Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesminister der Finanzen hat am 9. Dezember 1969 die Kleine Antrage der Abgeordneten Dr. Althammer, Höcherl, Wagner und Genossen betr. Entsperrung von Haushaltsmitteln und Bereitstellung überplanmäßiger Mittel für verstärkte Publizierung der Bundesregierung — Drucksache VI/93 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache VI/162 verteilt. Der Bundesminister der Finanzen hat am 11. Dezember 1969 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Leicht, Dr. Wagner (Trier), Dr. Klepsch, Richarts, Bremm, Dr. Gölter und Genossen betr. Mehrwertsteuer für Wein - Drucksache VI 83 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache VI/174 verteilt.
Meine Damen und Herren, nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die heutige Tagesordnung erweitert werden um die Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Textilkennzeichnungsgesetzes — Drucksache VI/172 —. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich schlage vor, daß wir diese erste Beratung jetzt sofort durchführen. — Auch dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Dann rufe ich auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Textilkennzeichnungsgesetzes
— Drucksache VI/172 —Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wird es zur Aussprache verlangt? — Das ist auch nicht der Fall. Ich schlage vor, den Gesetzentwurf an den Ausschuß für Wirtschaft zu überweisen. - Das Haus ist damit einverstanden; es ist so beschlossen.
Wir kommen zu dem anderen Punkt der Tagesordnung:
Fragestunde
— Drucksache VI/146 —
Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundenskanzlers und des Bundeskanzleramtes. Herr Bundesminister Dr. Ehmke steht zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 3 des Abgeordneten Roser auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, den Bereich der Kapitalhilfe in die Zuständigkeit des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit zu übergeben?
Bitte, Herr Minister!
Herr Präsident, ich würde gern die zwei Fragen des Herrn Abgeordneten Roser und die Frage des Herrn Abgeordneten Josten zusammen beantworten.
Bitte sehr! Dann rufe ich zusätzlich die Frage 4 des Herrn Abgeordneten Roser auf:
Teilt die Bundeslegierung die Auffassung, daß das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit als das Hans, das die gesamte Entwicklungspolitik der Bundesrepublik Deutschland politisch und sachlich-fachlich koordinieren soll, nicht funktionsfähig sein kann, wenn der quantitativ größte Posten der Entwicklungshilfe — die Kapitalhilfe - seiner entwicklungspolitischen Kontrolle und Entscheidungsgewalt entzogen bleibt?
Außerdem rufe ich die Frage 5 des Herrn Abgeordneten Josten auf:
Warum wird die Kapitalhilfe für Entwicklungsländer nach wie vor von seiten des Bundeswirtschaftsministeriums bearbeitet und nicht von dem zuständigen Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit?
Bitte, Herr Minister!
Nach Erörterung im Kabinett hat der Bundeskanzler entschieden, daß die bisherige Verteilung der Zuständigkeiten im Bereich der Entwicklungshilfe beibehalten wird. Nach Abwägung aller Argumente erscheint es zweckmäßig, die Federführung für die Vergabe von Kapitalhilfe beim Bundesminister für Wirtschaft zu belassen. Hierfür spricht der Zusammenhang zwischen der Kapitalhilfe und den außenwirtschaftlichen Beziehungen sowie die enge Verbindung unserer nationalen Kredite mit den Finanzmitteln der vom Bundesminister für Wirtschaft betreuten internationalen Institutionen, wie etwa der Weltbankgruppe. Der außenwirtschaftliche Zusammenhang umfaßt aber nicht nur die Finanzierung von Lieferungen in die Entwicklungsländer, sondern auch die Verantwortlichkeit des Bundesministers für Wirtschaft dafür, daß den Entwicklungsländern für ihre Erzeugnisse der Zugang zum deutschen Markt wie zu den Märkten anderer Industrieländer so weit wie möglich erleichtert wird.
732 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 20. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Dezember 1969
Bundesminister Dr. Ehmke
Davon unberührt bleibt die eindeutig beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit liegende Koordinierungsfunktion für den gesamten Bereich der Entwicklungshilfe einschließlich der Kapitalhilfe. Jedes einzelne Kapitalhilfeprojekt wird in einem interministeriellen Ausschuß behandelt, dem das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, das Bundeswirtschaftsministerium, das Bundesfinanzministerium und das Auswärtige Amt als ständige Mitglieder angehören. Entscheidungen über Kapitalhilfezusagen kommen also nur mit Zustimmung dieser vier Minister zustande. Diese Kooperation wird noch intensiviert werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Roser.
Herr Bundesminister, sind Sie der Meinung, daß der Entwicklungshilfeminister, der laut Grundgesetz seinen Aufgabenbereich wie jeder andere Bundesminister selbständig und in eigener Verantwortung zu leiten hat, in der Lage ist, diesem Verfassungsauftrag gerecht zu werden, wenn ein wesentlicher Bereich, die Kapitalhilfe, die immerhin 50 % der gesamten öffentlichen Entwicklungshilfe umfaßt, zwar in seinem Haushalt steht, er selber aber darüber nicht verfügen und entscheiden kann?
Herr Abgeordneter, wenn man einmal die Überlegungen zu einer Reorganisation dieses Bereichs durchgeht — bis hin zu dem Vorschlag der Projektgruppe, das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit ganz aufzulösen, die Koordinierungsfunktion ins Auswärtige Amt zu legen, die Federführung für die Kapitalhilfe aber beim Wirtschaftsministerium zu belassen —, dann zeigt sich, daß das eigentliche ressortmäßige Problem das der Kooperation ist. Sie können die Zuständigkeiten verschieden schneiden. Es hätte sicherlich auch manche Vorteile, wenn man die Zuständigkeit für die Kapitalhilfe an das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit gibt. Wir sind aber der Meinung, daß die Nachteile überwiegen. Statt eines fortgesetzten, langwierigen, unfruchtbaren Kompetenzstreites sollte man unserer Meinung nach die Energie auf die Kooperation der in jedem Falle beteiligten vier Häuser legen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Josten.
Herr Bundesminister, wie beurteilen Sie die Tatsache, daß es von Fachleuten der Entwicklungshilfe und auch von Abgeordneten aller hier im Bundestag vertretenen Parteien begrüßt würde, wenn die Kapitalhilfe in die Zuständigkeit des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit käme?
Ich beurteile diese Tatsache als eine Bestätigung meiner Aussage, daß man eben sehr verschiedener Meinung über die Organisation in diesem Bereich der Entwicklungshilfe, der auf jeden Fall einige unserer Ressorts berührt, sein kann. Ein Gegenbeispiel wäre etwa der Vorschlag der Projektgruppe der Bundesregierung, der in dem Gutachten der Projektgruppe mit beachtlichen Gründen dargelegt worden ist, — ohne daß ich ihn mir zu eigen machen möchte.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Josten.
Herr Bundesminister, glauben Sie nicht, daß es im Interesse der Sache besser wäre, wenn das zuständige Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der Kapitalhilfe beauftragt würde, und daß dadurch die fachliche und sachliche Koordinierung noch besser gewährleistet wäre?
Nein. Ich glaube, ich habe die Frage schon beantwortet. Wir sind der Meinung, es wird der Sache mehr gedient, wenn unter Beibehaltung der bestehenden Zuständigkeit die Kooperation intensiviert wird.
Meine Damen und Herren, bevor ich zu weiteren Zusatzfragen das Wort erteile, möchte ich Ihnen folgendes mitteilen. Die Zahl der Fragen nimmt immer mehr zu, das Bedürfnis, schnell voranzukommen, ebenso. Das Präsidium hat sich deshalb dahin entschieden, einheitlich nur noch denen, die wirkliche Fragesteller sind, zwei Zusatzfragen zu geben, allen übrigen jeweils nur noch eine. Damit wird das Recht der eigentlichen Fragesteller besser gewahrt.
Nunmehr Herr Abgeordneter Tallert!
Herr Bundesminister, können Sie ungeachtet der organisatorischen Lösung, die gefunden wird, die Effizienz der Kapitalhilfe gewährleisten?
Die Bundesregierung ist nach wie vor der Meinung, daß die Kapitalhilfe ein wesentlicher und effizienter Bestandteil der Entwicklungshilfe ist und bleiben muß.
Herr Abgeordneter Leisler Kiep!
Kiep CDU/CSU) : Herr Bundesminister, nachdem Sie den Schwerpunkt auf die Kooperation zwischen den beteiligten Ressorts gelegt haben, möchte ich Sie, der Sie auch der alten Bundesregierung der Großen Koalition angehört haben, fragen: würden Sie mir darin zustimmen, daß es gerade in der Kooperation zwischen dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und dem Bundeswirtschaftsministerium erhebliche Störungen gege-
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 20. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Dezember 1969 733
Kiep
I ben hat, die ihre Auswirkungen auf die Effizienz der deutschen Entwicklungshilfe leider nicht verfehlt haben?
Ich muß sagen, daß ich als Außenstehender nicht beurteilen kann, ob die Reibungsverluste zwischen diesen beiden Ressorts größer sind, als sie nun halt einmal zwischen Ressorts zu sein pflegen. Ich darf Ihnen aber versichern, daß die Bundesregierung alles tun wird auch ich selbst in einem weiteren Gespräch Anfang nächsten Jahres —, um die bestehende Kooperation noch zu verbessern.
Noch eine Zusatzfrage? — Das ist nicht der Fall.
