Gesamtes Protokol
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Marx .
Herr Staatssekretär, sind Ihrer Kenntnis nach Meldungen zutreffend, nach denen im Zusammenhang mit dieser neuen Kampagne für vormilitärische Ausbildung und Erziehung in Ostberlin augenblicklich ein großes militärisches Ausbildungszentrum für Jugendliche mit etwa 120 Schießbahnen gebaut werden soll?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ja, diese Meldung trifft zu. Es sind mehr Bahnen. Es handelt sich um das GST-Ausbildungszentrum in Ostberlin. Dort sind auf einem etwa 15 ha großen Gelände 135 Schießbahnen und vier Sturmbahnen errichtet worden, ein Schießgarten für Ballistiklehre und Mehrzweckgebäude mit Wohn- und Schlafgelegenheiten und Lehrkabinetten. Weitere Gebäude sind im Bau.
Herr Dr. Marx!
Herr Staatssekretär, da Sie vorhin die Gesellschaft für Sport und Technik, die 1952 gegründet wurde, angesprochen haben und die gleiche Gesellschaft sich seit dem vergangenen Jahr sehr bemüht, ihre Arbeit zu intensivieren: ist es richtig, daß versucht wird, die gesamte im Vorwehrpflichtalter stehende
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 242. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1969 13489
Dr. Marx
Jugend der Zone ab 1. September dieses Jahres bei der GST erfassen zu lassen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich hatte das in meiner Antwort schon erwähnt. Der Vorsitzende des Zentralvorstands der Gesellschaft für Sport und Technik, Generalmajor Günther Teller, hat im Frühjahr dieses Jahres die Einbeziehung aller im vorwehrpflichtigen Alter stehenden Jugendlichen in diese vormilitärische Ausbildung angekündigt. Er hat gesagt, bei Beginn des neuen Ausbildungsjahres der GST — das ist der 1. September 1969 — müßten alle organisatorischen, personellen und materiellen Voraussetzungen für diese Ausbildung geschaffen sein.
Herr Dr. Klepsch!
Herr Staatssekretär, welche Zusammenhänge gibt es zwischen zonalen Jugendverbänden, der Gesellschaft für Sport und Technik und der Nationalen Volksarmee, um die vormilitärische Ausildung durchzuführen, d. h., welches Instrumentarium ist neuerdings dazu herausgebildet worden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
NVA, GST und Junge Pioniere gehören, so gesehen, organisatorisch alle zusammen. Die „Gesellschaft für Sport und Technik" ist hinsichtlich der vormilitärischen Erziehung der verlängerte Arm der NVA; sie wird von dem eben erwähnten Generalmajor Teller geleitet. Seine drei Vertreter sind hohe Stabsoffiziere.
Zur obligatorischen Grundausbildung der „Gesellschaft für Sport und Technik" gehört — wie es dort wörtlich heißt — „die Anerziehung militärischer Verhaltensweisen und die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten in der Schieß-Exerzierausbildung". Diese große Aktion „Signal DDR 20" ist von einem zentralen Stab unter Leitung des NVA-Generalleutnants Kunath geleitet worden. Diesem Stab gehörten außer fünf FDJ- und GST-Funktionären noch neun hohe Offiziere der NVA, Vertreter der Volkspolizei, des Ministeriums für Staatssicherheit und des Ministeriums für Nationale Verteidigung an.
Die FDJ ist im Rahmen dieser vormilitärischen Erziehung dafür verantwortlich — so wörtlich —, „daß der künftige Soldat vor seiner Einberufung von der Notwendigkeit und Gerechtigkeit seines militärischen Dienstes überzeugt ist". Die Verknüpfung zwischen NVA, „Gesellschaft für Sport und Technik", FDJ und den anderen Jugendorganisationen wird auch deutlich durch Patenschaftsregimenter und schließlich durch die Ausbildung von FDJ- und GST-Funktionären unter Leitung von Offizieren der Nationalen Volksarmee.
Herr Dr. Klepsch!
Herr Staatssekretär, welche Aufgaben hat denn der Leiter der Abteilung „Jugend" bei der Polithauptverwaltung der Nationalen Volksarmee?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Nationale Volksarmee hat eine eigene FDJ-Organisation, die sowohl die Mitglieder der FDJ als auch die nicht in der FDJ organisierten jungen Soldaten politisch schult. Gleichzeitig hält diese armeeigene FDJ-Organisation an den Standorten der Truppe Verbindung zu den örtlichen FDJ-Einheiten.
Die Koordinierung dieser Arbeit, d. h. die Schulung der jungen Menschen in der NVA durch die FDJ und die wehrpolitische Schulung und vormilitärische Ausbildung in den normalen FDJ-Einheiten, obliegt dem Leiter der Abteilung „Jugend" in der Polithauptverwaltung der Nationalen Volksarmee.
Herr Damm!
Uns wird, Herr Staatssekretär, immer wieder über neue Kampagnen der Erziehung zum Haß sowohl in den Schulen als auch innerhalb der Nationalen Volksarmee berichtet. Diese Erziehung geschieht z. B. mit dem imperativen Satz: „Das moralische Antlitz jedes Grenzsoldaten muß gekennzeichnet sein von abgrundtiefem Haß gegen alle Feinde." Ich möchte Sie, Herr Staatssekretär, fragen, ob es in der von Ihnen geschilderten neuen Aktion Elemente ideologischer Erziehung zur klassenkämpferischen Konfrontation mit dem sogenannten „westdeutschen Imperialismus" gibt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die vormilitärische Ausbildung ist ganz zweifellos auch Teil der ideologischen Erziehung der mitteldeutschen Jugend. Unter Ausnutzung der Begeisterungsfähigkeit und der technischen Interessen der Jugendlichen wird die vormilitärische Ausbildung ganz systematisch über den Rahmen des Wehrsports hinaus ausgedehnt. Parallel hierzu werden ideologisch ein Feind aufgebaut und eine Gefahr konstruiert, mit denen Emotionen der Jugendlichen geweckt werden sollen.Eine besondere Rolle spielt dabei die Erziehung zum Haß, die Sie erwähnten, bei der die Bundeswehr als volksfeindliche Söldnerarmee dargestellt wird. Durch die Aufteilung in gute Deutsche und schlechte Deutsche soll ein vereinfachtes Freund-Feind-Denken der jungen Menschen geprägt werden.Wohin diese mit der vormilitärischen Ausbildung gekoppelte ideologische Erziehung führen soll, kann man aus dem Gelöbnis der GST ablesen.
— Ja. Auf dem 4. Kongreß in Ostberlin im Herbst des vergangenen Jahres hieß es in dem Gelöbnis der jungen Menschen:Wir geloben, im weltweiten Klassenkampf zwischen Sozialismus und Kapitalismus den zum
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13490 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 242. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1969
Staatssekretär Dr. WetzelUntergang verurteilten Imperialismus, den Todfeind der Völker, unbändig zu hassen.Es gibt aber noch ein anderes Zitat. Bei dem Manöver „Schneeflocke" hieß es in der Zeitschrift „Die Trommel", daß die jungen Menschen den westdeutschen Imperialismus mit allen Fasern ihres jungen Herzens zu hassen haben.
Herr Damm!
Herr Staatssekretär, können Sie uns auch sagen, welche Gründe erkannt worden sind, durch die die neuentfachte Kampagne zur vormilitärischen Erziehung zu erklären ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich glaube, für diese Bemühungen um diesen erheblichen Ausbau der vormilitärischen Ausbildung und Erziehung gibt es mehrere Gründe. Die Entwicklung in der Gesellschaft für Sport und Technik, in der FDJ und in den Schulen und Universitäten zeigt mehr und mehr, daß die Jugendlichen in ihrer Mehrzahl diese Mitarbeit als so etwas wie eine Pflichtübung betrachten und sich innerlich nicht engagieren. Die jetzt unternommenen Anstrengungen sind ein Versuch zur Überwindung der psychologischen Barriere, die zwischen den tatsächlichen Interessen der Jugend und den ideologischen Zielvorstellungen der SED liegt. Das ist der eine Grund.
Ein weiterer Grund für die aktivierte vormilitärische Ausbildung ist das Verhältnis zwischen Jugend und Nationaler Volksarmee. Die laufbahnbezogene vormilitärische Ausbildung soll dem Jugendlichen den Anreiz geben, seine in der GST erworbenen militärtechnischen Fähigkeiten in der Nationalen Volksarmee als Zeitsoldat oder als Berufssoldat zu nutzen.
