Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet.
Es wird sich inzwischen wie ein Lauffeuer durch das Haus verbreitet haben, daß gestern abend um 11 Uhr auf dem Heimweg aus der Parlamentarischen Gesellschaft die Kollegin Frau Geisendörfer überfallen, zusammengeschlagen und ausgeraubt worden ist und gegenwärtig im Johanniter-Krankenhaus liegt. Ich habe vor zehn Minuten mit ihr telefoniert. In ihrer alten Gelassenheit hat sie mir den Hergang berichtet. Sie wird heute vormittag untersucht. Wir haben bisher keine offizielle Berichterstattung der Kriminalpolizei. Sobald wir Näheres wissen, werden wir Sie unterrichten.
Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in das Protokoll aufgenommen:
Der Bundesminister für Verkehr hat am 26. Juni 1969 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Imle, Ramms und der Fraktion der FDP betr. Unfälle an Bahnübergängen — Drucksache V/4334 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache V/4534 verteilt.
Der Bundesminister des Innern hat am 27. Juni 1969 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Genscher, Dorn, Moersch, Dr. Miessner und der Fraktion der FDP betr. Beamten- und Besoldungsrecht — Drucksache V/4345 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache V/4535 verteilt.
Der Bundesschatzminister hat mit Schreiben vom 26. Juni 1969 den in der Fragestunde am 12. Februar 1969 angekündigten Bericht über die Verwendung des bundeseigenen Kunstguts, soweit es aus früherem Reichsbesitz stammt, vorgelegt. Der Bericht wird als Drucksache V/4537 verteilt.
Der Bundesminister des Auswärtigen hat am 20. Juni 1969 unter Bezug auf den Beschluß des Bundestages vom 28. Juni 1967 in Ergänzung seines Berichts über die deutschen Auslandsschulen — Drucksache V/2121 — einen weiteren Bericht bezüglich der Bemühungen des Auswärtigen Amts, die Ziele seiner Kulturpolitik auf dem Auslandsschulsektor zu verwirklichen, vorgelegt. Der Bericht wird als Drucksache V/4550 verteilt.
Der Bundesminister für Wohnungswesen und Städtebau hat am 30. Juni 1969 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Baier, Röhner, Dr. Ritz, Josten, Franke , Biechele und Genossen betr. Fehlbelegung von Sozialwohnungen — Drucksache V/4337 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache V/4556 verteilt.
Der Stellvertreter des Bundeskanzlers hat am 1. Juli 1969 gemäß § 7 Nr. 2 Satz 2 des Durchführungsgesetzes EWG Getreide, Reis, Zucker, Schweinefleisch, Eier und Geflügelfleisch sowie Verarbeitungserzeugnisse aus Obst und Gemüse mit Zusatz von
Zucker vom 30. Juni 1967 in Verbindung mit § 27 Abs. 2 Satz 1 des Außenwirtschaftsgesetzes vom 28. April 1961 (Bundesgesetzbl. I S. 481) die von dem Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten erlassene
Verordnung über die Beschränkung der Intervention auf in
der Bundesrepublik geerntetes Getreide vom 17. Juni 1969
übersandt. Die Verordnung wird als Drucksache V/4544 verteilt.
Die Bundesregierung hat folgende Vorlagen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften vorgelegt:
Verordnung des Rates zur Verschiebung des Zeitpunkts, zu dem der Geltungsbereich der Einfuhr- und Ausfuhrlizenzen sowie der Bescheinigungen über die vorherige Festsetzung auf die gesamte Gemeinschaft ausgedehnt werden soll
Verordnung des Rates zur Ergänzung der Verordnung Nr. 888/68, soweit es die Begriffsbestimmung der in Artikel 14 Absatz 2 erster Unterabsatz der Verordnung (EWG) Nr. 805/68 über die gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch genannten Konserven betrifft (Drucksache V/4547)
Verordnung des Rates über die Beteiligung des Europäischen
Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft, Abteilung Ausrichtung, für das Jahr 1970
Verordnung des Rates
über die Festsetzung der allgemeinen Anwendungsbedingungen für die in der Verordnung Nr. 1174/68 des Rates vom 30. Juli 1968 über die Einführung eines Margentarifsystems im Güterkraftverkehr zwischen den Mitgliedstaaten vorgesehenen Tarife
Verordnung des Rates
zur Änderung von Artikel 5 der Verordnung Nr. 1174/68 des Rates vom 30. Juli 1968 über die Einführunng eines Margentarifsystems im Güterkraftverkehr zwischen den Mitgliedstaaten (Drucksache V/4554)
Verordnung des Rates
— zur Festsetzung der Preise für Getreide für das Wirtschaftsjahr 1970/71
— zur Festsetzung des Richtpreises für geschälten Reis für das Wirtschaftsjahr 1970/71
— zur Festsetzung der Richtpreise und des Interventionspreises für Olivenöl für das Wirtschaftsjahr 1969/70
—zur Festsetzung der Richtpreise und Interventionsgrundpreise für Olsaaten für das Wirtschaftsjahr 1970/71
— zur Änderung der Verordnung Nr. 1009/67/EWG über die gemeinsame Marktorganisation für Zucker
— über die Festsetzung der Preise für Zucker für das Zuckerwirtschaftsjahr 1970/71 sowie der Standardqualitäten für Weißzucker und Zuckerrüben
— zur Festsetzung der abgeleiteten Interventionspreise, der Zuckerrübenmindestpreise, der Schwellenpreise, des Koeffizienten für die Festsetzung der angepaßten Grundquoten, der Garantiemenge und der Produktionsabgabe für das Zuckerwirtschaftsjahr 1970/1971
— zur Festsetzung des Richtpreises für Milch sowie der Interventionspreise für Butter, Magermilchpulver, Grana Padano und Parmigiano Raggiano für das Milchwirtschaftsjahr 1970/1971
— zur Festsetzung der Schwellenpreise für bestimmte Milcherzeugnisse für das Milchwirtschaftsjahr 1970/1971
— zur Festsetzung der im Milchwirtschaftsjahr 1970/1971 gültigen Beihilfen für Magermilch und Magermilchpulver, die für Futterzwecke verwendet werden
Bundespräsident von Hassel
- über die Festsetzung der für das Wirtschaftsjahr 1970/1971 gültigen Orientierungspreise für Kälber und für ausgewachsene Rinder
- zur Festsetzung des Grundpreises und der Standardqualität für geschlachtete Schweine für die Zeit vom 1. November 1969 bis zum 31. Oktober 1970
Die Bundesregierung hat weiterhin die folgenden Verordnungen des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vorgelegt, die - da sie bereits im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht sind - nicht als Drucksachen verteilt wurden:
Verordnung Nr. 882/69 des Rates vom 13. Mai 1969 zur Festsetzung einer Übergangsvergütung für Weichweizen, zur Brotherstellung geeigneten Roggen, Gerste und Mais, die sich am Ende des Wirtschaftsjahres 1968/69 auf Lager befinden
Verordnung Nr. 988/69 des Rates vom 28. Mai 1969 zur Änderung der Verordnung Nr. 127/67/EWG hinsichtlich bestimmter Waren, die aus den assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar oder aus den überseeischen Ländern und Gebieten eingeführt werden
- Verordnung Nr. 1069/69 des Rates vom 10. Juni 1969 zur Festsetzung des Grundpreises und des Ankaufspreises für Zitronen für den Zeitraum vom 1. Juni 1969 bis 30. April 1970
- Verordnung Nr. 1070/69 des Rates vom 10. Juni 1969 zur Festsetzung des Grundpreises und des Ankaufspreises für Tafeltrauben
- Verordnung Nr. 1071/69 des Rates vom 10. Juni 1969 zur Festsetzung des Grundpreises und des Ankaufspreises für Pfirsiche
Verordnung Nr. 1179/69 des Rates vom 26. Juni 1969 zur Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung des Gemeinschaftszollkontingents von 46 000 Tonnen für Heringe, frisch, gekühlt oder gefroren, ganz, ohne Kopf oder zerteilt, der Tarifnr. 03.01 B I a 2 aa des Gemeinsamen Zolltarifs
Verordnung Nr. 1200/69 des Rates vom 26. Juni 1969 zur Änderung der Verordnung Nr. 204/69 zur Festlegung der allgemeinen Regeln für die Gewährung von Ausfuhrerstattungen und der Kriterien zur Festsetzung des Erstattungsbetrages für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse, die in Form von nicht unter Anhang II des Vertrages fallenden Waren ausgeführt worden
Verordnung Nr. 1202/69 des Rates vom 26. Juni 1969 über die Festsetzung der monatlichen Zuschläge zum Richtpreis und zum Interventionspreis für Ölsaaten im Wirtschaftsjahr 1969/1970
Verordnung Nr. 1203/69 des Rates vom 26. Juni 1969 zur Festsetzung der Interventionspreise für Rohreis, der Schwellenpreise für geschälten Reis und Bruchreis und des in den Schwellenpreis für vollständig geschliffenen Reis einzubeziehenden Schutzbetrags für das Wirtschaftsjahr 1969/1970
Verordnung Nr. 1204/69 des Rates vom 26. Juni 1969 zur Festsetzung der monatlichen Zuschläge zu den Reispreisen für das Wirtschaftsjahr 1969/1970
Verordnung Nr. 1208/69 des Rates vom 26. Juni 1969 zum Datum, ab welchem die Interventionsstellen nur noch Butter mit dem Kontrollzeichen kaufen dürfen
- Verordnung Nr. 1209/69 des Rates vom 26. Juni 1969 zur erneuten Verlängerung des Milchwirtschaftsjahres 1968/ 1969
- Verordnung Nr. 1210/69 des Rates vom 26. Juni 1969 zur erneuten Verlängerung des Wirtschaftsjahres 1968/69 für Rindfleisch
Verordnung Nr. 1211/69 des Rates vom 28. Juni 1969 zur Änderung der Verordnungen 971/68, 985/68 und 1014/68 hinsichtlich der Aufstellung einer Liste von Lagerhäusern für die Lagerung von Butter, der Käsesorten Grana Padano und Parmigiano Raggiano sowie von Magermilchpulver
Verordnung Nr. 1195/69 des Rates vom 26. Juni 1969 zur Änderung der Verordnung Nr. 950/68 des Rates vom 28. Juni 1968 über den Gemeinsamen Zolltarif
Verordnung Nr. 1196/69 des Rates vom 26. Juni 1969 zur Erhöhung der Menge und der Reserve des Gemeinschaftszollkontingentes für Thunfisch, frisch, gekühlt oder gefroren, ganz, ohne Kopf oder zerteilt, für die Konservenindustrie, der Tarifnummer ex 03.01 B I b 1 des Gemeinsamen Zolltarifs
Zu den in der Fragestunde der 246. Sitzung des Deutschen Bundestages am 2. Juli 1969 gestellten Fragen des Abgeordneten Richter, Drucksache V/4504 Nrn. 6 und 7 *), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. Dollinger vom 1. Juli 1969 eingegangen. Sie lautet:
Es ist vorgesehen, in Wertheim für das Postamt und die Ortsvermittlungsstelle Neubauten auf dem Postgrundstück Dr.-HübschStraße/Bahnhofstraße/Poststraße zu errichten.
Das bedeutet, daß die dort vorhandenen Gebäude abgebrochen werden müssen. Da keine Ausweichmöglichkeit besteht, ist es notwendig, das Bauvorhaben in zwei Bauabschnitten auszufüh-
*) Siehe 246. Sitzung, Seite 13710 C
ren. Im 1. Bauabschnitt soll das Dienstgebäude für die Ortsvermittlungsstelle und im 2. Bauabschnitt das Postamtsgebäude errichtet werden.
Nach dem augenblicklichen Stand der Bauplanung ist anzunehmen, daß mit dem Bau für die Ortsvermittlungsstelle im Jahre 1970 begonnen werden kann. Nach Fertigstellung dieses Gebäudes müssen die neuen technischen Einrichtungen der Ortsvermittlungsstelle aufgebaut werden. Sobald diese Arbeiten abgeschlossen sind, soll dann mit dem Bau des Postamtsgebäudes begonnen werden. Ob dies vor dem Jahre 1973 möglich sein wird, läßt sich im Augenblick noch nicht übersehen.
Meine Damen und Herren, nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die Tagesordnung um die in der Ihnen vorliegenden zweiten Ergänzungsliste bezeichneten Vorlagen ergänzt werden. - Das Haus ist damit einverstanden. Die Erweiterung der Tagesordnung ist damit beschlossen.
Zur Tagesordnung hat sich der Abgeordnete Ravens gemeldet.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens unserer Fraktion beantrage ich, die Drucksache V/4521 auf die Tagesordnung zu setzen: Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses über den von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Abzahlungsgesetzes. Die langen und gründlichen Beratungen über dieses Gesetz im Wirtschaftsausschuß und im Rechtsausschuß sind abgeschlossen, die Drucksachen liegen uns vor; es gibt also keine Begründung dafür, das Gesetz nicht zu beraten. Wir halten es für eine wichtige Fortsetzung verbraucherpolitischer, aber auch mittelstandspolitischer Maßnahmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Genscher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktion der FDP widerspreche ich der Aufsetzung dieser Vorlage auf die Tagesordnung. Die Vorlage ist in keiner Weise ausgereift. Sie beinhaltet schwerwiegende Rechtsfragen, die noch nicht ausreichend geprüft sind. Eine überhastete Verabschiedung
in dieser Stunde wird der Angelegenheit nicht gerecht. - Herr Kollege Rasner, nachdem Sie gestern in einer anderen Frage schwerwiegende Bedenken gegen übereilte Verabschiedung von Vorlagen geäußert haben, bin ich sicher, daß Sie und Ihre Fraktion jetzt mit uns stimmen
und sich gegen die Aufsetzung aussprechen werden.
Das Wort zur Tagesordnung wird weiter nicht gewünscht. Wir müssen darüber abstimmen, ob wir die Drucksache V/4521 - Abzahlungsgesetz - und dazu eine zu-Drucksache auf die Tagesordnung setzen wollen. Wer für den hier begründeten Antrag stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Gegenstimmen und Enthaltungen ist die Aufsetzung auf die Tagesordnung beschlossen.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 247. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1969 13791
Präsident von HasselVereinbarungsgemäß beginnen wir heute mit dem Punkt 56 der Tagesordnung:Große Anfrage der Fraktion der FDP betr. mittelständische Wirtschaft— Drucksachen V/4198, V/4441 —Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Opitz.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Leitbild unserer Wirtschaftsordnung ist die wettbewerbsstarke Marktwirtschaft mit ihrer Vielfalt von Betrieben unterschiedlicher Größe. Dadurch garantiert sie die bestmögliche Form der Verbraucherversorgung. In dieser Wirtschaftsordnung spielen Klein- und Mittelbetriebe eine bedeutende Rolle.Leider hat sich im Laufe der Jahre herausgestellt, daß diese unsere Wirtschaftsordnung, dieses unser Wirtschaftssystem konzentrationsfördernd wirkt. Ich glaube, diese Feststellung brauchen wir nicht zu diskutieren, diese Feststellung ist durch die Entwicklung bewiesen. Wir stehen nun vor der Frage, ob das zwangsläufig so ist bzw. ob wir das wollen. Wir sind nicht der Meinung, daß das so sein muß, und betonen mit Nachdruck, daß wir das ändern wollen.Davon ausgehend, daß die Startgleichheit aller Marktpartner die Voraussetzung für einen funktionierenden Leistungswettbewerb ist, haben wir unsere Große Anfrage zur Mittelstandspolitik gestellt. Die staatliche Wirtschafts- und Sozialpolitik der Vergangenheit ebenso wie die Finanz- und Steuerpolitik haben diese Startgleichheit erheblich beeinträchtigt.Gestatten Sie mir, meine Damen und Herren, daß ich Ihnen am Beispiel der Sozialpolitik aufzeige, worum es mir geht. Da ist z. B. die soviel diskutierte Frage der Lohnbezogenheit der Soziallasten. Durch die rapide technische Entwicklung, verbunden mit der Mechanisierung und Rationalisierung ist überwiegend die Großwirtschaft in die Lage versetzt worden, die Zahl ihrer Arbeitnehmer relativ zur Produktion in einem erheblichen Maße zu verringern. Das ist zugegebenermaßen an sich nichts Schlimmes. Aber die Soziallasten müssen von den noch im Arbeitsprozeß stehenden Menschen erarbeitet werden. Das heißt, daß bei jeder sozialpolitischen Belastung die lohnintensiven Unternehmen — das ist überwiegend die mittelständische Wirtschaft — ungleich stärker belastet werden, weil sie die Altlasten, die sie gar nicht verursacht haben, mit aufbringen müssen. Alle Soziallasten treffen die lohnintensive Wirtschaft sehr viel härter als die kapitalintensive Großwirtschaft. Wenn ich Ihnen einige wenige Zahlen nennen darf, mögen Sie daran die sich laufend verschlechternde Situation erkennen. 1957 kamen auf einen Rentner noch 2,8 Beschäftigte, 1967 waren es nur noch 2,2 Berufstätige, und 1976 werden es noch ganze 2 Berufstätige sein.Wir müssen zu einer wettbewerbsneutralen Bemessungsgrundlage der Soziallasten kommen. Ich weiß selbst, wie schwierig das sein wird. Aber es hilft uns nicht weiter, wenn wir immer nur von diesem Problem reden, wenn von diesem Problem nur gesprochen wird. Die technische und wirtschaftliche Entwicklung in der Welt wird uns immer wieder vor neue Probleme stellen, und wir werden sie lösen müssen. Wir freien Demokraten fordern die Bundesregierung auf, sich dieses Problems ernsthaft anzunehmen unter Zuhilfenahme von Wissenschaftlern und Experten. Wir glauben, es ist des Schweißes der Edlen wert.Meine Damen und Herren, die Antwort der Bundesregierung auf unsere Anfrage befriedigt uns in keiner Weise. Die Antwort läßt überwiegend die gestellten Fragen offen, und wenn es so aussieht, als wollte man konkret werden, dann verweist man auf völlig überholte Maßnahmen wie z. B. die Erhöhung des Freibetrages bei der Gewerbesteuer aus dem Jahre 1961.Wir sind natürlich der Meinung, daß die Einführung und Beibehaltung der Ergänzungsabgabe die Senkung des Einkommensteuertarifes im mittleren Bereich wieder rückgängig gemacht hat. Wenn die Bundesregierung in ihrer Antwort formuliert hat, daß diese unsere Meinung nicht zutreffe, weil die Ergänzungsabgabe nur Bezieher von Jahreseinkommen über 16 000 DM belaste, dann sei allerdings die Frage gestattet, ob Bezieher von einem Einkommen von rund 1300 DM im Monat nicht mehr zum Mittelstand gehören. Wenn das die Meinung der Bundesregierung ist, dann diskutieren wir allerdings aneinander vorbei.
Wenn bei einzelnen Fragen auf die geplante Steuerreform und auf die Beratung der dafür eingesetzten Kommission verwiesen wird, dann läßt das doch zumindest die Vermutung zu, daß eigene konkrete Vorstellungen der Regierung zur Zeit nicht vorhanden sind. Sosehr anzuerkennen ist, daß in der Antwort der Regierung die Bedeutung der Selbständigen und der von ihnen geleiteten Unternehmen gewürdigt wird, bleibt doch festzustellen, daß damit der begreiflichen Unruhe in weiten Kreisen der mittelständischen Wirtschaft nicht zu begegnen ist.Es ist bedauerlich, daß der Entwurf der zweiten Kartellgesetznovelle wegen der strittigen Preisbindungsfrage nicht im Bundestag eingebracht worden ist. Unserer Meinung nach sollte die Preisbindung der zweiten Hand dort erhalten bleiben, wo sie vom Markt nicht unterlaufen wird. Aber eine Verknüpfung dieser Frage mit den gewünschten notwendigen Verbesserungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ist unzweckmäßig und ungerechtfertigt. Die vor allem für die Kooperation kleiner und mittlerer Betriebe bedeutsame Bagatellkartellfrage hätte endlich gesetzlich geregelt werden können und müssen. Das gleiche gilt für die im Gesetz vorgesehenen Bestimmungen über die Wettbewerbsregeln sowie die Mißbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen.
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13792 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 247. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1969
OpitzMeine Kolleginnen und Kollegen werden noch zu einzelnen Punkten unserer Anfrage und natürlich zu den Antworten Stellung nehmen. Lassen Sie mich aber mit aller Deutlichkeit und mit allem Nachdruck folgendes sagen. Eine Politik, die auf die Stärkung der mittelständischen Wirtschaft gerichtet ist, war und ist für die Freien Demokraten eine ständige Aufgabe, weil wir der Überzeugung sind, daß ein funktionierender Wettbewerb nur durch die Vielfalt von Unternehmen verschiedener Größe möglich ist. Wettbewerb ist aber im Interesse der gesamten Volkswirtschaft und im besonderen Maße im Interesse des Verbrauchers erforderlich. Das bedeutet allerdings nicht, daß die FDP daran interessiert ist, jedes nicht lebensfähige Kleinstunternehmen um jeden Preis zu unterhalten. Wir wollen keine Sonderregelungen, die den Mittelstand in irgendeiner Weise bevorzugen. Wir wollen auch keine Subventionen, denn das würde schon wieder eine Wettbewerbsverzerrung zur anderen Seite hin bedeuten. Was wir lediglich wollen, ist eine wettbewerbsneutrale Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik, die sich nicht zuungunsten der mittelständischen Wirtschaft auswirkt.
Wie wichtig diese Wirtschaft für uns alle ist, beweist eine wissenschaftliche Untersuchung in den Vereinigten Staaten von Amerika über die Leistungsfähigkeit der Klein- und Mittelbetriebe hin. sichtlich Forschung und Entwicklung. Hier wurde erarbeitet, daß, obwohl die relativen Aufwendungen für Forschung und Entwicklung in den Großbetrieben sehr viel höher liegen, die Klein- und Mittelbetriebe hinsichtlich neuer Erzeugnisse und Produktverbesserungen den Großbetrieben zum Teil überlegen sind und sehr viele Anregungen gerade aus dem Bereich der mittelständischen Wirtschaft kommen.Meine Damen und Herren, das mag Grund genug sein, zu hoffen, daß im Verlauf der Debatte doch noch eine konkretere Stellungnahme seitens der Bundesregierung abgegeben wird als in der schriftlichen Antwort auf die Anfrage der FDP.
Das Wort hat der Abgeordnete Gewandt.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen! Meine Herren! Die CDU/ CSU-Fraktion begrüßt die Möglichkeit, noch in dieser Legislaturperiode eine Debatte über die Probleme der mittelständischen Wirtschaft zu führen. Natürlich bedauern wir, daß dieses Thema so kurz vor Toresschluß hier auf der Tagesordnung steht, so daß wir unter einem gewissen Zeitdruck reden müssen. Das hat aber vielleicht auch den Vorteil, daß man die Möglichkeit hat, gleich zum Kernpunkt zu kommen.Die Antwort der Bundesregierung erscheint uns recht ausgewogen. Wir begrüßen auch, daß die Bundesregierung nicht verschwiegen hat, daß in einer Reihe von Fragen unterschiedliche Beurteilungen möglich sind. Aber, meine Damen und Herren, wir glauben im Gegensatz zu den Kollegen von der FPD, daß man eine Mittelstandsdebatte nicht nur an Hand einzelner, sicherlich wichtiger Fragen der Steuer- und der Sozialpolitik führen kann, sondern wir meinen, daß man den Bogen etwas weiter spannen muß und in diese Betrachtung die Strukturpolitik, insbesondere die betriebsgrößenorientierte Strukturpolitik, einzubeziehen hat.Zunächst möchte ich noch einmal die Bedeutung des Mittelstands unterstreichen, den wir immer als integrierten Bestandteil der Wirtschaft betrachtet haben. Häufig wird verkannt, daß auch heute noch etwa zwei Drittel aller Beschäftigten in mittelständischen Betrieben tätig sind und daß fast 20 % der im Erwerbsleben Stehenden Selbständige sind, wenn man die mithelfenden Familienmitglieder einbezieht.Nun sagte ich bereits, daß es nach unserer Auffassung nicht nur darauf ankommt, hier die einzelnen Bereiche der Steuer- und der Sozialpolitik auszuloten, sondern daß man zunächst einmal feststellen muß, daß für den Mittelstand — und er ist ja ein integrierter Bestandteil der Wirtschaft — in erster Linie natürlich die Frage interessant ist, ob die allgemeine wirtschaftliche Linie stimmt, ob wir eine gute Konjunktur haben, ob wir ein Klima haben, in dem sich die freie Initiative und der Leistungswettbewerb entfalten können. Wir haben Mittelstandspolitik immer als Strukturpolitik im weitesten Sinne aufgefaßt. Wir haben damit klar zum Ausdruck bringen wollen, daß wir immer Gegner einer rein konservierenden Schutzpolitik für den Mittelstand gewesen sind. Wir haben uns auch nicht gescheut, gelegentlich tief verwurzelte Traumbilder im Bereich der mittelständischen Wirtschaft, wenn es im Interesse des Mittelstandes nötig ist, zu zerstören. Wir wollen keine konservierende Schutzpolitik, sondern wir wollen eine moderne Strukturpolitik. Wir meinen, daß gerade im Mittelstand dieser Strukturwandel von größter Bedeutung ist. Es muß unterstrichen werden, daß in keinem Bereich der Wirtschaft eine so wichtige Gruppe wie beispielsweise der Einzelhandel oder das Handwerk in der Lage war, ohne staatliche Hilfe, nur auf sich allein gestellt sich den modernen Strukturwandlungen anzupassen. Die einzige Schützenhilfe, die wir gegeben haben, war im Grunde genommen die Gewerbeförderung, die dann noch durch Eigenbeiträge aus der Wirtschaft ergänzt wurde.
Dieser Strukturwandel, der hier stattgefunden hat, ist ohne größere Härten und ohne Appell an die Hilfe des Staates vollzogen worden. Wir meinen, daß man das unterstreichen muß.Unter Strukturpolitik verstehen wir nicht ein neues Instrument an Stelle der Globalsteuerung. Diese Strukturpolitik ist nach unserer Meinung Bestandteil der marktwirtschaftlichen Ordnung und ein unentbehrliches Glied einer nationalen Wirtschaftspolitik.Wir bedauern, daß in der Anfrage die FDP auf die Probleme der Strukturpolitik nicht eingegangen
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 247. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1969 13793
Gewandtwurde. Dies hätte nämlich die Regierung in den Stand versetzt, in bezug auf das Instrumentarium vielleicht noch etwas konkreter zu werden. Vor anderthalb Jahren haben wir hier eine strukturpolitische Debatte geführt, in der wir uns alle für eine moderne Strukturpolitik ausgesprochen haben. Wir haben aber keine Kenntnis, in welcher Weise die Bundesregierung in der Zwischenzeit ihr strukturpolitisches Instrumentarium ausgebaut hat. Vor allen Dingen haben wir keine Klarheit über ihre größenorientierte Strukturpolitik. Die betriebs- und unternehmensorientierte Strukturpolitik sollte neben der sektoralen und der regionalen Strukturpolitik das dritte Element sein.Von dem Herrn Kollegen Opitz ist mit Recht darauf hingewiesen worden, daß dem Wettbewerb eine elementare Bedeutung für unser wirtschaftliches Leben zukommt. Wir haben uns immer zum Wettbewerb bekannt. Natürlich muß das Wettbewerbsrecht weiter entwickelt werden, damit der Wettbewerb weiter der Garant für eine optimale Versorgung der Bevölkerung ist. Die Möglichkeiten eines kostensenkenden und güterschöpfenden technischen Fortschritts müssen nach meiner Auffassung stärker unterstrichen werden. Wir brauchen eine Weiterentwicklung des Wettbewerbsrechts.Zur Strukturpolitik möchte ich kurz noch folgendes erwähnen. Es darf nicht der Eindruck entstehen, als würden wirtschaftspolitische und sozialpolitische Maßnahmen unter Rücksichtnahme auf Großunternehmen konzipiert. Es muß jetzt endlich eine eigenständige betriebsgrößenorientierte Strukturpolitik entwickelt werden.Wir haben uns immer dagegen gewandt, daß man in der Wettbewerbsfrage von Leitbildern ausgeht, die nicht der Realität entsprechen. Es hat nach dem letzten Kartellbericht und der Stellungnahme der Bundesregierung den Anschein — ich klammere im Augenblick einmal das Thema der Preisbindung der zweiten Hand aus —, daß eine gewisse Annäherung der Standpunkte zu verzeichnen ist. Wir haben uns immer gegen die Gleichung gewehrt: Großbetrieb gleich sozialer Fortschritt, gleich technologischer Fortschritt. Diese These hält keiner exakten Betrachtung stand. Alle Berichte aus den Vereinigten Staaten, die wir studieren konnten, ergeben, daß in diesem Lande, aus dem Galbraith kommt, der ja immer die Philosophie des Großbetriebes vertritt, die technologischen Impulse, die aus der mittleren Wirtschaft kommen, in absoluten und relativen Zahlen ausgedrückt, größer sind als die, die von den Großbetrieben kommen.Wir haben — insofern stimmen wir mit der FDP überein — bedauert, daß wegen einer nach unserer Auffassung nicht sehr sachgerechten und zweckmäßigen Verbindung der Frage der Preisbindung der zweiten Hand mit einer Weiterentwicklung des Kartellrechts eine Novelle der Bundesregierung hier nicht zur Debatte gestellt werden konnte. Ich meine, daß die Frage der Preisstabilität, die im Augenblick im Zusammenhang mit dem Problem der Preisbindung gesehen wird, mit der Frage der Preisbindung nichts zu tun hat. Ich meine, daß hier andere Gründe vorhanden sind, nämlich eine Überdosierung im konjunkturellen Bereich. Ich habe den Eindruck, daß auch heute noch im Bundeswirtschaftsministerium die Frage der Preisbindung überbewertet wird. Wir haben gerade in der zurückliegenden Zeit feststellen können, daß die gebundenen Preise besonders stabil waren. Das konnte man auch bei der Einführung der Mehrwertsteuer beweisen.Auch die Bundesregierung geht in ihrem Bericht davon aus, daß zwar nachzuweisen ist, daß es bei der Aufhebung der Preisbindung in einzelnen Fällen zu Preiseinbrüchen gekommen ist, daß damit aber über das Preisniveau nichts gesagt ist. Es ist immerhin interessant, daß Herr Günther, der keineswegs als ein besonderer Förderer der Preisbindung angesehen werden kann, erklärt hat, es sei auch möglich, daß nach Aufhebung der Preisbindung sogar Preisauftriebstendenzen festzustellen seien. Immerhin meine ich, daß man einmal feststellen sollte, daß in einem Land wie der Schweiz mit einem relativ hohen Anteil an gebundenen Preisen die Preisstabilität maximal ist, während in anderen Ländern, beispielsweise den skandinavischen Ländern, die Preisbindung unbekannt ist und dort immerhin erhebliche Preisauftriebstendenzen zu verzeichnen sind; für mein Empfinden ein weiterer Beweis dafür, daß die Frage der Preisstabilität nichts mit dem Problem der preisgebundenen Artikel zu tun hat.Im übrigen darf man nicht verkennen, daß auch die Markenartikel mit gebundenen Preisen Marktpreise haben. Denn sie stehen nicht nur in Konkurrenz zu gleichartigen preisgebundenen Artikeln, sondern darüber hinaus auch zu ungebundenen Artikeln.Wir sind nun der Meinung, daß man bei der Weiterentwicklung des Wettbewerbsrechts folgendes berücksichtigen muß: einmal eine verbesserte Möglichkeit der Kooperation durch- die Lockerung des generellen Kartellverbots. Wir möchten damit den Wettbewerb nicht einschränken, sondern verbessern. Wir möchten weiterhin eine Ausweitung der Mißbrauchsaufsicht und eine präventive Fusionskontrolle. Wir sind ferner der Auffassung, daß man die Zulässigkeit der Wettbewerbsregeln neu fassen muß. Ich hoffe, daß es im Rahmen der weiteren Diskussion um ein Wettbewerbsrecht möglich sein wird, auch den leistungsgerechten Wettbewerb justitiabel zu formulieren. Ferner meinen wir, daß bei der Weiterentwicklung des Wettbewerbsrechts darauf achtgegeben werden muß, daß kleinere und mittlere Unternehmen in der Lage sein müssen, sich durch gemeinschaftliche Aktionen einem Verdrängungswettbewerb gegenüber zu behaupten. Wir wollen damit keine Preiskartelle, sondern wir möchten nur eine Möglichkeit der Zusammenarbeit auf Zeit mit dem Ziel, Niedrigpreisaktionen gemeinsam durchzuführen.Da nun, wie ich ausführte, wegen der Verbindung des Themas der Preisbindung mit der Weiterentwicklung des Wettbewerbsrechts in dieser Legislaturperiode das Wettbewerbsrecht eben dort stehenbleiben mußte, wo es nach den Beschlüssen der letzten Legislaturperiode stand, haben wir uns bemüht, durch parlamentarische Initiativen das Wettbewerbsrecht weiter zu entwickeln und sicherzustellen, daß der unlautere Wettbewerb unterbunden wird. Wir
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13794 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 247. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1969
Gewandthaben einmal an den Änderungen der Gewerbeordnung mitgewirkt, um unlautere Werbeveranstaltungen zu unterbinden. Unsere Kollegen, die auf die Steuerfragen zu sprechen kommen, werden nachher darauf hinweisen, daß wir zur Erreichung der Wettbewerbsneutralität die Mehrwertsteuer eingeführt haben. Ich glaube aber, die entscheidende wettbewerbspolitische Aktion dieser Legislaturperiode war unser Initiativantrag zur Verbesserung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb. Wir sind froh darüber, daß es in einer gemeinsamen Arbeit aller Fraktionen gelungen ist, das Wettbewerbsrecht zu verbessern, damit alle die Praktiken, die heute bereits jeder seriöse Geschäftsmann als unlauter betrachtet, wirkungsvoll verfolgt werden können.Ich möchte mir noch einige grundsätzliche Bemerkungen erlauben. In einer so dynamischen Gesellschaft und Wirtschaft wie der unsrigen hatten die Selbständigen ungeahnte und bisher nie gekannte Chancen. Allerdings muß man einschränkend sagen: das Risiko ist größer, und die Anforderungen, die an den Selbständigen gestellt werden, sind größer als zu allen anderen Zeiten.
— Ach, Herr Dorn, ich habe den Eindruck, Sie sprechen jetzt, ohne es zu sagen, von der arbeitsrechtlichen Form der Lohnfortzahlung.
Wenn Sie das einmal genau ausrechnen, verehrter Herr Kollege Dorn, mit all den Maßnahmen, die wir hier beschlossen haben, und mit der Senkung des Satzes für die Krankenversicherung, dann werden Sie feststellen, daß die jetzt geschaffene Regelung billiger ist als die von Ihnen empfohlene versicherungstechnische Lösung. Hier geht es nicht um eine Mehrbelastung.
— Sie müssen rechnen können, Herr Kollege Dorn.Das läßt sich nun leider nicht vermeiden. Aber wirkönnen Ihnen da gern Nachhilfestunden erteilen.
Ich habe bereits darauf hingewiesen, daß in dieser dynamischen Gesellschaft höhere Anforderungen an den Selbständigen gestellt werden. Deshalb meinen wir, daß dem Ausbau der Gewerbeförderung größere Bedeutung zukommt als in der Vergangenheit, daß der mittlere, der kleine Betrieb die gleichen Erkenntnisse in seinem Berufsleben anwenden können muß, die dem großen zur Verfügung stehen. Vor allen Dingen müssen wir ein wirtschaftspolitisches und sozialpolitisches Klima erhalten, das den Leistungswettbewerb anregt und die private Initiative lohnenswert macht.
Nun gibt es natürlich eine Fülle von Gefahren: die Gefahren des staatlichen Dirigismus, die Gefahr der Gigantomanie, die wir überall zu verzeichnen haben. Es gibt vielleicht auch die Gefahr, daß in zu starkem Maße außerhalb des Parlaments — ich denke im Augenblick an die konzertierte Aktion — bestimmte Maßnahmen präfabriziert werden, auch im gesellschaftspolitischen Bereich.Ferner besteht eine große Gefahr in der Ungleichheit im Subventionswesen. Wir werden sicherlich einmal — in dieser Legislaturperiode ist es nicht gelungen — dazu kommen, dieses Thema fundierter zu behandeln, als es bisher möglich war. Viele Formen der Staatshilfen und Subventionen führen heute zu einer Wettbewerbsverzerrung. Um ein vielleicht extremes, aber praktisches Beispiel zu geben: in einem Fall wie Krupp war es natürlich die öffentliche Hand, die einsprang; im Fall des Kleinen wird der Betrieb dann leise vor sich hinsterben, ohne das großes Aufsehen erregt wird.Aber auch die Stabilität des wirtschaftlichen Lebens und der Finanzen ist von großer Bedeutung, gerade für die mittelständische Wirtschaft, die immer für eine Stabilität eingetreten ist. Deshalb sollten wir uns hüten, die öffentlichen Hände zu überfordern, damit nicht wieder ein inflationärer Sog entsteht. Denn über eines darf man sich nicht hinwegtäuschen: ein inflationärer Trend bringt den kleinen und mittleren Betrieben nie einen Vorteil, sondern immer einen Substanzverlust. Sicher sind die vielen Fragen, auf die wir noch im einzelnen eingehen werden, entscheidend; aber in erster Linie kommt es darauf an, daß wir ein stabiles wirtschaftliches Gefüge haben, daß wir eine gute Konjunktur erhalten und daß wir ein Wettbewerbsrecht schaffen und eine moderne Strukturpolitik betreiben, die es auch dem mittleren und kleineren Betrieb ermöglicht, sich zu behaupten und seine angemessene Rolle im wirtschaftlichen Leben unseres Landes zu spielen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kurlbaum.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Recht spielen im Rahmen der Sicherung der mittelständischen Wirtschaft die Steuerfragen eine entscheidende Rolle. Lassen Sie mich hier jetzt einiges zu. den steuerpolitischen Fragen, die im Rahmen unserer heutigen Debatte von Bedeutung sind, sagen.Die kleineren Wirtschaftsunternehmen haben in der Auseinandersetzung mit großen Wettbewerbern unzweifelhaft entscheidende Wettbewerbsnachteile, die nicht so leicht zu korrigieren und zu kompensieren sind. Ich zähle in diesem Zusammenhang nur einige auf. Da ist erstens einmal die Tatsache, daß sich das kleinere Unternehmen in der Regel nur zu teureren Zinsen und nicht so reichlich finanzieren kann wie das Großunternehmen. Zweitens ist es für das Großunternehmen sehr viel leichter, die hohen Kosten der Großwerbung aufzubringen, da es diese Kosten auf große Umsätze verteilen und durch eine solche mächtige Großwerbung den kleineren Wettbewerber an die Wand drücken kann.
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KurlbaumSchließlich ist es drittens vielen Großunternehmungen möglich, ihre Risiken zu verteilen, da sie ein ganzes Spektrum von Arbeitsgebieten haben. Sie sind in die Lage versetzt, sich auf einzelnen Arbeitsgebieten gezielt für eine begrenzte Zeit mit der reinen Kostendeckung abzufinden, auf Gewinne zu verzichten und dadurch kleinere, auf bestimmte Arbeitsgebiete spezialisierte Unternehmungen aus dem Markt zu verdrängen.Angesichts dieser sozusagen immanenten Vorteile der Großen — Vorteile, die für sie unabhängig davon bestehen, ob sie bessere oder preiswertere Waren und Dienstleistungen anbieten oder nicht — muß sich der verantwortungsbewußte Staat mit der Frage beschäftigen, wie er das ausgleichen kann. In diesem Rahmen spielt natürlich die Steuergesetzgebung eine entscheidende Rolle. Wir wissen alle, daß insbesondere die Gewerbesteuer und die Gewerbeertragsteuer im Mittelpunkt der Diskussion stehen.Wir möchten gar keinen Zweifel daran lassen, daß wir das derzeitige System der Gewerbeertragsteuer für dringend überholungsbedürftig halten. Die derzeitige Gewerbeertragsteuer hat folgende entscheidenden Nachteile, die die Reform geradezu herausfordern. Die Besteuerung ist, abgesehen von unzureichenden Freibeträgen und abgesehen von einer Steigerung der Sätze im Rahmen eines noch relativ kleinen Einkommens, nicht progressiv, sondern wendet einen festen Steuersatz an. Sie widerspricht also in ihrer Grundkonzeption den modernen Vorstellungen einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit.Zweitens bringt das derzeitige System den entscheidenden Nachteil mit sich, daß die Zinsen des Steuerpflichtigen nicht abzugsfähig sind. Diese Eigenschaft dieser Steuer führt mit dazu, daß kleinere Unternehmen mit einer schmalen Finanzbasis, insbesondere neu beginnende Unternehmen, sehr nachteilig betroffen werden.Drittens — und damit komme ich zu einem Punkt, der in Verbindung mit unserem Antrag auf Umdruck 719 steht — hat das System der Abzugsfähigkeit der Gewerbeertragsteuer bei der Ermittlung des einkommensteuerpflichtigen oder körperschaftsteuerpflichtigen Einkommens den bösen Nachteil, daß, wenn man beide Steuern — Gewerbesteuer und Einkommensteuer — zusammennimmt, der kleinere Unternehmer effektiv einen höheren Prozentsatz seiner Gewerbeertragsteuer selbst bezahlen muß als Unternehmen mit hohen Einkommensteuersätzen oder Körperschaftsteuersätzen.Aus diesen Erwägungen wird klar, wo vor allen Dingen die Reform der Gewerbeertragsteuer anzusetzen hat. Nun ist leider auch klar, daß derjenige, der Reformvorschläge zu einer Steuer macht, die einen so wesentlichen Bestandteil unseres gesamten Steueraufkommens ausmacht, wohl auch Vorschläge über die Ersatzlösungen machen muß, d. h. über die Ausfüllung der Finanzlücken, die durch eine reine Herabsetzung der Gewerbesteuer auftreten. Angesichts der Tatsache, daß die Gewerbeertragsteuer ungefähr 11 Milliarden DM erbringt und insbesondere die Kommunen auf sie angewiesen sind, ist es unserer Auffassung nach nicht möglich, die Gewerbeertragsteuer betreffende Vorschläge zu machen, die auf eine Senkung hinausgehen, ohne daß auch ein Ersatzfinanzierungsvorschlag für die Gemeinden gemacht wird.
Eine Lösung der Art, daß erst eine andere Finanzierungsquelle aufgetan werden muß, wird man also kurzfristig nicht erreichen können. Das wird mit großer Wahrscheinlichkeit erst im Rahmen der Steuerreform der nächsten Legislaturperiode und auf der Grundlage dessen, was die Steuerkommission erarbeitet hat, möglich sein.Deshalb möchte ich auch auf die Fragwürdigkeit des Grundvorschlags des Antrags Stücklen auf Umdruck 733 hinweisen. Selbstverständlich sind auch wir davon überzeugt, daß etwas getan werden muß, um die Kapitalbildung bei den kleineren Unternehmungen zu erleichtern. Aber auch beim Antrag Stücklen muß die Frage gestellt werden: was kostet das, und wie wird die dadurch entstehende Finanzlücke ausgefüllt? Ich habe mich darum bemüht, das ziffernmäßig zu erfassen. Aber das ist außerordentlich schwierig, weil man natürlich bei einem solchen Vorschlag niemals genau und zuverlässig voraussagen kann, in welchem Umfang von der Möglichkeit einer steuerfreien Rücklage Gebrauch gemacht wird. Im allgemeinen wird der Steuerzahler das in großem Umfang tun, weil es ja unmittelbar zu einer Steuerersparnis für ihn führt. Aber in diesem Zusammenhang stellt sich die schwierige Frage, inwieweit er bei der Ausnutzung seines Spielraums für Sonderausgaben und Prämiensparen bereits für die nächsten Jahre disponiert hat.Eines scheint mir von vornherein klar zu sein, daß man bei der Durchführung des Vorschlags gemäß Umdruck 733 *) mit einem jährlichen Ausfall von mehreren hundert Millionen D-Mark rechnen muß. Ich behaupte nicht, daß er unter allen Umständen eintritt, aber man muß eine solche Möglichkeit ins Auge fassen.Nun zu den Vorschlägen der FDP, soweit sie aus ihrem Umdruck 738 **) erkennbar sind. In den ersten fünf Punkten beschäftigt sich die FDP mit den Steuerfragen. Die ersten beiden Fragen betreffen die Erleichterung der Kapitalbildung und die Frage der Neutralität der steuerlichen Belastung. Dort sind die Wünsche so allgemein formuliert, daß ihnen wohl jeder zustimmen muß, aber sie sind leider in keiner Weise konkretisiert.Aber bei den nächsten Punkten fängt schon die Schwierigkeit an. Man verlangt den Abbau der Ergänzungsabgabe und verlangt radikal den Abbau der Gewerbesteuer, ohne mit einem einzigen Wort zu sagen, wie man diese Finanzlücken decken will. Meine Damen und Herren von der FDP, schließlich müssen noch zwei andere Fragen in diesem Rahmen gesehen werden. Mindestens im jetzigen Zeitpunkt, in dem sich ein gefährlicher Boom in unserer Wirtschaft ankündigt, müssen wohl alle solche Vor-*) Siehe Anlage 2 **) Siehe Anlage 3
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Kurlbaumschläge für massive Steuersenkungen auch unter dem Gesichtspunkt unserer Konjunkturpolitik gesehen werden. Meine Damen und Herren von der FDP, ich erinnere Sie daran, daß im Stabilitätsgesetz ganz andere Maßnahmen für den Fall eines Überschäumens der Konjunktur vorgeschlagen werden, nämlich die Stillegung von Steuermehreinnahmen, nicht aber die Durchführung von allgemeinen Steuersenkungen.Schließlich stellt sich in diesem Zusammenhang auch die Frage eines richtigen Gleichgewichts zwischen den Steuersenkungen, die für die Unternehmungen verlangt werden, und den Steuersenkungen, die auch für den Verbraucher, z. B. für den Lohn- und Gehaltsempfänger, denkbar sind. Sie wissen, daß sich uns der DGB auf diesem Gebiet angeschlossen hat. Wenn also solche Forderungen nach Steuerminderungen erhoben werden, müssen wir die Frage stellen: wo bleibt, wenn die Unternehmensteuern gesenkt werden sollen, der Lohn- und Gehaltsbezieher, wo bleibt der Rentner, und wo bleibt der Verbraucher? Auf diese Frage müssen Sie uns wohl eine Antwort geben.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Staratzke?
Ja, bitte schön!
Herr Kollege Kurlbaum, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß die Einführung der Ergänzungsabgabe zu einem Zeitpunkt erfolgte, als sie ganz sicher auch nicht antizyklisch, sondern prozyklisch wirkte?
Ja, da stimme ich Ihnen ohne weiteres zu.
Aber die Notwendigkeit der Einführung der Ergänzungsabgabe zu diesem Zeitpunkt hatte nicht die Große Koalition zu verantworten, sondern die Einführung der Ergänzungsabgabe wurde notwendig durch die falsche Finanzpolitik der vorangegangenen Koalition und der vorangegangenen Bundesregierung.
