Protokoll:
6012

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 6

  • date_rangeSitzungsnummer: 12

  • date_rangeDatum: 14. November 1969

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 10:09 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 12. Sitzung Bonn, den 14. November 1969 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 439 A Wahl der Schriftführer gemäß § 3 GO (Drucksache VI/67) 439 A Fragestunde (Drucksachen VI/49, VI/64) Fragen der Abg. Härzschel und Ruf: Weihnachtsgeld und Krankenversicherungsbeitrag der Rentner Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär 439 A, B, 440 A, B, C, D, 441 B, C, 442 A, B, C, D, 443 A, B, C, D Härzschel (CDU/CSU) 440 A, B Ruf (CDU/CSU) 440 B, C Müller (Berlin) (CDU/CSU) 440D, 441 A Dr. Jaeger, Vizepräsident 439 A, 441 A Varelmann (CDU/CSU) 441 B Dr. Böhme (CDU/CSU) 441 C Katzer (CDU/CSU) 441 D, 442 A Moersch (FDP) 442 B Schmidt (Kempten) (FDP) 442 B Dr. Götz (CDU/CSU) 442 C, D Dr. Schellenberg (SPD) 443 A Franke (Osnabrück) (CDU/CSU) 443 B, B Freiherr von und zu Guttenberg (CDU/CSU) 443 C, D Fragen der Abg. Härzschel und Ruf: Berücksichtigung weiterer Gruppen von Leistungsempfängern Dr. Reischl, Parlamentarischer Staatssekretär 444 A, B, D, 445 A, B, C, D, 446 A Härzschel (CDU/CSU) 444 B, C Müller (Berlin) (CDU/CSU) 444 B Maucher (CDU/CSU) 445 A, B Ruf (CDU/CSU) 445 C Franke (Osnabrück) (CDU/CSU) 445 D, 446 A Frage des Abg. Dr. Schulze-Vorberg: Feststellung von Prof. Rostow betreffend isolationistische Strömungen in den USA Scheel, Bundesminister 446 A, C, D, 447 A, B, C, D, 448 A, B Dr. Schulze-Vorberg (CDU/CSU) 446 C, D Freiherr von und zu Guttenberg (CDU/CSU) 447 A, B Wischnewski (SPD) 447 B Baron von Wrangel (CDU/CSU) 447 C, D Moersch (FDP) 448 A Mattick (SPD) 448 B II Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 12. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. November 1969 Fragen des Abg. Kiel): Völkerrechtliche Anerkennung der „DDR" durch dritte Staaten als unfreundlicher Akt Scheel, Bundesminister 448 B, D, 449 A, B, C, D, 450 A, B, C, D, 451 A, B, C, D, 452 B, C, D Kiep (CDU/CSU) 448 C, D, 451 B Freiherr von und zu Guttenberg (CDU/CSU) 449 A, B, 451 B Blumenfeld (CDU/CSU) 449 C, D Dr. Hallstein (CDU/CSU) 449 D, 450 B Dr. Marx (Kaiserslautern) (CDU/CSU) 450 B Dr. Bach (CDU/CSU) 450 D Wienand (SPD) 451 C Dr. Gradl (CDU/CSU) . 451 D, 452 A, B Moersch (FDP) 452 B Dr. Mikat (CDU/CSU) 452 C, D Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 20. Dezember 1968 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Kaiserreich Iran zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (Drucksache VI/16) ; Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache VI/66) — Zweite Beratung . . 453 A Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP betr. Mitglieder des Gremiums gemäß § 9 Abs. i des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses 453 C Nächste Sitzung 453 C Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten 455 A Anlage 2 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Leicht betr. Preissteigerungen bei Kartoffeln, Fleisch und Koks 455 B Anlage 3 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Leicht betr. Belieferung der Haushalte mit Koks 455 D Anlage 4 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Richarts betr. Auswirkungen der DM-Aufwertung und der Franc-Abwertung auf den Fremdenverkehr 456 A Anlage 5 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Geisenhofer betr. unzureichende Renten 456 B Anlagen 6 und 7 Schriftliche Antworten auf die Mündlichen Fragen des Abg. Kern betr. Einberufungsbescheid für Wehr- und Ersatzdienstpflichtige 456 D, 457 A Anlage 8 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Kaffka betr. Freistellung vom Ersatzdienst für Wehrdienstverweigerer bei Verpflichtung zum Dienst im Katastrophenschutz 457 C Anlage 9 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dröscher betr. Änderung des Gesetzes über die Landabgaberente 457 C Anlage 10 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Nölling betr. Meldungen über Völkermord an Indianern in Brasilien 458 A Anlage 11 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Marx (Kaiserslautern) betr. Einstellung von SED-Funktionären zu der Einheit der Nation 458 B Anlage 12 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Marx (Kaiserslautern) betr. Einstellung der Bundesregierung zu dem Verlangen der DDR nach Respektierung ihrer staatlichen Existenz 458 C Anlage 13 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Zebisch betr. Beteiligung der Bundesregierung an den Kosten der Olympischen Spiele 1972 458 D Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 12. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. November 1969 III Anlage 14 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Zebisch betr. restaurative und autoritäre Tendenzen bei der Jugend 459 A Anlage 15 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Biechele betr. die Klosterkaserne in Konstanz 459 C Anlage 16 Schriftliche Antwort auf die Schriftlichen Fragen des Abg. Dr. Lenz (Bergstraße) betr. Ausbau der Bundesstraßen im Kreis Bergstraße 459 D Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 12. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. November 1969 439 12. Sitzung Bonn, den 14. November 1969 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Achenbach ** 14. 11. Dr. Aigner ** 14. 11. Dr. Apel ** 14. 11. Amrehn * 16. 11. Dr. Artzinger ** 14. 11. Behrendt ** 14. 11. Dr. Birrenbach 14. 11. Dr. Burgbacher 14. 11. Damm 14. 11. Dichgans ** 14. 11. Dr. Dittrich ** 14. 11. Dorn 14. 11. Frau Dr. Elsner 14. 11. Frau Geisendörfer 14. 11. Gerlach ** 14. 11. Gottesleben 31. 12. Frau Dr. Henze 14. 11. Frau Herklotz * 17. 11. Herold 14. 11. Dr. Jungmann 14. 11. Frau Kalinke * 17. 11. Dr. Kempfler 14. 11. Frau Krappe 14. 11. Kriedemann ** 14. 11. Dr. Lohmar 14. 11. Lücke (Bensberg) 30. 11. Lücker (München) 14. 11. Müller (Aachen-Land) ** 14. 11. Müller (Niederfischbach) 14. 11. Ott 14. 11. Petersen * 17. 11. Dr. Prassler 14. 11. Reddemann 14. 11. Dr. Rinderspacher 14. 11. Rollmann 14. 11. Seibert 14. 11. Frau Schroeder (Detmold) 14. 11. Schulhoff 14. 11. Dr. Schwörer 14. 11. Spilker 14. 11. Dr. h. c. Strauß 6. 12. Unertl 14. 11. Werner 14. 11. Frau Dr. Wolf * 20. 11. Zoglmann 14. 11. * Für die Teilnahme an einer Tagung der Interparlamentarischen Union ** Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments Anlage 2 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Arndt vom 13. November 1969 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Leicht (Drucksache VI/49 Frage A 7) : Wie hoch sind die Preissteigerungen, die sich bei Kartoffeln, Fleisch und Koks im Laufe des Jahres ergehen haben, und auf welche Ursachen sind diese Preissteigerungen zurückzuführen? Die Steigerung der Verbraucherpreise - ich nehme an, daß sich Ihre Frage darauf bezieht -betrug seit Beginn des Jahres - gemessen am Preisindex für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte - bei Kartoffeln 37 %, bei Frischfleisch zwischen 2 % und 7,5 % und bei Zechenbrechkoks II 16 N. Bei Kartoffeln war die Preisentwicklung in erster Linie die Folge niedrigeren Angebots auf Grund erheblich verringerter Anbauflächen. Die Verteuerungen bei Frischfleisch sind, soweit sich dies aus preisstatistischen Daten entnehmen läßt, hauptsächlich das Ergebnis erweiterter Bearbeitungs- und Vertriebsspannen, die wegen der konjunkturell hohen Verbrauchernachfrage durchgesetzt werden konnten. Bei Schweinefleisch wirkte sich außerdem in erheblichem Maße das zyklisch schwankende und zur Zeit vergleichsweise geringe Angebot an Schlachtschweinen aus. Die Preisentwicklung bei Koks ist unmittelbar eine Folge der starken Erhöhung der Arbeits- und Materialkosten im Spätsommer dieses Jahres zuzüglich einer Preiskorrektur zur Verminderung der bisherigen Verluste im Verkokungsprozeß. Letzten Endes ist die Kostenexplosion in der Montanindustrie durch die Übernachfrage in der Gesamtwirtschaft und insbesondere nach Erzeugnissen der eisenschaffenden Industrie verursacht worden. Durchgreifende Maßnahmen zur Beseitigung der Übernachfrage wurden dem Bundesminister für Wirtschaft im Frühjahr und im Sommer dieses Jahres von der Bundesregierung verweigert. Anlage 3 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatsskretärs Dr. Arndt vorn 13. November 1969 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Leicht (Drucksache VI/49 Frage A 8) : Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um die Haushalte mit Koks für den Winter 1969/70 ausreichend beliefern zu können? Um das Koksangebot für den Hausbrandverbraucher soweit wie möglich zu steigern, wurden folgende Maßnahmen ergriffen: 1. Der Einfuhr von Koks wurde in vollem Umfange freigegeben. 2. Die in der Bundesrepublik vorhandenen Verkokungskapazitäten der Zechen- und Hüttenkokereien sowie der noch betriebenen Gaswerke werden unter Einsatz aller technischen Mittel ausgenutzt. 3. Durch Lohnverkokungsverträge mit stillgelegten Gaswerken im Inland sowie bei Kokereien im Ausland wird das Koksaufkommen erhöht. 456 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 12. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. November 1969 4. Aus den Koksreserven Berlins wird im Einvernehmen mit dem Berliner Senat und den Alliierten Brechkoks für das Bundesgebiet — bisher 100 000 t — zur Verfügung gestellt. 5. Die Eisen- und Stahlindustrie hat sich bereit erklärt, ihre Koksbezüge im 2. Halbjahr 1969 um monatlich jeweils 40 000 t zu kürzen. 6. Der Steinkohlenbergbau vermindert, soweit irgend möglich, seine Exporte zugunsten einer besseren Inlandsversorgung. Durch diese Maßnahmen ist das gesamte Koksangebot auf dem Binnenmarkt um etwa 2,4 Mio t erhöht worden. Anlage 4 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Arndt vom 13. November 1969 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Richarts (Drucksache VI/49 Fragen A 17 und 18) : Teilt die Bundesregierung die Ansicht, daß die DM-Aufwertung einerseits und die Franc-Abwertung andererseits beträchtliche Auswirkungen auf die Fremdenverkehrsgebiete haben wird, die bisher von vielen Gästen aus dem Abwertungsgebiet des Franc besucht wurden? Ist die Bundesregierung bereit, die wirtschaftliche Auswirkung der DM-Aufwertung auf alle Fremdenverkehrsgebiete genau zu verfolgen und eventuelle Hilfsmaßnahmen für das Fremdenverkehrsgewerbe einzuleiten? Franc-Abwertung und DM-Aufwertung wirken, auch soweit der grenzüberschreitende Fremdenverkehr zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich betroffen ist, in der gleichen Richtung. Die Leistungen der französischen Fremdenverkehrswirtschaft sind für Deutsche zunächst billiger geworden, die Leistungen der deutschen Fremdenverkehrswirtschaft für Franzosen entsprechend teurer. Nur in einigen Gebieten haben französische Erholungsreisende einen nennenswerten Anteil. Dazu gehören vor allem der westliche Schwarzwald, das Moselgebiet und die angrenzenden Teile von Rheinland-Pfalz. Die Auswirkungen auf die deutschen Fremdenverkehrsgebiete werden also unterschiedlich sein. Deshalb wird die Bundesregierung die Auswirkungen der Paritätsänderungen in allen Bereichen sorgfältig beobachten und dem Hohen Hause gegebenenfalls berichten. Anlage 5 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Rohde vorn 14. November 1969 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Geisenhofer (Drucksache VI/49 Fragen A 26 und 27) : Wie viele Rentner, hauptsächlich Frauenrentnerinnen, gibt es in der Arbeiterrentenversicherung, die trotz 30, 40 oder 50 Versicherungsjahren nur knapp über dem Existenzminimum der Sozialhilfe oder darunter liegen, und ist der Bundesregierung bekannt, daß infolge der früheren unterbezahlten Frauenarbeit bei den meisten Renten für weibliche Versicherte der Arbeiterrentenversicherung die persönliche Bemessungsgrundlage auch ohne Berücksichtigung niedrig entrichteter, freiwilliger Beiträge unter 60 % der allgemeinen Bemessungsgrundlage liegt? Welche Maßnahme gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, um in der Zeit des wachsenden Wohlstandes diese trotz erfülltem Arbeitsleben unzureichenden Renten anzuheben, und könnte diese Härte durch Festsetzung einer Mindestbemessungsgrundlage für geleistete Pflichtbeiträge für glaubhaft gemachte Ganztagsbeschäftigung beseitigt werden? Der Bundesregierung ist durchaus bewußt, daß es sich hier um einen Bereich der Sozialversicherung handelt, der einer Aufarbeitung bedarf. Das beginnt mit den Zahlen: Aus den vorliegenden Statistiken ist dem Ministerium die Zahl der Rentner, deren Renten nach 30 oder mehr Versicherungsjahren in der Arbeiterrentenversicherung den SozialhilfeRegelsatz nicht überschreiten, nicht genau bekannt. Vergleicht man die Einzelrente mit dem SozialhilfeRegelsatz für einen Ein-Personen-Haushalt, so ergibt sich eine Zahl, die auf rund. 100 000 Rentner geschätzt wird. Dabei handelt es sich überwiegend um Frauen und fast durchweg um Berufsunfähigkeitsrenten. Renten wegen Erwerbsunfähigkeit und Altersruhegeld sind bei 30 und mehr Versicherungsjahren in aller Regel höher als der Sozialhilfe-Regelsatz. Um größere Klarheit über die Zahlen zu erreichen, wird sich der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung mit den Versicherungsträgern in Verbindung setzen. Wir wissen auch, daß die persönliche Bemessungsgrundlage bei etwa der Hälfte der weiblichen Rentner unter 60 % der allgemeinen Bemessungsgrundlage liegt. Aus den bisher vorhandenen Unterlagen lassen sich jedoch noch keine genauen Feststellungen über die Gründe hierfür treffen. Auch das wird demnächst untersucht werden müssen. Sie wissen, daß die Bundesregierung im nächsten Jahr dem Hohen Hause einen Bericht über Unzulänglichkeiten in der Rentenversicherung vorzulegen hat. Sie wird dabei prüfen, wie die von Ihnen aufgeworfenen Probleme gelöst werden können. In diese Prüfung wird auch der Gedanke der Mindestbemessungsgrundlage für Pflichtbeiträge bei Ganztagsbeschäftigung einbezogen. Anlage 6 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Rohde vom 14. November 1969 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Kern (Drucksache VI/49 Frage A 28) : Hält die Bundesregierung — im Interesse der Gleichbehandlung der Wehrdienstpflichtigen und Ersatzdienstpflichtigen — es für vertretbar, daß Wehrdienstpflichtige vor ihrem Einberufungsbescheid einen vorläufigen Bescheid bekommen, Ersatzdienstpflichtige dagegen nur den endgültigen Bescheid? Die Prüfung des Sachverhalts hat folgendes ergeben: Wehrdienstpflichtige erhalten zumeist schon 10 Wochen vor dem beabsichtigten Einberufungstermin ihren Einberufungsbescheid. Was die anerkannten Kriegsdienstverweigerer anbetrifft, so wird ihnen in aller Regel bereits 12 Wochen vor dem beabsichtig- Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 12, Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. November 1969 457 ten Einberufungstermin zum Ersatzdienst zunächst ein Ankündigungsschreiben zugestellt. Den formellen Einberufungsbescheid erhalten sie dann etwa 6 Wochen vor dem mitgeteilten Termin. Es muß zugegeben werden, daß vom Bundesverwaltungsamt im September und Oktober 1969 auf die Vorankündigung verzichtet und von der in dem Gesetz über den zivilen Ersatzdienst eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht wurde, die Einberufungsbescheide 4 Wochen vor dem vorgesehenen Einberufungstermin zu erteilen. Diese Maßnahme wurde damit begründet, daß die inzwischen neugeschaffenen Einsatzplätze im Interesse der Wehrgerechtigkeit und der Einrichtungen alsbald zu besetzen seien. Inzwischen ist das Bundesverwaltungsamt zu dem früheren Verfahren zurückgekehrt. Ich kann Ihnen sagen, daß wir uns darum bemühen werden, daß es bei diesem Verfahren auch in Zukunft verbleibt. Anlage 7 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Rohde vom 14. November 1969 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Kern (Drucksache VI/49 Frage A 29) : Hält die Bundesregierung es für zumutbar, daß ein Ersatzdienstpflichtiger, der unmittelbar nach Beginn seines Studiums die Einberufung zum Ersatzdienst erhält, für die entstandenen Kosten im Zusammenhang mit dem Studiumbeginn selbst aufkommt, wenn er sein Studium abbricht, um den Ersatzdienst anzutreten, und könnten solche Härten nicht dadurch vermieden werden, daß Ersatzdienstpflichtige auch einen vorläufigen Bescheid bekommen, um sich zeitlich auf die Ableistung der Ersatzdienstpflicht einstellen zu können? Anerkannte Kriegsdienstverweigerer erhalten mit dem Anerkennungsbescheid die sogenannten „Wichtigen Hinweise für anerkannte Kriegsdienstverweigerer" ausgehändigt. Darin ist ausdrücklich darauf hingewiesen, daß nach § 11 des Ersatzdienstgesetzes die Zurückstellung wegen eines Studiums nur möglich ist, wenn das Studium bereits weitgehend gefördert ist. Dies ist — entsprechend der Regelung der Bundeswehr — nur dann der Fall, wenn der Dienstpflichtige mindestens 2 Semester studiert hat. in besonderen Härtefällen — z. B. wenn die Einberufung den Wegfall eines Stipendiums nach sich ziehen würde — kann auch schon im 1. oder 2. Semester zurückgestellt werden. Dies