Schließlich soll die verstärkte vormilitärische Erziehung außerdem zu einer neuen Image-Bildung der Nationalen Volksarmee und hier insbesondere der Grenztruppen beitragen. Durch die Art der Geländeübungen, etwa das Nachvollziehen von Aufgaben der Grenztruppen der NVA, und durch Patenschaften zahlreicher Grenzeinheiten der Nationalen Volksarmee soll deren Funktion in der Jugend glorifiziert werden.
Man muß aber sagen, daß der aktuelle Anlaß für diese und andere Aktionen in Mitteldeutschland der 20. Jahrestag der DDR ist. Zu einer Zeit, in der auf allen Ebenen der Agitation für Mehrverpflichtungen und für erhöhte Leistungen geworben wird, bot sich für die SED die Gelegenheit, auch für die vormilitärische Erziehung einen Anstoß zu geben, der die bisherigen Schwierigkeiten überwinden und für die kommenden Jahre so etwas wie eine neue Phase der Bereitschaft zur Mitarbeit in Wehrsport und Wehrausbildung einleiten soll.
Herr Picard!
Herr Staatssekretär, können Sie etwas mehr, als aus Ihren jetzigen Ausführungen schon hervorgegangen ist, über die Wirkung dieser Kampagne auf die Jugend dort sagen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nach vorliegenden Erkenntnissen fühlt sich die große Mehrheit der Jugend in der DDR trotz der intensiven Beeinflussung durch die SED von der Bundesrepublik nicht bedroht. Es ist bekannt, daß die jungen Menschen nach einer Phase kindmäßiger Begeisterung für Geländespiel und Geländesport dann doch wieder ihre privaten Interessen in den Vordergrund stellen. Das gilt besonders für das berufliche Fortkommen und für anderweitige Interessen.
Die SED-Führung kritisiert ziemlich offen, daß viele Jugendliche „den Forderungen der sozialistischen Gesellschaft nur dann nachkommen, wenn ihr Weiterkommen auf dem Spiel steht". Die SED hat — das wird man daraus schließen müssen — die Masse der jungen Generation in ihrem Machtbereich nicht zu einem Schrittmacher ihrer Ideologie formen können. Sie hat nur erreicht, daß sie sich den Gegebenheiten in der DDR anpaßt. Diese Bewertung der allgemeinen ideologischen und vormilitärischen Erziehung darf aber natürlich nicht über Wirkungen und sogar Erfolge hinwegtäuschen, insbesondere nicht über Erfolge im Bereich der noch unkritischen Altersstufen, die in der vormilitärischen Ausbildung die Gelegenheit zu Abenteuer und zu Bewährung sehen.
Herr Picard!
Herr Staatssekretär, Sie erwähnten vorhin das Vorhandensein von Schießständen in Schulen. Können Sie etwa sagen, in welchem Ausmaß Schießstände, Schießkeller oder ähnliche Einrichtungen für diesen Schießunterricht vorhanden sind, und wie sie im Rahmen des Unterrichts genutzt werden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich glaube, ich habe es schon gesagt. Ich kann es noch einmal wiederholen. Seit 1954 werden in Mitteldeutschland und in Ostberlin die Schüler im Schießen ausgebildet.
— Ja, auch die Schülerinnen werden im Schießen ausgebildet. In jüngster Zeit sind nach Berichten der DDR-Presse an zahlreichen Schulen neue Schießstände errichtet worden. Die Schüler und die Schülerinnen werden zunächst an Luftgewehren und an Kleinkalibergewehren ausgebildet. Deshalb kann die Ausbildung zum Teil auch in geschlossenen Räumen erfolgen. Das sind die Schießkabinette, die Sie wohl meinten. Im Rahmen der Aktion „Signal DDR 20", die ich zu schildern versucht habe, haben die GST und die FDJ in diesem Jahr Schießfernwettkämpfe an den Schulen veranstaltet, an denen sich alle Schüler und Schülerinnen von 14 bis 18 Jahren beteiligen sollten.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 242. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1969 13491
Meine Herren, ich muß sagen, die Fragestunde auf diese Weise zu blockieren geht mir etwas zu weit. Es sind ja auch noch andere da, die Fragen haben.
Herr von Wrangel!
Herr Staatssekretär, stimmen Sie, nachdem Sie diese düsteren Aspekte hier ausgebreitet haben, mit der Auffassung überein, daß diese Praktiken denen des Nationalsozialismus sehr ähneln?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sie sind durchaus ähnlich.
Die Fragen 2, 3 und 4 aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Familie und Jugend stellt der Abgeordnete Dr. Wuermeling:
Warum hat die Bundesregierung ihre Finanzplanung, nach der allein die Kriegsopferrenten vier Jahre und die Kindergeldsätze acht Jahre von jeder Anpassung an die Einkommensentwicklung ausgeschlossen bleiben sollten, durch Anordnung des Bundeskanzlers nur bezüglich der Kriegsopferrenten geändert, nicht aber bezüglich der Kindergeldsätze, obschon die letzteren seit dem 1. Januar 1964 schon drei Jahre länger stagnieren als die Kriegsopferrenten ?
Warum hat der Bundeskanzler der einstimmig beschlossenen Aufforderung des Deutschen Bundestages vom 28. März 1969, „bei der Fortschreibung der mehrjährigen Finanzplanung des Bundes sicherzustellen, daß die bisher erst für 1972 vorgesehene Verbesserung des Kindergeldes schon im Laufe des Jahres 1970 wirksam werden kann", nicht ebenso entsprochen, wie dies bezüglich der Kriegsopferrenten geschehen ist?
Welche Argumente kann die Bundesregierung der Behauptung entgegensetzen, die von ihr proklamierte gleichmäßige Beteiligung aller Schichten unseres Volkes am wirtschaftlichen Fortschritt werde allein unseren kinderreichen Familien verweigert, weil diese nicht über genügend starke Organisationen verfügen, um wenigstens die Gleichberechtigung der grundgesetzlich unter den besonderen Schutz des Staates gestellten Familien durchzusetzen?
Die Fragen werden im Einverständnis mit dem Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antwort des Staatssekretärs Dr. Barth vom 24. Juni 1969 lautet:
Zur Fortschreibung der mehrjährigen Finanzplanung der Bundesregierung bedarf es eines Regierungsbeschlusses. Demgemäß liegt für die Kriegsopferversorgung nicht — wie Sie meinen — eine Anordnung des Bundeskanzlers vor, durch die die mehrjährige Finanzplanung geändert ist; vielmehr hat der Herr Bundeskanzler unter dem 4. Februar 1969 den Bundesminister der Finanzen und den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung beauftragt, bei den vorbereitenden Arbeiten für die Fortschreibung der mehrjährigen Finanzplanung einen Vorschlag für eine fühlbare Verbesserung der Kriegsopferleistungen auszuarbeiten. In gleicher Weise wird die Bundesregierung bei der Fortschreibung der mehrjährigen Finanzplanung prüfen, ob und inwieweit eine Vorziehung der Leistungsverbesserungen beim Kindergeld möglich ist. Sie ist um eine möglichst baldige Verbesserung beider Sozialleistungen bemüht.
Über die Fortschreibung der mehrjährigen Finanzplanung hat die Bundesregierung noch nicht beraten. Zu der Entschließung des Bundestages vom 28. März 1969 konnte deswegen noch nicht Stellung genommen werden.
Der von Ihnen genannten Behauptung ist entgegenzusetzen, daß die Bundesregierung sich bei ihren Entscheidungen allein von sachlichen Gesichtspunkten leiten läßt.
Wir kommen zu dem Geschäftsbericht des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen. Die beiden ersten Fragen, die Fragen 17 und 18, stellt der Abgeordnete Picard:
Trifft es zu, daß Funkanlagen im Dienste der Polizei und des Bundesgrenzschutzes zwar anzumelden, aber gebührenfrei sind, während Funkanlagen der Feuerwehr, des Deutschen Roten Kreuzes, des Johanniter-Hilfsdienstes und ähnlicher Einrichtungen gebührenpflichtig sind?
Hält die Bundesregierung es für vertretbar, daß Einrichtungen, die zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und zur Erhaltung von Leben und Gesundheit der Bevölkerung notwendig sind, durch Gebühren nach dem Gesetz über Fernmeldeanlagen vom 14. Januar 1928 belastet werden?
