Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die Tagesordnung um die in der Ihnen vorliegenden Liste bezeichneten Vorlagen ergänzt werden. — Das Haus ist damit einverstanden.
Folgende amtliche Mitteilung wird ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vorn 25. Juni 1959 die
Verordnung des Rates zur Errichtung einer gemeinsamen Marktorganisation für Spinnfasern
Verordnung des Rates zur Ausdehnung der für Ölsaaten geltenden Preisregelung auf Leinsamen
— Drucksache V.4689 —auch dem haushaltsausschuß mitberatend überwiesen.
Wir kommen zur
Fragestunde
— Drucksachen VI/ 146, VI/180 —
Es liegen Dringliche Mündliche Fragen zum Geschäftsbereich des Presse- und Informationsamtes vor. Ich rufe die Frage 1 des Abgeordneten Ruf auf:
Hält es die Bundesregierung für vertretbar, daß das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung in dem Flugblatt „die Bundesregierung informiert: zwei gute Nachrichten für alle Rentenempfänger" unter anderem behauptet, „Arbeitsminister Walter Arendt schlug vor, das Kabinett beschloß von Januar an ist ihre Rente um 6,35 0/o erhöht, ihre höhere Rente bekommen sie schon jetzt ausgezahlt"?
Zur Beantwortung Herr Staatssekretär Ahlers.
Ahlers, Staatssekretär: Frau Präsidentin, des Sachzusammenhangs wegen möchte ich die beiden Fragen des Herrn Abgeordneten Ruf zusammen beantworten.
Frage 2 des Abgeordneten Ruf:
Ist denn der Bundesregierung nicht bekannt, daß dieser Beschluß schon unter der Regierung Kiesinger vom Bundestag im Juni dieses Jahres einstimmig gefaßt worden ist?
Ahlers, Staatssekretär: Die Bundesregierung, Herr Abgeordneter, hat keineswegs die Absicht, sich mit fremden Federn zu schmücken, obwohl sie zum Teil auch aus Mitgliedern der alten Bundesregierung besteht. Dieser Eindruck sollte und konnte durch das in Frage stehende Flugblatt nicht erweckt werden. Das Bundespresseamt hat in dem Flugblatt nach unserer Auffassung einwandfrei, und zwar unter Berücksichtigung graphischer Notwendigkeiten die beiden Sachaussagen getrennt, einmal die Aussage über die Streichung des zweiprozentigen Bei-. trages zur Krankenversicherung und zweitens die Rentenerhöhung, die schon von der letzten Bundesregierung, vom letzten Bundestag und vom Bundes-rai beschlossen worden ist. Diese Trennung geht, wenn Sie sich das Flugblatt genau ansehen, einwandfrei aus dem ausdrücklichen Hinweis hervor, daß Bundestag und Bundesrat noch über die Streichung des Krankenversicherungsbeitrages zu beschließen haben, und aus dem Zusatz bei der zweiten Aussage: Und außerdem wird die Rente erhöht.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ruf.
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, in welcher Auflage und wie das Flugblatt verteilt werden soll?
Ahlers, Staatssekretär: Die Auflage, Herr Abgeordneter, wird etwa 5 Millionen Exemplare betragen. Es wird an alle Rentner verteilt werden, die in der Zeit zwischen dem 18. und 31. Dezember bei der Bundespost ihre Renten entgegennehmen.
Eine weitere Frage des Herrn Abgeordneten Ruf.
Herr Staatssekretär, in dem Flugblatt heißt es:
So muß es sein: unbürokratisch und ohne Anträge.
Wird damit nicht der Eindruck erweckt, als ob in der Vergangenheit bei Rentenanpassungen die einzelnen Renter hätten Anträge stellen müssen? Das ist doch genauso wahrheitswidrig, wie ich Ihre Behauptung zur Frage 2 nach wie vor für wahrheitswidrig halte.
Ahlers, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, ich würde nicht den Umkehrschluß akzeptieren, daß, wenn man darauf hinweist, daß die Rentenauszah-
Staatssekretär Ahlers
lung unbürokratisch und ohne Anträge erfolgt, es früher anders gewesen sei.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Breidbach.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir zustimmen, daß die in diesem Flugblatt vorgenommene graphische Aufteilung den Eindruck erweckt, als würde es sich bei der Rentenerhöhung um eine zusätzliche Maßnahme der Bundesregierung handeln.
Ahlers, Staatssekretär: Nein: Herr Abgeordneter, gerade diese Zustimmung kann und möchte ich Ihnen nicht geben; denn ich habe soeben ausgeführt, daß nach meiner Auffassung und der Auffassung des Hauses die graphische Gestaltung die Trennung zwischen den beiden Aussagen enthält.
Herr Abgeordneter Breidbach, Sie haben leider keine zweite Zusatzfrage mehr. — Bitte schön.
Herr Staatssekretär, halten Sie es für richtig, daß die Bundesregierung ein Flugblatt herausgibt, in dem sie die Abschaffung des Rentnerbeitrages zur Krankenversicherung ankündigt, obwohl das Parlament das noch nicht beschlossen hat? Sind Sie nicht der Meinung, daß das unter Umständen eine erneute Täuschung der Rentner — wie schon einmal mit den 50 DM — ist?
Ahlers, Staatssekretär: Nein, Herr Abgeordneter, das glaube ich nicht. Erstens ist das Presseamt selbstverständlich gehalten, Beschlüsse der Bundesregierung, von denen die Bundesregierung mit Recht annehmen kann, daß sie von den gesetzgebenden Körperschaften gebilligt werden, bereits öffentlichkeitswirksam darzustellen, und zweitens, glaube ich, kann das Bundespresseamt und kann die Bundesregierung davon ausgehen, daß diese Beschlüsse wirksam werden, so daß eine Täuschung der Rentner nicht erfolgen wird.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Ruf.
Ich verzichte auf eine Zusatzfrage, erkläre aber nach wie vor, daß ich mit der Antwort der Bundesregierung unzufrieden bin.
Das letztere war keine Frage.
Ich danke Ihnen, Herr Ahlers.
Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen. Ich rufe die Frage 128 des Herrn Abgeordneten Matthöfer auf:
Kennt die Bundesregierung die kürzlich veröffentlichte Dokumentation des Internationalen Bundes Freier Gewerkschaften, in der dem spanischen Generalstaatsanwalt Beweisunterlagen über zahlreiche Fälle von Mißhandlungen und Folterungen politischer Häftlinge durch die spanische Polizei vorgelegt wurden?
Ist Herr Matthöfer im Saal? — Das ist der Fall. Bitte, Herr Staatssekretär!
Frau Präsidentin: Ja, die Dokumentation des Internationalen Bundes Freier Gewerkschaften ist der Bundesregierung bekanntgeworden.
Herr Staatssekretär, ist sich die Bundesregierung darüber im klaren, daß die in dieser Dokumentation dargestellten Vorfälle, die sich im wesentlichen auf das beziehen, was sich im Norden des Landes abgespielt hat, nur ein kleiner Ausschnitt aus dem sein kann, was sich in der spanischen Realität auch heute noch vollzieht?
Herr Kollege, die Bundesregierung hat keine volle Möglichkeit, die Angaben nachzuprüfen, die in der Dokumentation gemacht werden, geschweige denn Angaben, die darüber hinausgehen. Sie geht aber davon aus, daß der spanische Justizminister sich gegenüber einer Delegation der Internationalen Arbeitsorganisation schon vor Monaten bereit erklärt hat, nicht nur selbst eine Nachprüfung solcher Fälle vorzunehmen, sondern auch bei dieser Nachprüfung ausländische Beobachter zuzulassen. Inzwischen hat die Bundesregierung erfahren, daß der spanische Generalstaatsanwalt dem Internationalen Bund Freier Gewerkschaften am 2. Dezember erklärt hat, daß Ermittlungen gegen bestimmte Personen im Gange seien und gegebenenfalls Militärstrafverfahren eingeleitet würden.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 129 des Abgeordneten Härzschel auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, Biafra völkerrechtlich anzuerkennen, und sieht sie in einem solchen Schritt einen Weg, den Krieg schneller zu beenden?
Ist Herr Härzschel im Saal? — Das ist der Fall. Bitte schön!
Frau Präsidentin, darf ich zu Beginn der Beantwortung der Frage darauf hinweisen, daß diese Bundesregierung wie ihre Vorgängerinnen den Krieg in Biafra zutiefst bedauert und alles tun will, um zumindest die menschlichen Folgen dieses Krieges zu lindern. Sie ist sich zugleich darüber im klaren, daß es sich hier nicht nur um ein humanitäres Problem handelt.
Die Bundesregierung steht jedoch unverändert auf dem Standpunkt, daß eine Anerkennung Biafras durch die Bundesrepublik nicht zur Beendigung des Krieges beitragen würde. Sie ist der Meinung, daß wir uns hier auf die afrikanischen Staaten und die Organisation für Afrikanische Einheit verlassen sollten und die Bemühungen dieser Organisation respektieren sollten. Das steht auch im Einklang mit den Beschlüssen, die in dieser Organisation mehrfach ge-
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Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Dahrendorf
faßt worden sind. Die kürzliche Bemühung neutraler Staaten, insbesondere der Schweiz, vermittelnd einzugreifen, hat durch die Schwierigkeiten, in die sie geraten ist, gerade gezeigt, wie sinnvoll es ist, hier den afrikanischen Staaten die Initiative zu überlassen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Härzschel.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung schon den Versuch unternommen, bei diesem Bürgerkrieg vermittelnd einzuwirken?
Die Bundesregierung hat eine Reihe von Gesprächen mit Vertretern afrikanischer Staaten geführt, bei denen diese Frage im Vordergrund stand, in letzter Zeit vor allem mit Vertretern von Ghana und Sierra Leone. Sie hat auf diesem mittelbaren Weg versucht, das Ihre dazu beizutragen, daß hier eine Vermittlung möglich wird.
Eine weitere Zusatzfrage!
Darf ich daraus schließen, daß die Bundesregierung alles unternehmen wird, was in ihren Kräften steht, um mitzuhelfen, dieses Blutvergießen so schnell wie möglich zu beenden?
Ja, Herr Kollege, das dürfen Sie daraus entnehmen.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 130 des Abgeordneten Härzschel auf:
Leistet die Bundesrepublik Deutschland noch humanitäre Hilfe in Biafra, und wird sie das auch weiterhin tun?
Frau Präsidentin! Die Bundesregierung hat 1968 25 Millionen DM und 1969 fast 38 Millionen DM für die humanitäre Hilfe für die Zivilbevölkerung auf beiden Seiten der Bürgerkriegsfront aufgewendet. Die Bundesregierung ist entschlossen, die Hilfe auch für das Jahr 1970 in erheblichem Umfang fortzusetzen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Härzschel.
Wäre die Bundesregierung angesichts des großen Elends nicht bereit, ihre Hilfe noch zu erhöhen?
Herr Kollege, ich bin nicht in der Lage, Ihnen in diesem Zusammenhang eine haushaltswirksame Zusage zu machen. Ich kann nur darauf verweisen, daß uns unverändert sehr daran gelegen ist, daß dieser Krieg rasch beendet wird und nicht noch mehr Menschen als schon bisher in Not geraten oder gar sterben müssen.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Härzschel.
Wären Sie zumindest bereit, Herr Staatssekretär, dies noch einmal zu prüfen und auch mit dem Finanzminister darüber zu sprechen? Denn angesichts des Massensterbens sollten wir es uns nicht so billig machen, sondern, soweit es in unseren Möglichkeiten steht, helfen.
Ich teile Ihre Meinung, Herr Kollege, und ich will es gern in Ihrem Sinne überprüfen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordnete Kliesing.
Herr Staatssekretär, wird sich die Bundesregierung in ihren Bemühungen auch nicht durch eine etwas seltsam klingende Erklärung beirren lassen, die jüngst aus Genf kam?
Herr Kollege, ich muß Ihnen gestehen, daß mir die Erklärung, auf die Sie sich hier beziehen, im Augenblick nicht gegenwärtig ist.
Darf ich Sie darauf hinweisen, daß eine Erklärung seitens einer Genfer kirchlichen Institution vorliegt, die davon abrät, die humanitäre Hilfe in Biafra noch weiter fortzusetzen.
Die Bundesregierung wird sich durch eine solche Erklärung sicher nicht beirren lassen, sondern sieht im Gegenteil mit Genugtuung, daß sich die kirchlichen Organisationen in der Bundesrepublik in ganz erheblichem Maße in diese Hilfe eingeschaltet haben und es auch in Zusammenarbeit der verschiedenen kirchlichen Organisationen getan haben und weiter zu tun beabsichtigen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Kiep.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung im Rahmen ihrer Bemühungen und Überlegungen im Zusammenhang mit diesem Konflikt Konsultationen auch mit der britischen Regierung gehabt und diese über die Meinung und die Haltung der Bundesregierung in dieser Frage informiert?
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Die britische Regierung ist über die Meinung und die Haltung der Bundesregierung in dieser Frage informiert. Das hat, was Sie genauso gut wie ich wissen, das britische Unterhaus nicht davon abgehalten, gerade unlängst wieder die britische Nigeria-Politik mit einer vielleicht sogar überraschenden Mehrheit zu billigen.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 131 des Herrn Abgeordneten von Thadden auf:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesrepublik für eine Hilfe für die Opfer der Kämpfe im Südsudan?
Bitte schön, Herr Staatssekretär!
Frau Präsidentin! Die Kämpfe im Südsudan haben in den letzten Jahren erfreulicherweise immer mehr nachgelassen. Die jetzige sudanesische Regierung hat durch das Angebot einer gewissen Autonomie für die Südsudanesen ebenfalls zur Beruhigung der Lage beigetragen. Es kann gleichwohl kein Zweifel daran bestehen, daß die Lebensverhältnisse sowohl im Süden der demokratischen Republik Sudan als auch in den Flüchtlingslagern der Nachbarländer Maßnahmen humanitärer Hilfe möglich und nötig erscheinen lassen. Derartige Maßnahmen werden seit mehreren Jahren durch den Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen durchgeführt. Zum Budget des Flüchtlingskommissars trägt auch die Bundesregierung bei.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter von Thadden.
Herr Staatssekretär, wären Sie, da Sie offensichtlich Berichte darüber haben, daß die Kämpfe nachgelassen haben — was von anderen Seiten bezweifelt wird —, bereit, den deutschen Botschafter in Uganda, wo sich ja die größere Zahl der Flüchtlinge aus dem südlichen Sudan befindet, zur Berichterstattung darüber aufzufordern, ob sich der Flüchtlingsstrom vermindert hat oder unvermindert weitergeht?
Die Berichte, die wir sowohl aus Uganda als auch von unseren Interessenvertretungen bei anderen Botschaften haben, sind ziemlich erschöpfend. Sie laufen im wesentlichen darauf hinaus, daß heute der Kern der Problematik im Südsudan in den Lebensverhältnissen derer liegt, die dort sind, und nicht in den vorhandenen Kämpfen. Ich bin aber gern bereit, weitere Berichte darüber einzuholen, um sicherzustellen, daß unsere Information so gründlich wie möglich ist.
Keine weitere Zusatzfrage.
Dann kommen wir zur Frage 132 des Herrn Abgeordneten von Thadden:
Beteiligt sich die Bundesregierung an der humanitären Unterstützung von Opfern auf beiden Seiten der kämpfenden Parteien im Jemen?
Auch die Kampfhandlungen im Jemen sind, abgesehen von gelegentlichen kleineren Auseinandersetzungen im äußersten Norden des Landes, praktisch zum Erliegen gekommen. Ein unmittelbarer Anlaß für Hilfeleistungen besteht daher zur Zeit nicht mehr. Soweit der Bundesregierung bekannt ist, hat das Internationale Rote Kreuz seine Tätigkeit im Jemen nicht zuletzt aus diesem Grunde eingestellt. Die Bundesregierung hatte zu Anfang dieses Jahres dem Jemen für die Behandlung Kriegsversehrter orthopädisch-medizinische Geräte zur Verfügung gestellt. Auch ein Teil der kürzlich bereitgestellten Medikamentenspende wird Opfern des Bürgerkrieges zugute kommen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten von Thadden.
Herr Staatssekretär, beziehen sich diese Berichte im wesentlichen auf Angaben, die wir von republikanischer Seite, mit der wir ja in diplomatischen Beziehungen stehen, erhalten, oder gibt es Erkenntnisquellen für das Auswärtige Amt, die auf der anderen Seite liegen?
Es gibt für die Bundesregierung auch Erkenntnisquellen, die auf der anderen Seite liegen. Aber es ist selbstverständlich, daß wir wesentliche Erkenntnisse aus den von Ihnen geschilderten Quellen beziehen.
Keine weitere Zusatzfrage.
Wir kommen zur Frage 133 des Herrn Abgeordneten Dr. Marx:
Wie hat die sowjetische Regierung auf die hei Unterzeichnung des Atomwaffensperrvertrages übergebene deutsche Note reagiert?
Bitte schön, Herr Staatssekretär!
Frau Präsidentin, die sowjetische Regierung hat die bei Unterzeichnung des Nichtverbreitungsvertrages in Moskau übergebene deutsche Note entgegengenommen. Das gleiche haben die amerikanische und die britische Regierung bei der Unterzeichnung in Washington bzw. in London getan.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Marx.
Herr Staatssekretär, darf ich zur Verdeutlichung fragen: ist die Note oder die russische Übersetzung der Note entgegengenommen worden?
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Es ist die Note entgegengenommen worden.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Marx.
Ich hätte gerne gewußt, Herr Staatssekretär: treffen die Meldungen etwa im „General-Anzeiger" Bonn zu, die behaupten, daß die Sowjetunion die Note nicht akzeptiert habe, oder sind diese Meldungen unrichtig?
Die Note ist entgegengenommen worden. Damit ist für uns genau das erreicht, was wir zu erreichen versucht haben. Insofern sind diese Meldungen nicht richtig.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Freiherr von und zu Guttenberg.
Herr Staatssekretär, hatten die deutschen Botschafter in Washington, London und Moskau hinsichtlich der Frage der Verbindung ihrer Unterschrift unter dem Vertrag mit der überreichten Note die gleichen, identischen Weisungen?
Ja.
Herr Kollege, Sie haben nur eine Zusatzfrage, wenn Sie nicht selbst Fragesteller sind. Aber Sie kommen ja noch einmal dran.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schulze-Vorberg.
Herr Staatssekretär, da Sie feststellen, daß die Bundesregierung erreicht hat, was sie erreichen wollte, darf ich fragen: was wollte die Bundesregierung erreichen?
Sie wollte erreichen, daß die deutsche Note mit dem dazugehörigen Disclaimer aus Anlaß der Unterschrift unter den NV-Vertrag überreicht wird und entgegengenommen wird.
Herr Abgeordneter Kliesing!
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, im Auswärtigen Ausschuß einen eingehenden Bericht über die Vorgänge bei der Unterschriftsleistung unter den Sperrvertrag in Moskau zu geben?
Ein solcher Bericht ist durch den Herrn Bundesaußenminister gestern bereits dem Auswärtigen Ausschuß angekündigt worden. Die Bundesregierung ist selbstverständlich bereit, ihn auch zu geben.
Keine weitere Zusatzfrage.
Wir kommen zur Beantwortung der Frage 134 des Herrn Abgeordneten Dr. Marx:
wird die Bundesregierung bei den sich anbahnenden Gesprächen mit der Volksrepublik Polen darauf drängen, daß die Bundesrepublik Deutschland korrekt bezeichnet und nicht von offizieller und offiziöser Seite, so wie das auch von tschechoslowakischen Stellen in deutscher Sprache oft geschieht, als Deutsche Bundesrepublik benannt wird?
Frau Präsidentin, die bisher zwischen der Bundesregierung und der Regierung der Volksrepublik Polen geschlossenen Vereinbarungen enthalten die korrekte Bezeichnung „Bundesrepublik Deutschland" — „Federalna Republika Niemiec". Das gilt z. B. auch für die Vereinbarung über den internationalen Straßenverkehr, die im September des Jahres in Bonn unterzeichnet wurde. Die Bundesrepublik erwartet daher auch bei künftigen deutsch-polnischen Verhandlungen in dieser Frage keine Schwierigkeiten.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Marx.
Herr Staatssekretär, wäre es möglich — natürlich mit der gebotenen Behutsamkeit , darauf hinzuwirken, daß sowohl von polnischer als auch von tschechoslowakischer Seite zumindest in deutscher Sprache die korrekte Bezeichnung „Bundesrepublik Deutschland" verwendet wird. Es wird ja gesagt, die Formel „Deutsche Bundesrepublik" werde nur wegen gewisser sprachlicher Schwierigkeiten in die slawischen Sprachen übersetzt, wobei ich mich auch auf offiziöse Quellen wie etwa „Trybuna Ludu" oder Radio Prag oder Radio Warschau beziehe, wo immerfort von der „Deutschen Bundesrepublik" die Rede ist.
Herr Kollege, die Bundesregierung hält die korrekte Staatenbezeichnung im offiziellen Verkehr zwischen Staaten für ein selbstverständliches Gebot der Höflichkeit und gegenseitigen Achtung. Sie wird selbstverständlich darauf hinwirken, daß diese korrekte Staatenbezeichnung erfolgt. Ich bin weniger in der Lage, Ihnen dasselbe für die von Ihnen geschilderten offiziösen Organe zuzusagen; denn hier sollten wir uns, wie ich meine, sehr stark zurückhalten in dem Versuch, einzuwirken.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Marx.
756 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 21. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Dezember 1969
Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, Ihre Zusage auch auf Bemühungen auszudehnen, die die Regelung der Sprache zwischen unseren tschechoslowakischen Nachbarn und uns in offiziellen Gesprächen und in künftigen Verträgen einschließt, weil auch dort die von mir soeben beanstandete Formel bedauerlicherweise verwendet wird?
Aus meiner Antwort im Hinblick auf Polen ergibt sich, daß wir das in allen Ländern durchzusetzen beabsichtigen
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wienand.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, auch einmal nachprüfen zu lassen, ob Meldungen zutreffen, wonach gerade im Hinblick auf die CSSR das, was der Kollege Dr. Marx hier beanstandet hat, auf einen Vertrag zurückzuführen ist, der in die 50er Jahre fällt und die Unterschrift des jetzigen Abgeordneten Dr. Erhard trägt?
Ich bin gern bereit, das nachprüfen zu lassen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Matthöfer.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß in der Presse in der Bundesrepublik immer von „England" und „Großbritannien" gesprochen wird und nicht vom „Vereinigten Königreich"?
Diese Überlegung habe auch ich vor der Beantwortung der Frage angestellt. Ich bin aber zu dem Schluß gekommen, daß doch ein wichtiger Unterschied besteht zwischen der Bezeichnung in offiziellen Verhandlungen und derjenigen in der Presse oder an anderen Orten.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 135 des Abgeordneten Freiherr von und zu Guttenberg auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die Außerung des militärpolitischen Korrespondenten des Ostberliner Deutschlandsenders, Dr. von Frankenberg, „es wird auf einen westeuropäischen Bundesstaat mit einer für Außen- und Deutschlandpolitik verantwortlichen Regierung spekuliert. Diese könne sich, so sagen einflußreiche Leute in Bonn, trotz des Sperrvertrages eine Atomwaffenstreitmacht zulegen. Dieses offene Aussprechen derartiger Ziele bedeutet eine Hintergehung des Sperrvertrages ...", der amerikanischen Auslegung des Nichtverbreitungsvertrages zum Thema der europäischen Option widerspricht?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Ja, die
Bundesregierung ist der Auffassung, daß die in der Frage zitierte Äußerung nicht nur von der amerikanischen Auffassung, sondern ebenso von amtlichen Erklärungen, die an anderen Orten abgegeben worden sind, abweicht.
Eine Zusatzfrage.
Ist es damit nicht klar, daß die Befürchtung, die die Opposition hier in diesem Hause in einer Fragestunde und in anderer Weise zur Kenntnis gegeben hat, zu Recht besteht, nämlich daß die östliche Seite diese entscheidende Bestimmung des NV-Vertrages anders auslegen wird?
Nein, Herr Kollege von Guttenberg, das ist für die Bundesregierung in keiner Weise klar; denn es handelt sich hier um die Außerung eines militärpolitischen Korrespondenten, die und das ist für uns entscheidend — in das Kommuniqué der Warschauer Paktmächte gerade nicht übernommen worden ist. Vielmehr stellt das Kommuniqué der Warschauer Paktmächte mit seiner Feststellung über die deutsche Unterschrift unter den Kernwaffensperrvertrag gerade eine Widerlegung dieser Äußerung dar und ist damit eine Bestätigung der Auffassung der Bundesregierung.
Eine zweite Zusatzfrage.
Darf ich Sie daran erinnern, Herr Staatssekretär, daß der Außenminister hier zur Erhärtung seiner der Opposition entgegengesetzten Äußerung einen sowjetischen Professor zitierte?
Ich habe die Protokolle noch einmal nachgelesen, Herr Kollege.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 136 des Herrn Abgeordneten Dr. Kliesing auf:
Muß die Außerung des Ostberliner militärpolitischen Korrespondenten zum Thema der europäischen Option nicht als eine erste Bestätigung der von der Opposition mehrfach ausgesprochenen Befürchtung angesehen werden, daß die unklaren Formulierungen des Vertrages von östlicher Seite gegen die Interessen der Bundesrepublik Deutschland ausgelegt und als zusätzliche Propagandamittel genutzt werden?
Die Beantwortung dieser Frage ist in gewisser Weise identisch mit der Antwort, die ich soeben auf die Zusatzfrage des Kollegen von Guttenberg gegeben habe. Die Mitglieder des Warschauer Paktes sind ja der von den Presseorganen der DDR mit dem fraglichen Kommentar und den anderen Publikationen
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Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Dahrendorf eingeschlagenen Linie nicht gefolgt, sondern haben in ihrem Abschlußkommuniqué erklärt: „Als ein positives Moment wurde die Unterzeichnung des Kernwaffensperrvertrages durch die Bundesrepublik Deutschland hervorgehoben."
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Kliesing.
Herr Staatssekretär, glauben Sie tatsächlich, daß ein östlicher militärpolitischer Kommentator eine Äußerung wagen würde, die im Gegensatz zur Auffassung seiner Regierung stände?
Ich kann diese Frage nicht im einzelnen beurteilen. Aber das Entscheidende, was ich in meiner Antwort für die Bundesregierung sagen wollte, ist dies: Wie immer die Beziehung zwischen der Meinung dieses Korrespondenten und der Meinung der Ostberliner Machthaber sein mag — in jedem Fall enthält das Kommuniqué der Warschauer-Pakt-Staaten, das zeitlich nach Abgabe dieser Meinung kundgetan worden ist, eine andere Auffassung, und insofern kann für uns die Außerung dieses Ostberliner Kommentators keineswegs als in irgendeinem Sinne verbindlich gelten.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, würden Sie so freundlich sein, zu konkretisieren, worin die Widerlegung der von dem Kommentator vorgetragenen Auffassung durch den Text des Moskauer Kommuniqués besteht.
Ich muß hier zwei Dinge gleichzeitig heranziehen. Einmal ist im Moskauer Kommuniqué keine Rede davon, daß die europäische Option ausgeschlossen werden würde,
— und das ist in gewissem Umfange eine Widerlegung der Auffassung, daß die Behauptungen des Korrespondenten den Regierungsmeinungen entsprächen und für die osteuropäischen Staaten in diesem Zusammenhang von zentraler Bedeutung seien. Zum zweiten darf ich noch einmal darauf hinweisen — das ist ja in diesem Hause schon ausführlich, wenn nicht diskutiert, dann nachgefragt worden —, daß die Äußerungen des sowjetischen Außenministers erkennen ließen, daß er an dem Recht der Staatensukzession keineswegs zweifelt.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Flämig.
Herr Staatssekretär, nachdem hier von Unklarheiten gesprochen wird, darf ich Sie fragen: Trifft es zu, daß zwar beispielsweise noch unklar ist, wie die Kontrollen nach Art. III des NV-Vertrages gehandhabt werden, in der Frage der europäischen Option und in der Frage der direkten oder indirekten Proliferation aber alle Unklarheiten durch Interpretationen seitens der USA und der UdSSR vor der deutschen Unterschrift beseitigt worden sind?
Es ist früher schon in diesem Hause gesagt worden, daß dies nach Meinung der Bundesregierung zutrifft.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Marx.
Herr Staatssekretär, zur Verdeutlichung darf ich noch einmal fragen: würden Sie glauben, daß bei einem Kommuniqué, unterzeichnet von Regierungs- und Parteichefs aus sechs Ländern, das Nichtansprechen dieses Problems eine Verneinung bedeutet?
Nun, Schweigen in internationalen Beziehungen läßt sich sicher auf verschiedene Weise interpretieren. Ich bin davon ausgegangen, daß, wenn es den Warschauer-
Pakt-Mächten entscheidend darauf angekommen wäre, diesen Vorbehalt der europäischen Option zurückzuweisen, man wohl mit Sicherheit davon ausgehen könnte, daß sie das auch in ihr Kommuniqué aufgenommen und sich nicht auf einen im ganzen zustimmenden Satz zur deutschen Unterschrift beschränkt hätten.
Keine weitere Zusatzfrage.
Die Fragen 137 und 138 des Herrn Abgeordneten Dr. Meinecke werden schriftlich beantwortet:
Hat die Bundesregierung nach ihrem im Bulletin vom 3. Dezember 1969 veröffentlichten Appell an die Verantwortlichen Nord-Vietnams, der Nationalen Befreiungsfront und ihrer Verbündeten, die noch in Gefangenschaft befindlichen drei .Angehörigen des Malteser-Hilfsdienstes unverzüglich freizulassen, irgendeine Reaklion oder Antwort erfahren?
Hat sich die persönliche Gefährdung der in Vietnam tätigen Deutschen, die im humanitären Hilfseinsatz für das vietnamesische Volk tätig sind, im Laufe des letzten halben Jahres grundlegend geändert?
Die Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Dahrendorf vom 11. Dezember 1969 lautet:
Nein, bedauerlicherweise hat der Appell der Bundesregierung wie alle ihre vorhergehenden Bemühungen Tiber befreundete Regierungen und andere Stellen, eine Nachricht über das Schicksal der am 27. April cl. J. in Gefangenschaft der Befreiungsfront bzw. Nordvietnams geratenen Helfer des Malteser Hilfsdienstes und die Bemühungen um ihre Freilassung kein Echo gefunden.
Ich bedaure, Ihnen mitteilen zu müssen, daß die Befragung der beiden aus der vietnamesischen Gefangenschaft entlassenen amerikanischen Soldaten an ihren heutigen Aufenthaltsorten in den USA durch einen Angehörigen der Deutschen Botschaft in Washington und durch einen Angehörigen des Malteser Hilfsdienstes ergeben hat, daß mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch die vermißte 20jährige Zahnarzthelferin Marie-Luise Kerber nicht mehr lebt. Nach dieser Aussage sei sie bereits im Mai d. J. in der Gefangenschaft gestorben.
Der Tod der Malteser Helfer Georg Bartsch und Hindrika Kortmann im August d. J. ist von den entlassenen Amerikanern bestätigt worden.
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Vizepräsident Frau Funcke
Die überlebenden Vermißten Bernhard Diehl und Monika Schwinn konnten an hand von Fotos hinreichend identifiziert werden. Sie sind nach Angaben der US-Soldaten im September d. J. aus dem Lager verlegt worden. Seitdem liegen keine weiteren Anhaltspunkte über ihr Schicksal vor.
Die Frage nach dem Grad der persönlichen Gefährdung der in Vietnam eingesetzten deutschen Helfer läßt sich nur aus einer Beurteilung der Gesamtsituation beantworten.
Grundliegende Änderungen unter dem Aspekt des Sicherheitsrisikos hat es hierbei nicht gegeben, wenn auch inzwischen getroffene Maßnahmen, wie der Ausbau der Schutzbunker, sowie die in letzter Zeit im Vergleich zu 1968 ruhigere militärische Lage an den Einsatzorten inzwischen zu einer größeren relativen Sicherheit geführt hat.
Wir kommen nun zur Frage 139 des Herrn Abgeordneten Dr. Hallstein:
Kann aus der sowjetischen Reaktion auf die in der deutschen Begleitnote enthaltenen Interpretationen und Feststellungen geschlossen werden, daß die Sowjetregierung diesen Interpretationen und Feststellungen zustimmt?
Der Fragesteller bittet auch hier um schriftliche Beantwortung. Die Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Dahrendorf vom 11. Dezember 1969 lautet:
Mit der Überreichung einer Note und einer Erklärung aus Anlaß der Unterzeichnung des NV-Vertrags hat die Bundesregierung den Regierungen aller Staaten, mit denen die Bundesrepublik Deutschland diplomatische Beziehungen unterhält, die Voraussetzungen bekanntgeben wollen, unter denen sie den NV-Vertrag unterzeichnet hat.
Die deutschen Papiere sind von allen diesen Regierungen entgegengenommen worden. Der mit der Überreichung beabsichtigte Zweck ist damit erfüllt. Eine ausdrückliche Zustimmung zu solchen Erklärungen ist bei multilateralen Verträgen nicht üblich und wurde daher auch nicht erwartet.
Ich rufe die Frage 140 des Herrn Abgeordneten Dr. Schneider auf:
Ist der Bundesregierung der Artikel des Bonner Korrespondenten der „New York-Times" vom 21. Oktober 1969 bekannt, worin dieser behauptet, in den ländlichen Gebieten Frankens und Badens finde man äußerst krasse Anzeichen der ländlichen Rückständigkeit, so Jugendliche mit einer nur vierjährigen Grundschulausbildung, Unternehmer, die wie feudale Prinzen regierten, und hinterwäldlerische Gebiete, wo Aberglaube und Dorfklerus Quellen eines sich versteinernden Konservatismus geblieben sind, und was hat die Bundesregierung inzwischen unternommen, um die betroffenen Gebiete Frankens und Badens vor den Folgen einer derartigen unwahren und herabsetzenden Berichterstattung zu schützen?
Bitte schön, Herr Staatssekretär!
Der Artikel ist der Bundesregierung bekannt. Es ist der Bundesregierung auch bekannt, daß in diesem Artikel ein im ganzen sehr positives Bild der Bundesrepublik gezeichnet wird und betont wird, daß eine neue Atmosphäre die Bundesrepublik beherrsche. An einzelnen Punkten wird in dem Artikel über einzelne Regionen sehr Kritisches gesagt, Kritisches, über das man wohl mit Sicherheit sagen muß, daß es in dieser Verallgemeinerung falsch ist. Die Bundesregierung ist aber nicht der Auffassung, daß diese Kritik dazu beitragen wird, die fraglichen Landesteile zu schädigen. Sie hält es vielmehr für möglich, das mancher Amerikaner auf der Suche nach den in dem Artikel geschilderten hinterwäldlerischen Verhältnissen diese Landesteile so gründlich durchreist, daß unser Fremdenverkehr davon profitiert.
Auf der vergeblichen Suche, wenn ich das sagen darf.