hängt jedoch stets von den besonderen Umständen des Einzelfalles ab. Wenn dagegen ein anerkannter Kriegsdienstverweigerer bereits das Studium aufgenommen, aber noch keine zwei Semester studiert hat, wird ihm im Falle der Einberufung Gelegenheit gegeben, das begonnene Semester zu beenden. Nach seiner Entlassung aus dem Ersatzdienst kann er das unterbrochene Studium fortsetzen. Besondere finanzielle Belastungen entstehen dem Ersatzdienstpflichtigen somit in aller Regel nicht. Im übrigen soll durch die bereits von mir genannte Vorankündigung der Einberufung dem Ersatzdienstpflichtigen die Möglichkeit gegeben werden, sich rechtzeitig auf die Ableistung des Ersatzdienstes einzustellen. Anlage 8 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Rohde vom 14. November 1969 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Kaffka (Drucksache VI/49 Fragen A 30 und 31) : Gibt es einen vernünftigen Grund, einen Wehrdienstverweigerer, der eine 10jährige Verpflichtung zum Dienst im Katastrophenschutz eingegangen ist, nicht freizustellen vom zivilen Ersatzdienst im Gegensatz zur Freistellung eines wehrpflichtigen Helfers vom Wehrdienst? Ist die Bundesregierung bereit, dem Wehrdienstverweigerer, der zivilen Ersatzdienst zu leisten hat, die gleiche Möglichkeit zu eröffnen wie dem Wehrpflichtigen, der sich zehn Jahre zum Dienst im Katastrophenschutz verpflichtet hat und damit die Freistellung vom Wehrdienst erlangt? Die von Ihnen, Herr Kollege Kaffka, gestellte Frage war zwischen den zuständigen Ressorts der vorigen Bundesregierung umstritten; bis zum Regierungswechsel konnte die Streitfrage nicht gelöst werden. Ich kann Ihnen versichern, daß die Bundesregierung diese Frage aufgreifen wird, um hier zu einer zufriedenstellenden Lösung zu gelangen. Anlage 9 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Rohde vom 14. November 1969 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dröscher (Drucksache VI/49 Frage A 34) : Ist die Bundesregierung bereit, nachdem sich herausgestellt hat, daß das Gesetz über die Landabgaberente bei Aufrechterhaltung der jetzigen Bestimmungen über die Höchstgrenze für abgabefähige Betriebe in doppelter Höhe der Mindestbetriebsgrenze in einer viel zu geringen Zahl von Fällen angewandt werden kann, möglichst bald eine Novelle vorzulegen, mit der diese Schwierigkeiten ausgeräumt und damit dem Gesetz eine tatsächliche strukturelle Wirkung gegeben werden kann? Die Landabgaberente ist durch die am 1. August 1969 verkündete 4. Novelle zum Altershilfegesetz für Landwirte eingeführt worden. Sie bezweckt in erster Linie, älteren Inhabern landwirtschaftlicher Betriebe, deren Größe im allgemeinen 8 bis 10 Hektar nicht überschreitet, das Ausscheiden aus ,der landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit zu erleichtern und die dadurch frei werdenden Nutzflächen für eine Verbesserung der Agrar- und Infrastruktur nutzbar zu machen. Ich darf Ihnen sagen, daß wir die bisherigen Erfahrungen mit ,der neuen Maßnahme sorgfältig auswerten werden, um abschließend beurteilen zu können, ob bei Begrenzung der Betriebsgröße auf 8 bis 10 Hektar die mit der Landabgaberente beabsichtigte sozial- und strukturpolitischen Wirkungen überhaupt zu erreichen sind. Anfang nächsten Jahres werden die Bundesministerien für Arbeit und Sozialordnung sowie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gemeinsam prüfen, ob und in welchem Maße eine Erweiterung der Höchstgrenze erforderlich ist und welche finanziellen Möglichkeiten hierfür bestehen. 458 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 12. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. November 1969 Anlage 10 Schriftliche Antwort des Bundesministers Scheel vom 14. November 1969 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Nölling (Drucksache VI/49 Frage A 87): Hat die Bundesregierung davon Kenntnis genommen, daß die deutsche Öffentlichkeit über Meldungen aus Brasilien beunruhigt ist, nach denen dort Völkermord an Indianern betrieben wird, und sieht sie Möglichkeiten, der brasilianischen Regierung unsere Sorge über das Schicksal dieser Menschen nahezubringen und nachdrücklich gegen die berichteten unmenschlichen Praktiken zu protestieren? Die Bundesregierung hat davon Kenntnis genommen, daß die deutsche Öffentlichkeit durch Meldungen über Morde an Indianern in Brasilien beunruhigt ist. Das Auswärtige Amt hat daher die deutsche Botschaft in Rio de Janeiro am 1. Oktober 1969 gebeten, über die tatsächliche Grundlage dieser Meldungen zu berichten. Nach den vorliegenden Berichten ergibt sich folgendes Bild: Verbrecherische Übergriffe gegen die Indianer haben sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten in Brasilien ereignet. Dieses Unrecht erregte nicht nur die Öffentlichkeit im Ausland, sondern auch in Brasilien selbst. Die brasilianische Regierung ist sofort eingeschritten, nachdem sie von den Übergriffen Kenntnis erhalten hatte. Sie löste den staatlichen „Indianerschutzdienst" wegen vorgekommenen Machtmißbrauchs auf und zog die Schuldigen in Strafverfahren zur Rechenschaft. Gleichzeitig ergriff sie geeignet erscheinende Maßnahmen, um die Indianer verstärkt zu schützen. Der Schutz der Indianer wurde einer Nationalen Indianerstiftung übertragen; es wurden Indianerreservate, Krankenhäuser, Gesundheitsdienste und Hilfsstationen eingerichtet. Die ungeheure Ausdehnung des brasilianischen Staatsgebietes und die begrenzten finanziellen Mittel eines Entwicklungslandes erschweren jedoch die Bemühungen der brasilianischen Regierung. Es wird gegenwärtig geprüft, in welcher geeigneten Weise der brasilianischen Regierung die Anteilnahme der deutschen Öffentlichkeit am Schicksal der brasilianischen Indianer nahegebracht werden kann. Dagegen sieht die Bundesregierung einen Protest nicht als möglich an. Der brasilianische Staat würde dies nicht nur mit Recht als einen Eingriff in seine eigene Gerichtsbarkeit und in seine inneren Angelegenheiten auffassen, sondern es fehlt auch an dem Nachweis, daß sich in jüngster Zeit erneut Indianerverfolgungen ereigneten. Anlage 11 Schriftliche Antwort des Bundesministers Scheel vom 14. November 1969 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Marx (Kaiserslautern) (Drucksache VI/49 Frage A 88) : Sind der Bundesregierung Dokumente zugänglich oder Signale bekannt, die darauf schließen lassen, daß Verantwortliche der SED die „Einheit der Nation" überhaupt wollen? Im Einvernehmen mit dem Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen teile ich Ihnen mit: Seit etwa Ende 1967 hat die Regierung in Ostberlin ständig in offiziellen Reden, amtlichen Erklärungen und sonstigen Dokumenten die Einheit der deutschen Nation betont. Die Einheit der Nation ist u. a. auch der am 6. April 1969 in Kraft getretenen Verfassung der DDR zugrunde gelegt worden (Präambel Satz 1 und 2 und Artikel 1 Satz 1). Sie ist auch in dem Vertragsentwurf berücksichtigt worden, den der Ostberliner Ministerratsvorsitzende Stoph mit Schreiben vom 18. September 1967 dem früheren Bundeskanzler Kiesinger übersandt hat. Anlage 12 Schriftliche Antwort des Bundesministers Scheel vom 14. November 1969 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Marx (Kaiserslautern) (Drucksache VI/49 Frage A 89) : Welche Variante der vielfachen Interpretation des Begriffes „Anerkennung" meint der Bundesaußenminister, wenn er davon spricht, daß die Bundesregierung dem „Verlangen der DDR nach Respektierung ihrer staatlichen Existenz nicht im Wege stehen" wolle? Ich habe nicht erklärt, daß die Bundesregierung dem Verlangen der DDR nach Respektierung ihrer staatlichen Existenz nicht im Wege stehen wolle, sondern daß dieses Verlangen der Aushandlung eines geregelten Sonderverhältnisses zwischen Bundesrepublik und DDR nicht im Wege stehen soll. Die Bundesregierung hat ihre Bereitschaft erklärt, im nationalen Bereich dem Verlangen der DDR nach Respektierung ihrer staatlich organisierten Existenz Rechnung zu tragen; sie tut dies, um innerdeutsche Regelungen zu ermöglichen. Eine völkerrechtliche Anerkennung der Teilung Deutschlands lehnt .sie jedoch ab. Was nun die Benutzung des Begriffs Anerkennung angeht, so erinnere ich daran, daß der frühere Bundeskanzler Kiesinger vor etwa zwei Jahren vor diesem Hause einmal vorgeschlagen hat: man sollte, wenn man nicht die völkerrechtliche Anerkennung meint, den Ausdruck Anerkennung lieber nicht verwenden, damit keine Mißverständnisse entstehen. Ich möchte heute von mir aus den gleichen Vorschlag machen; er scheint mir im allgemeinen Interesse zu liegen. Anlage 13 Schriftliche Antwort des Bundesministers Genscher vom 13. November 1969 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Zebisch (Drucksache VI/49 Frage B 1): Welchen Anteil an den Kosten der Olympischen Spiele 1972 wird die Bundesregierung insgesamt übernehmen? Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 12. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. November 1969 459 Die Bundesregierung steht zur Zeit in Konsortialverhandlungen mit dem Freistaat Bayern und der Landeshauptstadt München. Die Verhandlungen haben auf Wunsch der Verhandlungspartner auch die Frage zum Gegenstand, ob und inwieweit der Anteil des Bundes an den Kosten der Olympischen Spiele 1972 erhöht wird. Sie werden Verständnis dafür haben, daß ich dem Ergebnis der Verhandlungen und der Entscheidung des Bundeskabinetts nicht vorgreifen kann. Anlage 14 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Westphal vom 1l . November auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Zebisch (Drucksache VI/49 Frage B 2) : Wird die Bundesregierung die in „Die Welt" vorn 27. Oktober 1969 referierte Untersuchung Prof. Jaides, derzufolge sehr starke restaurative-autoritäre Tendenzen bei der Jugend mit Grundschulbildung festzustellen sein sollen. dem Deutschen Bundestag zur Kenntnis bringen und welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung einzuleiten, wenn die Untersuchung repräsentativ und signifikant in ihren Ergebnissen sein sollte? Die in der Zeitung „Die Welt" vom 27. Oktober 1969 referierte Untersuchung von Prof. Dr. Jaide liegt noch nicht schriftlich vor. Die Bundesregierung hat jedoch von den Ausführungen von Prof. Dr. Jaide vor dem Ausschuß Jugend und Politik des Kuratoriums „Unteilbares Deutschland" am 25./26. Oktober 1969 in Berlin sowie von verschiedenen darüber erschienenen Veröffentlichungen Kenntnis genommen. Sie hat daraufhin Herrn Prof. Dr. Jaide gebeten, ihr baldmöglichst ein Exemplar der endgültigen Fassung seiner Untersuchung zur Verfügung zu stellen. Da aus den bisher vorhandenen Informationen über die noch nicht vollständig ausgewertete Untersuchung noch nicht deutlich erkennbar ist, wie groß die Gruppierungen sind, die Prof. Jaide den fünf von ihm genannten Tendenzen - darunter auch eines restaurativen und faschistoiden Faktors — zuordnet, wird erst die Veröffentlichung der Untersuchung selbst ermöglichen, zu prüfen, ob solche Erscheinungen bei einem nennenswerten Teil der Jugend auftreten. Hierüber werden wir gern zu gegegebener Zeit den zuständigen Ausschuß des Deutschen Bundestages unterrichten. Unabhängig von dieser Untersuchung und den daraus für die politische Bildung zu ziehenden Konsequenzen beabsichtigt die Bundesregierung, ihre Förderung der politischen Bildung junger Menschen zu verstärken. Sie denkt dabei u. a. an gemeinsame Aktionen der freien Träger der politischen Bildung, also insbesondere der Jugendbildungsstätten und der Jugendverbände, und wird in Kürze mit diesen Gespräche darüber aufnehmen. Bisher sind gravierende rechtsradikale Strömungen in der Jugend der Bundesrepublik Deutschland kaum festgestellt worden. Die Erfahrungen der Landtagswahlen der letzten Jahre — die Bundestagswahlen 1969 sind noch nicht abschließend untersucht — zeigen vielmehr, daß die junge Generation, insbesondere die Jungwähler (21 bis 29 Jahre) bei den Stimmen der extremen Rechtsparteien durchweg unterrepräsentiert waren gegenüber dem Durchschnitt der Bevölkerung. Anlage 15 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Berkhan vom 12. November auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Biechele (Drucksache VI/49 Fragen B 3 und 4) : Ist der Bundesregierung nach dem bisherigen Briefwechsel zwischen dem Finanzministerium Baden-Württemherg und dem Bundesminister der Verteidigung hinreichend bekannt, daß das inmitten der City von Konstanz gelegene und in sich geschlossene 765,25 a große Areal der Klosterkaserne, in der französische Einheiten untergebracht sind, die bauliche und verkehrsmäßige Entwicklung der Stadt in einer Weise behindert, die ihre Zukunft in Frage stellt? Ist daher die Bundesregierung bereit, ihre Möglichkeiten für die Freimachung der Klosterkaserne einzusetzen, damit die Stadt Konstanz eine moderne, zukunftsorientierte und wirtschaftliche Verkehrsplanung und Verkehrsentflechtung in der City durchführen kann? 1. Der Bundesregierung ist bekannt, daß die Stadt Konstanz das Gelände der Klosterkaserne in die Stadtplanung, insbesondere in die städtische Verkehrsplanung, einbeziehen möchte. 2. Der Bundesminister der Verteidigung unterstützt das Anliegen der Stadt Konstanz. Er hat auf Anregung des Finanzministeriums Baden-Württemberg das französische Oberkommando um eine Untersuchung gebeten, ob sich der bisher von der Landesversicherungsanstalt Württemberg genutzte Komplex der Heilstätte auf dem Heuberg für die Unterbringung der französischen Einheit aus der Klosterkaserne eignet. Eine Stellungnahme der französischen Streitkräfte liegt noch nicht vor. Das französische Oberkommando hat sich außerdem bereit erklärt, mit dem Land Baden-Württemberg und der Stadt Konstanz über die Frage der Freigabe der Klosterkaserne zu verhandeln. Diese Verhandlung wird voraussichtlich gegen Ende dieses Jahres stattfinden. Anlage 16 Schriftliche Antwort des Bundesministers Leber vom 12. November 1969 auf die Schriftlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Lenz (Bergstraße) (Drucksache VI/49 Fragen B 5 und 6) : Welche Pläne hat die Bundesregierung für den Ausbau der Bundesstraßen im Kreis Bergstraße in den nächsten vier Jahren? 460 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 12. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. November 1969 Welche Bedeutung mißt die Bundesregierung beim weiteren Ausbau der Bundesstraßen im Kreis Bergstraße den Ost Westverbindungen bei? Als wichtigste Maßnahmen der Bundesstraßen im Kreis Bergstraße sind in den nächsten 4 Jahren seitens der Bundesregierung folgende größere Bauvorhaben vorgesehen: Ausbau der B 3 zwischen Heppenheim und der Kreisgrenze nördlich Zwingenberg einschließlich Ausbau der Ortsdurchfahrten Heppenheim und Bensheim. Im Zuge der B 44 Neubau der Umgehungsstraßen Bobstadt und Bürstadt. Ferner ist die Verlegung innerhalb der Ortsdurchfahrt Lampertheim sowie der vierspurige Ausbau zwischen Lampertheim und Bürstadt beabsichtigt. Voraussetzung für den Bau dieser beiden letzten Maßnahmen ist allerdings, daß die rechtlichen Voraussetzungen bis dahin erfüllt sind. Im Zuge der B 47 Neubau der Umgehung Bürstadt. Im Zuge der B 460 Verlegung zwischen Heppenheim und Lorsch einschließlich Umgehungsstraße Lorsch mit neuem Anschluß an die B 47. Darüber hinaus sind weitere grundlegende Verbesserungen im Zuge der Bundesstraßen 38, 47 und 460 in den nächsten 4 Jahren vorgesehen, so daß diese Straßenzüge dann den Verkehrsanforderungen entsprechend ausgebaut sind. Nach dem gegenwärtigen Stand der Vorarbeiten wird mit der Verlegung der B 37 bei Hirschhorn (Tunnelprojekt) voraussichtlich 1971/72 begonnen werden. Inwieweit die Ost-West-Verbindungen im Kreis Bergstraße einen weiteren Ausbau erforderlich machen, wird im Rahmen der beabsichtigten Verkehrsuntersuchung für die Odenwaldautobahn festgestellt werden. Ihr Bau ist in dem in Frage stehenden Bereich im 2. Fünfjahresplan des Neuen Ausbauplanes, etwa in dem Zeitraum 1967 bis 1983, vorgesehen, so daß die Untersuchung im Laufe der nächsten Jahre durchgeführt werden kann.
Gesamtes Protokol
Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601200000
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren! Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die heutige Tagesordnung erweitert werden um die
Wahl der Schriftführer gemäß § 3 der Geschäftsordnung
— Drucksache VI/67 —
Ist das Haus damit einverstanden? — Dann wird dies auf die Tagesordnung gesetzt. Kann ich davon ausgehen, daß wir diesen Punkt gleich vorweg behandeln? — Ich höre keinen Widerspruch. Der Wahlvorschlag liegt Ihnen auf Drucksache VI/67 vor. Widerspruch erhebt sich nicht; dann sind die Schriftführer entsprechend gewählt.
Ich komme damit zu Punkt 1 der Tagesordnung: Fragestunde
— Drucksachen VI/49, VI/64 —
Sie beginnt mit zwei Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit. Ich rufe zuerst von Drucksache VI/49 die Frage 32 des Abgeordneten Härzschel auf:
Treffen Pressemeldungen zu, wonach die Bundesregierung beabsichtigt, ein Weihnachtsgeld an die Rentner zu zahlen, weil die Preise gestiegen seien, und wie will die Bundesregierung gegebenenfalls diese Zuwendungen in Höhe von ca. 500 Millionen DM finanzieren?
Herr Staatssekretär, ich darf bitten!