Zur Beantwortung- der Herr Staatssekretär Dr. Pausch.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Genehmigungsgebühren für Funkanlagen werden von der Deutschen Bundespost nach dem Gesetz über Fernmeldeanlagen für die Verleihung der Funkgenehmigungen, für die Aufwendungen beim Verwalten und Bereitstellen von Funkfrequenzen, für den unerläßlichen Funkkontroll- und Funkstörungsmeßdienst sowie für die Arbeit in internationalen Gremien usw. erhoben. Da die Deutsche Bundespost nach dem Postverwaltungsgesetz vom 24. Juli 1953 ihre Ausgaben aus ihren Einnahmen bestreiten muß, kann sie keine Kasten für Aufgaben übernehmen, deren Träger sie nicht ist. Nach dem § 1 Abs. 2 des Fernmeldeanlagengesetzes hat der Verteidigungsbereich eine eigene Hoheit auf dem Fernmeldegebiet. Auf Grund dieser Sachlage wurde seit 1928 der Polizeidienstverkehr über Funkanlagen gebührenfrei genehmigt mit analoger Handhabung für den Bundesgrenzschutz. Für die in den Fragen genannten gemeinnützigen Institutionen, wie z. B. Feuerwehr, Deutsches Rotes Kreuz, Johanniter-Hilfsdienst, können jedoch mit Rücksicht auf den erwähnten Haushaltsgrundsatz die Funkgenehmigungsgebühren leider nicht erlassen werden.
Herr Picard!
Herr Staatssekretär, halten Sie es eigentlich von der Sache her — nicht rechtlich — für gerechtfertigt, daß Organisationen und Einrichtungen, die von dem eigenen Aufkommen an Mitteln gar nicht existieren können, sondern von Zuschüssen leben, ihrerseits Gebühren für Einrichtungen zu zahlen haben, die zur Aufrechterhaltung der Gesundheit, der Sicherheit und der Ordnung notwendig sind?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe volles Verständnis von der Sache her, jedoch darf ich wohl darauf verweisen, daß die zuständigen Bedarfsträger — der Bund, vielfach auch die Länder, die Gemeinden oder die Anstalten und Körperschaften des öffentlichen Rechts — eben im Interesse einer Kostenechtheit diese Gebühren zu übernehmen haben.
Herr Staatssekretär, Sie erwähnten vorhin, daß der Polizeifunkverkehr gebührenfrei sei, weil er bei einer sehr großzügigen Auslegung in den Verteidigungsbereich gehöre. Müßte man nicht, wenn man diese großzügige Auslegung für Polizei und Bundesgrenzschutz gelten läßt, auch überlegen, ob man nicht eine ähnlich großzügige Auslegung für andere Bereiche finden könnte?
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13492 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 242. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1969
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Diese Frage ist sehr oft diskutiert worden. Aber von unserer Seite aus müßten wir aus Haushaltsgründen die Frage genau umgekehrt stellen, ob es noch angängig ist, eine 1928 ausgesprochene Genehmigung nach Vorliegen des Postverwaltungsgesetzes weiterhin beizubehalten.
Zu dieser Frage haben Sie keine Zusatzfrage mehr, Herr Kollege Picard. - Herr Bardens!
Herr Staatssekretär, es ist klar, denke ich, daß diese Gebühren in aller Regel doch wieder über Zuschüsse der öffentlichen Hand finanziert werden. Ist es nach Ihrer Meinung sinnvoll, daß dieses komplizierte Verfahren angewandt wird?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich glaube schon. Es ist ja nicht sehr leicht, im einzelnen festzustellen, welche Teilnehmer in diesem nichtöffentlichen Funknetz zu diesen Gruppen von Bedarfsträgern gehören und welche nicht. Die Deutsche Bundespost kann sich nicht herausnehmen, hier selbst zu entscheiden. Es ist daher besser, daß wir generell entsprechend unseren Leistungen die notwendigen Gebühren fordern und die jeweiligen Bedarfsträger auf Grund der Bedürftigkeit die Zuschüsse aus den entsprechenden Quellen bekommen.
Die nächste Frage — Frage 18 — stellt ebenfalls der Abgeordnete Picard:
Hält die Bundesregierung es für vertretbar, daß Einrichtungen, die zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und zur Erhaltung von Leben und Gesundheit der Bevölkerung notwendig sind, durch Gebühren nach dem Gesetz über Fernmeldeanlagen vom 14. Januar 1928 belastet werden?
Die Fragen 17 und 18 sind inhaltlich ziemlich verwandt, und wenn ich mich nicht täusche, ist auch Frage 18 beinahe beantwortet. Aber, Herr Staatssekretär, wollen Sie das Thema noch einmal erörtern?
Ich war davon ausgegangen, daß die Fragen zusammen beantwortet worden seien.
Das kommt mir nachträglich auch so vor!
Deshalb hatte ich mich zu einer Zusatzfrage gemeldet.
Herr Staatssekretär, welche Haltung würde die Bundesregierung bei einem Versuch aus dem Parlament einnehmen, das Gesetz über Fernmeldeanlagen aus dem Jahre 1928 so zu ändern, daß im Gesetz klar definiert wird, welche Bereiche des Funkverkehrs als gebührenfrei zu betrachten sind?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Verzeihung, Herr Abgeordneter, ich habe die Frage nicht verstanden.
Wäre die Bundesregierung bereit, einer Novelle zum Gesetz über Fernmeldeanlagen zuzustimmen, in der über den Bereich der Verteidigung hinaus weitere Bereiche, die zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung und der Gesundheit der Bevölkerung notwendig sind und die sich ja in den nächsten Jahren immer weiter ausdehnen werden und immer mehr Funkverkehr verursachen werden, aus diesem Gesetz herauszunehmen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich glaube, aus den dargelegten Gründen — Ausgewogenheit unseres Haushalts — können wir in dieser Richtung nicht aktiv werden.
Wir kommen zur Frage 19 des Abgeordneten Folger:
War der Deutschen Bundespost bei der gleichzeitigen Ausgabe einer Serie von Sondermarken mit Zuschlag zugunsten der Olympiade und einer Serie „Schützt die Natur" mit gleichen Werten ohne Zuschlag bewußt, daß dadurch automatisch die Olympia-Marken den kürzeren ziehen mußten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Auf die Frage, inwieweit die Sondermarkenserie „Schützt die Natur" den Verkauf der Olympia-Zuschlagsmarkenserie beeinträchtigt, darf ich zunächst feststellen, daß Zuschlagsmarkenserien während des ganzen Jahres an den Schaltern verkauft werden. In viermonatigem Wechsel lösen sich Olympiamarken, Wohlfahrtsmarken und Jugendmarken ab. Deshalb sind Überschneidungen mit zuschlagsfreien Sondermarken unvermeidbar.
Was den gemeinsamen Ausgabetermin für Sondermarken mit und ohne Zuschlag angeht, so hat sich seit 1949 immer wieder gezeigt, ,daß Zuschlagsmarken — von den Sammlern einmal abgesehen — ihren eigenen Abnehmerkreis haben. Ihr Absatz wird durch den Verkauf von zuschlagsfreien Sondermarken nicht wesentlich beeinflußt.
Keine weiteren Fragen.Die Frage 20 des Abgeordneten Zebisch wird im Einverständnis mit dem Fragesteller schriftlich beantwortet:Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, die Grundgebühr von DM 5/Monat für Funksprechgeräte der -Freiwilligen Feuerwehr, der Wasserwacht, Einrichtungen des Roten Kreuzes und anderer gemeinnütziger Institutionen zu erlassen?Die Antwort des Staatssekretärs Dr.-Ing. Pausch vom 25. Juni 1969 lautet:Die Genehmigungsgebühren für Funkanlagen werden von der Deutschen Bundespost nach dem Gesetz über Fernmeldeanlagen für die Verleihung der Funkgenehmigungen, für die Aufwendungen beim Verwalten und Bereitstellen der Funkfrequenzen, für den unerläßlichen Funkkontroll- und Funkstörungsmeßdienst, sowie für die Arbeiten in internationalen Gremien usw. erhoben. Da die Deutsche Bundespost ihre Ausgaben aus ihren Einnahmen nach dem Postverwaltungsgesetz vom 24. Juli 1953 bestreiten
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 242. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1969 13493
Staatssekretär Dr.-Ing. Pauschmuß, kann sie keine Kosten für Aufgaben übernehmen, deren Träger sie nicht ist.Nach dem § 1 Abs. 2 des Fernmeldeanlagengesetzes hat der Verteidigungsbereich eine eigene Hoheit auf dem Fernmeldegebiet. Auf Grund dieser Sachlage wurde seit 1928 der Polizeidienstverkehr über Funkanlagen gebührenfrei genehmigt, mit analoger Handhabung für den Bundesgrenzschutz.Für die in den Fragen genannten gemeinnützigen Institutionen wie z. B. Feuerwehr, Deutsches Rotes Kreuz, Johanniter-Hilfsdienst und Wasserwacht können jedoch mit Rücksicht auf den erwähnten Haushaltsgrundsatz die Funkgenehmigungsgebühren leider nicht erlassen werden.Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheitswesen. Zur Beantwortung ist Frau Bundesminister Strobel anwesend.Ich rufe die Frage 21 der Abgeordneten Frau Blohm auf:Welche nennenswerten Maßnahmen hat die Bundesregierung bisher für einen sinnvollen Einsatz der Ärzte für besondere Katastrophenfälle getroffen?