Ich komme zur Frage 6 des Abgeordneten Dr. Klepsch:
Trifft die im Spiegel vom 1. Dezember 1969 unter „Personalien" abgedruckte Meldung zu, wonach der Bundesminister im Bundeskanzleramt, Prof. Horst Ehmke, im Hinblick auf eine künftige Botschaftertätigkeit des Bundespressechefs der großen Koalition, Günter Diehl, gesagt haben soll: „In Neu-Delhi kann selbst Diehl nicht die Anerkennung der DDR verhindern, und das wollen wir sehen."?
Herr Abgeordneter, die Meldung trifft, ohne daß ich das als typisch bezeichnen möchte, nur teilweise zu. Der Chef des Bundeskanzleramtes hat eine solche aufmunternde Bemerkung anläßlich des Regierungswechsels gegenüber den ihm befreundeten, aus dem Amt scheidenden Chef des Bundespresseamtes selbst gemacht.
Herr Abgeordneter Klepsch zu einer Zusatzfrage.
Wenn ich Sie recht verstehe, so ist der Inhalt der Feststellung, die im „Spiegel" abgedruckt ist, voll zutreffend.
Nein, nur teilweise zutreffend, weil es als eine Äußerung gegenüber Dritten wiedergegeben wird. Es war eine aufmunternde Bemerkung gegenüber dem Kollegen Diehl.
Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesmisters der Finanzen.
Ich rufe die Frage 41 des Abgeordneten Dr. Jenninger auf. — Herr Jenninger ist nicht im Saale. Die Frage wird schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 42 des Abgeordneten Weigl auf:
Kann die im Haushaltsjahr 1969 aus Mitteln des hinnenwirtschaftlichen Anpassungsprogramms vorgenommene Erhöhung des regionalen Förderungsprogramms um 150 Millionen DM auch für des Haushaltsjahr 1970 durch Übernahme in den Haushalt des Bundesministers für Wirtschaft als gesichert angesehen werden?
Zur Beantwortung, Herr Staatssekretär Dr. Reischl.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bei der im Bundeshaushalt 1969 vorgenommenen Erhöhung des regionalen Förderungsprogramms um 150 Millionen DM handelt es sich um eine einmalige Aufstockung aus vorübergehenden Steuermehreinnahmen nach dem im Oktober 1969 wieder aufgehobenen Gesetz zur außenwirtschaftlichen Absicherung. Für 1970 stehen derartige Mehreinnahmen nicht zur Verfügung.
Die Bundesregierung wird jedoch auch künftig der Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur besondere Aufmerksamkeit widmen. Sie ist daher bestrebt, im Entwurf des Bundeshaushalts 1970 ausreichende Mittel für Zwecke der regionalen Wirtschaftsförderung zu veranschlagen. Hierbei wird auch die zusätzliche Investitionsförderung in strukturschwachen Gebieten durch Investitionsprämien nach dem Investitionszulagengesetz zu berücksichtigen sein. Ferner ist ein besonderes Programm zur Verbesserung der Wirtschaftsstruktur des Saarlandes und der Westpfalz in Aussicht genommen.
Über die Höhe der für das regionale Förderungsprogramm 1970 bereitzustellenden Haushaltsmittel wird die Bundesregierung in der Gesamtschau bei den jetzt beginnenden Beratungen über den Bundeshaushalt 1970 und über den Finanzplan entscheiden. Ich bitte um Verständnis, daß ich dieser Beschlußfassung im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht durch Angabe über einen einzelnen Haushaltstitel vorgreifen kann. Im übrigen ist beabsichtigt, das regionale Förderungsprogramm ab 1971 aus dem Einzelplan 60 in den Haushalt des Bundesministers für Wirtschaft Einzelplan 09 — zu übernehmen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Weigl.
Herr Staatssekretär, wäre es angesichts der im nächsten Jahr zu erwartenden Konjunkturabschwächung in den wirtschaftlich schwachen Gebieten nicht notwendig, die Mittel aus dem regionalen Förderungsprogramm kräftig zu erhöhen, anstatt Kürzungen vorzunehmen?
Ich weiß nicht, woher Sie Informationen haben, daß es Kürzungen oder Erhöhungen geben soll. Ich kann über die Höhe der dafür bereitgestellten Mittel keine Auskunft geben, solange die mittelfristige Finanzplanung und der Haushalt 1970 nicht fertiggestellt sind.
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 43 des Abgeordneten Strohmayr auf:
In welcher Weise erfolgt die steuerliche Verrechnung für den
Abholdienst von Regierungsangehörigen mit Dienstwagen?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Die Besteuerung
734 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 20. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Dezember 1969
Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Reischl
des geldwerten Vorteils, den Regierungsangehörige, aber auch andere Personen durch die unentgeltliche Gestellung eines Dienstwagens zu Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte erlangen, erfolgt nach gleichlautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder, die mit Zustimmung des Bundesministers der Finanzen herausgegeben worden sind. Hierzu weise ich auf den Erlaß des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 8. Juni 1967 hin, der im Bundessteuerblatt, Teil II, auf Seite 169, im vollen Wortlaut abgedruckt worden ist. Die Erlasse sehen im Interesse aller Beteiligten ein vereinfachtes Besteuerungsverfahren vor, das im wesentlichen wie folgt gestaltet ist: Als geldwerter Vorteil für die Benutzung eines Dienstwagens wird einheitlich für jeden Entfernungskilometer ein Betrag von 50 Pf angesetzt. Dieser Kilometerpauschbetrag wird sodann um den Betrag gekürzt, den der Fahrzeugbenutzer, falls er die Fahrt mit einem eigenen Kraftfahrzeug ausführen würde, als Werbungskosten geltend machen könnte, nämlich 36 Pf je Entfernungskilometer. Es verbleibt mithin ein steuerpflichtiger Betrag von 14 Pf je Entfernungskilometer. Soweit mittags heimgefahren wird oder die Fahrten über 40 km hinausgehen, wird der geldwerte Vorteil ungekürzt mit 50 Pf angesetzt.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Strohmayr.
Herr Staatssekretär, glaubt die Bundesregierung, daß mit 14 Pf der Aufwand für einen Mercedes oder einen ähnlich großen Wagen, wie ihn die Regierungsangehörigen benutzen, und zusätzlich die Unkosten für den Chauffeur gedeckt werden können?
Das ist wohl mit dieser Regelung auch nicht beabsichtigt.
Eine zweite Zusätzfrage, Herr Abgeordneter Strohmayr.
Herr Staatssekretär, warum wird hier nicht wenigstens nach dem Gleichheitsprinzip die Kilometerpauschale von 36 Pf, die dem berufstätigen Kraftfahrer zugestanden wird, in Anrechnung gebracht?
Das vermag ich jetzt aus dem Stegreif nicht zu sagen, ob das Vorteile brächte. Das muß man erst einmal nachrechnen. Das hätte auch in dem Fall mit Gleichheit nichts zu tun, denn die anderen setzen es ab und bei dem wird es draufgeschlagen. Das wage ich so nicht zu sagen.
Dann können wir zur Frage 44 des Abgeordneten Strohmayr kommen:
Wird die Bundesregierung die Forderung des Deutschen Touring-Automobil-Clubs aufgreifen und die steuerliche Absetzung für die Anschaffung und Einbaukosten für Autoradios ermöglichen?
Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 28. Mai 1968, veröffentlicht im Bundessteuerblatt 1968, Teil II, Seite 541, liegt die Nutzung eines Autoradios grundsätzlich im privaten Bereich. Die Aufwendungen für die Anschaffung und den Einbau eines Autoradios sind deshalb in der Regel nicht abzugsfähige Kasten der Lebensführung. Als Betriebsausgaben können diese Aufwendungen nur dann abgezogen werden, wenn die Anschaffung des Autoradios ausschließlich oder weitaus überwiegend betrieblich oder beruflich veranlaßt ist. Sind Aufwendungen sowohl betrieblich oder beruflich als auch privat veranlaßt, so kann nur der durch den Betrieb veranlaßte Teil der Aufwendungen abgezogen werden, der leicht und einwandfrei nach objektiven nachprüfbaren Merkmalen von den anderen Aufwendungen abgegrenzt werden kann. — Das ist eine sehr umständliche Regelung, wie Sie sehen.
Eine von diesen Grundsätzen abweichende Sonderregelung für Autoradios vermag ich im Interesse einer gleichmäßigen und gerechten Besteuerung nicht in Aussicht zu stellen. Sie würde zu Berufungen auf steuerliche Berücksichtigung anderer privat veranlaßter Aufwendungen führen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Strohmayr.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß ein Autoradio heute zum notwendigen Inventar eines Autos gehört, nachdem die Polizei bei Verkehrszusammenballungen die Fahrzeuge mit Hilfe von Rundfunkansagen umzuleiten versucht und Wetter- und Straßenzustandsberichte den Kraftfahrer vor den Gefahren warnen?
Herr Kollege, ich glaube, all diese Fragen müssen wohl im Zusammenhang mit der Steuerreform behandelt werden. Zur Steuervereinfachung tragen sie allerdings nicht bei.
Ich komme zur Frage 45 des Abgeordneten Engholm:
Aus welchen Gründen wird die seit dem 1. Mai 1969 fui Beamte des gehobenen Dienstes in der Zoll- und Steuerfahndung gewährte Pruferzulage den Beamten des mittleren Dienstes vorenthalten?
