Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die Tagesordnung um die in der Ihnen vorliegenden Liste bezeichneten Vorlagen ergänzt werden. — Das Haus ist wohl damit einverstanden. Die Erweiterung der Tagesordnung ist damit beschlossen.
Folgende amtliche Mitteilung wird ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesminister für Gesundheitswesen hat am 27. Februar 1969 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Picard, Dr. Martin, Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein und Genossen betr. psychiatrische Einrichtungen — Drucksache V/3805 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache V/3908 verteilt.
Wir kommen zu Punkt 1 der Tagesordnung: Fragestunde
— Drucksache V/3878 —
Treffen Pressemeldungen zu, wonach die Bundesregierung auf der Konferenz des Ministerrates der Westeuropäischen Union am 6./7. Februar d. J. in Luxemburg freiwilligen Konsultationen über außenpolitische Fragen unter den 7 Mitgliedstaaten der WEU nur unter Vorbehalten zugestimmt bzw. verfassungsrechtliche Bedenken dagegen geäußert hat?
Zur Beantwortung der Herr Parlamentarische Staatssekretär Jahn.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich bitte, die Frage 121 gleich in meine Antwort einbeziehen zu dürfen, Herr Präsident.
Präsident von Hassel, Keine Bedenken? — Dann rufe ich die Frage 121 des Abgeordneten Bauer auf:
Welche Gründe waren im einzelnen für diese Haltung der Bundesregierung ausschlaggebend?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Im Oktober 1968 hat der belgische Außenminister Harmel seine bekannten Vorschläge zur Verstärkung der europäischen Zusammenarbeit auf verschiedenen Gebietenim Rahmen der Westeuropäischen Union unterbreitet. Diese Vorschläge waren dann Gegenstand der Erörterung in der Ministerratstagung der Westeuropäischen Union in Rom am 21. und 22. Oktober 1968. Einer von Harmels Vorschlägen bezog sich auf die Verstärkung der außenpolitischen Konsultationen in der WEU dergestalt, daß Mitgliedsregierungen sich verpflichten sollten, in bestimmten Fragenbereichen, die in einer zu vereinbarenden regelmäßig zu überprüfenden Liste zusammenzufassen wären, ihre Vertragspartner zu konsultieren, ehe sie neue Entschlüsse fassen oder neue Positionen beziehen würden. Zu diesem Vorschlag von — wie man sie kurz bezeichnen kann — obligatorischen Vorabkonsultationen hat die Bundesregierung sich damals generell positiv geäußert und sich bereit erklärt, ihn zusammen mit ihren Partnern näher zu prüfen. Sie hat gleichzeitig auf den engen Zusammenhang hingewiesen, der ihres Erachtens zwischen einer derartigen Verpflichtung als solcher und den Fragenbereichen besteht, auf die sie sich beziehen hätte, und weiterhin auch auf die Notwendigkeit eingehender Überprüfung der rechtlichen, insbesondere der verfassungsrechtlichen Aspekte.Derartige obligatorische Vorabkonsultationen in der WEU hat dann der italienische Außenminister Nenni gleich zu Beginn der Ratstagung in Luxemburg wieder zur Debatte gestellt. Wie schon in der Zeit zwischen den beiden Ratstagungen zeigte sich aber auch in Luxemburg erneut, daß schon angesichts der ablehnenden Haltung Frankreichs mit dem Zustandekommen einer Einigung aller sieben WEU-Staaten nicht zu rechnen war. Die Benelux-Regierungen erklärten sich während der Tagung in Luxemburg bereit, freiwillig und sozusagen als Geste des guten Beispiels von sich aus versuchsweise und ohne weitere Verpflichtung der übrigen Mitgliedstaaten listenmäßig noch näher festzulegende Fragen in der WEU vorab zur Konsultation zu bringen.Während die französische Delegation auch gegen die von den Benelux-Staaten erklärte Absicht Einwendungen geltend machte, äußerten der deutsche, der britische und der italienische Delegationschef sich zustimmend. Auf deutscher Seite haben wir dabei nochmals den Gesichtspunkt der Freiwilligkeit unterstrichen sowie die Tatsache, daß es natürlich immer Fälle geben wird, die so umgehendes Handeln erfordern, daß eine Vorabkonsultation nicht mehr möglich ist, was auch andere Delegationen aus-
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Parlamentarischer Staatssekretär Jahndrücklich feststellten. Schließlich haben wir bemerkt, daß, soweit es sich um eine Festlegung der Gegenstände der Konsultation handelt, wir uns natürlich so lange nicht näher äußern könnten, als kein Entwurf einer Themenliste vorliegt.Im übrigen gehen wir davon aus, daß Mitgliedsregierungen, die sich an freiwilligen Vorabkonsultationen nicht beteiligen, eine derartige Handhabung durch die anderen jedenfalls tolerieren. Dies entspricht dem Grundsatz, der schon bisher die deutsche Haltung in den Bemühungen um Aktivierung der Westeuropäischen Union bestimmt hat, daß nämlich die Bildung von Gruppen und Fronten innerhalb der Organisation vermieden werden muß, da sie dem Gesamtziel der Verstärkung der außenpolitischen Zusammenarbeit in der Westeuropäischen Union abträglich wäre, ja die Existenz der Organisation gefährden könnte.Die Luxemburger Ratstagung endete bekanntlich u. a. mit der Absprache, daß der Ständige Rat der WEU alle schon vorliegenden Vorschläge zur Verbesserung und Verstärkung der außenpolitischen Konsultationen und etwaige weitere noch von dieser oder jener Regierung zu machende Anregungen bis zur nächsten Ratstagung überprüfen und den Ministern berichten soll.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Bauer.
Herr Staatssekretär, wird dieser delikate Gegenstand bei der nächsten Unterhaltung zwischen Deutschland und Frankreich auf höchster Ebene behandelt werden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Auf wie hohe Ebene dieses Thema geraten wird, Herr Kollege Bauer, kann ich natürlich im vorhinein nicht sagen, Ich glaube nur, daß die Frage der europäischen Zusammenarbeit im allgemeinen und ihrer Möglichkeiten stärker als bisher im Sinne der in Luxemburg abgegebenen Erklärungen aller sieben Delegationen unerläßlicherweise einen wesentlichen Bestandteil der Besprechungen im März darstellen wird, in denen die Themen der deutsch-französischen Konsultation erörtert werden.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Bauer.
Würde die Bundesregierung solchen Konsultationen zwischen den sieben Mitgliedstaaten der WEU auf offizieller Ebene selbst dann fernbleiben, wenn sie auf der Basis des sogenannten crisis managementdringend geboten wären?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das ist eine völlig theoretische Frage, Herr Kollege Bauer. Ich darf noch einmal die Position der Bundesregierung darlegen, wie sie von uns auch in der Luxemburger
Ratstagung deutlich gemacht worden ist. Zunächst einmal wünschen wir eine generelle Belebung und stärkere Nutzung der Möglichkeiten, die wir in der Westeuropäischen Union für eine engere politische Zusammenarbeit sehen, möglichst pragmatisch beginnend mit dem Gebiet der Außenpolitik. Das beinhaltet, daß wir die vorhandenen Institutionen und vertraglichen Möglichkeiten in vollem Umfang nutzen, im einzelnen — entschuldigen Sie, wenn ich das jetzt so aufgliedere — a) im Rahmen der bisher bestehenden Übung, b) dann — das ist Ihr Fall —, wenn nach dem Vertrage besondere Möglichkeiten vorgesehen sind — in Krisenfällen, wie ich es jetzt einmal verallgemeinernd nennen will —, und c) in der Absicht, neue, wenn Sie so wollen, extensive Verfahrensformen zu finden, die zu einer größeren poltischen Beweglichkeit führen.
Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe dann die Frage 122 Ides Abgeordneten Matthöfer auf:
Trifft es zu, daß dem spanischen Informationsminister am 12. Februar 1969 das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland mit Schulterband und Stern überreicht wurde?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es trifft zu, daß Herrn Fraga Iribarne am 12. Februar 1969 das Große Verdienstkreuz mit Schulterband und Stern überreicht worden ist.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Matthöfer.
Herr Staatssekretär, da Herr Fraga in der Verlautbarung über die Überreichung als spanischer Informationsminister bezeichnet wird, und da Herr Fraga, wie ich gestern in der „Süddeutschen Zeitung" gelesen habe, durch ein Dekret seiner Regierung die Auswirkungen der bestehenden Zensur durch Ausweitung des Geheimnisgesetzes noch verschärft hat — die „Süddeutsche Zeitung" schließt daraus, wie auch Ihnen sicher bekannt ist, er wolle später einmal durch eine lückenlos gesteuerte Pressepolitik die Zensur ersetzen, da dieses neue Gesetz mit seinen Strafbestimmungen einen ebenso sicheren Maulkorb biete wie die Vorzensur —, möchte ich fragen: ist es dann noch richtig, Herrn Fraga als Informationsminister zu bezeichnen? Ist er nicht vielmehr angesichts dieser Tatsachen als Minister zur Verhinderung von Informationen zu bezeichnen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Matthöfer, Sie werden sicher Verständnis dafür haben, daß ich nicht in der Lage bin, hier eine Beurteilung oder Bewertung der Tätigkeit von Angehörigen der Regierungen anderer Länder abzugeben. Aber ich möchte doch auf folgendes hinweisen: der Zeitpunkt, zu dem die Entscheidung über die Auszeichnung mit dem Bundesverdienstkreuz getroffen worden ist, liegt weit zurück, ein Zeitpunkt, als Wertungen in der Richtung, wie sie von Ihnen jetzt eben zitiert oder angedeutet wurden, nicht einmal in der
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Parlamentarischer Staatssekretär Jahn„Süddeutschen Zeitung" andeutungsweise ausgesprochen worden sind.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Matthöfer.
Herr Staatssekretär, wenn auch der Zeitpunkt der Verleihung vor der Verhängung des Ausnahmezustandes gelegen hat, glauben Sie nicht auch, daß die Überreichung des Ordens an Herrn Fraga zu einem Zeitpunkt, wo sich Tausende von Spaniern — Arbeiter, Intellektuelle und Priester —, deren einziges Verbrechen darin besteht, Demokraten zu sein, im Gefängnis oder in der Verbannung befinden, vom Standpunkt dieser Verfolgten aus notwendigerweise als eine aktive Intervention der Bundesregierung in innerspanische Angelegenheiten zugunsten der repressiven Kräfte erscheinen muß?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Im staatlichen Bereich ist man häufig vor Mißdeutungen bestimmter Entscheidungen oder Handlungen nicht gesichert, Herr Kollege Matthöfer. Hier kommt aber hinzu — und ich bin dankbar, daß mir diese Fragestunde Gelegenheit gibt, das auch hier noch einmal deutlich zu sagen —: Selbst der Zeitpunkt der Verleihung lag so, daß damals die Verhängung des Ausnahmezustandes noch nicht abzusehen war. Das hat denjenigen, der das zu tun hatte, nämlich den deutschen Botschafter in Madrid, in die Lage gebracht, zu fragen, ob er eine solche Verabredung, die unter unvoreingenommenen Umständen zustande gekommen war, einhalten wolle oder nicht. Ich bitte, zu sehen, daß es, hätte !er sie nicht eingehalten, eine Verhaltensweise gewesen wäre, die umgekehrt die offiziellen Beziehungen der beiden Regierungen nicht unberührt gelassen hätte. Aus diesem Grunde wird der deutsche Botschafter — ich kenne seine Motive nicht im einzelnen — in Madrid davon abgesehen und sich gesagt haben: Es bleibt bei der einmal unter anderen Voraussetzungen früher getroffenen Verabredung.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dorn.
Herr Staatssekretär, können Sie uns sagen, wie viele Bundesbürger nach Bekanntwerden der Verleihung des Ordens an den spanischen Informationsminister ihren Orden, der ihnen vom Bundespräsidenten verliehen wurde, zurückgegeben haben?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Soweit ich das habe feststellen können, liegen zwei Fälle vor, über die die Presse auch berichtet hat.
Keine weitere Zusatzfrage. — Ich rufe die Frage 123 des Abgeordneten Raffert auf:
Welche besonderen Verdienste hat sich der spanische Informationsminister Manuel Fraga Iribarne um den .,demokratischen
und sozialen Bundesstaat" Bundesrepublik Deutschland erworben, die es gerechtfertigt erscheinen lassen, ihm einen so hohen Orden zu verleihen?
Soll sie mit der Frage 124 verbunden werden?
— Frage 123 getrennt! — Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes erfolgte wegen der Verdienste, die sich Minister Fraga Iribarne um die deutsch-spanischen Beziehungen erworben hat. Sie ergaben sich z. B. bei der Betreuung prominenter deutscher Besucher. Auch verschiedene deutsche Ausstellungen in Spanien wurden von Minister Fraga, der für Deutschland und seine Kultur eine besondere Hochschätzung hegt, in hervorragender Weise unterstützt. Dem Minister sind mehrere Entscheidungen zugunsten in Spanien tätiger deutscher Auslandskorrespondenten zu verdanken. Die Ordensstufe entspricht den internationalen Usancen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Raffert.
Herr Staatssekretär, aus Ihrer Antwort schließe ich, daß nicht etwa Gründe der Reziprozität — also auf deutsch: der ausgleichenden Gerechtigkeit zwischen Herrn Iribarne und einem anderen prominenten deutschen Träger einer spanischen Auszeichnung — eine Rolle gespielt haben.
Abgesehen davon, daß deutsche Staatsbürger sehr viel höhere Leistungen als die von Ihnen geschilderten erbringen müssen, um auch nur eine niedrige Stufe des Bundesverdienstordens zu bekommen, möchte ich Sie fragen: Steht nun zu erwarten, daß andere Minister anderer Länder mit ähnlich gelagerten Verhältnissen, die sich Verdienste um die Reisen von älteren verdienten Mitgliedern dieses Hauses in ihrem Lande, wie etwa in Griechenland, erworben oder die etwa eine Buchausstellung veranstaltet haben, was in Griechenland sicher auch gern gemacht würde, wenn wir das wollten, auch einen Orden dieser Größenordnung in absehbarer Zeit bekommen werden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Frage läßt sich in der generalisierenden Form, in der sie gestellt worden ist, nicht beantworten, Herr Kollege Raffert. Immerhin muß in einem solchen Fall wie dem hier vorliegenden doch zunächst einmal dargetan sein, daß es eine Rechtfertigung auf Grund des praktischen Verhaltens, der Tätigkeit desjenigen gibt, der hier ausgezeichnet werden soll. Ob solche Voraussetzungen in anderen Fällen vorliegen, kann man nur im Einzelfall entscheiden und prüfen. Erstens bin ich in diesem Zusammenhang allerdings sicher, daß man in Zukunft noch etwas strengere Maßstäbe anlegen wird. Zweitens bitte ich nicht zu übersehen, daß sich gerade bei dem Beispiel Griechenland, auf das Sie hingewiesen haben, schon von der Natur der dortigen Regierung her die Frage
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Parlamentarischer Staatssekretär Jahneiner sehr intensiven Zusammenarbeit auf internationalem Gebiet, etwa auch bilateral mit der Bundesrepublik Deutschland, gar nicht stellt, so daß diese Frage von daher jedenfalls nicht so ohne weiteres und so schnell auftauchen könnte.
Verzeihung, Herr Abordneter Raffert, zu dieser Frage sind Ihre zwei Zusatzfragen erschöpft; Sie können zur nächsten Frage noch eine stellen.
In der Zwischenzeit stellt zu dieser Frage der Abgeordnete Matthöfer eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, ob Herr Fraga mit Hilfe seiner Informationspolitik zur Verbreitung von Kenntnissen über deutsche Institutionen in der spanischen Bevölkerung vielleicht dadurch beigetragen hat, daß er Katalanen, Basken und Gallegos mit der Arbeitsweise der Institutionen, die sich aus der föderalistischen Struktur unserer Republik ergeben, bekanntmachte?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Matthöfer, diese Frage kann ich Ihnen nicht beantworten, weil ich nicht weiß, auf welche Gebiete sich die Informationstätigkeit über die Bundesrepublik Deutschland im einzelnen erstreckt hat.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Matthöfer.
Hat Herr Fraga dann vielleicht die spanischen Arbeitnehmer über die Möglichkeiten aufgeklärt, die in unserer Demokratie auf Grund der Existenz politischer Parteien und großer, von Arbeitgebern und Regierung unabhängiger, mit dem Grundrecht auf Streik ausgestatteter Einheitsgewerkschaften bestehen, in denen Arbeitnehmer aller Parteien, besonders jener Parteien, die jetzt die Regierung bilden, zusammenarbeiten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Auch diese Frage kann ich Ihnen nicht beantworten. Ich bin allerdings mit Ihnen, Herr Kollege Matthöfer, der Meinung, daß zur vollständigen Darstellung des Bildes der Bundesrepublik auch diese Information gehört.
Eine weitere Zusatzfrage stellt der Abgeordnete Wienand.
Herr Staatssekretär, sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, jetzt, nachdem die Auszeichnung erfolgt ist, zu verfolgen, ob auch diese Art der Informationen in Spanien gegeben wird?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Natürlich sieht die
Bundesregierung Möglichkeiten, sich ein Urteil darüber zu bilden, in welcher Form die Informationen und Kenntnisse über die Bundesrepublik Deutschland in anderen Ländern, auch in Spanien, vermittelt werden.
Zu einer zweiten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Wienand.
Herr Staatssekretär, welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, dazu beizutragen, daß dies in Spanien geschieht?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Da, wo es die Möglichkeit gibt, Informationen über die Bundesrepublik Deutschland zu verbreiten bzw. Informationen anderer zu fördern, wird die Bundesregierung wie bisher und wie in allen anderen Ländern jede Möglichkeit nutzen, das zu unterstützen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kahn-Ackermann.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung angesichts der Tatsache, daß das Auswärtige Amt beispielsweise auf die Vortragsprogramme in unseren Kulturinstituten und bei anderen Organisationen und Stellen, die wir in Spanien unterhalten, Einfluß hat, bereit, zu veranlassen, daß eine Serie dieser Vortragsveranstaltungen sich mit dem Selbstverständnis unseres demokratischen Staates, mit einer Darstellung des Zusammenwirkens der Parteien und auch des Wirkens der Gewerkschaften zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern befaßt?
Herr Staatssekretär, ich bitte Sie, diese Frage nicht zu beantworten. In der Frage des Abgeordneten Raffert wird nach den Verdiensten des Informationsministers und nicht nach der Informationstätigkeit ides Auswärtigen Amtes gefragt.
Ich rufe die Frage 124 des Abgeordneten Raffert auf:
Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, um zu verhindern, daß die Überreichung von Bundesverdienstorden an Angehörige von Regierungen erfolgt, die in ihrem Lande den Ausnahmezustand verhängt haben?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung hält besondere Maßnahmen nicht für erforderlich.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Raffert.
Gehe ich zu weit, wenn ich daraus schließe, daß die Bundesregierung offensichtlich keine Wiederholungsgefahr befürchtet?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Raf-
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 220. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Februar 1969 11855
Parlamentarischer Staatssekretär Jahnfert, ich habe vorhin bereits darauf hingewiesen, daß solche Erfahrungen ja dazu geeignet sind, bei Überlegungen vergleichbarer Art sicherlich noch einmal mehr als sonst zu überlegen. Ich würde bitten, meine Antwort so zu verstehen.
Zu einer zweiten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Raffert.
Herr Staatssekretär, von dieser Ihrer Antwort ausgehend: Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit der generellen Überprüfung der Praxis der Ordensverleihung, und gibt es einen Ansatzpunkt, dies auch einmal auf der interationalen Ebene ins Gespräch zu bringen, weil solche Schwierigkeiten sicher nicht nur bei uns und zwischen uns und Spanien auftreten werden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich will diese Anregung gerne aufgreifen, Herr Kollege Raffert. Ich möchte allerdings doch sehr darum bitten, jetzt schon Verständnis dafür aufzubringen, daß ich einem solchen Bemühen keine sehr großen Aussichten einräume. Sie wissen, daß Auszeichnungen häufig auf sehr großes Interesse stoßen und sich in den internationalen Beziehungen außerordentlicher Beliebtheit erfreuen. Ich fürchte, daß es hier natürliche menschliche Hindernisse gibt, zu einem radikalen Wandel der bisherigen Übungen zu kommen.
Zu einer Zusatzfrage hierzu Herr Abgeordneter Matthöfer.
Herr Staatssekretär, teilen Sie mit mir die Meinung, daß der in der Frage des Abgeordneten Raffert allgemein bezeichnete Zustand insofern auch besonders im Falle Spaniens ein nicht angebrachter Zeitpunkt zur Überreichung von Orden war, weil durch die Maßnahmen des Herrn Fraga und seiner politischen Freunde, wie die sozialdemokratische Bundestagsfraktion in dieser Woche in einer Entschließung festgestellt hat, die Ansätze einer Einbeziehung Spaniens in das demokratische Europa und seiner Organisationen notwendigerweise zerstört werden mußten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Matthöfer, ich habe schon auf die Schwierigkeiten der Terminierung hingewiesen. Das sind Dinge, die dann unter Umständen, wie in diesem Falle, von uns nicht mehr beeinflußt werden können.
Ihre Frage gibt mir aber Anlaß, Sie zu bitten, doch folgendes bei Ihren Überlegungen nicht unberücksichtigt zu lassen. Sie haben hier von den Maßnahmen des Herrn Fraga Iribarne gesprochen. Hier handelt es sich um eine gesetzliche Maßnahme der spanischen Regierung, die die einzelnen Minister in ihren Ressorts auszuführen haben. Wenn man ein vollständiges Bild über die Haltung einzelner Persönlichkeiten bekommen will, glaube ich, wäre es in diesem Falle doch gut, den zugegebenermaßen sehr am Ende stehenden kleinen Satz, den ich vorhin gesagt habe, nicht außer acht zu lassen, daß eine Reihe deutscher Korrespondenten in Spanien dank der Bemühungen des Ausgezeichneten in der Lage gewesen sind, Schwierigkeiten zu überwinden, die ihnen dort auf Grund oder im Zusammenhang mit ihrer journalistischen Tätigkeit entstanden waren.
Zu einer weiteren Zusatzfrage der Abgeordnete Matthöfer.
Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht, daß in Spanien wie in anderen Ländern Minister die Gesamtpolitik ihrer Regierung zu verantworten haben?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich bin kein so intimer Kenner der spanischen Verfassung; politisch wird man wohl davon ausgehen müssen. Dennoch, glaube ich, dient es einer nüchternen und gerechten Beurteilung, wenn man dabei auch die persönliche Position des einzelnen nicht völlig übersieht.
Herr Abgeordneter Wienand zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, habe ich Sie vorhin richtig verstanden, als Sie sagten, daß ein großes Bedürfnis nach Orden auf allen Seiten festzustellen sei?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es gibt eine gewisse Lebenserfahrung, die dahin geht, Herr Kollege Wienand.
Verzeihung, ich mache darauf aufmerksam, daß es nur eine Zusatzfrage sein darf, die sich unmittelbar darauf bezieht. Ob sich die erste Frage unmittelbar darauf bezog, ist mindestens zweifelhaft.
Zu einer zweiten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Wienand.
Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, deutschen Beamten oder Angehörigen der Bundesregierung Zurückhaltung zu empfehlen, damit die Reziprozität gewahrt bleibt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wenn Sie meine Bemerkung vorhin so verstanden haben sollten, sehe ich natürlich allen Anlaß, Herr Kollege Wienand, zu sagen, daß dafür nicht der mindeste Grund besteht.
Ich rufe die Frage 125 des Abgeordneten Dr. Mommer auf:Wann wird die von Herrn Botschafter von Herwarth geleitete Kommission ihren Bericht zu dem Sonderproblem „Deutschenglische Handelskammer" vorlegen?Herr Staatssekretär, bitte !
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Unterkommission der Reformkommission, die von Staatssekretär Dr. von Dohnanyi geleitet wird, prüft zur Zeit, welche Aufgabenverteilung zwischen den Wirtschaftsabteilungen der deutschen Auslandsvertretungen und bestehenden Handelskammern sachgerecht ist. Sie untersucht dabei die Frage der Gründung einer Handelskammer in London als Modellfall. Sie wird die Anforderungen, die an den Wirtschaftsdienst der Botschaft gestellt werden, überprüfen und die beteiligten Verbände anhören. Wann die Meinungsbildung der Kommission zu dieser Einzelfrage abgeschlossen sein wird, wird sich frühestens nach der nächsten Sitzung, die am 6. März stattfinden wird, übersehen lassen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Mommer.
Herr Staatssekretär, hat denn Herr Lahr vor einiger Zeit auf einer Veranstaltung der Industrie- und Handelskammern in Hannover nicht die Meinung der Bundesregierung wiedergegeben, als er der Notwendigkeit der Einrichtung einer Industrie- und Handelskammer in London einen hohen Rang gab?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nicht jede öffentliche Äußerung eines Staatssekretärs, Herr Kollege Mommer, ist sofort auch eine Wiedergabe der Meinung der Bundesregierung.
Es muß den Herren doch auch freistehen — wenn ich darum bitten dürfte —, ihre persönliche Meinung in einer solchen Frage zu äußern, ohne das nun gleich entsprechend zu deklarieren.
Tatsache ist, daß in dieser Frage eine abschließende Meinungsbildung bei der Bundesregierung noch nicht vorliegt.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Mommer.
Herr Staatssekretär, erscheint es angesichts des hohen Ranges, den die Beziehungen zu Großbritannien für unsere Politik doch haben, nicht selbst ohne Prüfung von Details notwendig, auf diesem Gebiet ein gleich wirksames Instrumentarium für die Entwicklung des Handels zu haben, wie wir es mit anderen Ländern — manchmal auch mit ganz kleinen und nicht so wichtigen — haben?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Qualität und Güter von Beziehungen zwischen zwei Ländern kann man nicht an Institutionen messen. Wenn ein sachliches Bedürfnis für eine solche Institution besteht, dann wird sie errichtet werden. Ich glaube nicht, daß, wenn die Entscheidung nach sorgfältiger Prüfung anders ausfallen würde — eine ebenso theoretische Bemerkung wie die zuvor gemachte —, die deutsch-britischen Beziehungen darüber zu leiden hätten.
Ich rufe die Frage 126 des Abgeordneten Strohmayr auf:
Was kann die Bundesregierung tun, damit deutsche Zirkusunternehmen die Sowjetunion in der gleichen Weise bereisen können, wie dies der sowjetische Staatszirkus von Februar bis Juni in der Bundesrepublik Deutschland kann?
Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Da gegenwärtig zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion kein Kulturabkommen besteht, in dessen Rahmen unter anderem ein deutsches Zirkusgastspiel in der Sowjetunion vereinbart werden könnte, kann die Bundesregierung selbst das Zustandekommen eines solchen Gastspiels nicht bewirken. Sie ist aber bereit, deutsche Zirkusunternehmen zu beraten, denen es ihrerseits freisteht, den sowjetischen Stellen, vor allem GOSZIRK, ein Gastspiel vorzuschlagen.
Ich rufe die Frage 127 des Abgeordneten Kahn-Ackermann auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, sich an einer Sanierung des Tempels von Borobadur in Zentraljava materiell zu beteiligen?
Herr Staatssekretär, bitte!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Mit dem Wunsch, den vom Verfall bedrohten Tempel von Borobadur zu retten, hat die indonesische Regierung die Bundesregierung befaßt und ist auch an die UNESCO herangetreten. Der Bitte, diesen Wunsch bei der UNESCO zu -unterstützen, hat das Auswärtige Amt durch eine Weisung an unseren ständigen Delegierten bei der UNESCO im Oktober vorigen Jahres entsprochen. Die UNESCO hat sich dazu noch nicht geäußert.
Soweit es sich um ,das bilaterale Ersuchen handelt, konnte sich die Bundesregierung bei der Höhe der von indonesischer Seite mit 5 bis 10 Millionen Dollar, d. h. 20 bis 40 Millionen DM, geschätzten Kosten zur Übernahme eines nennenswerten Beitrags im Hinblick auf die Haushaltslage verständlicherweise nicht entschließen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Kahn-Ackermann.
Ist die Bundesregierung gegebenenfalls bereit, dem Ersuchen der indonesischen Regierung in der Form nachzukommen, daß sie einen für derartige Vorhaben erfahrenen Experten dorthin schickt, um a) die Kosten zu überprüfen, b) zu überprüfen, ob ,die Bundesregierung auch auf bilateralem Wege einige Sicherungsmaßnahmen durchführen kann, die vordringlich sind und einen winzigen Bruchteil dieser Kosten erfordern würden?
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 220. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Februar 1969 11857
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es gibt für die Bundesregierung zwei Gründe, den Versuch zu machen, den indonesischen Wünschen möglichst weit entgegenzukommen: erstens ihr allgemeines Bestreben, sich an der Bewahrung besonderer Kulturgüter zu beteiligen, und zum anderen die besonders guten Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Indonesien. Im konkreten Falle würde ich nicht grundsätzlich nein sagen, aber um Verständnis dafür bitten, daß ich es für richtig hielte, auch eine solche Entscheidung zunächst einmal möglichst im Einvernehmen und nach Beratung mit der UNESCO zu treffen, also die Überlegung, ob es jetzt sinnvollerweise bilateral Schritte geben sollte, zunächst einmal zurückzustellen, bis das dort geklärt ist. Ich will es danach nicht ausschließen, wenn es sich dann als sinnvoll erweisen sollte.
Ich rufe die Frage 128 des Abgeordneten Kahn-Ackermann auf:
Ist die Bundesregierung bereit, bei der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder darauf hinzuwirken, daß ausländischen Studenten, die in der Bundesrepublik Deutschland Fächer studieren, für die es häufig keine Abschlußzeugnisse gibt, solche den Bestimmungen ihrer Länder entsprechenden Dokumente ausgefertigt werden, damit ihre Studien in der Bundesrepublik Deutschland in ihren Heimatländern anerkannt werden?
Herr Staatssekretär, bitte!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Abschlußzeugnisse werden von den deutschen Hochschulen für ein den Studienordnungen entsprechendes, erfolgreich abgeschlossenes Studium ausgestellt. Die Möglichkeiten, im Rahmen eines ordnungsgemäßen Studienganges die verschiedensten Vorlesungen zu hören, sind in Deutschland so groß, daß sich das angesprochene Problem nur auf Ausnahmefälle beschränken kann. Es muß davon ausgegangen werden, daß sich Ausländer, die deutsche Hochschulen besuchen, damit auch den geltenden deutschen Studien- und Prüfungsordnungen unterwerfen. Für den Fall, daß ein Studium nicht abgeschlossen wird, kann ein Zeugnis auf Grund einer Zusatzprüfung ausgestellt werden.
Soweit sich durch die Weiterentwicklung von Wissenschaft und Technik die Notwendigkeit ergibt, neue Studiengänge einzuführen, wird die Bundesregierung selbstverständlich das ihre dazu tun, um die Einführung dieser neuen Fächer an den deutschen Hochschulen zu fördern.
Im übrigen muß ich darauf hinweisen, daß die Ausstellung besonderer zeugnisähnlicher Dokumente, mit denen die Durchführung eines unvollständigen oder nicht vorgesehenen Studiums bescheinigt werden soll, zunächst die ausländischen Studenten benachteiligen würde, die eine ordnungsgemäße Ausbildung durchlaufen haben. Die Abstellung eines solchen Dokuments auf die Erfordernisse des jeweiligen Heimatlandes würde darüber hinaus die Frage der Äquivalenz eines solchen Zeugnisses aufwerfen. Ich darf in diesem Zusammenhang auf die bekannten langwierigen Verhandlungen mit Frankreich sowie in der EWG und im Europarat über die Anerkennung der Hochschulzeugnisse hinweisen.
Sollten Sie, Herr Kollege Kahn-Ackermann, einen besonderen Fall im Auge haben, in dem einem ausländischen Studierenden durch die deutschen Prüfungsordnungen Nachteile entstanden sind, so wäre mein Haus bereit, sich in Zusammenarbeit mit der Kultusministerkonferenz nach Prüfung der Umstände für eine zufriedenstellende Lösung einzusetzen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kahn-Ackermann.
Herr Staatssekretär, angesichts der Tatsache, daß ich Hunderte von solchen Fällen im Auge habe, bei denen die Fürsprache für eine Bereinigung, so möchte ich sagen, von deutschen Stellen gekommen ist, möchte ich Sie doch fragen, ob die Bundesregierung nicht für gewisse Bereiche, z. B. für Kunst- und Handwerksfachhochschulen, ein Abkommen mit der Kultusministerkonferenz treffen kann, so daß einfach ein Anerkenntniszeugnis des abgeleisteten Studienganges ausgestellt wird, weil es meiner Meinung nach doch wohl im Interesse der Bundesrepublik liegt, daß diejenigen, die hier nicht zu gewissen Abschlüssen gekommen sind oder zufälligerweise an Fachschulen studiert haben, an denen es keine solchen Abschlußzeugnisse gibt, mit dem Bewußtsein in ihr Heimatland zurückkehren können, daß das anerkannt wird. Glauben Sie nicht, daß das auch eine politisch wichtige Frage ist, die eine Lösung verdient?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
In dieser generellen Form, Herr Kollege Kahn-Ackermann, kann ich die Frage nicht mit Ja beantworten. Sie müssen doch folgendes sehen. Es gibt die Möglichkeit des Besuchs von Hoch- oder Fachschulen der verschiedensten Art mit ordnungsgemäßem Abschluß. Wer diesen Abschluß erreichen will und kann, erhält ein entsprechendes Zeugnis. Es gibt für jedermann, der eine solche Schule besucht, ohne es zu einem förmlichen Abschluß zu bringen, selbstverständlich die Möglichkeit des einfachen Nachweises, daß er die Schule in einer bestimmten Zeit besucht hat. Wenn wir uns bereit fänden, darüber hinaus eine Art qualifizierter Bescheinigung zu geben, müßte man zunächst einmal fragen, unter welchen Voraussetzungen das geschehen sollte. Es müßten dann ja einigermaßen einheitliche Voraussetzungen gegeben werden.Ich muß in diesem Zusammenhang aber auf ein weiteres Bedenken hinweisen, das bei mir dagegen spräche, einer solchen Regelung näherzutreten. Auf dem Spiel steht ja auch etwas das Ansehen, die Qualität der deutschen Ausbildungsstätten. Wenn solche qualifizierten Bescheinigungen ausgegeben würden, könnte man gar nicht verhindern, daß unter Berufung darauf in den Heimatländern Ansprüche oder Ähnliches geltend gemacht würden, obwohl es sich nicht um den Nachweis einer ordnungsgemäß abgeschlossenen Ausbildung handelt. Ich bitte, diese Problematik nicht zu übersehen. Wir haben ja nicht
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11858 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 220. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Februar 1969
Parlamentarischer Staatssekretär Jahnnur gegenüber den betroffenen Personen, sondern auch gegenüber unseren eigenen Institutionen nicht nur Interessen zu wahren, sondern auch darauf zu achten, daß hier keine falschen Wege eingeschlagen werden.
Darf ich mit Rücksicht darauf, daß eine große Zahl von Fragestellern heute morgen noch auf die Beantwortung ihrer Fragen wartet, sowohl die Regierung bitten, sich in der Beantwortung kurz zu fassen, als auch die Damen und Herren des Hohen Hauses, ihre Zusatzfragen kurz zu fassen. Sonst kommen wir nicht durch. Mit Rücksicht auf die anderen Kollegen bitte ich, es so zu handhaben.
Ich rufe die Frage 129 des Abgeordneten Dr. Marx auf:
Trifft es zu, daß am Montag, dem 27. Januar 1969, wenige Stunden nach der Vollstreckung der Todesurteile an angeblichen Spionen, eine „Freundschaftsgesellschaft DDR—Irak" in Bagdad gegründet worden ist?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Antwort lautet: Ja. Nach uns vorliegenden Meldungen ist am 27. Januar 1969 im irakischen Nationalmuseum in Bagdad eine „Zweigstelle der Deutsch-Arabischen Freundschaftsgesellschaft" eröffnet worden. Die Hinrichtung von 14 irakischen Staatsangehörigen, darunter neun Juden, die der Spionage für Israel beschuldigt worden waren, ist am Vormittag des gleichen Tages erfolgt.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Marx.
Herr Staatssekretär, wäre es Ihnen wohl möglich, uns zu sagen, wo überall in den letzten Jahren solche Freundschaftsgesellschaften aufgebaut worden sind und welche Aufgabe ihnen zugemessen ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich kann die Frage jetzt nicht beantworten. Sie geht weit über Ihre Ausgangsfrage hinaus, und ich habe keine Zusammenstellung der anderen gleichartigen Gesellschaften, die an anderen Plätzen gegründet worden sind, hier zur Hand. Der Sinn solcher Institutionen wird, so nehme ich an, nicht anders sein als der von Vereinigungen, die sich ähnlich nennen und auf unserer Seite ins Leben gerufen werden, wenn auch die sehr viel stärkere politisch-propagandistische Betätigung solcher aus Ostberlin initiierter Organisationen sicherlich keines besonderen Hinweises bedarf.
Die Frage 130 des Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, um zu den großen Bemühungen in Nepal — u. a. die deutsche technische Schule und die wissenschaftlichen Arbeiten des Thyssen-Hauses in Katmandu — wenigstens eine Möglichkeit zu schaffen, in diesem befreundeten Land die deutsche Sprache zu lehren und zu erlernen, eventuell als Lektorat an der dortigen neuen Universität?
Die Frage wird im Einverständnis mit dem Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Jahn vom 25. Februar 1969 lautet:
Der Deutsche Akademische Austauschdienst fördert zur Zeit 290 Lektoren der deutschen Sprache an ausländischen Hochschulen. Darüber hinaus liegen Anträge von ca. 50 Universitäten vor, die Deutsch als Unterrichtsfach im Lehrplan führen und angesichts des starken Andrangs ihrer Studenten zum Studium der deutschen Sprache und Literatur um Vermittlung eines DAAD-Lektors gebeten haben.
Leider läßt die mittelfristige Finanzplanung dem Auswärtigen Amt nur wenig Spielraum für eine verstärkte Aktivität auf dem Gebiet der Förderung des Deutsch-Unterrichts an ausländischen Hochschulen. Die Frage der Neueinrichtung von Lektoraten der deutschen Sprache an ausländischen Hochschulen ist laufend Gegenstand von Planungsgesprächen, in denen sich Auswärtiges Amt und DAAD bemühen, eine Rangfolge der Dringlichkeiten aufzustellen. Wieviel Lektorate noch im Laufe des Haushaltsjahres 1969 neu eingerichtet werden können, läßt sich mit Sicherheit erst am Ende des Sommersemesters sagen, wenn feststeht, wo Lektoren von ihren Auslandsposten zurückkehren und welche Ausgaben die Wiederbesetzung dieser Stellen verursacht. Mit Rücksicht auf die angespannte Haushaltslage wird die Neuentsendung eines Lektors nach Nepal in diesem Haushaltsjahr sicherlich noch nicht möglich sein.
Gegenwärtig besteht in Nepal eine Nachfrage nach DeutschUnterricht nur an der School of International Languages, einer Art Fortbildungsschule, deren Unterrichtsstunden vor und nach der üblichen Arbeitszeit liegen. Dort erteilt eine Lehrkraft des Deutschen Entwicklungsdienstes deutschen Sprachunterricht an ca. 25 Schüler.
Ich rufe die Frage 131 des Abgeordneten Deringer auf:
Wann hat die Bundesregierung erfahren, daß in den Nächten vom 9. zum 10. und vom 10. zum 11. Februar 1969 vier Flugzeuge der Versorgungsluftbrücke der kirchlichen Hilfswerke von der Insel Sao Tome in den Kessel von Biafra bei ihrer Landung auf dem Notflughafen Uli von Flugzeugen der nigerianischen Streitkräfte erneut bombardiert und durch Bombensplitter beschädigt wurden, so daß sie zwar zurückfliegen konnten, aber für längere Zeit ausfallen?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung hat am 13. Februar 1969 erfahren, daß vier Flugzeuge der Versorgungsluftbrücke der kirchlichen Hilfswerke bei einem nigerianischen Luftangriff auf dem Flugplatz Uli beschädigt wurden. Die kirchlichen Hilfswerke bestätigten dem Auswärtigen Amt auf seine telefonische Anfrage vom gleichen Tage, daß bei dem Angriff keine Personen zu Schaden gekommen seien und daß die Flugzeuge bereits repariert und wieder im Einsatz seien.