Die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung bei Katastrophen, wie sie in Friedenszeiten auftreten können, ist eine Angelegenheit der Länder.
Soweit sich Ihre Fragen auf die Vorsorge für Spannungszeiten oder den Verteidigungsfall beziehen, darf ich erklären: Es ist festgelegt, daß für die im Vordergrund stehenden ärztlichen Versorgungsbereiche zum Schutz der Zivilbevölkerung und der Bundeswehr jeweils eine bestimmte Zahl der vorhandenen berufsfähigen Ärzte ' und Ärztinnen zur Verfügung steht. -Einzelheiten darüber sind in der Verwaltungsvereinbarung, die in der Drucksache V/2160 des Deutschen Bundestages veröffentlicht ist, enthalten.
Keine Zusatzfrage? — Dann die Frage 22 der Abgeordneten Frau Blohm:
Trifft es zu, daß die in der Bundesrepublik Deutschland vorhandene Kapazität an Ärzten im Katastrophenfall bereits für drei verschiedene Bereiche verplant ist, und zwar für die Versorgung der Zivilbevölkerung, für die Bundeswehr sowie für die Einrichtungen des Zivilschutzes, was gleichzeitig bedeutet, daß für jeden der vorgenannten drei Bereiche die Absicht besteht, den Einsatz der vorhandenen Ärzte voll in Anspruch zu nehmen?
Es ist vorgesehen, daß bei der Bedarfsdekkung für die Bundeswehr und die Zivilschutzorganisationen die Sicherstellung der Versorgung der Zivilbevölkerung sowohl für die Krankenhäuser als auch in der freien Praxis gewährleistet bleibt. Soweit frühere Planungen zu gewissen Überschneidungen geführt haben, werden diese bei der Durchführung der eben genannten Verwaltungsvereinbarung bereinigt. Auf dem Gebiet des Zivilschutzes ist eine zahlenmäßig exakte personelle Planung auf der unteren Verwaltungsebene bisher noch nicht möglich gewesen, da die Vorbereitungen, insbesondere für die Einrichtungen der Hilfskrankenhäuser und für die Kapazitätserweiterung der bestehenden Krankenhäuser, bisher — nicht zuletzt auch aus finanziellen Gründen — nur begrenzt getroffen werden können.
Und schließlich die Frage 23 der Abgeordneten Frau Blohm:
Ist die Bundesregierung bereit, unter Einschaltung der ärztlichen Standesorganisation unbedingt das Notwendige zur Abstimmung des Bedarfs an Ärzten für die Versorgung der gesamten Bevölkerung in Katastrophenfällen zu veranlassen?
Die Bundesregierung hat seit langem in Fragen der ärztlichen Versorgung der Zivilbevölkerung im Spannungs- und Verteidigungsfall Kontakt mit der Bundesärztekammer, die bei der Durchführung der Planungen beteiligt wird.
Den obersten Gesundheitsbehörden der Länder haben wir empfohlen, bei ihren vorbereitenden Maßnahmen auf allen Verwaltungsebenen eng mit den ärztlichen Standesorganisationen zusammenzuarbeiten, da ohne deren fachliche Unterstützung eine befriedigende Lösung der ärztlichen Versorgung nicht erreichbar ist.
Keine weitere Frage. Die Frage 24 stellt Frau Abgeordnete Mönikes:
Trifft die Presseinformation zu, daß 90 % der Krankenanstalten im Bundesgebiet von Schaben befallen sind?
Bitte, Frau Minister!
Frau Kollegin, die Bundesregierung verfügt weder über Unterlagen, in welchem Umfang Krankenanstalten von Schaben befallen sind, noch kann sich das Bundesministerium für Gesundheitswesen solche Unterlagen in absehbarer Zeit beschaffen. Deswegen kann ich Ihre Frage nicht genau beantworten.
Halten Sie dann nicht die von Professor Heiss veröffentlichten Presseinformationen für sehr ungeschickt und sehr gefährlich, weil dadurch doch eine Beunruhigung in die Bevölkerung hineingetragen wird?
Ich muß sagen, ich scheue davor zurück, Veröffentlichungen eines Wissenschaftlers hier einer Zensur zu unterstellen.
Denn dann müßte man ja auch — —
Das ist keine Frage, Frau Kollegin.
Eine Frage, Frau Minister: Sehen Sie keine Möglichkeit, solchen Veröffentlichungen dadurch entgegenzutreten, daß Sie diese Dinge aufgreifen?
Frau Kollegin, ich muß sagen, die Mittel, die dem Bundesgesundheitsministerium für Forschungszwecke zur Verfügung stehen, sind so knapp, daß ich es nicht verantworten könnte, etwa einen Forschungsauftrag zur Untersuchung der Frage zu vergeben, wo und wieviel Schaben in den Krankenhäusern sind.
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13494 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 242. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1969
Sehen Sie denn keine — —
Moment! So geht es nicht. Sie haben keine Frage mehr. Aber Ihre nächste Frage, die Frage 25, steht jetzt an:
Trifft es weiter zu, daß die Schaben Träger von Krankheitserregern — insbesondere von Viruskrankheiten, z. B. Kinderlähmung — darstellen?
Zu dieser Frage, die sich ja wohl auf Veröffentlichungen bezieht, möchte ich sagen, daß es in experimentellen Arbeiten zwar gelungen ist, verschiedene Krankheitserreger auf Schaben zu übertragen, 'daß sich daraus jedoch nicht der Schluß ziehen läßt, daß Schaben auch außerhalb des Laboratoriums in nennenswertem Umfang Träger von Krankheitserregern sind. Da sie in der Regel in den Heizungsanlagen und in den Küchen der Krankenhäuser leben, haben sie kaum Gelegenheit, überhaupt mit infektiösem Material in Berührung zu kommen oder dieses zu übertragen. Dem Bundesgesundheitsministerium sind jedenfalls keine wissenschaftlichen Arbeiten bekannt, die den Schluß erlaubten, daß die Übertragung von Krankheitserregern durch Schaben wahrscheinlich ist. Ich glaube, damit ist in etwa auch das beantwortet, was Sie durch Ihre Fragen andeuten wollten.
Keine weiteren Fragen? — Die Frage 26 der Abgeordneten Frau Mönikes
Was gedenkt die Bundesregierung in bejahendem Falle zu tun, um Abhilfe zu schaffen?
scheint damit auch beantwortet zu sein.
Ja, im Grunde genommen ist sie das.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr. Zur Beantwortung ist der Herr Parlamentarische Staatssekretär Börner anwesend.
Ich rufe die Fragen 7 und 8 des Abgeordneten Fellermaier auf. Ist Herr Fellermaier anwesend? — Das ist nicht der Fall. Die Fragen werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 9 des Abgeordneten Rollmann auf:
Entspricht es der Jugend- und Familienpolitik der Bundesregierung, daß bei der Deutschen Bundesbahn die Kinderaltersgrenzen auf das 10. Lebensjahr, bei den Eisenbahnverwaltungen der Schweiz dagegen auf das 16. Lebensjahr, Osterreichs und Norwegens auf das 15. Lebensjahr, Großbritanniens und Italiens auf das 14. Lebensjahr und aller übrigen europäischen Länder auf das 12. Lebensjahr festgesetzt sind?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege, die von Ihnen zitierten unterschiedlichen Altersgrenzen in den Kindertarifen bei den europäischen Eisenbahnen sind mir bekannt. Bei der Beurteilung dieser Frage darf man jedoch diese Grenzen nicht isoliert betrachten, vielmehr muß man sie im Zusammenhang mit den gesamten Jugend- und Familienermäßigungen sehen. Ein Vergleich würde zeigen, daß die Ermäßigungen in der Bundesrepublik mit an der Spitze in Europa liegen. Bei der bestehenden Unwirtschaftlichkeit des Personenverkehrs ist die Deutsche Bundesbahn leider nicht in der Lage, über die jetzt geltenden Grenzen hinauszugehen.