Bitte sehr!
Herr Präsident, ich glaube, hier ist ein Zusammenhang gegeben, und ich darf die Fragen 45 und 46 im Zusammenhang behandeln.
Bitte sehr! Die „Beamten des mittleren Dienstes" kommen in beiden Fragen vor.
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 20. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Dezember 1969 735
Vizepräsident Dr. Jaeger
Ich rufe dann noch die Frage 46 des Abgeordneten Engholm auf:
Ist die Bundesregierung bereit, den Beamten des mittleren Dienstes die genannte Prüferzulage rückwirkend ab 1. Mai 1969 zuzugestehen?
Die gesetzliche Regelung der Vorbemerkung Nr. 5 zu den Besoldungsregelungen des Bundesbesoldungsgesetzes ermächtigt den Bundesminister der Finanzen nur, die Prüferzulage an Beamte des gehobenen Dienstes der Besoldungsgruppen A 9 bis A 12 zu zahlen. Die Beschränkung auf den gehobenen Dienst der Steuerprüfung und Zollfahndung findet ihren Grund darin, daß die Zulage die besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten auf dem Gebiet des kaufmännischen Buchführungs- und Rechnungswesens auch von Großbetrieben abgelten soll. Überprüfungen an Ort und Stelle haben ergeben, daß die Art der Tätigkeit der Beamten des mittleren Steuerprüfungs- und Zollfahndungsdienstes nicht vergleichbar ist. Die Tätigkeit dieser Beamten hebt sich im übrigen auch nicht wesentlich von den Tätigkeiten anderer Zollbeamten des mittleren Dienstes ab.
Eine Ausdehnung der Prüferzulage auf den mittleren Dienst, die im übrigen eine Gesetzesänderung voraussetzen würde, erscheint deshalb nicht gerechtfertigt.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Engholm.
Ist Ihnen bekannt, Herr Staatssekretär, daß z. B. in Lübeck ein Zollbetriebsinspektor vom mittleren Dienst — A 9 — die gesamte und immer weiter wachsende Pornographiefahndung leitet und keine Prüferzulage erhält, während die mit ihm arbeitenden Beamten des gehobenen Dienstes allesamt eine solche erhalten?
Das müßte ich erst nachprüfen, Aber an sich entspricht es der gesetzlichen Regelung. — Auf die Zurufe, meine Damen und Herren, kann ich nicht eingehen.
Das ist in der Fragestunde auch schwer. — Bitte, zu einer zweiten Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Sie sagten,
daß besondere Buchführungskenntnisse erforderlich seien. Ist Ihnen bekannt, daß im Zollkriminalinstitut in Köln Buchführungslehrgänge besonderer Art für die Beamten des mittleren Dienstes abgehalten werden, und zwar nur zu dem Zweck, diese Kenntnisse zu vermitteln?
Das ist mir bis jetzt nicht bekannt. Ich werde der Sache nachgehen und Ihnen schriftlich Antwort geben.
Ich rufe die Fragen 47 und 48 des Abgeordneten Ott auf:
Welche Gründe haben vorgelegen, daß der als Zeitungsbeilage verteilte Werbeprospekt der Bundesregierung ,.Auf richtigem Kurs" am 3. Dezember 1969 neuerdings erklärt, daß ab 1. Januar 1970 der Arbeitnehmerfreibetrag verdoppelt wird, obwohl bereits seit 26. November 1969 die Bundesregierung das Steueränderungsgesetz 1970 bis zur zweiten und dritten Lesung des Bundeshaushalls 1970 zurückgestellt hat?
Teilt die Bundesregierung die Meinung, daß hier eine Täuschung der Öffentlichkeit vorliegt?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Die Bundesregierung hat sich in der Plenarsitzung des Deutschen Bundestages am 26. November 1969 damit einverstanden erklärt, daß die zweite und dritte Lesung u. a. des Steueränderungsgesetzes 1970 gemeinsam mit der zweiten und dritten Lesung des Bundeshaushalts durchgeführt wird. Herr Minister Dr. Möller hat in der gleichen Sitzung jedoch erklärt, daß er keinen Zweifel daran lassen möchte, daß die mit der in dem Steueränderungsgesetz 1970 vorgesehenen Erhöhung des Arbeitnehmerfreibetrags verbundene Steuersenkung bereits mit Beginn des nächsten Jahres, also ab 1. Januar 1970, wirksam werden soll. Die Bundesregierung vertritt also die Auffassung, daß bei einer Verabschiedung des Steueränderungsgesetzes 1970 nach dem 1. Januar 1970 die Erhöhung des Arbeitnehmerfreibetrags rückwirkend in Kraft treten sollte.
Die in der Zeitungsbeilage „Auf richtigem Kurs" veröffentlichte Absicht der Bundesregierung, den Arbeitnehmerfreibetrag vom 1. Januar 1970 an zu verdoppeln, besteht demnach nach wie vor. Im übrigen verfolgt die Zeitungsbeilage erkennbar den Zweck, der Bevölkerung die neue Bundesregierung in den Schwerpunkten ihrer künftigen Regierungsarbeit auf der Grundlage der Regierungserklärung vorzustellen.
Die Ergebnisse der parlamentarischen Beratungen, die zeitlich nach der Regierungserklärung lagen, konnten bei der Abfassung der Zeitungsbeilage noch nicht berücksichtigt werden. Hierzu ist darauf hinzuweisen, daß mit der Planung der Zeitungsbeilage bereits Mitte Oktober begonnen wurde und die Aufträge am 3. November erteilt wurden. Mit dem Druck der Beilage- ist am 17. November begonnen worden. Am 26. November waren bereits 10 Millionen Exemplare ausgedruckt. Am gleichen Tage ist sie auch bereits in einigen Zeitungen erschienen.
Die Bundesregierung ist nach alledem der Auffassung, daß von einer Täuschung der Öffentlichkeit
keine Rede sien kann.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Ott.
Herr Staatssekretär, seit wann ist es in diesem Hause üblich, Veröffentlichungen mit einem Zeitpunkt der Inkraftsetzung der Öffentlichkeit bekanntzugeben, ohne daß in diesem Haus die Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt worden sind?
736 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 20. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Dezember 1969
Das ist eine Absichtserklärung der Bundesregierung genauso wie die ganze Regierungserklärung. Das ist bekannt. Das haben frühere Bundesregierungen doch genauso gemacht, Herr Kollege. Das ist also wirklich nichts Neues. Wenn die Bundesregierung nach wie vor ausdrücklich erklärt, daß sie das Gesetz rückwirkend in Kraft gesetzt sehen möchte — und mehr kann sie als Regierung ja nicht erklären —, dann ist das doch nicht unrichtig.
Herr Abgeordneter Ott!
Herr Staatssekretär, hält es die Bundesregierung angesichts der umfassenden Berichterstattung über die Regierungserklärung in allen Publikationsmitteln der Bundesrepublik für notwendig, unter Aufwendung erheblicher finanzieller Mittel trotzdem auf diese Weise für Volksaufklärung zu sorgen?
Ich würde den Ausdruck, den Sie zuletzt gebraucht haben, in diesem Zusammenhang wegen verschiedener Assoziationen zurückweisen. Ich möchte dazu sagen, daß es sehr wohl notwendig ist, solche Dinge auch auf andere Weise als durch die Presse zu verbreiten, weil es hier um eine Information über den vollen Wortlaut dieser Regierungsklärung geht, den keine Zeitung so vollständig abdrucken konnte.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ott.
Herr Staatssekretär, wenn es so ist, wie Sie vorhin gesagt haben, was hindert die Bundesregierung dann daran, diese Vergünstigungen bereits ab 1. Januar in Kraft zu setzen', wenn sie sowieso — ohne daß dieses Haus Gelegenheit gehabt hat, dazu in finanzieller Hinsicht Stellung zu nehmen — erklärt: Wir wollen das tun?
Herr Kollege Ott, eine Regierungserklärung kann doch immer nur eine Absichtserklärung dieser Regierung sein, bestimmte Dinge vorzulegen. Bei Gesetzen liegt die letzte Entscheidung bei diesem Haus. Das ist aber doch bei jeder Regierungserklärung dasselbe. Infolgedessen verstehe ich gar nicht Ihre Erregung darüber, daß man eine Regierungserklärung veröffentlicht, in der ein Datum steht. Denn mehr als die Absicht, mitzuhelfen, daß es in dieser Zeit durchkommt, kann man damit ja gar nicht erklären. Die letzte Entscheidung liegt hier.
Ich habe nicht den Eindruck, daß der Abgeordnete Ott sich erregt; ich glaube, dann würde er ganz anders auftreten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
So wörtlich meine ich das auch gar nicht.
Herr Abgeordneter Ott hat noch eine letzte Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ich darf also doch feststellen, daß hier insofern eine Täuschung der Öffentlichkeit vorliegt, als der Öffentlichkeit gegenüber jetzt erklärt wird, daß diese Vergünstigungen zum 1. Januar in Kraft treten, wogegen Sie sagen: Es handelt sich um eine Absichtserklärung, die erst im kommenden Frühjahr rückwirkend in Kraft gesetzt werden soll.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege, den Ausdruck „Täuschung" weise ich mit aller Entschiedenheit zurück;
denn dann wäre jede frühere Regierungserklärung genauso eine Täuschung gewesen, soweit sie sich auf Gesetzesvorhaben bezogen hat, weil keine Regierung wissen kann, ob die Gesetzvorlagen, die sie einbringt, unverändert aus dem Parlament herauskommen. Das wäre dann immer eine Täuschung.
