Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, vor Eintritt in die Tagesordnung gratuliere ich dem Herrn Abgeordneten Hörauf zum 60. Geburtstag.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die Tagesordnung um die in der Ihnen vorliegenden Liste bezeichneten Vorlagen ergänzt werden. Das Haus ist einverstanden; es so beschlossen.
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat am 6. Mai bzw. 8. Mai 1968 mitgeteilt, daß des Ausschuß gegen die nachstehenden Verordnungen, die zwischenzeitlich im Rat beschlossen wurden, keine Bedenken erhoben habe:
Verordnung des Rates fiber die Errichtung einer Gemeinsamen Marktorganisation für lebende Pflanzen und Waren des Blumenhandels
— Drucksache V/1514 —
Verordnung des Rates über die Festsetzung von Qualitätsnormen für Bulben, Blumenzwiebeln und Knollen
Verordnung des Rates über die Festsetzung von Qualitätsnormen für frische Schnittblumen und frisches Blattwerk
Drucksache V/1515 —
Verordnung des Rates zur Festsetzung eines Ausgleichsbetrages für Weichweizen, Gerste und Mais, die sich am Ende des Wirtschaftsjahres 1967/1968 auf Lager befinden und für die Ausfuhr bestimmt sind
— Drucksache V/2747 —
Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 131/67 EWG hinsichtlich der bei der Bestimmung der abgeleiteten Interventionspreise für Getreide zu berücksichtigenden Transportkosten
— Drucksache V/2794 —
Verordnung des Rates zur Festlegung der wesentlichsten Handelsplätze für Getreide und der für diese Handelsplätze geltenden abgeleiteten Interventionspreise sowie des Interventionspreises für Mais für das Wirtschaftsjahr 196811969
— Drucksache V 2795 —
Der Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat am 8. Mai 1968 mitgeteilt, daß der Ausschuß gegen die nachstehenden Verordnungen keine Bedenken erhoben habe:
Verordnung Nr. 437/68 des Rates vom 9. April 1968 zur Änderung der Verordnung Nr. 111/64 EWG in bezug auf die bei der Einfuhr bestimmter Milcherzeugnisse zu erhebenden Abschöpfungsbeträge
Verordnung des Rates zur Berichtigung der deutschen und niederländischen Fassung der Verordnung Nr. 128/67 EWG und Nr. 130/67 EWG hinsichtlich der Bezeichnung bestimmter Getreidearten
Verordnung des Rates über die Bestimmung der Standartqualität für Rohzucker und des Grenzübergangsortes für die Berechnung der cif-Preise für Zucker
Verordnung des Rates zur Festlegung der allgemeinen Regeln für Interventionen durch den Kauf von Zucker
Der Präsident des Bundestages hat am 3. Mai 1968 gemäß § 96 der Geschäftsordnung_ die von der Bundesregierung als dringlich bezeichnete
Vierundvierzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1967
— Drucksache V/2870 —
m it der Bitte um fristgemäße Behandlung an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen überwiesen.
Meine Damen und Herren, wir müssen heute, ehe wir in die Tagesordnung eintreten und zur Fragestunde kommen, die Berichte des Vermittlungsausschusses bescheiden.
Ich rufe zunächst den ersten Zusatzpunkt auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes zu dem Gesetz über technische Arbeitsmittel
Drucksache V/2886
Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Junghans. Ich frage, ob er das Wort wünscht. — Als Berichterstatter hat der Abgeordnete Junghans das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundesrat hat in seiner 321. Sitzung am 22. März 1968 das vom Bundestag in der 157. Sitzung beschlossene Gesetz über technische Arbeitsmittel abgelehnt. Die Bundesregierung hat mit Schreiben vom 4. April 1968 den Vermittlungsausschuß angerufen. Der Vermittlungsausschuß hat am 8. Mai den auf Drucksache V/2886 vorgelegten Antrag beschlossen. Damit wird das Gesetz praktisch unverändert zur Annahme empfohlen, abgesehen von einer kleinen Änderung in § 6. Der Abs. 3 des § 6 soll gestrichen werden, und damit soll die Anhörung des eingesetzten Ausschusses im Widerspruchsverfahren entfallen. Die anderen Änderungen folgen zwangsläufig aus der Streichung des Abs. 3.Ferner ist noch eine Änderung in § 9 vorgenommen worden, nach der auch bei Verstößen gegen die Verordnungen nach § 4 die Bußgeldbestimmung in Kraft treten soll.Der Vermittlungsausschuß bittet, die Vorlage so, wie sie in Drucksache V/2886 als Beschluß vorgeschlagen wird, anzunehmen.
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9248 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Mai 1968
Danke. — Keine Wortmeldungen.
Wir stimmen ab über den Antrag des Vermittlungsausschusses Drucksache V/2886. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! – Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe den zweiten Zusatzpunkt auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes zu dem Gesetz über eine Statistik der Einkommen- und Körperschaftsteuererklärungen
— Drucksache V/2887 —
Berichterstatter ist Herr Minister Wertz. Ich frage den Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. — Als Berichterstatter hat Herr Minister Wertz das Wort.
Wertz, Minister des Landes Nordrhein-Westfalen: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundesrat hatte wegen des Gesetzes über eine Statistik der Einkommen- und Körperschaftsteuererklärungen die Einberufung des Vermittlungsausschusses mit dem Ziel der Aufhebung des Gesetzbeschlusses begehrt, nachdem er bereits im ersten Durchgang beschlossen hatte, den Gesetzentwurf abzulehnen. Der Vermittlungsausschuß hat sich die Ablehnungsgründe des Bundesrates zu eigen gemacht. Ich darf auf die Begründung des Bundesrates, die dem Gesetzentwurf der Bundesregierung als Anlage 2 beigefügt ist, und auf das Schreiben des Herrn Bundesratspräsidenten an den Herrn Vorsitzenden des Vermittlungsausschusses vom 5. April dieses Jahres verweisen. Hervorheben möchte ich lediglich, daß die mit dem Gesetzentwurf verfolgten Zwecke offenkundig nicht erreichbar sind. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung will im Rahmen seines gesetzlichen Auftrages kurzfristig und alljährlich ein zuverlässiges Bild der Einkommensbildung und -verteilung vermitteln. Dazu ist die beabsichtigte Einkommen- und Körperschaftsteuererklärungsstatistik nicht geeignet, weil ihre Ergebnisse erst 18 Monate nach Abschluß des Veranlagungsjahres vorliegen können, d. h. für das Jahr 1967 frühestens im Sommer 1969. Die Absicht, bis zur Vorlage des Jahresgutachtens im November Teilergebnisse auszuwerten, muß zur Verzerrung der statistischen Daten führen, weil in aller Regel bis in das erste Quartal des zweiten auf das Veranlagungsjahr folgenden Jahres die Erstattungen die Abschlußzahlungen übersteigen. Mit anderen Worten, der Veranlagungsrhythmus ist weitgehend mit der Reihenfolge der Abgabe der Steuererklärung identisch. Er bringt innerhalb der ersten 10 bis 12 Monate Ergebnisse, die unter den im Veranlagungsjahr entrichteten Vorauszahlungen liegen und deshalb nicht repräsentativ sind.
Ich bitte, dem Votum des Vermittlungsausschusses zu folgen.
Herr Abgeordneter Ravens, wollen Sie hier eine Erklärung abgeben?
— Dann lese ich Ihnen den bei § 91 der Geschäftsordnung abgedruckten § 10 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses vor — das kommt nämlich nicht so oft vor —:
Der Bundestag stimmt nur über den Einigungsvorschlag ab. Zu dem Vorschlag können vor der
Abstimmung Erklärungen abgegeben werden.
— Also eine Erklärung nach § 91 der Geschäftsordnung. Dazu hat Herr Abgeordneter Ravens das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens meiner Fraktion darf ich erklären, daß wir den Antrag des Vermittlungsausschusses ablehnen werden, weil wir der Meinung sind, daß der vom Bundestag verabschiedete Gesetzentwurf über die Einführung einer Statistik der Einkommen- und Körperschaftsteuererklärung ein wesentlicher Fortschritt für zeitgerechte und für einen schnelleren Überblick bietende Steuerschätzungen und -zahlungen in Deutschland ist, die wir brauchen, um eine vernünftige Einkommens- und Vermögenspolitik betreiben zu können. Der Sachverständigenrat hat dazu alles Notwendige gesagt. Aus diesem Grunde bitten wir Sie, den Vermittlungsvorschlag abzulehnen.
Das Wort zu einer Erklärung nach § 92 Geschäftsordnung hat die Frau Abgeordnete Funcke.
Herr Präsident, meine Herren und Damen! Die FDP-Fraktion begrüßt den Beschluß des Vermittlungsausschusses und fühlt sich damit in den Bedenken, die die FDP-Fraktion von Anfang an gegen dieses Gesetz vorgetragen hat, bestätigt. Wir bitten, den Antrag anzunehmen.
Keine weiteren Erklärungen. Abstimmung. Wer dem Antrag des Ausschusses — damit das jedermann klar ist: das ist das, wofür der Herr Minister als Vertreter des Bundesrates plädiert hat — zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe. — Das zweite ist die Mehrheit, — also, meine Damen und Herren, ich weiß es selber nicht. Die Abstimmung muß wiederholt werden, durch Aufstehen bitte. — Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, also dem, was auf Drucksache V/2883 steht, bitte ich, sich zu erheben.— Gegenprobe. — Das zweite ist die Mehrheit; damit ist der Antrag des Ausschusses abgelehnt. Ich bitte, sich durch dieses doppelte Ablehnen nicht verwirren zu lassen. Dieser Antrag, der auf Drucksache V/2887 steht, ist vom Bundestag also abgelehnt.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Mai 1968 9249
Präsident D. Dr. GerstenmaierIch rufe den dritten Zusatzpunkt auf:Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes zu dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG)— Drucksache V/2888 —Berichterstatter: Senator Dr. HeinsenIch frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. — Bitte sehr!Dr. Heinsen, Senator der Freien und Hansestadt Hamburg: Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten die Berichterstattung für beide Gesetze, das Ordnungswidrigkeitengesetz und das Einführungsgesetz, zusammenfassen.
Dann rufe ich auch den vierten Zusatzpunkt auf.Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes zu dem Einführungsgesetz zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (EGOWiG)— Drucksache V/2889 — Berichterstatter: Senator Dr. HeinsenDr. Heinsen, Senator der Freien und Hansestadt Hamburg: Meine Damen und Herren! Vorweg darf ich sagen, daß der Bundesrat in seiner Sitzung am 26. April wegen beider Gesetze die Anrufung des Vermittlungsausschusses beschlossen und eine Reihe von Abänderungsempfehlungen gegeben hat. Der Vermittlungsausschuß hat sich in seiner Sitzung am 8. Mai auf die Empfehlungen geeinigt, die ich Ihnen jetzt vortragen will. Er hat dabei beschlossen, daß über die Änderungen im Deutschen Bundestag gemeinsam abzustimmen ist.Noch eine weitere Vorbemerkung. Unter den Empfehlungen des Vermittlungsausschusses befinden sich einige materiell bedeutsame und eine Reihe von rein formalen, redaktionellen Berichtigungen, also Berichtigungen von Redaktionsversehen oder technischen Änderungen. Ich darf Ihr Einverständnis voraussetzen, daß ich diese mehr redaktionellen und technischen Änderungen hier nicht erläutere, sondern mich auf die insgesamt fünf für beide Gesetze bedeutungsvollen Punkte beschränke.Beim Ordnungswidrigkeitengesetz handelt es sich um drei wichtige wichtige und fünf unwichtige Änderungen. Die erste wichtige Änderung betrifft den § 29 Abs. 2. Der Vermittlungsausschuß schlägt Ihnen hier vor, die endgültige Verjährung von Ordnungswidrigkeiten, wenn der Lauf der gesetzlichen Verjährungsfrist unterbrochen war, frühestens ein Jahr nach der Tat eintreten zu lassen. Nach dem vom Bundestag beschlossenen Gesetz waren es z. B. bei Verkehrsordnungswidrigkeiten nur sechs Monate. Der Vermittlungsausschuß ist der Auffassung, daß diese Frist zu kurz ist, vor allem dann, wenn Verkehrsordnungswidrigkeiten von der Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit Verkehrsstrafen ermittelt und verfolgt werden.2 Der Vermittlungsausschuß schlägt Ihnen zu § 47 Abs. 2 und §§ 75, 77 Abs. 2 vor, die Fassung der Regierungsvorlage wiederherzustellen, wonach das Gericht vor Einstellung des Verfahrens der Zustimmung der Staatsanwaltschaft bedarf. Der Vermittlungsausschuß ist der Auffassung, daß diese Regelung erforderlich ist, um eine angemessene Berücksichtigung der öffentlichen Interessen zu sichern und auf diese Weise auch die Sachkenntnis der Verwaltungsbehörde im Felde der Ordnungswidrigkeiten zur Geltung zu bringen.3. Zu §§ 79, 80 Abs. 1 und 83 Abs. 2 schlägt Ihnen der Vermittlungsausschuß ebenfalls Wiederherstellung der Regierungsvorlage vor, wonach die im schriftlichen Verfahren ergehenden Beschlüsse der Amtsgerichte nach Einsprüchen gegen Bußgeldbescheide mit einer Geldbuße von bis zu 200 DM unanfechtbar sein sollen. Der Grund dafür ist, daß nach Auffassung des Vermittlungsausschusses in diesem Bagatellbereich bei Bußgeld bis zu 200 DM keine zwei Rechtsmittel erforderlich sind. Ein Einspruch an die Amtsgerichte genügt. Die Oberlandesgerichte sollten von Rechtsbeschwerden in derart unbedeutenden Sachen entlastet werden.Nun komme ich zum Einführungsgesetz für das Ordnungswidrigkeitengesetz. Es handelt sich hier um zwei bedeutungsvollere Änderungen. Die erste betrifft den Art. 2 Nrn. 6 und 7, d. h. die §§ 127 a und 132 der Strafprozeßordnung. Nach dem Gesetz, wie es bisher gilt, kann bei Straftaten von Beschuldigten, die im Geltungsbereich dieses Gesetzes keinen festen Wohnsitz haben, also z. B. durchreisende Ausländer, von der Festnahme abgesehen werden, wenn Sicherheit geleistet wird. Diese Sicherheit soll nach dem Gesetz nur der Sicherstellung des Strafverfahrens dienen.Der Vermittlungsausschuß schlägt Ihnen hierzu vor, die Sicherheit auch auf die Sicherstellung der zu erwartenden Geldstrafe und der Verfahrenskosten zu erstrecken. Die Begründung dafür ist sehr einfach: das ist einfach technisch notwendig und zweckmäßig.Der vielleicht bedeutungsvollste Änderungsvorschlag betrifft den Art. 2 Nr. 25, nämlich den § 467 der Strafprozeßordnung. Diese Vorschrift, die in den Beratungen in diesem Hohen Haus geändert worden war, zielt auf die Beseitigung des sogenannten Freispruchs zweiter Klasse ab, und zwar dadurch, daß der Staatskasse die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten in allen Fällen des Freispruchs, gleich aus welchen Gründen, auferlegt werden sollen. Bisher war — nach den Beratungen in diesem Hohen Haus — davon lediglich die Ausnahme gemacht, daß der Angeschuldigte seine Anwaltskosten selber tragen sollte, wenn er durch eine falsche Selbstbezichtigung das Verfahren iselbst in Gang gebracht hatte. In diesem Fall sollte er seine Anwaltskosten auch selber tragen. Ähnlich war dem Gericht das Ermessen eingeräumt worden, von der Auferlegung der
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9250 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Mai 1968
Senator Dr. HeinsenAuslagen auf die Staatskasse abzusehen, wenn der Angeschuldigte die Anklageerhebung durch falsche, widersprüchliche oder unvollständige Angaben verschuldet hatte. Der Vermittlungsausschuß will es bei dieser Regelung belassen, schlägt Ihnen aber eine weitere Ausnahme vor. Wenn ein Angeschuldigter zwar eine strafbare Handlung begangen, also rechtswidrig und schuldhaft gehandelt hat, aber nur aus rein formellen Gründen nicht verurteilt werden kann, weil ein Verfahrenshindernis, z. B. Verjährung, besteht, soll das Gericht ebenfalls die Möglichkeit haben, von der Auferlegung der Auslagen auf die Staatskasse abzusehen. Der Ausschuß hat dabei insbesondere an NS-Gewaltverbrechen gedacht. Wenn wegen der langen Zeit, wie es häufig vorkommt, Zeugen, auf deren Aussagen im Ermittlungsverfahren die Staatsanwaltschaft ihre Mordanklage gründen konnte, sich in der Hauptverhandlung nicht mehr an Einzelheiten erinnern und deshalb der Mordvorwurf nicht zu beweisen ist, der Totschlag, der erwiesen ist, aber verjährt ist, muß ein Freispruch erfolgen, obwohl die Schuld des Täters feststeht. Die Verfahrenskosten, die eigentlichen Gerichtskosten soll auch in diesen Fällen nach wie vor die Staatskasse tragen. Der Vermittlungsausschuß war aber der Auffassung, daß die Öffentlichkeit kein Verständnis dafür hat, wenn der Staat einem Verbrecher, der nur aus rein formellen Gründen nicht verurteilt werden kann, auch noch die Anwälte bezahlt, vor allem in derartigen Fällen.Meine Damen und Herren, das sind die Änderungen, die Ihnen der Vermittlungsausschuß vorschlägt. Ich bitte Sie, diesen Empfehlungen zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Werden Erklärungen abgegeben? — Keine Erklärungen.
Wir stimmen zunächst über den Antrag des Ausschusses in Drucksache V/2888 — Mündlicher Bericht des Vermittlungsausschusses zu dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten — ab. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dieser Antrag ist bei einer Gegenstimme angenommen.
Wir stimmen dann über den Antrag in Drucksache V/2889 — Bericht des Vermittlungsausschusses zu dem Einführungsgesetz über Ordnungswidrigkeiten — ab. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das ist einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, damit kommen wir zu Punkt 1 der Tagesordnung:
Fragestunde
— Drucksachen V/2868, V/2885, V/2890 —
Ich ziehe die Dringlichen Mündlichen Anfragen vor; zunächst die Fragen des Herrn Abgeordneten Fellermaier aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Ich rufe Frage 1 auf:
Fühlt sich die Bundesregierung weiterhin an eine vom Bundesfinanzminister im Namen der Bundesregierung ei dem Deutschen Bundestag am 14. März 1968 abgegebene Erklärung gebenden, derzufolge die Bundesregierung eine Margarinesteuer
nicht für erforderlich hält, da die Finanzierung der Fettmarktordnung inzwischen auf andere Weise sichergestellt ist?
Zur Beantwortung, Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten!
Herr Präsident, ich bitte, mir zu gestatten, die drei Fragen wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam zu beantworten.
Bitte sehr! Dann rufe ich noch die Fragen 2 und 3 des Abgeordneten Fellermaier auf:
Ist der Bundesernährungsminister bei der Sitzung des Rates der Landwirtschaftsminister am 1. und 2. Mai 1968 in Luxemburg von der in Frage 1 genannten Haltung abgewichen, indem er dort an einer einstimmigen Vorentscheidung der Landwirtschaftsminister über die Einführung einer Margarinesteuer mitgewirkt hat?
Ist die Bundesregierung bereit, dem Deutschen Bundestag erneut zu erklären, daß sie unter keinen Umständen der Einführung einer Margarinesteuer im EWG-Ministerrat. zustimmen wird?
Zur Frage 1: Die Bundesregierung ist nach wie vor der Auffassung, daß die Erhebung einer Abgabe auf pflanzliche Fette und Seetierfette nicht erforderlich ist, um die Finanzierung der Fettmarktordnung sicherzustellen. Die Ausgaben auf dem Binnenmarkt für Fette sind nach den Vorschriften der Verordnung Nr. 17/1964 der EWG durch den Fonds zu finanzieren. Die Kommission hat dem Rat vor wenigen Tagen eine entsprechende Finanzierungsverordnung zugeleitet, in der die Einzelheiten für den Fettsektor geregelt werden. Für die Ausgaben der Gemeinschaft zugunsten der dSSO ziierten Länder, nämlich Beihilfen für Ölsaaten und Saatenöle, ist am 25. Juli eine Sonderregelung getroffen worden. Ich glaube daher, daß ein Rückgriff auf die Ratsentschließung aus dem Jahre 1963 über die Erhebung einer Fettsteuer zur Lösung der Finanzierungsprobleme der Fettmarktordnung nicht notwendig ist.Zur nächsten Frage: Im Ministerrat sind vom 29. April bis 1. Mai 1968 vor allem Probleme des Milchmarktes erörtert worden. Dabei sind jedoch keine Entscheidungen oder Vorentscheidungen gefallen, auch nicht über die Fettsteuer. Die deutsche Delegation hat im übrigen auch keinen Zweifel daran gelassen, daß die Einführung einer Fettsteuer gemäß Art. 201 des EWG-Vertrages nur mit Zustimmung der nationalen Parlamente erfolgen könnte. Die Bundesregierung hat im Jahre 1963 einem Beschluß zugestimmt, der die Erhebung einer Fettsteuer als eigene Einnahme der Gemeinschaft vorsah. An diesen Beschluß ist die Bundesregierung gebunden. Der Beschluß betraf jedoch alle pflanzlichen Fette und Seetierfette. Die Erhebung einer besonderen Steuer für Margarine ist bisher von keiner Seite vorgeschlagen worden. Über die Verwirklichung dieses Beschlusses und die Erhebung einer Fettsteuer entscheidet nicht die Bundesregierung, sondern das Parlament.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Mai 1968 9251
Zusatzfrage.
Herr Minister, darf ich also Ihrer Antwort entnehmen, daß Sie auch auf der Grundlage des Vermittlungsvorschlages des französischen Landwirtschaftsministers in der entscheidenden Runde am 29. Mai• keine andere Haltung einnehmen werden als die Ablehnung jeder Abgabe auf Fette, also auch auf Margarine?
Ich habe zum Ausdruck gebracht, Herr Kollege, daß es einen Beschluß vom Jahre 1963 gibt. Ich meine nicht, daß es richtig und gerechtfertigt ist, von Margarinesteuer zu reden. Man muß zwei Dinge scharf voneinander trennen: das eine ist der Fettmarkt mit der dazugehörigen Verordnung, zu der auch der Beschluß vom Jahre 1963 gehört, der vorsieht, die Einfuhr von Fett, pflanzlichen Fetten usw. zu besteuern, um eine eigene Einnahme zur Finanzierung dieser Fettmarktordnung zu erhalten; das ist aber ein Komplex für sich, der jetzt nicht zur Debatte steht. Das andere ist die Milchmarktordnung, bei der nicht nur von Präsident Faure, sondern von fünf Partnern — bisher mit einer gewissen Zurückhaltung Hollands; aber wir wissen, daß Holland zustimmen würde — und der Kommission vorgeschlagen worden ist, zur Finanzierung der Marktordnung und ihrer Ausgaben, insbesondere zur Entlastung der nationalen Haushalte, eine bescheidene Steuer vorzuschen. Dieser Vorschlag ist aber nicht mit dem identisch, was damals beschlossen worden ist. Die deutsche Delegation hat erklärt, daß sie die Entscheidung des Parlaments braucht und überhaupt keine Erklärung dazu abgeben kann.
Sie müssen aber noch wissen, daß auf dem Margarinesektor - den Sie hier ansprechen — die merkwürdigsten Verhältnisse herrschen. Wir finden dort nämlich die unterschiedlichsten Preise, die von 1,50 DM bis zu 5 DM für dasselbe Produkt gehen. Ich könnte mir vorstellen, daß im Rahmen dieser Preisstrategie durchaus Möglichkeiten bestünden, den Verbraucher zu schützen, wenn man den Steuerzahler, der wiederum der Verbraucher ist, ebenfalls schützen soll. So einfach und schlicht, wie man es aus Ihrer Frage entnehmen könnte, sind die Zusammenhänge nicht.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Minister, habe ich Sie richtig verstanden, wenn ich Ihre Antwort in der Richtung ergänze, daß Sie meinen, es könnte in der Preispolitik bei den Margarineherstellern ein Kartellmißbrauch betrieben werden, wenn dasselbe Produkt bei gleicher Qualität in der Gemeinschaft den Verbrauchern zu Preisen zwischen 1,50 DM und 5 DM angeboten wird?
Herr Kollege, ich habe nicht von Kartellmißbrauch gesprochen, sondern ich habe nur Fakten über die Margarinepreise in Holland, in Deutschland und in Italien mitgeteilt. Welche Schlüsse Sie daraus ziehen, ist Ihre Angelegenheit. Ich ziehe daraus keine Schlüsse, weil die Fakten für sich sprechen.
Dritte Zusatz-Trage.
Herr Minister, ich habe noch eine andere Frage. Wenn es doch einmal — hypothelisch unterstellt — zu dieser Abgabe käme, würde sie sich dann auf der Basis des Art. 201 des Vertrages regeln, also mit der Budgetkontrolle durch das Europäische Parlament, oder auf dem Umweg über eine Abgabe der Mitgliedsländer, wobei es also keine parlamentarische Kontrolle über diese Abgaben in Höhe von 350 Millionen DM in der Gemeinschaft geben würde?
Sie haben damit einen sehr wichtigen zusätzlichen Punkt angesprochen. Die deutsche Delegation hat sich immer, und zwar mit Erfolg, dafür stark gemacht, daß nur der Art. 201 in Betracht kommt. Die holländische Delegation ist sehr daran interessiert, daß die Kontrollmöglichkeiten des Europäischen Parlaments auf diese Weise zum erstenmal praktisch auf eine Ausgabenkontrolle erstreckt werden können. Das ist für die holländische und auch für die deutsche Delegation ein wichtiger Gesichtspunkt, um möglicherweise einer solchen bescheidenen Abgabe zur Entlastung der nationalen Haushalte zuzustimmen. Nach meinen Kenntnissen ist nicht zu befürchten, daß eine solche Abgabe auf Grund des Art. 43 angeordnet wird, vielmehr kommt nur eine solche gemäß Art. 201 — mit nationaler Parlamentszustimmung und Kontrolle durch das Europäische Parlament — in Betracht.
Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Meermann.
Werden also diejenigen Menschen, die billige Margarine essen möchten, weil sie sich keine teuren Fette leisten können, das auch in Zukunft tun können?
Ich hoffe es sehr, gnädige Frau.
Sie hoffen nur? Werden Sie auch etwas dafür tun, Herr Minister?
Mehr, als ich schon getan habe, kann man fast nicht tun.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Kriedemann.
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9252 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Mai 1968
Herr Minister, muß ich Sie so verstehen, daß Sie also doch in irgendeiner Weise damit rechnen, daß das, was Sie eine „bescheidene Abgabe" oder eine „bescheidene Steuer" nennen, schließlich eingeführt werden wird?
Herr Kollege, ich habe Ihnen schon gesagt, wie die derzeitige Verhandlungslage ist. Die Kommission und fünf Partnerstaaten sind dafür — vier Partnerstaaten sind kräftig dafür, der eine ist mit Zurückhaltung dafür, aber immerhin noch dafür —, und der einzige Widerstand, der bisher aufgebaut worden ist, kam von der deutschen Delegation. Wie das im Endergebnis im Rahmen eines großen Pakets einmal beschieden werden wird, weiß bisher überhaupt noch niemand.
Zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kriedemann.
Herr Minister, angesichts der Tatsache, daß es sich hier um die Belastung eines Bevölkerungsteils handelt — ob es sich um eine große oder um eine bescheidene Belastung handelt, hängt jeweils von dem Einkommen der Betreffenden ab —, und angesichts der Tatsache, daß es sich auch um eine Grundsatzfrage handelt, möchte ich jetzt von Ihnen wissen, ob die Bundesregierung, vertreten durch Sie, in der entscheidenden Sitzung von ihrer Möglichkeit Gebrauch machen wird, eine solche Regelung in Europa unmöglich zu machen.
