebenso wie die Künstler in diese Sozialenquete einbezogen wissen möchten — wir möchten das Gesetz also nicht nur auf die Schriftsteller beschränkt wissen —, jetzt eine „Verwertungsgesellschaft Wort" ins Leben gerufen ha-



Wende
ben. Das geht immerhin auf die Möglichkeiten des
Urhebergesetzes vom September 1965 zurück. Das
ist allerdings nur ein Anfang, ein erster Schritt.

(Abg. Dr. Schober: Es ist noch nichts effektiv!)

— Nein. Der Jahresumsatz dieser Gesellschaft betrug im letzten Jahr bei sehr hohen Verwaltungskosten 1,6 Millionen DM. Hier ist die Frage zu stellen, ob nicht der Staat helfend eingreifen sollte, damit die Verwaltungskosten nicht auch von den Tantiemen mit bestritten werden müssen.
In jedem Falle sollte man auch einmal das eine Drittel derjenigen Schriftsteller an ihre Solidarität erinnern, Herr Kollege Dr. Schober, die mehr als 20 000 DM im Jahr verdienen. Die gibt es doch wohl auch?!

(Zuruf von der CDU/CSU: Gott sei Dank!)

Diese Schriftsteller sollten in den Zeiten, wo der Weizen bei ihnen besonders stark wächst, einmal daran denken, daß für sie auch andere Zeiten kommen können. Es ist ja immer die Krux dieses Berufsstandes — ich habe ihm selber als freier Journalist angehört —, daß man in der Zeit, in der die Honorare groß sind, nicht so sehr an die Altersversorgung denkt. In diesem Punkte ist bei den Angehörigen dieses Berufsstandes ein gewisses Umdenken nötig.
Trotz der staatlichen Initiative, die kommen muß und nach dem Willen der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion bald kommen soll, dürfen wir aber die Schriftsteller, die Verleger, die Chefredakteure und last not least die Intendanten der Rundfunkhäuser nicht aus der Pflicht entlassen, eine solidarische Gemeinschaftsaktion in Bewegung zu setzen, damit möglicherweise diese „Verwertungsgesellschaft Wort" gestärkt und eventuell auch auf urheberrechtliche Ansprüche ausgedehnt würde, die mit dem Bereich „Bild" zu tun haben. Schließlich sollte daraus ein Sozialwerk geschaffen werden, wie es unserer Fraktion — wie Sie wissen — auch für den ganzen 'Bereich der Presse recht klar vorschwebt. Ich glaube, daß man das nicht ohne Mithilfe aller Angehörigen dieses Berufszweiges schaffen kann.
Einer der wichtigen Punkte wird die Altersversorgung sein. Sie muß auch für diesen Kreis von Kulturschaffenden — um diesen Ausdruck einmal zu .gebrauchen — gewährleistet sein. Die sozialen Leistungen müssen — ähnlich dem Beispiel der Künstlerhilfe des Bundespräsidialamtes — auch diesem Personenkreis offenstehen. Schließlich müssen Arbeitshilfen für junge Schriftsteller ermöglicht werden. Darin sind wir also einer Meinung, Herr Kollege Dr. Schober. Insofern sehe ich den weiteren parlamentarischen Beratungen dieses Problems mit Optimismus entgegen.

(Beifall.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0604419900
Meine Damen und Herren! Das war die erste Rede unseres Kollegen Wende. Ich darf ihn im Namen des Hauses herzlich dazu beglückwünschen. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Moersch.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0604420000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die beiden Vorredner, Herr Kollege Dr. Schober und Herr Wende, haben dankenswerterweise zu den Urheberrechtsfragen Stellung genommen. Da die hier geforderten Änderungen seit langem von der FDP gewünscht und auch früher beantragt worden sind, wenn auch ohne durchschlagenden Erfolg, darf ich mich diesen Forderungen hier anschließen. Soweit mir bekannt ist, befindet sich das Bundesjustizministerium mitten in der Vorarbeit für eine entsprechende Gesetzesvorlage, die den Vorstellungen des Verbandes der Schriftsteller einigermaßen gerecht werden kann, um mich vorsichtig auszudrücken.
Nur eines wundert mich, meine Kollegen von der CDU/CSU, daß Sie das in Ihrem Antrag gar nicht gesagt haben. Der Antrag geht auf diesen Hauptpunkt nicht ein. Ich muß Ihnen sagen, daß mir der Antrag in der Tendenz durchaus sympathisch ist, aber der Präzision entbehrt. Ich glaube, daß wir uns deshalb im Ausschuß sehr intensiv über eine Präzisierung dieses Antrags unterhalten müssen, in einigen Fällen auch über eine Erweiterung. Denn so eng, wie hier die Begriffe gefaßt sind, kann man das Problem wahrscheinlich gar nicht angehen. Man kann keine vernünftige Untersuchung zustande bringen, wenn man die Sache einerseits zu diffus und andererseits zu eng anlegt.
Es geht im Grunde um die Frage, wie in einem sozialen Rechtsstaat und in einer Arbeitnehmergesellschaft die Freiheit der künstlerisch Tätigen — ich fasse diesen- Begriff sehr weit —, die zum geistigen Gehalt der Zeit sehr entscheidend beitragen, bewahrt werden kann, ohne ihnen ein Mindestmaß sozialer Sicherung vorzuenthalten, das ihnen auch die Unabhängigkeit und Freiheit ihrer künstlerischen Betätigung gibt.

(Abg. Dr. Schober: Das Ist das Problem!)

Viele Schriftsteller reagieren allerdings mit Recht allergisch, wenn in einem Parlament und in einer Regierung diese Fragen behandelt werden. Denn schon die Behandlung dieser Fragen könnte man als einen zwar wohlgemeinten, aber immerhin als einen Versuch auslegen, diese Freiheit in gewissen Fragen von Staats wegen doch zu beschränken. Das muß man sehen. Nicht alle, die eine bessere soziale Sicherung intensiv wünschen, sind ganz davon überzeugt, ob am Ende das Geschenk, das wir ihnen vielleicht machen könnten, nicht sehr teuer bezahlt werden müßte. Das ist eine Sorge, die man aussprechen muß.

(Abg. Dr. Schober: Aber darin sind wir uns alle einig!)

— Ob wir uns einig sind, darauf kommt es nicht an, Herr Dr. Schober, sondern darauf, was die Betroffenen empfinden. Deshalb muß man hier sagen, daß eine Freiheitsbeschränkung nicht gemeint sein kann. Ich danke Ihnen, meine Herren von der CDU/CSU für diese Bestätigung.
Heikel ist die Frage, wie man den Personenkreis abgrenzt. Ich meine, es verdient unsere volle Aufmerksamkeit, daß nicht nur bildende Künstler, Schriftsteller und Komponisten, sondern auch viele darstellenden Künstler, die die Freiheit ihres Be-



Moersch
rufes schätzen und die gern sehr frei leben, im Krankheitsfall und bei Alter sich vor .eine ganz schwere Situation gestellt sehen.

(Abg. Dr. Schober: Ganz sicher!)

Für die ganze Gruppe — dazu gehören also auch die darstellenden Künstler — muß man sich — ich bin für den Hinweis von Herrn Wende dankbar — über ein umfassendes Sozialwerk Gedanken machen, da wir ohnedies heute eine fast totale Versicherungspflicht für den Staatsbürger haben. Dann kann man die künstlerisch Tätigen aus diesen allgemeinen Erwägungen nicht herauslassen.
Eine andere Frage: Soll der Staat zur Finanzierung beitragen? Das Problem der Finanzen werden Sie in irgendeiner Form anschneiden müssen. Das ist allein mit Honorarabzügen oder -anteilen — dazu wird man auch manche neuen Vorstellungen entwickeln können — nicht zu machen, auch nicht mit der Änderung des Urheberrechts. Ich meine, daß wir uns ernsthaft überlegen müssen — ich bin dafür, daß wir alle hier im Hause das tun —, wie man an Gelder herankommt, die als Grundstock für ein solches Sozialwerk besonders geeignet erscheinen. Ich denke an die Werbeeinnahmen der Rundfunk- und Fernsehgesellschaften. Wir haben bei diesen öffentlich-rechtlichen Anstalten die Gebühren erhöht. Wir haben zum Teil sehr reiche Werbefunkgesellschaften. Die Mittel werden für alle möglichen Dinge ausgegeben. Aber wenn sie für etwas sinnvoll ausgegeben werden können, dann doch dafür, daß man in erster Linie den Mitbürgern, die den Rundfunk und das Fernsehen überhaupt in die Lage versetzen, Sendungen zu gestalten, im Notfall hilft, d. h., daß man hier zu einem Grundstock beiträgt, und zwar hauptsächlich für die sogenannte alte Last. Denn das zweite Problem ist, daß wir hier immer noch Kriegsfolgen zu bereinigen haben. Es gibt eine Reihe von Schriftstellern, die wir alle kennen, die jetzt 70 oder 75 Jahre alt sind und die wirklich einmal gespart haben. Es ist ja nicht so, daß sie grundsätzlich nicht sparen. Es gibt auch solche, die reich geboren worden sind. Ich denke hier an jene, die ihr Privatvermögen, das z. B. in einer Lebensversicherung oder ähnlichem angelegt war, im Kriege so gut wie verloren haben, die ihr Eigentum zum Teil in den Ostgebieten hatten und davon nichts mehr besitzen und die heute auf die Sozialhilfe, die Kollegenhilfe oder ähnliches angewiesen sind.
Ich glaube, wenn wir diese Frage hier erörtern, müssen wir von dieser Stelle aus den Appell an die Gesellschaft und alle, die in dieser Gesellschaft finanziell leistungsfähig sind, richten, sich zu überlegen, ob es wirklich sinnvoll sein kann, alles und jedes gesetzlich regeln zu wollen. Es ist zu fragen, ob es nicht viel besser ist, viel mehr Anreize als bisher zu geben, einen Ausgleich .auf der Basis privater Stiftungen zu schaffen. Es würde manchem in unserem Lande wohl anstehen, wenn er die Diskussion über die Vermögensverteilung durch eine großzügige Stiftung dieser Zwecksetzung einmal in eine andere Bahn lenken wollte. Ich möchte nachdrücklich dazu auffordern. Es handelt sich nicht einmal um sehr große Summen. Aus den Zinserträgen des Stiftungskapitals könnte man heute sehr wohl — gerade in den Härtefällen, die mir bekannt sind — Hilfe leisten.

(Abg. Dr. Schober: Aber auf so etwas sollte man sich nicht verlassen!)

— Ich will mich nicht darauf verlassen, aber man muß das einmal öffentlich aussprechen. Man muß einmal die Anregung dazu geben. Es gibt ja Leute, die ihren Namen hier gern verewigt sehen wollen. Warum sollte man eine solche Stiftung nicht nach dem Stifter nennen und seinen Namen damit sozusagen indirekt in die Literatur einführen? Das wäre doch eine gute Sache. Es gab und gibt wieder eine solche Stiftung. Ich meine die Friedrich-Schiller-Stiftung, die früher in Weimar ansässig war und dort leider ihr Vermögen verloren hat. Das deutsche Volk hat bei den Schiller-Feiern des vergangen Jahrhunderts sehr maßgeblich zum nun verlorenen Stiftungskapital beigetragen, in der Überlegung, die schon damals ganz modern war und die wir heute wieder anstellen, wie man ein hohes Maß an Unabhängigkeit mit sozialer Sicherheit verbinden kann. Diese Frage ist auch heute gestellt worden. Der Gesetzgeber kann dazu dadurch beitragen, daß er für solche Stiftungen rechtliche, auch steuerrechtliche Erleichterungen schafft. Besonders vom Bundesrecht her müssen Erleichterungen geschaffen werden. Zur Zeit fallen solche Stiftungen noch zum Teil unter das Länderrecht, und die Fragen der Aufsicht sind, wie Sie wissen, sehr kompliziert.
Ich möchte mich hier zunächst auf diese Anmerkungen beschränken. Aus der Zustimmung der CDU/CSU-Fraktion ersehe ich, daß wir den Antrag, den sie gestellt hat, zur Diskussionsgrundlage machen können. Selbstverständlich kann man diesen Antrag noch abändern. Ich möchte davon abraten, sich zunächst zu sehr auf den Wortlaut des Antrages zu stützen. Es dauert sonst zu lange, bis wir einen Bericht haben. Wir müßten hier wohl in Etappen vorgehen.
Wir müssen uns ernsthaft überlegen, ob man nicht überhaupt zu ganz anderen Formen der sozialen Sicherung in diesen Berufen kommen muß, weil es heute andere Medien gibt, in denen sich z. B. Schriftsteller betätigen können. Rundfunk und Fernsehen hat es früher als mögliche ständige Einnahmequellen nicht gegeben. Früher hat es auch nicht in dem Maße, wie es heute in diesen Medien der Fall ist, einen stetigen Wechsel zwischen dem Angestelltenverhältnis und dem freien Arbeitsverhältnis gegeben.
Wir haben es bei der Diskussion über Pressefragen — ich erinnere Sie daran — als Voraussetzung für eine vernünftige Unabhängigkeit der in der Presse tätigen Redakteure und Journalisten angesehen, daß die Mobilität zwischen privatrechtlichen, d. h. privatwirtschaftlichen Einrichtungen und öffentlich-rechtlichen Anstalten durch ein gemeinsames Versorgungswerk verbessert wird. Künftig darf also nicht mehr der Fall eintreten, der jetzt leider eingetreten ist — Kollege Dr. Meinecke könnte uns mehr darüber sagen —, daß ein beinahe zehn Jahre in leitender Stellung bei einer



Moersch
Rundfunk- und Fernsehanstalt beschäftigter Redakteur, der mehr oder weniger aus politischen Gründen gekündigt hat, wenige Monate vor der endgültigen Versorgungszusage ausscheidet und daß das praktisch bedeutet, daß 9 1/2 Jahre lang für ihn Beiträge zurückgelegt wurden, über die er künftig nicht verfügen kann. Das bedeutet, daß er wieder bei Null anfängt, wenn er sich jetzt in einem anderen Unternehmen betätigt, obwohl er 9 1/2 Jahre lang in einer öffentlich-rechtlichen Anstalt tätig war, die für seine Altersversorgung große Rücklagen gebildet hat. Diese Rücklagen kann er aber nicht realisieren, wenn er 65 Jahre alt ist.
Diese Fragen müssen wir meiner Ansicht nach vom Gesetz her angehen, weil auf diesem Gebiet eine faire Übereinstimmung und Mitarbeit auf freiwilliger Grundlage bisher offensichtlich nicht zu erzielen gewesen ist. Ich möchte hier anmerken, daß ich eine gesetzliche Regelung hierbei für einen ersten wesentlich Schritt halte.
Weiter muß man sich ernsthaft überlegen, ob man nicht insofern in irgendeiner Form einen Zwang zur Vorsorge für die freiberuflich Tätigen mit einführt, als man die Verlage und die Rundfunk- und Fernsehanstalten als quasi Arbeitgeber veranlaßt, neben dem auszubezahlenden Honorar einen bestimmten Honoraranteil, den man als Arbeitgeberanteil bezeichnen könnte

(Abg. Dr. Schober: Siehe Bertelsmann!)