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 132 des Abgeordneten Deringer auf:
Hat die Bundesregierung die Gelegenheit des Besuches des englischen Premierministers benutzt, um ihn über die große Sorge zu unterrichten, die weite Kreise der deutschen offentlichkeit angesichts der menschlichen und politischen Probleme in Biafra erfüllt?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Nigeria-Frage und die humanitäre Hilfe für die notleidende Bevölkerung Ostnigerias waren Gegenstand der Gespräche zwischen dem britischen Premierminister und dem Herrn Bundeskanzler.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Deringer.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 220. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Februar 1969 11859
Herr Staatssekretär, kann man irgendwelche Ergebnisse dieser Gespräche feststellen oder uns mitteilen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Art der Besprechungen war so, daß es darüber keine Ergebnisse festzustellen gab.
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Deringer.
Hat die Bundesregierung nach den Gesprächen den Eindruck, daß die englische Regierung ihren Einfluß auf Nigeria benutzen wird, um zu einer Beendigung des Kampfes beizutragen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Dazu muß ich, Herr Kollege Deringer, darauf hinweisen, daß die Bundesregierung nicht erst aus diesem Anlaß, sondern schon bei einer Reihe früherer Gelegenheiten unter anderem auch innerhalb der Westeuropäischen Union ihre Auffassung gegenüber der britischen Regierung und gegenüber anderen Regierungen dargelegt und auch ihrerseits darauf hingewirkt hat, daß von allen Beteiligten Bemühungen unternommen werden, in diesem Lande dazu beizutragen, daß es möglichst bald zu einer Befriedung und zu einer Lösung der humanitären Probleme kommt. Insofern schließen wir aus verschiedenen Gesprächen, nicht nur aus den letzten, daß sich die britische Regierung in dieser Richtung seit langem ihrerseits bemüht.
Ich rufe die Frage 133 des Abgeordneten Deringer auf:
Was gedenkt die Bundesregierung zu unternehmen, um zu verhindern, daß die unter starker Beteiligung der deutschen kirchlichen Hilfswerke durchgeführten Hilfsmaßnahmen für die Frauen und Kinder in Biafra durch militärische Maßnahmen der Regierung von Nigeria behindert und dabei beteiligte deutsche Staatsangehörige gefährdet werden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Flugplatz Uli dient Biafra nicht nur für die humanitären Luftbrükken des Internationalen Roten Kreuzes und der Kirchen, sondern auch zum Waffennachschub. Im Gegensatz zu den Flügen des Roten Kreuzes hat die nigerianische Regierung die Flüge der Kirchen nicht autorisiert. Sie betrachtet darüber hinaus Nachtflüge als Verletzung ihrer Lufthoheit, hat jedoch Tagesflügen zugestimmt, die wiederum Biafra ablehnt, weil es befürchtet, sein Waffennachschub könne dann unterbunden werden.
Unter diesen Umständen wäre es für die Bundesregierung schwierig, mit Erfolg gegen die nigerianischen Angriffe auf den Flugplatz Uli zu protestieren. Lagos hat sich bei diesen Angriffen bisher möglicherweise sogar eine gewisse Zurückhaltung auferlegt, weil es die Reaktion der Weltöffentlichkeit auf eine effektive Unterbindung der Luftbrücke fürchtet.
Das Auswärtige Amt würde es hingegen begrüßen, wenn Biafra den Hilfsorganisationen einen anderen Flugplatz für humanitäre Tagesflüge zur Verfügung stellen könnte. Es ist von biafranischer Seite öfters betont worden, daß ein solcher Flugplatz im Bau sei. Die kirchlichen Organisationen und das Internationale Rote Kreuz könnten bei der biafranischen Seite auf die Fertigstellung eines solchen Streifens drängen und dabei möglicherweise auch finanziell behilflich sein.
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 134 des Abgeordneten Ertl auf:
Worauf stützt sich die Meinung der Bundesregierung, daß WEU-Ratssitzungen einstimmig einberufen werden müssen, nachdem der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes ursprünglich dem französischen Botschafter erklärt hatte, die Bundesregierung könne sich seiner Meinung nicht anschließen, daß Sitzungen ohne Teilnahme französischer Vertreter „illegal" seien?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Hier hätte ich gern Gelegenheit, Herr Präsident, wieder beide Fragen zusammen beantworten zu dürfen.
Keine Bedenken. Ich rufe dann noch die Frage 135 des Abgeordneten Ertl auf:
Welche „Bedrohung des Friedens" oder „Gefährdung der wirtschaftlichen Stabilität" hat es der Bundesregierung geboten erscheinen lassen, an der von Frankreich nicht gewünschten WEU-Ratssitzung in London teilzunehmen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung ist nicht der Auffassung, daß alle Ratssitzungen der Westeuropäischen Union einstimmig einberufen werden müssen. Die Bundesregierung interpretiert Art. VIII des revidierten Brüsseler Vertrages wie folgt:a) Für die Einberufung von Routinesitzungen bedarf es schon deshalb im Einzelfall nicht einer besonderen, einstimmigen Entscheidung der Mitgliedstaaten, weil sie durch generelle Übereinstimmung der Partner gedeckt sind.b) Sondersitzungen, deren Abhaltung nicht auf Grund einer Situation beantragt wird, die nach Meinung des Beantragenden eine friedensbedrohende Situtaion ist, können nur einstimmig einberufen werden.c) Jedem Partner steht das Recht zu, die unverzügliche Einberufung des Rats zu verlangen, wenn nach seiner Meinung gemäß Art. VIII Abs. 3 eine friedensbedrohende Situation oder eine Gefährdung der wirtschaftlichen Stabilität vorliegt. Eine Einstimmigkeit ist hierfür nicht erforderlich.Ich darf an dieser Stelle gleich darauf hinweisen, daß der WEU-Vertrag das Verfahren für die Einberufung von Ratssitzungen nach Art. VIII Abs. 3 nicht ausdrücklich regelt. Der Vertrag läßt vielmehr das Verfahren weitgehend offen. Aus diesem Grunde, zusätzlich durch das Fehlen einer Geschäftsordnung bedingt, sind verschiedene Interpretationsmöglichkeiten gegeben.
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11860 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 220. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Februar 1969
Parlamentarischer Staatssekretär JahnDie französische Regierung zieht aus der in Art. VIII Abs. 4 für Entscheidungen niedergelegten grundsätzlichen Einstimmigkeitsregel anscheinend den Schluß, daß diese Regel auch für alle Verfahrensfragen und somit für alle Einberufungen von Sitzungen anwendbar sein soll.Diese Auffassung wird von den sechs Vertragspartnern Frankreichs nicht geteilt, zumal Art. VIII Abs. 2 bestimmt, daß der Rat so eingerichtet ist, daß er ständig tätig sein kann. Bei der Einberufung des Rates handelt es sich nicht um eine Entscheidung, die dem Abstimmungsverfahren des Rates unterliegt. Art. VIII Abs. 4 spricht aber nur von Abstimmungen im Rat selber.Die Bundesregierung hat auch nicht die Auffassung vertreten, daß die Sitzung des Rates der Westeuropäischen Union am 14. Februar „illegal" gewesen sei. Anderenfalls hätte sie den deutschen Vertreter nicht an der Sitzung teilnehmen lassen.
Auf Grund der verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten des Art. VIII des revidierten Brüsseler Vertrages hat die Bundesregierung, die sich seit langer Zeit — und mit einem gewissen Erfolg — um die Intensivierung der Konsultationen im Rahmen der WEU bemüht, in der letzten Woche erneut die Initiative ergriffen und ihren Vertragspartnern vorgeschlagen, auf der nächsten Ratssitzung in eine gemeinsame Prüfung des Art. VIII einzutreten, um zu einer möglichst einvernehmlichen Interpretation zu gelangen.Die Frage, welche „Bedrohung des Friedens" es der Bundesregierung hat geboten erscheinen lassen, an der Sitzung teilzunehmen, möchte ich dahin gehend beantworten, daß die Situation im Nahen Osten erörtert werden sollte und in der Sitzung dann auch tatsächlich erörtert wurde. Ich weise darauf hin, daß sich der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen seit bald zwei Jahren mit dieser Frage befaßt, weil sie eine starke Bedrohung des Weltfriedens darstellt.Die Bundesregierung als Nichtmitglied der Vereinten Nationen hatte auch ein besonderes Interesse an dieser Sitzung, um im Rahmen der WEU-Diskussion zu einer friedlichen Beilegung des NahostKonfliktes beizutragen. Die Sitzung hatte den Zweck, daß auch die Meinungen der im Sicherheitsrat nicht vertretenen europäischen Staaten über diese Konfliktfrage in den Beratungen innerhalb der Vereinten Nationen mit berücksichtigt würden.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Ertl.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir darin zu, daß sich die Bundesregierung in dieser Frage der Teilnahme an der WEU-Sitzung zunächst widersprüchlich verhalten hat, in der Form nämlich, daß sie zunächst zu erkennen gab, daß sie die Auffassung Frankreichs nicht teilte, dann aber nach kurzer Zeit erklärte, sie würde doch weitgehend dieselbe Position wie die französische Regierung einnehmen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wie könnte ich Ihrer Auffassung zustimmen, Herr Kollege Ertl, da sie mit den Tatsachen nicht in Einklang zu bringen ist?
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ertl.
Herr Staatssekretär, sind dann nach Ihrer Ansicht alle Pressemeldungen nicht zutreffend, die davon sprechen, daß die Verhaltensweise der Bundesregierung in Großbritannien eine bittere Enttäuschung ausgelöst hat?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Daß die Haltung der Bundesregierung in dieser Frage gelegentlich auch Mißdeutungen ausgesetzt war, wissen Sie so gut wie ich, Herr Kollege Ertl. Ich habe keinen Anlaß, das Verhalten der Bundesregierung in den entscheidenden Fragen daran messen zu lassen, wie in dem einen oder anderen Land bestimmte Zeitungen reagieren. Das sind sicher wichtige Umstände, die man nicht außer acht lassen soll; aber die eigenen Entscheidungen daran messen zu lassen, wäre wohl eine größere Rücksichtnahme auf dieses Medium, als von der Sache her geboten ist, zumal wir der Überzeugung sind, daß in der Sache selber unsere Auffassung und Haltung richtig war und auch weiterhin in dieser Form beibehalten werden muß.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ertl.
Herr Staatssekretär, sind Sie dann in der Lage, mir jetzt zu bestätigen, daß Sie — soweit die Meldung zutrifft — der Auffassung Ihres Kollegen Karl Theodor von Guttenberg zustimmen. wonach von erheblichen Differenzen zwischen der Bundesrepublik und Frankreich bei gleichzeitiger grundsätzlicher Übereinstimmung mit Großbritannien gesprochen werden kann?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich kenne die Äußerungen des Kollegen von Guttenberg nicht so genau, daß ich hier auf ein Zitat hin eine Bestätigung abgeben möchte. Was den sachlichen Kern der Frage betrifft, so kann niemand bestreiten, daß es in einer Reihe wichtiger politischer Fragen unterschiedliche Auffassungen zwischen der französischen und der deutschen Regierung gibt und daß es in einer Reihe wichtiger Fragen, die zum Teil gleiche Gebiete betreffen, weitgehende Übereinstimmung zwischen der britischen und der deutschen Regierung gibt.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ertl.
Herr Staatssekretär, sind Sie in der Lage, hier eine Erklärung darüber abzugeben, wie Sie die gleichzeitigen Gespräche des französischen
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 220. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Februar 1969 11861
ErtlStaatspräsidenten mit dem britischen Botschafter in Paris bezüglich einer Veränderung der EWG und des Aufbaus einer europäischen Freihandelszone bewerten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich denke nicht, daß es die Sache der Bundesregierung ist, Gespräche, die der französische Staatspräsident mit dem britischen Botschafter führt, zu bewerten.
Nur muß ich Ihnen bei dieser Gelegenheit sagen, Herr Kollege Ertl: Was dort gesagt worden ist, war und ist für die deutsche Bundesregierung gar nicht neu. In den früheren Gesprächen, die mit dem französischen Staatspräsidenten geführt worden sind, ist wiederholt von seiner Seite dieses in groben Umrissen gezeichnete Bild der zukünftigen Entwicklung Europas vorgetragen worden. Das hatte insofern für uns keinen — wenn ich das hier so despektierlich sagen darf — sensationellen Neuigkeitswert.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Bauer .
Herr Staatssekretär, darf ich im Zusammenhang mit der von mir bereits gestellten Frage, die dasselbe Problem umfaßt, fragen, ob bei den nächsten offiziellen Gesprächen mit Frankreich auf höchster Ebene nicht einmal seitens des Auswärtigen Amtes in gebührender Form die Frage aufgeworfen werden sollte, ob die Basis des Deutsch-Französischen Vertrages vom Partner nicht in der Weise mißdeutet werden könnte, daß Frankreich in der Zukunft immer damit rechnen könne, daß die Bundesrepublik Deutschland alle Bedenken hinsichtlich einer Stagnation und damit einer schädlichen Wirkung auf die politische Einigung zurückstellt, um auf Frankreich Rücksicht zu nehmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung, Herr Kollege Bauer, wird wie bisher gerade auch die deutsch-französischen Konsultationen dazu benutzen, ihrem Wunsch, ihrer Hoffnung und ihrer Bitte an den französischen Partner in, wie Sie sagen, gebührender Form Ausdruck zu verleihen, dazu beizutragen, daß wir in der europäischen Entwicklung endlich weiterkommen.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 136 des Abgeordneten Ertl auf:
Wie vertragen sich die Äußerungen des früheren französischen Ministerpräsidenten Pompidou und des Bundesernährungsministers Höcherl, wonach in absehbarer Zeit mit einer Aufnahme Großbritanniens und weiterer beitrittswilliger Länder in die EWG nicht zu rechnen sei, mit dem Geist der Römischen Verträge, die ausdrücklich eine Erweiterung der Sechsergemeinschaft verlangen?
Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung hat stets die Ansicht vertreten, daß die europäischen Länder, die hierzu in der Lage und willens sind, den Europäischen Gemeinschaften beitreten sollten. In diesem Sinne interpretiert sie auch die Aufforderung in der Präambel zum EWG-Vertrag an die anderen Völker Europas, sich den Einigungsbestrebungen anzuschließen. Andererseits sieht der gleiche Vertrag für die Zulassung eines neuen Mitglieds Einstimmigkeit vor. Sofern diese Einstimmigkeit nicht erzielt ist, kann nach dem Vertrag ein neues Mitglied nicht aufgenommen werden. Die Bundesregierung bedauert die konkrete Folge dieser Bestimmungen, die gegenwärtig eine Aufnahme Großbritanniens, Irlands, Dänemarks und Norwegens in die Gemeinschaft nicht ermöglicht.
Auch Herr Bundesminister Höcherl hat in seinem Interview mit dem Deutschlandfunk am 16. Februar dieses Jahres nicht sagen wollen, daß er gegen einen Beitritt Großbritanniens sei. Er hat vielmehr lediglich darauf hingewiesen, welche Schwierigkeiten z. B. auf dem Agrarsektor dem Beitritt entgegenstehen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Ertl.
Herr Staatssekretär, wären die jüngst geführten Gespräche zwischen dem Herrn Staatspräsidenten Frankreichs und dem britischen Botschafter in Paris für die Bundesregierung nicht eine willkommene Gelegenheit, sich in diesen Dialog mit einzuschalten und den Beitritt Großbritanniens zu forcieren, insbesondere auch hinsichtlich Ihrer Antwort, daß die Bundesregierung nach wie vor auf Grund der Konsultationsvereinbarungen intensive Gespräche mit der französischen Regierung führt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich bedaure sehr, Herr Kollege Ertl. Ich vermag nicht zu erkennen, wieso gerade die Gespräche zwischen dem französischen Staatspräsidenten und dem britischen Botschafter dazu überhaupt eine Möglichkeit eröffnen sollen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ertl.
Herr Staatssekretär, wenn ich richtig informiert bin, hat der Herr Staatspräsident Großbritannien einen Beitritt — allerdings in einer veränderten rechtlichen Form — in Aussicht gestellt. Mir ist nicht bekannt, daß die Bundesregierung in irgendeiner Form Großbritannien bereits etwas Ähnliches angeboten hat. Ersehen Sie daraus nicht die Notwendigkeit, daß die Bundesregierung auf Worte einmal Taten folgen läßt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Entschuldigen Sie, jetzt wird mir erst der Hintergrund Ihrer vorherigen Frage klar, Herr Kollege Ertl. Dazu muß ich Ihnen allerdings sagen: die Bundesregierung ist
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11862 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 220. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Februar 1969
Parlamentarischer Staatssekretär Jahnsich — darin nach den Gesprächen mit dem britischen Primierminister Wilson noch bestärkt — ja eben mit der britischen Regierung darüber einig, daß wir keine andere Form für den Weg der europäischen Einigung wählen sollten und dürfen als die Beibehaltung, den Ausbau und die Erweiterung der bestehenden Institutionen, unter anderem der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europaischen Gemeinschaften, und daß sich die Bemühungen beider Länder, der Bundesrepublik Deutschland und Großbritanniens, darauf richten, diesen Schritt zu vollziehen und nicht in eine andere Form auszuweichen.
Ich rufe die Frage 137 des Abgeordneten Logemann auf:
Ist es mit den Rechten und Pflichten einer Europäischen Kornmission vereinbar, daß sie in einer von ihr herausgegebenen Zeitschrift und in einem von ihr autorisierten Artikel die von einem deutschen Staatssekretär im Bulletin der Bundesregierung vertretene Forderung nach Anwendung des sogenannten Verursachungsprinzips bei der EWG-Agrarfinanzierung als „KrämerDenken" bezeichnet?
Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nach den Bestimmungen des EWG-Vertrages üben die Mitglieder der Europäischen Kommission ihre Tätigkeit in voller Unabhängigkeit zum Allgemeinwohl der Gemeinschaften aus. Sie dürfen bei der Erfüllung ihrer Pflichten Anweisungen von einer Regierung oder einer anderen Stelle weder anfordern noch annehmen. Sie haben andererseits jede Handlung zu unterlassen, die mit ihren Aufgaben unvereinbar ist. Im Rahmen der so umrissenen Unabhängigkeit der Kommission muß es ihr unbenommen bleiben, ihren Standpunkt zu Sachfragen der EWG in der von ihr herausgegebenen Zeitschrift „Europäische Gemeinschaft" darzulegen oder darstellen zu lassen. Wenn allerdings in dem in der Anfrage zitierten Artikel im Zusammenhang mit dem Problem der Agrarfinanzierung von Krämerdenken gesprochen wird, so ist die Bundesregierung der Auffassung, daß eine solche Bezeichnung nur als nicht sachgerecht und wenig glücklich empfunden werden kann. Im übrigen unterstellt die Bundesregierung nicht, daß dieser mit den Initialen des Verfassers, E. G., gekennzeichnete Artikel die offizielle Meinung der Kommission wiedergibt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Logemann.
Herr Staatssekretär, gibt es nicht in der Luxemburger Vereinbarung einen Passus, der der Kommission Zurückhaltung bei ihrer Öffentlichkeitsarbeit auferlegt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ja, es gibt eine solche Regelung, aber nur da, wo die Kommission als solche tätig wird.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Logemann.
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung dafür Sorge tragen, daß in den Veröffentlichungen, für die laut Impressum die Kommission der Europäischen Gemeinschaften verantwortlich zeichnet, keine Artikel mehr veröffentlicht werden, in denen das Verhalten einiger Regierungen mit Zensuren versehen wird?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich bin sicher, Herr Kollege Logemann, daß bereits die Behandlung dieses Themas in dieser Fragestunde in Brüssel aufmerksam verfolgt und zum Anlaß genommen wird, dort für die Zukunft das gebotene Maß an Zurückhaltung praktizieren zu lassen. Ich glaube nicht, daß man bei jedem Anlaß solcher Art nun gleich mit Kanonen schießen und offizielle Vorstellungen erheben muß. Wenn sich das im weiteren Zeitablauf als notwendig erweisen sollte, kann man es immer noch tun. Diesen Anlaß sollte man nach meiner Meinung nicht über Gebühr strapazieren.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dröscher.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mit mir darin überein, daß eine solche Einschränkung der Meinungsfreiheit von Journalisten, wie sie Herr Kollege Logemann hier wünscht, natürlich auch dazu führen würde, daß Angriffe auf Haltungen anderer Staaten, die wir als gemeinschaftsfeindlich empfinden, abgestellt würden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Überlegung, daß man auf journalistische Veröffentlichungen von staatlicher oder offizieller Seite so wenig wie möglich einwirken sollte, lag meiner soeben gegebenen Antwort an Herrn Kollegen Logemann zugrunde.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Gleissner.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, insbesondere auf die deutschen Mitglieder der Kommission einzuwirken, daß sie künftig bei ihren Äußerungen zur EWG-Politik oder z. B. zur EWG-Finanzierung vorsichtiger und zurückhaltender sind und den Vorstellungen der Bundesregierung bzw. auch den Vorstellungen des Bundestages mehr Rechnung tragen als bisher?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe soeben schon versucht zum Ausdruck zu bringen, daß nach meiner Meinung dieser Anlaß und die Tatsache seiner Behandlung hier eigentlich mit Sicherheit ausreichen würden, in Brüssel als entsprechende Mahnung empfunden zu werden. Ich möchte hier ungern
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 220. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Februar 1969 11863
Parlamentarischer Staatssekretär Jahnzusagen, daß auf Grund eines solchen Anlasses nun gleich Maßnahmen ergriffen werden.
Auch solche förmlichen Aufforderungen wären ja Maßnahmen. Sollte sich im weiteren Verlauf der Entwicklung herausstellen, daß ein mahnendes Wort notwendig ist, kann man immer noch darüber nachdenken. Aber ganz so schnell sollte man doch nicht zu offiziellen Schritten übergehen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Gleissner.
Herr Staatssekretär, werden Sie die vorgestrige Debatte über den Grünen Bericht und die heutige und frühere Fragestunden zum Anlaß nehmen, wenigstens den deutschen Mitgliedern der Kommission in schriftlicher Form von den Auffassungen Kenntnis zu geben, die hier im Hause bei einer nicht geringen Minderheit oder sogar bei der Mehrheit herrschen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung geht zunächst einmal davon aus, daß die die Tätigkeit in Brüssel berührenden Fragen, soweit sie in diesem Hause behandelt werden, auch in Brüssel sorgfältig gelesen werden. Ich bin — ich sage das ganz offen, Herr Kollege — im gegenwärtigen Zeitpunkt gegen formalisierte Schritte.
Zu einer Zusatzfrage der Abgeordnete Ertl.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir bestätigen, daß die Frage des Kollegen Logemann nichts mit der Pressefreiheit zu tun hat, sondern mit abqualifizierenden Bemerkungen offizieller Art in Form eines Artikels seitens der Kommission?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe die Beurteilung dieser Bemerkung durch die Bundesregierung hier wiedergegeben. Dennoch wird selbstverständlich mit der Frage nach Maßnahmen auch die Pressefreiheit berührt.
Eine weitere Zusatzfrage der Abgeordnete Ertl.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung schon geprüft, daß z. B. nach der Aktuellen Stunde dieses Hohen Hauses von Kommissionsmitgliedern entgegen den tatsächlichen Verhältnissen wiederholt in der Offentlichkeit und auch bei öffentlichen Veranstaltungen behauptet worden ist, dieses Hohe Haus habe debattiert, ohne den Sachverhalt zu kennen, und glauben Sie, daß ein solches Verhalten den demokratischen Sitten nützt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Ertl, eigentlich wissen wir doch aus der politischen Auseinandersetzung in unserem Lande selber, daß es da, wo Politiker engagiert sind, nicht in allen Fällen mit Samthandschuhen zugeht. Ich würde also auch auf diesem Gebiete dort, wo sich Politiker engagieren — und darum handelt es sich doch —, nicht allzu strenge Maßstäbe anlegen wollen, es sei denn, wir könnten uns darauf verständigen, daß das dann zur allgemeinen Regel wird. Ich fürchte nur, da hätten Sie ebensolche Bedenken wie ich.
Zu einer Zusatzfrage der Abgeordnete Dr. Mommer.
Herr Staatssekretär, würden Sie der Kommission dann auch mitteilen, daß es in diesem Hause sicher eine große Mehrheit gibt, die der Meinung ist, daß die Unabhängigkeit der Kommission — und zur Unabhängigkeit gehört auch das Recht, sich auszudrücken, wie es der jeweilige Journalist für richtig hält — ein hervorragendes Ziel unserer Politik ist und daß es unsere Aufgabe ist, diese Unabhängigkeit gegen alle Angriffe nationalistischer Art zu verteidigen, gleichgültig, ob sie aus Deutschland oder einem anderen Lande kommen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich danke Ihnen für diese Frage, die es mir ermöglicht, zu sagen, daß der Bundesregierung an der unabhängigen und eigenverantwortlichen Arbeit der Kommission außerordentlich viel liegt und sie das ihrige dazu zu tun wünscht, daß das auch bewahrt und geschützt bleibt. Wenn ich im übrigen gesagt habe, ich möchte diesen Vorfall nicht zum Anlaß nehmen, zu formalisierten Schritten zu kommen, bitte ich um Verständnis, daß ich das auch insofern nicht tun möchte.
Ich rufe die Frage 138 des Abgeordneten Logemann auf:
Gehört zu den Aufgaben einer Europäischen Kommission außer der Information der Presse auch die Honorierung von Journalisten, die an illustrierten Zeitschriften mitarbeiten?
Herr Staatssekretär, bitte!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Im Rahmen ihrer Presse- und Informationsarbeit steht es der Kommission frei, außer der Information der Presse auch eine angemessene Honorierung von Journalisten, die an illustrierten Zeitschriften mitarbeiten, vorzunehmen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ohne die Freiheit der Kommission antasten zu wollen: Teilen Sie nicht meine Meinung, daß es auch einer europäischen Behörde doch besser anstehen würde, die Presse umfassend zu unterrichten, anstatt eigene Zeitschriften herauszugeben?
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11864 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 220. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Februar 1969
Ich darf den Herrn Abgeordneten Logemann darauf aufmerksam machen, daß das keine Frage, sondern eine Feststellung war. Ich lasse die nicht zu. Haben Sie noch eine weitere Zusatzfrage?
„Teilen Sie meine Auffassung", habe ich gesagt, Herr Präsident.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein, ich teile Ihre Auffassung nicht, Herr Kollege Logemann.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 139 des Abgeordneten Logemann auf:
Welchen Betrag wenden die Europäischen Gemeinschaften aus Steuergeldern der sechs Länder für die Öffentlichkeitsarbeit und dabei besonders für die Herausgabe von illustrierten Zeitschriften in mehreren Sprachen auf?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Im Haushaltsplan der Europäischen Gemeinschaft für das Jahr 1969 ist unter Kapitel X für Ausgaben der Kommission für Veröffentlichungen und für die Unterrichtung der Öffentlichkeit insgesamt ein Betrag von 4,6 Millionen Rechnungseinheiten ausgebracht. Hiervon sind 660 000 Rechnungseinheiten für die im Vertrag und in den Verordnungen des Rats vorgesehenen Veröffentlichungen sowie für die ,regelmäßig erscheinenden Veröffentlichungen der Kommission und für Einzelveröffentlichungen vorgesehen. Als zur Zeit einziges illustriertes Mitteilungsblatt gibt die Kommission monatlich in sieben Sprachen die „Europäische Gemeinschaft" heraus. Die jährlichen Kosten der Publikation belaufen sich auf zirka 250 000 Rechnungseinheiten.
Keine Zusatzfrage.
Meine Damen und Herren, wir sind damit am Ende der Fragestunde. Zurückgezogen sind die Fragen 46, 47, 48, 67, 68, 78, 83, 84, 110, 111 und 112. Die nicht beantworteten Fragen werden schriftlich beantwortet.
Außerdem teile ich dem Hohen Hause mit, daß die Fraktion der CDU/CSU infolge einer Fraktionssitzung darum gebeten hat, die Sitzung des Hauses für 30 Minuten zu unterbrechen. Wir treten um 10.35 Uhr wieder zusammen.
Meine Damen und Herren, wir fahren in der unterbrochenen Sitzung fort.
Ich rufe als nächstes den heute früh auf die Tagesordnung gesetzten Zusatzpunkt auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Aus-. schusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung — Geschäftsordnungsangelegenheiten — betr. Ergänzung
der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages
— Drucksache V/3900 —Berichterstatter: Abgeordneter Genscher
Das Haus verzichtet auf den Mündlichen Bericht.
Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Ich komme zur Abstimmung. Wer dem Antrag des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung auf Drucksache V/3900 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Das ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 27 der gemeinsamen Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Neuregelung des Besoldungsrechts
— Drucksache V/3693 —
a) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache V/3898 — Berichterstatter: Abgeordneter Bremer
b) Schriftlicher Bericht des Innenausschusses
— Drucksache V/3827 —Berichterstatter: Abgeordneter Wagner
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seinen Schriftlichen Bericht und frage ihn, ob er ihn zu ergänzen wünscht.
— Das ist, wie ich höre, nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Einzelberatung der zweiten Lesung: Art. I § 1 Nr. 1. Hierzu liegen mehrere Änderungsanträge vor. Wer wünscht sie zu begründen? — Der Herr Abgeordnete Dr. Miessner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich begründe den FDP-Antrag auf Umdruck 590 *), und zwar Ziffer 1 a) und b). Dies betrifft die Rechtsverhältnisse der Lehrer an den höheren Schulen. Zunächst Ziffer 1 a) : Die FDP ist zufrieden, daß vom Innenausschuß auf unseren Antrag hin bereits in § 5 Abs. 3 das Amt des Studiendirektors hinzugefügt und dem Grundamt der Besoldungsgruppe A 15 gleichgestellt worden ist. Damit wird die in der Regierungsvorlage für den Bundesbereich in der Besoldungsordnung A vorgesehene Wertung zugleich mit rahmenrechtlicher Wirkung ausgestattet.Nun ist der Innenausschuß leider nicht unserem weiteren Antrag gefolgt, konsequenterweise auch*) Siehe Anlage 2
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 220. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Februar 1969 11865
Dr. Miessnerfür die Oberstudiendirektoren die Besoldungsgruppe A 16 zu eröffnen. Dies ist ein altes Problem, das schon vor einem Dreivierteljahr bei der Verabschiedung des letzten Besoldungsgesetzes hier diskutiert wurde. Dem Antrag liegt, um es ganz generell zu sagen, der Gedanke zugrunde, daß man den Lehrern an den höheren Schulen, also den Studienräten, Oberstudienräten, Studiendirektoren und Oberstudiendirektoren, letztlich die gleichen Beförderungsmöglichkeiten eröffnen sollte wie den übrigen Beamten.Ich darf darauf aufmerksam machen, daß wir mit unserem Antrag, der jetzt im Plenum vorliegt, bewußt eine sehr weiche Fassung gewählt haben, indem wir gesagt haben: Der Oberstudiendirektor ist in die Besoldungsgruppe A 16 o der A 15 einzureihen. Diese wahlweise Einstufung soll die Bedenken derjenigen Länder beseitigen, die — das darf ich sagen — wohl mit Recht geltend gemacht haben, daß man im Hinblick auf die Größe der höheren Schulanstalten nicht jeden Oberstudiendirektor nach A 16 einstufen könnte. Wir haben ja über diese Frage des längeren diskutiert, und ich hatte den Eindruck, daß unser Antrag bei vielen Kollegen im Ausschuß durchaus auf fruchtbaren Boden fiel, insbesondere wenn man nicht die starre Form — nur A 16 —, sondern die weiche Form — wahlweise A 15 oder A 16 — hier in das Gesetz einfügen würde.Der Antrag unter Ziffer 1 b) behandelt ein anderes Teilproblem. Er betrifft die Oberstudienräte als Vertreter der Direktoren. In den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Schleswig-Holstein befinden sich die ständigen Vertreter der Oberstudiendirektoren mit der Amtsbezeichnung „Studiendirektor" bereits in A 15 oder werden jedenfalls künftig auf Grund dieses Zweiten Besoldungsneuregelungsgesetzes mit dieser Amtsbezeichnung nach A 15 eingestuft. In diesen Ländern wohnen bekanntlich 70 % der Einwohner der Bundesrepublik. Nur noch in den Stadtstaaten, in Hessen und Niedersachsen werden auch weiterhin die ständigen Vertreter der Oberstudiendirektoren als Oberstudienräte nach A 14 plus Zulage besoldet. Diese unterschiedliche Besoldungsregelung für die gleiche Tätigkeit in der gleichen Funktion sollte man bei dieser Gelegenheit doch sogleich mit beseitigen.Meine Damen und Herren, es ist einfach die Frage, wieweit der Bundestag einer Entwicklung, die sich bereits in den Ländern mit 70 % der Bevölkerung abgezeichnet hat, nun auch für die übrigen 30% Rechnung tragen will. Wenn wir hier schon ein grundlegendes Gesetz auf dem Gebiet der Besoldungsordnung verabschieden, dann sollte man diese bereits klar erkennbare Tendenz berücksichtigen.Ich bitte Sie daher namens der FDP-Fraktion, den beiden soeben begründeten Anträgen zuzustimmen.
Damit sind die Ziffern 1 a) und 1 b) des Änderungsantrags auf Umdruck 590 begründet. Das Wort zur Begründung der Ziffer 2 des Änderungsantrages auf Umdruck 590 hat die Frau Abgeordnete Dr. Diemer-Nicolaus.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Zweite Besoldungsneuregelungsgesetz — darüber müssen wir uns vollkommen klar sein — ist ein Gesetz von allergrößter Bedeutung. Wir wissen, daß der Kreis der Beamtenschaft nicht kleiner, sondern im Gegenteil infolge der zusätzlichen Aufgaben, die von Staats wegen übernommen werden, immer größer wird. Ob diese Übernahme von zusätzlichen Aufgaben wirklich überall notwendig ist, möchte ich heute in diesem Zusammenhang dahingestellt sein lassen.Es ist jetzt das dritte Mal in dieser Legislaturperiode, daß wir uns mit den gleichen Fragen befassen. Das dritte Mal in dieser Legislaturperiode müssen wir uns im Zusammenhang mit der Besoldungsneuregelung auch mit einer ganz grundsätzlichen Frage auseinandersetzen, einer Frage, die nicht nur besoldungsrechtlichen Charakter hat, sondern bei der andere als besoldungsrechtliche Gründe — nämlich verfassungsrechtliche — weitaus überwiegen. Es geht um die Stellung unserer Richter in unserem Staat. Bei den unbefriedigenden Regelungen, die in dieser Hinsicht von dem Hohen Hause gegen die Stimmen der FDP seit dem Jahre 1967 getroffen worden sind, kann es nicht verwundern, daß die Unruhe und die Bestürzung in den hiervon betroffenen Kreisen wächst.Ich möchte heute doch einmal auf die Entwicklungsgeschichte eingehen. Im Parlamentarischen Rat erklärte im Zusammenhang mit den Fragen des Rechtswesens der Berichterstatter eindeutig folgendes:Das Grundgesetz wollte einen neuen Richtertyp schaffen, der im Gegensatz zu früher kein kleiner Justizbeamter mehr ist, sondern sich völlig von der übrigen Beamtenschaft abhebt. Der Richter erscheint nicht mehr als der Beamte eines anonymen Staates, der irgendeine staatliche Aufgabe ausübt, die zufällig in der Handhabung richterlichen Ermessens besteht, sondern als ein Stellvertreter in der vom Volke ausgehenden Souveränität, die ihn unmittelbar legitimiert.Jetzt der ganz entscheidende Satz, der auch im Zusammenhang mit dem Besoldungsneuregelungsgesetz berücksichtigt werden muß, was aber nicht geschehen ist:Er ist damit auf die Ebene verfassungsrechtlicher Organe emporgehoben worden.An diesen Grundsatz, der im Parlamentarischen Rat so klar und eindeutig ausgesprochen wurde und seinen Niederschlag in den betreffenden Bestimmungen des Grundgesetzes, insbesondere in Art. 92, gefunden hat, ist in diesem Zusammenhang zu erinnern.Auch das Bundesverfassungsgericht hat sich mit diesen Fragen befaßt und in einer Entscheidung gesagt:
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11866 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 220. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Februar 1969
Frau Dr. Diemer-NicolausDie im Interesse der richterlichen Unabhängigkeit gebotene Sonderregelung für die Richter gestattet keine Berufung zugunsten einzelner Beamtengruppen.Auch dieser Satz aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist von Bedeutung.Im Gegensatz zum Rechtsausschuß — ob das nun im Bundesrat oder hier im Bundestag ist — hat jeweils der Innenausschuß die eindeutigen Empfehlungen, die bei der letzten Diskussion über die Neuregelung einmütig vom Rechtsausschuß für die Richterbesoldung gegeben wurden — —
— Herr Kollege Brück, ich bitte Sie, das Protokoll der letzten Bundesratssitzung vom Dezember nachzulesen.
Sowohl der Rechtsausschuß des Bundesrates — das habe ich gesagt — als auch der Rechtsausschuß des Bundestages haben hier eine andere Regelung empfohlen.
Im Bundesrat ist dann, Herr Kollege Brück — das ist mir durchaus bewußt — vom Finanzausschuß und vom Innenausschuß — genauso wie hier im Bundestag von seiten des Innenausschusses — diese Empfehlung abgelehnt worden.
Ich schlage vor, zunächst die Rednerin sprechen zu lassen und nachher darauf zu erwidern.
Ich nehme an, Sie werden nachher die Gründe für Ihre Auffassung darlegen.
Ich habe das Protokoll der Bundesratssitzung nicht nur einmal, sondern mehrmals gelesen und werde nachher daraus auch zitieren.In der 110. Sitzung dieser Legislaturperiode sind diese Probleme wieder auf die lange Bank geschoben worden. Es ist immer wieder in Aussicht gestellt worden: Das wird gemacht. Auch im vergangenen Jahr ist wieder eine verfassungsmäßige Richterbesoldung entgegen den eindeutigen Empfehlungen des Rechtsausschusses auf die lange Bank geschoben worden.Bei der letzten Beratung über diesen Gegenstand in der 181. Sitzung, in der ich mich für eine Änderung der Richterbesoldung eingesetzt habe, haben Sie mir, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen — Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, darf ich einmal ganz kurz Ihre Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen —, mit Zwischenrufen entgegengehalten:Aber sehen Sie denn nicht, daß das überhaupt nicht mehr das Besoldungsneuregelungsgesetz ist, sondern daß wir das Gesetz geändert haben; das kommt erst später! Aber jetzt haben wir diese Situation.
— Nach Auffassung der Freien Demokratischen Partei werden Sie mit dem, was Sie hier beschlossen haben, dem Verfassungsauftrag nicht gerecht.