Herr Kollege, Sie sind so erfahren in europäischen Fragen, daß Sie ganz genau wissen, daß es bei den Verhandlungen, die jetzt zum 1. Juli anstehen und bei denen vielleicht zehn bedeutsame Fragen mit zusammenspielen, für einen Delegationsführer ganz unmöglich ist, eine Frage — und mag sie noch so wichtig sein herauszugreifen und zu sagen: Daran lassen wir den Termin 1. 7. und alles andere scheitern. Die Frage stellt sich so: Soll der Verbraucher besteuert oder soll der Verbraucher auf diese Weise belastet werden, wobei angesichts der unterschiedlichen Preisstrategie immer noch eine Chance bestehen müßte, den Verbraucher überhaupt zu schonen? Es steht nirgends geschrieben, daß der Verbraucher das bezahlen müßte. Ich könnte mir vielleicht vorstellen, daß, wenn die Margarine in Holland um die Hälfte billiger ist als in der Bundesrepublik, durchaus auch ein anderer Weg gesucht werden kann. Der Verbraucherschutz könnte bei diesen Fabrikaten vom Erzeuger durchgeführt werden. Das scheint mir der beste und der gerechteste Weg zu sein, eine solche Spanne auf ein etwas bescheideneres Maß zurückzuführen.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Mommer.
Herr Minister, könnten Sie dem Hause sagen, welchen Rat Ihnen Ihr Kollege Wirtschaftsminister gibt, der für die Preispolitik in diesem Lande verantwortlich ist, und Ihr Kollege Familienminister, der doch besorgt sein muß, wenn kinderreichen Familien mit kleinem Einkommen die Margarine auf dem Brot verteuert wird, damit die Butter teuer bleiben kann, die sie nicht kaufen können?
Herr Kollege, so einfach sind die Dinge nicht. Der Kollege Wirtschaftsminister und der Kollege Familienminister befinden sich mit mir in absoluter Übereinstimmung. Wir waren nämlich bisher alle dagegen. Wir sehen uns nur einer geschlossenen Front gegenüber, nämlich der Kommission und fünf Partnerstaaten. Das ist die Situation. Es geht gar nicht darum, hier in einem völlig freien, in einem luftleeren Raum, so möchte ich einmal sagen, zu agieren, sondern es geht darum, in einer sehr schwierigen Situation eine Lösung zu finden, und ich sage Ihnen ja immer wieder: ich glaube, daß es möglich sein müßte, wenn diese fünf Partnerstaaten und die Kommission von ihrer Haltung nicht abgehen, im Rahmen der Preisgestaltung den Ausgleich zu finden, ohne daß der Verbraucher geschädigt wird. Im übrigen, Herr Kollege Mommer, haben Sie, glaube ich, davon gelesen, daß es der Bundesernährungsminister ist, der Überlegungen anstellt, wie er den Butterkonsum durch Verbilligung verstärken kann. Ich möchte der breiten Masse nicht nur Margarine, sondern auch billige Butter offerieren. Das sind die Bemühungen, mit denen sich die Bundesregierung herumschlägt.
Gut, billige Margarine und billige Butter!
Das ist genau mein Vorschlag.
Dieses Statement ersetzt eine zweite Zusatzfrage. — Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Bading.
Herr Minister, haben Sie diese ganzen Fragen auch mit Ihrem Kollegen, dem Herrn Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, besprochen, und hat er sich damit einverstanden erklärt, daß den Entwicklungsländern durch eine Erschwerung und Verteuerung ihrer Ausfuhr von Margarinerohstoffen ein Schaden zugefügt wird, der in einem diametralen Gegensatz zu der Förderung steht, die wir gegenüber den Entwicklungsländern betreiben?
Herr Kollege, die Sache ist so: die Beratungen der Bundesregierung gehen nicht so vor sich, daß ich von Türe zu Türe gehe und Einzelgespräche führe, sondern solche Fragen werden im Kabinett gemeinsam beschlossen; es beschließt nicht ein Minister, sondern die Regierung.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Mai 1968 9253
Bundesminister HöcherlDie Regierung hat bereits im Jahre 1963 einen solchen Grundsatzbeschluß gefaßt. Daß es bisher nicht dazu gekommen ist, war dem Widerstand der deutschen Delegation zuzuschreiben.Ich wundere mich, daß trotz wiederholter Erklärungen keiner von den Fragestellern darauf eingehen will, daß in der Preisstrategie bei der Margarine noch einiges enthalten ist, das die Entwicklungsländer und außerdem den Verbraucher schützt. Hier gibt es meines Erachtens noch einen interessanten Spielraum. Eigentlich hätte ich erwartet, daß Sie auf diese Spanne losgehen, daß Sie nicht auf den Steuerzahler oder auf unseren Haushalt losgehen, sondern auf diese Spanne. Meines Erachtens haben Sie das Ziel verfehlt.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Minister, sind Sie nicht mit mir der Ansicht, daß es unzulässig ist, den Fragestellern vorzuschreiben, was sie zu fragen haben?
Ich habe Ihnen gar keinen Vorwurf gemacht, sondern ich habe mich mit Ihrer Frage auseinandergesetzt. Sie fragen scharf, und ich antworte scharf. Das ist der richtige Stil.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Logemann.
Herr Bundesminister, können Sie mir ein nachweisbares Beispiel dafür nennen, daß die Bundesregierung in Brüssel, wenn fünf Länder für eine Maßnahme waren, schon einmal nein gesagt hat und beim Nein geblieben ist?
Ich weiß, es gibt keinen absoluten Wert des Nein oder des Ja. Es kommt immer nur darauf an, um welche Dinge es sich handelt. Ich glaube nicht, daß wir hier in einen Wettbewerb des Nein-Sagens eintreten sollten. Ich gehe einen Wettbewerb ein, für Europa das herauszuholen, was überhaupt nur herauszuholen ist. Das ist mein Wettbewerb!
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Ravens.
Herr Minister, habe ich Ihre vorhergehende Antwort recht verstanden, daß Sie die Preisstrategie der Margarinekonzerne neuerdings als Alibi für eine zusätzliche Fettsteuer heranziehen,
und darf ich Sie gleichzeitig fragen, was Ihr Haus getan hat, — —
Einen Augenblick, erst die eine Zusatzfrage, und dann kommt die nächste. — Zur Beantwortung der ersten Frage.
Herr Kollege, ich brauche kein Alibi, ich habe einen Bericht gegeben. Zweitens habe ich auf die Tatsache von 1963 verwiesen, den Beschluß über die Fettmarktordnung. Dieser Beschluß steht noch im Raum; er ist von allen Ländern, auch von der Bundesrepublik getragen. Ich konnte bisher verhindern, daß man ihn auf die Milchmarktordnung übertragen hat. Ich wüßte nicht, daß ich ein Alibi brauche, wenn ich bisher etwas verhindert habe.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Minister, darf ich Sie fragen, ob es einen förmlichen Kabinettsbeschluß gibt, in Brüssel einer solchen Fettsteuer nicht zuzustimmen.
Nein, es gibt keinen förmlichen Kabinettsbeschluß, sondern das Kabinett ist sich darüber einig, daß bei all diesen Beschlüssen, die ja immer wieder aus schon sichtbaren und zum Teil dann unerwarteten Bestandteilen in den Marathonsitzungen entstehen, größte Schonung zu üben ist, a) was unsere finanziellen Verpflichtungen betrifft, b) was die beteiligten Bevölkerungskreise betrifft, daß aber c) noch mehr getan werden muß, um Europa zu erreichen. Das ist das Bezugssystem, aus dem ein Gleichgewicht hergestellt werden muß. Es geht nicht an, hier einen Punkt herauszunehmen und zu sagen: Dieser Punkt wird so verhandelt. Dann könnte es sein, daß Kennedy-Runde und viele andere große und bedeutsame Gesichtspunkte unter Umständen scheitern. So lassen sich solche Komplexe nicht verhandeln.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Ertl.
Herr Minister, trifft es zu, daß die Befürworter der Margarinesteuer deshalb so argumentieren, weil im Rahmen der Preisstrategie der Konzern Margarineunion im Bereich der EWG bis zu dreihundertfache Spannen hat?
Nein, hier wird kein Motivwettbewerb veranstaltet. Maßgebend ist vielmehr, daß sich die beteiligten Länder überlegen, ob es möglich ist, die Haushalte der einzelnen Staaten in ihrem Beitragssystem noch mehr zu strapazieren, oder ob wir einen anderen Weg finden sollten. Bezahlt werden muß ja so oder so. Die Entscheidung geht allein darum: Was ist die schonendste Maßnahme? Da sind die Meinungen verschieden. Die einen sagen: Die schonendste Maßnahme ist eine
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9254 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Mai 1968
Bundesminister HöcherlFettbesteuerung. Die deutsche Delegation hat erklärt: Wir müssen einen anderen Weg finden. Das ist die Situation.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Minister, ich darf dann noch einmal fragen: Habe ich falsch gelesen, daß z. B. Frankreich behauptet, daß, wenn die Margarine in Holland nur 1,70 DM und in Italien beinahe 7 DM kostet, offensichtlich erheblich viel Luft darin ist?
Herr Kollege, Sie haben nicht falsch gelesen, sondern Sie haben richtig gelesen, aber etwas Falsches.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Kurlbaum.
Herr Minister, glauben Sie, daß von seiten der Bundesregierung etwas getan werden kann, um die Kommission zu veranlassen, daß das schon seit langem laufende Verfahren zur Untersuchung der Preisverhältnisse auf dem Margarinemarkt in der Wirtschaftsgemeinschaft beschleunigt und nunmehr zu einem Abschluß geführt werden kann?
Danke sehr fair die Anregung, Herr Kollege. Ich glaube, das ist eine sehr wichtige Anregung. Ich werde die nächste Gelegenheit benützen, um die Kommission auf diesen Gesichtspunkt hinzuweisen.
Wir kommen zu den Dringlichen Mündlichen Anfragen gemäß § 111 der Geschäftsordnung aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Ich rufe die Frage 1 des Herrn Abg. Schulte auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die in Vorbereitung des „Sternmarsches auf Bonn" durch das „Kuratorium Notstand der Demokratie" verbreiteten Parolen, daß angeblich unter anderem die Gefahr bestehe, daß morgen die Bundesrepublik diktatorisch regiert werde, die Bürger zur Rüstungsarbeit dienstverpflichtet, Autos beschlagnahmt, Streik, zerschlagen und den gewerkschaftlichen Rechten der Boden entzogen würde?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident, ich würde wegen des engen sachlichen Zusammenhangs bitten, diese Frage des Herrn Kollegen Schulte zusammen mit der Frage des Herrn Abg. Dr. Frerichs — das ist die Frage 3 — beantworten zu dürfen, wenn die beiden Herren einverstanden sind.
Ist Herr Abg. Frerichs im Saal?
— Herr Abg. Dr. Frerichs ist einverstanden. Bitte sehr. Ich rufe auch die Frage 3 des Abgeordneten Dr. Frerichs auf:
Was hält die Bundesregierung von der Argumentation der Organisatoren z. B. der Behauptung, die Notslandsgesetzgebung werde Wegbereiter einer neuen Diktatur sein?
Mit den von Ihnen, meine Herren Abgeordneten, erwähnten und ähnlichen Parolen versuchen die Veranstalter des Sternmarsches, die Bürger über die wirklichen Probleme einer Vorsorgegesetzgebung für Zeiten der Not hinwegzutäuschen. Ganz einseitig werden diejenigen Regelungen herausgegriffen, die für den Bürger Belastungen bringen könnten. Dies geschieht in einer den wirklichen Inhalt der beabsichtigten Regelung verzerrenden Art. Die wirklichen Probleme und Gesichtspunkte der Notstandsverfassung werden dabei verschwiegen. So entsteht ein Bi kl der Notstandsgesetze, das diese als ausschließlich gegen den Staatsbürger gerichtet erscheinen läßt.Die wirkliche Zielsetzung der Notstandsverfassung ist aber genau entgegengesetzt.
Das Anliegen der Notstandsgesetze ist gerade nicht, eine Diktatur zu etablieren, sondern es geht im Gegenteil darum, die freiheitlich-demokratische Grundordnung auch in Ausnahmezeiten zu sichern und Einschränkungen der Freiheit des einzelnen auf ein Mindestmaß zu beschränken. Das Hauptziel der Notstandsverfassung ist, dem Staat im Falle einer Gefahr die Möglichkeiten zu schaffen, sich schnell und wirksam zu verteidigen und die Existenzgefährdung aller Bürger durch die Folgen einer solchen Bedrohung abzuwehren.Um dieses Ziel zu erreichen, wird es nicht zu umgehen sein, daß dem einzelnen Bürger im Interesse aller und in seinem eigenen Interesse auch Pflichten auferlegt werden. Die Bundesregierung und das Parlament sind sich jedoch darin einig, daß derartige Belastungen auf ein Mindestmaß beschränkt und an strenge rechtsstaatliche Voraussetzungen geknüpft werden müssen.Ohne daß ich hier auf die Fülle der gegen die Notstandsverfassung ins Feld geführten Parolen eingehen möchte, möchte ich doch nachdrücklich hervorheben, daß durch die Notstandsverfassung insbesondere auch die Rechte der Arbeitnehmer und ihrer Gewerkschaften auch in Krisenzeiten voll aufrechterhalten werden. Dies gilt insbesondere auch für die Koalitions- und Arbeitskampffreiheit.Der Deutsche Bundestag wird in Kürze Gelegenheit haben, sich mit allen Einzelheiten der Notstandsverfassung zu befassen, wenn die vom Rechtsausschuß dieses Hohen Hauses erarbeitete Fassung beraten wird. Ohne diesen Beratungen vorgreifen zu wollen, kann man wohl jetzt schon sagen, daß diese Fassung ein Höchstmaß an Garantien zur
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Mai 1968 9255
Bundesminister BendaSicherung der Freiheitsrechte des einzelnen enthält. Der Entwurf legt besonderes Gewicht darauf, daß das Parlament auch in der Stunde der Not die für das Staatsleben und die Sicherung der Demokratie notwendigen Entscheidungen trifft. Dieser Entwurf der Notstandsgesetze hält jedem Vergleich mit den Vorsorgeregelungen anderer westlicher Demokratien stand. Die geplante Regelung wird zu den freiheitlichsten der Welt zählen. Wer angesichts dieser Tatsachen einseitig bestimmte Regelungen herausgreift, trägt nicht zu einer sachlichen Diskussion bei, sondern setzt sich eher dem Verdacht aus, daß er darauf spekuliert, durch eine solche Agitation geweckte Emotionen für seine Zwecke, aber zum Schaden der Demokratie einsetzen zu können.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schulte.
Herr Minister, was beabsichtigt die Bundesregierung künftig noch zu tun, um das, was Sie eben ausgeführt haben, unserem Volk deutlich zu machen?
Ich würde vorschlagen, Herr Kollege Schulte, diese Frage im Zusammenhang mit der von Frau Kollegin Enseling gestellten Frage über die Aufklärungsarbeit der Bundesregierung mit beantworten zu dürfen. Ich werde im einzelnen dazu Stellung nehmen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Matthöfer.
Herr Minister, trifft es zu, daß die vom Rechtsausschuß beschlossene Regelung vorsieht, daß Dienstverpflichtungen im Bündnisfall auch außerhalb der Spannungszeit und ohne Zustimmung des Bundestages vorgenommen werden können?
Herr Kollege Matthöfer, Sie kennen wie ich den Inhalt der Ergebnisse der Beratungen des Rechtsausschusses. Hieraus ergibt sich, daß Dienstverpflichtungen nur unter den engen Voraussetzungen des Art. 12 a der Fassung des vorliegenden Entwurfs zulässig sind, d. h. nur für die dort genannten Zwecke, nur unter Berücksichtigung des Vorranges der Freiwilligkeit, das heißt nur dann, wenn andere Möglichkeiten nicht gegeben sind, unter parlamentarischer Mitwirkung, soweit nicht der von Ihnen eben als Bündnisfall bezeichnete Fall der Klausel des Art. 80 a Abs. 3 des Entwurfs in der vorliegenden Fassung gegeben ist, nämlich die Notwendigkeit, Konsequenzen aus unserer Zugehörigkeit zum nordatlantischen Bündnis zu ziehen.
Zweite Zusatzfrage.
Ich verstehe Sie richtig, Herr Minister, es ist also möglich, dienstzuverpflichten, ohne daß vorher das Parlament mit Zweidrittelmehrheit oder mit irgendeiner qualifizierten Mehrheit zugestimmt hat?
Herr Kollege Matthöfer, ich schlage vor, daß wir die Einzeldiskussion an dem Tage führen, an dem das hier im Parlament beschlossen werden wird.
Ich stelle mich dann sehr gern und mit Vergnügen den Fragen nach allen Einzelheiten. Der Ruf des Herrn Kollegen Dorn „Aha!" ist für mein Empfinden völlig überflüssig.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Busse.
Herr Minister, sind Ihnen oder der Bundesregierung Äußerungen, wie sie in der Frage des Herrn Abgeordneten Schulte enthalten sind, wie etwa die, daß morgen die Bundesrepublik diktatorisch regiert werde, wenn die Notstandsgesetze angenommen würden, bekanntgeworden?
Oh ja, Herr Kollege Busse. Ich habe hier in Ablichtung eine ganze Fülle von „Aktionsbriefen", wie diese Arbeiten heißen, sowie ähnliche Flugschriften einzelner Veranstalter und der Gesamtveranstalter. Wenn wir Zeit hätten und das Haus die Geduld hätte, würde ich das alles gern hier vorlesen. Da stehen noch ganz andere Dinge drin.
Zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Busse.
Die zweite Zusatzfrage geht dahin: Können Sie mir etwa zu der eben von mir gestellten Frage sagen, wer die Behauptung aufgestellt hat, daß im Falle der Annahme der Notstandsgesetze die Bundesrepublik morgen diktatorisch regiert werde?
Herr Kollege Busse, es gibt eine Empfehlung der Veranstalter, die bei der Anfertigung von Spruchbändern Berücksichtigung finden soll. Da ist eine Reihe von Parolen genannt. Es gibt ja solche Modelle auch in anderen Bereichen, in denen derartige Parolen empfohlen werden. Und darunter befindet sich eben die Parole, auf die sich die Frage des Herrn Kollegen Schulte bezogen hat, neben einer Reihe von anderen, dem Inhalt und der Tendenz nach vergleichbaren Parolen. Ich bin gern bereit, Ihnen die Liste dieser Parolen zur Verfügung zu stellen. Ich habe sie bei mir.
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9256 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Mai 1968
Ich rufe die Frage Nr. 2 des Herrn Abgeordneten Hauser auf:
Wie stellt sich die Bundesregierung zu der beabsichtigten Notstandsdemonstration, durch die in der Bevölkerung des Bonner Raumes Besorgnisse ausgelöst wurden?
Ist der Herr Abgeordnete Hauser im Saal? — Bitte, Herr Minister.
Der für den 11. Mai angekündigte Sternmarsch auf Bonn ist im März dieses Jahres vom Kuratorium „Notstand der Demokratie" in Frankfurt am Main beschlossen und vorbereitet worden. Träger dieses Kuratoriums „Notstand der Demokratie" sind 52 Persönlichkeiten, darunter 20 Professoren, 6 Schriftsteller, 11 Gewerkschaftler und 3 Theologen. Hauptamtlicher Sekretär dieses Kuratoriums ist ein hauptamtlicher Angestellter der Industriegewerkschaft Metall, Herr Helmut Schauer. Das Büro des Kuratoriums wird von der Industriegewerkschaft Metall diesem Herrn Schauer zur Verfügung gestellt und finanziert.
Die Arbeit des Kuratoriums und insbesondere die Vorbereitung des für morgen beabsichtigten Sternmarsches auf Bonn wird von einer Reihe von Organisationen unterstützt; ich erwähne den Verband Deutscher Studentenschaften, den SDS, SHB, LSD, Humanistische Studentenunion, Naturfreunde-Jugend, Verband der Kriegsdienstverweigerer, Republikanischer Club, DFU, VVN, Deutsche Demokratische Union des Saarlandes, Kampagne für Abrüstung, die seit Januar dieses Jahres Kampagne für Demokratie und Abrüstung heißt. Ein Teil dieser Organisationen sind kommunistische oder kommunistisch unterwanderte Organisationen.
Das Zentralkomitee der in der Bundesrepublik verbotenen Kommunistischen Partei hat alle Notstandsgegner zum Handeln aufgerufen, alle von ihm selbst beabsichtigten Tätigkeiten gegen die beabsichtigte Notstandsregelung abgebrochen und dem Kuratorium die volle Unterstützung aller Kommunisten zugesichert. Die kommunistischen Organisationen in der Bundesrepublik Deutschland haben sich in die Vorbereitung der Demonstration seit Monaten aktiv eingeschaltet. Die gesamte kommunistische Presse in Ost und West und auch der „Freiheitssender 904" führen eine ständige Diffamierungskampagne gegen die Notstandsgesetzgebung durch.
Die Bundesregierung hält die beabsichtigte Demonstration nicht für ein geeignetes Mittel, die notwendige Sachdiskussion über die Notstandsverfassung zu fördern. Wenn man nach den ausgegebenen Parolen zu urteilen hat, dann scheint es den Veranstaltern und auch einem Teil der Teilnehmer nicht auf Argumente, sondern auf Agitation anzukommen.
Die Bundesregierung weiß, daß nach Art. 8 des Grundgesetzes jeder Deutsche das Recht hat, auch gegen die Notstandsgesetzgebung oder andere beabsichtigte Regelungen im Rahmen der geltenden Gesetze zu demonstrieren. Diese Versammlungsfreiheit wird allerdings nicht dazu berechtigen, Gesetze zu brechen oder etwa Gewalt anzuwenden. Das Land Nordrhein-Westfalen hat die erforderliChen Vorkehrungen getroffen, um etwaigen Vorkommnissen rasch und wirksam zu begegnen. Die Bundesregierung erwartet jedoch, daß die angekündigte Demonstration friedlich verläuft. Sie bittet die Bonner Bevölkerung, sich trotz eines verständlichen Ärgers über Belästigungen, die der Sternmarsch für viele möglicherweise mit sich bringen wird, nicht provozieren und zu Handlungen hinreißen zu lassen, die zu Zwischenfällen führen könnten.
Zusatzfrage!
Herr Minister, würden Sie uns bitte sagen, wo die Bundesregierung die Abgrenzung zwischen dem Recht auf Demonstration einerseits und dem Recht der Bürgerschaft auf unbehinderten Zugang zu ihren Wohnungen und Arbeitsstätten andererseits sieht?
Ich hatte schon vor etwa einer Woche in anderem Zusammenhang Gelegenheit, mich mit dieser Frage auseinanderzusetzen, Herr Kollege Hauser. Selbstverständlich ist das Recht der Demonstration als Teil des Rechtes auf freie Meinungsäußerung verfassungsrechtlich gewährleistet. In gleicher Weise ist das Recht des einzelnen Staatsbürgers gewährleistet, seiner Betätigung nach eigener freier Entscheidung auch hier im Rahmen der Gesetze nachzugehen. Wenn beide Rechte miteinander in Kollision geraten, dann ist es die Verantwortung aller Beteiligten und der zuständigen Behörden, einen Weg zu finden, der in möglichst optimalem Maße die gegeneinanderstehenden Interessen ausgleicht und jedem die Möglichkeit gibt, ohne Beeinträchtigung der Rechte des anderen seine Rechte auszuüben.
Zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Hauser.
Herr Minister, was hält die Bundesregierung davon, daß in Bonn die Schulen anläßlich dieser Demonstration geschlossen werden, die Eltern schriftlich zu bestätigen haben, daß sie davon Kenntnis genommen haben, daß sie ihre Kinder nur unter eigener Verantwortung auf die Straße schicken dürften, während andererseits in verschiedenen Ländern Schulkindern frei gegeben wird, um eben an dieser Demonstration in Bonn teilnehmen zu können?
Ich möchte Herrn Kollegen Hauser vorschlagen, daß wir die Beurteilung dieser Vorgänge den hierfür zuständigen Parlamenten überlassen.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Mai 1968 9257
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg.
Herr Bundesminister, Sie haben eben den Begriff „Notstandsgegner" übernommen. Da ich mich ausdrücklich als Notstandsgegner bekenne und die Sprachverwirrung nicht noch weitertreiben möchte — ich glaube, wir sind alle Gegner des Notstands —, frage ich: Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um dieser Sprachverwirrung entgegenzutreten, die vor allem dadurch entstanden ist, daß man für diese Gesetzgebungsvorhaben die unglückliche Bezeichnung „Notstandsgesetze" gewählt hat?
Herr Kollege Dr. Schulze-Vorberg, ich hatte vor, im weiteren Verlauf unserer Beratungen — ich nehme an, daß ich dazu noch Gelegenheit haben werde — genau dasselbe zu sagen, was Sie eben gesagt haben. Wenn Sie fragen, was die Bundesregierung tun wird, dann möchte ich für meine Person sagen: Auch ich werde in Zukunft besser aufpassen, damit mir ein solcher sachlich falscher Ausdruck nicht unterläuft. Gemeint ist nichts anderes als das, was Sie gesagt haben.
Zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg.
Da Sie eben erwähnt haben, Herr Bundesminister, daß Behörden des Landes Nordrhein-Westfalen morgen Zuständigkeiten haben werden, um die Ordnung im Bonner Raum aufrechtzuerhalten, darf ich fragen, welche Behörden und welche Persönlichkeiten in Nordrhein-Westfalen zuständig sind.
Herr Kollege Schulze-Vorberg, ohne daß ich zuständig bin, die Zuständigkeiten innerhalb des Landes Nordrhein-Westfalen zu regeln oder auch nur hier zu erläutern, kann ich Ihnen sagen, da es mir bekannt ist, daß für die Fragen im Raum Bonn der Herr Polizeipräsident von Bonn zuständig ist. Er trägt die Verantwortung für den gegebenenfalls notwendigen Einsatz der Polizei für den ordnungsmäßigen Ablauf der Veranstaltung. Ihm werden, soweit erforderlich, Polizeikräfte aus dem Bereich des Landes Nordrhein-Westfalen hierfür zur Verfügung gestellt.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Haase.
Herr Bundesminister, Sie haben eben noch einmal verdeutlicht, daß in unserem Land nur Deutsche das Recht haben zu demonstrieren. Ich habe nun der Presse entnommen, daß sich Demonstrationsgruppen aus dem Ausland morgen nach Bonn begeben wollen. Was beabsichtigt die deutsche Regierung zu unternehmen, um zu verhindern, daß Bonn morgen Tummelplatz von internationalen linksextremistischen Gruppen wird, die unsere Ruhe und Ordnung zu stören beabsichtigen?
Ich würde davon ausgehen, Herr Kollege Haase, daß der Bundesregierung und den zuständigen Stellen dieses Problem bekannt ist, und würde vorschlagen, in Ruhe abzuwarten, wie das morgen gehen wird. Ich glaube, man kann davon ausgehen, daß das Recht zu demonstrieren in erster Linie von denen ausgeübt werden soll, die berechtigt sind, an einer innenpolitischen deutschen Diskussion teilzunehmen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Matthöfer.
Herr Minister, es wurde vorhin auf die Schulfreigabe in einigen Ländern hingewiesen. Darf ich Sie fragen, ob es Ihnen bekannt ist, daß z. B. im Lande Hessen nur nichtschulpflichtige Kinder über 16 Jahre und auch diese nur auf Wunsch ihrer Eltern vom Unterricht für diesen Tag freigestellt werden können?
Ja, Herr Kollege Matthöfer, ich habe vorhin das Vergnügen gehabt, das Schreiben Ihres Fraktionsvorsitzenden Helmut Schmidt an die Kollegen Ihrer Fraktion durchzulesen. Ich glaube, daß der sachliche Inhalt dieses Schreibens — wenn ich mir diese Beurteilung erlauben darf — vollauf zutreffend ist. Daraus ergibt sich die Richtigkeit Ihrer Angaben.
Zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Matthöfer.
Sehen Sie nicht auch, Herr Minister, mit mir darin eine wünschenswerte Bestätigung des Elternrechts?
Ich möchte mich auch Ihnen gegenüber, Herr Kollege Matthöfer, nicht in eine Diskussion darüber einlassen, ob die Teilnahme von minderjährigen Schülern an einer solchen Veranstaltung eine sehr zweckmäßige und sinnvolle Ausübung sei es des Elternrechts, sei es des Rechts der Kinder auf Teilnahme an politischen Veranstaltungen ist.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Baier .
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9258 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Mai 1968
Herr Bundesminister, sind Sie bereit, nach Abschluß der Bonner Demonstrationen mitzuteilen, wie hoch sich der finanzielle Aufwand von Bund und Ländern beläuft, der notwendig wird, um Sicherheit und Ordnung für die Bürger hier in Bonn zu wahren?
Herr Kollege Baier, ich würde doch vorschlagen, daß wir zunächst einmal den Ablauf abwarten und dann hinterher Überlegungen anstellen, in welcher Form Bilanz zu ziehen ist und welche Konsequenzen sich z. B. im Hinblick auf die von Ihnen erwähnte Frage ergeben. Ich glaube, einen Tag vorher sind wir nicht ganz so schlau wie einen Tag nachher. Wollen wir doch warten bis einen Tag nachher!
Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Kalinke.
Herr Bundesminister, würden Sie bereit sein, hinterher auch zu prüfen, welche der von Ihnen genannten Organisationen aus dem Bundesjugendplan oder aus dem Haushalt des Bundes Mittel erhalten und wie diese Mittel verwandt werden?
Frau Kollegin Kalinke, da brauche ich nicht bis hinterher zu warten; denn das ist mir selbstverständlich bekannt, und ich könnte das im einzelnen darstellen.
Darf ich Sie bitten, Herr Minister, uns darüber etwas zu sagen, weil wir ja in unseren Wahlkreisen danach gefragt werden.
Man kann zusammenfassend sagen — ich nehme an, daß Sie nicht nach jeder einzelnen Organisation fragen wollen —, daß der Verband Deutscher Studentenschaften aus diesen Mitteln unterstützt wird und daß die studentischen Organisationen — wenn ich von dem SDS als einem gewissen Sonderfall im Augenblick einmal absehe — ebenfalls aus öffentlichen Mitteln unterstützt werden. Die Zahlung von öffentlichen Mitteln an den SDS ist im wesentlichen eingestellt worden. Hiergegen läuft ein Prozeß, der zur Zeit noch nicht rechtskräftig entschieden ist.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Althammer.
Herr Minister, ist der Bundesregierung etwas darüber bekannt, ob Organisationen oder Einzelpersonen, die an der morgigen Demonstration teilnehmen wollen, inzwischen bereits Parolen über Gewaltanwendung gegen Sachen oder ähnliches ausgegeben haben?
Bei den Parolen handelt es sich, wie ich annehme, um dieselben, nach denen Herr Kollege Busse vorhin gefragt hat. Diese Parolen versuchen eine bestimmte Meinung zum Ausdruck zu bringen, zum Teil in einer sehr zugespitzten Form. Sie haben nicht den Inhalt, den Sie unterstellen. Es gibt aber eine Reihe von anderen Erkenntnissen über mögliche Absichten von einzelnen Teilnehmern einzelner Gruppen. Sie werden verstehen, daß ich bei dieser Gelegenheit davon absehen möchte, hierüber etwas zu sagen.
Ich rufe die Frage 4 auf Drucksache V/2890 der Frau Abgeordneten Enseling auf:
Was ist geschehen, um die Bevölkerung über die beabsichtigte Notstandsgesetzgebung aufzuklären?
Frau Kollegin Enseling, das Bundesministerium des Innern hat laufend seit langer Zeit Presse, Rundfunk und Fernsehen über die Absichten der Bundesregierung bei der Vorbereitung der Notstandsgesetzgebung unterrichtet. Die überwiegende Mehrheit dieser Medien hat insbesondere aus Anlaß der öffentlichen Anhörungstermine vor dem Rechts- und Innenausschuß im November und Dezember des vergangenen Jahres über die Notstandsproblematik ausführlich und objektiv berichtet. Die Öffentlichkeitswirkung vor allem der Übertragungen der Anhörungsverfahren im vergangenen Herbst ist sehr hoch gewesen. Eine der Rundfunkanstalten hat mir beispielsweise mitgeteilt, daß bei der ersten Übertragung des ersten Anhörungsverfahrens tagsüber mehr als eine Million Fernsehgeräte eingeschaltet waren, woraus sich eine entsprechende Teilnehmerzahl, die ein Mehrfaches dieser Zahl betragen dürfte, ergibt.Durch eine intensive Öffentlichkeitsarbeit wurde das Bemühen um eine Versachlichung der Diskussion und eine objektive Unterrichtung der Öffentlichkeit kontinuierlich fortgesetzt. Jeder, der von meinem Hause informiert werden wollte, hat diese Information auch erhalten. Insbesondere in dieser Legislaturperiode wurden in den Informationsreihen „schwarz auf weiß" und „Tatsachen/Meinungen" und in Sonderveröffentlichungen zum Thema der Notstandsgesetzgebung mehr als zwei Millionen Publikationen allein über das Thema „Notstandsgesetzgebung", und zwar fast durchweg auf Anforderung der interessierten Personen, versandt. in zahlreichen Veranstaltungen haben Beamte meines Hauses in Referaten und Diskussionen zum Thema der Notstandsgesetzgebung Stellung genommen. Sie haben das, nebenbei gesagt, in anerkennenswerter Weise zu einem sehr großen Teil außerhalb ihrer Dienstzeit getan, um auch ihren Beitrag zur Versachlichung der außerparlamentarischen Diskussion zu leisten. Ich selbst habe mich, ebenso wie sehr viele Mitglieder dieses Hohen Hauses, vor allem die Mitglieder der Ausschüsse, die mit der Materie besonders beschäftigt waren, sehr oft in Wort und Schrift und in zahllosen Diskussionen außerhalb des Parlaments im Universitätsbereich und anderweitig um eine Versachlichung der öffentlichen Erörterungen bemüht.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Mai 1968 9259
Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, meinen Sie, es ist sichergestellt, daß auch im weiteren Verlauf der Beratungen bis zu einer etwaigen Verabschiedung der Vorsorgegesetze die Bevölkerung in einem angemessenen Maße aufgeklärt werden kann?
Ich glaube, daß das, was technisch gemacht werden kann, in weitem Umfange gewährleistet, daß dieses Ziel erreicht wird. Aus dem, was ich einleitend gesagt habe, Frau Kollegin, ergibt sich auch, daß eine sehr große Aufgeschlossenheit gegenüber diesen Publikationen vorhanden ist, bei denen wir uns übrigens bemühen, sie auch in einem modernen und lesbaren Stil zu gestalten. Ich glaube, daß man insgesamt die Öffentlichkeitsarbeit, die insbesondere in den zwei letzten Jahren betrieben worden ist, durchaus positiv werten kann. Ich glaube, daß sie ihren nachdrücklichen Erfolg in der Bildung der öffentlichen Meinung gehabt hat.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, meinen Sie, daß Sie auch darauf Einfluß nehmen können, daß es nicht nur in lesbarer Form geschieht, sondern daß es auch in einer für das Sehen und Hören geeigneten Weise in unseren anderen Informationsinstituten geschehen kann?
Sie zielen wahrscheinlich auf die Massenmedien Rundfunk und Fernsehen sowie auf die Presse ab. Dort hat es ja eine enge Zusammenarbeit, insbesondere bei den Anhörungsverfahren, gegeben, die ich erwähnt habe. Ich glaube, daß diese Tätigkeit des Deutschen Fernsehens — beider Fernsehanstalten doch auch wesentlich dazu beigetragen hat, die breite Öffentlichkeit zu informieren und die Diskussion zu versachlichen. Das ist jedenfalls das Ergebnis der Feststellungen, die wir nach den Anhörungsverfahren getroffen haben.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Mommer.
Herr Minister, Sie haben auf den Vergleich der hier geplanten Maßnahmen mit ähnlichen Gesetzen in anderen Demokratien hingewiesen. Wären Sie bereit, einen Kongreß von anerkannten Sachkennern zu befürworten, der diesen Vergleich hier in unserem Lande einmal anstellte, damit sich unsere Öffentlichkeit ein Urteil darüber bilden kann, wie nun unsere Maßnahmen in diesem internationalen Vergleich — Ost und West — zu beurteilen sind?
Das ist, Herr Kollege Dr. Mommer, ein sicherlich nachdenkenswerter Vorschlag. Ich darf aber daran erinnern, daß
in einem der Anhörungsverfahren ganztägig etwa über neun Stunden bereits speziell dieses
Thema, nämlich der Vergleich der von uns vorgesehenen Regelung mit Regelungen anderer westlicher Demokratien, durch international anerkannte Sachverständige vorgenommen worden ist, so daß ich meine, daß das Material an sich bereits erarbeitet ist. Es kommt nur darauf an, daß sich derjenige, der sich ein objektives Urteil bilden will, in den Besitz dieses Materials bringt; die Wege dazu glaube ich hier angedeutet zu haben.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ott.
Herr Bundesminister, sind Sie mit mir der Meinung, daß diese Informationsmöglichkeit, die nach Ihren Äußerungen bisher gegeben war, gerade dann um so notwendiger durch die Massenmedien — darunter das Fernsehen — gegeben werden sollte, wenn, wie zu erwarten ist, morgen eine mehrstündige Berieselung nur von der einen Seite erfolgen dürfte?
Ich möchte sehr hoffen, Herr Kollege Ott, daß auch die für die Berichterstattung über die Vorgänge von morgen zuständigen und verantwortlichen Stellen durch die Art ihrer Berichterstattung nicht etwa den Eindruck erwecken, als ob diejenigen Gruppen, die hier morgen demonstrieren werden, auch nur in irgendeiner Weise für die Meinung der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung repräsentativ wären.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Genscher.
Wird die Bundesregierung zwischen der zweiten und der dritten Lesung die deutsche Öffentlichkeit über das Ergebnis der zweiten Lesung und ihre Bedeutung mit ähnlich umfangreichen Publikationen unterrichten, wie das bei dem früheren Leber-Plan der Fall war?
Selbstverständlich wird die Bundesregierung die deutsche Öffentlichkeit über das Ergebnis der zweiten Lesung informieren, ebenso wie über das der dritten Lesung, soweit das nicht ohnehin durch die Berichterstattung der Presse, des Rundfunks und des Fernsehens geschieht.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg.
Herr Bundesminister, glauben Sie, nachdem Sie die Informationspolitik des Bundesinnenministeriums so betont haben, daß die Protestanten von morgen auch nur zu einem geringen Teil eine Kenntnis der Bestimmungen besitzen, um die es tatsächlich geht? Ist nicht das ganze Ja und das ganze Nein, das hier in der
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9260 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Mai 1968
Dr. Schulze-VorbergÖffentlichkeit ausgesprochen wird — vor allen Dingen das Nein — rein emotionell bedingt und eben ohne Kenntnis der tatsächlichen Fakten? Ist insofern Ihre Informationspolitik nicht doch angreifbar?
Herr Kollege Schulze-Vorberg, Ihnen ist sicherlich ein Lapsus linguae insofern unterlaufen, als Sie die Protestierer von morgen meinen und nicht die Protestanten.
„Protestant" ist ein festgelegter geschichtlicher Begriff.
Herr Minister!
Herr Kollege, ich möchte hier eigentlich davon Abstand nehmen, irgendein Pauschalurteil abzugeben. Ich komme mit sehr vielen auch dieser Menschen in Diskussionen zusammen; ich habe das erwähnt. Es gibt einen Teil; bei dem man wirklich sagen kann, daß er nicht die minimalen Kenntnisse hat, um wirklich über die Sache zu diskutieren. Andere haben sie, nur vergessen sie manchmal — manchmal auch sehr bewußt — das, was ihnen an Material vorliegt. Gelegentlich sieht man sie in den Veranstaltungen mit Publikationen zum Beispiel des Bundesministeriums, und dennoch sagen sie genau das Gegenteil von dem, was vor ihnen auf dem Tisch liegt und was sie selber eigentlich überzeugen müßte. Gelegentlich ist es also eigentlich eine Frage nicht des Wissens, sondern einfach des Willens.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schmidt .
Herr Benda, können Sie die Frage beantworten, was sich wohl eigentlich hinter dem Wort „Leber-Plan" verbirgt, das der Abgeordnete Genscher in seiner an Sie gerichteten Frage gebraucht hat, und können Sie dem Hause gleichzeitig mitteilen, daß die Beifügung des Wortes „früher" und die Erwähnung eines „früheren LeberPlans" durch den Abgeordneten Genscher ein böswilliger Versprecher war?
Erstens, Herr Schmidt, kann ich mir von dieser Stelle aus sicher nicht erlauben, von böswilligen Versprechern aus den Reihen der Mitglieder des Hohen Hauses zu sprechen. Ich nehme Ihre Meinung mit Interesse zur Kenntnis.
Ich möchte auch nicht so weit gehen, Herr Kollege
Schmidt, daß ich Ihnen ausdrücklich widerspreche.
Ich würde es mir im übrigen auch nicht erlauben wollen, den Versuch zu unternehmen, die Gedankengänge des Herrn Kollegen Genscher hier weiter aufzuklären.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes auf. Die ersten drei Fragen, die Fragen 20 bis 22 des Herrn Abgeordneten Lenders, werden schriftlich beantwortet:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß in Betrieben und griechischen Betreuungszentren die Wochenzeitung der griechischen Streitkräfte „Militärische Nachrichten" verteilt wird und in dieser Wochenzeitung alle Kritiker des griechischen Militärregimes einschließlich der europäischen Staaten, die eine Rückkehr Griechenlands zu demokratischen und rechtsstaatlichen Verhältnissen fordern, als kommunistische Agenten und Mitläufer bezeichnet werden, die die wahren Ideale von Freiheit, Demokratie und Christentum in Griechenland zunichte machen wollen?
Ist die Bundesregierung bereit, den Aussagen der an einer Verteilung der „Militärischen Nachrichten" in einem Düsseldorter Betrieb Beteiligten nachzugehen, nach denen die Verteilung von der griechischen Kommission beim Landesarbeitsamt Nordrhein-Weslfalen veranlaßt, die Zeitungen von dieser Kommission zur Verfügung gestellt und griechische Arbeitnehmer, die sich gegen die Verteilung wandten, von dieser Kommission mit Konsequenzen bei ihrer Rückkehr nach Griechenland bedroht wurden?
Falls die Aussagen der Beteiligten zutreffen: Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um eine derartige Propaganda der griechischen Militärregierung unter den hier arbeitenden griechischen Arbeitnehmern, insbesondere stier eine unter mißbräuchlicher Ausnutzung ihrer sozialen Betreuungsfunktion politische Tätigkeit der griechischen Kommission bei der Arbeitsverwaltung zu unterbinden?
Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Nun die Frage 23 des Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen:
In Ergänzung der Antwort der Bundesregierung auf meine Frage vom 16. Februar 1968 frage ich, ob der Gesetzentwurf eines Konsulargesetzes so rechtzeitig eingebracht wird, daß er noch vor Ablaut der Legislaturperiode verabschiedet werden kann.
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär im Auswärtigen Amt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich sagte bereits am 16. Februar 1968 an dieser Stelle, daß die Bundesregierung es für richtig hält, zunächst das Ratifizierungsverfahren zum Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen vom 24. April 1963 abzuschließen und erst danach den Entwurf des neuen Konsulargesetzes einzubringen. Der Grund dafür ist, daß zunächst die Tätigkeit unserer konsularischen Vertretungen im Ausland und der fremden konsularischen Vertretungen -im Bundesgebiet auf eine allgemein anerkannte Rechtsgrundlage gestellt werden muß. Erst dann sollte nach Auffassung der Bundesregierung das Konsulargesetz beraten werden, das sich nur mit der innerdeutschen Rechtsgrundlage der amtlichen Tätigkeit deutscher konsularischer Vertreter im Ausland befaßt.Der Entwurf des Zustimmungsgesetzes zum Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen ist zwar praktisch fertiggestellt. Es gibt jedoch noch Probleme, die der Klärung bedürfen. Dennoch
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Mai 1968 9261
Parlamentarischer Staatssekretär Jahnhält es die Bundesregierung für richtig, es bei der Entscheidung zu belassen, zunächst das Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen zur Zustimmung vorzulegen und erst danach den Entwurf des Konsulargesetzes einzubringen. Es ist anzunehmen, daß dieser Entwurf noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden kann.
Eine Zusatzfrage, Herr Schmitt-Vockenhausen,
Halten Sie es für möglich, Herr Staatssekretär, daß die Arbeiten innerhalb der Bundesregierung so vorangetrieben werden können, daß zumindest noch eine parallele Behandlung in den Ausschüssen des Hohen Hauses erreicht werden könnte?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung wird sich darum bemühen.
Ich komme zu den nächsten Fragen, Fragen 24 bis 26 des Herrn Abgeordneten Dr. Besold:
Welche Möglichkeiten besitzt die Bundesregierung, um dem deutschen Staatsangehörigen Hans Hermann Weyer, Feldafing, der mit Konsultiteln ausländischer Staaten gegen hohe Vermittlungsgebühren hausieren geht, das Handwerk zu legen?
Weiß die Bundesregierung, daß solche Titelgeschäfte hinter dem Rücken und ohne Wissen der zuständigen diplomatischen Vertretungen dieser Länder, mit denen die Bundesregierung freundschaftliche Beziehungen pflegt, erfolgen und solche Titelgeschäfte außerhalb der üblichen diplomatischen Kanäle geeignet sind, dem Ansehen der Bundesrepublik Deutschland bei den Regierungen der uns befreundeten Staaten zu schaden?
Stimmt es, daß der deutsche Staatsangehörige Hans Hermann Weyer von der bolivianischen Regierung zum Konsul für Luxemburg bestellt wurde, obwohl Herr Weyer, der in der Bundesrepublik Deutschland zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde, für die Belohnung mit einem solchen Titel im höchsten Maße ungeeignet zu sein scheint?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Darf ich die drei Fragen zusammen beantworten?
Bitte sehr!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung mißbilligt die entgeltliche Vermittlung von Konsultiteln und verfolgt die gelegentlich festgestellte Tätigkeit kommerzieller Vermittler für Konsultitel ausländischer Staaten seit vielen Jahren. Das Auswärtige Amt hat mit Unterstützung der Vertretungen der Länder beim Bund sowie der Staats- und Senatskanzleien der Länder und der deutschen Industrie- und Handelskammern in zahlreichen Einzelfähen zum Teil sehr umfangreiche Untersuchungen geführt und die betroffenen hiesigen fremden Missionen sowie die entsprechenden deutschen Botschaften aufgeklärt, wenn Erkenntnisse den Verdacht einer kommerziellen Vermittlung im Einzelfall bestätigten und dementsprechend kein Exequatur erteilt werden durfte. In mehreren Fällen haben Personen, die sich durch Vermittler geschädigt glaubten, Strafanzeigen erstattet und dadurch Ermittlungsverfahren in Gang gebracht. Das Auswärtige
Amt hat in allen bekanntgewordenen Fällen, in denen auch nur der Verdacht der Tätigkeit eines Vermittlers bestand, die Botschaft des Entsendestaates unterrichtet, in Zusammenarbeit mit allen in Frage kommenden Stellen Ermittlungen eingeleitet und nur dann das Exequatur erteilt, wenn auch die letzten Zweifel ausgeschlossen werden konnten, daß ein kommerzieller Vermittler bei der Ernennung durch den Entsendestaat eingeschaltet war. Die hiesigen fremden Missionen haben dabei mit dem Auswärtigen Amt eng zusammengewirkt. So wurde in einem Falle das erteilte Exequatur widerrufen, in einem schwebenden Fall der Entzug eingeleitet. Damit ist die erste Frage weitgehend beantwortet.
Zur zweiten Frage darf ich noch einmal unterstreichen, daß in jedem Fall eine Prüfung der Person eines Bewerbers in enger Zusammenarbeit mit der zuständigen Botschaft des Entsendestaates unter gleichzeitiger Einschaltung aller in Frage kommenden deutschen Stellen erfolgt. Den hiesigen fremden Missionen sind — wie auch dem Auswärtigen Amt — mindestens 12 Personen und Firmen mit Sitz im In- und Ausland bekannt, die sich mit kommerzieller Vermittlung von Konsultiteln befaßt haben.
Es ist nicht Sache der Bundesregierung, zu einer Bestallung des Herrn Weyer zum Konsul für Bolivien in Luxemburg Stellung zu nehmen. Ich kann jedoch hier erklären, daß die Großherzoglich Luxemburgische Botschaft bereits vor längerer Zeit erklärt hat, Herrn Weyer sei kein Exequatur als Konsul irgendeines Staates für Luxemburg erteilt worden.
Eine Zusatzfrage.
Zeigen die Vorkommnisse nicht auf, daß die derzeitigen gesetzlichen Möglichkeiten zu gering sind, um einem solchen Treiben entgegenwirken zu können, und sind Sie nicht der Auffassung, daß von seiten dieses Hauses oder der Bundesregierung hier bessere gesetzliche Voraussetzungen geschaffen werden sollten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung oder zumindest das Auswärtige Amt würde es begrüßen, wenn noch wirksamere gesetzliche Instrumente zur Verfügung stünden, um diesen Mißbräuchen entgegenzuwirken. Falls es zu einer dem dienlichen Initiative des Hauses käme, könnten wir das nur dankbar begrüßen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Kann man von der Annahme ausgehen, daß behördlicherseits Veranlassung genommen wird, zu überprüfen, ob Weyer die im Jahre 1967 nach Angabe der Illustrierten „Stern" von dem Möbelversender Günther Arzberger erhaltenen 84 000 DM und die von dieser Illustrierten an Weyer bezahlten 45 000 DM ord-
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9262 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Mai 1968
Dr. Besoldnungsgemäß versteuert hat, und zugleich nachprüfen zu lassen, ob die von Arzberger ausgeworfenen Gelder zum Zwecke der Begehung einer strafbaren Handlung nicht auch noch als steuerlich absetzbare Betriebsausgaben des Möbelversandes im Jahre 1967 verbucht worden sind?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Besold, Sie werden sicherlich nicht von mir erwarten, daß ich hier Zweifel an der Genauigkeit und an der Findigkeit unserer Steuerbehörden äußere.
Aber würden Sie diese Fragen vielleicht von Ihrer Seite aus an die Stelle weiterleiten, die dafür zuständig ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Dieser Anregung werde ich gern folgen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Moersch.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß hinter Weyer der in Luxemburg lebende Günther Bartels steht, der von dort aus über Weyer die Vermittlung von Konsultiteln betreibt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das ist in diesem Fall von mir nicht konkret zu beantworten. Allgemein kann ich sagen, daß es natürlich unter denjenigen, die glauben, auf diesem Gebiet einen geeigneten Broterwerb zu finden, auch gewisse Formen der Zusammenarbeit gibt.
Eine zweite Zusatzfrage.
Ist der Bundesregierung bekannt, Herr Staatssekretär, daß Bartels mindestens vier Konsultitel allein für Bolivien an deutsche Staatsbürger verkauft hat?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung hat eine Fülle von Ermittlungen in diesen Zusammenhängen angestellt. Ich bin im Augenblick nicht in der Lage, konkret zu sagen, ob in dem einen oder anderen Fall eine bestimmte Zahl bestimmter Konsultitel aus einem bestimmten Land festgestellt worden ist. Aber soweit in Ihrer Frage die Vermutung steckt, daß es hier teilweise eine Vielfalt von Bemühungen und offensichtlich auch eine Vielfalt von Interessen gibt, kann ich das nur bestätigen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Becher.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß der wackere Herr Weyer sich für seine Autos Schilder mit dem Kennzeichen M — CD 1 und M — CD 2 verschaffte und damit den Begriff des Corps Diplomatique auch in den Dienst seiner Aktionen stellte, und ist die Bundesregierung bereit, auch diese Nebenfrage überprüfen zu lassen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich hatte noch keine Gelegenheit, eines der Autos dieses Herrn zu bewundern, aber ich will die Anregung natürlich gerne aufnehmen, Herr Kollege Becher.
Ich rufe die Frage 27 des Herrn Abgeordneten Dr. Marx auf:
Ist die Bundesregierung bereit, das von den Sowjetzonenbehörden für Bundesminister und höhere Beamte erlassene Durchreiseverbot durch adäquate Maßnahmen, z. B. ein Einreiseverbot für bestimmte hohe SED-Funktionäre in die Bundesrepublik, zu beantworten und zugleich sicherzustellen, daß die in den letzten Monaten ott unverhüllte, auf die Zerstörung der demokratischen Grundordnung ausgerichtete Propaganda kommunistischer Funktionäre beendet wird?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die sowjetische Regierung hat 1949 mit den Regierungen Frankreichs, Großbritanniens und der Vereinigten Staaten Vereinbarungen über den ungehinderten Zugang nach Berlin im militärischen und zivilen Bereich getroffen. Diese Abmachungen sind — auch nach Ansicht der Sowjetunion — weiterhin in Kraft. Sie gehören zu den essentiellen Bedingungen des Status der Stadt.Mit den Anordnungen vom 11. März und 13. April dieses Jahres über Durchreiseverbote von und nach Berlin für bestimmte Personengruppen haben sich die Behörden in Ostberlin Kontrollrechte angemaßt, die zu den geltenden Vier-Mächte-Vereinbarungen in Widerspruch stehen. Die Anordnungen selbst gehören in den Bereich der zahlreichen Äußerungen Ostberliner Instanzen, mit denen Zuständigkeiten und Rechte beansprucht werden, die ihnen nicht zustehen. Es ist nicht die Praxis der drei Berliner Schutzmächte und der Bundesregierung gewesen, auf derartige verbale Angriffe gegen den Status von Berlin mit Gegenmaßnahmen zu antworten. Anders ist es mit tatsächlichen Behinderungen des freien Zugangs. Im März und April dieses Jahres sind einige Fälle bekanntgeworden, in denen unter Bezugnahme auf die vorgenannten Anordnungen die Reise von oder nach Berlin verhindert wurde. Damit wurden die Garantiemächte des freien Zugangs offen herausgefordert.Die drei Westmächte haben deshalb am 27. April durch ihre hiesigen Botschafter gegenüber dem vierten Partner der Vereinbarungen, der Sowjetunion, zu Händen des sowjetischen Botschafters in Ostberlin, gegen das Vorgehen der Ostberliner Behörden protestiert und die Unterlassung weiterer Behinderungen gefordert. Die drei Westmächte erwarten eine Antwort der Sowjetunion auf ihr Schreiben. Nach 'Rundfunk- und Pressemeldungen gibt es wohl
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Mai 1968 9263
Parlamentarischer Staatssekretär Jahnseit gestern abend eine Äußerung, über deren genaue Form ich im Augenblick noch nichts sagen kann, die aber, soweit man das in den Veröffentlichungen hört, negativ sein soll.Die Bundesregierung hat ihrerseits den NATO-Rat und alle Regierungen ins Bild gesetzt, mit denen sie diplomatische Beziehungen unterhält. Das Echo dieser Aktion beweist, daß die Welt die Entwicklungen um Berlin mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Die willkürlichen Maßnahmen der Ostberliner Stellen wurden allgemein als unvereinbar mit einer Verbesserung des Ost-West-Verhältnisses bedauert und verurteilt.Die Bundesregierung hofft, daß diese Schritte die Verantwortlichen in Ostberlin veranlassen werden, weitere Störungen zu unterlassen. Vorsorglich prüft sie in Zusammenarbeit mit den drei westlichen Alliierten die Maßnahmen, die zu ergreifen sind, falls dennoch der freie Zugang nach Berlin durch Eingriffe der Ostberliner Behörden weiterhin behindert werden sollte.Es ist nicht angezeigt, der weiteren Entwicklung vorzugreifen und die Lage dadurch zu verschärfen, daß konkrete Maßnahmen bereits zu diesem Zeitpunkt bekanntgegeben werden.Die propagandistische Tätigkeit von SED-Funktionären in der Bundesrepublik Deutschland stellt nach Auffassung der Bundesregierung keine ernstzunehmende Gefährdung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung dar. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Verbotsurteil gegen die KPD die Kriterien niedergelegt, die für ein Eingreifen gegen verfassungswidrige Handlungen maßgebend sind. Die Bundesregierung steht mit den Ländern in Verbindung, um die laufende Durchführung der Maßnahmen zu gewährleisten, die auf Grund des KPD-Urteils erforderlich sind.
Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, da Sie gesagt haben, die Bundesregierung habe andere Regierungen, mit denen wir diplomatische Beziehungen pflegen, über unsere Auffassung ins Bild gesetzt, möchte ich fragen, ob wir über diese Art des Ins-Bild-Setzens etwas Genaueres erfahren können. Ist es Ihnen schon jetzt möglich, diesem Haus auch etwas Eingehenderes über die Reaktionen der Regierungen in der Dritten Welt und der mit uns befreundeten Regierungen mitzuteilen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wir haben alle unsere diplomatischen Missionen gebeten, wegen des Vorganges an sich und der Bewertung, die wir ihm zumessen, in den Hauptstädten der Welt vorstellig zu werden. Das ist geschehen. Auf diese unsere Demarche hin sind inzwischen aus fast allen Hauptstädten unserer Verbündeten und der Staaten der freien und neutralen Welt Berichte unserer Vertretungen über Reaktionen eingegangen. Alle Regierungen haben unsere Demarche mit vollem Verständnis für unsere Auffassung vom Ernst der Lage aufgenommen und gleichzeitig ihrer Besorgnis über die jüngste Entwicklung in Berlin Ausdruck gegeben. Zahlreiche Regierungen haben ihre ausdrückliche Bereitschaft erklärt, die Haltung der Bundesregierung in der Berlin-Frage im internationalen Gespräch aktiv zu unterstützen.
Allgemein wurde in der Welt die negative Reaktion Ostberlins auf unsere Entspannungspolitik bedauert. Gleichzeitig wurden die maßvollen Gegenaktionen der Schutzmächte und der Bundesregierung gewürdigt. Darin sah man einen erneuten Beweis für die Aufrichtigkeit und Entschlossenheit der Bundesregierung, ihre Bemühungen um eine friedliche Lösung der deutschen Frage unbeirrt fortzusetzen und einer Politik verschärfter Spannungen entgegenzuwirken.
Ich habe darüber hinaus zwei Gelegenheiten in den letzten Wochen genutzt, Herr Kollege Dr. Marx, um den Standpunkt der Bundesregierung noch einmal eingehend darzulegen, einmal in einer Tagung des Ministerrats der Westeuropäischen Union, das zweitemal am Montag dieser Woche im Ministerkomitee des Europarats. Ich kann den positiven Eindruck, der in der Wiedergabe der Meinungen, wie sie unsere diplomatischen Vertretungen erfahren haben, nur in vollem Umfange bestätigen. Zum Teil hat es in diesen Ministerkomitees sehr spontan zustimmende und unterstützende Äußerungen zu unserer Auffassung gegeben.
Die Fragestunde ist beendet. Die Fragen 11, 12, 13 und 150 sind zurückgezogen. Die nicht erledigten Fragen werden schriftlich beantwortet.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Frehsee zur Geschäftsordnung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei den Fraktionen der Koalition besteht das Bedürfnis, zu dem morgigen Sternmarsch auf Bonn einige weitere Anmerkungen zu machen. Namens der Koalition beantrage ich die Durchführung einer Aktuellen Stunde.
Sie haben den Antrag gehört. Der Antrag ist ausreichend unterstützt. Die
Aktuelle Stunde
beginnt. Wird das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Dr. Even!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Antworten der Bundesregierung auf die Dringlichen Anfragen zur Sternfahrt auf Bonn am morgigen Tage haben ergeben, daß in unverantwortlicher Weise versucht wird, die Bevölkerung über die beabsichtigte Grundgesetzergänzung zu täuschen und systematisch Verwirrung zu stiften.
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9264 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Mai 1968
Dr. EvenDas Volk soll in eine Notstandhysterie versetzt werden, in der es keine sachliche Diskussion, keine rationale Argumentation mehr geben soll, sondern nur noch emotionelle Gefühlsausbrüche.
Das ist offenbar von einigen Drahtziehern der Notstandsdemonstration in Bonn beabsichtigt. Das Volk soll gegen das frei gewählte Parlament aufgewiegelt werden. Es handelt sich insoweit um die Aktion nicht der außerparlamentarischen, sondern der antiparlamentarischen Opposition.
Dabei wissen wir sehr wohl, daß der Kreis der Notstandsdemonstranten äußerst verschiedenartig zusammengesetzt ist; viele Gutwillige sind darunter , und viele Mitläufer, die überhaupt nicht wissen, von wem sie gesteuert sind und worum es eigentlich geht.Es muß offen ausgesprochen werden, daß die ganze Demonstration von Kommunisten und Anarchokommunisten unterwandert ist.
Mit vollem Recht hat sich daher der Deutsche Gewerkschaftsbund von dieser Sternfahrt distanziert.
Solchen Kräften geht es nicht um die Erhaltung der freiheitlichen Grundordnung, sondern im Gegenteil um ihren Sturz. Es sind dieselben Kräfte, die bei jeder Wahl von der Bevölkerung eine vernichtende Absage erteilt bekommen.
In aller Deutlichkeit muß noch einmal festgestellt werden:Erstens. Bei der beabsichtigten Grundgesetzergänzung geht es allein um die Vorsorge zum Schutz des Lebens und der Freiheit der Bürger und um die Erhaltung der Demokratie. Die gegenteiligen Behauptungen sind üble Verleumdungen und brutale Kränkungen aller Parlamentarier, die sich um der Menschen willen um eine sinnvolle Notstandsvorsorge auf demokratischer Basis bemühen.
Zweitens. Wer gegen die deutsche Notstandsverfassung demonstriert, muß wissen, daß er damit zugleich für die Beibehaltung des alliierten Besatzungsrechtes in Notstandsfällen eintritt, in dem es keine parlamentarischen und gerichtlichen Kontrollen gibt.
Und drittens. Die vorgesehene Notstandsvorsorge wird von keiner Rechtsordnung der Welt an freiheitlichem Gehalt übertroffen.Das ist die Wahrheit. Meine Damen und Herren! Das Parlament steht jetzt vor der Bewährungsprobe, sich von keiner Seite unter Druck setzen zu lassen.
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Aktuelle Stunde, die die Fraktionen beantragt haben, gibt auch mir eine willkommene Gelegenheit, meine Antworten auf die vorhin von den Herren Kollegen gestellten Fragen noch einmal zusammenzufassen und sie vielleicht in einigen Punkten zu ergänzen.Der für morgen angekündigte Sternmarsch auf Bonn soll nach den Erklärungen der Verantwortlichen im Rahmen des verfassungsmäßig gewährleisteten Demonstrationsrechts durchgeführt werden. Die Erklärungen gehen dahin, daß Aktionen, die sich gegen Gesetz und Ordnung richten, nicht beabsichtigt seien. Wenn der tatsächliche Ablauf dieser Ankündigung entspricht, dann gibt es für niemanden, auch nicht für die Bürger von Bonn, einen Anlaß zur Beunruhigung. Die für die Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung zuständigen Behörden der Stadt Bonn und des Landes Nordrhein-Westfalen haben mit Umsicht und mit Besonnenheit Maßnahmen, die einen ruhigen Ablauf gewährleisten werden, vorbereitet. Wenn alle Beteiligten, d. h. die Veranstalter und Teilnehmer der Demonstration, die zuständigen Behörden und Beamten und nicht zuletzt die Bürger dieser Stadt und des Raumes um Bonn, Ruhe und Besonnenheit bewahren, gibt es keinen begründeten Anlaß zur Unruhe.Ich beabsichtige auch nicht, vorab über das, was die Kundgebungsteilnehmer vortragen wollen, hier ein Vorurteil zu bilden. Sachliche Argumente, meine Damen und Herren, hat niemand zu fürchten, schon gar nicht Bundestag und Bundesregierung.
Wir haben hier das sehr schwierige Thema einer Vorsorge für den Notstandsfall seit nunmehr zehn Jahren weitaus intensiver erörtert und behandelt, als viele der außerparlamentarischen Kritiker es wahrhaben möchten.
Die Sache selbst ist jeder ernsthaften Diskussion wert. Aber die Diskussion ist hier so gründlich geführt worden, daß heute wahrscheinlich keine neuen Argumente mehr zu erwarten sind. Der Bundestag wird sich ja in Kürze mit dem Ergebnis dieser jahrelangen Erörterungen zu beschäftigen haben. Für seine Entscheidung wird die Güte der Argumentation und nicht ein von irgendeiner Seite beabsichtigter Druck den Ausschlag geben. Die deutsche Öffentlichkeit kann voll auf die Fähigkeit dieses Parlaments vertrauen, zu einer sachgerechten Lösung zu kommen. Ich möchte dieser Sachdebatte heute nicht vorgreifen, den außerparlamentarischen Kritikern aber sagen, daß auch sie anerkennen sollten, daß es ausschließlich auf die Güte der Sachargumente ankommt und eben nicht auf die Lautstärke, mit der die Meinungen vorgetragen werden.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Mai 1968 9265
Bundesminister BendaIm Gegenteil, je schriller der Protest, desto eher setzt er sich dem Verdacht aus, daß er am Kern der Sachauseinandersetzung vorbeigeht. Umgekehrt kann, wer von der Stärke seiner Argumente überzeugt ist, auf emotionelle Parolen und erst recht auf plumpe Agitation wohl verzichten.Im Für und Wider der Notstandsdiskussion gibt es auf beiden Seiten ernsthafte und ernst zu nehmende Meinungen. Wer aber ernst genommen werden will, muß auf alle Demagogie und erst recht auf den törichten und rechtswidrigen Versuch verzichten, das Parlament unter Druck setzen zu wollen.Meine Damen und Herren, eine der Parolen für morgen heißt, daß Bonn die größte Notstandsübung aller Zeiten erleben werde. Was das konkret bedeuten könnte, wird in einem der Aktionsbriefe der Veranstalter angedeutet: „Die Planungen für die Aktion zielten darauf ab, das Bundesdorf agitatorisch zu durchschütteln." Ich sage dazu in aller Ruhe: die zuständigen Stellen werden denen, die von ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch machen wollen, keinen Anlaß geben, sich als Opfer vermeintlicher Notstandsmaßnahmen zu fühlen. Sie werden auch nicht denen, die mit dem Gedanken spielen sollten, ihrerseits eine notstandsähnliche Situation herbeizuführen, erlauben, gegen Gesetz und Recht zu verstoßen.Die Wortführer des Protestes können sich überhaupt nicht beklagen, daß sie bisher keine Gelegenheit gehabt hätten, ihre Meinung in aller Offenheit zu äußern. Seit Beginn der Diskussion um eine Notstandsregelung wird die Bundesrepublik gerade von dieser Seite mit einer wahren Flut von Papier überschüttet. Ihr gegenüber mutet die vorhin dargestellte Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung, so verdienstvoll sie sicher gewesen ist, immer noch mehr als bescheiden an.
In unzähligen Diskussionen haben sich sehr viele Mitglieder auch dieses Hohen Hauses der offenen Auseinandersetzung gestellt. Die beteiligten Bundestagsausschüsse haben im Herbst 1967 in öffentlichen, von Rundfunk und Fernsehen direkt übertragenen Anhörungsterminen insgesamt 45 Stunden lang — die Zusammenfassung im Fernsehen nicht mitgerechnet — Befürwortern und Gegnern einer Notstandsregelung Gelegenheit gegeben, ihre Auffassung in voller Freiheit darzulegen. Wem es hierbei nicht gelungen ist, seine Argumente überzeugend vorzubringen — und mancher wird das vielleicht selbst gefühlt haben —, der sollte hierfür dann nicht das Parlament verantwortlich machen, sondern sich selbst fragen, ob seine Auffassung wirklich dem kritischen Test der besonnenen Vernunft standhält.
Ich meine auch, daß die Lautstärke, mit der immer noch protestiert wird, über die wahre Meinung der Bevölkerung hinwegtäuscht. Mir liegt das Ergebnis einer Meinungsumfrage vom November 1967 vor. Sie hat ergeben, daß 98 % der Bevölkerung dasNotstandsthema kennen, und zwar hat die Mehrheit der so Befragten und so Antwortenden durchaus zutreffende Vorstellungen darüber, was mit dem Worte Notstand gemeint ist und um welche Gefahren es sich handelt, denen die Notstandsvorsorge begegnen soll. 69 % der Befragten haben eine vorsorgliche Gesetzgebung gegen solche Notstände für erforderlich gehalten; nur 11 % haben sich dagegen ausgesprochen; 20 % äußerten keine Meinung.Meine Damen und Herren, die freiheitliche Demokratie, die wir alle wollen, kann sich Auseinandersetzungen und Konflikte leisten. Der Streit der Meinungen ist kein Anlaß zur Unruhe. Eine Gefahr für die Demokratie besteht allerdings dann, wenn an die Stelle sachlicher Argumente demagogische Parolen treten. Wer dann bereit ist, sich zur Unterstützung seiner Auffassung auch der Hilfstruppen der Ost- und Westberliner SED zu bedienen, verwirkt den moralischen Anspruch, mit seiner Behauptung ernst genommen zu werden, daß er die Demokratie gegen vermeintliche Gefahren schützen will.
Wer Parolen verwendet wie die, daß Notstandsgesetze der Tod der Demokratie seien, muß wissen, daß die gleiche infame Verdächtigung auf jenen Tafeln steht, welche die sowjetzonalen Machthaber zwischen Stacheldraht und Minengürtel, z. B. bei Coburg, errichtet haben. Kollege Wehner hat in seiner Rede am 26. Mai 1966 vor diesem Hohen Hause bereits daran erinnert, und das gilt heute so wie damals vor zwei Jahren.Meine Damen und Herren, niemand von uns ist für den Notstand. In diesem Sinne, Herr Kollege Dr. Schulze-Vorberg, sind wir alle Notstandsgegner. Aber wir sollten und werden uns nicht davon abhalten lassen, unbeirrt unsere Pflicht zu tun. Unsere Pflicht wird es sein, die freiheitlich-demokratische Ordnung gegen jeden Angriff von außen und von innen zu verteidigen.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Demonstranten, die morgen das „Bundesdorf" durchschütteln wollen, bestreiten die Notwendigkeit jeglicher Vorsorge für den Notfall. Sie deuten die geplante Vorsorge in einen heimtückischen Angriff auf ihre und unser aller Freiheit um. Hier liegt ein Kernpunkt der Differenz. Leider ist diese Differenz mit vielfältigen Verfälschungen von Tatbeständen durchtränkt. Jedermann hält es für selbstverständlich, daß — zumal in Großbetrieben — im voraus überlegt und geregelt wird, was jeder zu tun hat, wenn ein Notfall eintritt. Es nicht zu tun, wäre grobe Pflichtversäumnis. Auch in jedem Staatswesen wird über die Frage nachgedacht, wie es seine Aufgaben erfüllen soll, wenn der normale Ablauf der Funktionen gestört wird. Wo es nicht geschähe, wären schwere Vorwürfe gerechtfertigt.
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9266 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Mai 1968
Bundesminister Dr. Dr. HeinemannDarum ist die Aufgabe gestellt, vorzusorgen für den Schutz der Bürger und die Erhaltung des freiheitlichen Rechtsstaates im Falle von Krieg oder Kriegsgefahr. Die Lösung dieser Aufgabe hat ein ungewöhnliches und steigendes Interesse ausgelöst, zumal auch unter der jungen Generation. Das ist, wie ich mit Nachdruck sage, gerade auch für uns als Mitglieder einer Regierung oder des Parlaments dankenswert. Es wäre viel gewonnen, wenn wir uns wenigstens näherkämen in der Erkenntnis, daß auch die Bundesrepublik einer Vorsorge für den Fall von Krieg und Kriegsgefahr bedarf.Meine Damen und Herren, es gibt in unserer Zeit zwei Stationen, in denen sich das Fehlen ausdrücklicher Regeln für das staatliche Handeln in besonderer Situation als eine große Versuchung, ja, ich sage: als Verführung erwiesen hat.Die Älteren unter uns erinnern sich daran, daß in der Weimarer Zeit das Parlament mehr und mehr durch den Reichspräsidenten überspielt wurde. An die Stelle parlamentarisch beschlossener Gesetze traten Notverordnungen des Reichspräsidenten. Dafür wurde der berühmte — oder soll ich sagen berüchtigte — Art. 48 der Weimarer Verfassung in Anspruch genommen, der dem Reichspräsidenten die Befugnis zu außerordentlichen Maßnahmen einschließlich der Außerkraftsetzung von Grundrechten zuschrieb. Art. 48 Abs. 5 der Weimarer Verfassung lautet: „Das Nähere bestimmt ein Reichsgesetz". Dieses Gesetz wurde nie erlassen.
Schon früh und vielfältig haben Weimarer Politiker und Staatsrechtslehrer auf die Gefährlichkeit dieser Verfassungslücke aufmerksam gemacht. Es ist sogar behauptet worden, daß man dem Reichspräsidenten dadurch, daß man dieses Gesetz nie schuf, eine unbeschränkte Ersatzgewalt an Stelle des Parlaments nicht nur erhalten, sondern gerade zuschanzen wollte. Diese Warner hatten recht. Sie wurden nicht gehört. Den Ausgang kennen wir.Die zweite Station in unserer Zeit hängt mit unserem eigenen Grundgesetz zusammen. Es ist als ein Provisorium geschaffen worden und enthält bis jetzt keine Aussagen über die Voraussetzungen und Grenzen des staatlichen Handelns bei Krieg und Kriegsgefahr. Das führte dazu, daß frühere Bundesregierungen die sogenannten Schubladengesetze erarbeiteten und allen Dienststellen im Lande als geheime Verschlußsachen zugehen ließen. Nur wenige wissen genau, was diese Schubladengesetze beinhalteten. Ich habe sie auf der Rosenburg angetroffen und fand sie in ihren Ausmaßen, wenn ich es gelinde sage, deprimierend. Ihre Grundlage war die Inanspruchnahme eines sogenannten übergesetzlichen Notstandsrechtes wie auch von Vollmachten der Westmächte. Inhaltlich gingen diese Schubladengesetze — ich sagte es schon — außerordentlich weit, bis hin zur Suspendierung von Grundrechten. Alles das sollte am Tage X, wenn die Schubladen aufgemacht wurden, von hoher Hand in Kraft gesetzt werden. Verehrte Damen und Herren, diese Schubladengesetze sind dank unsererMitwirkung in dieser Bundesregierung aufgehoben und verschwunden.
Aber was nun? Die Beseitigung der Schubladengesetze ist doch nur ein negativer Akt, aber keine positive Lösung.
Alle grundsätzlichen Gegner gegen eine Ergänzung des Grundgesetzes zwingen uns, wenn sie sich durchsetzen, zurück in neue interne Überlegungen für eine Notstandsvorsorge.Es wolle uns doch bitte niemand zumuten, daß wir uns gar keine Gedanken im voraus machen. Auch die Opponenten und die Demonstranten von morgen gegen eine offene und parlamentarisch fundierte Notregelung können doch weder sich selbst noch uns allen gewährleisten, daß ein Fall von Funktionsstörung der normalen Gesetzgebung niemals eintreten wird. Deshalb habe ich oft gesagt, in unzähligen Versammlungen, und ich wiederhole es hier: Wer gegen eine klare Notstandsregelung in der Verfassung agitiert, kann ebensogut positiv sagen: Ich bin für eine neue außerparlamentarische Notstandsvorsorge nur durch die Regierung, die kein Bürger eher erfährt, als bis der Tag X da ist!
Jede Regierung, wie immer sie zusammengesetzt ist, steht unter der Eidespflicht, Schaden von unserem Volk abzuwehren. Dazu gehört auch, daß noch so schwer zu vermeidende, aber als unmöglich leider nicht auszuschließende Situationen vorbedacht werden.Ich frage deshalb alle grundsätzlichen Gegner jeder Notstandsregelung, ob sie sich darüber klar sind, wohin sie die weitere Entwicklung drängen, wenn ihnen nachgegeben würde.
Wenn eine der für morgen empfohlenen Parolen lautet: „Schütze deine Freiheit gegen den Notstand", so antworte ich: Es geht um den Schutz der Freiheit auch und gerade im Notstand!
Wenn eine andere Parole lauten soll: „Notstandsgesetze sind Kriegsrecht in Friedenszeiten", so antworte ich: Es geht um Freiheitsrechte auch in einer Kriegszeit!
Man könnte alle diese Parolen durchkonjugieren; das führt zu weit. Erstaunlich ist die Warnung: „Wer Notstandsgesetzen zustimmt, wird nicht mehr gewählt."
Verehrte Damen und Herren, das von den Gegnern prophezeite Kriegsrecht in Friedenszeiten oder die von ihnen an die Wand gemalte Diktatur scheinen also auch nach ihrer eigenen Auffassung immerhin noch eine freie Wahl zuzulassen.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Mai 1968 9267
Bundesminister Dr. Dr. HeinemannEs geht vernünftigerweise nicht um das Ob, sondern um das Wie einer Notregelung. Dabei weiß ich sehr wohl, daß es auch in der Begrenzung auf das Wie nicht wenige Differenzen gibt, zumal gegeben hat. Darüber sprechen wir nächste Woche. Die vor acht Jahren von der damaligen Bundesregierung präsentierten Vorschläge für eine Notstandsregelung waren ja in der Tat schockierend. Sie haben viel Widerstand auch meiner politischen Freunde und bei mir selbst ausgelöst. Aber in der jetzt achtjährigen Auseinandersetzung sind doch die alten Vorschläge völlig verändert, durch eine neue Konzeption ersetzt worden, und zwar in der Richtung, daß es um das Höchstmaß von Sicherung unserer freiheitlichen Ordnung auch im Zustand äußerer Gefahr oder des Krieges geht.Ein Kernpunkt der jetzigen Vorlage ist es, die Mitwirkung des Parlaments zumindest in der Form des Gemeinsamen Ausschusses als Notparlament zu erhalten und die Grundrechte dem Zugriff der Exekutive zu entziehen.
Deshalb ist es unsinnig, diese Vorlage als den „Abmarsch in die Diktatur" zu charakterisieren. Wir hier im Parlament wissen um den Ertrag der zähen Bemühung gegen jene alten Vorlagen und daß sie gründlich, sehr gründlich abgeändert worden sind und daß damit die Lücke im Grundgesetz jetzt in einer dem Grundgesetz entsprechenden Weise geschlossen werden kann.Ich frage, ob das auch diejenigen sehen, die morgen hier in Bonn demonstrieren wollen. Ich wiederhole die Frage, die hier schon ausgesprochen worden ist, ob sie überhaupt die Vorlage kennen, um die es heute geht.
Wenn ich an die Protestbriefe denke, die mir zumal von alten politischen Weggenossen zugehen, muß ich sagen, daß da immer noch gegen vieles protestiert wird, was längst verschwunden ist. Es liegt freilich in der Natur der außerparlamentarischen Opposition, daß sie nur von draußen hier hereinschauen kann. Das habe ich selber erlebt; ich war ja sieben Jahre in außerparlamentarischer Opposition.
Ich bin sicher, daß manch einer der heutigen Protestier sich nach der Lektüre der endgültigen Texte selber fragen wird, ob es nötig war, daß wir uns so auseinanderlebten. Übrig bleiben freilich diejenigen, die gar nichts über die Voraussetzungen und die präzisen Grenzen des staatlichen Handelns im Notfall auf parlamentarische Weise in der Verfassung ausgesagt wissen wollen. Ich frage: Womit wollen diese Gegner aus Grundsatz eigentlich ihre Rechte verteidigen, wenn alles auf ungeschriebenes Notstandshandeln der Regierung zurückfällt? Sie alle werden doch am schwächeren Hebel sitzen.Vergessen wir doch nicht — und damit möchte ich schließen —, daß die Waffe des Schwachen seit jeher das geschriebene Recht war. Am Anfang unserer abendländischen Rechtskultur steht das Aufbegehren der Plebejer in Rom vor 2500 Jahren gegen die Patrizier mit der Forderung, niederzuschreiben, was in Rom Rechtens sei. Die Patrizier als die Mächtigen sperrten sich bekanntlich dagegen. Aber am Ende des Streites entstanden die weltbekannten zwölf Tafeln des römischen Rechts, auf die sich der Civis romanus, der römische Bürger, berufen konnte. Auch der deutsche Bürger will wissen, was in guten und was in bösen Zeiten Recht oder Unrecht ist.
Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir die ungewöhnliche Bemerkung, daß ich nur dem Wunsch Ausdruck geben kann, daß das deutsche Fernsehen, und zwar beide Anstalten, diese orientierenden Feststellungen der Bundesregierung und die Einlassung des Hauses dem deutschen Volk zur Kenntnis bringt.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Nellen.
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Ich bin davon überzeugt, daß wir sehr besorgt sein müßten, wenn die morgige Demonstration bedeuten würde, daß der einzige und wahre Souverän in der Demokratie, nämlich das wählende Volk, mit sich selbst uneins wäre. Das wäre gefährlich. Dazu, glaube ich, müßte man sagen: Allein der Hinweis, wer in der Bundesrepublik bei den letzten zwei Bundestagswahlen gewählt worden ist, welche Parteien und welche Kandidaten, gibt darauf eine Antwort.Der Herr Bundesminister des Innern hat soeben eine interessante Zahl genannt, eine demoskopische Zahl vom Ende des vorigen Jahres, und ich möchte das ganz ins Konkrete übersetzen in Hinwendung auch auf die Bevölkerung, ich möchte sagen, unserer Quartierstadt, in der wir ja mit zwei Säulen der staatlichen Gewalt, nämlich dem Parlament und der Regierung, beheimatet sind. Wer gewählt hat, wer etwa dem Direktkandidaten dieses Wahlkreises, dem Abgeordneten Dr. Adenauer, bei den letzten zwei Wahlen zum Einzug in das Parlament über die Freitreppe verholfen hat, der hat genau gewußt, daß über das Ob einer Notstandsvorsorge und damit die Absicht einer Notstandsgesetzgebung für diesen Kandidaten und seine Partei überhaupt kein Zweifel möglich war. Und wer einen anderen Kandidaten, auch mit respektabler Stimmenzahl, gewählt hat, der dann nicht gerade durch den Lieferanteneingang, aber den Nebeneingang in dieses Haus gekommen ist, der hat genauso gewußt, daß auch dieser Kandidat und seine Partei über das Ob, also über all die Notwendigkeiten, die der Herr Bundesminister der Justiz eben in einer lichtvollen, überzeugenden Weise dargelegt hat, keine Fragen übrig blieben.Es kann also morgen nicht etwa der Eindruck erweckt werden, als hätten Parteien und Kandidaten — und dabei schließe ich auch die dritte Partei, die
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9268 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Mai 1968
Nelleneinen ihrer Freunde morgen als Hauptredner im Hofgarten sehen wird,
ganz bewußt ein; auch sie hat an dem Ob, an den Notwendigkeiten einer Notstandsvorsorge im Wahlkampf keinerlei Zweifel gelassen — —
Wenn wir also die Zahlen der Abstimmung und die Stimmen, die die einzelnen Kandidaten dieser drei Parteien bekommen haben, ganz ruhig und mit milden, sachlichen Worten analysieren, stellen wir fest: Gott sei Dank ist der wahre Souverän in dieser Demokratie, das wählende Volk, mit sich selbst nicht uneins.