Eine weitere Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Funcke.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Kurlbaum, wie müßte denn eigentlich der Zustand der Konjunktur sein, um den von Ihnen an sich begrüßten und für notwendig gehaltenen Abbau von Steuern durchführen zu können, wenn ein Boom und offensichtlich auch eine Rezession nicht geeignet sind?
Ich habe nichts davon gesagt, daß eine Rezession kein geeigneter Zeitpunkt für einen Steuerabbau sei. Ich bin im Gegenteil der
Meinung, Frau Kollegin Funcke, daß man, wenn es — wir wünschen das nicht — wieder zu einem, sagen wir einmal, wirtschaftlichen Zurückbleiben des Wachtums käme, sehr wohl Steuersenkungen in Erwägung ziehen müßte. Das wäre der geeignete Zeitpunkt dafür. Wir hoffen, daß im jetzigen Zeitpunkt, in dem sich ein Boom ankündigt oder schon da ist, die Mittel nicht durch zeitlich falsch terminierte Steuersenkungen vertan werden. Das würde nämlich dazu führen, daß uns die Mittel dann, wenn wir sie wirklich brauchen, nicht mehr zur Verfügung stehen, so wie es in den Jahren 1966 und 1967 leider der Fall war.
Gestatten Sie eine weitere Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Funcke?
Herr Kollege Kurlbaum, wie rechtfertigen Sie denn auf Grund dessen, was Sie gerade gesagt haben, die Tatsache, daß seit Bildung der Großen Koalition mindestens acht Steuerarten heraufgesetzt oder neu eingeführt worden sind?
Frau Funcke, ich kann nur das wiederholen, was ich vorhin gesagt habe. Die Große Koalition befand sich in einem schrecklichen Dilemma, das ihr von der vorangegangenen Bundesregierung hinterlassen worden war,
nämlich die Rezession bei gleichzeitigen gefährlichen Haushaltsdefiziten zu überwinden, für die Ihr Finanzminister, Herr Dahlgrün, in erster Linie verantwortlich war.
Das war die Lage, die wir vorgefunden haben. Deshalb mußten Steuererhöhungen in einem Zeitpunkt vorgenommen werden, in dem wir sie hoffentlich bei geordneten Bundesfinanzen in Zukunft nicht mehr vorzunehmen brauchen.
Gestatten. Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Ott?
Herr Kollege Kurlbaum, angesichts Ihrer Äußerung über die Finanzsituation eine Frage: haben Sie vergessen, daß die Finanzsituation auch dadurch entstanden ist, daß Sie mit Ihrer Fraktion bei den Ausgabenbeschlüssen kräftig mitgemischt haben und daß Herr Dr. Möller hier in diesem Hause und damals in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung auch zugegeben hat, daß gemeinsam Sünden begangen worden sind?
Ja, Sie wissen aber auch gleichzeitig, daß die Sozialdemokratische Partei unmittelbar vor den Wahlen 1965, als sich diese Finanzlage ankündigte, als sie sichtbar wurde, ihre alten Vorlagen in großem Umfang zurückgezogen hat.
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Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Ertl?
Herr Kollege Kurlbaum, sind Sie heute der Auffassung, daß der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Karl Schiller, im Jahre 1966 eine falsche Meinung vertrat, als er gemeinsam mit der FDP der Meinung war, Steuererhöhungen zum damaligen Zeitpunkt seien ein falsches Mittel?
Meine Herren, ich kann doch nicht alles wiederholen, was ich gesagt habe. Ich glaube, ich habe ganz klar und deutlich gesagt, daß die damaligen Steuererhöhungen konjukturpolitisch nicht erwünscht waren, aber leider durch die gefährliche Defizitlage erzwungen waren, die die neue Bundesregierung vorfand. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Ich möchte mich auch jetzt auf weitere Diskussionen nicht mehr einlassen, weil, wie ich glaube, die Argumente hierzu ausgetauscht sind.
Lassen Sie mich nun zu den den Vorschlägen der Fraktion der SPD kommen. Meine Damen und Herren, wenn wir kurzfristig den kleineren und mittleren Unternehmungen auf dem Gebiete der Gewerbeertragsteuer helfen wollen, stellt sich die Aufgabe, eine Lösung zu finden, für die keine Deckungslücke ausgefüllt werden muß. Das ist der entscheidende Gesichtspunkt für unseren Vorschlag.Zweitens geht der Vorschlag auch davon aus, daß das Gewerbesteueraufkommen für die Kommunen mit ihren vielfältigen Aufgaben auf dem Gebiete der Bildungs-, Gesundheits- und Verkehrspolitik vorläufig unangetastet bleibt, zumindest so lange, bis die große Steuerkommission Vorschläge vorgelegt hat und diese Vorschläge durch den Deutschen Bundestag in seinen Ausschüssen beraten worden sind. Meine Damen und Herren, uns ist dieser Zeitraum zu lang, und darum haben wir uns einen Vorschlag überlegt, der sofort durchgeführt werden kann, ohne schwierige Finanzierungsfragen aufzuwerfen.Nun hat der Herr Kollege Lampersbach eine Presseverlautbarung herausgegeben, die erkennen läßt, daß er offensichtlich nicht in der Lage war, den sachlichen Inhalt unseres Vorschlages zu erkennen. Sonst hätte er in seiner Verlautbarung nicht die Behauptung aufgestellt, dieser Vorschlag würde zu einer Erhöhung der Gewerbeertragsteuer führen. Das ist ein klares Mißverständnis, Herr Lampersbach, und ich würde es begrüßen, wenn Sie die falsche Feststellung in Ihrer Presseverlautbarung berichtigten.Sie haben zweitens die Behauptung aufgestellt, Bund und Länder würden auf Grund des SPD-Vorschlages höhere Einnahmen erzielen. Wenn Sie unseren Antrag durchlesen, werden Sie feststellen, daß das ja gerade durch unseren Vorschlag ausgeschlossen werden soll, nämlich durch die richtige Wahl des Prozentsatzes, mit dem die Gewerbeertragsteuer von der Einkommensteuerschuld bzw. von der Körperschaftsteuerschuld in Abzug gebracht werden soll. Unser Vorschlag ist daher bezüglich desAufkommens an Einkommen- und Körperschaftsteuer für Bund und Länder neutral. Dies wollte ich am Anfang richtigstellen.Nun haben Sie weiter behauptet, daß unser Antrag für den kleineren Unternehmer nichts Entscheidendes bringe. Herr Lampersbach, ich möchte Ihnen ein kleines Rechenexempel vorführen. Ich habe bereits in der Presseverlautbarung darauf hingewiesen, daß der kleine Unternehmer, der sich mit seinem Gewerbeertrag und vor allen Dingen mit seinem einkommensteuerpflichtigen Einkommen im Rahmen der Proportionalgrenze des Einkommensteuertarifes bewegt, bei Anwendung des jetzigen Abzugsystems 100% weniger 19% — das ist der Einkommensteuersatz in der Proportionalzone —, d. h. praktisch effektiv 81 % von seiner Gewerbeertragsteuer zu bezahlen hat. Das Kapitalunternehmen mit einem Körperschaftsteuersatz von 51 % bezahlt aber effektiv nur 100% minus 51%, d. h. 49 % der Gewerbeertragsteuer. Hierin liegt ein großer Teil der Rückständigkeit und Ungerechtigkeit des geltenden Systems. Diese wollen wir beseitigen, und das kann auch kurzfristig beseitigtwerden.Wie kann man denn nun zu einer Erleichterung für den kleinen Unternehmer kommen, Herr Lampersbach? Wenn unserem Vorschlag gefolgt wird und wenn sich herausstellt — das können nur genauere Berechnungen ergeben —, daß der Pauschalsatz von 40% richtig ist, bezahlt in Zukunft jeder Einkommen- und Körperschaftsteuerpflichtige effektiv 60 % seiner Gewerbeertragsteuer. Das bedeutet, für den kleinen Unternehmer sinkt die effektive Belastung der Gewerbeertragsteuer von 81% auf 60%, d. h. um mehr als ein Viertel. Ich frage Sie nun: ist eine Steuersenkung um ein Viertel denn nichts? Ich würde es sehr begrüßen, wenn unser Vorschlag heute auf sachliche Kritik stoßen würde und wenn man sich von Voreingenommenheit freihalten würde.In diesem Zusammenhang ist nun noch gesagt worden, dieser Vorschlag sei systemwidrig. Meine Damen und Herren, mit dem Vorwurf der Systemwidrigkeit ist in diesem Hause schon sehr oft gearbeitet worden. Dieser Vorwurf schlägt aber nicht durch. Letzten Endes liegt es beim Gesetzgeber, wie er das Steuerrecht gestaltet. Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß unser Vorschlag des Überganges vom Abzug der Gewerbeertragsteuer vom steuerpflichtigen Einkommen zum Abzug von der Steuerschuld im Grunde nur eine konsequente Fortsetzung unseres alten Vorschlages darstellt, bei solchen Begünstigungen überhaupt vom Abzug vom steuerpflichtigen Einkommen zum Abzug von der Steuerschuld überzugehen. Sie wissen, daß wir diesen von uns lange vertretenen Schritt bereits im Stabilitätsgesetz getan haben, indem wir dort die Steuerabschreibungen durch die Investitionsprämie ersetzt haben. Wir sind auch jetzt in unserer neuen Strukturpolitik denselben Weg gegangen; wir haben auch hier für Investitionen eine sofort auszahlbare oder mit der Steuerschuld abrechenbare Subvention eingeführt.
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13798 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 247. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1969
KurlbaumInsofern stellt unser Vorschlag eine konsequente Weiterentwicklung des Systemwechsels dar, dem Sie, meine Damen und Herren, die Sie die Mehrheit des Hauses bilden, in den vergangenen Jahren bereits gefolgt sind und der natürlich auch noch auf anderen Gebieten weiterentwickelt werden kann und nach unserer Auffassung weiterentwickelt werden sollte.Ich bitte Sie daher, unserem Antrag zuzustimmen, denn er stellt die einzige praktisch angebotene Lösung dar, um dem kleinen Unternehmer angesichts der für ihn bestehenden entscheidenden Wettbewerbsnachteile — ich habe sie anfangs skizziert — kurzfristig in seiner Wettbewerbslage zu helfen.
Das Wort hat der Bundesminister für Wirtschaft Professor Dr. Schiller.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung hat sich bemüht, die in der Großen Anfrage der FDP-Fraktion aufgeworfenen Probleme konkret und ausführlich zu beantworten. Wir haben dabei — Herr Gewandt hat das schon erwähnt — nichts beschönigt, wir haben auch Meinungsunterschiede, soweit sie vorhanden sind, nicht verwischt. In der Tat, wir spielen Ihnen auch beim Thema „Mittelstand" keine konfliktlose Welt und keine Idylle vor. Die Selbständigen brauchen in der sich wandelnden Welt, in der modernen Industriegesellschaft nicht Trostpflästerchen oder Lamentos auf großen Kongressen; sie brauchen dagegen einigermaßen sichere Perspektiven, sie brauchen Taten, die ihren Standort in der zukünftigen Entwicklung bestimmen helfen.Wichtig ist dabei - ich glaube, da sind wir einig —, daß wir die Stellung der Selbständigen gegenüber den Großunternehmen durch eine Erhöhung der Leistungsfähigkeit der kleinen und mittleren Betriebe stärken. Daran haben wir gearbeitet, daran arbeiten wir, und daran werden wir weiter arbeiten. Wir wollen in der Zukunft ein nicht auf Mehrleistung beruhendes Übergewicht großer Unternehmen verhindern. Wo diese Mehrleistung da ist, ist sie volkswirtschaftlich, ist sie gesamtwirtschaftlich zu begrüßen. Niemand kann — auch vom Standpunkt des Selbständigen — dagegen etwas sagen.Wir haben für die marktgerechte Stärkung der Position der Selbständigen bisher Sorge getragen. Hierzu gehört u. a., wie Sie wissen, die Gewerbeförderung, die finanziell gefestigt und verstärkt ist, in ihrer Zielrichtung prononciert und in die mittelfristige Finanzplanung bis 1972 unter diesen Akzenten eingebaut ist. Darüber habe ich dem Hohen Hause mit der Drucksache V/3678 vor einem halben Jahr ausführlich berichtet.Hierzu gehören weiter konditionsgünstige ERP- Kredite für kleine und mittlere Unternehmen. Allein im Jahre 1969 waren das 285 Millionen DM.Hierzu gehört die regionale Wirtschaftsförderung, die in ganz starkem Maße mittelständischen Betrieben zugute kommt.Und hierzu gehört auch — man muß daran erinnern — die Steuergesetzgebung der letzten Jahre. Meine Damen und Herren, gerade von der FDP: die Einführung der Mehrwertsteuer galt doch über viele Jahre, ja über Jahrzehnte hinweg als berechtigte Forderung gerade der selbständigen Unternehmen gegen das vorhandene System der Umsatzsteuer.
Es war für uns alle eine Genugtuung, daß diese große Reform auch im Interesse der Selbständigen ohne größere Schwierigkeiten Wirklichkeit werden konnte.
Bei den übrigen Steuerfragen, die von der FDP- Fraktion angeschnitten wurden, ist es meines Erachtens legitim, in der Antwort der Bundesregierung auf die Arbeit der Steuerreformkommission, die der Herr Finanzminister einberufen hat, zu verweisen. Schließlich muß eine Steuerreform im Gesamtzusammenhang erarbeitet werden.Ich möchte weiter zu unseren bisherigen, aktuellen und kommenden Aktivitäten sagen: hierzu gehört auch, was die jüngste Vergangenheit betrifft — das wird oft übersehen —, die Förderung der Althaussanierung im Rahmen der Konjunkturprogramme der Bundesregierung. Im Zweiten Konjunktur- und Strukturprogramm der Bundesregierung wurde für verbilligte Kapitalmarktkredite zur Sanierung des Althausbesitzes mehr ausgegeben als in all den Jahren von 1957 bis dahin. 380 Millionen DM Zuschüsse des Bundes im Zweiten Konjunktur- und Strukturprogramm mobilisierten für diesen Bereich der Selbständigen Kapitalmarktkredite in einem Volumen von 2,4 Milliarden DM. Auch die Mittel für niedrig verzinsliche Darlehen an einkommenschwache Hauseigentümer wurden besonders durch das Zweite Konjunkturprogramm mehr als verdreifacht.Nun komme ich auf einen Punkt, in dem wir nicht einig sind. Ich will nur in begrenztem Umfang auf ihn eingehen. Gewisse Maßnahmen, die der Bundeswirtschaftsminister und andere seiner Kollegen gern gesehen hätten, konnten in der Bundesregierung keine gemeinsame Basis finden. Das wird in der Antwort auf die Frage 6 ehrlicherweise offen ausgesprochen. Wie Sie wissen, scheiterte die Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen — es wäre die zweite Novelle gewesen — u. a. — ich berichte nur — an der vorgesehenen Aufhebung der Preisbindung der zweiten Hand. Sie fragten in der Anfrage nach dem Junktim, nach der Verbindung dieser in Aussicht genommenen Maßnahme der Aufhebung der Preisbindung der zweiten Hand mit der Erleichterung der Kooperation, ich möchte hinzufügen: mit der Verstärkung der Mißbrauchaufsicht über marktbeherrschende und marktstarke Unternehmen; denn diese Verbesserung in der zweiten Kartellgesetznovelle wäre für mittelständische Unternehmen möglicherweise noch interessanter. Sie
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 247. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1969 13799
Bundesminister Dr. Schillerwar ebenfalls, wie gesagt, in dem Entwurf des Bundeswirtschaftsministeriums enthalten.Ich will im übrigen zu diesem nach wie vor umstrittenen Thema nur nebenbei auf zwei Dinge hinweisen. Diese Bundesregierung der Großen Koalition — meine Damen und Herren, wir machen ja in dieser Woche ein bißchen Bilanz — hat am 12. Juli 1967 in ihrer Stellungnahme zum Bericht des Bundeskartellamtes über dessen Tätigkeit im Jahre 1966 folgendes geschrieben, — Herr Gewandt weiß schon, worauf ich hinaus will. Es war diese Bundesregierung, die schrieb:Zum andern kann nicht verhindert werden, daß die Preisbindung der zweiten Hand die Waren verteuert. Dies liegt vor allem daran, daß in einer grundsätzlich marktwirtschaftlichen Ordnung nur der Marktpreis Maßstab sein kann. Die Preisbindung erschwert aber die Ermittlung dieses Preises.Dann wurde weiter gesagt:Wegen der konjunkturellen Lage ist im Augenblick— das war Sommer 1967 —nicht daran gedacht, die Preisbindung der zweiten Hand abzuschaffen. Da jedoch nach Ansicht der Bundesregierung— dieser Bundesregierung —die Nachteile der Preisbindung größer sind als die Vorteile, wird die Bundesregierung zu gegebener Zeit einen Gesetzentwurf mit dem Ziel einbringen, das Privileg der Preisbindung der zweiten Hand zu beseitigen.So weit der Bericht dieser Bundesregierung von 1967. Es ist kein Geheimnis, daß ich dieser Meinung der Bundesregierung — dieser Bundesregierung — auch heute noch bin. Ich lasse mich eben in meiner Regierungstreue, wie Sie sehen, von niemandem übertreffen.
Im übrigen habe ich das große Glück, meine Damen und Herren von der FDP, in diesem Punkte mit der Auffassung auch der vorhergehenden Bundesregierung übereinzustimmen. Die vorhergehende Bundesregierung hat es kürzer und lapidarer gesagt — das Kompliment muß ich ihr machen —; sie hat schlicht und ergreifend formuliert. Ich zitiere jetzt:Das Preisbindungsprivileg für Markenwaren ist grundsätzlich mit einer nach dem Wettbewerbsprinzip geordneten Marktwirtschaft nicht vereinbar.Diese vom marktwirtschaftlichen Geist erfüllten Worte stehen in der Begründung zum Entwurf der ersten Kartellnovelle vom 18. September 1964. Dieser Entwurf — Herr Dorn, gleich kommen Sie dran — ist übrigens unterschrieben von dem damaligen Stellvertreter des Bundeskanzlers, Mende. Der steht darunter.
Das war die Preisbindung der zweiten Hand.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dorn?
Herr Bundesminister, darf ich aus Ihrer Bemerkung, die Sie zur Haltung dieser Bundesregierung gemacht haben, auch schließen, daß entgegen anderslautenden Pressemeldungen die Minister Strauß und Schmücker ebenfalls dieser von Ihnen vorgetragenen Meinung ihre Zustimmung gegeben haben?
Ich kann hier nicht über einzelne Kabinettsmitglieder berichten, Herr Kollege Dorn.
Ich habe nur darauf Bezug genommen — ich glaube, das wurde von anderen Herren schon erwähnt —, daß die Bundesregierung in der Antwort auf die Frage 6 sehr ehrlich gesagt hat, daß in der Bundesregierung verschiedene Meinungen bestehen. Ich habe meine Meinung im übrigen nur auf eine Äußerung dieser und der vorhergehenden Bundesregierung gestützt, der ich zustimme. Mehr können Sie doch eigentlich nicht verlangen in diesem Augenblick.
Aber, wie gesagt, ich kann über andere Kollegen in diesem Fall nicht mehr sagen als das, was wir gemeinsam ehrlich — auch als Meinungsverschiedenheit — in der Antwort auf Ihre Große Anfrage formuliert haben. Im übrigen, Herr Dorn, hoffe ich, daß bei Ihnen und anderen der allgemeine Prozeß der Weiterentwicklung der marktwirtschaftlichen Gesinnung, der marktwirtschaftliche Lernprozeß sich fortsetzt. Ich bin sicher, daß mit der Zeit die Mehrzahl der mittelständischen Unternehmer erkennen wird, daß ihre Interessen bei einem wirklich freien Wettbewerb am besten aufgehoben sind.Abgesehen von dieser ordnungspolitischen Frage darf ich jetzt in sechs Punkten sozusagen als Skizze, ganz knapp — die Ziele und Mittel für eine Mittelstandspolitik andeuten, die mir unter den heutigen und den kommenden Bedingungen notwendig erscheinen — dazu nur Stichworte —:1. soziale Absicherung aller Selbständigen durch Einbeziehung in die gesetzliche Rentenversicherung; darauf ist in der Antwort auf die Frage 4 der Bundesregierung eingegangen worden;2. vorausschauende Strukturanpassung z. B. durch Maßnahmen der Gewerbeförderung, aber vor allem durch neue Wege der Förderung der praxisnahen technologischen Forschung gerade in den selbständigen, in den kleinen und mittleren Betrieben; dazu müssen natürlich neue Wege der Zusammenarbeit gegangen werden;3. zeitgemäße und mutige Wettbewerbspolitik zur Verbesserung der Position der Klein- und Mit-
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13800 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 247. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1969
Bundesminister Dr. Schillertelbetriebe, z. B. als Zulieferer von marktstarken Unternehmen. Dazu verweise ich im übrigen noch auf unsere Antwort auf 'die Fragen 5, 6 und 7;4. Verbesserungen der Finanzierungsbedingungen für Selbständige;5. Verbesserung des Informationsniveaus, des laufenden ökonomischen Informationsstandes der mittelständischen Unternehmen. Das ist eigentlich ein neues Gebiet. Meine Damen und Herren, wir sollten alle Wege und Mittel suchen, um die Methoden der elektronischen Datenverarbeitung nicht nur den Großunternehmen oder den Verwaltungen nutzbar zu machen, sondern auch den Klein- und Mittelbetrieben, wofür bestimmte Formen der Kooperation, aber auch der staatlichen Hilfe, durchaus zu erwägen sind;6. Reform der Steuergesetze gerade unter dem Gesichtspunkt des Mittelstandes. Ich war vorhin schon bei diesem Thema. Wir alle wissen ja, daß Ad-hoc-Gesetze gerade auf steuerlichem Gebiet im Laufe dieser 20 Jahre zu einer unnötigen Kompliziertheit der steuerlichen Gesetzgebung geführt haben, und wir wissen alle, daß dieses rein technische Problem der Kompliziertheit der steuerlichen Gesetze im wesentlichen zu Lasten der Klein- und Mittelbetriebe geht, die sich keine großen Steuerabteilungen in ihren eigenen Unternehmen halten können. Ich glaube also, das Ziel, durch eine besondere Steuerreformkommission sozusagen eine Flurbereinigung unseres Steuerwesens in der nächsten Legislaturperiode vorzubereiten, liegt im Interesse gerade des Mittelstands.Nun wurde hier schon angesprochen — ich stimme dem voll zu —, daß Mittelstandspolitik nicht nur in spezialen Hilfsmaßnahmen bestehen kann, sondern auch im Rahmen der Konjunkturpolitik gesehen werden muß. Die günstigsten Bedingungen, so würde ich sagen, werden dem mittelständischen Gewerbe in einer stetigen wirtschaftlichen Aufwärtsentwicklung geboten. Das mittelständische Gewerbe gedeiht am besten sozusagen in der gemäßigten Zone oder, wie man auch sagt, in der Nähe des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts. Eine Konjunkturentwicklung und eine Konjunkturpolitik — meine Damen und Herren, das muß ich deutlich sagen —, die Rezessionen von der Art der des Jahres 1966/67 zuließ, waren ausgesprochen mittelstandsfeindlich. Wir wissen noch alle, daß damals, 1966/67, die Klein- und Mittelbetriebe am meisten ins Gedränge kamen. Auf der Talsohle — ich habe das damals oft festgestellt — fühlten sich manche Großunternehmen und Oligopole recht wohl. Sie hatten nämlich die Chance, bei abfallender Gesamtnachfrage ihre Marktanteile — absolut und natürlich auch relativ — auf Kosten der mittelständischen Betriebe zu vergrößern, gerade in einer Zeit weichender Konjunktur. Ich darf auch auf die politischen Konsequenzen hinweisen. Das müssen wir gerade am Ende dieses 5. Deutschen Bundestages feststellen. Die politische Folge, die wir einfach feststellen müssen, ist doch die gewesen: der Poujadismus — mehr will ich nicht sagen — war ein Kind der Rezession des Jahres 1966/67. Was ich mit „Poujadismus" hier ausdrücken will, ist allen bekannt.Das läßt sich im übrigen, was die ökonomische Position der mittelständischen Betriebe in der Rezession betrifft, sehr leicht an Zahlen beweisen. Erstmals seit der Währungsreform ging von 1966 auf 1967 der Umsatz des Handwerks um 3,6 % zurück, Zweitens hatten sich die Finanzierungsbedingungen sowohl für Investitionen wie für die laufenden Betriebsmittelkredite im Jahre 1966/67 vor allem bei den kleinen und mittleren Betrieben verschlechtert. Wir wissen, wie es in einem solchen Falle für die ganz großen Betriebe aussieht. Wir kennen alle das Wort, daß, wenn solche Finanzierungsschwierigkeiten auftauchen, Größe unsterblich macht, weil wegen der Gefährdung so vieler Arbeitsplätze in einem riesigen Unternehmen Landes- und Bundeshilfe sehr leicht kommt und eher kommt - das müssen wir ehrlicherweise zugestehen — als bei vielen Klein- und Mittelbetrieben. Drittens waren die Einzelhandelsumsätze letztlich noch bis zum Herbst 1968 von der Rezession gekennzeichnet. Viertens stiegen — das muß auch sehr deutlich gesehen werden — die Konkurse beim Einzelhandel und Handwerk in der Zeit der Rezession um fast 50 % an, während in den übrigen Wirtschaftsbereichen eine Steigerungsquote von 30% zu verzeichnen war. Das ist die eine Seite.Genauso wie der Mittelstand durch Talfahrt und Talsohle überproportional getroffen wird, genauso schädlich ist für ihn — ich glaube, da stimmen wir überein — ein überschäumender Boom. Auch das ist eine ausgesprochen ungünstige Situation. Ein solcher überschäumender Boom wird dann vielleicht noch durch Überexpansion der Auslandsnachfrage angeheizt und führt womöglich durch eine Laissezfaire-Entwicklung zu gewissen Preissteigerungen und den berühmten Preisanpassungen im Ausland. So etwas stellt ein ungünstiges Klima und ungünstige ökonomische Umweltbedingungen für den Mittelstand dar.Wenn man sich in dieser Situation in der Praxis umtut und mittelständische Betriebsinhaber und Unternehmer fragt: was kann man für euch im Boom tun?, dann kann man sehr leicht feststellen: Erstens tun sich mittelständische Betriebe auf einem leergefegten Arbeitsmarkt sehr schwer. Sie können auf diesem leergefegten Arbeitsmarkt nicht dieselben Leistungen wie andere Betriebe erbringen. Zweitens müssen wir bedenken, daß mittelständische Betriebe im allgemeinen stärker auf die inländische Nachfrage, auf Konsum und Bauinvestitionen, orientiert sind, die Großindustrie mehr auf Export. Da im Export, wie wir alle wissen, z. B. in der jetzigen ungleichgewichtigen Situation die Preissteigerungen besonders groß und die Erlöse damit besonders begünstigt sind, ist auch hier eine Benachteiligung gegeben. Die Erlöse des vornehmlich auf die Inlandsmärkte orientierten mittelständischen Gewerbes sind eben nicht in gleicher Weise durch höhere Exportpreise aufgestockt, und die exportorientierte größere Industrie kann eben mit einer größeren Gewinnreserve um die Arbeitskräfte und um die Finanzmittel der Banken konkurrieren.Ich möchte also sagen, meine Damen und Herren, um das abzuschließen: eine unausgewogene Kon-
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 247. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1969 13801
Bundesminister Dr. Schillerjunkturentwicklung, sowohl nach unten wie nach oben, ist verbunden mit einer mittelstandsfeindlichen Schlagseite.Im übrigen können die Selbständigen dessen sicher sein, daß der Bundeswirtschaftsminister nach den Entscheidungen der Bundesregierung von Anfang Mai dieses Jahres die Hände nicht in den Schoß gelegt hat, sondern gewillt ist, etwas zu tun in Richtung auf Bändigung des Booms und damit indirekt auch etwas zu tun für die Position des Mittelstands.Damit will ich zugleich sagen: Mittelstandspolitik ist doch nicht in erster Linie Anliegen oder Gegenstand von Sondergruppenpolitik und sollte auch nicht das Lieblingskind von Sondergruppenpolitikern sein, sondern Mittelstandspolitik muß Teil einer wirtschaftspolitischen Gesamtkonzeption sein. Ich bin selber der Meinung, daß die Globalsteuerung im ganzen, wenn sie richtig angewendet wird und wenn das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz richtig angewendet wird, immer noch die beste Mittelstandspolitik bedeutet. Das Stabilitäts- und Wachstums-Gesetz ist in der Tat, wenn Sie wollen, auch ein Mittelstandsgesetz, wenn man es richtig anwendet.
Im übrigen, meine Damen und Herren, stehen wir heute vor einer Debatte draußen im Lande, bei der wir hier, glaube ich, uns einig sein sollten, daß wir den mittelständischen Betrieben Aufklärung, rationale Aufklärung zu bieten haben. Wir müssen auch den mittelständischen Betrieben unbequeme Wahrheiten sagen über die notwendigen Strukturreformen, über die unausbleiblichen gesellschaftlichen Folgen der industriellen Revolution, in der wir stehen.Die „Frankfurter Rundschau" schrieb vor kurzem — ich will daraus nur einen Satz als Zitat bringen, um die Gefahren aufzuweisen — folgendes wörtlich:Die politische Rechte— und sie meinte wohl die radikale Rechte —preist dagegen für den Mittelstand ein biedermeierliches Weltbild an als unvergänglich und hochaktuell, und sie baut alle, die über das Biedermeier hinaus sind, als Gegner vor den Mittelständlern auf.Ich glaube, meine Damen und Herren, in diesem Hause, Koalitionsfraktionen, Opposition und Regierung, sind wir da doch einer Meinung: Die Zukunft des Mittelstands kann nicht in einer Restauration etwa des Biedermeier, des wirtschaftspolitischen Biedermeier liegen. Der Mittelstand hat seine Zukunft nur in dieser sich unaufhaltsam weiter entwickelnden, technologisch mehr und mehr beherrschten Industriegesellschaft. In dieser Industriegesellschaft dürfen nicht nur industrielle Großeinheiten herrschen. Ja, wir wissen: unaufhörlich werden bei neuen technologischen Verfahren Klein- und Mittelbetriebe verlangt, als Zulieferer oder Abnehmer. Der moderne technologische Fortschritt kann oft selbst gar nicht auf die Pioniertätigkeit der Mittel- und Kleinbetriebe verzichten. Sie gehören auch zur zukünftigen Industriegesellschaft, und das ist gut so. Ich möchte sagen, gerade bei den Selbständigen stellen wir doch den Mut zum Eigenrisiko, den Unabhängigkeitswillen, ihr Wettbewerbsbewußtsein fest. Das alles sind doch Kardinaltugenden, die gerade eine marktwirtschaftlich organisierte Gesellschaft, ja eine mündige Gesellschaft fordert.Das Besondere der Selbständigen ist doch, daß sie sich allein mit ihrer eigenen Existenz dem Markte stellen in einer Welt, die äußerlich gesehen sehr beherrscht wird von den angemieteten Spezialisten und Experten der Großwirtschaft. In einer solchen Welt sind nach meiner Ansicht, nach Ansicht der Bundesregierung und wohl nach Ansicht aller in diesem Hause das Engagement und die eigenständige Aktivität des Mittelstandes bitter notwendig, ja mehr denn je vonnöten. Ich möchte so weit gehen und sagen: die Selbständigen, die mittelständischen Betriebe und Unternehmen sind die natürlichen Gegenkräfte zu den notwendigerweise auch immer neu entstehenden Apparaturen der großen Unternehmen und der großen Konzerne.Weiter möchte ich sagen — und das betrifft eigentlich alle Gebiete, von der Ordnungspolitik über die Finanzpolitik bis hin zur Steuerpolitik —: nicht als Naturschutzpark, sondern als belebendes, als aktives Element der Marktwirtschaft hat der Mittelstand in der modernen Industriegesellschaft seine Chance. Die Chance zu nutzen, liegt bei ihm; gewisse Chancen ihm zu sichern, liegt. bei uns allen in diesem Hohen Hause.
Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister.Bevor ich Herrn Lampersbach das Wort erteile, möchte ich auf folgendes hinweisen. Zu diesem Tagesordnungspunkt liegen zur Zeit noch zwölf Wortmeldungen vor.
Wir hegten heute morgen die Hoffnung, daß wir vielleicht heute nachmittag mit der gesamten Tagesordnung fertig werden könnten, indem wir die Sitzung von 15 bis auf 16 Uhr ausdehnen.
Ich stelle das anheim. Die Vizepräsidenten und der Präsident sind morgen alle da. Aber ich glaube, wir tun allen einen Dienst, wenn wir versuchen, heute mit der Tagesordnung zu einem Abschluß zu kommen. Vielleicht können sich die nächsten Redner darauf ein wenig einrichten.
Ich mache darauf aufmerksam, daß Herr Dr. Frerichs der erste ist, der ein Beispiel geben will. Er gibt seine Ausführungen zu Protokoll *).
Das Wort hat der Abgeordnete Lampersbach. *) Siehe Anlage 9
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Nach dem Appell des Herrn Präsidenten, der nicht ungehört im Raum verhallt ist, will ich versuchen, mich ganz kurz zu fassen. Sie werden mir aber gestatten, daß ich mit wenigen Bemerkungen auf die direkte Anfrage von Herrn Kollege Kurlbaum eingehe.
Herr Kollege Kurlbaum, als ich Ihr Papier in die Hände bekam, habe ich zunächst gedacht: Donnerwetter, man hat sich etwas einfallen lassen! Als ich dann Ihre Zahlen durchlas, bekam ich einen leichten Schreck über die Art, in der Sie Steuerzahlen darstellen. Ich habe einmal sehr sorgfältig nachgerechnet, welche tatsächliche Entlastung und welche Mehrbelastungen das denn nun für die mittelständische Wirtschaft, für den 'Unternehmer mit sich bringt. Da mir die Zahlen aus eigener Rechnung doch nicht so ganz kompetent erschienen, habe ich mich selbstverständlich bei einem zuständigen Ressort vergewissert.
Nun, Herr Kollege Kurlbaum, Sie werden wissen, daß in dem unteren Bereich eine mögliche Entlastung von etwas unter 2 % herauskommt, und in den ansteigenden Bereichen wird eine Mehrbelastung von 5 % und mehr eintreten. Bei der ersten Prüfung Ihres Papiers war für uns ziemlich entscheidend, daß nicht die Verstärkung der Gemeindekassen eintritt, sondern daß das Geld in Länder- und Bundeskassen fließt. Das hat uns veranlaßt, im Hinblick auch auf die Abzugsmodalitäten hier zu sagen, daß diese ganze Frage, die Sie dankenswerterweise — das sage ich — angeschnitten haben, sicherlich in einer umfassenden Reform sehr eingehend erörtert werden sollte. Wir halten das für zweckmäßiger und für vernünftiger, als hier so zwei Minuten vor Toresschluß mit einer spektakulären Erklärung herauszukommen, nachdem wir uns jahrelang draußen schon mit dem Problem der Gewerbesteuer beschäftigt haben. Wir halten das — ich will nicht den Ausdruck „Augenwischerei" gebrauchen — doch zumindest für eine etwas sonderbare Methode, so schwerwiegende Dinge in die parlamentarische Diskussion zu bringen. So weit dazu.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kurlbaum?
Herr Präsident, sehr gern, wenn Sie deswegen meine Redezeit nicht einengen.
Bitte schön, Herr Abgeordneter!
Herr Kollege Lampersbach, ist Ihnen entgangen, daß in unserem Antrag ausdrücklich steht, daß dieser Prozentsatz, mit dem die Gewerbeertragsteuer bei der Einkommensteuerschuld abzugsfähig gemacht werden soll, so bemessen werden soll, daß kein erhöhtes Steueraufkommen für Bund und Länder eintritt?
Herr Kollege Kurlbaum, das ist mir natürlich nicht entgangen, aber diese Aussage oder diese Auffassung allein genügt mir noch nicht. Deswegen haben wir auch gesagt, es muß geprüft werden. Und ich freue mich, daß der Bundeswirtschaftsminister, der, soviel ich weiß, Ihrer Fraktion angehört, das vorhin außerdem in einem anderen Zusammenhang noch einmal extra bestätigt hat. Solche Reformpläne sollte man tunlichst in einer umfassenden Steuerreform miterledigen. Etwas anderes ist es, Herr Kollege Kurlbaum, wenn ich innerhalb der bestehenden Gesetze hierbei z. B. eine Anhebung der Nullstufe durchführe. Das ist etwas anderes als eine völlige oder eine teilweise Systemänderung.Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich möchte jetzt zu dem eigentlichen Thema, zu dem ich hier etwas sagen wollte, kommen, um die Redezeit nicht noch weiter auszudehnen. Wir wären durchaus in der Lage, von meiner Fraktion, der der CDU/CSU, bei diesem Punkt einige Dutzend Damen und Herren aufs Podium zu schicken, weil wir in diesem Thema „Mittelstandspolitik" seit vielen Jahren sowohl parlamentarisch als auch vorparlamentarisch so engagiert sind, daß uns das keine Schwierigkeiten macht.
Ich habe mich auf den einen Punkt — Kapitaldecke, Kapitalausstattung, Kreditversorgung — beschränkt und hoffe, dieses Thema einmal in kurzen Gedanken vor Ihnen ausbreiten zu können. Bei jedem Unternehmer wird der zweite Gedanke seiner unternehmerischen Überlegungen die Frage der Finanzierung sein. Dies ist in der gesamten Wirtschaft und damit selbstverständlich auch im mittelständischen Bereich so. Die Idee, die der Unternehmer zunächst gebiert, muß in Aktionen umgesetzt werden, wenn sie zum Erfolg kommen soll. Die Realisierung dieser Idee erfordert aber Geld.Nun, meine Damen und Herren, die Situation nicht nur nach dem ersten, sondern auch nach dem zweiten Krieg war so, daß die Barvermögen und darüber hinaus weitgehend auch die betrieblichen Einrichtungen vernichtet waren. 21 Jahre nach der Geburtsstunde der D-Mark und 24 Jahre nach dem verlorenen Krieg können wir heute feststellen, daß wir diese Schäden weitestgehend nur dadurch haben beheben können, daß gerade die Unternehmer der mittelständischen Wirtschaft unter Einsatz ihrer ganzen Arbeits- und Leistungsfähigkeit und unter weitgehender Unterstützung ihrer Familienangehörigen mit einer Tagesstundenleistung von weit mehr als zehn es fertiggebracht haben, diese Aufbauleistungen zu erbringen.Das kann und darf auf die Dauer aber nicht so bleiben. Wenn Sie heute einmal ganz objektiv die Kapitalausstattung in den Betrieben insbesondere im mittelständischen Bereich verfolgen, so werden Sie auch nach den Statistiken feststellen, daß diese Kapitalausstattung sowohl im nationalen als auch im internationalen Vergleich absolut zu gering ist.Ich bin dem Bundeswirtschaftsminister sehr dankbar für die Bemerkung, die er vorhin zur Situation während der wirtschaftlichen Dämpfung machte. Ich glaube, daß hier, wenn eine bessere Kapitalausstattung bereits zu dieser Zeit vorhanden gewesen
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Lampersbachwäre, die großen Sorgen, die wir alle gehabt haben, nicht aufgekommen wären, weil die Wirtschaft sehr viel eher und sehr viel besser in der Lage gewesen wäre, diese dämpfenden Intervalle zu überbrücken. Auch insofern ist es dringend erforderlich, daß wir für die wechselseitigen Abläufe innerhalb der Wirtschaft eine ausreichend starke Kapitalbasis haben. Die Funktionsfähigkeit eines Körpers hängt weitgehend von der Blutversorgung ab. So wie es beim menschlichen Körper ist, ist es, glaube ich, auch in der Wirtschaft: wenn hier die Funktionen gestört werden, wird das zum Teil daran liegen, daß eine Unterversorgung vorhanden ist.Wir haben in all den zurückliegenden Jahren in einer sehr zielstrebigen und sehr objektiv gestalteten und, ich möchte sagen, sehr wenig spektakulären Politik versucht, diesem Teilbereich in der mittelständischen Wirtschaft zu einer besseren Situation zu verhelfen. Die Bundesregierung und auch die Länderregierungen haben in vielen Förderungsmaßnahmen versucht, auch in diesem Teilbereich Besserungen zu schaffen. In der Bundestagsdrucksache V/3678, meine Damen und Herren von der FDP, steht dieser ganze Katalog sehr respektabler Förderungsmaßnahmen verzeichnet. Die Darstellung im einzelnen kann ich mir ersparen, da sie dort wirklich außerordentlich übersichtlich und gut lesbar vorhanden sind.Ich glaube aber, daß wir bei der Kapitalbetrachtung auch den Fragen eine besondere Aufmerksamkeit schenken müssen, die sich bei der Bildung, sowohl der Neubildung als auch der weiteren Bildung, der Anreicherung des Kapitals, ergeben. Wir haben die Möglichkeit, über Gewinne Kapital zu bilden. Das wird nicht immer möglich, nicht immer durchführbar sein. Die Wettbewerbssituation schreibt das hier zum Teil vor. Der von unserem Kollegen und ersten Vorsitzenden Kurt Schmücker bereits vor Jahren ausgearbeitete Plan einer unterschiedlichen Besteuerung der Gewinne hinsichtlich des Verbrauchs bzw. der Investitionen würde hier sicherlich eine hervorragende Zuarbeit liefern. Ich glaube, mein Kollege Schwörer wird auf diese Dinge noch im einzelnen eingehen.Was uns echte Sorge macht, ist der Zugang zum freien Kapitalmarkt. Diese Schwierigkeiten sind allgemein bekannt. Die mittelständischen Unternehmungen sind meistens nicht in der Lage, die hier erforderlichen und geforderten Sicherheiten zu bieten. Die Ausfallbürgschaften in den Kreditprogrammen des Handels und des Handwerks, die vom Bund und von den Ländern getragen werden, sind leider, so muß man sagen, in der Vergangenheit nicht immer ausreichend bekanntgegeben und nicht immer richtig interpretiert, aber auch von den Kreditinstituten sehr häufig den Kreditsuchenden nicht immer in der richtigen Form dargeboten worden. Hier muß trotz der Verbesserungen, die wir in den vergangenen Jahren erreicht haben — Vereinfachung der Antragsverfahren, Vereinfachung der Durchführungsverfahren —, auch noch ein erkleckliches Stück Arbeit geleistet werden.Wir glauben, daß mit der Bildung sogenannter Kapitalbeteiligungsgesellschaften ebenfalls eine erhebliche Lücke geschlossen werden kann. In Nordrhein-Westfalen ist vor einigen Monaten eine derartige Kapitalbeteiligungsgesellschaft — ich glaube, als erste in der Bundesrepublik — gegründet worden. Das Arbeiten und Funktionieren dieser Kapitalbeteiligungsgesellschatt schon nach dem kurzen Anlaufen berechtigt uns zu den größten und besten Hoffnungen.Meine Damen und Herren, ich glaube, daß aber auch eine weitere Möglichkeit noch mehr ausgeschöpft werden sollte, nämlich die Vergabe von Aufträgen der öffentlichen Hand an mittelständische Unternehmungen. Diese sogenannte Good-willKlausel, die hier auf Grund eines Antrags unseres Kollegen Wieninger auch behandelt worden ist, verdient nicht nur besondere Beachtung, weil sie überhaupt da ist. Man sollte bei der Regierung und bei den Aufsichtsbehörden ebenfalls Obacht darauf geben, daß sie in Zukunft in vollem Umfang und vielleicht noch besser ausgeweitet Anwendung findet.Meine Damen und Herren, durch eine gut funktionierende mittelständische Wirtschaft wird auch in der Entwicklung der Gesamtwirtschaft, so wie es der Herr Bundeswirtschaftsminister vorhin dargestellt hat, das Wohl und Wehe einer Volkswirtschaft entscheidend beeinflußt. Insofern freue ich mich darüber, daß die Kollegen von der FDP diese Anfrage gestellt haben. Gestatten Sie mir aber eine kritische Bemerkung dazu. Es muß natürlich außerordentlich nachdenklich stimmen, daß über diese Anfrage praktisch einige Sekunden vor Schluß einer Legislaturperiode debattiert werden soll. Wir können uns hier leider des Eindrucks nicht ganz erwehren, daß man dabei auch noch andere Überlegungen als nur die parlamentarisch-sachliche Bearbeitung dieser Fragen im Auge gehabt hat. Ich glaube, gerade die CDU/CSU-Fraktion, also meine Partei und unsere Schwesterpartei, hat in der Vergangenheit eine aktive und in die Zukunft weisende Mittelstandspolitik getrieben. Herr Bundeswirtschaftsminister, Sie nannten vorhin 6 Punkte; wir haben deren 34. Vielleicht darf ich Ihnen einmal freundlicherweise die Lektüre unserer Leitsätze empfehlen. Sicherlich werden wir viele Gemeinsamkeiten finden. Ich habe das Gefühl, daß Sie sich schon vor Ihrer Münchner Rede daran orientiert haben.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Ertl?
Ja, bitte schön!
Herr Kollege Lampersbach, würden Sie mir bestätigen, daß diese Debatte auf Wunsch der CDU verschoben worden ist und diese Regierung schon längst die Möglichkeit gehabt hätte, unsere Anfrage zu beantworten?
Herr Kollege Ertl, das bestätige ich Ihnen natürlich sehr gern. Wissen Sie, es gibt Situationen im Leben, in denen man sich überlegt: wie kannst du dem anderen ein Schnippchen schlagen! Sie haben diese Anfrage zu einer Zeit
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Lampersbacheingebracht, in der die CDU/CSU-Fraktion aus ihrer Verantwortung für die Gesamtpolitik die bis dahin bereits vorliegenden Anfragen erledigen mußte. Ich halte ein solches Verfahren jedenfalls für sehr viel zweckmäßiger. Ich persönlich hätte es als Mittelständler sehr viel lieber gesehen, wenn wir über Ihre Anfrage schon vor zwei oder drei Jahren oder vor einem Jahr hätten debattieren können, weil wir dann noch Zeit gefunden hätten, darüber in den Ausschüssen sachlich zu beraten. Sonst, Herr Kollege Ertl, entsteht draußen tatsächlich der Eindruck: Es wird ein bißchen Blabla gemacht, und dann sagt man hinterher: na ja, die Überweisung an die Ausschüsse war eben leider nicht mehr möglich, und damit ist das Thema vom Tisch. So sollte es eigentlich nicht gehandhabt werden.
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Genscher?
Herr Präsident, das geht alles von der ohnehin knappen Zeit ab; aber gern, mir macht das Freude.
Ich würde vorschlagen, daß das die letzte Zwischenfrage ist, Herr Kollege.
Herr Kollege, sollte Ihnen als engagiertem Mittelständler, wie Sie sich hier bezeichnen, entgangen sein, daß die verspätete Behandlung dieser Großen Anfrage darauf zurückzuführen ist, daß die Bundesregierung bei der Beantwortung die nach der Geschäftsordnung vorgeschriebene Zeit nicht eingehalten hat und zunächst sogar den Versuch unternommen hatte, die Beantwortung auf die Zeit nach Abschluß unserer Verhandlungen zu verschieben?
Herr Kollege Genscher, sollte es Ihnen entgangen sein, daß eine Aufgabenteilung zwischen Legislative und Exekutive besteht und Sie diese Frage nicht an mich, sondern in diesem Fall an die Bundesregierung richten müßten?