— ich will hier keine Schleichwerbung für irgend jemanden machen; ich komme gleich auf diesen Fall —, in dieses Versorgungswerk zu zahlen. Denn, meine Damen und Herren, wenn wir das nicht bald auf eine gesetzliche Basis stellen, sondern es einigen sehr potenten Großverlagen mit ihrer Hausversorgung in der Form und mit den Steuerbegünstigungen überlassen, wie es jetzt ist, Herr Dr. Schober, dann entsteht leider nicht etwa eine soziale Lösung, sondern eine neue Form von Leibeigenschaft, die eine wirkliche Unabhängigkeit gerade der Autoren überhaupt nicht mehr gewährleistet.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Dann entsteht aus einer angeblich sozialen Tat heraus ein permanentes, lebenslanges Abhängigkeitsverhältnis, das man sozusagen nur mit schwerem materiellen Schaden lösen könnte.
Diese Art von sozialen Wohltaten in bestimmten fundierten großen Unternehmen schätze ich gerade als Angehöriger eines freien Berufs nicht sehr; das ist nämlich eine Art von Steuerbegünstigung, die in diesem Bereich im Zweifel auf Kosten der kleinen und mittleren Verlagsunternehmen geht, vor allem auf Kosten

(Abg. Dr. Schober: Sie wissen aber sicher, daß die Bertelsmannsche Altersversorgung diese Abhängigkeit zu vermeiden sucht!)

— entschuldigen Sie, ich will jetzt nicht darüber diskutieren, Herr Dr. Schober — der Unabhängigkeit der im weitesten Sinne künstlerisch Tätigen.
Die Unabhängigkeit dieser künstlerisch Tätigen ist dabei ein vorrangiges Gut. Die soziale Sicherung hat für mich die Funktion, die Unabhängigkeit zu bewahren und zu sichern. Art. 5 GG, der diese Freiheit garantiert, ist nur zu vollziehen, wenn der Wechsel etwa des Verlages oder des Arbeitgebers wirklich nicht nur auf dem Papier als Möglichkeit steht, sondern wenn man im Konfliksfall seine Entscheidung eben revidieren kann. Eine Gesetzgebung, eine soziale Sicherung, die nicht auf diesen Konfliktsfall angelegt ist, mag gut gemeint sein, sie bewirkt aber am Ende die Einschränkung der künstlerischen Freiheit.
Das gilt auch für die darstellenden Künstler. Deswegen bedaure ich ein bißchen, daß Sie diese hier ausgelassen haben. Denken Sie an die jüngsten Konflikte, etwa im Bereich des Schauspiels und der Theater, von Zürich angefangen. Was dort geschieht, wird in solchen Fällen ja merkwürdigerweise wie selbstverständlich zu den deutschen Problemen gerechnet. In anderen Fällen ist das keineswegs so, aber wenn es um ein Züricher Theater geht, ist das, wie ich höre, eine urdeutsche Angelegenheit, weil nämlich die Mobilität auch zu den Nachbarländern gewährleistet sein muß.
Man sieht an solchen Beispielen, daß die Freiheit der künstlerischen Entscheidung eben aus Gründen der sozialen Sicherung bereits stark eingeengt ist.
Wir sollten uns überlegen — ich bin sicher, daß wir da eine vernünftige Antragsformulierung finden —, welche Unterlagen die Bundesregierung liefern muß und welche Unterlagen die Wissenschaft liefern kann, um zu einer sinnvollen, wie gesagt, die verschiedenen Probleme abwägenden Lösung zu gelangen.
Insofern bin ich der CDU/CSU für diese Initiative dankbar. Ich bin vor allem dafür dankbar, daß sie hier ihre wirkliche Aufgabe als Opposition begriffen hat. Ich sehe es durchaus zusammen mit dem Kollegen Wende als einen erfreulichen Versuch an, von manchem, was die CDU/CSU in der Vergangenheit an Spannungen in diese Gruppe der freien künstlerischen Berufe gebracht hat, nun auf diese elegante Weise abzurücken. Dazu meinen Glückwunsch!

(Beifall.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0604420100
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, den Antrag dem Ausschuß für Bildung und Wissenschaft — federführend — sowie dem Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung zur Mitberatung zu überweisen. — Es ist so beschlossen.
Punkt 4 — Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU betr. mittelfristige Finanzplanung, Drucksache VI/425 — ist von der Tagesordnung abgesetzt worden und wird voraussichtlich nächste Woche behandelt.
Ich schlage vor — und ich nehme interfraktionelles Einverständnis an —, daß wir jetzt noch Tagesordnungspunkt 17 erledigen:
Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Schmid-Burgk, Dr. Pohle, Porzner, Dr. Koch, Frau Funcke, Freiherr von Kühlmann-Stumm und den Fraktionen



Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
der CDU/CSU, SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes 1964
— Drucksache VI/389 —
a) Bericht des Haushaltsausschusses (7. Ausschuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache VI/626 —Berichterstatter: Abgeordneter Hermsdorf
b) Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (6. Ausschuß)

— Drucksache VI/589 —
Berichterstatter: Abgeordneter Löbbert (Erste Beratung 36. Sitzung)

Meine Damen und Herren, die Berichte des Haushaltsausschusses und des Finanzausschusses liegen vor. Von den Berichterstattern wird das Wort nicht begehrt.
Ich rufe in zweiter Lesung Art. 1, Art. 2, Art. 3 sowie Einleitung und Überschrift auf. — Keine Wortmeldungen.
Dritte Beratung.
Das Wort wird nicht begehrt. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf in dritter Lesung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich danke Ihnen. Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Ich stelle einstimmige Beschlußfassung fest.
Ich rufe nunmehr den letzten Punkt der heutigen Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Picard, Dr. Martin, Dr. Jungmann, Dr. Götz, Burger, Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein, von Thadden, Köster und der Fraktion der CDU/CSU
betr. Situation der Psychiatrie in der Bundesrepublik
— Drucksache VI/474 —
Zur Begründung des Antrags hat der Herr Abgeordnete Picard das Wort.

Walter Picard (CDU):
Rede ID: ID0604420200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist Freitagmittag, für ein so umfassendes Thema in diesem Hause wahrscheinlich die übliche Zeit, könnte man versucht sein zu sagen. Denn das Thema, das wir zuvor behandelt haben, hat dieselbe „Aufmerksamkeit" gefunden wie das, das jetzt zur Debatte steht. Ich will mich bei der Begründung auf die notwendige Kürze beschränken. Ich habe den Herrn Präsidenten gebeten, mir etwas mehr Redezeit zu gewähren — über die zustehende Zeit hinaus —, weil ich der Auffassung bin, wir sollten uns Zeit nehmen, um wenigstens im Beginn diesen Antrag entsprechend begründen zu können.
Mit der Drucksache VI/474 greift die CDU-Fraktion ein Thema auf, das meines Wissens im Deutschen
Bundestag bisher noch nie umfassend erörtert worden ist. Psychiatrie und Psychohygiene haben in diesem Jahrhundert im zunehmenden Maße die Aufmerksamkeit nicht nur der Fachwelt, sondern auch der allgemeinen Bevölkerung auf sich gezogen. In der Bundesrepublik hat diese Entwicklung etwas verspätet eingesetzt, und wir sind heute — im Gegensatz zu den zwanziger Jahren — nicht zu den führenden Nationen auf dem Gebiet der Psychiatrie zu rechnen, was wir eigentlich bedauern sollten.
Es gibt vielmehr eine Vielzahl von beklagenswerten Mängeln, zwar nicht in der theoretischen Erkenntnis, aber in der praktischen Anwendung. Teilweise unbefriedigende Verhältnisse, besonders in psychiatrischen Krankenhäusern, haben zu emotionellen Reaktionen geführt, die die Gefahr mit sich bringen, daß Angriffe mit Recht von Krankenhauspsychiatern insoweit als unberechtigt und ungerechtfertigt empfunden werden, als in den Psychiatrischen Krankenhäusern nur mit einem hohen persönlichen Einsatz Erfolge erzielt werden können. Diese Angriffe haben zu einer Verhärtung der Fronten zwischen den sogenannten traditionellen und der modernen Psychiatern geführt, obwohl es diese Trennung im Grunde ja gar nicht gibt.
Eine Besserung der gegenwärtigen Verhältnisse ist aber nur in einer vertrauensvollen Zusammenarbeit aller an der Psychiatrie Interessierten zu erreichen. Der Wissenschaftsrat erklärte im Mai des vergangenen Jahres: Der gegenwärtige Zustand der Psychiatrie in der Bundesrepublik ist dringend reformbedürftig. Er sprach damit eine Erkenntnis aus, die unter Eingeweihten schon lange vorhanden ist. Die psychiatrische Krankenversorgung in der Bundesrepublik ist mangelhaft. Sie wird so gut wie ausschließlich von den niedergelassenen Nervenärzten und den 59 Psychiatrischen Großkrankenhäusern mit insgesamt 92 000 Betten getragen. Dazu kommen noch ca. 30 000 Betten in gemeinnützigen Einrichtungen. Universitätskliniken, die wenigen Psychiatrischen Abteilungen an allgemeinen Krankenhäusern und Privatkliniken fallen demgegenüber mit zusammen etwa 5% der Behandlungsplätze gar nicht ins Gewicht. Mit 1,8 Betten auf 1000 Einwohner verfügt die Bundesrepublik über kaum halb soviel psychiatrische Behandlungsplätze wie andere zivilisierte Staaten: Schweiz und England 3,5, Schweden 4,2, USA 4,5 pro 1000. Infolgedessen sind die ohnehin schon vielzu großen und in der Regel abgelegenen, baulich und strukturell veralteten Psychiatrischen Landeskrankenhäuser ständig weit überbelegt. Im Jahre 1965 standen der Bevölkerung etwa 1000 Fachärzte zur Verfügung, die zu einem erheblichen Teil — überwiegend — auch noch neurologisch tätig waren, ferner 30 klinische Psychologen und 40 Sozialarbeiter. Inzwischen haben sich diese Zahlen kaum geändert. In den Vereinigten Staaten waren es im gleichen Jahr 15 000 Psychiater, 10 000 Psychologen, 8000 psychiatrische Sozialarbeiter. Wenn Sie die Bevölkerungszahl vergleichen, erkennen Sie, daß die Bundesrepublik sich mit einem Zehntel an Personal oder weniger im Verhältnis zu den Vereinigten Staaten begnügt.



Picard
Praktisch kommen auf einen Arzt in der Bundesrepublik in den Psychiatrischen Landeskrankenhäusern 200 bis 300 Patienten. Die Zahl mag da oder dort in einem Landschaftsverband, z. B. hier im Rheinland, anders liegen. Ich beziehe mich auf eine kürzlich erschienene umfangreiche Berichterstattung in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung", die diese Zahlen nochmals wiederholt hat.
Die Weltgesundheitsorganisation fordert ein Verhältnis von 1 zu 30. In den nichtpsychiatrischen allgemeinen deutschen Krankenhäusern haben wir ein Verhältnis von 1 zu 18. Die Psychiatrischen Krankenhäuser und die psychisch Kranken werden dadurch also eindeutig diskriminiert. Diese Diskriminierung drückt sich u. a. in der wirtschaftlichen Situation aus. Die gesetzlichen Krankenversicherungen zahlen in einem allgemeinen Krankenhaus in der dritten Klasse Sätze von 40 bis 45 DM pro Tag ohne Anstand. In einem Psychiatrischen Krankenhaus beträgt der gleiche Satz 18 bis 21 DM, also weniger als die Hälfte. Damit müssen diese auskommen.
Mehr noch als in dem gravierenden Ärztemangel zeigt sich in der Krankenpflege das eigentliche Elend der deutschen Krankenhauspsychiatrie. Die wenigen vorhandenen Pflegekräfte oder, sagen wir besser, die zu wenigen vorhandenen Pflegekräfte sind oft auch noch unzureichend ausgebildet, was nicht diesen Pflegekräften angelastet werden kann, sondern eben einfach die Folge eines ungeheuren Nachholbedarfs beim Bau und bei der Modernisierung von Ausbildungsstätten ist. Sie können den Kranken zwar verwahren, aber nicht effektiv und damit erfolgreich behandeln. In vielen Fällen müssen sogar noch Patienten zu Hilfspflegediensten herangezogen werden.
Entscheidend bei der Behandlung der psychisch Kranken in den Krankenhäusern ist aber nicht bestenfalls die eine Stunde am Tag, in der der Arzt mit dem Patienten zusammenkommt, sondern entscheidend sind die übrigen 23 Stunden. In einem aufsehenerregenden und vielleicht in manchen Punkten überspitzten und deshalb als provozierend empfundenen Buch „Irrenhäuser — Kranke klagen an" von Frank Fischer sind Verhältnisse geschildert, die ihre Ursache in dem ungeheuren Personalmangel, der unzureichenden Ausbildung und den veralteten Strukturen vieler unserer Psychiatrischen Krankenhäuser haben dürften. So scheint es uns keineswegs übertrieben, wenn Professor Häfner, übrigens der einzige deutsche Lehrstuhlinhaber — wobei das Wort „Lehrstuhlinhaber" eigentlich noch etwas übertrieben ist — für Sozialpsychiatrie, die psychiatrische Krankenversorgung der Bundesrepublik schon vor fünf Jahren als „nationalen Notstand" bezeichnet hat.
Es ist bezeichnend, daß solche Feststellungen kaum in das Bewußtsein der Öffentlichkeit dringen. Trotz vieler Bemühungen, trotz eines großen und bewundernswerten persönlichen Einsatzes aller in der Psychiatrie Tätigen, für den ich auch im Namen meiner Fraktion hier ausdrücklich danken möchte, hat sich in den letzten Jahren kaum etwas zum
Besseren gewendet. Abgesehen von dem einen oder anderen Modellinstitut da oder dort, das auch mit Bundesmitteln gefördert werden konnte, ist die Verwirklichung der Erkenntnisse der modernen Psychiatrie in der Bundesrepublik bisher nicht gelungen. Dafür gibt es eine Reihe von Gründen. Aber man kann heute nicht mehr auf die 12 Jahre der nationalsozialistischen Vergangenheit hinweisen und hier die Ursache suchen.
Auch aus anderen Gründen gibt es heute immer noch eine aktive Diskriminierung nicht nur der psychisch Kranken, sondern leider auch derjenigen, die sich für psychisch Kranke einsetzen. In weiten Teilen der deutschen Öffentlichkeit und auch in unseren Fraktionen konnten wir bei der Vorbereitung dieses Antrags hin und wieder in Gesprächen mit Kollegen, wenn es auch in einer sehr freundlichen Form gesagt wurde, feststellen, daß das ein Gebiet ist, das eben nicht ganz selbstverständlich zum Betätigungsfeld eines Politikers gerechnet wird. Das liegt natürlich auch an der unzureichenden Information. Wenn Sie z. B. bedenken, meine Damen und Herren, daß etwa 6 bis 7 Millionen Menschen in der Bundesrepublik nach allgemein gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen, nämlich 10 bis 12 % der Bevölkerung, einer psychiatrischen Versorgung in irgendeiner Form bedürfen — welcher Form, darauf werde ich noch kommen —, sieht man die Größenordnung des Problems.
Allgemein läßt sich sagen, daß die Einstellung der Mehrheit der Bevölkerung geistig Behinderten gegenüber irrational ablehnend ist. Diese Haltung läßt sich in abgestufter Intensität in vielen Ländern feststellen, leider Göttes in unserem Land, so scheint es, stärker noch als in manchen unserer Nachbarländer.
Einige dieser Vorurteile haben eine jahrtausendealte Tradition und wurzeln in der primitiven Furcht vor den psychisch Kranken. Es ist einfach die Furcht vor dem Unheimlichen, dem Unberechenbaren in seinem Wesen und Verhalten, die zu allen Zeiten dazu führte, psychisch Kranke als Besessene, als durch teuflische oder dämonische Mächte Überwältigte, zu erklären. Diese Verteufelung psychischer Krankheit und Abnormität verbindet sich in der Regel aber auch heute noch mit der Schuldfrage. Die Einstellung zur psychischen Störung als eines selbst-verschuldeten Zustands, im 19. Jahrhundert von der sogenannten Schule der Psychiker auch wissenschaftlich vertreten, ist bis in die Gegenwart hinein noch keineswegs überwunden.
Ich empfehle Ihnen hier, einmal darüber nachzudenken, was es mit der Entmündigung nach § 6 BGB auf sich hat, die dem Strafregister gemeldet werden muß, und welchen Sinn es haben soll, .daß eine Entmündigung nach § 51 StGB z. B. niemals gelöscht werden kann, obwohl der Betreffende in vielen Fällen irgendwann einmal geheilt sein wird. Ich glaube, daß das auch ein Thema ist, das im Rahmen der Justizreform überdacht werden muß.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Denn der Gesetzgeber versteht die Entmündigung ausdrücklich und ausschließlich als eine Maßnahme zum Schutz des Kranken.