Daß über das Wie einer Notstandsvorsorge bei dem Kandidaten Nr. 1 und Direktmandatsträger andere Vorstellungen als etwa bei dem Nr. 2 oder dem Nr. 3 vorhanden sind, ist eine zweite Frage. Die Geschichte der Lösung dieser Frage ist eben auch von einem der Herren Bundesminister sehr deutlich dargelegt worden, so daß die Demonstranten auch in diesem Punkte, wenn sie bereit sind, überhaupt zu hören und den heutigen Zustand ernsthaft und wahrheitsgemäß zur Kenntnis zu nehmen, nichts zu erinnern haben.Lassen Sie mich aber noch zu einem zweiten Punkt etwas sagen. Der Souverän in der Demokratie wird, wie wir alle wissen, durch die Repräsentanten, die er in dieses Haus abordnet und denen er ein Mandat, einen Auftrag gibt, vertreten. Wir müssen uns aber bei aller Loyalität, bei aller Bereitschaft, auf den Souverän zu hören, ihn vor allem im Wahlkampf und auch später ihn zu informieren, ihn auf dem laufenden zu halten, darüber klar sein, daß der Souverän in der Demokratie anerkennt, daß der härteste Kern einer echten und würdigen Repräsentanz in jener Freiheit des Wissens und Gewissens besteht, die der Artikel über den Abgeordneten im Grundgesetz klar und deutlich ausspricht.
Ich möchte sehr deutlich sagen: die Andeutung oder den Ausspruch: „Wer für diese Notstandsvorsorge ist, wird nicht mehr gewählt" halte ich allerdings für außerordentlich bedenklich. Der Souverän kann sich von Fall zu Fall entscheiden, wen er wählt. Er kann sagen: Wahltag ist Zahltag. Aber ich bitte Sie, wir gehen doch nicht, wenn wir gewählt werden oder wenn wir uns zur Wahl stellen, eine Wahlkapitulation ein! Wir haben kein imperativisches Mandat. Wir können und dürfen nicht gezwungen werden. Und wenn ich höre: Dann wird eben ein anderer gewählt, muß ich diese Demonstranten fragen: Wollen Sie dann einen wählen, der darauf verzichtet, nach bestem Wissen und Gewissen das zu tun, das zu beraten, das zu beschließen und dafür die Hand hier zu erheben, für das er sich verantwortlich fühlt? Hier ist ein Widerspruch, der an den Kern der Demokratie rührt.
Herr Abgeordneter, Sie haben Ihre Redezeit bereits überschritten.
Ich möchte nur noch einen Satz sagen. Die Bevölkerung dieser Stadt braucht nach dem, was sie vor vier Jahren und vor acht Jahren gewählt hat, keine besondere Beruhigung und keinen besonderen Trost. Ich bedaure nur, daß die Demonstranten den Vortag des Muttertages benutzen, um Unbequemlichkeiten zu machen.
Das Wort hat der Abgeordnete Busse.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren Kollegen! Nach den Äußerungen des Herrn Bundesministers des Innern mit ihrem sachlichen Inhalt und nach den klärenden Äußerungen des Herrn Bundesjustizministers brauche ich mich zu einigen Grundfragen, die heute angeschnitten worden sind, jetzt nicht mehr zu äußern. Um aber von vornherein auch hier etwaigen Mißdeutungen vorzubeugen, möchte ich klarstellen, Herr Nellen, daß die FDP das Ob der Notstandsgesetzgebung nicht nur im letzten Wahlkampf, sondern wiederholt in diesem Hause bis in die letzten Tage hinein bejaht hat, in denen sie sich aktiv an der Mitberatung der Notstandsgesetzgebung beteiligt hat.
Eine andere Frage ist das Wie der Notstandsgesetzgebung. Ich glaube, hier wird man ohne Übertreibung eine klare Unterscheidung machen müssen. Es gibt in der Bundesrepublik eine Reihe von Menschen, die, insbesondere durch die historischen Erfahrungen gewitzt, Sorge haben, daß Vollmachtgesetze, ganz gleich welcher Art, von der Regierung mißbraucht werden könnten. Die Gefahr oder die Möglichkeit eines Mißbrauchs solcher Vollmachten auszuschließen, ist im Zuge der jahrelangen Beratungen ein Anliegen des ganzen Hauses gewesen. In dieser Sorge haben wir nie allein gestanden, sondern wir wissen uns hier mit allen Mitgliedern des Hauses einig. Über die Frage, wieweit solche Vorsorgen möglich sind, ohne der Praktikabilität Schaden zuzufügen, darüber sind freilich bis in die jüngste Zeit hinein die Meinungen auseinandergegangen. Aber wir sollten den nicht tadeln, dem die Aufrechterhaltung unserer grundrechtlichen Ordnung selbst unter Gefährdung der Praktikabilität dieser Gesetze ein wirkliches Herzensanliegen ist; denn mit dem kann man über das Notwendige reden. Seine Grundeinstellung zu unserem Staate, zu unserem Grundgesetz ist bejahend, und wir sollten diese Haltung achten.
Wir sollten diese Haltung achten, selbst wenn sie zu einem Nein führt zu den nur einigen Mitgliedern
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Mai 1968 9269
Busse
selbst dieses Hauses bekannten Entwürfen, Wie sie jetzt im Rechtsausschuß besprochen sind,
selbst wenn sie nur einigen im Detail bis heute bekannt sind.
— Lassen Sie mich doch den Gedanken zu Ende führen. Es dreht sich nicht um die Kenntnis, sondern darum — —
— Was heißt „aha"? Herr Barzel, was ich sagen wollte, ist doch dies: Wer auch nach Kenntnis dieser jetzt vorliegenden Beschlüsse noch nein sagt, weil ihm unsere grundgesetzliche Ordnung nicht genügend gesichert scheint — —
— Ich spreche doch nicht von uns oder von Herrn Dorn
oder von mir. Die Entscheidung, wie wir zu diesem Entwurf stehen, fällt in der Fraktion, sie wild in der Fraktion getroffen werden. Sie ist noch nicht erfolgt. Ich weiß aber, daß es in der Bundesrepublik eine Fülle von Menschen gibt, Herr Dr. Schmidt, die heute schon zu dem ihnen Bekanntgewordenen nein sagen, weil ihnen die grundgesetzlichen Regelungen nicht genügend zu sein scheinen.
Man mag darüber streiten, ob das stimmt oder ob das unrichtig ist, ob man das vertreten muß oder nicht. Man soll aber diese Menschen nicht tadeln und wegen ihres Nein sagen: In welch schöner Gesellschaft befindet ihr euch! Das sind z. B. SED-Leute. Das sind Leute, die kommunistisch unterwandert sind.
Diese Leute werden mit jenen gleichgestellt. Man tut den Leuten in unserem deutschen Volke, die aus echter demokratischer Sorge zu dieser Gesetzgebung nein sagen, keinen Dienst, wenn man sie mit Kommunisten und SED-Leuten in einen Topf wirft. Es sind Menschen, die wie Sie und ich um das Wohl der Bundesrepublik besorgt sind.
Das sollten wir bei allen unseren Äußerungen mit beachten.Ich habe in Hunderten von Diskussionen versucht, auch bei diesen Leuten Verständnis, ja eventuell Zustimmung für unseren Standpunkt, den wir immer wieder vorgetragen haben, zu gewinnen. Ich habe es versucht in Veranstaltungen, die ebenso prononciert gegen eine Notstandsgesetzgebung aufgezogen waren wie etwa die morgige. Meine Damen und Herren, wollen Sie daraus irgendeinem Mitglied dieses Hauses den Vorwurf machen, wenn es auchin solche Veranstaltungen hineingeht, um den Standpunkt etwa der FDP oder der CDU oder der SPD zu vertreten? Ich weiß — —
— Ich spreche doch nicht davon!
Herr Abgeordneter, ich bitte zum Ende zu kommen.
Dann lassen Sie mich zum Schluß, wenn ich zum Ende kommen muß — —
— Warten Sie doch ab — und das hat der Herr Minister allgemein gesagt —, was morgen gesagt werden wird, und kritisieren Sie das, was dann gesagt worden ist, und nicht das, was Sie bereits heute als gesagt unterstellen.
Das ist doch die Situation, die wir haben.
Lassen Sie mich hier abschließend noch eine Bemerkung machen. Die Gegner der Notstandsgesetzgebung würden sich selbst den schlechtesten Dienst tun, wenn sie mit unsachlichen Argumenten, mit Schlagwortparolen, die nichts beinhalten, versuchten — —
Ich sage, daß sie sich mit diesen Dingen den schlechtesten Dienst tun. Kann ich es denn deutlicher sagen?
Meine Damen und Herren, das sage ich denen, die morgen reden werden,
als Mahnung und Warnung. Ich meine aber auch, daß u n s dann die gleiche Aufgabe obliegt und daß wir nicht durch scharfe, schlagwortartige Äußerungen — ich denke hier an manches Wort, das Herr Dr. Even heute morgen gesagt hat —
die Stimmung jetzt noch anheizen sollten. Das ist nicht unsere Aufgabe.Unser Standpunkt zum Ob der Notstandsgesetzgebung ist klar; unser Standpunkt zum Wie ist in den Beratungen deutlich zum Ausdruck gekommen. Ob das, was Ergebnis ist — —
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9270 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Mai 1968
Busse
— In den Beratungen, die wir jetzt geführt haben, Herr Kollege Hirsch.
Ich glaube, daß es da recht deutlich zum Ausdruck gekommen ist.
Meine Damen und Herren, machen Sie es dem Redner, der seine Redezeit überschritten hat, möglich, zu Ende zu kommen, indem Sie von Zwischenrufen absehen.
Zu welchen Ergebnissen unsere Überlegungen führen, werden wir hier am kommenden Dienstag oder Mittwoch erörtern. Was morgen geschieht, steht in erster Linie in der Verantwortung derjenigen, die diese Veranstaltung aufgezogen haben. Wir aber sollten durch Ruhe und Vernunft ein Beispiel geben, wie politische Diskussionen in der Bundesrepublik zu führen sind.
Das Wort hat der Abgeordnete Hauser.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist hier weder der Ort noch die Stunde, die Einzelheiten der geplanten Notstandgesetzgebung zu behandeln. Schon aus diesem Grunde erscheint es auch nicht angebracht, jetzt vorliegende Entwürfe mit früheren Entwürfen und noch früheren Entwürfen, mit Verhandlungen, die in diesem Hause und in den Ausschüssen dieses Hauses in der Vergangenheit stattgefunden haben, zu vergleichen.
Ich bin eigentlich nur hierher gekommen, um dem Ausdruck zu geben, was die Bevölkerung, die mit der morgigen Demonstration unmittelbar konfrontiert wird und angesprochen werden soll, empfindet und welche Befürchtungen sie hat und welche Belästigungen auf sie zukommen. Es beginnt schon damit, daß die Organisatoren der Demonstration wieder einmal die so beliebte Methode zur Hand nehmen, die Bundeshauptstadt als „Bundesdorf" zu diffamieren.
Das geht damit weiter, daß — etwa seitens der Schulen dieses Raumes — Vorkehrungen getroffen werden müssen dahin gehend, daß der Unterricht nicht stattfinden darf und die Eltern genötigt werden, Revers zu unterschreiben, daß sie zur Kenntnis genommen hätten, es sei keine Schule, und daß sie also die Verantwortung dafür zu übernehmen hätten, wenn sie nichtdestoweniger ihre Kinder auf die Straße schickten.
Das geht weiter mit umfangreichen Absperrmaßnahmen der Polizei, das geht weiter damit, daß öffentliche Verkehrsmittel ausfallen, das geht weiter damit, daß Kraftfahrzeugzufahrtsstraßen, daß eine
Rheinbrücke gesperrt wird. Das geht weiter damit, daß letztendlich das Leben dieser Stadt, das Leben in diesem Raum für den Zeitraum eines ganzen Tages praktisch lahmgelegt wird. Und wenn man sich einmal die Zusammensetzung der Gesellschaft ansieht, die diese Demonstration organisiert, kann man die Besorgnis der Behörden und ihre Vorkehrungen, aber auch die Besorgnis der Bevölkerung verstehen.
Denn ,es sind ja nicht nur diejenigen, die ernsthaft vorhaben, über das Wie oder auch über das Ob einer Notstandsgesetzgebung zu diskutieren, sondern in diesen Reihen mischen sich Berufsprotestler, Anarchisten, Kommunisten und u. a. auch die Leute, die für die Toten der Osterunruhen verantwortlich sind.
Diejenigen, die ohnehin behaupten, die Demokratie in der Bundesrepublik sei keine erhaltenswerte Staatsform, ja, wir hätten gar keine Demokratie, sind am wenigsten berufen, vor Notstandsgesetzgebung zu warnen, um angeblich die Demokratie vor uns zu schützen.
Die Bevölkerung wird auf Plakaten, die Sie heute überall in der Stadt lesen können, zur Diskussion mit den Demonstranten aufgefordert, und es kursieren auch Parolen, daß beabsichtigt sei, die Bürger dieser Stadt in ihren Häusern aufzusuchen, d. h. also, in die Häuser hineinzugehen und dann dort zu diskutieren, falls diese Diskussion nicht auf der Straße zustande komme.
Meine Damen und Herren, das Demonstrationsrecht ist in diesem Staate unbestritten, aber mir scheint, daß das Demonstrationsrecht auch dort Grenzen hat, wo die Rechte anderer, insbesondere das Recht, in seinem eigenen Hause unbelästigt zu bleiben, tangiert werden.
Die Erklärungen, die der Herr Bundesinnenminister hinsichtlich der seitens des Innenministers des Landes getroffenen Vorbereitungen gegeben hat, wirkten beruhigend. Ich glaube, daß wir nur alle wünschen können, daß die Bürger dieses Raumes, Bonns, Bad Godesbergs und Beuels, morgen gute Nerven, viel Ruhe und, sagen wir, ein klein wenig Gelassenheit haben werden. Dann wird nämlich die Demonstration so verlaufen, wie die Demonstranten es sich nicht gewünscht haben: Sie werden durch stille Straßen ziehen und werden sich selbst miteinander unterhalten.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schmidt .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein Wort zu Herrn Kollegen Busse. Ich bin dankbar, daß Herr Kollege Busse für die Fraktion der Freien Demokratischen Partei sicherheitshalber noch einmal klargestellt hat, was wir ja schon wußten, daß es auch für die Freien De-
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Mai 1968 9271
Schmidt
mokraten keineswegs um das Ob gehe, daß das Ob für sie positiv entschieden sei, sondern daß es nur um das Wie gehe; und ich stimme ihm bei, beim Wie kann man sehr verschiedener Meinung sein. Aber darum geht es ja heute morgen hier nicht.
Über das Wie wird es eine streitige Auseinandersetzung mit, ich nehme an, wechselnden Mehrheiten des Deutschen Bundestages in der nächsten Woche geben.
Heute geht es um eine gewisse Klärung gegenüber der öffentlichen Meinung unseres Landes, weil wir annehmen, daß sie durch manches, was am Wochenende geschieht, vorsätzlich verunklart werden soll.Zu dem, was die in Bonn zugereisten Agitatoren behaupten, gehört z. B. die Insinuation, die Gesetzgebung solle in der nächsten Woche „durchgepeitscht" werden. Hier haben schon die Kollegen dargelegt, daß der Bundestag seit fast einem Jahrzehnt an dieser Gesetzgebung arbeitet, daß er drei Gesetzentwürfe von drei verschiedenen Bundesregierungen durchgearbeitet hat, daß er selber durch seinen Rechtsausschuß zwei vollständige Gesetzentwürfe vorgelegt hat. Einer von diesen steht in der nächsten Woche zur Debatte und zur Entscheidung.Ich darf für meine Freunde sagen: die Sozialdemokratische Partei hat seit 12 Jahren durch hervorragende Sprecher ihre Absicht zu einer solchen Verfassungsergänzung bekundet und diskutiert. Seit 1960 haben Sozialdemokraten auf insgesamt fünf Bundesparteitagen und in unzähligen Diskussionen ihre Meinung zum Problem entfaltet und gefestigt. Wahrhaftig, es ist in diesem Hause und in den Parteien über alle Fragen, die damit zusammenhängen, sehr lange gesprochen worden! Der Höhepunkt dieses Ringens wird in der nächsten Woche erreicht werden.Das Reden und das Ringen miteinander ist unerläßlich für die Demokratie. Aber ebenso unerläßlich für die Selbstachtung und für die Stabilität der Demokratie ist es, daß schließlich und endlich aus einer langen Debatte dann auch eine Konsequenz gezogen und ein Beschluß gefaßt wird.
Ich nehme zur Sache nicht Stellung, aber ich meine, dieser Punkt der Entscheidung ist jetzt nach acht Jahren erreicht, und wer das „durchpeitschen" nennt, der hat kein ausreichendes Verhältnis zur Wahrheit.
Wir Abgeordneten des Deutschen Bundestages sind auf allen Bänken harte Auseinandersetzungen gewohnt; wir schonen uns ja gegenseitig auch nicht. Es gibt aber auch Beleidigungen, die uns wirklich verletzen. Zu diesen Beleidigungen gehört die Parole, die hier in Bonn zu lesen ist: „Wer NS-Gesetzen zustimmt, wird nicht mehr gewählt."
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9272 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Mai 1968
— Das habe ich in vielen Diskussionen bei anderen Veranstaltungen, wo auch Kollegen der CDU und der SPD als Redner aufgetreten sind, oft genug erfahren können. Sie dürfen mit Sicherheit davon ausgehen, daß ich die Gelegenheit wahrnehme,morgen auf dieser Veranstaltung die Auffassung der parlamentarischen Opposition zu vertreten.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wörner.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst ganz kurz zu dem Vorwurf Stellung nehmen, der draußen aufgetaucht ist und den sich der Herr Kollege Busse zu einem Teil zu eigen gemacht hat, daß dieses Haus in der nächsten Woche über eine Vorlage beschließen werde, die es heute noch nicht kenne. Demgegenüber ist festzuhalten, daß der Entwurf, der hier in der nächsten Woche beraten wird, mit Ausnahme von vier Punkten — darunter nur einem substantiellen Punkt, nämlich dem Widerstandsrecht — bereits Anfang April festgestanden hat und in der Presse veröffentlicht worden ist. Die Einigung über das Widerstandsrecht ist gestern erzielt worden; sie ist den Mitgliedern dieses Hauses, die daran ein Interesse hatten, bekannt.
Infolgedessen muß ich diesen Vorwurf mit aller Entschiedenheit zurückweisen.
Die Einigung über das Widerstandsrecht ist doch aber zugunsten derjenigen erfolgt, die noch Bedenken gegenüber diesem Entwurf hatten.
Ihnen, Herr Kollege Dorn, möchte ich folgendes sagen. Wenn die FDP-Fraktion diesen Entwurf für so bedeutend hält — und ich nehme an, daß sie ihn für bedeutend hält —, muß sie auch die Zeit finden, sich mit ihm auseinanderzusetzen. Die CDU/CSU-Fraktion hat sich gestern abend in einer Nachtsitzung ausführlich mit allen Einzelpunkten auseinandergesetzt.
In unserer Fraktion ist jeder hinreichend aufgeklärt.
— Wenn es Ihnen ganz neu ist, dann darf ich es Ihnen hiermit mitteilen, Herr Mischnick!Nun lassen Sie mich bitte noch folgendes sagen. Jeder von uns weiß, daß unter denen, die morgen demonstrieren, ganz unterschiedliche Überzeugungen, Motive und Beweggründe vorhanden sind. Niemand beabsichtigt, sie alle in einen Topf zu werfen. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, wer sich in einen Karren setzt, dessen Richtung er nicht zu bestimmen vermag, muß wissen, was er tut.
Wer sich zu einer bestimmten Gesellschaft setzt — ich bringe jetzt ein paar Zitate, die zu erkennen geben, worum es hier geht —, muß auch wissen, was er tut. Und wer sich in einen Karren setzt, dessen Aufschriften — wie Sie draußen an den Zäunen
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Mai 1968 9273
Dr. Wörnerlesen können — nicht von demokratischer Gesinnung zeugen, muß ebenfalls wissen, was er tut, und kann nicht den Vorwurf erheben, daß man ihm Unrecht tut, wenn er in dieser Gesellschaft entsprechend behandelt wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dies ist ein Zitat aus einem Teach-in des SDS zu dieser morgigen Veranstaltung:Wir haben nicht die Wahl zwischen Unschuld und Gewalt, sondern zwischen verschiedenen Formen der Gewalt.
Am 11. Mai wird Bonn eine Notstandsfestung sein.
Wir werden Formen der angemessenen Gegengewalt diskutieren. Die Diskussion wird vor allem auch die voraussichtliche Notstandssituation am 11. Mai in Bonn und eine dort mögliche Aktion zum Gegenstand haben. Dieser Marsch auf Bonn wird zur größten Machtdemonstration der außerparlamentarischen Opposition.Meine Damen und Herren! Wer sich so oft wie ich im Wahlkampf mit dem SDS und seinen Überzeugungen und Methoden auseinandergesetzt hat, der weiß, daß es denen nicht um die Demokratie geht, sondern um den Sturz der Demokratie.
Dort sucht man den Notstand unter dem Vorwand, gegen den Notstand zu demonstrieren.
Keiner von uns in diesem Hause ruft nach Gewalt, auch morgen nicht. Jeder von uns ist bereit, sich der Diskussion zu stellen — gestern, heute und auch morgen. Aber eines werden wir nicht: wir werden uns nicht von der Straße und wir werden uns nicht von Organisatoren unter Druck setzen lassen, die nichts anderes im Sinne haben, als dieses Parlament daran zu hindern, seine Pflicht zu tun.
Wir sind nicht bereit, uns nach etwas anderem zu richten als nach unseren eigenen Überzeugungen. Und denen, die morgen demonstrieren, weil sie in Sorge sind um unsere Demokratie, kann ich sagen, daß sie morgen auf diejenigen achten sollten, die bei ihnen und mit ihnen sind und das Gegenteil im Sinn haben.
Wir sichern auch denen die Freiheit der Demonstration, genauso wie wir den Bürger, der nicht mitdemonstriert, zu schützen bereit sind. Aber auch das muß gesagt werden: Wer morgen Gewalt anwendet, der wird diesen Staat auf der Hut finden.
Das Wort hat der Abgeordnete Metzger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wird von manchen, die sich als Notstandsgegner bezeichnen — es ist schon mit Recht gesagt worden: wir alle sind Notstandsgegner —, erklärt, daß sie das deutsche Volk bewahren wollten vor dem Weg in die Weimarer Republik. Ich kann diese Sorge sehr gut verstehen, und ich glaube, alle, die die nationalsozialistische Zeit miterlebt haben, können diese Sorge verstehen. Und wir wollen und müssen dieser Sorge Rechnung tragen. Aber gerade wenn wir den Weg in die Weimarer Republik vermeiden wollen, müssen wir Entsprechendes tun. Es ist schon darauf hingewiesen worden: Die Weimarer Republik hat durch ihre Verfassung und durch die verfassungsrechtlichen Möglichkeiten überhaupt erst die Voraussetzung dafür geschaffen, daß der Reichspräsident zusammen mit einer Reichsregierung Dinge tun konnte, an denen das Parlament nicht beteiligt war. Der wesentliche Sinn der geplanten Notstandsgesetzgebung scheint mir aber gerade der zu sein — und das ist die Überzeugung auch meiner Fraktion —, daß wir dafür sorgen müssen, daß im Falle eines Notstandes nicht die Stunde der Exekutive, sondern die Stunde des Parlaments ist.
Deswegen müssen wir durch Verfassungsänderung dafür sorgen, daß die Zuständigkeiten geregelt werden. Es muß also die Zuständigkeit des Parlaments festgelegt werden. Es muß festgelegt werden, daß das Parlament mit qualifizierter Mehrheit — und nur das Parlament — zu erklären hat, ob ein Notstand besteht. Es muß dafür gesorgt werden, daß das Parlament — und nur das Parlament — Notstandsgesetze zu erlassen hat, im Gegensatz zur Weimarer Zeit. Wer nicht will, daß sich die Weimarer Zeit wiederholt, der muß diese Regelung treffen. Wer diese Regelung nicht trifft, der nimmt alles das mit in Kauf, was sich in Weimar ereignet hat. Es ist erstaunlich, daß es für manche Leute so schwer ist, das zu begreifen, und bei einigen hat man das Gefühl: sie wollen es nicht begreifen.
Wir haben ja mancherlei Äußerungen. Ich denke jetzt an eine Äußerung, die mich besonders bewegt, die Äußerung eines Pfarrers Werner mit einer Reihe von Unterschriften, in der unglaubliche Dinge stehen.
Da wird von einer Art von Gewaltakt gesprochen, und um den Widerstand zu rechtfertigen — nachdem ja längst durch die Entwicklung bewiesen ist, daß die Notstandsgesetze ganz anders aussehen, als man ursprünglich angenommen hat —, greift man zu Behauptungen, die mit der Wahrheit schlechterdings nicht im Einklang stehen.
Es wird z. B. die Behauptung aufgestellt, die Spitzen der Koalitionsfraktionen hätten Geheimabsprachen getroffen. Nun, alle, die wir in diesem Parlament sitzen und die wir ehrlich sind, wissen und können
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9274 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Mai 1968
Metzgerbestätigen, daß das eine Unwahrheit ist. Wenn Fraktionen gemeinsam eine Regierung bilden, ist es selbstverständlich, daß sie miteinander sprechen müssen. Und wer soll miteinander sprechen? Die Spitzen der Fraktionen! Wer denn sonst?! Daß dann die Ergebnisse dieser Gespräche in den geschäftsordnungsmäßigen Gang kommen, daß sie den Ausschüssen überwiesen werden, daß sie in den Fraktionen besprochen werden, daß sie also nicht geheim sind, ist selbstverständlich. Wer die Behauptung von Geheimabsprachen aufstellt, tut das bösartig.
Ich erkläre das ganz ausdrücklich: Das sind bösartige Behauptungen.
Es wird dann darauf aufgebaut und in diesem Schreiben gesagt, die demokratische Öffentlichkeit solle bewußt überrumpelt werden. Jeder weiß, daß die Dinge zunächst einmal in den Ausschüssen behandelt werden und dann, wenn sie in den Ausschüssen zu Ende beraten sind, in die Fraktionen kommen und dort beraten werden. Die Fraktionen haben die Möglichkeit, diese Dinge in aller Ausführlichkeit zu beraten. Meine Fraktion wird sich mit diesen Dingen den ganzen Dienstag beschäftigen, nachdem sie sich schon in vielen, vielen Sitzungen damit beschäftigt hat. Die Öffentlichkeit ist gehört worden, und von einer Überrumpelung der Öffentlichkeit zu sprechen, ist einfach mit der Wahrheit nicht im Einklang.
Wenn dann in diesem Schreiben weiter gesagt wird, es liege nahe, schon jetzt von einem Staatsstreich zu sprechen, so kann ich nur sagen, daß das eine Vergiftung unserer öffentlichen Meinung ist, die einfach nicht verständlich ist.