Die Bundesregierung hat im übrigen den fraglichen Korrespondenten zu dieser Fragestunde eingeladen, um ihm zu zeigen, daß bei der Beantwortung der Fragen eines fränkischen Abgeordneten durch einen Parlamentarischen Staatssekretär aus einem badischen Wahlkreis Hinterwäldlertum nicht erkennbar wird.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schneider.
Herr Staatssekretär, aus dem Artikel geht zweifelsfrei hervor, daß man ein hinterwäldlerisches Niveau weder einem Staatssekretär der Bundesregierung noch einem Abgeordneten aus Franken oder Baden unterstellt. Sind Sie andererseits der Meinung, daß die Bundesregierung in der Lage wäre, in der Bundesrepublik Deutschland auch nur einen einzigen Fall nachzuweisen, in dem ein Bauer, weil er sich keine Lederschuhe leisten kann, seiner Arbeit mit Holzschuhen nachgeht?
Herr Kollege, beinahe wäre ich versucht gewesen zu sagen: das ist Ländersache.
Ich bin im ganzen nicht der Meinung, daß die Bundesregierung dazu in der Lage ist.
Keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe Frage 141 des Herrn Abgeordneten Werner auf:
Wie vereinbart die Bundesregierung den Grundsatz der Nichteinmischung im Verkehr mit Entwicklungsländern und den Grundsatz, Entwicklungspolitik müsse langfristig sein 'und Entwicklungshilfe eigne sich nicht zur Lösung politischer Tagesfragen, mit der offensichtlichen Absicht des Bundesaußenministers, die Regierungen dieser Länder zu einer Einwirkung auf die DDR-Regierung dahingehend zu veranlassen, diese möge innerdeutschen Regelungen mit der Bundesregierung zustimmen, und was verspricht sie sich von einer solchen Einwirkung?
Bitte schön, Herr Staatssekretär!
Frau Präsidentin, es ist keineswegs die Absicht der Bundesregierung, die Regierungen in den Entwicklungsländern zu irgendeiner Einwirkung auf die DDR-Regierung zu veranlassen. Vielmehr ist es unsere Absicht — und wir haben diese Absicht ausgeführt —, die Regierungen in der Dritten Welt ebenso wie andere Regierungen zu bitten, uns bei dem Versuch der Regelung der innerdeutschen Beziehungen nicht zu behindern.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Werner.
Herr Staatssekretär, es wäre dann also wohl nicht richtig, aus der Antwort des Außenministers auf die Frage des Abgeordneten Mikat in der Fragestunde vom 14. November 1969, daß nämlich die Bundesregierung die Aufnahme
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 21. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Dezember 1969 759
Werner
von Beziehungen dritter Staaten zur DDR nach der Interessenlage der Bundesrepublik beurteile, zu entnehmen, daß die Regierung die Aufnahme von Beziehungen dritter Staaten zur DDR unter Umständen auch günstig beurteilen und in einem solchen Fall auch entsprechend auf dritte Staaten einwirken würde?
Wie immer die Interessenlage der Bundesrepublik in Einzelfällen zu beurteilen ist — und sicher ist mit dieser Antwort nicht gemeint, daß wir die Aufnahme von Beziehungen dritter Staaten zur DDR günstig beurteilen --, es ist sicher falsch, daraus den Schluß zu ziehen, daß die Bundesregierung die Absicht hätte, auf dritte Länder einzuwirken, um innerdeutsche Politik zu betreiben.
Keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 142 der Frau Abgeordneten Dr. Wolf auf:
Wann gedenkt die Bundesregierung die seit Jahren vorn Parlament geforderte, längst überfällige und dringend notwendige zentrale Personalkartei für die Besetzung der der Bundesrepublik Deutschland zustehenden erler für die Bundesrepublik Deutschland erreichbaren Positionen in internationalen Organisationen endlich einzurichten, um die Unterrepräsentanz der Bundesrepublik Deutschland, die im Vergleich zu ihren finanziellen Beiträgen zu diesen Organisationen augenfällig ist, zu beseitigen?
Frau Präsidentin, um die berechtigte Forderung nach einer angemessenen deutschen Repräsentanz in internationalen Organisationen zu erfüllen, hat das Auswärtige Amt den Entwurf einer Kabinettsvorlage über die Neuorganisation der Vermittlung von deutschem Personal für internationale Organisationen eingebracht. Nach der notwendigen Abstimmung mit den anderen interessierten Ressorts, insbesondere mit dem Ministerium für Bildung und Wissenschaft, hofft das Auswärtige Amt und hofft die Bundesregierung, das Problem bald einer Lösung zuführen zu können.
Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Dr. Wolf.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Da sich meine Frage im wesentlichen auf die Entwicklungspolitik, auf die wirtschaftliche Zusammenarbeit richtete, möchte ich fragen, ob, wenn an eine solche Kartei gedacht ist, auch die Experten in deutschen Projekten darin aufgenommen werden sollen, um damit die Durchlässigkeit zwischen Verwaltung und Wirtschaft deutlicher zu machen?
Ich nehme den in Ihrer Frage liegenden Hinweis sehr gern auf. Ich kann Ihnen im Augenblick nicht sagen, ob das bei dieser Kartei bisher schon voll geplant ist.
Eine weitere Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Dr. Wolf.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Darf ich aber aus Ihrer Antwort folgern, daß eine Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit erfolgen wird?
Gnädige Frau, allein die Tatsache, daß eine solche Zusammenarbeit gegenwärtig stattfindet, ist verantwortlich dafür, daß das Bundeskabinett in dieser Frage bisher noch keine Entscheidung fällen konnte. Die Zusammenarbeit wird bald zu einem entscheidungsfähigen Abschluß führen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Kiep.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß die Erstellung einer solchen Kartei vom Deutschen Bundestag seit Jahren gefordert wird und daß nach meinem Wissen etwa zwei Jahre vergangen sind, seitdem das Auswärtige Amt in dieser Sache initiativ wurde, und wissen Sie weiter, daß der erste Entwurf des Auswärtigen Amts an Ressortstreitigkeiten gescheitert ist?
Herr Kollege, es ist mir bekannt, daß es sich hierbei um eine alte Forderung handelt. Es ist mir auch bekannt, daß es dazu alte Vorlagen ebenso wie neue Vorlagen gibt. Ich habe eben eine vorsichtige Andeutung darüber gemacht, warum über sie noch nicht entschieden worden ist. Ich glaube, ich kann Ihnen zusagen, daß eine solche Entscheidung in Kürze getroffen wird.
Keine weitere Zusatzfrage. Ich danke dem Herrn Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts.
Wir kommen nunmehr zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Anwesend ist Herr Bundesminister Genscher. Die Fragen bis einschließlich Nr. 15 sind bereits erledigt.
Ich rufe die Frage 16 des Herrn Abgeordneten Köppler auf. — Herr Köppler ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 17 des Herrn Abgeordneten Dr. Brand auf:
Welche Bedeutung mißt die Bundesregierung dem Bericht von Prof. Dr. Paul Ehrlich bei, der sich mit Problemen der Umweltverseuchung bis zum Jahre 1980 befaßt, der auszugsweise im Spiegel Nr. 48 1969, Seite 193, veröffentlicht worden ist?
Ist Herr Dr. Brand im Saal? — Bitte schön, Herr
Bundesminister!
Bei der Beantwortung Ihrer Fragen, Herr Kollege, kann ich mich nur auf die auszugsweise Veröffentlichung des Berichts im „Spiegel" Nr. 48/1969 stützen. Vorbehaltlich einer Prüfung des vollständigen Berichts,
760 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 21. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Dezember 1969
Bundesminister Genscher
den ich angefordert habe, darf ich hier folgendes erklären.
Der Bericht von Professor Dr. Paul Ehrlich ist ein höchst eindrucksvoller, aufrüttelnder Appell an das Gewissen der Verantwortlichen in aller Welt, ein Appell, die Umweltgefahren ernst zu nehmen, die unsere biologischen Lebensgrundlagen bedrohen. Der Bericht weist mehr als eindringlich darauf hin, daß der Schutz der Umwelt des Menschen zu einem äußerst dringlichen Problem für die gesamte Menschheit geworden ist — zu einer internationalen Aufgabe, die sich nicht nur auf die Verhinderung der Beeinträchtigung der Umwelt durch Wasser-, Boden- und Luftverunreinigung, durch Lärmbelästigung und durch sonstige schädliche Auswirkungen der Technik auf den einzelnen beschränken sollte. Hierher gehören vielmehr auch die Lösung drängender Ernährungsfragen und das drückende Problem des Wachstums der Weltbevölkerung.
In diesem Sinne wird dem Bericht von Professor Ehrlich eine besondere Bedeutung beigemessen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Brand.
Herr Bundesminister, darf ich damit rechnen, daß Sie mir bis Ende Januar 1970 eine schriftliche Ergänzung Ihrer heute mündlich gegebenen Antwort zukommen lassen werden?
Ich werde mich bemühen, Herr Kollege; Ihnen nach Kenntnis des vollen Inhalts des Berichts bis zu diesem Termin eine ausführlichere Stellungnahme zuzuleiten.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Prinz zu Wittgenstein.
Herr Minister, darf ich angesichts der Tatsache, daß die Frau Minister für Jugend, Familie und Gesundheit in der vergangenen Woche auf eine ähnlich lautende Frage des Kollegen Bay geantwortet hat, fragen, ob nunmehr Ihr Haus für Fragen der Umwelt zuständig ist oder das Ministerium für Jugend, Familie und Gesundheit, dessen Minister neulich noch darauf hingewiesen hat, daß die Schwerpunkte in der Erforschung von toxikologischen Schädigungen der Umwelt zukünftig in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Bildung und Wissenschaft ermittelt. werden.
Herr Kollege, es tut mir leid, aber diese Frage kann ich nicht zulassen. Sie bezieht sich auf die Geschäftsverteilung innerhalb der Bundesregierung und nicht auf die Sachfrage, die hier gestellt worden ist.
Keine weitere Zusatzfrage. — Ich rufe die Frage 18 des Herrn Abgeordneten Dr. Brand auf:
Welche Konsequenzen ist die Bundesregierung im Hinblick auf den genannten Bericht bereit zu ziehen?
Bitte schön, Herr Bundesminister!
Die Bundesregierung fühlt sich in ihrer Absicht, ihre Anstrengungen zum Schutz der Umwelt erheblich zu verstärken, durch den Appell von Professor Ehrlich bestätigt. Ich bitte um Verständnis dafür, daß ich jetzt nicht auf Einzelheiten der geplanten Maßnahmen eingehen kann. Mir scheint dieses Problem zu wichtig zu sein, um darauf nur eine rasche Antwort zu geben. Ich darf noch einmal wiederholen, Herr Kollege, daß ich mich darum bemühen werde, Sie bis Ende Januar umfassend zu unterrichten.
Keine weitere Zusatzfrage. — Ich rufe die Frage 19 des Herrn Abgeordneten Ollesch auf:
Ist die Bundesregierung unter Berücksichtigung der in anderen Behörden durchgeführten Versuche mit einer sogenannten gleitenden Arbeitszeit bereit, auch in ihrem Bereich diese Möglichkeiten zu prüfen?
Bitte schön, Herr Bundesminister!
Die arbeitszeitrechtlichen Vorschriften für den öffentlichen Dienst des Bundes enthalten keine Bestimmungen über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit. Rechtlich besteht damit die Möglichkeit zur Einführung einer gleitenden Arbeitzeit im Bereich der Bundesverwaltung oder in einzelnen Verwaltungszweigen. Wegen der unterschiedlichen Bedürfnisse der Verwaltungszweige ist allerdings eine generelle Festlegung nicht möglich. Es obliegt den Dienststellen, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit festzusetzen, worüber die Personalräte mitzubestimmen haben.
Erste Überlegungen, Herr Kollege, über eine gleitende Arbeitszeit in den Bundesministerien sind bereits angestellt worden. Ich werde diese Überlegungen gemeinsam mit den anderen Ressorts schnell vorantreiben. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Festlegung einer sogenannten Kommunikationszeit, d. h. einer Zeit, in der alle Bediensteten in allen Ressorts erreichbar sein müssen. Ferner muß die besondere Verkehrssituation im Raume Bonn berücksichtigt werden.
Keine Zusatzfrage.
Die Frage 20 des Abgeordneten Dr. Dittrich
Kann mit der Eröffnung weiterer Grenzübergangsstellen ils ostbayerischen Raume zur CSSR gerechnet werden und ggf. mit welchen?
wird im Einvernehmen mit dem Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Fragen 21 und 22 des Herrn Abgeordneten Bartsch sind zurückgezogen. Ich rufe die Frage 23 des Herrn Abgeordneten Dr. Arndt auf:
Ist die Bundesregierung jetzt bereit, Noveller zur Umgestaltung der Bundesgesetze zur Ausübung unmitlelbaren Zwangs durch Vollzugsbeamte des Bundes und bei der Bundeswehr vorzulegen, die den insbesondere vom damaligen Prisen der Hanburger Behörde für Inneres, Senator Helmut Schmidt, und von zahlreichen Wissenschaftlern vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken hei der Bestimmung der zulässigen Waffen Rechnung tragen?
Bitte schön, Herr Bundesminister!
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 21. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Dezember 1969 761
Der Bundesminister des Innern hat die Ausstattung des Bundesgrenzschutzes und des Bundeskriminalamtes mit Schußwaffen und Explosivmitteln durch Abschnitt VI der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes in der Fassung vom 24. Januar 1969 geregelt. Die Bundesregierung hält diese Regelung im Einvernehmen mit den Innenministern und -senatoren der Länder — ich verweise auf den Beschluß der Innenministerkonferenz vom 27./28. Januar 1966 — für verfassungsrechtlich unbedenklich.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Arndt.
Herr Bundesminister, ist Ihnen bekannt, daß diese Auffassung Ihres Herrn Referenten im Gegensatz zur fast einhelligen Meinung der Wissenschaft, d. h. aller Polizeirechtler an deutschen Hochschulen, steht?
Ich darf zunächst sagen, Herr Kollege, daß ich aus der Verantwortung meines Amtes hier meine Auffassung vortrage, von der ich aber gern bestätige, daß sie sich voll mit der Auffassung des Referenten deckt. Ungeachtet des in Ihrer Frage vorgebrachten Einwands halte ich an dieser Auffassung fest, mit der die Innenminister und -senatoren aller Bundesländer, ausgenommen der damalige Senator für Inneres in Hamburg, übereinstimmen.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Arndt.
Herr Bundesminister, wie erklären Sie sich dann die Tatsache, daß die Mehrheit der Bundesländer diesen verfassungsrechtlichen Bedenken inzwischen Rechnung getragen und ihre Polizeigesetze — wie auch immer sie im einzelnen heißen — der Hamburger Regelung, die meiner Meinung nach allein verfassungskonform ist, angepaßt hat, zuletzt das Land Berlin?
Ich bin nicht sicher, Herr Kollege, ob diese Motive für die Änderungen maßgebend waren.
Keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 24 des Herrn Abgeordneten Dr. Arndt auf:
Ist die Bundesregierung bereit, im Interesse der Rechtseinheit und im Hinblick auf Artikel 91 und 87a des Grundgesetzes auch denjenigen Bundesländern die ausdrückliche und getrennte Aufführung der bei Ausübung unmittelbaren Zwangs zulässigen allgemeinen und besonderen Waffen in den Polizeigesetzen zu empfehlen, die eine solche Regelung bisher noch nicht Rennen?
Bitte schön, Herr Bundesminister!
Die meisten Bundesländer haben bereits Regelungen getroffen, die entweder der bisherigen Bundesregelung oder der Hamburger Regelung entsprechen. In einigen Ländern — so in Rheinland-Pfalz und Niedersachsen — werden neue Vorschriften erarbeitet. Bei
dieser Sachlage bedarf es keiner Empfehlung der Bundesregierung.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Arndt.
Herr Bundesminister, würden Sie mir zugeben, daß für die Vollzugsbeamten insbesondere im Hinblick auf Art. 91 des Grundgesetzes große Schwierigkeiten entstehen, wenn sie bei einem Einsatz das Recht des Bundes und bei einem anderen Einsatz des Recht der Länder anwenden müssen, das den verfassungsrechtlichen Bedenken, die bei der vorigen Frage erwähnt wurden, Rechnung trägt und das völlig anders ist?
Herr Kollege, ich muß noch einmal feststellen, daß nicht sicher ist, ob in erster Linie verfassungsrechtliche Bedenken für die Änderungen, die inzwischen in einer Reihe von Bundesländern vorgenommen worden sind, maßgebend waren. Die von Ihnen aufgezeigten Probleme sehe ich sehr wohl. Sie bedürfen in der Tat einer intensiven Prüfung auch durch die Bundesregierung.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Arndt.
Herr Bundesminister, darf ich Sie fragen, ob Sie meiner Verdeutlichung zustimmen, daß gegenwärtig die in Frage kommenden Soldaten und Vollzugsbeamten zweierlei Recht lernen müssen, weil sie bei der Ausübung gleichartiger Handlungen in dem einen Fall das so geartete, in dem anderen Fall das anders geartete Recht des Waffengebrauchs berücksichtigen müssen.
Herr Kollege, die Tatsache, daß ich meine, man muß diese Frage sehr ernst nehmen und ihre Abstimmung prüfen, mag Ihnen zeigen, daß ich das Problem so sehe wie Sie.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe dann die Frage 25 des Herrn Abgeordneten Dr. Jungmann auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß unter den Ärzten an den Universitätskliniken, besonders in Nordrhein-Westfalen, Unruhe entstanden ist wegen der von ihnen verlangten erheblichen Mehrarbeit ohne angemessene Vergütung?
Bitte schön Herr Bundesminister !
Ich bitte, die Fragen 25 und 26 zusammen beantworten zu dürfen.
Dann rufe ich auch die Frage 26 des Herrn Abgeordneten Dr. Jungmann auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß eine angemessene Regelung unter Berufung auf § 44 des Beamtenrechtsrahmengesetzes und auf die entsprechenden Vorschriften der Landesgesetze verhindert wird?
762 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 21. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Dezember 1969
Zu Frage 25 darf ich sagen, daß der Bundesregierung dieser Sachverhalt bekannt ist, und zwar sowohl in dem besonderen Fall als auch als generelles Problem der Vergütung für Mehrarbeit in den verschiedensten Dienstzweigen.
Zu Frage 26: Ob einer, wie Sie sagen, „angemessenen Regelung" allein die genannten beamtenrechtlichen Vorschriften entgegenstehen, oder ob hierbei noch andere Gesichtspunkte eine Rolle spielen — wie etwa zu geringe Personalausstattung —, ist der Bundesregierung im einzelnen nicht bekannt.
Eine Rückfrage beim nordrhein-westfälischen Finanzministerium hat im übrigen ergeben, daß beamtete Klinikärzte zur Abgeltung besonderer Erschwernisse für den Dienst zur Nachtzeit oder an dienstfreien Tagen eine finanzielle Zuwendung erhalten können. Diese nach dem Besoldungsgesetz mögliche Erschwerniszulage hängt von der Dauer der zusätzlichen Dienstleistung ab und beträgt zwischen 80 DM und maximal 350 DM monatlich. Es trifft zu, daß nach dem derzeit geltenden Beamtenrecht die Zahlung einer „reinen Überstundenvergütung" an Beamte jedoch nicht zulässig ist. Sie würde nicht nur gegen einfaches Gesetzesrecht, sondern, wie es das Bundesverwaltungsgericht noch im Jahre 1966 festgestellt hat, sogar gegen die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums, damit also gegen Art. 33 Abs. 5 des Grundgesetzes verstoßen.
Ich bin jedoch der Meinung, Herr Kollege, daß im Rahmen einer gesunden und den Zeitbedürfnissen entsprechenden Fortentwicklung dieser Grundsätze eine Lösung gefunden werden muß und kann, die unter bestimmten Voraussetzungen eine finanzielle Abgeltung von erheblicher, über das Normalmaß hinaus geleisteter Mehrarbeit auch im Beamtenrecht ermöglicht.
Dies kann jedoch nur im Rahmen einer Neuordnung für alle Dienstbereiche gelten. Ich darf hier z. B. auf die besonderen Probleme, die wir auch bei der Polizei haben, hinweisen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Jungmann.
Darf ich Ihrer Antwort, Herr Bundesminister, entnehmen, daß die Bundesregierung den Status eines Beamten auf Widerruf nicht für eine angemessene arbeitsrechtliche Stellung von wissenschaftlichen Assistenten hält? Teilt die Bundesregierung insbesondere die schon mehrfach, auch vom 72.. Deutschen Ärztetag zum Ausdruck gebrachte Auffassung, daß der Status des Beamten auf Widerruf abgesehen von der Bezahlung arbeitsrechtlich allein schon wegen des mangelnden Kündigungsschutzes rückständig und wegen der völlig unzureichenden Altersversorgung auch unsozial — besser gesagt: sozial unzumutbar — ist?
Herr Abgeordneter, zum ersten Teil Ihrer Frage: Einen solchen Schluß dürfen Sie nicht ziehen.
Zum zweiten Teil: Der Bundesregierung sind diese Probleme bekannt. Sie sind aber nicht im Rahmen des allgemeinen Beamtenrechts lösbar.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Jungmann.
Darf ich Sie deshalb fragen, Herr Bundesminister, welche Möglichkeiten die Bundesregierung sieht, diesem arbeitsrechtlichen und sozialen Anachronismus und der damit verbundenen Ausnutzung der Arbeitskraft der in den Universitätskliniken tätigen wissenschaftlichen Assistenten ein baldiges Ende zu bereiten.
Herr Abgeordneter, genau das prüfen wir im Augenblick.
Eine Zusatzfrage, bitte schön!
Herr Minister, nachdem Sie angedeutet haben, daß auch für andere Beamtengruppen eine solche Prüfung erfolgen soll, möchte ich Sie doch fragen, ob Sie glauben, daß eine solche, sicher langwierige Prüfung eine Lösung ermöglicht, die in bezug auf die unzumutbaren Zustände an den Universitätskliniken schnellstmöglich Abhilfe schafft? Ich frage weiter, ob Sie glauben, daß Sie den Ärzten, die dort tätig sind, zumuten können, so lange zu warten, bis eine solche Prüfung abgeschlossen ist.
Herr Abgeordneter, Prüfungen, die ich anstelle, sind nie langwierig. Langwierig im Zusammenhang mit dieser Frage ist lediglich das drückende Problem, das seit Jahren besteht, aber in der Vergangenheit, wie Sie wissen, nicht abgestellt worden ist. Ich bin bemüht, es schnellstens abzustellen.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 27 des Herrn Abgeordneten Dr. Wörner auf:
Sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, durch eine Änderung der gesetzlichen Bestimmungen des Beamtenrechtsrahmengesetzes dem Mangel abzuhelfen, daß eine angemessene Vergütung für Mehrarbeit bei Ärzten an den Universitätskliniken nicht gewährt werden kann?
Ich darf hierzu, Herr Kollege, auf meine Schriftliche Antwort vom 25. November 1969 auf die Frage des Herrn Kollegen Picard verweisen, in der ich bereits mitgeteilt habe, daß das Bundesministerium des Innern eine bundeseinheitliche Regelung dieses Problems anstrebt und beabsichtigt, die hierfür erforderlichen gesetzlichen Grundlagen so bald wie möglich zu schaffen. Die Arbeiten hieran, wozu vor allem auch die Abstimmung mit den beteiligten Ressorts in den Ländern und mit den zuständigen Beamtengewerkschaften gehört, werden mit Nachdruck vorangetrie-
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 21. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Dezember 1969 763
Bundesminister Genscher
ben. Ich rechne auf jeden Fall damit, daß die notwendigen Gesetzesänderungen im Jahre 1970 in Kraft treten.
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 28 des Herrn Abgeordneten Dr. Wörner auf:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung für den Fall, daß eine Gesetzesänderung in absehbarer Zeit nicht erfolgt, dem betroffenen Personenkreis baldmöglichst eine angemessene Vergütung für seine in der Eigenart der ärztlichen Tätigkeit begründete und deshalb unvermeidliche Mehrarbeit zu gewähren?
Bitte, Herr Bundesminister!
Verschiedene Länder haben bereits jetzt in einzelnen Bereichen, z. B. bei der Polizei, Sonderregelungen getroffen, mit denen versucht wird, Engpässen abzuhelfen. Auch die in meiner Beantwortung der Frage des Herrn Kollegen Dr. Jungmann erwähnte Regelung des Landes Nordrhein-Westfalen erscheint mir ein diskutabler Weg zu sein, um besondere Härten wenigstens in etwa auszugleichen.
Im übrigen bin ich, wie schon wiederholt dargelegt, nachdrücklich bemüht, eine tragfähige Grundlage für die Abgeltung von Mehrarbeit in besonderen Fällen zu schaffen. Sie sehen also daraus, Herr Kollege, daß das, was im Augenblick geschieht, mehr als eine Übergangsregelung bis zu der von mir in Aussicht gestellten „schnell abzuschließenden Prüfung" ist.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Wörner.
Sosehr mich diese Zusicherung beruhigt, — glauben Sie, daß auch für die Übergangszeit eine Überstundenvergütung von etwa 3 DM oder gar darunter eine auch nur halbwegs angemessene Vergütung darstellt?
Ich bin nicht dieser Meinung, Herr Kollege.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Wörner.
Gibt es irgendeinen Rechtsgrund, aus dem heraus eine obere Begrenzung dieser Vergütung bis zur Höhe von 350 DM angeordnet und festgesetzt werden muß, und ist es nicht denkbar, daß man, wenn man schon 350 DM gewähren kann, auch darüber hinausgehen kann?
Ich gehe davon aus, daß die in Frage kommenden Landesregierungen das rechtlich Mögliche tun, weil ich annehme, daß sie — wie Sie und ich — dieses Problem sehen. Ich würde mich freuen, wenn in allen Teilen der Bundesrepublik und für alle Bereiche, wo dieses Problem auftritt, die Möglichkeiten so ausgeschöpft würden, wie das in Nordrhein-Westfalen der Fall ist.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 29 des Herrn Abgeordneten Dr. Dichgans auf:
Wieviel Prozent der Fläche in unseren Städten mit mehr als 500 000 Einwohnern steht ini Eigentum dieser Städte?
Bitte schön, Herr Bundesminister!
Von dem Gemeindegebiet der Städte einschließlich der Stadtstaaten und Berlin mit mehr als 500 000 Einwohnern standen nach einer Erhebung des Deutschen Städtetages am 31. Dezember 1967 34,2 % im Eigentum dieser Städte.
Es wird vielleicht interessant sein, wenn ich Ihnen noch einige Städte mit den Prozentzahlen nenne: Berlin 46,8 %, Hamburg 34,9 %, München 24,6 %, Köln 39,7 %, Essen 27,1 %, Düsseldorf 30,8 %, Frankfurt 47,1 %, Dortmund 22,1 %, Stuttgart 29,9 %, Bremen 25,8 %, Hannover 45,0 %.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dichgans.
Herr Minister, hält es die Bundesregierung für nützlich, wenn Bund, Länder und Gemeinden gemeinsam überlegen, wie durch eine raschere Erschließung des riesigen Grundbesitzes aller öffentlichen Hände die Lage am Baulandmarkt entspannt werden könnte?
Ich halte das für eine sehr nützliche Erwägung.
Eine Zusatzfrage i des Herrn Abgeordneten Arndt.
Herr Minister, schließen die Zahlen, die Sie eben genannt haben, auch das öffentliche Eigentum der Städte an Verkehrsflächen, öffentlichen Parks und ähnlichen Geländestreifen ein?
Ja, ganz eindeutig, Herr Kollege.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 30 des Herrn Abgeordneten Dr. von Bülow — er ist im Saal — auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die auf Grund des § 8 Abs. 2 des Gesetzes Tiber die Erweiterung des Katastrophenschutzes vom 9. Juli 1968 und der darauf beruhenden Vereinbarung des Bundesministers des Innern und des Bundesministers der Verteidigung festgelegten Hochstzahlen für die Freistellung von Wehrpflichtigen in der Regel nicht ausreichen, um einen ausreichenden Katastrophenschutz und eine ausreichende Besetzung der freiwilligen Feuerwehren zu gewährleisten?
Bitte schön, Herr Bundesminister!
Der Bundesregierung ist bekannt, daß die Freistellungsmöglichkeiten nicht alle Belange des Katastrophenschutzes berücksichtigen. Der Personalbedarf des
764 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 21. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Dezember 1969
Bundesminister Genscher
Katastrophenschutzes wird nach § 8 Abs. 2 des Gesetzes gleichberechtigt neben den Bedarf der Bundeswehr gestellt. Aus dieser Bedarfsabwägung folgt aber auch, daß nicht alle Wünsche des Katastrophenschutzes erfüllt werden können. Bei der Festlegung der Zahl von 8500 Freistellungen pro Geburtsjahrgang ist von dem jährlichen Nachwuchsbedarf des Katastrophenschutzes aus den zum Grundwehrdienst anstehenden Jahrgängen der 18- bis 25jährigen ausgegangen worden. Zusätzlich können für die Anlaufzeit aus den früheren Geburtsjahrgängen, nämlich 1946 bis 1951, nur noch 35 000 Wehrpflichtige freigestellt werden. Um die Freistellungen dem jeweils wechselnden Bedarf der Bundeswehr und des Katastrophenschutzes anpassen zu können, werden die Höchstzahlen für die folgenden Geburtsjahrgänge jeweils jährlich festgelegt. Ende 1970 können somit die Erfahrungen bei den bisherigen Freistellungen berücksichtigt werden.
Keine Zusatzfrage. Dann rufe ich die Frage 31 des Herrn Abgeordneten Dr. von Bülow auf:
Ist der Bundesregierung ferner bekannt, daß die weitgehende Ausklammerung, insbesondere der technischen Berufe, dazu führen muß, daß die Dienste des Technischen Hilfswerks und der freiwilligen Feuerwehr qualitativ nicht in der Lage sein werden, ihre Aufgaben zu erfüllen?
Die Ausnahme bestimmter Berufe von der Freistellung beruht ebenfalls auf dem Bedarfsausgleich zwischen Bundeswehr und Katastrophenschutz, bei dem nicht allen Anforderungen entsprochen werden konnte. Die ursprünglich umfangreiche Ausschlußliste ist aber in den Verhandlungen zwischen dem Bundesministerium des Innern und dem Bundesministerium der Verteidigung erheblich gekürzt worden, so daß jetzt nur noch 9 technische Berufe von der Freistellung ausgenommen sind. Bei ihnen mußte ein überwiegendes Interesse der Bundeswehr anerkannt werden. Aus sechs weiteren technischen Berufen dürfen Wehrpflichtige nur in beschränktem Umfang, nämlich bis zu 10 % der Gesamtfreistellungszahl, freigestellt werden. Von diesen Freistellungsbeschränkungen können im Einvernehmen mit den Kreiswehrersatzämtern Ausnahmen gemacht werden, wie in der Vereinbarung über die Freistellung ausdrücklich vorgesehen. Auch für diese Berufsbeschränkungen ist eine Neufestsetzung für Ende 1972 vorgesehen worden, die die Behebung von Schwierigkeiten ermöglicht. Insgesamt stellt die Freistellung vom Wehrdienst nach § 8 Abs. 2 eine bedeutend bessere Möglichkeit der Personalgewinnung und Personalsicherung für den Katastrophenschutz dar als nach bisherigem Recht.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. von Bülow.
Wäre die Bundesregierung bzw. Ihr Haus im Benehmen mit dem Herrn Bundesverteidigungsminister bereit, einen Einzelfall zu überprüfen und in diesem Einzelfall auch von der Vereinbarung abzuweichen, wenn es sich als notwendig erweisen sollte?
Ich bin gern bereit, wenn es wirklich begründete Einzelfälle sind, einer solchen Erwägung nachzugehen.
Keine weitere Zusatzfrage. Ich danke dem Herrn Bundesminister des Innern.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft. Zur Beantwortung ist Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Arndt anwesend.
Ich rufe die Frage 51 des Herrn Abgeordneten Mertes auf. — Herr Mertes ist nicht im Saal; die Frage wird schriftlich beantwortet.
Die Fragen 52 und 53 sind zurückgezogen worden.
Ich rufe die Frage 54 des Abgeordneten Dr. Schneider auf. — Herr Dr. Schneider (Nürnberg) ist nicht im Saal; die Frage wird schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 55 des Abgeordneten Dr. Riedl auf:
Welche Möglichkeiten sieht die Regierung, die außergewöhnlichen Belastungen der deutschen Bauwirtschaft durch die hohen Betonstahlpreise zu mildern, die sich im Laute dieses Jahres als Folgeerscheinung einer absolut unzureichenden Betonstahlversorgung mit Erhöhungen der Abgabepreise des Handels von 100 und mehr Prozent herausgebildet und neben anderen Faktoren zu rasch wachsenden allgemeinen Baupreisen geführt haben?
Ist Herr Dr. Riedl da? — Bitte schön, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Dr. Riedl, bei öffentlichen Aufträgen mit einer Ausführungsdauer von mehr als sechs Monaten gibt es Gleitklauseln für die Baustoffpreise. Soweit solche Klauseln nicht vereinbart wurden, finden die allgemeinen Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage Anwendung. Bei privaten Aufträgen gelten die jeweils vereinbarten Bedingungen.
Für die Versorgung des Inlandmarktes standen aus heimischer Produktion und aus Einfuhren im Monatsdurchschnitt Januar—Oktober 1969 182 000 t Betonstahl zur Verfügung; das ist eine Zunahme von 36 % gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum. Die Preislisten der Walzstahlkontore berichten für Betonstahl III auf der Frachtbasis Oberhausen zur Zeit über einen Effektivpreis von 535 bis 540 DM je Tonne und für das Jahr 1968 von 450 DM je Tonne bis 400 DM je Tonne.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Riedl.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung der Auffassung, daß die Preiserhöhungen bei Betonstahl, die innerhalb weniger Wochen einen Stand von 100 und mehr Prozent erreichten, ein Indiz für unangemessene Preisforderungen im Sinne des § 2 a des Wirtschaftsstrafgesetzes sind?
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 21. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Dezember 1969 765
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das kann ich nicht beantworten, Herr Riedl. Das muß im Einzelfall geprüft werden. Die Preislisten der heimischen Erzeuger zeigen jedenfalls die von Ihnen genannten Zuwachsraten bei weitem nicht.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Riedl.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, bei Nennung von Einzelfällen in eine solche Prüfung einzusteigen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Selbstverständlich!
Eine Zusatzfrage, bitte schön!
Dr. Jobst ): Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Meinung, daß das deutsche Baugewerbe in diesem Jahr vielfach gezwungen war, angesichts der unübersehbaren Kostenentwicklung seine Angebote gewissermaßen auf Verdacht zu kalkulieren, ein Verfahren, das bei einem Wirtschaftszweig dieser Art doch sehr bedenklich ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es wird sicherlich in vielen Fällen dazu gekommen sein, daß die Kalkulationsgrundlagen von der tatsächlichen Entwicklung überrollt worden sind.