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Dahlgrün.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da ich kein Redemanuskript habe,
bin ich nicht in der Lage, den anderen Weg zu gehen. Mich führt der Zorn, der mich auf Grund der Ausführungen des Herrn Kurlbaum erfaßt hat, hier herauf.
Ich kann mir einfach nicht vorstellen, daß Herr Kurlbaum nicht weiß, daß die Legenden, die er und seine Freunde immer wieder verbreiten, nicht richtig sind, daß sie erfunden worden sind, um die schwarzen und die roten Hasen in den Stall der Großen Koalition zu treiben.
Man ist — Herr Kurlbaum weiß das auch — auf Ihrer Seite nicht davor zurückgeschreckt, einen bestimmten Mann zu diffamieren und zu beleidigen.
Ich muß es mir versagen, das hier mit den Worten zu kennzeichnen, die ich dafür habe, denn dann müßte mich der Präsident für drei Tage ausschließen.
Treffen würde mich das allerdings nicht, da ich heute sowieso zum letztenmal hier stehe.
Da ist die immer wiederkehrende wohlwollende Behauptung der SPD, sie habe Milliarden-Anträge großzügig gestrichen: Sehen Sie das doch einmal nach, Herr Kurlbaum! Das war zu einem Zeitpunkt, als diese Anträge der SPD und anderer Fraktionen,
meine nicht ausgenommen, ihre verheerende Wirkung bereits gehabt hatten.
Das Ganze war genauso eine Propagandageste wie das, was Sie heute hier von Ihrem Wohlverhalten erzählen. Ich wünschte, die Daten, die heute bei Herrn Wirtschaftsminister Schiller auf dem Tisch liegen, wären besser als die Daten im Herbst 1966; sie sind aber im wesentlichen alle bedrohlicher und höher als damals.
Herr Kurlbaum hat auch die Legende von der Steuererhöhung wieder aufgewärmt. Ich will ihm gar nicht die Frage stellen, warum er damals denn nicht gegen die Beseitigung des Mittelstandsbauches gestimmt hat.
Die Beseitigung des Mittelstandsbauches erfolgte doch einstimmig in diesem Hause.
Ich halte sie auch heute noch für richtig; denn wenn .das Geld, das wir damals für kleine und kleinste Steuerzahler frei gemacht haben, in die Kassen des Staates, der öffentlichen Hand, geflossen wäre, wäre der Boom eben anderthalb Jahre vorher mit denselben Wirkungen gekommen. Herr Kurlbaum, Sie wissen doch ganz genau, daß es auf der sogenannten Talsohle, von der aus es ja schon wieder aufwärts ging — das behaupte ich —, als die Große Koalition gegründet wurde,
überhaupt nicht möglich gewesen wäre, die Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaft-
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Dr. Dahlgrünsteuer zu erheben, wenn wir vorher nicht den Mittelstandsbauch beseitigt hätten.
Meine Damen und Herren, ich will Sie als Redner außer der Reihe nicht allzu lange aufhalten, möchte aber doch feststellen
— gleich, wenn ich mit diesem Gedankengang fertig bin —: Das Stabilitätsgesetz ist von der Regierung Erhard eingebracht worden; das Mehrwertsteuergesetz ist von der Großen Koalition lediglich in seinen letzten sechs Parlamentswochen behandelt worden. So sieht das aus.Bitte, Frau Kurlbaum!
Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Kurlbaum?
Herr Dr. Dahlgrün, haben Sie vergessen, wieviel zusätzliche Gruppenanträge im Finanzausschuß lagen und daß Herr Dr. Schmidt als Vorsitzender Sie wiederholt in den Ausschuß gebeten hat, um zu fragen, ob das überhaupt noch verantwortet werden könne? Das war am Schluß der Wahlperiode, und das waren doch die Milliardengeschenke, die Steuergeschenke, die damals gemacht wurden und die zu der Auseinandersetzung geführt haben. Später mußten sie ja zum Teil zurückgenommen werden. Ich glaube, darüber ist eben gesprochen worden. Könnten Sie nicht dazu etwas sagen?
Gleich die nächste!
Herr Kollege Dr. Dahlgrün, ererinnern Sie sich auch, daß die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei, als sie noch in der Opposition war, hier in diesem Hause gegen ein Stabilitätsgesetz gesprochen hat und uns an Stelle dieses Stabilitätsgesetzes vorschlug, man solle versuchen, diese Frage mit Staatsverträgen zu lösen?
Herr Genscher, das weiß ich natürlich genausogut wie jeder hier in diesem Hause. Ich weiß auch, daß die MehrwertsteuerSchwierigkeiten zu einem sehr großen Teil von seiten der Fraktion der SPD gekommen sind, daß sie aber zuletzt dann doch den Weg mit gegangen ist.Auf die Frage von Frau Kurlbaum antworte ich: Ja, Frau Kurlbaum, der Vorsitzende des Finanzausschusses, Herr Kollege Schmidt , und ich waren manchmal verzweifelt; das betraf aber alle Fraktionen.
Ich glaube, es würde zu weit führen, das hier auszuführen.Immerhin haben wir aber heute den Tatbestand zu verzeichnen, daß — jedenfalls nach meiner Überzeugung — die Voraussagen und die Prognosen des Herrn Bundeswirtschaftsministers fast alle falsch waren. Er wird jetzt wahrscheinlich kaschierend sagen: Das waren Zielprojektionen. Natürlich, aber wenn ich 50 m am Ziel vorbeischieße, habe ich zwar vielleicht auch eine Zielprojektion gehabt, bloß war sie verkehrt.
Alle Raten — Preisraten, Gastarbeiterzuwachs, Exportentwicklung, was immer Sie nehmen — wurden falsch vorausgesagt. Alles hat nicht gestimmt, weil der Boom viel stärker geworden ist, als erwartet wurde. Ich erinnere auch daran, daß es Herr Kollege Dr. Schiller war, der noch eine dritte Spritze geben wollte, obwohl nach der zweiten schon gewarnt wurde.
Meine Damen und Herren, das können Sie hier nicht mit der Frage der Preisbindung der zweiten Hand, zu denen ja sicher der eine oder andere von Ihnen noch etwas sagen wird, kaschieren.
Ich möchte einmal wissen, wie sich Herr Kollege Schiller herausredet, wenn er die Abschaffung der Preisbindung durchgesetzt hat und die von ihm versprochene Preissenkung nicht eintritt.
Sie kann gar nicht eintreten,
weil der Bereich der preisgebundenen Artikel für eine solche Wirkung viel zu schmal ist. Aber es wird ein Tabu aufgestellt und eine Forderung von den Gewerkschaften erhoben, und jeder, der in dieser Richtung eine Verpflichtung spürt, sagt: Ja, das ist gut!Meine Damen und Herren, dann gibt es das Schlagwort „Stillegung von Geldern". Darunter stellt sich der Mann auf der Straße vor — und es gibt im Stabilitätsgesetz ja auch den Weg dazu —, daß dieses Geld wirklich stillgelegt wird, d. h. in einen Topf bei der Bundesbank getan und damit aus dem Verkehr gezogen wird. Aber das ist bisher gar nicht der Fall. Ich möchte durch Ausweis der Bundesbank erst einmal wissen, ob und wieviel Geld in diesem Topf ist. Ersatzweise werden nämlich vorher Schulden getilgt, und damit kommt das Geld letzten Endes wieder unter die Leute. Es hat dann als Geld seine Wirkung.
Die Stillegung, von der hier immer als Beruhigungsmittel gesprochen wird, gibt es noch nicht, weil eine solche Stillegung im echten und wahrsten Sinn des Wortes bisher nicht durchgeführt worden ist. Ich möchte die Länder, Kommunen und schließlich auch den Bund sehen, die Geld auf diese Weise stillegen und die Schulden behalten. Nun ist es durchaus rich-
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Dr. Dahlgrüntig, Schulden zu tilgen. Aber mit der angeblichen Stillegung die Ablehnung einer Senkung oder Abschaffung der Ergänzungsabgabe begründen zu wollen, geht nicht. Ich kann nur wiederholen, daß das Geld in Wirklichkeit gar nicht „stillgelegt" wird, sondern doch unter die Leute kommt.
Das Wort hat der Abgeordnete Ravens.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Herr Kollege Genscher, ich mache darauf aufmerksam, daß Herr Ravens das Wort hat.
Herr Kollege Genscher, darüber haben wir gestern in diesem Hause abgestimmt. Nur: ich hatte eigentlich, Herr Kollege Genscher, darauf gewartet, daß der Herr ehemalige Finanzminister Dahlgrün in diesen Fragen aus seinen eigenen Erfahrungen mehr gelernt hätte. Ich habe den Eindruck, er hat es immer noch nicht gelernt, und ich habe vor allen Dingen den Eindruck, daß dem Herrn ehemaligen Finanzminister Dahlgrün eine ganze Reihe von Erinnerungslücken überkommen sind; er bringt einiges nicht mehr richtig in Erinnerung.
— Ich fange an mit Beispielen, Herr Ertl, keineSorge. Ich mache es nicht so, wie Sie es gern tun.Zunächst einmal, Herr Kollege Dahlgrün: Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat sich in diesem Hause bei der ersten Lesung des Stabilitätsgesetzes nicht gegen das Stabilitätsgesetz ausgesprochen. Sie hat erklärt, daß sie der Grundgesetzänderung ihre Zustimmung nicht geben werde. Sie hat dabei gesagt, die Bundesregierung möge prüfen, wieweit das in Form von Staatsverträgen möglich ist, aber daß sie einer Grundgesetzänderung so lange auch nicht zustimmen würde, als nicht das, was in diesem Gesetz steht, auch von ihr mitgetragen werden kann. Ich meine, das ist wohl eine selbstverständliche Haltung einer Fraktion im Deutschen Bundestag. Niemand verlangt von Ihnen z. B., daß Sie Grundgesetzänderungen zustimmen, die Gesetze auslösen, die Sie nicht mittragen wollen oder von denen Sie meinen, daß sie in der Form, in der sie vorgelegt werden, nicht dem entsprechen, was Sie sich vorstellen.Das zweite: Dieses Stabilitätsgesetz ist zwar von der Regierung Erhard/Mende eingebracht worden. Aber es ist in einer Zeit eingebracht worden, als es nicht mehr darauf ankam, auf die Bremse zu treten, sondern darauf, die Konjunktur wieder in Gang zu setzen. Die Instrumente, die uns in dem damaligen Entwurf vorgelegt wurden, waren aber ausschließlich Instrumente, die dem Bremsen dienen sollten. Mit dem Gesetz, so wie es von der damaligen Regierung vorgelegt wurde, hätte also die Rezession nicht überwunden werden können.Und nun noch eines, Herr Dahlgrün. Es ist eine sehr schöne und nette, manchmal auch wirkungsvolle Sache, zu sagen: „Ihr als Opposition habt ja auch zugestimmt!" Natürlich! Aber darf ich daran erinnern, daß das Steuersenkungsgesetz — worüber wir uns ja wohl, hoffe ich, jetzt im nachhinein im klaren sind — zu dem damaligen Zeitpunkt eine Sünde wider den Geist der Stabilität gewesen ist;
— auch Herr Schiller war nicht anderer Meinung —, zu dem damaligen Zeitpunkt, als es eingeführt wurde, mit Ihrer Begründung, Herr Dahlgrün, es sei besser das Geld dem einzelnen Bürger in die Hand zu geben — so haben Sie es damals hier gesagt —, als es stillzulegen, denn der einzelne Bürger sei ja wohl sparsamer als der Bund.
Das Gesetz war eine Regierungsvorlage, die Ihre Unterschrift trägt. Sehen Sie: wir als Sozialdemokraten in der Regierung machen die Opposition nicht dafür verantwortlich und versuchen auch nicht, uns damit einen Persilschein zu schaffen, daß Sie als Opposition sich unter Umständen Regierungsvorlagen anschließen. Die Verantwortung für die Regierungsvorlagen übernehmen wir immer noch selbst,
und es wäre gut, wenn der damalige Finanzminister Dahlgrün die Regierungsvorlagen, die er unterschrieben hat, dann auch in seine eigene Verantwortung nähme
und nicht versuchte, das mit solchen Hinweisen abzudecken und abzutun.
So viel zu dem. Meine Damen und Herren, ich glaube, wir sind hier gar nicht dabei und sollten hier gar nicht dabei sein, den Versuch einer Vergangenheitsbewältigung noch einmal und noch einmal und noch einmal zu machen.
Ich habe den Eindruck, Herr Dahlgrün, daß Sie es versucht haben, allerdings mit einer Fülle von Gedächtnislücken; leider Gottes mit einer Fülle von Gedächtnislücken.
— Herr Ertl, ich habe Ihnen soeben einige Beispielegenannt. — Vielleicht darf ich dann noch einmalIhre Erinnerung daran wachrufen, daß unsere Frak-
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Ravenstion, vertreten durch unseren finanzpolitischen Sprecher Alex Möller, im Januar 1965 Anträge der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion mit einem Finanzvolumen von insgesamt etwa 2,5 Milliarden DM hier an diesem Platz des Hauses zurückgenommen hat, mit der Aufforderung an die beiden Parteien der Regierungskoalition und an die damalige Regierung, ebenso zu verfahren, damit die Stabilität unseres Haushalts und die Stabilität unseres Geldwertes nicht in Zukunft zerstört würden, um nicht in eine Politik der Wahlgeschenke vor der Bundestagswahl zu verfallen. Er ist damals aus Ihren Reihen verhöhnt worden. Im nachhinein, als die Bilanzen auf den Tisch gelegt wurden, hat sich gezeigt, wie recht er gehabt hat.Aber nun zurück zum Thema. Ich will versuchen, Herr Präsident, meine Damen und Herren, nur in ein paar Stichpunkten das darzutun, von dem wir meinen, daß es im Bereich der Selbständigenpolitik, der Mittelstandspolitik in Deutschland gesagt werden muß. Wir gehen davon aus, daß es bedauerlich ist, eine solche Debatte am Ende einer Legislaturperiode zu haben, zumal in dieser Debatte eine Fülle von Problemen angeschnitten sind, von denen wir überzeugt sind, daß sie im Laufe der vergangenen Jahre zu einem Teil schon aufgeworfen worden sind und auch schon als Gesetzesinitiativen von uns vorgelegen haben. Wir wissen, daß es hier heute nur noch einmal um eine Darstellung des Problems gehen kann, weil wir alle miteinander dieser Bundesregierung letzten Endes nur noch für drei Monate Aufträge geben können. In drei Monaten wird dort eine neugewählte Bundesregierung sitzen, die dann aus einem neugewählten Parlament neue Aufträge für ihre Politik zu erhalten hat. Es geht also darum, noch einmal eine kurze Bestandsaufnahme zu machen.Meine Damen und Herren, vor einigen Tagen hat ein bekannter Journalist im „Industrie-Kurier" geschrieben:Die Parteien spekulieren darauf, daß gerade die fehlende Definition des Begriffs „Mittelstand" und der unverkennbare Appeal, den dieses Wort auf jeden ausübt, der nicht gerade Krupp oder Flick heißt, für sie werbend wirken.Wenn wir uns von dem Vorwurf, der in diesen Sätzen mitschwingt, freimachen wollen, dann kommt es darauf an, die Lage der Selbständigen, der kleinen und mittleren Unternehmen, der Branchen, in denen kleine und mittlere Unternehmen tätig sind und eine Rolle spielen, ohne Emotionen zu analysieren und von jedem Appell an das Ressentiment abzusehen.Das Rezessionsjahr — darauf hat der Herr Bundeswirtschaftsminister schon hingewiesen — hat gerade im Bereich der mittleren Selbständigen und der mittelständischen Wirtschaft in den strukturschwachen Gebieten böse Spuren hinterlassen. Es hat hier gezeigt, daß Abschwünge, gewollte oder auch ungewollte Rezessionen, wie immer Sie das wollen, im Bereich der mittelständischen Wirtschaft entscheidende Einbrüche bringen. Das Hochschnellen der Zahl der Konkurse um fast 50 % im Jahre 1967 macht deutlich, daß die Kapitaldecke der kleinen und mittleren Unternehmen nicht ausreicht, eine so lange Durststrecke durchzustehen.Aber nicht nur diese negative Seite hat es gegeben. Auf der anderen Seite kann man ebenso feststellen, .daß die kleinen und mittleren Unternehmen darüber hinaus erstaunlich schnell in die Lage versetzt wurden, im Aufschwung wieder den Anschluß zu finden. Die Umsatzzahlen in der kleinen und mittleren Industrie der Jahre 1967 und 1968 zeigen, daß sie aus der Wachstumspolitik, aus dem Wiederankurbeln der Konjunktur Impulse erhalten hat und daß sie wendig und anpassungsfähig genug ist, diese Impulse aufzunehmen und sie auch zum Tragen zu bringen. Ich meine, das ist eine positive Sache. Dabei muß man auch sehen, daß gerade im kleineren Bereich, in den Größenklassen der Unternehmen von 1 bis 500 Beschäftigten und auch von 500 bis 1000 Beschäftigten, nach den Untersuchungen der Bundesregierung die Umsatzexpansion überdurchschnittlich verläuft. Erst in den Unternehmen mit mehr als 1000 Beschäftigten verläuft die Umsatzexpansion unter diesem Durchschnittswert. Auch hier zeigt sich wieder einmal, daß in den mittleren und kleinen Unternehmen ausgezeichnete unternehmerische Qualitäten vorhanden sind.Die mittelständische und gewerbliche Wirtschaft leidet aber sehr an den Fragen der inneren Strukturumstellung. Dazu muß man allerdings eines sagen: die Selbständigen bedürfen keines Naturschutzparkes. Ich glaube auch nicht, daß sie das wollen und daß das im Interesse einer dynamischen Marktwirtschaft liegt. Aber die staatliche Politik sollte helfend und führend dort eingreifen, wo Fehlentwicklungen zu erwarten sind oder wo Fehlentwicklungen schon eingetreten sind.Wir haben mit den Strukurprogrammen für Ruhr, Saar und Zonenrand, mit den neuen Überlegungen im Bereich der Landwirtschaftspolitik gezeigt, welche Möglichkeiten im Bereich der sektoralen und der regionalen Strukturpolitik für die gewerbliche mittelständische Wirtschaft liegen. Wir sollten diese Instrumente weiter ausbauen.Aber es gibt einen Bereich in der mittelständischen Wirtschaft, der Sorgen hat und dessen Entwicklung uns auch selber Sorge macht. Durch die ständige Entwicklung neuer Vertriebsformen, durch die Verbrauchermärkte und die Einrichtung von Cash-andcarry-Läden erfolgt im Bereich des Einzelhandels nicht nur eine Umstellung, sondern ein Umbruch der Strukturen. Hier haben wir anzusetzen. Es ist immerhin ganz interessant, wenn man sieht, daß in den vergangenen Tagen eine Pressemitteilung eines großen Warenhauskonzerns durch die deutschen Zeitungen ging, in der es hieß, daß er selbst als Warenhauskonzern sich neuerdings von der Schaffung der Verbrauchermärkte betroffen fühle und selber in diesen Bereich hineinstoßen wolle, um von dieser Entwicklung nicht bedroht zu werden.Nun, der traditionelle Einzelhandel kann dieser Entwicklung nur durch Spezialisierung, durch verstärkten Gruppenwettbewerb, durch Zusammenschluß von Betrieben und Beteiligung an Verbrau-
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Ravenschermärkten Rechnung tragen. Einige Handelsketten haben bereits durch Zusammenschluß reagiert. Aber wir meinen, daß aus diesen Gründen, wegen der Schwierigkeiten, die sich hier ergeben — denn das, was dort in Schwierigkeiten kommt, sind ja nicht nur Tante-Emma-Eckläden, sondern es sind in der Regel durchaus leistungsfähige kleine Unternehmen —, die Bundesregierung aus den vorhandenen Fördertiteln im ERP-Haushalt und im Bundeshaushalt ein zeitlich begrenztes Anpassungsprogramm für den Einzelhandel aufstellen sollte.Nun lassen Sie mich in dem Zusammenhang ein paar Sätze über das sagen, was wir auf Kongressen — Mittelstandskongressen und Wahlkongressen — über unsere Wirtschaftspolitik und über Verdächtigungen gehört haben, die dahin gehen, diese Wirtschaftspolitik neige dazu, die Unternehmenskonzentration über alles zu stellen und in unserem Konzept gebe es folglich für kleine und mittlere Unternehmen keinen Raum.Ich meine, daß man die Frage der Konzentration in der Wirtschaft nicht dadurch behandeln kann, daß man um sie herum eine neue Ideologie aufbaut. Konzentrationsvorgänge sind zunächst einmal nicht gut und nicht schlecht, sondern es gibt Bereiche, die im Zusammenhang mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, im Zusammenhang mit dem internationalen Wettbewerb durchaus zu größeren Wirtschaftsformen zusammenwachsen müssen, um ihren Anteil am Markt, um ihre Wettbewerbsfähigkeit erhalten zu können.Auf dieser Seite haben wir die strukturelle Anpassung der Unternehmen an diese dynamische Entwicklung zu unterstützen, auch auf dem Wege der Zusammenarbeit, soweit es sich dabei um eine Erhöhung der Leistungsfähigkeit und des Leistungswettbewerbs handelt. Das gilt dann nicht nur für den Bereich der großen, sondern insbesondere auch für den Bereich der kleinen und der mittleren Unternehmen. Aber wir wissen auf der anderen Seite — ich habe in der vergangenen Woche hier schon einmal darauf hingewiesen —, daß die Konzentration in der Wirtschaft auch die Frage nach der Möglichkeit der Beeinflussung der Großen und Mächtigen am Markt — in bezug auf die Kleinen — beinhaltet.Hier stellen sich die Fragen der Verbesserung des Wettbewerbsrechts. Nach zehn Jahren Kartellrecht stellen wir heute fest, daß es endlich eine Übereinstimmung in diesem Hause darüber gibt, daß wir um die präventive Fusionskontrolle nicht mehr herumkommen. Wir stellen fest, daß es eine Übereinstimmung darüber gibt, daß wir die marktbeherrschenden und die marktstarken Unternehmen in eine stärkere Mißbrauchsaufsicht nehmen müssen. Wir meinen als Sozialdemokraten, daß auf der anderen Seite die Förderung der Möglichkeiten im kleinen und mittleren Bereich zu Kooperationen und. zur Zusammenarbeit hinzukommen muß.Meine Damen und Herren, heute geht es wie eine einheitliche Aussage durch alle Parteien. Für mich ist es erstaunlich, jetzt zu lesen, daß die Konzentrationskontrolle von allen möglichen Seiten gefordert wird. Lassen Sie mich hier in Erinnerung rufen: WerKooperationserleichterungen zwischen kleinen und mittleren Unternehmen wünscht, wer die wettbewerbspolitische Verhinderung von Knebelungsverträgen, d. h. endlich einen wirksamen Schutz von Vertragsbeteiligten bei Ausschließlichkeitsverträgen wünscht, um den wir ja seit Jahren ringen, und wer eine verstärkte Marktmißbrauchsaufsicht über marktstarke und marktbeherrschende Unternehmen und eine präventive Fusionskontrolle fordert, der hätte all diese wettbewerbspolitisch notwendigen Verbesserungen schon seit Jahren haben können, wenn er in der 4. und 5. Legislaturperiode unseren wettbewerbspolitischen Anträgen zugestimmt hätte; denn wir haben für all diese Bereiche unsere Vorstellungen in der Form von Gesetzentwürfen vorgelegt.
Das muß man einmal in die Erinnerung rufen.Wir werden zu Beginn der nächsten Legislaturperiode diese unsere Anträge wieder einbringen, damit zu prüfen ist, ob das, was heute draußen auf den Kongressen verkündet wird, mehr ist als nur ein Versprechen. Wir werden sie auf den Tisch legen und werden Sie, meine Damen und Herren, dann wieder ins Wort nehmen.Wir wissen, daß es darauf ankommt, eine ausgewogene Struktur zwischen kleinen, mittleren und Großunternehmen in der Wirtschaft zu erhalten; denn nur in dieser ausgewogenen Struktur kann sich die ganze Dynamik der Marktwirtschaft, kann sich die ganze Dynamik der Wirtschaft entfalten. Deswegen kommt es darauf an, auch im mittelständischen Bereich den Raum freizuhalten, der zu dieser Entfaltung notwendig ist. Wir wissen aus den Untersuchungen, die in Amerika durchgeführt worden sind, daß häufig gerade die kleinen und mittleren Unternehmen Träger neuer Technologien sind, daß sie immer wieder in Marktlücken hineingreifen, daß sie bei der Erspähung von Marktlücken und bei der Anwendung neuer Technologien wendiger sind. Sie sind also, wenn man so will, das Salz des Fortschritts in unserer Volkswirtschaft. Das ist für uns weniger ein Lob an sie als eine Verpflichtung.Auch mit etwas zweitem sollte man in diesem Zusammenhang endlich einmal Schluß machen. Ich habe mit einiger Verwunderung gelesen, daß es Kolleginnen und Kollegen dieses Hauses gibt — die wohl eigentlich im Besitz der Gesetzentwürfe der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion zur Erweiterung der Mitbestimmung sein müßten und auch der Debatte zur Mitbestimmung in diesem Hause gefolgt sein müßten —, die draußen in den Auseinandersetzungen so tun, als wolle die Sozialdemokratische Partei mit ihren Vorschlägen die Mitbestimmung bis in den letzten Dorfkrug.Wir haben, meine Damen und Herren — das möchte ich von dieser Stelle aus noch einmal sehr deutlich sagen —, unsere Größenmerkmale für die Ausweitung der Mitbestimmung in unseren Gesetzentwurf hineingeschrieben. Für uns ist die qualifizierte Mitbestimmung für kleinere und mittlere Unternehmen aus grundsätzlichen Erwägungen ungeeignet. Das ist unsere definitive Entscheidung.
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RavensDabei bleiben wir. Ich meine, daß das all jene endlich einmal zur Kenntnis nehmen sollten, die so tun, als wäre das eine Sache, die nach Ansicht der Sozialdemokraten bis in den letzten Betrieb hineinreichen sollte.Meine Dmaen und Herren, über eines müssen wir uns klar sein: Mitbestimmung ist für uns alles andere als eine Vorstufe zur Sozialisierung oder gar ein Sozialisierungsersatz. Ganz im Gegenteil, wir verstehen die qualifizierte Mitbestimmung der Arbeitnehmer in der Großwirtschaft als eine freiheitliche, aus der europäischen Tradition kommende Antwort auf die Herausforderung des kollektivistischen Kommunismus. Zu dieser Antwort müssen wir uns aufraffen.Papst Paul hat auf seinem Besuch in Genf bei der Internationalen Arbeitsorganisation sehr deutlich und nachdrücklich die Forderung nach Mitbestimmung und Mitverantwortung der Arbeitnehmer unterstützt.
Wir schließen uns dieser Haltung an. Wir sind ihm sehr dankbar dafür, daß er sich mit der ganzen Autorität, die er innerhalb seiner Glaubensgemeinschaft besitzt, für diese Frage des Miteinander der Menschen in der Wirtschaft eingesetzt hat. — Herr Kollege, vielleicht darf ich Sie bitten, einmal die Rede des Urgroßvaters der Liberalen, des Herrn Naumann im Reichstag zu lesen, in der es damals hieß, es komme darauf an, neben dem Aufräumen der monarchischen Struktur im Staat auch in der Wirtschaft Formen der Mitbeteiligung, Mitbestimmung und der Mitverantwortung zu finden, damit aus dem Wirtschaftsuntertan ein Wirtschaftsbürger werde. Es wäre gut, wenn die Freien Demokraten sich von Zeit zu Zeit einmal daran erinnerten. Die Jungdemokraten sind da viel weiter als die Altdemokraten. Mir scheint das bei Ihnen auch nur noch eine Frage der Generationen zu sein;
in einigen Jahren werden diese jungen Leute hier im Hause sitzen, und dann, glaube ich, wird all das weggeblasen sein, was heute von Ihnen mit Mühe und Not zu diesem Thema noch gesagt wird.Wichtig für den mittelständischen Bereich sind auch die Fragen der regionalen und sektoralen Strukturpolitik. Wir haben in diesen zweieinhalb Jahren wichtige Instrumente der regionalen und sektoralen Strukturpolitik verbessert und umgebaut. Ich erinnere hier nur daran, daß wir Regelungen für Investitionszulagen und Investitionskredite neu aufgenommen haben. Damit sind wir von der Gewinnabhängigkeit bei der Förderung von mittelständischen Unternehmen weggekommen. Wir wissen, daß die Sonderabschreibungen, wie sie im Zonenrandgebiet gewährt werden, häufig zunächst einmal den Großverdienenden Vorteile bringen; für den Kleinverdienenden mit 19 % Steuerschuld bringt das nicht sehr viel zusätzliche Möglichkeiten der Eigenkapitalbildung. Deswegen halten wir diese Investitionszulagen und -prämien für einen wichtigen mittelstandsorientierten Fortschritt in der regionalen Strukturpolitik.Ich darf hier einmal ganz unbescheiden daran erinnern, daß wir es waren, die im Wirtschaftsausschuß die Förderung der grundlegenden Rationalisierung in das zweite Steueränderungsgesetz und in das Gemeinschaftsaufgabengesetz hineingebracht haben. Das wiederum ist ein Angebot an die Unternehmen, die in diesen Gebieten sitzen, ihre Technik und ihre Einrichtungen so zu gestalten, daß sie mit den neu hinzukommenden Unternehmen wirklich konkurrieren können. Wir würden uns wünschen, daß auch das ERP-Vermögen heute unter diesen neuen Gesichtspunkten fortschrittlicher als bisher eingesetzt wird, damit wir auch hier zu einer zusätzlichen Hilfe in Gestalt von Investitionsprämien und Investitionszulagen kommen.Ein wesentlicher und wichtiger Bereich für die mittelständische Wirtschaft ist ihre Kapitalbeschaffung und ihre Kapitaldecke. Lassen Sie mich dazu ein paar Worte sagen. Ich halte den Vorschlag, den der Kollege Kurlbaum für uns hier eingebracht hat, für einen Schritt auf dem Wege, a) zu einer gerechteren Besteuerung der kleinen und mittleren Unternehmen gegenüber den großen zu kommen, b) ihnen auch über diesen Weg die Möglichkeit zusätzlicher Eigenkapitalbeschaffung zu geben. Der Bereich des Eigenkapitals ist in der produzierenden mittelständischen Wirtschaft, im Dienstleistungsgewerbe äußerst schmal. Wir wissen auf der anderen Seite aber auch, daß dort der beleihungsfähige Rahmen ausgesprochen schmal ist. Von da her ergeben sich in diesem Bereich beim Kapitaldienst häufig viel höhere Zinsen als bei den Großunternehmen.Deshalb sollte die Kreditgarantiegemeinschaft, die eingerichtet worden ist, weiter ausgebaut werden. Im vergangenen Jahr wurden 150 Millionen DM aus dieser Kreditgarantiegemeinschaft an die mittelständische Wirtschaft gegeben. Diese Mittel sind im wesentlichen in die Unternehmen des Handwerks und in geringerem Umfange in den Bereich des Handels gegangen. Von der mittelständischen Industrie ist aus dieser Kreditgarantiegemeinschaft fast nichts in Anspruch genommen worden. Wir halten diese 150 Millionen DM eigentlich für einen Tropfen auf den heißen Stein. Der Bürgschaftsrahmen müßte hier ausgeweitet werden. Hieraus muß ein wirkliches Instrument der Kapitalbeschaffung für kleine und mittlere Unternehmen auf breiter Basis werden.In diesem Zusammenhang darf man vielleicht auch darauf hinweisen, daß wir im Augenblick einen zweiten Punkt haben, der für die kleine und mittlere Wirtschaft von Bedeutung ist. Infolge der Unterlassung der außenwirtschaftlichen Absicherung hat die Bundesbank den Diskontsatz auf 5 % erhöht. Das hat zweifellos eine bremsende Wirkung. Aber ich glaube, wir sollten uns an dieser Stelle auch einmal auf die Nebenwirkungen zurückbesinnen, die es dabei gibt. Der Fremdkapitaleinsatz bei kleinen und mittleren Unternehmen wird immer höher. Er wird auch immer notwendiger, wenn sie sich an die moderne Technik anpassen sollen. Aber sie haben im
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RavensAugenblick bei einer hohen Eigenfinanzierungsquote der Großwirtschaft und bei einer hohen Fremdfinanzierungsquote der kleinen und mittleren Unternehmen den Nachteil, daß sie neben der höheren Fremdkapitalisierung nun auch noch höhere Zinsen zu zahlen haben. Das bringt erneute Schwierigkeiten. Auch von daher wird also den Fragen der Kreditgarantiegemeinschaften eine besondere Bedeutung beizumessen sein.Sie, Herr Kollege Lampersbach, haben darauf hingewiesen, daß es in Nordrhein-Westfalen neuerdings die Kapitalbeteiligungsgesellschaften gibt. Wir wissen, daß in der Bundesregierung die Fragen der Kapitalbeteiligungsgesellschaften diskutiert worden sind und daß man versucht hat, Modelle dafür zu entwickeln. Wir meinen, daß es jetzt an der Zeit ist, Herr Bundeswirtschaftsminister, daß Sie Ihre Überlegungen an die Öffentlichkeit geben, damit sie mit den interessierten Verbänden und Organisationen, aber auch mit den Bürgern dieses Landes diskutiert und in die politische Diskussion eingebracht werden können. Denn wir wissen, daß gerade die Frage der Kapitalbeteiligungsgesellschaft nicht nur mit Hosianna zu beurteilen ist, sondern daß es hier auch Einschränkungen gibt. Man muß das sehr sorgfältig ausdiskutieren. Es wäre zu prüfen, ob man diesen Weg dann, wenn er als gangbar angesehen wird, nicht auch mit in das Förderungsprogramm des Bundes für die mittelständische Wirtschaft hineinnehmen sollte.Einen weiteren Punkt sollten wir heute für die langfristige Debatte über die Steuerpolitik anmerken. Die Abschreibungen — ich habe darauf hingewiesen — haben für die kleine und mittlere Industrie den Nachteil, daß sie bei geringen Steuersätzen dabei nur einen geringeren Betrag wirklich einspart. Hier ist zu überlegen, ob im Zusammenhang mit der Steuerreform nicht eine andere Form der Abschreibungsmöglichkeiten gefunden werden kann. Die Abschreibungsvorteile sollten nicht mehr so sehr von der jeweiligen Steuerprogression abhängen. Wir sollten unter Umständen an den Schritt denken, den wir beim Zweiten Vermögensbildungsgesetz gegangen sind, die Möglichkeit von Teilabschreibungen aus der Einkommensteuerschuld. Das hätte den Vorteil, daß wir die Progressionsverzerrungen zugunsten der Großwirtschaft oder, wenn man so will, zum Nachteil der mittelständischen Unternehmen ausräumen könnte. Das ist eine Frage, die im Zusammenhang mit der Steuerreform im nächsten Bundestag überprüft werden sollte. Ich wäre dem Herrn Bundesfinanzminister sehr dankbar, wenn er diese Frage auch einmal an den Sachverständigenausschuß, den er bei seinem Hause gebildet hat, weitergäbe.Darüber hinaus wird es darauf ankommen, daß wir all das, was im Augenblick bei den Selbständigen, bei den Verbänden und Organisationen, bei den Handwerks- und Handelskammern an Einrichtungen zur besseren Überschaubarkeit, zur besseren Information der kleinen und mittleren Unternehmen eingerichtet haben, ausbauen. Wir erleben doch im Augenblick, daß in der Großwirtschaft wichtige Unternehmensfunktionen ausgegliedert und anderen Unternehmen zugeordnet werden. Ich denke hier an den ganzen Bereich der Datenverarbeitung, ich denke hier an den Bereich des Marketing, ich denke hier an den Bereich der Erfolgskontrolle, Dinge, die in dafür besonders geschaffene Unternehmen herausgelagert werden. Die Dienste bei diesen Unternehmen sind heute häufig auf die Großwirtschaft zugeschnitten. Sie passen nicht auf kleine und mittlere Unternehmen und lassen sich nicht auf sie übertragen, und sie sind dann, so meine ich, auch manchmal für einen kleineren und mittleren Unternehmer nicht zu tragen. Trotzdem bedarf er, wenn er den Anpassungsprozeß überstehen will, dieser besseren Beratung von außen, dieser besseren Hilfe. Deshalb appellieren wir an die Bundesregierung, diesen Bereich der Selbsthilfeorganisationen bei den Handelskammern, bei den Handwerkskammern, beim Rationalisierungskuratorium für Wirtschaft auszubauen, weiter zu fördern und ihn zugänglich zu machen für alle kleineren und mittleren Unternehmen. Wir meinen, daß dieser Beratungsarbeit in Zukunft eine ganz besondere Bedeutung zukommt. Die kleineren und mittleren Unternehmen müssen in die Lage versetzt werden, den Anschluß zu behalten, und ständig informiert sein. Das wird oft nicht gehen, wenn der Chef den ganzen Bereich seines Unternehmens abdecken soll.Bei der Forschung und Entwicklung wünschen wir, daß die Bundesregierung auch in Zukunft die Gemeinschaftsforschung für kleine und mittlere Unternehmen weiterführt und weiter unterstützt. Denn auch hier ist es notwendig, Hilfe zu leisten. Wir müssen überlegen, ob es nicht auch Staatszuschüsse zu solchen gemeinschaftlichen, partnerschaftlichen Forschungs- und Entwicklungsstätten geben muß.Zur Kooperation und zum Kartellrecht habe ich einiges gesagt. Ich wäre sehr dankbar, wenn wir die Bitte aussprechen könnten, daß das Kartellamt einmal prüfen möge, welche Formen der Kooperation, der Arbeitsgemeinschaft, der Zusammenarbeit im kleineren und mittleren Bereich möglich sind, und diese Formen dann auch begreifbar darstellt. Ich werde immer wieder von kleineren und mittleren Unternehmen gefragt: Wie ist das nun eigentlich zu regeln? Wo stoßen wir an die Grenze des Kartellgesetzes? Wie ist das hinzubekommen? Welche steuerlichen Maßnahmen sind dabei zu beachten? Eine entsprechende Übersicht wäre also durchaus nützlich. Wir wissen, daß die jetzigen Formen des Unternehmensrechts nicht ausreichen. Die Bundesregierung sollte in diesen Fragen einmal das Gesellschaftsrecht, das bürgerliche Recht und das Handelsrecht überprüfen. Sie sollte prüfen, ob nicht „einzelkaufmännische Unternehmen mit beschränkter Haftung" oder „Partnerschaftsgesellschaften" mögliche zukunftsträchtige Formen für die zukünftige Unternehmensführung in der mittelständischen Wirtschaft sein können. Wir erwarten eine solche Übersicht in der nächsten Legislaturperiode.Der Bundeswirtschaftsminister hat in seinem 6-Punkte-Programm, das er in Nürnberg der Öffentlichkeit vorgelegt hat, ganz besonders auf die Notwendigkeit der elektronischen Datenverarbeitung und der damit zusammenhängenden Informations-
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Ravensmöglichkeiten hingewiesen. Wir wollten ihn hier ermuntern, auf diesem Wege weiterzuarbeiten.Meine Damen und Herren, mit meinen Ausführungen habe ich versucht, den Bereich der marktwirtschaftlichen Formen abzudecken und ein Konzept für eine Selbständigenpolitik zu skizzieren. Man sollte nicht versuchen, die Gruppen unseres Volkes auseinanderzudividieren und den einen gegen den anderen losmarschieren zu lassen. Wir erleben im Augenblick in vielen Zeitschriften aus bestimmten Bereichen — Herr Kollege Wieninger, Sie wissen sicherlich, welche ich jetzt meine — den Versuch, mit Emotionen und Gefühlswallungen die kleineren und mittleren Unternehmen in eine Frontstellung gegen die Großwirtschaft und auch gegen die diese Regierung tragenden Parteien aufzuhetzen. Darauf kommt es nicht an. Vielmehr kommt es darauf an, den Mittelständischen und den Selbständigen in unserer Wirtschaft deutlich zu machen, daß ihr Wohl und Wehe davon abhängt, daß es gelingt, ihre Belange in die Gesamtwirtschaft zu integrieren. Unsere Wirtschaftspolitik, die sozialdemokratische Wirtschaftspolitik, integriert abgewogen die Belange aller Schichten unseres Volkes. Sie ist eine Absage an die Interessenpolitik. Bei uns gibt es keine einseitige Begünstigung. Das gilt hinsichtlich der Selbständigen, der Landwirtschaft, der Arbeitnehmerschaft und der Großunternehmen. Das ist die Stärke unserer Wirtschaftspolitik — sie läßt sich zwar nicht immer so darstellen —, und dabei bleibt es.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wieninger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieser Debatte könnte man das Motto voranstellen: Spät kommt ihr, aber ihr kommt. — Es wäre besser gewesen — es ist ja darüber soeben in einem Zwiegespräch geredet worden —, wenn diese Debatte, auch um vor der Öffentlichkeit glaubwürdiger zu werden, vor einigen Monaten geführt worden wäre. Nun, ein Teil Schuld an der Verzögerung mag auch das Wirtschaftsministerium durch die verhältnismäßig lange Frist, die die Beantwortung beansprucht hat, haben. Aber selbst wenn wir erst am Ende, wirklich am Ende der Legislaturperiode heute über die Lage des Mittelstandes sprechen können, so ist das, meine ich, besser als gar nicht.Es entspricht der Bedeutung der mittelständischen Wirtschaft, daß wir die Bundesregierung immer wieder anhalten, Bericht über Leistungen und Absichten im Hinblick auf die Klein- und Mittelbetriebe zu geben, daß wir aber auch selbst — der Deutsche Bundestag — in Debatten fraktionsweise erklären, welche Tedenzen und Absichten wir für den Mittelstand verfolgen. So meine ich, der Sinn der heutigen Ausprache ist der, daß wir Rechenschaft ablegen über das, was für den Mittelstand geschehen ist, daß wir aber auch einige stichwortartige Ausblicke für die notwendigen Absichten des kommenden Bundestages geben.Um dem Gerücht, für den Mittelstand sei nichts geschehen, entgegenzutreten, möchte ich doch hervorheben, daß dieser 5. Deutsche Bundestag eine ganze Anzahl mittelstandsrelevanter Gesetze verabschiedet hat. Ich nenne da nur die Mehrwertsteuer, das Stabilitätsgesetz, die Verkehrsreform, die Aufstockung der Gewerbeförderungsmittel, die Novelle gegen den unlauteren Wettbewerb, die Novelle zur Gewerbeordnung im Hinblick auf die Wanderlager, die bessere Beteiligung der mittelständischen Wirtschaft an öffentlichen Aufträgen, das Berufsausbildungsgesetz, das wir nach den Vorstellungen auch des Handwerks gestalten konnten; ich denke weiter an die kleinen Gesetze: die Kaminkehrerordnung, das Gastgewerbegesetz, das Architektengesetz, die Ermöglichung einer gemeinsamen Katalogwerbung im Handel, das Ladenschlußgesetz und — auch das rechne ich als einen mittelstandspolitischen Erfolg — die Verhinderung der Aufhebung der Preisbindung der zweiten Hand.Erlauben Sie, daß ich über diesen Gegenstand ganz kurz etwas sage. Es wäre apolitisch gewesen, wenn. wir die Preisbindung der zweiten Hand, die vertikale Preisbindung, aufgehoben hätten und dafür ein vages System von Preisempfehlungen eingetauscht hätten, von Preisempfehlungen, die der — so möchte ich fast sagen — Pest der Mischkalkulation Vorschub geleistet hätten. — Soviel darüber. Wir könnten den Katalog von Leistungen für den Mittelstand noch fortsetzen, aber diese Stichworte mögen genügen.Was können wir uns nun für den 6. Deutschen Bundestag vornehmen, was ist zwingend notwendig, wenn wir eine echte Mittelstandspolitik betreiben wollten? Ich meine, das Hauptanliegen der mittelständischen Wirtschaft ist die Beseitigung der Eigenkapitalnot. Das ist das A und O einer echten Mittelstandsförderung. Wenn es nicht gelingt, meine Damen und Herren, die Eigenkapitalausstattung in der Mittelstandswirtschaft zu verbessern, wenn es nicht gelingt, in verstärktem Maße Betriebsrücklagen zu bilden, werden die Klein- und Mittelbetriebe ihren notorischen Modernisierungs- und Rationalisierungsrückstand nie aufholen können, und sie werden darum auch nicht in die Lage versetzt werden, mit den Großformen der Wirtschaft echt zu konkurrieren. Wir haben zur heutigen Debatte einen Entschließungsantrag eingereicht, der einen Weg aufzeigt, wie wir dieser zu geringen Kapitaldeckung begegnen können.Ein weiteres wichtiges Anliegen der Mittelstandspolitik im kommenden Bundestag wird die Reduzierung der Gewerbesteuer sein. Sie ist seinerzeit im finanzpolitischen Programm zugesagt worden, aber im Laufe der Beratungen der finanzpolitischen Gesetze ist von einer Reduzierung der Gewerbesteuer, insbesondere im Hinblick auf die Beseitigung der Kapitalertragsteuer, nicht mehr die Rede gewesen. Wir meinen, daß wir mindestens die Anhebung der Nullstufe in Bälde erreichen sollten. Die Gewerbesteuer ist eine Steuer, die im europäischen Wirtschaftsraum einen Fremdkörper darstellt, und ich meine, um die deutsche Wirtschaft in der EWG konkurrenzfähig zu machen, müßten wir diese Steuer
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Wieningersobald wie möglich, wenn nicht ganz aufheben, so mindestens dezimieren.Herr Kollege Ravens hat soeben davon gesprochen, wie notwendig es sei, den Informationsbedürfnissen der mittelständischen Wirtschaft entgegenzukommen. Auch wir meinen, daß durch die Aufstokkung der Gewerbeförderungsmittel, die keine Subventionen darstellen, sondern eine echte Hilfe zur Selbsthilfe, auf diesem Gebiet noch zusätzlich etwas für den Mittelstand getan werden müßte.Noch eines zu den Sozialgesetzen. Wir wollen erreichen, daß im nächsten Bundestag alsbald die Altersversorgung aller Selbständigen ermöglicht wird. Was dem deutschen Handwerk recht ist, das muß allen anderen Beteiligten in der selbständigen, in der gewerblichen Wirtschaft billig sein. Eine moralische Berechtigung liegt darin, alle an den Wohltaten der Rentengesetzgebung teilnehmen zu lassen, weil auch alle mit ihren Steuergeldern die Staatszuschüsse zum Rentenaufkommen leisten.Meine Damen und Herren, wenn der Deutsche Bundestag in Zukunft Sozialgesetze berät, so sollte doch etwas mehr Rücksicht auf die Leistungsfähigkeit der mittelständischen Wirtschaft genommen werden. Wir richten bisher bei der Sozialgesetzgebung die Anforderungen, die an die Wirtschaft gestellt werden müssen, immer nach den Großformen der Wirtschaft, nach der großen finanziellen Leistungsfähigkeit einiger weniger industrieller Bereiche aus und denken nicht daran, daß gerade der Mittelstand durch seine Lohnintensivität auf dem Gebiet der Sozialgesetze besonders beansprucht wird.