Ich muß auch ganz offen sagen, daß dieses Schreiben — ich weiß gar nicht, ob Sie es alle gelesen haben — die Unterschrift von Männern trägt, die ich aus einer langen Tätigkeit sehr gut kenne, mit denen ich zum Teil während der nationalsozialistischen Zeit im Abwehrkampf der Bekennenden Kirche gestanden habe. Das schmerzt mich tief. Wer die nationalsozialistische Zeit kennengelernt hat, muß wissen, daß das, was hier geschieht, was hier von unseren Ministern und von anderen vorgetragen worden ist, das genaue Gegenteil von Staatsstreich ist,
daß das die Verwirklichung der Verfassung und die Garantierung unserer demokratischen Grundordnung ist. Ich will gar nicht bestreiten, daß jemand anderer Meinung sein kann. Dann sollte er aber wenigstens die Offenheit und die Ehrlichkeit besitzen, zuzugeben, daß andere aus ehrlicher Sorge um die Demokratie einen anderen Weg gehen wollen als er selbst.Herr Präsident, ich darf noch eine kurze Bemerkung machen. Ich habe in diesen Tagen zufällig an einer Studentenversammlung teilgenommen, in der am Vorstandstisch prominente Sprecher der sogenannten außerparlamentaarischen Opposition saßen. Auch Pfarrer Werner saß dabei. Einer dieser Sprecher hat erklärt — und er hat es in die Versammlung hineingeschrieen —. „Wir haben lange genug argumentiert, jetzt hört das Argumentieren auf!"
Er hat damit einen großen Teil der Versammlung, nicht die ganze, zu einem frenetischen Beifall veranlaßt.Ich kann nur eines sagen: Wer erklärt, daß das Argumentieren aufhört, soll uns sagen, was er will. Er kann einen leninistischen Kommunismus wollen, er kann einen stalinistischen Kommunismus wollen, er kann einen maoistischen Kommunismus wollen, er kann eine Anarchie nach Marcuse wollen; er kann aber niemals eine Demokratie wollen.
Wer glaubt, daß er das Argumentieren ausschalten kann, hat die Demokratie bereits verraten und — die Vermutung habe ich — hat die Demokratie nie gewollt.
Ich bin auch der Meinung, man muß Unterscheidungen treffen. Unter denen, die da demonstrieren, gibt es sehr viele, die guter Meinung sind, die aber zum großen Teil ahnungslos sind. Aber sie sollten einmal hinhören, was da gesagt wird, und sie sollten diese Leute fragen, was sie denn eigentlich wollen.
Das Wort hat der Abgeordnete Mischnick.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit Recht ist hier davon gesprochen worden, daß in manchen der Flugschriften Dinge unterstellt werden, die von keiner Seite in diesem Hause gewollt werden und in keiner Vorlage enthalten sind. Mit Recht wehren wir uns dagegen. Ich wäre aber dankbar, wenn das Sich-Wehren gegen Unterstellungen auch dann erfolge, wenn es sich um Kollegen dieses Hauses handelt, denen man Dinge unterstellt, die einfach nicht den Tatsachen entsprechen, nämlich mit der Behauptung, wie es durch Zwischenrufe geschehen ist, wir stellten das Ob einer Notstandsgesetzgebung in Frage. Nach beiden Seiten sollten wir hier korrekt handeln und nicht nur nach einer Seite.
Mit Recht hat der Kollege Wörner davon gesprochen: Wer in Sorge um unsere Demokratie ist, muß darauf achten, was die anderen wollen, die da mitgehen. Völlig einer Meinung! Gerade aber um diejenigen geht es doch, wenn wir der Auffassung sind: Den außerparlamentarischen Kräften muß klargemacht werden, was die parlamentarische Opposition will, damit wir nicht zusammentreiben, was nicht zusammengehört. Gerade wer Sorge hat, daß sich die außerparlamentarische Opposition anreichert, daß es Mitläufer gibt, die glauben, das sei der
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Mai 1968 9275
Mischnickeinzige Weg, der muß dafür Verständnis haben, daß die parlamentarische Opposition ihren auf dem Boden des Grundgesetzes stehenden Standpunkt auch bei solchen Gelegenheiten in aller Offenheit und aller Klarheit darlegt. Um das geht es uns, um nichts anderes.
Meine Damen und Herren, hier ist vom Herrn Kollegen Wörner wieder darauf hingewiesen worden, man habe doch ausreichend Zeit, sich mit diesen Dingen zu befassen. Meine Damen und Herren, welches Gesetz von einer solch weittragenden Bedeutung haben wir in solch kurzer Zeit
in zweiter Lesung im Parlament behandelt, obwohl wir wissen, daß die zweite Lesung zur Notstandsgesetzgebung vergleichbar — nicht gleichzusetzen — mit einer dritten Lesung ist, weil ja entsprechende Verhandlungen zwischen der zweiten und der dritten Lesung mit den Alliierten geführt werden müssen?! Wenn Sie sich zurückerinnern, müssen Sie zugeben, daß es für ein solch weitreichendes Gesetz nicht üblich gewesen ist, daß, wenn am Dienstag beraten werden soll, am Freitag der Text des Gesetzes noch nicht im einzelnen vorliegt bis auf die Übersicht, die wir gestern bekommen haben. Das ist eben etwas, was wir nicht für richtig halten, meine Damen und Herren.
In der Aktuellen Stunde gibt es keine Zwischenfragen.
Ich wäre mit der Zwischenfrage einverstanden. Aber, Herr Präsident, Sie haben recht: Jetzt darf keine Zwischenfrage gestellt werden.
Sie sagen, der Text liegt vor. Es ist aber doch unbestritten, daß gerade für die Kollegen, die sich nicht in den Ausschüssen ausführlich damit befassen konnten, bis jetzt keine Gelegenheit war, im einzelnen Paragraph für Paragraph durchzusehen, weil sie nichts in der Hand hatten.
Das ist ein Punkt, meine Damen und Herren, der nicht gut ist.
Wären Sie auf den Vorschlag der Freien Demokraten eingegangen, es acht Tage später zu beraten, wäre kein Schaden entstanden. Herr Kollege Schmidt, die Entscheidungen hätten dann genauso fallen können. Hier erwecken Sie aber nach außen den Eindruck, daß die Dinge schneller über die Bühne gezogen werden sollen, als es unbedingt notwendig ist.
Da brauchen Sie nicht Pfui zu rufen.
Die Dinge sind einfach falsch, wenn man in einer solch wichtigen Frage, bei der die verschiedensten Gruppierungen unterschiedlicher Meinung sind, die Öffentlichkeit über die jetzt gefaßten Beschlüsse bis hin zur Entscheidung nicht ausreichend unterrichten kann und auch als Abgeordneter Verhandlungen und Gespräche mit Sachverständigen zwischen den Beratungen gar nicht mehr führen kann. Das müssen Sie doch zugeben.
Meine Damen und Herren, erfreulicherweise ist hier ein klares Bekenntnis zum Demonstrationsrecht abgelegt worden. Wir sind gemeinsam der Auffassung, daß diejenigen, die Gewalt anwenden, damit ihrer eigenen Sache schaden, sofern sie sich zu einer Sache bekennen und nicht nur aus purer Obstruktion dagegen sind. Wir sollten aber auch nicht in den Fehler verfallen, von dem, was an Negativem bei Demonstrationen hier und dort eingetreten ist, bei der grundsätzlichen Betrachtung von Demonstrationen auszugehen. Dann würden wir vielen Unrecht tun. Seien sie bereit, das, was morgen gesagt wird, in aller Nüchternheit zu prüfen und hei den Beratungen am nächsten Mittwoch in die Diskussion zu nehmen, um sich dann sachlich zu entscheiden.
Wir lassen uns genauso wenig wie Sie unter Druck setzen. Uns geht es darum, der Öffentlichkeit das Gefühl zu vermitteln: Hier wird wirklich gründlich beraten und nicht überhastet entschieden.
Meine Damen und Herren, ich muß feststellen, daß die für die Beratung der nächsten Woche maßgebende Bundestagsdrucksache V/2873 heute vormittag verteilt worden ist.
— Heute vormittag. Sie muß sich also in den Fächern befinden, wo Sie sie abholen können.
Das Wort hat der Abgeordnete Damm.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte dem Abgeordneten Mischnick sagen: Nicht wir erwecken den Eindruck, als ob etwas durchgepeitscht werden solle, sondern seine Argumentation hinsichtlich des Terminplanes, wie er sie eben vorgetragen hat, muß draußen den Eindruck erwecken, als ob hier etwas durchgepeitscht werde.
— Meine Herren Kollegen von der FDP, wenn jemandem die Dinge, wie Sie hier mit Recht unterstellen können, am Herzen liegen, dann hat er über
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9276 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Mai 1968
DammMonate und insbesondere in den letzten Wochen Gelegenheit gehabt,
mit den Experten seiner Fraktion ständig Kontakt zu halten, und er konnte genau wissen, worum es sich handelt.
Im übrigen ist schon gesagt worden: Die CDU/ CSU-Fraktion hat gestern abend in mehrstündiger Sitzung die Einzelheiten dieser jetzt gefaßten Beschlüsse so ausführlich beraten, daß für meine Fraktion festgestellt werden kann: Wir sind genau im Bilde.Meine Damen und Herren, ich habe mich hier gemeldet, um zu den vielen berechtigten Hinweisen auf die — wie Herr Kollege Metzger es genannt hat — Vergiftung der Atmosphäre ein, wenn ich so sagen darf, praktisches Beispiel beizutragen, von dem ich heute morgen Kenntnis erlangt habe. Ich möchte um die Genehmigung des Herrn Präsidenten bitten, etwas zitieren zu dürfen. In den „Harburger Anzeigen und Nachrichten", einer Zeitung, die sowohl dem Herrn Kollegen Wehner als auch dem Herrn Kollegen Dr. Dahlgrün nicht unbekannt ist, finde ich in der Ausgabe von gestern folgenden Bericht. Dort wird geschildert, was eine Hamburger Hausfrau beim Einkaufen in der Hamburger Innenstadt erlebt hat. Lassen Sie mich das Sie werden gleich den Zusammenhang mit diesem Thema erkennen — insoweit vorlesen:Plötzlich— so erzählt eben diese Hausfrau —tauchten am Eingang zum Gerhart-HauptmannPlatz— das ist die Karstadt-City —eine Rotte wildaussehender junger Burschen mit weißen Helmen auf, in der Hand kurze Knüppel, und einige trugen Holzgewehre. Sie stürzten sich auf einige Kunden, junge Männer und junge Mädchen, packten sie und zerrten sie unter fortwährenden lauten Zurufen: „Das ist eine Notstandsübung, die könnt ihr jeden Tag erleben!" Dabei schwangen sie ihre .Knüppel und „Gewehre" und drängten die von ihnen Ergriffenen mit Gewalt aus dem Kaufhaus auf die Straße hinaus. Draußen rannten mit wildem Gebrüll weitere Männer in Tarnanzügen und Helmen und zerrten ihre Opfer über die Straße, trotz der Hilferufe der jungen Mädchen. Hinter ihnen liefen ebenfalls junge Leute mit Photoapparaten und knipsten diese Szenen, die mir vorkamen, als ob hier etwas für das Kino aufgenommen würde. Sie zerrten die von ihnen Festgehaltenen in Richtung auf die unterirdischen Toiletten, stießen sie gegen die Mauer mit dem Rücken zur Straße und befahlen ihnen, stillzustehen und sich nicht zu rühren. Die Behelmten hoben ihre Gewehre gegen ihre Gefangenen.Das Ganze geschah ohne einen Widerstand der Passanten, aber die Burschen hatten sich wohlweislich nur an ganz jungen Menschen vergriffen, während sie ältere Personen nicht belästigten.Und ein Stück weiter heißt es dann in diesem Bericht, daß ähnliche Aktionen auf dem nicht weit entfernt gelegenen Gelände des C & A-Kaufhauses in der Mönckebergstraße geschahen; dort sind gleichzeitig vom „Aktionsausschuß 11. Mai" Flugblätter verteilt worden,
die auf den sogenannten „Notstand der Demokratie" hinweisen und dazu auffordern, am 11. Mai an dem Sternmarsch auf Bonn teilzunehmen.
Meine Damen und Herren, wenn man so mit dem Bürger umgeht, um ihn gegen die Notstandsgesetze einzunehmen, dann ist das eben nun wirklich handfeste Manipulation der Meinung der Bürger, und dagegen muß man auch hier in diesem Hause entschieden Front machen.
In dem Flugblatt, von dem hier die Rede ist, wird natürlich auch die These wiederholt, die Politiker hätten nicht ihr Versprechen erfüllt, mit den Studenten bespielsweise und den Notstandsgegnern — den sogenannten Notstandsgegnern — zu sprechen. Ich möchte hier als Beispiel eine Gesprächsaufforderung des sogenannten „Arbeitskreises Notstandsgesetze" in Hamburg erwähnen, dessen Sprecher ein Professor Bäumer ist. Dieser hat im März dieses Jahres noch die Hamburger Bundestagsabgeordneten aufgefordert, zu diskutieren, und hat bei dieser Gelegenheit seinem Brief ein Fotokopie des Ermächtigungsgesetzes von 1933 beigelegt, natürlich mit dem Hinweis darauf, daß das, was wir hier jetzt zu beschließen hätten, sich davon nicht unterscheide. Ich habe diese Gleichsetzung, wie Sie sich denken können, brieflich als Unverschämtheit zurückgewiesen. Daraufhin hat er erneut geschrieben — und nur das möchte ich hier noch vortragen —, es unterscheide sich das Ermächtigungsgesetz von 1933 von den zu beschließenden Notstandsgesetzen — so sagt er wörtlichim wesentlichen nur dadurch, daß die Notstandsgesetze statt in fünf kurzen Artikeln in einer Fülle von Paragraphen vernebelten, was wirklich gemeint sei.
So sieht dort die Gesprächsbereitschaft aus. So eine „Gesprächsbereitschaft" ist in Wirklichkeit eben nicht eine Bereitschaft zum Ringen miteinander, sondern das ist der Versuch, diese Demokratie zu torpedieren.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Mai 1968 9277
Meine Damen und Herren, wir stehen am Ende der Aktuellen Stunde.
Ich rufe nunmehr Punkt 41 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes
— Drucksache V/2833 —
Wird der Gesetzentwurf begründet? — Das ist offensichtlich nicht der Fall. Wird das Wort in der Aussprache gewünscht? — Frau Abgeordnete Funcke!
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Als wir vor genau einem Jahr das Mehrwertsteuergesetz in diesem Hause verabschiedeten, war wohl allen denen, die an diesem Gesetz mitgearbeitet haben, klar, daß es nicht ohne Novellen abgehen kann. Jeder von uns hat damit gerechnet, und die Regierung hat ja dann, noch bevor es überhaupt in Kraft trat, die erste Novelle vorgelegt. Novellen sind bei einem so umfassenden Systemwechsel deswegen unvermeidlich, weil das Leben doch etwas vielschichtiger ist, als es selbst in vier Jahren redlichen Mühens die Abgeordneten des Finanzausschusses in vollem Umfang übersehen konnten. Und nicht alle Verbände haben uns auf alle möglichen Schwierigkeiten aufmerksam gemacht. Sie ist auch deswegen nötig, weil sich sachliche Argumente nicht immer gegen abweichende politische Zielsetzungen durchgesetzt haben, und auch deswegen, weil mitunter erst die Entwicklung zeigt, daß die Verschiebung in der Steuerbelastung zu unerträglichen wirtschaftlichen Folgen führt. Erst jetzt können wir die praktische Auswirkung überschauen. Es sind auch manche Ungerechtigkeiten nicht erkannt worden, die sich erst jetzt herausgestellt haben. Schließlich hat sich erst nach der Einführung manche Frage der praktischen Durchführbarkeit ergeben.Der Vorsitzende des Finanzausschusses, Herr Dr. Schmidt, hat dieser Tage gesagt, es sei noch zu früh, man sollte noch warten, man müsse erst einmal so etwa ein Jahr laufen lassen. Wir sind da anderer Meinung. Denn wenn es in der Tat Ungerechtigkeiten gibt, wenn es bewiesene Unzulänglichkeiten gibt, ja, Verfassungsbedenken oder erhebliche wirtschaftliche Benachteiligungen, sollte man sich sehr bald zu ihrer Beseitigung entschließen und nicht warten, bis die Schäden noch größer werden oder gar Verfassungsbeschwerden in Karlsruhe anhängig werden.Meine Herren und Damen, gerade dieses Gesetz ist nicht nur in wirtschaftlicher, sondern vor allem auch in psychologischer Hinsicht so empfindlich, daß wir uns wohl hüten sollten, allzu dickfellig auf beachtliche Vorstellungen zu reagieren. Nicht zuletzt sollten wir aus vor Augen halten, daß in diesem Fall der Hauptbetroffene nicht aktiv legitimiert ist zu klagen. Denn die Umsatzsteuer wird ja, soweit es die Betriebe angeht, weitergewälzt. Soweit sie aber den Letztverbraucher trifft, gilt dieser nicht als Betroffener im Sinne des Verfassungsgerichtsgesetzes und kann daher nicht in Karlsruhe klagen; er istnicht unmittelbar Steuerpflichtiger gegenüber dem Finanzamt. Gerade diese empfindliche Stellung des Verbrauchers sollte uns besonders aufmerksam machen, wenn es um Fragen der Ungerechtigkeit oder der allzu starken Belastung durch dieses Gesetz geht.Wir wissen alle, daß das Ministerium an einer Novelle arbeitet. Wir wissen alle, daß die Fraktionen dieses Hauses, und zwar alle drei, bereits Änderungsanträge beraten oder formulieren. Wir fragen uns deswegen, warum es denn nun nicht endlich losgehen soll. Da wir mit einer Novelle nicht auskommen, wird es sowieso notwendig sein, gelegentlich später noch auftretende Unzulänglichkeiten in einer weiteren Novelle zusammenzufassen. Wir sollten uns da nicht scheuen, zuzugeben, daß nicht alles auf Anhieb klappt. Schließlich beschäftigen sich ja z. B. auch unsere französischen Kollegen laufend mit Änderungen, weil einfach die wirtschaftliche Entwicklung sie unvermeidbar macht.Wir haben seitens der FDP in dieser Novelle nicht alles aufgegriffen, was uns reformbedürftig erscheint. Diejenigen, die sich hier mit ihrem Anliegen vielleicht nicht hinreichend angesprochen fühlen, mögen sich sagen, daß eine Opposition in diesem Hause mit verminderten Hilfsmöglichkeiten — es geht hier ja alles nach d'Hondt — nicht gleichzeitig alle Probleme in Angriff nehmen kann. Wir bekennen das freimütig. So werden wir zweifelsohne, wenn erst einmal diese Novelle beraten wird, weitere Fragen zur Diskussion stellen. Ich komme gleich noch auf einige zu sprechen. Worum es uns ging, ist, die Beratung im Parlament überhaupt zu beginnen, die Novelle also praktisch in die Diskussion zu geben und damit all denen, die weitergehende Wünsche, Anträge oder Bedenken haben, sei es in den Fraktionen, sei es im Ministerium, sei es von draußen, die Möglichkeit zu geben, ihr Anliegen vorzubringen.Es geht bei den Änderungen, die wir vorschlagen, im wesentlichen um drei Gruppen, und zwar einmal um die Fälle, in denen sich wirtschaftliche Nachteile ergeben haben, die in diesem Umfang von uns nicht gewollt sein können, zum zweiten um die Fälle, wo sich herausgestellt hat, daß sich Ungerechtigkeiten ergeben haben, und drittens um Fragen der praktischen Durchführung.Zum Punkt 1: Wir schlagen vor, den Steuersatz für den Gaststättenumsatz auf 5 0/o zu setzen. Diesen Antrag haben wir seinerzeit schon gestellt und begründet. Die Entwicklung hat uns recht gegeben. Die Gaststättenumsätze sind nicht nur netto, sondern auch brutto zurückgegangen, d. h. selbst unter Anrechnung der erhöhten Umsatzsteuer liegen die Umsätze im Gaststättengewerbe unter denen des Vorjahres. Dabei müssen wir noch sagen, daß das Vorjahr zweifellos ein Jahr besonders zurückhaltender und sparsamer Wirtschaftsführung des einzelnen Verbrauchers gewesen ist. Hier zeigt sich offensichtlich, daß die hohe Besteuerung der Gaststätten gegenüber den Einkäufen im Lebensmittelbereich, auch gegenüber Einkäufen von fertigen Gerichten, so benachteiligt, daß wir uns ernstlich fragen müssen, ob hier nicht die Gerechtigkeit der Besteuerung
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9278 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Mai 1968
Frau Funckeund die wirtschaftliche Notwendigkeit uns zu einer Herabsetzung des Steuersatzes zwingen. Wir sind dieser Meinung.Zugleich hat sich herausgestellt, daß die Abgrenzungen zwischen dem Verzehr in Gaststätten und dem Verzehr im Vorbeigehen praktisch und rechtlich möglich ist. Man müht sich, da köstliche Abgrenzungen zu finden, und das Ministerium gibt sich zweifellos Mühe, sie möglichst schußfest zu machen. Wir sollten aber ehrlich zugeben, daß Speisen in Gaststätten und Speisen in Lebensmittelgeschäften praktisch das gleiche sind und daß wir daher keine Diskriminierung in der Besteuerung vornehmen dürfen.Wenn unser Antrag, wie es gelegentlich von außen gesagt wurde, nicht klar genug und nicht urn-fassend genug ist, sind wir gern bereit, ihn im Text zu ändern. Selbstverständlich ist auch die Verpflegung, die vom Arbeitgeber im Familienhaushalt gestellt wird, mitgemeint. Es geht darum, daß alles, was an Fertiggerichten auf den Tisch gebracht wird, in der 5%igen Besteuerung gleichgestellt wird.Wir denken weiterhin an die wirtschaftlichen Entwicklungen, die sich auf dem Altwaren- und Altwagenmarkt ergeben haben. Gegenüber dem ersten Vierteljahr 1966 hat es in den Neuzulassungen der Wagen einen 25%igen Rückgang gegeben. Dies ist zweifelsohne darauf zurückzuführen, daß Kraftfahrzeugbesitzer den fälligen Fahrzeugwechsel nicht vorgenommen haben. Man fährt den Wagen weiter und gibt ihn nicht mehr in Zahlung. Dadurch ist natürlich auch das Neugeschäft in Mitleidenschaft gezogen. Durch eine verbandseigene Befragung hat man festgestellt, daß sich im Altwagengeschäft, d. h. bei der Inzahlungnahme von Wagen, ein Rückgang um 27,6 % ergeben hat. Meine Herren und Damen, das sollte uns zu denken geben.Ich glaube, hier muß etwas geschehen. Herr Kollege Dr. Schmidt, Sie haben bei den Steuerbevollmächtigten gesagt, unser Änderungsvorschlag sei ein Einbruch in das System. Man kann da aber verschiedener Meinung sein. Auch wir haben es zunächst so beurteilt. Man kann aber genauso gut der Meinung sein, daß auch eine Doppelbesteuerung desselben Wagens nicht im System liegt. Ein Wagen, der bereits einmal an den Letztverbraucher gegangen ist, hat die Umsatzsteuerbelastung von 10% schon getragen. Wenn er nun erneut in den Wirtschaftsablauf kommt, erfährt er praktisch eine Doppelbesteuerung. Man kann — ich gebe das zu — beides begründen. Aber weil man beides begründen kann, sollten wir der wirtschaftlichen Überlegung folgen und eine Erleichterung in der Steuerbelastung zur Belebung des Altwagenmarktes und des damit zusammenhängenden Neugeschäftes schaffen. Das gilt auch für Altmaschinen und Altwagen aller Art. Wir stellen uns das so vor, daß in diesem Falle ein bereits einmal versteuertes Gut nicht noch einmal Grundlage der Besteuerung sein soll. Es soll vielmehr beim Wiederverkauf mit dem Einlösungswert aus dem Verkaufserlös herausgenommen werden. Der Restbetrag — das ist die Leistung des Händlers, es kann aber sehr häufig auch nochder Einbau zusätzlicher Neuteile sein — ist dann selbstverständlich mit 10 % zu versteuern.Die zweite Gruppe bezieht sich auf Ungerechtigkeiten, die nach unserer Auffassung beseitigt werden sollten. Da geht es zunächst um unseren Antrag aus dem vorigen Jahr, nach dem wir alle Leistungen, die gegenüber Ausländern mit Wirkung im Ausland erbracht werden, so behandelt sehen wollen wie alle Warenlieferungen ins Ausland. Auch die geistige Leistung gegenüber dem Ausland und mit Wirkung im Ausland sollte uneingeschränkt steuerfrei sein. Denn es ist einfach nicht zu verstehen — und nicht zu vertreten —, daß zwar jeder Export — unabhängig davon, um was es sich handelt — steuerfrei ist, während eine geistige Leistung, die über die Grenzen hinweg erbracht wird, sehr unterschiedlich behandelt wird. Nach dem geltenden Recht ist wirtschaftliche und technische Beratung steuerfrei, aber rechtliche und steuerliche Beratung steuerpflichtig. Sie haben uns auch trotz aller Bemühungen des Herrn Kollegen Seuffert nicht klarmachen können, warum Sie diese Ungerechtigkeit für gerecht halten. Darum greifen wir diese Frage erneut auf.Ähnlich ist es mit einer anderen Frage. Im Rahmen des § 12 sind die Leistungen aller Steuerberater oder Steuerbevollmächtigten ebenso wie die der Steuerberatungsgesellschaften mit 5 % gleichgestellt. Wir haben aber die Wirtschaftsberatungsgesellschaften nicht entsprechend behandelt. Dadurch liegt hier eine einseitige Benachteiligung vor. Es hat sich herausgestellt, daß Differenzen mit Oberfinanzdirektionen entstanden sind darüber, ob etwa die wirtschaftliche Beratung von Krankenhäusern durch eine entsprechende Gesellschaft jetzt 5 oder 10 % kosten soll. Die Beratung auf Parallelgebieten durch eine Steuerberatungsgesellschaft ist nur mit 5 % belastet. Aber die Beratung durch eine solche Wirtschaftsberatungsgesellschaft würde mit 10 % besteuert werden. Das scheint uns nicht gerecht zu sein.Es geht auch um die Frage der Künstleragenturen. Die künstlerischen Leistungen haben wir mit 5 % versteuert oder sie ganz freigestellt, während die Steuer der Agenturen bei 10 % liegt. Die Folge ist, daß vielfach aus dem Ausland heraus die Vermittlung vorgenommen wird und die deutschen Agenturen übergangen werden. Oder die deutschen Agenturen müßten ihren Sitz in das Ausland verlegen.Es geht auch um die leidige Frage — Herr Kollege Schulhoff ist gerade nicht hier — der Zahntechniker. Wir haben drei verschiedene Steuersätze für den Zahnersatz. Macht ihn der Arzt selbst, ist er steuerfrei. Beschäftigt der Arzt einen Techniker, kostet die Prothese 5 %. Wird die technische Leistung vom handwerklichen Zahntechniker erbracht, beträgt die Steuer 10 %. Uns scheint das ungereimt zu sein. Wir sollten einfach den Satz auf 5% festlegen, was ja auch logisch ist, da wir auch sonst alle Körperersatzstücke mit 5 % besteuern. Es ist nicht einzusehen, warum ein Glasauge 5 %, die dritten Zähne aber 10 % kosten sollen.Schließlich geht es noch um eine Gleichstellung im Bereich der Druckerzeugnisse. Wir haben auf
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Frau Funckedem deutschen Bücher- und Kalendermarkt eine Form von Kalendern, die buchähnlichen Charakter haben. Ich meine nicht die reinen Terminkalender, sondern ich meine jene Kalender, aus denen letztendlich seinerzeit das Buch hervorgegangen ist. Es ist nicht ganz einzusehen, warum etwa besonders hochwertige Kalender — mit buchähnlichem Inhalt oder mit Kunstdrucken — anders behandelt werden als Bücher oder lose Drucke.Schließlich geht es noch um die leidige Getränkesteuer der Gemeinden. Sie besteht nur in einzelnen Gemeinden und in unterschiedlicher Höhe. Es erscheint nicht gerecht, daß dort, wo sie besteht, die Getränke nicht nur zusätzlich mit der Getränkesteuer, sondern auch noch mit der Mehrwertsteuer auf die Getränkesteuer belastet werden. Wir sehen in der Getränkesteuer nach wie vor einen durchlaufenden Posten und meinen, sie müßte von der Mehrwertsteuer freigestellt werden.Schließlich, meine Herren und Damen, geht es um die Praktikabilität dieses Gesetzes. Es gibt ein hochinteressantes Gutachten unseres Kollegen dieses Hauses, Dr. Eckhardt, der einmal dem Charakter des Flaschenpfandes nachgegangen ist und festgestellt hat, daß das Flaschenpfand kein Entgelt ist. Ich glaube, er hat recht. Flaschenpfand ist kein Entgelt, sondern ist, soweit die Flasche nicht wieder zurückgegeben wird, eine Ersatzleistung für verlorengegangenes Umfassungsgut. Wenn das so ist, ist nach steuerrechtlicher Terminologie kein Raum für eine Besteuerung; denn für Ersatzleistungen ist keine Steuer vorgesehen. Deswegen, so meine ich, sollten wir den Vorschlägen folgen, das Flaschenpfand freizustellen. Es ist doch geradezu unsinnig, daß wir eine Riesenarbeit verursachen dadurch, daß zunächst das gegebene Flaschenpfand versteuert wird und bei Rückgabe der Flasche die Steuer wieder entsprechend gekürzt wird. Das mag im Einzelhandel gerade noch gehen, wo man am Ende eines Tages jeweils die Nettoeinnahme versteuert. Aber in den Zwischenstufen, im Handel, in der Produktion macht das eine unsinnige Arbeit für nichts; denn zum guten Schluß wird nahezu alles wieder rückgerechnet. Dieses Hinüber- und Herüberrechnen scheint uns wahrlich weit mehr Kosten zu verursachen, als es nachher bringt. Wir meinen, hier sollten wir, sowohl der rechtlichen wie der praktischen Begründung folgend, das Flaschenpfand freistellen.Schließlich gibt es noch das leidige Thema des Termins zur Abgabe der Steuererklärung. Wir haben in diesem Hause vor einem Jahr mit allem Nachdruck erklärt, daß wir die derzeitige Regelung für unzumutbar halten. Eine Demokratie, die ihren Bürgern Unzumutbarkeiten aufbürdet, ist schlecht. Nun hat es sich erwiesen, daß es unmöglich ist, bis zum 10. des folgenden Monats alle Unterlagen für die Mehrwertsteuerabrechnung zur Verfügung zu haben. Die steuerberatenden Berufe haben das eindeutig gesagt, und die Regierung hat sich ja auch ein bißchen darauf eingestellt, indem sie bis Ende Mai eine Übergangsregelung mit sehr fragwürdiger praktischer Auswirkung zugelassen hat. Aber dieser Termin läuft ab. Ich würde Ihnen allen wünschen, daß Sie einmal diese vier Seiten ernstlich und rich-tig ausfüllen müßten. Leider sind es nur zu wenige, die das selbst praktisch zu tun haben. Ich bin nicht in der Lage, die Steuererklärung bis zum 10. abzugeben, und viele, nahezu alle, sind es nicht, weil die Vorarbeiten jetzt ja nicht nur auf dem Verkaufssektor, sondern auch auf dem Einkaufssektor bis zu diesem Termin abgeschlossen sein müssen. Sagen Sie nicht, daß die Automation das erleichtert. Nicht jede Firma kann sich im Rechnungswesen die Vollautomation leisten. Es gibt Gemeinschaftseinrichtungen, aber natürlich können nicht alle zur gleichen Zeit die gleiche Arbeit verlangen. Es geht so in der Tat nicht.Wir haben den damaligen Antrag einfach mechanisch wiederholt, aber ich möchte Ihnen eigentlich einen anderen Vorschlag machen. Ich glaube, damit könnten auch das Finanzministerium und die Länder, die da am schwierigsten sind, einverstanden sein. Es ist der Vorschlag, den die Steuerbevollmächtigten uns vorgelegt haben: Wir behalten den 10. bei, aber wir rechnen jeweils am 10. den vorvorigen Monat ab und machen eine einmalige Zwischen-Akontozahlung, damit auch Herr Strauß zu seinen monatlichen Einnahmen kommt. Das heißt, es wird am 10. Juni eine Akontozahlung geleistet, und am 10. Juli wird der Mai abgerechnet. Ich glaube, damit kommen wir allen Beteiligten entgegen und verhindern Manipulationen, die heute notwendig sind. Ich sage ganz freimütig, wie wir es machen; denn bei uns in der Firma geht es gar nicht anders: Wir schließen den Monat — zumindest im Einkauf — etwa am 20. ab, um dann wenigstens bis zum Erklärungstermin einen wenn auch fiktiven Vorsteuerbetrag zu haben. Das ergibt natürlich doppelte Arbeit, denn in der kurzfristigen Erfolgsrechnung müssen wir ja die richtigen Zahlen per 31. haben. Das heißt, die derzeitige Regelung führt zu permanenter Doppelarbeit und zu Unübersichtlichkeiten im betriebsinternen Zahlenwerk. Wir bitten also, in diesem Punkte das Gesetz einmal von der praktischen Seite her zu reformieren.Nun, meine Herren und Damen, ich könnte noch auf einige Punkte hinweisen, die wir darüber hinaus für diskussionswürdig halten, möchte das aber wegen der vorgeschrittenen Zeit nicht tun. Es gibt eine Reihe von Dingen. Hier ist einmal die Frage, die ja offensichtlich in allen Fraktionen diskutiert wird, wie es etwa mit den ausländischen Inseraten in deutschen Zeitungen ist, wobei man darüber diskutieren kann, wie die vergleichbare Rechtslage ist. Daß die Leistung für Ausländer erbracht wird, ist eindeutig, ob aber die Wirkung im Ausland oder im Inland liegt, darüber müßten wir uns klarwerden.Wir müssen auch die Frage der Kunstversteigerung noch einmal diskutieren; denn damit sind wir damals nicht ganz sachgerecht umgegangen.Es gibt noch eine ganze Reihe von Fragen, die ich jetzt wegen der Kürze der Zeit nicht aufwerfen möchte, von denen ich aber glaube, daß sie es wert sind, von uns nach den Erfahrungen, die wir inzwischen gemacht haben, noch einmal durchdacht zu werden.