Helmut Rohde (SPD):
Rede ID: ID0601200100
Herr Präsident, ich bitte darum, daß ich gleichzeitig mit der Frage 32 des Kollegen Härzschel die Dringliche Mündliche Frage Nr. 1 des Abgeordneten Ruf beantworten darf.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601200200
Sie wollen die Frage des Abgeordneten Härzschel, die ich aufgerufen habe, und die Frage 1 des Abgeordneten Ruf aus der Drucksache VI/64 zusammen beantworten? — Die Herren Abgeordneten haben nichts dagegen? — Dann rufe ich zusätzlich die Dringliche Mündliche Frage Nr. 1 des Abgeordneten Ruf auf:
Wer soll die Aufwendungen tragen, die durch die nach Pressemitteilungen von der Bundesregierung beabsichtigte Streichung des Rentnerkrankenversicherungsbeitrages ab 1. Januar 1970 entstehen?
Bitte sehr!

Helmut Rohde (SPD):
Rede ID: ID0601200300
Ich bitte um Verständnis dafür, Herr Kollege Härzschel, daß ich heute nicht auf Pressemitteilungen und Spekulationen der letzten Wochen und ihre Vorgeschichte eingehe. Ich möchte mich auf den konkreten Beschluß beziehen, den gestern die Bundesregierung gefaßt hat. Er beinhaltet, daß der Rentnerkrankenversicherungsbeitrag in Höhe von 2 % ab 1. Januar 1970 entfallen soll. Das wird sich auf die Bezüge von rund 9 Millionen Rentnern auswirken. Die Belastungen der Rentner durch den Krankenversicherungsbeitrag, die seinerzeit im Zusammenhang mit der Finanzmisere des Bundeshaushalts eingeführt wurden, sind, wie allen Mitgliedern dieses Hohen Hauses bekannt ist, ein Gegenstand ständigen Ärgernisses und ständiger Anfragen gewesen. Auch die Bundesregierung hat eine Fülle von Eingaben dazu erhalten. Sie sieht sich nunmehr nach Prüfung der finanziellen Möglichkeiten in der Lage, dem Hause vorzuschlagen, diese Belastung abzuschaffen.
Zur Frage des Herrn Kollegen Ruf nach den finanziellen Aufwendungen möchte ich folgendes ausführen. Alle Rentner erhalten 1970 insgesamt rund 800 Millionen DM mehr ausgezahlt. Davon kommen auf die Rentner der Arbeiterrentenversicherung 436 Millionen DM, auf die Rentner der Angestelltenversicherung 264 Millionen DM und auf die Rentner der Knappschaftsrentenversicherung rund 92 Millionen DM. Die Mehrausgaben der knappschaftlichen Rentenversicherung gehen zu Lasten des Bundes; die anderen 700 Millionen DM werden von der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten getragen.
Die Bundesregierung konnte sich zu diesem Schritt entschließen, weil die Einnahmen der genannten Rentenversicherungsträger höher sind, als der frühere Arbeitsminister in der langfristigen Vorausschau für die Rentenversicherung mitgeteilt hatte. Bei den früheren Vorausschätzungen war beispielsweise eine Erhöhung des durchschnittlichen Bruttojahresentgelts von 7 % für 1969 und 5,3 % für 1970 angenommen worden. Der interministerielle Arbeitskreis für die gesamtwirtschaftlichen Voraus-



Parlamentarischer Staatssekretär Rohde
schätzungen rechnet dagegen seit längerem mit einer Zuwachsrate von 9,3 % für 1969, die im kommenden Jahr weiter anwachsen wird.
Meine Damen und Herren, selbstverständlich werden im Zusammenhang mit der Beratung des Gesetzentwurfes dem Hohen Hause im einzelnen die revidierten Berechnungen vorgelegt. Aus ihnen wird hervorgehen, daß der Vorschlag der Bundesregierung auch langfristig abgesichert ist.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601200400
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Härzschel.

Kurt Härzschel (CDU):
Rede ID: ID0601200500
Herr Staatssekretär, darf ich trotzdem fragen: Halten Sie es für einen soliden sozialpolitischen Weg, wenn der Herr Arbeitsminister, ohne sich mit dem Finanzminister abzustimmen und ohne Deckung des Kabinetts Vorschläge unterbreitet, die bei Millionen Menschen Hoffnungen erwecken, die dann nicht erfüllt werden können?

Helmut Rohde (SPD):
Rede ID: ID0601200600
Herr Kollege Härzschel, ich darf Ihnen dazu folgendes mitteilen. Die Frage der Überbrückungshilfe war eine Möglichkeit unter anderen, die hinsichtlich ihrer Auswirkung und Praktikabilität in unserem Hause untersucht worden sind. Sie ist durch die Pressemitteilungen bekanntgeworden. Nach reiflicher Prüfung haben wir uns entschieden, den Weg der Beseitigung des Rentnerkrankenversicherungsbeitrags zu gehen, weil er eine dauerhafte Entlastung der Rentner bringt und eine Belastung beseitigt, die seinerzeit, wie Sie wissen, im Zusammenhang mit der Finanzmisere des Bundes eingeführt worden ist.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601200700
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Härzschel.