Weitere Zusatzfragen? — Bitte schön, Herr Kollege.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß die Erhöhung der Stahlpreise hauptsächlich auf die Koksknappheit zurückzuführen ist und daß, wenn man das Übel an der Wurzel fassen wollte, man dort ansetzen müßte, um die Baustahlpreise zu senken?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bisher kenne ich das Argument immer nur umgekehrt, nämlich, daß die Koksverknappung eine Folge der Stahlkonjunktur ist.
Keine weitere Zusatzfrage.
Frage 56 des Herrn Abgeordneten Dr. Müller-Hermann:
Hat die Bundesregierung bereits konkrete Vorstellungen entwickelt, in welchen Bereichen bzw. bei welchen öffentlichen Unternehmen end mit welchen Mitteln sie die Entwicklung staatlich beeinflußter Preise in engen Grenzen halten will?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Bundesministerium für Wirtschaft hat Grundsätze für die Beurteilung und Behandlung administrativ geregelter Preise ausgearbeitet, und die Bundesländer haben diesen Leitsätzen auf der Tagung der Leiter der Preisbildungsstellen in München am 8. und 9. Mai 1969 zugestimmt. Danach wurde die Verpflichtung übernommen, von Zeit zu Zeit die administrativen Preisregelungen daraufhin zu überprüfen, ob sie ersatzlos aufgegeben, in der Form gelockert, an die Marktgegebenheiten angepaßt oder durch indirekt wirkende Maßnahmen ersetzt werden können.
In diesem Rahmen ist bereits eine grundlegende Neuordnung des Baupreisrechts für öffentliche oder mit öffentlichen Mitteln finanzierte Aufträge in Angriff genommen worden. Begonnen wurde ferner mit der Überprüfung der Preisvorschriften für Dünge-
, mittel verschiedener Art. Die Änderung der Tarifordnung für Strom ist in Vorbereitung. Über die Änderung der Konzessionsabgabenordnung sind Gespräche im Gange. Mit den Arbeiten zur Novellierung der Arzneitaxe wird Anfang 1970 begonnen. Die Überprüfung weiterer administrativer Preisregelungen sollen mit Beginn des nächsten Jahres anlaufen.
Bei Erhöhungen administrativ geregelter oder beeinflußter Preise ist nach den Grundsätzen stets die allgemeine preispolitische Lage zu berücksichtigen. In preispolitisch labilen Phasen sollen administrative Preiserhöhungen nach Möglichkeit ganz vermieden werden. Diesen Beschluß faßten auch die für die Wirtschafts- und Finanzpolitik bei Bund, Ländern und Gemeinden zuständigen Vertreter in der Sitzung des Konjunkturrates für die öffentliche Hand am 4. Dezember 1969.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Müller-Hermann.
Herr Staatssekretär, wenn ich die Ankündigung Ihres Herrn Ministers richtig verstehe, will er doch mit dem Festhalten der behördlich geregelten Tarife einen Preisdämpfungseffekt auslösen. Wie stellen Sie sich in Ihrem Hause vor, daß die wachsenden Kosten, wenn sie nicht über die Preise weitergegeben werden sollen, ausgeglichen werden sollen? Sollen dazu nach der Auffassung Ihres Hauses in der Regel die Subventionen aus den öffentlichen Haushalten erhöht werden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Müller-Hermann, wir hatten bisher nur ein Mißverständnis dieser Art. In diesem Falle sind wir nach wie vor der Meinung, daß die Preiserhöhung durch die Kostenerhöhung nicht begründet ist. Es handelte sich um einen Fall der Elektrizitätswirtschaft.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Müller-Hermann.
Beziehen Sie sich bei dem, was Sie soeben zum Schluß andeuteten, auf die Entscheidung von Minister Kassmann in Nordrhein-Westfalen, daß die höheren Strompreise zwar von den kleinen Verbrauchern getragen werden sollen, aber nicht von der Wirtschaft?
766 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 21. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Dezember 1969
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wir beziehen uns auf die Entscheidung der Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerke, um die es sich hier handelt.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten van Delden.
Unterstellt, die Bundesregierung steht noch zu ihrer Antwort auf die Große Anfrage betreffend Stromversorgung der deutschen Wirtschaft, Drucksache V/3978: Sind Sie der Meinung, daß das Verhalten der EVUs insbesondere im nordrhein-westfälischen Bereich im Sinne dieser Anfrage ist, und sind Sie nicht der Meinung, daß die Maßnahmen, die die Bundesregierung in dieser Antwort vorgeschlagen hat, baldmöglichst in Angriff genommen werden müssen, um zu vermeiden, daß das Strompreisniveau noch höher geht?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Maßnahmen, die die Bundesregierung damals angekündigt hat, sind in Arbeit. Eine Einbeziehung in die Novelle des Kartellgesetzes ist sehr wahrscheinlich. Im übrigen hat sich die Bundesregierung zu dem von Ihnen genannten Fall bereits geäußert.
Ich lasse noch zwei Zusatzfragen zu. Herr Abgeordneter Burgbacher!
Herr Staatssekretär, verstehen Sie unter administrativen Preisen für diese Leistungen ein anderes System als bei der übrigen Preisbildung in der Marktwirtschaft, und ist Ihnen in dem vorliegenden Falle der Stromversorgung -- Sie haben das RWE namentlich genannt
bekannt, daß die RWE-Strompreise sozusagen die niedrigsten in der Bundesrepublik sind, und sehen Sie nicht die bisherige Preispolitik bei Ihrer heutigen Stellungnahme, sehen Sie nur die heutige Veränderung ohne Berücksichtigung dessen, daß natürlich bei denen, die die niedrigsten Preise haben, die Kosten zuerst durchschlagen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Veränderungen der Haushaltspreise für Elektrizität sind nach wie vor genehmigungspflichtig. Das ist das, was wir einen administrativen Preis nennen.
Es ist auch nicht entscheidend, ob es der billigste Anbieter von allen ist, sondern ob die Veränderung, die selbst der billigste vornimmt, plausibel gemacht werden kann; und das war nun einmal nicht der Fall.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Gatzen.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung eine Meinung über die Frage, ob sich eine nicht nur absolut, sondern auch relativ verstärkte Heranziehung von Braunkohlenkraftwerken zur öffentlichen Energieversorgung preisstabilisierend auswirken könnte?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sie würde sich zumindest dämpfend auf die Kosten auswirken, denn der Einsatz von Braunkohle in der Stromerzeugung hat in den letzten Jahren erhebliche Rationalisierungswirkungen gebracht.
Meine Herren und Damen, damit sind wir am Ende der Fragestunde. Ich danke dem Herrn Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Arndt.
Die Fragen 71, 72, 73, 97, 98, 103, 113, 114, 124, 125, 126 und 127 sind von den Antragstellern zurückgezogen worden. Die übrigen Fragen werden schriftlich beantwortet.
Wir kommen jetzt zu Punkt 11 der Tagesordnung:
a) Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen
betr. Bundeshaushaltsrechnung für das Rechnungsjahr 1966
hier: Nachträgliche Genehmigung der über- und außerplanmäßigen Ausgaben
— Drucksache V/2925 —
b) Beratung des Antrags des Präsidenten des Bundesrechnungshofes
betr. Rechnung und Vermögensrechnung des Bundesrechnungshofes für das Rechnungsjahr 1966 Einzelplan 20
— Drucksache V/4055
c) Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen
betr. Entlastung der Bundesregierung wegen der Bundeshaushaltsrechnung für das Rechnungsjahr 1966 auf Grund der Bemerkungen des Bundesrechnungshofes
— Drucksache V/4066 —
d) Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen
betr. Bundeshaushaltsrechnung für das Rechnungsjahr 1967
hier: Nachträgliche Genehmigung der über- und außerplanmäßigen Ausgaben
— Drucksache V/4409 —
Diese Vorlagen sollen zusammen behandelt werden. Wird das Wort dazu gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Nach den Empfehlungen des Ältestenrates sollen alle diese Anträge an den Haushaltsausschuß überwiesen werden. Erheben sich Bedenken? — Das ist nicht der Fall. Es ist so beschlossen.
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 21. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Dezember 1969 767
Vizepräsident Frau Funcke
Wir kommen zu Punkt 12 der Tagesordnung:
a) Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes
Drucksachen VI/69, VI/77 —
aa) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache VI 163 -Berichterstatter: Abgeordneter Krampe
bb) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung
— Drucksache VI 154 —
Berichterstatter: Abgeordneter Burger
b) Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Situation im Bereich der Versorgung von Kriegs- und Wehrdienstopfern — Nachtrag zum Kriegs- und Wehrdienstbericht
1969—
— zu Drucksache VI/81 —
Wird von den Herren Berichterstattern noch das Wort gewünscht? — Bitte schön, Herr Abgeordneter Burger!
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir einige kurze Bemerkungen zum Schriftlichen Bericht. Zunächst eine technische Bemerkung. In die erste Ausfertigung der Drucksache hat sich ein Druckfehler eingeschlichen. Ich bitte, die Drucksache VI/154 zu verwenden.
Nun einige wenige Bemerkungen zum Inhalt des Gesetzes.
Meine Damen und Herren, die Vorlagen wurden im Ausschuß zügig beraten, damit das Gesetz noch vor Weihnachten verabschiedet werden kann. Zur Beratung standen zwei Anträge. Der Antrag der CDU/CSU sah eine Anhebung der Versorgungsbezüge der Kriegsbeschädigten, Waisen und Eltern um 22 % vor. Die Witwenrenten sollten von jetzt 55 % der Rente eines erwerbsunfähig Beschädigten auf 60 % angehoben werden. Dies entspricht einer Anhebung um 32 %. Der Antrag der SPD und der FDP sah eine Verbesserung der Renten für Beschädigte, Eltern und Waisen um 16 und für Witwen um 25 % vor. Damit sollte die Rente der Witwe ebenfalls auf 60 % der Rente eines erwerbsunfähig Beschädigten gehoben werden. Die Koalitionsmehrheit entschied sich für ihren Antrag.
Darüber hinaus lagen Anträge vor, die strukturelle Verbesserungen für besonders schwer betroffene Gruppen enthielten. Die CDU/CSU sowie die SPD und die FDP beantragten eine stärkere Anhebung der Schwerstbeschädigtenzulage und die Einführung einer neuen Stufe 6. Damit sollte den vom Schicksal besonders schwer Betroffenen eine höhere
Anhebung zukommen. Die Anträge waren bis auf die Stufe 6 in der Höhe kaum unterschiedlich. Die Fassung der SPD und der FDP wurde angenommen. Für die Witwen der Empfänger einer Pflegezulage mindestens der Stufe 3 sah ein CDU/CSU-Antrag eine Pflegeleistungszulage vor. Ein Antrag der SPD und der FDP schlug eine Verbesserung des Schadensausgleichs für diese Witwen vor. Der letztere Antrag wurde einstimmig angenommen.
Ein weiterer Antrag der CDU/CSU, der eine Erhöhung der Elternrenten über die lineare Erhöhung vorsah, wurde von der Mehrheit abgelehnt. Für die jährliche Anpassung der Kriegsopferrenten sprach sich die CDU/CSU in ihrem Antrag aus, während die SPD und die FDP im Ausschuß vorschlugen, die Leistungen des Versorgungsgesetzes nach der Veränderungsrate der allgemeinen Bemessungsgrundlage in der gesetzlichen Rentenversicherung jährlich anzupassen. Der letztere Vorschlag wurde mit einer Enthaltung gebilligt. Damit ist die Dynamisierungsklausel in den heutigen Vorschlag aufgenommen.
Meine Damen und Herren, einig war sich der Ausschuß darin gewesen, die Beratungen so zügig zu führen, daß das Gesetz noch vor Weihnachten verabschedet werden kann. Das ist gelungen. Das Hohe Haus kann heute in zweiter und dritter Lesung das 1. Anpassungsgesetz zum BVG verabschieden.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Burger. Wir gehen jetzt von der Fassung der Drucksache VI/154 aus.
Ich rufe Art. I auf. Dazu liegt der Änderungsantrag Umdruck 5 Ziffer 1 der Fraktion der CDU/ I CSU zu Nr. 2 vor. Hierzu hat Herr Abgeordneter Ruf um das Wort gebeten.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Namen der CDU/CSU-Fraktion begründe ich den Antrag auf Umdruck 5 *), soweit die laufenden Versorgungsbezüge für Kriegsbeschädigte, Waisen und Eltern statt um 16 % um 22 % und für Kriegerwitwen statt um zirka 25 % um 32 % angehoben werden sollen. Wie Sie wissen, haben wir diesen Antrag im Bundestag eingebracht. Wir sind aber im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung von den Koalitionsfraktionen niedergestimmt worden. Wir bringen ihn hier wieder ein und hoffen, daß wir heute die nötige Stimmenzahl erhalten werden.
Meine Damen und Herren, da der Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung bei einer Stimmenthaltung, aber im übrigen einmütig — das muß entgegen anderslautenden Meldungen ausdrücklich gesagt werden — beschlossen hat, ab 1971 die Kriegsopferleistungen entsprechend dem Anwachsen der Renten der gesetzlichen Rentenversicherungen anzupassen, halten wir von der CDU/CSU es für selbstverständlich, daß man auch die Anpassung für 1970 wenigstens annähernd nach diesem Grundsatz vollzieht. Sie wissen, die Kriegsopferrenten sind seit dem
*) Siehe Anlage 2
768 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 21. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Dezember 1969
Ruf
Jahre 1967 nicht mehr angepaßt worden. Seitdem sind aber die Renten der gesetzlichen Rentenversicherungen um 26,4 % gestiegen. Unter diesen Umständen ist eine Anpassung von nur 16 % einfach nicht diskutabel. Daher können wir von unserer Forderung, die Kriegsopferleistungen wenigstens um 22 % zu erhöhen, nicht abgehen.
Wenn Sie uns entgegenhalten, für 1970 stünden nur 938 Millionen DM und nicht etwas mehr als 1,2 Milliarden DM, die nach unserem Antrag erforderlich sind, zur Verfügung, so muß ich Ihnen sagen, meine Damen und Herren, daß für uns die Verbesserung der Leistungen der Kriegsopferversorgung den Vorrang hat.
Mit mir haben wohl alle Kollegen der CDU/CSU-Fraktion vor dieser Legislaturperiode erklärt, daß in diesem Bundestag die Kriegsopferversorgung den Vorrang hat. Damit meinten wir nicht nur den zeitlichen Vorrang zum 1. Januar 1970, sondern auch den Vorrang in materieller Beziehung.
Wir sind und bleiben der Meinung, daß ein Volk, dem es in seinen breiten Schichten gut geht, die Pflicht hat, die Opfer des Krieges so großzügig wie möglich zu versorgen.
Diesen Standpunkt haben wir nachweisbar auch in der Vergangenheit vertreten.
— Das stimmt wohl. Ich werde es Ihnen nachweisen. Der Antrag auf Erhöhung um 16 % bedeutet einen jährlichen Mehraufwand von zirka 938 Millionen DM, der sich im Laufe der Jahre etwas vermindert. Dagegen haben wir — das können Sie, Herr Kollege Glombig, im Kriegsopferbericht der Bundesregierung auf Seite 7 nachlesen — im Jahre 1960 beim ersten Neuordnungsgesetz 1,131 Milliarden DM, beim zweiten Neuordnungsgesetz im Jahre 1964 1,24 Milliarden DM und beim dritten Neuordnungsgesetz im Jahre 1967 mitten in der Rezession 885 Millionen DM beschlossen.
Bei dieser Gelegenheit darf ich einmal daran erinnern, wie in der Vergangenheit gerade unsere unvergessene Frau Dr. Probst für die Kriegsopfer gekämpft hat
und wie sie manches Mal im Interesse der Kriegsopfer mit dem Finanzminister ihrer eigenen Partei gerungen hat. Daran könnte sich mancher Kriegsopfervertreter der Koalitionsfraktionen ein Beispiel nehmen.
Herr Kollege Ruf, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Glombig?
Bei der Begründung ist eine Zwischenfrage nicht zuzulassen.
Aber, meine Damen und Herren, kämpfen ist offenbar nicht jedermanns Sache.
Meine Damen und Herren, in diesen Tagen konnten wir da und dort in den Zeitungen lesen, man könne zwar Verständnis haben, wenn die Ausgleichsrenten und ähnliche Leistungen der Kriegsopferversorgung der Lohnentwicklung angepaßt würden, Leistungen nämlich, die im Prinzip Lohnersatz seien. Das könne man aber doch nicht, so wird gesagt und geschrieben, von den Grundrenten behaupten; 85 % der Beschädigten bekämen nur eine Grundrente, sie seien also ins Erwerbsleben eingegliedert und nähmen dadurch an der Lohnentwicklung teil. Denen, die das sagen, möchte ich nur entgegenhalten, daß jeder Anpassungssatz, den wir wählen, bei weitem nicht ausreicht, die vielen, vielen Nachteile und Beschwerden, die die Betroffenen Tag für Tag zu erdulden haben, auszugleichen. Bedenken Sie nur, daß z. B. nach dem Vorschlag der Koalitionsfraktionen bei 30 %iger Erwerbsminderung 61 DM gewährt werden und daß etwa Verlust oder Erblindung eines Auges, Verlust einer Niere oder Verlust aller Zehen unter 30 % Beschädigung fallen. Meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, ich würde Ihnen einmal empfehlen, sich den Kriegsopferbericht der Bundesregierung genau anzusehen. Auf Seite 35 finden Sie erschütternde Feststellungen.
Wenn Sie bedenken, welche Schäden die 85 % Grundrentenempfänger zu tragen haben, obwohl sie ins Erwerbsleben eingegliedert sind, werden Sie uns recht geben, wenn wir sagen, daß selbst bei einer Erhöhung um 22 % die Opfer bei weitem nicht ausgeglichen werden können, die die Betroffenen Tag für Tag zu tragen haben.
Ich bitte Sie, den Anträgen der CDU/CSU zuzustimmen. Hier können Sie zeigen, welche Schwerpunkte in der Sozialpolitik Sie setzen wollen.
Das Wort hat der Abgeordnete Professor Schellenberg.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Ruf, Sie haben hier von Versäumnissen früherer Arbeitsminister der CDU gesprochen.
Ich finde es erstaunlich, daß die CDU, nachdem die Dynamisierungsklausel in den Ausschüssen angenommen worden ist, mit dem Umdruck 5 17 Leistungspositionen der Kriegsopferversorgung über die Ausschußbeschlüsse hinaus erhöhen will.
— Ich werde Ihnen begründen, weshalb ich das erstaunlich finde.
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 21. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Dezember 1969 769
Dr. Schellenberg
Erstens. Durch den vorliegenden Gesetzentwurf in der Fassung der Ausschußvorlage werden die anpassungsfähigen Kriegsopferleistungen ab 1. Januar des Jahres 1970 durchschnittlich um 20,6 % erhöht. Wer ausschließlich niedrige Prozentsätze nennt, der läßt dabei — bewußt oder unbewußt — die Strukturverbesserungen für die Kriegerwitwen und für die Schwerstbeschädigten außer Betracht.
Eine zweite Bemerkung. Im Zusammenhang mit der Dynamisierungsklausel steigt das Finanzvolumen der Kriegsopferversorgung während des Zeitraums der mittelfristigen Finanzplanung, also für die nächsten vier Jahre, um 5900 Millionen DM. Das ist ein sehr beachtliches Volumen. Ich muß Herrn Kollegen Ruf entgegenhalten, daß noch niemals seit Bestehen der Kriegsopferversorgung ihre Leistungen in einem vierjährigen Zeitraum in einem solchen Ausmaß erhöht worden sind. Das sind die Fakten.
Eine dritte Bemerkung: Die Anträge der CDU/ CSU auf Umdruck 5 bedeuten eine Steigerung des gegenwärtigen Finanzvolumens der Kriegsopferversorgung für das Jahr 1970 um insgesamt 28 %. Sie würden im Zusammenhang mit der Dynamisierungsklausel, zu der sich die CDU/CSU jetzt nach einigen Schwierigkeiten bekennt, die erforderlichen Mehransätze für die mittelfristige Finanzplanung um über 11/2 Milliarden auf 7,4 Milliarden DM erhöhen.
Ein viertes Argument. Das Finanzvolumen dieser Anträge der CDU/CSU übersteigt die Anforderungen des früheren Arbeitsministers, des Herrn Kollegen Katzer, vom März dieses Jahres im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung um 3,6 Milliarden DM und übersteigt selbst seine zwei Tage vor der Bundestagswahl aus offensichtlichen Gründen erhobene Nachforderung immer noch um 2,3 Milliarden DM.
Meine Damen und Herren der CDU, ich muß Ihnen sagen: die Anträge, die in einer solchen Größenordnung über das, was ihr früherer Arbeitsminister forderte, hinausgehen, kann ich nicht als seriös bezeichnen.
Ihre Anträge, über die wir jetzt abstimmen sollen, widersprechen in eklatanter Weise den Grundsätzen einer geordneten Finanzwirtschaft,
zu denen sich Herr Kollege Barzel bei der ersten Lesung dieses Gesetzentwurfs in so prononcierter Weise bekannt hat.
— Herr Kollege Rasner, ich werde Ihnen noch etwas
anderes sagen müssen. Solche übersteigerten Anträge zeigen, daß die CDU/CSU offenbar aus den Erfahrungen der Jahre 1966/67
nicht die notwendigen Folgerungen gezogen hat.
Die damaligen Belastungen gingen nämlich auch zum Nachteil der Kriegsopfer.
Deshalb, meine Damen und Herren, werden wir Ihre Anträge ablehnen.
Eine Schlußbemerkung! Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung
für die Kriegsopferversorgung dreierlei angekündigt: erstens, die Kriegsopferrenten werden ab 1. Januar 1970 erhöht — so wörtlich Regierungserklärung -, zweitens, es sind strukturelle Verbesserungen vorgesehen, drittens, die Leistungen werden jährlich an die wirtschaftliche Entwicklung angepaßt.
Mit der Erklärung, die der Herr Bundesfinanzminister bei den Beratungen im Haushaltsausschuß abgegeben hat, wonach nämlich die Mittel auch für die Dynamisierung der Kriegsopferversorgung zusätzlich in die mittelfristige Finanzplanung eingebaut werden, hat die Bundesregierung die Zusagen der Regierungserklärung gegenüber den Kriegsopfern präzise erfüllt.
Daß dies in einer Zeitspanne — von der Regierungserklärung bis zur heutigen zweiten und dritten Lesung — von nur sechs Wochen erfolgt ist, zeigt den besonderen Vorrang, den Bundesregierung und Regierungsparteien den sozialen Anliegen der Kriegsopfer einräumen.
Meine Fraktion bringt dies durch Ablehnung der leichtfertigen CDU/CSU-Anträge
und durch Zustimmung zu den bedeutsamen Leistungsverbesserungen der .Ausschußvorlage zum Ausdruck.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schmidt .
Frau Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Ruf, Sie haben hier vorhin so deutlich Ihre Fraktion, die jetzige Opposition, als den einzigen Anwalt, den angeblich einzigen Anwalt der Kriegsopfer in diesem Hause herausgestellt. Ich stimme Ihnen in
770 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 21. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Dezember 1969
Schmidt
einem zu. Ihre Kollegin Frau Probst war dies immer, aber sehr häufig gegen ihre eigene Fraktion.
Aber ein anderes, Herr Kollege Ruf, haben Sie dabei vergessen. Sie haben vergessen, daß es Ihre Fraktion und Ihre Regierungsmitglieder waren, die beim Finanzänderungsgesetz den § 56 des Bundesversorgungsgesetzes, den wir jetzt im Ausschuß auf Antrag der Regierungskoalition zu einem Dynamisierungsparagraphen gemacht haben, abschaffen und aus dem Gesetz überhaupt herausnehmen wollten.
Das haben Sie dabei vergessen, und Sie haben dabei auch vergessen, welche Einstellung zu diesen Fragen seinerzeit der damalige Bundesfinanzminister und auch der damalige Bundeskanzler hatten und daß es dieses Haus war, das den § 56 wenigstens überhaupt wieder in das Gesetz hineinbrachte, um damit zu ermöglichen, daß eine Dynamisierung nunmehr auch im Gesetz verankert werden kann.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte schön!
Herr Kollege Schmidt, ist Ihnen nicht bekannt, daß in dem Antrag der Koalitionsfraktionen bezüglich des § 56 überhaupt nichts enthalten war und daß es die CDU/CSU-Fraktion war, die in ihrem Antrag, den sie im Bundestag eingebracht hat, gesagt hat: Wir verlangen eine jährliche Vorlage des Kriegsopferberichts, um dadurch eine jährliche Anpassung zu ermöglichen? Das paßt Ihnen wohl nicht; und deswegen schreien Sie so dazwischen?
Herr Kollege Ruf, es wäre vielleicht besser gewesen, Sie hätten in diesem Falle die Frage nicht an mich gestellt, denn ich habe in den letzten Jahren hier in diesem Hause mehrmals für die FDP-Fraktion diese Anpassungen, die Wiederherstellung des § 56 und alles, was damit zusammenhängt, beantragt. Das wissen Sie sehr genau. Und Sie waren unter den Ablehnenden.
Sie können es in den Protokollen der Sitzungen, in
denen wir uns damit befaßt haben, gern nachlesen.
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?
Bitte schön!
Herr Kollege Schmidt, ist Ihnen bekannt, daß Sie auch noch im März dieses Jahres für eine 20prozentige Erhöhung der Kriegsopferrenten eingetreten sind?
Herr Kollege Franke, das ist mir nicht nur sehr gut bekannt, sondern ich weiß es allein deshalb, weil ich damals diese Dinge ebenfalls vertreten habe. Und nun komme ich zu dem, was ich sowieso sagen wollte.
Herr Kollege Rasner, warten Sie doch mal ab! Jetzt komme ich zu dem, was ich sowieso zu den linearen Anhebungen sagen wollte. Herr Kollege Schellenberg hat schon deutlich gemacht, daß der Durchschnittssatz bei den anzupassenden Leistungen bei 20,6 °/o liegt.
— Darf ich das zuerst ausführen; vielleicht brauchen Sie dann nicht mehr zu fragen. — Aber bitte! Nur bitte ich, dann die Zeit zu verlängern, Frau Präsident.
Bitte schön, eine Zwischenfrage!
Herr Kollege Schmidt, ist Ihnen bekannt, daß in dem vorläufigen Kriegsopferbericht der Bundesregierung — ich darf, glaube ich, mit Genehmigung der Frau Präsidentin zitieren — steht:
Demnach hält es die Bundesregierung für gerechtfertigt und vertretbar, für Beschädigte und Waisen und Eltern eine allgemeine Anhebung der Vollrentenbeträge um durchschnittlich 16 v. H. vorzuschlagen.
Herr Kollege Franke, natürlich ist mir das bekannt.
Aber ich habe ja eben gesagt, es wäre besser gewesen, Sie hätten mich ausreden lassen, weil ich nämlich dazu gerade noch etwas sagen wollte. Natürlich haben wir — das ist gar kein Geheimnis, und dazu stehe ich auch — im vorigen Jahr eine Anpassung von 20 %
— Entschuldigung, jawohl: in diesem Jahr —
für richtig gehalten. Wir hatten allerdings damals nicht die Hoffnung, daß es gelingen würde, — —
— Moment, meine Damen und Herren, Moment!
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 21. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Dezember 1969 771
Schmidt
Ich weiß gar nicht, weshalb Sie so aufgeregt sind.
— Herr Kollege Franke, meine Damen und Herren, wir hatten damals allerdings noch nicht die Hoffnung, daß es gelingen würde
— lassen Sie mich doch bitte ausreden —, mit der Verabschiedung des Anpassungsgesetzes die Dynamisierung, also die jährliche Anpassung, und die Verankerung der Mittel in der mittelfristigen Finanzplanung durchzusetzen.
Ich muß Ihnen ehrlich sagen: Mir und meinen Freunden ist es mehr wert, wenn wir angesichts des jetzigen Finanzvolumens einen Teil der Renten zwar nur um 16 %, die Renten insgesamt im Durchschnitt aber um 20,6 % erhöhen, und zwar sofort. Mir ist es mehr wert, wenn nicht nur wir, sondern auch die Kriegsopfer wissen, daß ihre Renten in den nächsten vier Jahren entsprechend der Rentenformel angepaßt und die dazu erforderlichen Mittel auf Grund der Zusage des Bundesfinanzministers in die mittelfristige Finanzplanung aufgenommen werden.
Ich begrüße es auch, daß es nicht mehr nötig sein wird, jedes Jahr oder alle zwei Jahre einen Kampf zu führen. Damit entfallen zugleich die unwürdigen Auseinandersetzungen hier im Hause und in der Öffentlichkeit über die Notwendigkeit der Anpassung. Daß eine solche Forderung, die wir Freien Demokraten und auch ich selbst von dieser Stelle aus schon sehr oft erhoben haben, damit erfüllt ist, ist nicht nur uns, sondern, wie ich glaube, auch den Kriegsopfern etwas wert, so daß sie einsehen werden, daß das Finanzvolumen einfach nicht überschritten werden konnte. Ich unterstreiche, daß wir das, was Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, hier tun, wirklich für eine reine Schau halten.
Das ist so ähnlich wie Ihr Versuch im Ausschuß, der Dynamisierung zunächst einmal nur halb zuzustimmen und noch ein paar Tage Zeit zu haben, um hier noch einmal etwas dazu sagen zu können. Erfreulicherweise haben sich Ihre Kollegen am Schluß der Ausschußberatungen dann aber doch für die Zustimmung entschieden.
Lassen Sie mich noch ein Letztes zu der Summe Ihrer Anträge, zum Volumen Ihrer zusätzlichen Anträge, sagen, und zwar in Ergänzung dessen, was der Kollege Schellenberg vorhin schon über die tatsächlichen Ansätze im Sommer dieses Jahres gesagt hat. Hier kommen wir nämlich auch wieder zu den Prozentsätzen. Heute sprechen Sie von 25 % und von 32 %. Selbst der damalige Arbeitsminister, der Ihrer Fraktion angehörte — damals sprach auch kein Mensch von einjährigen Berichten —, redete lediglich von 15 % für 1970 und von 10 % für 1972, als er seine Forderungen stellte.
Der Finanzminister Ihrer Partei machte daraus — — Bitte schön!
Herr Kollege Schmidt, wenn Sie schon im Frühjahr dieses Jahres 20 % für notwendig gehalten haben, darf ich Sie fragen: Welches wäre Ihrer Meinung nach angesichts der Teuerungen der letzten Wochen das Minimum, in Prozenten ausgedrückt?
Herr Kollege Althammer, ich habe eben sehr deutlich gemacht, daß es mir und meinen Freunden mehr wert ist, die Mittel für die Dynamisierung in der mittelfristigen Finanzplanung für die nächsten Jahre fest verankert zu sehen und die Anpassung der Kriegsopferrenten jedes Jahr zum 1. Januar vornehmen zu können, und daß ich deshalb bereit bin, einer anderen Lösung zuzustimmen.
Wenn das nicht gegangen wäre, wenn wir die Dynamisierung nicht bekommen hätten, hätten wir selbstverständlich höhergehen müssen, allein schon deshalb, weil wir dann wieder zwei Jahre hätten warten müssen.
Herr Kollege Schmidt, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Burger?
Bitte schön!
Herr Kollege Schmidt, sind Sie sich darüber im klaren, daß Sie mit dieser Dynamisierung nicht nur die Renten, sondern auch den Rückstand dynamisieren?
Herr Kollege Burger, ich war, bevor Ihre Zwischenfrage kam, gerade bei der Darstellung einiger Zahlen. Vielleicht sind die Zahlen eine Antwort auf Ihre Frage.
Ich stelle noch einmal fest, daß der Bundesarbeitsminister 15 % für 1970 und 10 % für 1972 vorgesehen hatte und der Bundesfinanzminister, der damals von der jetzigen Opposition gestellt wurde, daraus in seinen Ansätzen 12 % für 1970 und 8 % für 1972 machte.
Meine Damen und Herren, rechnen Sie einmal nach, wie weit Sie damit gekommen wären. Zwei Tage vor der Wahl — auch das möchte ich hier noch einmal sagen —, am 26. September, bekam der Herr Bundesarbeitsminister plötzlich Mut und stellte eine Forderung in Höhe von 20 % ab 1970 und von 10 % ab 1972. Zwei Tage vor der Wahl! Ich glaube,
772 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 21. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Dezember 1969
Schmidt
auch die Kriegsopfer werden sich Gedanken darüber machen, ob das wirklich ein Wille Ihrer Fraktion war oder bloß der Blick auf die Wahlurne.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Namens der FDP-Fraktion
werden wir auf Grund der von uns seit langem erstrebten und jetzt nicht nur im Gesetz verankerten, sondern durch die Zusage des Finanzministers auch in die mittelfristige Finanzplanung hineingenommenen Dynamisierung, deren Mittel für die nächsten Jahre weit über das hinausgehen, was Sie in allen Ihren Vorschlägen für die Kriegsopfer im vergangenen Jahr vorgesehen hatten, Ihren Anträgen nicht zustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Maucher.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es wäre solider und ehrlicher, wenn man sagte:
wir anerkennen, daß die in dieser Lesung vorliegende Fassung nicht befriedigt, was die lineare Erhöhung anbelangt, und wir würden gern mehr tun. Das wäre solider und ehrlicher, als der Opposition hier vorzuwerfen, daß sie wegen ihrer Anträge unsolide sei. Das ist ein harter Vorwurf; ich möchte ihn absolut und entschieden zurückweisen.
— Ich komme noch darauf.
Herr Kollege Schellenberg, Sie haben dieses Anpassungsgesetz — davon gehen Sie aus — als einen Markstein bezeichnet. Ich möchte, was die Dynamisierung usw. angeht, dieses Gesetz nicht als einen Markstein, sondern als einen Randstein bezeichnen. Kollege Burger hat soeben die Frage gestellt, ob mit dieser Lösung nicht der Rückstand dynamisiert werde. In der Tat haben wir
in § 56 des Dritten Neuordnungsgesetzes die klare Feststellung getroffen, daß wir mit diesem Gesetz eine Anpassung an die wirtschaftliche Entwicklung und Leistungsfähigkeit für die Zukunft vornehmen.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Danke schön. Ich werde jetzt meine Ausführungen zu Ende bringen.
— Wenn Sie wollen, stehe ich Ihnen am Schluß für Fragen zur Verfügung, so lange Sie es wünschen und so lange es der Präsident zuläßt.
Meine Damen und Herren, ich sagte, daß wir bei § 56 völlig klargestellt haben, daß die Renten in der Kriegsopferversorgung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit anzupassen sind. Wenn man das zugrunde legt, kann man doch nicht für die lineare Erhöhung einen Satz von 16 % vorsehen, sondern dann ist doch unser Antrag mit 22 %, wenn man die Rentenversicherung einschließt, absolut berechtigt.
Zweitens kann man nicht sagen: In Zukunft werden die Kriegsopferrenten an die Rentenversicherung angepaßt; das gilt aber für die Vergangenheit nicht. Dann haben Sie nämlich einen Rückstand von 10 °/o, und der wird zementiert. Das muß ich klar feststellen.