Ich kann nur wiederholen, die Bundesregierung kann gar nicht mehr tun, als erklären: Nach unserer Vorlage soll das Gesetz am 1. Januar in Kraft treten. Was das Parlament in seiner Mehrheit tut, liegt letztlich hier. Das ist doch keine Täuschung!
Ich komme nun zu den weiteren Zusatzfragen. Zunächst Herr Abgeordneter Köppler.
Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden, daß Sie die Unmöglichkeit, die neuere Entwicklung in der Diskussion noch in dieser Zeitungsbeilage zu berücksichtigen, damit begründet haben, daß diese Zeitungsbeilage, was ihren finanzpolitischen, steuerpolitischen Teil angeht, von der Bundesregierung Mitte Oktober konzipiert und offenbar in Druck gegeben worden sei?
Nein, ich habe gesagt: Anfang November.
Nein, Sie haben „Mitte Oktober" gesagt.
Nach der Wahl; das ist doch selbstverständlich.
„Mitte Oktober" geht doch ungefähr vom 10. his 25. Oktober.
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 20. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Dezember 1969 737
Herr Abgeordneter Dr. Gleissner!
Herr Staatssekretär, ist die neue Bundesregierung bereit, Absichtserklärungen, die nach so kurzer Zeit nicht mehr zutreffen oder voreilig erfolgt sind, zu korrigieren und diese Korrekturen auch wieder der Öffentlichkeit bekanntzugeben?
Die Bundesregierung sieht keinerlei Veranlassung, in diesem Zeitpunkt eine solche Erklärung zu korrigieren; denn sie ist nach wie vor der Meinung, daß das Gesetz rückwirkend mit dem 1. Januar 1970 in Kraft treten soll.
Herr Abgeordneter Niegel!
Herr Staatssekretär, wie hoch war die Auflage dieser Zeitungsbeilage, und wie teuer war sie?
Das weiß ich nicht. Das kann ich jetzt gar nicht feststellen.
Eine zweite Zusatzfrage steht Ihnen nicht zu.
Herr Abgeordneter Schulze-Vorberg!
Herr Staatssekretär, welche Schlußfolgerungen würden Sie aus Ihren eigenen Erklärungen von soeben ziehen, daß die Bundesregierung mit Absichtserklärungen an die Öffentlichkeit tritt, deren Verwirklichung dem Parlament anheimgestellt ist? Würde nicht diese Form der Verbreitung einer Regierungserklärung bedingen, daß auch die Erklärungen der Opposition der Bevölkerung zugänglich gemacht werden müßten?
Dann hätten sämtliche früheren Regierungserklärungen auch nicht publiziert werden dürfen. Das ist doch immer dasselbe. Ich verstehe den Unterschied nicht, warum das ausgerechnet jetzt anders sein soll.
Ich verstehe Sie nicht, Herr Kollege.
Herr Abgeordneter Schulze-Vorberg, Sie können keine Erklärung abgeben und neuerdings auch keine zweite Frage stellen.
Herr Abgeordneter Dr. Ritz!
Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, die Kosten, nach denen Herr Niegel gefragt hat, dem Hause schriftlich mitzuteilen?
Sicher, das kann man ja feststellen.
Herr Abgeordneter Moersch zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, könnten Sie dem Kollegen Dr. Schulze-Vorberg bestätigen, daß in den vergangenen Jahren die von der CDU geführte Regierung es ausdrücklich abgelehnt hat, einen ähnlichen Vorschlag der damaligen FDP-Opposition auf Mitveröffentlichung zu akzeptieren, und zwar mit dem Hinweis auf die Gewaltenteilung zwischen Regierung und Parlament?
Das kann ich bestätigen.
Herr Abgeordneter Dasch zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Sie sprechen immer davon, daß auch frühere Bundesregierungen ihre Regierungserklärungen veröffentlicht haben. Können Sie mir sagen, wann dieser Brauch begonnen hat? Ich persönlich habe vor dieser Koalition noch keine Regierungserklärung als Zeitungsbeilage gefunden.
Die Frageform war ja nicht ganz einwandfrei.
Das Wort hat der Herr Staatssekretär.
Herr Kollege, ich kann mich jedenfalls daran erinnern, gedruckte Regierungserklärungen früherer Zeiten schon gesehen zu haben, sogar zu Zeiten, als ich selber noch nicht im Bundestag war. Ob sie nun als Zeitungsbeilage oder anders verteilt worden sind, das ist doch egal. Die Hauptsache ist, sie sind gedruckt und unters Volk gebracht worden.
Herr Abgeordneter Ott, Sie haben jetzt die vier Zusatzfragen gehabt, die Ihnen bei zwei Fragen zustehen. Mehr steht Ihnen nun wirklich nicht zu.
Ich rufe nunmehr die Frage 49 des Abgeordneten Dr. Enders auf:
Ist die Bundesregierung bereit, die mit einer Erwerbsminderung von mindestens 50 v. H. betroffenen Zivilbeschädigten beim Erlaß der Kraftfahrzeugsteuer den Schwerkriegsbeschädigten
738 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 20. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Dezember 1969
Vizepräsident Dr. Jaeger
gleichzustellen und den steuererlaß ohne Rücksicht auf die Art der Körperbehinderung und der wirtschaftlichen Verhältnisse zu gewähren?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Herr Präsident, ich bitte, die Fragen 49 und 50 ebenfalls zusammen beantworten zu dürfen.
Dann rufe ich auch die Frage 50 des Abgeordneten Dr. Enders auf:
Werden bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Zivilbeschädigten für den Kraftfahrzeugsteuernachlaß die in den letzten Jahren erfolgten Einkommensverbesserungen berücksichtigt?
Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß im Zuge der Steuerreform auch eine Reform der Kraftfahrzeugsteuer erforderlich wird. Sie ist bereit, im Rahmen dieser Reform auch zu prüfen, ob künftig alle Schwerbeschädigten ohne Rücksicht auf die Ursache ihrer Körperbehinderung beim Erlaß der Kraftfahrzeugsteuer gleich behandelt werden können.
Bis zu der noch offenen Neuregelung muß es dabei verbleiben, daß beim Steuererlaß für Zivilbeschädigte mit einer Erwerbsminderung von mindestens 50 v. H. unter anderem die wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers zu berücksichtigen sind. Soweit der Umfang des Steuererlasses von Einkommensgrenzen abhängt, haben die obersten Finanzbehörden der Länder durch übereinstimmende Erlasse mit Wirkung ab 1. Juli 1969 eine Neuregelung getroffen, die den Einkommensverbesserungen der letzten Jahre Rechnung trägt.
Herr Abgeordneter Maucher!
Herr Staatssekretär, Sie haben soeben gesagt, daß die Schwerbeschädigten eine Gleichstellung erfahren. Wenn an eine Änderung der Kraftfahrzeugsteuer gedacht ist, ist dann nicht etwa an eine Benzinsteuer gedacht? Wie würden Sie sich dann die Gleichstellung vorstellen?
Ich habe nicht gesagt, daß sie gleichgestellt werden. Ich habe gesagt, daß im Rahmen der Steuerreform geprüft wird, ob sie gleichgestellt werden können.
Damit sind wir am Ende dieser Fragenreihe. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen nun zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Ich rufe die Frage 59 des Abgeordneten Dr. Früh auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß trotz der französischen Abwertung und der deutschen Aufwertung schon wieder Termingeschäfte für französischen Weizen abgeschlossen werden, bei denen der französische Franc 3 bis 10 % unter dem amtlichen Kurs gehandelt wird?
Herr Staatssekretär Logemann, bitte!
Ich beantworte die Frage wie folgt. Warentermingeschäfte zusammen mit Devisentermingeschäften sind im internationalen Getreidehandel allgemein üblich. Es trifft jedoch nicht zu, daß der französische Franc bei solchen Geschäften 3 bis 10 % unter der offiziellen Parität gehandelt wird. Zum Teil wird für den Franc auf Termin sogar ein Aufschlag bezahlt. Französisches Getreide wird deshalb heute im Bundesgebiet nicht unter dem Interventionspreis angeboten.
Dann komme ich zur Frage 60 des Abgeordneten Rainer:
Wie hoch ist die Zahl der eingereichten Anträge auf Landabgaberente, und wieviel der Anträge sind bisher genehmigt worden?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Da die Alterskassen eine Quartalsstatistik führen, werden die vollständigen Meldungen über die Zahl der eingereichten und genehmigten Anträge auf Gewährung von Landabgaberente für das Jahr 1969 erst im Januar 1970 beim Gesamtverband der landwirtschaftlichen Alterskassen vorliegen. In der Zeit vom 1. August bis 30. September 1969 sind insgesamt 237 Anträge bei den Alterskassen eingereicht worden. Davon wurden 74 Anträge abgelehnt. 157 Anträge befanden sich am 30. September in Bearbeitung. Bis zum 30. November 1969 sind insgesamt 75 Anträge auf Gewährung von Landabgaberente genehmigt worden.