Kurt Härzschel (CDU):
Rede ID: ID0601200800
Herr Staatssekretär, würden Sie mir dann zustimmen, daß die jetzige Entlastung, die Sie eben hier dargelegt haben, zu Lasten der Versicherten geht und nur ein Geschenk von den Arbeitnehmern zu den Rentnern hin bedeutet?

Helmut Rohde (SPD):
Rede ID: ID0601200900
Sie führt nicht zu neuen Lasten der Versicherten, sondern wird aus den Mehreinnahmen der Rentenversicherungsträger auf Grund der Entwicklung der Entgelte finanziert.

(Abg. Dr. Kliesing [Bad Honnef] : Also doch zu Lasten der Versicherten!)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601201000
Jetzt Herr Abgeordneter Ruf zu einer Zusatzfrage.

Thomas Ruf (CDU):
Rede ID: ID0601201100
Herr Kollege Rohde, ist Ihnen nicht bekannt, daß der Krankenversicherungsbeitrag der Rentner seinerzeit nicht nur, wie Sie sagen, wegen der damaligen Finanzmisere des Bundes eingeführt worden ist, sondern auch mit der notwendigen langfristigen Konsolidierung der Rentenversicherung zusammenhing, und können Sie mir sagen, wie sich die Belastung bis zum Jahre 1985 auswirken wird, nämlich bis zu dem Jahr, das wir dem dritten Rentenversicherungsänderungsgesetz zugrunde gelegt haben?

Helmut Rohde (SPD):
Rede ID: ID0601201200
Ich darf Ihnen sagen, Herr Kollege, daß der Rentnerkrankenversicherungsbeitrag damals im Zusammenhang mit dem Finanzänderungsgesetz eingeführt wurde und daher seinen Bezug zu der Finanzmisere des Bundes im Herbst 1966 hatte.

(Zustimmung bei der SPD.)

Ich darf im übrigen darauf hinweisen, daß der Sprecher Ihrer Fraktion in der Debatte über die Regierungserklärung noch einmal ausdrücklich an diesen Zusammenhang erinnert und von dem sozialen Bezug gesprochen hat, den der Rentnerkrankenversicherungsbeitrag im Hinblick auf andere Belastungen aus der damaligen Zeit hatte.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601201300
Eine zweite Zusatzfrage.

Thomas Ruf (CDU):
Rede ID: ID0601201400
Darf ich Sie, Herr Kollege Rohde, an den Schriftlichen Bericht des Abgeordneten Schoettle auf Drucksache V/2341 erinnern, in dem ausdrücklich gesagt wird, daß hinter dem Beschluß, einen Rentnerbeitrag zu erheben, zwei Motive stehen, nämlich erstens „die Entlastung des Bundeshaushalts" und zweitens „gleichgewichtig die notwendige Konsolidierung der Rentenversicherung" ?

Helmut Rohde (SPD):
Rede ID: ID0601201500
Herr Kollege Ruf, das Zahlenmaterial, das wir Ihnen für die Beratungen des Gesetzentwurfs, den die Bundesregierung gestern verabschiedet hat, vorlegen werden, wird zeigen, daß dieser Gedanke der Konsolidierung auch für die Zukunft ein ganz wesentlicher Gesichtspunkt unserer Arbeit ist.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601201600
Nunmehr eine Zusatzfrage des Abgeordneten Müller (Berlin).

Johannes Müller (CDU):
Rede ID: ID0601201700
Herr Staatssekretär, darf ich im Zusammenhang mit der Frage 32 des Herrn Kollegen Härzschel die Frage wiederholen, die ich dem Bundesminister gestellt habe, die aber nicht von ihm beantwortet worden ist, nämlich: Ist die Bundesregierung bereit, auch den Rentnern aus Steuermitteln — ich sage ausdrücklich: aus Steuermitteln — ein entsprechendes Weihnachtsgeld zu zahlen? Falls nein, warum nicht? Diese Frage ist nicht beantwortet worden. Darf ich sie jetzt Ihnen stellen?

Helmut Rohde (SPD):
Rede ID: ID0601201800
Ich habe schon darauf hingewiesen, daß die Bundes-



Parlamentarischer Staatssekretär Rohde
regierung im Zusammenhang mit der Beratung des Gesetzentwurfs im einzelnen die Finanzgrundlagen dieses Entwurfs darlegen wird. In diesem Zusammenhang darf ich anmerken, daß sich der Bund z. B. an den Ausgaben der Knappschaft mit rund 100 Millionen DM beteiligt.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601201900
Eine zweite Zusatzfrage.

Johannes Müller (CDU):
Rede ID: ID0601202000
Die Frage ist damit nicht beantwortet. Aber eine zweite Zusatzfrage —

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601202100
Sie können die Antwort des Staatssekretärs nicht werten. Sie dürfen nur eine neue Frage stellen.

Johannes Müller (CDU):
Rede ID: ID0601202200
Herr Staatssekretär, um wieviel Milliarden DM wird sich die Ausgleichszahlung der Angestelltenversicherung an die Arbeiterrentenversicherung bis 1985 erhöhen, wenn man die abgestimmten Schätzungen zum dritten Rentenversicherungsänderungsgesetz zugrunde legt?

Helmut Rohde (SPD):
Rede ID: ID0601202300
Herr Kollege, nach den Vorausschätzungen, die im Sozialbericht 1969 enthalten sind, sollte ein Finanzausgleich zwischen Arbeiter- und Angestelltenversicherung erst im Jahre 1972 und in beträchtlichem Umfang in den folgenden .Jahren stattfinden. Die von mir genannten Sachverhalte haben zur Folge, daß der Finanzausgleich auch bei Wegfall des Beitrags der Rentner zu ihrer Krankenversicherung nicht früher als vorgesehen eintritt. Sie werden das in den Beratungen des Gesetzes an Hand des konkreten Zahlenmaterials erkennen können.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601202400
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Varelmann.

Franz Varelmann (CDU):
Rede ID: ID0601202500
Herr Staatssekretär, ist sich die Bundesregierung bewußt, daß der Fortfall des Beitrags der Rentner zur Krankenversicherung für die Bezieher von niedrigen Renten relativ wenig einbringt?

Helmut Rohde (SPD):
Rede ID: ID0601202600
Herr Kollege Varelmann, ich darf darauf hinweisen, daß gerade auch die Bezieher geringerer Renten die Belastungen, die mit dem Rentnerkrankenversicherungsbeitrag verbunden sind, oft und hartnäckig kritisiert haben.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601202700
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Varelmann.

Franz Varelmann (CDU):
Rede ID: ID0601202800
Herr Staatssekretär, berücksichtigen Sie dabei, daß der Bezieher einer Rente von 1100 DM ein Plus von 22 DM hat, der Bezieher einer Rente von 200 DM dagegen nur ein Plus von 4 DM?

Helmut Rohde (SPD):
Rede ID: ID0601202900
Herr Kollege Varelmann, die einzelnen Rentnergruppen sind ja durch diesen Krankenversicherungsbeitrag in den vergangenen Jahren auch unterschiedlich belastet worden. Sie werfen hier eine Frage auf, die über den Rentnerkrankenversicherungsbeitrag weit hinausgeht und die die allgemeine Sozialgesetzgebung berührt.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601203000
Herr Abgeordneter Dr. Böhme!

Dr. Günter Böhme (CDU):
Rede ID: ID0601203100
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß in der Rentenversicherung wesentlich langfristiger zu denken ist als bis 1973, und ergibt sich nicht im Rahmen der von Ihnen jetzt vorgeschlagenen Maßnahmen nach diesem Zeitpunkt eventuell doch eine wesentliche Steigerung der Beitragssätze?
Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung 7 Herr Kollege, Sie haben völlig recht, daß in der Rentenversicherung langfristig zu denken ist. Ich darf darauf hinweisen, daß meine Fraktion im Sozialpolitischen Ausschuß des Bundestages nachdrücklich Wert darauf gelegt hat, eine langfristige Rentenfinanzierung zu erreichen. Der Entwurf, den die Bundesregierung im Herbst 1966 für das dritte Rentenänderungsgesetz eingebracht hat, enthielt noch keine langfristige Perspektive. Wir haben damals zusammen, Herr Kollege Katzer, das im Sozialpolitischen Ausschuß aufgearbeitet. In diesen Grundgedanken und Grundlinien einer langfristigen Perspektive wird sich auch die Einpassung dieses Rentnerkrankenversicherungsbeitrags bewegen.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601203200
Herr Abgeordneter Katzer!

Hans Katzer (CDU):
Rede ID: ID0601203300
Herr Staatssekretär, Sie haben vorhin gesagt, der frühere Arbeitsminister habe Zahlen bekanntgegeben, die sich mittlerweile günstiger darstellten, was wir alle wissen, auf Grund der größeren Zahl von Gastarbeitern und der gestiegenen Lohnkosten.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601203400
Ich bitte, eine Frage zu stellen.

Hans Katzer (CDU):
Rede ID: ID0601203500
Ich frage Sie, Herr Staatssekretär. In der Pressemitteilung gestern sprechen Sie von überschlägigen Berechnungen. Sind das überschlägige Berechnungen Ihres Hauses, oder sind Sie bei der Vorlage des Kabinettsbeschlusses so verfahren, wie ich es damals eingeführt habe, im übrigen mit sehr großer Zustimmung Ihrer Fraktion, daß alle Zahlen, die wir hier vorlegen, nicht kurzfristig, sondern langfristig abgestimmt sein müssen, und zwar nicht nur vom Arbeitsministerium aus,



Katzer
sondern auch mit dem Bundesministerium der Finanzen, dem Bundesministerium für Wirtschaft, der Bundesbank und dem Verband der Rentenversicherungsträger? Ist dies hier erfolgt?

Helmut Rohde (SPD):
Rede ID: ID0601203600
Herr Kollege Katzer, ich darf ganz allgemein darauf hinweisen, daß die langfristigen Vorausschätzungen, von denen heute morgen hier mehrfach die Rede war, auch in Zukunft genauso abgestimmt werden wie bisher.

(Abg. Rasner: Das ist doch keine Antwort auf diese Frage!)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601203700
Herr Abgeordneter Katzer! Ich darf nur bitten, daran zu denken, daß Zusatzfragen kurz gefaßt werden sollen.

Hans Katzer (CDU):
Rede ID: ID0601203800
Sie wird sehr kurz sein. Ich frage, ob diese Zahlen so abgestimmt sind, wie wir das eingeführt haben.

Helmut Rohde (SPD):
Rede ID: ID0601203900
Die Zahlen, Herr Kollege Katzer, die dem Hause für die Beratungen vorgelegt werden, werden genauso abgestimmt sein wie bisher, — natürlich.

(Abg. Rasner: Also nicht! Klarer Fall! Weitere Zurufe von der Mitte.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601204000
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Moersch.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0601204100
Herr Staatssekretär, können Sie dem Kollegen Katzer und den Kollegen von der CDU/CSU bestätigen, daß die notwendige Veränderung der Zahlen dadurch Leingetreten ist, daß durch die Vermeidung der Aufwertung durch die CDU-Mehrheit und Bundeskanzler Kiesinger vor einem Jahr eine Inflationsrate zu berücksichtigen ist, die in den vorherigen Zahlen nicht enthalten war?

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Lachen bei der CDU/CSU.)


Helmut Rohde (SPD):
Rede ID: ID0601204200
Herr Kollege, bei der Fortschreibung der Vorausberechnungen, die im Sozialbericht 1969 vorgesehen sind, ergibt sich die Notwendigkeit, eine ganze Reihe von Daten hinsichtlich der Entgeltentwicklung, der Beschäftigungsquote und auch der von Ihnen genannten Sachverhalte zu berücksichtigen. Das wird für die Beratungen über den Gesetzentwurf, den die Bundesregierung gestern vorgelegt hat, zugrunde gelegt.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601204300
Herr Abgeordneter Schmidt (Kempten) !

Hansheinrich Schmidt (FDP):
Rede ID: ID0601204400
Herr Staatssekretär, ist es nicht so, daß die Diskussion über diese Frage
deshalb etwas länger gelaufen ist und erst gestern der Kabinettsbeschluß erfolgte, weil man sich eben erst genau über das Zahlenmaterial orientiert hat?

(Lachen bei der CDU/CSU. — Abg. Rasner: Hat man doch gar nicht!)


Helmut Rohde (SPD):
Rede ID: ID0601204500
Natürlich, Herr Kollege Schmidt (Kempten), hat das mit eine Rolle gespielt.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601204600
Herr Dr. Götz!

Dr. Hermann Götz (CDU):
Rede ID: ID0601204700
Herr Staatssekretär, zu Ihrem Hinweis auf die Beitragsmehreinnahmen und den optimistischen Schlußfolgerungen, die Sie daraus ziehen, möchte ich Sie fragen: trifft es zu, daß im ersten Halbjahr 1969 trotz der Beitragsmehreinnahmen das Defizit in der Arbeiterrentenversicherung immer noch 885 Millionen betrug und nach Aussagen der Bundesbank im Jahre 1969 trotz der Beitragsmehreinnahmen zwischen einer halben und einer Milliarde liegen wird?

Helmut Rohde (SPD):
Rede ID: ID0601204800
Herr Kollege Dr. Götz, die Entwicklung ändert sich schon im zweiten Halbjahr 1969. Soweit es das nächste Jahr angeht, stellt es sich so dar: im Jahr 1970 wird gegenüber den Zahlen, die der frühere Arbeitsminister im Sozialbericht vorgelegt hat, eine Mehreinnahme in der Arbeiter- und Angestelltenversicherung zusammen von rund 2,3 Milliarden DM, insgesamt also ein Überschuß von 2,9 Milliarden DM eintreten. Die Überschüsse für 1971 bis 1973 werden sich entsprechend verändern.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601204900
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Götz.