Eine Zusatzfrage, Herr Rollmann.
Sind Sie bereit, Herr Staatssekretär, mir einen solchen Vergleich zukommen zu lassen, aus dem sich alle Leistungen ergeben?
Selbstverständlich.
Herr Spitzmüller!
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Meinung, daß viele Familien deswegen auf das Auto ausweichen, weil sie, wenn sie drei oder vier Kinder haben, die das zehnte Lebensjahr überschritten haben, mit dem Auto billiger fahren, als wenn sie die Bundesbahn benutzten, und daß es deshalb sehr zweckmäßig wäre, die Frage zu prüfen, ob nicht im Interesse der Bundesbahn das Ermäßigungsalter heraufgesetzt werden sollte?
Herr Kollege, ich stimme Ihnen im Grundsatz zu. Ich muß nur darauf hinweisen, daß die Deutsche Bundesbahn gerade aus dem von Ihnen genannten Grunde zur Zeit eine entsprechende Werbeaktion durchführt, die speziell auf Familien mit Kindern und auf die Ferienzeit ausgerichtet ist. Ich nehme an, daß die Bundesbahn im Rahmen ihres Kundendienstes von Zeit zu Zeit noch weitere derartige Aktionen durchführt. Ich darf aber darauf verweisen, daß die Bundesbahn nach dem einstimmig zum Ausdruck gekommenen Willen des Hohen Hauses in ihrer kaufmännischen Disposition frei ist und daß politische Auflagen, die gegeben werden, eine Ersatzpflicht des Staates bedingen.
Ich rufe die Frage 10 des Abgeordneten Kubitza auf:
Worauf stützt der Bundesverkehrsminister seine dem Deutschen Bundesjugendring mitgeteilte Erkenntnis, daß Personen über 21 Jahren nur vereinzelt an der Jugendarbeit beteiligt sind?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Börner; Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr: Herr Kollege, in der von Ihnen zitierten Mitteilung des Bundesministers für Verkehr an den Deutschen Bundesjugendring ist lediglich die Ansicht der Deutschen Bundesbahn, die für die Tarifgestaltung zuständig ist, wiedergegeben. Die Deutsche Bundesbahn stützt sich auf die von ihr in langen Jahren erworbene Erfahrung.
Herr Kubitza!
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 242. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1969 13495
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, sich beim Bundesminister für Familie und Jugend zu informieren, daß eben keineswegs nur vereinzelt Personen über 21 Jahren an der Jugendarbeit beteiligt sind?
Herr Präsident, ich glaube, die Antwort, die ich jetzt geben muß, steht in engem Zusammenhang mit der Beantwortung der zweiten Frage des Herrn Abgeordneten Kubitza. Ich wäre daher dankbar, wenn ich diese zweite Frage zunächst beantworten dürfte.
Einverstanden, Herr Kubitza? —
Gut, dann rufe ich zunächst die Frage 11 des Abgeordneten Kubitza auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß, wenn durch den Bundesjugendplan und durch das Jugendwohlfahrtsgesetz eine Förderung der Jugendarbeit bis zum 25. Lebensjahr möglich ist und praktiziert wird, auch für Jugendpflegefahrten bei der Deutschen Bundesbahn eine entsprechende Altersgrenze möglich und wünschenswert sein müßte?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege, wie ich bereits ausgeführt habe, stellt die Bundesbahn ihre Tarife in eigener Zuständigkeit auf. Nach ihren bisherigen Erfahrungen sieht sie keine Notwendigkeit, die jetzt bestehende Altersgrenze von 21 Jahren in der Tarifstelle „Für Jugendpflegefahrten" zu erweitern. Personen über 21 Jahren nehmen meist leitende Aufgaben in der Jugendpflege wahr und erhalten dann als Leiter von Jugendgruppen unabhängig vom Lebensalter Fahrpreisermäßigung, also auch weit über den genannten Zeitraum hinaus. Im übrigen kann auf die Fahrpreisermäßigung für Gesellschaftsfahrten ausgewichen werden, worauf in den einschlägigen Tarifbestimmungen ausdrücklich hingewiesen ist.
Herr Staatssekretär, wie kann die Bundesbahn wissen, daß in der Jugendarbeit nur vereinzelt Personen über 21 Jahren beteiligt sind?
Herr Kollege, Sie wissen, daß die Bundesbahn diese Fahrpreisermäßigung, von der hier die Rede ist, seit langen Jahren in ihrem Tarifbild hat. Natürlich gibt es auch eine gewisse statistische Erfassung der Fälle, in denen sich die Kunden der Bundesbahn — sprich: die Jugendgruppenleiter — beschwert haben, daß sie in diese Ermäßigungen nicht einbezogen worden sind, bzw. in denen Jugendgruppen mit Personen über 21 Jahren Klage geführt haben und dann auf die Gesellschaftsreisen ausgewichen sind.
Herr Staatssekretär, würde es nicht eine Vereinfachung des Antragsverfahrens bedeuten, wenn die Teilnehmer solcher Fahrten bis zu 25 Jahren in die Jugendpflegefahrten einbezogen würden?
Herr Kollege, dadurch werden nach verschiedenen Seiten hin Probleme aufgeworfen. Es ergeben sich auch organisatorische Schwierigkeiten. Solche Dinge müssen immer überwacht werden. Ich glaube, Sie werden mit mir übereinstimmen, wenn ich sage, daß das Gros der Jugendgruppen mit der bisherigen Regelung sehr gut gefahren ist. Härtefälle, die sich ergeben, können durch ein Ausweichen auf Gesellschaftsfahrten abgedeckt werden.
Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, über Ihren Herrn Minister im Kabinett darauf hinzuwirken, daß einmal überprüft wird, ob nicht alle Bundesministerien die Förderungsgrenze für Jugendmaßnahmen bei 25 Jahren festlegen können, wie das durch das Jugendwohlfahrtsgesetz und den Bundesjugendplan vorgegeben ist?
Herr Kollege, das wirft eine Reihe von grundsätzlichen Fragen auf, die weit über die Behandlung von Fahrpreisermäßigungen hinausgehen. Ich, der ich selber lange Jahre in der Jugendarbeit gestanden habe, möchte Ihnen sagen, daß ich es für etwas problematisch halte, das Wahlalter herunterzusetzen und gleichzeitig die Altersgrenze für Jugendliche heraufzusetzen.
Nun kommen drei Fragen des Abgeordneten Baron von Wrangel, die innerlich zusammenhängen. Können die Fragen zusammen beantwortet werden?
Fragen 12 bis 14 des Abgeordneten Baron von Wrangel:
Ist die Bundesregierung bereit, den Elbe-Lübeck-Kanal so auszubauen, daß der Europa-Kahn auf ihm fahren kann?
Welchen Vorrang gibt die Bundesregierung dem Bau dieses Kanals, der entscheidende Bedeutung für das Zonenrandgebiet hat?
Ist die Bundesregierung bereit, dieses Projekt unter Berücksichtigung der in Fragen 12 und 13 genannten Anliegen mit Vorrang zu behandeln, um die Infrastruktur in diesem Raum entscheidend zu verbessern?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Der Ausbau der mordwestdeutschen Binnenschiffahrtskanäle erfolgt auf Grund von drei Regierungsabkommen vom 14. Dezember 1965 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den jeweiligen Ländern, die ein Drittel der Ausbaukosten übernommen haben. Da das Land Schleswig-Holstein zum damaligen Zeitpunkt eine entsprechende Kostenbeteiligung für den Ausbau des Elbe-Lübeck-Kanals nicht zusagen konnte, wurde in einem dieser Regierungsabkommen festgelegt, daß der Ausbau des Elbe-Lübeck-Kanals in einem Zusatzabkommen zu gegebener Zeit geregelt werden soll. Ein derartiges Zusatzabkommen ist bisher nicht abgeschlossen worden.
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13496 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 242. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1969
Parlamentarischer Staatssekretär BörnerDie nordwestdeutschen Binnenschiffahrtskanäle werden für das 1350 t-Schiff ausgebaut. Dies gilt auch für den Fall eines Ausbaues des Elbe-Lübeck-Kanals.Auf Grund der Verpflichtungen aus den erwähnten drei Regierungsabkommen und der daneben laufenden bzw. beschlossenen Ausbaumaßnahmen an anderen See- und Binnenwasserstraßen ist die im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung des Bundes festgelegte Haushaltslage des Kapitels für die Bundeswasserstraßen so angespannt, daß die Bundesregierung im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht in der Lage ist, dem Ausbau des Elbe-Lübeck-Kanals einen Vorrang gegenüber anderen Wasserstraßenprojekten einzuräumen. Da schon der im Ausbau befindliche Elbe-Seiten-Kanal auf ganzer Länge im Zonenrandgebiet liegt, ist kein zwingender Grund vorhanden, lediglich deshalb den Elbe-Lübeck-Kanal gleichzeitig in Angriff zu nehmen.