Die bisherigen Erfahrungen mit der neuen Maßnahme werden von der Bundesregierung sorgfältig ausgewertet werden, um abschließend beurteilen zu können, ob bei der Begrenzung der Betriebsgröße auf 8 bis 10 ha die mit der Landabgaberente beabsichtigten sozial- und strukturpolitischen Wirkungen überhaupt zu erreichen sind. Anfang nächsten Jahres werden das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung sowie mein Haus gemeinsam prüfen, ob und in welchem Maße eine Erweiterung der Höchstgrenze erforderlich ist und welche finanziellen Möglichkeiten hierfür bestehen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Rainer.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, zu prüfen, ob nicht das Lebensalter herabgesetzt werden kann?
Ich meine das Lebensalter zur Erlangung der Landabgaberente.
Zu einer solchen Überprüfung sind wir sicherlich bereit.
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 20. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Dezember 1969 739
Wir kommen dann zur Frage 61:
Wie hoch ist der Betrag, der bisher erforderlich war, um die genehmigten Anträge 711 erfüllen?
Ist diese Frage mit der Antwort auf die Frage 60 erledigt, Herr Abgeordneter Rainer? — Gut, sie ist damit erledigt. Aber der Herr Abgeordnete Maucher hat noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, welche Absichten hat die Bundesregierung auf Grund der praktischen Erfahrungen in bezug auf die weitere Entwicklung der Landabgaberente?
Dazu darf ich sagen, daß schon im vorigen Jahr im Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten versucht worden ist, die Betriebsgrößengrenze höher einzustufen. Man müßte überlegen, wie man nun wirksamer vorgehen kann. Der bisherige Weg hat in der Tat dazu geführt, daß nur sehr wenige Anträge eingegangen sind.
Herr Abgeordneter Berberich zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß sich schon jetzt abzeichnet, daß mit dem, was bisher geschehen ist, die agrarstrukturellen Hoffnungen, die man an dieses Gesetz geknüpft hat, nicht erfüllt werden können?
Ich bin mit Ihnen der Meinung, daß im Augenblick die Ansätze dafür nicht sehr günstig sind; aber ich darf daran erinnern, daß wir uns im vergangenen Sommer bemüht haben, großzügige Regelungen zu finden.
Ich rufe die Frage 62 des Abgeordneten Weigl auf:
Durch welche Maßnahmen können die durch den ungünstigen Standort bedingten niedrigeren Erzeugerpreise der Landwirtschaft im ostbayerischen Zonenrandgebiet verbessert werden?
Durch verschiedene Maßnahmen der Bundesregierung konnten besonders nachteilige Auswirkungen für die Erzeugerpreise der Landwirtschaft im ostbayerischen Zonenrandgebiet, die sich aus der ungünstigen Standortlage ergeben hätten, verhindert werden. Ich erinnere daran, daß bei Getreide die abgeleiteten Interventionspreise für Ostbayern auf einem wesentlich höheren Niveau festgesetzt wurden, als dies bei voller Berücksichtigung von Ablauffrachten in die Verbrauchergebiete der Fall gewesen wäre.
Darüber hinaus wird vom Bund für die Beförderung von Getreide eine Frachthilfe in Höhe von 25 % der Frachtkosten gewährt. Daneben erhalten
folgende Güter der Ernährungswirtschaft im Rahmen des regionalen Förderungsprogramms bei Beförderungen über mehr als 200 km eine Frachthilfe, die je nach Gut zwischen 13 und 30 % der Fracht liegt, und zwar: Malz, Teigwaren, Haferflocken, Backmehl, Backmalzmehle, Back- und Nährhefe, Gemüse und Pilzkonserven, Gurkenkonserven, Konservenmarmelade, Fruchtsäfte und Fruchtsirup aus Feld-, Wald-
und Gartenfrüchten sowie Orangeat und Zitronat.
Eine Zusatzfrage,
Herr Abgeordneten Dasch.
Herr Staatssekretär, Ihnen ist sicher bekannt, daß die EWG-Kommission vorgeschlagen hat, die inländischen Interventionsorte zugunsten einiger weniger Hafeninterventionsorte aufzugeben. Ich frage Sie: Mit welchem Verhandlungsauftrag wird die deutsche Bundesregierung den Bundeslandwirtschaftsminister nach Brüssel entsenden, um diese Entwicklung zu verhindern?
Die Bundesregierung wird alle Anstrengungen unternehmen — mehr kann ich Ihnen heute nicht sagen —, um derartige unzumutbare Einbußen, wie sie in marktfernen Gebieten entstehen könnten, zu verhindern.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Niegel.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß ein Großteil der in Nordostbayern erzeugten Braugerste als Malz verwertet werden muß und damit hohe Frachtkosten hat, für Malz und für Braugerste aber keine Interventionspreise bestehen?
Das ist mir bekannt.
Was gedenken Sie zu tun?
Die Bundesregierung kann bezüglich eines besonderen Preises für Braugerste national allein gar nicht wirksam werden. Es hat hier ja die verschiedensten Bemühungen darum gegeben; Braugerste hat uns immer wieder, auch in den Ausschüssen, beschäftigt. Wir werden uns darauf beschränken müssen, irgendwie im nationalen Bereich, soweit als möglich, zu helfen. Das ist aber, wie gesagt, schon weitgehend geschehen.
Frage 63 des Abgeordneten Flämig:
Hält die Bundesregierung den Anteil von 76(1 000 DM, der alljährlich an den Verband Deutscher Naturparke e. V. aus dem Bundeshaushalt gezahlt wird, für einen ausreichenden Anteil, um dic für die Erholung der Bevölkerung erforderlichen Parkplätze,
740 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 20. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Dezember 1969
Vizepräsident Dr. Jaeger
Wanderwege, Schutzhütten, Spiel- und Zeltplätze für die Jugendlichen und andere Einrichtungen der Naturschutzparks anzulegen und zu unterhalten?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Angelegenheiten des Naturschutzes -und damit auch die Förderung von Naturparken fallen in die ausschließliche Zuständigkeit der Länder. Seit 1959 haben Länder, Kreise, Gemeinden und private Stellen für die Förderung von Naturparken insgesamt rund 40 Millionen DM aufgebracht. Eingeleitet wurden diese Maßnahmen durch erste Beiträge des Bundes, die inzwischen 15 Millionen DM ausmachen.
Ich strebe an, den für 1969 bereitgestellten Ansatz von 760 000 DM auch in den kommenden Jahren zur Verfügung zu stellen. Mit Inkrafttreten der Finanzreform — spätestens also ab 1973 — wird der Bund allerdings die Förderung der Naturparke mangels rechtlicher Zuständigkeit ganz einstellen und den Ländern überlassen müssen.
Ich halte die Fortführung der begonnenen Maßnahmen wegen der großen Bedeutung der Naturparke für die Erholung der Bevölkerung für unbedingt notwendig und werde mich in diesem Sinne bei den Ländern nach Kräften einsetzen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Flämig.
Herr Staatssekretär, darf ich Ihre Antwort so verstehen, daß die Erhaltung und Gestaltung der Landschaft für die Erholung der Allgemeinheit auch eine Aufgabe des Bundes ist und diese Aufgabe im Zusammenhang mit der Verbesserung der Agrarstruktur gesehen werden muß?
Sie dürfen mich durchaus so verstehen. Die Bundesregierung hat ja in ihrem Agrarprogramm zu diesem Problem positiv Stellung genommen.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung — sofern nicht überhaupt die Möglichkeit besteht, diese Summe aus Bundesmitteln zu erhalten — sich über den Bundesrat mit den Ländern in Verbindung setzen, um zu erreichen, daß diese die entsprechenden Zuschüsse erhöhen?
Es ist uns bekannt, daß die Länder im Begriff sind, eine entsprechende Erhöhung der Zuschüsse zu erwirken. Mehr können wir allerdings im Augenblick hier nicht tun, als das zur Kenntnis zu nehmen. Die Länder haben, wie gesagt, die hoheitlichen Aufgaben, und wir können deshalb nicht eingreifen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Warnke.
Herr Staatssekretär, würden Sie nicht, nachdem Sie soeben die Erhaltung und Förderung des Erholungswertes auch als Bundesaufgabe bezeichnet haben, bereit sein, sich dafür einzusetzen, daß diese Mittel nicht nur erhalten, sondern auch aufgestockt werden, und ist Ihnen bekannt, daß ein Antrag auf eine Aufstockung auf 2 Millionen DM vorliegt?
Ja. Aber hier sind uns durch die mittelfristige Finanzplanung Grenzen gesetzt; ich habe sie schon angeführt. Leider mußte ich darauf aufmerksam machen, daß wir — der Bund — bei der Finanzreform ab 1973 völlig ausgeschaltet sind.
Frage 64 des Abgeordneten Helms:
Stimmen Pressemeldungen, wonach die Niedersächsische Landesregierung außerhalb der diesjährigen Haushaltsmittel zusätzliche Mittel des Bundes in Höhe von 4 Millionen DM für den Küstenschutz abgelehnt hat, und womit begründet die Niedersächsische. Landesregierung diese Ablehnung?
Wenn Sie gestatten, Herr Präsident, möchte ich die Fragen 64 und 65 zusammen beantworten.
Das können Sie gemeinsam machen.
Ich rufe auch die Frage 65 des Abgeordneten Helms auf:
Hat die Niedersächsische Landesregierung bereits Mittel aus dem ersten Investitionshaushalt des Bundes, die für Maßnahmen des Küstenschutzes und der Wasserwirtschaft vorgesehen waren, abgelehnt, und um welche Beträge hat es sich dabei gehandelt?