Der Bundestag wird in seiner Gesamttendenz auf die strukturellen Schwierigkeiten, die in der mittelständischen Wirtschaft insbesondere auf dem Gebiet des Handels bestehen, Rücksicht nehmen müssen. Der Bundestag wird darauf Bedacht nehmen müssen, daß der Schrumpfungsprozeß in der mittelständischen Wirtschaft endlich aufgehalten und gestoppt wird. Wir dürfen nicht vergessen, daß wir unsere gesellschaftliche Struktur nur dann aufrechterhalten können, wenn ein gesunder und breit angelegter Mittelstand in unserer Wirtschaft vorhanden ist.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Funcke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Von der jetzt fast dreistündigen Debatte in diesem Hause hat die Opposition bisher 20 Minuten in Anspruch genommen. Diejenigen, die die übrige Zeit verbraucht haben, mögen sich daran erinnern, daß sie sich vor vierzehn Tagen für eine Begrenzung der Redezeit eingesetzt haben,
um eine lebendigere Debatte und nicht abgeleseneReden in diesem Hause vorzuführen. Es wäre gutgewesen, wenn man sich auch vor dem zwingenden Termin daran gehalten hätte.Meine Herren und Damen, die Diskussion an diesem Tage hätte sicherlich kürzer sein können, wenn die Regierung nicht eine total unbefriedigende Antwort gegeben hätte, trotz des Wortreichtums, der darauf verschwendet worden ist.
Insbesondere im steuerpolitischen Teil, dem ich mich jetzt zuwenden möchte, ist die Antwort mehr als kümmerlich. Zum Teil greift die Regierung zum Nachweis ihrer Leistungen auf Entscheidungen zurück, die die früheren Regierungen vor vier, fünf, ja, vor acht und mehr Jahren getroffen haben. Sie greift sogar auf Initiativanträge der Fraktionen zurück, durch die eine Verbesserung im Rahmen der mittelständischen Politik erreicht worden ist. Offensichtlich hatte sie an Entscheidungen jüngeren Datums nicht viel vorzuweisen. Zum Teil sind die Antworten nahezu ohne eigene Stellungnahme, so wortreich sie auch sind, zum Teil bleiben sie unverbindlich, und zum Teil verschiebt die Bundesregierung mögliche Antworten auf Fragen zu Mißständen und verbesserungswürdigen Tatbeständen mit dem Hinweis auf die Große Steuerreform.Meine Herren und Damen, die Große Steuerreform ist sicherlich notwendig. Aber sie ist kein Gottesgeschenk, das weder uns selbst noch der Regierung das Denken abnimmt. Denn spätestens seit der Finanzreform wissen wir doch, was wir von Gutachten und ihrer Realisierbarkeit und von Gutachtern und ihrer Wirksamkeit zu halten haben. Zweifelsohne sind Gutachten eine Hilfe und ein erster Anstoß. Mit Sicherheit aber wird sich eine Bundesregierung, wie immer sie in Zukunft auch zusammengesetzt sein wird — ohne Zweifel wird daran immerhin die eine oder andere Fraktion, die heute die Regierung stellt, beteiligt sein —, Gedanken darüber machen müssen, wie sie sich zu den einzelnen Vorschlägen stellen will. Das gilt auch für die Fraktionen. Denn die Übernahme der wissenschaftlichen Gutachten allein würde sicherlich keinen befriedigen. Ich brauche ja nur an das Steuergutachten des wissenschaftlichen Beirats des Finanzministeriums zu erinnern, um wahrscheinlich in uns allen den Wunsch wach werden zu lassen, daß solcherlei Gutachten nicht Wirklichkeit werden mögen.Meine Herren und Damen, es geht darum, Wettbewerbsnachteile für die kleinen und mittleren Betriebe auszuschalten. Die Bundesregierung greift in ihrer Antwort — wie ich andeutete —, auf Leistungen früherer Regierungen zurück. Herr Kollege Kurlbaum und Herr Kollege Ravens haben soeben im Nachhinein die Steuerreform 1965 kritisiert, die seinerzeit den Mittelstandsbogen abbaute. Sie stellen sich damit gegen die Auffassung der eigenen Regierung, die ja diese Beseitigung der Steuerprogression bei mittleren Einkommen gerade als eine der Leistungen zugunsten des Mittelstandes preist. Dabei ist diese Steuerreform nun wirklich nicht das Verdienst der derzeitigen Bundesregierung. Die Steuerreform 1965 war notwendig und richtig. Es trifft nicht zu, daß es eine gemeinsame Auffassung dieses
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Frau FunckeHauses gäbe, daß die Steuersenkung damals verfehlt gewesen wäre. Gerade die Ausführungen auf allen Seiten dieses Hauses einschließlich der Regierungsbank machen doch deutlich, daß wir eine Unterkapitalisierung im mittelständischen Bereich der Wirtschaft haben und daß diese Unterkapitalisierung den Prozeß der Anpassung an neue wirtschaftliche und technische Tatbestände und die Wettbewerbsfähigkeit dieser Betriebe beeinträchtigt. Die Kapitalbildung der mittelständischen Wirtschaft muß deswegen gestärkt werden. Das können Sie doch aber nur, wenn Sie diesen Betrieben durch eine Minderung ihrer Steuerlast die Möglichkeit der Selbstfinanzierung eröffnen. Es klingt ja auch in dem meines Erachtens etwas verfehlten, aber zumindest in der Zielsetzung nicht falschen Antrag der SPD an, hier eine Steuererleichterung zu geben, die die Wettbewerbsfähigkeit der kleineren und mittleren Betriebe stärkt.Die Regierung weist darauf hin, daß die Mehrwertsteuer eingeführt worden sei. Nun, nicht durch sie, sondern durch die vorige Regierung. Es war zweifelsohne ein wichtiger Beitrag zur Verhinderung weiterer Konzentrationen aus steuerlichen Gründen.Sie weist weiter darauf hin, daß ein besonderer Sonderkostenfreibetrag zur Alterssicherung für Selbständige — zum Ausgleich des steuerfreien Arbeitgeberbeitrags bei Arbeitnehmern — eingeführt worden ist, und sie weist — das hat mich am meisten erstaunt — gleich am Anfang darauf hin, daß der Freibetrag bei der Gewerbesteuer —1961 wohlgemerkt, also vor mehr als acht Jahren — heraufgesetzt worden ist. Nun, auch das erfolgte nicht durch diese Regierung.Da möchte ich einhaken. Wer das heute als einen Erfolg im Sinne des Mittelstandes feiert, kann doch nicht darum herum, festzustellen, daß die Größenordnung von 1961 mit 7200 DM im Jahr heute einfach nicht mehr paßt und dringend geändert werden muß. Die Regierung weist darauf hin, daß dieser Freibetrag nicht dazu dasein sollte, den Unternehmerlohn in der Gewerbesteuer auszugleichen. Ich bin da genau anderer Meinung: Natürlich ist er dazu da, denn eine Kapitalgesellschaft kann eben doch das Gehalt des geschäftsführenden Vorstandsmitglieds voll und ganz von dem steuerpflichtigen Gewinn absetzen, so daß nur der Rest der Gewerbesteuer unterliegt. Einzelunternehmer und Gesellschafter in einer Personengesellschaft müssen aber alles, was sie für ihre Arbeitsleistung bekommen, voll nach dem Gewerberertrag versteuern, und das bedeutet ja bekanntlich mehr von über 10 %, d. h. 2% Lohnsummensteuer — sofern sie überhaupt erhoben wird — gegenüber mehr als 12 % Gewerbeertragsteuer.Meine Herren und Damen, das ist doch ohne Zweifel eine große Ungerechtigkeit, und ich verstehe nicht, daß die Regierung diesen Zusammenhang offensichtlich nicht sehen will. Wir hatten vor 1961 einen Freibetrag von 200 DM monatlich. Er wurde 1961 auf 600 DM im Monat begrenzt. Und diese 600 DM monatlich gelten nicht nur für einen Unternehmer, sondern möglicherweise für zwei oder drei zusammen, wenn sie gemeinsam in einem Betrieb arbeiten. Wer glaubt denn ernstlich, den Betroffenen noch klarmachen zu können, das sei eine Wohltat? Hier muß doch geändert werden. Wir Freien Demokraten bedauern daher sehr, daß unser Erhöhungsantrag, der noch rechtzeitig eingebracht worden ist und relativ kurzfristig hätte erledigt werden können, nicht zum Zuge gekommen ist. Bei den nicht unerheblichen Geldwertverschiebungen seit 1961 war es doch kein Problem, festzustellen, daß der Betrag nicht mehr ausreicht. Die Annahme unseres Antrags wäre eine wesentliche Hilfe im Gewerbesteuerbereich für die mittleren und kleinen Betriebe zur Verbesserung der Wettbewerbsgerechtigkeit.
Frau Abgeordnete Funcke, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Kurlbaum-Beyer?
Frau Kollegin Funcke, haben Sie übersehen, daß Sie im Finanzausschuß keinen Antrag gestellt haben, Ihren Antrag auf die Tagesordnung zu setzen? Wir haben ja darüber gesprochen, was alles noch wichtig ist.
Frau Kollegin, Sie wissen sehr genau, daß der Finanzausschuß zuletzt getagt hat, als wir Parteitag in Nürnberg hatten und ich wegen Sperrungen auf der Autobahn nicht rechtzeitig da sein konnte, um zu Beginn einer Sitzung — das ist geschäftsordnungsmäßig so notwendig — die Aufsetzung eines neuen Tagesordnungspunktes zu beantragen.
Im übrigen war es gegen Ende der Ausschußtätigkeit vorgesehen — darüber hatten wir uns abgesprochen —, daß zunächst einmal alles, was noch offen ist, zur Diskussion gestellt werden sollte. Das ist bezüglich unseres Antrags leider nicht geschehen, und zwar nicht durch meine Schuld.Meine Herren und Damen! die Gewerbesteuer — das hat uns Herr Kurlbaum hier ja dankenswerterweise dargelegt — ist in sehr vieler Hinsicht nachteilig und wettbewerbshemmend. Sie muß daher abgebaut werden. Den Begründungen, die Herr Kurlbaum gegeben hat, kann man leicht noch einige hinzufügen. Diese Steuer paßt weder in ihrer Systematik noch in ihrer Höhe noch im Hinblick auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit in die heutige Landschaft. Wir haben es sehr bedauert, daß Herr Kurlbaum mit seiner Fraktion aus diesen Erkenntnissen, die richtig sind, bei der Beratung des Finanzreformgesetzes nicht die Konsequenzen gezogen hat. Im Gegenteil, die SPD hat seinerzeit unseren Wunsch — nebenbei: den Wunsch der Regierung —, die Gewerbesteuer ab 1971 abzubauen, abgelehnt. Wir stehen jetzt vor der Ungewißheit, wie lange, in welcher Höhe und ob überhaupt diese Steuer bestehenbleibt bzw. ob sie wenigstens gesenkt wird.Wir sind der Meinung, daß die Gewerbeertragsteuer — und natürlich auch die Gewerbelohnsummensteuer; das brauche ich, glaube ich, nicht extra
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Frau Funckezu erwähnen — verschwinden muß, weil sie — gegenüber der Gewerbekapitalsteuer — die lohnintensiven Betriebe belastet und weil sie in vieler Hinsicht, durch die Zurechnung der Dauerzinsen zum Gewerbeertrag und ähnliches, ungerecht, belastend und systemwidrig ist. Meine Herren und Damen, der Abbau ist der beste Weg, auf jeden Fall viel besser als der von der SPD eingereichte Vorschlag, die Gewerbesteuer steuerlich stärker oder weniger stark abzugsfähig zu machen. Wenn wir diesen Weg gehen — und Herr Ravens deutete an, das wolle er auch mit den Abschreibungen machen —, kommen wir zu einer ganz interessanten Steuerreform. Dann werden wir in Zukunft überhaupt alle Kosten, die ein Betrieb hat, pauschalieren. Es gibt ja noch andere gewinnabzugsfähige Betriebskosten als Abschreibungen oder Gewerbesteuer. Dann müßte man z. B. auch den Materialeinkauf bei den Großbetrieben und alle sonstigen Unkosten nicht mehr voll als Kosten anerkennen. Ich meine, dann könnten wir die ganze Buchhaltung einsparen und einfach sagen: vom Erlös sind 80 % abzugsfähig, 20 % werden versteuert. Das wäre eine wunderbar einfache Steuerreform.
Bitte, eine Zwischenfrage!
Frau Kollegin Funcke, können Sie mir sagen, wie Sie die 11 Milliarden DM bei den Gemeinden decken wollen? Und wenn Sie sagen, diese Mittel müssen aus den Haushalten der Länder und des Bundes genommen werden, wie sollen denn der Bund und die Länder ihre Haushaltslücken füllen?
Frau Kollegin Kurlbaum, wir haben unseren Antrag vor der Entscheidung über die Verteilung der Finanzmassen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden gestellt, um eben diese Frage zu berücksichtigen. In diesem Jahr erwarten wir Steuermehreinnahmen über die etatisierten Einnahmen hinaus in Höhe von 5 bis 6 Milliarden DM. Da sollten wir uns doch nicht über einige relativ kleine Fragen streiten. Wir haben ja nicht von einer sofortigen und erstatzlosen Streichung der Gewerbesteuer gesprochen. Aber die 40 %ige Senkung zumindest der Gewerbeertragsteuer und ihr allmählicher weiterer Abbau ist im Rahmen der europäischen Harmonisierung z. B. der Umsatzsteuer ohne weiteres möglich. Es handelt sich hier nur um eine durchaus denkbare Umschichtung.
— Die Verbraucher zahlen doch auch die Gewerbesteuer. Sie glauben doch nicht im Ernst, daß die Unternehmen die Gewerbesteuer aus der Substanz bezahlen. Offensichtlich herrscht bei der SPD eine merkwürdige betriebswirtschaftliche Auffassung vor.
Alle Kosten, auch die Steuern, sind natürlich in denPreis einkalkuliert. Es verkauft ja keiner andernLeuten etwas, wenn er etwas dabei zusetzt; es sei denn in schlechten Zeiten zur Überbrückung einer Rezession. Im allgemeinen trifft nun einmal für eine Wirtschaft — und nicht nur für die westliche Wirtschaft, sondern für alle Wirtschaften dieser Welt — der Grundsatz zu, daß man nicht etwas zusetzt, sondern etwas herauswirtschaftet. Deswegen sind Gewerbesteuern natürlich Kostensteuern und müssen vom Verbraucher bezahlt werden. Ich wüßte nicht, wie das anders hergehen sollte.Wir bedauern auch, daß — dazu hat auch Herr Wieninger soeben etwas gesagt — bei Regierung und Koalitionsparteien so wenig Verständnis dafür besteht, daß die Alterssicherung der Selbständigen über steuerliche Erleichterungen verbessert werden muß. Durch die Festlegung dynamischer Renten im Sozialversicherungsbereich erkennt man doch an, daß einmal festgesetzte Beträge nicht auf Dauer den Wert behalten, den sie ursprünglich hatten. Wir haben den Antrag gestellt, die Höchstgrenzen bei den Sonderausgaben zu erhöhen; Sie haben ihn abgelehnt und lassen die Frage offen, wie denn diejenigen, die nicht der Sozialversicherung zugehören, auf Dauer einem wachsenden Geldschwund begegnen sollen, wenn ihnen nicht gleichzeitig bessere Möglichkeiten der steuerlichen Abzugsfähigkeit gegeben sind.Wir waren sehr erstaunt — das heißt, wir haben es eigentlich schon im vorhinein gewußt —, daß die Bundesregierung wiederum die Absicht bestätigt, die Grundsteuer zu erhöhen, sobald die neuen Einheitswerte wirksam werden. Meine Herren und Damen, es gibt einen einstimmigen Beschluß dieses Hauses — ich bitte die Koalitionsfraktionen, sich daran zu erinnern, daß er seinerzeit mit besonderer Hartnäckigkeit von den Vertretern der SPD im Finanzausschuß durchgekämpft worden ist —, daß die Erhöhung der Einheitswerte nicht auf die Grundsteuer durchschlagen sollte. Wir Freien Demokraten werden uns daran halten. Denn hier, Frau Kollegin Kurlbaum, können Sie einmal den Verbraucher ins Feld führen, d. h. den Mieter,
der von der Steuererhöhung gerade auf diesem Gebiet zweifelsohne besonders betroffen wird, zumal da sich die laufend steigenden Baukosten in den Mieten in besonderem Maße nachteilig niederschlagen.
Ein Wort zur Ergänzungsabgabe und damit zu den etwas widersprüchlichen Darlegungen des Herrn Kollegen Kurlbaum. Ich muß mich heute besonders viel mit der SPD beschäftigen; die CDU hat da etwas weniger gesagt. Herr Kollege Kurlbaum, ich frage mich noch immer, wann Sie denn eigentlich die notwendigen Steuersenkungen durchführen wollen. In Zeiten des Booms wollen Sie es nicht. In Zeiten der Rezession ist normalerweise der Staat klamm, dann haben Sie fiskalische Bedenken.
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Frau Funcke— Zunächst müssen wir ja erst einmal all die Schulden zurückzahlen, die Sie seinerzeit aufgenommen haben.
Aber gut, anschließend wollen Sie dann Rücklagen bilden. Nur, wann wollen Sie denn dann eigentlich Steuersenkungen — die Sie ja für notwendig halten — durchführen? Das ist doch Augenwischerei, was Sie da betreiben.
Denn immer haben wir entweder Boom oder Rezession oder Beinahe-Boom oder abklingende Rezession — etwas anderes gibt es nicht —, und immer ist entweder der Staat klamm oder die Wirtschaft auf Hochtouren; und dann würden Sie eben nie den Zeitpunkt finden, der für eine solche Maßnahme geeignet zu sein scheint. Das heißt, die Steuersenkung findet nicht statt.Zum Kapitel Beförderungsteuer hat die Regierung einen interessanten Satz hingeschrieben. Ich hätte gern ein bißchen exakter gewußt, was er eigentlich bedeutet. Wir haben die Sorge, daß gerade die neue Beförderungsteuer im Bereich des mittleren und kleinen Gewerbes erhebliche Belastungen bringt, die bis zur Existenzgefährdung oder gar Existenzbedrohung gehen. Da schreibt die Regierung: „Sie" — die Regierung — „hat bereits daran erinnert, daß wesentliche Teilentscheidungen des Verkehrspolitischen Programms darauf gerichtet sind, die durch kleine und mittlere Betriebe bestimmte Struktur des Verkehrsgewerbes zu erhalten und zu stärken." Punkt. Hier, Herr Minister — ach, er ist nicht da —, hätte ich gern von der Regierung gewußt, was das eigentlich bedeutet. Denn wir haben bisher noch nicht empfunden, daß die Intentionen der Regierung gerade in ihrem Verkehrspolitischen Programm darauf gerichtet worden sind, kleine und mittlere Verkehrsbetriebe zu fördern; wir hatten eigentlich bisher immer den Eindruck, daß die Regierung einseitig die Bundesbahn fördert und nichts anderes. Wir hätten also gern diesen unverbindlichen Teil etwas exakter gehabt; und nicht nur wir, sondern, glaube ich, gerade das Verkehrsgewerbe und die verladende Wirtschaft, die von dieser Verkehrspolitik der Bundesregierung besonders betroffen sind.Meine Herren und Damen, was nun uns und gleichzeitig vielen Betrieben Sorge macht, ist die fatale Neigung dieser Bundesregierung, die Steuerpolitik mehr und mehr zum Instrument einer letztlich dirigistisch bestimmten Wirtschaftspolitik zu machen. Steuern sind dafür da — das ist doch eigentlich das Primäre —, den Staatsbedarf zu decken. Aber diese Regierung hat in wachsendem Maße die Steuerpolitik zu einem Instrument der Wirtschaftspolitik gemacht — und diese Tendenz geht weiter —, und zwar zu einer Wirtschaftspolitik des Herrn Wirtschaftsministers Schiller, da ja die CDU seit zwei Jahren keine Wirtschaftspolitik mehr macht.
Diese fatale Neigung spiegelt sich in einer wachsenden Unsicherheit im steuerpolitischen Bereich wider. Gerade die letzten Entscheidungen, Investitionshilfen im Rahmen von Steuergesetzen anstatt in Form von Geldzuschüssen zu geben, zeigen, daß Steuergesetze nicht mehr mit dem Rechtsanspruch und mit der Rechtsverpflichtung zwingend für alle und gleich für alle betrachtet werden, sondern daß das Ermessen des Herrn Wirtschaftsministers in die Steuerpolitik hineingeht.Wenn das so weitergeht, meine Herren und Damen, dann allerdings wird unsere Steuerreform relativ einfach werden. Dann könnten wir nämlich eine Steuerreform machen, die aus drei Paragraphen besteht:§ 1: Zur Deckung des Staatsbedarfs hat jeder erwachsene Staatsbürger Steuern zu zahlen.§ 2: Die Höhe der Steuerschuld für jeden Steuerpflichtigen setzt der Wirtschaftsminister im Einvernehmen mit dem Finanzminister fest.§ 3: Die Steuerbelastung soll der Leistungsfähigkeit des einzelnen entsprechen und 90 % des Einkommens nicht übersteigen.
Das letzte ist wichtig, weil nach Art. 80 des Grundgesetzes für solcherlei Ermächtigungen Zweck, Inhalt und Umfang hinreichend deutlich festgelegt werden müssen.
Meine Herren und Damen, diese fatale Neigung, mit Steuerpolitik Wirtschaftspolitik zu machen, bringt jene Unsicherheit in die Wirtschaft, gleichgültig, welcher Größe, die wir seit einiger Zeit zu beklagen haben und die ohne Zweifel dazu beigetragen hat, daß die Talsohle im Jahre 1966/67 nicht so schnell verlassen wurde, wie es nach dem beginnenden Aufschwung der Wirtschaft eigentlich hätte der Fall sein müssen. Die Steuern sind nun einmal Kostenfaktor in der Wirtschaft. Die Wirtschaftsdispositionen der einzelnen Betriebe sind wesentlich abhängig von der Stabilität bei den kalkulierbaren Kostenfaktoren. Darum müssen wir diese Stabilität beachten. Was mit dem Absicherungsgesetz bei dem Eingriff in laufende Verträge geschehen ist, war hingegen ein deutliches Beispiel dieser sich abzeichnenden Willkür steuerlicher Maßnahmen aufgrund wirtschaftlicher Zielsetzungen.Wir haben große Sorgen, daß hier weitere Fortschritte gemacht werden. Deshalb sagen wir Freien Demokraten an dieser Stelle eindeutig: halt und nicht weiter! Wir wollen bei unseren Bemühungen um die Steuerpolitik im Bereich der Wirtschaft für kleine, für mittlere und für große Betriebe keine Naturschutzparke für bestimmte Wirtschaftsgrößen errichten. Wir wollen den klaren Wettbewerb. Aber dieser klare Wettbewerb muß auch gleiche Faktoren für die Entscheidung haben. Es gibt in der Wirtschaft Bereiche, wo die derzeitige Größenordnung durch eine andere abgelöst werden muß. Aber die Entscheidung darüber sollte sich allein an wirtschaftlichen und technischen Daten orientieren und nicht an einseitigen steuerpolitischen Maßnahmen
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13816 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 247. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1969
Frau Funckeder Regierung; denn alle solche Maßnahmen haben letztlich einen dirigistischen Kern.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schwörer.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor ich mich der Aufgabe zuwende, die ich von der Fraktion übertragen bekommen habe, über die Steuerpolitik im Zusammenhang mit unseren mittelständischen Problemen zu sprechen, möchte ich auf einige Bemerkungen eingehen, die der Kollege Ravens bzw. der Herr Bundeswirtschaftsminister hier gemacht hat.Es wird zur Zeit Mode, die Nichtaufwertung zum Prügelknaben für alle möglichen unangenehmen Dinge zu machen, die in der Öffentlichkeit diskutiert werden. Dazu gehört z. B. die Frage der Diskonterhöhung. Herr Ravens sagte, die Diskonterhöhung sei wegen der Nichtaufwertung erfolgt. Ich bin der Meinung: es ist gerade umgekehrt, die Diskonterhöhung war nötig, weil im Ausland hohe Zinsen wegen der Inflationspolitik dieser Länder zur Zeit üblich sind. Die Maßnahme der Bundesbank sollte gegen diese hohen Zinsen das Gefälle von der Bundesrepublik zum Ausland verringern. Wir haben die Aufwertung deshalb unterlassen, weil wir in den Partnerstaaten eine Stabilitätspolitik wollen, die wir nie bekommen, wenn wir vorher immer wieder Vorleistungen erbringen, ohne daß eine konzertierte Aktion zur Erreichung der Stabilität eingeleitet worden ist.Das Zweite zu Herrn Professor Schiller! Er sagte, eine Exportbehinderung sei geradezu notwendig im Interesse unserer mittelständischen Firmen. Ich kann dazu nur folgendes sagen. Der Export ist für unsere mittelständischen Firmen zweifellos schwieriger als für die Firmen der Großwirtschaft. Aber sie sind genau so auf den Export angewiesen wie die Großwirtschaft. Es gibt mittelständische Bereiche, deren Exportquote bis zu 50% beträgt. Selbst wenn man hier einen Gegensatz zu den Großbetrieben konstruieren will, kann ich sagen: Auch unsere Großbetriebe haben als Zulieferbetriebe Tausende von mittelständischen Firmen, die sofort in Mitleidenschaft gezogen werden, wenn bei den Großfirmen Schwierigkeiten im Export auftreten.Was mir am meisten Sorge macht, ist die Tatsache, daß bei einer Behinderung des Exports und bei dem Versuch, den Export trotzdem aufrechtzuerhalten, unsere mittelständischen Firmen die Zeche dafür bezahlen müssen. Denn sie bekommen trotz steigender Kosten keinen höheren Preis für die von ihnen zugelieferten Waren.Deshalb bin ich der Meinung, daß auch für die mittelständischen Bereiche die Entscheidung der Bundesregierung vom Mai dieses Jahres richtig war, die Aufwertung nicht zu machen.Aber nun zur Steuerpolitik! Wir haben von der Gewerbesteuer gesprochen. Wir haben die Erklärung der SPD gehört, daß die Gewerbesteuer auch nicht mehr ganz in ihrem Sinne sei, und die FDP will die Steuer abbauen. Hier stellt sich, wie schon einmal angeklungen ist, vor allem die Frage des Ersatzes für den hohen Ausfall von neun Milliarden, der bei der Beseitigung der Gewerbeertragsteuer entstehen würde. Zweitens ist die Frage, ob wir dann, wenn wir den Abbau vornehmen, unter Umständen Vorschläge aufgreifen wollen, wie sie etwa von der Troeger-Kommission gemacht worden sind, z. B. eine obligatorische Lohnsummensteuer einzuführen. Dagegen würden wir uns im Interesse der lohnintensiven Bereiche mit allem Nachdruck wehren. Ich habe an der vorsichtigen Ausdrucksweise unserer Frau Kollegin Funcke gemerkt, daß der FDP bei der Erhöhung der Sätze der Mehrwertsteuer als Ersatz für die Gewerbesteuer auch nicht ganz wohl ist. Zunächst einmal wissen wir nicht, wann die Harmonisierung der Mehrwertsteuer in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft praktisch wird. Aber wir müssen auch im Sinne unserer mittelständischen Bereiche sagen, vor allem im Sinne des Handwerks, daß der Austausch: Gewerbesteuer gegen Mehrwertsteuer unter Umständen in diesem Bereich zu Schwierigkeiten führen kann. Den weitaus größten Teil der Gewerbesteuer zahlen die Großbetriebe, die Großbetriebe der Produktion, des Handels und des Gewerbes. Nur der kleinere Teil des Gewerbesteueraufkommens stammt aus dem Bereich der mittelständischen Betriebe. Das zweite Problem ist die Überwälzungsmöglichkeit. Das Handwerk z. B. liefert überwiegend an den Endverbraucher. Dadurch können in manchen Fällen Schwierigkeiten der Überwälzung eintreten, wenn ein erhöhter Satz der Mehrwertsteuer eingeführt wird. Ein Teil der Erhöhung bleibt also am mittelständischen Betrieb hängen. Damit wäre die Situation für unsere Bereiche schlechter als zur Zeit der Gewerbesteuer. Man muß also davor warnen, immer wieder zu sagen: Hier hat man ja in Bälde die erhöhte Mehrwertsteuer und damit einen Ausgleich für eine zu senkende oder zu beseitigende Gewerbesteuer.In dem Zusammenhang möchte ich ein Spezialproblem ansprechen, das mittelstandspolitisch sehr bedeutungsvoll ist. Das ist das Problem der Gewerbesteuer der Handelsvertreter. Dieser Bereich ist ebenso wie die Produktion gewerbesteuerpflichtig, obwohl er doch eigentlich zu dem Bereich der freien Berufe gehört, die im Katalog des § 18 des Einkommensteuergesetzes aufgeführt sind. Man müßte sich überlegen, ob nicht in Bälde eine Änderung vorgenommen werden sollte, die eine Erweiterung dieses Katalogs um die Handelsvertreter bedeuten würde. Es ist sicher, daß in diesem Bereich die Gewerbesteuer eine zusätzliche und damit ungerechte zweite Einkommensteuer darstellt.Nun, Frau Kollegin Funcke, zu der Frage des Unternehmerfreibetrags. Ich muß Ihnen sagen, ich stimme weitgehend mit Ihnen überein, daß die Höhe des Freibetrags von 7200 DM nicht mehr zeitgemäß ist. Man braucht nicht nur daran zu denken, daß hier eine Wettbewerbsverzerrung vorliegt, sondern man muß darin auch eine echte steuerliche Ungleichbehandlung sehen.
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Dr. SchwörerAls Freibetrag ist 1961 ein Monatsbetrag von 600 DM festgelegt worden. Wir müssen im nächsten Bundestag unbedingt einen höheren Satz erreichen. Wo er liegen wird, kann man heute noch nicht sagen. Aber jedenfalls scheint mir der von einer Gruppe der CDU/CSU beantragte Satz von 12 000 DM für die Nullstufe eine Zahl zu sein, bei der man nicht davon sprechen kann, daß sie überhöht wäre.In dem Zusammenhang zu dem Antrag der FDP. Der Gedanke, auch die mithelfenden Familienangehörigen gewerbesteuermäßig zu berücksichtigen, erscheint mir erwägenswert, weil gerade unsere mittelständischen Bereiche überwiegend in der Familiengesellschaft organisiert sind und deshalb hier eine Verbesserung zweifellos berechtigt wäre.Nun zum Antrag der SPD auf Umdruck 719. Herr Kollege Kurlbaum, ich muß sagen: Hier sind zweifellos erst einmal grundsätzliche Erwägungen anzustellen, ob man diese Gewerbeertragsteuer in Zukunft nicht mehr vom Steuermeßbetrag, sondern von der Steuerschuld absetzen läßt. Das ist eine ganz schwierige, grundsätzliche Entscheidung, für die wir heute in den paar Stunden, -die wir zusammen diskutieren können, sicherlich keine Lösung finden können. Wir wollen hier nichts präjudizieren. Wir wollen diesen Antrag an die Große Steuerkommission überweisen, die uns über dieses Thema dann sicherlich im Zusammenhang Darstellungen geben wird.Ich möchte aber auch noch vom Steuertechnischen her einen Einwand gegen Ihren Antrag machen. Wenn wir jetzt diesen Ihren Vorschlag anwendeten, dann wäre die Folge, daß zweierlei Gewerbesteuerberechnungen erfolgen müßten. Die Gewerbesteuerberechnung für die Gewerbeertragsteuer wäre anders als bei der Gewerbekapitalsteuer. Es würde jeweils von anderen Bemessungsgrundlagen ausgegangen. Wir würden damit nur eine unnötige Komplizierung des ohnedies schon äußerst komplizierten Gewerbesteuerrechts vornehmen. Aus diesen Gründen sollte man sehr ernsthaft überlegen, ob man dem Antrag der SPD nahetreten kann.Zur Ergänzungsabgabe. Ich habe mit meinen Freunden im Finanzausschuß dafür gestimmt, daß die Ergänzungsabgabe mit dem Ablauf der ersten mittelfristigen Finanzplanung aufhören soll. Wir sind der Meinung, daß das richtig ist, wir sind aber auch der Meinung, daß es in einer konjunkturellen Situation, wie wir sie momentan haben, nicht gut wäre, die Ergänzungsabgabe in diesem Augenblick zu beseitigen. Man sollte diese Maßnahme vielleicht im Zusammenhang mit irgendwelchen Kapitalbildungsplänen diskutieren, die Sie auch schon auf Ihrem Tisch liegen haben, z. B. Umdruck 733.Dann, Frau Kollegin, zu der Frage der Erhöhung der Grundsteuer. Wir sind der Meinung, daß der Beschluß, den wir damals gegen eine Erhöhung gefaßt haben, weiter gilt. Man darf höchstens eine maßvolle Erhöhung der Grundsteuer vorsehen. Man kann sich keinesfalls in den Höhen bewegen, wie sie der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesfinanzministerium einmal mit 50 % vorgeschlagen hat. Das sind utopische Zahlen. Wir werden dafür sorgen, daß nicht — wir sind hier ja gefragt und haben noch die Möglichkeit, einzugreifen - über diesen Beschluß hinausgegangen wird, den wir damals gefaßt haben. So weit zu dem, was Sie angesprochen haben.Wir in der CDU/CSU-Fraktion wissen, daß die nächste Legislaturperiode auf steuerlichem Gebiet für unseren mittelständischen Bereich noch bedeutungsvoller sein wird als die jetzt abgelaufene, vor allem wegen der kommenden Reform der Einkommensteuer. Hier werden wir zweifellos Fragen der Abschreibung und auch der Tarifsätze zu beraten haben. Ich bin der Meinung, daß durch das ständige Wirtschaftswachstum eine laufende Überprüfung der Steuersätze notwendig wird. Das ist das Problem der heimlichen Steuererhöhungen, das wir, glaube ich, in irgendeiner Weise in den Griff bekommen müssen. Wir müssen ansprechen: die Frage der Vereinfachung, die Frage der Eigentumsbildung durch Verstärkung der Kapitalbasis; hier wurde schon einmal der „Schmücker-Plan'' in die Debatte geworfen; es fehlt die Zeit, um dazu noch mehr zu sagen. Hierher gehört auch die Herabsetzung der Erbschaft- und Vermögensteuer, vor allem für den kleinen und mittleren Besitz. Hierher gehört ebenfalls — Frau Kollegin Funcke, hier sind wir bestimmt nicht gegen Ihre Anregungen — die Verbesserung der steuerlichen Berücksichtigung der privaten Altersversorgung. Wir haben Ihren Antrag seinerzeit nur abgelehnt, weil er im Augenblick zu teuer geworden wäre und weil er deshalb die Verabschiedung des Steueränderungsgesetzes gefährdet hätte, das eine Reihe anderer wichtiger Bestimmungen enthält, die wir unbedingt haben wollten. Wir sind also nicht grundsätzlich gegen eine Verbesserung, sondern nur gegen die Verbesserung im Augenblick.Außerdem wollen wir in der nächsten Legislaturperiode dafür sorgen, daß eine Entlastung auf steuerlichem Gebiet erfolgt, wenn ein Betrieb wegen Alter oder Krankheit aufgegeben werden muß. Die Kapitalbildung der mittelständischen Betriebe soll auch dadurch verbessert werden, daß steuerliche Anreize zur Unternehmensfinanzierung durch Ausgabe von Anteilscheinen gegeben werden.Als letztes ein Wort zur steuerlichen Förderung der zwischenbetrieblichen Kooperation, vor allem auch zu dem schon angesprochenen Thema Datenverarbeitung. Ich glaube, daß es hier eine Reihe von Möglichkeiten gibt, um unserer mittelständischen Wirtschaft in dem gegenwärtigen Prozeß der Konzentration zu helfen, ihre Selbständigkeit zu erhalten.An dem Bündel dieser jetzt dargebotenen Maßnahmen mögen Sie erkennen, wie wir uns auf steuerlichem Gebiet die Verbesserung der Situation des Mittelstandes vorstellen. Wir hoffen, daß die Kommission, die zum Einkommensteuerrecht ihre Reformvorschläge vorlegen soll, eine Lösung findet, die für die mittelständischen Bereiche dem gerecht wird, was dieser Bereich heute für die gesamte Volkswirtschaft und damit für uns alle leistet. Ich hoffe, daß sich dann auch die heute abgegebenen, mannigfaltigen Sympathieerklärungen für den Mittelstand in
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Dr. Schwörerder Praxis — hier im Hause bei der Abfassungneuer gesetzlicher Regelungen — bewähren werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat im Rahmen der Beantwortung der Frage 10 der zur Aussprache anstehenden Großen Anfrage darauf hingewiesen, daß die Bundesregierung den sich zur Zeit auf dem Tankstellensektor abzeichnenden strukturellen Veränderungen besondere Bedeutung beimißt. In diesem Zusammenhang möchte ich dem Herrn Bundeswirtschaftsminister dafür danken, daß er es durch sein Eingreifen ermöglicht hat, daß das Tankstellengewerbe mit den großen Mineralölkonzernen in aussichtsreiche Verhandlungen über seine Existenzfrage eintreten konnte. Es ist zu erwarten, daß diese Verhandlungen durch den Bundeswirtschaftsminister in der vor uns liegenden Zeit zu einem für das mittelständische Tankstellengewerbe befriedigenden Ergebnis geführt werden. In den zurückliegenden Jahren haben die Mineralölkonzerne in umfangreichem Maße stets neue Tankstellen errichtet. Durch diesen meiner Auffassung nach oft sehr unbedachten Tankstellenneubau ist nicht nur die Rentabilität der neu errichteten Tankstellen, sondern auch die der in der Nähe der Tankstellenneubauten vorhandenen Tankstellen gefährdet worden. Man kann notfalls noch verstehen, daß die Mineralölkonzerne untereinander im Konkurrenzkampf liegen. Vollends unverständlich ist es aber, wenn die Mineralölkonzerne ihren eigenen Tankstellen Konkurrenz machen, wie es bis in die jüngste Zeit hinein leider laufend geschieht. Durch dieses volkswirtschaftlich unverständliche Verhalten sind viele Tankstellenbetreiber, die an Mineralölkonzerne durch Verträge mit teilweise bis zu 30 Jahren Laufzeit gebunden sind, sehr häufig an die Grenze ihrer Existenz gebracht worden.
Die Fehlinvestitionen und der Kampf um Marktanteile werden heute im wesentlichen auf dem Rücken der Tankstellenpächter und -besitzer ausgetragen. Preisnachlässe werden den Tankstellen von den Mineralölkonzernen aufgezwungen und durch Maßnahmen, die die Provisionen verkürzen, mitfinanziert. Bezeichnend hierfür ist, daß die Provisionen seit 14 Jahren nicht erhöht worden sind.
Die wirtschaftliche Situation der Tankstellen macht wieder einmal deutlich, wie notwendig eine Verbesserung des Kartellgesetzes ist, um Machtmißbrauch und Knebelungsverträge in Zukunft zu verhindern. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion und der Bundeswirtschaftsminister haben hierzu seit langem Vorschläge unterbreitet.
Über 200 000 Beschäftigte in 45 000 Betrieben fordern zu Recht eine Entscheidung des Bundestages, und diese Entscheidung, so meine ich, sollte im Interesse eines nicht unbedeutenden Teiles der mittelständischen Wirtschaft eine der vordringlichsten Aufgaben des neuen Bundestages sein.
Das Wort hat der Abgeordnete Wurbs.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat zum Schluß seiner Ausführungen festgestellt, daß die mittelständische Politik keine Politik für eine Sondergruppe sein sollte. Vielmehr müsse sie in die Gesamtwirtschaftskonzeption eingebettet sein. Diesen Ausführungen stimmen wir durchaus zu. Das schließt aber nicht aus, daß wir auf Einzelprobleme eingehen und daß wir Antworten auf die Fragen erwarten, die wir hier gestellt haben. Denn erst aus der Fülle der Antworten und der Beiträge läßt sich ein Gesamtbild erkennen.In der Antwort auf unsere Große Anfrage wird ausdrücklich die zentrale wirtschafts- und gesellschaftspolitische Aufgabe der kleineren und mittleren Unternehmen herausgehoben. Es wird weiter hervorgehoben, daß es das Bemühen der staatlichen Wirtschaftspolitik sein müsse, die Wettbewerbsbedingungen für diesen Bereich zu verbessern. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat, bevor er Bundeswirtschaftsminister war, folgende Ausführungen gemacht — ich darf zitieren —:Nichts gegen Großunternehmen und ihre Funktion als Pole der Entwicklung! Aber was geschähe, wenn wir den Dingen hier freien Lauf ließen? Sie bedürfen der Gegenkraft, sie bedürfen des dauernden Korrektivs aktiver staatlicher Wettbewerbspolitik und Gesetzgebung.Wir können uns diesen Ausführungen durchaus anschließen. Ich darf hervorheben, daß die soziale Marktwirtschaft und der freie Wettbewerb die Existenz sowohl kleiner und mittlerer als auch der Großunternehmen zulassen. Wenn man die Antworten der Bundesregierung auf unsere Anfrage oberflächlich betrachtet, könnte man zu dem Schluß kommen, daß im mittelständischen Bereich alles in bester Ordnung sei. Das ist aber keineswegs der Fall. Ich darf dazu noch wenige Ausführungen machen.Meine Freunde und ich sind der Auffassung, daß die Existenz und die Festigung der mittelständischen Wirtschaft nicht nur eine ökonomische, sondern vielmehr eine politische Aufgabe ist. Darüber besteht in diesem Hohen Hause wohl auch keine Meinungsverschiedenheit. Große Sorgen macht uns allerdings die zunehmende Konzentration innerhalb der Wirtschaft. Ich darf es vielleicht einmal etwas überspitzt formulieren: wenn diese Entwicklung so weitergeht, werden wir uns eines Tages in die Situation versetzt sehen, daß wir es nur noch mit einer Reihe von Großbetrieben zu tun haben, die das Geschehen allein beeinflussen und bestimmen. Jeder von uns kann sich ausmalen, welche Wirkungen eine solche Entwicklung auf unserer gesamte Gesellschaftspolitik hätte. Wir sind grundsätzlich gegen jede Form des Dirigismus. Aber die Grenze
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Wurbsder Konzentration muß doch dort gegeben sein, wo der freie Wettbewerb eingeengt oder ausgeschaltet wird.Der Herr Bundesminister hat vorhin in seinen Ausführungen festgestellt, daß eine unausgewogene Konjunkturpolitik negative Auswirkungen nach beiden Seiten zeitigen würde. Er prägte in diesem Zusammenhang den Begriff des leergefegten Arbeitsmarktes. Aber nicht nur .diese Aspekte spielen für die mittelständische Wirtschaft eine Rolle. Im wesentlichen geht es um die Wettbewerbsbedingungen.Gestatten Sie mir, daß ich Ihnen an dieser Stelle ein Beispiel aus meiner engeren Heimat nenne. Dort zieht ein Großunternehmen der Metallindustrie infolge seiner permanenten Expansion laufend der mittelständischen Wirtschaft Arbeitskräfte ab und gefährdet damit deren Existenz. Dabei handelt es sich keineswegs um die Gefährdung von Ein- oder Zwei-Mann-Betrieben oder um Betriebe, die ohnehin zwangsläufig dem Konjunkturwandel unterworfen sind, sondern .es handelt sich um eine breitgestreute Beeinträchtigung der mittelständischen Wirtschaft. Ich bin sehr gern bereit, dem Herrn Bundeswirtschaftsminister noch einzelne Daten mitzuteilen, damit er sich gegebenenfalls dieses Problems einmal annehmen kann.Die Wichtigkeit und die Notwendigkeit des Bestandes eines funktionsfähigen Mittelstandes wird in zunehmendem Maße in anderen Ländern erkannt, so auch neuerdings in den Ostblockstaaten, wo es keinen Mittelstand mehr gibt. Dort werden seitens des Staates Hilfen gewährt, um wieder einen funktionsfähigen Mittelstand ins Leben zu rufen.Auf die Gewährung von Gewerbeförderungsmaßnahmen ist hier schon im einzelnen hingewiesen worden. Ich möchte mir eine Anregung erlauben. Meines Erachtens müßte etwas mehr getan werden, müßten weitere Hilfen zur Selbständigmachung und Gründung mittelständischer Betriebe gewährt werden. Hier darf ich vielleicht ein Beispiel aus dem Bereich des Handwerks anführen: von zwei Meisterprüflingen macht sich lediglich einer selbständig. Ich glaube, das charakterisiert die Situation des mittelständischen Bereichs.Ich darf auf ein weiteres Problem, das den Mittelstand sehr berührt, noch eingehen, und zwar auf das Problem der Schwarzarbeit. Bereits im Jahre 1966 hatte ich die Bundesregierung in einer Kleinen Anfrage gebeten, zu diesen Problemen Stellung zu nehmen. Aber die jüngsten Auslassungen des früheren Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes Rehwinkel und auch des Vorsitzenden der Industriegewerkschaft Metall Brenner, auf die ich nicht im einzelnen eingehen möchte, veranlassen mich doch, darauf hinzuweisen, daß mit der zunehmenden Freizeit dem Problem der Schwarzarbeit in verstärktem Maße Bedeutung zukommt.Die Bundesregierung hat auch in ihrer Antwort durchaus den Zusammenhang zwischen Freizeit und Schwarzarbeit bestätigt und auf die Gefahren langer arbeitsfreier Zeiten, insbesondere der freien Samstage, hingewiesen, die geradezu einen Anreiz bieten, Schwarzarbeit durchzuführen.Es ist meines Erachtens an der Zeit zu überlegen, ob das bestehende Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit nicht einer Überprüfung bedarf, denn dieses bestehende Gesetz stellt geradezu eine Gebrauchsanweisung dar, wie Schwarzarbeit ausgeführt werden soll. Die Bundesregierung ist zwar bisher der Auffassung gewesen, keine Novellierung des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit durchzuführen; aber ich frage die Bundesregierung: Will sie weiterhin tatenlos zusehen, daß dem Staat in erheblichem Maße durch Schwarzarbeit Steuern verlorengehen? Ich darf vielleicht hier an den Herrn Parlamentarischen Staatssekretär die Bitte richten, daß er sich einmal aus seiner Sicht mit diesen Problemen beschäftigt, um diese Frage einer Lösung zuzuführen, denn hier scheinen sich doch einige Möglichkeiten abzuzeichnen, die Steuerkraft aufzubessern.Es ist meines Erachtens auf die Dauer unzumutbar, der Allgemeinheit die infolge von Schwarzarbeit fehlenden oder nicht eingehenden Steuermittel anzulasten. Ich bin mir der Problematik einer Novellierung des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit durchaus bewußt. Ich glaube, es liegt aber im allgemeinen Interesse, dieses Problem in Angriff zu nehmen, und ich ersuche die Bundesregierung, in diesem Sinne etwas zu tun.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ott.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir drei Bemerkungen. Herr Kollege Kurlbaum, Sie haben beim Umdruck 733 einen Steuerverzicht von möglicherweise einigen hundert Millionen Mark genannt. Wenn Sie den Antrag genau lesen, müssen Sie sehen, daß es sich nicht um eine zusätzliche Vergünstigung gegenüber bisher handelt, sondern darum, daß an Stelle von bereits vorhandenen Möglichkeiten eine andere Form genommen wird. Aus diesem Grunde kann man nicht sagen, daß hier irgendwelche steuerlichen Verluste in Kauf zu nehmen wären. Ich glaube, das sollte es uns erleichtern, an die Frage zu gehen, daß ein mittelständischer Unternehmer nicht auf der einen Seite die ihm bereits bisher zustehenden Möglichkeiten steuerlicher oder prämienmäßiger Art ausnutzt und auf der anderen Seite für seinen mittelständischen Betrieb Schulden bei der nächsten Bank aufnimmt. Ich glaube, es wäre viel sinnvoller, dem mittelständischen Unternehmer die Möglichkeit zu geben, im Rahmen dieser ihm bereits zustehenden Rechte darauf zu verzichten, seinem Betrieb Geld für Vermögensbildung außerhalb seines Betriebes zu entnehmen und auf der anderen Seite seinen Betrieb selbst finanziell schwächer dargestellt zu haben.Aus diesem Grunde halten wir, die Antragsteller, es für richtig, daß hier an Stelle einer bisher bereits bestehenden Form zusätzlich eine andere Form genommen wird, ohne daß dadurch größere Ausgaben entstehen.