Picard
Dazu kommt, daß Geisteskrankheit, geistige Behinderung von vielen in unserer Bevölkerung trotz gegenteiliger Erkenntnisse als unheilbar betrachtet wird. Wie kaum in einem anderen Land finden sich in der Öffentlichkeit der Bundesrepublik noch negative Vorurteile und Mangel an Informationen über psychisch Kranke und ihre Behandlung.
Die Haltung der Gesellschaft gegenüber den psychisch Kranken in unserem Land und der institutionelle Aufwand für ihre Versorgung sind ein Schatten auf dem humanitären Schild unserer Kultur, nicht nur, weil viele psychisch Kranke unfähig sind, sich selbst Hilfe zu suchen, sondern auch, weil ihre Krankheit .unmittelbar mit ihrer Rolle in der Gesellschaft zusammenhängt. Sie sind in einem ganz besonderen Maße auf Hilfsbereitschaft, Humanität, ja, geradezu auf Nächstenliebe ihrer Umwelt angewiesen.
Aus dieser knapp geschilderten Einstellung heraus sind in der Vergangenheit zur Absonderung von Geisteskranken weit abgelegene Großkrankenhäuser errichtet worden, die wir heute noch im Volksmund unter der Bezeichnung „Irrenhäuser'', „Klapsmühlen" usw. kennen. Von diesen Abqualifizierungen abgesehen, ist das Interesse der breiten Öffentlichkeit am Schicksal .der psychisch Kranken relativ .gering, ausgenommen die Sensationslust ausnutzende besondere Berichte über tatsächliche oder angebliche Gewalttaten psychisch Kranker, mit denen von Zeit zu Zeit das Schicksal der psychiatrischen Großkrankenhäuser in das Licht der Öffentlichkeit rückt.
Der scheinbar rationale Grund für die hermetische Einschließung der geistig Behinderten scheint mir tatsächlich weitgehend in der übertriebenen Furcht vor der angeblich größeren Neigung dieser Kranken zu Gewalttaten zu finden zu sein. Genauere Untersuchungen beweisen das Gegenteil. Es spricht sehr viel dafür, daß der Anteil psychisch Kranker an den Rechtsbrechern geringer ist als der nicht psychisch Kranker. Abwertung und negatives Vorurteil gegenüber den psychisch Kranken sind Zeichen der mangelhaften Information und der humanitären Unreife einer Gesellschaft.
Die Auswirkungen der knapp skizzierten negativen Einstellung weiter Teile der Bevölkerung den geistig Behinderten gegenüber sind für die Kranken selbst katastrophal. Ihr an sich schon — durch die Krankheit bedingt — gestörtes Verhältnis zur Umwelt wird durch die feindliche Reaktion dieser Umwelt noch verstärkt, wo es doch gerade darauf ankommen muß, die Kranken zu befähigen, einen ihnen entsprechenden Platz in dieser Umwelt einzunehmen. Ohne ein entscheidendes Umdenken in der Öffentlichkeit wird es auch den Ärzten mit den modernsten Heilmethoden, mit den besten Pflegern, Sozialarbeitern, Psychologen, Soziologen und Psychotherapeuten kaum gelingen, diesen Circulus vitiosus zu durchbrechen. Der Abbau von Intoleranz und Vorurteilen gegenüber den geistig Behinderten erfordert den Einsatz aller im öffentlichen Leben verantwortlich Tätigen. Das war für unsere Fraktion ein wesentlicher Grund für diese Initiative. Denn sogenannte Schlüsselpersonen in der Bevölkerung, die diese
Einstellung in der Öffentlichkeit abbauen helfen, sind in einer Demokratie schließlich auch — wenn nicht vorrangig — Politiker.
Vielleicht wäre in diesem Zusammenhang zu überlegen, den Begriff des psychisch Kranken durch den des geistig Behinderten zu ersetzen, ganz einfach deshalb, weil der geistig Behinderte eher die Bereitschaft und die Zuwendung seiner Mitmenschen aktiviert, während der Kranke nach allgemeiner Auffassung nur vom Arzt geheilt werden kann. Die Behinderung eines Menschen aktiviert den nicht Behinderten. Das sollte man vielleicht im Begriff zum Ausdruck bringen. Der nicht Behinderte, die gesamte Bevölkerung muß wesentlich dazu beitragen, daß die Resozialisierung des geistig Behinderten gelingt. Diese Resozialisierung ist nur durch die Mitarbeit des nicht Behinderten zu erreichen.
Zur Größenordnung des Problems darf ich noch einige Zahlen nennen. Wie vorhin schon gesagt, bedürfen etwa 10 bis 12 % der Gesamtbevölkerung einer irgendwie gearteten ärztlichen psychiatrischen Versorgung. 1 % der Gesamtbevölkerung etwa leidet an Schizophrenie, 0,2 bis 0,5 % an anderen Psychosen. Die übrigen 9 bis 10% psychischer Leiden in der Durchschnittsbevölkerung verteilen sich auf die sogenannten kleineren psychischen Erkrankungen wie schwerere Psychoneurosen, Charakterstörungen, psychosomatische Erkrankungen, Süchte usw.
Was die Behandlungsbedürftigkeit betrifft, ergab sich bei allen einschlägigen Untersuchungen, daß etwa 10% aller psychisch Gestörten einer psychiatrischen Hospitalisierung bedürfen, also eines längeren oder kürzeren Aufenhalts in einem Psychiatrischen Krankenhaus. Zirka 50 % benötigen eine wie auch immer geartete ambulante psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung. Die restlichen 40 % können, geeignete Ausbildung und Kenntnis des praktischen Arztes vorausgesetzt, hier die Wiederherstellung ihrer Arbeitsfähigkeit erwarten.
Bei einer Tagung .der Weltgesundheitsorganisation im vergangenen Jahr hat sich gezeigt, daß es noch nicht einmal genaue Daten über die gegenwärtige Situation der psychiatrischen Versorgung in der Bundesrepublik gibt. Die von uns zusammengetragenen Zahlen beruhen auf Einzeluntersuchungen. Sie erlauben. jedoch weder ein umfassendes Bild über die gegenwärtige Situation noch geben sie die Möglichkeit, die entsprechenden Konsequenzen zur Verbesserung der allgemeinen Situation und zur Modernisierung zu ziehen.
Wir haben deshalb im ersten Teil unseres Antrages eine umfassende Untersuchung über die psychiatrisch-psychohygienische Versorgung beantragt und einen Bericht bis zum 31. März 1971 für möglich erachtet. Ob man an diesem Datum wird festhalten können, mögen Beratungen im zuständigen Ausschuß ergeben. Ich bezweifle es.
Es besteht heute unter den führenden Psychiatern der Bundesrepublik Übereinstimmung darüber, daß eine umfassende Analyse die Voraussetzung für einen Gesamtplan ist und daß ohne einen



Picard
solchen Gesamtplan für die Reform der Psychiatrie in der Bundesrepublik eine umfassende Verbesserung nicht zu erreichen ist. Diese Erkenntnis beruht auf Erfahrungen in verschiedenen anderen Ländern, in den Vereinigten Staaten von Amerika, in Großbritannien, in den skandinavischen Ländern, in Frankreich, in der Sowjetunion und in weiteren Ländern. Wir sind uns darüber klar, daß der Bund nur in Zusammenarbeit mit den Ländern zu einer umfassenden Analyse, wie auch zu einem darauf basierenden Plan kommen kann.
Der von uns vorgelegte Plan wurde eingehend mit Psychiatern aus dem wissenschaftlichen und dem klinischen Bereich sowie aus der Verwaltung diskutiert. Wir sind der Auffassung, daß tatsächlich die in ihm aufgeführten Punkte einer eingehenden Untersuchung bedürfen. Besondere Problembereiche sehen wir bei den psychisch Alterskranken und bei den psychisch kranken Rechtsbrechern. Hier erinnere ich an das Problem der sogenannten festen Häuser. Denken Sie daran, daß wir in der Bundesrepublik hin und wieder unter dem Vorwand, daß Rechtsbrecher sich in psychiatrischen Einrichtungen befinden, viel mehr geschlossene Anstalten haben als in anderen Ländern. Etwa 25 bis über 75 % psychisch Kranker befinden sich in der Bundesrepublik in geschlossenen Abteilungen; in Großbritannien sind es weniger als 3 %. Meine Damen und Herren, dort kommen auch nicht mehr Menschen durch psychisch Kranke ums Leben. Im Gegenteil, es sind doch Ausnahmefälle, daß so etwas passiert. Diese Furcht ist völlig unbegründet.
Ich darf also noch einmal darauf verweisen, daß wir bei den psychisch kranken Rechtsbrechern ein besonderes Problem sehen, bei den Oligophrenen ebenfalls.
Hervorzuheben, glauben wir, ist das Problem der Jugendpsychiatrie. Es ist heute kaum möglich, in den Psychiatrischen Landeskrankenhäusern eigene jugendpsychiatrische Abteilungen in hinreichender Zahl vorzufinden oder gar eigenständige jugendpsychiatrische Einrichtungen, wie wir sie nach dem drängenden Bedarf benötigen.
Die stationären Dienste für psychisch Kranke sind der tragende Pfeiler des psychiatrischen Versorgungswesens. Deshalb und wegen der großenteils überalterten Struktur der Psychiatrischen Krankenhäuser bedürfen diese Einrichtungen einer genaueren Untersuchung. Die Wirksamkeit der Versorgung hängt nicht nur von allgemeinen Bettenquantitäten, sondern wegen der rehabilitativen Erfolgsergebnisse in der Psychiatrie ganz besonders auch von der geographischen Verteilung ab. Denken Sie daran, daß Aufnahmebezirke für Großstädte in unserem Lande ein Großkrankenhaus umfassen, das dann 60, 70, 80 km weit weg liegt. Wie wollen Sie dann die notwendige ständige Berührung mit der gewohnten Umgebung bewerkstelligen? Das ist einfach nicht zu schaffen.
Die Untersuchung der Aufnahmebezirke, der Aufnahme- und Entlassungsströme muß zeigen, ob und in welchem Umfang geographische Zonen unterversorgt sind und durch die isolierte Lage der Krankenhäuser eine sinnvolle Resozialisierung nicht mehr erreicht werden kann. Aus dieser Analyse ergeben sich u. a. auch Anhaltspunkte für die Planung einer zweckmäßigen Verteilung gemeindenaher Behandlungszentren. Dazu werde ich im folgenden noch einiges ausführen müssen.
Es kann überhaupt nicht bezweifelt werden, daß die Hauptschwierigkeiten der Psychiatrischen Krankenhäuser zum allergrößten Teil im Personalsektor zu suchen sind. Das betrifft nicht nur die Quantität, die Fehlstellen also, sondern vor allem die Probleme der Einstellung, der Ausbildung, des Nachwuchses auf allen Sektoren des therapeutischen Personals. Gerade auf diesem Gebiet müssen neue Wege beschritten werden, wenn es nicht zu einer Austrocknung und Stagnation kommen soll. Es hat z. B. Jahre gedauert, meine Damen und Herren, bis die erste Einrichtung, die eine sozial-psychiatrische Zusatzausbildung für Schwestern und Pflegepersonal gewährt, ihre staatliche Anerkennung gefunden hat. Bis heute wird eine solche Zusatzausbildung in der Tarifordnung noch nicht besonders honoriert. In Heidelberg wird eine solche Zusatzausbildung seit acht Jahren praktiziert, ohne staatliche Anerkennung, ohne daß die in zwei Jahren Zusatzausbildung gewonnenen notwendigen Erkenntnisse der therapeutischen Behandlung psychisch Kranker in der Honorierung irgendwie berücksichtigt würden, zumindest nicht in der Tarifordnung. Wie sollen also die qualifizierten Psychotherapeuten, die qualifizierten Schwestern und Pfleger zur Entstehung einer therapeutischen Atmosphäre beitragen, der Hauptvoraussetzung einer Modernisierung unseres psychiatrischen Krankenhauswesens und der verbesserten Resozialisierungs- und Rehabilitationsmaßnahmen, wenn keine Ausbildungsstätten vorhanden sind oder wenn Menschen, die sich einer solchen Ausbildung unterzogen haben, finanziell nicht adäquat bezahlt werden?
Aus der von uns beantragten Untersuchung wird die Notwendigkeit einer viel rascheren, umfassenderen, nachdrücklichen Verbesserung der Personalsituation ersichtlich werden. Die Untersuchung wird sich der wissenschaftlichen Aktivität der psyiatrischen Universitätskliniken zuwenden und feststellen müssen, daß in den psychiatrischen Krankenhäusern, obwohl ja in ihnen die überwiegende Mehrzahl der Patienten versorgt wird, so gut wie keine wissenschaftliche Arbeit und Forschung geleistet werden kann. So kommt immer wieder die Frage auf, ob und in welcher Weise die Wissenschaft in diesen Einrichtungen angesiedelt werden könnte. Das ist deshalb ungeheuer wichtig, weil die psychiatrischen Krankenhäuser über eine Gruppe von Patienten verfügen, die den Kliniken fehlen und einer wissenschaftlichen Bearbeitung überhaupt entzogen werden. Die Untersuchung wird auf diesem Gebiet eine Bestandsaufnahme vorzunehmen, insbesondere aber Verbesserungsvorschläge zu durchdenken und vorzubringen haben.
Die scharfe Trennung zwischen Universität und sogenannter Anstaltspsychiatrie wird mit Recht als unbefriedigend und unhaltbar empfunden. Sie muß unter allen Umständen überwunden werden; dazu kann die Untersuchung beitragen.