Dieser Verfassungsauftrag ist von Anfang an für uns bindend gewesen und in der 110. Sitzung auch von meinem Kollegen Dorn vertreten worden. Ich gehöre sonst nicht zu denjenigen, die dauernd zitiren, aber nachfolgendes Zitat zeigt klar, daß die FDP von Anfang an, einerlei, ob sie in Regierung oder Opposition war, eine vollkommen eindeutige Haltung in dieser Hinsicht eingenommen hat. Am 12. Mai 1967 hat Herr Kollege Dorn in bezug auf die Richterbesoldung ausgeführt — ich wiederhole das auch deswegen, weil es heute noch genauso richtig und zutreffend wie damals ist und von uns vertreten wird —:Es geht nicht vorrangig um materielle Gehaltsfragen. Das geht eindeutig auch aus allen Eingaben hervor, die wir vom Richterbund und anderen Organisationen erhalten haben.... Es geht um die wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung des Richteramtes in unserem Staate. Die verfassungsrechtliche Stellung, die den Richtern durch das Grundgesetz zugewiesen ist, ist ein entscheidender Grund für die Heraushebung der Besoldung der Richter im Jahre 1953 gewesen.1953 wurde das anerkannt. Allerdings war die SPD damals in Opposition. Wenn Sie seinerzeit dem nicht zugestimmt haben sollten — ich weiß es nicht —, kann ich Sie natürlich jetzt nicht dafür verantwortlich machen.Weiter hat Kollege Dorn ausgeführt:Die Richterbesoldung kann nicht durch Dienstpostenbewertung oder durch Stellenschlüsselpolitik geregelt werden, wie das in anderen Verwaltungsbereichen ... möglich ist. Es ist ein ganz eigenes System der Besoldung, das den Richtern auf Grund ihres Verfassungsauftrages gegeben werden sollte.Diesen Schluß werde ich auch heute ziehen, nämlich, daß wir nur in einer eigenen Besoldungsordnung mit einem Amtsgehalt für den Richter diese Probleme in einer vernünftigen Weise regeln können.Sie wundern sich darüber, daß in den betroffenen Kreisen, bei den Richtern und Staatsanwälten, Unruhe entstanden ist, weil trotz der wiederholten Zusage: wir machen es, tatsächlich keine entscheidenden Schritte unternommen werden! Wundert es Sie, daß die Richter, die heute — das müssen wir doch klar erkennen — in einem Umfang mit Aufgaben belastet sind, die es früher in diesem Schwie-
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Frau Dr. Diemer-Nicolausrigkeitsgrad nicht gegeben hat, Unruhe zeigen und daß die Unruhe und die Unzufriedenheit mit unserem parlamentarischen System, die heute teilweise herrschen, auf Kreise übergreift, die sonst absolut hinter unserem demokratisch-parlamentarischen System stehen? Wundert es Sie, daß die Richter, die nach wie vor bereit sind, unsere freiheitliche Grundordnung zu schützen, sagen: Wir wollen endlich einmal die Stellung erhalten, die dem Verfassungsauftrag gerecht wird?Wie ist es denn jetzt bei dieser neuen Regelung gegangen? Man muß doch darauf abheben, daß schon die Beratungen im Bundeskabinett einen überaus überraschenden Gang genommen haben. Ich entnehme das einem Artikel in der „Frankfurter Rundschau" vom 27. November 1968 mit der Überschrift „Zwischen Kaiser und Grundgesetz". Darin wird eingehend berichtet, wie die Beschlüsse im Bundeskabinett zustande gekommen sind. Die zunächst günstigere Regelung wurde vom Bundeskabinett in Anwesenheit des Bundeskanzlers bei einem Abstimmungsergebnis von 6 : 5 angenommen. Danach fand eine nochmalige Beratung im Bundeskabinett statt, weil Bundesfinanzminister Strauß Widerspruch erhoben hatte. Danach lautete das Abstimmungsergebnis 7 : 7.Etwas war für mich sehr überraschend. — Ich kann hier nur aus der „Frankfurter Rundschau" zitieren. Woher die ihre Kenntnisse hat, weiß ich nicht. Über die Beratungen im Bundeskabinett erfahre ich natürlich nichts. — Überraschend für mich war, daß in diesem Fall auch der Bundesjustizminister von der Möglichkeit des Widerspruchs, die ihm nach § 26 Abs. 2 der Geschäftsordnung der Bundesregierung zusteht, keinen Gebrauch gemacht hat, was mich angesichts der Einstellung, die ich sonst beim Herrn Bundesjustizminister kenne, außerordentlich betroffen hat. Dann, Herr Kollege Brück, begannen die Beratungen im Bundesrat.Dabei muß uns noch folgendes zu denken geben, meine Damen und Herren: Wir wissen, daß es die Länder sind, die von der Neuregelung der Besoldung — des Amtsgehalts, heißt es richtiger — der Richter am stärksten betroffen sind. Ausgerechnet die Besoldungskommission der Landesjustizverwaltungen hat eine Entschließung gefaßt, die folgendermaßen beginnt:Die Besoldungskommission der Landesjustizverwaltungen begrüßt, daß der Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Neuregelung des Besoldungsrechts die Richterbesoldung wegen der Besoldungsentwicklung in den übrigen Bereichen der öffentlichen Dienste im Grundsatz als verbesserungsbedürftig anerkennt. Die in diesem Entwurf vorgesehenen Verbesserungen reichen jedoch nicht aus, um die durch die gesetzgeberischen Entscheidungen des Bundestages in den Jahren 1953 und 1957 begründete Relation zwischen der Besoldung der Richter und derjenigen der Beamten wiederherzustellen und damit der Bedeutung der Stellung des Richters in Staat und Gesellschaft Rechnung zu tragen.Wenn sogar die Besoldungsreferenten mit einem entsprechenden Amtsgehalt einverstanden sind, kann man sich doch nur darüber wundern, daß nachher das Plenum des Bundesrates der Empfehlung nicht folgt.Meine sehr verehrten Kollegen von der SPD, ich möchte Sie darauf hinweisen, daß gerade der Herr Justizminister des Landes Hessen, Herr Strelitz, die Probleme der Richterbesoldung im Bundesrat in einer außerordentlich klaren Art und Weise angesprochen hat. Er hat dabei auch auf folgendes hingewiesen: Es werde immer wieder gesagt, wenn etwas geändert werde, komme das ganze Besoldungsgefüge ins Wanken, und aus diesem Grunde erfolge auch jetzt wiederum eine Vertröstung. — Er hat in diesem Zusammenhang das schöne Beispiel des Korallenriffs gebraucht, von dem nur ein kleiner Teil über der Meeresoberfläche zu sehen ist. Der größere Teil unter der Oberfläche ist verkalkt. Er hat sich dagegen gewendet, daß das Besoldungsgefüge in dieser Weise verkalkt. Gerade Herr Strelitz weist ganz eindeutig darauf hin, daß die Regelung nach dem Regierungsentwurf unzureichend ist. Ich zitiere noch einmal Herrn Strelitz, meine Kollegen von der SPD:Der Richter ist nun einmal durch unser Grundgesetz als Vertreter der Dritten Gewalt eben doch in eine verfassungsrechtliche Sonderstellung hineingekommen, wie sie dem früheren deutschen Verfassungsleben nicht bekannt war oder zumindest nicht entsprechend ins öffentliche Bewußtsein getreten ist.Er hebt hervor, daß diese Änderung unbedingt kommen muß. Dem ist nicht Rechnung getragen worden vom Plenum des Bundesrates. Die abermalige Empfehlung des Rechtsausschusses des Bundestages ist vorher auch wieder vom Innenausschuß negiert worden.Ich verweise auch auf das, was die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr, die ÖTV, die sich auch speziell mit Fragen der Richterbesoldung jetzt befaßt, in der Zuschrift vom 19. Dezember mit Recht ausführt. Dort heißt es:Die Gewerkschaft ÖTV stellt fest, daß Abgeordnete und Minister den Richtern und Staatsanwälten mehrfach versprochen haben, ihre Benachteiligung gegenüber vergleichbaren Gruppen so rasch wie möglich zu beseitigen. Es ist unzumutbar, sie jetzt auf die Große Justizreform zu vertrösten, von der jedermann weiß, daß sie noch lange auf sich warten lassen wird.Es ist auch meine Auffassung, daß es unmöglich ist, auf eine Justizreform zu warten und dann erst eine der verfassungsrechtlichen Stellung der Richter entsprechende Besoldung einzuführen. Diese Frage ist unabhängig von der Gestaltung der Gerichte. Das Grundgesetz hat nicht den Gerichten, sondern ganz speziell den Richtern diese besondere verfassungsrechtliche Stellung gegeben. Deswegen muß diese Reform der Richterbesoldung auch unabhängig von der Justizreform, die ich natürlich sehr begrüßen würde, durchgeführt werden.
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11868 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 220. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Februar 1969
Frau Dr. Diemer-NicolausDie ÖTV sagt dann weiter — ich zitiere wieder —:Trotz Enttäuschung und Verbitterung halten die Richter und Staatsanwälte in der Gewerkschaft ÖTV nach wie vor an der Auffassung fest, ihre Forderungen nur mit sachlichen Argumenten zu vertreten. Sie haben es bisher abgelehnt, ungeeignete und unvertretbare Kampfmaßnahmen zu ergreifen, die ihre Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft in Frage stellen müssen. Diese Einstellung kann aber nur dann weiter Bestand haben, wenn Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung zeigen, daß sie sachlichen Argumenten zugänglich sind und nicht nur auf provokatorische Demonstrationen reagieren.In diesem Zusammenhang wird noch auf etwas anderes hingewiesen. Die ÖTV führt aus:Richter und Staatsanwälte haben mit Interesse verfolgt, daß eine Landesregierung erst durch streikende Gymnasiasten zu besserer Einsicht gelangt ist— und jetzt kommt etwas, was mich wiederum sehr betroffen hat —und daß der Bundeskanzler Vertreter der APO mit dem Hubschrauber zu Gesprächen abholen läßt, während er für Gespräche mit den Richtern offenbar keine Zeit findet.
Ich möchte wissen, ob sich das in der Zwischenzeit geändert hat. Herr Bundeskanzler, ich sehe, daß Sie gekommen sind. Deswegen stelle ich die Frage an Sie — im Zusammenhang mit der nach meiner Auffassung mit Recht vorgebrachten Beanstandung —, ob in der Zwischenzeit dieses Gespräch mit Ihnen stattgefunden hat. Ich würde es außerordentlich bedauern, wenn die Richter, weil diese Gruppe nicht das zahlenmäßige Gewicht wie z. B. der Bauernstand hat, nicht auf eine entsprechende Rücksprache rechnen könnten. Das nehme ich doch nicht an. Ich unterstelle, daß die Richter der Bedeutung entsprechend — auch wenn es sich hier nicht um eine Gruppe handelt, die in die Hunderttausende geht — gehört werden und daß bei einer so wichtigen Sache entsprechende Gespräche bei den höchsten Stellen, den Herrn Bundeskanzler eingeschlossen, stattfinden können.Meine Damen und Herren, es ist sonst nicht meine Art, in einem derartigen Umfang zu zitieren, wie ich das jetzt getan habe. Ich habe mich aber mit meinen eigenen Ausführungen zurückgehalten, um die Vergangenheit und das alles zu Ihnen sprechen zu lassen, was sich bereits an Zusagen ergeben hat.Ich darf zum Schluß meiner Ausführungen auf folgendes kommen. Ich brauche Ihnen den Antrag auf Umdruck 590 in Ziff. 2 mit all seinen Einzelpositionen wohl nicht im einzelnen zu erklären. Mir aus dem freien Berufsstand erscheint das als ein „Beamtenbesoldungschinesisch", das nur diejenigen verstehen, die laufend, wie das im Innenausschuß der Fall ist, mit diesen Fragen in allen Einzelheiten zu tun haben. Der Antrag ist von unseren Kollegen im Innenausschuß ausgearbeitet, auf die ich mich verlassen kann. Es handelt sich insgesamt darum, daß den Richtern die Stellung gegeben wird, die ihrer verfassungsrechtlichen Stellung und Aufgabe entspricht. Von der Qualifikation unseres Richterstandes hängt es ab, ob wir auch in Zukunft eine Rechtsprechung haben, die ihren Aufgaben gerecht werden kann. In einem ganz anderen Zusammenhang hat der Herr Kollege Dichgans erst kürzlich bei einem Antrag, der von ihm kam, darauf hingewiesen, daß die Richterschaft diesen Aufgaben nur gerecht werden könne, wenn man auch in materieller und in sonstiger Hinsicht die entsprechenden Konsequenzen ziehe. Wenn Sie unserem Antrag zustimmen, können Sie jetzt endlich auch insofern die von Herrn Kollegen Dichgans geforderten Konsequenzen ziehen.Meine Auffassung und die Auffassung meiner politischen Freunde geht dahin, daß sich der Bundestag endlich einmal dazu entschließen sollte, klar zu erkennen, daß Richter keine Beamten sind, sondern ihre eigene Stellung haben, und daß man den Schwierigkeiten, die mit einer wirklich gerechten Besoldung — auch für andere Gruppen, auch für die Beamten — zusammenhängen, nur dadurch gerecht werden kann, daß man eine eigene Richterbesoldung schafft.Sie wissen, daß unsere Richter die schwierigsten Aufgaben zu erfüllen haben. Daß es ihnen manchmal schwerfällt, z. B. bei den Demonstrationsprozessen, diesen Aufgaben gerecht zu werden, hängt doch auch damit zusammen, daß notwendige Reformen von uns hier im Hause oft nicht rechtzeitig in Angriff genommen werden, so daß die Richter mit veralteten Gesetzen arbeiten müssen, die unseren Zeiten einfach nicht mehr gerecht werden. Wir sollten das als eine Mahnung an uns ansehen, daß wir notwendige Reformen so rechtzeitig einleiten, daß auch die Richter die modernen Gesetze haben, nach denen sie zu einer Rechtsprechung kommen, die im Norden und im Süden — bei Demonstrationen ist das außerordentlich unterschiedlich — möglichst einheitliche Grundsätze entwickelt, die unserem heutigen Grundgesetz in jeder Weise entsprechen.
Meine Damen und Herren, wir wollen jetzt weiterhin die Anträge begründen, die zu Ziffer 1 gestellt werden — die anderen erst zu einem späteren Zeitpunkt —, damit wir die hier gemeinsam diskutieren können.
Das Wort hat demnach nunmehr der Abgeordnete Dr. Arndt zu Umdruck 594 *) Ziffer 1.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag Umdruck 594, zu dem ich hier spreche, läuft zwar formal unter meinem Namen, wird aber auch von den Kollegen Dr. Müller-Emmert und Frau Kleinert unterstützt. Was ich jetzt zunächst zu diesem Umdruck sage, ist auch zugleich im Namen dieser beiden Kollegen ausgesprochen.1 Siehe Anlage 3
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Dr. Arndt
Ich muß zunächst aus formalen Gründen für das Protokoll eine Änderung des Umdrucks 594 erklären. Weil Ziffer 3 dieses Änderungsantrags in dieser Form nicht durch Beschluß verabschiedbar ist, bitte ich — das sage ich fürs Protokoll —, Nummer 3 durch den Änderungsantrag Umdruck 590 Ziffer 2 Buchstabe b zu ersetzen.
— Nur zu einem Teil. Allein die Tatsache, Herr Kollege Lenz, daß der Antrag von der Opposition kommt, ist für mein Gefühl noch kein Argument dafür, daß er falsch sein müßte.
— Gut. — Meine Damen und Herren, das zunächst zum Formalen.Im Namen der drei Kollegen, die ich eben erwähnt habe, möchte ich nunmehr zugleich den Antrag Umdruck 594 zurückziehen. Ich ziehe ihn einmal deshalb zurück, weil er dem entsprechenden Antrag Umdruck 591 *), der die Lehrer betraf, inzwischen ebenfalls zurückgezogen worden ist.
Meine Damen und Herren, das bedeutet aber nicht, daß das Problem, das hier Gegenstand der Beratungen ist, nämlich die besoldungsmäßige Absonderung der Richter von den übrigen öffentlich Bediensteten nicht auf der Tagesordnung bliebe. Die Durchstufung der Richter bleibt mithin auf der Tagesordnung dieses Hauses. Sie soll — um ein modernes Wort zu gebrauchen — der Einstieg zu einer Entwicklung sein, an deren Ende das Amtsgehalt für den Richter stehen muß, das Amtsgehalt, das den Richter aus der Besoldungsordnung der gesamten Verwaltung völlig herausnimmt.Meine Damen und Herren, da heute Freitag ist, will ich Ihre Geduld und Ihre Zeit nicht über Gebühr in Anspruch nehmen. Vor etwa zwei Wochen habe ich von dieser Stelle aus meine Stellung zur dritten Gewalt ausführlich erläutert. Ich habe dargelegt, aus welchen Gründen der Richter ein Funktionsträger besonderer Art ist, dem die Verfassung einzigartige Aufgaben übertragen hat, die sich von allen anderen Aufgaben im öffentlichen Dienst unterscheiden. Der Richter hat als einziger in unserer Verfassungsordnung das Recht, für sich und allein im Namen des Volkes Entscheidungen zu verkünden. Seine Entscheidungen sind es allein, die Endgültigkeit für sich in Anspruch nehmen. Keine andere Gewalt, nicht einmal die gesetzgebende Gewalt dieses Hauses, ist mit einer gleichartigen Verfassungsvollmacht ausgestattet. Wie Sie wissen, sieht unser Grundgesetz vor, daß das Bundesverfassungsgericht sogar Entscheidungen dieses Hauses aufheben und mit der Endgültigkeit versehen kann, die eben nur dem Richterspruch eigen ist.Diese verfassungsrechtliche Sonderstellung ist es, um die es hier geht. Es geht nicht um mehr oder`) Siehe Anlage 4weniger Geld, es geht nicht — jedenfalls nicht in erster Linie — um die finanzielle Einstufung der Richter, sondern es geht um die Einstufung der Richter als demonstrativen Ausdruck der Anerkennung, daß die dritte Gewalt in diesem Lande von Verfassung wegen eine Sonderstellung genießt. Das sollten wir dabei berücksichtigen.Wenn wir dennoch diesen Antrag heute zurückgezogen haben, so im Interesse des übrigen öffentlichen Dienstes, um nämlich das Zustandekommen des heute zur Debatte stehenden Gesetzes zu einem Zeitpunkt zu ermöglichen, der die übrigen Angehörigen des öffentlichen Dienstes recht frühzeitig in den Genuß dessen kommen läßt, was in diesem Gesetz steht.Meine Damen und Herren, ich möchte dieses Podium nicht verlassen, ohne darauf hinzuweisen, daß es mir manche Erscheinungen im Bereich der Richterschaft zunächst einmal nicht erleichtert haben, dies hier heute auszusprechen.
Ich freue mich, daß insbesondere einige Richter aus dem hessischen Raum von dem Vorhaben, hier in ihrer Amtstracht zu erscheinen, die ja die Würde des Gerichts darstellen soll und nicht zu Demonstrationszwecken vor diesem Hause bestimmt ist, Abstand genommen haben. Wie gesagt, das hat es mir nicht erleichtert, hierher zu kommen. Ich freue mich daher auch, daß der Deutsche Richterbund sich durch seinen Präsidenten von diesem Vorhaben ausdrücklich distanziert hat.Ich will aber doch gleich ein zweites Wort anknüpfen. Seit der Zeit meiner beruflichen Tätigkeit — anderthalb Jahrzehnte lang — bin ich immer — und ich bin und war sehr stolz darauf — gewerkschaftlich organisiert gewesen. Ich bin also der letzte, der keinerlei Verständnis hätte für die Durchsetzung gewerkschaftlicher Forderungen. Aber, meine Damen und Herren, wenn — insbesondere von seiten der Gewerkschaft der Lehrer — in der letzten Zeit Dinge unternommen worden sind, wie sie meiner Frau und meiner Familie passiert sind, dann muß ich diese Tribüne gerade als alter Gewerkschaftler benutzen, um dagegen zu protestieren. Nach dem Erscheinen der letzten Sondernummer der „Deutschen Lehrerzeitung" ist meine Frau binnen weniger Stunden mit mehr als 20 Anrufen überhäuft worden, in denen ihr gesagt wurde: Sagen Sie Ihrem Mann: wenn er am 14. nicht richtig stimmt — die nahmen damals noch an, diese Debatte würde heute vor 14 Tagen sein —, dann wird er und werden Sie und Ihre Kinder schon merken, was er davon hat. — Meine Damen und Herren! Gerade als alter Gewerkschaftler protestiere ich gegen diese Art des Versuchs, hier Druck auf die Familie auszuüben.
Wir sollten solche Methoden denjenigen überlassen, die sich dadurch selber als die außer- und antiparlamentarische Opposition kennzeichnen, die im Gegensatz zur freiheitlichen Ordnung in diesem Lande steht.
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11870 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 220. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Februar 1969
Dr. Arndt
Die deutschen Gewerkschaften sind immer stolz darauf gewesen, eine der zentralen Stützen der Demokratie und damit auch der Methoden der Demokratie zu sein. Ich möchte daher dringend an alle, die in diesem Lande berechtigte Wünsche vorzubringen haben, appellieren, sich nicht durch solche Methoden selber in Mißkredit zu bringen.
Meine Damen und Herren, da der Abgeordnete Dr. Arndt nicht zu den Unterzeichnern des Umdrucks 591 gehört, möchte ich ausdrücklich fragen: Wird der Antrag zurückgezogen? Gibt es dagegen keinen Widerspruch? — Gut, dann ist er zurückgezogen.
— Ist er zurückgezogen oder nicht?
— Herr Dr. Arndt, Sie haben den Antrag Umdruck 591 zurückgezogen, obwohl Sie gar nicht Unterzeichner sind. Die Sache ist mir etwas rätselhaft.
— Herr Abgeordneter Hofmann will ihn doch begründen? — Ja, bitte, wenn Sie den Antrag nicht zurückziehen, kann er begründet werden. — Herr Dr. Arndt, vielleicht klären Sie die Sache zuerst einmal auf, und dann kann Herr Dr. Hofmann den Antrag begründen. Welchen Antrag ziehen Sie zurück? Ich habe hier 591 verstanden.
Ich bitte um Entschuldigung, falls ich mich versprochen haben sollte. Ich ziehe selbstverständlich nur meinen eigenen Antrag Umdruck 594 zurück. Ich bin gar nicht befugt, fremder Leute Anträge zurückzuziehen.
Jetzt klärt sich das auf. Sie haben sich versprochen. Der gesamte Antrag Umdruck 594 ist also zurückgezogen. Ich danke Ihnen.
Dann kommt jetzt zu Antrag Umdruck 591 der Abgeordnete Hofmann. — Einen Augenblick! Entschuldigen Sie, es ist für jemanden, der nicht Besoldungsrechtler ist, wirklich etwas schwierig. Wir wollen ja die Nr. 10 jetzt noch nicht erörtern, sondern bei Nr. 1 bleiben und jetzt in die Aussprache über Nr. 1 eintreten. Jetzt hat das Wort der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herrn! Es ist nicht meine Absicht, zu den einzelnen Problemen Stellung zu nehmen, die hier angesprochen worden sind. Die begründende Kollegin von der FDP hat aber die Vorgeschichte angesprochen und gibt mir damit die erwünschte Gelegenheit, die hier angeschnittene Frage so zu klären, daß in Zukunft ein Irrtum oder ein Mißverständnis nicht mehr möglich sein sollte.
Der materielle Inhalt des Zweiten Besoldungsneuregelungsgesetzes, wie es dem Kabinett vorgelegt wurde, ist abschließend in einer Besprechung der Staatssekretäre der beteiligten Ministerien einvernehmlich festgelegt worden. Im Kabinett haben Entscheidungen stattgefunden, die zum Teil zu abweichenden Regelungen gegenüber der zwischen den Ressorts erfolgten Einigung geführt haben. Das betraf besonders die Richterbesoldung und betraf einen Teil der Offiziersbesoldung. Ich möchte nicht die Verantwortung auf jemand anderen abwälzen, möchte nicht das berühmte Spiel mit dem Schwarzen Peter fortsetzen; ich bin hier aber um der objektiven Darstellung des Ablaufs willen verpflichtet, zu sagen, daß der Vorsitzende der Länderfinanzministerkonferenz im Einvernehmen mit allen Länderfinanzministern und in ihrer aller Auftrag die Bundesregierung bei einer Sitzung des Finanzplanungsrates gebeten hat, in den Fragen, in denen die Länder die Besoldungslast überwiegend zu tragen haben, den Ländern keine Lösungen aufzuzwingen, die von ihnen nicht gebilligt oder vorgeschlagen werden, und er hat dabei besonders auf die Richterbesoldung hingewiesen. Wenn ich daraufhin einen Einspruch herbeigeführt habe, um eine günstigere Regelung, die das Bundeskabinett entschieden hatte, wieder rückgängig zu machen, dann ausschließlich deshalb, weil ich mich an meine grundsätzliche Zusage gebunden fühlte, keine Änderungen, sei es der Steuergesetzgebung, sei es der Besoldungsgesetzgebung von Bundes wegen zu veranlassen, deren Last die Länder zu tragen haben. Aus diesem Grunde hat sich die Bundesregierung meinem Einspruch in der Frage der Richterbesoldung angeschlossen und die Vorlage so vorgelegt, wie Sie sie vorliegen haben, — aber nur aus diesem Grunde und nicht, weil sie geglaubt hätte, damit irgendeine Wertung oder einen Vergleich ausdrücken zu dürfen. Das lag ihr völlig fern.
Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort in der Aussprache hat der Abgeordnete Brück.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich zu den beiden hier inzwischen begründeten Anträgen Stellung nehme, lassen Sie mich einige grundsätzliche Ausführungen im Zusammenhang machen.Dieses Zweite Besoldungsneuregelungsgesetz ist — da stimme ich mit Frau Diemer-Nicolaus völlig überein — von größter Bedeutung und Wichtigkeit. Das zeigt auch die Geschichte dieses Gesetzes. Im Zusammenhang mit diesem Zweiten Besoldungsneuregelungsgesetz muß man ja wahrscheinlich das Erste Besoldungsneuregelungsgesetz des Jahres 1967 und auch das im vorigen Jahre verabschiedete Vierte Besoldungsänderungsgesetz sehen. Der Bundestag hatte die Bundesregierung im Zusammenhang mit dem Vierten Besoldungsänderungsgesetz aufgefordert, nunmehr einen Entwurf vorzulegen, in den der Rest aus dem ursprünglich zweiten Änderungsgesetz, das als viertes verabschiedet wurde, aufgenommen werden sollte zusammen mit dem ursprünglich
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Brück
geplanten dritten Änderungsgesetz. Nachdem nun diese Zusammenfassung erfolgt ist, ist es selbstverständlich, daß neben den rein sachlichen Dingen auch andere Fragen eine maßgebliche Rolle spielen, so auch das Finanzvolumen, das nicht nur vom Bund, sondern auch von den Ländern aus gesehen werden muß. Mir ist z. B. bekannt, daß in einigen Punkten die Bundesregierung durchaus andere Vorstellungen hatte, zu denen dann die Länder in den Vorbesprechungen sagten: Das können wir im Augenblick nicht machen. Wir sind gehalten, diese Zusammenhänge zwischen Bund und Ländern zu sehen und die beiden soeben angesprochenen Beamtengruppen — Frau Diemer-Nicolaus sagte zwar, die Richter seien keine Beamte, aber die beamtenrechtlichen Vorschriften gelten meines Wissens auch für sie — sind eben Länderbeamte.Da Sie, Frau Diemer-Nicolaus, soeben die Ausschüsse des Bundestages und des Bundesrates erwähnt haben, möchte ich Ihnen doch einmal in aller Deutlichkeit folgendes sagen: Beim Ersten Besoldungsneuregelungsgesetz des Jahres 1967 hat der Bundesrat empfohlen, bei Besoldungsgruppe A 14 und Besoldungsgruppe A 15 zwei Dienstaltersstufen für die Richter anzuhängen. Diese Empfehlung, die der Bundesrat in seiner Gesamtheit an den Bundestag ausgesprochen hat, ist von diesem Parlament gutgeheißen worden. Nun kam eine Regierungsvorlage mit einer Verbesserung für die Richter, indem die beiden Dienstalterszulagen abgewandelt wurden, und zwar mit der Maßgabe, daß eine Zulage von 240 DM gewährt werden sollte. Das war die Vorlage an den Bundesrat. Im Bundesrat, Frau Diemer-Nicolaus, haben die beiden federführenden Ausschüsse für Inneres und Finanzen der Vorlage widersprochen. Der Rechtsausschuß des Bundesrates hat die Durchstufung der Richter genauso wie der Ausschuß des Deutschen Bundestages empfohlen. Das Plenum des Bundesrates, Frau Diemer-Nicolaus, ist nur der Regierungsvorlage gefolgt; und das haben wir übernommen.Sie müssen ganz nüchtern folgendes sehen. Ob das nun die Richter sind, ob das die Philologen sind, ob das die anderen Beamten sind — es wird noch ein Antrag wegen der Steuerbeamten begründet —, es sind in ihrer Masse Beamte der Länder. Die Länder müßten doch die Vorstellungen für ihre Beamten uns gegenüber entwickeln können.Frau Diemer-Nicolaus, Sie wissen auch, daß die Vorlage hinsichtlich der Richter eine leichte Verbesserung gegenüber der Regierungsvorlage enthält. Die zwei Jahre, die nach Erreichung der letzten Dienstaltersstufe vorgesehen waren, sind weggefallen. Das ist dann sofort auch für die Philologen — sprich für die Oberstudiendirektoren — gesetzt worden.Sie möchten die Durchstufung haben. Es ist ihr gutes Recht, wenn Sie das hier beantragen. Sie müssen sich aber auch einmal die praktische Auswirkung ansehen. Ich exerziere Ihnen das einmal mit ganz genauen Zahlen aus einem sicherlich richterfreundlichen Lande vor, nämlich dem Lande Bayern. Dort sind zur Zeit in Besoldungsgruppe A 13 566 Personen gleich 29 v. H., in A 14 unter der Maßgabe, daß durchgestuft wird, 330 Personen gleich 17 v. H. In Besoldungsgruppe A 15 wären dann 570 Personen gleich 29 v. H. und in Besoldungsgruppe A 16 481 Personen gleich 25 v. H. Das würde bedeuten, daß in den beiden Besoldungsgruppen A 15 und A 16 insgesamt 54 v. H. wären. Sehen wir uns nun einmal den Stellenschlüssel für den übrigen Verwaltungsdienst an. In diesen beiden Gruppen sieht es nach dem Entwurf folgendermaßen aus: In Besoldungsgruppe A 15 23 v. H. und in der Besoldungsgruppe A 16 6 v. H. Das wäre also ein Prozentsatz von insgesamt 29 v. H. gegenüber 54 v. H. Sie werden doch wohl mit mir der Meinung sein, meine Damen und Herren, wenn ich das mache, dann hat das sofort Folgewirkungen.Verehrte Frau Kollegin Dr. Diemer-Nicolaus, ich habe in diesen Tagen einen Brief vom Bundesverband der Verwaltungsbeamten des höheren Dienstes in der Bundesrepublik Deutschland e. V. aus München bekommen. Darin wird schon darauf aufmerksam gemacht, daß, wenn die Durchstufung käme, unter allen Umständen im höheren Dienst bei den Besoldungsgruppen A 15 und A 16 ganz bestimmte Konsequenzen gezogen werden müßten. Nun sind das überwiegend Landesbeamte, und das gilt in gleichem Maße. Ich bin der letzte, der irgend etwas gegen einen Richter hätte. Nur ist uns die Aufgabe aufgetragen, alles im Zusammenhang zu sehen, ob das nun die Richter oder die Philologen sind. Auch die Philologen haben ein verständliches Anliegen. Was Herr Dr. Miessner hier gesagt hat, ist sicherlich ein Argument. Das kann man von Ihrem Standpunkt aus verstehen. Wenn wir uns aber die Dinge einmal ruhig anschauen, dann müssen wir doch sagen, daß die Vorlage, die heute zur Verabschiedung ansteht, auch gewisse Verbesserungen bringt. Auch die Philologen sind im Zusammenhang zu sehen.Wenn wir die Anträge annehmen, gefährden wir das Ganze. Wenn wir aber alles im Zusammenhang beieinander behalten wollen — die schwierige Aufgabe, vor der wir hier heute stehen, ist, den Blick für das Ganze im Interesse des Ganzen nicht zu verlieren —, dann können wir Ihre Anträge bei allem guten Willen nicht annehmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt-Vockenhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Diemer-Nicolaus hat uns hier einige Lösungsmöglichkeiten vorgeschlagen, die wir annehmen sollen. Sehr verehrte gnädige Frau, wenn es so einfach wäre, würden wir das natürlich gern tun. Leider ist es nun einmal so: Der Innenausschuß besteht nicht aus freischaffenden Künstlern, sondern uns sind in der Besoldungspolitik auf Grund von Kompromissen zwischen Bund und Ländern bestimmte Daten vorgegeben. Wir haben nicht die Möglichkeit, einfach alles das, was bei Bund und Ländern, insbesondere bei den Landesbeamten, festgelegt ist, über den Haufen zu werfen und auszubrechen.
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11872 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 220. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Februar 1969
Schmitt-VockenhausenIch will Ihnen gestehen, wir würden auch ganz gern manche Fragen anders lösen, aber die Möglichkeiten dazu, vor allem finanzieller Art, sind, wie Sie wissen, begrenzt. Darüber werden wir ja auch noch Auseinandersetzungen haben. Wir müssen die Kompromißformeln, die gefunden worden sind, hier mit aller Klarheit verteidigen, wenn das gesamte Gebäude, wie der Kollege Brück hier deutlich gemacht hat, nicht wieder in Unordnung geraten soll. Wir haben versucht, nach allen Seiten auszugleichen.Nun sind die Auseinandersetzungen in den letzten Wochen sehr heftig gewesen. Die Kommentare reichen von Bezeichnungen wie „öffentliches Ärgernis" bis zu „Anleihen bei der Apo". Worum geht es denn im Grunde? Im Grunde geht es darum, daß weite Teile der Beamtenschaft das Gefühl haben, daß sie in ihrer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Stellung anderen Berufsgruppen gegenüber zurückgeblieben sind. Es ist heute so — das muß man sehen —, daß sich der Physik- oder Chemielehrer an einem Gymnasium nicht mehr gern mit dem Altphilologen vergleicht; vielmehr stellt er einen Vergleich mit dem Physiker am Battelle-Institut oder irgendwo in der Wirtschaft an. Der Richter sieht erfolgreiche Anwälte; Amtsärzte überlegen, was bei praktizierenden Ärzten allein durch die Zusammenarbeit mit Ortskrankenkassen im Monat zusammenkommt. Die Steuerbeamten sehen, wie mancher mühelos gut verdient und sogar noch durch die weiten Maschen einer nicht immer guten Steuergesetzgebung schlüpft, um sein Schäfchen ins Trockene zu bringen. Der Vergleich so mancher kontrollierten Spesenrechnung mit dem Gehalt des Beamten verbittert ihn und er überlegt, ob er seine Ausbildung nicht hätte besser und finanziell nutzbringender anwenden können.Ich halte nichts davon, daß wir nun mit Appellen an den einzelnen Beamten reagieren; das wird uns nicht sehr viel weiter bringen. Wir müssen versuchen, die Dinge einigermaßen zu regeln. Wir müssen vor allem an die Verantwortlichen in den Gewerkschaften appellieren, uns darin zu unterstützen, den Beamten zu erläutern, daß auch unsere Möglichkeiten in bezug auf diese Entscheidungen leider begrenzt sind.Wir hatten vor Jahren eine Enquete-Kommission zur Untersuchung der Frage gefordert, welchen Standort die einzelnen Gruppen des öffentlichen Dienstes in unserer Gesellschaftsordnung haben und wie der öffentliche Dienst weiterentwickelt werden muß. Diese Untersuchung hätte sicher zu Konsequenzen geführt, aber der Vorschlag ist damals von der Mehrheit des Hauses zugunsten der Wiederherstellung der Besoldungseinheit zurückgestellt worden. Nun ist diese Wiederherstellung im Gange, und die heutige Novelle ist zweifellos eine wichtige Station — leider noch nicht der Endpunkt — auf dem Wege dazu.Diese Besoldungseinheit geht von einer Einordnung aller Gruppen und Sparten der Beamten aus, und darauf richten sich natürlich die Vorwürfe bestimmter Gruppen. Meine Damen und Herren, wir müssen darauf bestehen, daß vor allem die Ämterbewertung hier schnell erfolgt. Ich weiß noch nicht,ob sie zu den Ergebnissen führt, die wir erhoffen; denn wir sind in einer Zeit des Übergangs in neue Entwicklungen und wir wissen noch nicht, ob die Lösungen auf den verschiedenen Gebieten — Steuerbeamte, Lehrer, Richter, alles, was hier eine Rolle spielt — halten.Der Herr Bundesinnenminister hat auf der Bühler Höhe im Januar dieses Jahres erklärt:Die bisherigen Berufsordnungsmittel — nämlich 'die Laufbahnbestimmungen — orientieren sich an einem homogenen Personalkörper, dessen berufliche Entwicklung durch finanzielles und regelmäßiges Vorrücken in Ordnung gehalten wird. Künftig entscheidender Maßstab ist die auszuübende Funktion; damit meine ich nicht eine Einstufung nach Tätigkeitsmerkmalen, wie sie das Tarifrecht beherrscht.Und ,er hat hinzugefügt, daß sich daraus vor allem im höheren Dienst Konsequenzen ergeben.Der Herr Staatssekretär Köppler hat bei der ersten Beratung des Regierungsentwurfs am 22. Januar hier ausgeführt:Der Entwurf bezieht in die rahmenrechtliche Bindung der Ämterbewertung insbesondere auch den Polizeivollzugsdienst, die Lehrerbesoldung sowie die Richterbesoldung sein. Das wird von den betroffenen Kreisen in zum Teil heftiger Weise beklagt und kritisiert. Ich bedaure das ganz besonders, weil der Bundesregierung naturgemäß nichts ferner liegt, als 'irgendeine Gruppe ungerechtfertigt zu benachteiligen. Es stellt sich uns jedoch die Frage, wie wir es verantworten könnten, überhaupt einer der Gruppen ihren Standort im Besoldungsgefüge zuzuweisen, wenn wir andere hiervon ausnehmen würden.Meine Damen und Herren! Das zeigt, daß auch das Innenministerium über 'die kommende Entwicklung noch nicht jene letzte Klarheit hat, die wir für die Zukunft brauchen. Wir brauchen hier aber eine Grundrichtung, und die Frage ist — man sollte das hier ganz klar sagen —: Werden System und Struktur des öffentlichen Dienstes mit den Säulen Beamte, Angestellte und Arbeiter noch weiter so bleiben? Die Beamtenschaft ist eine Sondergruppe mit 'einigen nicht mehr sehr wesentlichen, aber doch auch nicht unwichtigen Rechten. Es kann aber auch nicht verschwiegen werden, daß sie gegenüber anderen Gruppen der Arbeitnehmer auch Nachteile hat. Denken Sie nur an die Frage der Auseinandersetzung in Arbeitskämpfen.Es stellt sich nun die Frage: Kann man das alles so belassen? Es genügt da nicht, daß wir den Beamten 'einfach zum unkündbaren Angestellten machen; damit wäre das Problem nicht gelöst. Wir werden hier Umstellungen haben, aus denen für Staat und Gesellschaft Vorteile wie Nachteile erwachsen, und das ist die Grundfrage. Ich bin mir bewußt, die können wir leider heute nicht lösen. Es kam mir nur darauf an, zu zeigen, in welche Richtung die grundsätzlichen Überlegungen in Gang kommen müssen, Herr Minister. Heute können wir nur für eine Übergangszeit eine gemeinsame Grundlage für Bund und Länder in größtmöglichem Umfang schaf-
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Schmitt-Vockenhausenfen. Das geht nicht ohne Kompromisse, und das geht nicht ohne ein Zusammenwirken von Bund und Ländern.Wir haben hier versucht — und wenn ich mir das gesamte Werk ansehe, auch die Anträge der Opposition, so kann ich sagen, es ist uns doch gelungen —, eine größtmögliche Übereinstimmung in vielen Bereichen zu erreichen. Ich wäre deshalb dankbar, wenn die Änderungsanträge der Fraktion der Freien Demokraten unter diesem Gesichtspunkt abgelehnt würden.
Meine Damen und Herren, wird zu Nr. 1 noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann kann ich jetzt zuerst über den Änderungsantrag der Fraktion der Freien Demokratischen Partei auf Umdruck 590 Ziffer 1 a abstimmen lassen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit großer Mehrheit abgelehnt.
Dann komme ich zum Antrag der Freien Demokraten auf Umdruck 590 Ziffer 2 a. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Auch dieser Änderungsantrag ist mit großer Mehrheit abgelehnt.
Dann lasse ich über Nr. 1 in der Ausschußfassung abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Angenommen.
Ich rufe die Nrn. 2, 3, 4, 5, 6, 6 a, 6 b und 8 auf. Eine Aussprache wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Die Nummern sind so beschlossen.
Die Nrn. 7 und 9 entfallen.
Ich rufe nunmehr Nr. 10 auf. Dazu liegen die Änderungsanträge auf den Umdrucken 590 und 591 vor. Zur Begründung des Antrags auf Umdruck 590 Ziffern 4 und 6 hat das Wort der Herr Abgeordnete Dorn.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zum Änderungsantrag der Fraktion der Freien Demokratischen Partei auf Umdruck 590 zu Artikel I § 1 Nr. 10, betreffend den § 53 des Bundesbesoldungsgesetzes, möchte ich folgendes vortragen. Es geht hier um die Frage der Bindung der Lehrergehälter, die nach dem Ausschußbeschluß vorgesehen ist. Es hat zu dieser Frage in diesem Hause seit 1957 oft unterschiedliche Diskussionen gegeben. Insgesamt ist das heute der sechste Versuch, die Lehrergehälter in eine Besoldungsordnung einzubinden, in die sie von der Sache her gesehen einfach nicht hineinpassen, weil nämlich hier eine Bindung zu einem Zeitpunkt erfolgen soll, der nach unserer Meinung völlig indiskutabel ist.Nun wäre natürlich zusätzlich die Frage zu prüfen, wie denn die bisherigen fünf Versuche, dieses Ziel zu erreichen, ausgegangen sind. In allen fünf vergangenen Fällen haben Sozialdemokraten, in der Opposition stehend, und Freie Demokraten, teilweise in der Opposition, teilweise in der Regierung stehend, diesen Versuchen immer widerstanden. Wir erleben heute zum erstenmal, daß die Sozialdemokraten in der Sache ihre bisher eingehaltene Position anscheinend aufgeben wollen, da hier vorhin ja angekündigt wurde, daß sie auch ihren Änderungsantrag, den sie mit einigen Kollegen gleichlautend gestellt haben, heute wieder zurückziehen wollen.Nun habe ich die „Informationen" der sozialdemokratischen Fraktion im Deutschen Bundestag vom 26. Februar dieses Jahres vor mir. Da heißt es u. a. — und mit Genehmigung des Herrn Präsidenten möchte ich hier gern drei Sätze verlesen —:1. Die Lehrer fühlen sich durch die Bestimmungen des Zweiten Besoldungsneuregelungsgesetzes benachteiligt. Ihr Angriff ist in der Adresse falsch. Lehrer sind Landesbeamte; Landesbeamte werden zunächst durch ihre Landesregierungen im Bundesrat vertreten.Dann heißt es weiter, daß nach Auffassung der Sozialdemokratischen Partei diese Bindung erst für den 1. Januar 1971 angedroht wird.Dann wird auf einen Beschluß des Nürnberger Parteitags der SPD Bezug genommen, in dem es nach diesen Informationen heißt:Bevor eine sachgerechte und gleichmäßige Gestaltung dieses Ausbildungsganges nicht erreicht ist, muß jede voreilige Fixierung der Lehrerbesoldung im Zuge einer rahmenrechtlichen Regelung des Bundes oder durch Änderung des Grundgesetzes zurückgestellt werden.Die Kollegen der sozialdemokratischen Fraktion werden also hier heute Farbe bekennen müssen, ob sie zu dem stehen, was sie seit 1957 in diesem Hause mit uns gemeinsam konsequent vertreten haben, oder ob ihre Regierungbeteiligung sie nun dazu führen wird, eine völlige Änderung ihrer Auffassung sichtbar werden zu lassen.