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9280 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Mai 1968
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schmidt .
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich an all die Unkenrufe denke, mit denen dieses Gesetz bedacht wurde,
an die Proteste und das Geschrei, das überall im voraus gemacht worden ist, wie katastrophal sich die Mehrwertsteuer nach dem 1. Januar auswirken würde, so kann ich nur sagen: wider Erwarten auch der Optimisten ist es gut angelaufen. Das heißt nicht, daß das Gesetz keine Unebenheiten hätte und in der Praxis nicht Schwierigkeiten machte. Aber wenn ich die Umstellung eines Steuersystems in dieser Weise vornehme, ist das unvermeidlich.
Nun meine ich, wir sollten hier in erster Linie einmal der Abteilung des Ministeriums unseren Dank aussprechen, die es verstanden hat, dort, wo Schwierigkeiten auftraten, die Dinge mit Durchführungsbestimmungen, Ausführungsanweisungen, sehr elastischen Verwaltungsanweisungen zu glätten und zu ebnen.
Das ist mit sehr viel Verständnis geschehen, und wir dürfen sicher sein, daß das auch in Zukunft mit demselben Verständnis der Fall sein wird.Wir sollten auch einmal der betroffenen Wirtschaft danken, die all die Umstellungsschwierigkeiten auf sich genommen hat.
Sie hat sich in erstaunlicher Weise elastisch angepaßt und dort, wo Schwierigkeiten waren, die, sagen wir einmal, nur gesetzlich hätten beseitigt werden können, Mittel und Wege gefunden, auch diese Hürden zu überspringen.Meine Damen und Herren, wenn man ein solches Gesetz macht, das am 1. Januar in Kraft tritt, kann man meines Erachtens nicht am 10. April mit einem so umfassenden Änderungsantrag kommen.
Es wäre mir ein Leichtes, aus den Eingaben, die an Sie und an mich herangetragen werden, den Katalog der Änderungen noch um ein Vielfaches zu ergänzen. Da werden nämlich zu einem großen Teil die alten Wünsche wieder wach, mit denselben Argumenten. Glauben Sie im Ernst, ein Gesetzgeber kann es sich leisten, all diese alten Wünsche hier wieder mit denselben Argumenten neu auf den Tisch zu bringen?
— Verehrte Frau Funcke, Sie haben so lange gesprochen und die Zeit ist so vorgeschritten, daß ich jetzt meine Sache gern im Zusammenhang vortragen möchte.
Meine Damen und Herren, hier wird auch wieder der Versuch gemacht, mit sehr populären Anliegen, Dinge wieder in Fluß zu bringen, so z. B. mit der Gemeindegetränkesteuer. Die Verbrauchsteuern sind um die es hier einen harten Kampf gegeben hat, die Teil des Preises. Das haben wir noch gestern bei der Tabaksteuer durchexerziert. Das haben wir durchexerziert bei der Branntweinsteuer und bei allen Verbrauchsteuern. Hinsichtlich der Gemeindegetränkesteuer soll hier wieder eine Ausnahme gemacht werden. Nach meiner Auffassung ist das Thema im Für und Wider so breit diskutiert, daß es von einer verantwortlichen Fraktion in diesem Hause jetzt nicht wieder vorgebracht werden sollte, jedenfalls so frühzeitig nicht. Dasselbe gilt von dem Gaststättenumsatz. Wir können doch beim besten Willen nicht die Entwicklung der Umsätze von vier Monaten zum Anlaß nehmen, nun alles zu wiederholen.
— Nein, ich möchte mich jetzt ausschließlich dieser Sache widmen, Herr Kollege Dahlgrün. Wir können doch nun unmöglich die ganze Debatte des Für und Wider — Sie wissen, wie heiß das hier im Hause gewesen ist — im vierten Monat gewissermaßen wiederholen. Natürlich steckt in diesem Antrag der FDP etwas drin, und wie Sie von Frau Funcke gehört haben, gibt es auch noch andere Punkte. Aber Sie dürfen überzeugt sein: die werden nicht bei der FDP allein diskutiert, die werden vor allem im Ministerium diskutiert; denn dort kennt man all diese Fragen aus dem Effeff, und das Ministerium wird Erfahrungen sammeln. Ich meine, mit dem Minister sagen zu sollen: man braucht wenigstens ein Jahr dazu, bevor man ein solches Gesetz wieder in Bewegung bringt. Denn wenn wir es in Bewegung bringen, meine Damen und Herren, können Sie sicher sein, daß in jedem alten Paragraphen jeder alte Wunsch und noch ein paar neue dazu erweckt werden. Das können wir uns jetzt nicht leisten und das sollten wir uns nicht leisten. Da sich die Wirtschaft entsprechend vernünftig benommen hat, da sich das Ministerium vernünftig benommen hat und wirklich sehr schwerwiegende Brüche in der Sache nicht zu erkennen sind, sollten wir mit Geduld abwarten und erst einmal die Erfahrungen sammeln.Wir haben alle diesen Protest, diesen Aufruf der Steuerzahler und der Steuerbeamten bekommen: Schafft einfache Steuergesetze! Bei jedem dieser Punkte — auch bei denen, die Frau Funcke vorgebracht hat — können Sie nun überlegen: Wollen Sie das einfacher haben dann müssen Sie das genereller regeln, dann müssen Sie das gröber regeln —, oder wollen Sie die Gerechtigkeit haben? Dann müssen Sie es eben sehr kompliziert machen.
In diesem Dilemma sollen wir uns dann mit relativ primitiven Aufrufen zum naiven Simplifikateur machen. Das eine können wir nicht, und hinsichtlich des anderen müssen wir immer sorgfältig im Auge behalten, daß wir die Gerechtigkeit nun nicht übertreiben dürfen.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Mai 1968 9281
Dr. Schmidt
Ich könnte Ihnen jetzt auch eine große Rede über das Pfand und seine Besteuerung und die Frage, welche Folgen das hat, halten. Der Einzelhandel würde sich mit Händen und Füßen gegen die Regelung wehren, die Frau Funcke hier vorgetragen hat. Das wird man alles erwägen müssen. Aber die Komplizierung — die steuerfreien und die steuerpflichtigen Umsätze auseinanderzuhalten und jeweils die Vorsteuerabzüge auseinanderzuhalten — würde bei einer solchen Lächerlichkeit wie dem Flaschenpfand außerordentliche Schwierigkeiten machen. Die Verwaltung arbeitet zur Zeit an einer praktikablen Lösung dieser Frage und wird in einem Verwaltungserlaß eine vorläufige Regelung treffen. Wir sollten das abwarten. So geht es also auf den verschiedenen Gebieten.Meine Damen und Herren, eine der wichtigsten Fragen ist zweifellos die Abgabe der Voranmeldung. Das haben wir ja damals schon erkannt. Das Problem ist im Für und Wider damals sehr eingehend erörtert worden. Die Länder wehren sich gegen die Verschiebung des Termins wegen unüberbrückbarer Verwaltungsschwierigkeiten. Der Vorschlag, den Ihnen Frau Funcke soeben gemacht hat, ist lange in der Erörterung, dankenswerterweise angeregt von den Steuerbevollmächtigten, und im Ministerium gibt es, soviel ich weiß, durchaus positive Überlegungen dazu, so daß uns, wenn die Übergangsregelung noch einmal verlängert wird, möglicherweise eine Regelung vorgelegt wird, die für das ganze Haus praktikabel ist. Ich wehre mich nur dagegen, daraus nun einen großen Ballon zu machen, das Haus zu beunruhigen und uns selbst als Gesetzgeber draußen unglaubwürdig zu machen. Selbstverständlich sind wir keine Perfektionisten. Wir haben ein Gesetz gemacht, das seine Unebenheiten hat und das auch seine Unebenheiten behalten wird. Aber das ist kein Anlaß, nun praktisch das ganze Gesetz zur Diskussion zu stellen, und das, bevor nicht einmal ein Jahr vergangen ist.Meine Damen und Herren, überweisen Sie deshalb dem Ausschuß. Ich versichere Ihnen, bis wir zu einer wirklichen Novelle kommen können, vergeht meines Erachtens noch einige Zeit; denn wir werden sorgfältig und gewissenhaft prüfen müssen, auf welche Punkte wir uns zu konzentrieren haben.
Das Wort hat der Abgeordnete Dahlgrün.
— Das Wort hat Frau Abgeordnete Funcke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich habe volles Verständnis dafür, daß Herr Dr. Schmidt nach der vielen Arbeit, die er sich in vier Jahren mit dem Gesetz gemacht hat, die Fragen jetzt nicht gern wieder aufgreift. Aber ich wehre mich gegen die ungerechtfertigten Anwürfe gegen uns, die hier von dieser Stelle erhoben worden sind. Erstens ist es nicht die erste Novelle, die wir vorschlagen. Die erste Novelle hat die Regierung selbst eingebracht, und zwar noch bevor
das Gesetz überhaupt in Kraft trat. Herr Dr. Schmidt, seinerzeit sind nicht nur der Steuersatz und die Altwarenvorräte besprochen worden, sondern auch noch einige Wünsche der Koalitionsparteien. Sie können uns doch wohl nicht den Vorwurf machen, wir brächten Unruhe, nachdem Sie selbst erst einige Ihrer Wünsche unter Dach und Fach gebracht haben.
Sie können hier nach meiner Meinung auch nicht von einem großen Ballon reden, mit dem wir das Haus beunruhigten. Auch wenn die Regierung eine Novelle einbringt, und sei es auch nur bezüglich der Termine, liegt natürlich das gesamte Werk auf dem Tisch. Das ist genauso wie mit unseren elf Punkten. Und wenn Sie meinen, wir sollten immer nur auf die Regierung warten, und wenn Sie uns als unqualifiziert abstempeln, weil wir überhaupt da hineinreden, dann widersprechen Sie den parlamentarischen Grundsätzen, nach denen auch die Opposition das Recht hat, Anträge und Vorlagen einzubringen zu Fragen,
die in der Öffentlichkeit aufgegriffen worden sind. Ich meine, wir sollten das nicht in Erregung tun, Herr Dr. Schmidt. Aber ich bin der Auffassung, daß diese Art der Schulmeisterei gegenüber der Opposition, und zwar ohne sachliche Stellungnahme, wirklich fehl am Platze ist.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Kurlbaum-Beyer.
--- Sie verzichten. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf an den Finanzausschuß sowie gemäß § 96 der Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß zu überweisen. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.Ich rufe jetzt Punkt 42 der Tagesordnung auf:Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den Antrag der Fraktion der FDP zur Großen Anfrage der Fraktion der FPDbetr. die Lage der Landwirtschaft— Umdruck 300, Drucksache V/2589 — Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Reinhard in Verbindung damitBericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung
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9282 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Mai 1968
Vizepräsident Dr. Jaegerüber den Antrag der Fraktion der FPD zur Großen Anfrage der Fraktion der FPI)betr. die Lage der LandwirtschaftDrucksache V/2590 — Berichterstatter: Abgeordneter RöhnerIch danke dem Herrn Abgeordneten Dr. Reinhard für seinen Schriftlichen Bericht. Wir treten in die Aussprache ein. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Logemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte um Verständnis, wenn ich zu dieser vorgeschrittenen Zeit noch das Wort zu einigen Anmerkungen zu dem vorgelegten Bericht Drucksache V/2589 für meine Fraktion ergreife. Wir halten es für richtig, daß sich die Landwirtschaft gerade in der jetzigen Zeit, also etwa acht Wochen, bevor der Gemeinsame Markt endgültig in Kraft treten soll, immer wieder bemüht, von der Regierung eine agrarpolitische Zwischenbilanz zu erhalten. Das möchte ich auch mit meinen Ausführungen erreichen.Zunächst lassen Sie mich aber zu unserem Antrag Umdruck 300 etwas sagen. Wir haben uns mit diesem Antrag bemüht, eine Festlegung von landwirtschaftlichen Erzeugerpreisen für die EWG-Verhandlung in Brüssel zu erreichen. Diese unsere FDP-Forderung, die wir in den Ausschüssen vertreten haben, ist von einer Ausschußmehrheit abgelehnt worden. Damit stellt sich eigentlich die Frage, ob ein nationales Parlament überhaupt die Regierung auf die Beachtung von Preiszielen in den EWG-Beratungen festlegen soll. Ich bin nach unseren Erfahrungen, die wir mit den Brüsseler Verhandlungen und mit den Initiativen unserer Regierung gemacht haben, der Meinung, daß es richtig ist, diese Frage mit Ja zu beantworten.Ich darf vielleicht für die Mitglieder des Ernährungsausschusses wiederholen, daß gerade wir allen Grund hätten, so zu verfahren, wie es unser Antrag vorsieht. Meine Kollegen erinnern sich sicherlich noch an die Sitzung des Ernährungsausschusses im Herbst des letzten Jahres, als wir uns bemühten, dem Herrn Minister für die Getreidepreisberatungen in Brüssel eine ganz klare Preisvorstellung mit auf den Weg zu geben. Der Herr Minister hat uns damals erklärt, das sei an sich nicht notwendig; er werde sich bemühen, den Beschlüssen des Europäischen Parlaments bezüglich der Preise weitgehend zu folgen. Die Mehrheit des Ausschusses hat daraufhin eine Preisfestlegung für Brüssel abgelehnt.Nun, meine Damen und Herren, das Ergebnis der damaligen Getreidepreisverhandlungen und -beratungen ist uns bekannt. Ich bin nach wie vor der Auffassung, daß damals — ich möchte es ganz deutlich sagen — eine Sternstunde bezüglich der Möglichkeit der Veränderung unserer Getreidepreise versäumt worden ist. Der Minister hat uns erklärt, man habe sich um Preisverbesserungen bemüht. Aber das alles klingt doch recht unwahrscheinlich, wenn sich derselbe Minister wenige Tage später von dem Wirtschaftsminister anläßlich einer Verbrauchertagung in Bad Godesberg bestätigen lassen muß, daß er die Getreidepreise in Luxemburg dankenswerterweise nicht nach oben geschunkelt habe.Das haben wir natürlich nicht vergessen. Deshalb sind wir der Auffassung, daß man hier Preisziele nennen muß. Aber nun hat ja in der Zwischenzeit die CDU/CSU erfreulicherweise — vielleicht mit auf Grund dieser Erfahrungen — einen Entschließungsantrag eingebracht, der ähnliche Preisziele, wie wir sie in unserem Antrag schon im vorigen Herbst genannt haben, enthält.
Es wird nun interessant sein, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, was aus Ihrem Entschließungsantrag wird. Für uns ergibt sich die Frage: Ist dieser Entschließungsantrag als eine echte politische Zielsetzung bei allen Preisverhandlungen gedacht, oder war er nur mehr oder weniger ein Entschließungsantrag vor den Wahlen in Baden-Württemberg?
— Wir werden immer wieder Gelegenheit nehmen, Herr Kollege Rawe, darauf zu achten, denn wir wissen ja jetzt: in diesem Hohen Hause ist eine parlamentarische Mehrheit zwischen FDP und CDU/CSU für diese Preisvorstellung vorhanden. Sie werden also gestatten, daß wir bei allen Maßnahmen immer wieder darauf zurückkommen.
In diesem Zusammenhang aber eine weitere Anmerkung. Ich will dazu die Überschrift wählen: Was geschieht nun von seiten der Regierung zum Problem landwirtschaftlicher Erzeugerpreise in Brüssel? Ich habe soeben davon gesprochen, daß die Opposition hier die Beratungen unserer Regierung in Brüssel immer wieder mit Mißtrauen verfolgt. Wir sind der Meinung, daß wir, wenn wir die Beratungsergebnisse lesen — der Herr Minister gibt uns dafür erfreulicherweise immer Anlaß, und ich bin ihm dankbar für die Briefe, die wir bekommen —, immer wieder feststellen müssen, vor allen Dingen auch aus Presseberichten, daß sich alle Partnerländer in Brüssel mehr um Erzeugerpreisverbesserungen bemühen als die Vertreter der Bundesregierung in Bonn. Ich finde, das gibt doch Anlaß zu kritisieren, wenn man an die Situation unserer Landwirtschaft denkt, die ja allen durch die verschiedenen Protestaktionen bekannt wurde und die vor allen Dingen auch jedem Praktiker in lebhafter Erinnerung ist durch die Situation, die wir schon seit Monaten auf dem Preisgebiet haben. Aber ich finde auch, daß wir recht haben, etwas zu kritisieren angesichts der erfreulichen Entwicklung der übrigen Wirtschaft.Wir sind der Auffassung, daß der Bauer auch durchaus Grund hat, daß er Ursache hat zur Unruhe, weil ihm verschiedenes einfach unverständlich vorkommen muß. Er kann sich einfach nicht erklären, daß eine Bundesregierung, die weiß, daß der deutsche Bauer innerhalb der EWG unter den höchsten Erzeugungskosten zu wirtschaften hat, nicht entsprechend handelt. Er müßte doch einen Anspruch auf
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Logemannentsprechende Preisverbesserungen haben. Es ist auch auf dem Lande durchaus bekannt, daß sich unser Wirtschaftsminister tagtäglich durch Appelle um eine weitere Steigerung z. B. der Massenkaufkraft bemüht. Hier wird dauernd vorausgesagt: das und das ist an Zuwachs möglich; ihr müßt es in Anspruch nehmen. Das bedeutet doch — auch das betrifft jetzt wieder die Landwirtschaft —, daß landwirtschaftliche Erzeugerpreisverbesserungen allgemein zu verkraften sind und daß sie für den Verbraucher tragbar sind.Ich möchte noch einen weiteren Punkt anführen. Es ist doch so — auch diese Erfahrung müssen wir immer wieder machen —, daß die Veränderung landwirtschaftlicher Erzeugerpreise kaum nennenswerte Auswirkungen auf die Verbraucherpreise hat. Hier sollten wir den Vorgang der Senkung der deutschen Getreidepreise vom Juli 1967 noch deutlich in Erinnerung haben. Unsere Getreidepreise wurden um rund 13 % gesenkt. Meine Damen und Herren, Sie wissen genau, daß Brot und Backwaren deshalb nicht einen Pfennig billiger geworden sind, sondern daß im Gegenteil wahrscheinlich sogar wieder Preiserhöhungen zu erwarten sind.Das Zweite, was ich dazu sagen möchte, ist folgendes. Gerade in diesen Monaten stellen die Verbraucherverbände fest, daß auch die gesenkten Schweinepreise, die wir jetzt haben und die den tiefsten Stand seit 1949 erreicht haben, nicht voll weitergegeben werden. Ich könnte weitere Beispiele aufzählen. Ich könnte auf die gefallenen Eierpreise hinweisen und auf die gestiegenen Vermarktungspreise. All das ist aber doch Tatsache und beweist an sich auch, daß Erzeugerpreisverbesserungen durchaus möglich sind.Ich würde heute eigentlich viel lieber über die Möglichkeit von Kostensenkungen für die Landwirtschaft reden als nur immer wieder das Preisproblem ansprechen zu müssen. Aber auch hier — ich komme nachher noch darauf zurück — sind wir ja gleich mit unserem Latein zu Ende, wenn wir an die Möglichkeiten, die auf der Kostenseite gegeben sind, denken. Ich möchte andererseits auch mit Nachdruck betonen, daß das, was durch eine versäumte Erzeugerpreispolitik der deutschen Landwirtschaft verlorengeht, mit anderen Mitteln einfach nicht ersetzbar ist. Das dicke Ende der jetzigen gesenkten Getreidepreise kommt ja im nächsten Grünen Bericht noch voll zur Auswirkung. Sie werden dann die Milliardenverluste feststellen können, die der deutschen Landwirtschaft durch Preisausfälle bei den verschiedensten Erzeugnissen entstanden sind.Abschließend noch einige Anmerkungen zu wenigen Erzeugnissen. Darüber mochte ich wieder die Frage stellen: Was wird die Regierung bei den einzelnen Erzeugerpreisen künftig tun? Hier geht es ja wieder — wenn ich das zuerst ansprechen darf — in absehbarer Zeit um eine Neuberatung der Getreidepreise. Wir vertreten die Auffassung, daß 475 DM je Tonne Weizen und 450 DM je Tonne Futtergetreide angesteuert werden sollten. Hier ist aber die Frage: Werden die von uns vertretenen Preise von der Regierung mit entsprechender Härte in Brüssel vertreten werden? Wird man frühzeitig bereit sein, dafür entsprechend die Weichen zu stellen, damit bei Getreide endlich wieder ein Preis erreicht wird, der der Kostenentwicklung in der Bundesrepublik entspricht? Ich darf dazu sagen, daß eine solche Forderung ja weder den Haushalt noch irgendwie den Verbraucher — wie ich vorhin schon ausgeführt habe — belasten würde. Die Regierung sollte erkennen, wie wichtig es ist, daß dieser Schlüsselpreis Getreide wiederhergestellt wird. Haben wir den wieder erreicht, Herr Minister, sind wir der Rentabilität der Bodenproduktion und der Veredelungswirtschaft schon nähergekommen.Ein zweites Erzeugnis sei angeführt, zu dem in der letzten Zeit von der Regierung kaum etwas gesagt worden ist. Ich denke an die Kartoffel. Wir haben im Herbst 1967 und im Frühjahr 1968 eine Preiskatastrophe erlebt. Ich weiß, wie schwierig es ist, eine Riesenernte abzusetzen; aber ich kritisiere hier, daß man bis vor wenigen Wochen von seiten der Regierung überhaupt nicht versucht hat, den Kartoffelanbauern irgendeine Hilfestellung mit flankierenden Maßnahmen oder so etwas zu geben. Ich darf vielleicht darin erinnern, daß wir 1964 eine ähnliche Überschußsituation hatten. Damals hat es die kleine Koalition fertiggebracht, mit bestimmten Maßnahmen, die man heute in der gleichen Form nicht hätte wiederholen können — das sehe ich durchaus ein —, Marktüberschüsse aus dem Markt herauszunehmen und sie kostenbegünstigt über den Futtertrog zu verwerten.