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13820 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 247. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1969
OttSie haben in Ihren Ausführungen auch darauf verwiesen, daß bei der Gewerbesteuerermäßigung der Arbeitnehmerfreibetrag gegenüberzustellen wäre. Ich glaube, das ist doch ein gewisser Irrtum. Denn die Gewerbesteuer ist, wie vorher bereits wiederholt gesagt worden ist, ein echter Kostenfaktor.
Gut.Ich will ein weiteres nennen, Herr Kollege Kurlbaum. Das ist die zweite Bemerkung, die ich machen will. Sie haben in Ihren Ausführungen auch auf die Situation im Herbst 1966 angespielt und dabei insbesondere die finanzpolitische Situation angesprochen. Herr Kurlbaum, so wie Sie es dargestellt haben, grenzt das doch etwas an eine Geschichtsklitterung. Ich möchte Sie fragen: Wie würde der Herr Wirtschaftsminister heute dastehen, wenn sich die Bundesbank auf Grund der Beschlüsse dieses Hauses nicht zu Zugeständnissen bereit erklärt hätte? Erst nachdem eine Reihe von Ausgabebeschlüssen durchgeführt war, hat sie damals den Diskontsatz gesenkt und auf der anderen Seite gleichzeitig Beträge im Kreditrahmen freigegeben, damit die Wirtschaft angekurbelt werden konnte. Ich erinnere mich noch sehr gut an den 15. Dezember 1966, als der Herr Bundeswirtschaftsminister am späten Abend hier auf die Regierungsbank kam und diesem Hause sehr deprimiert zur Kenntnis gab, daß die Bundesbank sowohl in der Erhöhung des Diskontsatzes als auch in der Verweigerung von Krediten unnachgiebig hart bleibe. Ich glaube, Sie haben mit Ihrer Fraktion — und Herr Kollege Dr. Möller hat das seinerzeit in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" auch zugegeben — alle gemeinsam an dieser Sünde größerer Ausgaben, als es den Steuereinnahmen entsprach, mitgewirkt.Herr Kollege Ravens, ich habe heute mit Erstaunen und mit Befriedigung gehört, daß sich die Mitbestimmung nach Ihrer Meinung nur auf Großbetriebe beziehen soll, die bereits in dem Gesetzentwurf enthalten sind. Sie sagten, es werde nicht an eine Ausweitung auf mittelständische Betriebe gedacht. Das sagten Sie.
- Nicht neu? Dann will ich bloß fragen: Welcher Widerspruch besteht denn in der ungleichen Behandlung der Arbeitnehmer, die in Großbetrieben, und der Arbeitnehmer, die in Kleinbetrieben beschäftigt sind, wenn man draußen im Lande erklärt, man müsse diese Art Mitbestimmung zur Vervollkommnung, damit die Demokratie nicht bereits am Werktor zu Ende gehe, eben bei den Großbetrieben einführen? Es erhebt sich dann die Frage: wollen Sie die Arbeitnehmer, die in Klein- und mittelständischen Betrieben arbeiten, von dieser Ausweitung der Demokratie fernhalten, oder glauben Sie, daß die es nicht nötig hätten? Das ist eine Frage, die sich immerhin stellt, wenn man draußen gewisse Argumentationen hört.
Eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter Ravens.
Bitte!
Herr Kollege Ott, Sie und die Kollegen werden Verständnis dafür haben, daß wir das hier nicht in einem Frage- und Antwortspiel vertiefen. Darf ich Sie nur bitten, einmal die Ausführungen meines Kollegen Helmut Schmidt anläßlich der Einbringung unserer Entwürfe durchzulesen. Dort werden Sie alle Antworten auf Ihre Fragen bekommen, die Sie eben gestellt haben.
Herr Kollege Ravens, mir geht es darum, daß die Dinge draußen im Lande mit einer Argumentation dargestellt werden, als ob die Demokratie verletzt werde, wenn die Mitbestimmung in den Großbetrieben nicht komme. Auf der anderen Seite erklären Sie nun, daß Sie die Klein- und Mittelbetriebe auf alle Fälle ausnehmen wollen. Die Diskrepanz besteht darin, daß hier einerseits zur Begründung der Mitbestimmung die Argumentation verwendet wird, die Demokratie solle nicht am Fabriktor haltmachen, wogegen Sie auf der anderen Seite keine Bedenken haben, das so laufenzulassen.
Eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter Ravens. Ich möchte Sie aber bitten, diesmal das Fragezeichen hörbar zu machen.
Herr Kollege Ott, darf ich aus Ihren Ausführungen entnehmen, daß Sie im Gegensatz zu uns die Mitbestimmung auch in kleinen und mittleren Unternehmen einführen wollen?
Herr Kollege Ravens, Sie drehen die Dinge genau um. Mir geht es darum, daß Sie draußen eine Argumentation verwenden, die den Schluß zuläßt, daß die Mitbestimmung nicht nur bei den Großbetrieben eingeführt werden soll, sondern daß Sie, weil die Demokratie am Fabriktor nicht haltmachen soll, später konsequenterweise auch auf die Mittel- und Kleinbetriebe übergehen sollte.
Wir werden uns darüber im neuen Bundestag noch einmal unterhalten.
Das Wort hat der Abgeordnete Regling.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es würde mich fast reizen, zu sagen, ich gebe meine Rede zu Protokoll. Aber ich habe keine. Ich habe nur ein paar Stichworte, und ich will versuchen, sie im Telegrammstil vorzutragen. Es handelt sich um Punkte aus dem langen Fragenkatalog, die in der Tat noch nicht angesprochen worden sind.Zur Alterssicherung haben Sie ein paar Fragen gestellt. Ich möchte sagen, daß auch wir von der sozial-
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Reglingdemokratischen Fraktion seit Jahren darum bemüht sind, für die selbständigen und freien Berufe eine Alterssicherung obligatorisch einzuführen. Über deren Höhe ist viel geredet worden. Wir wissen, daß viele Selbständige schon etwas in eigener Vorsorge getan haben. Das alles muß dabei berücksichtigt werden.Ich möchte der Kürze wegen dazu nur folgendes sagen. Es genügt nicht, daß die Regierung seit Jahren immer wieder sagt: Wir sind bereit, die Rentenversicherungen für die Selbständigen und die freien Berufe zu öffnen, während man andererseits abwartet, bis sich die verschiedenen Gruppen, unter denen bekanntlich sehr divergierende Meinungen herrschen, zu einem einheitlichen Vorgehen entschließen. Bis dahin müssen wir, glaube ich, noch sehr lange warten. Ich bin der Meinung, daß wir uns in einem Stadium befinden, in dem wir eine Regierungsvorlage wirklich erwarten können, wenn sie nicht aus den Reihen der Fraktionen kommt. Dann muß geklärt werden, wie es weitergehen soll. Das größte Problem dabei ist die Altlast. Es sollte auch einmal gesagt werden, daß die Altlast nicht von vornherein als lästige Last und als ein unüberbrückbares Element, um überhaupt weiterzukommen, angesehen werden sollte.Die Altlast ist häufig dadurch entstanden — wir kennen die Probleme aus eigenem Erleben aus unseren Beratungsstunden in den Wahlkreisen usw. —, daß alte, ehemals selbständige Menschen, von denen wir wissen, daß sie mit Erfolg gearbeitet haben, ihre einmal aufgebaute Alterssicherung durch Inflation und Währungsreform verloren haben. Denken wir daran, daß diese selbständigen und freischaffenden Menschen während der Zeit ihrer Tätigkeit Steuerzahler gewesen sind und damals zum Steueraufkommen beigetragen haben! Dann dürfte es uns etwas leichter fallen, diese Altlast nicht als lästige Last zu empfinden und möglichst bald eine Regelung anzustreben. Das zur Frage 4.Zur Frage 8 ist hier eigentlich wenig gesagt worden. Ich will dazu auch nur ein paar Ausführungen machen. Es geht dabei um die Berufsausbildung. Wir sind der Meinung, daß eine betriebsnahe Berufsausbildung die richtige ist. Wir begrüßen es sehr, daß die Bundesregierung die Höhe der Bezuschussung für überbetriebliche Ausbildungskurse nicht mehr von Jahr zu Jahr festlegt, sondern in die mittelfristige Finanzplanung aufgenommen hat. Wir glauben aber, daß auf diesem Gebiet noch manches zu tun ist. Eine bessere Bezuschussung wird, meine ich, entschieden billiger sein als eine vollschulische Berufsausbildung, die von verschiedenen Seiten gefordert wird.Ein anderes Thema, das nicht im Fragenkatalog enthalten ist, das aber heute morgen von Herrn Kollegen Opitz angesprochen wurde, sind die lohnbezogenen Kosten. Das ist ein sehr heißes Eisen. Wir können aber auch sagen, es ist längst abgekühlt; denn wir reden daüber in diesem Hause seit 12 oder 15 Jahren. Dabei wird die Situation immer prekärer. Denn die lohnbezogenen Kosten sind höher bei der manuellen Arbeitsleistung im Vergleich zu den Kosten in den Betrieben, die Waren amFließband herstellen, so daß man sich wirklich Gedanken darüber machen muß, ob alle Kosten, die letzten Endes entstehen, um. die Kaufkraft auch für diejenigen Menschen zu erhalten, die, sei es durch Krankheit, sei es durch Alter, sei es aus welchen Gründen auch immer, aus dem Arbeitsprozeß ausscheiden, gedeckt werden können. Um die Kaufkraft auch für diese Menschen aufrechtzuerhalten, um auch deren Lebensstandard nicht absinken zu lassen, ist es wirklich wert, daß man sich überlegt, ob hier nicht eine andere Bezugsbasis unter Zuhilfenahme derjenigen Betriebe gefunden werden kann, die am Fließband arbeiten und die in erster Linie daran interessiert sind, daß die Kaufkraft erhalten bleibt. Was nützen Milliardenbeträge für die Werbung, wenn die Kaufkraft plötzlich nicht mehr ausreicht! Durch Milliardenbeträge für die Werbung kann man keine Kaufkraft ersetzen. Deshalb sollte in diesem Bereich sehr bald wirklich etwas in Angriff genommen werden. Dazu gehört eigentlich der Fragenkatalog aus Ihrer Großen Anfrage zur Lohnfortzahlung. Ich will aber das Thema um Gottes willen nicht in seiner Gesamtheit aufrollen. Dazu haben wir vor 14 Tagen Gelegenheit gehabt. Erwähnen möchte ich dennoch, daß mir die Ausgleichskasse mit 80 % Auszahlungskurs für Betriebe bis zu 20 Beschäftigten nicht ausreichend erscheint.Ich habe kürzlich noch ein paar alte Zahlen, die mir zur Verfügung standen, nachgelesen. Ich darf daran erinnern, wie das während früherer Jahre war, zu der Zeit, als die Betriebe nur den Differenzbetrag zwischen Krankengeld und 90/o des Nettolohns aufzubringen hatten. Das waren dann etwa 10 % bis 12% des Lohnes. Aus der Zeit sind mir Zahlen bekannt, wonach bei Häufung von Krankheitsfällen schon sehr unterschiedliche Belastungen entstanden sind. Ein Betrieb mit 25 Beschäftigten hatte in einem dieser Jahre 0,4% Belastung seiner Lohnsumme, ein anderer Betrieb gleicher Größe wies eine Belastung von 3 %, aus. Jetzt sollen 20 % selbst getragen werden, also wäre im gleichen Falle der doppelte Betrag aufzubringen. Meine Damen und Herren, das wäre noch möglich, wenn das über das Jahr über eine Ausgleichskasse verteilt wäre — das war ja immer unser Anliegen —; da aber die Belastung geballt auftreten kann, wie das häufig durch ansteckende Krankheiten der Fall ist, wird es zu einer Belastung, die für diese Betriebe untragbar wird. Ich wollte deswegen hiermit die Anregung gegeben haben, von dem § 19, mit dem über freiwillige Zusammenschlüsse von Wirtschaftszweigen bessere Ausgleichskassen geschaffen werden können, Gebrauch zu machen.
Das Wort hat der Abgeordnete Geldner.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als ich heute morgen vernommen habe, daß noch 15 Redner vor mir anstanden, habe ich mich in Anbetracht der Geschäftslage kurz entschlossen, meine Redenotizen in Reinschrift zu verfertigen. Ich möchte hier nur einige
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Geldnerganz kurze Anregungen in bezug auf das Problem der Altersversorgung der Selbständigen geben.Wir Freien Demokraten sind der Meinung, daß gerade das Problem der Altersversorgung der Selbständigen in der Großen Koalition weitaus zu kurz gekommen ist. Die Große Koalition ist nach unserem Dafürhalten offensichtlich nicht bereit, zur Lösung des Problems der sogenannten Uraltlast und der sogenannten Altlast eine entsprechende Hilfestellung zu geben. Das sind die Probleme, um die es im Grunde geht. Was in der Antwort auf die Große Anfrage der Freien Demokraten in Drucksache V/4441 hierzu geboten worden ist, ist nach unserem Dafürhalten ein sozialpolitischer Rückschritt gegenüber dem, was in der vorigen Legislaturperiode bereits in einem Gesetzentwurf zur Altersversorgung der Rechtsanwälte vorgesehen war. Sie wissen ja, daß das Problem der Altersversorgung der Rechtsanwälte damals im Rechtsausschuß hängengeblieben ist. Es geht um eine Beteiligung des Bundes an den Leistungen für diejenigen, die die Altersgrenze bereits überschritten haben — sogenannte Uraltlast —, und für diejenigen, die auf Grund ihres fortgeschrittenen Alters bis zur Erreichung der Altersgrenze keine Rentenanwartschaft mehr erwerben können, die sogenannte Altlast. Was in der Antwort der Bundesregierung geboten wird, ist nach unserem Dafürhalten nichts anderes als eine fatale Wiederholung von Versprechungen von CDU und SPD aus den vergangenen Legislaturperioden.Die Lebenssituation Selbständiger und ehemals Selbständiger ist im Alter heute nicht mehr dieselbe wie in der Vergangenheit. Gerade zu diesem Problem ließe sich noch eine Anzahl detaillierter Ausführungen machen; aber in Anbetracht der Geschäftslage möchte ich den Rest meiner Ausführungen zu Protokoll geben. Ich möchte jedoch nicht vergessen, darauf hinzuweisen, daß man in der nächsten Legislaturperiode alles daransetzen muß, das Problem der Altersversorgung der Selbständigen mit allem Nachdruck anzupacken, um hier endlich eine Regelung herbeizuführen.
Meine Damen und Herren, sind Sie damit einverstanden, daß der Abgeordnete Geldner den Rest seiner Ausführungen zu Protokoll *) gibt? - Jawohl.
Dann darf ich erklären, daß der Abgeordnete Ravens eine weitere Rede, die er sonst gehalten hätte, im Hinblick auf die Geschäftslage ebenfalls zu Protokoll gibt **). — Auch damit besteht Einverständnis.
Das Wort hat der Abgeordnete Porsch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zwei Themen ansprechen, die in der Antwort der Bundesregierung nur kurz angesprochen worden sind, erstens das Vergabewesen und zweitens die Lage des Handwerks, vor al-*) Siehe Anlage 10 **) Siehe Anlage 111lem des Bau- und Baunebengewerbes in den unterstrukturierten Gebieten.Heute früh hat der Herr Wirtschaftsminister erklärt, daß nun auch den kleinen Betrieben die Möglichkeit gegeben werden soll, an den Errungenschaften der Datenverarbeitung teilzunehmen. Ich glaube, in weiten Gebieten — z. B. im bayerischen Grenzland und im Zonenrandgebiet — ist auch in diesen Tagen, im Sommer dieses Jahres für mittelständische Betriebe die Sorge um lohnende und gesicherte Aufträge die entscheidendere Frage. Das mag für die Damen und Herren dieses Hauses, die aus den Ballungsräumen kommen, überraschend sein. Gestern eingeholte Erkundigungen haben ergeben, daß ein großer Teil von Betrieben im bayerischen Grenzland nur kurzfristig, nicht einmal bis tief in den Herbst hinein beschäftigt ist und sich deshalb wegen der Beschäftigungslage Sorgen macht.Die Bundesregierung weist in ihrer Antwort auf die Bemühensklausel hin, d. h. daß die Vergabebehörden darauf hingewiesen werden, daß Klein- und Mittelbetriebe verstärkt Arbeit bekommen sollen. Um das zu erreichen, ist allerdings Voraussetzung, daß dieser Erkenntnis auch bei den zuständigen Ämtern und bei den zuständigen Beamten in der richtigen Form Folge geleistet wird. Ich glaube, es wird notwendig sein, in der Zukunft zwingendere Hinweise zu geben.Wir hören in diesen Tagen und Wochen oft Lob über die Hochkonjunktur. Die Überhitzung bekommt auch das Handwerk in den unterstrukturierten Gebieten zu spüren, und zwar in negativer Form. Sie wirkt sich nicht in Form von Aufträgen, sondern in Schwierigkeiten bei der Materiallieferung aus. Auf der einen Seite haben wir gestiegene Preise und freie Lieferbedingungen, auf der anderen Seite bedrücken gerade den mittelständischen Betrieb feste Fertigstellungstermine — im Hintergrund stehen Konventionalstrafen — und damit die Gefahr, daß ihnen größere Betriebe die Aufträge wegnehmen.Ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen, wie die augenblickliche Lage ist. Ich habe gestern die Mitteilung bekommen, daß für ein mittleres Bauprojekt im bayerischen Grenzland in diesen Wochen bei gebührenpflichtigen Leistungsverzeichnissen 20 Leistungsverzeichnisse abgeholt worden sind und immerhin 12 abgegeben worden sind. So etwas werden Sie kaum in irgendeinem Ballungsraum finden, aus dem einfachen Grund, weil man dort teilweise schon darauf warten muß, ob man überhaupt Angebote bekommt. Ich glaube, daß hier der starke Unterschied zwischen den an Überhitzung leidenden Ballungsräumen und den unterstrukturierten Gebieten klar zum Ausdruck kommt.Eine Frage, mit der sich der nächste Bundestag beschäftigen muß, wird sein: Wie kann unseren Handwerksbetrieben in 'den unterstrukturierten Gebieten langfristig eine bessere Auftragssicherung gegeben werden? Ich glaube, es ist für Sie alle klar, daß, wenn die öffentliche Hand in einem Gebiet — etwa im Zonenrandgebiet — eines Tages keine
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PorschAufträge mehr zu vergeben hat, es für bestimmte Handwerkszweige sehr, sehr schlimm wird, die bis jetzt Hauptbestand des dort ansässigen Gewerbes gewesen sind. Wenn in einem Landkreis das Kreiskrankenhaus und die letzten zentralen Schulen gebaut sind und noch irgendwelche anderen Aufgaben der öffentlichen Hand erfüllt sind, dann ist der Zeitpunkt gekommen, wo die einzelnen Betriebe sich Sorgen machen, was sie weiterhin an Beschäftigung haben werden.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schwörer?
Bitte sehr!
Herr Kollege Porsch, sind Sie bereit zuzustimmen, daß das jetzt verabschiedete Steueränderungsgesetz mit den Investitionsprämien gerade auch für das Zonenrandgebiet — das die CDU/CSU-Fraktion noch um die Förderung der Rationalisierung in diesen Gebieten erweitert hat — eine entscheidende Abhilfe schafft?
Herr Kollege Schwörer, ich bin der Meinung, daß es eine Abhilfe schafft. Aber auch hier kommt es wieder darauf an, wie groß der Betrieb ist. Ich will sagen: mittleren Betrieben wird es nützen; für die kleinen Betriebe wird es nicht die Hilfe sein, die wir brauchen.
Ich nenne noch ein anderes Beispiel. Im Zonenrandgebiet — das wollen wir durchaus zugeben — werden sehr viele Straßen gebaut. Häufig sind die Termine so gestellt, daß mittlere Firmen — etwa bis zu einer Beschäftigtenzahl von, ich gehe ziemlich weit, 200 — gar nicht daran teilhaben können, weil sie oft wegen der kurzfristigen Termine — ich denke an die Witterungsverhältnisse, die z. B. im Bayerischen Wald den Bau zum Teil sehr frühzeitig beenden — zu einem großen Teil diese Arbeiten gar nicht bekommen!
Erstaunlich ist — ich sage dies aus meiner eigenen Erfahrung als Bürgermeister und als stellvertretender Landrat eines Landkreises in diesem Zonengrenzgebiet —, welch niedrige Preise wir in den letzten Wochen bekommen haben. Wir wissen, mit welcher Sorge die einzelnen angeboten haben, um noch Aufträge zu bekomemn. Gerade für Aufträge im Bereich dieser mittelständischen Firmen, Aufträge etwa mit einem Volumen von 100 000 bis 500 000 DM sind Preise abgegeben worden, bei denen man sich als Fachmann zum Teil gefragt hat, ob es eigentlich noch zu verantworten ist, den Auftrag zu diesen niedrigen Preisen zu vergeben.
Ein letzter Punkt. Ich glaube, es bedarf in Zukunft auch einer größeren Beachtung, daß die vielen Millionen, die im Rahmen der Verteidigung z. B. für Reparaturen ausgegeben werden, etwas gezielter eingesetzt werden sollten, damit sie mittelständischen Firmen zugute kommen. Vielleicht wäre manches im Raume Köln erspart geblieben, wenn man
auch an die Betriebe etwa in der Eifel gedacht hätte.
Ich spreche also nicht nur für das bayerische Grenzland; es gibt auch in einiger Entfernung davon Betriebe, die auf solche Aufträge warten.
Lassen Sie mich zum Schluß sagen: Diese Debatte sollte die Einleitung für Maßnahmen sein, die im kommenden Bundestag bedacht werden müssen, wobei aber auch einige Änderungen herbeigeführt werden müssen: Änderungen im Bereich der Ausschreibung von Aufträgen, bei denen der Bund beteiligt ist, bis hinunter zu den Gemeinden, bei denen er Zuschüsse gibt; Änderungen bei der Vergabe und in bezug auf die Berücksichtigung mittelständischer Handwerksbetriebe, vor allem in allen unterstrukturierten Gebieten und besonders im Zonenrandgebiet und im bayerischen Grenzland.
Ich meine, der Worte sind dabei genug gesagt.
Das Wort hat der Abgeordnete Staratzke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Freien Demokraten haben diese Große Anfrage eingebracht; wir erlauben uns daher auch ein paar Worte zum Schluß zu sagen. Ich darf ein Fazit aus dieser Debatte für uns ziehen, ein Fazit, das etwa so lautet: Die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der FDP-Fraktion zur mittelständischen Wirtschaft befriedigt nicht voll. Sie läßt Fragen offen. Das haben heute nicht nur Redner meiner Fraktion zum Ausdruck gebracht, sondern auch mehrere Redner anderer Fraktionen.In der Antwort auf die Große Anfrage gibt die Bundesregierung eine Bestandsaufnahme ihrer mittelstandspolitischen Leistungen und auch ihrer Absichten. Der Tenor dieser Antwort lautet — so muß es dem Leser erscheinen; auch durch die mündlichen Erläuterungen des Herrn Bundeswirtschaftsministers ist dieser Eindruck nicht verändert worden —: Die Bundesregierung hat für den Mittelstand genug getan, sie braucht ihre Phantasie nicht weiter anzustrengen. Dieser Eindruck sollte nicht stehenbleiben.
Zwar wird die Bedeutung der Selbständigen und der von ihnen geleiteten Unternehmen in allgemeinen Worten gewürdigt, aber in konkreten Sachfragen verweist man entweder auf längst überholte Maßnahmen wie z. B. auf die — scherzhaft ausgedrückt — Abmagerung des Mittelstandsbauches, eine Leistung der vorherigen Regierung, oder auf die Große Steuerreform, hoffentlich eine Leistung der kommenden Regierung. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß damit das Fehlen eigener Vorstellungen verdeckt wird. Der Bundesregierung zu helfen, diesen Eindruck zu verwischen, sollte unsere Aufgabe sein. Ich glaube, die Debatte hat dazu angeregt. Ich möchte jetzt natürlich nicht mehr zum
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Dr. StaratzkeSchluß auf einzelne Fragen eingehen. Wir wissen, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß der gewerbliche Mittelstand von dieser Debatte heute im Deutschen Bundestag keine konkretere Stellungnahme, als die schriftliche und die mündliche Antwort erbracht haben, erwartet.
Wir sind deshalb der Meinung, daß das Hohe Haus als Ergebnis dieser Debatte eine gemeinsame Entschließung fassen sollte, die wir Ihnen auf Umdruck 738 schon vorgezeichnet haben. Meine Fraktion bittet dringend, diesem Entschließungsantrag gemeinsam zuzustimmen. Dies würde dem Parlament zum Schluß dieser Legislaturperiode für den deutschen gewerblichen Mittelstand gut anstehen.
Meine Damen und Herren, ehe ich das Wort weiter gebe, darf ich folgendes bekanntgeben. Die für morgen vorgesehene Behandlung der Dringlichen Mündlichen Anfragen erfolgt heute zu Beginn der Fragestunde um 14 Uhr.
Weiter wollen wir auf Grund einer interfraktionellen Vereinbarung den Antrag Drucksache V/4558 auf die Tagesordnung setzen: Wahl der Mitglieder des Gemeinsamen Ausschusses. Das wollen wir auch noch vor der Fragestunde behandeln.
Ferner darf ich bekanntgeben, daß, wie immer der weitere Verlauf, auch die Dauer der Fragestunde, sein wird, alle Mitglieder des Hauses gebeten werden, sich um 15 Uhr vollzählig zu versammeln, da wir dann am Ende der V. Legislaturperiode angekommen sein werden.
— Wenn ich auf den Zwischenruf antworten darf: morgen wäre dann nur noch eine Fragestunde. Ich darf Ihnen sagen, meine Damen und Herren, daß ich es für kein gutes Ende halten würde, wenn morgen hier noch einige wenige Fragen zu behandeln wären, die in Anwesenheit von einem Dutzend Abgeordneten beantwortet würden.
Ich behalte mir vor, später, wenn ich wieder unten sitze, einen Geschäftsordnungsantrag zu stellen, die Sitzung von morgen ausfallen zu lassen. Die Fragen würden dann schriftlich beantwortet.
Das Wort hat in unserer Debatte der Parlamentarische Staatssekretär Herr Leicht.
Leicht, Parlamentarischer 'Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine Reihe von Kolleginnen und Kollegen haben in der heutigen Debatte naturgemäß zu Steuerfragen gesprochen, weil gerade mit der Steuerpolitik sicherlich auch gute Mittelstandspolitik gemacht werden kann. Insofern, Frau Kollegin Funcke, stimmt Ihre absolute Aussage — wenn sie so gemeint war — nicht, mit Steuerpolitik solle man keine Wirtschaftspolitik machen. Denn sie beweist gerade, daß man über die Steuerpolitik z. B. im Wirtschaftsbereich der mittelständischen und kleineren Betriebe sehr vieles tun kann. Wenn Sie allerdings gemeint haben — ich könnte mir vorstellen, daß es so ist —, daß man Steuerpolitik nicht dazu verwenden sollte, immer mehr zu dirigistischer Wirtschaftspolitik zu kommen, so würde ich — ich glaube, auch im Namen meines Ministers, unseres Kollegen Strauß — sagen können: da haben Sie recht.
Ich will es machen wie Herr Kollege Dr. Staratzke: ich will auf Einzelfragen nicht mehr eingehen. Denn die Bundesregierung hat ja zu den gestellten Fragen ihre Meinung gesagt. Naturgemäß, Herr Kollege Staratzke, mußten bei der Beantwortung dieser Fragen viele Probleme offenbleiben, schon deshalb, weil die Bundesregierung nunmehr dadurch, daß sie die Steuerreformkommission eingesetzt und ihr einen klaren Auftrag gegeben hat, in manchen Fragen einfach nicht mehr selber tätig werden kann, bevor die Unterlagen und die Vorschläge der Steuerreformkommission vorliegen. Ich meine, Sie hätten nicht formulieren sollen, daß die Bundesregierung mit der Beantwortung Ihrer Fragen den Eindruck erwecke, sie habe genug getan. Man sollte vielmehr objektiv feststellen: es wurde in den vergangenen Jahren in diesen Bereichen vieles getan. Andererseits ist auch noch manches offen, das in der Zukunft anders gestaltet bzw. ergänzt werden muß.
Was hier heute morgen in der Debatte im steuerpolitischen Bereich angeschnitten worden ist, was an Vorschlägen und Anregungen vorgetragen worden ist und was dann, wenn ich es richtig sehe, in den vorliegenden Anträgen der Fraktionen seinen Niederschlag gefunden hat, das sollte man gerade der Steuerreformkommission als Material für ihre Überlegungen geben. Ich habe mich als Ihr Kollege gefragt, was mit den Anträgen, wenn sie heute unerledigt bleiben, ohne daß die Bundesregierung dazu etwas sagen kann, nach der Geschäftsordnung geschieht. Sie kennen es alle: sie gehen unter. Ich meine also, man sollte dieses ganze Material, das sich heute dargestellt hat, einschließlich der Anträge — ich glaube, das könnte die Bundesregierung zusagen —, sofort der Steuerreformkommission zuleiten, damit das alles in ihren Überlegungen mit berücksichtigt wird und bei der gutachtlichen Verwertung auch seinen Niederschlag findet.
Es liegen keine Wortmeldungen mehr vor.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die eingegangenen Entschließungsanträge, zunächst über Umdruck 719 der Fraktion der SPD. Zur Abstimmung hat Herr Abgeordneter Kurlbaum das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich würde gern, wenn es gestattet ist, Herr Präsident, zur Abstimmung zu allen drei Anträgen etwas sagen.
Ja, bitte sehr!
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 247. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1969 13825
Ich möchte vorschlagen, daß der Antrag der Abgeordneten Stücklen, Wagner, Ott, Umdruck 733, als Entschließungsantrag ebenso wie der SPD-Antrag Umdruck 719 *) der Bundesregierung als Material für ihre eigenen steuerpolitischen Initiativen und auch der Steuerkommission überwiesen wird.
Zum Antrag Umdruck 738 der FDP muß ich sagen, daß wir Sozialdemokraten seiner Überweisung nicht zustimmen können, weil in ihm u. a. ganz massive Steuersenkungen empfohlen werden — ich weise nur darauf hin, daß es da z. B. um Senkungen für die Gesamtheit der direkten Steuern geht —, ohne daß ein einziger Deckungsvorschlag aufgezeigt wird. Angesichts der Bedeutung dieser Frage für die Ordnung unserer Finanzen können wir einem solchen Antrag nicht zustimmen.
Meine Damen und Herren, Sie haben den Verfahrensantrag gehört. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Dann können wir — so habe ich es verstanden — über die Anträge Umdrucke 719 und 733 gemeinsam abstimmen. Es wird vorgeschlagen, die beiden Anträge der Bundesregierung als Material zur Verfügung zu stellen. Wer diesem Antrag zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.
Dann kommt der Antrag Umdruck 738. Wir stimmen in der Sache ab. Ist alles klar? — Nicht klar. Bitte, Sie haben das Wort, Herr Abgeordneter Dr. Schwörer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser Kollege Staatssekretär Leicht hat beantragt, auch diesen Antrag als Material der Bundesregierung zu überweisen. Wir unterstützen diesen Antrag und bitten, über die Verweisung an die Bundesregierung als Material abzustimmen.
Nein, Herr Kurlbaum hatte etwas anderes beantragt. Er wollte diesen Antrag nicht überwiesen haben, sondern es sollte darüber abgestimmt werden. Ich verstehe, daß er ihn ablehnen möchte.
Jetzt bin ich in der Schwierigkeit, zu sagen, welches der weitergehende Antrag ist: Überweisung als Material oder die Abstimmung in der Sache. Ich würde sagen, daß der Verfahrensantrag Vorrang hat. Die Abstimmung über die Überweisung an die Bundesregierung ist hier also vorzuziehen. Wir stimmen darüber ab.
Wer den FDP-Antrag Umdruck 738 der Bundesregierung als Material zuleiten will, gebe das Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen die Stimmen der sozialdemokratischen Fraktion ist so beschlossen.
*) Siehe Anlage 4
Damit ist die Behandlung der Großen Anfrage erledigt.
Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Maßnahmen zur außenwirtschaftlichen Absicherung gemäß § 4 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft
— Drucksachen V/4333, V/4331 —
a) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache V/4548 —Berichterstatter: Abgeordneter Röhner
b) Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses
— Drucksache V/4494 —
Berichterstatter:
Abgeordneter Dr. Lindenberg
Wir treten in die zweite Beratung ein. — Das Wort in der allgemeinen Aussprache wird nicht gewünscht.
Ich rufe Art. 1 auf. Dazu liegt der Änderungsantrag der FDP-Fraktion Umdruck 732 *) vor. — Herr Staratzke hat das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben Ihnen einen Änderungsantrag auf Umdruck 732 vorgelegt. Nicht nur meine Fraktion, sondern auch eine große Anzahl von Kollegen aus den Koalitionsfraktionen haben bereits im November vorigen Jahres gegen dieses umstrittene Gesetz über Maßnahmen zur außenwirtschaftlichen Absicherung gestimmt. Ich will es mir jetzt versagen, noch einmal auf die Gründe im einzelnen einzugehen; sie sind alle nachzulesen.Auf eines möchte ich aber noch einmal hinweisen, meine Damen und Herren: Wir haben Ihnen damals prophezeit, daß mit diesem Gesetz die Probleme wirtschaftspolitischer, konjunkturpolitischer und währungspolitischer Art nicht zu lösen sind. Genau das ist eingetreten. Die Debatten über die Frage der Stabilität und über die Aufwertung oder Nichtaufwertung haben gezeigt, was wir vorausgesagt haben. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat sich damals mit Engelszungen für diese Sache eingesetzt. Sie war, wie Sie alle wissen, mit einer großen Anzahl von Fragezeichen, Schwierigkeiten, Systemwidrigkeiten usw. behaftet.Und nun wollen — so haben wir das verstanden — die Koalitionsfraktionen ausgerechnet bei diesem Gesetz, über dessen Unzulänglichkeit seit der Verabschiedung allerorts gesprochen wird, die Aufhebung der Befristung vornehmen. Wer die leidenschaftlichen Debatten über Stabilität und außenwirtschaftliche Absicherung in den vergangenen *) Siehe Anlage 5
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Dr. StaratzkeMonaten in diesem Hause und draußen erlebt hat, kann nicht verstehen, daß nunmehr für die Aufhebung der Befristung dieses Gesetzes eingetreten wird.Wir stellen auf Umdruck 732 einen Änderungsantrag, der praktisch die Aufhebung der Befristung ablehnt. Damit wollen wir dem Verbraucher und der Wirtschaft unseren Standpunkt klar darstellen und für die Zukunft dokumentieren. Ich begründe diesen Antrag mit einigen Punkten, die ich hier vortragen möchte.Erstens. Bei den Diskussionen über das Absicherungsgesetz im vergangenen November ist sowohl von den Sprechern der Regierung wie von den Sprechern der Koalitionsfraktionen immer wieder die zeitliche Befristung der Laufzeit besonders betont worden.Zweitens. Die Bundesregierung stellt in dem umfangreichen Bericht Drucksache V/4015 über die steuerlichen Möglichkeiten der außenwirtschaftlichen Absicherung vom 19. März 1969 selbst fest — ich zitiere mit Genehmigung des Herrn Präsidenten wörtlich —:Steuerliche Maßnahmen, die ihre Rechtfertigung allein in der besonderen wirtschaftspolitischen Zielsetzung finden, sollten grundsätzlich nur von vorübergehender Dauer sein.Drittens. Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium hat sich ebenfalls in dem vor kurzem veröffentlichten Gutachten nachdrücklich gegen eine Prolongation der steuerlichen Absicherungsmaßnahmen ausgesprochen, und ich glaube — ich will jetzt gar nicht die ganzen Gründe anführen — u. a. mit dem beachtlichen Hinweis auf den Verstoß gegen die Harmonisierungsrichtlinien der EWG und auf die Steuerneutralität des grenzüberschreitenden Warenverkehrs.Viertens. Ebenso wie das Gesetz selbst ist seine Verlängerung unseres Erachtens nicht geeignet, die Unsicherheit zu beseitigen, die seit fast einem Jahr die unternehmerischen Dispositionen in der Wirtschaft weit über das übliche Maß hinaus belastet.Fünftens. Es ist auch in keiner Weise zu erkennen, wie die Aufhebung der Befristung des Gesetzes im jetzigen Zeitpunkt den währungspolitischen Spielraum der Bundesregierung erweitern könnte, wie es in der Begründung heißt. Die Aufhebung der Befristung ist unseres Erachtens nicht geeignet, eine neue Spekulationswelle im Herbst dieses Jahres zu verhindern.Sechstens. Das Entscheidende aber scheint mir zu sein, daß damit auf die Dauer andere wirtschafts-, konjunktur- und währungspolitische Maßnahmen nicht vermieden werden können, die für eine endgültige Bereinigung dieser Schwierigkeiten erforderlich sind. Abgesehen davon, lassen Sie mich das auch noch vermerken, würde die Verlängerung des Gesetzes außerdem neue verfassungsrechtlich bedenkliche Rückwirkungstatbestände schaffen.Die Fraktion der Freien Demokraten appelliert deshalb an dieses Haus, auf die Verlängerung dieses Absicherungsgesetzes zu verzichten und unseremÄnderungsantrag zuzustimmen. Die FDP-Fraktion erwartet vielmehr, daß die Bundesregierung nunmehr an Hand der Entwicklung der letzten Monate die wirtschaftspolitische und außenwirtschaftliche Lage erneut überprüft und die Konsequenzen zieht, die notwendig sind.
Keine Wortmeldungen? — Bitte, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte das Hohe Haus im Namen meiner Fraktion, den Änderungsantrag der FDP abzulehnen. Er läuft in der Sache auf eine Wiederaufwärmung der Währungsdiskussion hinaus, eine Diskussion, die wir heute ohne Anwesenheit der Fachminister auf keinen Fall führen können. Die FDP verkennt auch, daß dieses Gesetz keine selbständige Bedeutung hat. Ich erinnere an unsere große Währungsdebatte am 14. Mai 1969 in der 235. Sitzung hier im Hohen Hause und darf ganz kurz mit Zustimmung des Präsidenten einen Auszug aus dem damaligen Protokoll vorlesen:
Die Bundesregierung, so der Vorschlag des Kabinettsausschusses, soll den Fraktionen des Deutschen Bundestages vorschlagen, die Befristung des steuerlichen Absicherungsgesetzes zum 31. März 1970 durch eine Änderung dieses Gesetzes aufzuheben. Der Sinn dieser Maßnahme ist, daß die Bundesregierung frei von Termindruck eine Überprüfung dieses Gesetzes vornehmen kann, wenn es die internationale und die nationale Lage angezeigt erscheinen läßt.
Deshalb ist jetzt dieses Gesetz dem Hohen Hause vorgelegt worden. Ich lehne es ab, in eine Währungsdebatte einzutreten, und bitte Sie deshalb, den Änderungsantrag der FDP abzulehnen.
Keine Wortmeldungen mehr; wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 732 zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Wir stimmen dann über die unveränderten, in der Ausschußfassung verbliebenen Art. 1 bis 3, die Einleitung und Überschrift ab. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen die Stimmen der Freien Demokraten angenommen.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Das Wort zur Aussprache in der dritten Beratung hat Frau Funcke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Der Herr Kollege Dr. Staratzke hat eben begründet, warum wir dem vorliegenden Ver-
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Frau Funckelängerungsgesetz nicht unsere Zustimmung geben können. Wir können es nicht, obwohl wir auf Grund des Antrags der FDP bezüglich der Seehäfen eine kleine Verbesserung haben durchsetzen können.Meine Herren und Damen, ich glaube, wir sind in diesem Hause selbständig genug, Herr Kollege Lindenberg, um auch ohne Anwesenheit von Ministern etwas zu beschließen. Ich würde sagen, das war nicht die stärkste Begründung, die Sie gegen unseren Streichungsantrag vorgebracht haben.Dieses Absicherungsgesetz ist ein lebendiger Beweis dafür, wie man Gesetze in diesem Hause nicht machen soll. Sie wissen alle, daß wir damals binnen drei Tagen die Einbringung, die drei Lesungen und dazwischen die Beratung des Finanzausschusses hinter uns gebracht haben. Das Gesetz sieht auch dementsprechend aus. Sowohl in Form wie in Inhalt entspricht es nicht dem, was eine sorgfältige Beratung eines Gesetzes eigentlich bringen sollte. Es ist nun einmal Sinn der parlamentarischen Beratung, daß Gesetze nicht am grünen Tisch und nicht nur aus der Sicht der Regierung gemacht werden, sondern es ist Sinn eines parlamentarischen Systems, daß die Vorstellungen einer Regierung mit den Erfahrungen aus der Praxis und aus der Vielfalt der Anwendungsmöglichkeiten und ihrer Rückwirkung in der Praxis konfrontiert werden. Dazu war keine Zeit, wenn man in einer knappen, wenigstündigen Beratung einen fertigen und letzten Endes nur in aller Eile zusammengeschusterten Gesetzentwurf von der Regierung vorgelegt bekommt.Wir haben eindeutige Beweise, daß dieses Gesetz erhebliche Fehler und Mängel aufweist. Es geht an die Grenze des nicht mehr Vertretbaren, was die Regierung durch Ausschöpfung und Überstrapazierung von Verordnungsmöglichkeiten nachträglich zur Reparatur eines schlechten Gesetzes tun mußte. Wir haben gerade jetzt durch die Vorlage unseres Gesetzentwurfs, der einstimmig von allen Fraktionen angenommen wurde, bewiesen, daß sich im Bereich der Seehäfen Rückwirkungen ergeben haben, die zweifelsohne nicht gewollt waren, und sich wegen der Eile der Beratungen erst nachträglich herausgestellt haben.Bitte schön, Herr Kollege!
Gnädige Frau, würden Sie mir darin zustimmen, daß eine schnelle Annahme Ihres Änderungsantrages den Unsicherheitsfaktor, der in der Wirtschaft besteht und von dem Herr Dr. Staratzke gesprochen hat, noch erheblich erhöhen würde?
Herr Kollege, ich verstehe nicht ganz, was Sie meinen.
Weil dann nämlich die Währungsspekulation erneut, und zwar verstärkt angeheizt und bis zum Zusammentreten des neuen Bundestages eben diese Unsicherheit vermehrt bestehen würde.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Aber Herr Kollege, Sie wollen doch nicht behaupten, daß das Absicherungsgesetz die Währungsdisparität korrigiert. Sie wissen doch sehr genau, daß der Export heute höher und nicht niedriger ist. Im Mai war er wieder höher als im November des vorigen Jahres. Daher können Sie doch wirklich nicht behaupten, daß dieses Gesetz einen besonderen Effekt gehabt hat außer dem, daß im Dezember eine Spitze im Export entstanden ist und im Januar dafür eine kleine Abschwächung. Alles andere läuft doch wie gehabt. Es ist doch keineswegs so, daß dieses Absicherungsgesetz in irgendeiner Form die Währungsschwierigkeiten in dieser Welt vermindert hätte. Das ist doch Augenwischerei.
Wir begrüßen, daß bezüglich der Seehäfen eine kleine Verbesserung von uns erreicht werden konnte. In Richtung auf die Regierungsbank muß ich aber doch fragen, ob man das jetzt unter Umständen zum Vorwand nimmt, um aus den Überschüssen des Absicherungsgesetzes ab sofort keine Zuschüsse mehr an die betroffenen Seehäfen zu geben. Es sind da Bedenken laut geworden. Die gesetzliche Verbesserung kann nur für die Zukunft wirken; und sie kann auch nicht alle Nachteile, die das Gesetz gerade für die Seehäfen bringt, bereinigen. Wir möchten deshalb gegenüber der Regierung nachdrücklich unseren Wunsch und unsere Absicht ausdrücken, daß das, was zum Ausgleich von Nachteilen vorgesehen war, mit Sicherheit auch weiterhin gewährt wird.
Nein, meine Herren und Damen, dieses Gesetz ist in Form und Inhalt ein schlechtes Gesetz, und wir lehnen es ab, es nun noch auf unabsehbare Zeit zu verlängern.
Das Wort hat der Abgeordneter Dr. Möller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich gegenüber der Frau Kollegin feststellen, daß ich von der Logik ihrer Ausführungen nicht bezwungen bin. Soweit ich die Währungsdebatte habe verfolgen können, sind die Kolleginnen und Kollegen der FDP für eine Aufwertung. Jeder hier von uns im Hause weiß, daß das, was wir mit dem Absicherungsgesetz gemacht haben, der Versuch war, eine Dämpfung der Konjunktur herbeizuführen. Eine so einfache Rechnung, wie Sie, Frau Kollegin Funck, sie hier anzudeuten versucht haben, kann man nun wirklich nicht aufmachen. Es kann doch niemand bestreiten, daß die Tatsache, daß die Exporte um 4 °/o verteuert sind, einen Einfluß gehabt hat, und es kann niemand bestreiten, daß die 4 % Erleichterung im Import eine Konsequenz nach sich gezogen haben.
— Sie können dafür überhaupt keinen Gegenbeweis antreten. — Seien Sie doch vorsichtig! Sie könnten ihn nur antreten, wenn wir dieses Gesetz mit den 4 % befristet hätten und es ausgelaufen wäre. Dann könnten Sie sagen: Bitte, jetzt haben wir die fakti-
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13828 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 247. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1969
Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möllerschen Ergebnisse. Sie müssen, wenn Sie zu dem Gesetz etwas sagen, zunächst einmal feststellen, wie das nun vom November vorigen Jahres an bis heute ohne diese 4 % weitergelaufen wäre.
Kein Mensch in diesem Hause kann behaupten, daß diese 4 % keine Auswirkungen gehabt hätten. Darüber haben wir doch debattiert. Auch über die Behandlung der Altverträge und über alles, was dazugehört, hat es Debatten gegeben. Wir haben das ganze Material auf dem Tisch gehabt, und man kann heute nicht sagen: Das war gar nichts; das war ein schlechtes Gesetz. Vielmehr haben wir im November versucht, das zu tun, was uns damals möglich und notwendig erschien, um die Hochkonjunktur zu dämpfen. Jetzt haben wir einen weiteren Schritt in der Konsequenz der Aufwertungsdebatte vom 9. Mai vollzogen. Wir haben aus diesen Debatten eine neue Erkenntnis gewonnen, und es ist eben der Vorzug der Koalitionsparteien, daß sie aus neuen Erkenntnissen politische Schlußfolgerungen ziehen. Und eine dieser politischen Schlußfolgerungen besteht darin, daß es nicht richtig wäre, es in dieser jetzigen Situation bei einem festen Termin zu belassen. Warum nicht, das brauche ich hoffentlich hier nicht mehr auseinanderzusetzen. Es ist vielmehr vernünftig, diesen Termin aufzuheben, alle damit verbundenen Effekte zu beseitigen und zum geeigneten Zeitpunkt dann das Richtige zu tun.