Picard
In Punkt 2 unseres Antrages sind die nichtstationären Dienste aufgeführt, die im wesentlichen die Träger der Resozialisierung und Rehabilitation des geistig Behinderten sind und die, wenn sie in hinreichender Zahl vorhanden und funktionsfähig sind, in vielen Fällen - darauf kommt es ganz besonders an, meine Damen und Herren! — eine Hospitalisierung des Kranken überhaupt vermeiden. Hier liegt der Schwerpunkt einer modernen Psychiatrie, ein Schwerpunkt, den es in der deutschen Psychiatrie erst in Ansätzen gibt.
Nach dem zweiten Teil unseres Antrages soll die Bundesregierung ersucht werden, umgehend im Benehmen mit den Ländern und den übrigen Trägern psychiatrischer Einrichtungen allgemein unumstrittene und für notwendig erachtete Maßnahmen zur Verbesserung der psychiatrischen Versorgung einzuleiten oder, soweit dies konkret geschehen ist, mit allem Nachdruck zu fördern. Wir sehen hier insbesondere Maßnahmen zur Verbesserung der Personalsituation, zur strukturellen Änderung der psychiatrischen Landeskrankenhäuser und zur Gründung und Förderung weiterer Einrichtungen der Sozialtherapie und der Rehabilitation, wie sie in Modellformen bestehen und sich sehr bewährt haben. Hierüber glauben wir einen Bericht bis zum 31. Dezember 1970 deshalb erwarten zu können, weil in diesen drei Bereichen die auch in der Bundesrepublik bisher vorgenommenen Untersuchungen und Feststellungen weitgehend zu übereinstimmenden Auffassungen geführt haben.
Friedrich Panse führt in seinem im Jahre 1964 erschienenen Standardwerk für den gesamten Problembereich „Das psychiatrische Krankenhauswesen" zur sozialtherapeutischen Schlüsselstellung des Pflegepersonals folgendes aus — ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren — —

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0604420300
Herr Kollege, da Sie gerade mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren wollen, muß ich Sie doch noch einmal auf den Wortlaut des § 37 der Geschäftsordnung aufmerksam machen, der vorsieht, daß beim Präsidenten im Wortlaut vorbereitete Reden mit Angabe von Gründen angemeldet werden müssen und der Präsident in die Verlesung einwilligen muß.

Walter Picard (CDU):
Rede ID: ID0604420400
Herr Präsident, ich bitte nachträglich um die Genehmigung, mich mehr, als ich das üblicherweise tue, an das Konzept zu halten, weil es für mich, der ich ja kein Psychiater bin, sonst schwierig wäre, die von mir zusammengetragenen Fakten so flüssig hier vorzutragen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0604420500
Einverstanden! Bitte sehr!

Walter Picard (CDU):
Rede ID: ID0604420600
Danke. Ich zitiere also:
Die große Bedeutung, die gerade das Pflegepersonal für die psychiatrischen Patienten und deren Wohlbefinden hat, ist genauer ins Auge zu fassen. Während in einem allgemeinen Krankenhaus mit kurzer Verweildauer und intensiven diagnostisch-therapeutischen Maßnahmen der Chefarzt und der Stationsarzt in der Sicht des Patienten meist jedoch die dominierende Rolle spielt, ist das bei der längeren, nicht selten jahre- und lebenslangen Verweildauer in einem psychiatrischen Krankenhaus anders... . Vom Verhalten des Pflegepersonals hängen aber weitgehend die Stimmungen des Alltags, die menschlichen Kontaktmöglichkeiten und die Befriedigung des Aussprachebedürfnisses für den Patienten ab. Dieser Alltag besteht . . . aus den übrigen 23 Stunden . . ., in denen mindestens der durchschnittliche Patient keinen persönlichen Kontakt mit dem Arzt oder seinen besuchenden Angehörigen hat, sondern auf sich selbst, auf die Mitkranken und eben auf die für ihn in dieser langen Zeit so überaus wichtigen Pflegekräfte angewiesen, man könnte auch sagen: ihnen ausgeliefert ist.
Wir messen deshalb sofortigen Maßnahmen zur Verbesserung der Personalsituation eine besondere Bedeutung bei. Das betrifft einmal die Ausbildung der Ärzte in dem Fach Psychiatrie; diesem Fach muß im Lehrplan eine größere Bedeutung gegeben werden. Der psychotherapeutische und psychiatrische Unterricht im Medizinstudium ist unseres Erachtens erheblich zu intensivieren, was nur auf dem Wege über die Studienreform gelingen mag. Es ist weiter notwendig, der Psychiatrie als Prüfungsfach ein größeres Gewicht beizumessen, als das bisher geschieht. Die postgraduierte Ausbildung für die psychiatrische Facharztlaufbahn muß diejenigen Grundkenntnisse in Psychodynamik, Sozialpsychologie, Gruppendynamik und den psychotherapeutischen Techniken vermitteln, die erforderlich sind, eine moderne, sozialpsychiatrische Therapie überhaupt anwenden zu können. Deshalb müssen Ausbildungsstätten mit geeigneten Universitätslehrern vorhanden sein. Wir haben sie nicht in genügender Zahl. Es ist hier zu überlegen, ob wir mit Stipendien, auch mit Auslandsstipendien, wesentlich helfen können.
In den Empfehlungen des Wissenschaftsrats zur Struktur und zum Ausbau der medizinischen Forschungs- und Ausbildungsstätten wird eine Auffächerung der Psychiatrie mit Schwerpunkten bei der Kinder- und Jugendpsychiatrie und bei der Gereatrie verlangt. Diese Empfehlungen stammen aus dem Jahre 1968. Wir sind der Auffassung, daß sie schleunigst zu verwirklichen sind. In den Ausbildungsgang der jungen Ärzte — ich weiß nicht, ob das inzwischen überall geschehen ist; es gibt teilweise diese Praxis — muß ein Aufenthalt in einem psychiatrischen Krankenhaus eingeführt werden, damit auch der praktische Arzt, auch der Arzt an anderen Disziplinen eine hinreichende Kenntnis von der Psychiatrie erhält.
Die notwendige Modernisierung bestehender psychiatrischer Krankenhäuser wird allgemein anerkannt. Auch die erforderlichen strukturellen Änderungen sind im Grunde unbestritten. So ist die Umstrukturierung der psychiatrischen Behandlung und Fürsorge nach modernen Maßstäben und Mög-



Picard
lichkeiten heute klar sichtbar. Das läßt sich am besten durch zwei Stichworte bezeichnen: einmal Dezentralisierung, zum anderen Rekommunisierung. Dezentralisierung will besagen, daß die weit abgelegenen, in der Regel übergroßen Anstalten zwischen 1000 und 3000 — in einem Fall sogar darüber hinausgehend Plätzen aufgegliedert werden in kleinere Einheiten zwischen 250, 300 bis bestenfalls 600 Einheiten und an den Rand der Städte, in die Ballungszentren, in die dicht besiedelten Gebiete oder gar in die Städte hineinkommen. Rekommunisierung will besagen, daß diese kleineren Einheiten statt der weit abgelegenen Mammutkrankenhäuser in den Städten selbst mit der Gesellschaft in ständigem Kontakt arbeiten. Die Amerikaner nennen diese Einrichtung Community Mental Health Centers. Das sind Einrichtungen, die in der gewohnten, üblichen, normalen Umgebung des Menschen angesiedelt sind und hier arbeiten.
Die der Nachsorge dienenden halbstationären und nichtstationären Einrichtungen bilden den Kern der Sozialisierung und Rehabilitation der psychisch Kranken überhaupt. Es ist bis heute mangels Zuständigkeit und mangels Abgrenzungsmöglichkeit zwischen den verschiedenen Trägern ungeheuer schwierig, weitgehend überhaupt unmöglich, selbst wenn der Versuch nachdrücklich gemacht wird, eine hinreichende Vor- und Nachsorge zu gewährleisten.
Für zukunftsweisend halten wir die Vorstellung, an allgemeinen Krankenhäusern psychiatrische Abteilungen zu bilden,

(Beifall bei der CDU/CSU)

weil auf diese Weise am allerbesten die Zurückführung der Psychiatrie in die allgemeine Medizin und die Resozialisierung des betreffenden Kranken gelingen kann.

(Abg. Dr. Martin: Und die Hinführung der anderen Mediziner zur Psychiatrie!)

— Herr Kollege Dr. Martin, da Sie Psychiater sind, ist das eine Bemerkung, die mich besonders freut, weil ich es einfach für einen Nachteil halte, weniger eigentlich für den Arzt — das mag auch sein — als für den Patienten, daß zwischen Psychiatern und Medizinern anderer Disziplinen eine so große Kluft besteht. In einem allgemeinen Krankenhaus mit einer psychiatrischen Abteilung können Sie sowohl dem psychisch Kranken wie dem körperlich Kranken helfen — körperliche Krankheiten gehen ja in der Regel mit psychischen Störungen einher; entweder wird das eine vom andern oder das andere vom einen verursacht —, weil beide eine optimale ärztliche Versorgung erfahren. Solche Abteilungen arbeiten auch viel billiger, weil die notwendigen technischen und sonstigen Einrichtungen, diagnostischen Einrichtungen und Behandlungseinrichtungen, auch dem psychisch Kranken zur Verfügung stehen. Eine Errichtung von Großkrankenhäusern, wie wir sie auch heute noch wieder vorfinden, ist geradezu ein Anachronismus.
Die Psychiatrie ist aus .dem Stadium der Bewahrmedizin längst in das Stadium der Behandlungsmedizin übergetreten. Die Erkenntnis, daß psychische
Störungen sehr weitgehend durch die Einflüsse der Gesellschaft, der nächsten Umgebung, der Familie, der Gruppe, mit der der Mensch arbeitet, mitverursacht werden, hat dazu geführt, daß wir heute der Auffassung sind, daß Sozialpsychiatrie der Kernpunkt der Psychiatrie überhaupt ist. Die gegenwärtige Situation der Psychiatrie erfordert einfach eine verstärkte sozialpsychiatrische Zuwendung, weil nur auf diese Weise eine Basis für alles weitere, nämlich ein menschenwürdiges Umgehen mit psychisch Kranken geschaffen werden kann. Daraus ergeben sich natürlich weitreichende Konsequenzen, sowohl für den Bereich der Gesellschaft als auch für den Aufbau und die Struktur der psychiatrischen Krankenhäuser.
Im Bereich der Gesellschaft liegt beispielsweise die Therapie gestörter Familien, die Beratung von Institutionen, die mit psychisch Kranken befaßt sind, der psychiatrische Notfalldienst, der Menschen in aktuellen psychischen Belastungen und Situationen Rat und Hilfe anbietet. Hier gehört z. B. die Telefonseelsorge hin, hier gehören Erziehungsberatungsstellen hin. Von der Diagnose her gesehen liegen hier die leichteren psychischen Störungen, beispielsweise Neurosen oder depressive Verstimmungen, die Energie und soziale Anpassung des Kranken erheblich beeinträchtigen. Die Sozialpsychiatrie hat quasi eine Brückenfunktion zwischen dem Krankenhaus und der freien Gesellschaft, die sie natürlich nur erfüllen kann, wenn .die Lebensbedingungen innerhalb des Krankenhauses denen in der gegenwärtigen Gesellschaft mindestens ähnlich, möglichst angeglichen sind. Diese Brücke wird dargestellt durch eine differenzierte extramurale Kette von Diensten, wie wir sie brauchen, um die Brücke einmal zu den ärztlichen Praxen, zum anderen zu den großen Krankenhäusern zu bilden. Es ist notwendig, Teilhospitalisierungseinrichtungen, wie Tag- und Nachtkliniken, Patientenklubs usw., zu schaffen, die mit spezifischer Indikationstherapie beschützende soziale Maßnahmen anbieten und wo eine Vollhospitalisierung vermieden werden kann, damit der geistig Behinderte gar nicht erst aus der Gesellschaft herausgenommen werden muß, sondern in ihr verbleiben kann und daher auch die Schwierigkeiten, wieder zurückzufinden, nicht erst zu überwinden hat.
Der zweite Schwerpunkt liegt natürlich im psychiatrischen Krankenhaus. Das soziale Milieu, das der Kranke während seines Krankenhausaufenthalts vorfindet, hat für Verlauf und Ausgang der Krankheit sowie für die Rehabilitationschancen eine ausschlaggebende Bedeutung. Allein der lange Aufenthalt im psychiatrischen Krankenhaus führt oft zu einer Verminderung der sozialen Aktivität und Flexibilität, so daß man diesen spezifischen Hospitalismus mit dem Begriff der sozialen Verkrüppelung belegt hat. Das ist sicher ein hartes Wort, aber wer psychiatrische Großkrankenhäuser kennt, insbesondere solche, wo länger Hospitalisierte verweilen, der weiß, daß sich in solchen Abteilungen oder gar Krankenhäusern eine eigene, von der übrigen Gesellschaft unterschiedliche Subkultur entwickelt, die die Resozialisierung und Rehabilitation weitgehend erschwert.