Zusätzliche Mittel außerhalb der diesjährigen Haushaltsmittel stehen nicht zur Verfügung. Bei den zitierten 4 Millionen DM handelt es sich offenbar um die regulären Haushaltsmittel, die im Zuge von Umplanungen vom Jahreskontingent Hamburgs nach Schleswig-Holstein gegeben worden sind. Dieser Betrag war zuvor unter der üblichen Bedingung entsprechender Landesmitleistungen dem Land Niedersachsen angeboten worden. Die niedersächsische Landesregierung hatte jedoch mitgeteilt, daß zusätzliche Landesmittel für Zwecke des Küstenschutzes 1969 nicht zur Verfügung ständen.
Zur zweiten Frage: Die niedersächsische Landesregierung hat Bundeszuschüsse aus dem ersten Investitionshaushalt nicht abgelehnt. Sie hat das Kontingent von 8 Millionen DM für den Küstenplan einschließlich Wasserwirtschaft sowie das von ursprünglich 9 Millionen DM auf 15 Millionen DM aufgestockte Kontingent für den Küstenschutz voll in Anspruch genommen.
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 20. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Dezember 1969 741
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, gestatten Sie folgende Frage. Zu den letztgenannten Beträgen hatte ich die Frage gestellt, ob hier Maßnahmen für die Wasserwirtschaft mit einbezogen seien. Sie haben geantwortet, daß nur die Beträge für den Küstenschutz abgerufen seien. Sind Beträge für die Wasserwirtschaft abgelehnt und nicht in Anspruch genommen worden?
Hier scheint ein Mißverständnis vorzuliegen. Ich habe gesagt, sie hat das Kontingent von 8 Millionen DM für den Küstenplan einschließlich Wasserwirtschaft sowie das von ursprünglich 9 auf 15 Millionen DM aufgestockte Kontingent für den Küstenschutz voll in Anspruch genommen.
Herr Staatssekretär, hält die Bundesregierung die Ablehnung zusätzlicher Mittel durch die niedersächsische Regierung unter dem Gesichtspunkt, daß noch ca. 1 Milliarde DM für den Hochwasserschutz erforderlich ist, für tragbar?
Ich halte eine solche Zurückhaltung von Dotationsauflagen, also eine Nichterfüllung von Beiträgen der Länder, im Interesse der Pläne, um die es hier geht, nicht für gut. Ich bin allerdings insofern etwas beruhigt, als ich höre, daß das Land Niedersachsen seine Dotationsauflagen in diesem Jahr oder im nächsten Jahr erfüllen wird.
Keine weiteren Zusatzfragen. Dann rufe ich die Frage 66 des Abgeordneten Niegel auf:
Treffen Pressemeldungen, z. B. im „Münchner Merkur" vorn 2. Dezember 1969, zu, nach denen Bundeskanzler Brandt hei der EWG-Gipfelkonferenz in Den Haag die Bereitschaft Deutschlands ankündigte, zur Senkung der Überschüsse die deutschen Agrarpreise herabzusetzen, und zwar gegebenenfalls noch weiter, als es die Europakommission jüngst vorgeschlagen hatte?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Die zitierten Pressemeldungen treffen nicht zu. Die Meldung des „Münchner Merkur" vom 2. Dezember 1969 kann sich nur auf die vom Herrn Bundeskanzler am Vortag, also am 1. Dezember
1969 auf der Gipfelkonferenz in Den Haag abgegebene Eingangserklärung beziehen. Diese Erklärung, die in ihrem vollen Wortlaut vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung veröffentlicht worden ist, enthält zu der von dem Herrn Abgeordneten angeschnittenen Frage unter anderem folgende Ausführungen — ich zitiere —:
Damit es hier und bei den Erörterungen der kommenden Wochen keine Mißverständnisse gibt, muß ich auch in aller Offenheit sagen, daß ich nicht nur die Interessen der deutschen Steuerzahler, sondern auch die Zukunft der
deutschen Bauern zu vertreten habe. Zu meinem Programm der inneren Reformen gehört eine moderne, wettbewerbsfähige Landwirtschaft.
Dies ist der Rahmen, in dem sich das Problem in unserer Sicht stellt. Daraus folgt, daß die Bunderegierung nur in der Lage sein wird, einer Finanzierungsregelung in der Endphase zuzustimmen, wenn sie die Gewißheit hat, daß die Beratungen über das Überschußproblem, d. h. über die Reform der Agrarmarktordnungen, auf der Grundlage erfolgversprechender Vorstellungen unverzüglich aufgenommen und energisch vorangetrieben werden. Alle Mitgliedsregierungen müssen ihre Vertreter im Rat verpflichten, die Arbeiten gemeinsam mit der Kommission kräftig zu beschleunigen. Dabei wird auch die bisherige doppelte Funktion der Preise
— und das ist wohl das, was Sie hören wollten —
kein Tabu sein können. Wir brauchen eine rechtzeitige Konkretisierung, die es uns ermöglicht, die Verpflichtungen rechtzeitig einzuschätzen, die wir übernehmen sollen.
Soweit dieses Zitat.
Herr Abgeordneter Niegel zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß in Den Haag auf Fragen nach der Auslegung der Erklärung des Bundeskanzlers, die Sie soeben verlesen haben, die bisherige Funktion der Preise könne kein Tabu sein, dies aus Kreisen der Delegation dahingehend erklärt wurde, daß die Bundesregierung bereit sei, die deutschen Agrarpreise zu senken, und zwar sogar noch weiter, als es die Kommission jüngst vorgeschlagen habe?
Das trifft nach meinen Informationen in keiner Weise zu. Und wenn ich hier nochmals auf die doppelte Funktion der Preise zurückkommen darf, so ist es doch in der Tat so, daß wir alle wissen, daß die jetzigen Agrarmarktordnungen eben über die Preise einmal nicht zu der gewünschten Verbesserung des landwirtschaftlichen Einkommens führen und daß zum anderen dabei trotzdem Überschüsse entstanden sind. Hier geht es also um eine Neuorientierung auch in der Preispolitik, und zwar nicht nach unten. Wir müssen eine Überprüfung einfach von der Sache her vornehmen, weil wir ja zur Zeit immer mehr Überschüsse vor uns haben.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Niegel.
Herr Staatssekretär, da Sie mit Bestimmtheit sagen, daß es nicht zutrifft, darf ich fragen: Wie war der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten oder sein Staatssekretär in Den Haag vertreten?
742 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 20. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Dezember 1969
Der Landwirtschaftsminister war in Den Haag nicht vertreten. Ich kann mich im übrigen nur auf Informationen beziehen, die ich habe, und ich habe keine Mitteilung darüber, daß die Äußerungen des Herrn Bundeskanzlers in dieser Form, wie Sie es hier aussprechen, ausgelegt worden sind.
Können dann — —
Halt, halt! Herr Staatssekretär, Sie haben doch erst eine Frage beantwortet, oder waren es schon beide?
- Wir waren meines Wissens erst bei Frage 66.
Dann kommen jetzt erst die anderen Zusatzfragen. — Herr Abgeordneter Dr. Gleissner!
Herr Staatssekretär, besteht nicht die akute Gefahr, daß Bundeskanzler Brandt um anderer politischer Ziele willen, etwa z. B. um den Beitritt Englands zur EWG durchzusetzen, bereit oder gedrängt ist, die deutschen Agrarpreise herabzusetzen, und zwar, wie gesagt, noch weiter, als es die Kommission vorgeschlagen hat, und was gedenkt der Bundesminister für Ernährung zu tun, nachdem von seiner Seite und von seiten der Regierung wiederholt zugesichert worden ist, daß die deutsche Landwirtschaft aus EWG-Beschlüssen ) keinen weiteren Schaden erleiden soll?
Die Bundesregierung bleibt bei ihrer Aussage in der Regierungserklärung, die Sie, Herr Kollege Dr. Gleissner, ja auch kennen, daß die deutsche Landwirtschaft in die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung voll eingegliedert werden soll, auch einkommensmäßig.
Wir meinen, daß sich gerade mit dem Beitritt Englands für die EWG-Agrarpreispolitik in der Tat neue Überlegungen ergeben. Es dürfte Ihnen bekannt sein, daß auch schon in der Kommission Überlegungen angestellt werden, das englische Garantiepreissystem vielleicht auf die EWG zu übertragen. Das sind doch nun einmal Überlegungen, die durch die Entwicklung einfach fällig werden, die jedoch keineswegs bedeuten, daß eine Minderung der Agrarpreise oder der Einkommen für die Landwirtschaft beabsichtigt sei.
Herr Abgeordneter Dr. Reinhard zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen beim Zitat nicht vielleicht ein Irrtum unterlaufen? Heißt es im Bulletin wirklich ,,Doppelfunktion" und nicht „Funktion der Preise"?
L
Ich darf noch einmal nachlesen und den Satz wiederholen:
Dabei wird auch die bisherige doppelte Funktion der Preise kein Tabu sein können.
Zu dieser Frage ist jetzt keine Zusatzfrage mehr zulässig.
Ich rufe Frage 67 des Abgeordneten Niegel auf:
Welche zusätzliche Einkommensminderung würde dadurch auf die deutsche Landwirtschaft zukommen, und wie würde sich das mit der in der Regierungserklärung gegebenen Zusage vereinbaren lassen, eine Politik des Preisdrucks auf die deutsche Landwirtschaft zu verhindern?