Herr Kollege Schellenberg und Herr Kollege Schmidt, das von Ihnen angesprochene Zögern in der Frage der Dynamisierung hatte keineswegs den Grund, daß die Union nicht anpassen wollte, sondern dieses Zögern war gerade auf die Überlegung zurückzuführen, ob wir zustimmen können, daß die Kriegsopfer um 10 % zurückbleiben.
Herr Kollege Schellenberg, wir müssen die Dinge doch in aller Ruhe und Sachlichkeit sehen. Es ist nicht so, als sei die Dynamisierung in der Kriegsopferversorgung erst jetzt begonnen worden. Mit dem Ersten, Zweiten und Dritten Neuordnungsgesetz ist die Dynamisierung eingeleitet worden
mit dem Berufsschadens- und Schadensausgleich, beim Dritten Neuordnungsgesetz mit den Anrechnungsbestimmungen. Alle Abgeordneten waren damals der Meinung, daß das ein besonderes Merkmal sei. Und wenn Sie die finanziellen Auswirkungen einander gegenüberstellen, darf auch nicht verschwiegen werden, daß auch hier bereits entsprechende Erhöhungen vorgenommen worden sind, und zwar im Jahre 1968 um 93 Millionen DM, im Jahre 1969 um 187 Millionen DM, im Jahre 1970 um 281 Millionen DM und im Jahre 1971 um 375 Millionen DM. Diese Beträge sind durch die Dynamisierung dieses Teils im Dritten Neuordnungsgesetz festgelegt worden.
Beim Ersten Neuordnungsgesetz wurde die Beziehung zur Rentenversicherung ebenfalls hergestellt. Damals hatte die CDU beantragt, die Grund- und Ausgleichsrenten für Erwerbsunfähige entsprechend der Höhe der allgemeinen Bemessungsgrundlage festzusetzen. Da können Sie doch nicht behaupten, wir hätten in der Angelegenheit nicht auch das Nötige getan.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang folgendes feststellen. Bei der Beratung des Ersten Neu-
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 21. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Dezember 1969 773
Maucher
ordnungsgesetzes hatte die Regierung ein Gesetz mit 540 Millionen DM vorgelegt. Die CDU/CSU hatte den Mut — d. h. die Abgeordneten Frau Dr. Probst, Maucher usw. , den Antrag zu stellen,
1,050 Milliarden DM.
Und nun, meine verehrten Damen und Herren, hören Sie gut zu und vergleichen Sie die Zahlen, die ich Ihnen jetzt sage! Die Sozialdemokraten haben damals einen Antrag von genau 2 Milliarden DM gestellt. Hören Sie weiter zu: Die Freien Demokraten haben einen Antrag von 2,945 Milliarden DM, also fast 3 Milliarden DM, gestellt. Das war sechsmal soviel, wie in der Regierungsvorlage, und dreimal soviel, wie in der CDU-Vorlage vorgesehen waren.
Und dann wollen Sie behaupten, wir seien unsolide!
Dazu will ich Ihnen ein Zweites sagen. Wir haben damals im Kriegsopferausschuß entgegen der Regierungsvorlage von 540 Millionen DM und gegenüber dem Antrag der CDU/CSU von 1,05 Milliarden DM eine Gesamtsumme von 1,241 Milliarden DM verabschiedet. Das ist doch ein deutliches Zeichen dafür, daß dieses Parlament in der Frage der Kriegsopferversorgung nicht immer nur nach den finanziellen Möglichkeiten, sondern auch nach den sachlichen Notwendigkeiten gegangen ist.
Ich darf Ihnen weiter folgendes sagen. Dieses Parlament hätte sich damals das zu eigen machen sollen, was wir beim Zweiten Neuordnungsgesetz gemacht haben. Damals hat nämlich der Haushaltsausschuß in 86 Positionen Kürzungen zugunsten der Kriegsopferversorgung vorgenommen — ein Vorgang, den wir in diesem Parlament noch nie hatten. Nun können Sie nicht sagen: Das sind Anträge, die die CDU stellt, die sind unseriös!
Wenn Sie von der Finanzkraft und den Milliarden sprechen, dann müssen Sie an sich auch so ehrlich sein, zu sagen, was am Ende die praktische Auswirkung ist. Dazu sage ich Ihnen folgendes. Wenn Sie den Anteil des Kriegsopferhaushaltes in das Verhältnis zum Gesamthaushalt setzen, dann bekommen Sie ein anderes Bild. Ich kann in der Tat von einem Mann, der 1000 DM verdient, mehr verlangen als von dem, der 500 DM verdient. Ich kann auch mehr Steuern verlangen.
Deshalb kann ich jetzt nicht sagen: Damals wurden diese Milliarden bezahlt! Ich muß vielmehr den Kriegsopferhaushalt in das Verhältnis zum Gesamthaushalt setzen. Herr Kollege Schellenberg, rechnen Sie einmal! Dann werden Sie feststellen, daß die Zahl von 7,5 % seit 1950 oder 1955, als es 13 % waren, erheblich gesunken ist. Ich bin der Meinung, daß wir diesen Tatbestand mit sehen müssen.
— Woran? Das möchte ich hier ganz deutlich sagen: wir von der Union unterscheiden uns von den Koalitionsparteien dadurch, daß wir den Kriegsopfern mehr Priorität zubilligen wollen.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Man kann nicht den Kriegsopfern sagen: Wir haben kein Geld, wir können nicht mehr geben. Es ist in der Tat so, daß man eben überlegen muß, wo, auf welchem Gebiet, man einspart. Es war kein Wahlversprechen von Hans Katzer, sondern es stand im Wahlprogramm, daß die Kriegsopferversorgung vorrangig ist. Das wollen wir mit unserem Antrag erfüllen. Da fühlen wir uns gegenüber den Kriegsopfern verpflichtet.
- Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich
möchte Ihnen in der Angelegenheit folgendes sagen.
Wenn die einzelnen Herren — ob es auf dieser
Seite ist oder auf jener Seite — Herr Kollege
— — Wo habe ich die Unwahrheit gesagt?
Ich habe nichts anderes — —
— Herr Kollege Wehner, ich muß Ihnen jetzt bestätigen, daß Sie vor einem Schwerbeschädigten, der hier spricht, nicht allzuviel Respekt haben.
— Ich überlege mir sehr genau, wenn ich irgend etwas sage, daß ich das dann überlegt sage.
Ich darf abschließend feststellen, daß wir wohl stundenlang über die ganze Problematik reden könnten.
— Wenn Sie so unruhig sind, meine Verehrten, dann ist mir das ein Zeichen, daß Sie ein schlechtes Gewissen haben.
774 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 21. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Dezember 1969
Maucher
Die Stimmen von draußen, — Sie können darüber mit manipulierten Zahlen nicht hinwegtäuschen! Man kann nicht sagen: Die Witwen kriegen 25 % mehr, —
— Jawohl.
— Sehen Sie, wie Sie sofort erregt werden. — Ich darf feststellen, daß 345 000 Witwen den Schadensausgleich erhalten, und darf feststellen, daß hier in dem Finanzbericht eine Einsparung von 80 Millionen — rund — zu Lasten der Witwen erfolgt. Denn diejenigen, die Schadensausgleich bekommen, bekommen den Betrag bei der Grund- und Ausgleichsrente zu vier Zehnteln angerechnet. Das muß man sagen.
Man kann nicht der Öffentlichkeit sagen: 20 % mehr. — Wahr ist: für die Beschädigten, Waisen, Eltern 16 % mehr. Es ist unsere Auffassung, daß man das den Kriegsopfern gegenüber nicht verantworten kann.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Nölling.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es kann in dieser dritten Lesung dieses wichtigen Gesetzes nicht in erster Linie — —
— Gut, ich berichtige mich: in dieser zweiten Lesung; ich bin Ihnen dankbar für den Hinweis schon am Anfang.
Es kann in dieser wichtigen zweiten Lesung dieses Gesetzes nicht darum gehen: wer bietet aus sehr durchsichtigen Gründen kurz vor Weihnachten mehr?,
sondern es geht alleine darum, wie die „harten Daten" sind. Das hat Ihr Kollege Burger in der ersten Lesung gesagt. Wir müssen die Steigerungen, die Verbesserungen des Kriegsopferrechts in einem Gesamtzusammenhang sehen und alle Faktoren ins Kalkül mit einbeziehen.
Nun ein Wort zu der Frage, ob Ihre Berechnungen unsolide sind oder nicht. Der Abgeordnete Katzer hat in der ersten Lesung gesagt, die Begründung Ihrer Forderungen sei solide durchgerechnet. Wir haben uns diese Begründung angesehen und mußten feststellen, daß 120 Millionen DM einfach vergessen worden waren. Dadurch erhöhte sich der Voranschlag, den Sie gemacht haben, von 1,1 Milliarden DM auf 1,23 Milliarden DM.
Meine Damen und Herren., als neuem Abgeordneten in diesem Hause erscheint mir der Streit, der hier von der CDU/CSU-Seite über die Priorität, die die Kriegsopferversorgung in den jeweiligen Programmen hat, angefangen worden ist,
lächerlich, um das einmal ganz klar zu sagen.
Ich kann mich an das halten, was programmatisch im Regierungsprogramm und in der Regierungserklärung gesagt worden ist, und an das, was diese Regierung zu tun bereit ist.
In der ersten Lesung hat der Kollege Katzer, um die Bedenken zu zerstreuen,
die die Verbände geäußert haben, daß sich die jungen Leute in diesem Parlament vielleicht nicht mehr wie bisher für die Kriegsopferversorgung einsetzten, gesagt, er spreche sicherlich auch im Namen der neuen Abgeordneten. Die Kriegsopferversorgung ist für uns — ich kann das sicher im Namen all derer, die angesprochen worden sind, sagen —eine ganz ernste Verpflichtung.
Wir wundern uns nur, daß die CDU/CSU, die nunmehr in der Opposition ist, mit einer bisher nicht gekannten Großzügigkeit für die Kriegsopfer eintritt.
Herr Kollege Dr. Nölling, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Wir wundern uns, daß die CDU/CSU nun auf einmal ihr Herz für die Kriegsopfer entdeckt hat. Sie hatte 20 Jahre lang Zeit dazu.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Dr. Nölling ; Ich frage mich, wie glaubwürdig ist eine Opposition, von der der Oppositionsführer — —
Herr Kollege, ich habe Sie schon zweimal gefragt, ob Sie eine Zwischenfrage gestatten. Sie haben jetzt im Augenblick
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 21. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Dezember 1969 775
Vizepräsident Frau Funcke
nicht das Wort. Ich bitte, mir zunächst meine Frage zu beantworten.
Ich hatte mich sehr darauf gefreut, Zwischenfragen zu beantworten, weil sie die Diskussion ungemein beleben. Ich bin aber der Auffassung, daß die Praxis, die Sie hier vorexerziert haben, es mir jetzt nicht gestattet, auf Zwischenfragen einzugehen.
Diese Anpassung, über die wir heute sprechen, war dringend notwendig.
— Ich weiß nicht, wie Sie reagiert haben, als Sie zum erstenmal gesprochen haben.
Ich bin gar nicht nervös; ich bin außerordentlich ruhig.
Diese Anpassung, die wir alle für notwendig halten, kann aber nicht, wie die Opposition offenbar annimmt, in einem luftleeren Raum stattfinden. Deshalb hat ja die Bundesregierung einen Bericht zu § 56 des Bundesversorgungsgesetzes vorgelegt. Wir haben bei unseren Entscheidungen die Daten, die in diesem Bericht stehen, berücksichtigt. Dieser Bericht beschränkt sich nach dem Willen des Gesetzgebers von damals ausdrücklich auf die volkswirtschaftlichen und finanzpolitischen Entwicklungen in den letzten drei Jahren.
Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, hier möchte ich — wie es auch der Kollege Katzer in der ersten Lesung getan hat noch einmal auf die Verzahnung von Wirtschafts- und Sozialpolitik zu sprechen kommen. In diesen letzten drei Jahren, auf die sich der Bericht bezieht, hat es zwei von Ihnen zu verantwortende wirtschaftliche Ereignisse gegeben, die den Handlungsspielraum in der Sozialpolitik ganz beträchtlich eingeengt haben und die die Situation der Kriegsopfer — namentlich in diesem Jahre — ganz besonders beeinträchtigt haben. Ich meine, die von Ihnen 1967 gewollte Rezession
und die von Ihnen im Jahre 1969 nicht gewollte Aufwertung.
Ich brauche nichts dazu zu sagen, was diese Rezession im Jahre 1967 bedeutet hat.
Meine Damen und Herren, Sie haben dem ja nie widersprochen,
was Herr Schmücker gesagt hat.
Daß Sie die Aufwertung nicht gewollt haben, ist doch während dieser sechs Wochen in den Debatten hier deutlich geworden.
Ich möchte etwas zu der Erhöhung der Geldleistungen sagen.
Warum haben der damalige Bundesarbeitsminister Katzer und der Bundesfinanzminister im März, im Frühjahr nicht voraussehen können,
in welch starkem Maße die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung bis zum Jahre 1969 und über diese Jahre hinaus angehoben sein würden? Heute sagt er: Warum berücksichtigt ihr dieses Datum nicht? Warum hat er es nicht im Frühjahr berücksichtigt, als er selbst noch in der Verantwortung war?
- Das hat mit unseren Genossen nichts zu tun!
Die Maßstäbe, die wir für die Erhöhung des Gesamtvolumens des Kriegsopferhaushaltes angelegt haben,
sind nicht willkürlich gewählt worden.
Ich möchte Ihnen hierfür drei Hinweise geben: Die Anhebung des Gesamtvolumens ist höher als die Bruttolohn- und -gehaltsentwicklung in diesem Zeitraum.
— Das stimmt!
Lesen Sie doch bitte den Kriegsopferbericht; Sie haben doch inzwischen Zeit dazu gehabt. Der Einwand, daß Sie ihn erst vor einer Stunde bekommen hätten, stimmt doch nicht mehr.
Diese Steigerung des Gesamtvolumens entspricht zweitens fast genau der Steigerung der Gesamtausgaben des Bundes. Und drittens: Diese Steigerung bleibt nur sehr knapp hinter der Zunahme des Bruttosozialproduktes in diesem Zeitraum zurück.
Meine Damen und Herren, einiges zu Ihrer Haltung in der Frage der Dynamisierung. Es ist sehr
776 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 21. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Dezember 1969
Dr. Nölling
interessant, innerhalb von 14 Tagen gewisse Wandlungen Ihrer führenden Sozialpolitiker zu dieser Frage feststellen zu können. In Berlin war im Ausschuß folgendes zu vernehmen: man sei überrascht, daß die Frage überhaupt auf den Tisch gekommen sei. Man sagte darüber hinaus, es war der Herr Kollege Ruf, man betrachte in der CDU die Zeit noch nicht als reif für eine Dynamisierung. Heute morgen hören wir zu unser aller Überraschung, nun sei die Dynamisierung in der von uns vorgeschlagenen Form eine Selbstverständlichkeit für Sie.
Meine Damen und Herren, was die Dynamisierung bringt, ist sehr einleuchtend. Aber hier vielleicht noch einiges zu der CDU, zu ihrem Berliner Programm, zu ihrem Wahlprogramm und ihrer Drucksache vom 23. November 1969. In diesen drei Dokumenten haben Sie sich nicht dazu durchringen können, mit der Diskriminierung der Kriegsopfer auf diesem Gebiet Schluß zu machen.
Mit Ihrem Vorschlag wäre genau jedes Jahr, von
Jahr zu Jahr, die Auseinandersetzung in diesem
Parlament über dieses Problem wiederholt worden.
Wir sind der Meinung, daß die Kriegsopfer dafür zu schade sind,
jedes Jahr erneut in diese Diskussion gezogen zu werden.
Herr Kollege Dr. Nölling, einen Augenblick.
Meine Herren und Damen, mir scheint das Thema einfach zu ernst zu sein,
als daß es die Reaktion und die Aktion in diesem Hause
rechtfertigt. Meine Herren und Damen, die Erregung und der Anlaß der Erregung liegen auf beiden Seiten des Hauses. Ich habe mir soeben das Protokoll mit jenem Zwischenruf geben lassen, der zu einer besonders großen Aufregung geführt hat. Das Wort „Dreckschleuder" ist, soweit ich das feststellen konnte, nicht gefallen.
- Es ist nicht im Substantiv gefallen,
sondern in der Form: „Hier wird mit Dreck geschleudert."
Meine Herren und Damen, ich halte solcherlei Ausdrücke und Zwischenrufe nicht für qualifiziert und wäre dem gesamten Hause dankbar — das gilt für alle Seiten —, wenn wir dem Thema gerecht würden, um das es heute geht.
Bitte schön, Herr Kollege!
Frau Präsidentin, ich darf Ihnen dafür sehr danken. Ich hoffe sehr, daß dies zu einer Abkühlung bei Ihnen von der CDU beigetragen hat.
Meine Damen und Herren, warum betonen wir Sozialdemokraten und Freien Demokraten
diese Bedeutung der Dynamisierungsklausel so außerordentlich?
Warum sind wir der Meinung, daß die Dynamisierung so unerläßlich notwendig war
und einen tatsächlichen Fortschritt in unserer Sozialordnung bedeutet? Ich möchte drei Gründe nennen.
Erstens wird die Diskriminierung der Kriegsopfer ein für allemal beseitigt. Auch für sie gilt nun, daß in regelmäßigen jährlichen Abständen mit einer Anhebung ihrer Leistungen gerechnet werden kann.
Zweitens. Die Steigerungsraten, um die es geht, sind schon jetzt bis zum Jahre 1973 absehbar.
Drittens. Das Hin und Her zwischen Kriegsopferverbänden, Bundestag und Regierung hat in bezug auf die laufenden Anpassungen nunmehr ein Ende. Das braucht auf keinen Fall zu bedeuten — und ich greife hier einen Beitrag auf, den es heute gegeben hat —, daß mit dieser Dynamisierung Rückstände dynamisiert würden. Das ist sowieso nicht richtig, und das wissen Sie auch ganz genau; denn es finden ja in diesem Falle wiederum erhebliche strukturelle Verbesserungen statt. Wenn sich die wirtschaftliche Lage und die haushaltspolitische Lage weiter konsolidieren, warum soll dann nicht auch in Zukunft in diesem Parlament über weitere Verbesserungen gesprochen werden können?
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 21. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Dezember 1969 777
Dr. Nölling
Meine Damen und Herren, ich möchte ausdrücklich den Vertretern der Kriegsopferverbände, die im Ausschuß sehr fundiert mitgearbeitet und Anregungen gegeben haben, für diese Mitarbeit danken.
Ich möchte eine Anregung an den Herrn Bundesarbeitsminister geben. Wie Sie wissen, enthält die neue Fassung des § 56 keine Verpflichtung für die Bundesregierung, in Abständen von einem oder zwei Jahren einen Bericht vorzulegen. Vielleicht kann der Bundesarbeitsminister darauf hinwirken, daß in gewissen Abständen trotzdem dieser Bericht vorgelegt wird.
Meine Damen und Herren von der Opposition, ich darf schließen, indem ich an Sie appelliere,
entsprechend Ihren früheren Äußerungen, als Sie noch in der Regierung waren, mit uns alles daranzusetzen,
daß der Soziale Fortschritt und daß soziale Gerechtigkeit in diesem Land mit wirtschaftlicher Stabilität und haushaltspolitischer Solidität vereinbart werden können.
Meine Herren und Damen, das war eine Jungfernrede.
Ich möchte dem Hause wünschen,
daß wir so viele freie Sprecher haben, aber ich möchte zugleich wünschen, daß der Sprecher beim nächstenmal eine bessere Zuhörerschaft im Hause sich verschafft.
Das Wort hat der Abgeordnete Franke.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, nicht einmal eine Jungfernrede berechtigt zu solchen Ausfällen.
Der Kollege Dr. Nölling, von mir sehr geschätzt als Nachfolger von Peter Blachstein in diesem Hause, hat es nach meiner Auffassung nicht nötig, in solch polemischer und unsachlicher Form hier seine Darstellung von sich zu geben.
Herr Professor Schellenberg hat uns am Anfang seiner Rede der Unseriosität bezichtigt und hat gesagt, wir hätten über das vertretbare finanzielle
Maß hinaus Anträge gestellt, sowohl die Erhöhung für das Jahr 1970 betreffend als auch die sich daraus ergebenden Konsequenzen bei der Dynamisierung des § 56 für die nachfolgenden Jahre. Wie ist die Wirklichkeit? Es hat in den Jahren seit 1950 noch nie eine solche wirtschaftliche Entwicklung wie in diesem Augenblick gegeben, die auch zu so hohen Steuereinnahmen geführt hat. Diese Steuereinnahmen, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Sozialdemokratischen Partei — und darüber streiten wir mit Ihnen —, in der richtigen Reihenfolge zurückzuverteilen, das ist unser Anliegen, und da waren die Kriegsopfer für uns die Nummer eins.
Wenn es wahr ist — ich entnehme das dem Bericht der Bundesregierung —, daß das Bruttosozialprodukt von 1966 bis 1969 nominal um 22,4 % gestiegen ist, wenn die gesamtwirtschaftliche Produktivität — reales Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätigen — um 17,2 % zugenommen hat, wenn die Ausgaben des öffentlichen Gesamthaushalts um 18,8 % zugenommen haben und die Bruttolohn- und -gehaltssumme je abhängig Beschäftigten seit 1966 um 19,7 % angestiegen ist, dann ist das, was Sie mit 16 % den Kriegsopfern zumuten, fürwahr ein ganz kümmerlicher Beitrag zur Befriedung der sozialen Verhältnisse in der Bundesrepublik.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Jung.
Bitte sehr!
Herr Kollege Franke, ist Ihnen bekannt, daß es der Finanzminister der früheren Koalitionsregierung verabsäumt hat, die mittelfristige Finanzplanung in allen Teilen fortzuschreiben, so daß sich die neue Regierung nun in die Lage versetzt sieht, die Dinge, die dort versäumt wurden, nachholen zu müssen?
Verehrter Herr Kollege Jung, im Frühjahr 1969 war mit einer solchen Prosperität, wie sie dann wirklich eingetreten ist, trotz der Weissagungen eines Professor Schiller nicht zu rechnen.
Das, meine Damen und Herren, hat uns dann letztlich veranlaßt, schon in der Mitte des .Jahres — und unser damaliger Arbeitsminister Katzer im September — dafür einzutreten, von dem damaligen Finanzminister 20 % zu fordern. Sie können sich darauf verlassen, meine Damen und Herren, hätten wir die Regierung gebildet, wären wir mit diesen 20 % oder 22 % an die Öffentlichkeit getreten.
772 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 21. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Dezember 1969
Franke
Herr Professor Schellenberg, Sie haben uns der Unseriosität bezichtigt. Ich darf die Zahlen wiederholen und ergänzen, die mein Freund Maucher Ihnen hier eben genannt hat. In der 3. Legislaturperiode hat z. B. die Fraktion der FDP mit der Drucksache 962 am 3. April 1959 den Entwurf eines Gesetzes eingebracht, der ein Volumen von 2,95 Milliarden DM hatte, und die Fraktion der SPD am 27. Oktober 1959 einen Entwurf mit 2 Milliarden DM. Der Ausschuß hat dann die Anträge von Frau Dr. Probst und Genossen aus der CDU/CSU-Fraktion ergänzt und auf 1214,4 Millionen DM erweitert. Meine Damen und Herren, was jetzt durch diese Kleine Koalition eingeführt worden ist — seit 1949 zum ersten Mal — ist, daß sie die 938 Millionen DM, die ihr der Finanzminister bewilligt hat, nicht um eine einzige Mark erhöht hat, sondern sich an dieses Limit gehalten hat.
Verehrter Herr Kollege Schellenberg, die Zahlen, die ich Ihnen hier soeben aus dem Kriegsopferbericht vorgelesen habe und die eindeutig darstellen, daß sowohl das Bruttosozialprodukt wie aber auch die Renten seit der vergleichbaren Zeit, nämlich seit 1966, um 24,4 % gestiegen sind, zeigen klar, daß Ihre 16 % der Notwendigkeit zur Herstellung sozialer Gerechtigkeit nicht entsprechen.
Meine Damen und Herren, Sie können mit noch so vielen verbalen Attacken — und so verstehe ich auch die Attacke, die mein Kollege Dr. Nölling hier gerade produziert hat — nicht vernebeln, daß Sie ein schlechtes Ergebnis für unsere Kriegsopfer jetzt auf den Tisch legen. Das, meine Damen und Herren, werden wir Ihnen hier und draußen in der Öffentlichkeit noch mehr als einmal vorhalten.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt .
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nachdem der Kollege Maucher und jetzt auch der Kollege Franke ein bißchen Geschichtsforschung betrieben haben
und versucht haben, die Priorität der CDU/CSU in diesen Fragen deutlich zu machen, möchte ich Herrn Kollegen Maucher und vielleicht auch Sie, Herr Kollege Franke, nur in einigen Dingen ergänzen und das sagen, was Sie vergessen haben.
Weil Sie hier so sehr viel von der Priorität sprechen, möchte ich hier im Hause von dieser Stelle aus noch einmal feststellen, erstens daß es der von der CDU/CSU gestellte Bundeskanzler und der von der CDU/CSU gestellte Finanzminister waren, die sich gegen jede weitere Anpassung in der Kriegsopferversorgung wehrten, als Sie den § 56 nicht mehr im Bundesversorgungsgesetz haben wollten.
Ich stelle zweitens fest, daß es die FDP-Fraktion — damals in der Opposition — und die SPD-Fraktion waren, die die Wiederherstellung des § 56 in diesem Hause erreichten.
Damit die Dinge deutlich werden und alles auf dem Tisch liegt, stelle ich als Drittes fest, daß das, was Herr Katzer, der Arbeitsminister Ihrer Fraktion, im Frühjahr für 1970 wollte, 680 Millionen DM waren,
daß Herr Strauß diesen Betrag auf 545 Millionen DM heruntergesetzt hat und daß Herr Katzer ihn zwei Tage vor der Wahl auf 908 Millionen DM heraufsetzte, während der Vorschlag, den wir heute hier verabschieden, ein Volumen von 938 Millionen DM für 1970 beinhaltet.
Herr Kollege Maucher hat erklärt, es sei kein Wahlversprechen gewesen, daß man am 26. September plötzlich mit 900 Millionen DM vor die Wähler trat. Stellen Sie sich doch einmal selbst die Frage, ob der Zeitpunkt des 26. September vom damaligen Arbeitsminister nicht allein deshalb gewählt wurde, weil der Finanzminister bis zum 28. nicht mehr Einspruch erheben konnte und so die Dinge am 28. noch im Raum standen; denn im Frühjahr hatte er ja Einspruch erhoben und den Betrag herabgesetzt.
— Das ist eine Frage der Beurteilung, Herr Kollege Franke. Ich erinnere mich, was ich, der ich zu diesen Fragen ja häufig schon von hier aus gesprochen habe, schon für Reden hier gehört habe, beispielsweise als der Kollege Maucher seinerzeit verzweifelt versuchte, den Bundeskanzler und den Bundesfinanzminister in den Anpassungsfragen von dieser Stelle aus zu decken, als es damals um den § 56 und dergleichen ging. Erinnern Sie sich noch, Herr Kolle Maucher?
— Ich habe damals gekämpft, wir haben damals gekämpft, Herr Kollege Burger.
— Ach, gar kein Grund, Herr Kollege Götz. Wie das aussieht, haben wir ja am vorigen Freitag gesehen.
Aber lassen Sie mich zum Schluß kommen, meine Damen und Herren. Ich stelle noch einmal fest das ist die lezte Feststellung für meine Freunde — : bei der Verabschiedung dieses Gesetzes heute ist für uns die Tatsache entscheidend, daß wir mit dem heutigen Beschluß erreichen, daß die Kriegsopfer im gleichen Maße Anpassungen erhalten wie die Rentenempfänger, in gleichen Prozenten.
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 21. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Dezember 1969 779
Schmidt
— Jetzt kommen Sie wieder mit dem Nachholbedarf. Dann werde ich Ihnen wieder den Herrn Strauß und den Herrn Katzer zitieren und fragen, wo Ihr Nachholbedarf im Frühjahr war, Herr Kollege Franke.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Franke? Bitte!
Herr Kollege Schmidt, Ihnen ist doch auch bekannt, daß seit 1966 die Renten um 24,4 % gestiegen sind. Sind sie nicht bereit, zuzugeben, daß die 16 % immerhin doch 8,4 % weniger sind als die 24,4 % für die Rentner?
Herr Kollege Franke, ich nehme doch an, daß auch Ihrem damaligen Finanzminister und dem damaligen Arbeitsminister die Entwicklungen bis zum Frühjahr 1969 bekannt waren, als sie von 15 und von 12 % sprachen.
— Ja, das ist es eben. Aber die Geschichtsforschung haben Sie ja angefangen — nicht Sie, Herr Kollege Rasner, aber der Kollege Maucher —, und da muß man schon ein wenig Parallelen ziehen.
1 Präsident von Hassel: Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wolf? — Bitte!
Herr Kollege, sind Sie bereit, dem Herr Kollegen Franke vorzuhalten, daß gerade der Altkanzler Dr. Erhard in Ulm gegen die Dynamisierung der Rente war? Er hat dort gesagt — ich darf das hier in Erinnerung rufen —:
Ich glaube, Sie können die Sozialrenten, die entstehen auf Grund der Versorgung von Leuten, die zur Zeit ihres Lebens ehrlich gearbeitet haben, nicht mit einer Kriegsopferrente vergleichen; denn es gibt heute kaum jemanden -es gibt solche auch noch, aber die werden besonders bedacht. Im Durchschnitt sind doch die Leute, die kriegsversehrt waren, wieder voll ins Erwerbsleben eingegliedert, so daß also die Kriegsopferrenten vom moralischen Standpunkt aus, vom Standpunkt des sozialen Notstandes aus anders zu bewerten sind als die Sozialrenten.
Herr Kollege Wolf, ich kann diese Tatsache, die Sie vorgetragen haben, nur bestätigen und dem Kollegen Franke empfehlen, das einmal nachzulesen.
Aber wir wollten ja keine Geschichtsforschung mehr betreiben. Der Kollege Rasner hat soeben die Meinung vertreten, daß wir von heute reden und in die Zukunft schauen sollten.
— Genau, wir werden abstimmen.
Dazu eine Feststellung. Eben weil es eine zukunftsentscheidende Aufgabe ist, die Kriegsopfer völlig gleichzustellen, und weil die Dynamisierung und die Festlegung der Mittel für die nächsten Jahre notwendig ist, deshalb haben wir uns im Ausschuß zu dem Ihnen vorliegenden Gesetzentwurf entschlossen und deshalb werden wir Ihre Anträge ablehnen. Wir werden der Dynamisierung, der Sie ja auch zugestimmt haben, im Interesse der Kriegsopfer den Vorrang vor vielleicht anderen Möglichkeiten in den nächsten Jahren geben.
Das Wort hat der Abgeordnete Böhme.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Ich möchte noch einige wenige Worte zur Anpassungsformel sagen. Die CDU hat in der Ausschußtagung deshalb so zögerlich zu diesen Dingen Stellung genommen, Herr Professor Schellenberg, weil sie sich mehr an die Absprache gehalten hat, vermögenswirksame Ausgaben, soweit sie über das, was schon auf dem Tisch lag, hinausgingen, erst in der zweiten und dritten Lesung zu beraten, zum anderen auch deshalb, weil sie die notwendige Anpassung, die die Kriegsopfer erst in die gleiche Lage versetzt wie die Rentner, an deren Rentenanpassungsformel die Leistungen ja angepaßt werden sollen, an erster Stelle für erforderlich hielt.
Nun sagen Sie, zur Zeit sei eine volle Angleichung an die für die Rentner gültige Regelung nicht möglich; unser Haushalt halte in diesem Jahre nur 938 Millionen DM aus.
Ich muß aber doch fragen, ob man wirklich, um einen Haushalt in Ordnung zu halten, zu dem einen gerechter sein kann als zu dem anderen. Ich glaube, Gerechtigkeit darf nie zu teuer sein.
Dazu auch Ihre Zahlen, herr Professor. Sie haben
plötzlich die Anträge der SPD- und der FDP-Fraktion auf 20,6 % hinaufgerechnet. Sie haben die Anträge der CDU/CSU-Fraktion auf 28 % hinaufgerechnet. Sie haben dabei, möchte ich meinen, die
Strukturveränderungen mit eingerechnet. Sie haben
gesagt, die Mehranforderungen der CDU würden
7,4 Milliarden DM ausmachen, 1 1/2 Milliarden mehr
als das, was Sie fordern. Sie haben aber nicht gesagt, daß Sie schon in fünf Jahren 5,8 Milliarden
DM fordern. Diesen Unterschied muß man nach den
heutigen Erklärungen des Herrn Finanzministers
— daß nämlich die Haushaltslücke, die 4
Milliarden DM betrug, schon jetzt mehr als aufgefüllt sei und daß im nächsten halben Jahr zumindest
mit erheblichen Steuermehreinnahmen zu rechnen
sei — doch unter einem völlig neuen Aspekt sehen.
Vielleicht sollte man unter diesem völlig neuen Aspekt, Herr Professor Schellenberg, auch noch einmal die Frage der Kriegsopferversorgung betrachten, die Frage, ob es nicht richtiger ist, in diesem Falle der Gerechtigkeit ein klein wenig näher zu kommen, als es bisher geschehen ist.
780 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 21. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Dezember 1969
Dr. Böhme
Sie haben gesagt, Herr Professor, die Regierung und die SPD- und die FDP-Fraktion hätten die Zusagen in der Regierungserklärung, nämlich Erhöhung, Strukturverbesserung, jährliche Anpassung -wie Sie es nannten — nach der Dynamisierung, präzise erfüllt. „Präzise" ; ich habe es mir aufgeschrieben. Präzise haben Sie nicht erfüllt, wenn Sie Ihren Gesetzentwurf beschließen. Nein; Sie haben zuvor die Lücke gelassen. Sie haben die Ungerechtigkeit dadurch in die Dynamisierung eingehen lassen.
Nun noch etwas zu Herrn Schmidt. Herr Schmidt, Sie sprachen davon, daß die CDU hier eine Schau abziehe. Dazu muß ich sagen: es ist ja relativ schwer, Ihnen in die Augen zu schauen — wegen Ihrer Sonnenbrille
und deshalb kann ich kaum sehen, ob Sie nicht eine Schau abgezogen haben. Zur Sache als solcher haben Sie nämlich nichts gesagt. Das will ich ausdrücklich feststellen.
Sie haben noch nicht einmal das heute noch vertreten, was die FDP in ihrem Wahlkampf für die Kriegsopfer tun zu wollen erklärte und was Sie selber ein halbes Jahr vorher hier vorgetragen haben.
— Gleich, Herr Schmidt. —
Ein allerletztes! Herr Privatdozent der Volkswirtschaftslehre, seit wann redet ein Mann, der infolge seiner Erfahrung und seiner Ausbildung und seiner Ubersicht eigentlich wissen müßte, wie die Wirtschaft läuft, leichtfertigen Reden nach über die sogenannte gewollte Rezession,
die von Ihnen ja laufend im Wahlkampf als Rede von Herrn Schmücker gebraucht worden ist?