Herr von Wrangell
Herr Staatssekretär, sehen Sie sich in der Lage, einen Termin zu nennen, wann mit dem Ausbau eines solchen Kanals gerechnet werden kann?
Herr Kollege, Sie wissen, daß durch das vom Hohen Hause beschlossene verkehrspolitische Programm die Bundesregierung gehalten ist, die Infrastrukturprogramme der siebziger und achtziger Jahre aufeinander abzustimmen, d. h. auch die Prioritäten beim Ausbau des Straßen- und Schienennetzes und der Wasserstraßen neu festzulegen und der Haushaltslage anzupassen. Ich bin leider nicht in der Lage, hier eine verbindliche Aussage zu machen. Die Finanzierung dieses Projektes muß nämlich in engem Zusammenhang mit den auf Grund einer Kosten-Nutzen-Analyse eines solchen Ausbaues anzustellenden Überlegungen gesehen werden. Sie wissen, daß der Ausbau von Wasserstraßen im Hohen Hause nicht ganz unumstritten ist.
Herr Staatssekretär, wenn Sie von der Kosten-Nutzen-Analyse sprechen, würden Sie zugestehen, daß dieser Kanal durch die Zonengrenze in diesem Raum für die Infrastruktur eine entscheidende Bedeutung hat?
Herr Kollege, ich möchte keinen Zweifel daran lassen, daß sich die Bundesregierung nach Kräften bemüht hat, dem Land Schleswig-Holstein und auch der Stadt Lübeck zu helfen, die Folgen der deutschen Teilung in der Frage der wirtschaftlichen Zusammenhänge, die hier bestehen, abzuwenden. Wir wissen, daß natürlich ein Teil der Strukturmaßnahmen mit dieser Wasserstraße zusammenhängt. Aber Sie dürfen auch versichert sein, daß sich z. B. der Ausbau des Autobahnnetzes in Schleswig-Holstein, den wir gegenwärtig vorantreiben, auf die Wirtschaft förderlich auswirkt und daß man nicht davon ausgehen kann, daß das Wohl und Wehe dieses Gebietes ausschließlich vom Ausbau dieser Wasserstraße auf die sogenannte Europanorm abhängig wäre.
Zu einer Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Sänger.
Herr Staatssekretär, sehen Sie die Bedeutung des Elbe-Seitenkanals, der nach Lübeck führt, für den mitteleuropäischen — nicht nur mitteldeutschen — Verkehrsbedarf, der von der Tschechoslowakei her nicht nur zur Nordsee, sondern auch zur Ostsee zielt?
Herr Kollege, ich bitte, nicht so verstanden zu werden, daß ich grundsätzlich die Notwendigkeit des Ausbaus dieser Wasserstraße in Abrede gestellt hätte. Ich habe mich nur deshalb zurückhaltend geäußert, weil ich darauf verweisen muß, daß eine ganze Reihe von Wasserbaumaßnahmen im norddeutschen Raum entweder begonnen oder in der Planung ist und daß diese Maßnahmen ein bestimmtes Haushaltsvolumen erfordern, das durch die mittelfristige Finanzplanung begrenzt ist. Es ist selbstverständlich, daß die Überlegung, die Sie eben angesprochen haben, uns dazu anhalten wird, immer wieder zu prüfen, welche dieser Gesichtspunkte für eine stärkere Priorisierung dieses Kanalprojekts sprechen. Aber hier ist mir von Herrn Kollegen von Wrangel die Frage vorgelegt worden, ob ich einen bestimmten Zeitpunkt nennen könne, sagen wir mal 1973, 1975 oder 1976, und da ich aus langjähriger Erfahrung hier im Hause weiß, welche Eigengesetzlichkeiten sich aus der Nennung solcher Jahreszahlen ergeben, habe ich mich zurückhaltend geäußert.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Sänger.
Ohne auf eine Jahreszahl abzuzielen, darf ich Sie, Herr Staatssekretär, so verstehen, daß Sie neue Überlegungen mit dem Ziel eines schnelleren Ausbaus des Kanals anstellen würden, sobald sowohl Überlegungen für den Ausbau eines Kanals von Rostock zu dem mitteldeutschen Kanalsystem in der DDR wie auch Überlegungen zwischen Polen und der Tschechoslowakei wegen des Ausbaus des Oder-Moldau-Kanals angestellt werden?
Herr Kollege es sind im Grunde genommen keine zusätzlichen Überlegungen anzustellen. Es ist völlig klar, daß, wenn das Hohe Haus uns durch die Mittelbereitstellung dazu die Hilfe gibt, wir mit dem Bau des Kanals - vorausgesetzt, daß die Fakten, von denen ich vorher gesprochen habe, ausreichend geprüft sind — beginnen würden. Ich habe aber dargelegt, daß bisher auch von der betroffenen Landesregierung eine gewisse Zurückhaltung an den Tag gelegt wurde, was dieses Projekt betrifft, und daß man den Ausbau
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 242. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1969 13497
Parlamentarischer Staatssekretär Börnerdes Gesamtgebietes auch im Hinblick auf Straßenbaumaßnahmen und andere Dinge, die zum Nutzen des Zonenrandraumes eingeleitet worden sind, sehen muß.In Ihrer Frage setzen Sie voraus, daß bestimmte, über die Bundesrepublik hinausgehende politische Erwägungen angestellt würden. Selbstverständlich werden wir auch das in unseren Überlegungen immer beachten.
Die nächsten Fragen stellt der Abgeordnete Strohmayr. Ich rufe Frage 15 auf:
Wie wird die im Ordnungswidrigkeitengesetz vorgesehene „Sicherheitsleistung" im nunmehr angelaufenen Ferienreiseverkehr insbesondere bei ausländischen Bußgeldkandidaten gehandhabt?
Herr Präsident, wegen des Sachzusammenhangs bitte ich, die Fragen zusammen beantworten zu dürfen, wenn Herr Kollege Strohmayr einverstanden ist.
Herr Strohmayr ist einverstanden. Dann rufe ich auch die Frage 16 auf:
Machen die Polizisten von der Pfändungsmöglichkeit nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz Gebrauch?
Herr Kollege, von der Möglichkeit der Anordnung einer Sicherheitsleistung wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit wird bisher in den meisten Ländern verhältnismäßig I zurückhaltend Gebrauch gemacht.
Ebenso wird eine Beschlagnahme aus Anlaß einer Verkehrsordnungswidrigkeit bislang in den Ländern relativ selten vorgenommen.
Zu einer Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Strohmayr.
Herr Staatssekretär, Sie sprechen von den Ländern. Wird von Ihrem Hause versucht, eine Anordnung zu geben, damit diese Strauchrittermanieren — denn so ähnlich sind sie ja — grundsätzlich nicht in Anwendung gebracht werden, obwohl die gesetzliche Möglichkeit vorhanden ist?
Herr Kollege, ich will mir diese Wertung nicht zu eigen machen. Ich kann nur sagen, daß es sicher gute Gründe gab, solche Regelungen durch den Gesetzgeber in dieses Gesetz einzuarbeiten, daß aber in der Praxis — wir haben eine Umfrage bei den Ländern gehalten — davon, wie ich gesagt habe, sehr zurückhaltend Gebrauch gemacht wird, weil wir die besondere psychologische Wirkung eines solchen Schrittes kennen.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Wir kommen nun zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Zur
Beantwortung ist Herr Staatssekretär Dr. Maassen anwesend.
Ich rufe die Fragen 32 und 33 des Abgeordneten Dr. Schwörer auf:
Entspricht es der Rechtslage, daß bei einer Strafanzeige, die auf Grund eines Irrtums von seiten eines Polizeibeamten zustande kommt, der Angezeigte seine Rechtsanwaltskosten auch dann zu bezahlen hat, wenn seine Unschuld einwandfrei erwiesen ist?
Falls keine Rechtsgrundlage für die Erstattung der Rechtsanwaltskosten von seiten der staatlichen Organe besteht, ist die Bundesregierung dann bereit, dafür zu sorgen, daß in Zukunft eine Gleichstellung der staatlichen Organe mit dem Bürger erfolgt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Darf ich mir die Anregung erlauben, Herr Präsident, beide Fragen wegen ihres Sachzusammenhangs zusammen zu beantworten.