Ich meine, die Argumentation der SPD, die dann in den weiteren Sätzen ihres Informationsdienstes vorgetragen wird, stimmt in der Sache nicht. Sie sagen nämlich: Ja, wir wollen eine Regelung finden, aber diese Regelung soll nicht jetzt sofort, sondern erst am 1. Januar 1971 in Kraft treten, und wir wollen bis dahin noch überlegen, was die Länder tun und wie die Entwicklung in dieser Richtung vor sich gehen wird. Mich stört auch der Passus in dem Informationsdienst der SPD, in dem es heißt:Demgegenüber hat die sozialdemokratische Bundestagsfraktion durchgesetzt, daß diese Bindung erst für den 1. Januar 1971 angedroht wird.Ich glaube nicht, daß es ein guter Stil eines Parlaments gegenüber den Mitparlamenten auf Länderebene ist, wenn eine Bundestagsfraktion sagt: Dies ist ein Termin, den wir euch androhen; wenn ihr bis zu diesem Termin nicht etwas unternehmt, werden wir doch das durchsetzen, was wir uns eigentlich vorgestellt haben.In diesem Zusammenhang ist es nicht uninteressant, daß uns noch ein Brief des Sekretariats der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder vom 21. Februar 1969 zugegangen ist. Im vorletzten Absatz dieses Briefes an die Mitglieder des Innenausschusses heißt es:
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11874 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 220. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Februar 1969
DornDie Kultusministerkonferenz wird nunmehr bei ihrer 129. Plenarsitzung am 20./21. März 1969 unter Zurücksetzung anderer anstehender Probleme vordringlich und eingehend die Frage der Harmonisierung vor allem der Lehrerbildung beraten.Völlig zutreffend in der Sache hat der Vorsitzende des Innenausschusses, der Kollege Schmitt-Vockenhausen, gestern in der Innenausschußsitzung festgestellt, daß dieser Brief uns noch rechtzeitig zugeleitet werden konnte — rechtzeitig für die heutige Sitzung, damit man eine Begründung finden kann, wie man mit Verschleierungsmethoden davon wegkommt, eine Entscheidung zu treffen, vor der man in der Sache heute unausweichlich steht.Es wird dann gesagt, daß uns zu diesem Schreiben noch Anlagen zugehen sollen. Der Brief konnte für heute noch fristgerecht fertig werden, die Anlagen konnte man so schnell gar nicht mehr erstellen. Aber die waren wahrscheinlich auch unwichtig. Viel wichtiger war ja wohl, daß der Brief uns heute vorliegt.Ich erinnere mich noch an die Auseinandersetzungen in der vorigen Legislaturperiode hier in diesem Hause über dieses Thema. Damals ging der Kollege Matzner von der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion noch viel weiter, als wir Freien Demokraten es heute tun. Er plädierte dafür, eine Sonderbesoldung — die sognannte L-Besoldung — hier einzuführen, und er ist in diesem Ansinnen von vielen Kollegen seiner Fraktion in diesem Hause ernsthaft unterstützt worden.In meiner Fraktion hat es bezüglich dieser Frage in der vorigen Legislaturperiode eine unterschiedliche Meinung gegeben, und das ist auch heute noch der Fall. Meine Fraktionskollegin Liselotte Funcke hat sich für diese Regelung ausgesprochen, ich selbst habe dagegen gesprochen. Ich habe aber gleichzeitig gesagt: weil wir keine Lehrersonderbesoldung einführen wollen, muß die Lehrerbesoldung so geregelt werden, daß auf das berechtigte Verlangen und die berechtigten Ansprüche der Lehrer Rücksicht genommen wird. Ich erinnere mich noch genau an die Auseinandersetzungen, die damals zu diesem Thema in diesem Hause stattgefunden haben.Ich meine, man kann das jetzt nicht plötzlich mit einer Handbewegung vom Tisch wischen und sagen: In dieser Entschließung, die wir gleichzeitig dem Bundestag vorlegen, entscheiden wir noch nicht endgültig, sondern wir schieben das Inkrafttreten der angedrohten Maßnahmen bis zum 1. Januar 1971 hinaus. Ich bin der Meinung, daß sich das Haus heute in dieser Frage an einer Entscheidung nicht vorbeimogeln sollte. Mir liegen allein aus dem Bereich, den ich vorhin zitiert habe, vier Briefe aus den vergangenen sechs Jahren vor, in denen ebenfalls zwar noch kein konkreter Termin genannt, aber in der Sache ausgesagt worden ist: Wir wollen diese Regelung in den nächsten Monaten anstreben und werden entsprechende Vorschläge unterbreiten. So kann es einfach nicht weitergehen. Man muß doch einsehen, daß die Fragen der Lehrerbildung, der Schulreform und der Ausbildungsreform für Lehrer insgesamt in den vielschichtigen Schulsystemen, die wir in der Bundesrepublik nun einmal haben, auch bis zum Jahre 1971 von der Sache her nicht so einheitlich geregelt werden können. Nach meinen Informationen sind nämlich in einigen Ländern zwar geringfügige, aber immerhin Verfassungsänderungen notwendig, die es einfach nicht ermöglichen, diesen Zeitpunkt einzuhalten und diesen Weg zu gehen. Da meine ich allerdings, daß es falsch wäre, den Betroffenen Sand in die Augen zu streuen und sich an der Entscheidung vorbeizudrücken.Auf die bildungspolitischen Notwendigkeiten und die Ausgestaltung der Lehrerbildung für die nächste Generation will ich jetzt nicht eingehen. Darüber müßten wir in diesem Hause viele Stunden diskutieren. Vielleicht würden wir uns in der Sache auch gar nicht einmal über alle Fragen einigen können. Um so wichtiger ist es jedoch, daß man jetzt nicht einen Schritt tut, der die große Gefahr einer Nivellierung mit sich bringt, die niemand in diesem Hause in diesem Bereich haben will.Nun noch ein Wort zur Erläuterung unseres Antrags unter Ziffer 4. Dort heißt es:Buchstabe b erhält folgende Fassung:In Absatz 2 wird folgender Satz 2 angefügt: „Als gleichwertig sind anzusehen die Grundämter der Besoldungsgruppe A 6 und als Eingangsstufe der Polizeihauptwachtmeister."Zu der letzten Formulierung werde ich gleich noch etwas sagen. Die weiteren Sätze dieses Abs. 2:der Besoldungsgruppe A 11 und der Lehrer an Volksschulen, soweit für diesen ein Studium von sechs Semestern vorgeschrieben ist,der Besoldungsgruppe A 12 und der Lehrer an Realschulensollen ersatzlos gestrichen werden. Unsere Vorstellung geht also dahin, daß nur ein Satz noch Bestandteil dieser Nr. 10 Buchstabe b sein soll.Lassen Sie mich nun etwas zu der Bindung sagen, die wir für den Polizeihauptwachtmeister in der Besoldungsgruppe A 6 durchführen wollen. Wir wissen alle, daß die Polizeibesoldung ein untrennbarer Bestandteil der Diskussion über eine vernünftige Verbrechensbekämpfung in Deutschland ist. Hier geht es darum, die Arbeit, die Laufbahnfragen und die Nachwuchsprobleme der Polizei zu regeln. Das kann man nur erreichen, wenn man den Ländern die Möglichkeit gibt, ihren Vorstellungen von einer vernünftigen Polizeibesoldung gerecht zu werden. Wir meinen, daß nur die Eingangsstufe, nämlich die des Hauptwachtmeisters der Polizei, eingebunden werden darf und daß die weiteren Beförderungsmöglichkeiten nicht ausgeschlossen werden dürfen; denn uns stimmt die Frage des Polizeinachwuchses angesichts der jetzigen Entwicklung mehr als bedenklich.Nach einer Aussage, die mein Freund Willi Weyer, der Innenminister des Landes NordrheinWestfalen, mir gegenüber gemacht hat, fehlen allein in diesem Lande rund 2000 Polizeibeamte. Ich kann mir vorstellen, daß es in den anderen Ländern nicht viel anders aussieht .Deswegen sind wir der Meinung, daß es äußerst problematisch wäre, jetzt hier
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DornEinengungen bei der Polizeibesoldung mit vornehmen zu wollen, die von der Sache her nicht vertreten werden könnten. Sie bauen jetzt mit Ihrer Entscheidung Hindernisse und Hürden auf, die Sie — davon bin ich zutiefst überzeugt — in einigen Jahren selbst überspringen müssen. Ich bin nicht sicher, meine Damen und Herren, ob Sie dann konditionell noch stark genug sein werden, um diese Hürden nehmen zu können.
Ich beantrage im Namen meiner Fraktion eine namentliche Abstimmung über die Ziffer, die Sie, Herr Präsident, zur Entscheidung aufgerufen haben. Es ist diesem Hause nicht unbekannt, daß meine Fraktion nur über 49 Kollegen verfügt. Aber, meine Damen und Herrn glücklicherweise hat das Haus heute morgen einstimmig die Geschäftsordnung geändert. Zum zweiten ist in dieser Änderung der Geschäftsordnung glücklicherweise vorgesehen — das habe ich noch in einem Zwischengespräch mit den Kollegen Wienand und Wagner feststellen können —, daß in Zukunft
— in Zukunft, natürlich! — die namentliche Abstimmung von den Fraktionen in diesem Hause beantragt und dann auch durchgeführt werden kann.Nun meine ich, daß es dem Sinn unserer Entscheidung von heute morgen völlig widerspräche, wenn Sie nicht bereit wären, das, was Sie heute morgen für die Zukunft einstimmig beschlossen haben, jetzt auch schon anzuwenden. Es wäre also gut, wenn Sie alle gemeinsam den Antrag auf namentliche Abstimmung mit unterstützten, damit wir heute schon so verfahren können, wie es für die Zukunft von diesem Hause gewünscht wird.
Meine Damen und Herren, zum selben Buchstaben b liegt auf Umdruck 591 ein Änderungsantrag der Abgeordneten Hofmann und Genossen vor. Ich frage, ob der Antrag begründet wird.
Herr Abgeordneter Hofmann hat das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Wir haben einen Gruppenantrag mit der Begründung eingereicht, daß man Orientierungsdaten in der Form in einem Gesetz nicht fixieren sollte. Wir waren der Meinung, daß eine Gleichwertigkeit von Verwaltungsbeamten und Lehrern nicht gegeben ist. Zum anderen waren wir der Meinung, daß eine Abgrenzung bei den aufsteigenden Gehältern der Lehrer nicht richtig wäre. In der heutigen Situation ergibt sich aber eine gewisse Gefährdung, und ein Kollege von der CDU hat vorhin schon ausgeführt: ,,... wenn wir das Ganze nicht gefährden wollen".
Die Gefährdung liegt einmal darin, daß wir heute nicht zur dritten Lesung kommen, wozu wir aber dringend kommen müßten. Die zweite Gefährdung ergibt sich daraus, daß wir den Termin des 1. April unter Umständen nicht einhalten können. Die dritte und wohl entscheidende Gefährdung besteht darin, daß der Vermittlungsausschuß angerufen werden könnte und das Gesetz in dieser Form mit den Änderungen nicht angenommen würde. Damit wäre der Termin dies 1. April wiederum hinfällig. Ich glaube, wir müssen heute abwägen, da wir für die Lehrer noch zwei Jahre Zeit haben und idas Hohe Haus jederzeit die Möglichkeit hat, in dieser Zeit für die Lehrer aktiv zu werden und die Initiative zu ergreifen. Wir können aber für die Bundesbeamten nicht noch einmal eine Verschiebung beschließen.
Es kommt noch etwas anderes hinzu. Die Ständige Konferenz der Kultusminister wird im März dieses Jahres das Problem der Lehrerausbildung und der Lehrerbesoldung auf die Tagesordnung setzen. Wir sollten diesem Vorhaben nicht vorgreifen. Deshalb ziehen wir diesen Änderungsantrag heute zurück, behalten uns aber vor, sofort initiativ zu werden und neue Möglichkeiten für die Lehrerbesoldung zu schaffen, wenn das Ergebnis der Kultusministerkonferenz unseren Vorstellungen nicht entspricht.
— Herr Kollege, ich habe Ihnen ausdrücklich gesagt: Wir warten den März ab, bis 'die Länderkultusminister gesprochen haben. Dann werden wir initiativ, und dann kann das Hohe Haus geschlossen mitmachen, damit wir dieses Problem endlich einmal über die Bühne bringen.
Meine Damen und Herren, zum anderen möchte ich noch betonen, daß wir diesen Teil dieses Gesetzes nicht vor uns herschieben, sondern nur ausklammern und aussetzen. Wir werden zu jedem Zeitpunkt, wenn uns die Vorschläge der Kultusministerkonferenz nicht angemessen erscheinen, bereit sein, initiativ zu werden.
Der Antrag auf Umdruck 591 ist zurückgezogen.
Wir kommen dann zur Aussprache über den Antrag, den Herr Abgeordneter Dorn eben begründet hat. Das Wort hat Herr Abgeordneter Wagner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Entwurf des Zweiten Besoldungsneuregelungsgesetzes beinhaltet eine Änderung des § 53 des Bundesbesoldungsgesetzes, mit der die Gleichwertigkeit des Volksschullehramts, soweit für dieses ein Studium von sechs Semestern vorgeschrieben ist, mit dem Grundamt der Besoldungsgruppe A 11 und die Gleichwertigkeit des Realschullehreramts mit dem Grundamt der Besoldungsgruppe A 12 festgestellt und für die Länder rahmenrechtlich verbindlich gemacht werden soll. Der Innenausschuß hat beschlossen, das Wirksamwerden dieses Ämtervergleichs bis zum 1. Januar 1971 hinauszuschieben.Meine Damen und Herren, die Bundesregierung und der Bundestag haben sich seit mehreren Jahren mit Vorschlägen befaßt, wie der Lehrerschaft inner-
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Wagnerhalb der Besoldungsordnung der ihr gebührende Platz zugewiesen werden kann. Dabei hat der Bundestag keineswegs verkannt, daß die Zuständigkeit für die Regelung der Lehrerausbildung allein bei den Ländern liegt. Niemand von uns denkt daran, dies zu ändern. Wir haben auch nicht verkannt, daß die Ausbildungsvoraussetzungen eine wesentliche Grundlage für die Entscheidung über die Einordnung in das Besoldungssystem sind. Wir verkennen auch nicht, daß gerade im Bereich der Lehrerschaft die Beförderungsmöglichkeiten gering sind. Auf der anderen Seite hat die Lehrerschaft einen ganz bedeutenden Anteil an der Länderbeamtenschaft insgesamt. Im Lande Nordrhein-Westfalen, das insoweit als repräsentativ angesehen werden kann, sind ungefähr 30 % aller Landesbeamten Volks- und Realschullehrer.Die Fragen, vor denen wir heute stehen, lauten schlicht wie folgt. Erstens: Kann man den Gedanken einer einheitlichen und gemeinsamen Besoldungsordnung noch aufrechterhalten, wenn man darin nicht auch den Lehrern einen fest Platz gibt? Zweitens: Kann man noch von einer Besoldungsharmonisierung mit dem Ziel der gleichmäßigen und gerechten Behandlung aller Beamten sprechen, wenn nicht auch eine Regelung für die Lehrer getroffen wird? Wir sind der Meinung, daß aus diesem Grunde in dem vorliegenden Gesetz, dessen Hauptziel die Harmonisierung ist, eine Regelung gefunden werden sollte.Meine Damen und Herren, die Länder haben sich bisher jedoch noch nicht über die Ausbildung der Lehrer einigen können. Würde man den Ämtervergleich jetzt in Kraft setzen, so würde dies bedeuten, daß die Diskussion über die Vereinheitlichung der Lehrerausbildung abgeschnitten wird. Deswegen haben wir diese Harmonisierungspause bis zum 1. Januar 1971 vorgeschlagen. Mit der Bezugnahme auf die Besoldungsgruppe A 11 hat der Bundestag lediglich registriert, wie die Mehrheit der Bundesländer im Augenblick ihre Lehrerschaft besoldet.Meine Damen und Herren, damit werden notwendige schulpolitische Entwicklungen nicht verhindert. Auch die Form der künftigen Lehrerausbildung wird damit nicht präjudiziert, und es wird damit auch keine Vorwegentscheidung über den endgültigen Umfang der Lehrerbesoldung getroffen.Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn in der Zeit bis zum 1. Januar 1971 in den Bundesländern aus schulpolitischen Gründen die Ausbildungsanforderungen für Lehrer heraufgesetzt werden müßten, was nicht ohne Konsequenz für die Lehrerbesoldung geschehen könnte, dann ergäbe sich für den Bundestag selbstverständlich die Lage, daß er seinen Entschluß überprüfen und eine Anpassung an die getroffene Ländervereinbarung durchführen müßte. Das sind der Sinn und der Wille, die hinter der Entscheidung des Innenausschusses stehen. Ich bitte Sie deshalb, den Antrag der Freien Demokraten abzulehnen und dem Gesetzentwurf in der Fassung des Innenausschusses Ihre Zustimmung zu geben.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Lohmar.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion begrüßt es, daß dieses Gesetz, über das wir im Augenblick reden, nicht nur unter beamtenrechtlichen, sondern, soweit es sich um die Lehrerbesoldung handelt, auch unter bildungspolitischen Gesichtspunkten debattiert wird. Wenn man Gesellschaftspolitik aus einem Guß betreiben will, kann man das eine nicht ohne das andere erwägen und entscheiden.Die Lehrerverbände haben nun von ihrem selbstverständlichen staatsbürgerlichen Recht Gebrauch gemacht, den Fraktionen des Bundestages ihre Vorschläge und Bedenken zu der vorgesehenen Regelung vorzutragen. Sie ließen es dabei nicht bewenden und nutzten die Möglichkeit der politischen Demonstration, um dem Bundestag die bildungspolitische Bedeutung der Besoldungsneuregelung deutlich zu machen. Mehr als 5000 Pädagogen der GEW hatten sich, drei Tage vor dieser Debatte, in der Bonner Beethovenhalle versammelt, um dort gegen die vermeintlich bildungsfeindlichen Pläne des Parlaments zu protestieren. Bei dieser Veranstaltung waren auch einige Abgeordnete als Vertreter ihrer Fraktionen zu Gast. Doch die Parlamentarier wurden, kaum daß sie einen Satz zu sprechen begonnen hatten, von einer lautstarken Minderheit der anwesenden Lehrer niedergebrüllt.
Selbst stürmische Studentenversammlungen zeichnen sich gegenüber dem Stil, den die GEW in Bonn geboten hat, durch normale menschliche Umgangsformen aus.
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Ein Beobachter der Szene in der Beethovenhalle meinte dazu, die dort versammelten Pädagogen seien offenbar der Ansicht, daß man den Bildungsnotstand an den Schulen in einen Besoldungsnotstand der Lehrer umfunktionieren wolle.Nun, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft wird sich nach dieser Klamaukveranstaltung in Bonn selber fragen, ob sie diese Art der politischen Demonstration für der Demokratie und den Lehrern angemessen hält.
Vermutlich wird die große Mehrheit der Lehrer sehr bald einsehen, daß ihnen der Vorsitzende ihrer Gewerkschaft mit seiner Taktik der falschen und einseitigen Informationen einen Bärendienst erwiesen hat; denn tatsächlich sind die Sorgen der Lehrer sehr viel besser zu begründen, als es ihre Sprechchöre in der Beethovenhalle vermochten.
Meine Damen und Herren, der Bundestag plant eine bundeseinheitliche Regelung für die gesamte Beamtenbesoldung. Da die Lehrer auch Beamte sind, müssen sie in diesem Rahmen ihren Platz finden. Die Bildungspolitik der SPD zielt seit langem darauf ab, die Ausbildung der Lehrer und Realschullehrer Zug
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Dr. Lohmarum Zug an wissenschaftliche Hochschulen zu verlagern, sie auf acht Semester zu verlängern und mit einem Referendariat zu verbinden. Wir haben in unserem Godesberger Programm schon 1959 gefordert, daß alle Lehrer an wissenschaftlichen Hochschulen ausgebildet werden: „Ein gutes Schulwesen verlangt Erzieherpersönlichkeiten, die sich selbständig mit allen Problemen der Zeit auseinandersetzen."In den bildungspolitischen Leitsätzen, die 1964, also vor fünf Jahren, von den Sozialdemokraten beschlossen wurden, wird gesagt — ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten ein paar Sätze daraus zitieren —:Eine größere Anzahl qualifizierter Lehrer mit Ausbildung für die verschiedenen Stufen und Unterrichtsbereiche ist nötig, wenn unser Schulwesen die ihm heute gestellten Aufgaben erfüllen soll. Die gesellschaftliche Stellung ides Lehrers muß der Bedeutung seiner Aufgabe entsprechen. Alle Lehrer werden an wissenschaftlichen Hochschulen ausgebildet. Alle Einrichtungen der Lehrerbildung müssen die Erziehungswissenschaft in der methodischen Verbindung von Forschung und Lehre pflegen und alle Bedingungen wissenschaftlicher Hochschulen erfüllen. Der Umfang der erziehungswissenschaftlichen und fachdidaktischen Studien erfordert die Bildung von Schwerpunkten und eine durch den Stufenbau des Schulwesens und die Fachgebiete der Studierenden bestimmte Differenzierung. Dem Studium folgt nach der ersten Staatsprüfung die schulpraktische Ausbildung, das Referendariat. Grenzen 'für die Arbeit des Lehrers ziehen nur seine Fähigkeiten und Neigungen, nicht aber starre Schranken zwischen den Schulstufen. Nach der zweiten Staatsprüfung kann sich der Lehrer in regelmäßigen Abständen ohne Unterrichtsverpflichtungen durch Studium oder Praktika fortbilden.Soweit die von der Sozialdemokratischen Partei beschlossenen Leitsätze, die wir keineswegs in unseren Aktenschränken haben schlummern lassen;
wir haben vielmehr, wo immer wir in den Bundesländern die Möglichkeit dazu hatten, Schritt für Schritt versucht, aus diesen Leitsätzen politische Wirklichkeit werden zu lassen.Wenn das, was darin gefordert wird, erreicht ist, dann haben Lehrer und Realschullehrer selbstverständlich den Anspruch auf eine adäquate Bezahlung wie Studienräte an höheren Schulen. Die ständestaatlich geprägten Unterschiede in der Lehrerausbildung und damit in der Besoldung sind ein alter Zopf. Statt dieser überkommenen Differenzierung müssen in Zukunft die Art und .die Qualität der Ausbildung und die Leistung Maßstäbe für die Besoldung sein, gleichgültig, auf welchem Gebiet oder auf welcher Etage des Schulwesens jemand tätig ist. Diese Zielsetzung läßt sich am besten in einem differenzierten und integrierten Gesamtschulsystem verwirklichen, das die Sozialdemokraten mit Nachdruck anstreben, — abgesehen von der Unterschiedlichkeit in der Bezeichnung übrigens in gleicher Weise wie die Freien Demokraten.Allerdings, meine Damen und Herren — lassen Sie mich dies hinzufügen —, wird leine Anhebung der Besoldung ohne eine jeweils angemessene Vor- und Ausbildung auch in einem Gesamtschulsystem nicht in Frage kommen können. Der Abbau der ständestaatlichen Unterschiede in Ausbildung und Besoldung bedeutet nicht den Weg in eine Nivellierung. Täte man diesen Schritt, so würde das weder dem Ansehen der Lehrerschaft noch der pädagogischen Entwicklung zugute kommen.Genau an diesem Punkt scheiden sich die Geister. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft erkennt im Prinzip die Besoldungsdifferenzierung nach Ausbildungsdauer, Qualität und Leistung an. Aber ihr Widerstand gegen die mit dem Zweiten Besoldungsneuregelungsgesetz verfolgten Absichten ist damit nicht in Übereinstimmung zu bringen. Die SPD-Fraktion hat unmißverständlich klargemacht, daß die heute in den Ländern unterschiedliche Lehrerbesoldung noch für anderthalb Jahre möglich sein soll, um auf diese Weise nachdrücklich auf die Bundesländer einzuwirken, die Reform der Lehrerausbildung in diesem Zeitraum endlich durchzuführen und damit den Weg auch zu einer Neuregelung der Lehrerbesoldung frei zu machen. Man kann aber nicht den umgekehrten Weg gehen, zuerst mehr Geld und dann eine bessere Ausbildung zu erhalten.Nun kann man wiederum den Lehrern nicht vorwerfen, daß sie es seien, die sich einer Reform ihrer Ausbildung widersetzten oder sich gar weigerten, gründlicher und vielseitiger auf ihren Beruf vorbereitet zu werden. Im Gegenteil, sie haben seit Jahr und Tag gefordert, daß diese Reform endlich kommt. Insofern haben sie recht, wenn sie darauf hinweisen, daß sie nicht auf dem Altar des Kulturföderalismus geopfert werden wollen. Andererseits haben sie aber den vorgesehenen Beschluß des Bundestages gänzlich mißverstanden. Wir wollen ihnen den Weg zu dieser Reform ja nicht verstellen, sondern ebnen,
indem wir die Länder auffordern, in dieser Sache in nächster Zeit endlich zu Entscheidungen zu kommen.Gewiß, die Reform der Lehrerausbildung mit ihren Folgekosten wird teuer; sie wird viel Geld kosten. Wer aber eine gute Ausbildung für seine Kinder will, wird das als Steuerzahler einsehen und in die Tasche greifen. Schließlich wird die jetzt arbeitende Generation in ihrem späteren Rentenalter davon abhängig sein, ob die jungen Leute heute eine wirklich gute Ausbildung mitbekommen. Die Lehrer haben es also nicht nötig, das Gewicht ihrer bildungspolitischen Argumente durch Lautstärke zu übertönen. Sie werden in der Öffentlichkeit eher auf Verständnis treffen, wenn sie fest und klar für ihre Sache eintreten; denn ihr Anliegen geht uns alle an.Niemand kann sachlich daran interessiert sein, daß wir in der bildungspolitischen Diskussion in eine schiefe Schlachtordnung geraten. Die Sozial-
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Dr. Lohmardemokraten wissen, was die meisten Lehrer für die Festigung einer demokratischen Grundhaltung leisten. Dafür gebührt ihnen Dank und Anerkennung. Wir wissen auch, daß es die Lehrer sind, die jahrelange Versäumnisse der Bildungspolitik in vielen Bundesländern auszugleichen haben und dies mit Energie und großer Einsatzbereitschaft tun. Die SPD wird im Bund, in den Ländern und in den Gemeinden alles daransetzen, gemeinsam mit den Lehrern eine moderne Bildungspolitik zu realisieren. Dies wird uns um so eher gelingen, wenn wir es nicht gegeneinander, sondern miteinander versuchen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dorn.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Gegensatz zu meinem Vorredner bin ich nicht in der Lage, hier ein wohlausgeformtes Manuskript zur Frage der bildungspolitischen Entwicklung der Lehrerausbildung vorlesen zu können. Aber ich will mich auseinandersetzen mit der Argumentation, um die es hier geht.
— Man wird doch noch Tatsachen feststellen dürfen, entschuldigen Sie bitte!
Wenn ich mich recht erinnere, haben Sie selbst in Ihren Vorstellungen über die künftige Änderung der Geschäftsordnung eine solche Anregung eingebaut. Und wenn man nun in der Sache darauf zurückkommt, ist das nach Ihrer Meinung ein schlechter Stil. Da kann ich nur sagen: das verstehe ich nicht; ich verstehe Ihre eigenen Vorschläge nicht mehr.
— Das mag sein, Herr Stammberger. Ich weiß, daß Sie viel klüger sind als viele andere in diesem Hause. Das wird uns aber nicht hindern, trotzdem unsere Argumente vorzutragen.
Der Kollege Hofmann hat gesagt, die Entscheidung solle heute nicht gefällt werden; er habe im Auftrag auch seiner Mitantragsteller diesen Antrag, den er uns heute morgen auf den Tisch gelegt hat, inzwischen wieder zurückgezogen. Wir bedauern außerordentlich, Herr Kollege Hofmann, daß Sie diesen Weg gegangen sind; denn wir hatten gehofft, daß sich vielleicht noch mehr Kollegen Ihrer Fraktion dem Antrag anschließen und wir eine Mehrheit für eine sachgerechte Entscheidung in dieser Frage erreichen würden. Nun vermag ich allerdings Ihrer Begründung in der Sache leider gar nicht zu folgen; denn die Begründung, die Sie gegeben haben, Herr Kollege Hofmann, kenne ich seit 1962. Immer, wenn wir hier über Fragen des Beamtenrechts diskutiert haben — das war auch meistens freitags, wie ich inzwischen an Hand der Protokolle feststellen durfte —, wurde gesagt: ja, aber dann ist das ganze gefährdet, dann wird das Datum des Inkrafttretens gefährdet, und der Finanzminister — auch dieser Regierung — trägt sich wahrscheinlich mit der Idee, den Art. 113 des Grundgesetzes anzuwenden. Nun gehöre ich zu einer Fraktion, die schon mehrfach einen Finanzminister in diesem Hause gestellt hat;
das Argument ist uns also nicht ganz neu.— Natürlich, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen.
Nur meine ich, daß das dann auch eine Frage der Haltung der Fraktion in einer Koalition ist. Und wenn der 1. April gefährdet ist — lassen Sie mich das hier in aller Deutlichkeit sagen, Herr Kollege Hofmann —, dann kann er nur gefährdet werden, wenn Ihre Fraktion nicht mehr zu dem Beschluß steht, den Sie mit uns gemeinsam in dieser Woche im Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages gegen die Stimmen der CDU gefaßt haben.
Dieser 1. April ist also nur gefährdet, wenn Sie das nicht mehr durchhalten, was Sie in dieser Woche beschlossen haben. Deswegen ist also das Argument, das Sie hier vorgetragen haben, in der Sache völlig verschoben.Ich möchte noch etwas anderes sagen. Die CDU hat ja inzwischen den Antrag eingebracht, die Änderung der Beamtenbesoldung nicht am 1. April in Kraft treten zu lassen, sondern erst einige Monate später. Wir werden dann ja Gelegenheit haben zu beobachten, wie Ihre Kollegen dazu stehen. Ich darf für meine Fraktion erklären, daß wir selbstverständlich beim 1. April bleiben.Der Kollege Schmitt-Vockenhausen hat dann gesagt, der Innenausschuß könne nicht im Stil freischaffender Künstler — anspielend auf die Rede meiner Kollegin Emmy Diemer-Nicolaus — diese Dinge entscheiden. Ich stimme Ihnen zu, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen. Aber bei aller künstlerischen Begabung meiner Fraktionskollegin dürfen Sie ihr, glaube ich, auch nicht unterstellen, daß sie uns das unterstellen würde. Es ist aber für uns nicht uninteressant, daß Sie im Anschluß an die Abwehr dieses Standpunktes permanent Vergleiche in der Sache zwischen Beamteten und Freischaffenden gezogen haben.
— Ja, als Sie nämlich sagten, daß sich die Steuerbeamten an der Wirtschaft orientieren wollten, daß sich die Richter mit ihren Vergleichszahlen an den Rechtsanwälten orientierten usw. Ich darf Ihnen aber in Erwiderung auf ein anderes Wort, das Sie an dieser Stelle gebraucht haben, sagen: Unsere Anträge sind nicht aus dem Unwillen der betroffenen Beamtengruppen geboren, sondern aus den von den Freien Demokraten zu allen Zeiten, ganz gleich, ob sie in der Regierung oder in der Opposition
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Dornwaren, als richtig erkannten und hier stets vorgetragenen Argumenten.
Daß die Lösung dieser Probleme nicht leicht ist, das ist auch mir klar.Nun hat der Kollege Lohmar einige Worte zu der Art der Auseinandersetzung der Lehrergewerkschaft gesagt. Herr Kollege Lohmar, es ist das Recht eines jeden, sich in unserem Staate auf das Grundgesetz zu berufen und seine Demonstrationen und Protestveranstaltungen so durchzuführen, wie er sie in einem demokratischen Staat durchführen sollte.
- Natürlich.
— Nein, sollte!
Herr Dorn, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja.
Bitte, Herr Dr. Lohmar!
Herr Kollege Dorn, haben Sie sich von Ihrem Fraktionskollegen Rutschke einen Augenzeugenbericht über die Veranstaltung in der Beethovenhalle geben lassen? Wenn nein, schlage ich Ihnen vor: Holen Sie das nach!
Herr Kollege Lohmar, mein Freund Rutschke hat mir an dem gleichen Abend, nachdem er diese Veranstaltung hinter sich gebracht hatte, sofort darüber berichtet, wie sie verlaufen ist. Nicht zur Zufriedenheit der Abgeordneten — darüber gibt es keinen Zweifel — aller Fraktionen, sage ich Ihnen ganz offen. Nur, Herr Kollege Lohmar, bin ich der Meinung, daß solche Auseinandersetzungen trotz allem von uns ertragen werden müssen.
Auch die Auseinandersetzungen, die wir mit Studenten oder Bauern oder Handwerkern oder zur Zeit bei der Lohnfortzahlung führen, oder mit Kriegsopfern, sind alle in der Sache nicht leichter. Alle von uns sind in diesen Auseinandersetzungen mehr oder weniger betroffen.
Herr Kollege Lohmar, ich bin auch bereit zuzugestehen, daß es für die Kollegen der jeweiligen Koalition oder Regierungsparteien schwerer ist, sich zu behaupten, als für die Opposition. Dafür gibt es viele Beispiele.
Ich denke an die Auseinandersetzung beim Kriegsopferkongreß in Bad Godesberg. Herr Kollege Professor Schellenberg kommt gerade wieder. Er hat mir damals gesagt, solange er in der Opposition gewesen sei, sei es für ihn leichter gewesen, dort aufzutreten, jetzt sei es erheblich schwieriger für ihn.
— Ja, ich habe das mit großer Freude zur Kenntnis genommen, Herr Kollege Schellenberg.
Sie hätten sich natürlich auch das sparen können, wenn Sie damals bei der Abstimmung über die Mifrifi unserem Antrag gefolgt wären. Dann wären Sie gar nicht erst in diese Lage gekommen.
— Sehr verehrter Herr Kollege Schellenberg, darauf will ich jetzt gar nicht mehr eingehen.
Schräg hinter Ihnen sitzt der Kollege Dr. Koch. Ich darf ihn an mehrere große Protestkundgebungen der Steuerbamten erinnern, als wir beide noch im Landtag waren und vor 5000 Steuerbeamten in der Düsseldorfer Rheinhalle gesprochen haben. Damals hatte der CDU-Kollege, zur Regierungspartei gehörend, einen schlechteren Stand als wir beide. Ich wurde dann nachher im Plenum von Herr Dufhues für eine Äußerung, die er gemacht hatte, geprügelt, natürlich nur geistig. Sehen Sie, so geht es uns manchmal, wenn wir abweichend von der Meinung der Betroffenen unsere Auffassung vortragen wollen. Ich bin der Meinung, es kommt nicht darauf an, ob wir unsere Auffassung leise oder laut vortragen, sondern es kommt darauf an, daß wir es mit überzeugenden Argumenten in der Sache versuchen, die anderen für unsere Auffassung zu gewinnen.
Es kommt auch darauf an, wie man sich in der Sache verhält. Herr Kollege Lohmar, seien Sie mir bitte nicht böse. Ich kann die Lehrer in dieser Frage verstehen. Nachdem Ihre Fraktion mit uns gemeinsam in der Sache fünfmal eine andere Entscheidung getroffen hat, als Sie sie jetzt zu treffen bereit sind, dürfen Sie sich natürlich über gewisse Reaktionen auch nicht wundern.
Die bildungspolitischen Notwendigkeiten, die ausbildungspolitischen Forderungen, die an die Lehrerbildung und -ausbildung gestellt sind, können wir hier in der Sache nicht ausdiskutieren. Meine Partei hat genauso wie Ihre Partei, Herr Lohmar, ein bildungspolitisches Programm, in dem unsere Vorstellungen zu diesem Problem fest umrissen sind. Nun kommt es für uns alle gemeinsam darauf an, überall dort, wo wir in den Ländern die Verantwortung tragen, und auch dort, wo wir in der Opposition sind, endlich zu handeln, unsere Landtagsfraktionen und die Länderregierungen dazu zu bringen, daß man nicht mehr Jahr für Jahr darüber redet, sondern daß man Entscheidungen trifft, die erforderlich sind, um mit den Problemen des Jahres 2000 fertig zu werden.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schmitt-Vockenhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte hier nur fest-
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Schmitt-Vockenhausenstellen, daß der Bundestag, wenn er heute so beschließt, wie die Innenausschußvorlage mit dem Entschließungsantrag es vorsieht, konsequent bei seiner Haltung bei dem 1. BesNG bleibt, die damals in den Abstimmungen von der breiten Mehrheit dieses Hauses festgelegt wurde.
Das Wort wird nicht weiter verlangt. Dann kommen wir zur Abstimmung. Es wurde beantragt, namentlich abzustimmen. Ich frage, ob der Antrag unterstützt wird. — Das sind mehr als 50 anwesende Abgeordnete. Wir stimmen dann namentlich über den Antrag auf Umdruck 590 Ziffer 4 ab. Ich bitte die Schriftführer, die Stimmkarten einzusammeln.Das vorläufige Ergebnis der namentlichen Abstimmung liegt vor. Von den uneingeschränkt stimmberechtigten Abgeordneten haben 362 ihre Stimme abgegeben. Mit Ja haben 69, mit Nein 276 gestimmt; enthalten haben sich 17 Abgeordnete. Von den Berliner Abgeordneten haben 16 an der Abstimmung teilgenommen. 15 haben mit Nein gestimmt, einer hat sich der Stimme enthalten. Damit ist der Änderungsantrag auf Umdruck 590 Ziffer 4 abgelehnt.Endgültiges Ergebnis:Abgegebene Stimmen 331 und 16 Berliner Abgeordnete. Ja: 69Nein: 275 und 15 Berliner AbgeordneteEnthalten: 11 Abgeordnete und 1 Berliner AbgeordneterJa SPDAugeBäuerleBalsBaltes
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Ich rufe dann den Umdruck 590 Ziffer 2 b auf. Auch dieser Antrag ist schon begründet. Wir können abstimmen. Wer diesem Antrag zustimmen will, gebe das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit der gleichen Mehrheit abgelehnt.