Wissen Sie nicht, daß Herr Minister Schiller heute schon erhebliche Schwierigkeiten hat, die Wirtschaft zu lenken, nachdem er die Aufwertung so durchgesetzt hat?
Und noch eins. Sie reden davon, daß die Diskriminierung der Kriegsopfer von der CDU/CSU gewollt sei. Ich glaube, wenn Sie die Sache wirklich objektiv betrachten, werden Sie feststellen, daß die Diskriminierung doch darin liegt, daß Sie die Kriegsopfer mit einem niedrigeren Satz in die Dynamisierung eingehen lassen, als die Rentner ihn haben werden.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Geiger?
Ich bin beim letzten Satz, Herr Präsident. Nachher mag er sich zu Wort melden.
Der letzte Satz, meine Damen und Herren, ist folgender. Ich war über die Jungfernrede des Herrn Privatdozenten auch erstaunt.
Allerdings war ich der Meinung, daß das eigentlich nicht ein Fehler der Zuhörerschaft, sondern einer des Redners gewesen ist.
Meine Damen und Herren! Es liegen keine weiteren Wortmeldungen zu diesem Änderungsantrag unter Ziffer 1 auf Umdruck 5 vor.
Wir kommen zur Abstimmung über die Ziffer i auf Umdruck Nr. 5. Ich darf Sie bitten, daß diejenigen, die dieser Ziffer 1 ihre Zustimmung geben, das Handzeichen geben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Ich wiederhole die Abstimmung. Wer der Ziffer 1 seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe.
Es besteht keine Einmütigkeit in der Sitzungsleitung. Wir müssen auszählen.
Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der Abstimmung über den Antrag Umdruck 5 Ziffer 1 bekannt. Mit Ja haben gestimmt 211, mit Nein 234 Abgeordnete. Keine Enthaltungen. Damit ist Ziffer 1 abgelehnt.
Bevor wir in der Beratung fortfahren, darf ich einen Gast auf der Tribüne begrüßen. Dort sitzt zur Zeit Herr Minister Professor Comiti, der in der französischen Regierung für Jugend und Sport verantwortlich ist, insbesondere für das Deutsch-Französische Jugendwerk. Ich darf Ihnen, Herr Minister die herzlichen Grüße des Deutschen Bundestages übermitteln.
Meine Damen und Herren, bevor ich in der Abstimmung fortfahre, muß ich auf folgendes aufmerksam machen. Meine Kollegin hat mich darauf hingewiesen, daß sie in der zweiten Lesung über Art. I Nr. 1 der Vorlage Drucksache VI/154 noch nicht abgestimmt habe. Ich muß das also nachholen. — Wer Art. I Nr. 1 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.
Wir müssen nunmehr über Art. I Nr. 2 der Vorlage des Ausschusses Drucksache VI/154 abstimmen. Wer Nr. 2 in der vom Ausschuß vorgeschlagenen Fassung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Gegenstimmen und zahlreichen Enthal-
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 21. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Dezember 1969 781
Präsident von Hassel
tungen ist die Nr. 2 in der vom Ausschuß vorgeschlagenen Fassung angenommen.
Ich rufe Art. I Nr. 3 der Ausschußvorlage Drucksache VI/154 auf. Dazu liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 5 Ziffer 2 vor. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich komme zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 5 Ziffer 2. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ich bitte um Enthaltungen. — Der Antrag ist mit dem gleichen Ergebnis wie vorhin bei Ziffer 1 abgelehnt.
Ich komme dann zur Abstimmung über Art. I Nr. 3 der Ausschußvorlage. Wer der Nr. 3 der Ausschußvorlage zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei einigen Gegenstimmen und zahlreichen Enthaltungen ist Nr. 3 angenommen.
Ich glaube, Sie sind einverstanden, wenn wir über die Nrn. 4, 5 und 6 gemeinsam abstimmen.
— Getrennt? Gut.
ich rufe Art. I Nr. 4 der Ausschußvorlage auf. Das Wort hat der Abgeordnete Ruf.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei Ziffer 4 handelt es sich um die Erhöhung der Grundrenten für die Beschädigten. Angesichts der Bedeutung dieser Ziffer beantrage ich im Namen meiner Fraktion namentliche Abstimmung.
Es ist namentliche Abstimmung begehrt worden. Ich bitte erstens die eingeteilten Schriftführer, die Handurnen zur Hand zu nehmen; zweitens, die Auszählplätze vorzubereiten; drittens bitte ich, daß Sie Ihre Karten — Ja, Nein, Enthaltung — holen.
— Meine Damen und Herren, die namentliche Abstimmung ist für Ziffer 4 des Änderungsantrages auf Umdruck 5 begehrt worden. Ich habe aber Nr. 4 des Ausschußantrages aufgerufen. Daher erübrigt sich zunächst einmal die namentliche Abstimmung.
Ich rufe Art. I Nr. 4 der Ausschußdrucksache auf. Wer dieser Nr. 4 seine Zustimmung gibt, den bitte ich um sein Handzeichen. — Die Gegenprobe! —Enthaltungen? — Bei Enthaltung der CDU/CSU-Fraktion ist diese Nummer angenommen.
Ich rufe dann Art. I Nr. 5 der Ausschußdrucksache auf. Wer zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe Art. I Nr. 6 auf. Wer ihr zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe Art. I Nr. 7 auf. Zu Nr. 7 liegt ein Änderungsantrag unter Ziffer 3 des Umdrucks 5 vor. Zunächst muß diese Ziffer 3 auf Umdruck 5 zur Abstimmung gestellt werden. Begehrt dazu jemand das Wort? — Das ist nicht der Fall.
Ich komme zur Abstimmung über Ziffer 3 des Änderungsantrages auf Umdruck 5. Wer ihr zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Mit den gleichen Mehrheiten wie vorher abgelehnt.
Ich rufe nunmehr Nr. 7 der Ausschußdrucksache auf. Wer ihr zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei Enthaltungen der CDU/CSU angenommen.
Ich rufe Art. I Nr. 8 der Ausschußdrucksache auf. Dazu liegt Ihnen unter Ziffer 4 auf Umdruck 5 ein Änderungsantrag vor. Es muß jetzt die Frage an Herrn Abg. Ruf gestellt werden, ob dazu die namentliche Abstimmung begehrt wird.
Die namentliche Abstimmung wird also zu dieser Ziffer 4 des roten Umdrucks begehrt. Ich darf bitten, daß die Schriftführer ihres Amtes walten.
Ich schließe die Abstimmung.
Meine Damen und Herren, ich mache Ihnen folgenden Vorschlag. Ich bitte die Sachkundigen, zu prüfen, ob wir mit den Abstimmungen fortfahren können. Oder ist von dieser Abstimmung, die eben vollzogen worden ist, der weitere Gang abhängig? Ich glaube, nicht. Wir fahren also mit den Abstimmungen fort. In der Zwischenzeit wird ausgezählt.
Meine Damen und Herren, ich höre eben, daß von dem Ergebnis dieser Abstimmung doch der weitere Verlauf abhängt. Wir müssen also zunächst das Ergebnis der Abstimmung abwarten.
Ich gebe das Ergebnis der Abstimmung über Ziffer 4 des Umdrucks 5 bekannt. Für diesen Änderungsantrag haben 208 Abgeordnete, gegen ihn 227 Abgeordnete gestimmt; keine Enthaltungen. Von den Berliner Abgeordneten haben 6 für den Antrag und 12 gegen den Antrag gestimmt; keine Enthaltungen. Damit ist der Antrag unter Ziffer 4 abgelehnt.
Endgültiges Ergebnis:
Abgegebene Stimmen: 434 und 18 Berliner Abgeordnete Ja: 208 und 6 Berliner Abgeordnete
Nein: 226 und 12 Berliner Abgeordnete
Ja CDU/CSU
Adorno
Alber
von Alten-Nordheim Dr. Althammer
Dr. Arnold Dr. Artzinger
Baier
Balkenhol Dr. Barzel
Dr. Becher Dr. Becker
Becker (Pirmasens)
Berberich Berding
Berger
Bewerunge Biechele
Biehle
Dr. Birrenbach
Dr. von Bismarck
Bittelmann Blank
von Bockelberg
Dr. Böhme Breidbach Bremer
Bremm
Dr. Burgbacher
Burgemeister
782 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 21. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Dezember 1969
Präsident von Hassel
Burger
Dr. Czaja Damm
Dasch
van Delden Dichgans
Dr. Dollinger
Draeger
von Eckardt Ehnes
Engelsberger
Dr. Erhard
Erhard Ernesti
Erpenbeck Dr. Evers Dr. Eyrich von Fircks Franke
Dr. Franz Dr. Freiwald Dr. Frerichs Dr. Früh
Dr. Gatzen
Frau Geisendörfer Geisenhofer Gerlach Gierenstein
Dr. Giulini Dr. Gleissner
Glüsing
Dr. Gölter Dr. Götz
Frau Griesinger
Dr. Gruhl
Freiherr von und zu Guttenberg
Haase
Dr. Häfele Härzschel
Dr. Hallstein Dr. Hammans
Hanz
von Hassel
Hauser Dr. Hauser (Sasbach)
Dr. Heck
Dr. Hermesdorf Höcherl
Hösl
Horstmeier Horten
Dr. Hubrig Hussing
Dr. Huys
Frau Jacobi
Dr. Jaeger
Dr. Jahn Dr. Jenninger
Dr. Jobst Josten
Dr. Jungmann
Frau Kalinke
Kiechle
Dr. h. c. Kiesinger
Dr. Klepsch Dr. Kley
Dr. Kliesing Köster
Krammig Krampe
Dr. Kraske Dr. Kreile
Frau Dr. Kuchtner Lampersbach
Leicht
Lensing
Dr. Lenz Lenze (Attendorn)
Lenzer
Link Dr. Luda
Dr. Martin
Dr. Marx Maucher
Meister Mick
Dr. Mikat
Dr. Miltner
Müller Müller (Remscheid)
Dr. Müller-Hermann
Mursch Niegel Dr. von Nordenskjöld
Orgaß Ott
Petersen
Pfeifer Picard Dr. Pinger
Dr. Pohle
Pohlmann
Dr. Prassler
Dr. Preiß
Dr. Probst
Rainer Rasner Rawe Reddemann
Dr. Reinhard
Riedel
Dr. Riedl
Dr. Rinsche
Dr. Ritz Rock
Röhner Rösing Rollmann
Rommerskirchen
Roser Ruf
Russe
Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein
Schlee
Dr. Schmid-Burgk
Schmitt
Dr. h. c. Schmücker Schneider Dr. Schneider (Nürnberg) Frau Schroeder (Detmold) Dr. Schröder (Düsseldorf) Schröder (Sellstedt) Schröder (Wilhelminenhof) Schulhoff
Schulte Dr. Schulze-Vorberg
Dr. Schwörer
Dr. Siemer
Solke Spilker Dr. Sprung
Stahlberg
Dr. Stark Steiner
Dr. Stoltenberg
Frau Stommel
Storm Struve Stücklen
Susset
von Thadden
Tobaben
Frau Tübler
Unertl
Dr. Unland
Varelmann
Vehar Vogel Vogt
Volmer
Wagner
Dr. Wagner Frau Dr. Walz.
Dr. Warnke
Wawrzik
Weber Weigl
Dr. Freiherr von Weizsäcker Werner
Windelen
Winkelheide
Wissebach
Dr. Wörner
Frau Dr. Wolf
Baron von Wrangel Dr. Wulff
Ziegler
Dr. Zimmermann Zink
Berliner Abgeordnete
Amrehn Dr. Gradl Dr. Kotowski
Lemmer
Müller
Frau Pieser
Nein SPD
Adams
Dr. Ahrens Dr. Apel
Arendt
Dr. Arndt
Baack
Baeuchle
Bäuerle
Bals
Barche
Dr. Bardens Batz
Bay
Dr. Bechert Becker (Nienberge)
Dr. Beermann Berkhan
Berlin
Biermann Böhm
Börner
Frau von Bothmer
Dr. Brand Brandt (Grolsheim)
Bredl
Brück
Brünen
Buchstaller
Dr. von Bülow
Buschfort
Dr. Bußmann Collet
Corterier
Cramer
Dohmann
Dr. von Dohnanyi
Dürr
Eckerland Dr. Ehmke Frau Eilers Dr. Enders Engholm
Dr. Eppler Esters
Fiebig
Dr. Fischer Flämig
Frau Dr. Focke
Folger
Franke
Frehsee, Frau Freyh
Fritsch
Geiger Gertzen Dr. Geßner
Glombig Gnädinger
Dr. Haack
Haage
Haar
Haase Haehser
Halfmeier
Hansen Hansing Hauck
Dr. Hauff Dr. Hein Henke
Frau Herklotz
Hermsdorf Herold
Hirsch
Hörmann Hofmann
Horn
Frau Huber
Dr. Hupka
Jacobi
Jahn
Jaschke Junghans Junker Kaffka Kater
Kern
Killat
Dr. Koch Koenig Kohlberger
Konrad
Dr. Kreutzmann
Krockert Kulawig Lange
Langebeck
Dr. Lauritzen
Frau Lauterbach
Leber
Lemp
Lemper Lenders Liedtke Löbbert Dr. Lohmar
Lotze
Maibaum Marquardt
Marx
Matthes
Frau Meermann
Meinike Metzger
Michels Möhring
Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller Müller
Dr. Müller Müller (Nordenham)
Dr. Müller-Emmert
Dr. Müthling
Neemann
Neumann
Dr. Nölling
Offergeld
Frau Dr. Orth
Frhr. Ostman von der Leye
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 21. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Dezember 1969 783
Präsident von Hassel Pawelczyk
Peiter Pensky Pöhler Porzner Raffert Ravens Dr. Reischl
Frau Renger
Richter Rohde Rosenthal
Roß
Säckl
Sander Saxowski
Dr. Schäfer Frau Schanzenbach
Scheu
Schiller
Frau Schimschok
Schirmer
Schlaga
Dr. Schmid Schmidt (Braunschweig) Dr. Schmidt (Gellersen) Dr. Schmidt (Krefeld)
Schmidt Schmidt (Niederselters) Schmidt (Würgendorf)
Dr. Schmitt-Vockenhausen Dr. Schmude
Schoettle
Schollmeyer
Schonhofen
Schulte
Schwabe
Seefeld Seibert Seidel Seifriz Frau Seppi
Simon
Dr. Slotta
Dr. Sperling
Spillecke
Frau Strobel
Strohmayr
Suck
Tallert
Dr. Tamblé
Frau Dr. Timm
Tönjes Vit
Walkhoff
Dr. Weber Wehner
Wende Wendt
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über Art. I Nr. 8 der Ausschußfassung. Wer hierzu seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Nr. 8 ist mit demselben Stimmenverhältnis wie bisher angenommen.
Ich rufe Art. I Nr. 9 auf. Dazu liegt Ihnen auf Umdruck 5 Ziffer 5 ein Änderungsantrag vor. Über diesen Antrag muß ich zunächst abstimmen lassen. Wird dazu das Wort begehrt? — Das ist nicht der Fall.
Wir stimmen über den Änderungsantrag Umdruck 5 Ziffer 5 ab. Wer ihm seine Zustimmung gibt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Dieser Änderungsantrag ist mit dem gleichen Stimmenverhältnis abgelehnt.
Wir stimmen über Art. I Nr. 9 in der Ausschußvorlage ab. Wer ihr zustimmt, den bitte um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Mit dem gleichen Verhältnis wie bisher angenommen.
Ich rufe Art. I Nr. 10 der Ausschußvorlage auf. Wir müssen zuerst über den Änderungsantrag Umdruck 5 Ziffer 6 abstimmen. Wer ihm zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Stimmenthaltungen? — Mit dem gleichen Stimmenverhältnis abgelehnt.
Wir stimmen über die Nr. 10 der Ausschußvorlage ab. Wer zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Mit dem gleichen Stimmenverhältnis angenommen.
Ich rufe Art. I Nr. 11 der Ausschußvorlage auf. Wer zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe Art. I Nr. 12 der Ausschußvorlage und den Änderungsantrag Umdruck 5 Ziffer 7 auf. Zunächst den Änderungsantrag. Wer ihm zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Abgelehnt.
Wir stimmen über die Nr. 12 der Ausschußvorlage ab. Wer ihr zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe Art. I Nr. 13 der Ausschußvorlage und den Änderungsantrag Umdruck 5 Ziffer 8 auf. Wer diesem Änderungsantrag zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Abgelehnt.
Wir stimmen über die Nr. 13 der Ausschußvorlage ab. Wer ihr zustimmt, den bitte um ein Handzeichen.
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen ist diese Nummer angenommen.
Ich rufe Art. I Nr. 14 der Ausschußvorlage und den Änderungsantrag Umdruck 5 Ziffer 9 auf. Wer diesem Änderungsantrag zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe.
— EnthaFtungen? — Abgelehnt.
Wir stimmen über die Nr. 14 der Ausschußvorlage ab. Wer ihr zustimmt, den 'bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe Art. I Nr. 15 der Ausschußvorlage und den Änderungsantrag Umdruck 5 Ziffer 10 auf. Wer diesem Änderungsantrag zustimmt, dien bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen über die Nr. 15 der Ausschußvorlage ab. Wer ihr zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe Art. I Nr. 16 der Ausschußvorlage auf. Wer ihr zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen.
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Westphal
Dr. Wichert
Wiefel Wienand
Wilhelm Wischnewski
Dr. de With
Wittmann
Wolf
Wolfram Wrede Würtz Wüster Wuttke Wuwer Zander Zebisch
Berliner Abgeordnete
Dr. Arndt
Bartsch Bühling Heyen Frau Krappe
Liehr
Löffler
Dr. Schellenberg
Frau Schlei
Dr. Seume
Sieglerschmidt
FDP
Frau Dr. Diemer-Nicolaus Dorn
Ertl
Frau Funcke Genscher Helms
Jung
Kienbaum Kirst
Kleinert
Dr. Mende Mertes
Mischnick Moersch Ollesch
Peters
Dr. Rutschke
Schmidt
Schultz Wurbs
Zoglmann
Berliner Abgeordnete Borm
784 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 21. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Dezember 1969
Präsident von Hassel
Ich rufe Art. I Nr. 17 der Ausschußvorlage und den Änderungsantrag Umdruck 5 Ziffer 11 auf. Wer dem Änderungsantrag zustimmt, den hitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Abgelehnt.
Wir stimmen über die Nr. 17 der Ausschußvorlage ab. Wer ihr zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe Art. I Nr. 18 der Ausschußvorlage und den Änderungsantrag Umdruck 5 Ziffer 12 auf. Wer dem Änderungsantrag zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Abgelehnt.
Wir stimmen über die Nr. 18 der Ausschußvorlage ab. Wer ihr zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe Art. I Nr. 19 und den Änderungsantrag Umdruck 5 Ziffer 13 auf. Wer dem Änderungsantrag zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Abgelehnt.
Wir stimmen über die Nr. 19 der Ausschußvorlage ab. Wer ihr zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe Art. I Nr. 20 der Ausschußvorlage auf. Wer ihr zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei einer Enthaltung angenommen.
Ich rufe Art. I Nr. 21 der Ausschußvorlage auf. Wer ihr zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig beschlossen.
Ich rufe Art. II, §§ 1 bis 3, Einleitung und Überschrift auf. Wer zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Wir sind damit am Ende der zweiten Lesung. Ich rufe auf zur
dritten Lesung.
In der dritten Lesung hat zunächst der Abgeordnete Burger ums Wort gebeten. Ihm folgt, soweit ich es sehen kann, Herr Minister Arendt.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf in der dritten Lesung für die CDU/CSU folgende Erklärung abgeben. In einer guten Tradition des Deutschen Bundestages ist heute ein Bruch entstanden. Seit den Septembertagen des Jahres 1950, als der Deutsche Bundestag das Bundesversorgungsgesetz verabschiedete, das erste bedeutende Sozialgesetz dieses jungen Staates, haben sich in sechs Novellen und drei Neuordnungsgesetzen jeweils alle Fraktionen dafür eingesetzt, die Vorlagen der Bundesregierung zu verbessern.
Die derzeitige Regierungskoalition dagegen hat- den Regierungsentwurf übernommen und das Volumen unverändert gelassen.
Aber nicht nur das: Gewisse notwendige Strukturverbesserungen wurden nicht mit zusätzlichen Haushaltsmitteln gedeckt, sondern die Regierungsfraktionen haben die rund 480 000 Renten der zu 30 % Kriegsbeschädigten um eine D-Mark gekürzt.
Die Mittel wurden also durch einen internen Lastenausgleich beschafft, dies, meine Damen und Herren, im gleichen Monat, in dem die Finanznachrichten des Finanzministeriums berichten, daß die Steuereinnahmen in Bund und Ländern im Monat Oktober um 21,1 % = 1598 Millionen DM gegenüber dem Vorjahr gestiegen sind.
Alle Fraktionen stehen im Wort, die Kriegsopferrenten zum 1. Januar 1970 spürbar zu verbessern. Dabei haben maßgebende Politiker mehrfach klar versprochen, daß die Erhöhung die günstige wirtschaftliche Entwicklung in der zweiten Hälfte des Jahres 1969 berücksichtigen müsse. Der Gesetzentwurf der derzeitigen Koalition, der auf einer linearen Anpassung von 16 % aufbaut, entspricht nicht dem Umfang und Inhalt dieses Versprechens, denn dieser Anpassungssatz liegt 6 % unter der Zunahme des nominellen Bruttosozialprodukts und 10 % unter der Erhöhung der Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung der letzten drei Jahre.
Fühlbar im Sinne der Zusagen ist dieser Vorschlag der Regierungskoalition auch nicht im Vergleich mit dem Ersten, Zweiten und Dritten Neuordnungsgesetz. Im Jahre 1960 bei einer bescheideneren Finanzlage verbesserte der Deutsche Bundes-. tag im Ersten Neuordnungsgesetz die Leistungen für Kriegsopfer um 1,2 Milliarden DM. Das Zweite NOG hatte drei Jahre später ein Volumen von 1,24 Milliarden DM, und selbst im Jahre 1967 in einer schwierigen Zeit wurden die Grundrenten der Beschädigten im Schnitt um 16 und die Grundrenten der Witwen um 20 % erhöht. Darüber hinaus wurde das Versorgungsgesetz in den letzten Jahren weiterentwickelt durch die Einführung des Berufsschadensausgleichs, des Schadensausgleichs für Witwen, die Einführung eines dynamischen Anrechnungssystems und die Vorschriften über eine periodische Anpassung.
Meine Damen und Herren, auch die heute zu beschließende Dynamisierung kann den Mangel der zu geringen Anpassung nicht kompensieren. Sie dynamisieren ja nicht nur die Renten, sondern Sie dynamisieren damit auch diesen eben aufgezeigten Rückstand.
Unberührt von der Dynamisierung bleiben aber
auch viele Härten und Strukturprobleme, so die
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 21. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Dezember 1969 785
Burger
Kürzung des Schadensausgleichs bei Erreichung des 65. Lebensjahres oder die Pflegeprobleme der Schwerstbeschädigten, das Älterwerden, das Alleinsein der Witwen, die Kürzung der Grundrenten beim Schadensausgleich und manches andere.
Diese Tatsachen erfordern auch in der Zukunft gezielte Hilfen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Koalition, Sie haben alle unsere Anträge mit dünner Mehrheit niedergestimmt
- ich danke für Ihren brutalen Charme, Herr Professor Schellenberg —
und damit unter den Kriegsopfern große Unruhe ausgelöst.
Wir haben unsere parlamentarischen Möglichkeiten eingesetzt, aber ein SPD-Sprecher erklärte im Ausschuß gegenüber der Unionsfraktion: Ihr könnt beantragen, begründen und reden, soviel ihr wollt, wir werden nicht mehr geben!
— Ich höre den Zuruf: „Mehr Demokratie!" So wird die bisher stärkste Opposition in diesem Hause behandelt.
— Herr Wehner, auch Sie können das trotz Ihrer Dialektik nicht zudecken.
Diese Haltung der Koalitionsfraktionen entspricht einer von Ihnen gesetzten Priorität, die nicht die unsere ist.
Sie dokumentiert die Pause in Ihrer sozialen Symmetric.
Nachdem in namentlicher Abstimmung der Wille dieser Koalition beurkundet wurde, wird die CDU/ CSU ihre Anträge in der dritten Lesung nicht wiederholen.
Die CDU/CSU bedauert, daß das erste große soziale Gesetzgebungswerk der derzeitigen Koalition
leider kein großer Wurf geworden ist.
Für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Jaschke das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Namens meiner Freunde in der Fraktion der SPD möchte ich meine Genugtuung darüber zum Ausdruck bringen, daß der von den Koalitionsfraktionen eingebrachte Entwurf eines Gesetzes über die Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes sowie die Ergänzungsanträge der beiden Fraktionen nunmehr in der zweiten Lesung mit Mehrheit verabschiedet werden konnten. Ich freue mich ganz besonders, weil es uns durch sehr intensive Beratungen gelungen ist, dieses Gesetz rasch zur Verabschiedung zu bringen, um den Kriegsopfern zu beweisen, daß auch der 6. Deutsche Bundestag zu den Versprechungen steht, die den Kriegsopfern von allen Fraktionen dieses Hohen Hauses und von allen im Bundestag vertretenen Parteien gegeben worden sind. Wenige Wochen nach Bildung der neuen Regierung konnte dieses Versprechen bereits eingelöst werden.
Wir sind uns darüber klar, mit diesem Gesetz nicht alle Wünsche erfüllt haben zu können. Doch glaube ich mit gutem Gewissen erklären zu dürfen, daß wir unter Berücksichtigung aller Umstände ein gutes Gesetz zustande gebracht haben, dessen Gesamtvolumen, wie hier ja wiederholt erklärt wurde, abgestellt auf das Haushaltsjahr 1970, insgesamt 938 Millionen DM beträgt.
Es wäre jedoch nicht richtig, wenn wir unter diesem zwar auch beachtlichen Volumen die Beschlüsse des Hohen Hauses werten wollten. Vielmehr muß gesehen werden, daß die gefaßten Beschlüsse den Rahmen eines normalen Anpassungsgesetzes insofern weit übersteigen, als auch sehr bedeutsame strukturelle Veränderungen und vor allem die Dynamisierung beschlossen worden sind. Neben der Anhebung der Witwenversorgung auf 60 v. H. der Rentenbezüge eines erwerbsunfähigen Beschädigten — eine seit vielen Jahren von den Kriegsopfern er-
786 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 21. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Dezember 1969
Jaschke
hobene Forderung — möchte ich besonders die Einführung einer neuen Anpassungsklausel erwähnen. Mit dieser Klausel ist ein Wendepunkt in der Geschichte der Kriegsopferversorgung erreicht worden, wie es Professor Schellenberg erklärt hat.
Die neue Fassung des § 56 des Bundesversorgungsgesetzes stellt klar, daß nicht nur die Renten, sondern auch weitere Leistungen, wie für Kleiderverschleiß usw., für die Kriegsopfer entsprechend der Entwicklung der Bestandsrenten in den gesetzlichen Rentenversicherungen jährlich angepaßt werden. Damit glauben wir den Kriegsopfern endlich die oft so unwürdigen Auseinandersetzungen um ihre verdienten Leistungsverbesserungen erspart zu haben.
Die lineare Erhöhung der Renten, die heute verschiedentlich als zu gering kritisiert wurde, kann nur im Zusammenhang mit dieser Anpassung gesehen werden. Das hat wohl auch die CDU/CSU erkannt; denn sonst hätte sie in der Berliner Sitzung nicht so lange gezögert und dieser Dynamisierung praktisch nur unter Druck zugestimmt.
— Warum haben Sie denn so lange gezögert?
Warum haben Ihre Freunde denn gesagt: Wir müssen erst einmal in Bonn rückfragen, ob wir das dürfen? Erst dann haben sie doch zugestimmt.
— Haha, das ist schön!
In der Vergangenheit haben die Kriegsopfer oft drei Jahre und länger warten müssen. Jetzt wird Jahr um Jahr und Zug um Zug die Rente verbessert. Das sollte man nicht unterschätzen. Dies führt dazu, daß die Kriegsopfer bereits ab 1. Januar 1971 wieder höhere Rentenleistungen erhalten werden. Hierfür werden voraussichtlich weitere 315 Millionen DM, also insgesamt 1243,2 Millionen DM, Mehraufwendungen notwendig sein. Die für eine Anpassung im Jahre 1972 vorausschätzbaren Mehraufwendungen belaufen sich auf rund 688 Millionen DM, insgesamt also 1606,9 Millionen DM. Für 1973 sind es 1193 Millionen DM, insgesamt also 2103,5 Millionen DM. Die Zusammenfassung dieser Summen, die mehr als 5 Milliarden DM ausmacht, muß man doch sehen.
Wie bereits in der Debatte erwähnt wurde, sind diese enorm hohen Beträge in der mittelfristigen Finanzplanung noch zu verkraften. Alle weitergehenden Anträge hätten unter Umständen, weil nach unserer Meinung unsolide, zu finanziellen Schwierigkeiten führen müssen, und das wollen wir nach den Erfahrungen von 1965/66 doch sicherlich nicht.
Es war uns ein besonderes Anliegen — das möchte ich darüber hinaus betonen —, den Belangen der Schwerstbeschädigten gerecht zu werden. Durch eine stärkere Anhebung der Schwerstbeschädigtenzulage und die Einführung einer sechsten Stufe für diese Leistungen sowie durch die Verbesserung der Hinterbliebenenversorgung für Witwen von Empfängern einer Pflegezulage nach Stufe 3 soll dies bezweckt werden. Wohl alle Fachleute und Ausschußmitglieder werden in dieser Hinsicht von den Ausführungen in der Sachverständigenanhörung in Bonn beeindruckt und überzeugt worden sein.
Wir glauben unter Abwägung aller Umstände und Bedürfnisse ein gerechtes Gesetz vorgeschlagen zu haben und sind überzeugt, daß auch die Opposition, wie soeben mein Vorredner erklärt hat, diesem Gesetz ihre Zustimmung nicht versagen wird. Ich hoffe, daß ebenso die betroffenen Kriegsbeschädigten, die Kriegerwitwen und -eltern diese schon in bezug auf die Dynamisierung einmaligen und optimalen Leistungen begrüßen und würdigen werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt für die Fraktion der Freien Demokraten.
Namens der Fraktion der Freien Demokraten darf ich mit großer Freude feststellen, daß es heute doch noch gelungen ist, vor Ende des Jahres 1969 die Anpassung in diesem Hause einstimmig, wie es aussieht, zu verabschieden. Wir begrüßen das ganz besonders deshalb, weil der Gesetzentwurf, der dem Hohen Hause als Ausschußdrucksache vorgelegt worden ist und jetzt verabschiedet werden wird, genau dem entspricht, was wir Freien Demokraten im Frühjahr dieses Jahres an Vorstellungen über die Weiterentwicklung und Anpassung in der Kriegsopferversorgung hatten. Die Vorlage entspricht einmal in der Größenordnung genau dem, was wir damals glaubten für 1970 einsetzen zu können. Sie entspricht zum zweiten im Anpassungssatz — wenn auch mit unterschiedlichen Anhebungen — von 20,6 % dem Volumen von 20 %, das wir damals als unsere Vorstellung dem Hohen Hause vorgetragen haben. Zum dritten entspricht die Tatsache, daß auf Antrag der Regierungsfraktion der § 56 zu einem Dynamisierungsparagraphen geworden ist, unserer schon seit langem vorgetragenen Vorstellung, die Kriegsopferrente zu dynamisieren und jährlich nach der Rentenformel anzupassen.
Ferner begrüßen wir, daß auch der Zeitpunkt eingehalten werden konnte. Hier möchte ich namens meiner Fraktion der Bundesregierung, insbesondere dem Bundesfinanzminister und dem Bundesarbeitsminister, Dank sagen dafür,
daß der Bericht dem Hause so schnell nach der Regierungsbildung vorgelegt und damit heute eine der Prioritätsvorstellungen in der Regierungserklärung im sozialpolitischen Bereich fast vollinhaltlich schon erfüllt werden konnte.
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 21. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Dezember 1969 787
Schmidt
— Fast vollinhaltlich schon erfüllt werden konnte.
— Fast vollinhaltlich schon erfüllt werden konnte. Nunmehr ist der Weg, Herr Kollege Franke, für die Ausfüllung des „fast" frei. Wir haben die Dynamisierung, wir haben die Anpassung.
Jetzt können wir im Kriegsopferrecht im nächsten Jahr in Ruhe an die Fragen herangehen, die dort strukturmäßig zweifellos noch zu lösen sind. Darüber sind wir uns wohl alle in diesem Hohen Hause klar. Wir haben aber die Anpassungsmöglichkeiten; wir haben die Mittel dafür für die Zukunft festgelegt.
Ich glaube, wir werden dafür auch das Verständnis der Kriegsopfer finden, ja, ich bin mir dessen sogar sicher, weil es auch für die Kriegsopfer eine wesentlich beruhigendere Situation ist, wenn sie wissen, daß sie Jahr für Jahr in die Entwicklung miteinbezogen werden, als wenn, wie es in der Vergangenheit der Fall war, jedesmal eine große Diskussion in der Öffentlichkeit über die Schwierigkeiten der Bereitstellung der Mittel stattfindet. Das wird in Zukunft nicht mehr notwendig sein.
Der Weg ist jetzt frei für die weitere gute Zusammenarbeit mit den Kriegsopferverbänden, denen ich für die Mitarbeit an dieser Novelle und für die Sachverständigenanhörung von dieser Stelle aus ebenfalls danken möchte. Der Weg ist frei für die Lösung der Strukturfragen, und wir haben das noch zum richtigen Zeitpunkt entsprechend der Regierungserklärung,
entsprechend den Vorstellungen, die die FDP vor einem Dreivierteljahr entwickelt hatte, erreicht. — Damals sind die Dinge an dem von Ihnen vertretenen Teil der Bundesregierung gescheitert, Herr Kollege Rasner. Wir haben das noch erreicht.
Deshalb stimmen wir Freien Demokraten mit Freude der jetzigen Vorlage zu.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Vor Abschluß der dritten Lesung des Ersten Anpassungsgesetzes in der Kriegsopferversorgung möchte ich nicht versäumen, diesem Hohen Hause und insbesondere den beteiligten Ausschüssen Dank zu sagen für die zügige und intensive Beratung dieses Gesetzes. Sie haben damit die Voraussetzungen dafür geschaffen, daß die Kriegsopfer so schnell wie irgend möglich in den Genuß der schon in der vergangenen Legislaturperiode in Aussicht gestellten fühlbaren Leistungsverbesserungen gelangen. Mit dieser eindrucksvollen und entschlußfreudigen Handlungsweise haben Sie gleichzeitig zum Ausdruck gebracht, daß auch der 6. Deutsche Bundestag gewillt ist, die Rechte der Kriegsopfer zu wahren und ihre für die Allgemeinheit gebrachten Opfer gebührend zu würdigen.