Herr Kollege Möller, Herr Busse wollte Ihnen eine Frage stellen. — Nein, er gibt's auf, dann brauchen Sie nicht — —
Wollen Sie das Wort, Herr Busse? Bitte, Sie haben das Wort!
— Dann sind wir am Ende der Debatte in dritter Beratung.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Gesetzesvorlage im ganzen zustimmen will, möge sich erheben. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die Vorlage ist gegen die Stimmen der Freien Demokraten angenommen.
Ich rufe dann den Zusatzpunkt auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Abzahlungsgesetzes
— Drucksache V/2309—Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses
— Drucksache V/4521 — Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Stark
Ich frage, ob der Berichterstatter das Wort wünscht. — Das ist nicht ,der Fall. Wir treten in die zweite Beratung ein. Wird das Wort zu einer allgemeinen Aussprache gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Dann rufe ich den Art. 1 auf. Dazu liegen drei Änderungsanträge vor: Umdruck 741 *) von der Fraktion der SPD, Umdruck 742 **) von der FDP und Umdruck 743 ***) von einigen Abgeordneten des Hauses. — Zur Begründung des SPD-Antrages Frau Kurlbaum-Beyer!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie' wir soeben erfahren, liegt ein Beschluß der CDU/CSU-Fraktion vor, nach dem bei Annahme dieses Antrages Fristeinrede gegen die dritte Lesung erfolgen würde. Das hätte zur Folge, daß das ganze Gesetz in dieser Legislaturperiode nicht mehr verabschiedet werden könnte. Die beschlossenen Verbesserungen aber, die in diesem Entwurf bezüglich des Vertragstextes, der Angabe über Bar- und Teilzahlungspreis sowie über den Gerichtsstand enthalten sind, halten wir für so wichtig, daß wir zu unserem Bedauern — das werden Sie verstehen — unseren Antrag zurückziehen.
Wir haben noch eine Hoffnung; der Rechtsausschuß des Bundesrates hat sich nämlich für ein Rücktrittsrecht ausgesprochen. — Ich kann jedenfalls für meine Fraktion sagen, daß wir, wenn der Bundesrat nicht entsprechend entscheiden sollte, in der nächsten Legislaturperiode in dieser Frage neue Initiativen ergreifen werden.
Der Antrag ist also zurückgezogen. Wird das Wort zu den Anträgen auf den Umdrucken 742 und 743 gewünscht? — Herr Dr. Elbrächter hat das Wort zur Begründung des Antrags auf Umdruck 743.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Auch ich beuge mich den Möglichkeiten der Geschäftsordnung; ich bedaure das aber außerordentlich. Wenn ich es auch bis vor kurzem abgelehnt habe, diesen ganzen Vorgang „Abzahlungsgesetz" als ein — so sagte es mir gestern ein Kollege — makabres Spiel in diesem Parlament zu bezeichnen, so möchte ich doch daran erinnern, daß diese Materie in der vergangenen Legislaturperiode in fast Bleichlautenden Formulierungen Antrag der Fraktion der CDU/CSU — ich habe mich damals sehr engagiert — und auch der FDP war.Ich habe volles Verständnis für Egoismen in der Partei und für Notwendigkeiten, sich politisch zu *) Siehe Anlage 6**) Siehe Anlage 7***) Siehe Anlage 8
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 247. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1969 13829
Dr. Elbrächterdifferenzieren. Im vergangenen Bundestag waren es im wesentlichen gerade die SPD-Kollegen, die die Verabschiedung aus Gründen ganz unterschiedlicher Art vereitelt haben; praktisch ist das Gesetz nicht zum Zuge gekommen.In dieser Legislaturperiode habe ich mich gefreut, daß die SPD die Initiative ergriffen hat, weil ich die Sache, insbesondere das Rücktrittsrecht, für gut halte. Ich bedaure, daß die Mitglieder unseres Rechtsausschusses zu einer Ablehnung gerade des Rücktrittsrechts gekommen sind.Nun bin ich der Meinung, daß ein Abzahlungsgesetz ohne Rücktrittsrecht im Grunde genommen eine Suppe ohne Salz ist; denn das ist das Entscheidende.Ich will Sie hier nicht damit langweilen — es sind sowieso nicht mehr viele da —, welche Möglichkeiten es sonst noch gäbe. Aber ich möchte die Kollegen aus dem Rechtsausschuß auf folgendes hinweisen. Erstens. Wenn ich recht informiert bin, hat der Deutsche Anwaltverein sich für das Rücktrittsrecht ausgesprochen. Zweitens. In den Staaten Österreich und Schweiz existiert ein solches Rücktrittsrecht und wird dort mit Erfolg praktiziert. Ich möchte doch annehmen, daß diese beiden Staaten zumindest ein anologes Rechtssystem und zumindest eine eben solange Rechtstradition wie unser Vaterland haben. Was die angelsächsischen Länder angeht, so wird es in England seit einiger Zeit praktiziert, und ich habe gerade erst heute erfahren — in der „Time" nachzulesen.— daß die USA seit 1. Juli dieses Jahres innerhalb von drei Wochentagen ein Rücktrittsrecht eingeführt haben. Sie sehen also, daß wir uns in bester Gesellschaft befunden hätten, wenn wir es angenommen hätten. Das möchte ich einmal klarstellen.
— Darf ich das einmal zu Ende führen.Nun möchte ich das gleiche sagen, was Frau Kollegin Kurlbaum gesagt hat. Wenn ich recht informiert bin, hat der Rechtsausschuß des Bundesrats vorgestern beschlossen, dem Plenum des Bundesrats zu empfeheln, den Vermittlungsausschuß anzurufen. Nur deshalb, weil jetzt noch eine Chance besteht, diesen Schaden — so möchte ich es bezeichnen —, der durch den Beschluß des Rechtsausschusses entstanden ist, im Vermittlungsausschuß zu reparieren, ziehe auch ich meinen Antrag zurück und vertraue darauf, daß das Plenum des Bundesrates gescheiter ist als dieses Haus. Das darf ich am Schluß meiner Tätigkeit in diesem Haus feststellen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Ravens?
Ja.
Herr Kollege Elbrächter, darf ich Sie fragen, ob Sie übersehen haben, daß der Deutsche Bundestag selber vor vierzehn Tagen ein Rücktrittsrecht beschlossen hat, und zwar im AusländerInvestment-Gesetz.
Ich weiß es. Aber es gibt nichts Kurioseres als Beschlüsse in diesem Hause. Das darf ich am Ende meiner parlamentarischen Tätigkeit mit einem gewissen Vergnügen und Humor feststellen.
Wird das Wort zu diesem zurückgezogenen Antrag gewünscht? — Herr Dr. Stark hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin ,der Meinung, daß die Feststellung, daß in dieser Frage wirklich kuriose Dinge passieren, zutreffend ist. Dieses völlig unausgegorene Rücktrittsrecht umfaßt alle seriösen 'Geschäfte. Es umfaßt auch den Fall, wonach man ein Rücktrittsrecht hat, wenn man ein Auto außerhalb der Geschäftsräume des Verkäufers gekauft hat; es umfaßt auch den Fall, daß die Hausfrau, der eine Elektrofirma einen Staubsauger vorführt und die sagt: „Ausgezeichnet, den behalte ich", trotzdem ein Rücktrittsrecht hat. Es ist kurios, daß man dem Rechtsausschuß ein so unausgereiftes Rücktrittsrecht zur Annahme empfiehlt. Wir haben uns damit in fünf Sitzungen — ich sehe den Vorsitzenden des Rechtsausschusses hier — eingehend befaßt, und wir müssen entschieden die Behauptung zurückweisen, wir seien grundsätzlich gegen ein Rücktrittsrecht. Nur in dieser Form, wie es hier zur Annahme empfohlen ist, wäre es wirklich eines Rechtsausschusses unwürdig, so etwas passieren zu lassen. Dieser Vorschlag ist völlig unausgegoren. Er widerspricht dem Gleichheitsgrundsatz.
Mit denselben Argumenten — ich möchte es jetzt nicht vorlesen, ich will es der SPD ersparen — wurde das in der letzten Legislaturperiode im Wirtschaftsausschuß behandelt und von der SPD abgelehnt. Dort stehen all diese Argumente, ohne daß ich es wußte; denn ich bin in dieser Sache unbefangen und vertrete hier keine Interessen, weder die des Mittelstandes noch die der Großindustrie, noch die des Versandhandels, sondern nur den Rechtsausschuß. Ich habe zu meinem Erstaunen festgestellt, ,daß erfreulicherweise die SPD meine Argumente und die Argumente meiner Fraktion damals vorgebracht hat.
Herr Dr. Stark, Herr Elbrächter möchte gern eine Frage stellen.
Bitte schön!
Darf ich eine Frage zu der letzten Bemerkung stellen und dann zu ,dem kommen, was ich eigentlich sagen wollte?
Ja.
Herr Stark, sind Sie mit mir einer Meinung, daß sich nicht nur „Gesetz als böses Erbe fortpflanzt", um eine bekannte Li-
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13830 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 247. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1969
Dr. Elbrächterteraturstelle zu zitieren, sondern auch Argumente in diesem Hause? — Das ist nicht sehr beeindruckend. Worauf ich hinweisen möchte: Ist Ihnen bekannt, daß in der Schweiz, wo das Rücktrittsrecht genauso gehandhabt wird, wie wir es beabsichtigt haben, nur 5% aller Geschäfte davon tangiert werden und daß die betreffenden Firmen sagen, sie kämen damit bestens zurecht, denn vorher hätten sie auch 5% solcher Fälle gehabt. Sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß das Rücktrittsrecht das von Ihnen genannte Beispiel — Automobile — überhaupt nicht tangiert, weil es keine Passagen enthält, die den Kauf eines Automobils in den Geschäftsräumen betreffen? Ich glaube also, Sie gehen — —
Herr Elbrächter, Sie dürfen nur Fragen stellen.
Darf ich Ihnen kurz antworten. Als Jurist muß ich Ihnen entschieden widersprechen, Herr Elbrächter. Wir als Juristen waren uns eigentlich alle darin einig, daß das, was ich hier vorgebracht habe, zutrifft. Man wollte es aus ganz anderen Gründen dennoch. Wir haben uns im Rechtsausschuß eingehend damit befaßt. Auch die Kollegen von der SPD haben früher gesagt: Gut, aber es muß ausgereift sein. Die SPD hat beim letztenmal gesagt, daß sie das wolle. Ich habe für unsere Fraktion erklärt: aber dann bitte in einem ausgereiften Abzahlungsgesetz und nicht mit einem Passus, mit dem man 98 % seriöser Geschäfte ebenfalls unter die doch fragwürdige Regelung des Widerspruchsrechts stelle. Die Konkurrenz, Herr Elbrächter, kommt sonst nach drei Tagen und sagt: Entschuldigen Sie, nehmen Sie doch mein Produkt; ich gebe es Ihnen um 50 Mark billiger. Dann kann der Betreffende noch zurücktreten.
— Entschuldigung, das ist die Regelung, wie sie jetzt vorgeschlagen wird. Das muß ich einmal mit aller Entschiedenheit sagen.
— Darüber mögen Sie sich noch sehr aufregen; aber so ist es jetzt vorgeschlagen.
Herr Kollege Stark, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Kurlbaum-Beyer?
Ja, bitte schön!
Herr Kollege Stark, ist Ihnen bekannt, daß Österreich bereits im Jahre 1931 ein Gesetz verabschiedet hat, wonach ein außerordentliches Rücktrittsrecht bei Verträgen, die außerhalb der ständigen Geschäftsräume abgeschlossen werden, besteht und daß dieses Gesetz im Jahre 1961 sogar erneut bestätigt und verbessert worden ist und man also beste Erfahrungen damit gemacht hat?
Frau Kollegin, das ist mir alles bekannt. Wir haben im Rechtsausschuß an Hand der Texte sowohl über die österreichische als auch die schweizerische Lösung beraten. Die österreichische Lösung ist aber nicht dieselbe wie die, die hier vorgeschlagen wird.
Herr Arndt würde Ihnen auch noch gern eine Frage stellen.
Bitte schön, Herr Dr. Arndt!
Herr Kollege, würden Sie dem Hause freundlicherweise bestätigen, daß die Rechtsansicht, die Sie eben vorgetragen haben, nur die Rechtsansicht einer kleinen Mehrheit im Rechtsausschuß war und die sozialdemokratischen Mitglieder des Rechtsausschusses eine andere Meinung vertreten haben, nämlich daß es rechtlich durchaus zulässig und vertretbar sei, eine solche Rücktrittsklausel nach österreichischem oder schweizerischem Vorbild aufzunehmen, so daß Sie also nicht für d i e Juristen im Rechtsausschuß sprechen können.
Herr Kollege, das muß ich Ihnen bestätigen. Aber wenn Sie das Thema hier schon anschneiden: Wir haben uns im Rechtsausschuß meines Erachtens am Schluß darauf geeinigt, daß Sie auf das Rücktrittsrecht verzichten und wir bei den beiden anderen Dingen mitmachen würden. Das muß ich hier einmal sagen.Wenn das hier schon zu einer Debatte führt, darf ich mit Ihrer Genehmigung, Herr Präsident, folgende Argumente der SPD-Fraktion aus dem Jahr 1965 vorlesen. Im Wirtschaftsausschuß haben alle SPD- Mitglieder folgender Begründung zugestimmt:Die Unterscheidung zwischen Haustür- und Ladengeschäft führe zu einer Diskriminierung sämtlicher Vertreter. Dies gehe zu weit, da nicht alle Vertreter mit unlauteren Mitteln arbeiteten. Darüber hinaus— so die SPD damals einstimmig im Wirtschaftsausschuß —bestünden gegen die vorgeschlagene Teillösung — das ist diese Lösung hier —verfassungsrechtliche Bedenken.— Es ist doch erstaunlich, daß diese Bedenken inzwischen völlig ausgeräumt sind. —Der Gleichheitsgrundsatz— so die SPD-Fraktion damals im Wirtschaftsausschuß —werde verletzt, wenn nicht sämtliche Abzahlungsgeschäfte unter diese Vorschrift fielen.Darum, meine Damen und Herren, geht es uns. Der Bürger, der im Kaufhaus über das Kreditgeschäft einen größeren Abzahlungskauf tätigt, fällt nicht unter das Widerrufsrecht. Nur derjenige, der zufällig etwas in seiner Wohnung kauft, kann, und zwar auch bei seriösen Geschäften, von diesem Wider-
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 247. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1969 13831
Dr. Stark
spruchsrecht Gebrauch machen. Das ist so nicht möglich. Deshalb lehnen wir das ab.Wir bitten, davon Kenntnis zu nehmen — das gilt auch für Sie, Herr Ravens —, daß wir durchaus bereit sind, im nächsten Bundestag nach einer vernünftigen Regelung zu suchen, die aber dann alle Abzahlungsgeschäfte und nicht nur diesen Fall hier umfassen muß. Das war zur Klarstellung notwendig. Die Anträge sind zurückgezogen.Darf ich vielleicht gleich noch zu dem Antrag der FDP zur Gerichtsstandsklausel Stellung nehmen?
Bitte sehr, das vereinfacht die Dinge. Die Kollegen von der FDP werden einverstanden sein.
Die Gerichtsstandsregelung haben wir auch wohl erwogen, meine Damen und Herren. Mit dem Vorschlag der FDP ist der Käufer nicht genügend geschützt, weil er gar nicht weiß, daß er einen Antrag stellen und den Prozeß an seinen Wohnort ziehen kann. Bei unserem Vorschlag, Herr Busse, muß dagegen automatisch bei Klage an den Ort des Käufers verwiesen werden, und nur wenn der Käufer das aus bestimmten Gründen nicht will, kann er den Antrag stellen, den Prozeß am Ort des Unternehmens zu führen. Ich bitte deshalb, diesen Antrag abzulehnen.
Herr Busse hat das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren Kollegen! Ich will nicht noch einmal zu dem zurückgezogenen Antrag sprechen, da es wirklich in dieser Situation nicht nötig ist, daß wir uns über die Fragen streiten. Das mag dem nächsten Bundestag vorbehalten bleiben.
Ich möchte aber doch zu dem, was der Kollege Stark sagte, einige Bemerkungen machen. Unzweifelhaft weichen wir mit der Fassung, die der Rechtsausschuß beschlossen hat, von der normalen zivilprozessualen Rechtslage ab, daß es nämlich eines Einwands bedarf, wenn die Unzuständigkeit des Gerichts geltend gemacht wird, und daß nur da, wo die absoluten Gerichtsstände bestehen, von Amts wegen darauf zu achten ist, ob das Gericht zuständig ist.
Sie sagen, der Grund für die vom Rechtsausschuß getroffene Regelung liege darin, das der Käufer ja nicht wisse, daß er dieses Recht habe. Ich meine, wenn wir unsere Gesetze danach ausbauen wollten, was die Beteiligten jeweils von dem Gesetz wissen, sind wir natürlich in einer schlechten Situation. Wir müßten dann nämlich noch einige Rechtsstudien in Volksschulen und höheren Schulen einführen. In Ihrem Bericht habe ich aber den Satz gelesen, daß der Käufer auf diese jetzt in unserer Vorlage stehende Regelung in dem Anschreiben hingewiesen werden könne und solle. Warum soll man es nicht
umgekehrt auch machen? Warum soll man nicht den normalen Weg beibehalten, daß nämlich die Unzuständigkeit des Gerichts durch Einwand geltend gemacht werden muß. Das kann in der Belehrung stehen, die dem Käufer mit dem Formular gegeben wird: Wenn du mit diesem Gerichtsstand nicht einverstanden bist, kannst Du die Unzuständigkeit geltend machen und Verweisung an das für Dich örtlich zuständige Gericht beantragen. — Dann sind wir auch weiterhin in der Systematik unserer Zivilprozeßordnung. Darum meinen wir, daß Sie unserem Antrage zustimmen sollten.
Das Wort hat noch einmal Herr Dr. Elbrächter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur wenige Sätze. Ich liebe es nicht, nachzukarten, aber ich muß mich dagegen verwahren, wenn hier festgestellt wird, daß die Bestimmungen des § 1 b unausgegoren seien. Das ist einigermaßen verwunderlich, denn diese Formulierungen stammen weitgehend aus den Justizministerien, sie sind abgestimmt mit den Länderjustizministerien. Es ist doch starker Tobak, wenn man dann so schlicht und einfach sagt: unausgegoren.
Zweitens. Zumindest die Kollegen aus meiner Fraktion, die im Wirtschaftsausschuß tätig sind, haben sich diesen Formulierungen angeschlossen. In der vergangenen Legislaturperiode sind wir initiativ geworden, in dieser Legislaturperiode ist die SPD-Fraktion in der gleichen Sache mit nahezu ähnlichen Formulierungen initiativ geworden. Das sollte doch zu denken Anlaß geben.
Wir stimmen über den allein übriggebliebenen Antrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 742 ab. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.Damit sind alle Artikel unverändert in der Ausschußfassung erhalten geblieben. Wir stimmen über Art. 1 bis 4, Einleitung und Überschrift ab. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.Wir treten in diedritte Beratungein. Das Wort wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz im ganzen zustimmen will, möge sich erheben. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
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13832 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 247. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1969
Vizepräsident Dr. MommerIch rufe Punkt 2 der ersten Zusatzliste zur Tagesordnung auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Ausgleich von Schäden infolge besonderer Naturereignisse in der Forstwirt-schaf t— Drucksache V/4070 —a) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache V/4541 —Berichterstatter: Abgeordneter ...b) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
— Drucksache V/4531 —Berichterstatter: Abgeordneter Bewerunge
Anträge liegen nicht vor. Das Wort in zweiter Beratung wird nicht gewünscht.Wir kommen zur Abstimmung über die §§1 bis 13, Einleitung und Überschrift. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen die Stimme von Herrn Dr. Schmidt angenommen.Ich rufe zurdritten Beratungauf. Das Wort wird nicht gewünscht. — Wer dem Gesetz im ganzen zustimmen will, möge sich erheben. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist gegen einige Stimmen angenommen.Ich rufe Punkt 5 der ersten Zusatzliste zur Tagesordnung auf:Beratung des Mündlichen Berichts des Innenauschusses über den Bericht des Bundesministers des Innern vom 7. Oktober 1968 betr. Bericht der Bundesregierung über die Anwendung der elektronischen Datenverarbeitung in der Bundesverwaltungüber den Bericht des Bundesministers für wisenschaftliche Forschung betr. Bericht der Bundesregierung über den Stand der Vorbereitungsarbeiten für den Aufbau regionaler Großrechenzentren— Drucksachen V/3355, V/4308, V/4546 —Berichterstatter: Abgeordneter GscheidleAnträge liegen nicht vor. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Ausschußantrag zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Ich rufe Punkt 6 der ersten Zusatzliste zur Tagesordnung auf:Beratung des Schriftlichen Berichts des Finanzausschusses über den Bericht der Bundesregierung über die Automation der Steuerverwaltungen der Bundesländer — Stand Dezember 1966 —über den Bericht der Bundesregierung über die Automation der Steuerverwaltungen der Bundesländer — Stand Dezember 1967 —— Drucksachen V/1264, V/2749, V/4529 — Berichterstatter: Abgeordneter VitDas Wort wird nicht gewünscht. Änderungsanträge liegen nicht vor. Wer dem Ausschußantrag zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Ich rufe Punkt 7 der ersten Zusatzliste zur Tagesordnung auf:Beratung der Übersicht 31 des Rechtsausschusses über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht— Drucksache V/4506 —Keine Anträge, keine Wortmeldungen. Wir stimmen ab. Wer dem Antrag des Rechtsausschusses zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Ich rufe Punkt 8 der ersten Zusatzliste zur Tagesordnung auf:Beratung des Mündlichen Berichts des Rechtsausschusses über die Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht — Antrag der Deutschen Friedens-Union (DFU) vom 22. Mai 1969 betreffend die Unterlassung der Änderung des Gesetzes über die politischen Parteien vom 24. Juli 1967 (BGBl. I S. 773)— Drucksache V/4507 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. ReischlKeine Wortmeldungen. Keine Anträge. Wer dem .Ausschußantrag zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Wir kommen zu Punkt 9 dieser Zusatzliste:Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung — Immunitätsangelegenheiten — betr. Genehmigung zur Zeugenvernehmung des Bundestagsabgeordneten Dr. Erhard gemäß § 382 Abs. 3 ZPO hier: Schreiben des Landgerichts Köln,4. Kammer für Handelssachen vom28. Mai 1969
— Drucksache V/4519 —Berichterstatter: Abgeordneter Bauer
Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag des Geschäftsordnungsausschusses zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 247. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1969 13833
Vizepräsident Dr. MommerIch rufe dann Punkt 1 der zweiten Zusatzliste zur Tagesordnung auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Durchführungsgesetzes EWG-Fette- Drucksache V/4505 —Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
— Drucksache V/4541 —Berichterstatter: Abgeordneter Logemann
Es liegen keine Änderungsanträge vor. — Das Wort wird nicht gewünscht.Wir stimmen in zweiter Beratung über Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift ab. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! - Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.Wir treten in diedritte Beratungein. Das Wort wird nicht gewünscht.Wer dem Gesetzentwurf im ganzen zustimmen will, möge sich erheben. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Ich rufe Punkt 2 der zweiten Zusatzliste zur Tagesordnung auf:Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung — Immunitätsangelegenheiten —betr. Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens gegen den Abgeordneten Dr. h. c. Güde gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 8. April 1969 (N/65)— Drucksache V/4549) — Berichterstatter: Abgeordneter GenscherDas Wort wird nicht gewünscht. Wir stimmen ab. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Dritter Punkt der Zusatzliste:Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für das Bundesvermögen über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Tausch von bundeseigenen Grundstücken in Hannover, Vahrenwalder Straße, gegen stadteigene Grundstücke in Hannover, An der Breiten Wiese— Drucksachen V/4436, V/4552 —Berichterstatter: Abgeordneter StrohmayrDas Wort wird nicht gewünscht. Wir stimmen ab. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Punkt 4 der Zusatzliste:Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für das Bundesvermögen über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung des ehemaligen Exerzierplatzes und des ehemaligen Schießstandes in Paderborn an die Stadt Paderborn— Drucksachen V/4448, V/4553 —Berichterstatter: Abgeordneter StrohmayrWer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Damit sind diese Zusatzpunkte erledigt.Ich rufe den um 13 Uhr auf die Tagesordnung gesetzten Punkt auf:Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP betr. Mitglieder des Gemeinsamen Ausschusses— Drucksache V/4558 —Die Drucksache V/4558 liegt Ihnen vor. Wer der Wahl der dort vorgeschlagenen Mitglieder des Gemeinsamen Ausschusses zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.Soviel ich sehe, verbleibt dann für die Zeit nach der Fragestunde um 15 Uhr noch der Punkt 55 der Tagesordnung, der Raumordnungsbericht.Jetzt treten wir in dieFragestunde— Drucksache V/4504 —ein. Ich rufe die Dringlichkeitsfragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr auf. Zunächst die nicht als Dringlichkeitsfragen, aber doch früher eingereichten Fragen zu demselben Thema.Frage 113 und 114 des Abgeordneten Dr. Hudak:Ist die Bundesregierung bereit, die Verordnung zur Erleichterung des Ferienreiseverkehrs auf der Straße im Jahre 1969 dahin gehend zu ändern, daß der Transport von rasch verderblichem Obst aus dem Raume Bamberg, Erlangen und Gräfenberg nach Norddeutschland zugelassen wird?Ist sich die Bundesregierung im Falle der Ablehnung zur Frage 113 bewußt, daß sie dadurch die Existenz zahlreicher kleinerer und mittlerer landwirtschaftlicher Betriebe zerstört, nachdem der Anbau von Erdbeeren und Kirschen im o. a. Gebiet ausdrücklich unter dem Gesichtspunkt der Sicherung landwirtschaftlicher Existenzen auch durch den Staat gefördert worden ist?Die Fragen werden von Herrn Abgeordneten Dr. Prassler übernommen.Zur Beantwortung ist der Herr Bundesminister für Verkehr hier. Bitte, Herr Bundesminister, Sie haben das Wort.
Im Interesse eines flüssigen und sicheren Ablaufs des Ferienreiseverkehrs bin in nicht in der Lage, die Verordnung hinsichtlich des angesprochenen Punktes — Transport von Erdbeeren und Kirschen — zu ändern. Die Befürchtung, daß dadurch die Existenz vieler kleiner und mittlerer landwirtschaftlicher Betriebe
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13834 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 247. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1969
Bundesminister Leberzerstört wird, teile ich nicht. Es bestehen ausreichende andere Verkehrsmöglichkeiten, und auch der Lkw-Verkehr hat nach der Verordnung zahlreiche Ausweichmöglichkeiten.Hinzu kommt — und dies ist nicht ganz nebensächlich —, daß das Bundesverfassungsgericht eine Beschwerde des Güterfernverkehrs — nicht der Erdbeererzeuger — gegen die „Verordnung zur Erleichteung des Ferienreiseverkehrs auf der Straße im Jahre 1969" als unbegründet verworfen hat.Um zu erläutern, was ich mit dem gewährleisteten Verkehr meine, darf ich hier noch einmal herausstellen: Erstens. Der Betrieb mit Lkws bis zu 7,5 t ist auch auf den Autobahnen erlaubt.Zweitens. Gesperrt sind nur die Autobahnen und 14 Straßen in solchen Gebieten, in denen es keine Autobahnen gibt, die aber nach meiner Überzeugung für den Transport von Frischobst auch ohne Bedeutung sind, beispielsweise die Straße von München nach Garmisch oder von Ulm nach Kempten, weil dort noch keine Autobahnen bestehen.Wir sind damit in der gleichen Situation wie beispielsweise das Nachbarland Frankreich. Die Erzeugung von Erdbeeren und Frischobst im Elsaß ist nicht geringer als beispielsweise in Baden. Im Elsaß gibt es keine Autobahnen; der Transport funktioniert auch.Drittens. In der Nacht vom Freitag zum Samstag ist auch der schwere Lkw auf den Autobahnen zugelassen. Das gilt auch für die Nacht vom Sonntag zum Montag ab 22 Uhr.Viertens hat die Deutsche Bundesbahn auf meine Anregung hin am 1. Juli ein Angebot für den Transport von Frischobst gemacht, das nach meiner Überzeugung jede Gefährdung der Interessen der Erzeuger völlig ausschließt. Die Deutsche Bundesbahn hat sich bereit erklärt, von allen Orten, in denen Obst aufkommt, bis zu jedem Absatzgebiet eine Garantie nach Zeit und Ort und gleichzeitig eine völlige Beförderungsgarantie für die Qualität der Beförderung zu übernehmen, so daß für die Erzeuger nach diesem Angebot der Deutschen Bundesbahn und der Garantie, die damit verbunden ist, überhaupt kein Schaden entstehen kann.Zusätzlich möchte ich noch vermerken, daß nach meinem Eindruck hier kein Streit zwischen Erzeugern und deren Interesse an verkehrlicher Bedienung einerseits und der Verordnung andererseits bestehen kann, sondern daß hier lediglich ein Streitpunkt für Fuhrunternehmer und Werkverkehr treibende Handelsorganisationen besteht, die die Erzeuger aufgewiegelt haben und sie als Speerspitze gegen die Verordnung betrachten
— und sie als Speerspitze gegen die Verordnung betrachten — und sich auch nicht scheuen, mit NPD und kommunistischen Entwicklungen zu drohen für den Fall, daß diese Verordnung nicht durchlöchert wird.Ich bleibe deshalb bei dieser Verordnung.
Eine Zusatzfrage, Herr Prassler?
Herr Ehnes wollte eine Zusatzfrage stellen. Bitte, Herr Ehnes!
Herr Bundesminister, sind Sie nicht mit mir der Auffassung, daß man eine solche Wertgarantie und Qualitätsgarantie, wie Sie sie hier für die Bundesbahn erklären, gar nicht abgeben kann? Denn jede Verlängerung der Transportzeit bedeutet in der gegenwärtigen Jahreszeit, daß zwangsläufig ein Teil dieser Ernte verdirbt. Das geht doch auf Kosten der Erzeuger und der Verbraucher gemeinsam.
Das ist nicht richtig, Herr Kollege. Die Bundesbahn hat eine volle, ,gar nicht bestreitbare, ausreichende Garantie für den Transport gegeben. Wenn sie das nicht bewerkstelligen könnte, wäre der Geschädigte nicht der Erzeuger, sondern die Bundesbahn. Sie hätte dann den Wertverlust, der für den Erzeuger durch eine mangelhafte oder nicht zeitgerechte Beförderung entsteht, voll auszugleichen. Dazu ist sie bereit. Hier geht es nicht um Kosten und Tarife, sonder um allgemeine verkehrliche Interessen, denen sich erfreulicherweise auch ein im öffentlichen Besitz befindliches Unternehmen wie die Deutsche Bundesbahn stellt.
Noch eine Frage, Herr Ehnes.
Herr Bundesminister, ist Ihnen bekannt, daß gerade aus den süddeutschen Bereichen diese Ernte von Erdbeeren und Kirschen nach Norden transportiert werden soll? Ergibt sich daraus nicht zwangsläufig, daß gerade der Reiseverkehr nicht beinträchtigt werden kann, weil der Urlauberverkehr sich von Norden nach Süden abwikkelt, diese Lastenwagen aber, die man hier zu erfassen wünscht, sich auf der anderen Seite der Autobahn nach Norden bewegen, und zwar zu einem Zeitpunkt, wo kein Rückflußverkehr von Urlaubern zu erwarten ist?
Dies ist eine Theorie, die ich nicht akzeptieren kann. Ich bin selbst mit dem Hubschrauber über den Autobahnen gewesen. Die inzwischen vorliegenden amtlichen Zählungen bestätigen meinen optischen Eindruck. Am vergangenen Wochenende war der Verkehr in der Süd-Nord-Richtung nicht minder stark als der in der Nord-Süd-Richtung. Im übrigen werden wir schon in den nächsten Wochen einen starken Rückreiseverkehr nach Urlaubsende haben. Der Urlaub dauert ja für viele nicht vier Wochen, sondern 14 Tage, so daß der Rückfluß nach Norddeutschland schon bald beginnt. Wie wir alle wissen, ist der Verkehrsstau an Sonntagen in der Süd-Nord-Richtung besonders erheblich.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 247. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1969 13835
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. ,Hauser.
Herr Bundesverkehrsminister, hat die Bundesbahn sich nicht immer eine Karenzzeit von 48 Stunden ausbedungen, bevor sie für Schäden eintritt?
Die Bundesbahn mag früher, Herr Kollege, getan haben, was sie gewollt hat. Sie wird hier pragmatisch und unbürokratisch den Transport durchführen und auch ihre Garantie realisieren für den Fall, daß sie in Anspruch genommen werden sollte.
Eine Zusatzfrage, Herr Schwörer.
Herr Bundesverkehrsminister, fürchten Sie nicht, daß durch diese Maßnahme die übrigen, weniger gut ausgebauten Straßen in diesen Tagen um so stärker belastet werden?
Ich weiß nicht, ob es soviel Erdbeeren gibt, daß die anderen Straßen dadurch total zerstört werden können, Herr Kollege.
Ich rufe die Dringliche Anfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Hauser auf Drucksache V/4540 auf:
Warum hat die Bundesregierung pauschal die Autobahnen über die Wochenenden vom 28. Juni bis 27. Juli 1969 für Lastkraftwagen gesperrt, obwohl weder zu Ostern noch zu Pfingsten Verkehrsstauungen auftraten, die dies rechtfertigten?
Bitte, Herr Verkehrsminister!
Wenn Sie gestatten, Herr Präsident, möchte ich die Fragen des Herrn Abgeordneten Hauser und des Herrn Abgeordneten Röhner im Zusammenhang beantworten, weil sie auch im Sachzusammenhang stehen.
Da die Fragen des Herrn Abgeordneten Röhner von Herrn Hauser übernommen werden, ist das möglich. Sonst wäre es wohl schwierig. Ich rufe also auch die Fragen des Herrn Abgeordneten Röhner auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, nachdem der Bundesverkehrsminister laut seiner Mitteilung bei der Aussprache mit den betroffenen Obstbauern in Weingarten und Grötzingen am vergangenen 28. Juni 1969 persönlich die Verkehrssituation des gleichen Tages überprüft hat, wieviel Stunden die Verkehrsfrequenz auf den Autobahnen ausgenützt war?
Erscheint es nicht erwägenswert, sofern die Verkehrsfrequenzen wie in Frage 2 angesprochen, nicht ausgenutzt waren, die ergangene Verordnung über das Sonntagsfahrverbot zumindest zu ergänzen, um brachliegende Verkehrsfrequenzen wenigstens den notwendigen Bedürfnissen der Obstbauern zur Verfügung zustellen?
Bitte, Herr Minister!
Ich darf wegen der sachbezogenen Anfrage, die den Gegenstand auch der eben behandelten Frage betraf, auf meine Antwort von soeben verweisen.
Nach den mir vorliegenden Ergebnissen verschiedener Dauerzähistellen auf den Autobahnen waren diese während der Sperre zu den Zeiten, die für den Transport des rasch verderblichen Obstes mit schweren Lkws in Frage kamen, jeweils voll ausgelastet. Beispielsweise lag die durchschnittliche Belastung am Sonntag, dem 29. Juni — und hier geht es in der Hauptsache um Ausnahmegenehmigungen für den Sonntag — bei 1100 bis 1800 Fahrzeugen je Stunde in jeder Richtung, und zwar von 16 bis 22 Uhr. Die Verkehrsbelastung der Autobahnen am Sonnabend, dem 28. Juni, ist in diesem Zusammenhang ohne Belang, weil am Samstag keine Erzeugermärkte stattfinden.
Ich darf überdies bemerken, daß ich im Gespräch den Erzeugern angeboten habe, zu prüfen, ob es nicht möglich sei, wenn sie das für notwendig halten, die Nacht vom Samstag zum Sonntag für den Lkw-Verkehr für dieses Transportgut zu öffnen. Dies ist nicht akzeptiert worden mit der Begründung: „Dann haben wir nichts zu fahren, weil sonntags keine Erzeugermärkte sind."
Eine Zusatzfrage, Herr Hauser.
Herr Minister, auf welche Kapazität ist denn die Autobahn ausgelegt? Ist es nach Ihren Mitteilungen nicht so, daß Sie etwa einen Verkehrsfluß von 100 bis 120 km pro Stunde festgestellt haben und daß bei der beobachteten Frequenz die Verkehrskapazität der Autobahn tatsächlich nicht voll ausgenutzt war?
Herr Kollege, diese Frage ist eine der interessantesten, die es in diesem Zusammenhang gibt. Wir haben am vergangenen Wochenende, sicher zur großen Freude von Hunderttausenden von Verkehrsteilnehmern, einen seit Jahren nicht mehr dagewesenen guten Verkehrsfluß und eine ganz geringe Zahl von Unfällen und Unfallschäden zu verzeichnen gehabt. Wenn man in diesen Verkehrsfluß hinein schwere Lastwagen mit auf den Weg schickt, dann entwickelt sich hinter jedem Lastwagen im einzelnen eine Verkehrsschlange mit Auffahrunfällen — je nach der Wetterlage — und allem, was sonst noch dazu kommen kann. Nach unseren Ermittlungen, die ich früher einmal in diesem Zusammenhang habe betreiben lassen, entstehen bei einem Weg durch das Bundesgebiet in der Nord-Süd- oder in der Süd-NordRichtung beispielsweise bei einem Regeneinbruch eine solche Fülle von Auffahrunfällen, daß die Schäden, die der Lastkraftwagen in der langen Schlange hinter sich anrichtet, in einem gar nicht mehr vergleichbaren Verhältnis zum Wert der Ladung des Lastkraftwagens stehen. Das können Sie als Autofahrer auf der Autobahn selber beurteilen. Man wird also dem Sachverhalt nicht gerecht, wenn man leichthin fragt: was macht denn da schon ein Lkw, der kann doch das alles nicht hervorrufen?Wir haben nur für den Berlin-Verkehr eine Ausnahme gemacht — aus Gründen, über die wir hier sicher nicht zu diskutieren brauchen. Wir würden,
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13836 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 247. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1969
Bundesminister Leberwenn wir sonst auch nur eine Ausnahme zuließen, eine Fülle anderer, gleichgelagerter Forderungen auslösen, deren Verweigerung dann auch angesichts der Verfassungslage nicht mehr möglich wäre.Ich habe in der vergangenen Woche auch aus diesem Hohen Hause die Bitte auf den Tisch bekommen, ich möge Ausnahmen für den Transport von Rennpferden machen, weil sonst das Deutsche Derby in Hamburg nicht stattfinden könnte. Ich habe geantwortet: Es hat auch schon Derbys gegeben, ehe es Autobahnen gab. Ich habe keine Ausnahme erteilt. Meines Wissens hat das Derby stattgefunden.Ich habe eine Fülle anderer Begehren für Güter, bei denen die Verhältnisse ähnlich denen bei Erdbeeren und Frischobst gelagert sind. Da sind Speiseeisfabrikanten, die das Wohl und Wehe der Bundesrepublik davon abhängig glauben, daß sie am Sonntag mit 12 bis 15 schweren Kühlwagen in der Nord-Süd-Richtung durch das Bundesgebiet fahren, um die Bevölkerung am Montag mit Speiseeis zu versorgen. Ich kann dort keine Ausnahmen machen und bitte um Verständnis dafür, nachdem die Interessen der Erzeuger gesichert sind; die brauchen sich doch um die Kostenrechnung der Eisenbahn keine Gedanken zu machen. Nachdem die Interessen der Erzeuger gesichert sind, bleibt das andere eine Frage der Ordnung des Verkehrs auf unseren Straßen.Wir haben es hier mit einem spezifischen Fall zu tun, in dem die sehr wohl gerechtfertigten Interessen einer Gruppe im Staat in Widerspruch stehen zur Sicherung der Interessen einer großen Mehrheit der Bevölkerung. Ich bitte darum, einzusehen, daß man da eine kleine Unbequemlichkeit — ich weiß, daß sie den Erdbeererzeugern zugemutet wird — auf sich nimmt und damit einen Beitrag für einen besseren Fluß des Verkehrs und eine Erhöhung der Verkehrssicherheit für Millionen Menschen leistet, die gerade an diesen Wochenenden ihre Urlaubsziele anstreben.
Noch eine Zusatzfrage, Herr Hauser.
Wenn ich es noch recht in Erinnerung habe, sprachen Sie, Herr Minister, im Hinblick auf den vergangenen Sonntag von einer Frequenz von 1100 bis 1800 Fahrzeugen pro Stunde. Nach den Mitteilungen, die ich bekommen habe, liegt die Kapazität der Bundesautobahn bei 3000 Fahrzeugen pro Stunde. Mit anderen Worten, eine Kapazität von wenigstens 1200 Fahrzeugen wird nicht ausgenutzt. Herr Minister, verschenken Sie auf diese Weise nicht Frequenzen und damit auch Volksvermögen?
Nein, ich verschenke weder Frequenzen noch Volksvermögen. Nur, wenn Sie einen langsamfahrenden Lastwagen dorthin lassen, sieht das Verkehrsbild im ganzen anders aus; dann bekommen Sie einen wesentlich träger fließenden Verkehr. Der Verkehr ist dann dickflüssiger, d. h. es ist ein nicht so dünner Verkehr. Ein Verkehr, der fließt, verdünnt sich selber; er wird dickflüssiger und damit unsicherer im Maße des langsamsten Gliedes in der Kette, das man auf die Autobahn läßt. Das hat nichts mit der Frequenz zu tun, sondern es kommt auf die Geschwindigkeit, auf das langsamste Tempo, das ein Fahrzeug fährt, an.
Noch eine Frage.
Herr Minister, in den Erdbeeranbaugebieten geht das Gerücht, daß den Holländern bereits 50 oder gar mehr Ausnahmegenehmigungen zugestanden worden seien.
Ich weiß, das sind Gerüchte, die zum Teil von Leuten ausgestreut werden, die hoffen, damit in den Deutschen Bundestag zu kommen. Ich kann Ihnen hier versichern, Herr Kollege: es hat nicht eine einzige Ausnahmegenehmigung für ein ausländisches Fahrzeug gegeben. Wenn das der Fall wäre, hätte ich vorher auch schon deutschen Fuhrunternehmern eine solche Ausnahmegenehmigung zugestanden.
Keine Zusatzfrage mehr. Vielen Dank für die Beantwortung dieser Fragen, Herr Bundesminister.
Wir kommen zu den noch nicht beantworteten Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Finanzen. Zur Beantwortung ist hier der Herr Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen.
Zunächst rufe ich die Frage 37 des Abgeordneten Fritsch auf:
In welchem Umfang haben sich die seit Beginn des Jahres 1968 bis heute erlassenen Gesetze, insbesondere das Gesetz über Maßnahmen zur außenwirtschaftlichen Absicherung und das Gesetz über die Mitwirkung der Zollverwaltung bei der Erstattung der Visagebühren im Berlin-Verkehr und im Interzonenreiseverkehr auf die Personalsituation der Bundeszollverwaltung ausgewirkt?
Können die drei Fragen des Abgeordneten Fritsch zusammen beantwortet werden? Ich übersehe es im Augenblick nicht.
Herr Präsident, ich würde die Fragen gern getrennt beantworten, weil das vielleicht schneller geht.
Ich möchte Ihre erste Frage, Herr Kollege Fritsch, wie folgt beantworten. Die Mehrbelastung der Zollstellen ist zweifellos nicht nur durch die von Ihnen angezogenen Gesetze, die wir hier verabschiedet haben, eingetreten. Leider bin ich im gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht in der Lage, genaue Angaben über den hierdurch verursachten Personalmehrbedarf zu machen.
Eine Zusatzfrage bitte!
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 247. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1969 13837
Herr Staatssekretär, stimmen Schätzungen, wonach sich dieser Personalmehrbedarf etwa auf 10 bis 15 % des Personalstands belaufen soll?
10 bis 15%, Herr Kollege, beträgt wohl der Mehranfall an Arbeit für die Zollstellen. Ob er mit dem Personalmehrbedarf gleichzusetzen ist, kann ich im Augenblick noch nicht sagen.
Herr Staatssekretär, läßt sich überblicken, ob durch das 12. Zolländerungsgesetz oder durch die 16. Verordnung zur allgemeinen Zollordnung in einem gewissen Maß eine Entlastung des Personals eintritt?
Sicherlich werden nicht nur durch die von Ihnen angezogenen Verordnungen, sondern insgesamt durch die Entwicklung in manchen Bereichen Entlastungen eintreten. Es wird auf der anderen Seite — denken Sie nur an unsere Außenwirtschaft mit den steigenden Ausfuhren — aber auch eine Reihe von Dingen geben, die wiederum eine Mehrbelastung der Zollstellen mit sich bringen.
Ich .rufe die Frage 38 des Abgeordneten Fritsch auf:
Trifft es zu, daß die durch EWG-Einfuhren besonders stark betroffenen Oberfinanzdirektionen Münster, Düsseldorf, Köln, Koblenz, Saarbrücken und Freiburg unter erheblichem Personalmangel leiden?
Diese zweite Frage beantworte ich mit Ja.
Eine Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, glauben Sie, daß über die Möglichkeit der Abordnung vermieden werden kann, daß Versetzungen — insbesondere, soweit ich im Bilde bin, im mittleren Dienst — mit all den dabei auftretenden Schwierigkeiten erfolgen müssen?
Herr Kollege Fritsch, Sie kennen meine Antwort, die ich einmal vor einigen Wochen — ich glaube, Ihnen oder dem Kollegen Weigl — in dieser Frage gegeben habe. Natürlich müssen wir dafür sorgen, daß dort, wo Personalmangel aufgetreten ist und wo wir eben die Leute brauchen, um eine reibungslose Abfertigung sicherzustellen, dieser Mangel behoben wird. Dabei sind unter Umständen auch für den einzelnen, persönlichen Fall schwerwiegende Maßnahmen notwendig. Aber wo ist es nicht so — auch in anderen Bereichen unserer Wirtschaft —, wo man gewisse
Eingriffe vornehmen muß, wenn man die Dinge wieder in Ordnung bringen will?
Welche Oberfinanzdirektionen, Herr Staatssekretär, hätten dabei besonders zu befürchten, Personal abgeben zu müssen?
Das kann ich im Augenblick noch nicht sagen, Herr Kollege Fritsch.
Ich rufe die Frage 39 des Abgeordneten Fritsch auf:
Wie hoch ist der Personalfehlbestand bei den genannten Oberfinanzdirektionen?