Das Wort zur Begründung des Antrags Ziffer 3 auf Umdruck 590 hat Herr Abgeordneter Dorn.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte nur noch wenige Worte zu einem Anliegen sagen, das wir in diesem Hause bereits mehrfach diskutiert haben. Es geht um die Frage der Durchstufung der Technikerzulage. Wir haben im Laufe der letzten Jahre erreichen können, daß die Technikerzulage überhaupt erst einmal in diesem Umfange bei uns eingeführt worden ist, und wir haben im Laufe der Diskussion der letzten Jahre auch eine gewisse Durchstufung erreicht. Es bleibt die Frage, warum die Durchstufung der Techniker in die letzten Besoldungsstufen, nämlich nach A 8 und nach A 12, nicht erfolgen soll. Die Mehrheit des Ausschusses ist unseren Vorstellungen nicht gefolgt. Ich meine aber, irgendwo ist hier ein Bruch in der Logik der Entscheidung der Mehrheit. Wir haben die Auffassung vertreten, daß es einfach unverständlich ist, wenn ein Ingenieur schon die Möglichkeit hat, Inspektor, Oberinspektor und Amtmann zu werden — um es einmal in allgemein verständliches Beamtendeutsch umzusetzen —, warum Sie nicht bereit sein wollen, auch seine Beförderung zum Oberamtmann zu ermöglichen. Genau hier setzen Sie die Frist, und hier*) Siehe Anlage 5 **) Siehe Anlage 6
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Dornstellen Sie eine Hürde auf, die der Mann nicht mehr überspringen kann, während es bei allen anderen Beamtengruppen selbstverständlich ist, daß ein Inspektor nach Ablegung seiner Inspektorenprüfung sich im Laufe der Zeit ungefähr ausrechnen kann, daß er, wenn er einigermaßen auf Draht ist, auch Oberamtmann werden kann und aus dieser Position in seiner Laufbahn entlassen werden kann.Deswegen bitte ich Sie sehr herzlich, doch dafür zu sorgen, daß das, was man allen anderen Beamtengruppen zuspricht, nicht ausgerechnet dem Techniker verwehrt wird. Wir alle wissen doch, wie sehr gerade die Bedeutung der technischen Ausbildung auch im öffentlichen Dienst — z. B. von der Bundesbahn und von der Bundespost — immer wieder betont worden ist. In den meisten Ländern haben wir auch entsprechende Regelungen, wonach eine Durchstufung der Techniker nach A 8 und A 12 erreicht wird, während Sie hier nun plötzlich ein Stoppzeichen setzen, das durch sachliche Argumente überhaupt nicht begründet werden kann.Es besteht auch die große Gefahr, daß hier dann eine Nivellierung eintritt, weil nämlich die Techniker, die sich normalerweise für die Laufbahn des gehobenen Dienstes zur Verfügung stellen sollten und bei den Kommunalbehörden und bei den Bundes- und Landesbehörden auch dringend notwendig sind, dann einfach sagen: Es hat keinen Sinn mehr, meine Laufbahn bis zur letzten erreichbaren Beförderungsposition zu durchlaufen. Ein Teil der Techniker überlegt sich dann natürlich, ob er nicht in andere Berufe abwandert, und ein anderer Teil — ein allerdings sehr kleiner Teil — muß sich dann die Frage stellen, ob es für ihn nicht sinnvoller ist, noch zwei, drei oder vier Semester zusätzlich zu studieren, um die Möglichkeit des Einstiegs in den höheren Dienst zu haben. Leidtragende würden wir alle gemeinsam sein, weil dann der gehobene Dienst nicht mehr entsprechend bedient werden könnte.Ich bitte Sie also, diesem Anliegen, das wirklich in allen Bereichen sachlich begründet und auch früher im Parlament mit vielen Sachbeiträgen unterstützt worden ist, Ihre Zustimmung zu geben, damit nicht vor der letzten Beförderungsstelle eine Beförderungssperre für die technischen Beamten errichtet wird.
Wird das Wort zu diesem Antrag verlangt? — Bitte, Herr Abgeordneter Brück!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir können, verehrte Kollegen von der FDP, Ihrem Antrag im Augenblick nicht zustimmen. Wir sind vielmehr der Meinung, daß auch für diesen Bereich zunächst die bereits erwähnten Bewertungsgrundsätze erarbeitet sein müssen; denn diese Zulagenregelung hat Auswirkungen auf alle möglichen Bereiche. Da muß ich natürlich auch erwähnen, daß ich, wenn das durchginge, es nicht einsehen könnte, wenn man den Steuerbeamten sagte: Aber ihr kommt dabei nicht in Frage! Haben Sie bitte Verständnis dafür! Wir wollen das abwarten. Diese Frage ist sicherlich nicht zu Ende entschieden. Aber im derzeitigen Augenblick wäre es vielleicht nicht richtig, den Antrag anzunehmen, da wir sonst in zusätzliche Schwierigkeiten bei der Betrachtung anderer Gruppen kommen. Haben Sie Verständnis: Wir können heute nicht zustimmen.
Das Wort wird nicht mehr verlangt.
Wir stimmen über den Antrag der FDP-Fraktion Umdruck 590 Ziffer 3 ab. Wer zustimmen will, gebe das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe die Anträge Umdruck 592 und 593 auf. Zur Begründung hat das Wort Herr Abgeordneter Ollesch.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der Verabschiedung des Zweiten Besoldungsneuregelungsgesetzes kommt der Deutsche Bundestag, soweit 'es die Besoldungsverbesserung für die Soldaten betrifft, zwei einstimmig gefaßten Entschließungen dieses Hohen Hauses vom Frühjahr 1967 und vom Sommer des vergangenen Jahres nach, allerdings, so meinen die Freien Demokraten, in völlig unzulänglicher Weise; denn die geringfügigen Verbesserungen der Besoldung der Unteroffiziere sind unserer Ansicht nach nicht geeignet, das Problem der Personalstruktur der Bundeswehr auch nur in annähernd befriedigender Weise zu lösen.Aus diesem Grunde hat die Fraktion der FDP zwei Änderungsanträge auf Umdruck 592 und Umdruck 593 vorgelegt, die aus der Notwendigkeit und aus der Sache heraus geboren und nicht das Ergebnis etwaiger Protestaktionen sind. Denn die Soldaten haben ja nicht protestiert. Ich bin allerdings nicht sicher, ob das immer so sein muß.Die beiden Anträge sind auch nicht geeignet, das ausgewogene Besoldungsgefüge zu stören. Mit dieser Auffassung befinden wir uns im Gegensatz zu der Mehrheit im Innenausschuß und sicherlich auch im Gegensatz zu der Auffassung des Herrn Kollegen Brück.
Nur, Herr Kollege Brück, wenn Sie immer davon reden, daß Sie im Augenblick unseren Überlegungen nicht folgen können, fragen wir Sie: wie lange dauert bei Ihnen eigentlich ein Augenblick?
Ein halbes Jahr, ein Jahr oder zwei Jahre?
Die Unteroffiziere warten nämlich genau zwei Jahre auf die Erfüllung der von allen Fraktionen des Hauses gegebenen Versprechungen.Nun lassen Sie mich im einzelnen ein paar Worte zu den Anträgen sagen. Der Antrag auf Umdruck 592 sieht Veränderungen im Besoldungsgefüge der Unteroffiziere vor, und zwar im Gegensatz zur Regie-
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Olleschrungsvorlage und zu den Beschlüssen des Innenausschusses eine Höherstufung der Oberfeldwebel, der Hauptfeldwebel, der Stabsfeldwebel und der Oberstabsfeldwebel.Wir beantragen die Besoldungsverbesserungen aus zwei Gründen.Erstens. Wir wollen die Attraktivität der Unteroffizierslaufbahn erhöhen; denn wir werden nicht in der Lage sein, auf die Dauer eine befriedigende Personalstruktur bei der Bundeswehr zu erreichen, wenn wir diesem Berufsstand nicht die nötige Attraktivität geben, einmal von der Besoldung und zum anderen vom Aufgabengebiet der Unteroffiziere her. Denn sosehr ich zugebe, daß in der allgemeinen Beamtenbesoldung vergleichbare Maßstäbe angelegt werden müssen, muß ich doch fragen: wer stellt denn die Maßstäbe für die ausgewogene Lösung fest? Sie können sich doch nur immer wieder aus der Diskussion in diesem Hause um die Notwendigkeit ergeben.Zweitens. Wir wollen erreichen, daß es eine klare Besoldungsordnung im Bereich der Soldaten gibt, damit wir für jeden Dienstgrad vom Soldaten bis zum Oberstabsfeldwebel, eine Besoldungsgruppe erhalten, und zwar unter Wegfall der bisher gezahlten und auch in der Regierungsvorlage und in dem Bericht des Innenausschusses vorgesehenen Stellenzulagen, die ja im Grunde genommen nur geeignet sind, das klare Besoldungsbild zu verfälschen und zu trüben.Wir kommen zum anderen zu dieser Überlegung auch durch die Einführung der Laufbahn des militärfachlichen Dienstes. In dieser Laufbahn sind die Besoldungsstufen A 9—A 11 vorgesehen, und der Einstieg in diese Laufbahn soll vom Hauptfeldwebel an möglich sein. Auf die Dauer gesehen werden nach der Einführung dieser neuen Laufbahn die Stabs- und Oberstabsfeldwebel nach einer Übergangszeit ohnehin wegfallen, und die Unteroffizierslaufbahn wird beim Hauptfeldwebel enden. Diesen wollen wir daher in A 9 eingestuft haben, um die Soldaten bei Vorliegen des Eingliederungsgesetzes davor zu bewahren, daß ihre Bezüge niedriger werden, sie also nicht sozial schlechter zu stellen, als sie in ihrer Soldatenlaufbahn gestellt waren. Der Einstieg eines Hauptfeldwebels in die Laufbahn des Inspektors kann auch nach dem Wissens- und Ausbildungsstand des Hauptfeldwebels durchaus verantwortet werden und erscheint mir durch die bis zum Hauptfeldwebel abgelegten Prüfungen auch begründet. Wenn nunmehr neben der Laufbahn des militärfachlichen Dienstes Stabs- und Oberstabsfeldwebel verbleiben, sollten diese in ihrer Besoldung nicht schlechter gestellt sein als die Offiziere des militärfachlichen Dienstes;
denn diese Schlechterstellung würde eine Diskriminierung der in ihrer Laufbahn verbleibenden Stabs- und Oberstabsfeldwebel bedeuten, Dienstgrade, die dann nach der Übergangszeit ohnehin wegfallen.Zwar werden — der Herr Bundesfinanzminister erwähnte es ja auch — Notwendigkeiten an denfinanziellen Möglichkeiten gemessen. Aber, meine Damen und Herren, wenn wir Jahr für Jahr sehr hohe Beträge für unsere Verteidigungsaufgaben ausgeben müssen, wenn wir auf Grund der Brüsseler Beschlüsse bis 1971 2,5 Milliarden DM für Beschaffung neuer Ausrüstung, neuer Waffen und neuen Geräts zusätzlich bereitstellen, dann bedeuten diese zusätzlichen Mittel keine Verstärkung unserer Verteidigungskraft, falls es uns nicht gelingt, die Menschen zu gewinnen, die allein in der Lage sind, diese Waffen in Verteidigungskraft umzumünzen. Wir meinen, daß die klare Besoldungsordnung, die wir vorschlagen, ein Weg zur Behebung des Personalmangels auf dem Gebiet der Unteroffiziere wäre.Nun zum zweiten Antrag. Ich bitte, in diesem Antrag eine Berichtiung vorzunehmen, und ich bitte auch den Herrn Präsidenten, die Berichtigung annehmen zu wollen. In der Kürze der Zeit — wir haben die Vorlage des Innenausschusses erst gestern abend erhalten — ist uns in dem Umdruck 593 ein Irrtum unterlaufen. Unter Ziffer 1 heißt es in unserem Antrag: „In der Bundesbesoldungsordnung B Besoldungsgruppe 10 wird gestrichen: ,General 2)." Es muß sinnvollerweise heißen: „In der Besoldungsordnung B Besoldungsgruppe 10, ,General 2)' wird gestrichen: ,2)'." Wir wollen nämlich nicht den General dort streichen. Wir wollen im Gegenteil mit unserem Änderungsantrag die Regierungsvorlage wiederherstellen, in der der Generalinspekteur der Bundeswehr in B 11 eingestuft war. Wir folgen damit sehr konsequent unserem Gesetzesänderungsantrag über die Spitzengliederung der Bundeswehr. In diesem Antrag verlangen wir nämlich die Gleichstellung des Generalinspekteurs im Amt und in der Besoldung mit dem Staatssekretär. Sie war ja in der Regierungsvorlage vorgesehen, wenn auch die Staatssekretäre die inzwischen bekanntgewordene Zulage von 495 DM erhalten sollten, die ja die Freien Demokraten und auch die übrigen Fraktionen in der ersten Lesung schon abgelehnt hatten. Diese Ablehnung kann für uns kein Anlaß sein, nunmehr den Generalinspekteur nach B 10 zurückzustufen. Wir wollen im Gegenteil durch die Besoldung deutlich machen, daß der Generalinspekteur neben dem Staatssekretär des Bundesverteidigungsministeriums zu stehen hat. Damit wird nicht der Primat der Politik angetastet. Denn auch die übrigen Fraktionen dieses Hauses waren in der Generalskrise im Sommer 1966 bereit, dem Generalinspekteur eine andere Stellung zu geben, als er sie bisher innehatte, obschon nicht verschwiegen werden darf, daß der damalige Bundesverteidigungsminister Herr von Hassel im inneren Betrieb leine veränderte Lage schuf. Immerhin, meine Damen und Herren, der Primat der Politik ist mit der Befehlsgewalt des Bundesverteidigungsministers, oder wenn Sie so wollen, mit der Befehlsgewalt des Bundeskanzlers gewahrt. Die Gleichstellung erleichtert die Arbeit zwischen den militärischen und beamteten Stellen im Bundesverteidigungsministerium.Diese Erleichterung herbeizuführen, diese Rangstellung zu erreichen, ist Ziel unseres Änderungsantrages auf Umdruck 593 und war bis vor 'einigen Tagen Ziel der Regierungsvorlage.
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11886 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 220. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Februar 1969
OlleschIch bitte Sie, beiden Anträgen der Freien Demokraten zuzustimmen.
Wir haben von der Berichtigung des Textes in Umdruck 593 Notiz genommen. Zur Aussprache über diese Anträge hat Herr Dr. Klepsch das Wort.
Dr. Klepsch CDU/CSU) : Meine sehr geehrten Damen und Herren! Beide Anträge sind im Innenausschuß eingehend behandelt worden und sind — insoweit bestand Einmütigkeit einschließlich der Stimmen der FDP-Fraktion — nicht in die Vorlage für dieses Haus aufgenommen worden. Das möchte ich vorab sagen und mich dann dem sachlichen Inhalt dieser beiden Anträge zuwenden.
Herr Dr. Klepsch, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Ollesch?
Bitte sehr!
Herr Kollege Klepsch, habe ich Sie richtig verstanden: die Freien Demokraten hätten im Verteidigungsausschuß ihren eigenen Anträgen nicht zugestimmt?
Sie wissen doch, daß sich der Verteidigungsausschuß lediglich gutachtlich geäußert hat. Federführend hat der Innenausschuß über diese Vorlagen beraten. Ich habe nicht vom Verteidigungsausschuß, sondern — ich empfehle Ihnen, es im Protokoll nachzulesen — vom Innenausschuß als dem Gremium gesprochen, das diese Vorlage bearbeitet und für uns zur Verabschiedung reif gemacht hat. Sie wissen ja, daß die Verbesserung der Unteroffiziersbesoldung ein altes Anliegen des Verteidigungsausschusses ist, das nicht erst beim Zweiten Besoldungsneuregelungsgesetz aufgetaucht ist. Diese Beschlüsse hatten wir schon beim Ersten Besoldungsneuregelungsgesetz übereinstimmend 'als gemeinsamen Wunsch aller drei im Verteidigungsausschuß vertretenen Fraktionen formuliert. Damit ist die Sache wohl völlig klar.Nun zu den beiden Anträgen, zunächst zum Antrag auf Umdruck 592. Man muß das ganze Zweite Besoldungsneuregelungsgesetz als ein ungeheures Unternehmen sehen, die Besoldung im öffentlichen Dienst des Bundes, der Länder und der Gemeinden auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Da die Soldaten in diese Besoldungsordnung eingefügt sind, sind sie selbstverständlich auch in diese Problematik einbezogen. Die Schwierigkeit nun ist ganz klar die, daß die mannigfachen Abstimmungsnotwendigkeiten, die der Innenausschuß zu bewältigen hat, natürlich ein sehr abgewogenes Ergebnis bringen, das nicht jeden Wunsch des zuständigen Fachausschusses abdecken kann. Zunächst einmal muß man aber anerkennen — das möchte ich auch als Mitglied des Verteidigungsausschusses sagen —, daß das Zweite Besoldungsneuregelungsgesetz für die Unteroffiziersbesoldung eine ganz erhebliche Verbesserung mit sich bringt.Ich will in diesem Zusammenhang nur auf einige wenige Zahlen hinweisen, um das sichtbar zu machen. Sie wissen, daß die Besoldung im Zweiten Besoldungsneuregelungsgesetz im Schnitt um etwa 5 % verbessert wird. Für die hier in Betracht kommenden Unteroffiziersdienstgrade liegt die Verbesserung wesentlich höher. Ich möchte das an Hand des Beispiels eines Verheirateten mit einem Kind einmal in Ortsklasse S und einmal in Ortsklasse A verdeutlichen: Verbesserung beim Stabsunteroffizier einmal 7,7 %, einmal 9,9 %; beim Feldwebel einmal 7,5 %, einmal 9,5 % Verbesserung; beim Oberfeldwebel einmal 7,5 %, einmal 9,3 % Verbesserung; beim Hauptfeldwebel einmal 9,7 %, einmal 11,3 % Verbesserung. Ich möchte sagen, daß sich das im Rahmen der strukturellen Verbesserung, die das Zweite Besoldungsneuregelungsgesetz mit sich bringt, so schlecht auch gar nicht ansieht, wenn auch der idealtypische Zustand, den der Verteidigungsausschuß gern hätte, nicht erreicht worden ist.Ich möchte auf ein Weiteres hinweisen. Wir sind uns darüber klar gewesen, daß wir diese Verbesserung, die das Zweite Besoldungsneuregelungsgesetz bewirkt — auch für die Unteroffiziere —, unbedingt zum Tragen bringen wollten und nicht bereit sein konnten, die ganze Vorlage an nicht durchsetzbaren Forderungen scheitern zu lassen. Nachdem es völlig klar war, daß eine Annahme dieser Anträge weitere Auswirkungen auf den mittleren Dienst nach sich gezogen hätte, ist eben dieses völlig einmütige Votum des Innenausschusses erfolgt.Ich möchte daher ausdrücklich sagen: es ging und es geht uns darum — das sage ich für meine Fraktion —, dafür zu sorgen, daß tatsächlich eine strukturelle Verbesserung der Unteroffiziersbesoldung, so wie sie das Zweite Besoldungsneuregelungsgesetz mit sich bringt, durchgesetzt und verabschiedet wird. Es geht uns darum, die Vorlage nicht an weitergehenden Forderungen scheitern zu lassen.Ich möchte aber noch auf ein Drittes verweisen. Ich glaube, man muß auch sehen, daß ein Teil der Bedenken des Innenausschusses darauf gerichtet war, daß wir die Fachoffizierslaufbahn neu eingeführt haben, daneben ja noch die ganze Verzahnung in bezug auf die Stabs- und Oberstabsfeldwebel besteht und die dritte A 9-Frage gestellt war, die nicht ohne weitere Prüfung der Auswirkungen der anderen Entwicklungen vom Innenausschuß beantwortet werden konnte. Das hat wohl Kollege Brück gemeint, als er sagte — Sie haben ihn vorhin zitiert —, er könne das im Augenblick nicht machen.Zusammengefaßt möchte ich nur sagen, Sie wissen, daß auch der Verteidigungsausschuß dem Antrag der FDP-Fraktion deshalb nicht beigetreten ist und diesen Antrag nicht an den Innenausschuß weitergeleitet hat, weil er der Auffassung war, daß im Augenblick im Zweiten Besoldungsneuregelungsgesetz das für die Soldaten maximal Erreichbare an Verbesserungen — was die Unteroffiziersbesoldung angeht — niedergelegt ist. Alle aber haben — der Kollege Haase hat noch den Antrag gestellt — in einer Entschließung bekundet, die der Verteidi-
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 220. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Februar 1969 11887
Dr. Klepschgungsausschuß einstimmig annahm, daß wir weiter auf dieses Ziel zusteuern, das damit nicht ausgeschlossen wird.Ich möchte abschließend folgendes sagen. Wir glauben, daß ein ganz beträchtlicher, weit über den Schnitt hinausgehender Fortschritt — bei einigen der obersten Positionen um fast das Doppelte, bei den anderen Positionen um die Hälfte höher — in der Unteroffiziersbesoldung erreicht werden konnte.Wir glauben darüber hinaus nicht, daß dies das einzige Problem bei der Frage des Unteroffiziersmangels ist. Es gibt noch andere Probleme, aber das soll an anderer Stelle erörtert werden. Sie werden daher Verständnis dafür haben, daß wir, um das Gesamtwerk zu sichern, Ihrem weitergehenden Antrag nicht folgen können.Nun zum Antrag auf Umdruck 593. Es ist nicht ganz so, wie es der Kollege Ollesch dargestellt hat, daß nämlich der Antrag der Freien Demokratischen Partei lediglich darauf abzielte, die Regierungsvorlage wiederherzustellen.
— Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, ich erinnere mich, daß der Kollege Ollesch nicht mit im Innenausschuß war, als wir dort darüber miteinander diskutierten,
aber es waren ja Vertreter der Freien Demokratischen Partei dabei.Es ging doch nur darum, daß wir in dieser Besoldungsgruppe B 11, weil man ganz offensichtlich keine Gruppe B 12 bilden wollte — das schien mir der Hintergrund zu sein —, in der Regierungsvorlage eine ganze Reihe von Anhebungen vorgesehen hatte, zwischen denen eine Differenzierung zu den bisherigen Inhabern der B-11-Stellen durch die sogenannte Amtszulage hergestellt war. Es dreht sich ja nicht nur um den Generalinspekteur, sondern auch um den Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung
— und um die fünf Chefpräsidenten, die in diesem Zusammenhang gesehen werden müssen. Und weil man die Amtszulage aus Gründen, die dieses Haus in der Öffentlichkeit — wie ich glaube, mit Recht und sehr nachdrücklich — vertreten hat, beseitigte, die Amtszulage, die ja nicht nur die Staatssekretäre, sondern auch noch einige andere bekamen, hat man sich entschlossen, nicht eine B-12-Regelung zu treffen — das war eigentlich der Punkt, um den es ging —, sondern dann eben dabei zu bleiben, daß man zwischen B 10 und B 11 diese Zulage bei B 10 hinzufügt, die dann die sieben Genannten, darunter der Generalinspekteur, erhalten. Auch das war eine einstimmige Entscheidung des Innenausschusses, nachdem man sich einmal geeinigt hatte, wie man es machen wollte.Ich glaube, daß die Fragen, die der Herr Kollege Ollesch in bezug auf die Neuordnung der Struktur hinsichtlich des Verteidigungsressorts angesprochen hat, keine Fragen sind, die an Hand der Besoldungsordnung zu lösen sind. Diese Fragen sind vielmehr bei der Beratung eines ganz anderen Gesetzes, das wir hoffentlich demnächst einmal miteinander hier besprechen können, abzuhandeln. So glaube ich, daß man aus den dargelegten Gründen auch den Antrag auf Umdruck 593 ablehnen muß.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Haase .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will mich nicht auf die Frage einlassen, ob das, was im Vorschlag des Innenausschusses an strukturellen Besoldungsverbesserungen für die Unteroffiziere 'enthalten ist, beachtlich ist oder nicht. Natürlich sprengt es den Rahmen der allgemeinen strukturellen Verbesserungen. Wir wissen aber alle, Herr Kollege Dr. Klepsch, daß wir mit diesem Zweiten Besoldungsneuregelungsgesetz mit der Strukturverbesserung und der Strukturveränderung der Unteroffiziersbesoldung noch nicht am Ende sind; das ist nur eine Überleitung in eine nächste Phase hinein.Nur möchte ich, Herr Kollege Ollesch, auf folgendes hinweisen: Sie haben es zum Teil zitiert. Wir haben durch die Verabschiedung des Achten Gesetzes zur Änderung des Soldatengesetzes vor zwei oder drei Wochen hier in diesem Hause die Voraussetzung geschaffen, eine vollkommene Neuorientierung in den Laufbahnen der Unteroffiziere hinsichtlich des Aufstiegs in die Offizierslaufbahn und hinsichtlich der späteren anderweitigen Weiterverwendung im öffentlichen Dienst vorzunehmen. Wir haben die Möglichkeit geschaffen, daß ein Teil der zukünftigen Laufbahnunteroffiziere nach einer Mindestdienstzeit von ein oder zwei Jahren als Feldwebel über einen besonderen Ausbildungsweg in die Laufbahn der Fachoffiziere aufsteigen kann. Wir haben die Voraussetzung geschaffen, daß durch ein noch in Vorbereitung befindliches Eingliederungsgesetz ein Teil der Laufbahnunteroffiziere in den entsprechenden Bereich des zivilen öffentlichen Dienstes stumpf übergeleitet oder überführt werden kann.All das ist geschehen. Die Bundesregierung ist dabei, auf der Grundlage dieses Gesetzes nunmehr die erforderlichen Verordnungen vorzubereiten. Sie wissen aus dem Verteidigungsausschuß, daß von seiten des Ministeriums die Zusicherung gegeben worden ist, diese Verordnungen rechtzeitig und vorher dem Verteidigungsausschuß als Fachausschuß gutachtlich zur Stellungnahme vorzulegen, damit wir von vornherein sicherstellen, daß nicht wieder das passiert, was passiert ist, als das Ministerium an dem Willen des Fachausschusses vorbei Vorlagen im Kabinett vorlegte, die dann nicht akzeptiert wurden. Das möchten wir auch in Zukunft vermeiden, und deswegen meinen wir, wir sollten jetzt nicht durch ein Vorprellen in der glatten Durchstufung der Unteroffiziersbesoldung auf der Grundlage dessen, was zu erwarten ist, was aber in seiner Struktur
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11888 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 220. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Februar 1969
Haase
noch nicht feststeht, eine zügige Weiterentwicklung dieser Dinge verhindern.Herr Kollege Ollesch, denken Sie doch einmal an folgendes. Sie wissen, daß, was die Laufbahn des militärfachlichen Dienstes anbelangt, nicht nur im Ministerium, sondern auch in anderen Bereichen der Offentlichkeit erhebliche Bedenken gegen diese Laufbahn bestanden haben und noch beistehen. Sie wissen, daß von verschiedenen Seiten Versuche gemacht worden sind, diese Laufbahn auch bezüglich der Zahl der zur Verfügung zu stellenden Planstellen auf ein Niveau herabzudrücken, daß sie nicht nur nicht attraktiv gemacht, sondern diskriminiert wird.Das wollten wir vermeiden, und .das haben wir wohl in den Vorgesprächen vermieden. Wir sind jetzt dabei, einen permanenten — wenn Sie wollen — Druck auf das Ministerium 'auszuüben, so schnell wie möglich mit den erforderlichen Vorlagen in den Verteidigungsausschuß zu kommen, damit die Dinge so schnell wie möglich in Gang Besetz werden. Wenn wir jetzt aber die Durchstufung bis zum Oberstabsfeldwebel — A 11 — vorziehen, könnte es passieren, daß in bestimmten Kreisen gesagt wird: Dann können wir ja warten; denn damit ist die Sache zumindest vom Materiellen her gelaufen. Dann wird es zumindest für die heute Betroffenen uninteressant sein, noch in die neue Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes überführt zu werden, weil sie nach der jetzt in der Besoldungsstruktur verbesserten Laufbahn die Möglichkeit haben, bis zu A 11 ,aufzusteigen. Dabei besteht ein Mißverständnis vielleicht darin, Herr Kollege Ollesch, daß die neue Laufbahn der Fachoffiziere ja nicht mit A 11 endet, sondern, wenn es der Dienstgrad eines Hauptmanns ist, mit A 11/12. Für einen Teil ist also die Durchstufung nach A 12 vorgesehen.Aus den von mir angeführten Gründen, Herr Kollege Ollesch, möchte ich nicht sagen, daß wir im Augenblick verzichten, sondern, daß wir das, was in Bewegung geraten ist und was nach langer Wartezeit angelaufen ist und sich vom Volumen her für eine Änderung personalrechtlicher Strukturen im Bereich der Bundeswehr anbietet, nicht dadurch stören, daß wir hier vorprellen. Wir sind also der Meinung, daß wir zunächst bei der Vorlage des Innenausschusses bleiben sollten.Dabei darf ich daran erinnern — Herr Kollege Dr. Klepsch hat darauf hingewiesen —, daß der Verteidigungsausschuß, nachdem Ihr Antrag mit den Stimmen der CDU/CSU und der SPD abgelehnt war, einstimmig eine Entschließung mit folgendem Wortlaut gefaßt hat:Das Bundesministerium der Verteidigung wird aufgefordert, darauf hinzuwirken, daß nach Inkrafttreten der 5. Verordnung zur Änderung der Laufbahnverordnung — Einführung einer Offizierslaufbahn des militärfachlichen Dienstes — im Rahmen einer weiteren Fortentwicklung des Laufbahnrechtes der Unteroffiziere die einzelnen Unteroffiziersdienstgrade unter Verzicht auf Zwischenstufen in die Besoldungsgruppen A 5 bis A 9 eingestuft werden.Das heißt also: Wegfall der bisherigen Dienstgrade der Stabs- und Oberstabsfeldwebel. Darüber sind wir mit dem Ministerium noch nicht ganz einig. Herr Kollege Ollesch, ich glaube, wir stimmen darin überein, daß wir das in Zukunft nicht mehr wollen.Zum zweiten Punkt, Besoldungsgruppe B 11. Wenn dieser Antrag der FDP-Fraktion angenommen wird, dann ist damit nicht die Regierungsvorlage wiederhergestellt, Herr Kollege Ollesch, wie Sie es sagen. Wenn die Regierungsvorlage wiederhergestellt werden sollte, dann stünden wir heute wieder in der Diskussion um unsere eigenen Diäten. Ich glaube, allein deshalb sollten wir das vermeiden.
Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Dann stimmen wir zunächst über den Antrag auf Umdruck 592 ab. Wer ihm zustimmen will, der gebe das Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit großer Mehrheit abgelehnt.
Dann stimmen wir über den Antrag auf Umdruck 593 mit der Korrektur, die Herr Ollesch hier zu Protokoll gegeben hat, ab. Wer zustimmt, der gebe das Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist mit der gleichen Mehrheit abgelehnt.
Wir stimmen dann über die gesamte Anlage 1 ab, die in Art. 1 Nr. 1 § 5 genannt ist. Wer dieser Anlage in der Ausschußfassung zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit großer Mehrheit angenommen.
Ich rufe Art. XIV auf. Zu ihm liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 595 *) vor. Das Wort zur Begründung dieses Antrags hat Herr Dr. Müller-Hermann.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe sicherlich keine nur angenehme Aufgabe zu erfüllen, wenn ich den Antrag auf Umdruck 595 begründe. Der Innenausschuß hat bei seinen Beratungen beschlossen, den Termin des Inkrafttretens auf den 1. April 1969 vorzuverlegen. Ganz gewiß hat der Ausschuß aus seiner Sicht auch gute Gründe dafür gehabt, nicht zuletzt im Blick auf die vorausgegangenen Tarifverhandlungen für die Arbeiter und Angestellten im öffentlichen Dienst. Der Haushaltsausschuß hat gleichfalls, wenn auch nur mit einer Stimme Mehrheit, den Empfehlungen des Innenausschusses seine Zustimmung gegeben. Dabei ist allerdings bemerkenswert, daß ein Deckungsvorschlag nicht gemacht wurde, was meine Fraktion zu einer gewissen Kritik an einer zu laschen Handhabung der Haushaltspolitik herausfordert.Aber neben der speziellen Verantwortung, die unsere Kollegen in den Fachausschüssen wahrzunehmen haben, tragen wir als Gesamtparlament*) Siehe Anlage 7
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Dr. Müller-Hermannauch eine gesamtpolitische Verantwortung. In dieser Legislaturperiode haben wir aus unserer gesamtpolitischen Verantwortung heraus schon mehrmals Bewährungsproben zu bestehen gehabt. Ich denke etwa an das von den Koalitionsfraktionen gemeinsam verabschiedete Finanzplanungs- und Haushaltssicherungsgesetz. Damals ist es meiner Fraktion neben der großen Aufgabe, die Ziele zu erfüllen, die mit den Gesetzen erreicht werden sollten, wesentlich auf zweierlei angekommen: einmal die Dynamik in der Rentenversicherung nicht anzutasten und zum anderen bei der Beamtenbesoldung nicht Kürzungen vorzunehmen. Für diese Entscheidung haben wir damals erhebliche Opfer in anderen Bereichen auf uns genommen. Ich denke etwa, als ein Beispiel unter anderen, an die Familienpolitik.Meine Damen und Herren! Niemand wird meiner Fraktion etwa den Vorwurf machen können, daß wir für die Wünsche der Beamten nicht genügend Verständnis aufgebracht hätten. Sicherlich ist die jetzt zur Verabschiedung anstehende Vorlage zur Besoldungsreform durchaus nicht eine Ideallösung; das wissen wir alle selber. Aber sie ist ein ganz wesentlicher Fortschritt gegenüber der bisherigen Lage. Ich darf auch in aller Bescheidenheit darauf hinweisen, daß bei den Strukturmaßnahmen gegenüber der Regierungsvorlage Verbesserungen vorgesehen sind, die ein Volumen von mindestens 50, wenn nicht 70 Millionen DM im Jahr ausmachen.Ich wiederhole, daß sich meine Fraktion auch bei dieser Entscheidung von der Gesamtverantwortung leiten läßt. Wir haben in dieser Großen Koalition große gemeinsame Anstrengungen unternommen, um eine Vorausschau für die Ausgabenpolitik und die Einnahmenpolitik des Bundes in einer mittelfristigen Finanzplanung festzulegen. Sie soll für uns Richtschnur für die Ausgabenpolitik sein. Und ging es damais und uns geht es heute um die Ordnung der Staatsfinanzen mit dem Ziel einer ausgewogenen Konjunkturentwicklung und mit dem Wunsch, stabiles Wirtschaftswachstum zu gewährleisten.Nun wissen wir alle aus unserer täglichen Praxis und einer Fülle sicherlich in den Schubladen liegender Anträge quer durch alle Fraktionen, daß hinsichtlich dieser mittelfristigen Finanzplanung eine Reihe von zusätzlichen Wünschen erhoben werden, etwa auf dem Gebiet der Familienpolitik, für die Agrarwirtschaft — über die Kriegsopferversorgungsverbesserung haben wir uns in den Fraktionen schon sehr lange unterhalten —, oder ich denke an die sicher nicht unberechtigten Wünsche aus den Reihen der Arbeitnehmerschaft, die Kilometerpauschale wieder auf den alten Satz anzuheben. Jeder dieser einzelnen Wünsche ist für sich und in sich berechtigt und läßt sich auch mit guten Argumenten vertreten. Natürlich ist in einem Wahljahr die Versuchung sehr groß, überall nachzugeben, jedem das zu versprechen, was er gerne hören möchte. Die Gefahr liegt vielleicht gar nicht in der Erfüllung eines einzelnen Wunsches, sondern vielmehr in der Schaffung von Präzedenzfällen,
in der Summierung und letztlich in der Öffnung einer Schleuse, wenn man an irgendeiner Stelle einen Anfang macht.
Vielleicht ist es auch ganz gut — eine Mahnung, die ich nicht nur an meine eigene Fraktion, sondern an alle Fraktionen dieses Hohen Hauses richte —, sich in diesen Wochen und Monaten etwas an die Ereignisse des Jahres 1965 zu erinnern.
Damals haben wir sicherlich alle — und niemand kann sich hier von einer Schuld völlig freisprechen — vor den gleichen Problemen und Schwierigkeiten gestanden wie in diesem Jahr, das wiederum ein Wahljahr ist. Aber wir haben uns danach, vor allem nachdem diese Große Koalition gekommen ist, doch allesamt geschworen, aus den Erfahrungen der Jahre 1965, 1966 und 1967 zu lernen und das Maßhalten zu üben, das uns von anderer Seite vorher empfohlen worden war, ohne daß wir alle genügend darauf gehört haben.
Nun hat sich gerade in den letzten Tagen und Wochen manche Stimme und mancher warnende Zeigefinger erhoben. Ich denke an den Bundesfinanzminster Strauß, ich denke an unseren Bundeswirtschaftsminister Schiller, der sogar einen kategorischen Imperativ daraus gemacht hat, und ich denke auch an maßgebliche Stimmen aus den Reihen der Bundesbank.
Überall hieß es: Jetzt vorsichtig werden und die sich anbahnende mögliche Konjunkturüberhitzung rechtzeitig dämpfen!Nun werden Sie mir sicherlich mit Recht sagen: Wenn wir die Besoldungsreform um zwei Monate, vom 1. Juni auf den 1. April, vorziehen, wird das keine Konjunkturüberhitzung ergeben. Dieser Einwand ist völlig berechtigt. Aber ich weise eben darauf hin: wenn wir an an einer Stelle aus der mittelfristigen Finanzplanung ausbrechen, ist der Damm nicht mehr zu halten. Dann werden eben zusätzliche Ausgabenwünsche unter Hinweis auf diese Entscheidung vorgebracht werden und nicht mehr zurückgewiesen werden können.
Wir müssen uns hier als Parlament entscheiden. Niemand kann uns diese Verantwortung abnehmen. Wir sind auch nicht geneigt, nun zu sagen: Hannemann in der Bundesregierung, geh du voran! Wir erwarten natürlich und wir hoffen es, daß die Bundesregierung entsprechend ihrer eigenen Vorlage und auch entsprechend ihren eigenen mahnenden Erklärungen handelt und nicht ihrerseits das aufweicht, was wir hier an klaren und festen Entscheidungen zu treffen beabsichtigen. Wir entscheiden uns für die Einhaltung des von der Bundesregierung vorgeschlagenen Termins und für das Einhalten der mittelfristigen Finanzplanung.
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11890 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 220. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Februar 1969
Dr. Müller-HermannIch möchte noch eine Bemerkung hinzufügen. Diese Entscheidung richtet sich in keiner Weise gegen irgendeine Gruppe, etwa gegen die Beamten. Es handelt 'sich für uns um eine Grundsatzentscheidung. Wir wollen gegenüber allen zusätzlichen Ausgabenwünschen in dieser Legislaturperiode festbleiben. Hier muß nun einmal ein Anfang gemacht werden.
Meine Freunde in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und ich meinen uns damit zu entscheiden, auch um den Preis vermeintlicher oder möglicher Popularitätseinbußen, für den Vorrang gesunder Staatsfinanzen, wirtschaftlicher Stabilität und politischer Solidität. Ich empfehle dem Haus, unseren Antrag anzunehmen.
Das Wort hat Herr Schmitt-Vockenhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das, was Herr Kollege Müller-Hermann hier an grundsätzlichen Ausführungen gebracht hat, ist unsere gemeinsame Überzeugung. Wir wollen nur untersuchen, ob für einen solchen Änderungsantrag so viel Kraftaufwand berechtigt und ob er damit schlüssig begründet ist.
Um was geht es? — Meine Damen und Herren, Herr Staatssekretär Köppler hat auf eine Anfrage aus dem Hohen Hause vor wenigen Tagen deutlich gemacht: Erstens. Der öfentliche Dienst ist im öffentlichen Haushalt in einer besonderen Lage, weil nämlich die Arbeitnehmer als 'einzige Gruppe durch Tarifverträge oder Gesetz Entgelt für ihre Leistungen im öffentlichen Dienst erhalten. Zweitens. Man kann darüber streiten, wie groß der Rückstand dieser Gruppe ist; aber es ist ein Rückstand vorhanden.
Drittens. Wir bemühen uns, meine Damen und Herren, diesen Rückstand abzubauen und dabei im Rahmen .der uns gegebenen 'finanziellen Möglichkeiten zu bleiben.
Was nun die Aufwendungen betrifft und der
Herr Kollege Müller-Hermann hat 'das auch im Grunde gar nicht bestritten —, so ist folgendes klarzustellen: Die Mehraufwendungen auf Grund der Beschlüsse des Innenausschusses sind dem Gesetzgeber insoweit unabdingbar aufgezwungen, als Verbesserungen auf Grund der Tarifverträge für den öffentlichen Dienst ab 1. Januar 1969 in einem bestimmten Umfang im Besoldungsrecht einfach nachvollzogen werden mußten. Es kommt hinzu, daß die Tarifverhandlungen über den vorgesehenen Rahmen hinaus Verbesserungen gebracht haben. Dadurch ist auch der relative Anteil aus den Personalverstärkungkmitteln für ,die Tarifverträge in einem unverhältnismäßig stärkeren Maße als durch den vorliegenden Gesetzentwurf in Anspruch genommen werden.
Meine Damen und Herren, damit komme ich zu dem entscheidenden Punkt. Diese tarifvertraglichen
Mehrausgaben sind, Herr Bundesfinanzminister, von der Bundesregierung nicht beanstandet worden, sondern sollen zu Lasten der Beamten und der für sie vorgesehenen Verbesserungen gehen. Der Ausschuß hat deshalb darauf geachtet, daß sich die von ihm empfohlenen Mehraufwendungen aus den Personaltiteln decken lassen. Die Ansätze der mittelfristigen Finanzplanung werden, wenn wir das Gesamttableau beachten, nicht überschritten werden.