Picard
Dem will die Sozialpsychiatrie vorbeugen. In einer aufgeschlossenen und verständnisvollen Umwelt können psychisch Kranke z. B. in vielen Fällen ganz zu Hause behandelt werden. Aber auch von den klinisch Behandelten kann ein sehr großer Teil schon nach vier oder zwölf Wochen wieder entlassen werden. Wenn der Kranke dann in eine Umwelt zurückkehrt, die nicht bereit ist, ihn aufzunehmen, sondern ihn vielleicht sogar erkennbar ablehnt, kommt es zu dem sogenannten Drehtüreffekt. Er kommt wieder zurück, und das Spiel wiederholt sich. Die Resozialisierung, die Wiedereingliederung und die Rehabilitation werden auf diese Weise einfach unmöglich gemacht.
Lassen Sie mich noch etwas zu der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern sagen. Nach der jetzt bestehenden Kompetenzverteilung im Gesundheitswesen ist es dem Bund durchaus möglich, sowohl Einrichtungen der Sozialtherapie wie auch Einrichtungen der Rehabilitation — ich denke z. B. an die Bundesanstalt in Nürnberg — zu finanzieren und Modelleinrichtungen zu schaffen, die die Zielvorstellungen der modernen Sozialpsychiatrie als Ansporn und Beispiel der Öffentlichkeit darlegen. In den meisten Kulturnationen entspricht die sozialpsychiatrische Praxis weitgehend den modernen theoretischen Erkenntnissen. Bei uns ist das noch lange nicht der Fall. Überall war Voraussetzung ein Gesamtplan, der einheitliche Überlegungen enthielt. Wir glauben, daß wir auch in der Bundesrepublik ohne einen solchen Gesamtplan nicht vorankommen.
Neben den erheblichen finanziellen Aufwendungen gibt es die uns bekannten Kompetenzschwierigkeiten, die auf Grund des föderalistischen Systems der Bundesrepublik hinderlich sein können. Wir glauben, daß solche verfassungsrechtlichen Kompetenzschwierigkeiten durch die Bereitschaft zur Kooperation, die wir bei den Ländern ebenso erwarten, wie wir sie beim Bund voraussetzen und selbst praktizieren wollen, überwunden werden können. Wir stehen am Anfang einer langen, schwierigen, aber letzten Endes, so hoffen wir, fruchtbaren und erfolgreichen Entwicklung.
Die Diskussion, die wir heute begonnen haben, ist zu vergleichen mit dem Beginn der Diskussion um hochschulpolitische, kulturpolitische, bildungspolitische Fragen, für die der Bund auch einmal keine Zuständigkeit hatte. Ich glaube aber, auf diesem Bereich hat die Kooperation zwischen Bund und Ländern nicht nur zur Finanzreform, sondern schon lange davor zu einer wesentlichen Zusammenarbeit geführt.
Zur weiteren Behandlung schlagen wir die Verweisung des Antrags an den Gesundheitsausschuß vor und sind weiterhin der Auffassung, daß in diesem Ausschuß eine Anhörung von Psychiatern aus dem Bereich der psychiatrischen Landeskrankenhäuser, der Universitätskliniken und aus der Verwaltung vorgenommen werden sollte, um die Untersuchung abzugrenzen, zum zweiten, um die Möglichkeiten der personellen Zusammensetzung einer Kommission zu erörtern, die diese Untersuchung nur vornehmen kann.
Die Zahl der geistig Behinderten in unserer Gesellschaft, die Schwere ihres Schicksals, die Möglichkeiten der Besserung dieses Schicksals, noch weitgehend unausgenutzt, rechtfertigen eine intensive Beschäftigung mit diesem Thema im Deutschen Bundestag. Wir hoffen auf eine vertrauensvolle und gute Zusammenarbeit zwischen den drei Fraktionen und mit dem zuständigen Ministerium und glauben, daß wir heute den Beginn für eine fruchtbare Entwicklung setzen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0604420700
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schmidt (Krefeld).

Dr. Ferdinand Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0604420800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich nach dieser sehr eingehenden Begründung des vorliegenden Antrags durch Herrn Kollegen Picard noch einige grundsätzliche Ausführungen hinzufügen. Ich werde mich etwas knapper fassen und aus meinem Konzept einiges streichen. Ich glaube, daß wir später Gelegenheit haben werden — —

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0604420900
Herr Kollege, Ihr Hinweis auf Ihr Konzept gibt mir Veranlassung, noch einmal auf den § 37 der Geschäftsordnung hinzuweisen, wonach der Präsident in die Verlesung vorbereiteter Reden einwilligen muß.

Dr. Ferdinand Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0604421000
Die Bundesregierung versuchte in der 5. Legislaturperiode, den Art. 74 Nr. 19 des Grundgesetzes dahin gehend zu ändern, daß eine größere Kompetenz bei der Behandlung psychischer Erkrankungen erreicht wurde. Sie ging davon aus, daß das Leben in der heutigen Gesellschaft die Menschen oft über die Grenzen des Zumutbaren hinaus strapaziert, so daß es zu einer Zunahme psychischer Störungen kommen muß. In der Diskussion um dieses Problem stellte sie für die Gesundheitspolitik folgende Aufgaben heraus — ich zitiere mit Genehmigung des Herrn Präsidenten wörtlich —:
Im Rahmen der allgemeinen Psychohygiene soll die Öffentlichkeit über psychische Leiden aufgeklärt werden. Vorurteile gegenüber psychisch Kranken und psychiatrischen Einrichtungen müssen abgebaut werden. Das gegenseitige Verständnis für emotionale Probleme und die Hilfsbereitschaft auch bei sozial abweichendem Verhalten sind zu fördern. In die allgemeine, präventiv wirksame Hygiene sind die Familien-, Ehe- und Erziehungsberatung und die schulpflegerischen und verwandten Einrichtungen einzubeziehen. Die präventive psychiatrische Frühbehandlung sollte intensiviert werden, um bereits im Konfliktstadium zu verhindern, daß seelische Fehlhaltungen entstehen oder seelische Leiden chronisch werden. Das setzt eine weitere Förderung der Behandlungsbereit-



Dr. Schmidt (Krefeld)

schaft, eine Vermehrung des speziell ausgebildeten Personals in geeigneten Einrichtungen voraus.
Ich darf hier herausstellen, meine Damen und Herren, daß wir unter psychischen Erkrankungen und Leiden nicht nur die klassischen Erkrankungen der Schizophrenie und des manisch-depressiven Irreseins ansprechen dürfen — und das ist sehr wesentlich, erwähnt zu werden —, sondern ebenfalls alle Psychosen, von denen ich die Schwangerschaftspsychose und die Alterspsychose nennen möchte, nicht zu vergessen die psychosomatischen Erkrankungen, die sich bekanntlich 2u jeder Zeit einstellen können, die Charakterstörungen und -veränderungen und vor allen Dingen jenes welt verzweigte Gebiet der Neurosen jedweder Ätiologie.
Wir wissen, daß in der Bundesrepublik insgesamt etwa 10 bis 12 % der Bevölkerung einer psychiatrischen Betreuung bedarf; das wurde von meinem Vorredner erwähnt und ist auch wert, ganz klar herausgestellt zu werden. Eine statistische Erhebung des Jahres 1963 in unserem größten Bundesland Nordrhein-Westfalen ergab eine Behandlungsziffer von 34 000 Patienten, die stationär betreut werden mußten. Das macht etwa zwei Patienten auf 10 000 Einwohner.
Es darf nicht unerwähnt bleiben, daß für die gesamte Bundesrepublik eine Zahl zwischen 6 und 7 Millionen psychisch kranker Menschen angesprochen ist. Hierunter fällt aber auch eine Quote von 3 % Arbeitsfähiger, die keine Arbeitsleistung mehr verrichten können.
Zweifellos ist sowohl in der Behandlung als auch in der Unterbringung in den Krankenhäusern auch bei uns bereits ein Wandel eingetreten. Früher wurden psychisch kranke Menschen — ich will das kurz erwähnen — am Rande der Wohnorte oder weit weg von den Städten hospitalisiert, manchmal bis zum bitteren Ende.

(Zuruf von der CDU/CSU: Kaserniert!)

Erst die Schaffung neuer Psychopharmaka, die Errichtung von Rehabilitations-Sonderabteilungen in psychiatrischen Eintrichtungen und eine Verstärkung der Vor- und Fürsorgewerden eine Unterbringung vermeiden lassen oder aber eine Krankenhausentlassung — wenn überhaupt möglich — wesentlich verkürzen. Frühere Berechnungen ergaben, daß auf diesem Wege die Quote der Krankenhauseinweisung bis auf 40 % verringert werden kann.
Dazu gehört jedoch, daß eine lückenlose fürsorgerische Nachbetreuung erfolgt, die eine Weitereinnahme jener Psychopharmaka gewährleistet, die vom behandelnden Arzt des Krankenhauses nach Entlassung des Patienten weiter verordnet worden sind. Das setzt wiederum voraus, daß die ärztliche Besetzung und auch die Besetzung an ärztlichem Hilfspersonal ausreichen. Die Behandlung ist jedoch auch nur da gesichert, wo Ärzte und ärztliches Hilfspersonal in modernen Einrichtungen eine genügende Bettenzahl vorfinden. Wir haben ja gehört, daß bei uns zur Zeit im Durchschnitt 1,9 Betten auf 1000 Einwohner die Regel sind. Hier müssen wir zumindest versuchen — wie das an verschiedenen Orten in Nordrhein-Westfalen erreicht worden ist —, die Bettenzahl auf 3 bis 4 pro 1000 Einwohner zu erhöhen.
Auch das Arzt-Patienten-Verhältnis muß in den Krankenhäusern zur Durchführung einer individuellen Therapie günstig liegen. Von den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation und des Wissenschaftsrates, ein Verhältnis 30 zu 1 herzustellen, sind wir allerdings noch weit entfernt. Die Angaben über das Arzt-Patienten-Verhältnis in der Bundesrepublik divergieren sehr stark. Während von manchen Landeskrankenhäusern das Verhältnis Patient-Arzt mit 300 zu 1 angegeben wird, spricht die Arbeitsgemeinschaft der Träger psychiatrischer Krankenhäuser in der Bundesrepublik nach Erhebungen aus dem Sommer 1969 von der ungünstigsten Relation bei 125 zu 1 im Patienten-Arzt-Verhältnis. Das günstigste Verhältnis gibt sie mit 57 zu 1 an.
Selbstverständlich sind diese Zahlen nicht zu verallgemeinern. Es gibt gewisse Universitätskliniken, bei denen das Verhältnis günstiger ist. Das ist selbstverständlich; ich möchte es nur noch einmal zum besseren Verständnis hervorheben. Soweit mir bekannt ist, Herr Kollege Martin, hat beispielsweise die Universitätsklinik Gießen eine Relation — oder hatte sie bis vor kurzem — von 125 zu 35; dagegen hat das Landeskrankenhaus Warstein mit 13 Ärzten 1600 Patienten zu betreuen.
Neue Einrichtungen wurden, soweit mir bekannt, bei den Landeskrankenhäusern der Landschaftsverbände der Rheinprovinz und Westfalen-Lippe im Sinne von Strukturveränderungen bereits geschaffen oder sie befinden sich im weiteren Ausbau. Die Großanstalten wurden in selbständige ärztliche Funktionsbereiche aufgegliedert, wie Jugendpsychiatrie, akut und chronisch Kranke, Geriatrie und Sozialpsychiatrie. Mein Vorredner hat diese Dinge bereits vertieft. Im Rheinland stehen auch zwei Tages- und zwei Nachtkliniken mit einer Bettenzahl von 51 für die Tages- und 35 für die Nachtkliniken zur Verfügung. Auch sind seit 1964 bereits Patientenklubs geschaffen worden, die z. B. 1968 in Mülheim/Ruhr 160 Patienten und Patientinnen betreuten. Aber das alles reicht nicht aus.
Jetzt kommt das, was Sie als supraregionale Förderung, Herr Picard, eben angedeutet haben, wo vielleicht eine Kompetenz des Bundes gegeben sein könnte. Als Modelleinrichtungen möchte ich beispielsweise die psychotherapeutische Klinik des Vereins „Haus für Neurosekranke" in Sonnenberg bei Stuttgart, das 1967 eröffnet und mit Bundesmitteln gefördert wurde, erwähnen, oder aber die psychosomatische Klinik in Bad Honnef, die ebenfalls eine Förderung durch den Bund erfuhr.
Beachtlich und erwähnenswert sind die Veröffentlichungen, die eine viel modernere Art der Therapie anschneiden und sich nicht damit zufriedengeben, daß man nur eine Arbeitstherapie alten Stils durchführt, beispielsweise mit Kartoffelschälen, Arbeiten mit gewissen Instrumenten, mit Putzen usw., sondern diese Therapie dahingehend erweitert sehen möchten, daß innerhalb der Anstalten Sport getrieben



Dr. Schmidt (Krefeld)

wird und Kaffeekränzchen stattfinden. Für den Psychiater oder für einen erfahrenen Facharzt sind das sicher keine großen Neuerungen. Aber man verspricht sich davon immerhin eine Auflockerung in dem stupurösen Verhalten der Patienten, so daß sie eines Tages, wenn sie wieder im öffentlichen Leben auftreten, diesem doch ganz anders gewachsen sind.
Ich habe noch etwas als Fernziel anzudeuten. Das Fernziel muß natürlich das Finden neuer Wege in der psychiatrischen Krankenhausplanung und im Krankenhausbau sein. Uns schweben da gewisse Schwerpunktkrankenhäuser vor, bei denen selbständige Abteilungen in der Größenordnung von etwa 100, 150, maximal 200 Betten geschaffen werden können. Hier handelt es sich darum, erst einmal festzustellen, ob es zentrale Schwerpunktkrankenhäuser — denn danach richtet sich die Größenordnung — oder ob es allgemeine Schwerpunktkrankenhäuser sein sollen. Die Bettenzahlen sind, wie gesagt, variabel. Ich betone das aus gewissen Gründen, die sich schon vorhin aus der Diskussion ergeben haben.
Nachdem nun die Grundgesetzänderung nicht verwirklicht werden konnte — Art. 74 Nr. 19 des Grundgesetzes ist hier angesprochen —, hat das Land Nordrhein-Westfalen einen eigenen Weg .beschritten, indem es das alte Landesunterbringungsgesetz aus dem Jahre 1956 durch ein neues ersetzt hat, und zwar nicht durch ein erneuertes Landesunterbringungsgesetz mit Zwangseinweisung, sondern lediglich durch ein Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten. Dieses Gesetz, das am 1. Januar 1970 in Kraft getreten ist — ich hatte die Ehre, in der zweiten Lesung damals noch als Abgeordneter im Landtag von Nordrhein-Westfalen dazu etwas vorzutragen —, sieht vor- und nachgehende Hilfen vor. Ich will es nicht als des Rätsels letzte Lösung bezeichnen. Aber ich halte es doch für ein sehr modernes Gesetz, von dem man doch sagen kann, daß es die fürsorgerische Betreuung zum erstenmal in dieser starken Form herausstreicht. Mit Genehmigung des Herrn Präsidenten darf ich aus, diesem Gesetz die §§ 34 und 35 anführen, die das näher beleuchten.
§ 34 lautet:

(1) Aufgabe der nachgehenden Hilfe ist es, den Personen, die aus der Unterbringung oder einer sonstigen stationären psychiatrischen Behandlung entlassen wurden, durch individuelle, ärztlich geleitete Beratung und Betreuung den Übergang in das Leben außerhalb des Krankenhauses zu erleichtern.