Eine Antwort auf diese Frage erübrigt sich, da die Bundesregierung keine Preissenkungsmaßnahmen vorgeschlagen hat.
Dazu eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dasch.
Herr Staatssekretär, betrachtet die Bundesregierung die Vorschläge der EWG-Kommission zur Senkung der europäischen Agrarpreise als ernstgemeinten Vorschlag oder nur als Verhandlungsgegenstand, um die deutsche Bundesregierung bei den Kosten des Agrarmarktes zu einem höheren prozentualen Anteil von 33 bis 35% zu drängen?
Ich habe soeben deutlich darauf hingewiesen, daß die Bundesregierung keine preissenkenden Maßnahmen beabsichtigt oder vorschlagen wird.
Ich rufe die Frage 68 des Abgeordneten Ehnes auf:
Welche Haltung nimmt die Bundesregierung 711 dem Vorschlag einer Verordnung des Rates Tiber die Regelung für Rindfleisch mit Ursprung aus der assoziierten Staaten und Madagaskar oder den überseeischen Ländern und Gebieten (Drucksache V/4654) ein?
Der von Ihnen angeführte Kommissionsvorschlag, der bei der Einfuhr von Rindfleisch und Rindfleischerzeugnissen aus den assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar oder den überseeischen Ländern und Gebieten eine Zollbefreiung sowie eine Abschöpfungssenkung vorsieht, ist bei den bisherigen Verhandlungen in Brüssel von der Bundesregierung und den übrigen Mitgliedsländern abgelehnt worden. Die Kommission wird einen neuen Vorschlag vorlegen; sein Inhalt ist noch nicht bekannt.
Eine Zusatzfrage, Herr Ehnes.
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 20. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Dezember 1969 743
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung bei dem neuen Vorschlag ihre ablehnende Haltung beibehalten?
Ich kenne den neuen Vorschlag nicht, kann also nichts über die Haltung der Bundesregierung dazu sagen.
Noch eine zweite Zusatzfrage, Herr Ehnes?
Nein. Die zweite Frage wurde noch nicht beantwortet.
Dann rufe ich die Frage 69 des Abgeordneten Ehnes auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß für das zeitliche Zusammentreffen möglicher Zoll- und Abschöpfungsbegünstigungen bei der Einfuhr von Rindfleisch aller Art mit der Gewährung einer Abschlachtungsprämie für 250 000 Milchkühe erhebliche Preiseinbrüche am Rindfleischmerkt eintreten können?
Die Schlachtung von 250 000 Kühen, für die der Ministerrat eine Gewährung von Prämien beschlossen hat, ist für die Zeit vom 9. Februar bis 30. April 1970 vorgesehen. Der Rindfleischmarkt wird durch die Schlachtung dieser Tiere nicht in vollem Umfang zusätzlich belastet werden, weil ein Teil dieser Kühe dem normalen jährlichen Abgang zugerechnet werden kann. Dennoch muß während der Abschlachtungsaktion mit einem Angebotsdruck am Schlachtrindermarkt gerechnet werden. Die Bundesregierung hat sich daher in Brüssel bereits für eine vorsorgliche Entlastung des Marktes durch Gewährung einer ausreichenden Ausfuhrerstattung für Kühe eingesetzt. Der Drittlandsmarkt ist, wie Sie wissen, für Kühe aufnahmefähig. Die Bundesregierung ist — ebenso wie die Regierungen der übrigen Mitgliedstaaten — auch der Meinung, daß bei einer Festlegung von zoll- und abschöpfungsbegünstigten Einfuhrkontingenten die Lage auf den Märkten der Gemeinschaft zu berücksichtigen ist.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern.
Die Frage 7 wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet.
Ich rufe Frage 8 des Abgeordneten Dr. Apel auf:
Wird die Bundesregierung bei der Ausarbeitung des von ihr in ihrer Regierungserklärung angekündigten Bundesraumordnungsprogramms, in das sich u. a. die staatlichen Maßnahmen der Strukturpolitik, der regionalen Wirtschaftsförderung und des Städte- und Wohnungsbaus sinnvoll einfügen sollen, auch die vielfältigen steuerlichen Maßnahmen zur Erleichterung privater Investitionen in Form von Sonderabschreibungen, Investitionsprämien und steuerfreien Investitionszulagen u. ä. daraufhin überprüfen, ob sie in der Gesamtschau zu einer sinnvollen Dosierung des Investitionsanreizes in den jeweiligen Problemgebieten im Vergleich zu den nicht begünstigten Regionen führen, gesetzlich nicht so zusammengefaßt bzw. vereinheitlicht werden können, daß sie zusammen mit den direkten Hilfen aus einzelnen Förderprogrammen des Bundeshaushalts und der Länderhaushalte den interessierten Unternehmern wie der Offentiichkeit ein klares Bild über die Förderung privater Investitionen durch öffentliche Mittel geben?
Herr Bundesminister, ich darf bitten.
Die raumbeeinflussende Wirkung steuerlicher Maßnahmen ist der Bundesregierung bekannt. Sie wird deshalb in ihre weiteren Überlegungen über das Raumordnungsprogramm auch die Koordinierung steuerlicher Maßnahmen zur Erleichterung privater Investitionen einbeziehen. Dabei wird auch Gelegenheit sein, die von Ihnen angeregte Überprüfung anzustellen. Die Möglichkeit der gesetzlichen Zusammenfassung und Vereinheitlichung der steuerlichen Maßnahmen zur Erleichterung privater Investitionen wird die Bundesregierung ebenfalls prüfen. Hierzu gibt insbesondere die Steuerreform einen Anlaß.
Ich rufe die Frage 9 des Abgeordneten Dr. Riedl auf:
Welche obersten Bundesbehörden haben besondere Beauftragte für die Olympischen Spiele 1972 benannt, welche Aufgaben wurden diesen Beauftragten erteilt?
Bitte sehr, Herr Bundesminister!
Der Begriff „Beauftragter", den Sie, Herr Kollege, in Ihrer Frage verwenden, trifft hier nicht ganz zu. In der Fassung „Olympia-Beauftragter" hat er schon vielfach zu Mißverständnissen geführt. Es läßt sich dabei besser der Begriff „Verbindungsstelle" verwenden.
Bisher hat nur das Bundesministerium der Verteidigung einen Verbindungsstab in München aufgestellt. Dieser Stab hat den Auftrag, als unmittelbare Verbindungsstelle zwischen dem Ministerium und dem Organisationskomitee für die Olympischen Spiele 1972 zu dienen und die Unterstützungsmaßnahmen zu erleichtern, die die Bundeswehr im Bereich ihrer Liegenschaften und ihrer Logistik zu geben vermag.
Neuerdings stellt auch das Auswärtige Amt Überlegungen über die Einrichtung einer ähnlichen Verbindungsstelle an. Sie soll dem Organisationskomitee auf den Gebieten des Protokolls und der Betreuung ausländischer Gäste behilflich sein. Eine Entscheidung hierüber ist aber noch nicht getroffen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Riedl.
Herr Bundesminister, beabsichtigt die Bundesregierung, einen eigenen Regierungsbeauftragten für die Olympischen Spiele 1972 zu ernennen?
Herr Kollege, an sich ist die Bundesregierung ausreichend im Organisationskomitee für die Olympischen Spiele vertreten. Im übrigen liegt, wie Sie wissen, die Zuständigkeit beim Bundesminister des Innern.
Ob ein zentraler Verbindungsstab in München eingerichtet werden muß, kann in diesem Augen-
744 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 20. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Dezember 1969
blick noch nicht entschieden werden. Ich verschweige nicht, daß möglicherweise die Erkenntnis, die wir bei den nächsten Beratungen im Sportausschuß auch über die finanzielle Situation und über die sonstigen Probleme gewinnen werden, hier vielleicht eine andere Entscheidung bewirken könnte.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Riedl.
Herr Bundesminister, beabsichtigen Sie, für Ihr Haus einen sogenannten Verbindungsmann, wie Sie ihn nennen, zum Organisationskomitee der Olympischen Spiele in München zu beauftragen?
Herr Kollege, wenn ich von einer zentralen Verbindungsstelle sprach — falls es dazu kommt —, so meinte ich damit eine Verbindungsstelle des Bundesministers des Innern.
Die Fragen 10 bis 13 entfallen, da die angesprochenen Punkte sowieso auf der Tagesordnung stehen.
Ich rufe dann die Frage 14 des Abgeordneten Benda auf:
Hält die Bundesregierung es für vereinbar mit dem Grundgesetz und den Prinzipien der parlamentarischen Demokratie, wenn durch eine aktive Betätigung der Parlamentarischen Staatssekretäre im Parlament in ihrer Doppelrolle als Mitglieder des Deutschen Bundestages und als Mitglieder der Exekutive insofern, als sie Regierungsmitgliedern „zur Unterstützung beigegeben" sind, die verfassungsrechtlich geforderte Trennung zwischen Exekutive und Legislative bei der Gesetzgebungsarbeit und der Kontrolle der Regierung durchbrochen wird?
Der Bundesregierung ist bisher kein Fall bekannt, in dem die Betätigung der Parlamentarischen Staatssekretäre im Parlament zu verfassungsrechtlichen Bedenken unter dem Gesichtspunkt der Gewaltenteilung Anlaß gegeben hätte.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Benda.