Entscheidend ist auch folgendes. Unsere Beschlüsse — ,das weiß der Herr Bundesfinanzminister sicher zu würdigen — sind so gefaßt worden, daß sie keine Mehrbelastungen für das Haushaltsjahr 1970, soweit sie nicht in der Regierungsvorlage vorgesehen waren, gebracht haben. Der Haushaltsausschuß hat die Deckungsfähigkeit erklärt.
Herr Kollege Müller-Hermann, ein letztes Wort. Glauben Sie wirklich, daß das, was die Beamten für ihre Arbeitsleistungen bekommen, mit dem Begriff „Wahlgeschenke" in der öffentlichen Meinung deklariert werden sollte? Ich meine, nein, und die Betroffenen werden es als bitter empfinden, daß das in dieser Form hier gesagt worden ist.
Das Wort hat Herr Petersen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meiner Erinnerung nach gibt es kein Ereignis, das dem Ansehen dieses Parlaments mehr geschadet hat als die Aktion, die, als wir als junge Abgeordnete 1965 zum erstenmal in das Parlament einzogen, einsetzte, nämlich das, was dann draußen als „Einsammeln von Wahlgeschenken" bezeichnet und so empfunden wurde. Wir haben damals geschworen, daß wir das nie wieder zulassen würden. Wir haben unsere älteren Kollegen gefragt, wie sie eigentlich dazu gekommen seien und woran sie eigentlich gedacht hätten, als sie Ausgabenbeschlüsse faßten, die dann nach der Wahl 1965 zum Teil wieder rückgängig gemacht werden mußten. Damals erzählten uns unsere Freunde, daß in vielen Bereichen berechtigte Forderungen erhoben worden seien. Diese seien vernünftig begründet worden, und zwar unter Hinweis auf andere Gruppen — die es immer gibt —, denen es besser gehe. Im Sinne der Gerechtigkeit also seien Verbesserungen bei den von der Bundesregierung Erhard damals eingebrachten Vorlagen vorgenommen worden.Es war dann offenbar so — ich kann das nur weitererzählen —, daß sehr häufig auch meine Parteifreunde in der Gefahr, von der FDP und SPD überstimmt zu werden, sagten: Bevor wir uns als beamten-, bauern-, familienfeindlich in die Ecke stellen lassen, stimmen wir zu.
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Herr Haar möchte eine Zwischenfrage stellen. Gestatten Sie?
Ja.
Bitte, Herr Haar!
Sind Ihnen die Einkommensverhältnisse der Beamten des einfachen und mittleren Dienstes einigermaßen geläufig?
Verehrter Kollege Haar, ich möchte jetzt auf die Beamten zu sprechen kommen und folgendes sagen. Ich weiß, daß es bei einem Postschaffner fast 100 DM im Monat ausmacht, ob er die vorgesehene Besoldungsaufbesserung am 1. 6. oder am 1. 4. bekommt. Das ist eine Menge Geld. Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen hat hier eben sehr überzeugend dargelegt, wie berechtigt — besonders auf Grund der Tarifvereinbarungen, die Anfang dieses Jahres für andere Bereiche im öffentlichen Dienst zugestanden und unterschrieben wurden — diese Forderung im Grunde genommen ist. Das ist völlig unumstritten. Ich glaube, auch in meiner Fraktion werden Sie niemanden finden, der die Berechtigung dieser Forderung als solcher nicht anerkennen würde und der das nicht von Herzen gern bewilligen würde.
Noch eine Zwischenfrage, Herr Haar.
Herr Kollege Petersen, ich gehe jetzt von Ihrer gerade gemachten Äußerung aus: Wenn Sie die sachliche Berechtigung des Vorziehens anerkennen — so ist Ihre Bemerkung wohl zu verstehen —, ist es dann für Sie als jungen Abgeordneten dieses Hauses nicht unter Ihrer Würde, im gleichen Augenblick von Wahlgeschenken zu sprechen?
Einen Augenblick, Herr Petersen. Ich glaube, daß es nicht angemessen war, eine Meinung eines Abgeordneten hier mit der Würde eines Abgeordneten in Zusammenhang zu bringen.
Her Klepsch wollte eine Zwischenfrage stellen. Bitte, Herr Klepsch!
Herr Kollege Petersen, wäre es im Sinne der Fragestellung nicht ebenso angemessen, die Beamtenbesoldung bereits vorn 1. Januar ab anzuheben?
Selbstverständlich, Herr Kollege, Dr. Klepsch.
Ich möchte jetzt auf diesen speziellen Punkt der Beamtenbesoldung zu sprechen kommen. Bis jetzt habe ich allgemeine, grundsätzliche, für reich brennend wichtige Anmerkungen gemacht. Ich hätte jetzt gerne ein paar Bemerkungen zu der Situation, in der wir uns heute befinden, gemacht.
Der Kollege Schmitt-Vockenhausen hat die Frage in den Raum gestellt, ob sich dieser gewalte Kraftaufwand — das war Ihr Wort — in Anbetracht dieser verhältnismäßig unwichtigen Frage — 1. 6. oder 1. 4.? — eigentlich lohne. Herr Haar, ich konzediere, daß das für die unteren Einkommensschichten leine durchaus nicht unwichtige Größe darstellt. Im Hinblick auf das Gesamtvolumen, über das wir uns heute hier den ganzen Tag unterhalten haben, ist es eine verhältnismäßig kleine Größe. Die Frage ist also, ob der Kraftaufwand dazu in einem Verhältnis steht.
Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen ganz ehrlich, mir geht !es nicht um die 135 Millionen DM. Ich habe den Eindruck — der Herr Bundesfinanzminister wird dazu sicher noch konkretere Angaben machen können —, daß diese 135 Millionen DM rein kassenmäßig auch noch da wären. Mir geht es auch erst mittelbar um konjunkturelle oder Stabilitätsfragen. Mir geht es in erster Linie um folgendes. In den nächsten Wochen werden wir hier eine ganze Reihe von Haushaltsberatungen erleben. In all diesen Haushaltsberatungen werden — ich denke jetzt besonders an 'ein Thema, das mir sehr am Herzen liegt, die Familienpolitik; ferner !an Fragen der Landwirtschaft; hier wären übrigens im Investitionshilfebereich auch einmalige Beträge dringend lerforderlich und herzlich willkommen, wir haben darüber vor einigen Tagen gesprochen; ferner !an den Bereich der Heimkehrer, der Spätheimkehrer, an !den Bereich der Kriegsopfer — vernünftig begründete, richtige, gerechte Anforderungen, Bitten und Fragen an dieses Haus gestellt werden. Meine Damen und Herren, ich weiß einfach nicht, wie ich dann mit gutem Gewissen vor diese verschiedenen Gruppen hintreten und ihnen sagen soll: Wir können !die Vorlagen der Bundesregierung, die ja zum großen Teil Verbesserungen enthalten werden, aus Stabilitätsgründen, aus Haushaltsgründen, wegen der mittelfristigen Finanzplanung nicht verbessern. Die werden uns dann natürlich sofort darauf hinweisen :aber in einem Bereich ging es. Wegen dieser möglichen Schleusenwirkung und weil ich wegen des Ansehens dieses Hauses ein Fanal setzen möchte, weil uns der Schock des Jahres 1965 noch
den Knochen sitzt, bitte ich darum, dem Änderungsantrag der CDU/CSU-Fraktion zuzustimmen.
Das Wort hat Herr Dorn.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Der Kollege Petersen hat seine Ausführungen sehr dramatisch geschlossen, indem er sagte, er wolle ein Fanal für das Ansehen des Hauses setzen. Er meint, das könne nur gesche-
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Dornhen, wenn der Antrag der Christlichen Demokraten, die Beamtenbesoldung nicht bereits am 1. April, sondern erst ab 1. Juni in Kraft zu setzen, angenommen würde. Nun, Herr Kollege Petersen, ich glaube, da haben Sie sich genau das falsche Opferlamm ausgesucht.
Das Ansehen dieses Hauses hat nichts damit zu tun, ob in einer solchen entscheidenden Frage die berechtigten Anliegen von der Mehrheit des Hauses akzeptiert werden oder von der Minderheit abgelehnt werden und ob dann gleichzeitig eine Wertung der Mehrheitsentscheidung dieses Hauses so abgegeben wird ,wie Sie es getan haben.
Herr Dorn, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Petersen?
Herr Dorn, würden Sie bitte die Freundlichkeit haben, mir ein geeignetes Opferlamm zu nennen.
Herr Kollege Petersen, ich werde nachher auf einige Zahlen zu sprechen kommen, die eindeutig — —
— Sie können mit Ihren Zwischenrufen höchstens die Sitzung hinauszögern. Sie werden — —
— Sie wollen ja gar keine Antwort haben, Herr Schmidt, weil Sie permanent dazwischenrufen und mich gar nicht zum Sprechen kommen lassen.
— Ich beschwere mich gar nicht, Herr Kollege Windelen. Außerdem kann ich diesen Ruf gar nicht für mich in Anspruch nehmen, weil der Kollege Rasner mich permanent daran hindert, diesen Ruf jemals erwerben zu können.
Meine Damen und Herren, ich blicke auf die Uhr — —
Ich auch, Herr Präsident. Ich möchte gerne weiterreden — —
Zwischenrufe sind erlaubt. Es ist auch erlaubt, nicht auf sie einzugehen.
Ich wollte sagen, daß ich Ihnen beweisen will, wenn ich jetzt mit meiner Antwort und mit meiner Darstellung weiterkomme, daß es gar nicht notwendig ist, eine der von Ihnen geforderten Entscheidungen so zu treffen, daß es ein Opferlamm gibt. Durch diese Entscheidung, die wir hier jetzt treffen wollen, braucht im finanziellen Bereich bei Anwendung vernünftiger Gesetzesentscheidungen niemand sonst benachteiligt zu werden. Davon geht die Mehrheit dieses Hauses ja aus. Ich gebe zu, es ist für Sie ungewöhnlich, einmal zur Minderheit zu gehören. Deswegen ist vielleicht auch einiges an Reaktion verständlich.
— Bei den bisherigen Abstimmungen sind Sie auf jeden Fall in der Minderheit geblieben. Ich nehme an, daß es keine sachlichen Notwendigkeiten gibt, die Entscheidungen, die in den Ausschüssen getroffen worden sind, zu revidieren.Folgen wir den Gedanken des Kollegen Petersen, so kann er heute eine Entscheidung, die den berechtigten Belangen der Beamtenbesoldung Rechnung tragen könnte, deswegen nicht akzeptieren, weil er 1965 einen Schwur geleistet hat, nicht das zu tun, was seine Vorgänger in seiner Fraktion mitgetan haben.
— Herr Kollege Petersen, ich kann alles nur hintereinander sagen, nicht alles auf einmal. Dann haben Sie gesagt, Ihre Fraktionskollegen hätten damals, als sie von Ihnen angesprochen worden sind, warum sie das getan hätten, Ihnen gegenüber erklärt, sie seien durch die SPD und die FDP in diese höheren Ausgaben hineingejagt worden. So haben Sie es hier dargestellt. Das ist natürlich etwas völlig anderes, als Ihr Fraktionskollege Müller-Hermann im Oktober des Jahres 1965 in einer Veröffentlichung geschrieben hat, die ich vorliegen habe. Darin schreibt Müller-Hermann unter anderem, daß allein die Anträge der Sozialdemokraten „uns" in diese gefährliche Haushaltslage gebracht haben und daß daher die Frage zu stellen sei, ob die SPD überhaupt regierungsfähig sei.
Das ist also etwas völlig anderes, als Sie es jetzt darstellen.Der Kollege Althammer — Herr Kollege Petersen, ich lasse jetzt keine Zwischenfragen mehr zu — hat an dieser Stelle im Parlament das, was der Kollege Müller-Hermann in diesem Artikel nur global angesprochen hat, in einer Fülle von Einzelbeispielen noch einmal mit zahlenmäßiger Auswirkung vorgetragen.
— Die FDP-Fraktion hat im Vergleich zu den Anträgen, die von der SPD und Ihrer eigenen Fraktion gestellt worden sind — wir haben das gerade noch einmal kurz überflogen — Anträge gestellt, die in Prozentsätzen nur minimal mit dem vergleichbar sind, was Sie selbst beantragt haben.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 220. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Februar 1969 11893
DornAber, meine Damen und Herren, wir werden sicher bei der Haushaltsberatung Gelegenheit haben, das noch sachverständiger zu erörtern. Ich bin der Meinung, darauf kommt es hier auch gar nicht an.Der Kollege Müller-Hermann sagte, die CDU lasse sich von einer Gesamtverantwortung für unser ganzes Volk leiten, und nach ihrem Vorschlag sei nur eine ausgewogene Entwicklung denkbar. Das widerspricht dem, was der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, unser Kollege Köppler, hier vor wenigen Wochen meinem Fraktionskollegen Genscher und mir in einer Antwort in der Fragestunde zu diesem Thema gesagt hat. Mein Kollege Genscher und ich haben gefragt, ob der Rückstand der Beamtenbesoldung 17 % betrage. Der Herr Staatssekretär hat gesagt: Nicht ganz 17 %. Aber auf die Zusatzfrage, ob der Rückstand denn erheblich sei, hat er bestätigt, ja, es sei nicht zu bestreiten, daß der Rückstand in der Beamtenbesoldung gegenüber der Einkommensentwicklung der übrigen Berufe erheblich sei.Meine sehr verehrten Damen und Herren, darum geht es doch. Sie können nicht sagen, das sei eine Grundsatzfrage unseres Haushalts, sondern es geht darum, ob Forderungen, die wir als berechtigt anerkannt haben, zwei Monate früher erfüllt werden sollen, als es die Regierung ursprünglich vorgesehen hatte, um einen Teil dieses erheblichen Rückstands, der inzwischen eingetreten war, nunmehr mit abbauen zu helfen. Die Mitglieder des Innenausschusses und des Haushaltsausschusses dieses Hauses, die diese Entscheidung auch zu treffen hatten und sie im Sinne des jetzigen Berichts getroffen haben, haben gegen die Stimmen der CDU — im Haushaltsausschuß nicht einmal gegen alle Stimmen der CDU, wenn ich recht informiert bin — gestimmt. Da muß man doch nicht so tun, als ob das nun eine Gefährdung der Stabilität unserer Währung sei.Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen nur zwei Zahlen nennen, um Ihnen zu beweisen, daß ein Opferlamm, Herr Kollege Petersen, auch gar nicht notwendig ist.In den Besoldungstiteln für das Haushaltsjahr 1968 sind mehr als 200 Millionen DM durch Nichtbesetzung von Beamtenstellen im öffentlichen Dienst eingespart worden, und diese rund 200 Millionen DM, die eingespart worden sind, sind sehr leicht einsetzbar für das, was hier erforderlich ist.Und wenn Sie sich die Ansätze des Jahres 1968 ansehen, müssen Sie feststellen, daß bei den Arbeitern und Angestellten eine Zuwachsrate von rund 7'0/o und eine Überschreitung der Ansätze um 109 Millionen DM zu verzeichnen waren, während bei den Beamten eine Unterschreitung der Haushaltsansätze um 41 Millionen DM feststellbar war und allein hier eine Zuwachsrate von nur 4,6 % erzielt worden ist.Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, glaube ich, war es, der schon auf den Zusammenhang zwischen den Tarifverhandlungen des öffentlichen Dienstes und der Besoldung der Beamtenschaft hingewiesen hat. Ich meine, Sie sollten sich auch in dieser Frage so entscheiden, daß die rückständige Entwicklung im Rahmen der Beamtenbesoldung bis auf einen Minimalbetrag wieder aufgeholt werden kann. Dabei gehe ich gar nicht so weit, wie es der Kollege Klepsch in einer Zwischenfrage angedeutet hat.Ich bitte Sie im Namen meiner Freunde, den Antrag der Christlichen Demokraten abzulehnen, und beantrage namentliche Abstimmung.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß die Mitglieder dieses Hohen Hauses bitten, den in der Regierungsvorlage vorgesehenen Termin für das Inkrafttreten wiederherzustellen. Ich erlaube mir, zu den dafür und dagegen vorgebrachten Argumenten einige Bemerkungen zu machen.Im Ausschuß sind die Leistungen dieses Gesetzes im Falle seines Inkrafttretens am 1. Juni für den Rest des Jahres 1969 durch strukturelle Verbesserungen um 49 Millionen DM erhöht worden. Das würde, bezogen auf das ganze Jahr, eine Verbesserung um rund 85 Millionen DM bedeuten. Ich habe zu diesen Verbesserungen nichts anzumerken; ich begrüße sie, weil sie dem Ziel der Harmonisierung dienen und weil die Ausschußberatungen die Erreichung dieses Zieles erleichtert haben.Ich muß außerdem darauf aufmerksam machen, daß durch Anpassung des Sozialzuschlags und der Lohnzulage der Arbeiter an die Ortszuschlagstabelle dieses Zweiten Besoldungsneuregelungsgesetzes Mehrausgaben in Höhe von 40 Millionen DM noch in diesem Jahre entstehen werden. Die insoweit anfallenden Mehrausgaben in Höhe von 49 Millionen DM für strukturelle Verbesserungen zugunsten der Beamten, bezogen auf sieben Monate, und die als Folge dieses Gesetzes unvermeidbaren und von der Bundesregierung auch vorgesehenen Verbesserungen im Tarifbereich in Höhe von 40 Millionen DM können aus den Personaltiteln und den vorgesehenen Verstärkungstiteln voraussichtlich bewältigt werden. Das vorzeitige Inkraftsetzen dieses Gesetzes zum 1. April 1969 statt zum 1. Juni 1969 würde weitere 135,6 Millionen DM erfordern.Einige Redner — auch der Kollege Dorn — haben darauf hingewiesen, daß im letzten Jahre durch Nichtbesetzung von Planstellen, vielleicht auch durch nicht volle Ausnutzung einer Planstelle, Minderausgaben entstanden seien. Es ist richtig, daß Minderausgaben entstanden sind. Unser gesamtes Besoldungsvolumen beläuft sich einschließlich Bundeswehr und Bundesbahn, für die ja auch der Bund die Verbesserungen zu tragen hat, auf über 13 Milliarden DM. Ich warne aber davor, diese Rechnung der Nichtausgaben allgemein anzuwenden. Wir haben im Verteidigungshaushalt Ausgabenreste von weit über 600 Millionen DM, wir haben Ausgabenreste im Verkehrsbereich, wir haben sie im Forschungsbereich. Wenn jeweils sich ergebende Ausgabenreste nachträglich herangezogen werden müs-
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11894 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 220. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Februar 1969
Bundesminister Dr. h. c. Straußsen, ist das finanzielle Durcheinander — um keinen schlimmeren Ausdruck zu gebrauchen — nicht mehr aufzuhalten.
Gerade Sie von der FDP haben mir an dieser Stelle mehrmals vorgehalten, daß die Bundesregierung eine leichtfertige Kreditaufnahmepolitik treibe, daß sie .den Schuldenstand in einer besorgniserregenden Weise habe anwachsen lassen. Ich brauche nicht an das gefährliche Wort eines Ihrer Prominenten zu erinnern, der leider expressis verbis den Ausdruck „Inflation" einmal in den Mund genommen hat.
— Aber hier wird es besonders ernst gewogen. — Wir haben im Haushalt 1968 statt der vorgesehenen 7,1 Milliarden DM Kreditaufnahme nur Kreditmehraufnahmen in einer Größenordnung von 4,5 Milliarden DM vorgenommen, also 2,6 Milliarden DM weniger Kredit aufgenommen, als dieses Hohe Haus angesichts der Ungewißheit der wirtschaftlichen Entwicklung im Zeitpunkt der Verabschiedung des Haushalts aus gutem Grunde der Regierung zugestanden hatte. Die Tatsache, daß die Bundesregierung aber von dieser ihr vom Parlament aus der damaligen Sicht mit Recht erteilten Genehmigung einen sparsamen Gebrauch gemacht hat, sollte Ihnen zeigen, daß ,die Bundesregierung ihre Verantwortung für Konsolidierung der Finanzen und Stabilität der Währung sehr ernst nimmt und nicht von der Vorstellung besessen ist, daß jeder genehmigte Pfennig auch tatsächlich ausgeben werden müsse, wenn die Ausgabe nicht unbedingt erforderlich ist.
In diesem Zusammenhang darf ich auch noch sagen, ,daß neben den 2,6 Milliarden DM Minderkreditaufnahme die Bundesregierung vor Ablauf der Fälligkeit für 1 Milliarde DM Schuldbuchforderungen von den Rentenversicherungen zurückgekauft und damit auch insoweit die Schuldenlast des Bundes für die Zukunft vermindert hat.Das ist auch ein Stück Stabilitätspolitik, den öffentlichen Haushalt so zu vollziehen, daß im Falle einer sich abzeichnenden Wirtschaftsschwäche alle Maglichkeiten des Haushalts voll eingesetzt werden, daß bei dem umgekehrten Verlauf, der vor einem Jahr noch nicht von allen mit Sicherheit vorhergesehen werden konnte, aber auch gegenteilig verfahren wird. Darum bite ich Sie, es mir nicht übelzunehmen, wenn ich sage, daß ich für ,die Minderausgaben im Haushalt 1968 dankbar war und bin. Wir hätten im Haushalt 1968 die Ermächtigung gehabt, die Bundesausgaben gegenüber dem Ausgabevolumen des Jahres 1967 um 5,4 % und die investitionsfördernden Ausgaben um 11 % zu erhöhen. Sie wissen, es gab sachverständige Meinungen, die dahin gingen, daß Gemeinden, Länder und Bund im Jahre 1968 ihre Ausgaben um 10 % und ihre Investitionsausgaben um 30 % erhöhen sollten, um eine Wachstumsrate zu erzielen, die um 1 % real niedriger angegeben war, als wir tatsächlich erreicht haben, ohne dieseAusgabenerhöhung vorzunehmen und ohne die im Zusammenhang damit vorgeschlagenen Steuerermäßigungen und weiteren Konjunkturprogramme ebenfalls zu vollziehen. Die Mehrausgaben des Bundes im Jahre 1968 gegenüber 1967 betrugen nicht 10 % oder 5,4 %, wie im Haushaltsplan vorgesehen, sondern nur 0,5 %. Die Investitionsmehrausgaben betrugen nicht 30 %, auch nicht 11 %, wie im Haushaltsplan vorgesehen, sondern nur 3,5 %. Trotzdem haben wir einen Zuwachs des realen Sozialprodukts von 7 % und des nominalen von 9 % erzielt. Was manche vor wenigen Tagen noch nicht glauben wollten, weil sie eine gegenteilige Ansicht und gegenteilige Politik vertraten, hat sich jetzt im Laufe der letzten Tage so verdichtet, daß es nunmehr Mode geworden ist, von Stabilisierungsmaßnahmen zu reden,
während man nicht nur Ende des letzten Jahres, sondern auch noch in den ersten Wochen dieses Jahres regelrecht ausgelacht worden ist,
wenn man das als demnächst bevorstehend angekündigt hat, ohne deshalb ein besonders weiser Prophet sein zu müssen.
Ich darf Ihnen, meine Kollegen von der FDP, auch noch ins Gedächtnis zurückrufen, daß Sie, wenn Sie es ernsthaft meinen, wenn Sie Ihre Vorschläge wirklich nicht im Sinne einer Propagandaaktion, im Sinne eines Wahlgeschenks machen, mit Ihrem Vorschlag zum 131 er Gesetz die Bundesfinanzen in schwerster Weise belasten würden.
Allein im Jahre 1969 würden wir bei Verwirklichung Ihrer Vorschläge auf 950 Millionen DM Mehrausgaben kommen,
im Jahre 1970 auf 900 Millionen DM, im Jahre 1971 auf 710 Millionen DM, im Jahre 1972 auf 690 Millionen DM. Entweder halben Sie es nicht gewußt, dann haben Sie diesen Antrag sehr leichtfertig vorbereitet und eingereicht; oder Sie haben es gewußt und trotzdem getan, dann ist ,die Forderung nach Mehrausgaben in ,diesem Zusammenhang zugunsten dieses Personenkreises mit den heutigen finanz- und volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht zu vereinbaren.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dorn?
Bitte!
Herr Abgeordneter Dorn!
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 220. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Februar 1969 11895
Herr Bundesminister, sind Sie sich in Kenntnis .der Aussage, die Sie soeben gemacht haben, darüber 'im klaren, daß Kollegen Ihrer eigenen Fraktion, Kollegen meiner Fraktion und Kollegen der SPD-Fraktion bei der Verabschiedung der Novelle zum 131er Gesetz im Jahre 1965 hier im Hause ähnliche Zusicherungen gemacht haben, wie wir sie jetzt als Gesetzentwurf eingebracht haben?
Das habe ich zwar nicht gewußt,
aber ich habe es mit viel Beifall und mit viel innerer Zustimmung gehört. Das Jahr 1965 ist das idealste Jahr, auf das Sie sich berufen können.
Genau! In den Jahren 1964/65 sind Steuerverzichte von diesem Haus in einem rein prozyklischen Verfahren beschlossen worden.
— Darum haben wir ja etwas dazugelernt, aber Sie nicht. Das ist der Unterschied zwischen uns.
In den Jahren 1964/65 sind Steuerverzichte in Milliardenhöhe beschlossen worden, und zwar genau chemisch rein im Sinne einer prozyklischen Finanzpolitk. Im Jahre 1965 sind Mehrausgaben beschlossen und noch darüber hinausgehende Zusagen gegeben worden. Wie Kollege Petersen mit Recht sagte, war es kein Akt, der das Ansehen der parlamentarischen Demokratie besonders zu fördern geeignet war, daß man Gesetze mit Dauerleistungen, mit vielleicht sogar dynamisierten Steigerungen verabschiedet und wenige Monate später in einem Haushaltssicherungsgesetz einen Teil der Leistungen wieder zurückgenommen, Fristen hinausgeschoben und damit einen Eindruck erweckt hat, dem gegenüber man sich einmal auf einen Irrtum berufen kann, auf den man sich aber nicht mehrmals oder gar dauernd berufen kann.
Ich freue mich, Herr Kollege Dorn, daß Sie mir jedenfalls geradezu der beste Gewährsmann sind, den ich mir überhaupt wünschen könnte. Sie bestreiten gar nicht die Richtigkeit dieser Zahlen.
Sie sagen nur, dieser Betrag von über 3 Milliarden DM in den Jahren 1969 bis 1972 ist im Rahmen der jetzigen mehrjährigen Finanzplanung
die Ausfüllung dessen, was wir alle angeblich oder wirklich im Jahre 1965 versprochen haben und was wir ausgerechnet in diesem Jahr vorlegen, um damit diesen Personenkreis anzusprechen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Friderichs?
Herr Bundesfinanzminister, ist Ihnen bekannt, daß der von Ihnen als prozyklisch bezeichnete Steuerverzicht — ich nehme an, Sie meinen die Senkung der Einkommen-, Körperschaft- und Lohnsteuer im sogenannten Mittelstandsbereich — vornehmlich eine Forderung der Christlich-Sozialen Union war? Darf ich Sie weiter fragen, wer damals Vorsitzender dieser Partei war?
Glauben Sie denn, daß Sie mit dieser Frage irgend etwas zur sachlichen Argumentation beitragen können?
Ich habe festgestellt, daß in den Jahren 1964/65 unter Beteiligung aller Fraktionen dieses Hauses — ich habe niemanden speziell für damals verantwortlich gemacht —
damals Mehrleistungen beschlossen worden sind, und zwar sowohl durch Steuerverzichte als auch durch Ausgabenzusagen, und daß wenige Monate später dieses Parlament unter einem allerdings von Ihnen gestellten Finanzminister nicht anders konnte, als ursprünglich gewährte Leistungen zu kürzen und Fristen hinauszuschieben. Das darf man doch wahrlich von dieser Stelle aus noch sagen, ohne sich dafür rechtfertigen zu müssen, daß man es sagt.
Dieses Verfahren sollte sich nicht wiederholen.
Wenn das Jahr 1965 uns allen in unguter Erinnerung ist, und zwar in diesem Zusammenhang, dann halte es es für wenig erfreulich, wenn man damals gemachte Zusagen, die man damals nicht gerade in Gesetzesform gegossen, sondern nur in allgemeine Zusagen gekleidet hat, in dieser Periode noch einlösen will — mit der Maßgabe, daß 1969 950 Millionen DM, 1970 900 Millionen DM, 1971 710 Millionen DM und 1972 690 Millionen DM Mehrausgaben allein für diesen Gesetzentwurf erforderlich sind.
Gestatten Sie, Herr Bundesminister, eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Dahlgrün?
Herr Kollege Strauß, abgesehen davon, daß ich persönlich — in voller Übereinstimmung mit Ihnen — gegen diese Anträge bin, auch wenn sie von meiner eigenen Fraktion kommen,
möchte ich Sie fragen, ob Ihnen bewußt ist, daß Ihnen ohne die von Ihnen kritisierte sogenannte prozyklische Steuerermäßigung der Vergangenheit das Auffangen der Rezession durch Steuererhöhun-
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11896 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 220. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Februar 1969
Präsident von Hasselgen, z. B. durch die Ergänzungsabgabe, überhaupt nicht möglich gewesen wäre?
Herr Kollege Dahlgrün, diese Frage verdient sicherlich eine ernst zu nehmende Antwort, weil sie auch ernsthaft gestellt ist. Die erste Antwort, die ich darauf geben müßte, ist die, daß Sie sich — ich werde im zweiten Satz etwas sehr Freundliches über Sie sagen — Ihrerseits überlegen sollten, ob man nicht ohne eine solche prozyklische Finanzpolitik um ein gut Teil des Rückschlags überhaupt herumgekommen und ihm entgangen wäre.
Nun zur zweiten Antwort; aber wir können ja hier nicht ein finanzpolitisches Kolleg sozusagen im Duett ausfechten. Das zweite Problem ist folgendes. Wenn Sie damals — da gebe ich Ihnen recht — dieser Steuersenkung zugestimmt haben, für die das Amt ja die Ausarbeitung geleistet hat, dann sicherlich aus der traurigen Erkenntnis heraus, daß dann, wenn Sie diesen Steuerverzicht nicht auf sich genommen hätten, bei der damaligen Ausgabebereitschaft aller Fraktionen dieses Hauses die Steuermehrerträge zur Begründung von Mehrleistungen mißbraucht worden wären.
Gerade deshalb, weil das so ist, danke ich Ihnen für Ihre Äußerung, daß Sie diese Mehrausgabenanträge nicht billigen. Ich muß dann aber Ihren Freunden entgegenhalten, daß man aus der von ihrem Finanzminister Dahlgrün gewonnenen Erkenntnis auch heute noch einiges hätte in Erinnerung behalten sollen.
Ich komme zum letzten Teil meiner Ausführungen. Wenn im Bericht des Haushaltsausschusses — in dem die vorhin erwähnte sehr knappe Abstimmung, nach meiner Erinnerung mit 16 : 15 Stimmen, stattfand — gemäß § 96 der Geschäftsordnung festgestellt wird, daß die durch den Gesetzentwurf in der Fassung der Beschlüsse des Innenausschusses entstehenden Mehrkosten im Rahmen der gesamten Personalansätze des Bundeshaushalts 1969 aufgefangen werden können, so bitte ich, bei allem Respekt vor dem Haushaltsausschuß sagen zu dürfen, daß das eine wenig solide Begründung ist.
Es wäre eine sauberere Begründung gewesen, dann Planstellen zu streichen, weil sie nicht besetzt werden können, also Minderausgaben auszubringen. Aber in klarem Wissen darum, daß sich daraus, daß Planstellen am 1. Januar nicht immer gleich besetzt werden können, weil es der Arbeitsmarkt nicht erlaubt, oder daß Planstellen nicht voll ausgenutzt werden, weil ein Sekretär auf einer Obersekretärstelle sitzt oder ein Regierungsrat auch einmal auf einer Oberregierungsratstelle usw., Ausgabenreste ergeben, und im Wissen um eine langjährige Erfahrung diese Ausgabenreste jeweils bei heutigen undzukünftigen besoldungspolitischen Maßnahmen schon von vornherein einzukalkulieren und auf ihnen Verbesserungen aufzubauen, das ist keine nachahmenswerte Methode.
Ich habe noch zwei Bemerkungen zu machen. Es hat gar keinen Sinn — und im Februar des Jahres 1969 schon gar nicht —, das Stichwort ,,Wahlgeschenke" überhaupt definieren zu wollen.
Die Definition des Wortes „Wahlgeschenk" hat etwas gemeinsam mit der Definition der „Subvention". Das erinnert mich immer an die seinerzeit unter meinem sehr verehrten ersten Vorgänger Schäffer umlaufende Formulierung vom „Juliusturm": Erstens gibt es keinen Juliusturm; zweitens ist nichts drin; und drittens habe ich das, was drin ist, schon längst verplant.
Und genauso ist es mit den Wahlgeschenken: Erstens gibt es keine, zweitens bekommt sie im Zweifelsfall immer ein anderer, und drittens ist diese Leistung ideologisch, gesellschaftspolitisch oder vaterländisch begründet.
Ein Argument dafür bietet sich immer an. Aber ich glaube, man sollte dem Kollegen Petersen das hier gar nicht entgegenhalten: Sie anerkennen die Notwendigkeit der Leistung und sind trotzdem dagegen. Ich würde mir einmal erlauben, die Frage zu stellen: Wer wollte widersprechen, daß zumindest strukturelle Verbesserungen in unserer Kriegsopferversorgung eine sehr wünschenswerte Angelegenheit wären?
Ich rede noch gar nicht von der linearen Anpassung — Grundrenten, Ausgleichsrenten und die verschiedenen Prozentsätze, die dabei genannt werden; das ist ein Kapitel für sich —, aber von strukturellen Verbesserungen in gewissen Bereichen. Und die sind — ich denke hier vor allen Dingen an die Witwen und Schwerstbeschädigten — ohne Zweifel ein Gebot der Stunde, dem sich diese Wohlstandsgesellschaft auf die Dauer nicht entziehen kann. Wer wollte bestreiten, daß es nach Senkung der familienpolitischen Leistungen in früheren Jahren und nach einem Stillstand auf diesem Gebiete sehr angebracht wäre, auch hier wieder einmal Verbesserungen vorzunehmen?
Wer wollte die sachliche Notwendigkeit bestreiten, daß wir im Interesse der vollen Ausschöpfung unseres geistigen Reservoirs eine großzügige Begabtenförderung und eine großzügige Ausbildungsförderung betreiben sollten?
Ich komme mir nicht zu gut dafür vor, leider zugeben zu müssen, daß das, was in der mehrjährigenFinanzplanung unter „Ausbildungsförderung" ent-
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 220. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Februar 1969 11897
Bundesminister Dr. h. c. Straußhalten ist, alles andere als eine optimale Erfüllung dieser Aufgabe darstellt.
Aber warum haben wir nicht mehr eingesetzt? Ja,wo du nicht bist ... Deshalb haben wir nicht mehreingesetzt! Und genauso gelten die Dinge auch hier.Ich möchte als zweite Schlußbemerkung sagen, daß selbstverständlich 135 Millionen an Mehrausgaben bei einem Besoldungsvolumen von 13,5 Milliarden DM für sich allein weder den Haushalt sprengen noch unsere Konjunktur zum Überschäumen bringen noch die Stabilität der Währung gefährden. Aber ich habe heute von keinem der legitimierten Redner eine Zusicherung gehört, daß bei der Verabschiedung des Haushalts 1969 in zweiter und dritter Lesung und bei kommenden Anlässen kein Antrag auf Anhebung finanzieller Leistungen — gleichgültig auf welchem Gebiet — über den von der Regierung gesetzten Rahmen hinaus beantragt werden wird. Das würde heißen, daß alle in diesem Hause die absolute Priorität für ein zwei Monate früheres Inkrafttreten anerkennen und auf alle anderen Verbesserungswünsche mit finanziellen Wirkungen für diesen Haushalt verzichten. Wenn ich diese Interpretation haben dürfte, würde ich hoffnungsvoller in die Zukunft blicken. Wenn es nicht zufällig gerade ,das 20. Jahr seit der Gründung der Bundesrepublik und damit das Jahr der fünften Bundestagswahl wäre, würde ich noch hoffnungsvoller in die Zukunft blicken.Die Bundesregierung wird alle Entscheidungen finanzpolitisch wirksamer Art der nächsten Wochen sorgfältig verfolgen und in der von ihr anzustellenden Synopse aller Entscheidungen und ihrer Folgen dann das tun, wozu sie verpflichtet ist und wofür auch das verfassungsmäßige Instrument gegeben ist.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Hermsdorf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will mich nicht in die allgemeinen Betrachtungen finanzpolitischer Art hinsichtlich Stabilität und Wachstum einmischen und sie verbreitern, sondern nur auf den konkreten Fall zurückkommen, nämlich Inkrafttreten zum 1. 4. oder 1. 6. Ich habe gegenüber den Kollegen von der CDU/CSU nur mit einem Satz eine Bemerkung zu machen. Ich möchte für meine Fraktion erklären, daß wir die Frage der Einhaltung der mittelfristigen Finanzplanung zu einem Prinzip erhoben haben und uns in vielen Entscheidungen mit Ihnen gemeinsam daran gehalten haben. Der Ausdruck, daß wir uns hier lasch verhielten, trifft zumindest für meine Fraktion nicht zu. Das ist so; darüber können Sie sich bei Ihren Kollegen, die die Einzelheiten unserer Abstimmung etwas kennen, informieren.
Zur Sache selbst. Herr Minister, der einzige Punkt, um den wir uns hier streiten, ist die Frage des Unterschieds von zwei Monaten.
Daher können Sie nicht sagen, hier seit die mittelfristige Finanzplanung angeknabbert. Dies bestreite ich; denn dort, wo sie angegriffen ist, sind die Verbesserungen struktureller Art, die in dem Besoldungsneuregelungsgesetz niedergelegt worden sind, dort, wo sie 1970 und 1971 auf uns zukommen, von Ihrer Fraktion sowohl im Innenausschuß als auch im Haushaltsausschuß mit beschlossen worden. Über diese 90 Millionen gibt es hier keinen Streit; um die geht es gar nicht. Es geht um die 134,6 Millionen, die uns diese zwei Monate kosten. Dazu kommen noch — das muß ich allerdings hinzufügen — die Dinge, die sich aus der Erhöhung der Tarifverträge ergeben. Aber das ist wieder keine Sache des Haushaltsausschusses und dieses- Hauses, sondern daß ist generell vorher abgeschlossen worden. Das ist also kein Streitpunkt.
Nun haben wir im Haushaltsausschuß mit der Mehrheit — ich gebe Ihnen zu, Herr Minister, es war eine knappe Mehrheit — als Deckungsvorschlag gesagt, daß wir glauben, dieser Betrag wäre innerhalb der Personaltitel zu finden. Sie sagen, das sei nicht so oder das sei zumindest fraglich. Nach meiner Meinung steht es außer Zweifel, daß Ihr Haus zumindest im Innenausschuß auf die Frage, wie das sei, dies als einen Deckungsvorschlag angesehen hat. Das ist nicht zu bestreiten. Ich gebe zu, daß man das eventuell bezweifeln kann, daß man es aber doch bejahen muß.
Der zweite Punkt. Herr Minister, Sie haben hier einen Sprung gemacht und gesagt, wir wollten sozusagen die Reste mit einbeziehen. Daran ist überhaupt nicht gedacht. Die Reste werden hier nicht einbezogen. Aber ich muß darauf hinweisen, daß wir im Jahre 1967 in personeller Sicht ein Polster von 115,8 Millionen DM hatten und im Jahre 1968 ein Polster von 250,1 Millionen DM hatten. Wenn wir also 1968 bei einer konjunkturellen Lage, die noch nicht so war, wie wir sie jetzt haben, 250 Millionen DM zur Verfügung hatten, muß uns hier geglaubt werden, daß diese 134,6 Millionen DM diesmal drin sind.
Im übrigen, Herr Minister, muß ich Ihnen auch für meine Fraktion noch einmal sagen: wir haben uns in der Arbeit im Haushaltsausschuß hinsichtlich des Volumens an das gehalten, was vorgeschrieben war. Die Erhöhung von 1 Milliarde DM, die jetzt abschließend vorliegt, ist nicht auf die Initiative dieses Hauses, sondern auf die Initiative dieser Regierung zurückzuführen.
Wir schließen insgesamt noch mit 60 Millionen DM besser ab, als vorgesehen war. Ich sehe deshalb diesen Deckungsvorschlag meiner Fraktion als seriös und gangbar an.