(2) Ist die vorläufige Entlassung nach § 30 von Auflagen über eine ärztliche Behandlung abhängig gemacht worden,

— nämlich im Krankenhaus selbst —
gehört es zur Aufgabe der nachgehenden Hilfe,
die Einhaltung dieser Auflagen zu überwachen.
§ 35 lautet:

(1) Die nachgehende Hilfe ist in enger Zusammenarbeit mit der Außenfürsorge von Krankenhäusern und Anstalten, in die Personen nach diesem Gesetz eingewiesen werden, durchzuführen....


(2) In der nachgehenden Hilfe ist insbesondere nach Ablauf einer vorläufigen Entlassung die betroffene Person erforderlichenfalls über die Folgen einer Unterbrechung der notwendigen ärztlichen Behandlung eindringlich zu belehren.

Wir sind uns darüber im klaren —das ist sicherlich die Meinung aller Abgeordneten dieses Hohen Hauses; ich fasse mich jetzt etwas kürzer, weil nur noch wenige Kolleginnen und Kollegen hier sind —, daß wir dies alles nur als den zarten Beginn einer Umgestaltung in der psychiatrischen Betreuung und Behandlung auffassen können. Was wäre eigentlich ein Versuch auf diesem Gebiet, wenn das Verhalten der Gesellschaft gegenüber dem psychisch Kranken weiterhin mit Vorurteilen belastet bliebe? Während z. B. physisch kranke Patienten, die geheilt sind, wieder ihren Platz in der Gemeinschaft finden, die berufliche und gesellschaftliche Wiedereinordnung erfahren — und das ist gottlob eine Selbstverständlichkeit —, denkt leider ein Großteil unserer Gesellschaft im Hinblick auf den einmal psychisch erkrankten, aber wiederhergestellten Personenkreis gerade konträr. Es ist notwendig, hier eine breitere, bessere und intensivere Aufklärung der Öffentlichkeit durchzuführen, damit jedem klar wird, daß der psychisch Kranke genau dieselben Rechte, wie der physisch Kranke besitzt und daß auch seine Erkrankung heilbar oder so weit durchaus besserungsfähig ist, daß er am täglichen Leben wieder teilnehmen kann. Der Öffentlichkeit erwächst die Verpflichtung, das endlich einzusehen und zu berücksichtigen. Wir verpflichten uns hier gerne, dabei zu helfen.
Ich schließe mich im übrigen dem Vorschlag des Ältestenrates an, der vorsieht, den Antrag zur weiteren Diskussion und Vertiefung an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit zu überweisen. Ich glaube, daß in diesem Ausschuß noch grundlegende Diskussionen stattfinden werden.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU/CSU.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0604421100
Herr Kollege Dr. Schmidt, wenn ich recht unterrichtet bin, war das ihre erste Rede in diesem Hohen Hause. Ich beglückwünsche Sie dazu.

(Beifall.)

Meine Damen und Herren, als nächstem Redner gebe ich dem Herrn Abgeordneten Krall das Wort.

Lothar Krall (FDP):
Rede ID: ID0604421200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte hier namens der Fraktion der Freien Demokraten erklären, daß wir es dankbar begrüßen, daß dieses komplexe Thema heute in dieser Ausführlichkeit in diesem Hohen Hause besprochen wird. Ich habe den Ausführungen meiner verehrten Herren Vorredner, die sich in aller Ausführlichkeit mit diesem Problem befaßt haben, nichts Wissenschaftliches mehr hinzuzufügen. Ich spreche auch nicht als Arzt; in meinem persönlichen Bekanntenkreis gibt es aber viele psychisch kranke Men-



Krall
schen. Daher möchte ich hier auf ein besonderes Kriterium hinweisen, das in dieser Debatte noch nicht angesprochen wurde, nämlich die Frage der Früherkennung psychischer Erkrankungen. Ich bin sicher, daß es derzeit noch eine große Dunkelziffer psychisch kranker Menschen gibt, die, wie ich weiß, von Arzt zu Arzt laufen, um sich behandeln zu lassen, weil sie durch Sekundärerscheinungen auch tatsächlich Beschwerden aufzuweisen haben. Diese Menschen wissen im Grunde nicht um ihre Krankheit.
Bedauerlicherweise ist es nach meinen Erfahrungen auch so, daß sehr viele Mediziner nicht die ausreichende moderne Ausbildung haben, um diese komplexen Krankheitserscheinungen gleich zu erkennen. Ich wäre dankbar, wenn die Frage der Weiterbildung der Ärzte auf dem Gebiet der Psychoanalyse im Hinblick auf Früherkennung psychischer Erkrankungen — in dem zuständigen Ausschuß besprochen würde. Ich werde die mir in diesem Punkt vorliegenden Erkenntnisse gerne mitteilen und dazu noch einiges mehr sagen.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0604421300
Meine Damen und Herren, auch Herr Kollege Krall hat zum erstenmal in diesem Hause gesprochen. Ich beglückwünsche Sie dazu und wünsche Ihnen für Ihre weitere Arbeit alles Gute.

(Beifall.)

Das Wort hat jetzt die Frau Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit.

Käte Strobel (SPD):
Rede ID: ID0604421400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will wirklich nur ganz kurz etwas sagen, weil es einfach mißverstanden werden müßte, wenn sich der zuständige Minister zu dieser ohne Zweifel sehr wichtigen Sache nicht äußern würde.

(Beifall.)

Ich bitte aber um Verständnis dafür, daß ich es tatsächlich ganz kurz mache; denn ich bin der Auffassung, wir werden unter Zuziehung der Sachverständigen sicher sehr viel Gelegenheit haben und auch nehmen müssen, dieses Problem im Ausschuß gründlich zu beraten. Wir werden uns dabei vor allen Dingen auch des Sachverstands der Wissenschaftler und der auf diesem Gebiet praktisch Tätigen bedienen.
Aber aussprechen muß ich, obwohl es Herr Kollege Picard schon sehr eingehend gesagt hat, daß die Situation der psychisch Kranken in unserer Gesellschaft völlig unbefriedigend ist, daß sie praktisch Stiefkinder der Gesellschaft sind, und zwar sowohl bezüglich der Beurteilung ihrer Krankheit durch die gesunden Menschen als auch bezüglich der Möglichkeiten der Behandlung und der sozialen Wiedereingliederung.
Die psychiatrische Versorgung hat bei uns mit der modernen Entwicklung der Psychiatrie nicht Schritt gehalten. Das gilt für die stationäre Behandlung, die zum großen Teil veraltet ist, das gilt auch bezüglich des Strukturwandels, z. B. der Entwicklung der immer noch vorhandenen Mammuteinrichtungen

(Zustimmende Zurufe von der Mitte)

zu Einrichtungen mit selbständigen Funktionsbereichen usw. Das gilt — ich unterstütze das voll -auch dafür, daß eine völlige Neuplanung dringend nötig ist, insbesondere auch im Bereich der halboffenen und offenen Betreuung, also durch Tag-undNacht-Kliniken, Patientenklubs und all das mehr, was mein Kollege Schmidt schon angesprochen hat. Ich bin auch wie Sie der Meinung, daß an die Stelle des polizeilichen Unterbringungsdenkens, der Idee, daß man die anderen vor den psychisch Kranken schützen müsse, die Fürsorge für die psychisch Kranken und auch vorbeugende Maßnahmen treten müssen.
Gestatten Sie mir, noch darauf hinzuweisen — wie es Kollege Schmidt schon getan hat —, daß die Bundesregierung im Jahre 1968 und ich als Gesundheitsminister für die Bundesregierung die beantragte Grundgesetzänderung — Zuständigkeit für die Verhütung und Bekämpfung von Krankheiten — u. a. damit begründet haben — das steht in der Drucksache V/3515 —, wie dringend eine Reform der Gesundheitshilfe für psychisch Kranke ist, daß wir aber durch den Mangel an Zuständigkeit daran gehindert sind, z. B. den gesetzlichen Weg zu beschreiten; wir wollten ja ein Gesetz zur Hilfe für psychisch Kranke vorbereiten.
Herr Martin und Herr Dr. Jungmann, ich sehe Sie hier so sitzen. Wir hatten uns alle vorgenommen, diese Debatte ohne Polemik zu führen. Aber ganz unschuldig sind Sie nicht daran, daß wir diese Zuständigkeit nicht bekommen haben. Ich erinnere an die Zwischenrufe und auch an das Gespräch zwischen Ihnen und mir in bezug auf meine damalige Begründung. Aber das ist vorbei, und das läßt sich im Augenblick, so meine ich, auch nicht zurückholen.
Ich betone aber ganz deutlich, daß ich jede Aktion begrüße, die zu einer Besserung der Situation führt, und insofern eben auch diese. Ich habe vorhin schon dem Kollegen Picard gesagt: allerdings müssen wir sehen, daß wir jetzt nicht die Hoffnung erwecken: „Übermorgen wird das alles besser". Denn eine Analyse der Lage und daraus Schlußfolgerungen für die notwendigen Maßnahmen sind noch keine Verbesserung. Es ist eben nur eine Enquete. Allerdings ist eine Enquete auch immer eine Initialzündung für Maßnahmen. Die Bundesregierung ist sehr gerne bereit, diese Enquete durchzuführen. Allerdings brauchen wir dazu — das haben Sie auch schon betont, Herr Picard, die Mitwirkung der Länder, weil sie zuständig sind, und vor allen Dingen die Mitarbeit der Fachkräfte und der wissenschaftlichen Welt.
Der Fragenkatalog — gestatten Sie mir, das zu sagen, damit man das von vornherein weiß — ist so umfassend und er kann noch umfassender werden, das nehme ich fast an, wenn wir uns mit den Sachverständigen unterhalten. Wir sind der Auffassung, daß die Erstellung der Enquete eine viel längere Zeit beansprucht, so daß der von Ihnen



Bundesminister Frau Strobel
angegebene Termin keinesfalls eingehalten werden kann. Aber auch darüber werden wir im Ausschuß beraten.
Es kommt sowohl wie für die Enquete als auch für die gesamte Zusammenarbeit des Bundes mit den Ländern in der Gesundheitspolitik sehr darauf an, daß wir ein gutes Klima zwischen den Ländern und dem Bund, zwischen den Ländergesundheitsministern und dem Bundesgesundheitsminister haben. Wir haben das, meine ich, erreicht; das kann ich betont sagen. Aber weil das so ist, möchte ich auch nicht gern, daß die Länder hier auf der Anklagebank sitzen. Vielmehr möchte ich darauf aufmerksam machen, daß — das hat Herr Kollege Schmidt auch gesagt — es mindestens schon gute Ansätze gibt, und zwar einmal durch das Gesetz in Nordrhein-Westfalen, von dem ich hoffe, daß es möglichst bald möglichst viele Länder mindestens in seiner Tendenz nachmachen. Wir haben auch nichts dagegen, wenn es die anderen Länder noch besser machen.. Vor allen Dingen liegt mir auch daran, darauf aufmerksam zu machen, daß gerade im Land Nordrhein-Westfalen in den Landschaftsverbänden schon wesentliche Strukturänderungen angesprochen und begonnen sind. Herr Kollege Schmidt hat sie erwähnt; ich brauche das nicht zu wiederholen.
Die Bereitstellung von Betten in psychiatrischen Krankenhäusern ist Ländersache. Aber ich habe ein bißchen die Hoffnung, daß, wenn der Bund sich jetzt nach der Finanzreform auch an der Erstellung der Universitätskliniken zu 50 % beteiligen kann, über diesen Weg mindestens im Bereich der Universitätskliniken mehr geschehen kann. Ich hoffe auch — wenn es uns gelingt —, daß über die Beteiligung des Bundes an der Krankenhausfinanzierung, an den Investitionen,

(Abg. Picard: Da müssen wir hin!)

zwar nicht in erster Linie die psychiatrischen Krankenhäuser einbezogen, aber, wenn die Länder auf der anderen Seite entlastet werden, dann dafür auch Mittel freigemacht werden.
Der Bund kann nur Modellkliniken fördern, die überregional tätig sind. Er kann es auch nur im Rahmen seiner finanziellen Möglichkeiten. Es liegt einfach im Sinne des Modells, daß man nicht zehn solcher Modelle machen kann, sondern nur eines. Herr Kollege Schmidt hat auf die zwei letzten, die wir fördern, bereits hingewiesen.
Ich glaube, daß mit das drückendste und das am schwierigsten zu lösende Problem der Personalmangel ist. Das gilt nicht allein für die psychiatrischen Kliniken.. Das gilt für das Pflegepersonal für alle Kliniken. Ich bin nach wie vor der Auffassung — es hat darüber ja Beratungen, angeregt durch das Arbeitsministerium, gegeben —, daß der Personalmangel generell auf diesem Gebiet nur zu beheben ist, wenn diese Berufe höher eingestuft werden und wenn ihre Arbeitsbedingungen wesentlich verbessert werden, wenn sie also nicht nur durch die Ausbildung im Prestige gehoben, sondern wenn sie auch besser ausgestattet werden, so daß vor allen
Dingen auch für männliche Berufstätige ein viel größerer Anreiz geboten wird, in diese Berufe zu gehen.
Wir bemühen uns, nachdem wir eine größere Zuständigkeit nicht erreicht haben, darum, im Wege des kooperativen Föderalismus auch auf diesem Gebiet Verbesserungen zu erzielen. Nächste Woche findet wieder eine Gesundheitsministerkonferenz statt. Wir beraten in den Gesundheitsministerkonferenzen über alle diese Themen zusammen mit den Ländern, insbesondere über diejenigen Probleme, für die nach wie vor allein die Länder zuständig sind.
Nun haben Sie, Herr Picard, gesagt, in der Bundesrepublik gebe es im Gegensatz zu anderen Staaten leider keine Übersicht, und Sie haben das als einen besonderen Mangel bezeichnet. Wir müssen feststellen, daß wir in der Bundesrepublik keine Krankheitsstatistik haben. Wir haben sehr große Schwierigkeiten — das wissen besonders Sie, Herr Jungmann, Herr Martin und Herr Schmidt als Ärzte —, wenn wir irgendwo auch nur in die Nähe einer Meldepflicht kommen wollen. Wir haben lediglich eine Anstaltsstatistik. Es gibt auch nicht unerhebliche und gewichtige Argumente gegen eine Meldepflicht, weil wir sie bei anderen Krankheiten ebenfalls nicht haben. Ich meine, es muß uns allen daran gelegen sein, daß die psychisch Kranken nicht als besondere Kranke gelten, sondern es sind Kranke wie die physisch Kranken auch.