Ich bin sicher, daß dadurch den Kriegsopfern bewußt geworden ist, daß sie auch in Zukunft mit einer gerechten Behandlung ihrer Anliegen rechnen können. Dies um so mehr, als nunmher mit der Neufassung des § 56 des Bundesversorgungsgesetzes, die die jährliche Anpassung der Rentenleistungen zum Inhalt hat, den Kriegsopfern das Gefühl genommen worden ist, stets aufs neue um die Anerkennung ihrer berechtigten Ansprüche kämpfen zu müssen.
Es ist sehr zu begrüßen, daß mit bedeutsamen Beschlüssen dieses Hohen Hauses zugleich auch die wesentlichsten Punkte, die der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung am 28. Oktober zur Frage der Kriegsopferversorgung herausgestellt hat, erfüllt worden sind.
Anläßlich der ersten Lesung dieses Gesetzes habe ich Ihnen mitgeteilt, daß die Bundesregierung die Frage einer laufenden Anpassung der Kriegsopferrenten noch prüfen werde. Heute kann ich Ihnen sagen, daß sich auch die Vorstellungen der Bundesregierung über eine jährliche Anpassung der Kriegsopferrenten mit den Beschlüssen, die Sie heute gefaßt haben, durchaus decken. Auch die Bundesregierung ist der Auffassung, daß der so gewählte Weg geeignet ist, den Kriegsopfern eine wertbeständige Versorgung zu sichern.
Allerdings glaube ich sagen zu dürfen — auch die heutige Debatte hat es gezeigt —, daß es weder die Absicht des Deutschen Bundestages noch die der Bundesregierung ist, damit die Frage der Kriegsopferversorgung in der Zukunft als erledigt zu betrachten. Vielmehr werden wir auch weiterhin bemüht sein, das Kriegsopferrecht entsprechend den Erfordernissen der Zeit und der Gegebenheiten weiterzuentwickeln. Wir sind uns bewußt, daß es noch zahlreiche Wünsche gibt, auf deren Erfüllung die Kriegsopfer warten. Trotzdem bin ich überzeugt, daß dieses Gesetz mit seinem sehr beachtlichen finanziellen Volumen und seinen bedeutsamen Auswirkungen für die Zukunft die Anerkennung der Kriegsopfer finden wird.
Es erfüllt mich mit großer Genugtuung, daß es durch unsere gemeinsamen Bemühungen gelungen ist, im Rahmen der von der Bundesregierung für die Verbesserung der Rentenleistungen bereitgestellten Mittel Lösungen zu finden, die auch den besonderen Problemen bestimmter Personengruppen unter den Kriegsopfern gerecht zu werden vermögen. Hierbei denke ich insbesondere an die Anhebung der Witwenrenten auf 60 vom Hundert der Rentenleistungen eines erwerbsunfähigen Beschädigten und die verstärkte Erhöhung sowie den weiteren Ausbau der Schwerstbeschädigtenzulage. Ich halte es für ein Gebot der Gerechtigkeit, daß wir gerade dem Los der Schwerstbeschädigten unsere besondere Aufmerksamkeit widmen. Auch die Verbesserung
788 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 21. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Dezember 1969
Bundesminister Arendt
I der Hinterbliebenenversorgung für Witwen von Empfängern einer Pflegezulage mindestens nach Stufe III möchte ich in diesem Zusammenhang hervorheben.
Meine Damen und Herren! Entsprechend meiner Ankündigung bei der ersten Lesung dieses Gesetzes konnte Ihnen die Bundesregierung nunmehr auch den Nachtrag zum Kriegs- und Wehrdienstopferbericht 1969 über die Situation im Bereich der Versorgung von Kriegs- und Wehrdienstopfern vorlegen. Ich hoffe, daß dieser Bericht Ihnen über viele Fragen Aufschluß gibt, mit denen Sie in Ihrer parlamentarischen Arbeit auf dem Gebiet der Kriegsopferversorgung befaßt werden. Wenn auch in Zukunft eine gesetzliche Verpflichtung zur Berichterstattung durch die Bundesregierung nicht mehr besteht, so werde ich gleichwohl bemüht bleiben, zu gegebener Zeit den gesetzgebenden Körperschaften über die Situation der Kriegs- und Wehrdienstopfer zu berichten.
Im übrigen versichere ich Ihnen, daß ich nach Verabschiedung des Gesetzes im engen Einvernehmen mit den Ländern alles tun werde, damit dieses Gesetz möglichst rasch durchgeführt wird und die Kriegsopfer bald ihre erhöhten Bezüge erhalten. Die für die Durchführung dieses Gesetzes notwendigen Verordnungen werden in meinem Hause bereits vorbereitet. Ich hoffe, daß sie bald von der Bundesregierung verabschiedet und dem Bundesrat zur Zustimmung zugeleitet werden können.
Ich danke dem Herrn Bundesminister.
Meine Damen und Herren! Wir kommen nunmehr zur Abstimmung in der dritten Beratung und damit zur Schlußabstimmung. Ich rufe in dritter Beratung das gesamte Gesetz, Einleitung und Überschrift auf. Wer dem Gesetz seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ich bitte um die Enthaltungen. — Bei einigen Gegenstimmen und Enthaltungen ist das Gesetz angenommen.
Wir kommen jetzt noch zur Abstimmung über die Ausschußempfehlung, die Sie auf Seite 5 Ihrer Vorlage in den Ziffern 2 und 3 finden. Wer dieser Empfehlung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.
Zu dem Punkt 12 b der Tagesordnung, den wir in die Aussprache einbezogen haben, wird vorgeschlagen, diesen Bericht an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung zu überweisen. Wer seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 13 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Wehrsoldgesetzes
— Drucksache VI/8 — a) Bericht des Haushaltsauschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache VI/164 —Berichterstatter: Abgeordneter Haase
b) Schriftlicher Bericht des Verteidigungsausschusses
— Drucksache VI/149 —Berichterstatter: Abgeordneter Haase
Herr Abgeordneter Haase , wünschen Sie als Berichterstatter zu Punkt a) das Wort zu einer Ergänzung des Schriftlichen Berichtes? — Das ist nicht der Fall. Dann komme ich zu Punkt b). Wünschen Sie, Herr Haase (Kellinghusen), eine Ergänzung? — Das ist nicht der Fall.
Wir treten dann ein in die zweite Beratung. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich darf Sie bitten, die Drucksache VI/149 zur Hand zu nehmen. Ich rufe zur Abstimmung die Art. 1 und 2, Einleitung und Überschrift auf. Wer seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Das Wort wird nicht gewünscht. Bevor wir in die Schlußabstimmung eintreten, darf ich bitten, daß sich die Damen und Herren Kollegen setzen, damit wir eine genaue Übersicht haben über das, was gegenwärtig abgestimmt wird.
— Meine Damen und Herren, wir wollen heute in den Beratungen weiterkommen und möglichst bald einen Abschluß finden. Ich darf Sie also bitten, Platz zu nehmen!
Wir stimmen in der dritten Beratung über die Vorlage ab. Wer ihr zustimmt, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Wer der Ausschußempfehlung der Drucksache VI/149 unter Ziffer 2 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 14 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Dreiundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes
— Drucksache VI/119 —
Das Wort zur Begründung in erster Beratung hat der Herr Abgeordnete von Fircks.
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 21. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Dezember 1969 789
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDU/CSU-Fraktion hat sich entschlossen, diesen Initiativantrag vorzulegen, um die Gesetzgebung betreffend Vertriebene und Flüchtlinge voranzubringen. Zwei Probleme bedürfen hier einer schnellen Beratung und Verabschiedung. Das ist einmal das Problem der Anpassung der Unterhaltshilfe, die nach einem Beschluß des 5. Bundestages mit einer Aufbesserung des Selbständigenzuschlags gekoppelt sein soll. Die fortschreitende Gleichstellung der Sowjetzonenflüchtlinge ist ein Gebot, das sich daraus ergibt, daß die Mittel, die dafür seinerzeit bereitgestellt wurden, nicht ausgeschöpft sind. Eine fortschreitende Gleichstellung wird dadurch ermöglicht.
Die Anpassung der Unterhaltshilfe, die, wenn ich so sagen darf, auf Grund der früheren Praxis routinemäßig spätestens zum 1. Juni fällig gewesen wäre, kann jetzt schneller vollzogen werden, da die Ausrechnung der Rentenerhöhungen heute überall viel schneller elektronisch durchgeführt wird. Früher lag das Ergebnis meist erst im April vor. Da es jetzt sehr viel früher vorliegt, kann dem berechtigten Anliegen, nicht so lange warten zu müssen, entsprochen werden. Selbst wenn eine Regierungsvorlage Ende Januar gekommen wäre, wäre die Verabschiedung eines Gesetzes, das zum 1. März in Kraft getreten wäre, auf Grund der Ihnen bekannten und auch vorgestern angesprochenen Probleme im Zusammenhang mit einer Änderung der Geschäftsordnung für die Einbringung von Gesetzen durch die Bundesregierung nicht möglich gewesen.
Wir meinen, daß die Fortschreibung der Gleichstellung von Sowjetzonenflüchtlingen vor allen
Dingen deswegen eilbedürftig ist, weil dadurch, daß
jetzt weitere Sperren, die früher eingebaut waren,
aufgehoben werden können, sehr viel Verwaltungsarbeit eingespart wird. Die Lastenausgleichsämter
können nun sehr viel schneller arbeiten, unnütze
Arbeit fällt weg. Die Annahme unseres Antrags
würde sowohl eine Zeit- als auch eine Arbeitsersparnis einbringen. Wir haben die Erhöhung auf den von
uns übersehbaren Betrag von 700 Millionen DM in
etwa abgestimmt, der zusätzlich zu den bereitgestellten 2,6 Milliarden DM zur Verfügung steht. Sie
ersehen aus dem Antrag, daß sich die CDU/CSU-
Fraktion einer sehr verantwortungsbewußten Zurückhaltung befleißigt hat. Wir meinen, daß, wer
schnell gibt, doppelt gibt. Wir glauben, daß es falsch
wäre, jetzt irgendwelche Absichtserklärungen abzugeben, die dann in den Zahlen, die uns die Ministerien in ihren Berichten geben, keinen Rückhalt finden. Wir werden bei den Ausschußberatungen
selbstverständlich für eine Ausweitung stimmen,
wenn das vorgelegte Zahlenmaterial dies gestattet.
Wir sind auch offen für eine Beratung weiterer Probleme, wenn sie sich im Rahmen der Ausschußberatungen als zwingend und sofort lösbar erweisen.
Ich möchte Sie, da ich glaube, daß es im Interesse aller liegt, wenn ich meine Begründung abkürze, bitten, manche Einzelmotive der schriftlichen Begründung zu entnehmen. Ich darf vielleicht nur noch erwähnen, daß die Erhöhung der Unterhaltshilfe für ein Ehepaar um 40 DM unserer Meinung nach das Mindestmaß dessen ist, was bei der Anpassung an die Teuerung und Erhöhung auf anderen Gebieten, für die der Staat zuständig ist, gewährt werden muß. Auf der anderen Seite ist es im Hinblick auf einen verantwortungsbewußten Umgang mit dem Fonds notwendig, das Gleichgewicht zwischen den uns notwendig erscheinenden Sozialleistungen und den berechtigten Ansprüchen derer, die auf die Hauptentschädigung angewiesen sind, aufrechtzuerhalten.
Ein besonderes Schwergewicht — ich hatte das eingangs schon erwähnt — bildet in unserem Initiativantrag die Fortentwicklung des Zuschlags für die ehemals Selbständigen, wie er bereits im 5. Deutschen Bundestag als eine Notwendigkeit angesprochen wurde. Wir entsprechen damit auch einem entscheidenden Anliegen der Verbände, das öfters zum Vortrag gekommen ist, gerade auch in den letzten Tagen wieder durch ein Schreiben des Präsidenten des Bundes der Vertriebenen an den Bundesinnenminister. Die Formulierung, die wir gefunden haben und die wir Ihnen vorschlagen, soll zugleich auch der bisher eingetretenen Nivellierung entgegenwirken und die Leistung stärker an den Sozialstatus vor der Schädigung anpassen.
Wir sind bemüht gewesen, in der fortschreitenden Gleichstellung der Flüchtlinge einen, wie wir meinen, möglichst großen Schritt voran zu tun, ohne neue Fondsmittel zu beanspruchen. Sie wissen, daß für die 2,6 Milliarden DM 1 Milliarde DM aus dem Fonds für Vertriebene bereitgestellt wurde. Die Vertriebenen, für die diese Mittel ursprünglich vorgesehen waren, erwarten sowieso, daß der Betrag dem Fonds eines Tages aus Haushaltsmitteln zurückerstattet wird. Wir wissen wir sind uns darin mit Sicherheit mit dem ganzen Hause einig —, daß eine volle Gleichstellung auch hier erfolgen muß, sobald die dafür vorgesehenen Mittel tatsächlich vorhanden sind und nachgewiesen werden. Wir meinen aber, daß sofort das getan werden muß, was, ohne jetzt neue Haushaltsmitel in Anspruch zu nehmen, in verantwortungsbewußter Weise geschehen kann.
Zu der Kostenfrage darf ich nur noch sagen: Die ganzen Leistungen für die Sowjetzonenflüchtlinge beanspruchen keine Bundesmittel. Die Verbesserung der Unterhaltshilfe ist, wie ich schon ausführte, unvermeidbar im Zusammenhang mit der Anpassung dieser Leistung an die anderen Leistungen, die wir auf dem Sozialsektor gemacht haben. Von den daraus entstehenden Kosten gehen ja drei Sechstel zu Lasten des Fonds, zwei Sechstel zu Lasten der Länder und nur ein Sechstel zu Lasten des Bundes. Das ist also kein Betrag, der keineswegs irgendwie ein Problem darstellen dürfte.
Ich darf namens der CDU/CSU-Fraktion bitten, unseren Initiativantrag dem Innenausschuß — federführend — und dem Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung zu überweisen.
Meine Damen und Herren, Sie haben die Begründung gehört. Ich eröffne die Aussprache zur ersten Lesung. Das Wort dazu hat Herr Dr. Hupka erbeten. Ich erteile Herrn Dr. Hupka das Wort.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich mit einigen allgemeinen Bemerkungen begnügen und die Einzeldarstellung der Aussprache im Ausschuß vorbehalten.
Mit dem vorliegenden Entwurf eines Dreiundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes wird, so meinen meine Freunde und ich, nur Verwirrung und Unordnung gestiftet, nicht aber den Betroffenen unmittelbar und schnell geholfen. Überdies widerspricht dieser Entwurf der CDU/CSU-Fraktion dem Antrag des eigenen Fraktionsvorsitzenden, alle ausgabewirksamen Vorhaben bis zur Vorlage des neuen Haushalts zurückzustellen.
Anstatt den Lastenausgleich endlich durchsichtiger und damit für die Betroffenen zugleich praktikabler zu machen, werden Novellierungsvorschläge unterbreitet, die bereits den Drall zur weiteren Novellierung in sich tragen. Anstatt wirklich eine Gleichstellung von Flüchtlingen und Vertriebenen hieb-und stichfest durchzusetzen, werden neue, wenn auch verbesserte Abstufungen bei der Einkommens- und Vermögensgrenze des Einundzwanzigsten Lastenausgleichsänderungsgesetzes empfohlen. Das Ungeheuerlichste ist, so meine ich, daß die Terminierung der Anpassung der Unterhaltshilfe zum 1. März 1970 statt zum 1. Juni 1970 die Betroffenen geradezu verärgern muß, weil sie zuerst zusätzlich etwas erhalten, was sie nachher wieder abgezogen bekommen.
Zu fragen bleibt auch, warum das Unterhaltshilfe-Anpassungsgesetz mit einer Verbesserung der 21. Lastenausgleichsnovelle in ein Paket gepackt worden ist .Das Tempo, das uns hier von der CDU/CSU-Fraktion vorgelegt wird, entspricht eher dem Motto „Seid nett zueinander", und dies zu Weihnachten besonders, als daß es um im Bild zu bleiben — dem benutzten Fahrzeug und der gegebenen Straßenlage entspricht. Hier ist ebenso rasch wie unüberlegt dies und das, nur damit wieder einmal eine Lastenausgleichsnovelle des Bundestages den Bundestag passiert, zusammengetragen und zusammengebraut worden in der Gewißheit, daß morgen oder übermorgen die nächste Novelle fällig werde. Je mehr Novellen, um so besser. Das aber ist ein sträflicher Irrtum. Diese Methode kann nur zur Folge haben, daß sich hier in diesem Hohen Hause und draußen beim Staatsbürger eine Verdrossenheit breitmacht und der fatale Eindruck entsteht, als hätten es die Vertriebenen und Flüchtlinge besonders gut; denn in regelmäßigen Abständen würden sie mit Lastenausgleichsnovellen bedacht. Nichts gegen, sondern alles für eine Verbesserung der bisherigen Gesetzgebung, aber diese muß fundiert sein und darf nicht Flickwerk bleiben.
Die CDU/CSU bietet uns eine neue Verkomplizierung der ohnehin schon komplizierten Materie an und beschleunigt eine Änderung, ohne erst einmal die Lagebeurteilung — Eingang der Anträge usf. — abzuwarten. Wäre diese Lagebeurteilung heute bereits möglich, dann wäre es angebracht und notwendig, sich Gedanken darüber zu machen, wie die Einkommens- und Vermögensbegrenzung bei der 21. Lastenausgleichsnovelle überhaupt wegfallen oder ob man wenigstens das nicht existenztragende Einkommen mit dem existenztragenden Einkommen gleichziehen könnte. Dazu das eine oder das andere tun zu können, fehlen uns heute einfach der Überblick und die finanziellen Berechnungsgrundlagen. Im Laufe des Jahres 1970 sollten wir hier klarer sehen und daraus dann gesetzgeberische Folgerungen ziehen. Im Dezember 1969 kann man leider nur die Geräuschmaschine ankurbeln.
„Unter den denkbaren Möglichkeiten einer Novellierung des Lastenausgleichs ist der vorliegende Entwurf eines 23. Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes die schlechteste". Dieses Urteil stammt nicht aus parteipolitischer Sicht, sondern von einem Experten. Er wollte damit sowohl die Verquickung von Unterhaltshilfe-Anpassung und Änderung der 21. Lastenausgleichsnovelle treffen als auch die nach wie vor gegebene Ungleichstellung von Flüchtlingen und Vertriebenen und den geradezu peinlichen Anreiz zu einer weiteren Verbürokratisierung und Verdunklung des gesamten Lastenausgleichs.
Die sozialdemokratische Fraktion beantragt daher die Überweisung der Drucksache VI/119 an den zuständigen Ausschuß, um dort nach eingehender Überprüfung und nach entsprechenden Vorlagen von Regierungsentwürfen zu den völlig verschieden gelagerten Problemkreisen des uns heute vorliegenden Antrags im Interesse der Geschädigten, also der unmittelbar von einer Novellierung Betroffenen das Bestmögliche zu erreichen.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt .
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Einige wenige Bemerkungen zu der Vorlage der CDU/CSU seitens der FDP. Herr Kollege Fircks, ich habe es 'begrüßt, daß Sie in Ihrer Begründung davon ausgingen, die Gesetzgebung müsse vorangetragen werden, und das sei hier nun ein solcher Wunsch der Opposition. Allerdings habe ich ein bißchen mehr den Eindruck, daß hier nun plötzlich etwas aus dem Sündenregister der Vergangenheit auf den Tisch gelegt wird. Denn ich kann mich noch sehr gut erinnern, daß insbesondere die Fragen der Gleichstellung der Sowjetzonen-
Flüchtlinge mit den Heimatvertriebenen in diesem Hause und von der jetzt einen Antrag vorlegenden Opposition nicht sehr freundlich behandelt wurden. Ich kann mich noch sehr gut an den Kampf erinnern, überhaupt eine 21. Sozialnovelle hier vorzulegen. Ich kann mich noch sehr gut an die Regierungserklärung seinerzeit erinnern, die gar nichts davon wissen wollte, und an die vielen Entschließungsanträge, die hier seitens der FDP gestellt werden mußten, damit wenigstens eine 21. Novelle kam. Hier ist also zweifellos bei der jetzigen Opposition ein Nachholbedarf vorhanden. Wir begrüßen es, daß
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Schmidt
I Sie nun etwas nachholen wollen, was Sie vielleicht schon in der Vergangenheit hätten vorziehen können.
Meine zweite Bemerkung betrifft den Inhalt dieser Novelle, insbesondere die Bereiche, die die 21. Novelle sozusagen ausweiten sollen. Wie dieser Inhalt beurteilt wird, sagt wohl am besten ein Beschluß der Betroffenen. Ich darf mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten zitieren, daß der Rechts- und Sozialausschuß des Bundes der Mitteldeutschen, der bei der Vorbereitung dieser Novelle anscheinend überhaupt nicht gefragt worden ist, in seiner gestrigen oder vorgestrigen Sitzung gesagt hat: Der Bund der Mitteldeutschen lehnt deshalb die Gesetzesvorlage zu diesem Punkt ab. — Das ist all das, was mit Einkommensgrenzen und diesen Dingen zu tun hat. Also scheint die Weihnachtsüberraschung, die Sie mit dem Antrag machen wollten, auch nicht ganz gelungen zu sein.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Fircks?
Herr Kollege Schmidt, geben Sie mir recht, daß das volle Zitat dahingehend lautet, daß der Bund der Mitteldeutschen die Regelung als unzureichend ablehnt, daß also die Entschließung nur sagen will: wir möchten mehr haben in den einzelnen Bereichen, und nicht, daß man die Regelung als solche ablehnt?
Sie lehnen natürlich
nicht ab, einen Schritt weiter zu tun, aber lehnen die Methode ab, genauso wie wir sie immer abgelehnt haben.
Am interessantesten war aber wohl — und das sollte einmal gesagt werden , daß selbst der Präsident des Bundes der Mitteldeutschen die von der Opposition vorgelegte Novelle erst gesehen hat, als sie ausgedruckt war, obwohl er ein Mitglied Ihrer Fraktion ist, meine Damen und Herren. Immerhin eine interessante Entstehungsgeschichte dieser Vorlage.
Nun zur Sache selbst! Wir Freien Demokraten waren immer der Meinung — und die Regierungserklärung der jetzigen Bundesregierung hat das ebenfalls deutlich gemacht —, daß es notwendig ist, für die Sowjetzonenflüchtlinge eine rechtliche Gleichstellung mit den Heimatvertriebenen zu verankern. Das steht in der Regierungserklärung. Wir begrüßen es, daß die Opposition hier Anregungen gegeben hat. Wir sehen diese Anregungen aber nur als eine Ausweitung der 21. Novelle, der Sozialnovelle, an, nicht als das, was geschehen muß, was dieses Hohe Haus verabschieden muß und was zweifellos im Rahmen der zu erarbeitenden Regierungsvorlage für die Beratungen der 23. Novelle und der von der Bundesregierung vorzulegenden Novelle noch klar und deutlich festzulegen ist: daß ein Rechtsanspruch für Sowjetzonenflüchtlinge wie für Heimatvertriebene in gleicher Weise verankert, daß seine Realisierung im Rahmen der materiellen Möglichkeiten nach sozialen Punktsystemen durchgeführt werden kann, daß aber keinesfalls mit Sozialnovellen der Bereich der Sowjetzonenflüchtlinge abgedeckt werden kann. Denn auf der anderen Seite haben wir im Lastenausgleich einen Rechtsanspruch. Zweierlei Maß geht hier auf die Dauer nicht. Ihr Vorschlag würde weiter den Weg der Sozialnovellen gehen. Die Regierungserklärung und auch die Vorstellungen, die wir Freien Demokraten immer gehabt haben, werden den Weg zur rechtlichen Gleichstellung gehen. Ich bin sicher, daß die Novelle, die die Bundesregierung vorlegen wird, hier bereits andere Weichen stellt, als das Ihr Entwurf tun will. Wir werden im Ausschuß dann das Beste aus allem machen können.
Das Wort hat der Abgeordnete Czaja.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich in der Aussprache zur ersten Lesung zu Wort gemeldet, um zwei Mißverständnissen vorzubeugen, vor allem, um diese Gefahr durch eine zu rasche Behandlung dieser Novelle zu verhindern. Erstens hat der Herr Kollege Dr. Hupka auf die Verwirrung hingewiesen, die durch die Belastung des Bundeshaushalts eintrete. Es ist verständlich, daß neu zu uns stoßende Kollegen die schwierige Materie des Lastenausgleichsgesetzes nicht voll beherrschen. Ich möchte mir aber doch den Hinweis gestatten, daß es im Sinne einer raschen Lösung und auch im Sinne der raschen Behandlung dieser Materie in dem zuständigen federführenden Ausschuß und im Haushaltsausschuß notwendig ist, schon jetzt darauf hinzuweisen, daß die Leistungen von Bund und Ländern gesetzlich in einem Plafond, nämlich in Art. 6 des Lastenausgleichsgesetzes, verankert sind und daß dieser Gesetzentwurf natürlich keine Überschreitung dieses Plafonds vorsieht. Insofern ist der Bundeshaushalt unmittelbar in keiner Weise davon betroffen. Das ist das erste, was eindeutig festgestellt werden muß.
Zweitens muß festgestellt werden, daß der unmittelbar betroffene Wirtschafts- und Finanzplan des Bundesausgleichsamts in der vergangenen Woche einstimmig — also auch mit den Stimmen der SPD — angenommen worden ist und bereits Ansätze zumindest zur Anhebung der Unterhaltshilfe — wir haben vorgesehen, das auch auf die Entschädigungsrenten auszudehnen enthält. Im übrigen ermöglichen die Differenzierung und die Elastizität des Wirtschafts- und Finanzplans des Bundesausgleichsamts die Unterbringung der entsprechenden Summen. Das wurde zur Befriedigung aller Fraktionen vom Präsidenten des Bundesausgleichsamts festgestellt.
Ich möchte daher bitten, die Beratung der Novelle nicht auf Grund dieser vielleicht ein falsches Licht auf die Novelle werfenden Formulierungen aufzuhalten. Eines müssen Sie wissen: Wer rasch gibt,
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Dr. Czaja
gibt doppelt. Die Lastenausgleichsberechtigten sind weiß Gott ebenso wie die übrigen Geschädigten und Kriegsopfer berechtigt, bald zu wissen, was sie bekommen.
Nun zu dem zweiten Punkt, meine Damen und Herren. Mein verehrter Kollege von den Freien Demokraten hat gesagt, es bestünde ein Nachholbedarf. Wir haben, um keine Wahlgeschenke zu machen, hier nicht vorzeitig Vorlagen eingebracht. Wir sind aber — das möchte ich noch einmal feststellen — hier die ersten gewesen, die klar und ausformuliert dargelegt haben, was gewollt ist. Ich hoffe, daß Sie uns bei diesem Nachholverfahren unterstützen. Alle Erklärungen, daß bestimmte Leistungen nicht ausreichend seien, besagen gar nichts, solange hier keine Formulierungen vorgelegt werden, aus denen klar wird, wofür man eintritt und was man will.
— Herr Kollege Dr. Schäfer, wir sind ziemlich erfahren, was das Lastenausgleichsrecht angeht.
Wir haben uns natürlich mit den verschiedenen Fachleuten zusammengesetzt. Wir haben ein offenes Ohr für das, was die Verbände sagen. Wir wissen auch, was in den Verbänden gesprochen wird und was sie wünschen. Aber wir sind Parlamentarier genug, um zu wissen, was dem Lastenausgleich not tut, und eben das haben wir hier beantragt.
Der Herr Kollege Schmidt hat ausgeführt, daß man noch weitergehen müsse, insbesondere bei der Gleichstellung der Sowjetzonenflüchtlinge. Wir meinen, daß diejenigen Familien mit zwei Kindern, die 2000 DM Einkommen haben, endlich auch die Hauptentschädigung für Sowjetzonenflüchtlinge ausgezahlt bekommen sollten. Die bürokratischen Bremsen müssen hier gelöst werden. Wenn das vollzogen ist, werden wir weitergehen.
Wenn Vorschläge gemacht werden, hier sofort weiterzugehen, so muß ich dazu sagen, daß dann natürlich eine Konkurrenzsituation zwischen den Lastenausgleichsgeschädigten, und zwar den Vertriebenen auf der einen Seite und den Kriegssachgeschädigten auf der anderen Seite, und den Sowjetzonenflüchtlingen entsteht. Der Kollege Fircks hat sich klar dafür ausgesprochen, daß zugunsten der Gleichstellung der Sowjetzonenflüchtlinge aus dem für die Vertriebenen und Kriegssachgeschädigten vorgesehenen Volumen 1 Milliarde DM zur Verfügung gestellt wird. Dieses Volumen war bereits 1951 in dieser Größenordnung vorgesehen, zu einer Zeit also, in der das Bruttosozialprodukt etwa ein Fünftel des heutigen Bruttosozialproduktes ausmachte. Wenn Sie mehr wollen — hier möchte ich an die Ausführungen des Kollegen von Fircks anknüpfen —, so kann ich Ihnen nur sagen: Es ist Aufgabe derer, die den von uns vorgeschlagenen Weg kritisieren, zu beantragen — ich möchte an die Regierung appellieren, an diese Aufgabe heranzugehen
daß dem Fonds aus Haushaltsmitteln die nötigen Mittel zur Verfügung gestellt werden, damit das geschieht, was Herr Schmidt will. Solange Herr Schmidt diesen Antrag aber nicht stellt, ist eine Kritik an der CDU, die hier Roß und Reiter und Zahlen genannt sowie Anträge gestellt hat, nicht am Platze.
Ich bitte, nachdem der Herr Kollege Schmidt am Schluß die Dinge begrüßt hat, darum, daß man bald zur Verabschiedung dieser Novelle kommt und daß man die Verbände in den Ausschuß- oder Unter-ausschußsitzungen hört. — Herr Kollege Schmidt, Sie wollten dazu noch etwas fragen? — Bitte!
Zu einer Zwischenfrage, Herr Abgeordneter Schmidt.
Herr Kollege Czaja, ist Ihnen entgangen, daß ich festgestellt habe, daß das, was ich für die FDP vertreten habe, im Eingang mit der Regierungserklärung steht und daß wir deshalb innerhalb der Möglichkeiten, der Zeitabläufe, die da sind, im Sinne dieser Regierungserklärung solche Vorstellungen für das Haus bekommen werden?
Sehr richtig, Herr Kollege Schmidt. Nur muß man nicht nur erklären, sondern auch handeln. Handeln tut man im Parlament, indem man Gesetzentwürfe vorlegt. Wir haben einen Gesetzentwurf vorgelegt. Legen Sie im Januar auch einen vor, dann haben Sie gehandelt. Wir haben nichts von Erklärungen, sondern nur etwas von der Ausführung der Regierungserklärung. Wir möchten die Sache schnell verabschiedet sehen.
Herr Kollege Hupka, war das vorhin die Meldung zu einer Zwischenfrage, oder sollte es noch eine Wortmeldung sein?
— Sie ziehen zurück. Das Wort hat der Herr Bundesinnenminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei dieser fortgeschrittenen Zeit will ich nur wenige kurze Bemerkungen machen.
Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, was dem Lastenausgleich vornehmlich not tut, ist Klarheit, Übersichtlichkeit und die Möglichkeit, schnell abzuwickeln. Wir haben hier eine 21. Novelle, nach der eine erste Auszahlung der Leistungen, die Sie jetzt schon wieder verändern und verbessern wollen, frühestens zum 1. Januar 1970 stattfinden könnte. Jetzt überrollen Sie diese eben geschaffene Gesetzgebung, über deren Auswirkung wir eine volle Übersicht noch nicht haben. Sie verwirren damit die Verwaltung und bewirken, daß
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Bundesminister Genscher
im Grunde die Empfangsberechtigten später zu ihren Leistungen kommen, als das normalerweise der Fall wäre.
— Herr Kollege Dr. Czaja, ich habe es nicht nett gefunden, daß Sie einem neuen Kollegen gesagt haben: Sie sind neu, und Sie wissen das noch nicht. — Jetzt sagen Sie mir: „Das müssen Sie noch lernen!" Erinnern Sie sich: Wir alle, die Fraktionen dieses Hauses, haben im letzten Bundestag beschlossen, daß über die Erfahrungen mit der 21. Novelle bis zum 1. April 1972 ein Bericht erstattet werden soll, damit wir dann Konsequenzen ziehen können. Aber Sie brauchen diesen Bericht gar nicht, Sie ziehen die Konsequenzen schon heute
und erwecken damit möglicherweise unberechtigte Hoffnungen.
Die Bundesregierung hat in der Regierungserklärung ihren Willen bekundet, den Lastenausgleich für die Flüchtlinge zu einem gerechten Abschluß zu bringen. Unabhängig von dieser Entschließung des Deutschen Bundestages ist das Bundesministerium des Innern im Augenblick schon dabei, sich eine verläßliche Übersicht darüber zu schaffen, inwieweit die für die 21. Novelle zur Verfügung gestellten Beträge wirklich ausgeschöpft werden, damit wir dann auf Grund des freibleibenden Betrages eine neue Novelle vorlegen können, deren Ausführung wir auf einer soliden Finanzgrundlage einhalten können. Diese Garantie können Sie mit ihrem Antrag nicht geben, weil Sie diese solide Berechnungsgrundlage nicht haben, Herr Kollege.
Wir schaffen sie sehr schnell, und wir werden im ersten Halbjahr 1970 einen ausgewogenen, auf solider Grundlage stehenden Antrag den gesetzgebenden Körperschaften zuleiten.
Ich kann im übrigen auf die Bedenken, die schon vorgetragen worden sind, hinweisen. Insbesondere möchte ich davor warnen, daß wir hier eine materielle Lastenausgleichsgesetzgebung wieder mit den Fragen der Unterhaltshilfe verknüpfen. Bewußt hat man in der Vergangenheit — und gerade aus Ihrem politischen Lager — die Trennung vorgenommen, um die Anpassung der Unterhaltshilfe unbehelligt von anderen sehr schwierigen Fragen dann, wenn es notwendig ist, zügig fortführen zu können. Daran wird die Bundesregierung festhalten, daran werden die Regierungsparteien festhalten. Wir werden auch hierzu rechtzeitig, so daß er zum 1. Juni 1970 in Kraft treten kann, einen Gesetzentwurf vorlegen. Aber auch dabei werden wir jene Wirkung vermeiden, die von den Sprechern der Koalition mit Recht kritisiert worden ist. Nach Ihren Vorstellungen werden die Leistungen erhöht, Erwartungen werden zusätzlich erweckt, und dann tritt durch die Anrechnungsbestimmungen plötzlich ein Leistungsabfall ein. Diese Probleme müssen Sie sehen.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen von Fircks?
Bitte schön!
Herr Minister, würden Sie mir zugeben, daß im Augenblick durch die breite und sehr starke Anhebung im Bereich der Versorgung und auch der Gehälter für all jene eine andere Situation entstanden ist, für die der Staat zuständig ist, und daß sich in diesem Falle die Unterhaltshilfeempfänger mit Sicherheit besonders benachteiligt sehen würden, wenn sie angesichts dieser rasanten Entwicklung, die jetzt zum 1. Januar eingetreten ist, nicht zu einem in etwa naheliegenden Zeitpunkt auch anders bedacht werden als früher?