Ich nehme an, der Fragesteller ist einverstanden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, uns sind Zeitungsberichte bekanntgeworden, aus denen entnommen werden muß, daß Ihre Fragen einen konkreten Fall betreffen. Dazu kann ich hier, wie Sie verstehen werden, natürlich nicht Stellung nehmen.Was das allgemeine Problem angeht, darf ich auf folgendes hinweisen. Dem zu Unrecht Angezeigten werden die durch die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts entstandenen Kosten nur dann erstattet, wenn das Strafverfahren gegen den Beschuldigten bereits ein bestimmtes Stadium erreichte hatte, als der Verdacht entkräftet wurde. Wird dem Beschuldigten z. B. lediglich eine Übertretung vorgeworfen, so sind der Staatskasse nach § 467 a und § 467 StPO dessen Rechtsanwaltskosten nur dann aufzuerlegen, wenn die Staatsanwaltschaft das Verfahren nach Klagerücknahme einstellt oder wenn das Gericht den Angeklagten freispricht oder das Verfahren einstellt.In den Fällen, die zur Zuständigkeit des Schöffengerichts oder eines Gerichts höherer Ordnung gehören, tritt die Kostenerstattungspflicht schon dann ein, wenn das Verfahren eingestellt wird, nachdem dem Beschuldigten und seinem Verteidiger der Abschluß der Ermittlungen mitgeteilt worden war.Diese den Beschuldigten gegenüber der früheren Rechtslage erheblich begünstigende Regelung beruht auf dem vom Hohen Hause erst vor etwa einem Jahr verabschiedeten Einführungsgesetz zum Ordnungswidrigkeitengesetz. Den genannten Bestimmungen liegt der Gedanke zugrunde, daß es gerechtfertigt erscheint, die Verteidigerkosten nur dann der Staatskasse aufzuerlegen, wenn die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts geboten war, weil dem zu Unrecht Beschuldigten die Entkräftung des gegen ihn erhobenen Vorwurfs nicht gelungen war und das Ermittlungsverfahren daher das oben beschriebene, die Kostenerstattungspflicht auslösende Stadium erreicht hatte.Zieht der Beschuldigte sofort bei Bekanntwerden der unrichtigen Strafanzeige einen Rechtsanwalt
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13498 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 242. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1969
Staatssekretär Dr. Maassenhinzu, so geht er allerdings das Risiko ein, daß er die Kosten für ihn selbst tragen muß. Gerade in den Fällen, in denen die Anzeige auf Grund eines Versehens eines Polizeibeamten zustande gekommen ist, etwa weil dieser sich beim Ablesen eines Autokennzeichens geirrt hat, kann dem Angezeigten zugemutet werden, zunächst selbst zu versuchen, den Irrtum des Polizeibeamten aufzuklären; er wird oft damit Erfolg haben. Gelingt ihm das jedoch nicht und wird das Ermittlungsverfahren gegen ihn daher abgeschlossen, so tritt die Kostenerstattungspflicht unter den oben genannten Voraussetzungen ein. Diese Regelung gilt grundätzlich auch dann, wenn die irrtümliche Anzeige von einem Bürger erstattet wird. Der zu Unrecht Beschuldigte ist daher hinsichtlich des Ersatzes seiner Verteidigerkosten nicht schlechtergestellt, wenn der Irrtum nicht einem Bürger, sondern einem Polizeibeamten unterläuft.
Das war eine umfangreiche Rechtsbelehrung, Herr Kollege Dr. Schwörer; aber Sie haben eine Frage.
Herr Staatssekretär, es ist jetzt nach dem umfangreichen Vortrag schwierig, etwas zu fragen, aber glauben Sie nicht, daß die Gefahr für einen Bürger, der bei einem Verkehrsdelikt unter Umständen seinen Führerschein verlieren könnte, so groß ist, daß von ihm nicht verlangt werden kann, sich zunächst einmal selbst zu verteidigen, sondern daß man ihm zubilligen kann, daß er wegen dieser Gefahr gleich versucht, mit den ihm überhaupt zur Verfügung stehenden Mitteln die Beschuldigung von sich abzuwehren?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich glaube, man muß da die einzelnen Stadien und die einzelnen Fälle doch sehr sorgfältig unterscheiden. Sollte der Fall z. B. so liegen, daß nur eine Anzeige erfolgt ist, er habe falsch geparkt, er habe eine Geschwindigkeit überschritten oder so etwas, und der Beschuldigte wird gleichzeitig zur Polizei zur Vernehmung geladen — zu der er hingehen kann, aber nicht hingehen muß; er kann auch schriftlich antworten — und erkennt sofort, daß er an diesem Tage gar nicht dort gewesen ist, seinen Wagen gar nicht selbst gefahren hat, so meine ich allerdings, daß ihm zugemutet werden könnte, zur Polizei zu gehen und zu sagen: Ich war es nicht. Dafür bereits z. B. einen Anwalt in Anspruch zu nehmen und dann die Erstattung der Verteidigerkosten zu verlangen scheint mir etwas hoch gegriffen zu sein.
Keine weitere Frage. Ich rufe die Frage 34 des Abgeordneten Kahn-Ackermann auf:
Welche Haltung nimmt die Bundesregierung zu den auf der Gründungsversammlung des Deutschen Schriftstellerverbandes in Köln am 8. Mai 1969 erhobenen Forderungen ein hinsichtlich einer Novellierung des Urheberrechtsgesetzes, der Befreiung der Schriftsteller von der Umsatzsteuer und der gesetzlichen Festlegung einer Mindestbeteiligung des Autors am Ladenverkauf eines von ihm veröffentlichten Werkes?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, wenn ich es richtig sehe, betrifft Ihre Frage zwei sehr verschiedene Teile. Den ersten Teil Ihrer Frage hinsichtlich einer Novellierung des Urheberrechtsgesetzes zur Befreiung der Schriftsteller von der Umsatzsteuer darf ich im Einvernehmen mit dem Herrn Bundesminister der Finanzen wie folgt beantworten.Die Frage der Umsatzbesteuerung der freien Berufe, insbesondere der Schriftsteller und der Journalisten, ist bei den Beratungen des Mehrwertsteuergesetzes eingehend erörtert worden. Die gesetzgebenden Körperschaften haben es aus systembedingten Gründen für erforderlich gehalten, die Leistungen der freien Berufe weiterhin in die Umsatzbesteuerung einzubeziehen, und zwar mit dem ermäßigten Steuersatz von 5 °/o. Ich darf hierzu auf den Stenographischen Bericht der 101. Sitzung des Bundestages Bezug nehmen.Die Einbeziehung geschah einmal aus der Erwägung, daß die deutsche Umsatzsteuer eine allgemeine Leistungssteuer ist, vor allem aber, weil eine Steuerbefreiung für die Schriftsteller — dasselbe gilt für die Journalisten — von Nachteil wäre. Da sie ihre Leistungen gegenüber steuerpflichtigen Unternehmen, insbesondere gegenüber Verlagen, erbringen, bereitet ihnen die Überwälzung der Umsatzsteuer keine Schwierigkeiten; denn die Verlage können die ihnen in Rechnung gestellten Vorsteuern von ihrer Steuerschuld absetzen. Gleichzeitig hat der Schriftsteller das Recht, seine eigenen Vorsteuern — z. B. bei Reisekosten und Büromaterial — abzusetzen. Wirtschaftlich gesehen sind hiernach die Schriftsteller mit der Umsatzsteuer nicht belastet. Eine Steuerbefreiung hätte dagegen zur Folge, daß der Schriftsteller seine Vorsteuern nicht mehr absetzen dürfte und sie deshalb aus seinem Honorar bestreiten müßte.Den besonderen Belangen der Schriftsteller hat der Bundesfinanzminister dadurch Rechnung getragen, daß er die abzugsfähigen Vorsteuern der Schriftsteller, deren Umsatz 100 000 DM im Kalenderjahr nicht überschreitet, mit 1,7 v. H. des Umsatzes pauschaliert hat. Hierdurch erübrigt sich insoweit ein Einzelnachweis der Vorsteuern.Bei dieser Sach- und Rechtslage hat die Bundesregierung nicht die Absicht, eine Umsatzsteuerbefreiung der Schriftsteller vorzuschlagen.Der zweite Teil Ihrer Frage, Herr Abgeordneter, betrifft einen anderen Bereich, und zwar das Problem einer Novellierung des Urheberrechtsgesetzes zur gesetzlichen Festlegung einer Mindestbeteiligung des Autors am Ladenverkauf eines von ihm veröffentlichten Werks. Die Bundesregierung ist nicht der Auffassung, daß eine Bestimmung in das Urheberrechtsgesetz aufgenommen werden sollte, durch die eine Mindestbeteiligung des Autors am Ladenpreis eines von ihm veröffentlichten Werks zwingend vorgeschrieben wird. Es handelt sich hierbei um eine Einzelfrage des Urhebervertragsrechts, die nur im Zusammenhang mit einer umfassenden Neuordnung dieses Rechts erfolgen kann. Eine solche Neuordnung durch ein neues Urhebervertragsgesetz ist be-
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 242. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1969 13499
Staatssekretär Dr. Maassenabsichtigt. Dieses Gesetzgebungsvorhaben erfordert jedoch eine gründliche Vorbereitung, die längere Zeit in Anspruch nehmen wird.Die geforderte Regelung erscheint auch nicht dringlich. Das neue Urheberrechtsgesetz enthält in § 36 bereits eine allgemeine Bestimmung, die den Urheber vor unbilligen Auswirkungen der Vertragsfreiheit auf dem Gebiet der Honorarvereinbarung schützt. § 36 sieht zwingend vor — wie Ihnen bekannt —, daß der Urheber eine angemessene Beteiligung an den Nutzungserträgnissen aus seinem Werk verlangen kann, wenn sich nachträglich herausstellt, daß das ursprünglich vereinbarte Entgelt „unter Berücksichtigung der gesamten Beziehungen" des Urhebers zu seinem Vertragspartner „in einem groben Mißverhältnis" zu den Nutzungserträgnissen steht.