(Abg. Picard: Sehr gut!)

Nur bei dieser Betrachtung werden wir einen Wandel in der öffentlichen Meinung erreichen.
Die Bundesregierung hat sich ein Aktionsprogramm für die Rehabilitation Behinderter vorgenommen, und ich hoffe, daß wir die geistig Behinderten und die psychisch Gefährdeten in dieses Rehabilitationsprogramm einbeziehen können, so wie es durch das Sozialhilfegesetz gelungen ist, ihre Gleichstellung mit den körperlich Behinderten zu erreichen. Ich denke, daß wir auch von daher gesehen etwas mehr tun können.
Die Hoffnung, Herr Picard, daß der Bund, der früher, obwohl er nicht zuständig war, den Universitäten geholfen hat, eine solche Hilfe auch für den Bereich der psychiatrischen Versorgung unserer Bevölkerung gewähren könnte, habe ich, wie ich ehrlich sagen muß, nicht. Ziel der Finanzreform war nämlich, zu einer klaren Trennung bei der Finanzierung bestimmter Aufgaben zu kommen. Gegen Mischfinanzierungen wenden sich die Länder nach der Finanzreform noch mehr als vorher, weil gerade das durch die Finanzreform bereinigt werden sollte. Ich wollte ,das nur sagen, damit hier nicht Hoffnungen geweckt werden, die im Grunde nicht erfüllbar sind.
Generell würde ich folgendes sagen. Bund, Länder und freie Wohlfahrtsverbände, die auf diesem Gebiet auch sehr viel tun, und wir alle hier im Bundestag müssen zusammenwirken, um den psychisch Kranken und psychisch Gefährdeten zu helfen. Die richtige Überschrift über diesem Problem,



Bundesminister Frau Strobel
gerichtet an die deutsche Öffentlichkeit, wäre eigentlich: Jeder sollte davon ausgehen, daß ihn ein solches Schicksal morgen selbst treffen könnte.

(Beifall.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0604421500
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Martin.

Dr. Berthold Martin (CDU):
Rede ID: ID0604421600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mich sehr kurz fassen. Ich möchte zunächst dem Bundesgesundheitsminister ein Wort des Dankes und auch der Anerkennung sagen. Die Art und Weise, wie sie sich in ein solches Thema eingearbeitet, und die Behendigkeit, mit der sie die Intentionen dieses Antrags begriffen hat, finde ich erstaunlich. Ich möchte bei der Gelegenheit noch sagen, es war wohltuend, daß sich der Fraktionsvorsitzende der SPD die Sache mit offensichtlichem Interesse und offensichtlicher Zuneigung angehört hat.
Ich will nur einige Anmerkungen machen, weil das in der Begründung nicht enthalten ist. Wir haben das Ganze unter uns etwas aufgeteilt. Man muß heute davon ausgehen, daß sich die moderne Psychiatrie spezialisiert. Es gibt zunächst einmal die Tendenz, in die Ausbildung die Neurologie von der Psychiatrie abzutrennen, was ich für verhängnisvoll halte. Wir kommen nicht darum herum, eine eigene Sozialpsychiatrie und vor allem Jugendpsychiatrie zu treiben. Dazu möchte ich etwas sagen, weil ich das in politischer Hinsicht für bedeutsam halte.
Wir müssen davon ausgehen, daß es in einer modernen Gesellschaft eine immer größere Anzahl von Kindern gibt, die spezieller Hilfe bedürfen. Tragischerweise hängt das mit den Fortschritten der Medizin zusammen. Die Kinder, die nach einer Meningitis oder nach einer Enzephalitis wieder gesund werden, heilen meistens mit Defekt ab, mit Verhaltensschwierigkeiten, mit gestörten Entwicklungen. Das sind Kinder, die man früher einfach in Kinderheime gebracht hat. Man hat motorische Unruhe mit Zappelei verwechselt, extrapyramidale Störungen mit Unerzogenheit verwechselt Wir wissen heute, daß bei etwa 60 % der Kinder, die an Verhaltensstörungen leiden, im Grunde genommen frühkindliche Hirnschäden vorliegen. Mit anderen Worten, wir brauchen speziell vorgebildete Ärzte und Pflegepersonal für diese Kinder. Die dürfen wir nicht einfach in Heime stecken und dort der Hilfe ermangeln lassen, die sie eigentlich brauchen.
Es gibt gegenwärtig in Deutschland drei Ordinariate für Jugendspychiatrie, in Frankfurt, in Hamburg und in Marburg, und es gibt in der ganzen Bundesrepublik 15 habilitierte Jugendpsychiater. Ich will das jetzt hier nicht kritisieren. Ich halte das für einen guten Anfang. Ich möchte nur bitten, daß wir die Notwendigkeit von Jugendpsychiatrie und von jugendpsychiatrischen Einrichtungen jeder Art jetzt in die Betrachtung mit einbeziehen.
Ich möchte das noch in einem Zug fortführen und sagen: Wir können uns eigentlich pädagogische Heime einfach nicht mehr leisten. Nach den Befunden, die wir haben, müssen Kinderheime im Grunde heilpädagogische Heime sein, in denen sich Ärzte, Psychologen, Pädagogen und Soziologen zusammentun, um hier zu helfen.
Ich möchte zweitens noch einmal auf die Notwendigkeit der Erziehungsberatungsstellen und der Früherkennung hinweisen. Wir haben in der Bundesrepublik 400 Erziehungsberatungsstellen. Das macht auf 200 000 Menschen eine Beratungsstelle. Tatsächlich brauchen wir einen Schlüssel von 1 : 50 000. Es gehört mit zu der Reform der psychiatrischen Versorgung, daß wir hier helfen. Ich kündige hier an, daß wir in irgendeiner Form ein Gesetz einbringen werden — vielleicht als Novellierung des Jugendwohlfahrtsgesetzes —, das die Einrichtung von Erziehungsberatungsstellen zur Pflichtaufgabe macht und sie nicht dem Ermessen einiger Leute überläßt.
Das ist eigentlich das Wesentliche, was ich sagen wollte. Ich möchte .nur noch eines hinzufügen, was hier dauernd angeklungen ist. Wir wissen eine ganze Menge über die wirtschaftliche und soziale Entwicklung in der Zukunft und wissen auch etwas darüber, wie sich die Menschen entwickeln werden. Wir wissen ziemlich genau, daß sich Angst, Einsamkeit und Aggression in der modernen Gesellschaft ständig vermehren werden. Die Gesellschaft muß sich darauf einstellen, daß immer mehr Menschen der ärztlichen Seelsorge bedürfen; ich will hier lieber einmal diesen Ausdruck benutzen.

(Abg. Frau Renger: Auch im Bundestag!)

— Ich würde ihn nicht ausschließen, gnädige Frau.

(Abg. Dr. Jungmann: Das fällt nicht unter Jugendpsychiatrie!)

Worauf es uns bei dem ganzen Antrag ankommt, meine Damen und Herren, ist, daß wir, wenn wir Städte bauen, Landschaften gestalten, Wohnungen entwerfen, Organisationen bedenken, auch an diesen Grundtatbestand denken, daß der Mensch nicht von Brot allein lebt, sondern daß seine Seele ein Sein in der Welt ist und daß die Politik allen Anlaß hat, dafür zu sorgen, daß die Psychiatrie aus den Anstaltsmauern herauskommt. Die Sorge um den Menschen muß ein Grundbestand unserer politischen Überlegungen überhaupt werden.

(Beifall.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0604421700
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Koenig.

Peter-Michael Koenig (SPD):
Rede ID: ID0604421800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Zeit der Schlangengruben ist vorbei. Die Psychiatrie hat neben den anderen medizinischen Fachdisziplinen eine grundsätzlich gleichwertige Stellung erhalten. Die medikamentöse Behandlung, die Verhaltenstherapie, deren Methoden auf exakten Experimenten beruhen, und die Soziotherapie haben seelische Erkrankungen heilbar gemacht oder wesentlich gebessert.
Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes garantiert das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und Abs. 2 das Recht auf Leben und körperliche Unver-



Koenig
sehrtheit. Wenn die Bundesregierung aufgefordert wird, eine Enquete über die Situation der Psychiatrie in der Bundesrepublik zu erstellen, kann dies nur unter diesen Gesichtspunkten geschehen. Das heißt, zwei Forderungen müssen im Vordergrund stehen, erstens die Herausführung aus der Krankheit, zweitens die Hereinführung in die Gesellschaft.
Der Antrag der CDU/CSU zu diesem Problembereich ist in dieser Beziehung zu knapp formuliert. Die Bundesregierung sollte prüfen, ob der Fragenkatalog erweitert wenden kann, damit wir uns auch die Erfahrungen des Auslandes auf diesem Gebiet voll und ganz nutzbar machen.
Außerdem geht es um die Prioritätensetzung, ohne die man keine Organisationsformen, auch im Bereich der Psychiatrie, wirksam werden lassen kann. Z. B. muß der Untersuchung über die stationären Dienste für psychisch Kranke die Frage vorangestellt werden, wie groß psychiatrische Krankenhäuser sein müssen, um einen optimalen therapeutischen Effekt zu erhalten. Der Erlaß zum Mental-HealthGesetz in den USA von 1955 sprach sich ,erstmals deutlich für einen .Abbau der Riesenanstalten aus, die in den USA bis zu diesem Zeitpunkt bis zu 12 000 Betten umfaßten. Auch in der Bundesrepublik gibt es noch zu viele große Krankenhäuser, um nicht zu sagen: Mammutkrankenhäuser in diesem Bereich. Außerdem muß die Frage geklärt werden, ob psychisch kranke Rechtsbrecher nach § 42 b StGB und Oligophrene nicht ausschließlich in für sie bestimmte Krankenhäusern unterzubringen sind. Kleinere Krankenhäuser bedeuten aber auch ein Mehr an Krankenhäusern.
Hinzu kommt, daß die Patientenzahl in den psychiatrischen Krankenhäusern steigen, in den Landeskrankenhäusern des Landschaftsverbands Rheinland z. B. von 9527 im Jahre 1956 auf 11 810 im Jahre 1969. Das bedeutet also ein Anwachsen um rund 25 %. In der Bundesrepublik stehen für 100 000 Einwohner 176 Betten zur Verfügung, während in den USA für die gleiche Einwohnerzahl 450 Betten und in Schweden 420 Betten vorhanden sind. Dabei muß man berücksichtigen, daß in den verschiedenen Industrieländern die errechneten Promille-Bedarfszahlen psychiatrischer Krankenhausbetten unterschiedlich sind. So führt hier auch Schweden mit einer Promille-Bedarfszahl von 4,2 .vor den USA mit 4,0, während die Bundesrepublik lediglich eine Bettenzahl mit 1,9 Promille angibt.
Auch hier muß die Planung vor allem dem zu erwartenden Bedarfsanstieg gerecht werden. Die Untersuchung muß hier die echte Bedarfsziffer feststellen, da wegen einer fehlenden Krankenstatistik in der Bundesrepublik diese Zahl schwer zu ermitteln ist. Die Kenntnis der Bedarfsziffer sichert aber erst eine dem Problem adäquate Planung. Mit geschätzten 10 %o ist da wenig anzufangen, um so mehr, als nicht alle in diesen 10 %o befindlichen Kranken einer stationären Behandlung bedürfen.
Ein weiteres wesentliches Problem ist das des Arzt-Patienten-Schlüssels. In Dänemark kommt auf 46 Patienten ein Arzt, in Schweden auf 54 einer, beim Landschaftsverband Rheinland auf 80 einer, in der Bundesrepublik insgesamt auf 125 einer und nicht, wie es, glaube ich, wohl irrtümlich in der Begründung des vorliegenden Antrages steht, auf 300 ein Arzt. Die Planungen für eine Verbesserung dieser Situation können nur langfristig sein, da mehr psychiatrische Fachärzte ausgebildet werden müssen. Im übrigen muß man auch an eine Erweiterung des Pflegepersonals denken.
Für die stationären Dienste ist in Ergänzung zum Antrag der CDU/CSU zu fordern, daß die Errichtung von Aufnahme- und auch von Rehabilitationskliniken besonders geprüft wird. Die Aufnahmekliniken müssen ein Höchstmaß an diagnostischen Möglichkeiten bieten, um falsche oder ungerechte Einweisungen zu vermeiden, dies um so mehr, als das Gesetz für Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten des Landes Nordrhein-Westfalen im Interesse des Patienten eine bessere Erfassung über die Gesundheitsämter regelt. Professor Kulenkampff vom Düsseldorfer Landeskrankenhaus führte auf einem Kongreß aus, daß die Hälfte der Patienten der Landeskrankenhäuser entlassen werden könnte, wenn die Gesellschaft bereit wäre, sie zu integrieren, also bereit wäre, ihr Mißtrauen, ihre Angst, ihre Abwehr dem psychisch Kranken gegenüber zu überwinden.
Die Rehabilitationskliniken, im Ausland schon sehr erprobt, bilden hier die Zwischenstation zwischen Krankenhaus und Gesellschaft. Diesem Rehabilitationsdienst muß ein Resozialisierungsdienst angefügt werden. Das heißt: Allein mit der Errichtung von Nacht- und Tageskliniken, von Halbtags- und Wochenendkliniken, von Walk-in-Departments in Großstadtkliniken ist es hier nicht getan. Vor allen Dingen müssen in einem Resozialisierungsdienst die zukünftigen Kontaktpersonen der psychisch Kranken miterfaßt werden. Das sind insbesondere die künftigen Arbeitskollegen, Fürsorgerinnen, Sozialarbeiter, Lehrer und Pfarrer. Nur so kann die Intervention zur Rehabilitation und Resozialisierung fortgesetzt werden. Diese Forderung nach Erfassung und Untersuchung der Resozialisierungsdienste vermisse ich in dem Katalog der CDU über die nichtstationären offenen Dienste.
Meine Damen und Herren, in Punkt 4 des vorliegenden Antrags vermisse ich unter den Problembereichen, die im besonderen einer Untersuchung zu unterziehen hier gefordert wird, zwei Bereiche, die eigentlich in steigendem Maße Beachtung finden müßten, nämlich einmal die Gruppe der jugendlichen psychisch Kranken und zum zweiten die Suchtkranken. Herr Kollege Martin hat dankenswerterweise auf den einen Bereich hier aufmerksam gemacht, nur vermisse ich ihn im Antrag. Ich glaube, daß wir in der Ausschußberatung diesem Problem die nötige Aufmerksamkeit werden zuwenden können.