Da Sie die Frage so beantworten, Herr Bundesminister, darf ich Sie fragen, ob Sie nicht einen Widerspruch darin sehen — und damit einen der Fälle, auf den die Hauptfrage abzielte —, daß einerseits nach dem, was man hört, die Funktion der Parlamentarischen Staatssekretäre verändert werden soll, und zwar in Richtung auf eine größere Nähe zu dem Amt der Bundesminister, daß andererseits aber die Parlamentarischen Staatssekretär als stellvertretende Mitglieder in Parlamentsausschüssen, d. h. weiterhin in ihrer Funktion als Abgeordnete tätig sein sollen?
Herr Abgeordneter, wenn ich zunächst den ersten Teil Ihrer Frage beantworten darf: Entscheidungen der Bundesregierung darüber, daß die Parlamentarischen Staatssekretäre eine sich der Stellung des Bundesministers annähernde Funktion erhalten sollen, sind
nicht gefallen. Insofern besteht kein aktueller Anlaß zu einer solchen Befürchtung.
Was im übrigen die Mitwirkung von Parlamentarischen Staatssekretären in den Ausschüssen, auch als stellvertretende Mitglieder, angeht, so sind hiergegen verfassungsrechtliche Bedenken nicht zu erheben. Es ist unbestritten, daß die Mitgliedschaft in der Bundesregierung, erst recht aber die Stellung als Parlamentarischer Staatssekretär, die Rechte als Mitglied dieses Hauses in keiner Weise berührt. Diese Rechte sind in ihrer stärksten Form, nämlich in der Abstimmung im Plenum, auch immer wieder von Mitgliedern aller Bundesregierungen in Anspruch genommen worden.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Benda.
Herr Bundesminister, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß durch die Bestellung von Parlamentarischen Staatssekretären — gegenwärtig, wenn ich richtig unterrichtet bin, zwölf — als stellvertretende Ausschußmitglieder in 15 Ausschüssen des Bundestages das Kontrollrecht der Legislative insofern ad absurdum geführt wird, als diese Kollegen einerseits als Sprecher der Bundesregierung im Ausschuß die Auffassung der Bundesregierung und des Ressorts, dem sie zugeordnet sind, zu vertreten haben, vertreten und vortragen, andererseits aber in demselben Ausschuß als Ausschußmitglieder die Kontrollfunktion des Parlaments gegenüber der Regierung und dem Ressort, dem sie selbst angehören, wahrnehmen?
Herr Kollege, ich habe schon dargelegt, daß es immer unbestritten war, daß sogar Mitglieder der Bundesregierung die Entscheidung im Parlament mittragen und hier abstimmen — die stärkste Form der Mitwirkung. Ein Mitglied der Bundesregierung kann also z. B. den Haushalt seines Ministeriums mit annehmen. Insofern sehe ich die Probleme, die Sie hier sehen, nicht.
Ich verschweige nicht, daß ich in einem einzigen Fall eine Ausnahme machen würde, nämlich bei der Mitwirkung in einem Untersuchungsausschuß, der Angelegenheiten des Hauses beträfe, in dem der Minister bzw. hier der Parlamentarische Staatssekretär tätig wäre. Aber auch an Plenarentscheidungen über das Ergebnis des Untersuchungsausschusses haben die Mitglieder der Bundesreigerung in der Vergangenheit jederzeit teilnehmen können.
Im übrigen ist das Problem, das Sie anschneiden, ja nicht neu. Die Möglichkeit, im Ausschuß tätig zu werden, bestand auch in der Vergangenheit. Und wenn ich es recht übersehe, hat man bei der Verabschiedung des Gesetzes über die Parlamentarischen Staatssekretäre keinen Anlaß genommen, hier etwa eine Grundgesetzänderung vorzunehmen.
Würde man Ihre Befürchtungen bis zur letzten Konsequenz durchdenken und bejahen, Herr Kollege, müßte das notwendigerweise dazu führen, daß Mitglieder der Bundesregierung und Parlamen-
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 20. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Dezember 1969 745
tarische Staatssekretäre ganz aus dem Parlament ausscheiden müßten.
Ich würde diese Konsequenz für falsch halten.
Herr Abgeordneter Arndt zu einer Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, können Sie bestätigen, daß ein Mitglied der Fraktion des Fragestellers, das in der vorigen Legislaturperiode Parlamentarischer Staatssekretär war, zugleich Mitglied eines Ausschusses war, und damit im Zusammenhang, daß der Parlamentarische Staatssekretär des Fragestellers ebenfalls in der vorigen Legislaturperiode während der Fragestunde eine Frage an ein Mitglied der Bundesregierung gerichtet hat?
Das erste kann ich nicht bestätigen. Ich müßte es nachprüfen, Herr Kollege. An das zweite glaube ich mich zu erinnern. Aber ich glaube, daß die sehr strenge Scheidung, die Herr Kollege Benda jetzt vornehmen will, auch in der Vergangenheit in einer Fülle von Einzelakten durchbrochen worden ist. Ich erinnere mich z. B. daran, daß in einer der letzten Sitzungen des vorigen Deutschen Bundestages einmal ein Mitglied der damaligen Bundesregierung kritisch zu den Ausführungen eines anderen Mitgliedes der Bundesregierung in der Weise von diesem Pult aus Stellung genommen hat, daß es als Abgeordneter sprach. Es handelte sich um den Bundesminister Schmücker.
Herr Abgeordneter Köppler zu einer Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, könnte die Tatsache, daß die Ihrer Partei angehörenden Parlamentarischen Staatssekretäre nicht Ausschüssen, die ihren jeweiligen Häusern zugeordnet sind, angehören, darauf zurückzuführen sein, daß Sie als Verfassungsminister gewisse Bedenken, wie sie der Kollege Benda in seiner Frage zum Ausdruck gebracht hat, in der Fraktion bekanntgegeben haben?
Nein, das ist nicht der Fall.
Ich rufe die Frage 15 des Abgeordneten Benda auf:
Wann und in welcher Weise beabsichtigt die Bundesregierung, ihre konkreten Vorstellungen über die Rolle der Parlamentarischen Staatssekretäre in Regierung und Parlament vorzulegen, nachdem Äußerungen von Ministein und Parlamentarischen Staatssekretären in der Öffentlichkeit den Eindruck entstehen lassen, daß sie von dieser Rolle Vorstellungen hat, deren Verwirklichung verfassungsrechtlicher und gesetzlicher Regelungen bedarf?
Bitte, Herr Minister!
Soweit eine Änderung der Geschäftsordnung der Bundesregierung erforderlich ist, hat die Bundesregierung heute eine entsprechende Änderung beschlossen, die jedoch noch der Genehmigung durch den Herrn Bundespräsidenten bedarf. Es kann darüber hinaus, Herr Kollege Benda, keinen Zweifel daran geben, daß Veränderungen in der Rolle der Parlamentarischen Staatssekretäre, die über die jetzt gegebenen gesetzlichen Möglichkeiten hinausgehen, nur durch eine Änderung der entsprechenden Gesetzesbestimmungen möglich wäre. Mit „entsprechenden Gesetzesbestimmungen" meine ich das Gesetz über die Parlamentarischen Staatssekretäre oder das Grundgesetz.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Benda.
Darf ich mir die Frage erlauben, Herr Bundesminister, ob Sie den zweiten Teil Ihrer soeben erteilten Antwort als eine Antwort
im Sinne der Regeln Fragestunde ansehen, nachdem ich Sie in meiner Hauptfrage, die ja schriftlich vorliegt, nicht nach den rechtlichen Möglichkeiten, sondern nach den aktuellen Vorstellungen der Bundesregierung gefragt habe. Ich ergänze die Frage dahin, wann Sie dem Parlament eventuelle Vorstellungen der Bundesregierung, falls sie diese hat, vorzulegen gedenken.
Zu der ersten Frage möchte ich sagen, daß ich mir nie erlauben würde, hier eine Antwort zu geben, die nach meiner Überzeugung nicht den Richtlinien für die Fragestunde entspricht.
Zu der zweiten Frage: Wenn die Bundesregierung zu der Auffassung kommen sollte — jetzt nehme ich fast die Antwort auf die Frage des Kollegen Köppler vorweg —, daß eine Änderung gesetzlicher Bestimmungen notwendig sei, so würde sie in einem sehr frühen Stadium der Erwägungen darüber in Konsultationen mit den Fraktionen dieses Hohen Hauses eintreten.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Benda.
Nachdem ich offenbar davon ausgehen muß, daß die Bundesregierung über die beabsichtigte Änderung der Geschäftsordnung hinaus zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine Vorstellungen auf dem Gebiet entwickelt hat, auf das meine Frage abzielt, möchte ich fragen, ob wir uns jedenfalls darüber einig sind, daß jede eventuelle Änderung der Rechtsstellung der Parlamentarischen Staatssekretäre — über die man natürlich reden könnte und müßte — ihre Grenzen dort findet, wo die Rechte und die Aufgaben des Parlaments beschränkt werden könnten oder die Kontrollfunktion des Parlaments beeinträchtigt werden könnte.
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Eine solche Grenze gibt es nicht nur für eine Änderung der Stellung der Parlamentarischen Staatssekretäre, sondern schlechthin, Herr Kollege.
Meine Damen und Herren, wir stehen am Ende der heutigen Fragestunde.
Ich berufe die nächste Sitzung auf morgen, Freitag, den 12. Dezember 1969, 9 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.