Dr. Hermann Götz (CDU):
Rede ID: ID0601205000
Darf ich fragen, Herr Staatssekretär Rohde, ob diese Zahlen, die Sie soeben nannten, und Ihre überschlägigen Berechnungen mit dem Bundeswirtschaftsministerium, dem Bundesfinanzministerium, ,der Bundesbank usw. abgestimmt wurden. Wir haben immer großen Wert darauf gelegt, auch deren Meinung zu hören. Darf ich fragen, ob deren Meinungsäußerung dazu vorliegt.

Helmut Rohde (SPD):
Rede ID: ID0601205100
Herr Kollege Dr. Götz, diesen Schätzungen sind interministerielle Besprechungen und Berechnungen voraufgegangen.

(Zurufe von der Mitte.)

Im übrigen, Herr Dr. Götz, darf ich doch darauf hinweisen, daß diese Entwicklung der Beitragseinnahmen auch dem Kollegen Katzer schon bekannt gewesen ist, als er sich noch im Amt befand. Das ist kein neuer Sachverhalt, der erst in den letzten 14 Tagen zutage getreten ist.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)





Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601205200
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Schellenberg.

Dr. Ernst Schellenberg (SPD):
Rede ID: ID0601205300
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß der damalige Arbeitsminister bei Einführung des Rentnerkrankenversicherungsbeitrags keine Abstimmung mit dem sogenannten „Abstimmungskreis" vorgenommen hat?

Helmut Rohde (SPD):
Rede ID: ID0601205400
Ich weiß das aus den Verhandlungen der damaligen Tage noch ganz genau, Herr Kollege Schellenberg. Beispielsweise ist auch keine Abstimmung vorgenommen worden, als uns der ursprüngliche Plan der CDU/CSU-Fraktion, den Rentnerkrankenversicherungsbeitrag auf 4 % festzusetzen, unterbreitet wurde, ebenfalls nicht, als wir dann in den Gesprächen darauf hinwirkten, diesen Beitrag auf 2 °/o zu ermäßigen.

(Hört! Hört! bei der SPD und Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601205500
Herr Abgeordneter Franke!

Heinrich Franke (CDU):
Rede ID: ID0601205600
Herr Staatssekretär, stimmt es, daß nicht die CDU-Fraktion die 4 °/o gefordert hat, sondern Herr Schiller im Finanzkabinett?

Helmut Rohde (SPD):
Rede ID: ID0601205700
Herr Kollege Franke, ich bedaure, daß ich das jetzt so sagen muß, aber Sie fordern das durch Ihre Frage heraus. Ich bitte Sie, einmal die Offenburger Entschließung der Sozialausschüsse der CDU nachzulesen. Da werden Sie in puncto Autorenschaft viel Nachhilfe finden können.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601205800
Eine zweite Zusatzfrage!

Heinrich Franke (CDU):
Rede ID: ID0601205900
Herr Staatssekretär, in welcher Höhe werden in diesem Jahre voraussichtlich die Lebenshaltungskosten für Rentner steigen?

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601206000
Ich glaube, daß diese Frage nicht als Zusatzfrage in den Rahmen der Fragestunde paßt.

Helmut Rohde (SPD):
Rede ID: ID0601206100
Herr Abgeordneter, ich bitte Sie um Verständnis dafür, daß wir hier nicht alle Details, die im Zusammenhang mit dem Entwurf zu behandeln sind und die in Tabellenwerte und Statistiken hineingehen, erörtern können. Ich werde Ihnen diese Antwort schriftlich nachreichen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601206200
Ich glaube auch, daß es eigentlich der Text einer neuen Frage und nicht einer Zusatzfrage wäre.

(Zuruf von der CDU/CSU: Die Frage hatte der Kollege Moersch gestellt!)

Herr Abgeordneter von Guttenberg!

Freiherr Karl Theodor von und zu Guttenberg (CSU):
Rede ID: ID0601206300
Herr Staatssekretär, nach einer Zeitungsmeldung hat Herr Bundesminister Arendt den 2%igen Krankenversicherungsbeitrag der Rentner ein Unrecht genannt. Darf ich also annehmen, daß der Herr Bundesarbeitsminister als ein „Unrecht" ansieht, was Ihre Fraktion seinerzeit mit beschlossen hat?

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601206400
Herr Abgeordneter von Guttenberg, Sie können nur nach dem Verhalten der Bundesregierung fragen und nicht nach dem Verhalten einer Fraktion.

(Abg. Rasner: Aber der Staatssekretär hat ein paarmal von seiner Fraktion gesprochen!)

— Das ist auch ein Fehler.

Helmut Rohde (SPD):
Rede ID: ID0601206500
Herr Kollege Guttenberg, ich will darauf antworten. Wir haben damals keinen Zweifel darüber gelassen, daß wir in diesen 2 °/o eine harte Belastung der Rentner sehen, die seinerzeit in Zusammenhang mit der Finanzmisere beschlossen worden ist, und haben auch als sozialdemokratische Bundestagsfraktion — wenn ich das nun sagen darf — darauf hingewiesen, daß wir nach Wegen suchen würden, um diese Belastung, sobald dies bei der wirtschaftlichen und finanziellen Entwicklung möglich ist, wieder zu beseitigen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601206600
Eine zweite Frage!

Freiherr Karl Theodor von und zu Guttenberg (CSU):
Rede ID: ID0601206700
Geben Sie mir recht, Herr Staatssekretär, wenn ich sage, daß ein qualitativer Unterschied zwischen dem Ausdruck „harte Belastung", dem ich zustimmen möchte, und dem Ausdruck „Unrecht" besteht?

Helmut Rohde (SPD):
Rede ID: ID0601206800
Herr Kollege, ich will hier keine Interpretation von Begriffen vornehmen; dann kämen wir nämlich wieder auf das, was der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion den „sozialen Bezug" der Belastungen aus den Jahren 1966/1967 genannt hat. Mir scheint, viel wichtiger als das Abwägen des Gewichts von Worten ist die Sache selbst, die die Bundesregierung hier beschlossen hat.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601206900
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Es dreht



Vizepräsident Dr. Jaeger
sich um die Frage 33 des Abgeordneten Härzschel aus der Drucksache VI/49 und um die Frage 2 des Abgeordneten Ruf aus der Drucksache VI/64:
Was gedenkt die Bundesregierung außerdem z. B. bei den Kriegsopfern, den Familien, den Unterhaltshilfeempfängern und bei anderen Gruppen zu tun, um die soziale Symmetrie zu erhalten?
Beabsichtigt die Bundesregierung, auch andere Gruppen von Leistungsempfängern — z. B. Kriegsopfer, Bezieher von Kindergeld, Sozialhilfeempfänger, Empfänger von Unterhaltshilfe nach dem Lastenausgleichsgesetz — wirtschaftlich gleichzubehandeln?
Der Herr Staatssekretär Reischl beantwortet. Wollen Sie getrennt oder gemeinsam beantworten?

Dr. Gerhard Reischl (SPD):
Rede ID: ID0601207000
Gemeinsam, wenn ich bitten darf.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601207100
Sind die Herren einverstanden? — Gemeinsame Beantwortung.

Dr. Gerhard Reischl (SPD):
Rede ID: ID0601207200
Zu den beiden Fragen erkläre ich namens der Bundesregierung folgendes. Ein Beitrag zur Krankenversicherung ist durch das Finanzänderungsgesetz 1967 allein für die Rentner der gesetzlichen Rentenversicherung eingeführt worden. Die genannten anderen Leistungsempfänger zahlen — jedenfalls im Zusammenhang mit den ihnen gewährten Leistungen — keinen Beitrag zu ihrer gesetzlichen Krankenversorgung. Die beabsichtigte Streichung des Beitrags bezieht sich somit ausschließlich auf den Kreis der Rentner der Rentenversicherung und stellt diese den genannten Leistungsempfängern nun wieder gleich. Soweit diese Personen zugleich Renten aus der Rentenversicherung beziehen, erfolgt die Streichung des Beitrags natürlich auch für sie.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601207300
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Härzschel.

Kurt Härzschel (CDU):
Rede ID: ID0601207400
Herr Staatssekretär würden Sie mir zustimmen, wenn ich sage, daß in den genannten Bereichen, z. B. bei den Kriegsopfern seit drei Jahren, keine Anpassung erfolgt ist, beim Kindergeld seit fünf Jahren keine Anpassung erfolgt ist?
Nach den Ausführungen des Herrn Staatssekretärs Rohde ist ja die Streichung des Krankenversicherungsbeitrages darauf zurückzuführen, daß die Preise gestiegen sind. Gilt das nicht auch für die anderen Gruppen?

Dr. Gerhard Reischl (SPD):
Rede ID: ID0601207500
Hinsichtlich des ersten Teiles Ihrer Frage ist zuzugeben, daß bei den beiden anderen Gruppen in den von Ihnen genannten Zeiten keine Anpassungen erfolgt sind. Das liegt an der dortigen Gesetzgebung. Ich darf daran erinnern, daß von weiten Teilen dieses Hauses schon früher eine laufende Anpassung z. B. der Kriegsopferrenten gefordert worden ist. Wie Sie wissen, wird aber ja auch auf diesen Gebieten - dies ist in der Regierungserklärung angekündigt worden — einiges geschehen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601207600
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Härzschel.

Kurt Härzschel (CDU):
Rede ID: ID0601207700
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir in der Meinung zu, daß auch in diesen Bereichen unbedingt etwas geschehen muß, damit die soziale Symmetrie erhalten bleibt? Sind Sie mit mir der Meinung, daß es gerade unter den Sozialhilfe- und den Lastenausgleichsempfängern Personengruppen gibt, die am Ende der sozialen Skala stehen?

Dr. Gerhard Reischl (SPD):
Rede ID: ID0601207800
Herr Kollege, diese Fragen können doch, wenn man eine solide Finanzgebarung einhalten will, nur für jeden Bereich gesondert und dann in einen großen Zusammenhang gestellt behandelt werden. Sie können von einer Bundesregierung, die erst knapp drei Wochen im Amt ist und ja noch keinen neuen mittelfristigen Finanzplan aufgestellt hat, nicht heute schon verlangen, daß sie bis ins letzte über alle Einzelleistungen Auskunft gibt. Ich darf noch einmal auf die Regierungserklärung hinweisen, in der die einzelnen Erhöhungen genau angekündigt sind. Ich teile Ihre Meinung, daß z. B. die Kriegsopferrenten angepaßt werden müssen. Das wird ja auch geschehen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601207900
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller (Berlin).

Johannes Müller (CDU):
Rede ID: ID0601208000
Herr Staatssekretär, habe ich Ihre bisherigen Ausführungen richtig verstanden, wenn ich ihnen entnehme, daß die Bundesregierung einen Unterschied zwischen der Sonderzahlung an die Versorgungsempfänger und den Zahlungen an alle anderen Sozialleistungsempfänger macht?

Dr. Gerhard Reischl (SPD):
Rede ID: ID0601208100
Aber Herr Kollege, hier handelt es sich doch einfach um zwei verschiedene Dinge. Jede einzelne dieser Zahlungen muß doch getrennt behandelt werden. In dem einen Fall, von dem hier die Rede ist, handelt es sich doch um die Aufhebung einer Notmaßnahme: diese 2 %, die damals wegen der Finanzlage eingeführt worden sind, sollen jetzt wieder gestrichen werden.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601208200
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller (Berlin).

Johannes Müller (CDU):
Rede ID: ID0601208300
Ich habe nicht nur nach den Rentnern gefragt, sondern ich habe — ich darf meine Frage insoweit wiederholen — einen Unterschied zwischen ihnen und den anderen Sozialleistungsempfängern, wie Kriegsopfern und all denen, die hier aufgeführt worden sind, gemacht.

Dr. Gerhard Reischl (SPD):
Rede ID: ID0601208400
Herr Kollege, jetzt nehmen wir einmal das Beispiel der Kriegsopfer. Bei ihnen erfolgt etwas ganz anderes. Bei den Sozialrentnern wird die Rente doch laufend ange-



Parlamentarischer Staatssekretär Reischl
paßt, und bei ihnen wird dieser Krankenversicherungsbeitrag in Höhe von 2 % gestrichen. Bei den Kriegsopfern muß eine Anpassung erfolgen. Eine solche Anpassung ist vor fünf Jahren zum letztenmal erfolgt. Das ist doch etwas ganz anderes.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601208500
Herr Abgeordneter Maucher zu einer Zusatzfrage.

Eugen Maucher (CDU):
Rede ID: ID0601208600
Herr Staatssekretär, ich darf vorweg sagen: Sie meinen nicht vor fünf, sondern vor drei Jahren. Ich möchte hier jetzt aber ganz klar folgende Frage stellen: Sind Sie nicht der Auffassung, daß, wenn die Bundesregierung, was wir durchaus begrüßen, den Rentnern mit Rücksicht auf die Entwicklung — und das scheint das Entscheidende zu sein — einen Ausgleich gewähren will, der gleiche Grundsatz auch für die Kriegsopfer gelten muß? Sind Sie nicht der Meinung, daß die Anpassung damit nichts zu tun hat, sondern daß es sich hier um einen Ausgleich für die Entwicklung handelt, die doch als Begründung für die Zuwendung an die Rentner angeführt wird?

Dr. Gerhard Reischl (SPD):
Rede ID: ID0601208700
Nein, das ist ganz anders. Eine Zeitlang war, jedenfalls in der Presse, von Ausgleichsleistungen für die Rentner die Rede. Was hier geschieht, ist doch kein Ausgleich für irgend etwas, sondern das ist die Aufhebung einer aus einer Finanzlage geborenen Notmaßnahme, weil dies jetzt eben möglich ist.

(Abg. Härzschel: Aber die Begründung!)

— Nein, diese Begründung ist auch nicht gegeben worden.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601208800
Herr Abgeordneter Maucher zu einer zweiten Zusatzfrage.