(Zustimmung des Abg. Dr. Martin.)

In unserem sich komplizierenden Gesellschaftssystem müssen wir, meine Damen und Herren, wie hier festgestellt wurde, mit einer steigenden Zahl von psychisch Auffälligen rechnen. Die sensiblen Naturen und hier vor allem die Jugendlichen sind diesen Belastungen im besonderen Maße ausgesetzt,



Koenig
die immer häufiger zu echten psychischen Erkrankungen führen können. Diese Erkrankungen sind mehr und mehr auf soziale Einflüsse zurückzuführen und somit ein soziales Phänomen. Aus diesem Grunde muß die Jugendpsychiatrie in den anzustellenden Untersuchungen besonders berücksichtigt werden.

(Abg. Dr. Martin: Sehr gut!)

Zu den Suchtkranken! Zum Beispiel hat sich die Zahl der Alkoholkranken in den Rheinischen Landeskrankenhäusern von 1962 bis 1965 — also in vier Jahren — fast verdoppelt, nämlich von 302 auf 571. Auch die zu beobachtende steigende Einnahme von Rauschmitteln in den Industriestaaten, vor allen Dingen bei den Jugendlichen, bedarf einer genauen Untersuchung. Mit Verdammungsurteilen allein ist hier überhaupt nichts zu erreichen. Ebenso nützt es wenig, nun nach rigoroseren polizeilichen Maßnahmen zu rufen. Die Untersuchung sollte sich vor allem auch mit der Erarbeitung einer sinnvollen und sachgerechten Aufklärung der Öffentlichkeit befassen. Der steigende Konsum des im Anfangsstadium relativ ungefährlichen Haschischs stellt uns vor die Frage, inwieweit Haschischgenuß nur eine Übergangsstufe zu weit gefährlicheren Rauschmitteln darstellt.
Meine Damen und Herren, in einer Welt, die für den einzelnen immer schwieriger zu überschauen ist, in der die technischen, automatisierten und programmierten Abläufe unserer Zeit mehr und mehr das Geschehen bestimmen, wird es für den einzelnen ständig schwerer, sich in seiner Umwelt und in der Gesellschaft insgesamt zu behaupten. Die Psychiatrie wird in besonderem Maße die Aufgabe haben, auf diese Herausforderungen unserer Zeit an die menschliche Gesundheit mit eine Antwort zu geben. Wir müssen ihr dabei helfen, damit die psychisch Kranken aus ihrer schrecklichen Isolation gelöst werden.

(Beifall.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0604421900
Meine Damen und Herren, ich darf in Ihrem Namen Herrn Kollegen Koenig die herzlichen Glückwünsche zu seiner ersten Rede in diesem Hohen Hause sagen.

(Beifall.)

Das Wort hat jetzt der Herr Kollege von Thadden.
von Thadden (CDU/CSU) Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dies ist eine gute Stunde, auch wenn wir nur noch wenige sind, die hier zusammen ausharren, denn sie macht nach zwei Tagen, in denen wir miteinander oft sehr hart gerungen haben, deutlich, daß es Augenblicke gibt, in denen Demokraten zusammengehören, weil sie von einer gemeinsamen Sorge umgetrieben werden.
In den wenigen Minuten möchte ich Ihnen als Vater eines Kindes, das geistig behindert ist, ein paar Gedanken nahebringen, von denen ich hoffe, daß sie in die Öffentlichkeit ausstrahlen. Das ist zunächst einmal die Sorge, die Christliche Demokraten, Sozialdemokraten und Freie Demokraten verbindet, daß wir am Ausgang eines Jahrhunderts so wenig über die Aufgaben wissen, die wir gegenüber dem geistig Behinderten zu bewältigen haben.
Muß es uns nicht alle umtreiben — nicht nur uns, die wir jetzt noch hier sind —, daß wir beispielsweise immer noch nicht wissen, wie hoch die Zahl der Kinder ist, die mit frühkindlichen Hirnschäden geboren werden? Wir hören eine Ziffer etwa von 5000. Andere Fachleute sagen uns: nein, 12 000. Wieder andere sagen: 15 000 sind es. Muß uns das nicht umtreiben?
Muß es uns nicht zu denken geben, ob wir aus christlichen Motiven heraus sprechen oder ob wir einer anderen Weltanschauung anhängen, wenn beispielsweise das Zweite Deutsche Fernsehen sich so viel Mühe gibt, während eigentlich hier doch zunächst wir selbst, wir, die wir uns so gern draußen im Lande als Volksvertreter titulieren lassen, gefragt und gefordert sind? Müßte nicht doch mancher, der hier jetzt nicht dabei ist, sich fragen, was von seinen Versprechungen draußen im Lande zu halten ist, mit denen er sagt, er wolle sich der Ärmsten annehmen? Sind nicht gerade diejenigen, die geistig behindert sind, in erster Linie zu denen zu rechnen, die im Schatten unserer modernen Gesellschaft leben? Und muß es uns nicht beunruhigen, ob wir Ärzte sind oder ob wir Laien sind, wenn eine Untersuchung in Baden-Württemberg ergeben hat, daß ein Fünftel aller Untersuchten sanatoriumsreif ist, darunter doch ohne Zweifel eine Anzahl von Menschen, die auch für psychische Behandlung reif geworden sind?
Können wir daran in unserem Bundestag vorübergehen, wo wir andererseits sehr viel Zeit für die Forderungen großer und mächtiger Interessenverbände aufwenden? Ich bin sicher, ohne den Verbänden zu nahe treten zu wollen, wenn die verschiedenen Fronten hier auftreten, wenn die Gewerkschaften oder was immer Sie nennen wollen, mit ihren z. T. sicher wichtigen Forderungen auf uns zukommen, sagt mancher: Jetzt gehöre ich hierher, hier muß meine Stimme gehört werden! Aber daneben gibt es .die Stimme derer, die sich nur sehr schwach vernehmbar machen können.
Darum möchte ich dem Bundestag einen Vorschlag unterbreiten, einen Vorschlag, der offen ist für jede Korrektur und Verbesserung und der weiß Gott nicht darauf abzielt, daß hier parteipolitisch Propaganda gemacht wird. Denn bei psychisch Kranken ist ja wenig mit Werben um Wählergunst gewonnen; da müßte man sich ja doch wohl andere Themen aussuchen. Der Vorschlag, den ich Ihnen machen möchte, ist, daß wir uns einmal im Jahr dazu aufraffen und über solche Gruppen der Bevölkerung — und dazu gehören in erster Linie unsere psychisch Kranken und manche andere der Gruppen der Schwerbehinderten — in diesem Bundestag konkret sprechen, beispielsweise in der Form, daß zunächst einmal am Vormittag Sachinformationen gegeben werden und daß wir dann im Bundestag Gedankengänge vorlegen, was wir tun können, um einen Schritt weiterzukommen. Und dann kommen all die verehrten Fachleute, deren Wissen ich als Laie be-



von Thadden
wundere und die wir eben gehört haben, auf uns zu, und sie werden uns manches anzubieten haben, Änderungen etwa der Reichsversicherungsordnung oder den Appell, mitzumachen bei einer Aktion, die jetzt starten soll, die Aktion für psychisch Kranke, die die Öffentlichkeit aufrütteln soll, oder andere Dinge, auf die ich jetzt wegen der vorgeschrittenen Zeit nicht eingehen möchte. Dann könnten wir an diesem Tage hinausgehen aus diesem Saal in dem Bewußtsein, wirklich Volksvertreter gewesen zu sein und von uns den Verdacht weggestoßen zu haben, als würden wir nur immer dort hinschielen, wo uns der größte Beifall entgegenschallen kann.
Lassen Sie mich damit enden, daß ich einmal denen danke, die tagaus tagein den schweren Dienst an unseren psychisch Kranken leisten, und daß ich Ihnen für Ihre Geduld danke, mit der Sie mir noch zugehört haben. Das ist eine Tugend, die Geduld, der wir gerade im Zusammenhang mit diesen Ärmsten besonders bedürfen.

(Beifall.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0604422000
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Jungmann.

Dr. Gerhard Jungmann (CDU):
Rede ID: ID0604422100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, es ist deutlich geworden, daß diese Diskussion keine im Grunde genommen nicht hierhergehörige Fachdiskussion über ein Wissenschaftsgebiet der Psychiatrie ist, sondern daß es sich hier tatsächlich um ein eminent politisches Problem handelt.

(Abg. Hauck: Das müssen wir draußen klarmachen! - Abg. Dr. Martin: Sehr richtig!)

— Herr Hauck, Sie haben vollkommen recht.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0604422200
Es ist meine Hoffnung — wenn ich das als amtierender Präsident sagen darf —, daß der Wunsch nach einer fachgerechten Sachaussage in dieser Aussprache den Widerhall in der Öffentlichkeit für dieses doch sehr erregende Thema nicht zurückdrängt. Wir können nur hoffen, daß das nicht geschieht.

(Beifall.)


Dr. Gerhard Jungmann (CDU):
Rede ID: ID0604422300
Von diesem Gedangang haben sich die Initiatoren leiten lassen. Es hätte auch heißen können „Situation der psychisch Kranken in der Bundesrepublik". Es war eigentlich das Gefühl einer gewissen Zurückhaltung gegenüber diesem Personenkreis und der Tatsache, daß es sich um das Verhältnis der Gesellschaft — im wesentlichen unter dem Begriff „Psychiatrie" zusammengefaßt — zu diesen Menschen handelt und hier nicht etwa eine billige Effekthascherei angestrebt ist.
Ich möchte am Schluß dieser Aussprache auf eine Personengruppe aufmerksam machen, die zwar immer erwähnt worden ist, die aber doch auch in dieser politischen Aussage etwas eingehender erwähnt zu werden verdient: das sind die alten Menschen. Das ist übrigens auch einer der Gründe, die abseits aller Zuständigkeitsfragen die Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik betreffen und uns nicht nur berechtigen, sondern geradezu verpflichten, uns mit ,diesen Fragen zu beschäftigen. Wir wissen — ich will hier gar keine Zahlen nennen —, daß der Anteil alter Menschen in unserer Gesellschaft immer mehr zunimmt. Leider ist es nicht so, daß auch die Lebenskraft und Jugendlichkeit in gleichem Maße zunehmen, obwohl manche Leute sich das wünschen.
Es ist doch so, daß ein sehr großer Teil dieser alten Menschen in einem seelischen und gesellschaftlichen Zustand lebt, der geradezu zu seelischen Störungen Veranlassung gibt. Ich meine die Vereinsamung der alten Menschen mitten in unserer Gesellschaft. Es ist hier nicht der Ort, Vorwürfe zu erheben, ,obwohl das in mancher Hinsicht gerechtfertigt wäre. Es handelt sich um den Vorwurf, daß sich die Familien und die Gesellschaft nicht in der nötigen Weise um die alten Menschen kümmern. Es liegt in der Natur der Entwicklung, z. B. in der Mobilität ,der Industriegesellschaft, daß dies zum Teil gar nicht möglich ist. Ich will trotzdem die Feststellung nicht unterdrücken, daß sich viele in der Familie ihren menschlichen Verpflichtungen nur allzu leicht entziehen oder meinen, sie könnten dieser Aufgabe nicht mehr gerecht werden.
Aber darum handelt es sich hier gar nicht. Ich will auch nicht über die Psychiatrie der alten Menschen sprechen, sondern ich will sagen, daß das Altwerden in einer so großen Zahl in unserer Gesellschaft auch ein erhebliches Problem für die Psychiatrie darstellt. Es ist nicht allein ein Problem der Anstaltspsychiatrie — obwohl es da einen besonderen Aspekt gibt —, sondern es ist ein Problem in dem Sinne, daß wir mitten in unserer Gesellschaft für die alten Menschen die richtigen Lebensbedingungen zu schaffen nicht in der Lage waren.
Es ist z. B. ein Problem der Altenwohnungen, die nicht den Charakter eines Altenghettos annehmen dürfen, wie es allzu leicht und immer wieder der Fall ist, und der Altenheime, die derselben Tendenz folgen. Es muß das, was unzählige Menschen immerzu fordern, was in der Wirklichkeit aber nicht genügend realisiert wird, erreicht werden, nämlich daß die alten Menschen mitten in der Gesellschaft leben, um nicht weiter zu vereinsamen. Diese Vereinsamung findet in Altenheimen ihre zum Teil trostlose Ausprägung. Diese Altenheime sind in der besten Absicht gestaltet, aber sie können vielfach ihren Aufgaben gar nicht gerecht werden. Sie können ihren Aufgaben auch gar nicht gerecht werden, weil es eben eine nahezu unlösbare Aufgabe ist, eine große Anzahl von alten Leuten — nun benutze ich ausdrücklich einen etwas häßlichen Ausdruck — zu kasernieren. Man sollte nicht glauben, daß man den alten Menschen damit ein ihnen angemessenes Leben verschaffen könnte.
Das Allerschlimmste aber ist die Endstation: das Landeskrankenhaus. Wenn ein psychisch Alterierter, also ein nicht im engeren, strengen Sinne Kranker, sondern einfach ein alter Mensch, der in seinen Lebensfunktionen so eingeschränkt ist, daß er sich nicht mehr in jeder Hinsicht selbst helfen kann, erst einmal in einem Landeskrankenhaus, in einer dieser großen Krankenanstalten für psychisch Kranke, ge-



Dr. Jungmann
landet ist, obendrein noch in einer geschlossenen Abteilung, dann kommt er da praktisch nie wieder heraus. Und das ist eine geradezu entsetzlich ausweglose Situation.
Die Öffentlichkeit weiß das ganz genau, aber sie schaut nur allzu gerne weg. Und wie viele Familien, die das auch wissen oder doch wissen müßten, finden sich achselzuckend in dieses trostlose Schicksal! Die alten Leute werden zu psychisch Kranken gemacht, obwohl sie es eigentlich gar nicht sind. Und das sind nicht einige wenige, sondern das sind viele Tausende.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich glaube, diese Diskussion wäre unvollständig gewesen, wenn ich nicht auf diesen Personenkreis hingewiesen hätte.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Wir werden uns dann im Ausschuß mehr mit den fachlichen Fragen zu beschäftigen haben. Hier war es wesentlich, auch der Öffentlichkeit zu zeigen, daß der Deutsche Bundestag bereit ist, sich mit solchen Fragen, die nicht im herkömmlichen Sinne als politisch gelten, zu beschäftigen.

(Beifall.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0604422400
Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, den Antrag an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit zu überweisen. — Ich stelle allseitiges Einverständnis fest.
Wir stehen am Ende der heutigen Plenarsitzung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages für Mittwoch, den 22. April 1970, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.