Dennoch sind wir bemüht, die Erhöhung der Unterhaltshilfe und des Selbständigenzuschlags ohne die Komplizierung, die Sie systemwidrig vorschlagen, zum 1. Juni vorzunehmen, um eben jenen Leistungsabfall zu vermeiden. Wir werden dabei bis an die äußerste Grenze des Möglichen gehen, weil wir das Problem als solches genauso sehen wie Sie, Herr Kollege. Aber Sie arbeiten auch in dieser Frage ein wenig abweichend von dem Stillhalteabkommen, das das hier geschlossen wurde. Haushaltswirksam sind die Entscheidungen, die Sie vorschlagen, auf jeden Fall, und wir waren uns eigentlich einig geworden, daß wir uns zunächst einmal über die mittelfristige Finanzplanung Gedanken machen wollen. Das ist, wenn Sie so wollen, ein weiterer Sündenfall in dieser Richtung.
Herr Kollege, darf ich nur sagen, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie sich liebenswürdigerweise bei den weiteren Fragen jener Prägnanz und Kürze, die Zwischenfragen haben sollen, befleißigten.
Bitte schön, Herr Kollege!
Herr Minister, habe ich richtig gehört, sagten Sie „1. Juni"?
Das soll zum 1. Juni wirksam werden.
Sind Sie zum zweiten mit mir der Auffassung, daß die auf den Bund zukommenden bestenfalls 6 Millionen DM aus dem Sechstel für dieses Jahr keine Problemgröße für den Bundeshaushalt sind?
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Im Zusammenhang mit dem Gesamtvolumen des Bundeshaushalts ist das ohne Zweifel richtig. Aber, Herr Kollege, Ihr Fraktionsvorsitzender hat hier bei seiner Rede zum Stillhalteabkommen eine Ausnahme genannt und nach Abmahnung haben Sie noch ein paar angefügt. Diesen Bereich haben Sie damals offenbar noch nicht so klar gesehen wie jetzt bei der Vorlage dieses Antrages. Ich glaube, wir sollten auch hier bereit sein, uns im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung zu bewegen, denn natürlich gibt es viele dringliche Anliegen, die mit gleicher Begründung auch zu einer Abweichung veranlassen könnten.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Czaja?
Bitte schön!
Herr Bundesminister, würden Sie zugeben und feststellen, daß der CDU/CSU-Antrag keine Änderung des § 6, also der Beiträge von Bund und Ländern zum Lastenausgleichsgesetz enthält?
Das ist richtig, das schlagen Sie nicht vor.
Meine Damen und Herren, ich stelle also fest, daß der Antrag der CDU/CSU, soweit er nicht die Frage der Unterhaltshilfe angeht, nicht auf einer gesicherten Basis beruht, sondern daß er spekulativ zusätzliche Leistungen vorsieht, während wir in wenigen Monaten hoffen, in der Lage zu sein, eine verläßliche Grundlage schaffen zu können, so daß wir dann durch Vorlage eines Gesetzentwurfs auch wirklich nur so viel ankündigen, wie wir aus den zur Verfügung stehenden Mitteln tatsächlich leisten können, also die Gefahr vermeiden, daß falsche Hoffnungen erweckt werden. Darüber hinaus würde ich es für richtig halten, wenn auch die CDU/CSU bereit wäre, wieder zu der Trennung der Unterhaltshilfe von dem anderen Teil des Lastenausgleichs zurückzukehren, und, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, wenn Sie mit uns bereit wären, nicht zusätzliche Komplizierungen,
wie sie die Annahme dieses Antrags zur Folge hätte, in die Lastenausgleichsgesetzgebung hineinzubringen und darüber hinaus nicht durch aus dem Handgelenk vorgelegte Novellen die Verwaltung zu verunsichern und im Grunde bei ihrer Arbeit zu behindern. Das wünschen wir im Interesse der schnellen Abwicklung der Lastenausgleichsgesetzgebung für die Berechtigten.
Meine Damen und Herren, wir stehen am Ende der ersten Beratung der 23. Novelle zum Lastenausgleichsgesetz.
Der Ältestenrat schlägt Überweisung an den Innenausschuß — federführend — sowie an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung vor. Andere Vorschläge werden nicht gemacht. — Die Überweisung ist beschlossen.
Ich rufe nunmehr den Punkt 15 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes über die Erhöhung von Dienst- und Versorgungsbezügen
— Drucksache VI/131 —Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/ CSU betr. Beamtenbesoldung
— Drucksache VI/130 —
Ich frage, ob das Wort gewünscht wird. — Herr Kollege Wagner, bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich begründe die Anträge der CDU/CSU-Fraktion Drucksachen VI/130 und 131.
Besoldungsverbesserungen für Beamte und Versorgungsempfänger des Bundes sind keine Geschenke. Das Grundgesetz hat dem Gesetzgeber den Auftrag erteilt, das Recht des öffentlichen Dienstes unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze zu regeln. Dieser Auftrag beinhaltet insbesondere auch die Pflicht, die Besoldung der Beamten an die wirtschaftliche Gesamtentwicklung und speziell an die allgemeine Einkommensentwicklung anzupassen. Zwar hat auch die Bundesregierung in ihrer Regierungserklärung diese Tatsache ausdrücklich anerkannt, aber sie hat sich zu einer Handlung bisher nicht entschlossen. Wohl haben auch Mitglieder der Bundesregierung in bezug auf eine Besoldungserhöhung wiederholt Absichtserklärungen abgegeben. Wenn ich aber an das Schicksal anderer Absichtserklärungen von Mitgliedern der Bundesregierung denke, etwa an die Gewährung von Weihnachtszuwendungen an die Rentner, dann erscheint mir der Wert solcher Absichtserklärungen zweifelhaft.
Bei dieser Sachlage bestand für die Fraktion der CDU/CSU nicht nur das Recht, sondern im Hinblick auf die Verantwortung, die auch wir als Opposition in diesem Hause tragen, die Pflicht, die Initiative zu ergreifen. Eine solche Initiative ist nur dann glaubwürdig, wenn sie nicht nur allgemeine Formulierungen enthält, sondern konkret aufzeigt, was geschehen soll.
Die Fraktion der CDU/CSU hält eine fühlbare und rasche Erhöhung der Beamtenbezüge für dringend geboten. Diesem Ziel dient der von uns eingebrachte Entwurf eines Sechsten Gesetzes über die Erhöhung von Dienst- und Versorgungsbezügen, Drucksache VI/131.
In der Debatte vom 26. November 1969 hat das Haus Einigkeit darüber erzielt, daß von den Mehr-
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Wagner
ausgabebeschlüssen, die erst bei der Beratung des Haushalts abschließend behandelt werden sollen, neben der Erhöhung der Renten für die Kriegsopfer und dem Ausgleich des der Landwirtschaft durch die D-Mark-Aufwertung entstandenen Einkommensverlustes auch die Erhöhung der Einkommen im öffentlichen Dienst ausgenommen wird. Es widerspricht daher nicht dieser Vereinbarung, wenn wir nunmehr eine Initiative für eine dringend erforderliche Besoldungserhöhung ergriffen haben und schon gar nicht kann dieses Verhalten die Seriosität und die Solidität des vom Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion gemachten Angebots in Zweifel ziehen.
Meine Damen und Herren, was den Zeitpunkt unserer Gesetzesinitiative betrifft, so möchten wir klar und deutlich zum Ausdruck bringen, daß unserer Meinung nach die Erhöhung der Beamtenbesoldung nicht als Anhängsel der Tarifverhandlungen für Angestellte und Arbeiter im öffentlichen Dienst behandelt werden sollte. Unabhängig von Überlegungen über das notwendige Maß der Erhöhung der Löhne und Gehälter für Arbeiter und Angestellte im öffentlichen Dienst muß daher die Frage untersucht werden, in welchem Umfang die Einkommen für die Beamten zu erhöhen sind, zumal für Personalverstärkungsmittel nur e i n Topf und e i n Haushaltstitel zur Verfügung steht.
Für die von der Fraktion der CDU/CSU geforderte lineare Erhöhung der Beamtengehälter um 12 % waren drei Faktoren ausschlaggebend:
Der von uns eingebrachte Gesetzentwurf soll erstens verhindern, daß die Besoldungsentwicklung im öffentlichen Dienst erneut hinter der allgemeinen Einkommensentwicklung zurückbleibt, und so der Besoldungsrückstand als Folge verzögerter Sachbehandlung noch größer wird. Die wirtschaftliche Entwicklung des Jahres 1969 war insbesondere durch die im Herbst einsetzenden massiven Lohnsteigerungen gekennzeichnet. Die mit dem Zweiten Besoldungsneuregelungsgesetz verbundene Besoldungserhöhung von 5,6 %, die auf der unzutreffenden, weil zu niedrigen, Zielprojektion des Bundeswirtschaftsministers beruhte, reicht natürlich nicht aus, die geforderte Angleichung an die inzwischen eingetretene Entwicklung zu verwirklichen. Die für die Monate Oktober bis Dezember gewährte Überbrückungszahlung brachte zwar eine weitere Verbesserung. Doch ist auch damit noch nicht der vom Bundeswirtschaftsminister nunmehr auf 11 % geschätzte Zuwachs des Volkseinkommens für das Jahr 1969 erreicht. Zudem bringt die Überbrückungszulage eine Verbesserung nur für das Jahr 1969, während die in jüngster Zeit in der privaten Wirtschaft vereinbarten Lohnerhöhungen auch in das kommende Jahr hinein fortwirken.
Zum zweiten verfolgen wir mit unserem Gesetzentwurf das Ziel, auch die im Jahre 1970 zu erwartenden Einkommensentwicklungen zu berücksichtigen. Der Antrag unserer Fraktion trägt der vom Bundeswirtschaftsminister geschätzten Wachstumsrate des Volksvermögens um 9 % Rechnung.
Drittens wollen wir mit unserer Gesetzesinitiative endlich erreichen, daß über den bestehenden Besoldungsrückstand der Beamten nicht nur diskutiert, sondern ein erster, wirklicher Schritt zum Abbau dieses Rückstandes vollzogen wird.
Wenn diese drei berechtigten Forderungen — die Angleichung der Beamtengehälter an die wirtschaftliche Entwicklung des Jahres 1969, die Berücksichtigung der voraussichtlichen Entwicklung des Jahres 1970 und der teilweise Abbau des Besoldungsrückstandes — erfüllt werden sollen, müssen die Beamtengehälter um wenigstens 12 % erhöht werden. Die Bezieher niedriger Beamteneinkommen müssen ein Großteil ihrer Gehälter zur Bestreitung der Kosten der Lebenshaltung ausgeben, die sich durch vorgenommene und angekündigte Preissteigerungen stark erhöht haben und erhöhen werden. Will man diesen Personenkreis nicht nur dafür entschädigen, sondern ihm eine fühlbare Besserstellung verschaffen, reicht die prozentuale Erhöhung allein nicht aus. In Anlehnung an die bei der Gewährung der Überbrückungszulage für die Monate Oktober bis Dezember 1969 angestellten Überlegungen halten wir daher die Einführung eines Mindesterhöhungsbetrages von 100 DM für erforderlich.
Wir werden in der weiteren, wie ich hoffe, zügigen Beratung unserer Anträge in den Ausschüssen und hier im Haus auch prüfen, inwieweit Argumente gerechtfertigt sind, die dafür vorgebracht werden, daß auch den Versorgungsempfängern dieser Mindesterhöhungsbetrag ungekürzt zur Verfügung gestellt werden soll.
Meine Damen und Herren, wir verkennen nicht die Tatsache, daß die von uns beantragte Besoldungserhöhung sich auf die gesamte wirtschaftliche Lage auswirkt. Wir sind bereit, einen Teil der Erhöhung, der für den Abbau des Besoldungsrückstandes vorgesehen ist, in Form von vermögenswirksamen Leistungen zu gewähren, falls die konjunkturelle Lage dies erfordert. Damit würde zugleich ein erster Schritt zur breiten Streuung von Eigentum getan werden, den wir aus gesellschaftspolitischen Überlegungen für erforderlich halten.
Neben einer fühlbaren und raschen Erhöhung der Beamtengehälter halten wir es für erforderlich, daß drei weitere Probleme aus dem Bereich der Beamtenbesoldung einer Lösung zugeführt werden. Dieses Ziel verfolgen wir mit unserem Antrag Drucksache VI/130.
Die Fraktion der CDU/CSU ist der Auffassung, daß die Diskussion über die Höhe und den Berechnungsmodus des Rückstandes der Beamtenbesoldung zum Abschluß gebracht werden muß. Dazu ist es notwendig, daß die Bundesregierung hier klar und eindeutig erklärt, inwieweit der Einkommenszuwachs der Beamten hinter dem Volkseinkommenszuwachs zurückgeblieben ist und in welcher Form dieser Rückstand in der kommenden Zeit abgetragen werden soll.
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Wagner
Die Fraktion der CDU/CSU ist ferner der Auffassung, daß heute eine Unterscheidung in zwei unterschiedlich ausgestattete Ortsklassen im Ortszuschlag nicht mehr gerechtfertigt ist.
Die Lebenshaltungskosten in kleineren Städten und auf dem Lande haben sich den Lebenshaltungskosten in den Großstädten nahezu angeglichen. Deshalb müssen die Sätze der Ortsklasse A auf das Niveau der Ortsklasse S angehoben werden.
Schließlich ist es nach unserer Auffassung an der Zeit, die Konsequenzen aus den in den letzten Jahren erfolgten Stellenplanverbesserungen für einen bisher davon nicht in vollem Umfang betroffenen Personenkreis zu ziehen. Eine große Anzahl von Versorgungsempfängern, die vor dem Inkrafttreten dieser Verbesserungen in den Ruhestand getreten sind, wäre weiter befördert worden, hätten damals nur ebenso günstige Stellenplanverbesserungen wie heute bestanden. Die Benachteiligung dieses Personenkreises zu beseitigen, ist das Ziel unseres Vorschlages.
Die Fraktion der CDU/CSU ist sich sehr wohl der Tatsache bewußt, daß auch die mit dem Gesetzentwurf angestrebten Besoldungsverbesserungen sowie die im Antrag auf Drucksache VI/130 geforderten strukturellen Verbesserungen einen beachtlichen finanziellen Aufwand erfordern. Wir sind jedoch der Meinung, daß diese Fragen nicht ausschließlich unter haushalts- und konjunkturpolitischen Gesichtspunkten betrachtet werden dürfen. Es kann nicht oft genug betont werden, daß die kontinuierliche Erfüllung der von der öffentlichen Hand zu erbringenden Verwaltungsleistungen entscheidend für die Entwicklung unserer gesamten Wirtschaft ist. Für die Erfüllung dieser Leistungen brauchen wir nicht einen Staatsdiener neuen Typs, sprich: den Tarifbeamten, wie er in jüngster Zeit von dem Vorsitzenden der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr gefordert wurde. Ich habe die Vermutung, daß hinter dieser Aussage nicht so sehr Reformwille als mehr das Bestreben nach mehr Einfluß steckt.
Wir brauchen weiterhin den Beamten, der bereit ist, nach den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums seine Aufgabe zu erfüllen.
Diese Aussage beinhaltet gleichzeitig, daß wir diese Grundsätze, wo immer notwendig, fortentwickeln wollen, beispielsweise in der Form, daß die Mehrleistung mehr als bisher anerkannt wird.
Herr Kollege, das Signal ist zu spät eingeschaltet worden; ich wollte Sie nur darauf aufmerksam machen, daß Ihre Redezeit zu Ende ist.
Nur zwei, drei Sätze noch, Herr Präsident.
Diese Aussage beinhaltet genauso das Wollen, die Ausbildung und Fortbildung so zu gestalten, daß der Beamte auch in Zukunft den Aufgaben der modernen Gesellschaft gerecht werden kann.
Die CDU/CSU-Fraktion bekennt sich zu den Grundgedanken des Berufsbeamtentums. Wir bekennen uns damit gleichzeitig zu der dem Staat aufgegebenen Fürsorgepflicht. Mit unserem Gesetzentwurf sind wir dieser Fürsorgepflicht nachgekommen, und wir meinen, daß wir damit auch einen Beitrag zur Festigung des Vertrauensverhältnisses zwischen Gesetzgeber und Beamtenschaft und dem öffentlichen Dienst schlechthin leisten.
Das Wort hat der Herr Bundesinnenminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Wagner hat hier eine gute Oppositionsrede gehalten — eine gute Oppositionsrede gegen die Besoldungspolitik aus der Zeit, in der Angehörige Ihrer Fraktion in den verschiedenen Bundesregierungen für diesen. Bereich verantwortlich waren.
— Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, ich würde an Ihrer Stelle nicht so unbefangen vom Besoldungsrückstand sprechen, wenn ich selber mit meiner Politik der Urheber dieses Besoldungsrückstandes wäre.
— Ja, wenn es auch wehtut, Herr Kollege Rösing — es muß gesagt werden!
„Die Bundesregierung ist der Überzeugung" — so heißt es in der Regierungserklärung —, „daß die Angehörigen des öffentlichen Dienstes Anspruch haben auf Teilnahme an dem allgemeinen wirtschaftlichen Fortschritt." Auf dieser Grundlage haben wir unmittelbar nach Übernahme der Amtsgeschäfte die Vorbereitungen für die Besoldungserhöhungen des Jahres 1970 aufgenommen. In zahlreichen Gesprächen haben wir mit Vertretern der Beamten, Angestellten und Arbeiter im öffentlichen Dienst die vor uns stehenden Probleme erörtert, um diese legitimen Vertreter der Angehörigen des öffentlichen Dienstes frühzeitig in unsere Erwägungen einzubeziehen. Wir haben diese Gespräche in einem Zeitpunkt aufgenommen, in dem jedenfalls für die breitere Öffentlichkeit noch nicht erkennbar war, daß die Besoldung im öffentlichen Dienst für das Jahr 1970 ein aktuelles Problem unserer Innenpolitik darstellt. Ja wir haben sogar im Bereich der Betroffenen Überraschung darüber angetroffen, daß sich die Bundesregierung sofort mit diesen Fragen befaßt hat. Manche dieser Betroffenen waren übri-
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Bundesminister Genscher
gens im Gegensatz zur Opposition durchaus bereit, der Bundesregierung eine gewisse Schon- und Einarbeitungszeit zu bewilligen. Aber wir hielten es für richtig, diese Initiative rechtzeitig zu ergreifen, um damit sichtbar zu machen, daß sich die Bundesregierung ihrer Verantwortung für die Besoldungspolitik im öffentlichen Dienst voll bewußt ist und daß sie entschlossen ist, den öffentlichen Dienst aus der unberechtigten Rolle, die er gelegentlich ohne seine Schuld in der Öffentlichkeit hatte, der Rolle des Bittstellers in Besoldungsfragen, endlich herauszuführen.
Wir haben bei diesen Gesprächen mit den Vertretern der Angehörigen des öffentlichen Dienstes allerdings auch keinen Zweifel darüber gelassen, daß zu den tragenden Grundsätzen unserer Politik Stabilität und Solidität in der Wirtschafts- und Finanzpolitik gehören. Daran werden sich unsere Vorschläge orientieren.
Das bedeutet beileibe nicht — um hier von vornherein jeder Kritik vorzubeugen —, daß wir zu denjenigen gehören, die in der Talsohle Besoldungserhöhungen ablehnen mit der Begründung, es sei kein Geld da, und die in der Hochkonjunktur sagen: „Jetzt darf es keine Besoldungserhöhungen geben, uni die Hochkonjunktur nicht noch weiter anzuheizen." Es geht vielmehr darum, daß wir unter Berücksichtigung der genannten Grundsätze zu einer fühlbaren, aber gleichwohl finanz- und wirtschaftspolitisch vertretbaren Erhöhung der Bezüge im öffentlichen Dienst kommen. Es konnte dabei für uns von Anfang an kein Zweifel bestehen, daß diese Besoldungserhöhungen zum 1. Januar 1970 gelten müssen.
Aber wir waren auch der Meinung, daß wir mit der Entscheidung über diese Besoldungserhöhungen nicht warten können, bis der Bundeshaushalt verabschiedet und über die mittelfristige Finanzplanung entschieden ist. Das war der Grund, warum ich in der Sitzung des Deutschen Bundestages am 26. November 1969 sogleich interveniert habe, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, als der Herr Abgeordnete Dr. Barzel bei seinem Vorschlag für ein Stillhalteabkommen nur die Kriegsopfer ausnahm, aber den öffentlichen Dienst nicht nannte, was doch wohl nur heißen konnte, daß er zunächst warten sollte. Und als Herr Kollege Mischnick nochmals insistiert hat, hat auch .Ihr zweiter Sprecher, Herr Kollege Dr. Stoltenberg, zu dieser Frage nicht Stellung genommen. So scheint es mir, daß Sie in Wahrheit mit diesem Antrag jetzt ein wenig Initiative in Besoldungsfragen für sich zurückgewinnen wollen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wagner?
Bitte sehr!
Herr Bundesminister, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen,
daß es eine Erklärung der CDU/CSU-Fraktion vom gleichen Tag gibt, in der ausdrücklich die drei Bereiche aufgezählt sind,
die wir ausgenommen haben wollen:
Kriegsopferversorgung, Ausgleich des Einkommensverlustes für die Landwirtschaft und Besoldung im öffentlichen Dienst?
Verehrter Herr Kollege, auch durch meinen Eintritt in die Bundesregierung hat sich meine grundsätzliche parlamentarische Auffassung nicht geändert, die darin besteht, daß die politisch relevanten Erklärungen nicht über die Presse, sondern in diesem Hohen Hause abgegeben werden.
Herr Minister, erlauben Sie eine weitere Zwischenfrage?
Aber bitte schön, Herr Kollege Klepsch!
Herr Kollege Genscher, wären Sie so liebenswürdig, das auch Ihrem Kollegen Leussink zu raten?
Ich habe bisher keine Veranlassung gesehen, das zu tun. Vielleicht können Sie mir einen konkreten Fall nennen. Bitte schön!
Er hat ja im Ausschuß durch seinen Parlamentarischen Staatssekretär erklärt —
Herr Abgeordneter, Sie sind doch ein langjähriges Mitglied dieses Hohen Hauses, so daß ich Sie bitten muß, die gemäße Form der Frage zu verwenden, wenn Sie hier etwas sagen wollen. Im Augenblick habe ich das Gefühl, Sie wollen sich noch sammeln.
Das Wort hat der Herr Bundesinnenminister.
Meine verehrten Damen und Herren! Ich glaube, jene Sitzung des Deutschen Bundestages, von der ich eben sprach, war eine große Stunde in der Geschichte dieses Parlaments. Ich habe bei einer anderen Gelegenheit gesagt, daß jenes Stillhalteabkommen, das damals zwischen Koalition und Opposition geschlossen wurde, im Grunde ein Akt der staatspolitischen Verantwortung und der Kooperation zwischen Regie-
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Bundesminister Genscher
rungs- und Oppositionsparteien sei. Ich muß aber heute feststellen, daß Sie nicht nur mit dem Antrag, über den wir heute in zweiter und dritter Lesung entschieden haben, sondern auch mit dem Antrag, über den wir jetzt sprechen, im Begriff sind, jene gemeinsame Grundlage solider Finanz- und Wirtschaftspolitik zu verlassen.
Lassen Sie mich einmal ein paar Worte zu den Auswirkungen Ihrer Anträge sagen. Sie sprechen von einer Besoldungserhöhung von 12 %. Das ist, linear gesehen, richtig. Aber Sie schlagen eine Reihe zusätzlicher Verbesserungen vor, sei es in Ihrem Gesetzentwurf, sei es durch Aufforderungen an die Bundesregierung. Das, meine Damen und Herren, würde zusammen etwa 15 % ausmachen. Sagen Sie mir einmal, wie Sie in der gegenwärtigen Situation 15 % noch mit den Grundsätzen der Stabilität für vereinbar halten wollen. Ich kann diese Meinung nicht teilen!
Ich möchte Sie herzlich bitten, Ihre Auffassung und Ihren Antrag noch einmal zu überprüfen.
Wenn ich nun noch davon ausgehe, daß die Bundesregierung in dem Zusatzantrag aufgefordert wird, den Besoldungsrückstand festzustellen und ihn binnen zwei Jahre abzubauen, dann muß ich die Frage stellen: Auf wie hoch beziffern Sie den Besoldungsrückstand? Oder geben Sie uns hier einen Auftrag in Unkenntnis der wirklichen Zahlen, so daß eine realistische Finanzplanung für das Jahr 1971 gar nicht mehr möglich ist? Oder aber, meine Damen und Herren, machen Sie sich die Zahlen des Beamtenbundes zu eigen, nach dessen Auffassung im Augenblick von etwa 18 % auszugehen sei? Das würde, verteilt auf zwei Jahre, heißen: je 9 %. Die kämen 1970 zu den 15 % noch hinzu. Das wären 24 %. Auf der Grundlage eines Gesetzentwurfs dieser Art kann man wirklich nicht mehr von einer seriösen Politik sprechen.
Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung ist entschlossen, sich auch über die Frage des Besoldungsrückstandes Gewißheit zu verschaffen. Auch darüber haben wir mit den Verbänden gesprochen. Aber wir wollen dafür eine realistische Grundlage haben, und wir wollen den Abbau des dann festgestellten Besoldungsrückstandes nach Kenntnis seines Umfangs projektieren, damit wir das, was wir zusagen, auch einhalten können.
Ich glaube, Sie hätten bei Ihrem Antrag und bei dem Umfang Ihres Antrags auch einmal den Zeitpunkt, in dem dieser Antrag vorgelegt und im Parlament behandelt wird, mit berücksichtigen müssen. Wir haben in diesen Tagen mit dem Beamtenbund gesprochen, weil wir sehr wohl der Meinung sind, daß nicht der eine oder andere Bereich eine Führungsrolle haben sollte. Aber wir stehen vor schweren Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst. Sie brauchen sich — aber das ist Ihre Sache — zwar nicht in meine Lage zu versetzen, die durch diesen Antrag sicher nicht vereinfacht wird.
Vielleicht sollten Sie sich aber einmal in die Lage der Gewerkschaftsvertreter versetzen, die bei diesen Verhandlungen auf der anderen Seite des Tisches sitzen.
Jenen wird es nämlich sehr schwer gemacht, einen vernünftigen Kompromiß mit uns zu schließen, wenn ein solcher Antrag einer so starken Fraktion auf dem Tisch des Deutschen Bundestages liegt.
Meine Damen und Herren, wir sind bei diesen Tarifverhandlungen — bei Anerkennung der wirklich schwierigen Besoldungssituation im öffentlichen Dienst — auf die Einsicht aller Beteiligten angewiesen, um die Stabilität zu erhalten. Jede Gehaltserhöhung wird doch hinweggespült, wenn wir in diesem Bereich mit der Signalwirkung für andere Tarifbereiche in der gewerblichen Wirtschaft den Grundsatz der Stabilität vernachlässigen. Deshalb bitte ich Sie: Überprüfen Sie diesen Antrag, ob Sie in diesem Umfang an einer solchen ausgabewirksamen Initiative wirklich festhalten wollen.
Meine Damen und Herren, glauben Sie mir: diese Bundesregierung hat als eine ihrer ersten Entscheidungen einen Betrag für die Besoldungserhöhungen im öffentlichen Dienst bereitgestellt, von dem ich in den Tarifverhandlungen und auch bei der Gesetzgebung jederzeit sagen kann: das wird eine fühlbare Erhöhung sein, wohl wissend, daß nicht alle Erwartungen erfüllt werden können. Aber es gibt Grenzen, die sich aus der allgemein-politischen Verantwortung ergeben. Ich habe in vielen Gesprächen mit Angehörigen des öffentlichen Dienstes bei der Auslotung der Erwartungen, die der einzelne hatte, festgestellt, daß wir diesen Erwartungen mit dem, was wir tun wollen, in etwa entsprechen können. Die Bürger in unserem Land haben nach den Erfahrungen der letzten Zeit gelernt, daß Stabilität oberstes Gesetz sein und sich alles andere in diese Maßnahmen einpassen muß. Das ist unser Ziel. Ich glaube, mit den Prozentzahlen, die ich hier genannt habe, haben Sie diesen Grundsatz verlassen. Sie haben die Grenze des Zulässigen in diesem Bereich überschritten. Ich sage noch einmal: 15 % und dann noch Abbau des Besoldungsrückstands in zwei Jahren, ohne daß Sie ihn quantifizieren, kann ich nicht mehr als eine seriöse Initiative im Deutschen Bundestag betrachten.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch wenige kurze Bemerkungen zu Ihrem Vorschlag machen. Es ist sicher richtig, bei der bevorstehenden Besoldungsverbesserung einer allgemeinen Anhebung den gleichen Rang wie den strukturellen Maßnahmen einzuräumen. Aber Sie werden wissen, daß Sie mit der Einführung eines Mindesterhöhungsbetrags, wie sie in dem Antrag auf Drucksache VI/131
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Bundesminister Genscher
vorgeschlagen ist, eine Änderung von Rahmenvorschriften, und zwar zum Teil grundsätzlicher Art, bewirken müßten. Das ist in der Vorlage unberücksichtigt geblieben.
Man sollte vielleicht an Strukturverbesserungen beim Ortszuschlag denken.
Sie, Herr Kollege Wagner, haben hier auf den Betrag von 100 DM Bezug genommen, der im Herbst dieses Jahres gezahlt worden ist, und haben gesagt, das habe damals schon eine Rolle gespielt. Wissen Sie nicht, daß die Bundesregierung, die Sie damals mitgetragen und deren Innenminister Sie gestellt haben, bei den Tarifverhandlungen ausdrücklich und zu Protokoll der Auslegung widersprochen und erklärt hat, daß diese 100 DM pro Monat deshalb gezahlt würden, weil sie eben nicht die Haushaltssituation des Jahres 1970 präjudizieren wollte? Jetzt gehen Sie wenige Wochen nach Ihrem Ausscheiden aus der Bundesregierung von diesem Grundsatz ab. Das heißt nicht etwa, daß die jetzige Bundesregierung nicht sehr wohl gesehen hätte, welche Wirkung die Zahlung der 100 DM im Bewußtsein der Öffentlichkeit hatte, und wir nicht sehr wohl sähen, daß wir strukturell und linear etwas tun müssen, damit die kleineren Einkommen angemessen und gerecht berücksichtigt werden können. Aber ich glaube, man kann und sollte sich nicht so schnell von dem lösen, was man in der Regierungsverantwortung noch vor wenigen Monaten in einer so wichtigen Verhandlung zum Ausdruck gebracht hat.
Herr Minister, darf ich Sie auf den Zeitablauf aufmerksam machen.
Herr Präsident, ich will, wenn die Zeit drängt, gern eine Reihe von Sachbemerkungen, die ich zu den Anträgen der CDU/CSU noch machen wollte, zurückstellen.
Ich möchte nur ankündigen, daß die Bundesregierung die Absicht hat, ein Gutachten einer unabhängigen Stelle einzuholen, um schnellstens den Besoldungsrückstand in seiner Höhe festzustellen und dann Vorschläge vorzulegen, wir wir diesen Rückstand systematisch abbauen können.
Ich sage es noch einmal: Wir wollen eine angemessene, fühlbare Erhöhung der Besoldung im öffentlichen Dienst mit Wirkung vom 1. Januar 1970. Wir wollen das, was an uns liegt, tun, um dem gesamten öffentlichen Dienst Gewißheit zu verschaffen über das, was ihn im Jahre 1970 erwartet und was er erwarten kann. Wir gehen in die Tarifverhandlungen in Stuttgart mit der festen Absicht hinein, noch in diesem Jahr zu einem Abschluß zu kommen. Das ist der Grund, warum wir auf eine Vorverlegung des Termins gedrängt haben. Parallel dazu wollen wir auch den Beamten das sagen, was aus der Sicht der Bundesregierung möglich ist. Ich sage es noch einmal: Es wird fühlbar, es wird angemessen sein, aber wir werden uns an keiner Stelle und durch niemanden, auch nicht durch die Opposition, bewegen lassen, die Grundsätze der Solidität und Stabilität zu verlassen.
Das Wort hat der Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß auf Grund einer Zwischenfrage des Herrn Kollegen Wagner eine Richtigstellung vornehmen.
Am 26. November hat Herr Kollege Barzel den Vorschlag gemacht, nur die Kriegsopferversorgung zu verabschieden, alle anderen Entscheidungen mit finanzwirtschaftlichen Auswirkungen aber mit der zweiten und dritten Lesung des Bundeshaushalts 1970 zu verbinden. Ich habe dann nach einigen Stunden am Schluß der Debatte in Übereinstimmung mit dem Herrn Bundeskanzler erklärt, wir seien bereit, eine solche Vereinbarung einzugehen, wenn zwei weitere wichtige Bereiche ebenfalls ausgenommen würden. Als ersten Bereich nannte ich den öffentlichen Dienst und wies auf die auslaufenden Tarifverträge und die anstehende Erhöhung der Beamtenbesoldung hin. Zweitens habe ich darauf aufmerksam gemacht, daß wir auch die Erstattung der Einkommensverluste der Landwirtschaft auszunehmen hätten. Wenn diese drei Bereiche akzeptiert würden, sei die Bundesregierung von sich aus damit einverstanden, andere Entscheidungen mit der zweiten und dritten Lesung des Bundeshaushalts 1970 zu verbinden. Daraufhin hat Herr Kollege Leicht diesen von mir gemachten Vorschlag angenommen.
Bis dahin war von Ihrer Seite kein Wort über den öffentlichen Dienst und kein Wort über die Einkommensverluste der Landwirtschaft gesagt worden. Sie können jetzt also nicht so tun, als hätten Sie damals von sich aus den öffentlichen Dienst und die Landwirtschaft in dieses Gentlemen's Agreement einbezogen. Sie haben nur die Ausnahmeregelung für die Kriegsopferversorgung vorgeschlagen.
Insoweit hat Herr Kollege Genscher völlig recht: Sie sind ins Hintertreffen geraten und wollen jetzt mit einem Antrag, mit dem Sie weder der öffentlichen Finanzwirtschaft noch dem öffentlichen Dienst einen Gefallen erweisen, etwas aufholen, das nicht aufzuholen ist.
Das Wort hat der Abgeordnete Spillecke.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will zu dem Antrag Drucksache VI/131 der CDU/CSU-Fraktion betr. das Sechste Gesetz über die Erhöhung von Dienst- und Versorgungsbezügen für meine Bundestagsfraktion Stellung nehmen.
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Spillecke
Meine Damen und Herren! Dieser Entwurf ist vom Kollegen Wagner ziemlich umfassend begründet worden. Es ist eine Selbstverständlichkeit, daß ich :u diesem Antrag nicht nur aus diesem Grunde, sondern auch um gewisser Prinzipien willen ein deutliches Wort sage.