Eugen Maucher (CDU):
Rede ID: ID0601208900
Herr Staatssekretär, Sie sagen bei der einen Gruppe, daß die Notmaßnahme aufgehoben werden soll, weil die Gründe, die zu ihr geführt haben, nicht mehr bestehen. Sind Sie nicht der Meinung, daß diese Notmaßnahme auch bei der Verabschiedung des dritten Neuordnungsgesetzes eine entscheidende Rolle gespielt hat und daß dieser Nachholbedarf, der vorhanden war — und zwar auf Grund der Zustimmung Ihrer Fraktion und unserer Fraktion —, eben auch hier ausgeglichen werden muß?

Dr. Gerhard Reischl (SPD):
Rede ID: ID0601209000
Herr Kollege, das habe ich doch nie bestritten. Ich habe ja gesagt, das muß angepaßt werden. Das braucht man doch jetzt nicht weiter zu begründen. Dort handelt es sich um einen dreijährigen Nachholbedarf und hier um etwas völlig anderes, nämlich um die Aufhebung einer Notmaßnahme.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601209100
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ruf.

Thomas Ruf (CDU):
Rede ID: ID0601209200
Wie kann es die Bundesregierung verantworten, ausgabewirksame Gesetze vorzulegen, ohne, wie Sie selber sagen, eine Finanzplanung zu haben und ohne Klarheit über die Prioritäten in ihrer Politik geschaffen zu haben?

Dr. Gerhard Reischl (SPD):
Rede ID: ID0601209300
Herr Kollege Ruf, jetzt schlagen Sie aber eigentlich Ihre eigenen Fragen aus dem Feld. Denn das ist genau das, was ich vorhin gesagt habe. Alle diese Gesetze können — korrekterweise — doch erst vorgelegt werden, nachdem wir uns Klarheit darüber verschafft haben, wie sie bezahlt werden sollen. Das trifft hier doch nicht zu. Die Aufhebung der 2 % belastet den Bundeshaushalt jedenfalls nicht nennenswert.

(Zurufe von der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601209400
Zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ruf.

Thomas Ruf (CDU):
Rede ID: ID0601209500
Das halte ich aber für sehr bequem. Sie wissen selber — das steht in Ihrer Vorlage — -

(Zurufe von der SPD: Frage!)

— Ist Ihnen nicht bekannt, daß z. B. über die Knappschaftsversicherung eine Belastung des Bundes eintritt?

(Zurufe.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601209600
Ich bitte um Ruhe. Es war jetzt zum Schluß ganz zweifellos eine Frage.

Dr. Gerhard Reischl (SPD):
Rede ID: ID0601209700
Herr Kollege Ruf, ich weiß, daß die 92 Millionen DM in den zwei Jahren auf uns zukommen. Sie werden mir aber zugestehen, daß bei einem Haushaltsvolumen von über 80 Milliarden DM, das ja wahrscheinlich auch noch etwas steigen wird, die 92 Millionen DM jedenfalls keine so schreckliche Rolle spielen, dagegen z. B. Milliardenleistungen an andere sehr wohl.

(Abg. Rasner: Millionen sind Millionen!)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601209800
Herr Abgeordneter Franke zu einer Zusatzfrage.

Heinrich Franke (CDU):
Rede ID: ID0601209900
Herr Staatssekretär, Sie sprachen von der Aufhebung von Notmaßnahmen. Wann gedenken Sie denn z. B. das Kindergeld, das seit fünf Jahren nicht angehoben worden ist, anzuheben?

(Abg. Wehner: Alles auf einmal!)


Dr. Gerhard Reischl (SPD):
Rede ID: ID0601210000
Herr Kollege, ich habe doch schon gesagt: in der Regierungserklärung steht, daß z. B. das Kindergeld erhöht werden soll. Sie werden eine solche Vorlage bekommen. Aber alles zu seiner Zeit.




Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601210100
Eine zweite Zusatzfrage.

Heinrich Franke (CDU):
Rede ID: ID0601210200

(CDU/CSU) : Darf ich fragen, wann, Herr Staatssekretär?


Dr. Gerhard Reischl (SPD):
Rede ID: ID0601210300
Das habe ich Ihnen doch die ganze Zeit schon gesagt. Ich muß ja nicht immer dieselbe Frage wieder beantworten. Ich habe Ihnen gesagt: sobald wir einen Überblick darüber haben, was wir im nächsten Jahr leisten können.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601210400
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär, und komme zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes.
Frage 83 des Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Feststellung des ehemaligen amerikanischen Unterstaatssekretärs Rostow, der von einer „gewaltigen isolationistischen Welle" in den Vereinigten Staaten spricht?
Herr Bundesminister, ich darf bitten.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0601210500
Herr Kollege, der jetzige Universitätsprofessor Eugene Rostow hielt am 20. Oktober 1969 vor der 15. Jahrestagung der Nordatlantischen Gesellschaft in Washington eine Rede, in der er die Perspektiven der politischen und wirtschaftlichen Zukunft für die Nordatlantische Allianz entwirft. Herr Rostow erwähnt die Ansicht mancher Europäer, wonach eigene miltiärische und politische Anstrengungen deswegen nicht nötig seien, weil man sich darauf verlassen könne, daß die Vereinigten Staaten aus offensichtlichem nationalem Interesse verhindern würden, daß Westeuropa in den sowjetischen Machtbereich gelange. Rostow hält diese Ansicht für gefährlich, weil die politische Entwicklung nicht allein von logischen Gesetzen bestimmt werde und in den Vereinigten Staaten zur Zeit eine starke irrationale Strömung zu erkennen sei, die auf Rückkehr in die isolationistische Vergangenheit dränge.
In der Tat ist nicht zu verkennen, daß die isolationistischen Strömungen in den Vereinigten Staaten zunehmen. Einsichtige Kreise mit Überblick über die Weltsituation heben daher immer stärker die Notwendigkeit internationaler Zusammenarbeit hervor. In diesem Sinne hat auch Herr Rostow, der zu diesen Kreisen gehört, seine Zuhörer aufgerufen, den Präsidenten Nixon in seinem Widerstand gegen den Isolationismus zu unterstützen. Es komme darauf an, daß auf beiden Seiten des Ozeans die Verantwortung für das Bündnis erkannt und auch getragen wird.
Die Bundesregierung teilt diese Auffassung. Der Bundeskanzler hat daher in der Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969 die Fortsetzung der bisherigen deutschen Politik im Nordatlantischen Bündnis unterstrichen und die Notwendigkeit gemeinsamer Sicherheitsanstrengungen betont. Die Bundesregierung ist der Überzeugung, daß die amerikanische Regierung und das amerikanische Volk weiterhin von der Schicksalsverbundenheit der Vereinigten Staaten und Europas ausgehen, deren Ausdruck die gemeinsame Verteidigung und Sicherheit im Rahmen der Atlantischen Allianz ist.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601210600
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schulze-Vorberg.

Dr. Max Schulze-Vorberg (CSU):
Rede ID: ID0601210700
Hält die Bundesregierung es für eine realistische Politik, Herr Bundesaußenminister, wenn angesichts des Tatbestandes, den Sie schilderten, wir damit rechnen, daß die Amerikaner wie in der Vergangenheit, so auch in der Zukunft langfristig zu ähnlich großen Anstrengungen im Interesse auch Europas bereit sind? Gehen Sie davon aus, oder müßte nicht auf Grund dieser Erkenntnisse da ein gewisser Wandel im europäischen Denken eintreten?

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0601210800
Herr Abgeordneter, wir gehen davon aus, daß das Interesse der Vereinigten Staaten an gemeinsamen Verteidigungsanstrengungen gleichbleibend sein wird. Ob das amerikanische Engagement im Zuge strategischer und militärpolitischer Überlegungen in der Zukunft gewisse Änderungen zeigen wird, ist zweifellos nicht mit Sicherheit vorauszusagen; es muß aber Gegenstand ständiger gemeinsamer Überlegungen sein, die das Ziel haben müssen, daß die Gesamtkapazität unseres Verteidigungsbündnisses auf dem Stand bleibt, auf dem sie angesichts der Bedrohung von der anderen Seite bleiben muß.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601210900
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Schulze-Vorberg.

Dr. Max Schulze-Vorberg (CSU):
Rede ID: ID0601211000
Herr Bundesaußenminister, könnten Sie Ihre Antwort vielleicht noch etwas ergänzen im Hinblick auf Überlegungen, wie eine realistische deutsche Ostpolitik angesichts der Entwicklungen im Westen, die Sie gerade skizziert haben, aussehen müßte?

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0601211100
Habe ich Sie richtig verstanden, daß Sie gesagt haben: „deutsche Ostpolitik"?

(Abg. Dr. Schulze-Vorberg: Richtig, ja!)

— Sie meinen die Ostpolitik im Zusammenhang mit den Verteidigungsbemühungen?

(Abg. Dr. Schulze-Vorberg: In bezug auf Ihre Antwort bezüglich der Entwicklungen, die im Westen offensichtlich im Gange sind!)

— Nun, Herr Kollege, unsere Ostpolitik ist eindeutig darauf abgestellt, die Konfrontation in Europa und die Spannungen abzubauen, und das selbstverständlich nicht zuletzt dadurch, daß wir immer wieder vorschlagen, den Stand der Rüstungen auf beiden Seiten der Demarkationslinie zu vermindern, und zwar gleichwertig und gleichzeitig zu vermindern. Wenn uns das gelingt — und das ist das Ziel unserer Politik —, sehen allerdings auch die Bemühungen innerhalb unseres Bündnisses entsprechend aus.




Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601211200
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter von Guttenberg.

Freiherr Karl Theodor von und zu Guttenberg (CSU):
Rede ID: ID0601211300
Herr Bundesaußenminister, da auch Sie, wenn ich Sie recht verstanden habe, der Meinung sind, daß es eine solche isolationistische Bewegung in Amerika gibt, möchte ich Sie fragen, ob Sie nicht der Auffassung sind, daß angesichts dieser in Amerika zu beobachtenden Entwicklung eine gewisse Problematik darin zu sehen ist, daß die Bundesregierung dabei ist, einen Vertrag zu unterschreiben, der die Abhängigkeit der Europäer und der Bundesrepublik von Amerika nur verstärken würde.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0601211400
Sie meinen den NV-Vertrag.

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Ja, natürlich!)

Herr Kollege, der NV-Vertrag hat das Ziel, die Weitergabe von Atomwaffen zu verhindern. Das ist das politische Ziel dieses Vertrages, der damit zugleich dem Ziele dient, die Spannungen und die Gefahren in der Welt zu vermindern. Das ist das politische Ziel, dem wir in voller Übereinstimmung mit unseren Verbündeten zustreben. Letzten Endes ist der Vertrag von den Vereinigten Staaten in Zusammenarbeit mit der Sowjetunion auf Vorschlag eines anderen Staates, wie Sie wissen, konzipiert worden.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601211500
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter von Guttenberg.

Freiherr Karl Theodor von und zu Guttenberg (CSU):
Rede ID: ID0601211600
Herr Bundesaußenminister, geben Sie mir recht, wenn ich sage, daß Ihre Antwort keine Antwort war?

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0601211700
Nein, ich gebe Ihnen nicht recht. Diese Antwort war die Antwort auf Ihre Frage.

(Widerspruch bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Er hat nach der Abhängigkeit gefragt!)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601211800
Herr Abgeordneter Wischnewski!

Hans-Jürgen Wischnewski (SPD):
Rede ID: ID0601211900
Her Bundesaußenminister, sind Sie mit mir der Auffassung, daß durch die Nichtunterschreibung des NV-Vertrages die isolationistischen Bestrebungen in den Vereinigten Staaten gegenüber Europa und der Bundesrepublik entscheidend verstärkt würden?

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0601212000
Da die Unterschrift der Bundesrepublik unter diesen Vertrag für die Vereinigten Staaten eine besonders große Bedeutung hat, vermute ich, daß Ihre Ansicht berechtigt ist, Herr Kollege Wischnewski.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601212100
Herr Abgeordneter von Wrangel!

Baron Olaf von Wrangel (CDU):
Rede ID: ID0601212200
Herr Bundesminister, wenn Sie schon von isolationistischen Bestrebungen und Tendenzen sprechen, können Sie dann einmal sagen, was Sie konkret tun wollen, um die europafreundlichen Tendenzen in den Vereinigten Staaten zu mobilisieren?

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0601212300
Ich habe nicht von diesen Tendenzen gesprochen, sondern habe aus der Anfrage eines Kollegen Passagen einer Rede eines amerikanischen Wissenschaftlers übernommen. Das zunächst einmal dazu.
Ich habe in meiner Antwort klar gesagt, daß die Bundesregierung alles daransetzt, die bisherige Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten im Bereich der Verteidigungspolitik auf dem gleichen Stand zu halten wie jetzt. Ich habe ferner gesagt: Die Bundesregierung geht davon aus, daß beide Vertragspartner bei ihrer Zusammenarbeit von der gleichen Überzeugung beseelt sind, von der Überzeugung nämlich, daß es eine Schicksalsverbundenheit zwischen den Vereinigten Staaten und Europa in der Verteidigung ihrer gemeinsamen Interessen und in der Verteidigung ihrer Freiheit gibt. Davon ausgehend glaube ich, daß es überhaupt keinen Anlaß gibt, daran zu zweifeln, daß diese Zusammenarbeit in der Zukunft genauso funktionieren wird wie gegenwärtig und auch von genau dem gleichen gegenseitigen Vertrauen getragen sein wird.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Wenn Sie allerdings glauben, Sie müßten in einem
ganz bestimmten Rhythmus, etwa alle drei Monate
und ich habe jetzt das Gefühl: monatlich —, dieses Vertrauen von den Vereinigten Staaten bestätigt bekommen, dann gehen Sie genau den falschen Weg.

(Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601212400
Eine zweite Zusatzfrage, Herr von Wrangel.