Herr Kollege Fritsch, ich kann Ihnen auf Ihre dritte Frage, die Sie gestellt haben — wobei Sie ja schon in Ihrer zweiten Frage die Oberfinanzdirektionen genannt haben, die insbesondere den Personalmangel haben —, antworten, daß bei diesen von Ihnen genannten Oberfinanzdirektionen insgesamt etwa 400 Beamte des Abfertigungsdienstes fehlen.
Herr Staatssekretär, kann man die Ursache dafür, daß 400 Beamte fehlen, auch darin suchen, daß die Nachwuchsfrage für die Bundeszollverwaltung besser zu regeln wäre hinsichtlich der Einstellungs-, Anstellungs- und Beförderungsmöglichkeiten?
Sicherlich hat die Zollverwaltung genauso wie viele andere Bereiche, insbesondere im öffentlichen Dienst mit der Frage des Nachwuchses zu tun. Das geht bis in die Ministerien hier in Bonn.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Fritsch.
Herr Staatssekretär, ist, sofern Versetzungen in manchen Fällen nicht vermeidbar sind, und davon — das ist meine ganz persönliche Erfahrung — auch Familienväter mit Kindern betroffen werden, damit zu rechnen, daß an den neuen Dienstorten Wohnungen für diese zu versetzenden Beamten bereitgestellt werden, und bestehen Überlegungen in dieser Richtung?
Unsere Bemühungen gehen insgesamt dahin, Herr Kollege Fritsch, daß wir nach Möglichkeit allzu große Härten vermeiden. Das umfaßt natürlich ein ganz weites Gebiet; angefangen von dem von Ihnen genannten Bemühen, Wohnungen zu besorgen, bis zu der Beurteilung des Einzelschicksals. Ich habe vor wenigen Wochen erklärt, daß wir uns bemühen, auf diese Fragen Rücksicht zu nehmen, soweit das irgendwie möglich ist.
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13838 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 247. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1969
Ich rufe die Frage 40 des Abgeordneten Dr. Hauser auf:
Welche Überlegungen haben das Bundesfinanzministerium veranlaßt, in seiner im Bundeszollblatt 1967, Seite 735 ff. verkündeten Dienstanweisung zu §§ 8, 9, 116, 117, 218 und 223 b der Brennereiordnung vom 23. Juni 1967 anzuordnen, daß ein Antrag auf Übertragung von Abfindungsbrennereien abzulehnen sei, wenn es sich um „vertraglich vom Anwesen ausgegliederte Parzellen" handelt und solche Grundstücke also einen neuen Betrieb nicht bilden können?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Ich möchte die beiden Fragen des Herrn Kollegen Dr. Hauser gemeinsam beantworten, wenn es gestattet wird.
Bitte! Dann rufe ich auch noch die Frage 41 des Abgeordneten Dr. Hauser auf:
Erscheint es nicht angebracht, die maßgeblichen brennereiwirtschaftlichen Gesichtspunkte so zu bestimmen, daß ein Bedürfnis zum Betrieb der zu übertragenden Brennerei als nachgewiesen gilt, wenn z. B. ein rechtlich selbständiger Grundstücksbesitz bei Verwertung der Obsternten aus selbständig bewirtschafteten Anlagen eine eigene Obstabfindungsbrennerei rechtfertigt?
Obstabfindungsbrennereien können auf ein anderes Grundstück übertragen werden. Dabei ist unter dem Grundstück das gesamte, eine wirtschaftliche Einheit bildende Anwesen zu verstehen.
Von einem Anwesen getrennte Parzellen können nicht als neue Grundstücke angesehen werden, solange sie keine eigene, in sich abgeschlossene selbständige Wirtschaftseinheit bilden. Die Übertragung einer Abfindungsbrennerei auf die zwar rechtlich, aber nicht wirtschaftlich abgetrennten Parzellen würde nämlich zu einer unzulässigen Erhöhung der monopolbegünstigten Erzeugungsgrenze führen, wenn vor der Teilung des Anwesens bereits eine Brennerei vorhanden war.
Werden dagegen mit der Teilung zwei wirtschaftlich völlig selbständige Betriebe geschaffen, was im einzelnen Fall zu prüfen ist, so können beide Betriebe eine Brennerei betreiben. Nur dann kann also auf den abgetrennten Grundstücksteil eine Abfindungsbrennerei übertragen werden.
Zusatzfrage, Herr Dr. Hauser!
Herr Staatssekretär, wissen Sie, daß die in Frage stehende Dienstanweisung mit dem besonders angesprochenen Passus von nachgeordneten Dienststellen überaus einengend gehandhabt wird, so daß es selbst dort schon zu Schwierigkeiten kam, wo etwa der alte Hofbauer seinen Besitz samt Brennerei — wie das üblich ist — an seinen Sohn übergab, sich einen Nießbrauch an einer ausreichenden Zahl von Grundstücken vorbehielt, damit eine Teilung des Betriebes durchführte, und hierfür dann die Übertragung eines eigenen Brennrechts beantragt hat?
Ich könnte mir vorstellen, Herr Kollege Dr. Hauser, daß es das gibt. Ich selber kenne im Augenblick einen solchen Fall nicht. Wir werden aber die heutige Fragestunde zum Anlaß nehmen, auch das zu prüfen.
Noch eine Frage, Herr Hauser.
Herr Staatssekretär, ist nach Ihrer Meinung eine geschlossene Wirtschaftseinheit, die eine eigene Abfindungsbrennerei rechtfertigt, nicht auch gegeben, wenn die entsprechende Größe durch Zupacht erreicht ist, und erscheint es nicht zu kleinlich, daß etwa nachgeordnete Dienststellen auf einmal als Bedingung für die Genehmigung zur Übertragung einer Brennerei die Erfüllung der Bestimmung des Landpachtgesetzes aus dem Jahre 1952 mit den dort unter ganz anderen Umständen eingesetzten Höchstfristen fordern?
Auch diese Frage werde ich prüfen. Ich muß allerdings gleichzeitig feststellen, Herr Kollege Hauser, daß wir natürlich auch darauf achten müssen, daß hier nicht unter Umständen Ausweitungen geschehen, die wir dann nicht mehr vertreten können.
Wir kommen zu den Fragen 42 bis 44 des Herrn Abgeordneten Dr. Schmidt , zunächst zur Frage 42:
Trifft es zu, daß nahezu täglich eine Tankstelle auf einen Blindenbetrieb umgestellt wird?
Bitte, Herr Staatsskeretär!
Zur ersten Frage des Herrn Kollegen Schmidt möchte ich folgendes feststellen: Der Bundesregierung ist dies nicht bekannt. Ich halte eine Zunahme der von Blinden betriebenen Tankstellen in dem Maße, das sich aus der Fragestellung ergibt, auch für unwahrscheinlich, nachdem den Oberfinanzdirektionen und Finanzämtern mit dem Erlaß vom 5. Februar 1969 und einem Ergänzungserlaß vom 10. März 1969 eine klare Richtlinie an die Hand gegeben worden ist. Es ist seitdem — so sind unsere Feststellungen — eine merkliche Beruhigung eingetreten. Lediglich aus einem Oberfinanzdirektionsbezirk, nämlich Münster, kommen gegenwärtig noch Klagen. Die Oberfinanzdirektion Münster ist bereits mit der Prüfung der einschlägigen Fälle befaßt.
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Schmidt.
Herr Staatssekretär, haben Sie nicht ausreichende Verbindungen zu den betroffenen Wirtschaftsverbänden, die mir unter anderem ein Verzeichnis von über hundert Tankstellen zugeleitet haben, von denen
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Dr. Schmidt
z. B. in einem Fall 15 Tankstellen zugunsten oder unter Herausstellung eines einzigen Blinden, aber von zehn Verwaltungsgesellschaften betrieben werden? So haben Sie in diesem Verzeichnis eine ganze Fülle von Tatbeständen. In diesem Verzeichnis ist z. B. dargestellt, daß, nachdem Sie die Aussetzung des Vollzugs Ihrer Anordnungen zur Vermeidung des Mißbrauchs zugelassen haben — —
Herr Kollege Schmidt, auf das Fragezeichen lossteuern, bitte!
Ja, ich hatte schon mit einer Frage begonnen, nämlich der Frage, ob das Ministerium nicht über die Unterlagen bzw. über Verbindungen zu den Wirtschaftsverbänden verfügt. Die geben solche Unterlagen doch nicht nur einem Abgeordneten in die Hand!
Ich darf konkret zu Ihrer Frage sagen: Natürlich haben wir auch unsere gewissen Verbindungen. Wir versuchen, auch in diesem Bereich am Mann zu bleiben — wenn ich mich so ausdrücken darf. Nach unseren Feststellungen ist es allerdings so, Herr Kollege Dr. Schmidt: Uns sind bisher fünf Firmen bekannt. Davon ist, wie Sie zu Recht sagen, die Zahl der Tankstellen zu unterscheiden. Nach den uns vorliegenden Informationen sind es knapp fünfzig. Wir sind der Meinung, daß gerade auf Grund des Erlasses vom Februar und des Ergänzungserlasses vom März die Zahl der Blindentankstellen rückläufig ist, zumindest auch dadurch, daß auf Grund von Maßnahmen, die wir getroffen haben, ein größeres Tankstellennetz im Raum Westfalen wieder von der Lieferantenfirma übernommen wurde und nicht mehr durch einen Blinden betrieben wird. Aber ich wäre dankbar, wenn Sie mir vielleicht Ihre Unterlagen zur Verfügung stellen könnten, damit wir die Sache auch auf Grund dieser Unterlagen prüfen können.
Dann Frage 43:
Trifft es zu, daß das Bundesfinanzministerium die Oberfinanzdirektionen angewiesen hat, Anträgen von Blindenunternehmen im Tankstellengewerbe, die nach § 4 Nr. 19 a UStG 1967 nicht steuerfrei sind, auf Aussetzung der Vollziehung von Umsatzsteuervorauszahlungen stattzugeben?
Eine allgemeine Anweisung an die Oberfinanzdirektionen zur Aussetzung der Vollziehung von Steuerbescheiden und Steuerfestsetzungen, die der blinde Unternehmer unter Berufung auf die ihm zustehende Steuerfreiheit angefochten hat, ist seitens des Bundesfinanzministeriums nicht ergangen. Das Bundesfinanzministerung ist aber der Auffassung, daß entsprechenden Anträgen der blinden Unternehmer stattgegeben werden sollte, um den rechtlichen Bedenken, die gegen den Erlaß vom 5. Februar 1969 vorgebracht werden und die einer vom Wortlaut des Gesetzes abweichenden Auslegung immer anhaften, Rechnung zu tragen. Das soll nicht heißen — diese Feststellung möchte ich hier treffen —, daß wir etwa meinten, unsere Verordnung wäre nicht Rechtens. Allerdings kommt eine Aussetzung der Vollziehung — und darauf lege ich besonderen Wert — nur gegen Sicherheitsleistungen in Betracht, da die streitigen Steuerbeträge meistens sehr hoch sind und der Erfolg einer späteren Beitreibung nicht gewährleistet ist.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schmidt.
Haben Sie feststellen können, Herr Staatssekretär, daß inzwischen an einer ganzen Reihe von Tankstellen steuerfreies Benzin unter Bezugnahme auf diese Bestimmung des Mehrwertsteuergesetzes angeboten wird, obwohl die Tankstelle in keiner Beziehung zu irgendeinem Blinden steht?
Die Feststellung, Herr Kollege Dr. Schmidt, habe ich selber noch nicht treffen können.
— Ich bin dankbar. Wenn wir dieses Material haben, werden wir das untersuchen.
Aber lassen Sie mich feststellen: diese Frage ist zu Recht aufgeworfen worden, und es ist eine unbefriedigende Geschichte, wenn hier Wege ausgenutzt werden, die man einfach als Mißbrauch bezeichnen muß. Wir werden von uns aus alles tun — ich habe das hier schon einmal erklärt —, damit bei nächstbester Gelegenheit im Gesetz klargestellt wird, daß ein solcher Mißbrauch in Zukunft nicht mehr möglich ist.
Eine Zusatzfrage, Herr Krammig.
Herr Staatssekretär, Sie sprachen soeben von einer Verordnung. Mir scheint Ihnen da ein Fehler unterlaufen zu sein. Es handelt sich um zwei Erlasse des Bundesministers der Finanzen. Weder der Wortlaut des § 4 Nr. 19 a noch seine Entstehungsgeschichte rechtfertigen es, diese Steuerzahler anders zu behandeln als andere. Darf ich die Frage anknüpfen, ob Ihre Antwort so zu verstehen ist, daß blinde Unternehmer genauso als Steuerpflichtige hinsichtlich der Aussetzung der Vollziehung behandelt werden wie alle anderen auch.
Genau das, Herr Kollege Krammig, wollte ich ausführen. Das ergibt sich auch aus der Antwort auf die dritte Frage des Herrn Kollegen Dr. Schmidt, die ich vielleicht gleich beantworten darf.
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13840 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 247. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1969
Wir kommen jetzt zu der Frage 44 des Herrn Abgeordneten Dr. Schmidt :
Steht eine derartige Anweisung nicht im Widerspruch zum
Erlaß des Bundesfinanzministeriums vom 5. Februar 1969?
Die Handhabung, die ich bei der Beantwortung der zweiten Frage dargelegt habe, entspricht den Vorschriften des § 242 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung bzw. des § 69 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung über die Aussetzung der Vollziehung streitiger Steuerforderungen und sichert gleichzetig den Steueranspruch des Fiskus, wie er auf Grund des Erlasses vom 5. Februar 1969 durch Steuerbescheid festgestellt wird.
Keine Zusatzfragen. Damit sind die Fragen aus diesem Geschäftsbereich beantwortet. Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Wir kommen nun zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Der Herr Bundesminister ist zur Beantwortung selber hier. Ich rufe zunächst die Frage 79 des Herrn Abgeordneten Reichmann auf.
Sind die wissenschaftlichen und praktischen Erfahrungen derart ausgereift, daß das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten die Möglichkeit, durch Harnstoff in Verbindung mit billigen Kohlenhydratfuttermitteln das pflanzliche Eiweiß zu ersetzen, als einen entscheidenden Faktor in der „Kritik und Alternative zum Mansholtplan" gegenüber den Vorschlägen zur Regelung des Öl- und Fettproblems benutzen kann?
Sie wird von Herrn Logemann übernommen. — Bitte, Herr Minister!
In der Darstellung „Der Mansholt-Plan — Kritik und Alternativen" ist auf Seite 22 darauf hingewiesen, daß die Milch- und Schlachtrinderproduktion von einer Verteuerung der Öl- und Eiweißfuttermittel am wenigsten betroffen sein würde, „weil in der Rindviehfütterung das pflanzliche Eiweiß in beträchtlichem Ausmaß durch Harnstoff in Verbindung mit billigen KohlehydratTrägern substituiert werden kann".
Hierzu darf ich noch ergänzend bemerken: Die Verwendung von Harnstoff in der Rindviehfütterung ist etwa seit der Jahrhundertwende bekannt und wurde auf Grund günstiger wissenschaftlicher Beurteilung in einem gewissen Umfang als Eiweißersatz der Wiederkäuer empfohlen. Dem ist auch futtermittelrechtlich Rechnung getragen; denn der Einsatz von Harnstoff ist beim normengemäßen Rindermastfutter bis zu 5 % und beim Milchviehfutter bis zu 3 % in der Bundesrepublik zugelassen worden. Abgesehen davon, daß diese Möglichkeit der Harnstoffverwendung in der Praxis derzeit noch nicht voll ausgeschöpft wird, ließe sich der Einsatz von Harnstoff als Eiweißersatz im. Rahmen von futtermittelrechtlichen Sondergenehmigungen gegebenenfalls noch erhöhen. Damit ist es der Futtermittelindustrie und den Landwirten möglich, die im Mansholt-Plan vorgeschlagene Verteuerung der öl- und eiweißhaltigen Futtermittel teilweise zu unterlaufen und auf den billigeren, jedoch gleich wirksamen Harnstoff als Ersatz für die verteuerten eiweißhaltigen Futtermittel auszuweichen. Das ist für sich allein kein entscheidender Faktor, aber sicherlich eine reale und ausnutzbare Möglichkeit, die mit einer Verteuerung von öl- und eiweißhaltigen Futtermitteln beabsichtigte Erhöhung der Produktionskosten für Milch- und Schlachtrinder in dem nicht zu unterschätzenden Bereich der Rindviehfütterung nicht voll wirksam werden zu lassen.
Eine Zusatzfrage, Herr Logemann.
Herr Minister, ich darf Ihrer Antwort wohl entnehmen, daß Sie unterstellen, daß durch eine Verteuerung von Ölkuchenschroten ein besonderer Anreiz zum Ersatz dieser eiweißhaltigen pflanzlichen Futtermittel durch Harnstoffe gegeben sein wird.
Das muß man abwarten, aber es wäre bei ökonomischer Betrachtung durchaus möglich.
Noch eine Frage, Herr Logemann.
Herr Minister, sehen Sie denn überhaupt noch in einer Verteuerung der Ölkuchenschrote angesichts des eben erwähnten möglichen Ersatzes dieses pflanzlichen Eiweißfuttermittels durch Harnstoffe eine wirksame Maßnahme zur Verminderung der Milchproduktion?
Ich glaube nicht, daß die beabsichtigte Verteuerung so, wie sie von der Kommission vorgeschlagen worden ist, diesen Effekt haben wird. Es geht auch um finanzpolitische Überlegungen von seiten der Kommission. Die Bundesregierung hat sich bisher nicht zustimmend zu diesen Vorschlägen geäußert.
Ich rufe die Fragen 80 bis 82 des Abgeordneten Biechele auf:
Erlauben die bisherigen Ergebnisse der wissenschaftlichen Untersuchungen der Außenstelle Weißenau des Astronomischen Instituts der Universität Tübingen den Schluß, daß die Hagelabwehr, vor allem zum Schutze der Obstanbaugebiete, erfolgreich mit Raketen betrieben werden kann?
Ist die Bundesregierung bereit, diese wissenschaftlichen Untersuchungen zu fördern?
Werden in anderen Ländern ebenfalls Versuche zur Hagelabwehr durchgeführt?
Die Fragen werden auf seinen Wunsch schriftlich beantwortet. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Wir kommen zu den Fragen 83 bis 85 des Herrn Abgeordneten Müller :Welche Konsequenzen gedenkt die Bundesregierung daraus zu ziehen, daß bei Ausfuhren von Getreideerzeugnissen geringe Abweichungen von der „Erstattungsverordnung Getreide, Reis,
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 247. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1969 13841
Vizepräsident Dr. MommerSchweinefleisch, Eier, Geflügelfleisch und Fett" zur Verweigerung der Erstattung und zu langwierigen Prozessen führen, obgleich bei unterschiedlichen Analysenergebnissen mindestens der Erstattungssatz der Erstattungsstufe gewährt werden könnte, den die Verwaltung als erfüllt ansieht, und somit lediglich wegen der Differenz zu streiten wäre?Sieht die Bundesregierung ein, daß die großen bis zu 50 % betragenden Unterschiede zwischen dem innergemeinschaftlichen und dem Weltmarktpreisniveau für den Exporteur zum wirtschaftlichen Ruin führen können, wenn bei geringfügigen Abweichungen Erstattungen prinzipiell verweigert werden und somit gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen wird?Ist die Bundesregierung bereit, darauf hinzuwirken, daß die Untersuchungen bei Ausfuhren so beschleunigt werden, daß Wartezeiten von 12 und mehr Monaten ausgeschlossen sind und bei amtlicher Musterziehung auch dem Exporteur ein Muster ausgehändigt wird?
Ich bitte, mir zu gestatten, die beiden ersten Fragen wegen des Sachzusammenhanges gemeinsam zu beantworten und die dritte Frage anschließend.
Zu den Fragen 1 und 2 darf ich folgendes sagen. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die Verweigerung der Erstattung eine Härte bedeuten kann, wenn die ausgeführte Ware nur geringfügig von der in der Ausfuhrlizenz angegebenen abweicht. In diesen Fällen sollte die Erstattung für die Qualität gegeben werden, die tatsächlich ausgeführt worden ist. Bislang stehen einer solchen Regelung das geltende Recht und die Rechtsprechung der deutschen Gerichte entgegen.
Die Bundesregierung hat im April 1969 bei der Kommission eine entsprechende Ergänzung der einschlägigen Verordnung Nr. 473/67/EWG beantragt. Die Kommission hat nach eingehender Aussprache im Verwaltungsausschuß Getreide zugesagt, einen Vorschlag baldmöglichst vorzulegen. Eine alle Beteiligten befriedigende Lösung ist allerdings schwierig, weil bei zu großzügiger Handhabung die Gefahr des Mißbrauchs besteht.
Die Bundesregierung hat ihrerseits national für Mehl, Grütze und Grieß von Mais sowie für geschälten Hafer, bei denen am häufigsten Schwierigkeiten aufgetreten sind, eine vorläufige Regelung getroffen. Sie ist durch Bekanntmachung der Einfuhr- und Vorratsstelle für Getreide und Futtermittel im Bundesanzeiger Nr. 63 vom 1. April 1969 publiziert worden.
Zur dritten Frage: Bei den Untersuchungen für Ausfuhrerstattungen vergehen zwischen dem Eingang der Probe und der Erstattung des Gutachtens regelmäßig nur knapp zwei Wochen. Eine Wartezeit von 12 Monaten ist mir nur bekanntgeworden beim Verlust von Ausfuhrpapieren.
Bei der amtlichen Probenahme werden zwei Muster gezogen, von denen eines bei der Zollstelle verbleibt und in Zweifelsfällen zur Verfügung steht. Es ist den Exporteuren freigestellt, eine weitere Probe für sich zu ziehen.
Eine Zusatzfrage, Herr Müller .
Herr Bundesminister, ist Ihnen bekannt, daß im Falle eines Hamburger Exporteurs von der Verwaltung der Vorschlag gemacht worden ist, so zu verfahren, wie Sie eben vorgeschlagen haben, daß nämlich bei einer geringfügigen Abweichung der Ausgleich auf der nächstniedrigeren oder -höheren Stufe zu erfolgen hat, daß dann aber der Exporteur die Verpflichtung eingehen mußte, über die Differenz keine Klage zu führen?
Der Fall ist mir nicht bekannt. Ich bin gern bereit, ihn zu untersuchen.
Noch eine Zusatzfrage, Herr Müller .
Den gleichen Fall betrifft es auch, daß eine Erstattung in der Größenordnung von 4,5 Millionen 18 Monate später zunächst zurückgefordert wurde, daß dieser Betrag nach langwierigen Verhandlungen jedoch erlassen worden ist. Ist Ihnen das bekannt?
Nein, aber Herr Kollege, wir müssen ja immer mit menschlichen, mit allzu menschlichen Dingen rechnen. Davon werden wir nie ganz befreit sein.
Noch eine Frage, Herr Müller.
Herr Bundesminister, darf ich zu meiner Befriedigung aus Ihren Ausführungen entnehmen, daß auf Grund der von Ihnen getroffenen neuen Regelung solchen Erscheinungen in der Zukunft im wesentlichen wird vorgebeugt werden können?
Ja.
Ich rufe Frage 86 des Herrn Abgeordneten Weigl auf:
Bis wann dürfte sich eine zu erwartende Entscheidung der EWG-Kommission so auswirken, daß in allen EWG-Ländern die Milch Tbc-frei aus den Kuhställen zur Vermarktung geliefert wird?
Bisher bestehen keine Vorschriften der Gemeinschaft, nach denen innerhalb der Mitgliedstaaten nur Milch zur Vermarktung geliefert werden darf, die aus tuberkulosefreien Rinderbeständen stammt. In allen Mitgliedstaaten bestehen aber staatliche Verfahren zur Bekämpfung der Rindertuberkulose. Mit Hilfe dieser Verfahren sind in einigen Ländern die Rinderbestände ganz, in den übrigen der größere Teil frei von Tbc geworden. Gegenwärtig wird in Brüssel beraten, welche gesundheitlichen und tierseuchenrechtlichen Anforderungen für Milch und Milcherzeugnisse im innergemeinschaftlichen Handel zu stellen sind. Bis zum Inkraftreten einer solchen gemeinschaftlichen Vorschrift behalten die nationalen Bestimmungen Gültigkeit. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß
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13842 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 247. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1969
Bundesminister Höcherlin der ganzen Gemeinschaft möglichst bald nur Milch zur Vermarktung kommen darf, die aus tuberkulose- und brucellosefreien Beständen stammt.
Eine Zusatzfrage, Herr Weigl.
Herr Minister, würde die Abschlachtung aller noch nicht Tbc-freien Kühe im EWG-Bereich zu einer wesentlichen Reduzierung der Überproduktion auf dem Milchsektor führen?
Ich kenne die genauen Zahlen über die Tbc-Bestände in anderen Ländern nicht. Aber das wäre zweifellos ein Reduktionsmittel, aber ein ziemlich teures, bei dem wir kostenmäßig wahrscheinlich beteiligt würden.
Noch eine Frage, Herr Weigl? — Keine Frage. Bitte, Herr Bauer.
Herr Minister, ist sichergestellt, daß mit der vermutlich eines Tages kommenden Abschlachtungsaktion wenigstens der Effekt verbunden wird, daß man nicht wahllos Tierbestände abschlachtet, sondern in erster Linie solche noch nicht gesunden Bestände in anderen Ländern?
Die Abschlachtungsaktion soll mit der Aufgabe der Milchproduktion verbunden sein. Man kann hier nicht eine zweite Kategorie einführen, weil sonst der Haupteffekt nicht erzielt wird. Aber es gibt gar keinen Zweifel, daß mit einer solchen Abschlachtungsaktion erfreulicherweise auch dieser Nebeneffekt verbunden sein wird.
Noch eine Frage, Herr Bauer.
Ist Ihnen bekannt — ich bin sicher, es ist Ihnen bekannt —, daß gerade Tierbestände, die solche Erkrankungen aufweisen, nicht immer die schlechtesten Milchtiere sind? Das hat sich auch bei uns in der Bundesrepublik bei der Sanierung der Bestände ergeben. Von daher dürften beide Zwecke miteinander zu verbinden sein.
Ja, man wird sie pragmatisch verbinden müssen.
Herr Unertl zu einer Zusatzfrage.
Sind in Ihrem Hause Überlegungen in der Form im Gange, daß man auch prüft, ob diese Abschlachtungsprämie nicht in der Form einer Erstattung gewährt werden könnte und damit ein Export von hochwertigem Milchvieh in Länder wie Nordafrika möglich wäre?
Mir ist das Motiv Ihrer Frage durchaus bekannt. Wenn man aber Abschlachtung und Prämien parallel hat, ist das noch viel besser als Erstattung an Stelle von Abschlachtung.
Noch eine Frage, Herr Unertl.
Herr Bundesminister, um auf die Frage von Herrn Weigl noch einmal einzugehen: Bis wann ist damit zu rechnen, daß in der EWG-Kommission für alle in der EWG zusammengeschlossenen Länder einheitliche Veterinärbestimmungen kommen?
Die Deutschen sind der drängende Teil. Ihre Frage, Herr Kollege, ist eine Frage an meine prophetische Gabe, und die ist nicht sehr entwickelt. Wir können nur drängen. Es wird soweit sein, wenn die anderen fünf zustimmen.
Herr Gleissner fragt weiter.
Herr Bundesminister, ist Ihnen bekannt, warum bayerische Molkereien Aufdrucke auf ihren Butterpackungen, die für Qualität werben und wichtig sein können, wie z. B. „Tbcfrei", wieder entfernen und das Material vernichten mußten?
Weil bei uns „Tbc-frei" selbstverständlich ist.
Noch eine Frage, Herr Gleissner.
Wäre aber diese Werbung „Tbc-frei" etc. nicht im Sinne des Milchabsatzes und im Interesse unserer Erzeuger und Verbraucher werbewirksam und erfreulich?
Ich hätte nichts dagegen.
Herr Unertl, Ihr Kontingent ist erschöpft; es tut mir leid.Die Fragen aus dem Geschäftsbereich sind beantwortet. Vielen Dank, Herr Minister.Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft. Zur Beantwortung ist Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Arndt anwesend.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 247. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1969 13843
Vizepräsident Dr. MommerIch rufe zunächst die Fragen 46 bis 48 der Frau Abgeordneten Blohm auf:Trifft es zu, daß ein Staatssekretär des Bundeswirtschaftsministeriums versucht hat, • den Vorstand der Stiftung Warentest zum Rücktritt zu bewegen?Wenn ja, was waren die Motive?Wie vereinbart sich dieses Vorgehen mit dem bei der Errichtung der Stiftung von der Stifterin ausdrücklich erklärten Willen zur völligen Unabhängigkeit der Stiftungsorgane?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, darf ich die Fragen 46 bis 48 zusammen beantworten?
Wenn Frau Blohm einverstanden ist, bitte. — Sie widerspricht nicht.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es trifft nicht zu, daß ein Staatssekretär des Bundesministeriums für Wirtschaft versucht hat, den Vorstand zum Rücktritt zu bewegen. Der Hergang ist vielmehr folgender. Anläßlich der Beratungen über die Mittel für die Stiftung Warentest hatten im vergangenen Jahr sowohl der Haushaltsausschuß als auch der Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen dieses Hohen Hauses eine wirksamere und handlungsfähigere Ausgestaltung der Stiftung Warentest gefordert. Der Vorstand der Stiftung schlug hierauf eine Satzungsänderung vor. In dieser war u. a. vorgesehen, den derzeitigen Vorstand zu einem Verwaltungsrat mit Aufsichtsratsfunktionen umzugestalten. Die Mehrheit des Vorstands der Stiftung Warentest stand dabei auf dem Standpunkt, daß nach Annahme dieser neuen Satzung der bisherige Vorstand zurücktreten sollte. Diese Aufassung wurde dann schließlich vom gesamten Vorstand akzeptiert. Am 23. Juni 1969 hat der Vorstand der Stiftung in einer internen Beratung die neue Satzung einstimmig angenommen. Er wird auf eigenen Wunsch zum 1. Januar 1970 zurücktreten.
Herr Dr. Elbrächter, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wenn ich Sie recht verstanden habe, hat der Staatssekretär im Wirtschaftsministerium nicht den gesamten Vorstand kontaktiert und versucht, ihn zum Rücktritt zu bewegen. Ist aber einzelnen Vorstandsmitgliedern in dieser Weise nahegelegt worden — ich möchte das Wort „Druck" vermeiden —, zurückzutreten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Elbrächter, die Mehrheit des Vorstands und auch alle Gruppen, die im Wirtschafts- und Verbraucherausschuß der Stiftung vertreten waren, standen auf dem Standpunkt, daß nach Annahme einer neuen Satzung, die für einen Vorstand ein völlig neues Betätigungsfeld und völlig andere Funktionen vorsieht, der alte Vorstand, der unter ganz anderen
Voraussetzungen verpflichtet worden ist, zurücktreten sollte. Das ist auch die Meinung des Bundesministers für Wirtschaft.
Noch eine Frage, Herr Elbrächter.
Ist es möglich, die neue Satzung der Stiftung Warentest kennenzulernen, und sind Sie bereit, diese Satzung den Fraktionen zuzuleiten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Selbstverständlich, Herr Kollege Elbrächter! Meines Wissens. ist das auch bereits geschehen. Es wird nur in dem Gedränge der letzten beiden Wochen nicht mehr zu der notwendigen Beratung im Haushaltsausschuß kommen können. Es wird dem sechsten Deutschen Bundestag vorbehalten bleiben müssen, die entsprechenden Konzequenzen zu ziehen.
Eine weitere Zusatzfrage, zunächst Herr Barche.
Herr Staatssekretär, die Aufgaben des Vorstands und der Geschäftsführung der Stiftung Warentest sind in der Satzung bisher nicht klar genug voneinander getrennt. Das hat die Arbeit der Stiftung erschwert. Hat die Bundesregierung bei der Konzipierung der neuen Satzung dafür Sorge getragen, daß eine klare Trennung zwischen den Aufgaben des Kontrollorgans Vorstand und des Leitungsorgans Geschäftsführung besteht?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege, die neue Satzung ist ein Vorschlag des Vorstands. In diesem Vorschlag wird meines Erachtens mit Erfolg versucht, diese Trennung herbeizuführen. Das Dilemma der alten Satzung besteht darin, daß es ein Vorstand mit ehrenamtlichen Aufgaben war und die Geschäftsführung eigentlich das zu erledigen hatte, was normalerweise der Vorstand einer derartigen Institution zu tun hat. Dieser Dualismus ist in der neuen Satzung vermieden. Es wird ein festbesoldeter Vorstand sein, und es wird darüber hinaus einen Aufsichtsrat und ein Kuratorium geben. Ich bin sicher, daß wir im Herbst in den zuständigen Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu einer Beratung über diese neue Satzung kommen werden.
Eine Zusatzfrage, Frau Blohm.
Herr Staatssekretär, ich hätte gern noch gewußt, wann die neue Satzung in Kraft treten soll.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die neue Satzung wird erst dann in Kraft treten können — so ist es konzipiert —, nachdem dieses Haus zumindest
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13844 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 247. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1969
Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Arndtdurch die beiden zuständigen Ausschüsse seine Auffassung zu der neuen Satzung geltend gemacht hat. Es ist klar, eine Stiftung wie die Stiftung Warentest ist unabhängig, aber sie erhält nennenswerte öffentliche Dotationen im Jahr, und ein gewisses Maß an Konsultationen mit der geldgebenden Instanz, also mit diesem Hohen Haus, ist wahrscheinlich auch in Zukunft unbedingt notwendig.
Noch eine Frage, Frau Blohm.
Herr Staatssekretär, mir schien die Frage, die Herr Dr. Elbrächter gestellt hatte, doch nicht ganz richtig oder nicht vollständig beantwortet, und ich hätte deshalb gerne noch gewußt: Ist es nicht so gewesen, daß der Staatssekretär des Hauses — ob mit Wissen oder ohne Wissen seines Ministers, kann ich nicht beurteilen — einzelne Mitglieder des Vorstandes angerufen und mit ihnen gesprochen hat, daß es doch gut wäre, wenn sie von sich aus den Beschluß faßten zurückzutreten, und wie ist dieser Beschluß insgesamt zustande gekommen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Beschluß ist ein Beschluß des Vorstandes, und zwar der Mehrheit des Vorstandes, und besagt: Wenn das in Zukunft keine ehrenamtliche, sondern eine besoldete Funktion ist, müssen wir von neuen Gegebenheiten ausgehen, müssen wahrscheinlich neue Verträge möglicherweise mit neuen Persönlichkeiten geschlossen werden. Es ist selbstverständlich, daß der Bundesminister für Wirtschaft — durch wen auch immer befragt; in diesem Falle auf dem Wege über einen Staatssekretär befragt — sagt, daß dies der einzig mögliche Weg ist.
Noch eine Frage, Frau Blohm.
Herr Staatssekretär, Sie haben meine Frage und auch die Frage von Herrn Dr. Elbrächter immer noch nicht beantwortet. Ich hätte gern gewußt, ob der Staatssekretär mit einzelnen Vorstandsmitgliedern, bevor der Beschluß gefaßt worden ist, die Rücktrittsabsicht telefonisch besprochen hat.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das ist mir nicht bekannt, Frau Kollegin Blohm.
Eine Zusatzfrage von Herrn Lenders.
Herr Staatssekretär, nach der bisherigen Satzung der Stiftung ist die Verabschiedung einer neuen Satzung eigentlich Aufgabe sowohl des bisherigen Vorstandes als auch der Stifterin, der Vorstand muß das also im Einvernehmen mit der Stifterin machen. Sind Sie sicher, daß die Verabschiedung der neuen Satzung nicht vor Herbst erfolgt, d. h. bis die zuständigen Ausschüsse des Bundestages dazu Stellung genommen haben? Ich persönlich bin nicht so sicher. Würden Sie das bitte einmal prüfen lassen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Selbstverständlich, Herr Kollege Lenders. Der Bundeswirtschaftsminister, das zuständige Ministerium im Rahmen der Bundesregierung, wird in dieser Richtung Erkundigungen einziehen.
Noch eine Frage, Herr Lenders.
Für den Fall, .daß es vorher zu einer Verabschiedung der neuen Satzung käme, was durchaus Rechtens wäre, darf ich Sie fragen, Herr Staatssekretär: Wären Sie bereit, darauf hinzuwirken, daß entsprechend dem Beschluß des Deutschen Bundestages vom 15. Januar 1969 im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Textilkennzeichnungsgesetzes dafür Sorge getragen wird, daß in der neuen Satzung für die Stiftung Warentest die Möglichkeit eröffnet wird, auch Qualitätskennzeichen oder Qualitäts- oder Gütesiegel zu vergeben?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Lenders, ich kann mir einfach nicht vorstellen — das mag aber an meiner Phantasie liegen —, daß diese Satzung autonom in Kraft gesetzt wird, ohne mit der geldgebenden Körperschaft, und das ist der Deutsche Bundestag, vertreten durch seine Ausschüsse, Fühlung genommen zu haben.
Vielen Dank für die Beantwortung dieser Fragen, Herr Staatssekretär.Ich rufe dann die Fragen 49, 50 und 51 des Abgeordneten Dr. Hammans auf:Ist es unter Bezugnahme auf meine Fragen in der Fragestunde am 27. März 1969 inzwischen zu den gegenseitigen Berichterstattungen über die tatsächlichen Beihilfen für Investitionen und Infrastrukturmaßnahmen durch die einzelnen EWG-Mitgliedstaaten gekommen?Wann wird die Angelegenheit im Ministerrat behandelt?Wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, als ersten Schritt zur Harmonisierung der Beihilfenpraxis eine Subventionsbeschränkung der Höhe nach zu vereinbaren, damit das Überbieten der Mitgliedstaaten aufhört?Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Arndt vom 2. Juli 1969 lautet:Die Kommission überprüft laufend die Beihilfesysteme der Mitgliedstaaten. Erst vor kurzem wurden die deutschen Beihilfen von den Mitgliedstaaten gemeinsam mit der Kommission erörtert. Infrastrukturmaßnahmen sind nicht Gegenstand dieser Beratungen, da sie dem Beihilfenverbot des Art. 92 EWG-Vertrag nicht unterliegen.Parallel zu diesen zu beantragenden Prüfungen bemüht sich die Kommission, ein Verfahren zu entwickeln, in dem wichtige Einzelfälle vorab gemeldet und geprüft werden. Die Bundesregierung ist damit einverstanden; sie ist auch bereit, Vorschläge für eine generelle Beschränkung von Beihilfen in der Gemeinschaft zu erörtern.Gegenwärtig läßt sich noch nicht übersehen, ob ein neues Prüfungsverfahren durch eine Verordnung oder durch eine Entscheidung der Kommission in Kraft gesetzt werden soll.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 247. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1969 13845
Vizepräsident Dr. MommerIch rufe die Fragen 52 und 53 des Abgeordneten Raffert auf:Ist der Bundesregierung bekannt, daß im Haushalt der Filmförderungsanstalt für das Jahr 1969 nur 1870,— DM als Zusatzbeträge für die Förderung von Prädikatsfilmen und anderen Filmen nach § 9 Abs. 1 des Filmförderungsgesetzes ausgewiesen werden konnten?Welche Folgerungen zieht die Bundesregierung aus dieser Tatsache, die dem Sinn des Filmförderungsgesetzes, „die Qualität des deutschen Films auf breiter Grundlage zu steigern" , entgegensteht?Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Arndt vom 2. Juli 1969 lautet:Der Bundesregierung ist bekannt, daß im Haushalt der Filmförderungsanstalt für das Jahr 1969 insgesamt nur 1870,— DM für Zusatzbeträge gemäß § 9 Filmförderungsgesetz zur Verfügung stehen, d. h. für eine zusätzliche Förderungshilfe an die Hersteller prädikatisierter oder sogenannter guter Unterhaltungsfilme.Die Bundesregierung prüft gegenwärtig, welche Konsequenzen aus dieser Haushaltssituation der Filmförderungsanstalt gezogen werden müssen, um den vom Gesetzgeber in § 2 Abs. 1 Nr. 1 FFG erstrebten Erfolg zu erzielen, die Qualität des deutschen Films auf breiter Grundlage zu steigern.Ich rufe die Fragen 54 und 55 des Abgeordneten Dr. Meinecke auf:Wieviel prädikatisierte Filme konnten bislang nicht aus Mitteln der Filmförderungsanstalt gefördert werden, weil sie die für diese Filme vorgesehene Einspielergebnisgrenze von 300 000 DM nicht erreicht haben?Welche Maßnahmen kann die Bundesregierung ergreifen oder vorschlagen, um möglichst sicherzustellen, daß Prädikatsfilme die Forderung nach dem Filmförderungsgesetz erhalten?Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt.Eine Förderungshilfe aus Mitteln der Filmförderungsanstalt wird dem Hersteller eines Prädikatsfilms gezahlt, sobald er nachweist, daß sein Film innerhalb von zwei Jahren nach seiner Erstaufführung in einem Filmtheater in der BRD einschließlich des Landes Berlin Bruttoverleiheinnahmen in Höhe von mindestens 300 000 DM hat. Bei Dokumentarfilmen stehen ihm hierfür sogar 5 Jahre zur Verfügung.Von den 40 seit dem 1. Januar 1967 in der BRD einschließlich des Landes Berlin erstaufgeführten Prädikatsfilmen haben bereits 17 Filme diese Voraussetzungen erfüllt. Bei 2 Prädikatsfilmen konnten die nach dem Gesetz erforderlichen Bruttoverleiheinnahmen innerhalb der genannten Zweijahresfrist nicht eingespielt werden. Bei den übrigen 21 läuft diese Frist noch.Die Bundesregierung prüft gegenwärtig, ob die bisher schon im Filmförderungsgesetz enthaltene Ausnahmevorschrift für jährlich 3 mit dem Prädikat „besonders wertvoll" ausgezeichnete Filme auf die Dauer ausreicht, um den Prädikatsfilm der Systematik des Gesetzes folgend günstiger zu stellen.Ich rufe die Fragen 56 und 57 des Abgeordneten Ravens auf:Hält die Bundesregierung das gegenwärtige Auslandsnetz der Exportunion der deutschen Filmindustrie e. V. für ausreichend, um den deutschen Film im Ausland erfolgreich anbieten und angemessen repräsentieren zu können?Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, um die Organisation und Finanzierung der Exportunion der deutschen Filmindustrie e. V. zu verbessern?Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt.Selbständige Vertretungen des deutschen Films im Ausland bestehen nicht. Die Bundesregierung fördert jedoch durch Zuschüsse das Entsenden von Vertretern der Export-Union der deutschen Filmindustrie e. V. nach London, Paris, Rom, Madrid, Buenos Aires und Rio de Janeiro.Ausstattung und Ausstellungsmöglichkeiten dieser Vertretungen genügen nicht. Ferner erscheint die Errichtung von Vertretungen in Tokio, New York, Stockholm, Hongkong und zumindest in einer der osteuropäischen Hauptstädte wünschenswert. Das Bundesministerium für Wirtschaft hat die Filmförderungsanstalt unter Hinweis auf deren gesetzlichen Auftrag nach § 2 Abs. 1 Nr. 6 Filmförderungsgesetz aufgefordert, hierfür Vorschläge zu unterbreiten.Ich rufe die Frage 58 des Abgeordneten Zebisch auf:In welcher Weise wird die Bundesregierung die Hochkonjunktur zur Intensivierung der regionalen und sektoralen Strukturpolitik nutzen?Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Arndt vom 2. Juli 1969 lautet:Die Bundesregierung hat in den letzten Monaten verschiedene Maßnahmen ergriffen, um die Kräfte der Hochkonjunktur auch für die Strukturpolitik zu nutzen. In diesem Zusammenhang möchte ich u. a. erwähnen, daß das Regionale Förderungsprogramm einmalig in diesem Jahr aus Mitteln des binnenwirtschaftlichen Absicherungsprogramms um 150 Mio DM auf 320 Mio DM aufgestockt wurde. Bei der Fortschreibung der mehrjährigen Finanzplanung des Bundes wird noch zu prüfen sein, in welcher Höhe das Regionale Förderungsprogramm auch in den folgenden Monaten aufgestockt werden kann.Des weiteren wurden die Richtlinien des Regionalen Förderungsprogramms erheblich verbessert und die früher übliche Förderung mit zinsgünstigen Krediten voll durch die wirksamere Zuschußförderung ersetzt.Das Hohe Haus hat ferner vor einigen Tagen als neues Finanzierungsinstrument für die Strukturpolitik eine 10%-Investitionszulage rückwirkend ab 1. Januar 1969 beschlossen.Zusammen mit den Regionalen Aktionsprogrammen, die zur Zeit von den Ländern erarbeitet werden, sind damit sowohl in finanzieller wie auch in organisatorischer und planerischer Hinsicht die Weichen gestellt, um die gegenwärtige Konjunkturlage zur Verbesserung der Regionalstruktur zu nutzen.Ich rufe die Fragen 59 und 60 des Abgeordneten Seifriz auf:Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß im Rahmen dieses Aktionsprogrammes der Unterweserraum ein Schwerpunktgebiet der industriellen Entwicklung sein muß?Teilt die Bundesregierung unsere Auffassung, daß eine von den beteiligten Bundesländern und Landkreisen zu gründende „Entwicklungsgesellschaft Unterweser" einer beschleunigten und gezielten Erschließung und wirtschaftlichen Entwicklung des Unterweserraums dienlich sein würde, und ist die Bundesregierung bereit, die Gründung und die Arbeit einer solchen Gesellschaft zu unterstützen?Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Arndt vom 2. Juli 1969 lautet:In dem Regionalen Aktionsprogramm „Nord- und West-Niedersachsen" wird, Auskünften der Niedersächsischen Landesregierung zufolge, der Bedeutung des Unterweserraumes durch die Festlegung von gewerblichen Schwerpunktorten und von Förderungsmaßnahmen und -mitteln entsprechend Rechnung getragen werden.Im Rahmen dieses Programms könnte eine von den beteiligten Ländern und Landkreisen zu gründende Entwicklungsgesellschaft Unterweser ein geeignetes Instrument der Wirtschaftsförderung sein. Darüber müssen sich jedoch zunächst Niedersachsen und Bremen verständigen.Sobald das Ergebnis vorliegt, wird die Bundesregierung unverzüglich prüfen, in welcher Weise die Gesellschaft gegebenenfalls durch den Bund unterstützt werden könnte.Ich rufe die Frage 61 des Abgeordneten Ravens auf:Hat die Landesregierung Niedersachsen das seit längerem angekündigte Regionale Aktionsprogramm für Nordwest-Niedersachsen unter Einschluß des gesamten Regierungsbezirks Stade inzwischen dem Bundeswirtschaftsminister vorgelegt?Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt.Die Niedersächsische Landesregierung hat das Regionale Aktionsprogramm „Nord- und West-Niedersachsen" dem Bundeswirtschaftsminister bisher noch nicht vorgelegt. Nach Auskunft des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft und Verkehr soll das Programm am 4. Juli 1969 zwischen den beteiligten Ressorts abschließend erörtert und dann unverzüglich dem Bundesminister für Wirtschaft zugeleitet werden.Nach dem Entwurf soll der gesamte Regierungsbezirk Stade in das Regionale Aktionsprogramm „Nord- und West-Niedersachsen" einbezogen werden.