Einige Feststellungen vorab. Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung in Richtung auf den öffentlichen Dienst nicht nur die feste Absicht der Bundesregierung zum Ausdruck gebracht, die notwendige Reform des öffentlichen Dienst- und Laufbahnrechts in Angriff zu nehmen und dem Parlament Vorschläge dazu zu unterbreiten, sondern er hat im Hinblick auf die Besoldung ausdrücklich festgestellt, daß die. Angehörigen des öffentlichen Dienstes, die Arbeiter, Angestellten und Beamten, einen Anspruch auf Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Fortschritt haben. Der Bundesinnenminister hat für die Bundesregierung ergänzend erklärt, daß auch ein Beginn des sogenannten Aufholens des Besoldungsrückstandes eingeschlossen sein sollte, allerdings in mehreren Etappen. Herr Bundesminister Genscher hat als zuständiger Ressortminister schon am 22. November in einer Rundfunksendung verdeutlicht, daß es für den öffentlichen Dienst keineswegs eine Ausgabensperre gebe. Und, meine Damen und Herren von der CDU, hier in diesem Hause gibt es doch wahrlich niemanden, der nicht mitbekommen hat, daß diese Bundesregierung so schnell wie möglich handeln will, im Einvernehmen mit der CDU/CSU. Das war nämlich das Paket. Zwei Dinge davon haben wir doch praktisch vom Tisch gebracht; der Ausgleich für den Einkommensverlust der Landwirtschaft ist passé, ist diese Woche den Fluß hinuntergegangen, heute als zweites die Kriegsopferfürsorge. Nachdem diese beiden Dinge weg sind, dürfte es doch eigentlich hier niemanden geben, der ernsthaft bezweifelt, daß die Bundesregierung die feste Absicht hat, auch den dritten Teil des Pakets in einem Floß zu Wasser zu bringen. Wir jedenfalls hatten da gar keine Zweifel.
Meine Damen und Herren, mir kommt dieser Antrag Drucksache VI/131 so vor, Herr Bundesinnenminister, wie eine kleine, aber sehr brisante, tickende Höllenmaschine, die man nicht gerade dem Bundeskanzler — der muß ja gar nicht am 16. Dezember zu den Tarifverhandlungen nach Stuttgart —, sondern die man Ihnen unter den Hintern legt und ganz ohne Absicht auch den armen Männern, die dort Ihre Verhandlungspartner — Deutsche Angestellten-Gewerkschaft und ÖTV — sind. Ich bezweifle ernsthaft, ob diejenigen, die diesen Antrag in die Welt setzen, bedacht haben, wem sie damit ein mieses Weihnachtsgeschenk machen: den Betroffenen und denen, die in Stuttgart zu verhandeln haben.
Ich finde es ganz besonders infam, daß das aus einer Fraktion heraus kommt, die 20 Jahre lang — da war ich noch nicht hier im Hause; ich bin ja praktisch jemand, der kaum die Eierschalen von den Ohren hat; ich habe erst seit 1965 hier laufen gelernt — die Regierung stellte. Bei der CDU/CSU-Fraktion gibt es doch ausgewachsene Minister. Wenn die Kollegen einmal gehen, haben sie eine ganz dicke Pension; die Herren waren doch zehn Jahre und länger auf ihrem Ministersessel. Und wenn mich nicht alles täuscht, lieber Kollege Wagner und verehrter Kollege Berger, sind alle Bundesinnenminister von der CDU/CSU gekommen. Mich wundert es einfach ob des Tatbestandes, daß Männer aus der CDU/CSU-Fraktion, die um dieses schwierige Geschäft besser wissen als der jetzige Bundesinnenminister, ihren Segen zu solch einem Antrag zu diesem Zeitpunkt geben.
Ich will mich gar nicht mit den 12 % und mit dem Anhängsel, mit der Garnierung, die so auf die 15 % hingeht, auseinandersetzen. Das will ich nicht; das ist Ihr Brot. Sie haben den Antrag ins Haus gebracht, und Sie haben draußen nachher zu vertreten, was mit dem Antrag gefordert wird.
Ich will jedenfalls die Gelegenheit benutzen, auf folgendes hinzuweisen. Das Zweite Besoldungs-
Neuregelungsgesetz haben wir vor acht Monaten und 12 Tagen verabschiedet. Da war es der verehrte Kollege Müller-Hermann, der entgegen den gemeinsamen Beschlüssen des Bundestagsinnenausschusses und des Haushaltsausschusses hier einen Antrag der CDU — ich glaube, Umdruck 495 war es — begründet hat. Wir hatten in den beiden Ausschüssen einmütig beschlossen, dem Hohen Hause zu empfehlen, das Inkrafttreten des Zweiten Besoldungsneuregelungsgesetzes vorzuziehen von dem von der Bundesregierung beabsichtigten Termin 1. Juni auf den 1. April. Ich will gar nicht herabsetzen, was der Kollege Müller-Hermann dazu zur Begründung des Antrags gesagt hat. Herr Präsident, mit Ihrer Genehmigung will ich mal zitieren — da sagt er ganz am Ende :
Wir müssen uns hier als Parlament entscheiden. Niemand kann uns diese Verantwortung abnehmen. Wir sind auch nicht geneigt, nun zu sagen: Hannemann in der Bundesregierung, geh du voran! Wir erwarten natürlich, und wir hoffen es, daß die Bundesregierung entsprechend ihrer eigenen Vorlage und auch entsprechend ihren eigenen mahnenden Erklärungen handelt und nicht ihrerseits das aufweicht, was wir hier an klaren und festen Entscheidungen zu treffen beabsichtigen.
Die CDU/CSU-Fraktion also wollte wieder auf den 1. Juni — ein legitimes Ansinnen —, und sie hatte ihre guten Gründe dafür, die ich auch im nachhinein akzeptiere.
Dann gibt es noch einen Faktor, der gar nicht so weit zurück liegt und maximal drei Monate alt ist. Der ehemalige Bundeskanzler Kiesinger stand im September in Anbetracht der Forderungen von ÖTV und DAG vor der Situation, etwas tun zu müssen. Es hatte sogenannte wilde Streiks gegeben, und er hat dann die Bundesminister der Finanzen, des Innern und für Wirtschaft aufgefordert, ihm für die Kabinettsitzung am 23. September gemeinsam eine Empfehlung zu geben. Die drei Minister haben das getan. Mir liegt das Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 19. September 1969 vor. Ich darf dabei bemerken, daß alle drei Bundesminister in Kenntnis der mit der Sachfrage zusammenhängen-
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Spillecke
den Umstände, in allen Bereichen der Wirtschaft und des öffentlichen Lebens, eine wohlabgewogene Stellungnahme gegeben haben. Ich darf, Herr Präsident, aus dem Schreiben des Bundesministers der Finanzen zitieren, unseres hochverehrten und klugen Kollegen Dr. honoris causa Franz Josef Strauß.
Der ehemalige Bundesminister sagt — im Hinblik
auf die Forderungen von DAG und ÖTV —:
Ohne zu der Frage Stellung nehmen zu wollen, ob der Forderung eine Berechtigung beizumessen ist, halte ich es jedenfalls für gänzlich ausgeschlossen, ohne eine gründliche Prüfung aller Konsequenzen dieser Forderung nachzukommen. Auswirkungen ergeben sich auf allgemeinpolitischem, konjunkturpolitischem, finanz- und haushaltspolitischem Gebiet. Der Gesamtpersonalaufwand für den öffentlichen Dienst beläuft sich jährlich auf rund 70 Milliarden DM. Diese Größenordnungen machen deutlich, daß Einkommensverbesserungen im öffentlichen Dienst im gegenwärtigen Zeitpunkt ein Symbol für die gesamte Wirtschaft darstellen und zu einer Lohnexplosion führen müssen.
Eine solche Entscheidung darf nicht übereilt getroffen werden, zumal sich im öffentlichen Dienst durch die Tarifabschlüsse seit dem 1. Januar 1969 die Bezüge der Angestellten ...
— ergibt dann die Daten wieder —... erhöht haben.
Meine Damen und Herren, will in diesem Hause jemand behaupten, der Bundesminister der Finanzen habe in seinem Schreiben vom 19. September „dumm Tüch", wie man im Norden Deutschlands sagt, von sich gegeben? Ist es nicht vielmehr in der Tat so, daß er — der damaligen Situation angemessen — gefordert hat, die Entscheidung des Bundeskabinetts bedürfe sehr wohl einer umfassenden Untersuchung?
Nun zu Ihrem Antrag. Ich will mich in der Wertung sehr zurückhaltend äußern, weil ich heute vormittag gemerkt habe, lieber Kollege Wagner, was für eine dünne Haut die große CDU/CSU-Fraktion hat, wie sensibel sie ist, auch wenn lediglich in sachlicher Weise Tatbestände in Erinnerung gerufen werden. Ich will es so sagen: Ich halte diesen Antrag, lieber Kollege Klepsch, nicht nur für eine miese Geschichte; er ist auch äußerst unseriös im Hinblick auf den Tatbestand, daß die SPD als Opposition — prüfen Sie es nach — in diesem schwierigen Geschäft einer Bundesregierung noch nie vorgegriffen hat — das hat es in diesem Hause noch nie gegeben —; sie hat der Bundesregierung immer das Recht des Vortritts eingeräumt. Wir haben auch nie zu einem Zeitpunkt, zu dem von der Regierung nichts auf dem Tisch lag, Prozentzahlen angegeben.
Ich möchte gern einmal erleben, wie Sie sich im Hinblick auf das, was sich im Jahre 1970 im tarifpolitischen Raum der Wirtschaft abspielt, herausreden wollen. Ich jedenfalls habe vorgestern abend gehört, daß Präsident Balke das Licht von 5,5 % aufgesetzt hat. In diesem Bereich haben Sie doch auch Verantwortung zu tragen. Deshalb halte ich diesen Antrag für frivol.
Er dient nicht denjenigen, die betroffen sind.
Herr Kollege Spillecke, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Wagner?
Herr Kollege Spillecke, wie würden Sie in diesem Zusammenhang die Aussage des Bundeswirtschaftsministers über die Einkommensentwicklung im Jahre 1969 und die voraussichtliche Entwicklung im Jahre 1970 werten? Die Prozentsätze habe ich Ihnen vorher genannt. Unser Antrag bewegt sich auf der Linie dieser Prozentsätze.
Ja, das stimmt, Herr Kollege Wagner. Aber solche gegebenen Daten, die sich auf einen nackten statistischen Tatbestand beziehen, sind doch nicht ausschließlich und ganz für sich allein die Beurteilungsfakten, wenn es darum geht, für den öffentlichen Dienst etwas zu tun, was sowohl nach unserer gemeinsamen Auffassung vertretbar ist als auch von der Bundesregierung bereitwillig verantwortet wird.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich auch noch auf das Presseecho, das Ihr Antrag gezeitigt hat, hinweisen. Das „Handelsblatt" schrieb z. B. „Feuer am Lohnpulverfaß". Sie sind hier als Brandstifter gemeint.
Mit Ihrem Antrag haben Sie die Lunte entzündet. Das „Handelsblatt" hat in dieser Hinsicht große Bedenken.
Herr Kollege, ich möchte Sie auf das rote Signal aufmerksam machen.
Herr Präsident, ich bin gleich fertig.
Die der CDU/CSU wohlgesonnene „Welt" spricht von einem „Dammbruch".
Ich meine, Sie hätten sich selbst den größten Gefallen getan, wenn Sie auf diesen Antrag verzichtet hätten. Meine Fraktion ist jedenfalls davon überzeugt, daß die Angehörigen des öffentlichen Dienstes auf dieses Spielchen zwischen Hase und Igel nicht hereinfallen. Ich war der erste, ich bin mit 15 % in die Vollen gegangen. Wissen Sie, dieses Igelehepaar war auch nicht sehr seriös, und der Hase war zu dämlich. Wir werden Ihnen nicht auf den Leim gehen.
Wir sind ja nicht von gestern, obwohl wir einen verehrten Kollegen haben, der „Haase" heißt. Wir werden für Sie nicht den Hasen spielen.
802 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 21. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Dezember 1969
Spillecke
Wir werden sehen, Herr Bundesinnenminister, ob das zutrifft, was Sie versprochen haben, ob nach den Tarifverhandlungen in Stuttgart auch der Teil des öffentlichen Dienstes, der sich im Beamtenverhältnis befindet, möglichst bald das erfährt, was die Bundesregierung selbst beabsichtigt.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dorn.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann es ganz kurz machen. Nach dem, was der Bundesinnenminister hier vorgetragen hat, ist die Fraktion der Freien Demokraten davon überzeugt, daß die Bundesregierung so schnell, wie überhaupt eine Bundesregierung zu handeln in der Lage war, dem Parlament einen Entwurf vorlegen wird, der dann wirklich mit Seriosität ausgestattet ist.
Es ließe sich dazu sehr viel sagen, Herr Kollege Wagner. Ich kann nur sagen: welch unendlicher Wandel bei der CDU/CSU-Fraktion innerhalb von wenigen Wochen! Wir können eigentlich sehr froh darüber sein, daß die CDU nun endlich auch einmal für mindestens vier Jahre die Erfahrung sammeln wird, wie man in einer Oppositionsrolle versuchen muß, seine politischen Vorstellungen zum Tragen zu bringen.
- Ja, Herr Kollege Rösing, ich zweifle nicht daran.
Sie werden im Laufe der vier Jahre schon noch lernen, das auch richtig vorzutragen.
— Nein, ich glaube nicht. Wenn Sie auf diesem Wege weitergehen, Herr Kollege Rösing, werden Sie — davon bin ich fest überzeugt — schon in wenigen Wochen auch in der Öffentlichkeit einen Großteil aller Glaubwürdigkeit der politischen Argumentation eindeutig verlieren.
Denken Sie doch einmal an das, was Sie in den letzten Wochen hier geboten haben. Jede Fraktion muß in der Opposition lernen; wir haben das gemußt, die Sozialdemokraten haben das getan, und Sie werden das auch müssen. Aber eines steht fest: Der Weg, der von Ihnen bisher beschritten worden ist, ist ein Weg, der von dem früheren Finanzminister Strauß hier im Parlament immer als „Geld-ausgeben mit leichter Hand" bezeichnet worden ist. Das, was Sie in diesem Antrag bringen, kann nicht seriös gemeint sein, und damit kann man nicht seriös politisch argumentieren. Das will ich in aller Deutlichkeit sagen.
Auf die vielen Dinge, die der Kollege Spillecke hier vorgetragen hat, will ich nicht noch einmal eingehen. Ich bin in der Beurteilung mit ihm weitgehend einig. Ich will nur noch auf zwei Punkte kurz zu sprechen kommen.
Der Kollege Wagner hat gesagt, es müsse endlich einmal der Unterschied in den Ortsklassen beseitigt werden; er sei nach Meinung der CDU nicht mehr vertretbar. Wir Freien Demokraten haben über mehr als eine Legislaturperiode im Innenausschuß und im Parlament versucht, diesen Weg konsequent weiterzugehen. Der größte Hemmschuh auf diesem Wege war die CDU/CSU-Fraktion des Deutschen Bundestages in der vorigen und in der vorvorigen Legislaturperiode. Das sollte dann bei Ihnen auch mit berücksichtigt werden.
— Eine letzte Bemerkung noch, Herr Kollege Wagner, dann bin ich mit meinen wenigen Bemerkungen schon fertig; denn ich wollte nur ein Drittel der mir zustehenden Redezeit in Anspruch nehmen.
Ich meine die Frage der Stellenplanverbesserung, die leider unterblieben ist, und damit die Nichtangleichung der Strukturverbesserungen für die Pensionäre. Auch hier muß ich eine Frage stellen, und ich greife dabei ein Wort des Kollegen Spillecke auf. Sie haben permanent 20 Jahre lang den für diese Frage zuständigen Minister in der Bundesregierung gestellt. Jetzt plötzlich kommen Sie auf die Idee und sagen: Das ist nicht mehr länger tragbar; jetzt muß es geändert werden. Ich bin mit Ihnen in der Sache der gleichen Meinung, nur bin ich auch der Meinung, es wäre besser gewesen, sich dann einen anderen Anwalt zur Vertretung dieser Meinung auszuwählen. Denn wenn man selbst 20 Jahre lang das Gegenteil von dem getan hat, was man jetzt plötzlich sechs Wochen nach Bildung dieser Regierung will und von dieser Regierung verlangt —, meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU/CSU-Fraktion --, dann müssen Sie sich doch die Frage gefallen lassen: Wie wollen Sie dieses Handeln und diese Argumentation für die Zukunft überhaupt noch dem deutschen Volke klarmachen?
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Berger.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die bisherige Aussprach zum Gesetzentwurf der CDU/CSU verlief nicht nur recht unbefriedigend, wie ich finde, sondern nahm eigentlich einen erstaunlichen Verlauf, wenn man an die vielen erfreulichen Erklärungen denkt, die die neue Bundesregierung schon in der Regierungserklärung und insbesondere Bundesinnenminister Genscher wiederholt abgegeben haben. Ich darf nur eine mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten zitieren. Es war gerade gestern vor fünf Wochen, als der Herr Bundesinnenminister Genscher vor dem Bundesvertretertag des Deutschen Beamtenbundes sagte:
Als vordringlichste Aufgabe der Beamtenpolitik sehe ich es in diesem Zeitpunkt an, die praktischen Folgerungen zu ziehen aus dem Programmpunkt der Bundesregierung, wonach die Beamten Anspruch auf Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Fortschritt haben.
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Berger
Meine Damen und Herren, um jedes Mißverständnis auszuschließen: diese Formulierung bedeutet auch den Willen der Bundesregierung zum systematischen Abbau des in der Vergangenheit entstandenen Besoldungsrückstandes.
Diese Erklärungen waren gut, aber aus diesen Erklärungen muß ja nun auch ein gewisses Handeln kommen; mit diesem Handeln, das mit dem Antrag der CDU/CSU beginnen soll, glaubten wir nicht nur den Herrn Bundesinnenminister recht hilfreich zu unterstützen, sondern wir glaubten auch, daß Sie uns doch im Prinzip bei diesen beiden Forderungen nach laufender Anpassung und einem systematischen Abbau des Besoldungsrückstandes zunächst zustimmen.
— Herr Kollege Spillecke, ich würde Ihre Frage gerne zulassen, möchte sie aber noch einen Augenblick zurückstellen, weil ich gerade die Absicht habe, noch näher auf das einzugehen, nach dem Sie vermutlich fragen werden.
Ich glaube, es bestehen einige Mißverständnisse. in bezug auf unseren Antrag. Innenminister Genscher sagte, unser Antrag überschreite die Grenzen des Zulässigen, und Sie, Herr Kollege Spillecke, bezeichneten den Antrag als „frivol". Zur Begründung ging Herr Innenminister Genscher von 15 % aus; es ist zuzugeben, daß die Regelung, die keine uneingeschränkte Zustimmung gefunden hat, nämlich die 300 DM für die Monate Oktober bis Dezember, eine Präzedenzentscheidung war, die dazu führte, daß natürlich in den unteren Gruppen, A 2 und auch A 3, über die 12 % hinaus noch etwas als Folge dieser Regelung mit der Überbrückungszulage von 300 DM gefordert wird.
Ich glaube aber, es ist vollkommen übersehen worden, daß beide Anträge der CDU/CSU zusammengehören und daß wir auch nicht etwa den gänzlichen Abbau des Rückstandes in den Jahren 1970 oder 1971 fordern, sondern daß selbstverständlich ein schrittweiser Abbau gemeint ist. Das ergibt sich insbesondere aus der Begründung, in der es heißt, gleichzeitig sollte dargelegt werden, innerhalb welchen Zeitraums Ausgleichsmaßnahmen getroffen werden, die, falls es aus Gründen der Konjunkturpolitik für nötig gehalten werde, auch in der Gewährung vermögenswirksamer Leistungen bestehen könnten. Auf diesen Teil sind die Vorredner meines Erachtens überhaupt nicht eingegangen. Um es einmal ganz konkret zu sagen: Sollte die laufende Anpassung der Besoldung zu einem Prozentsatz von 8 oder 9 % ab 1. Januar führen, wird der restliche Prozentsatz bis zu den 12 % eben ein erster Schritt zur Verminderung des Besoldungsrückstandes sein, von dem wir ausdrücklich in unserer Begründung sagen, er könne aus Gründen der Konjunkturpolitik in der Gewährung vermögenswirksamer Leistungen bestehen.
Ich glaube, das ist in der bisherigen Diskussion doch etwas sehr kurz gekommen.
Nun weiß ich nicht, ob es zweckmäßig ist, über all die Vorwürfe aus der Vergangenheit zu sprechen. Wenn ich es nicht tue, entsteht der Eindruck, daß die CDU/CSU ein schlechtes Gewissen hat. Um bei Herrn Dorn anzufangen, dem Herrn Parlamentarischen Staatssekretär, den ich allerdings im Augenblick hier im Saal nicht mehr sehe: Er sprach von der Verbesserung der Ortsklasse A. Da möchte ich nur daran erinnern, daß diese ursprünglich von Herrn Höcherl eingeleitet wurde und daß wir gerade im Zweiten Besoldungsneuregelungsgesetz durch die Halbierung des Abstandes zwischen den Ortsklassen A und S einen Schritt in dieser Richtung taten.
Ich erinnere daran, daß sich der Besoldungsrückstand in den Jahren überhaupt recht unterschiedlich entwickelt hat. Er war im Jahre 1965 bei 15, 1966 bei 14 und 1967 bei 12,8 °/o angekommen. Leider ist er gerade in der Großen Koalition — darum wundere ich mich so sehr über den Beifall der SPD zu den Ausführungen des Herrn Innenministers an dieser Stelle im Jahre 1968 von 12,8 auf 18,6 und jetzt vermutlich auf 19,1 % gestiegen. Das liegt doch in erster Linie daran, daß man in der mittelfristigen Finanzplanung ursprünglich 5 % zugrunde legte, und an den Prognosen des Herrn Wirtschaftsministers.
Tatsächlich sind die Volkseinkommen je Erwerbstätigen im Jahre 1968 um 10,5 und in diesem Jahr vielleicht um 8 °/o gestiegen. Das sind doch die Grundlagen, und darum, meine Damen und Herren, hätte ich doch erwartet, daß nun die Koalitionsparteien und insbesondere der Herr Bundesinnenminister vielleicht sagen: Statt 12 % müssen es 11 % sein. Vielleicht auch: Es können nur 8 + 3 % sein. Vielleicht sogar — was weiß ich —: Die zweite Rate muß auf den 1. Juli verschoben werden.
Insbesondere Sie, Herr Kollege Spillecke, wissen genau, daß alle Organisationen — angefangen vom Deutschen Gewerkschaftsbund über den Deutschen Beamtenbund usw. der Meinung sind: 13 % sind das mindeste an Erhöhung, was ab 1. Januar kommen muß. Deshalb verstehe ich nicht, wie Sie einen Antrag, der 12 % ab 1. Januar fordert, hier als frivol bezeichnen und wie Sie das im einzelnen begründen wollen.
—Herr Kollege Spillecke, Sie sprachen davon, daß die Bundesregierung wohl nach den Tarifverhandlungen den Zeitpunkt für gekommen sieht, etwas zu sagen. Der Herr Bundesinnenminister sprach im Gegensatz zu Ihnen davon, daß es noch vor Weihnachten sein wird. Der Gegensatz klärt sich nur dann auf, wenn die Tarifverhandlungen vor Weihnachten abgeschlossen werden, was wir alle noch nicht wissen.
Ich glaube, eine entscheidende Frage ist auch, ob der Bundestag für die Beamtenbesoldung den Maßstab setzen soll, der später auch bei Tarifverhand-
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Berger
lungen nicht ohne Bedeutung sein soll, oder ob sich, wie Sie es meinen, zunächst die Tarifpartner einigen und der Bundestag dann im Schlepptau der Tarifverträge bloß nachvollzieht, worüber sich die Tarifpartner geeinigt haben.
Der Herr Bundesinnenminister hat dankenswerterweise nicht nur gesagt: In der nächsten Woche wird wohl eine Absichtserklärung der Bundesregierung kommen. Er hat auch gesagt: Auf jeden Fall trifft die Bundesregierung die Entscheidung noch vor Weihnachten. Es ist also wirklich nur hilfreich, wenn wir uns darüber einigen, daß erstens das getan werden muß, was zur laufenden Anpassung an die allgemeine Einkommensentwicklung erforderlich ist — und es wird sich ja leicht ermitteln lassen, ob das 8 oder 9 % sind —, und zweitens ein erster fühlbarer Schritt zur Verminderung des Rückstands getan werden muß, der — so ergibt es sich ganz eindeutig aus unserem zweiten Antrag —, wenn erforderlich, vermögenswirksam gestaltet werden kann. Daher glaube ich, daß Sie bei einer Prüfung unserer Anträge und der Begründung doch zumindest in der Beurteilung in bezug auf Frivolität oder Unseriosität sich vielleicht selber überprüfen müßten.
Es ist davon die Rede gewesen — ich glaube, Sie, Herr Innenminister, sagten es —, man sollte sich nicht so schnell von dem lösen, was man kürzlich noch in der Regierungsverantwortung vertreten hat. Da haben Sie sicher völlig recht. Ich habe vor mir die Drucksache V/4648 aus dem vergangenen Bundestag. Es ist die Kleine Anfrage des Abgeordneten
Genscher und der Fraktion der FDP betreffend den Gehaltsrückstand im öffentlichen Dienst. Vor mir habe ich auch die Anfrage Drucksache V/4535 der Abgeordneten Genscher, Dorn, Moersch, Dr. Miessner und der Fraktion der FDP. Ich nehme an, daß sich der Herr Bundesinnenminister nicht so schnell von dem wird lösen wollen, was er in der Opposition zur Frage des Besoldungsrückstands gedacht hat.
Ich möchte namens der CDU/CSU an Sie appellieren, daß wir uns bei den Beratungen im Innenausschuß auf einer Basis zusammenfinden, die dem Antrag der CDU/CSU möglichst nahekommt. Denn über die Notwendigkeit dieser Maßnahme sind so viele gute Erklärungen abgegeben worden, daß es nun bloß darauf ankommt, aus Absichtserklärungen konkret das notwendige Handeln einzuleiten. Dazu dient unser Antrag.
Das Wort hat der Herr Bundesinnenminister.
Meine verehrten Damen und Herren, wenige Sätze nur, um volle Klarheit zu schaffen. Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, in Ihrem Antrag Drucksache VI/130 sprechen Sie von vermögenswirksamen Leistungen. Das ist der Ersuchensantrag, und dort ist vom Abbau des Besoldungsrückstandes über das, was Ihre Vorlage vorsieht, hinaus die Rede. Deshalb bezieht sich das — jedenfalls nach der Fassung, nicht mehr nach der abschwächenden Interpretation von Herrn Berger — auf diesen Bereich.
In Ziffer 1 dieses Antrags ist auch davon die Rede, daß der Besoldungsrückstand, den Herr Berger soeben für die Fraktion der CDU/CSU offenbar verbindlich mit 19 °/o beziffert hat, in den Jahren 1970 und 1971 abgebaut werden soll und daß Vorschläge für diesen Abbau vorgelegt werden sollen.
— Sie haben gesagt, Herr Kollege, es wundere Sie, daß die SPD Beifall geklatscht habe, obwohl doch in der Zeit der Großen Koalition der Besoldungsrückstand von 11 auf jetzt 19 % angestiegen sei.
Wenn Sie jetzt sagen, das gelte nicht mehr, ist das ebenfalls eine hilfreiche Klärung. Wir müssen hier wirklich klare Zahlen haben.
Bei der Verwendung des Begriffs „Große Koalition" haben Sie nur ein wenig den Hinweis vernachlässigt, daß in den für die Besoldungspolitik entscheidenden Ressorts Kollegen Ihrer Fraktion die volle Verantwortung getragen haben.
— Das sollten Sie fairerweise auch dazu sagen.
Meine Damen und Herren, auch wir wollen selbstverständlich vermögenswirksame Leistungen. Aber nach dem, was Sie über eine Anpassung in Höhe von 8 bis 9 % gesagt haben, haben Sie eine zusätzliche Klärung gegeben; denn Ihr Gesetzentwurf zusätzlich mit den Ersuchen betreffend Ortsklasse A und Benachteiligung der Versorgungsempfänger macht insgesamt 15 % aus, Herr Kollege Berger.
Das ist eine Zahl, die Sie in die Öffentlichkeit stellen, die die Tarifverhandlungen beeinflußt, ob Sie das wollen oder nicht, und die es den Gewerkschaften schwer macht — ich sage es noch einmal —, einen vernünftigen Kompromiß mit uns zu schließen. Wir sind auf diese Einsicht angewiesen, wenn wir nicht ein schlimmes Signal für die Lohnbewegungen im gesamten gewerblichen Bereich für das Jahr 1970 setzen wollen.
Das Wort hat Herr Kollege Berger.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich glaube, Herr Minister, es ist nur ein weiteres kleines Mißverständnis. Unser Antrag Drucksache VI/130, den Sie zuletzt nannten und der zum Ziel hat, den Unterschied zwischen den Ortsklassen A und S zu beseitigen, ist nicht eine Forderung ab 1. Januar.
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Berger
— Es ist doch ganz deutlich gesagt: Die Bundesregierung wird ersucht ich zitiere —, baldmöglichst einen Gesetzentwurf vorzulegen.
— Auf die Frage würde ich sehr gern eingehen, wenn Sie noch etwas Zeit hätten. Ich halte es für merkwürdig, daß die ehemaligen Koalitionspartner, die doch im Bundestag und in der Bundesregierung einmütig in diesen Fragen waren, nun so tun, als hätte der eine etwas mehr gewollt als der andere. Ich würde auch auf die verschiedenen Fragen des Herrn Kollegen Spillecke noch gerne eingehen. Aber ich glaube, wir sollten das vielleicht auf den Innenausschuß vertagen und sollten dort eingehend darüber beraten.
Meine Damen und Herren, wir stehen am Ende der ersten Beratung.
Nach dem Überweisungsvorschlag des Ältestenrates sollen beide Vorlagen dem Innenausschuß als federführendem Ausschuß sowie dem Haushaltsausschuß zur Mitberatung und gemäß § 96 der Geschäftsordnung überwiesen werden. Es liegen keine anderen Vorschläge vor. Die Überweisung ist beschlossen.
Meine Damen und Herren, wir haben noch eine umfangreiche Tagesordnung von Zusatzpunkten zu erledigen. Ich rufe zunächst auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Textilkennzeichnungsgesetzes
— Drucksache VI/172 —Mündlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft
— Drucksache VI/176 —
Berichterstatter: Abgeordneter Lenders
Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich rufe auf Art. 1, — Art. 2, — Art. 3, — Einleitung und Überschrift. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Artikeln, der Einleitung und der Überschrift zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Wer dem Gesetz als Ganzem zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich rufe auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung versorgungsrechtlicher Vorschriften
— Drucksachen VI/126, VI/158 — a) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache VI/181 —
Berichterstatter: Abgeordneter Haase
b) Mündlicher Bericht des Verteidigungsausschusses
— Drucksache VI/177 —
Berichterstatter:
Abgeordneter Haase
Wünschen die Herren Berichterstatter -- ich bitte um Entschuldigung, daß ich vorhin diese Frage unterlassen habe — das Wort? — Das Wort wird nicht gewünscht.
Ich rufe auf Art. 1, — Art. 2, — Art. 3, — Art. 4, — Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Artikeln, der Einleitung und der Überschrift zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Gesetz als Ganzem in der vorliegenden Fassung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Ich stelle auch hier einstimmige Annahme fest.
Wir kommen zum dritten Punkt der zusätzlichen Tagesordnung:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft über die von der Bundesregierung beschlossene Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs (Nr. 21/69 — Zollaussetzung für Kartoffeln)
— Drucksachen VI/145, VI/170 — Berichterstatter: Abgeordneter van Delden
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? — Das Wort wird nicht gewünscht. Der Antrag des Ausschusses lautet:
Der Bundestag wolle beschließen, der Verordnung — Drucksache VI/145 — zuzustimmen.
Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Zeichen. — Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Der Antrag des Ausschusses ist angenommen.
Ich rufe auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft über die von der Bundesregierung beschlossene Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs (Nr. 17/69 — Erhöhung des Zollkontingents für Sulfat- oder Natronzellstoff)
— Drucksachen VI/112, VI/171 — Berichterstatter: Abgeordneter van Delden
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Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
Der Schriftliche Bericht des Ausschusses für Wirtschaft liegt Ihnen vor. Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall.
Der Antrag des Ausschusses lautet: Der Bundestag wolle beschließen,
der Verordnung Drucksache VI/112 — zuzustimmen.
Wer diesem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um das Zeichen. — Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Ich rufe Punkt 5 der zusätzlichen Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP
betr. Einsetzung eines Ausschusses zur Wahrung der Rechte der Volksvertretung
— Drucksache VI/167 —
Der Antrag lautet:
Der Bundestag wolle beschließen:
Auf Grund Artikel 45 des Grundgesetzes wird ein ständiger Ausschuß gemäß § 61 der Geschäftsordnung zur Wahrung der Rechte der Volksvertretung gebildet, der aus 27 Mitgliedern besteht.
Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag
zustimmen will, den bitte ich um das Zeichen. —
Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle ein-
stimmige Annahme fest.
Ich rufe den nächsten Punkt der Zusatztagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP
betr. Wahl der Vertreter der Bundesrepublik Deutschland zur Beratenden Versammlung des Europarates
— Drucksache VI/175 —
Es liegt ein interfraktioneller Antrag in der Drucksache VI/175 vor. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem interfraktionellen Vorschlag — ich brauche die Namen nicht zu verlesen — zustimmt, den bitte ich um das Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Beschlußfassung fest.
Nächster Punkt der Zusatztagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD
betr. Wahl der vom Bundestag zu entsendenden Mitglieder des Schuldenausschusses bei der Bundesschuldenverwaltung
— Drucksache VI/166 —
Es liegt ein Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD vor, die Kollegen Dr. Althammer, Windelen und Strohmayr zu wählen. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Zeichen. — Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Ich stelle einstimmige Beschlußfassung fest.
Wir kommen zum nächsten Punkt der Zusatztagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP
betr. Wahl der vom Bundestag zu entsendenden Mitglieder des Kontrollausschusses beim Bundesausgleichsamt
— Drucksache VI/168 —
Meine Damen und Herren, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie in der Vorlage unter den vorgeschlagenen SPD-Mitgliedern statt „Abg. Dr. Haack" „Walter Haack, Bonn" aufnähmen.
Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag der drei Fraktionen auf Benennung der in der Vorlage genannten Damen und Herren zustimmen will, den bitte ich um das Zeichen. — Gegenprobe! — Stimmenthaltungen? — Ich stelle auch hier einstimmige Beschlußfassung fest.
Letzter Zusatzpunkt:
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP
betr. Mitglieder des Gemeinsamen Ausschusses
— Drucksache VI/165 —
Das Wort wird nicht gewünscht. Wer diesem Antrag — die Damen und Herren sind auf der Drucksache verzeichnet — zustimmt, den bitte ich um das Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle auch hier einstimmige Beschlußfassung fest.
Damit sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung und am Ende der Zusatztagesordnung. Ich darf mit guten Wünschen für ein gesegnetes Weihnachtsfest und ein gutes Jahr 1970 die Beratungen des heutigen Tages schließen und berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf den 14. Januar, 14 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.