Baron Olaf von Wrangel (CDU):
Rede ID: ID0601212500
Herr Bundesminister, ich gehe wohl nicht fehl in der Annahme, daß Sie mir etwas unterstellen, was ich nicht gesagt habe. Ich frage Sie, ob Sie über den NV-Vertrag hinaus — den Sie so bewerten, wie Sie sagten — präzise Pläne haben, um die europafreundlichen Kräfte in den Vereinigten Staaten zugunsten der deutschen Politik zu mobilisieren. Das hat ja nichts mit dem Rhythmus zu tun.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0601212600
Haben Sie etwa den Eindruck, wir könnten eine Propagandakampagne planen, die in die inneramerikanische Politik eingreift? Wir haben es mit einem Partner zu tun, dem wir volles Vertrauen schenken und dessen Vertrauen in uns wir durch unsere Politik rechtfertigen. Das ist das beste, was wir tun können. Aber etwa Kräfte dieser und jener Art in



Bundesminister Scheel
einem anderen Land zu stützen, kann ja wohl nicht die Aufgabe einer Regierung sein.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601212700
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Moersch.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0601212800
Herr Minister, sind Ihnen Berichte deutscher und europäischer Korrespondenten aus den Vereinigten Staaten bekannt, aus denen hervorgeht, daß das Vertrauen der Vereinigten Staaten in die deutsche und europäische Politik seit dem Regierungswechsel in Bonn zugenommen hat und daß gleichzeitig die isolationistischen Bestrebungen mit diesem Regierungswechsel abgenommen haben?

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0601212900
Herr Kollege, es gibt Meinungen in den Vereinigten Staaten, die dahin gehen, daß die in der Regierungserklärung dieser Bundesregierung definierte Politik eine besonders gute Basis für die Zusammenarbeit zwischen den Vereinigten Staaten und der Bundesrepublik darstellt. Ich glaube, darüber sollten wir alle gemeinsam zufrieden sein.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601213000
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Mattick.

Kurt Mattick (SPD):
Rede ID: ID0601213100
Herr Minister, würden Sie sagen, daß das Auftreten des Herrn Strauß in den Vereinig) ten Staaten während der Regierungsbildung in der Bundesrepublik die isolationistischen Bestrebungen gefördert oder gehindert hat?

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0601213200
Es kommt mir als Vertreter der Bundesregierung nicht zu, das Verhalten einzelner Kollegen des Bundestages zu werten. Ich möchte daher über die Definition „ungewöhnlich" nicht hinausgehen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601213300
Ich komme nunmehr zur Frage 84 des Abgeordneten Kiep:
Wertet die Bundesregierung die völkerrechtliche Anerkennung der „DDR" durch dritte Staaten im Sinne der Erklärung ihrer Vorgängerin vom 30. Mai 1969 als „unfreundlichen Akt" und entspricht die vom Bundesaußenminister nach der Bildung der Bundesregierung an die Auslandsvertretungen der Bundesrepublik Deutschland ergangene diesbezügliche Weisung dieser Grundlinie?
Herr Bundesminister, ich darf bitten.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0601213400
Herr Kollege Kiep, wir haben diese Frage bereits in der Debatte über die Regierungserklärung erörtert. Die Konsequenzen, die die Bundesregierung aus einer eventuellen Anerkennung der DDR durch dritte Staaten ziehen wird, haben wir in Instruktionen an die deutschen Botschafter verdeutlicht. Teile dieser Instruktionen haben Sie — sicher mit der gleichen Überraschung wie ich — in der Presse lesen können. Soweit sie abgedruckt worden sind, sind sie größtenteils sogar korrekt wiedergegeben.
Die Grundlinie unserer Politik ist das Bemühen um die Einheit der Nation im Rahmen einer europäischen Friedensordnung. Diesem Ziel dient auch unsere Absicht, zu vertraglichen Regelungen zwischen der Bundesrepublik und der DDR zu kommen. Es liegt auf der Hand, daß eine völkerrechtliche Anerkennung der DDR durch dritte Staaten während dieses Prozesses eine innerdeutsche Regelung stören und damit gegen unsere Interessen verstoßen würde. Unsere Beziehungen zu dem betreffenden dritten Land würden dadurch einer besonderen Belastung unterworfen. Die Bundesregierung wird in einem solchen Fall ihre Haltung jeweils nach den deutschen Interessen bestimmen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601213500
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kiep.

Dr. Walther Leisler Kiep (CDU):
Rede ID: ID0601213600
Herr Bundesminister, erhoffen Sie sich von dieser Instruktion an die Botschafter, die ja an die Regierungen der Länder, bei denen sie akkreditiert sind, weitergegeben werden soll, ein größeres Verständnis für die Lage unseres geteilten Landes, eine stärkere Einwirkung auf die DDR, innerdeutsche Regelungen möglich zu machen und ihnen zuzustimmen, oder befürchten Sie nicht vielmehr, daß diese Note dazu führen kann, daß diese Staaten bei größerem wirtschaftlichem oder politischem Druck oder dem Angebot wirtschaftlicher Vorteile doch den Schritt zur Anerkennung unternehmen, nachdem sie auf Grund der Note den Eindruck gewinnen mußten, daß unsere Interessen durch einen solchen Schritt nicht mehr so stark berührt würden, wie das vorher der Fall war?

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0601213700
Ich kann diese Frage ganz eindeutig beantworten. Ich erhoffe nicht nur ein Verständnis unserer Partner in der Welt, sondern ich sehe Anzeichen dafür, daß dieses Verständnis vorhanden ist, weil nämlich die Politik, die die Bundesregierung in der Frage der Normalisierung der Verhältnisse in Europa, in der Frage der europäischen Friedensordnung und in der Frage der Regelung des Verhältnisses zwischen den beiden Teilen Deutschlands treibt, eine Interessengleichheit mit der Politik der meisten unserer Partnerstaaten in der Welt aufweist. Es ist für unsere Partner in der Welt zum erstenmal sichtbar, daß wir eine dynamischere Politik treiben, die ihren eigenen Vorstellungen über die Veränderungen in Europa entgegenkommt, und das honorieren sie, wie sichtbar ist, auch durch ihr Verhalten in der schwierigen Phase, in die die Bundesrepublik hineingeht.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601213800
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kiep.

Dr. Walther Leisler Kiep (CDU):
Rede ID: ID0601213900
Herr Bundesminister, geben Sie zu, daß diese neue dynamische Politik, von der Sie eben sprachen, im Grunde durch nichts anderes gekennzeichnet ist als dadurch, daß das Wort „unfreundlicher Akt" durch — mit den Worten des Außenministers — „Akt, der weder hilfreich noch freundlich ist" ersetzt worden ist, und glauben Sie,



Kiep
daß durch diese Änderung lediglich des Vokabulars
etwa eine Änderung der Interessenlagen unserer
Partnerländer gegenüber der DDR eintreten könnte?

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0601214000
Herr Kollege, Sie haben eins vergessen. Dieser ganze Komplex ist etwas weiter gespannt, als Sie es jetzt dargestellt haben. Es geht ja nicht allein darum, wie unsere Einstellung zum Verhältnis Dritter zur DDR ist, sondern es geht auch darum, was wir in der Regierungserklärung zum direkten Verhältnis zwischen der Bundesrepublik und der DDR gesagt haben. Das sind zwei Seiten, die unmittelbar miteinander zusammenhängen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Hier haben wir natürlich Hindernisse zu beseitigen versucht, die der Regelung der Beziehungen entgegenstehen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601214100
Herr Abgeordneter von Guttenberg!

Freiherr Karl Theodor von und zu Guttenberg (CSU):
Rede ID: ID0601214200
Herr Außenminister, was ist der Unterschied zwischen einem „unfreundlichen" Akt, den ein dritter Staat gegenüber der Bundesrepublik vollzieht, und einem Akt, der das Verhältnis der Bundesrepublik zu einem solchen dritten Staat „belastet"?

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0601214300
Wenn Sie wollen, Herr Kollege, ist das eine sprachliche Bereinigung.

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Eine Vernebelung!)

Es liegt mir nicht, das Verhalten anderer Länder mit Prädikaten zu versehen, etwa im Sinne des Praeceptor Germaniae.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Es geht hier um die nüchterne Ausdrucksweise für einen Tatbestand.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601214400
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter von Guttenberg.

Freiherr Karl Theodor von und zu Guttenberg (CSU):
Rede ID: ID0601214500
Können wir also davon ausgehen, Herr Außenminister, daß es, da es sich nach Ihren Worten lediglich um eine terminologische und nicht um eine sachliche Änderung handelt, keine sachlichen Unterschiede in der Politik der Bundesregierung, wie sie sich in dem von Ihnen an unsere Missionen herausgegebenen Erlaß darstellt, einerseits und dem Kabinettsbeschluß der vergangenen Regierung vom Mai andererseits gibt?

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0601214600
Nein, ich muß Ihnen widersprechen. Es besteht in der Sache ein Unterschied, und zwar - ich wiederhole es noch einmal — sowohl was die in der Regierungserklärung erwähnte Haltung zum Problem der Beziehungen der beiden Teile Deutschlands zueinander angeht als auch was unsere Wertung der Beziehengen Dritter zur DDR angeht.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601214700
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Blumenfeld.

Erik Bernhard Blumenfeld (CDU):
Rede ID: ID0601214800
Herr Minister, welche Weisungen haben Sie gegeben, nachdem in einigen Hauptstädten Europas bekanntgeworden ist, daß die betreffenden Länder mit dem Gedanken umgehen, in der DDR — natürlich wechselseitig - Handelsbüros oder Handelsmissionen einzurichten?

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0601214900
Herr Abgeordneter, in der Regierungserklärung ist ja der Satz enthalten, daß wir die Bemühungen um Handelsaustausch und um kulturellen Austausch nicht schmälern, nicht einschränken wollen. Wir haben bei unseren Freunden in der Welt durch direkte Kontakte und durch eine Demarche, die bei allen Ländern unternommen worden ist, unsere Position auf Grund der Weisung, auf die sich der Kollege Kiep bezogen hat, klargestellt. Dies hat zu dem Ergebnis geführt, das wir erwartet haben.
Daneben laufen zwischen der DDR und auch Ländern in Europa Versuche, Handelsmissionen einzurichten. Man muß das Ergebnis, das hier noch nicht sichtbar ist, abwarten. Ich bin davon überzeugt, daß alle unsere europäischen Freunde den Handelsverkehr mit der DDR in dem Bereich abwickeln, der unseren Interessen nicht entgegensteht.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601215000
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Blumenfeld.

Erik Bernhard Blumenfeld (CDU):
Rede ID: ID0601215100
Würden Sie mir zustimmen, Herr Minister, daß ein Unterschied besteht zwischen den bisherigen Handelskammereinrichtungen und der offiziellen Einrichtung von Handelsmissionen, die ja dann sehr schnell in einen politischen Rang erhoben würden?

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0601215200
Es besteht ganz ohne Zweifel ein Unterschied, wenn sich auch beides unter der Schwelle abspielt, die wir normalerweise in der Vergangenheit als eine Belastung, die wir in irgendeiner Form in unserem Verhältnis berücksichtigen müßten, bezeichnet haben. Ich darf noch einmal wiederholen, daß solche Anzeichen vorhanden sind, aber sie haben sich nicht konkretisiert, und ich nehme auch sicher an, daß sie sich nicht konkretisieren werden.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601215300
Herr Abgeordneter Dr. Hallstein!

Dr. Walter Hallstein (CDU):
Rede ID: ID0601215400
Herr Bundesminister, fürchten Sie nicht, wenn, wie Sie sagen, die Lockerung unserer Reaktion auf eine Anerkennung durch Drittstaaten zu einer Interessengleichheit zwischen • uns und diesen Drittstaaten führt, daß es eine Inter-



Dr. Hallstein
essengleichheit ist, die eine Erschwerung der Wiedervereinigung in Freiheit herbeiführt?

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0601215500
Herr Abgeordneter, wir haben seit über 20 Jahren versucht, die Wiedervereinigung in Freiheit zu erreichen. Ich darf ganz nüchtern feststellen, daß dieser Versuch bis heute mißlungen ist, nicht weil wir keine Bemühungen unternommen hätten, sondern er ist durch die Machtkonstellation auf der Welt mißlungen, mit der wir es zu tun haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD.)

Aber die Wege, die wir bisher gegangen sind, haben sich als unwirksam erwiesen, denn die beiden Teile Deutschlands sind in dieser Zeit weiter auseinandergerückt, der Graben zwischen beiden Teilen Deutschlands ist tiefer geworden. Die Politik der Bundesregierung ist darauf gerichtet, durch eine neue Akzentuierung der Politik alle Möglichkeiten auszuschöpfen, die beiden Teile Deutschlands sich nicht weiter auseinanderbewegen zu lassen. Das Ziel unserer Politik ist, die Einheit der Nation dadurch zu erhalten, daß wir die Entwicklung sich nicht verschlechtern lassen, sondern den Versuch unternehmen, die beiden Teile Deutschlands auf bestimmten Sektoren wieder etwas näher zueinanderzuführen. Dem dient auch unser Bemühen, jetzt vertragliche Regelungen mit der DDR zu suchen, und dem dient die Politik der Entspannung als Voraussetzung für eine europäische Friedensordnung.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601215600
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hallstein.

Dr. Walter Hallstein (CDU):
Rede ID: ID0601215700
Fürchten Sie nicht, Herr Bundesminister, daß die Erlangung einer völkerrechtlich anerkannten Souveränität durch die DDR das Ergebnis hat, daß die bisher bestehende Möglichkeit der Wiedervereinigung in Freiheit — eine selbstverständlich nur langfristig bestehende Möglichkeit, das gebe ich Ihnen zu — dadurch ganz ausgeschlossen wird?

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0601215800
Die Grundlage unserer Politik ist das Selbstbestimmungsrecht der Deutschen, an dem wir festhalten. Wir haben den Willen, daß wir daran und an der Einheit der Nation festhalten, ausdrücklich betont. Alles, was wir tun, ist auf dieses Ziel ausgerichtet. Die Wege, die wir gehen, sind neue Wege; man mag darüber streiten, ob sie wirkungsvoller sind als andere Wege. Aber wir gehen sie mit der festen Überzeugung, einen Schritt mehr zu erreichen, als in 20 Jahren der Vergangenheit erreicht worden ist.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601215900
Herr Abgeordneter Dr. Marx!

Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0601216000
Herr Bundesminister, da Sie eben in einer Ihrer Antworten
die Formel „Entspannung" gebraucht haben, wollte ich versuchen, zur Verdeutlichung zu fragen: Stimmen Sie mit mir überein, daß eine Politik den Begriff „Entspannung" erst dann wirklich verwenden kann, wenn beide Seiten entspannen, weil, wenn nur eine Seite entspannt und die andere nicht, an der Scheidelinie beider eigentlich neue Spannungen entstehen?

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0601216100
Ich stimme Ihnen in dieser Auffassung völlig zu. Aber wir haben nie etwas anderes zur Grundlage unserer praktischen Politik zu machen versucht. Sie werden mir andererseits zugeben, daß in dieser Zeit, in der wir Initiativen in der Zusammenarbeit der Bundesrepublik auch mit den Ländern Osteuropas beginnen wollen, die Voraussetzungen und die Chancen für eine Politik der Entspannung größer sind als vorher. Ich will nicht verhehlen, daß auch die Bildung dieser Bundesregierung eine günstige Voraussetzung für Entspannungsbereitschaft auf der anderen Seite bedeutet. Wir sollten solche Möglichkeiten auf keinen Fall vorübergehen lassen, sondern wir müssen, wenn sich eine Chance zu einer wirklichen Entspannung, die von beiden Seiten gleichermaßen kommen muß — das kann kein einseitiges politisches Bemühen bleiben —, bietet, sie mit Mut und auch mit einem kalkulierten, begrenzten Risiko nutzen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601216200
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Bach.

Dr. Franz Josef Bach (CDU):
Rede ID: ID0601216300
Ich möchte zur ursprünglichen Frage zurückkommen, Herr Minister. Sie haben von der Schwelle gesprochen, bei der die deutschen Interessen tangiert werden. Können Sie mir den Unterschied sagen, wo die Schwelle liegt, die Sie in der Regierungserklärung festgelegt haben oder wo wir früher von einem unfreundlichen Akt gesprochen haben?

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0601216400
Ich kann in diesem Zusammenhang wiederholen, Herr Abgeordneter, daß die Bundesregierung in jedem Einzelfall abzuwägen hat, wie ihre Interessenlage berührt ist.

(Abg. Freiherr von und zu Guttenberg: Das ist genau der Inhalt der Kabinettsentscheidung!)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601216500
Zu einer zweiten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Bach.

Dr. Franz Josef Bach (CDU):
Rede ID: ID0601216600
Liegt die Schwelle höher oder niedriger als bisher?

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0601216700
Das wird im Einzelfall zu prüfen sein, Herr Abgeordneter.




Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601216800
Ich rufe die Frage 85 des Abgeordneten Kiep auf:
Teilt die Bundesregierung die Ansicht, daß die Beziehungsaufnahme dritter Länder mit der „DDR" nicht nur den deutschen Interessen nicht schaden, sondern dazu beitragen würde, ein Element der Spannung auszuräumen?

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0601216900
Herr Kollege, ich habe die Frage 85 sehr wohl durchgelesen und hatte gleich den Eindruck, daß Sie offenbar ein sorgfältiges Aktenstudium über Äußerungen des Vorsitzenden der Freien Demokratischen Partei, die er vor der Wahl gemacht hat, betrieben haben.

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Noblesse oblige!)

Herr Kollege, Sie werden Verständnis dafür haben, daß ich hier die Politik der Bundesregierung vertrete. Es wird Ihnen aber auch nicht entgangen sein, daß das, was der Vorsitzende der Freien Demokratischen Partei in manchen Bereichen vor der Wahl gesagt hat, auf die Außenpolitik der Bundesregierung Einfluß ausgeübt hat.

(Ahg. Dr. Marx [Kaiserslautern]: Bei der Wahl selbst wurde es nicht honoriert!)

— Ich sagte: Die Äußerungen des Bundesvorsitzenden der FDP haben Einfluß gehabt auf die Definierung der Außenpolitik der Bundesregierung. Aber hier vertrete ich ganz streng die Politik der Bundesregierung.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601217000
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Kiep.

Dr. Walther Leisler Kiep (CDU):
Rede ID: ID0601217100
Herr Minister, darf man dann davon ausgehen, daß derartige Gedanken, wie Sie sie selber geäußert haben, die ja eine völlig veränderte deutsche Politik in der Frage der Beziehungen dritter Länder zur DDR bedeutet hätten, daß eine derart veränderte Politik, die wir für verhängnisvoll halten würden, nicht die Politik dieser Bundesregierung in der Frage der Beziehungen dritter Staaten zur DDR ist?

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0601217200
Herr Kollege, ich habe sowohl in der Debatte zur Regierungserklärung als auch durch bekanntgewordene Weisungen, als auch durch Ihre zweifellos unterstützenden Fragen hier im Parlament sehr präzise definieren können, was die Politik der Bundesregierung ist; und das ist diejenige, auf deren Boden ich stehe, die ich hier verteidige.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601217300
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten von Guttenberg.

Freiherr Karl Theodor von und zu Guttenberg (CSU):
Rede ID: ID0601217400
Herr Außenminsiter, darf ich nach Ihren Worten also annehmen, daß sich der Einfluß, den Sie in diesem Zusammenhang auf die Politik dieser Bundesregierung ausgeübt haben, darin ausdrückt, daß das
Wort „unfreundlicher Akt" durch das Wort „nicht freundlicher Akt" ersetzt worden ist?

(Lachen bei der SPD. — Abg. Wehner: Das ist ziemlich unfreundlich, Herr Kollege!)


Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0601217500
Herr Kollege Guttenberg, Sie dürfen natürlich annehmen, was Sie wollen.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Wehner: Sehr gut!)

Ich möchte Ihnen Ihr Wohlbehagen auf gar keinen Fall nehmen. Aber ich habe ja eben schon darauf hingewiesen, daß es nicht schwer ist, festzustellen, daß ein Einfluß in manchen Bereichen erkennbar ist — verständlicherweise!

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601217600
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wienand.

Karl Wienand (SPD):
Rede ID: ID0601217700
Herr Minister, irre ich, wenn ich bisher von der Selbstverständlichkeit ausging, daß zur Politik auch so etwas wie eine psychologische Einstellung in Worten gehört?

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0601217800
Ich bedanke mich für die Unterstützung, Herr Kollege.

(Heiterkeit und Zurufe.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601217900
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Gradl.

Dr. Johann Baptist Gradl (CDU):
Rede ID: ID0601218000
Herr Bundesminister, darf ich zur Präzisierung fragen: Ist es richtig, wenn ich davon ausgehe — und ich möchte das gern —, — —

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601218100
Bitte, gehen Sie etwas mehr ans Mikrophon, Herr Abgeordneter Dr. Gradl!

(Abg. Wehner: Etwas mehr aus dem Graben heraus!)


Dr. Johann Baptist Gradl (CDU):
Rede ID: ID0601218200
Ist es richtig, wenn ich davon ausgehe — und ich möchte das gern —, daß der Herr Bundesminister Scheel die Auffassung nicht mehr teilt, die der FDP-Vorsitzende früher vertreten hat, daß die Aufnahme diplomatischer Beziehungen fremder Länder zur DDR ihn nicht interessiere?

(Abg. Wehner: Die Platte hat einen Sprung! — Zuruf von der FDP: Wieso nicht?)


Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0601218300
Herr Abgeordneter, ich habe eben gesagt, welche Politik der Bundesregierung ich vertrete. Sie ist sehr deutlich, und sie ist hier auch noch einmal in den Konturen sichtbar geworden; und das ist die Antwort auf Ihre Frage.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Sie wollen ja hier wohl nur den Bundesminister fragen. Ich nehme an, daß Sie den FDP-Vorsitzenden



Bundesminister Scheel
möglicherweise noch in einem Privatissimum fragen könnten,

(Zuruf von der CDU/CSU: Nein, das hier ist öffentlich; deswegen wird ja hier gefragt!)

aber der Bundesaußenminister vertritt die Politik der Bundesregierung.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Und Sie als ehemaliges Mitglied des Bundeskabinetts kennen ebenso wie ich die Geschäftsordnung, die besagt, daß alles, was ein Minister einer Regierung zur Politik der Regierung sagt, im Namen der Regierung gesagt ist, und daß alles, was er sagt, sich im Rahmen der Richtlinien hält, die diese Regierung auszuführen hat. Genau daran beabsichtige ich mich zu halten, Herr Kollege.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601218400
Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Gradl.

Dr. Johann Baptist Gradl (CDU):
Rede ID: ID0601218500
Herr Bundesminister, stimmen Sie mir darin zu, daß die Politik, die Sie für die Bundesregierung in dieser wesentlichen Frage vertreten, um so wirksamer wahrgenommen werden kann, je überzeugender klar ist, daß sich auch der frühere Sprecher der FDP und Parteivorsitzende Scheel nunmehr persönlich diese Auffassung zu eigen gemacht hat?

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0601218600
Herr Kollege, Sie können ja immer nur die Regierung befragen, für die ich hier stehe, noch nicht einmal den Minister.

(Zustimmung bei Abgeordneten der SPD.)

Nur die Bundesregierung können Sie hier fragen.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

— Fragen an den Kollegen Scheel gibt es nicht in diesem Zusammenhang, Herr Gradl.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Johann Baptist Gradl (CDU):
Rede ID: ID0601218700
Ich habe den Bundesminister gefragt und nicht den Kollegen Scheel!

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601218800
Bitte der Reihe nach! Jetzt der Herr Abgeordnete Moersch.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0601218900
Herr Bundesminister, schließen Sie mit mir aus den letzten Fragestellungen der Kollegen von der CDU/CSU, die sich vor allem mit dem Problem des unfreundlichen Aktes befaßt haben, daß sich die CDU/CSU in den letzten Wochen mit dem Begriff der zwei deutschen Staaten in Deutschland angefreundet hat?

(Widerspruch und Lachen bei der CDU/CSU.)


Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0601219000
Herr Kollege, ich möchte nicht so weit gehen, wie Sie es ausgedrückt haben.

(Zurufe von der CDU/CSU. — Zuruf des Abg. Wehner.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601219100
Zu einer Zusatzfrage der Herr Abgeordnete Mikat.

Dr. Paul Mikat (CDU):
Rede ID: ID0601219200
Herr Bundesminister, da ich mit Ihnen der Auffassung bin, daß in dieser Fragestunde nur die Bundesregierung befragt werden kann, darf ich nun vielleicht die Frage stellen, ob die Bundesregierung die Auffassung vertritt, daß die Aufnahme von Beziehungen mit der DDR durch dritte Länder den deutschen Interessen schadet —— ja oder nein?

(Beifall und Zurufe von der CDU/CSU. — Abg. Wehner: Das kommt darauf an! — Weitere Zurufe von der SPD.)


Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0601219300
Ich muß leider sagen, Herr Kollege, daß dies eine Zusatzfrage ist, die nicht zu dieser Frage gehört, sondern zur Frage 84 gehört hätte.

(Widerspruch bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Das ist der Wortlaut der Frage 85!)

Aber ich habe gar keine Bedenken, diese Frage zu beantworten; Herr Kollege, Sie werden das sicherlich nicht vermutet haben.

(Zuruf von der CDU/CSU: Wieso?)

Ich wiederhole noch einmal, daß die Bundesregierung in einem solchen Fall ihre Haltung ganz allein von der dann gegebenen Interessenlage der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen abhängig macht.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Wehner: Dabei bleibt es auch!)

Mit anderen Worten: ich lehne die von Ihnen wieder ,eingeführte Schematik des Verhaltens der Bundesrepublik anderen Ländern gegenüber strikt ab.

(Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601219400
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Mikat.

Dr. Paul Mikat (CDU):
Rede ID: ID0601219500
Darf ich Sie fragen, Herr Bundesaußenminister, ob nicht auch derjenige, der mit Ihnen der Auffassung ist, daß eine schematische Reaktion selbstverständlich nicht im deutschen Interesse liegen kann, dennoch sehr wohl davon ausgehen kann, daß die Aufnahme von Beziehungen mit der DDR durch dritte Länder als solche prinzipiell den deutschen Interessen schadet.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0601219600
Herr Abgeordneter, das kann er, wenn er will.

(Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Sind Sie anderer Meinung?)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0601219700
Meine Damen und Herren, Sie mögen es bedauern, aber die Fragestunde ist abgelaufen. Die nicht erledigten Fragen



Vizepräsident Dr. Jaeger
werden schriftlich beantwortet. Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister.

(Beifall bei den Regierungsparteien.) Ich rufe Punkt 15 der Tagesordnung auf:

Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 20. Dezember 1968 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Kaiserreich Iran zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen
Drucksache VI/16 —
Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (6. Ausschuß)

— Drucksache VI/66 —Berichterstatter: Abgeordneter Krammig (1. Beratung 10. Sitzung)

Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seinen Bericht. Eine mündliche Ergänzung ist nicht notwendig.
Nach dem neugefaßten § 77 der Geschäftsordnung wird der Gesetzentwurf über einen solchen Vertrag grundsätzlich nur in zwei Beratungen verabschiedet. Es findet also, wenn das Haus nicht etwas anderes wünscht, keine dritte Beratung statt.
Ich rufe daher in zweiter Beratung die Art. 1, 2, 3, Einleitung und Überschrift auf. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich danke Ihnen.
Ich komme zur Schlußabstimmung. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Soweit ich sehe, keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Auch keine Enthaltungen; einstimmig angenommen.
Ich rufe nunmehr Punkt 17 der Tagesordnung auf:
Wahl der Mitglieder des Gremiums gemäß § 9 Abs. 1 des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses
— Drucksache VI/62 —
Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich nehme an, daß Sie mit diesem interfraktionellen Antrag einverstanden sind. — Ich höre keinen Widerspruch. Dann sind die Mitglieder entsprechend gewählt.
Sonstige Punkte der Tagesordnung sind nicht mehr vorhanden. Wir stehen damit am Ende der Sitzung.
Ich berufe die nächste Sitzung auf Mittwoch, den 26. November, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.