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13846 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 247. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1969
Vizepräsident Dr. MommerWir haben noch einige Minuten für die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung. Zur Beantwortung ist der Herr Parlamentarische Staatssekretär Adorno hier. Ich rufe zunächst die Fragen 62, 63 und 64 des Abgeordneten Dr. Kreutzmann auf:Trifft es zu, daß eine wesentliche Erweiterung des Truppenübungsplatzes Schwarzenborn im Knüllgebiet beabsichtigt ist?Ist es der Bundesregierung bekannt, daß seitens der hessischen Landesregierung und der kommunalen Behörden des Knüllgebiets ein Knüllentwicklungsplan geschaffen wurde, in dessen Rahmen bereits erhebliche finanzielle Investitionen zum Ausbau des Knülls als Fremdenverkehrsgebiet vorgenommen wurden?Ist es der Bundesregierung bekannt, daß bei dem dünnen industriellen Besatz des Knüllgebietes der Fremdenverkehr eine entscheidende Grundlage der Existenz- und Lebenssicherung der dortigen Bevölkerung darstellt?Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Präsident, ich würde die drei Fragen wegen ihres Sachzusammenhanges gerne zusammen beantworten.
Der Fragesteller ist einverstanden.
Herr Kollege, wegen des großen Mangels an Übungsplätzen prüft die Bundeswehr seit Jahren laufend, in welcher Weise zusätzliche Übungsmöglichkeiten geschaffen werden können. In diesem Zusammenhang werden auch Überlegungen angestellt, bestehende Truppenübungsplätze in geeigneter Weise zu erweitern. Ob eine solche Erweiterung für den Truppenübungsplatz Schwarzenborn anzustreben ist, wird zur Zeit überprüft. Sollte diese Überprüfung aus militärischer Sicht ein positives Ergebnis haben, wird im Raumordnungsverfahren nach dem Landbeschaffungsgesetz die Landesregierung eingeschaltet werden, um die Belange der Zivilbevölkerung zu vertreten.
Der Bundesregierung ist bekannt, daß die hessische Landesregierung einen Entwicklungsplan für das Knüllgebiet vorsieht. Einzelheiten, insbesondere über Investitionen, liegen dem Bundesministerium der Verteidigung nicht vor.
Der Bundesregierung ist auch der von Ihnen, Herr Kollege, angesprochene Fremdenverkehr bekannt. Diese Frage würde eventuell von der Landesregierung im Raumordnungsverfahren anzusprechen sein.
Eine Zusatzfrage, Herr Kreutzmann.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß Schwarzenborn als Schießplatz für größerkalibrige Waffen völlig ungeeignet ist, da sich nach geologischen Untersuchungen die Gefahr einer totalen Vermoorung des Geländes im Falle eines Einsatzes von großkalibrigen Waffen ergibt?
Herr Kollege, Truppenübungsplätze haben sehr verschiedenartige Aufgaben zu erfüllen.
Noch eine Frage, Herr Kreutzmann.
Herr Staatssekretär, bestehen Absichten, den Truppenübungsplatz Schwarzenborn, der bisher ja nur für Übungen mit Infanteriewaffen vorgesehen war, auch für den Einsatz von Panzer- und panzerbrechenden Waffen mit zu benutzen?
Das ist mir nicht bekannt. Ich weise noch einmal darauf hin, daß hier — auch was die Erweiterung angeht — überhaupt noch nicht von einer Absicht gesprochen werden kann, sondern nur von Prüfungen und Überlegungen, die sich auf alle Truppenübungsplätze beziehen.
Eine Zusatzfrage, Herr Stahlberg.
Herr Staatssekretär, führen militärische Forderungen dieser Art, die auf eine Ausweitung von Truppenübungsplätzen abzielen, grundsätzlich zu einem Beschluß des Verteidigungsministeriums, einem solchen Petitum nachzugeben?
Herr Kollege, ob sich eine militärische Forderung nach Vergrößerung eines Truppenübungsplatzes überhaupt je verwirklichen läßt, hängt von einer großen Zahl von Faktoren ab und richtet sich nach dem jeweiligen Einzelfall. Die Erfahrung lehrt, daß solch eine Planung oft Jahre in Anspruch nimmt.
Noch eine Frage, Herr Stahlberg.
Herr Staatssekretär, wird sich das Bundesministerium der Verteidigung, falls die militärische Forderung zu einer Planung in dieser Richtung führen sollte, in den dortigen kommunalen Parlamenten und z. B. bei den Grundstückseignern über deren Absichten unterrichten?
Das wird selbstverständlich der Fall sein. Im übrigen wird die Bundesregierung in einem solchen Fall alle Gesichtspunkte, die dafür und die dagegen sprechen, sorgfältig prüfen und miteinander abwägen.
Noch eine Frage, Herr Kreutzmann.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 247. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1969 13847
Herr Staatssekretär, Werden dabei auch die besonders mißliche wirtschaftliche Situation dieses Raumes, die in einer sehr geringen industriellen Bestückung ihren Niederschlag findet, und die Tatsache, daß der Fremdenverkehr dort für die wirtschaftliche Entwicklung eine Lebensnotwendigkeit darstellt, Berücksichtigung finden?
Sicher wird das mit zu berücksichtigen sein, insbesondere dann, wenn die zuständige Landesregierung diese Gesichtspunkte rechtzeitig geltend macht.
Keine Zusatzfrage mehr.
Die Fragen 65, 66 und 67 der Abgeordneten Frau Korspeter werden vom Bundesverkehrsminister schriftlich beantwortet.
Dann rufe ich die Frage 68 des Herrn Abgeordneten Zoglmann auf:
Hält es die Bundesregierung für notwendig, daß Truppen eines befreundeten NATO-Partners derartige Manöverschäden auf landwirtschaftlich genutztem Grund und Boden verursachen, wie sie jüngst im Amt Windheim zu Lande vorgekommen sind, obwohl sich in unmittelbarer Nähe ein Truppenübungsplatz der Bundeswehr befindet?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege, I wenn Sie erlauben, würde ich Ihre drei Fragen gern im Zusammenhang beantworten.
Herr Zoglmann ist einverstanden. Dann rufe ich noch die Fragen 69 und 70 des Herrn Abgeordneten Zoglmann auf:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, um darauf hinzuwirken, daß in Zukunft solche Schäden verhindert werden können?
Hält es die Bundesregierung für vertretbar, daß Manöver in der Hauptwachstumszeit abgehalten werden anstatt im Herbst?
Herr Kollege, im vorliegenden Fall handelt es sich um eine Übung britischer Truppen in Stärke von 600 Mann mit 40 Räderfahrzeugen und 80 Schützenpanzerwagen. Im Rahmen dieser Übung ist vom 23. bis 25. April 1969 an der Weser im Raum nördlich von Minden das Überqueren von Gewässern geübt worden.
In Anschluß an die Übung sind nach Mitteilung des Finanzministeriums des Landes NordrheinWestfalen nur 21 Schadensanträge wegen Übungsschäden angemeldet worden. Dabei soll sich der Schaden in einem Fall auf 10 000 DM, in fünf weiteren auf 1000 DM und in den restlichen Fällen auf zwischen 250 DM und 150 DM belaufen.
Übungsschäden dieses überwiegend verhältnismäßig geringen Ausmaßes hält die Bundesregierung im Hinblick auf den Übungszweck für vertretbar. Das in der Nähe des Übungsraumes gelegene Pionier-Übungsgelände dei Bundeswehr konnte von den britischen Streitkräften nicht benutzt werden, weil diese Anlage noch nicht fertiggestellt war und im übrigen dem britischen Übungszweck nicht entsprochen hätte.
Der Bundesregierung ist bekannt, daß sich Schäden bei Truppenübungen nicht vermeiden lassen, insbesondere dann nicht, wenn die Truppe entsprechend dem Übungsauftrag auf privates Gelände angewiesen ist. Die Entsendestreitkräfte haben gemäß Artikel 45 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut das Recht, außerhalb ihrer militärischen Liegenschaften zu üben. Die Bundesregierung kann daher nur immer wieder auf die Entsendestreitkräfte dahin gehend einwirken, unvermeidbare Übungsschäden auf das unumgängliche Maß zu beschränken.
Nach Auffassung der Bundesregierung ist es auch nicht zu vermeiden, daß außer den Herbstmonaten auch die übrigen Monate in das Gesamtübungsgeschehen einbezogen werden, zumal von Übungen die Zeit der Frühjahrsbestellung, die Erntezeit, die Hauptreisezeit, Schlechtwetterperioden, kirchliche und andere Feiertage möglichst freigehalten werden. Würden die Bundeswehr und die Entsendestreitkräfte noch mehr bei der Planung ihrer Übungen eingeschränkt, so würden sie den ihnen im Rahmen der NATO erteilten Auftrag nicht mehr erfüllen können.
Eine Zusatzfrage, Herr Zoglmann.
Herr Staatssekretär, würden Sie die zweite Hälfte des Monats April und die erste Hälfte des Monats Mai als eine Hauptwachstumszeit ansehen oder nicht?
Das hängt von der Witterung und den klimatischen Bedingungen ab, Herr Kollege Zoglmann.
Darf ich noch eine Frage stellen. Sind Sie tatsächlich der Meinung, daß ein Schaden von 10 000 DM, der einem einzigen Besitzer bei einer solchen Übung erwächst, als ein geringfügiger Schaden — im Hinblick auf die Ertragslage der Landwirtschaft, anzusehen ist?
Für den, den es trifft, ist es sicherlich kein geringfügiger Schaden. Aber ich habe das im Zusammenhang mit den Schäden überhaupt dargelegt, die entstanden sind.
Ich rufe die Frage 71 des Abgeordneten Dröscher auf:Trifft es zu, daß die ursprünglich geplante Erneuerung des Rollfeldes beim Flugplatz Pferdsfeld wegen Unklarheiten über den notwendigen Unterbau in diesem Jahr nicht durchgeführt werden kann und man sich mit Ausbesserungsarbeiten begnügt und deshalb die in diesem Jahr aufgewandten erheblichen Nebenkosten für die monatelange Verlegung von Kampfeinheiten im nächsten Jahr in noch größerem Ausmaß entstehen werden?
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13848 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 247. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1969
Präsident von HasselIst der Abgeordnete im Saal? — Die Frage wird übernommen. Zur Beantwortung der Herr Parlamentarische Staatssekretär.
Herr Kollege, ich kann Ihre Frage in der Form, in. der sie gestellt worden ist, nur mit Nein beantworten.
Haben Sie eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Peiter? — Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 73 des Abgeordneten SchmittVockenhausen auf:
Läßt es sich ermöglichen, daß die Bundeswehr in ihre Übungen ebenfalls die für Lastwagen an den Wochenenden bei Ferienbeginn und Ferienschluß bestehenden Verkehrsbeschränkungen einbezieht?
Zur Beantwortung der Herr Parlamentarische Staatssekretär.
Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen: Ja, mit gewissen Einschränkungen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen.
Herr Staatssekretär, sind die Einschränkungen nicht so, daß sie das Ja wieder hinfällig machen?
Nein. Nach § 3 Abs. 3 der Verordnung des Bundesministers für Verkehr zur Erleichterung des Ferienreiseverkehrs auf der Straße im Jahre 1969 ist die Bundeswehr unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung von den Verboten der §§ 1 und 2 befreit, soweit das zuständige Wehrbereichskommando feststellt, daß dringende militärische Bedürfnisse dies erfordern. Das ist die Voraussetzung.
Die Frage 72 des Abgeordneten Dr. Marx
Wie werden Wehrdienstverweigerer in der „DDR" behandelt?
wird im Einvernehmen mit dem Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Adorno vom 3. Juli 1969 lautet:
Im Gegensatz zu dem in westlichen Ländern möglichen Ersatzdienst leistet der Wehrdienstverweigerer in der SBZ nach § 25 des Gesetzes über die allgemeine Wehrpflicht vom 24. 1. 1962 und der Anordnung des Nationalen Verteidigungsrates der DDR vom 7. 9. 1964 einen „Wehrersatzdienst" als „Soldat ohne Waffe", jedoch in bewaffneten Organen mit der Folge, daß der Wehrdienstverweigerer auch der speziellen Militärgerichtsbarkeit untersteht.
Innerhalb der NVA sind „Baueinheiten" aufgestellt, die bis auf die Führer und Unterführer aus Wehrdienstverweigerern bestehen. Letztere tragen die Uniform ohne Dienstgradabzeichen und betreiben keine Formalausbildung. Sie werden meist zu Bauarbeiten in Verbindung mit militärischen Objekten eingesetzt.
Bei Dienstantritt leisten sie ein Gelöbnis, „als Angehöriger der Baueinheiten durch gute Arbeitsleistungen aktiv beizutragen, daß die NVA . . . den sozialistischen Staat . . . verteidigen kann!"
Die Verweigerung des Ersatzdienstes wird mit Gefängnis bestraft.
Damit sind wir am Ende der Fragestunde. Ich danke Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, für die Beantwortung.
Meine Damen und Herren, ich rufe den Punkt 55 der Tagesordnung auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Kommunalpolitik, Raumordnung, Städtebau und Wohnungswesen über den Raumordnungsbericht 1968 der Bundesregierung
— Drucksachen V/3958, V/4372 —Berichterstatter: Abgeordneter Erpenbeck
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Erpenbeck für seinen Bericht.
Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Erpenbeck hat das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es mag in mancher Hinsicht als beziehungsreich angesehen werden, daß als letzter Sachpunkt der Tagesordnungen dieser Legislaturperiode nunmehr ein Thema aufgerufen ist, dessen Bedeutung und dessen Rang oft beschworen wird, das aber im Konzert politischer Gestaltung den ihm zukommenden Raum selten findet. Und doch wird sich jedes künftige Parlament sowohl zu Beginn als auch im Verlauf und zu Ende seiner Arbeit intensiv mit der Frage der Raumordnung befassen müssen, wenn die Lebensbedingungen .der Bürger unseres Landes in der Zukunft verbessert und gesichert werden sollen.Meine sehr verehrten Damen und Herren, am 28. Juni 1967 hat dieses Hohe Haus die Bundesregierung ersucht, im Raumordnungsbericht 1968 besonderes Gewicht auf die Darstellung der zukünftigen Entwicklungstendenzen in einem überschaubaren Zeitraum, der räumlichen Entwicklungsziele der Bundesregierung, insbesondere für die einzelnen Fachbereiche, und der zur Erreichung der Entwicklungsziele notwendigen Planungen und Maßnahmen zu legen. Der uns heute vorliegende Raumordnungsbericht 1968 ist nach unserer Meinung — das darf ich für die CDU/CSU-Fraktion erklären — diesem Auftrag im wesentlichen gerecht geworden. Insbesondere gibt der durch seine Analysen über Grundlagen und Tendenzen raumwirksamer Maßnahmen und Entwicklungen eine gute Übersicht. In dieser Hinsicht scheint er uns eine wertvolle und gute Ergänzung des Raumordnungsberichts 1966 zu sein, der seinen Schwerpunkt in der umfassenden Bestandsaufnahme hatte. Im Bericht des 9. Ausschusses, den abzugeben ich die Ehre hatte, ist auf die Schwerpunkte des Raumordnungsberichts 1968 eingehend hingewiesen worden. Die dort festgestellten Sachverhalte und Konsequenzen entsprechen auch der Auffassung der CDU/CSU-Fraktion.Im Rahmen der heutigen Erklärung habe ich dazu zusätzlich folgendes zu bemerken. Ein dominierendes Kennzeichen unserer Zeit ist der rasche Wandel und eine sprunghafte, zum Teil rasante Entwicklung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Struktu-
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 247. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1969 13849
Erpenbeckren. Für den in verschiedenen Bereichen wirkenden Politiker wird es zunehmend schwieriger, die einzelnen Maßnahmen im Rahmen des vom Grundgesetz postulierten Auftrags zur Wahrung bzw. Herstellung gleichwertiger Lebensbedingungen in allen Teilen der Bundesrepublik zu treffen. Eine zufriedenstellende Erfüllung dieses Verfassungsauftrags macht es zwingend erforderlich, dazu aber auch konsequent, alle Maßnahmen sinnvoll zu koordinieren, die der Chancengleichheit aller Bürger in allen Räumen und Regionen der Bundesrepublik hinsichtlich der Lebensbedingungen und Bedürfnisse dienen sollen.In Kenntnis der raumbezogenen kulturellen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Grundbedingungen wird die Wichtigkeit und der Rang raumordnundgspolitischer Maßnahmen besonders deutlich. Unsere Fraktion stimmt nicht der bisweilen anzutreffenden Meinung zu, daß Raumordnung geradezu ein Wundermittel zur konkreten politischen Gestaltung aller Lebensbereiche sei. Wohl aber meinen wir, daß der Raumordnung eine entscheidende Koordinierungsfunktion bei dem An- und Einsatz raumwirksamer Mittel und Förderungsmaßnahmen zukommt.Darum setzen wir uns dafür ein, daß die aus dem Raumordnungsbericht 1968 erkennbaren und zu ziehenden Konsequenzen weitgehend Bestandteil künftigen politischen Handelns werden müssen.Dabei weise ich auf folgende mir besonders wichtig erscheinende Punkte hin.1. Das im Raumordnungsbericht in Ansätzen erkennbare räumlich-konkrete Zielbild muß ohne Zeitverzug zu einer umfassenden raumordnungspolitischen Konzeption für das gesamte Bundesgebiet ausgebaut werden. Der Erhaltung der durch Technisierung und Zivilisierung gefährdeten natürlichen Grundlagen ist verstärkte Aufmerksamkeit zuzuwenden. Die Tragfähigkeit des Raumes bildet ja letztlich die Basis menschenwürdigen und materiell überhaupt gesicherten Lebens.Innerhalb der Raumordnungskonzeption darf die relative Entwicklungsschwäche des nördlichen Bundesgebiets — und nach den Prognosen hält dieselbe an — nicht übersehen werden. Daß bei der Aufstellung eines solchen Konzepts selbstverständlich die aus der Teilung unseres Landes entstandene raumordnungspolitische Situation berücksichtigt werden muß, sei hier ausdrücklich betont.2. Die Koordinierungsmöglichkeiten und Koordinierungsfunktionen der Raumordnung müssen zeitlich und in ihrer Intensität forciert werden. Der Raumordnungsbericht macht deutlich, daß die Chancen, auf die weitere räumliche Entwicklung des Bundesgebiets nachhaltig Einfluß zu nehmen, bis 1975 noch relativ gut sind, aber für die Zeit nach 1975 geringer werden. Das geht eindeutig aus den Analysen und Prognosen zur Entwicklung der Bevölkerungsstruktur und der wirtschaftlichen Entwicklung hervor.3. Die CDU/CSU-Fraktion begrüßt nachdrücklich die Ankündigung des für die Raumordnung zuständigen Ministers im Ausschuß, ein Bundesraumordnungsprogramm zu erarbeiten und vorzulegen.Unsere Fraktion hält es für dringend erforderlich, daß entsprechend den Zielen und Grundsätzen des Raumordungsgesetzes eine Zusammenfassung der raumwirksamen Mittel erfolgt. Das ist um so dringender, wenn man weiß, daß im letzten Jahr 16 Milliarden DM raumwirksamer Mittel ausgewiesen sind. Wir hoffen zuversichtlich, daß eine Koordinierung und ein regionalisierter Einsatz raumwirksamer Mittel nicht an Ressorts- und Kompetenzschwierigkeiten scheitert.Auf die Koordinierungsverpflichtung der Bundesregierung möchte ich in diesem Zusammenhang besonders hinweisen. Mit Sorge betrachten wir, daß die Verwaltungsreformbemühungen in den einzelnen Ländern erheblich auseinanderstreben. Die sich hier abzeichnenden Tendenzen können dazu führen, daß die relative Einheitlichkeit des gebietlichen Verwaltungsaufbaus der Bundesrepublik zunehmend beeinträchtigt und damit auch die Raumordnung nachteilig betroffen wird. Wir fordern die Bundesregierung auf, die Möglichkeit gemeinsamer Beratung mit den Ländern nach § 8 des Raumordnungsgesetzes voll zu nutzen.Zum Schluß möchte ich für meine Fraktion auch darauf hinweisen, daß die große Aufgabe der Raumordnung in der Bundesrepublik und über die Grenzen unseres Landes hinweg Notwendigkeiten und Chancen für junge Menschen aufzeigt, sich in diesem Bereich zu engagieren. Deswegen auch unsere Bitte an die Bundesregierung und die Länder, gesicherte Grundlagen für die Aus- und Fortbildung im Bereich der Raumordnung und Raumplanung zu erarbeiten; denn, meine Damen und Herren, ohne den begeisterten Einsatz und ohne die von der Aufgabe überzeugte Einsatzbereitschaft junger Menschen werden wir die Möglichkeiten der Raumordnung niemals voll zum Wohle aller Bürger unseres Staates nutzen können. Daß das aber so sein soll, diese Bitte möchten wir der Bundesregierung noch einmal nachdrücklich nahelegen.
Meine Damen und Herren, die Geschäftslage sieht so aus, daß sich noch zwei Vertreter der Fraktionen und zu einer kurzen Schlußerklärung der Herr Minister gemeldet haben. Mit Rücksicht auf die große Bedeutung dieses Tagesordnungspunktes, aber auch mit Rücksicht darauf, daß wir alle ein wenig unter Zeitnot stehen,
ist es notwendig, daß sich die Beteiligten, die noch sprechen werden, wirklich kurzfassen. Das ist die Bitte, die ich, glaube ich, namens des ganzen Hauses aussprechen darf.
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Jacobi. Es folgt der Abgeordnete Jung.
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13850 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 247. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1969
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde die Ungeduld des Hauses nur wenige Minuten in Anspruch nehmen.
Es ist in der Tat so, daß hier heute zu einer sehr unglücklichen Stunde ein Tagesordnungspunkt aufgerufen wurde, dem wir größte Beachtung zu schenken hätten und der an sich auch verdienen würde, ausgiebig behandelt zu werden. Ich habe aber bereits seit gestern abend gespürt, daß es, wenn man der Geschäftslage des Hauses Rechnung tragen will, unmöglich ist, hier lange Ausführungen zu machen, und habe infolgedessen das, was ich zur Sache zu sagen habe, schriftlich fixiert. Ich werde es nach wenigen Bemerkungen, die ich jetzt noch mache, zu Protokoll überreichen.
Ich beschränke mich deshalb jetzt auf einige Folgerungen, die wir aus dem Raumordnungsbericht 1968 ziehen, aus einem Bericht, zu dem sowohl Positives als auch Kritisches zu sagen ist. Die Folgerungen, die wir ziehen, darf ich in sieben Punkten zusammenfassen.
1. Die im Raumordnungsgesetz verankerten Ziele und Grundsätze der Raumordnung bedürfen dringend der weiteren Konkretisierung.
2. Auf diesen konkretisierten Zielen und den mittelfristigen Prognosen aufbauend, ist die Entwicklung einer raumordnerischen Konzeption für die gesamte Bundesrepublik Deutschland, eines Bundesraumordnungsprogramms, das übrigens die SPD bereits in ihrem Regierungsprogramm 1969 forderte, überfällig.
3. Die Koordinierung der raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen ist zu verbessern.
4. Unabdingbare Voraussetzung zur besseren Abstimmung der raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen des Bundes ist die alsbaldige Vorlage der zusammenfassenden Darstellung der großräumigen und langfristigen raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen des Bundes, wie sie das Bundesraumordnungsgesetz von 1965 fordert.
5; Beim Einsatz der raumbedeutsamen Mittel ist mehr denn je auf die Bildung räumlicher Schwerpunkte zu achten.
6. Eine intensive Politik zur Sanierung der zurückgebliebenen Gebiete darf nicht zu einer Vernachlässigung der Strukturprobleme der Verdichtungsräume führen.
7. Im Vordergrund der künftigen Raumordnungspolitik müssen in Verdichtungsgebieten städtebauliche Ordnungsmaßnahmen und in zurückgebliebenen Gebieten städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen stehen.
Es ist auf das tiefste zu bedauern, daß diese Aufgaben wegen des Scheiterns des Städtebauförderungsgesetzes in dieser Legislaturperiode vorerst nur unbefriedigend bewältigt werden können.
Nur wenn diese Forderungen erfüllt werden, meine Damen und Herren, ist Raumordnung nicht bloß auf dem Papier, sondern auch in der Praxis angewandte Gesellschaftspolitik. Nur dann kann die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung unserer räumlichen Umwelt so gesteuert werden, daß die freie Entfaltung der Persönlichkeit im Rahmen der Gemeinschaft in zufriedenstellender Weise gesichert ist.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und gebe meine übrigen Ausführungen zu Protokoll. *)
Herr Kollege Jacobi, der besondere Dank des Hauses hat Sie dieses Mal begleitet.
Das Wort hat der Abgeordnete Jung.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Angesichts der Bedeutung der Raumordnung für unsere Zukunft wäre es natürlich notwendig, längere, grundsätzliche Ausführungen zu machen, aber wegen der Geschäftslage möchte ich auch nur ganz kurz skizzieren, was ich zu diesem Raumordnungsbericht 1968 der Bundesregierung sagen wollte.Ich darf mich darauf beschränken, zu sagen, daß ich an der Bundesregierung, insbesondere natürlich auch an dem zuständigen Ministerium, Kritik üben wollte, weil ich glaube, daß diesem ganz bedeutsamen Kapitel bisher zuwenig Beachtung geschenkt wurde. Ich möchte damit die Forderung verknüpfen, daß die Zeitplanung für die Vorlage des nächsten Raumordnungsberichtes und für eine intensive Debatte in diesem Hause so erfolgt, daß wir die Möglichkeit haben, die Ziele der Raumordnung, aber auch die Auskünfte der Bundesregierung über ihre Verwirklichung, und zwar insbesondere über die finanzielle Verwirklichung, ausgiebig debattieren zu können. Hierzu ist zu sagen, daß wir bereits bei dem Bericht 1966 die Bundesregierung aufgefordert hatten, uns zu unterrichten über die zukünftigen geplanten Maßnahmen der Bundesregierung zur Beeinflussung der voraussichtlichen Entwicklung, und zwar wiederum insbesondere im Hinblick auf ihre finanzielle Verwirklichung. Diese Erwartung wurde nun wirklich nicht erfüllt.Ich habe mir zwar nur kurze Redenotizen gemacht, aber ich hoffe, daß die Herren vom Stenographischen Dienst in der Lage sind, sie zu entziffern und daraus eine kurze Rede zu machen,
so daß Sie das im Anschluß nachlesen können. Ich nehme ja nur Rücksicht auf die Zeitnot, in der wir uns befinden. **)
Ich möchte Ihnen allen doch zum Schluß noch sagen, daß sich in der Raumordnung ein weites, ein bedeutendes Betätigungsfeld für uns alle eröff-*) Siehe Anlage 12 **) Siehe Anlage 13
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 247. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1969 13851
Jungnet, um unserem Volk eine menschenwürdige, eine glückliche Zukunft zu sichern.
Herr Abgeordneter, wir werden versuchen, daraus eine fulminante Rede zu machen.
Das Wort hat der Herr Bundesinnenminister.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn es nicht täuscht, Herr Präsident, bin ich der letzte Redner, der sich zur Sache in der 5. Wahlperiode des Deutschen Bundestages äußert. Manch einer mag sagen: schon einer zuviel!
Ich werde mit der mir dankenswerterweise zur Verfügung gestellten Zeit so rationell wie möglich umgehen, und ich bitte Sie, mir noch drei oder vier Minuten Gehör zu schenken. Es hat sicherlich in diesen vier Jahren in diesem Hause längere Reden gegeben als die, die Sie jetzt hören werden.
Ich möchte nur eines in diesem Augenblick sagen, und vielleicht wird das auch manchem in diesem Hohen Hause neu sein. Worum geht es eigentlich bei dem Thema Raumordnung? Es scheint mir von beinahe symbolhafter Bedeutung — so zufällig, wie es ist — zu sein, daß wir jetzt als letztes über Raumordnung reden. Es gibt kein Sachthema von den vielen Themen, die wir in den vergangenen vier Jahren in diesem Parlament zu behandeln hatten und sicherlich auch in den nächsten vier Jahren zu behandeln haben, das so zukunftsbezogen ist. Es gäbe für mich kein besseres Thema, das sich ein scheidendes Parlament als Fragestellung für die Zukunft vornimmt,
als das Thema der Raumordnung.
Der Bericht, meine Damen und Herren, der die Grundlage unserer Überlegung ist — und ich bin dankbar für die Kommentare der Herren Vorredner —, gibt eine Bestandsaufnahme, mehr nicht. Ich glaube, mehr kann er auch nicht geben. Aber die Frage, die daran anknüpft, ist natürlich: Was geschieht in der Zukunft?
In den Beratungen des Kommunalpolitischen Ausschusses vor einigen Wochen habe ich etwas vorgetragen, was ich mit einem Arbeitstitel als den Entwurf eines Bundesraumordnungsprogramms bezeichnet habe. Herr Kollege Jacobi hat für seine Fraktion und seine Partei ähnliche Gedanken, sehr zusammengefaßt, noch einmal wiederholt. Ich freue mich, zu hören, daß bereits der Urheberrechtsstreit über die Sache angeht. Das ist eigentlich ein gutes Zeichen dafür, daß man sich in der Sache einig ist, wenn man wechselseitig für sich das Verdienst in Anspruch nimmt. Das will ich jetzt gar nicht diskutieren. Das ist auch gar nicht wichtig, sondern wichtig ist jetzt die Sachfrage.
Meine Damen und Herren, ich will nicht mehr tun, als Sie mit ganz kurzen Sätzen auf die Bedeutung der Sache aufmerksam zu machen. Ich werde mir erlauben, da ich keine vorbereitete Rede habe, die ich zu Protokoll geben könnte, und da ich den Herren Protokollführern nicht zumuten möchte, auch meine Stichworte noch zu einer Rede zusammenzubauen, Ihnen das, was ich im Kommunalpolitischen Ausschuß ausgeführt habe, einzeln zuzuschicken, um Ihnen die Möglichkeit zu geben, das in einer ruhigen Stunde nachzulesen. Ich würde Sie herzlich einladen, das zu tun. Sie werden merken — Herr Kollege Erpenbeck hat darauf schon mit einigen Bemerkungen Bezug genommen —, meine Damen und Herren, hier ist ein ganz wichtges, ein hochpolitisches, übrigens auch hochbrisantes Thema.
Es geht nämlich um die Frage, ob und wie es gelingt, die Vergabe von Bundesmitteln, die nach den bisherigen Erfahrungen in der Größenordnung von etwa 16 Milliarden DM jährlich liegen, in einer Weise zu koordinieren und zu lenken, daß ihre Raumwirksamkeit gewährleistet ist; eine Möglichkeit, die wir bisher nicht gehabt haben. Zählt man zu diesem immerhin beachtlichen Betrag die etwa 40 Milliarden DM, die im Bereich der Länder, der Gemeinden und der übrigen Körperschaften mittelbar in gewisser Weise beeinflußt werden, hinzu, dann wird man erkennen, um welche Größenordnung und damit um welches gewaltige politische Unternehmen es bei dieser Sache geht.
Meine Damen und Herren, wir haben in der Vergangenheit so etwas wie eine Euphorie über die raumordnungspolitischen Möglichkeiten, insbesondere des Bundes, gehabt. Diese Zeit scheint mir vorbei zu sein. Wir sind zu nüchternen Erkenntnissen gekommen und — und das ist das Wichtigere — zu der Folgerung, daß wir jetzt daran gehen müssen, ein Instrument zu schaffen, das den Bund in die Lage versetzt, dem schon erwähnten Verfassungsauftrag mit den Möglichkeiten eines Bundesraumordnungsprogramms, wie ich sie hier in ganz wenigen Worten angedeutet habe, nachzukommen; um es noch einmal inhaltlich zu bezeichnen: es geht um eine konkrete gesamträumliche Zielvorstellung für die Entwicklung des Bundesgebiets. Das, meine Damen und Herren, wird die Aufgabe der vor uns liegenden nächsten Wahlperiode sein. Ich meine, daß die Bundesregierung — das wird dann nur die kommende, die nächste Bundesregierung sein können — dem nächsten Bundestag so bald, wie es eben geht — und darunter würde ich mir vorstellen: Ende dieses oder Anfang des nächsten Jahres —, ein konkretisiertes und in den Einzelheiten ausgearbeitetes Programm zur Beratung und alsbaldigen Verabschiedung vorlegen sollte.
Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister.Meine Damen und Herren, Sie haben die Drucksache V/4372 mit dem Antrag des Ausschusses vorliegen. Wer dem Ausschußantrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um
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13852 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 247. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1969
Präsident von Hasseldie Gegenprobe. — Enthaltungen? — Ich stelle die einstimmige Annahme fest.Das Wort zur Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Dr. Mommer erbeten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben in diesen Wochen eine große Arbeitslast bewältigt. Jetzt ist noch ein Teilpunkt übriggeblieben: die restlichen Fragen der Fragestunde. Wir müßten, wenn wir uns an den ursprünglichen Plan hielten, deswegen morgen noch eine Plenarsitzung abhalten. Ich würde das für sehr unvernünftig halten. Ich schlage vor, daß wir unsere Kollegen, die Fragen gestellt haben, auf den Weg der schriftlichen Beantwortung verweisen, und beantrage deswegen, daß das Haus beschließen möge: morgen versammelt es sich nicht.
Ich sehe aus dem Beifall, daß vermutlich das Wort zu diesem Geschäftsordnungsantrag nicht mehr gewünscht wird. — Dann lasse ich darüber abstimmen. Wer dem Antrag, daß wir uns morgen nicht mehr zur Fragestunde versammeln, zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Gegen zwei Stimmen hat das Haus so beschlossen. Damit entfällt für morgen die Präsenzpflicht.Inzwischen hat mich ein interfraktioneller Antrag im Zusammenhang mit der humanitären Hilfe für Biafra erreicht. Er kam erst vor wenigen Minuten und könnte deshalb nicht mehr ausgedruckt werden. Sie sind wohl damit einverstanden, daß dieser Antrag, der von allen drei Fraktionen gemeinsam eingebracht worden ist, von mir verlesen wird und daß wir ihn dann hier annehmen. Der Antrag hat folgenden Wortlaut:Der Deutsche Bundestag wolle beschließen: Der Deutsche Bundestag hat mit Sorge zur Kenntnis genommen, daß die Versorgungsflüge der humanitären Hilfsorganisationen in das eingeschlossene Gebiet Ost-Nigerias eingestellt werden mußten. Im Interesse der Versorgung der Zivilbevölkerung würde es der Deutsche Bundestag begrüßen, wenn die Hilfsflüge so rasch wie möglich wieder aufgenommen und außerdem ein Wasserweg für den Transport von Nahrungsmitteln und Medikamenten geöffnet werden könnte, damit die Gefahr einer erneuten schweren Hungersnot, die das Leben von Hunderttausenden von Kindern, Frauen, Alten und Kranken bedroht, abgewendet wird. In diesem Zusammenhang drückt der Deutsche Bundestag gegenüber der nigerianischen Regierung seine Hoffnung aus, daß in Ausführung ihrer früher bereits generell erteilten Zustimmung zu Hilfsflügen und durch die Öffnung eines Wasserweges die notwendigen Voraussetzungen für eine rasche Durchführung der Transporte geschaffen werden.Zugleich drückt der Deutsche Bundestag seineHoffnung aus, daß auch General Ojokwu dienotwendigen Genehmigungen erteilt und alle Maßnahmen trifft, die zur Durchführung der Versorgungstransporte der humanitären Hilfsorganisationen notwendig sind.Die Bundesregierung wird ersucht, sich den obengenannten Appell zu eigen zu machen und darüber hinaus in ihren Bemühungen fortzufahren, eine Befriedung dieses Raumes herbeizuführen.Ich gehe davon aus, daß das Wort nicht gewünscht wird. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme dieses Antrages fest.Meine Damen und Herren, mit der Erledigung der Tagesordnung stehen wir am Ende der Parlamentsarbeit dieser 5. Legislaturperiode.Ich kann dem Hause mitteilen, daß nach dem Überfall auf unsere Kollegin Frau Geisendörfer die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und der Kriminalpolizei erfolgreich gewesen sind. Vor wenigen Minuten hat der Täter die Tat gestanden. Ich spreche sicherlich in Ihrem Namen, wenn ich den beteiligten Beamten den Dank des Hauses für ihren konzentrierten Einsatz ausspreche.
Ich habe bereits in den frühen Morgenstunden unserer Kollegin die besten Wünsche des Hauses zur baldigen Genesung übermittelt.Wir haben heute voraussichtlich zum letztenmal vor den kommenden Wahlen getagt. Wir alle hoffen, daß uns politische Ereignisse nicht zwingen, vor dem 28. September erneut zusammenzutreten. Am 19. Oktober 1969 um 24 Uhr endet die Legislaturperiode. Nach § 1 der Geschäftsordnung des Bundestages obliegt es dem amtierenden Präsidenten, den neuen Bundestag einzuberufen, der spätestens am 30. Tag nach der Wahl zusammentreten muß, d. h. in diesem Jahr in der Zeit zwischen Montag, dem 20., und Dienstag, dem 28. Oktober.Bevor wir auseinandergehen, möchte ich noch einen kurzen Blick zurücklenken auf das parlamentarische Geschehen der vergangenen vier Jahre, in denen wir hier gemeinsam gearbeitet haben.Lassen Sie uns als erstes noch einmal unserer 19 Kolleginnen und Kollegen gedenken, die wir in diesen vier Jahren verloren haben.
Es sind dies der Abgeordnete und erste Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, Dr. Adenauer, die Abgeordneten Braun, Dr. Dehler, Erler, Dr. Frede, Gibbert, Hussong, Dr. Jaksch, Mengelkamp, Merten, Dr. Philipp, Frau Dr. Probst, Reinholz, Dr. Seebohm, Schlüter, Stein , Dr. Verbeek, Wellmann und Wilper.Am 3. August 1967, also während dieser Legislaturperiode, verstarb auch ein ehemaliges Mitglied dieses Hauses, dem ganz unstreitig ein besonderer Ehrenplatz in der deutschen Parlamentsgeschichte
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 247. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1969 13853
Präsident von Hasselzusteht: Paul Löbe, der einstmalige Präsident des Deutschen Reichstages.Sie haben sich in Gedanken und im Gedenken an unsere verstorbenen Kollegen von Ihren Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen.In diesen vier Jahren sind 19 Abgeordnete durch Niederlegung ihres Mandates ausgeschieden.Meine Damen und Herren! Auch in dieser Legislaturperiode ist der Bundestag wieder regelmäßig zu Arbeitssitzungen in Berlin zusammengetreten und hat dadurch seine Verbundenheit mit der alten deutschen Hauptstadt bekundet. Er hat sich durch den Versuch der anderen Seite, den freien Zugang seiner Mitglieder nach Berlin zu verhindern und ihre Sitzungen dort zu stören, nicht beirren lassen. Uns allen ist noch in frischer Erinnerung, wie die Verantwortlichen in Ostberlin versucht haben, durch massive Drohungen die Abhaltung der Bundesversammlung zur Wahl des neuen Bundespräsidenten in diesem Jahr zu verhindern. Wir haben unser Recht auf Sitzungen in Berlin wahrgenommen und sind entschlossen, uns auch in Zukunft nicht von Drohungen, nicht von Behinderungen, nicht von Störungen einschüchtern zu lassen.In den hinter uns liegenden vier Jahren haben wir besonders deutlich gespürt, daß wir auf vielen Lebensgebieten in eine Epoche des beschleunigten Wandels eingetreten sind. Stärker als vorher und auf vielen Gebieten zugleich sind in den letzten Jahren Kräfte der Veränderung sichtbar geworden. Sie haben die Themen auch der Beratungen dieses Parlaments wesentlich mitbestimmt. Der Bundestag hat lebhafte, von der Öffentlichkeit mit Interesse verfolgte Debatten geführt, die durch diese Erscheinungen des Wandels ausgelöst wurden. Von der Situation des Bildungs- und Hochschulwesens und der Unruhe unter der jungen Generation bis zur Energiepolitik, von den großen Reformen im Strafrecht bis zur Finanzverfassung, von Stabilisierungsmaßnahmen in Wirtschaft und Finanzen bis zur Verabschiedung der Verfassungsänderungen zur Vorsorge für den Ernstfall, von der Lohnfortzahlung bis zum Lastenausgleich für die Mitteldeutschen aus der Zone — es gibt wohl kein Gebiet, mit dem sich dieses Haus nicht zu beschäftigen hatte.Es waren darunter große Gesetzeswerke, an denen der Bundestag schon seit vielen Jahren gearbeitet hatte. Aber der 5. Bundestag hat nicht nur Reformwerke weitergeführt und abgeschlossen, an denen seit langer Zeit gearbeitet wurde. Er selbst hat neue Wege eröffnet. Der Bundestag hat manche Gelegenheit wahrgenommen, das Verhältnis von Parlament und Regierung und die Gewichtsverteilung zwischen ihnen neu zu durchdenken.Es kann nicht Sache des Präsidenten sein, am Ende einer Legislaturperiode Ergebnis und Erfolg der Arbeit des Parlaments im einzelnen darzustellen und zu würdigen. Sie werden mir, so hoffe ich, darin zustimmen, daß man eine zusammenfassende Darstellung, gleichsam die Bilanz des Parlaments, in schriftlicher Form vorlegen sollte. Der nüchterne Betrachter dieser Bilanz wird sich dann selbst ein Urteil bilden können.Lassen Sie mich dennoch einige sehr wenige Zahlen nennen, die ausdrücken, wie die Arbeit eigentlich aussah. Der Bundestag trat in vier Jahren zu 247 Plenarsitzungen zusammen, Das sind 50 mehr als in der Wahlperiode zuvor. Wir verabschiedeten 436 Gesetze. Wir behandelten 4450 Vorlagen. Die Zahl der Mündlichen Anfragen betrug mehr als 10 000 und hat sich im Vergleich mit der vergangenen Legislaturperiode mehr als verdoppelt. Die Plenartätigkeit findet in über 13 000 Seiten der gedruckten Stenographischen Berichte ihren Niederschlag. Das sind ein Drittel mehr als in der Legislaturperiode zuvor. Wer zu lesen versteht, weiß, was sich an Arbeit und an Bemühungen um gemeinsame Lösungen hinter diesen Zahlen verbirgt.Auf der Ausschußebene hat der Bundestag häufiger öffentliche Sitzungen abgehalten. In dieser Wahlperiode ist das Verfahren der Anhörung zum erstenmal ausgiebig zur Anwendung gekommen, bei dem Sachverständige und Vertreter von betroffenen Verbänden und Interessengruppen gehört wurden, die sich im Stadium der Ausschußberatungen äußern konnten. Im vorhergehenden Bundestag, dem 4. Bundestag, waren es vier verschiedene Themen, zu denen in sechs öffentlichen Sitzungen Anhörungsverfahren durchgeführt wurden. In diesem Bundestag sind es dagegen 31 Themen; in 56 Sitzungen wurden sie in öffentlichen Anhörungsverfahren behandelt. Diese Gegenüberstellung verdeutlicht, so scheint mir, daß wir die politischen Angelegenheiten unsere Gemeinwesens eingehend unter den Augen der Öffentlichkeit diskutieren. Ein Außenstehender kann sich kaum eine Vorstellung davon machen, wieviel Arbeit auf jedem Abgeordneten lastete. Bei vielen von Ihnen, meine Damen und Herren, ging die Arbeitsbelastung an die Grenze der physischen Leistungsfähigkeit, und ich meine, daß auf diese Tatsache auch einmal hingewiesen werden muß.Aus einigen dieser vorgetragenen Angaben über Verlauf und Umfang der Parlamentsarbeit ist zu ersehen, warum es für den Bundestag unumgänglich wurde, sich nun auch der Reform seiner eigenen Arbeitsmethoden und der Verfahrensweisen zuzuwenden. Zunächst waren es die unerträglich werdenden Arbeitsbedingungen, der Druck der steigenden Arbeitslast und die damit verbundene Zeitnot. Aber uns haben noch andere Motive vor diese Aufgabe einer inneren Reform des Parlaments gestellt. Es besteht gar kein Zweifel, daß ein Teil der großen Reformgesetze, die wir hier in den letzten Jahren beschlossen haben, auf eine verfassungspolitische Gewichtsverlagerung zugunsten der Regierung hinauslaufen. Dieser Entwicklung durch entsprechende Reformen des Parlaments zu begegnen, war für uns eine nicht mehr zu übersehende Notwendigkeit.Wir haben begonnen, die Arbeit des Parlaments zu modernisieren, und ich bin überzeugt davon, daß der Bundestag in dem jetzt eingeleiteten und keineswegs schon abgeschlossenen Prozeß der Reform für die Weiterentwicklung des Parlamentarismus und für seine Anpassung an die Erfordernisse von Staat und Gesellschaft beispielhaft wirken wird. Diese Anpassung mag der Außenstehende auf den ersten Blick lediglich als eine Veränderung von Technik
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13854 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 247. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1969
Präsident von Hasselund Verfahrensweisen oder als Einführung neuer Methoden ansehen. Wir haben die Verbesserung der Arbeitsbedingungen, eine Neuregelung und eine Straffung verschiedener Verfahrensweisen für Plenum und Ausschußarbeit beschlossen. Aber das ist gar nicht das Entscheidende. Entscheidend ist die diesen Maßnahmen zugrunde liegende Entschlossenheit, der starke und lebendige Wille dieses Hauses, die besten Bedingungen dafür zu schaffen, daß unser Land auch in Zukunft zeitgemäß parlamentarisch regiert wird.Es ist zuweilen behauptet worden, daß der Wandel der sozialen, der wirtschaftlichen und der technischen Lebensbedingungen notwendigerweise den Niedergang der parlamentarischen Regierungsform zur Folge habe. Doch wenn ein Parlament wie der Bundestag trotz der gerade im letzten Abschnitt einer Legislaturperiode zu bewältigenden Fülle dringender Arbeiten sich entschlossen und fähig zeigt, auch seine eigene innere Reform einzuleiten und wichtige Beschlüsse zu fassen, so kann dies nur als ein Zeichen der parlamentarischen Lebenskraft und des parlamentarischen Selbstbewußtseins gewertet werden.Viele unter uns beenden mit dieser Wahlperiode ihre parlamentarische Arbeit. Den Kolleginnen und den Kollegen, die uns verlassen, möchte ich für die in diesem Hause geleistete Arbeit herzlich danken und ihnen die Anerkennung des Deutschen Bundestages aussprechen.
Allen Mitgliedern dieses Hauses danke ich für die gemeinsame Arbeit zum Wohl des deutschen Volkes.Ich danke den Mitarbeitern der Verwaltung des Deutschen Bundestages, von deren loyaler Pflichterfüllung und sachkundiger Mitarbeit ganz wesentlich unsere eigene Arbeit abhängt.
Ich danke vor allem meinen Kollegen im Präsidium und den Mitgliedern des Ältestenrates für ihren Miteinsatz bei der Leitung dieses Hauses.
Meine Damen und Herren, Sie alle hätten sich wahrlich zunächst einmal eine Erholungspause verdient, in der Sie auch Ihren Familien, die vieles entbehren mußten, zur Verfügung stehen können. Das ist es, was wir alle wohl zunächst einmal nötig hätten. Sie alle aber wissen auch, daß Sie in diesem Wahljahr sicher morgen schon wieder gefordert sein werden. Dennoch darf ich Ihnen ein wenig Ausspannung und Ruhe und dann die Kraft für unsere weitere Arbeit wünschen.Ich schließe die Sitzung.