Meine Damen und Herren! Es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Wir kommen zur Abstimmung über den Umdruck 595. Es ist namentliche Abstimmung beantragt. Findet diese namentliche Abstimmung ausreichende Unter-
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11898 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 220. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Februar 1969
Präsident von Hasselstützung von 50 Mitgliedern des Hohen Hauses? — Das ist der Fall. Vor der Abstimmung hat der Abgeordnete Wagner das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag der CDU/ CSU-Fraktion hat auch in anderen Bereichen gewisse Auswirkungen. Ich wäre dankbar, wenn Sie bei dieser Gelegenheit mit darüber abstimmten.
Der ,erste Punkt ist: Der Innenausschuß hat von dem Inkrafttretenstermin 1. April 'einige Ausnahmen gemacht, die in Art. XIV Nr. 4 enthalten sind. Wenn der Termin auf den 1. Juni einheitlich festgesetzt wird — so lautet der Antrag der CDU/CSU-Fraktion —, kann diese Nr. 4 entfallen.
Zum zweiten: Wenn der Antrag der CDU/CSU-Fraktion Mehrheit fände, wäre mit der Änderung des Datums auch das Datum in Art. XII und in der Fußnote 3 der Besoldungsgruppe B 9 entsprechend zu ändern. Ich bitte Sie, das, soweit Sie dem Antrag der CDU/CSU zustimmen, gleichzeitig mitzubeschließen.
Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist klar: Im Grunde wird nicht sehr viel geändert, es wird lediglich einiges klargestellt. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben will, muß die blaue Karte nehmen, wer ihn ablehnt, die rote, und wer sich enthält, die weiße. Ich darf bitten, daß die Schriftführer mit der Einsammlung der Stimmen beginnen.Meine Damen und Herren, ist jemand im Saal, der seine Stimme noch nicht abgegeben hat? -Das ist, wie der Sitzungsvorstand feststellt, nicht der Fall. Dann schließe 'ich die Abstimmung.Meine Damen und Herren, ich mache Ihnen zum weiteren Verlauf folgenden Vorschlag. In der Zeit, in der ausgezählt wird, können wir zwei unproblematische Punkte aufrufen und erledigen. Die Auszählung wird ein paar Minuten dauern. Sind Sie damit einverstanden?
Dann rufe ich Punkt 28 der Tagesordnung auf:Beratung des Berichts der Bundesregierung über 'den Stand der Unfallverhütung und das Unfallgeschehen in der -Bundesrepublik für das Jahr 1966 — Drucksache V/3745 —Es ist Überweisung .an den Ausschuß für Sozialpolitik — federführend — und an den Ausschuß für Arbeit — mitberatend — vorgeschlagen. Wird das Wort noch gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Herr Bundesminister Katzer gibt seine Ausführungen zu Protokoll*). Ich darf ihm dafür im Namen dies Hauses danken. — Die Überweisung ist so beschlossen.*) Siehe Anlage 9Ich rufe den heute morgen zusätzlich auf die Tagesordnung gesetzten Punkt auf:Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen über die von der Bundesregierung beschlossene Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs (Nr. 2/68 — Waren der EGKS)— Drucksachen V/3880, V/3904 —Der Bericht des Berichterstatters, des Abgeordneten Dr. Serres, liegt vor. Ich darf zunächst dem Herrn Berichterstatter für den Bericht danken. Wünscht er zusätzlich das Wort? — Das ist nicht der Fall. Eine Aussprache wird nicht gewünscht.Ich darf feststellen, daß das Haus entsprechend dem Vorschlag des Ausschusses beschlossen hat.Die namentliche Abstimmung hat folgendes vorläufiges Ergebnis: Abgegebene Stimmen insgesamt 360 uneingeschränkt stimmberechtigte Abgeordnete und 9 Berliner Abgeordnete. Mit Ja, also für den Antrag haben 171 uneingeschränkt stimmberechtigte und 4 Berliner Abgeordnete gestimmt. Mit Nein haben 185 uneingeschränkt stimmberechtigte und 5 Berliner Abgeordnete gestimmt. 4 Abgeordnete haben sich der Stimme enthalten. Damit ist der Antrag Umdruck 595 abgelehnt.Endgültiges Ergebnis:Abgegebene Stimmen 358 und 9 Berliner Abgeordnete Ja: 170 und 4 Berliner AbgeordneteNein: 184 und 5 Berliner AbgeordneteEnthalten: 4 AbgeordneteJa CDU/CSUDr. AlthammerDr. ArnoldDr. ArtzingerBaier Becker BerendsenDr. BesoldBewerungeBiecheleBlank BlöckerBrand Bremer Brese Brück
Bühler BurgemeisterBurgerDr. ConringDr. CzajaDammvan DeldenDeringerDichgansDiebäckervon EckardtEhnesDr. ElbrächterEnkDr. ErhardErhard ErnestiErpenbeckExner Falke Franke
Dr. Franz FranzenDr. Freiwald Dr. FreyFrielerFritz
Frau GeisendörferGewandt Gierenstein Dr. GiuliniGlüsing
Dr. GötzFrau GriesingerFreiherr vonund zu GuttenbergHaase
Dr. Häfele Härzschel Häussler Dr. HammansHanz
von HasselHauser
Dr. Hauser
Dr. Hesberg HilbertHörnemann
Dr. Hofmann
Frau HolzmeisterHorstmeier HortenDr. Hudak Dr. Huys Frau Jacobi
Dr. Jaeger JostenDr. JungmannFrau KalinkeKatzer
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 220. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Februar 1969 11899
Präsident von HasselDr. KempflerKiepFrau Klee Dr. Klepsch Knobloch Köppler KrampeKrammig Dr. Kraske Dr. Krone KrugFrau Dr. KuchtnerKühn Kuntscher LampersbachLeichtLemmrichDr. Lenz LeukertDr. LöhrDr. LudaLücke
MajonicaDr. Marx MaucherMeisterMickFrau MönikesDr. Müller-HermannMüserNiederaltDr. von Nordenskjöld PetersenFrau Pitz-SavelsbergPortenDr. Prassler Dr. Preiß Prochazka RainerRasnerRaweDr. ReinhardDr. Rinsche Dr. Ritgen Dr. RitzRöhnerRösingRommerskirchenRufRusse
Prinz zu Sayn-WittgensteinHohensteinSchleeDr. Schmid-Burgk SchmidhuberDr. Schmidt SchmückerFrau Schroeder Schröder (Sellstedt) SchulhoffDr. Schulze-VorbergFrau Dr. SchwarzhauptDr. Schwörer Dr. Siemer Dr. SinnStahlbergDr. Stark
Stein
Dr. SteinmetzStillerFrau StommelStooßStormStraußDr. SüsterhennTerieteTobabenDr. Dr. h. c. ToussaintUnertlVarelmann Dr. Freiherr v. Vittinghoff-SchellVogtWagnerDr. WahlWeilandWendelborn Frau Dr. Wex WieningerDr. Wilhelmi WindelenDr. WörnerFrau Dr. Wolf Baron von WrangelDr. Wuermeling ZinkBerliner AbgeordneteBendaFrau Dr. Maxsein Müller Frau PieserSPD EschmannFDPDr. DahlgrünNein CDU/CSUBalkenholBergerFrau EnselingDr. GleissnerDr. Kliesing
MeisOrgaß Picard WeimerSPDAdamsAhrens (Gast)Dr. Arndt
Auge Bading Bäuerle BalsBaltes Barche Dr. BardensBauer
Dr. BayerlDr. Bechert BerkhanBerlin Beuster BiermannBlume Börner Brück
Brünen BuchstallerBüttner BuschfortCollet Cramer DiekmannDröscherEckerlandFrau EilersEsters Felder Feuring Flämig FolgerFranke FrehseeFrau FreyhFritsch
Fritz
Geiger Gertzen GscheidleHaar
Haase HaehserHansing Hauck Hauffe HerbertsHermsdorfHerold Hirsch
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11900 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 220. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Februar 1969
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 220. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Februar 1969 11901
— Und das an einem Freitag! Wie sehr der Gesetzeskomplex den Bundestag in diesem Jahr beschäftigt, ersehen Sie aus dieser Gegebenheit.Ich werde aus meiner vorgesehenen Rede zur dritten Lesung hier nur gewisse Auszüge vortragen. Ich bitte, meine Gesamtdarstellung ergänzend zu Protokoll zu nehmen. *)*) Siehe Anlage 8Ich habe die Aufgabe, für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion zum Ergebnis der Beratungen und zu dem heute zur Verabschiedung anstehenden Zweiten Besoldungsneuregelungsgesetz Stellung zu nehmen.Meine Damen und Herren, es war die Absicht des Bundestages, die von allen drei Bundestagsfraktionen geforderte Vereinheitlichung — sprich: Harmonisierung — der Beamtenbesoldung in Bund, Ländern und Gemeinden in drei Stufen durchzuführen. Diese Absicht des Hohen Hauses konnte leider nicht durchgeführt werden.Die Beratungen des Innenausschusses des Deutschen Bundestages haben unter einigen anderen schwierigen Aspekten gestanden. Die erste Schwierigkeit stellte sich in dem Umstand dar, daß die Bundesregierung für Arbeiter und Angestellte mit Wirkung vom 1. Januar 1969 einen Tarifvertrag abschloß. Dieser brachte im Schnitt eine Lohn- und Gehaltsaufbesserung um 7 %. Für die Beamtenschaft wurde sicherlich offenkundig, daß der hieraus resultierende und von ihnen erhoffte Inkraftsetzungstermin zum 1. Januar 1969 nicht gehalten werden konnte.Ein weiterer erschwerender Aspekt für die Beratungen im Innenausschuß war, daß die Bundesregierung zwar für Arbeiter und Angestellte ihres Bereiches die Sonderzuwendungen auf 40 % festsetzte, daß sie aber das gleiche für die Beamten zu tun nicht gewillt war. Dieses unverständliche Verhalten der Regierung ist in der Tat bei den Betroffenen zu einem Ärgernis geworden.Unter diesen vom Hohen Hause keineswegs gewünschten Randerscheinungen ist auch die im Rahmen dieses Gesetzes vorgesehene Bindung der Landesbeamten in einer Phase beraten worden, in der alle Beratungen von einer empörten und mißtrauisch gewordenen Beamtenschaft verfolgt wurden. Ich will damit sagen, meine Damen und Herren, daß das Klima zwischen Parlament und den von dem Gesetz Betroffenen nicht gerade das beste war. Lassen Sie mich abschließend dazu bemerken — ich sage das ausschließlich, um es noch einmal zu verdeutlichen —: wir waren an dieser Klimaverschlechterung nicht beteiligt.Im Zusammenhang mit der Harmonisierung zwischen Bund und Ländern, die im Rahmen dieses Gesetzes auch den Abbau von Vergünstigungen einzelner Besoldungsgruppen bringt, ist es wichtig, in Erinnerung zu rufen, daß die von niemandem gutgeheißene Beförderungsinflation und unterschiedlichste Bewertung gleicher Tätigkeiten im öffentlichen Dienst die Uneinheitlichkeit des Besoldungsrechtes auf der Ebene des Bundes und der Länder verschärft hat. Diese uneinheitlichen Regelungen des Besoldungsrechtes brachten natürlich auch bestimmte Vorteile, insbesondere für die Vertretungen der Beamtenschaft der bei Bund und Ländern Bediensteten. Setzte der Bund solchen Forderungen Widerstand entgegen, so konnten diese Forderungen bei den Ländern unter Umständen durchgesetzt werden.
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11902 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 220. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Februar 1969
SpilleckeEs ist inzwischen für jeden Kenner der Materie und vor allem auch für die betroffenen Beamten und Versorgungsempfänger eine Binsenwahrheit, daß sich das Besoldungsrecht in den letzten Jahren stark auseinanderentwickelt hat. Bei der notwendigerweise anzustrebenden Harmonisierung war von Anfang an Wert darauf zu legen, daß Bundesrat und Bundestag in voller Übereinstimmung ganz bestimmte Ziele anstrebten. Damit soll auch deutlich gemacht werden, daß, soweit Interessen der Landesbeamten wahrzunehmen sind, die Bundesländer durch den Bundesrat bei der Vorbereitung des Gesetzes ihre Stellungnahme abgeben und den Bundesländern dabei auch ganz bestimmte Prioritäten eingeräumt wurden.Die Bundestagsfraktion der SPD hält es zudem auch für legitim, daß die Beamtenorganisationen, die bei der Vorbereitung des Gesetzes nicht voll zum Zuge kamen oder die sich gegenüber ihren Bundesländern nicht durchsetzen konnten, ihr Anliegen den Bundestagsfraktionen noch einmal vortrugen oder sich bei einzelnen Abgeordneten Gehör verschafften. Wogegen sich meine Fraktion verwahren möchte, sind die öffentlichen Behauptungen, daß der Innenausschuß oder das Parlament insgesamt Schuld daran trage, wenn nicht alle Wünsche erfüllt würden.Meine Damen und Herren, der Entwurf der Bundesregierung zum Zweiten Besoldungsneuregelungsgesetz ist im Rahmen der Möglichkeiten in mancher Beziehung verbessert worden. Änderungswünsche bei den Beratungen im Innenausschuß mußten sich im Rahmen des finanziell Durchsetzbaren halten. Deshalb war es notwendig, die Wunschliste nach Prioritäten zu ordnen. Die SPD-Bundestagsfraktion setzte sich insbesondere für ein Vorziehen des Inkrafttretens dieses Gesetzes ein, und zwar, wie wir ja in zweiter Lesung durch namentliche Abstimmung entschieden haben, vom 1. Juni 1969 auf den 1. April 1969. Der Innenausschuß und der Haushaltsausschuß haben mit Mehrheit diesem Vorschlag zugestimmt.Wegen der ungenügenden Gesamtbezüge der Beamten des einfachen Dienstes haben wir uns für eine spürbare Verbesserung des Entwurfs in dieser Beziehung eingesetzt. Für die Beamten des einfachen Dienstes sind eine Erhöhung der Grundgehälter und die Anhebung der Amtszulage von 20 DM auf 25 DM im Vergleich zum Regierungsentwurf erreicht worden. Die Gesamtverbesserung muß man jedoch erkennen in der Kombination zwischen der Verbesserung der Grundgehälter, der Verbesserung der Ortszuschläge und der Verbesserung der Zulagen.Wenn der Innenausschuß im Hinblick auf den Regierungsentwurf, der ja letztlich auch in vollem Umfange die Zustimmung des Bundesrates hatte, in Relation zum Regierungsentwurf einige maßvolle Korrekturen, nicht zuletzt auch zugunsten der Landesbeamten vornahm, so waren wir immer davon überzeugt, daß diese vorgenommenen Korrekturen von den Bundesländern noch toleriert werden würden.Dem Bundesgesetzgeber stellten sich im Verlaufe der Beratungen Fragen besonderer Art.Erstens die Frage des Besoldungsrückstandes. Mein Kollege Schmitt-Vockenhausen hat in diesem Zusammenhang in der zweiten Lesung den Herrn Parlamentarischen Staatssekretär Köppler zitiert. Aus den Ausführungen des Staatssekretärs Köppler während der Fragestunde im Bundestag ist ganz eindeutig zu entnehmen, daß ein Besoldungsrückstand in der Welt ist.Zweitens stellte sich für das Parlament die Frage, ob neben diesem allgemeinen Besoldungsrückstand im Hinblick auf die geringen Bezüge der Beamten des einfachen Dienstes besondere Maßnahmen notwendig sind.Drittens stellte sich die Frage, ob die Ruhestandsbeamten an besseren Beförderungsmöglichkeiten teilnehmen können. Auch der Regierungsentwurf hat hier eine große Problematik gesehen und im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten eine Antwort darauf gegeben. Der dem Parlament durch die mittelfristige Finanzplanung gesetzte Rahmen, das danach zur Verfügung stehende Volumen wurde entsprechend ausgeschöpft. Im Bericht des Innenausschusses wird deutlich, daß die Versorgungsempfänger an den jährlichen Mehraufwendungen auf Grund des vorliegenden Gesetzes mit insgesamt 44 % beteiligt sind, während ihr Anteil an dem gesamten Besoldungs- und Versorgungsaufwand des Bundes nur 41 % beträgt. Wenn man diese beiden Zahlen vergleicht, wird deutlich, daß hier im Rahmen des Möglichen alles ausgeschöpft wurde.Im Hinblick auf die Verbesserungsvorschläge der Bundesregierung zur Einstufung der Unteroffiziere der Bundeswehr, hier Höherstufungen und Zulagen, ist der Ausschuß den Vorschlägen gefolgt. Ebenso folgte er den hierauf abgestellten Regelungen für die Unterführer im Vollzugsdienst des Bundesgrenzschutzes.Meine Damen und Herren, nach Abschluß der Beratungen sowohl im Innenausschuß wie im Haushaltsausschuß wie auch in der zweiten Lesung dieses Hohen Hauses heute erhebt sich die Frage, ob denn das Ergebnis, das durch die Beratungen in den Ausschüssen gezeitigt werden konnte, befriedigend ist. Wenn man diese Frage von .den Erwartungen her zu beantworten hat, die an dieses Gesetz geknüpft worden sind, und das Ergebnis an diesen Erwartungen mißt, müßte man ,die Frage sicherlich mit Nein beantworten. An den finanziellen Möglichkeiten gemessen und auch unter Berücksichtigung der vorgenommenen Veränderungen, die noch mit den Ländern abgesprochen werden konnten, ist das erzielte Ergebnis sicherlich ein guter Kompromiß. Wenn auch nicht alle Vorschläge zur zweiten Stufe der Besoldungsneuregelung verwirklicht werden konnten, so wissen wir dennoch, daß die Beschlüsse des Innenausschusses zu einer anerkennenswerten Verbesserung der Regierungsvorlage geführt haben.Es ist gar keine Frage, daß bei weiteren Besoldungsänderungsgesetzen die nicht gelösten Probleme und auch die zurückgestellten Fragen erneut diskutiert werden müssen, z. B. die Lösung des
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 220. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Februar 1969 11903
SpilleckeProblems der Angleichung der Bezüge der Ruhestandsbeamten in vollem Umfang, die bessere Dotierung und damit wirtschaftliche Besserstellung des einfachen Dienstes, was auch in den mittleren Dienst hineinreicht, ,der große Komplex der Ämterbewertung, die Stellenrelation innerhalb des Gefüges.
Herr Kollege, darf ich Sie kurz daran erinnern, daß Sie uns unter allgemeiner Zustimmung andeuteten, Sie würden nur die wesentlichsten Punkte vortragen und den anderen Teil zu Protokoll geben.
Ich bin in einer schwierigen Geschäftslage.
Herr Präsident, wenn man den Umfang der Äußerungen, die ich vorhatte, in Relation zu dem wenigen stellt,
was ich vortrage, ist mein Versprechen immer noch in der Welt. Ich will aber Ihrer Bitte und Ihrem Hinweis, den Sie sicherlich der liebenwürdigen Physiognomie der Mitglieder dieses Hohen Hauses entnommen haben, dennoch gerecht werden und mich noch kürzer fassen, als es meine Absicht war.
Meine Damen und Herren, uns scheint eine Koordinierung zwischen der Tarifpolitik ,der Bundesregierung für Arbeiter und Angestellte und der Besoldungspolitik für Beamte notwendig, um Spannungen zu vermeiden. Eigentlich — das wäre der Idealfall — müßte Vorsorge dafür getroffen werden, daß der Gesetzgeber seine Vorentscheidungen so rechtzeitig treffen kann, daß Finanz- und Haushaltsplanung entsprechende Folgerungen für die Besoldungspolitik der Beamten ziehen können.
Ich empfehle diesem Hohen Hause seitens der SPD-Bundestagsfraktion, dem Gesetzentwurf in dritter Lesung zuzustimmen und damit unverändert das Ergebnis zu billigen, das der Innenausschuß und der Haushaltsausschuß erzielt haben.
Verehrter Herr Präsident, ich hoffe, Ihrem Hinweis gerecht geworden zu sein, wenn ich jetzt meine Ausführungen abschließe.
Das Wort hat der Abgeordnete Miessner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die FDP-Fraktion sieht davon ab, ihre in zweiter Lesung gestellten Anträge in der dritten Lesung zu wiederholen, weil die Regierungsparteien offenbar doch nicht gewillt sind, noch irgendwelchen Anträgen im Plenum zuzustimmen.Die FDP-Fraktion hält es aber für notwendig, nochmals ihre grundsätzliche Auffassung zu den wesentlichsten Punkten dieses Gesetzes darzulegen. Die große beamtenpolitische Bedeutung liegt ja auf der Hand. Zum erstenmal wird heute ein Beamtengesetz verabschiedet, das unmittelbar und weitreichend in die Besoldungsverhältnisse aller Staatsdiener eingreift, mögen sie nun dem Bund, den Ländern oder den Gemeinden als Dienstherren unterstehen. Es ist daher auch nur allzu verständlich und aus demokratischer Sicht auch durchaus zu begrüßen, wenn das Interesse an der Gestaltung dieses Gesetzes in allen Lagern des öffentlichen Dienstes diesmal besonders groß war. Man sollte die Betreffenden daher auch nicht schelten, wie das hier bei einigen Rednern zur zweiten Lesung durchklang, wenn hier und da — etwa bei den Lehrern, bei den Steuerbeamten, bei den Richtern, bei den Berufssoldaten oder auch allgemein bei den Pensionären — in den letzten Wochen die Kritik an den geplanten Maßnahmen etwas massiver wurde. Immerhin ist keine Gewalt angewendet worden, wie es leider in anderen Bereichen üblich geworden ist. Insoweit haben sich die Beamten bei allen Protestaktionen der letzten Wochen an die verfassungsmäßig gezogenen Grenzen gehalten. Dies gewissermaßen als Vorbemerkung.Nun vier grundsätzliche Punkte zum materiellen Inhalt.Erstens: Über diesem Gesetz steht als Motto der Gedanke der Harmonisierung. Die FDP begrüßt durchaus diese Tendenz, nur sollte Harmonisierung nicht mit öder Gleichmacherei verwechselt werden. Das aber geschieht, wenn die Zahl der Beförderungsämter in feste Obergrenzen eingezwängt wird. Am eindrucksvollsten war bei Behandlung dieser Frage im Ausschuß der Hinweis des Vertreters der Finanzverwaltung des größten Bundeslandes. Der Vertreter aus Düsseldorf erklärte mit aller Deutlichkeit, daß nun einmal in einem industriellen Ballungsgebiet mehr qualifizierte Steuerbeamte erforderlich seien als in Gebieten mit ländlicher Struktur. Die FDP hat daher sowohl im Ausschuß als auch heute den Antrag gestellt, die Steuerbeamten in gleicher Weise wie die Gemeindebeamten von diesen starren Obergrenzen auszunehmen.Das Problem wäre aber auch auf andere Weise lösbar gewesen. Unser Antrag, die festen Obergrenzen bei den Stellenplänen durch beweglichere Stellenrahmen zu ersetzen, wie das von mir im Innenausschuß beantragt wurde, wurde leider bereits im Ausschuß abgelehnt. Aber gerade hierin hätte eine entscheidende Verbesserung der Regierungsvorlage liegen können. Es wäre dann nämlich möglich gewesen, die Stellenpläne den individuellen Notwendigkeiten wirklich harmonisch anzupassen.Was jetzt hier an Bindung für einen Teil der Landesbeamten vorgesehen ist, wird ganz schlicht und einfach bei der Mehrzahl der Länder, vor allem aber im größten Bundesland Nordrhein-Westfalen, praktisch nicht durchführbar sein. Ein Gesetz aber, das schon im Augenblick seiner Verabschiedung in einem so wesentlichen Punkt den Stempel der Undurchführbarkeit trägt, kann kein gutes Gesetz sein.Zweitens: Ein weiterer sehr grundsätzlicher Mangel dieses sogenannten Harmonisierungsgesetzes ist die Disharmonie gegenüber den Pensionären, die eben auch von meinem Vorredner angesprochen
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11904 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 220. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Februar 1969
Dr. Miessnerwurde. Jedermann weiß — und der Bundesfinanzhof hat es expressis verbis auch ausgesprochen. —, daß die haushaltsrechtlichen Stellenhebungen der letzten Jahre „versteckte Besoldungserhöhungen" für die aktiven Beamten waren, von denen die bereits pensionierten Beamten bei unserem gegenwärtigen Besoldungssystem ausgeschlossen sind. Die Fälle, in denen zwei oder drei vom gleichen Dienstposten kommende Ruhestandsbeamte Pensionen aus verschiedenen Besoldungsgruppen erhalten, werden immer häufiger. Für die älteren Pensionäre bedeutet das nicht nur eine empfindliche finanzielle Einbuße, sondern genaugenommen eine glatte Kürzung ihrer Pension auf kaltem Wege.Das Problem ist ja auch längst bekannt und bereits bei der Verabschiedung der Letzten Besoldungsnovelle vor einem dreiviertel Jahr in Form einer Entschließung des Bundestages angesprochen worden. Wir sind sehr enttäuscht darüber, daß die Regierungsvorlage auch nicht den geringsten Versuch machte, dieses offenkundige Mißverhältnis durch eine wenn auch noch so kleine Stellenplananpassungszulage, wie sie von mir im Ausschuß — leider ohne Erfolg — beantragt wurde, auszugleichen. Eine nochmalige Vertröstung in Form einer Entschließung ist das einzige, wozu sich die Regierungsparteien lauf unseren Antrag hin schließlich bereit fanden. So haben wir wenigstens erreicht, daß das Problem für die Zukunft weiter deutlich sichtbar bleibt. Dennoch ist dies ,ein sehr kritischer Punkt dieses Besoldungsgesetzes, den man auch politisch nicht unterschätzen soll. Gerade weil sich nämlich die Pensionäre, die alten Menschen also, gegen Ungerechtigkeiten nicht mehr so recht wehren können, sollte man über offensichtliche Benachteiligungen eines solchen Personenkreises nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.Gewiß soll nicht verkannt werden, daß dieses Gesetz auch spezielle Verbesserungen für die Pensionäre enthält. Jedoch bleibt diese hier dargelegte und längst bekannte grobe Benachteiligung auch bei dieser Harmonisierungsstufe leider weiterhin bestehen. Das läßt sich nicht mit einer kurzen Handbewegung abtun.Drittens: Auf Antrag der FDP hat der Innenausschuß beschlossen, daß bei den Grundämtern der Studiendirektor in der Besoldungsgruppe A 15 aufgeführt wird. Das soll ausdrücklich .anerkannt werden. — Leider sind weder der Ausschuß noch das Plenum in zweiter Lesung unseren weiteren Anträgen für die Philologen gefolgt, was nicht gerade dazu beiträgt, den besonderen Mangel von Lehrern an den höheren Schulen zu beheben. Auch unsere Verbesserungsvorschläge für die Unteroffiziere, Richter, Techniker und Polizeibeamten wurden von den Regierungsparteien abgelehnt.Was wir aber als besonders gravierend empfinden, ist die heute in zweiter Lesung beschlossene Bindung der Volksschullehrer an die Besoldungsgruppe A 11. Immer wieder gelang es uns im letzten Jahrzehnt gemeinsam mit der damals in Opposition stehenden SPD, die Bestrebungen der Bundesregierung, Volks- und Realschullehrer in das Besoldungskorsett der übrigen Beamten zu zwängen, abzuwehren. Wir wissen alle, daß die schulpolitische Entwicklung auf dem Sektor der Volks- und Mittelschulen in vollem Gange ist, und wir wünschen dort auch Reformen. Der neue Typ des Volksschullehrers ist erst im Werden. Da hieße es wahrlich, die Entwicklung grob zu hemmen, wollte man jetzt den Lehrer fest an eine bestimmte Besoldungsgruppe binden. Wir bedauern eine solche Entwicklung sehr und können vor allem die Gründe für die Änderung der Haltung der SPD nicht verstehen. Dieser Sinneswandel einer großen Partei kommt uns wirklich sehr überraschend.
— Das mag sein, Herr Schmitt-Vockenhausen. Es ist noch einmal so eine Art Schonfrist hier im Gesetz eingeführt. Na ja, wir werden spätestens in zwei Jahren sehen, ob Sie dann die Mausefalle zufallen lassen oder ob Sie tatsächlich der Entwicklung Rechnung tragen wollen.
Ich möchte aber sagen, man hätte, besonders wenn man diese Absicht hat, eigentlich doch besser daran getan, heute eine solche Mausefalle gar nicht erst aufzustellen.
Aber wie dem auch sei, dies läßt sich mit Sicherheit voraussagen: So, wie diese Bindungen hier heute beschlossen sind, werden sie bestimmt nicht durchgeführt werden. Die tatsächliche Entwicklung — und das ist, möchte ich sagen, noch das Erfreuliche dabei — wird ganz zweifellos darüber hinweggehen, wie sie ja auch schon jetzt in einigen Ländern darüber hinweggegangen ist. Zurückdrehen läßt sich diese Entwicklung nicht mehr. Aber dies ist leider ein weiterer Punkt des Gesetzes, von dem man mithin schon im Augenblick seiner Verabschiedung weiß, daß er nicht durchführbar sein wird. Hier liegt also ein schlechter Stil 'von Gesetzgebung vor. Daß wesentliche Punkte der geplanten Maßnahmen eben praktisch nicht durchführbar sein werden, meine Damen und Herren, mag für die betroffenen Beamtengruppen, also vielleicht insbesondere für die Lehrer, zwar ein Trost sein, macht das Gesetz aber doch deshalb wahrlich nicht attraktiver.Viertens: Schließlich kann nicht unerwähnt bleiben, daß das Gesetz auch mit dem um zwei Monate vorgezogenen Termin des Inkrafttretens, was wir übrigens durch unseren stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden, Kollegen Dorn, bereits in der ersten Lesung gefordert hatten, die Beamtenschaft gegenüber der zu erwartenden allgemeinen Einkommensentwicklung weiter zurückfallen läßt. Auch das ist ein wenig erfreuliches Ergebnis, war es doch das erklärte Ziel des damaligen Bundeskanzlers Erhard, den zu Ende der 4. Wahlperiode im Jahre 1965 bestehenden Rückstand von 12 % in der 5. Wahlperiode, also bis zum Jahre 1969, ganz oder wenigstens zum Teil abzubauen. Leider muß man heute
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Dr. Miessnerfeststellen, daß der Besoldungsrückstand nicht nur nicht abgebaut, sondern sogar eher größer geworden ist.Meine Damen und Herren, es hat mich eigentlich sehr betrübt, ,daß der Herr Bundesfinanzminister bei seinem Auftreten heute diese Dinge überhaupt nicht sachlich angesprochen hat, sondern dabei auf die Kriegsopfer und Probleme der Ausbildungsförderung zu sprechen kam. Man fragt sich, was das eigentlich mit diesem Berufsstand zu tun hat. Die Beamten leisten ihre Arbeit für die Allgemeinheit und müssen dafür bezahlt werden. Es ist kein Grund ersichtlich, wieso man gerade dieser Berufsgruppe zumutet, ständig hinter der allgemeinen Entwicklung hinterherzuhinken. Meines Erachtens gehören die Kriegsopfer im Haushalt ohnehin an die erste Stelle. Das hat aber überhaupt nichts mit dem Problem der gerechten Behandlung der Beamtenschaft zu tun. Das muß hier einmal mit aller Deutlichkeit gesagt werden. Es wäre wahrscheinlich für die Regierung auch besser — ich möchte sogar sagen: es wäre auch sogar fiskalisch günstiger —, wenn sie selbst bemüht wäre, es gar nicht erst zu solchen Rückständen kommen zu lassen, die nachher möglicherweise zur Unzeit abgebaut werden müssen, und dann allerdings andere Ausgaben nach sich ziehen können. Ebenso abwegig ist es auch, jetzt bei den Beamten mit dem Hinweis auf Wahlgeschenke zu operieren, während jeder weiß, daß es sich im Grunde nur um selbstverständliche und überfällige Verbesserungen handelt, die man diesem Berufsstand zugestehen muß.Nun ist es seit Bestehen des Bundestags das erstemal, daß eine Fraktion ein Besoldungsgesetz, das natürlich für die Betroffenen auch Verbesserungen enthält, im ganzen ablehnt. Aber irgendwo hat ja alles seine Grenzen. Gewiß wünschen auch wir, daß die Beamten möglichst bald die vorgesehenen erhöhten Bezüge bekommen; aber der Preis ist hier 'einfach zu hoch. Die FDP kann und will sich hinsichtlich der 'dargelegten besoldungspolitischen Fehlentwicklungen nicht mitschuldig machen. Sie wird daher das Gesetz in der Schlußabstimmung ablehnen.
Das Wort wird aus dem Hause nicht weiter gewünscht. Das Wort hat Herr Bundesminister Benda.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin mir durchaus der Problematik von Ausführungen auch von meiner Seite zu dieser Stunde und nach einer so langen und intensiven Debatte 'bewußt. Aber ich glaube, daß es notwendig ist, auch aus der Sicht der Bundesregierung ein abschließendes Wort zu den Beratungen zu sagen, die ja nicht zufällig so lange gedauert haben und von einer solchen Intensität waren. Wie Herr Kollege Miessner zu den einzelnen Punkten eben noch einmal dargelegt hat, ist eine Reihe von Punkten zwischen Regierungsfraktionen und Opposition auch kontrovers geblieben. Von daher ergibt sich die Notwendigkeit zu einer abschließenden Würdigung. Zugleich ist es nach meiner Meinung notwendig, bei dieser Gelegenheit dem Betrachter zu sagen, daß das Bild der Kontroverse urn eine Fülle von einzelnen Punkten, die in ihrer Problematik und Bedeutung wahrscheinlich nur einem Kreis von Spezialisten zugänglich sind, nicht darüber hinwegtäuschen soll — jedenfalls ist das meine Meinung —, daß das, was insbesondere als Ergebnis der Beratungen des Innenausschusses vorliegt, insgesamt eine in sich geschlossene und wohlabgewogene Konzeption ist. Dies 'scheint mir bei der Beurteilung das Entscheidende zu sein. Das schafft ein Spannungsverhältnis zwischen den verständlichen Wünschen einzelner Gruppen, von denen heute sehr viel geredet worden 'ist, und der Notwendigkeit, ein geschlossenes Konzept herzustellen. Dies ist wahrscheinlich — wenn ich das so ganz pauschal der Kürze halber sagen darf — eine noch wesentlichere Erklärung für die von mir begrüßte Ablehnung der Abänderungsanträge insbesondere der Fraktion der FDP als die Stellungnahme zu den Einzelpunkten und die Erörterung, aus welchen Gründen die speziellen Begehren der einen oder anderen Gruppe nicht oder nicht zu diesem Zeitpunkt zu einem Erfolg führen können.Ich möchte also aus meiner Sicht sagen: Das Ergebnis dieser Beratung ist sehr positiv zu beurteilen. Ich glaube, daß der Innenausschuß den Regierungsentwurf in einzelnen Punkten in dankenswerter Weise verändert hat. Ich glaube ferner, daß wir weitgehend, fast in allen Punkten übereinstimmend, von Verbesserung reden können und insgesamt nunmehr eine solide Grundlage bekommen haben. Das ist der Sinn dieser Harmonisierungsbestrebungen, die hier und in der notwendigen Änderung des Art. 75 des Grundgesetzes ihren Ausdruck finden, nämlich eine solide Grundlage an die Stelle eines permanenten Wettlaufs um Besoldungsverbesserungen zwischen Bund und Ländern und in den einzelnen Ländern eine gemeinsame Ordnung zu setzen. Zugleich haben wir die Voraussetzung dafür geschaffen, daß die Arbeiten zu einer Konkretisierung und Verfeinerung der Ämterbewertung gemeinsam mit den Ländern weiter betrieben werden können, und das sollten sie auch.Meine Damen und Herren! Ich vertrete nicht die Auffassung, daß unsere Bemühungen um ein modernes und fortschrittliches Besoldungssystem im öffentlichen Dienst mit diesem Gesetz etwa abgeschlossen wären. Sie beginnen jetzt wahrscheinlich erst richtig. Aber wir haben eine Grundlage dafür geschaffen. Dies ist das Wesentlichste. Hierfür kann man dankbar sein.Ich muß mich aber zu einem Sachpunkt, der auch in der Öffentlichkeit zu einer, glaube ich, weithin irrigen Einschätzung des Ergebnisses geführt hat, noch einen Augenblick äußern. Ich meine den Vorwurf der mangelnden Sozialgerechtigkeit, der gegenüber dem Entwurf von dem nun zur endgültigen Verabschiedung anstehenden Gesetz erhoben und im wesentlichen mit dem Hinweis auf die Verbesserung im Bereich der Besoldungsordnung B begründet wird. Dieser Punkt ist deswegen von Bedeutung, weil der Vorwurf mangelnder Sozialgerechtigkeit, wäre er berechtigt, sehr schwer wiegen und weil er grundsätzliche Einwendungen gegen den Gesetz-
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11906 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 220. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Februar 1969
Bundesminister Bendaentwurf rechtfertigen würde. Ich glaube aber, daß dieser Vorwurf nicht unbegründet ist. Sie, Herr Kollege Wagner, haben sich dazu schon in einer Weise geäußert, der ich vollkommen zustimmen kann. Aber ich möchte es ganz kurz in einigen Punkten noch einmal zusammenfassend darstellen.Schon der Regierungsentwurf und ihm folgend, ja noch verbessernd, der Innenausschuß haben durchaus auch gerade in den unteren Gruppen der Besoldungsordnung A, also für die Gehaltsgruppen der kleinen Leute unter den Beamten, Verbesserungen vorgeschlagen, die über den allgemeinen Richtsatz — auch Sie, Herr Kollege Wagner, haben ihn genannt, er liegt etwa bei 5,6 %, 5,8 %; das ist immer eine etwas problematische Frage des Rechnens, und ich möchte diese Zahl nicht ungeprüft übernehmen, aber irgendwo in dieser Gegend wird sie liegen — durchaus hinausgehen. Ich könnte eine lange Liste von solchen Gruppen nehmen, aber ich greife nur zwei oder drei Beispiele beinahe zufällig heraus.Ich möchte zunächst gerade aus dem Bereich der Postschaffner — besonders in diesem Bereich hat es viele Klagen darüber gegeben, was unbefriedigend geblieben sei — ein Beispiel bringen. In der GruppeA 2 plus Zulage bekommt ein achtzehnjähriger Postbeamter der Dienstaltersstufe 1 in der Tarifklasse des Ortszuschlages A durch die Erhöhung der gesamten Dienstbezüge, so wie sie vorgesehen sind, eine Gehaltsverbesserung von 11,8 % oder, wenn er der Ortsklasse S zugehört, immer noch eine Erhöhung von 9 %. Ich finde, das sind Zahlen, die sich sehen lassen können und die den Durchschnitt der Verbesserungen aller Gruppen — wobei ich selbstverständlich A und B zusammennehme — bei weitem überschreiten. In einem vergleichbaren, ähnlichen unteren Bereich, bei den Bundesbahnschaffnern und Betriebsaufsehern, bekommt ein Beamter der Gehaltsklasse A 2 plus Zulage — 31 Jahre, Dienstaltersstufe 6 — in der Tarifklasse des Ortszuschlages A eine Erhöhung von 8 %; in der Tarifklasse des Ortszuschlages S allerdings liegt sie in der Gegend des allgemeinen Schnittes. Wenn manA 4 nimmt, sind es bei 39 Jahren in der Endstufe wieder 9,4 % in der Tarifklasse des Ortszuschlages A und immer noch 7,5 % in der Tarifklasse des Ortszuschlages S. Ich könnte einen langen Katalog derartiger Beispiele vortragen, will Sie damit aber weder langweilen noch aufhalten. Ich meine allerdings, es muß einmal gesagt werden, daß das Bemühen von Regierung und Ausschuß sehr deutlich geworden ist, gerade auch in den Klassen derjenigen Gruppen, die geringe Einkommen haben, fühlbare Verbesserungen vorzunehmen.Ein letzter Zahlenvergleich dazu. Ich habe mein Haus gebeten, einmal eine vergleichende Berechnung darüber anzustellen, wie sich in den Jahren seit 1957 bis zum heutigen Tage — wobei wir von der Verabschiedung des Gesetzes, so wie es uns nunmehr vorliegt, ausgehen — die Gehälter einerseits im Bereich der Besoldungsordnung A und andererseits im Bereich der Besoldungsordnung B entwickelt haben. Dabei ergibt sich, daß sich in dieser Zeit, also von 1957 bis zum heutigen Tage, bis zumGesetz, das heute zur Verabschiedung ansteht, die Bezüge bei den Ämtern der Besoldungsgruppe A um 85 bis 95 %, bei den Ämtern der Besoldungsgruppe B um 55 bis 70 % erhöht haben. Für mein Empfinden zeigt sich darin die soziale Tendenz der seit 1957 vorgenommenen Besoldungsänderungen mit ganz besonderer Deutlichkeit. Ich füge hinzu, daß dies selbstverständlich Bruttogehälter sind, die unserer Betrachtung zugrunde liegen, so daß die Wirkung der Steuerprogression, die natürlich auch einen sozialen Effekt hat, überhaupt noch nicht berücksichtigt ist.Meine Damen und Herren, insgesamt können wir wohl feststellen, daß die Beratungen des Parlaments zu einem guten, in sich ausgewogenen Ergebnis geführt haben. Ich möchte auch von mir aus allen an dieser Arbeit Beteiligten, insbesondere den Kollegen des Innenausschusses, meinen Dank für diese Arbeit aussprechen.
Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister.Meine Damen und Herren, wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz mit den soeben beschlossenen Änderungen zustimmt, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Gegen einzelne Stimmen der Fraktion der Freien Demokratischen Partei ist das Gesetz in der Schlußabstimmung angenommen.Wir kommen dann zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses. Über Ziffer III Nr. 4 soll getrennt abgestimmt werden. Ich lasse zunächst über den Antrag zu I, II und III Nrn. 1 bis 3 und 5 abstimmen. Wer ,dem Antrag ,des Ausschusses in dieser Form zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen.Ich lasse jetzt über den Antrag zu III Nr. 4 abstimmen. Wer zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ebenfalls angenommen. Damit ist das Gesetz in dritter Lesung verabschiedet.Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:a) Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Familien- und Jugendfragen über den Antrag der Fraktionen ,der CDU/CSU, SPD zur Großen Anfrage der Abgeordneten Kühn (Hildesheim), Stingl, Frau Schroeder (Detmold), Dr. Jungmann, Adorno und der Fraktion der CDU/CSUbetr. Situation der Kinder in der Bundesrepublik Deutschland— Umdruck 351, Drucksache V/3832 — Berichterstatter: Abgeordneter Kubitzab) Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Familien- und Jugendfragen über den Antrag der Fraktion der FDP zur Großen Anfrage der Abgeordneten Kühn (Hildesheim), Stingl, Frau Schroe-
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 220. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Februar 1969 11907
Präsident von Hasselder , Dr. Jungmann, Adorno und der Fraktion der CDU/CSUbetr. Situation der Kinder in der Bundesrepublik Deutschland— Umdruck 352, Drucksache V/3833 —Berichterstatterin: Abgeordnete Frau SchimschokIch danke den Berichterstattern für die Vorlage der Berichte.Zur Ergänzung hat .die Berichterstatterin Frau Schimschok das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Schriftliche Bericht des Ausschusses für Familie und Jugend — Drucksache V/3833 — betr. behindertes Kind liegt dem Hohen Hause vor. Ich beabsichtige nicht, eine große Rede zu halten, da in dem Bericht wie in dem Antrag das Wesentliche zum Ausdruck kommt. Es ist mir aber ein Bedürfnis, in Anbetracht der schwierigen Situation der behinderten Kinder diesen Bericht nicht, ohne die besondere Aufmerksamkeit des Hohen Hauses auf ihn gelenkt zu haben, das Plenum passieren zu lassen.
Artikel 2 des Grundgesetzes lautet: „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit ..." Wenn dieser Artikel schon im allgemeinen nicht immer realisiert wird, so gilt dies im besonderen für die Gruppe der Behinderten. Schätzungsweise haben wir in der Bundesrepublik 1 344 000 behinderte Kinder und Jugendliche im Alter bis zu 21 Jahren. Ist es nicht traurig, daß für diesen Personenkreis nicht genug Tagesstätten, Sonderschulen, beschützende Werkstätten etc. vorhanden sind? Fast alle Einrichtungen für behinderte Kinder sind überfüllt. Erschreckend viele Eltern warten darauf, daß ihre Kinder in einer dieser Einrichtungen Aufnahme finden, um gefördert werden zu können. Wie jedes Kind ohne Behinderung eine Bildungsstätte besucht, so sollte :es auch selbstverständlich sein, daß jedes behinderte Kind die Chance hat, seine Kräfte im Bereich des Möglichen entfalten zu können. Was erfoderlich und möglich ist, sollte für diese Kinder geschehen.
Die Behinderten wollen kein Mitleid; damit ist ihnen nicht geholfen. Sie wollen sich in der Gesellschaft, in der sie häufig ein Außenseiterdasein führen, anpassen können, und um sich anpassen zu können, brauchen sie wie jeder Mensch Bildung und Ausbildung.
Dankenswert und nicht hoch genug zu schätzen ist die Bereitschaft vieler Bürger in der Bundesrepublik, den behinderten Kindern zu helfen. Ist es nicht beschämend, daß es vielfach an finanziellen Voraussetzungen fehlt, um Initiativen auf diesem Gebiet wirksam werden zu lassen? Das Beste, was wir den Behinderten geben können, ist Hilfe zur Selbsthilfe, wodurch sie an Sicherheit gewinnen und Lebensangst bei ihnen und Resignation und Verzweiflung bei den Eltern abgebaut werden. Auch der Behinderte ist, wie jeder Mensch ein einmaliges Wesen und hat wie jeder Mensch ein Recht auf ein möglichst erfülltes Dasein.
Im Oktober vorigen Jahres hatte ich Gelegenheit, an einer Konferenz der deutschen Vereinigung für die Rehabilitation Behinderter in Hannover teilzunehmen. Ich war beeindruckt von dem Idealismus der Menschen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, den Behinderten beizustehen. Noch stärker beeindruckt war ich von der selbstverständlichen Hilfsbereitschaft der Behinderten untereinander. Ein Referent sagte dort: „Die Behinderten fangen an, sich zu emanzipieren". — Meine Damen und Herren, sollte es da nicht unsere Pflicht sein, diesen Emanzipationsprozeß von uns aus nach besten Kräften zu fördern, und zwar im Interesse des Behinderten und der Gesellschaft, aus menschlichen wie auch aus volkswirtschaftlichen Gründen?
Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, den Antrag des Ausschusses für Familie und Jugend mit den darin gemachten Vorschlägen zu unterstützen. Es wird Zeit, allerhöchste Zeit, daß den behinderten Kindern endlich die Hilfe gewährt wird, auf die sie laut Grundgesetz einen Rechtsanspruch haben.
Ich danke der Frau Berichterstatterin.
Es wird vorgeschlagen, den Antrag des Ausschusses anzunehmen. Wird dem widersprochen? — Das ist nicht der Fall; dann ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Entwicklungshelfer-Gesetzes
— Drucksache V/2696 —
a) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache V/3784 — Berichterstatter: Abgeordneter Krampe
b) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für
Entwicklungshilfe
— Drucksachen. V/3783, zu V/3783 —
Berichterstatter:
Abgeordneter Freiherr von Gemmingen Abgeordnete Frau Dr. Wolf
Ich danke zunächst für den Schriftlichen Bericht. Die Berichterstatterin hat zusätzlich zu einer mündlichen Ergänzung um das Wort gebeten. Anschließend hat der zuständige Minister das Wort.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte einige redaktionelle Anmerkungen machen.In Drucksache V/3783 muß beim Namen des Gesetzes in Klammern „EhfG" — EntwicklungshelferGesetz — hinzugefügt werden.In § 6 Abs. 1 muß daß Wort „und" gestrichen und durch das Wort „oder" ersetzt werden.
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11908 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 220. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Februar 1969
Frau Dr. WolfIn § 18 Nr. 5 muß die Formulierung lauten:5. § 765 Abs. 1 erhält eingangs folgende Fassung:...Der folgende Text bleibt unverändert bis: 1. durch Satzung,Danach wird hinzugefügt:Die bisherigen Nummern 1 bis 3 werden Nummern 2 bis 4.
Sie haben die Ergänzung gehört. Ich eröffne die Aussprache in zweiter Beratung. Das Wort wird nicht gewünscht.
Ich komme zur Abstimmung in zweiter Beratung. Wer dem Gesetzentwurf in der Ausschußfassung mit den eben erwähnten Korrekturen im Ganzen zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.
Ich eröffne die
dritte Beratung.
Ich erteile in der dritten Beratung der Frau Abgeordneten Freyh, danach Frau Dr. Wolf, danach Herrn Freiherr von Gemmingen und zum Schluß dem Herrn Minister das Wort. Oder wollen Sie vorweg sprechen, Herr Minister?
— Ich war der Meinung, er wünschte vielleicht ein Schlußwort dazu, schließe mich dem aber gern an, wenn Sie meinen, daß der Herr Minister zuerst sprechen sollte. Ich erteile also zunächst dem Herrn Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Herrn Dr. Eppler, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin mir voll bewußt, wer der Souverän hier ist. Als das Parlament mich gebeten hat, zuletzt zu sprechen, habe ich gesagt: Ich spreche zuletzt. Nachdem mir das Parlament jetzt sagt, ich soll zuerst sprechen, spreche ich zuerst,Meine Damen und Herren, wenn einmal darüber gesprochen werden wird, ob diese Legislaturperiode wirklich so restaurativ gewesen sei, wie manche das behaupten, wird auch auf dieses Gesetz zu verweisen sein, das heute hier zur Verabschiedung ansteht. Es ist ein Reformgesetz im exakten Sinne des Wortes. Hier versucht der Gesetzgeber, einer neuen Erscheinung, nämlich den Entwicklungsdiensten, gerecht zu werden, und zwar in einer Weise, die es diesen Diensten erlaubt, sich in Zukunft besser zu entfalten.Sie wissen, daß unsere Sozialgesetze auf die Arbeitnehmer in diesem Lande und nicht auf dieTätigkeit im Busch zugeschnitten sind. Durch dieses Gesetz werden die Entwicklungshelfer sozial so gesichert, wie ein sozialversicherter Arbeitnehmer hier im Lande. Die Helfer werden außerdem zusätzlich gegen die Risiken, welche die Arbeit in einem völlig fremden Klima mit sich bringt, gesichert.Dieses Gesetz definiert aber auch das Verhältnis zwischen Entwicklungsdienst und Wehrdienst. Es stellt fest, daß beide von gleichem Rang sind. Es bietet nicht eine neue Form des Ersatzdienstes für Kriegsdienstverweigerer an. Dieses Gesetz fragt nicht, ob einem jungen Menschen sein Gewissen gebietet oder verbietet, Dienst mit der Waffe zu leisten, sondern es stellt fest: wer zwei Jahre geschwitzt hat — im wahrsten Sinne des Wortes —, um anderen Menschen 211 einem etwas menschenwürdigeren Dasein zu verhelfen, 'hat für den Frieden nicht weniger getan als der Dienstpflichtige in der Bundeswehr. Damit ist gesagt, daß dieser Entwicklungsdienst nicht weniger hart, nicht weniger beschwerlich ist, nebenbei auch nicht weniger gefährlich und nicht weniger sinnvoll und ,damit auch nicht weniger anerkannt ist als der Wehrdienst. Das Gesetz bietet also eine gleichrangige Alternative.Der Idealfall wäre, daß jeder Wehrpflichtige direkt vor die Alternative gestellt werden könnte, für welche Form dies Friedensdienstes er sich entscheiden will. Wahrscheinlich wird dies in der Praxis nicht möglich sein. Die Zahl der Helfer des Deutschen Entwicklungsdienstes und der übrigen freiwilligen Dienste ist begrenzt, einmal durch die Zahl der Projektplätze in den Entwicklungsländern, zum anderen durch die Ausbildungskapazität für diese Dienste und zum dritten durch die sehr hohen Anforderungen, die gesundheitlich, faber auch in bezug auf Ausbildung an die einzelnen Helfer gestellt werden müssen. Wir haben heute etwa 1600 Helfer in Übersee, davon etwa 1000 Helfer vom Deutschen Entwicklungsdienst, der Rest von den kirchlichen und anderen privaten Diensten. Auch wenn wir diese Zahl verdoppeln können, wird sie immer noch sehr klein sein. Der Entwicklungsdienst ist also auch insofern kein Ersatzdienst, als kein Anspruch auf eine Entsendung bestehen kann, weil die Zahlen begrenzt sind.Ich darf hier noch auf eine besondere Schwierigkeit hinweisen. Nach Umfragen erwarten wir, daß auf 'Grund dieses Gesetzes ein großer Teil derer, die sich für eine Arbeit in .den Diensten interessieren, Abiturienten sein werden. Sie wissen, daß unsere Dienste, und zwar alle miteinander, so konstruiert sind, daß sie eine abgeschlossene Berufsausbildung möglichst handwerklich-technischer Art voraussetzen. Von daher haben wir besondere Schwierigkeiten, gerade Abiturienten oder Studenten zu beschäftigen. Ich habe den Auftrag gegeben, in meinem Hause zu prüfen, ob wir 'nicht doch eine Form finden können, mit ,der wir auch solche Bewerber in unsere Dienste aufnehmen können. Vielleicht brauchen wir dazu neue Typen von Projekten, wobei größere Gruppen unter der Führung von Teamleitern zusammenarbeiten.
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Bundesminister Dr. EpplerMeine Damen und Herren, dieses Gesetz bedeutet eine Zäsur für alle unsere Entwicklungsdienste, ganz besonders für den Deutschen Entwicklungsdienst. Ich glaube, bei ,dieser Gelegenheit ist es nötig, daß ich im Namen der Bundesregierung all denen, die bisher als Helferinnen und Helfer in diesen Diensten nach Übersee gegangen sind, danke.
Ich habe in den letzten Wochen einige dieser Helfer an der Arbeit gesehen, und ich darf sagen: Ich habe in den letzten Jahren selten etwas Erfreulicheres .erlebt. Was ich dort an unpathetischer Sachlichkeit, unverkrampfter Menschlichkeit, an dem Willen, sich anzupassen, ahne aufdringlich zu sein, an 'dem Willen, etwas zuwege zu bringen ohne Perfektionismus, was ich an all diesen Eigenschaften — die gar nicht alle draußen als typisch deutsch verstanden werden — gesehen habe, ist etwas, worauf wir alle stolz sein können. Hier bildet sich ein neuer Stil, ein Stil, der Zukunft hat, nicht nur für diese Dienste selbst, die von diesem Stil, wie ich hoffe, auch in der Zukunft geprägt sein werden, sondern auch für unsere Gesellschaft, auf die diese Dienste, wie ich hoffe, wiederum zurückwirken.Am deutlichsten ist die Zäsur, von der ich sprach, beim Deutsche Entwicklungsdienst selbst; denn die Verabschiedung dieses Gesetzes geschieht in derselben Woche, in der wir im Deutschen Entwicklungsdienst einen neuen Verwaltungsrat konstituiert haben. Durch diesen Verwaltungsrat hat sich einiges geändert. Z. B. hat ein Mann vom dem wissenschaftlichen und menschlichen Rang Carl Friedrich von Weizsäckers den Vorsitz in diesem Verwaltungsrat übernommen. Es ist nicht ganz selbstverständlich, daß einer der führenden Gelehrten dieses Landes sagt: „Ich bin bereit, über Entwicklung und Entwicklungshilfe nicht nur zu reden, sondern auch praktisch alles dafür zu tun, was ich bei meiner zeitlichen Beanspruchung dafür tun kann." Wir sollten auch dafür dankbar sein.In dem neuen Verwaltungsrat werden zum erstenmal auch frühere Helfer des Entwicklungsdienstes vertreten sein. Ich bin der Meinung, daß der Entwicklungsdienst nicht einfach ein Apparat ist, der von irgend jemandem — womöglich einer staatlichen Stelle — zu lenken wäre, sondern genau wie die anderen Dienste etwas Eigenständiges, und daß die Menschen, die dort arbeiten, auch mitbestimmen sollen, in welcher Weise dieser Dienst geführt wird.Diese zweite Epoche des Entwicklungsdienstes ist nur deshalb möglich, weil in der ersten Erstaunliches geleistet worden ist, und zwar unter den schwierigsten Umständen, von allen Beteiligten, von den Helfern, von den Geschäftsführern und vom Verwaltungsrat. Auch dafür darf ich im Namen der Bundesregierung danken.Meine Damen und Herren, dieses Gesetz ist gut und, soweit ich sehe, in diesem Hause nicht umstritten. Es wird jetzt darauf ankommen, das Gesetz mit Leben zu erfüllen. Wir werden uns in unserem Hause darum bemühen. Auch die Dienste werden das tun. Ich bin ganz sicher, daß wir auch die jungen Menschen finden werden, die das Gesetz mitLeben erfüllen. Ich erhoffe ein Echo bei den jungen Menschen, die zwar über die Schwächen unserer eigenen Gesellschaft und über das Elend in der dritten Welt sehr gründlich nachdenken, die sich aber alle billigen Auswege selbst versagen, den Ausweg in die Resignation, in den Zynismus, in pseudo-revolutionäres Pathos oder in verzweifelten Radikalismus. Ich erwarte ein Echo bei denen, die bereit sind, Hand anzulegen, damit diese Welt an einer winzigen Stelle ein ganz klein bißchen besser wird.
Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister. — Das Wort hat Frau Abgeordnete Freyh.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dieser späten Stunde ist es natürlich nicht einfach, noch in Anspruch zu nehmen, zu diesem Gesetz auch von seiten der Fraktionen etwas zu sagen. Es ist bedauerlich, daß die Beratung dieses Gesetzes in der Tagesordnung an die letzte Stelle gerutscht ist. Erlauben Sie mir trotzdem, bei diesem sicherlich nicht unbedeutenden Gesetz — das haben auch die Worte des zuständigen Ressortministers noch einmal deutlich gemacht — ausdrücklich zu begrüßen, daß die Bundesregierung rechtzeitig Anregungen aus den Trägerorganisationen der Entwicklungsdienste, aber auch aus dem zuständigen Bundestagsausschuß aufgegriffen hat und für diesen in der Entwicklungshilfe tätigen Personenkreis nun zum ersten Mal eine gesetzliche Regelung vorsieht.Dabei ist besonders hervorzuheben, daß das federführende Ministerium die sicherlich gar nicht einfache Aufgabe der Koordinierung der vielen beteiligten Ressorts gelöst und sie zu raschen und gründlichen Ergebnissen gebracht hat. Aber auch den mitberatenden Ausschüssen sei an dieser Stelle noch einmal audrücklich für die gute Zusammenarbeit gedankt.Dem äußeren Anschein nach könnte dieses Gesetz den Eindruck erwecken, daß mit ihm vor allem einem erheblichen Sicherheitsbedarüfnis der Entwicklungshelfer Rechnung tragen gewerden soll. Aber dieses vermeintliche Übergewicht sozialpolitischer Bestimmungen ist — das wissen wir Beteiligten auf Grund unserer Beratungen sehr genau — von der Sache her erforderlich. Denn vom Inhalt her — ich möchte darauf zu diesem Zeitpunkt nicht im einzelnen eingehen — wird in diesem Gesetz nur das geregelt, was unbedingt erforderlich ist, neben den sozialpolitischen Bestimmungen insbesondere das, was die besonderen gesundheitlichen Risiken beim Dienst eines Entwicklungshelfers betrifft, aber auch das, was im Zusammenhang steht mit den Fragen der Rückgliederung nach der Beendigung des Dienstes.Der Ausschuß hat dieses vermeintliche Übergewicht sozialpolitischer Vorstellungen auch nicht dadurch ausgleichen können, daß er dem Gesetz etwa eine besondere Präambel vorangestellt hätte, in der über die im Gesetz nur knapp formulierten Zielset-
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Frau Freyhzungen des Entwicklungsdienstes hinaus noch einmal breiter definiert worden wäre, was die Motivation und Zielrichtung des Gesetzes sein soll. Das ist auch von daher erschwert, daß die eigentlichen Aufgaben in den Gastländern sicherlich nicht nur in der Vergangenheit Veränderungen unterworfen waren, sondern auch in Zukunft noch im Fluß sein werden, und daß darüber hinaus dieses Gesetz nicht nur einen Entwicklungsdienst berührt, sondern die Vielfalt der Entwicklungsdienste mit den unterschiedlichen Motivationen für ihre Arbeit.Gestatten Sie mir nun, zu einigen wenigen Punkten des Gesetzes noch einige besondere Bemerkungen. Es ist schon darauf hingewiesen worden, daß das Gesetz grundsätzlich die Gleichrangigkeit zwischen Wehrdienst und Entwicklungsdienst begründet. Diese Absicht — deswegen möchte ich zu diesem Punkt doch noch kurz etwas sagen — war allerdings schon in der Vergangenheit Mißdeutungen ausgesetzt, und ich meine, daß künftigen Mißverständnissen vorzubeugen wäre. Bisher hat auf dem Wege der Übereinkunft zwischen den beteiligten Ressorts eine Freistellung von Entwicklungshelfern vom Wehrdienst erreicht werden können. Wenn in Zukunft nun zusätzlich auch Entwicklungshelfer bis zu vier Jahren vor der Ableistung des Entwicklungsdienstes freigestellt werden können, dann ist das sicherlich ein Schritt über die bisherige Übereinkunft hinaus. Aber diese Wahlmöglichkeit — und darauf ist ja schon verwiesen worden — ist von vornherein eingeschränkt durch die Zahl der vorhandenen Projektplätze, und es wird im Verhältnis zu der großen Zahl von Interessenten ein verschwindend kleiner Prozentsatz sein, der von diesem Gesetz überhaupt Gebrauch machen kann, soweit es die Wahlmöglichkeit zwischen Wehrdienst und Entwicklungsdienst angeht. Wir haben deshalb im Ausschuß Wert darauf gelegt, daß ausdrücklich auf diesen Zusammenhang zwischen vorhandenen Projektplätzen und der Aufnahmekapazität der Träger verwiesen wird, um keine falschen Erwartungen zu wecken. Ich meine aber, daß darüber hinaus die Bundesregierung dringend überlegen sollte, daß das auf Grund der Umfrageergebnisse erkennbar gewordene große Interesse junger Menschen genutzt werden sollte, etwa durch eine entsprechende Vergrößerung der Entwicklungsdienste, zumal sich ja diese Form der Entwicklungshilfe in den letzten Jahren außerordentlich bewährt hat.Zu den Mißdeutungen der Vergangenheit gehörten vor allem die Versuche, die Entscheidung zugunsten des Entwicklungsdienstes abzuwerten, und zwar bis zu einem Punkt, wo von Opportunismus und Drückebergerei bei dieser Entscheidung die Rede war. Ich meine, der Entwicklungsdienst ist nicht nur hart und entbehrungsreich, sondern man sollte auch nicht unterschätzen und unnötig zerreden, daß dieser Dienst schon in den vergangenen Jahren von der überwiegenden Zahl der Entwicklungshelfer als ein bewußtes und unmittelbares Engagement für die friedliche Entwicklung dieser Welt aufgefaßt worden ist.Wenn von diesem Gesetz eine Veränderung der Bewerbersituation erwartet wird, so gehört in diesen Zusammenhang auch noch eine Bemerkung zu der Situation der weiblichen Entwicklungshelfer. Viele Frauen haben sich in den Entwicklungsdiensten besonders bewährt und haben vorzügliche Beispiele für einen sinnvollen Beitrag zur sozialen Entwicklung der Gastländer gegeben. Wenn sich durch die Gleichrangigkeit von Wehrdienst und Entwicklungsdienst nun ein gewisser Druck von seiten der männlichen Bewerber entwickeln könnte, möchte ich an dieser Stelle doch ausdrücklich darauf verweisen, daß die Träger auf keinen Fall auf die Mitwirkung der Frauen an dieser Aufgabe in der bisherigen Relation verzichten sollten.Ein weiteres Problem, das auch noch kurz gestreift werden muß, ist die Regelung der Wahlrechtsfrage. Insgesamt wird ja in diesem Gesetz verdeutlicht, daß für die Entsendung von Entwicklungshelfern ein öffentliches Interesse besteht. Der Ausschuß ist in seiner Auffassung, das Wahlrecht ausdrücklich im Gesetz zu regeln, immer auch von entsprechenden Aufforderungen aus dem Kreis der Entwicklungshelfer bestärkt worden, und zwar in der Hinsicht, daß das Wahlrecht auch während der gesetzlich geregelten Zeit der Entsendung erhalten bleiben muß. Es schien uns allen — und das gilt für alle Fraktionen — nicht vertretbar, daß Entwicklungshelfern dieses Grundrecht aus formalen Gründen entzogen wird, zumal das Wahlrecht auch für Soldaten, die außerhalb des Bundesgebietes im Bereich des nordatlantischen Bündnisses Dienst tun, erhalten bleibt. Deshalb haben wir uns entschlossen, das Wahlrecht ausdrücklich in diesem Gesetz zu regeln. Auch wenn sich der Bundesrat, wie kürzlich angedeutet, mit dieser Frage noch einmal besonders beschäftigen sollte, kann die Befürchtung nicht geteilt werden, daß das Gesetz aus diesem Grunde etwa nicht mehr in dieser Legislaturperiode abgeschlossen und verkündet werden könnte.Schließlich noch ein drittes Problem. Mit dem Entwicklungsdienst beginnt auch in organisatorischer Hinsicht für die Entwicklungsdienste ein neuer Abschnitt. Das gilt insbesondere für die Zusammensetzung des Bewerberkreises und für seine Größenordnung. Zu der Gleichmäßigkeit der Auswahlkriterien und der inhaltlichen Gestaltung des Vorbereitungsdienstes können sicherlich die Auflagen, die das zuständige Ressort im Zusammenhang mit der Anerkennung von Trägern gesetzlich zugesprochen erhält, beitragen. Mir scheint, daß die in diesem Zusammenhang geäußerten Befürchtungen, daß gerade in dieser Hinsicht sehr unterschiedlich, wenn nicht gar willkürlich verfahren würde, deshalb unbegründet sind.Allerdings wird es noch gründlicher Überlegungen bedürfen, daß alle Berufsgruppen, auch Abiturienten und Studenten, die nach dem Umfrageergebnis ein besonderes Interesse gezeigt haben, in den Freiwilligendiensten mitarbeiten können. Das gilt übrigens auch für elastische Regelungen für solche Berufe, die in der Ausbildung noch nicht bis zum 22. Lebensjahr abgeschlossen werden können, für die sich aber ein besonderer Bedarf abzeichnet, wie beispielsweise im Bereich der Höheren technischen Lehranstalten, oder für Lehrberufe.
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Frau FreyhInsbesondere für den Deutschen Entwicklungsdienst sind die organisatorischen Auswirkungen dieses Gesetzes schon seit einiger Zeit spürbar gewesen. Sie sind Anstoß gewesen, Arbeitsweise und Effizienz neu zu überdenken. Gerade beim DED steht die Phase der Sammlung von Erfahrungen in der Organisation und in den Arbeitsmethoden vor dem Abschluß. Die sogenannte strukturelle Krise des Deutschen Entwicklungsdienstes, von der in den vergangenen Monaten so viel zu hören war, war nach meiner Auffassung eher ein Zeichen für den zu erwartenden Einschnitt und die Veränderungen durch dieses neue Gesetz. Der Entwicklungshilfeausschuß des Bundestages hat im Herbst des vergangenen Jahres der Bundesregierung empfohlen, die organisatorische Form des Deutschen Entwicklungsdienstes den im Zusammenhang mit dem Entwicklungshelfergesetz zu erwartenden Aufgaben anzupassen. Die Bundesregierung hat erfreulich rasch die Zusammensetzung des Verwaltungsrates verändert und ihn auch durch Freiwillige und Vertreter der politischen Parteien erweitert.Nach dieser äußeren Konsolidierung richten sich nun die Erwartungen auch auf die notwendigen inneren Reformen, insbesondere auf die Reform des Verhältnisses zwischen Verwaltungsrat und Geschäftsführung. Es ist deutlich geworden, daß viele der bisherigen Schwierigkeiten aus der Tendenz herrührten, den Verwaltungsrat mit Exekutivaufgaben zu belasten. Er sollte stärker als bisher seine eigentliche Funktion als Kontrollorgan und als Entscheidungsgremium in Grundsatzfragen wahrnehmen.Abschließend möchte ich nicht nur das rasche Handeln der Bundesregierung in diesem speziellen Zusammenhang hervorheben, sondern auch ein besonderes Wort des Dankes denjenigen sagen, die in die schwierigen Anfangsjahren der deutschen Entwicklungsdienste organisatorische Formen und Zielsetzungen entwickelt haben und damit wesentlich zu der erfreulichen Anerkennung in den Gastländern beitragen konnten. Diesen Dank möchte ich ausdrücklich auf die Entwicklungshelfer aller Organisationen erweitern, die in den vergangenen Jahren auch ohne Rückhalt durch das heute zu beschließende Gesetz unermüdlich ihre Arbeit getan und zum sozialen Wandel in den Entwicklungsländern beigetragen haben.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Wolf.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will versuchen, dem Wunsch des Herrn Präsidenten zu folgen und meine Ausführungen zu Protokoll zu geben; aber einige Punkte möchte ich gern hervorheben, weil mir an ihnen außerordentlich viel liegt.Ich möchte zunächst bemerken, daß ich mich dem Rückblick und dem Dank auch im Namen meiner Fraktion anschließe und auch meine, daß die Bemerkungen zu der derzeitigen Lage so sind, wie wir sie auch nur darstellen könnten. Ich möchte aber gern einige Worte in bezug auf die Zukunft sagen und einige Bitten anfügen.Zum einen ist es mir außerordentlich wichtig, darauf hinzuweisen, daß dieses Gesetz ein Gesetz der partnerschaftlichen Zusammenarbeit ist, nicht nur innerhalb unseres deutschen Raumes, sondern der partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen unserem Land und den Entwicklungsländern. Der Bedarf des Entwicklungsdienstes wird durch die Entwicklungsländer selbst bestimmt, die jungen Menschen anfordern und um sie bitten. Wir haben die Erfahrung gemacht, daß die Anforderung um so größer ist, je besser die Arbeit unserer jungen Deutschen in den Entwicklungsländern ist.Eine kurze Bemerkung zum Titel dieses Gesetzes. Es ist in unserem Ausschuß viel darüber gesprochen worden, ob das Wort „Entwicklungshelfer" ganz den Begriff der partnerschaftlichen Zusammenarbeit deckt. Wir sind nach langen Überlegungen doch bei diesem Wort geblieben, zumal da wir es nur im deutschen Sprachraum gebrauchen und sonst in den anderen Sprachen von „Freiwilligen" sprechen und damit vielleicht einen Aspekt dieser Arbeit, nämlich den Verzicht auf Arbeitsentgelt, besonders deutlich zum Ausdruck bringen.Eine Bemerkung auch hierzu. Durch das Gesetz werden Unterhaltsleistungen an den Entwicklungshelfer gewährt, die aber die Deckung des Bedarfs in seiner Familie einschließen. Über die sozialen Leistungen, die den wesentlichen Gegenstand dieses Gesetzes bilden, ist bereits gesprochen worden. Ich habe dem nichts hinzuzufügen.Ich glaube allerdings, daß der Zusatz, der in unserem Ausschuß zur Frage der Wiedereingliederung gefunden worden ist, außerordentlich wichtig ist. Wir haben in das Gesetz eine Bestimmung eingefügt, durch die nicht etwa der frühere Arbeitgeber verpflichtet wird, den Entwicklungshelfer wieder aufzunehmen, sondern Hilfen gegeben werden sollen, um die Wiedereingliederung des Entwicklungshelfers in eine Berufsstellung, die seinen neuen Erfahrungen und Kenntnissen entspricht, zu erleichtern. Dem Entwicklungshelfer oder der Entwicklungshelferin soll die Gelegenheit gegeben werden, eine weitere Ausbildung vorzunehmen.Wir haben die Wiedereingliederung auch in bezug auf den öffentlichen Dienst dadurch erleichtert, daß die Zeit im Entwicklungsland zur Hälfte angerechnet wird. Hier kommt nun eine meiner Bitten: Ich meine, es sollte auch in den Tarifverträgen darauf geachtet werden, daß diese Zeit in die Gesamtberufszeit einbezogen wird. Nachteile, wie sie etwa darin zu sehen sind, daß die Weihnachtsgratifikation zurückzuzahlen ist, wenn man vor dem 1. April den Entwicklungsdienst antritt, sollten beseitigt werden.Ich ganzen darf ich sagen, daß der Entwicklungsdienst uns darauf hinweist, daß überhaupt eine große Personalplanung notwendig ist, welche die Arbeit im Ausland einschließt. Ich denke hier be-
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Frau Dr. Wolfsonders an die Landwirtschaft. Ich hätte das vielleicht genauer im Rahmen der großen Diskussion über die Landwirtschaft ausführen können. Wir wissen, daß Menschen, die landwirtschaftliche Kenntnisse haben, auf Jahre hinaus dringend in den Entwicklungsländern gebraucht werden, daß diese Ausbildung also in dem Umfang auch bei uns fortgesetzt werden muß, der im internationalen Rahmen notwendig ist, selbst dann, wenn bei uns der Bedarf an Kräften in der Landwirtschaft sinkt.Nun noch ein kurzes Wort zum Dienst am Frieden. Ich habe neulich einmal in einer Zeitschrift gelesen, daß Wehrdienst als Dienst zur Sicherung des Friedens und Entwicklungsdienst als ein Dienst zur Ausbreitung des Friedens verstanden wird — ein Wort, daß ich hübsch fand, wenn man darüber sicher auch diskutieren kann. Es macht aber doch wohl deutlich, daß sich der Ausbreitung des Friedens — beide Dienste dienen dem Frieden — nur solche Menschen widmen können, die dazu nicht nur die fachlichen Voraussetzungen haben, sondern auch in ihrer menschlichen Haltung, in ihrem Verständnis für andere, für andere Mentalitäten, in der Anerkennung für den anderen unter Beweis stellen, daß sie diese Leistung erbringen können.Zum Wahlrecht darf ich sagen, daß wir der Ansicht sind, daß dieses Gesetz Rechte und Pflichten im In- und Ausland gleichmäßig gewährt. Man soll die Rechte, die man im Inland hat, im Ausland behalten, und deshalb hat der Ausschuß nach sehr eingehender Beratung Wert darauf gelegt, daß das Wahlrecht den Entwicklungshelfern erhalten bleibt.Ein letztes Wort: Wir erhoffen und erwarten von den Entwicklungshelfern einen Einfluß auf unsere eigene Gesellschaft, von der wir ja wissen, daß sie den Anliegen der fremden Länder nicht so aufgeschlossen ist, wie wir es wünschen würden. Deshalb meinen wir, daß die jungen Menschen, die zu uns zurückkommen, einen großen Dienst für uns selber hier im Inland erbringen können. Ich glaube, daß wir, wenn wir partnerschaftliche Zusammenarbeit so verstehen, gleichermaßen Nutzen und Hilfe durch die jungen Menschen geben werden, deren Arbeit durch dieses Gesetz gesichert werden soll.
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Freiherr von Gemmingen.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Leider bin ich nicht in der Lage, der Bitte des Präsidenten, meine Ausführungen zu Protokoll zu geben, Folge zu leisten. Ich werde mich aber bemühen, Herr Präsident, mich sehr kurz zu fassen und dadurch Ihre Anerkennung zu erreichen.Mit diesem Gesetz messen der Deutsche Bundestag und die Bundesregierung den Entwicklungshelfern einen besonderen Rang innerhalb der Maßnahmen deutscher Entwicklungshilfe zu. Nur so ist ein Teil der Bestimmungen zu rechtfertigen, die eigentlich in Deutschland bisher ohne Beispiel sind.Das Gesetz hält daran fest, daß die Durchführung der Aufgabe, also der Entwicklungshilfe und der Entsendung von Entwicklungshelfern, nur in den Händen der privaten Träger bleiben kann. Das Gesetz erleichtert aber auch den Trägern des Entwicklungsdienstes die Durchführung ihrer Aufgabe und schafft hierzu wichtige Voraussetzungen. Es legt den Trägern des Entwicklungsdienstes auch Pflichten auf. Und die Gestaltung der vertraglichen Beziehungen mit den Entwicklungshelfern ist eine ganz bedeutende Angelegenheit, die in der Verantwortung der Träger liegt.In einem Punkt haben die Beratungen im Ausschuß für Entwicklungshilfe den Auflagenkatalog des Gesetzentwurfes erweitert, nämlich im Hinblick auf die Entsendungsgrundsätze, die im Interesse der Gesundheit des Entwicklungshelfers liegen. Diese Frage kann nicht ernst genug genommen werden. Das bezieht sich sowohl auf die gesundheitliche Voraussetzung für die Entsendung eines Entwicklungshelfers, auf seine gesundheitliche Beobachtung während des Entwicklungsdienstes als auch darauf, was für ein Risiko in diesem Entwicklungsland in bezug auf seine Gesundheit eintreten kann. Ich gebe der Hoffnung Ausdruck, daß die Bundesregierung diesem Problem ihr besonderes Augenmerk zuwendet und mit dieser Aufgabe Ärzte mit langjähriger Tropenerfahrung betrauen kann. Es ist meine Bitte an Sie, Herr Minister, daß Sie diesem Problem ganz, besondere Aufmerksamkeit zuwenden, denn das liegt in Ihrer Verantwortung. Ich meine, Sie müßten sich etwas mehr Gedanken darüber machen; allerdings bin ich der Überzeugung, daß Sie sich die Gedanken darüber bereits gemacht haben, nur haben wir noch nichts davon gehört.Sicher wird diesem Gesetz in der Öffentlichkeit besonderes Interesse durch die geschaffene Gleichrangigkeit von Entwicklungsdienst und Wehrdienst beigemessen werden. Ich möchte das nicht wiederholen, denn meine beiden Vorredner haben darüber gesprochen; es ist ganz klar, daß wir hier warnen müssen, damit bei den Wehrpflichtigen durch dieses Gesetz keine falschen Erwartungen geweckt werden. Aber weil ich mich nicht wiederholen möchte, möchte ich nicht mehr auf die Wehrpflicht zurückkommen.Es ist vielleicht nochmals hervorzuheben, daß der Bedarf an Entwicklungshelfern nach Zahl und Beruf ausschließlich von den Entwicklungsländern bestimmt wird. Deshalb kann die Bestimmung des Gesetzes vom Sinn und von der Anwendung her keine Alternative zur Wehrpflicht sein.Der Ausschuß für Entwicklungshilfe hat sich gemeinsam mit den mitberatenden Ausschüssen und unter Anhörung der vorgesehenen Träger des Entwicklungsdienstes bemüht, ein Ergebnis zu erreichen, das der Forderung des Hohen Hauses im Entschließungsantrag vom 14. Juni 1967 gerecht wird. Dieses Gesetz ist ein erster Schritt für in Entwicklungsländer entsandte deutsche Staatsbürger. Es ist zu hoffen und zu wünschen, daß sich die Erwartungen erfüllen und daß mit diesem Gesetz gute Erfahrungen gemacht werden. Das kann es uns ermöglichen, auch für andere in Entwicklungsländer ent-
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Freiherr von Gemmingensandte Deutsche die notwendigen Gesetzesbestimmungen zu schaffen.Ich komme zu einer Schlußbemerkung und bin eigentlich enttäuscht, daß ich von den noch anwesenden Kollegen für diese Bemerkung keinen donnernden Applaus bekomme. Die FDP hat sich immer dafür eingesetzt, daß die Entwicklungshelfer für die Dauer des Entwicklungsdienstes ihr Wahlrecht behalten, ebenso alle anderen Fraktionen dieses Hohen Hauses. Dabei haben wir jedoch die Änderung des Bundeswahlgesetzes im Auge behalten und eine Lösung, bei ,der das Verfahren für das dringend notwendige Inkrafttreten dieses Gesetzes nicht verzögert wird. Daher meine Bitte bzw. meine Forderung an Sie, Herr Minister: Tun Sie etwas für das Inkrafttreten des Gesetzes. Tun Sie endlich etwas dafür, daß ,die Barrieren, die vor diesem Gesetz noch aufgebaut werden könnten, überwunden werden. Ich glaube und hoffe, ,daß Sie diese Barrieren und Hürden sehr genau kennen. Ich bin der Meinung, daß Sie in Ihrem Kabinett oder in Ihrer Koalition gewisse Rücksprachen mit anderen Kollegen vornehmen können, damit dieses Gesetz ohne Schwierigkeiten in Kraft treten kann.
Herr Abgeordneter von Gemmingen, Sie bedauerten, daß es keinen donnernden Applaus gäbe. Ich mache darauf aufmerksam, daß Sie der einzige Ihrer Fraktion sind, der Applaus spenden kann.
Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Aussprache zur dritten Lesung. Wer dem Gesetz in der dritten Lesung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Es ist einstimmig so beschlossen.
Wir müssen dann noch über den Antrag des Ausschusses unter Ziffer 2 auf Seite 1 der Drucksache V/3783 abstimmen. Wer dieser Empfehlung seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. — Die Gegenprobe. — Einstimmig so beschlossen.
Wir sind damit am Ende unserer heutigen Tagesordnung angelangt. Ich berufe die nächste Sitzung auf Mittwoch, den 19. März 1969, 9 Uhr, ein und schließe die Sitzung.