Herr Kahn-Ackermann!
Herr Staatssekretär, darf ich Sie fragen, ob Sie tatsächlich Kenntnis von den auf der Gründungsversammlung in Köln erhobenen Forderungen haben, weil ich sonst annehmen müßte, daß Sie meine Frage in einem gänzlich anderen Sinn beantwortet hätten. Meine Frage, welche Haltung die Bundesregierung hinsichtlich einer Novellierung des Urheberrechtsgesetzes einnimmt, bezieht sich auf den Tatbestand, daß die Schriftsteller nachdrücklich gegen die durch den Bundesrat hineingekommene Regelung protestiert haben, wonach Abdrucke ihrer Werke zu Schul- und Unterrichtszwecken frei sind. Auf diesen Tatbestand sind Sie leider nicht eingegangen. Ich darf es einmal bei dieser ersten Zusatzfrage bewenden lassen.
Mir scheint diese erste Zusatzfrage ziemlich reichlich zu sein, und ich frage mich, ob die Beantwortung einer so komplexen Frage in der Fragestunde überhaupt Sinn hat. Sie führt nämlich zwangsläufig zu sehr umfangreichen rechtspolitischen Überlegungen, wenn ich das richtig sehe. Ob dafür jetzt hier der Platz ist, wage ich zu bezweifeln. Aber ich will der Sache nicht vorgreifen. Vielleicht geht es besser aus, als ich glaube.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich will mir Mühe geben, Herr Präsident.
In dem Regierungsentwurf des neuen Urheberrechtsgesetzes von 1965 war eine solche Vergütungspflicht für die Aufnahme von Werken in Schulbücher vorgesehen. Diese Regelung, die von allen Fraktionen des Deutschen Bundestages ausdrücklich als wesentlicher Fortschritt gegenüber dem bisher geltenden Recht begrüßt wurde, ist jedoch am Widerspruch des Bundesrats gescheitert. Die Bundesregierung ist nach wie vor der Auffassung, daß die Aufnahme von Werken in Sammlungen für den Kirchen-, Schul- oder Unterrichtsgebrauch nur gegen Vergütung zulässig sein sollte. Sie sieht sich aber durch die ablehnende Entscheidung des Gesetzgebers gehindert, von sich aus erneut eine entsprechende Gesetzesänderung vorzuschlagen, solange ein solcher Vorschlag nicht auf eine veränderte Sachlage gestützt werden kann. Solche neuen Tatsachen liegen jedoch bisher nicht vor.
Herr Kahn-Ackermann!
Herr Staatssekretär, darf ich Sie fragen, ob Sie sich bei Ihrer Antwort, als Sie auf § 36 des Urheberrechtsgesetzes Bezug nahmen, bewußt waren, daß diese Bestimmung, wie in Köln ausgeführt wurde, in der Praxis völlig rechtsunwirksam ist. Hinsichtlich der anderen Antwort, die Sie mir gegeben haben, haben Sie sicherlich auch nicht in Erwägung gezogen, daß es Länder gibt, die trotz des Vertragsrechts die Entschädigung der Autoren bei verkauften Werken gesetzlich geregelt haben, weil die Regierungen der Auffassung sind, daß das durch das Vertragsrecht heute sehr zu Lasten der Urheber geregelt ist und der Staat dort regulierend eingreifen muß.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, uns allen ist wohl bekannt, ' daß die Vorschrift des § 36 des Urheberrechtsgesetzes eine der problematischsten und umstrittensten des Gesetzes war.
Zum zweiten Teil Ihrer Zusatzfrage möchte ich sagen: die Bundesregierung hatte die Absicht. Sie hatte einen entsprechenden Entwurf vorgelegt. Da das an einer anderen Einstellung des Gesetzgebers gescheitert ist und sich die Fakten nicht geändert haben, sieht die Bundesregierung keine Chance, einen solchen Entwurf noch einmal vorzulegen.
Nein, Sie haben keine Fragen mehr.
— Nein, Sie dürfen auch das nicht, Herr Kollege; das geht gegen die Regel.
Ich rufe die Fragen 35 und 36 des Herrn Abgeordneten Biechele auf.
Der Fragesteller hat seine Fragen zurückgezogen.
Wieviel Verfahren sind durch die Tätigkeit der „Zentralen Erfassungsstelle der Landesjustizverwaltungen in Salzgitter" wegen Verdachts einer verbrecherischen Handlung an der Demarkationslinie zwischen beiden Teilen Deutschlands und an der Mauer in Berlin eingeleitet worden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, bis zum 23. Juni 1969 hat die „Zentrale Erfassungsstelle der Landesjustizverwaltungen in Salzgitter" 9709 Verfahren eingeleitet. Davon entfallen auf den Bereich der Demarkationslinie zwischen der Bundesrepublik und dem anderen Teil Deutschlands 2975 Fälle, auf den Raum Berlin 3065 Fälle und auf Vorfälle im anderen Teil Deutschlands 3669 Fälle.
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13500 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 242. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Juni 1969
Eine Frage, Herr Dr. Marx.
Herr Staatssekretär, kann ich davon ausgehen, daß in der Regel — vor allen Dingen, was Zonengrenze und Mauer anlangt — wegen Totschlags ermittelt wird und daß nach den bei uns bis jetzt geltenden Gesetzen solche Fälle nach 15 Jahren verjähren?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, wir haben auch Totschlagsfälle, ich will einmal vorsorglich sagen: Tötungsfälle dabei, die natürlich an die Staatsanwaltschaften abgegeben und dort ermittelt werden. Es ist richtig, daß sie nach dem jetzt geltenden Recht — es sei denn, daß es sich um Mord handelt — nach 15 Jahren verjähren.
Herr Dr. Marx!
Herr Staatssekretär, werden von der Zentralen Erfassungsstelle in Salzgitter-Bad bei der Einleitung von Verfahren auch die Rechtsnormen und Gesetze im Bereich des anderen Teils Deutschlands berücksichtigt, wobei ich davon ausgehe, daß auch in diesen
Gesetzen keine Möglichkeit für den Schießbefehl enthalten ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, die Frage der Gewalttaten — ich glaube, so war es wohl in der ersten Anweisung an die Zentralstelle ausgeführt —, der Gewaltakte — Verzeihung; jetzt habe ich den Ausdruck wieder präsent — ist natürlich gerade im Hinblick auf das Problem, das Sie ansprechen, sehr schwierig zu beurteilen. Der niedersächsische Justizminister hat im Jahre 1968 der Erfassungsstelle eine neue Anweisung zukommen lassen, in der der Bereich der Taten genau abgegrenzt ist, die die Zentralstelle mit ihren Möglichkeiten erfassen soll. Ich bin sehr gern bereit, Ihnen diese Anweisung zukommen zu lassen, wenn Sie darauf Wert legen.
Ich kann keine weitere Frage mehr zulassen. Die Fragestunde ist geschlossen.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 26. Juni 1969, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.