Herr Abgeordneter Logemann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Ehnes?
Herr Kollege Logemann, sind Sie mit mir der Auffassung, daß man versuchen sollte, die aus Drittstaaten eingeführten Futtermittel an der Grenze zu versteuern, damit die Produktion aus unserer Bodenwirtschaft besser zum Tragen kommt und bessere Preise erzielt?
Ich glaube, das könnte vielleicht eine flankierende Maßnahme sein. Ich muß offen sagen, ich verspreche mir von anderen Möglichkeiten einen besseren Erfolg, obwohl man der Meinung sein könnte, daß vielleicht dies oder das an der Grenze abgefangen werden kann. Ich denke, Herr Kollege Ehnes, da liegt nicht das Problem. Ich möchte nur noch einmal darauf hinweisen, daß damals von der kleinen Koalition wirksam gehandelt worden ist.Nun, ich will zugehen, Herr Minister, Sie haben auch jetzt einige Vorschläge entwickelt, wie man noch in letzter Minute den Pflanzkartoffelmarkt entlasten kann. Auch dazu muß ich aber sagen: wieder einmal zu spät. Ich habe gleich eine Frage an die Regierung: Welche Vorstellung hat die Regierung, Herr Minister, zur künftigen Entwicklung in der Kartoffelwirtschaft? Was soll mit der Preisentwicklung bei Frühkartoffeln werden? Wären Sie hier bereit, frühzeitig mit entsprechenden Mindestpreisen den deutschen Frühkartoffelanbauern eine
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9284 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Mai 1968
LogemannChance zu geben und damit gleichzeitig den Spätkartoffelanbauern zu einem guten Preisstart zu verhelfen?Noch ein letztes Problem, Herr Dr. Schmidt; es geht wirklich sehr schnell.
— Das schadet nichts. Was gesagt werden muß, muß trotzdem gesagt werden, Herr Kollege Marquardt.Herr Minister, wie stehen Sie zu einer EWG-Marktorganisation für Kartoffeln? Ich habe dazu von Ihnen bisher eigentlich kaum Anmerkungen gehört, und wenn, dann nur negativ. Meine Damen und Herren, wenn man im Ministerrat oder in den anderen Gremien schon Zeit hat — so ist mir berichtet worden —, über eine EWG-Agrarmarktordnung für Schafsmilch zu beraten, sollte man sich auch Zeit nehmen, in der EWG über das Problem der Kartoffeln zu beraten und darüber Vorstellungen zu entwickeln.Was wird drittens aus den Rinderpreisen? Ich habe immer wieder feststellen können, daß die Bundesregierung im Ministerrat nicht Vorkämpfer für 280 DM plus Interventionspflicht gewesen ist. Es kommt hinzu, daß auch der Rinderpreis gefährdet wird, und zwar durch immer mehr Importe von Gefrierfleisch.Ich habe hier eine Frage auf Grund einer Mitteilung in der Presse: Herr Minister, ist es zutreffend, daß für die 50 000 Schweine, die wir nach Polen liefern können — erfreulicherweise, muß ich sagen —, nun eine Rücklieferung von Rindfleischkonserven mit vereinbart worden ist? Wir sind gespannt auf die Beantwortung dieser Frage.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
39,2 Pf bleiben Preisziel für die Regierung. Im übrigen hat er wörtlich gesagt, Bundesminister Höcherl habe in Brüssel weder von einem Mengen- noch von einem Finanzplafond gesprochen.Herr Minister, wenige Tage später bekam ich Ihren Brief über den gleichen Vorgang. Darin stand nun allerdings, daß Sie ganz bestimmte Vorschläge bezüglich Begrenzung und Erhaltung des Richtpreises für eine bestimmte Produktionsmenge gemacht haben. Dazu habe ich eine Frage. Wir haben Berechnungen von Experten über Ihre Vorschläge lesen können, die darauf hinauslaufen, daß in Wirklichkeit eine Preissenkung um etwa 2 bis 3 Pf unter 39 Pf herauskommen würde. Dazu hätte ich gern eine Antwort.Bezüglich des Abbaus der Buttervorräte sollten wir uns doch an Frankreich ein Beispiel nehmen. Frankreich hat in den letzten Wochen und Monaten beim Export von Butter einen Rekord aufgestellt. Es wird von 57 000 t ab 1. Januar 1968 berichtet. Auch hier rächt es sich schwer für uns, daß nicht frühzeitig im letzten Jahr bestehende Exportchancen entsprechend genutzt worden sind. Diese meine Behauptung geht auf Aussagen von Milchsachverständigen zurück, die wir im Ernährungsausschuß gehört haben.Ein letztes zur Milch.
— Nein, die kommt hei mir nicht dran. Darüber wird der Kollege Ehnes wahrscheinlich noch sprechen. —Im übrigen, warum so eilig, Herr Kollege Dr. Schmidt? Ihr Zug fährt ja noch gar nicht.Meine Damen und Herren, noch ein Hinweis. Herr Minister, nehmen Sie bitte für Brüssel eine Aussage mit auf den Weg, die der Betriebswirtschaftler Prof. Blohm vor einigen Tagen auf einer Vortragsveranstaltung zum Milchproblem gemacht hat. Er hat erklärt: Jede Senkung des Erzeugermilchpreises zwingt zu höheren Leistungen. der Kühe bzw. zu ihrer Abschaffung. Aber hier ist das Problem: Wer kann Kühe abschaffen, wenn er Dauergrünland hat? Sie sollten auch diese These berücksichtigen.Der letzte Punkt betrifft Schweine. Beim Schweinepreis haben wir tatsächlich ein Niveau unter der Talsohle erreicht. Nur ein Hinweis. Ich habe zu kritisieren, daß die jetzt angelaufenen Interventionen zu spät erfolgt sind. Ich hätte gern eine Antwort auf die Frage: Ist es zutreffend, daß sich nach Pressemeldungen in den Brüsseler Ausschüssen besonders die Bonner Vertreter immer wieder gegen eine Interventionsmaßnahme eingesetzt haben? Ich halte es für wichtig, daß, wenn schon interveniert wird, in allen Partnerländern gleichzeitig interveniert wird, weil sonst die Gefahr besteht, daß Länder, die intervenieren, später andere Länder wieder mit den Vorräten, die sie eingelagert haben, beschicken, wenn dort die Marktsituation günstiger wird. Wir neigen zu der Auffassung, daß ein Schweinefleischgrundpreis von 259 DM je 100 kg Schlachtgewicht, für die Bauern also 205 DM je 100 kg Lebendgewicht, nach den Erfahrungen der letzten Wochen zu niedrig angesetzt ist. Hier sollte eine Initiative der Bundesregierung erfolgen, um zur Festsetzung eines höheren Grundpreises zu kommen.Nun, meine Damen und Herren, zum Schluß: Ich habe betont, daß wir es durchaus begrüßen würden, wenn die Landwirtschaft durch die Bundesregierung mehr Möglichkeiten zur Kostensenkung bekäme. Eine Politik der Kostensenkung ist ja auch Einkommensverbesserung. Ich möchte es durchaus nicht allein auf den Preis abstellen. Aber wenn ich versuche, Bilanz zu machen, muß ich auch feststellen, daß hier mögliche Maßnahmen nicht genutzt worden sind. Erstens: Das EWG-Anpassungsgesetz ist praktisch außer Kraft. Zweitens: Wir stellen immer wieder fest, daß die Mittel für echte Agrarmaßnahmen im Etat gekürzt sind, auch wenn Sie, Herr Minister, sich laufend bemühen, durch Hochrechnung in der Öffentlichkeit ein anderes Bild entstehen zu lassen. Hier hätte man uns sehr wohl sehr viel wirksamer helfen können; ich denke an die Möglichkeit der Dieselkraftstoffverbilligung.Wenn ich zusammenfasse, Herr Minister, so ist es doch in der Tat so, daß aus all diesen Dingen eben
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Logemanndie Existenzangst in den bäuerlichen Betrieben, die ja in großen und kleinen Betrieben da ist, hervorgeht. Damit haben wir uns auseinanderzusetzen.Nun haben Sie gestern im Ernährungsausschuß ankündigen lassen, in nächster Zeit werde ein Paket oder ein Entwurf für eine mittelfristige Agrarpolitik vorgelegt. Herr Minister, die Botschaft hör' ich wohl. Nur ist wichtig, daß dann mit diesem neuen Plan aber auch schnellstens agrarpolitische Maßnahmen eingeleitet werden. Dem Bauern geht es nicht um neue Worte und um neue Pläne, sondern um echte Agrarpolitik. Die müßte durchgeführt werden.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte zu entschuldigen, daß ich Ihre Zeit trotz fortgeschrittener Stunde noch in Anspruch nehmen muß. Aber der Herr Kollege Logemann hat eine ganze Reihe von Fragen gestellt, und er hat ein Recht Antwort. Ich darf
gestellt, und hat ein Recht auf Antwort. Ich darf
das sehr kurz versuchen.
Er hat jetzt wohl die fünfte oder sechste Auflage, die erweiterte Auflage, aber nicht die verbesserte Auflage seiner Forderungen vorgelegt. Zunächst beschwert er sich, daß eine Ausschußmehrheit seine Anträge nicht wunschgerecht behandelt hat. Es ist so üblich, daß Ausschußmehrheiten so entscheiden, wie sie wollen, und daß man da mit seinen Wünschen gelegentlich zu kurz kommt. Das haben wir früher, als wir noch in der anderen Koalition waren, gelegentlich auch getan und dabei Widerspruch gefunden. Aber an diesem Spiel kann sich es ist das Gesetz des Hauses — wohl heute und auch in der Zukunft nichts ändern.
Bitte, Herr Ertl!
Herr Ertl!
Herr Bundesminister Höcherl, würden Sie mir sagen, welche Art der Auflage die CDU-Punkte sind, ob es eine verbesserte, eine verschlechterte oder eine neuartige Auflage oder die Übernahme von FDP-Forderungen ist?
Ich würde Ihnen empfehlen, diese Punkte zu studieren. Sie enthalten hochinteressantes agrarpolitsches Material, und Sie können daraus lernen.
— Ich weiß nicht, ob hier eine Kopie vorliegt; mir ist kein Original der FDP bekannt.
Nun zu den nächsten Verhandlungen, was den Getreidepreis betrifft! Herr Kollege Logemann, wie oft haben wir uns schon über dieses Thema unterhalten. Da Sie aber offenbar nicht die Zeit finden, sich mit den Tatsachen genau vertraut zu machen, darf ich Ihnen ganz kurz meine Vollmachten und meine Anträge damals aus den Luxemburger Verhandlungen vorlesen. Die Bundesregierung hat mir, im Gegensatz zu den Regierungen der anderen Mitgliedstaaten, folgende Möglichkeiten eingeräumt: bei Weichweizen plus 4,7 %, bei Roggen plus 7,2 %, bei Gerste plus 10,1 % und bei Mais plus 14,4 %. Das waren meine Vollmachten, die habe ich vorgelegt. Die Italiener hatten überhaupt keine Vollmachten, die Franzosen nur eine Vollmacht für Mais plus 3 %; die Belgier haben eine mittlere Haltung und die Holländer eine sehr negative Haltung eingenommen. Wir hatten dazu, weil es ja um Nettopreise geht, noch die 5 %, die aus der Mehrwertsteuer stammen und die dauernd unterschlagen werden; die muß man wieder auf den Tisch bringen und muß sie vorweisen. Wir haben sie doch durch eine relativ geschickte Form der Mehrwertsteuerregelung der Landwirtschaft zuführen können. Ich bitte das auch einmal anzuerkennen; das ist ein Faktum. — Das wäre einmal das erste.
Zweitens bin ich sehr erstaunt, daß Sie als sehr erfahrener Landwirt einfach nur von Getreidepreisen reden, statt die ganz entscheidende Frage der Relation anzusprechen. Hier steht nicht der Weichweizen im Vordergrund — der macht uns eher Schwierigkeiten —, sondern der Gersten- und der Maispreis sind die entscheidenden Dinge. Es muß uns gelingen, diese Relationen, die schon verbessert werden konnten, noch weiter zu verbessern. Aber wenn Sie schon zu diesem Thema sprechen, müssen Sie eine sehr sachgerechte, die Situation behandelnde Formel finden. Darin liegt der eigentliche Kern des Problems. Ich bin überzeugt, daß wir bei den nächsten Beschlüssen, die ja bevorstehen und die bis zum 1. Juli getroffen sein werden oder sein sollen, spätestens aber noch rechtzeitig vor der Aussaat, wieder Verbesserungen erzielen werden, die aber in der Hauptrichtung abermals in die Relation hineingehen müssen.
Sie haben dem Kollegen Schiller bei einer Verbrauchertagung zitiert. Der Kollege Schiller hat mit keinem Wort gesagt, er bedanke sich dafür, daß ich die Getreidepreise irgendwo zementiert oder festgehalten hätte. Der Kollege Schiller hat gesagt, er wisse von mir, daß ich auch für die Verbraucher ein Herz habe. Ich bin der Meinung, daß er das zu Recht gesagt hat, und wiederhole: wer sich einbildet, Agrarpolitik ohne gebührende Rücksicht auf den Verbraucher treiben zu können, der weiß überhaupt nicht, was Agrarpolitik ist. Lassen Sie sich das einmal gesagt sein.
Wenn Sie sich im Fraktionskreis einmal mit Ihren Wirtschaftspolitikern auseinandersetzen wollten, würden Sie wahrscheinlich auch nicht die Befugnis bekommen, in dieser Form für Ihre Fraktion zu sprechen.
Bitte schön!
Herr Minister, wären Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß das, was meine agrar-
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Mertespolitischen Freunde hier im Plenum sagen, die Meinung der Bundestagsfraktion der Freien Demokratischen Partei ist?
Ich werde mal Herrn Kollegen Dr. Menne und Herrn Kollegen Dr. Friderichs fragen, ob das auch deren Meinung ist. Die sind offenbar überstimmt worden. Aber ich meine, ich habe nichts dagegen. Ich nehme das mit großem Interesse zur Kenntnis.
Nehmen Sie eine weitere Zwischenfrage an, Herr Minister?
Bitte schön!
Herr Minister, darf ich Sie fragen, ob Sie der FDP mal empfehlen würden, die Ausführungen des Bundesgeschäftsführers Friderichs über Agrarpolitik in der „Zeit" nachzulesen.
Ja, das ist eine sehr berechtigte Frage. Aber ich nehme an, die FDP wird das schon von sich aus verantworten.
Nun zur nächsten Frage. Presseberichte, Herr Kollege Logemann, gibt es solche und solche. Sie lesen natürlich nur die negativen, solange Sie in der Opposition sind. Wenn Sie nur oppositionsbetonte Presseberichte studieren, kommen Sie nie zur wahren Erkenntnis.
Bitte schön!
Herr Minister, wäre es im Zusammenhang mit der Haltung der FDP zu diesen Fragen nicht auch interessant, ihr zu empfehlen, die Ausführungen ihres stellvertretenden Vorsitzenden Dorn in der „Rheinischen Post" zu der Frage von Agrarimporten aus den Ostblockländern zu lesen?
Ja, das wäre auch eine sehr dankbare Lektüre.Nun zu den Schweinepreisen. Herr Kollege Logemann, Sie wissen doch ganz genau, wie die Situation auf dem Schweinemarkt ist. Ein Landwirt von Format kann diese Frage gar nicht zur Debatte stellen, weil er sich sagen muß: das ist eine zyklische Erscheinung, und zwar in einem sehr, sehr kräftigen Ausschlag. Sie wissen, daß wir 1,8 Millionen mehr hatten. Sie wissen, was wir aufgeboten haben, um trotz dieser Überproduktion einigermaßen etwas zu erreichen. Wir haben interveniert. Wir exportieren Schweine nach Polen, also genau in die Windrichtung, aus der wir sonst bezogen haben; wir müssen 1,30 DM pro Kilogramm draufzahlen, um die Preisdifferenz zu überwinden. Wir haben die Notstandsvorräte geräumt, um hier wälzen zu können. Wir haben alles aufgeboten, was überhaupt nur möglich ist, um diese Preismisere — die mich ebenso wie Sie bedrückt zu überwinden. Wir können von der zuversichtlichen Erwartung ausgehen — die durchdie neuesten Zählungen bestätigt wird —, daß wir in einigen Monaten eine gewisse Beruhigung haben werden. Die Zulassungen sind erheblich zurückgegangen.Was nun die Frage der Kostensenkung betrifft, Herr Kollege Logemann, so hat sich da auch etwas ereignet, was Sie zur Kenntnis nehmen sollten. Wir haben auf einigen Gebieten interessante Kostensenkungen. Nehmen Sie die Düngemittelpreise! Da konnten wir bei einigen nicht unwichtigen Düngemittelsorten Preissenkungen erreichen.Außerdem ist am 1. Mai die Vorausbezahlung und eine angemessene Senkung der Dieselkraftstoffpreise in Kraft getreten.
Ja, sie sind in Kraft getreten. Die Vorauszahlung ist auch in Kraft. Das sind doch alles Dinge, an denen Sie mitgewirkt haben. Sie wollen doch Ihre eigenen Kinder nicht schlechtmachen.Was nun die Frage betrifft, ob wir in Brüssel hart verhandelt haben oder nicht, — ich weiß gar nicht, welche Versicherung ich noch abgeben soll. Soll ein Gottesurteil gefällt werden? Soll ich mit bloßen Füßen auf einem glühenden Eisen tanzen, um Ihnen das zu bestätigen? Ich weiß nicht, was Sie noch alles erwarten.
Außerdem werden wir ja durch diese heftige Opposition in Härte erzogen. Das wird sich schon nach Brüssel übertragen.Auch in der Kartoffelfrage haben wir uns etwas einfallen lassen. Ich stehe ganz und gar auf dem Standpunkt, den die Kartoffel-Union vertreten hat. Erstens müssen wir allmählich das Problem der Anbaufläche überlegen. Zweitens müssen wir zu einer ganz klaren Sortenscheidung zwischen Konsumkartoffeln und Industriekartoffeln kommen, zu besseren Sorten und zu besseren Vermarktungseinrichtungen. Sonst wäre es nicht möglich, daß 500 000 t Konsumkartoffeln zu höheren Preisen hereinkommen, weil die eigenen Qualitäten nicht reichen.Darüber hinaus habe ich bei Saatkartoffeln, um hier einen Einbruch zu verhindern, eine Auffangaktion mit einigen Überschußländern durchführen können. Wir haben außerdem auf dem Gebiet der Spiritusherstellung einen Überbrand möglich gemacht, und zwar in einem großen Umfang, dessen Absatz uns nun Schwierigkeiten macht.
— Von Mindestpreisen kann doch überhaupt nicht die Rede sein. Ich bin überrascht, daß eine liberale Partei bei Kartoffeln immer Mindestpreise verlangt. Das paßt doch gar nicht in Ihren Katechismus; aber Sie haben einen doppelten: Sie haben eine agrarpolitische Ausgabe, und Sie haben eine wirtschaftspolitische Ausgabe. Ich möchte aber endlich wissen, welcher Text gilt. Ist das denn nicht festzustellen?Zu den Rinderpreisen. Meine Damen und Herren, Sie haben sich für die Mitteilungen bedankt, die ich
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Bundesminister HöcherlIhnen jeweils aus Brüssel zukommen lasse. Aber Sie studieren die Mitteilungen nicht. Sonst hätten Sie feststellen müssen, daß es ein Verdienst der deutschen Delegation war, obwohl die Rindermarktordnung noch nicht zum Abschluß gekommen ist, dafür zu sorgen, daß bereits am 1. April der neue Orientierungspreis mit dem verstärkten Außenschutz von 2,72 DM für fünf Länder eingeführt wurde. Holland ist immer noch bei 2,49 DM. Wir sind jetzt bei 2,72 DM in fünf Ländern. Das hat die deutsche Delgation durchgesetzt, natürlich um eine bescheidene, gute Zensur bei der Opposition zu erreichen.Sie haben dann nach Polen gefragt. Es ist richtig, wir mußten bei den Schweineexporten nach Polen Rindfleischkonserven in Zahlung nehmen. Aber wir heben die drei Jahre auf, und wir haben bereits einen Vertrag, daß die Polen sie dann wieder zurücknehmen. So mühselig sind diese Geschäfte. Ich weiß nicht, woher Sie die Märchen haben, daß irgendwelche Exportchancen versäumt worden seien.Was den Milchpreis betrifft, ist von 39,2 Pf überhaupt nicht die Rede, sondern von 39 bzw. von 41,2 Pf, je nachdem, wo Sie zählen. Zweitens haben wir den entscheidenden Beitrag dazu leisten können, daß dieser Milchpreis aufrechterhalten bleibt und daß das gemeinsame Auffassung aller Mitgliedsländer ist. Ihn zu verwirklichen ist leider etwas schwieriger.Die Mengenvorstellungen sind nicht nur eine Erfindung des Ernährungs- und Landwirtschaftsministeriums; der Deutsche Bauernverband hat Mengenvorstellungen entwickelt, und zwar nationale Kontingente. Diesen Grundgedanken haben wir uns zu eigen gemacht. Über nationale Kontingente wird das nicht möglich sein, weil die Anlieferungen über die Molkereien bei einigen Ländern noch nicht ,so weit sind, nämlich 60 % bei Belgien und bei Frankreich. Nationale Kontingente in dieser Form werden sich also schwer verwirklichen lassen. Aber die Mengenvorstellung ist enthalten, und kein Mensch kann die Behauptung aufstellen, daß eine allgemeine Garantie für eine x-beliebige Produktionsmenge ausgesprochen worden sei.Wenn Sie es aber mit der Milchwirtschaft wirklich gut meinen, dann provozieren Sie nicht eine Regelung, die uns Milliardenbeträge kosten wird, und zwar nicht für unsere Milchwirtschaft, sondern für die Milchwirtschaft eines anderen Partnerlandes, das noch unerhörte Produktionsreserven hat. Hier eine richtige Lösung zu finden liegt durchaus in unserem Interesse.Sie haben einen Betrag von 3 Pfennig ausgerechnet. Ich weiß nicht, wie Sie darauf kommen. Ihr Computer war wohl nicht richtig eingestellt, sondern falsch programmiert. Von 3 Pfennig kann überhaupt nicht die Rede sein.
— Ja, der ist schon in Ordnung.
Gestatten Sie eine Zwisenfrage, Herr Minister?
Ja, bitte schön!
Herr Bundesminister, wie ist der Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zu verstehen, der unter Ziffer 1 a fordert, daß der Milcherzeuger-Richtpreis von 41,2 Pfennig frei Molkerei erhalten bleibt? Ist das von der CDU lediglich für eine bestimmte Menge gefordert, oder ist es für die gesamte Produktion gefordert?
Es gibt keine gesamte Produktion, sondern es gibt eine dynamische Produktion.
Sie können doch von d e r Milch absolut sprechen. Denken Sie an französische Milch, denken Sie an holländische Milch! Bei diesen Mengenvorstellungen der anderen Seite bin ich daran interessiert, meine deutsche Milch in einen anständigen Schutzbereich einzufügen. Das sind meine Überiegungen und, möchte ich meinen, auch die Ihrigen.
— Ja natürlich!
Darf ich aus Ihren Äußerungen jetzt schließen, daß die Fraktion der CDU/CSU für die Quantenregelung ist, die Sie bislang in Brüssel propagiert haben?
Es handelt sich erstens nicht um eine feste Quantenregelung, sondern um eine sehr bewegliche, und zweitens habe ich sie nicht propagiert, sondern auf den Tisch gelegt. Die CDU/ CSU-Fraktion ist dafür, daß möglichst viel Milch in diesen Richtpreis genommen wird. Sie hat sich der Größenordnung nach in keiner Beziehung festgelegt. Wir wollen sehen, welchen guten Kompromiß wir aus diesen und meinen Vorstellungen zusammen mit den fünf Partnerstaaten und der Kommission herausholen werden.
Was die Buttervorräte betrifft, möchte ich mich nicht an Frankreich orientieren. Das ist das allerbeste Beispiel. Dort sind mit 100 000 t die höchsten Buttervorräte. Wir haben natürlich versucht, und es ist uns in einer von der Opposition leider nicht bemerkten Form gelungen, einiges von den Vorräten abzubauen. Es war sehr interessant, die Zwischenfragen von Herrn Kollegen Ehnes und von Herrn Kollegen Logemann zu hören. Sie wissen ja, daß ein großer und entscheidender Teil der steigenden Milchproduktion bei uns nicht zuletzt auf die steigenden Futtermitteleinfuhren zurückzuführen ist. Es war eine sehr gezielte Frage des Kollegen Ehnes,
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Bundesminister Höcherlund es war Ihnen sehr peinlich, weil Sie wollen, daß für Milliarden Futtermittel eingeführt werden; dann wird Milch produziert, und sie wird beim Bundesernährungsminister abgegeben. Weiter sieht es dann so aus: Entweder er kann sie absetzen, oder er kann es nicht. Wenn er sie nicht absetzen kann, ist er schlecht; wenn er sie absetzen kann, ist er ausreichend befähigt. Das ist Ihre ganze Politik!
Ich habe unsere Exportchancen dargestellt, die fast null sind. Ich weiß nicht, woher Sie Ihre Weisheiten beziehen, daß wir etwas versäumt hätten. Ich wäre dankbar, wenn die Exporteure kämen und sagten: Hier sind die Exportverträge. Dann bekämen sie die Erstattung. Ich muß die größten Winkelzüge machen.
— Ich gebe Ihnen ein Privatissimum, Herr Kollege Ertl, wie das ausschaut. Das kostet erstens 11 DM pro Kilogramm. Die Steuerzahler sind hellauf begeistert, neben der Intervention von 5,80 DM noch 5 DM zahlen zu dürfen. Zweitens hat Japan keinen unbegrenzten Bedarf. Die Japaner sind auch nicht so, daß sie nur deutsche Butter haben wollen. Wir haben sogar Pech gehabt. Ein Quantum von uns wurde nicht akzeptiert, weil es gewissen Voraussetzungen nicht entsprach. Das ist die Wirklichkeit. Aber, Herr Kollege Ertl, es spricht sich so leicht, wenn man nicht ganz genau Bescheid weiß. Wir sind gern bereit, Ihnen jede Einzelheit vorher mitzuteilen, damit Sie sachgerechte Fragen stellen können, die eine gewisse Vertrautheit mit den wirklichen Verhältnissen zeigen. Die Rede von Herrn Professor Blohm habe ich mir selbst beschafft und gelesen. Man kann nicht sagen, daß die Erzeugermilchpreise nach oben und nach unten jeweils dieses Verhalten auslösen. Sie werden bei dem einen Betriebssystem das, bei dem anderen jenes Verhalten auslösen. Hier gibt es keine Fahrbahn, die nur in einer Richtung befahren werden könnte.Schweineintervention zu spät! Was heißt zu spät? Hier gibt es gesetzliche EWG-Bestimmungen. Ich kann es mir nicht aussuchen. Ich habe etwas festgestellt, was mich sehr unangenehm berührt, und das ist folgendes. Die Schweineintervention, die ausgelöst worden ist — und zwar durch eine EWG Kommissions-Entscheidung —, hat sofort auf den Schweinemarkt gedrückt. Allein die Ankündigung, daß am 29. April die Intervention beginnt, hat die ganzen Märkte negativ beeinflußt. Das ist ein Vorgang, der die Beschränkung bei dein Interventionsinstrument offenkundig macht. Ich war immer dafür, eine freiwillige Intervention zu machen, die man etwas beweglicher gestalten kann. Die Marktbeteiligten warten. Im übrigen, Herr Kollege Logemann, dürfte es Ihrer Marktbeobachtung nicht entgangen sein, daß wir eine gewisse Festigung festzustellen haben, die vielleicht nicht zuletzt auf unsere Maßnahmen zurückgeführt werden kann.EWG-Anpassungsgesetz! 75 % davon werden bezahlt, den Rest können wir nicht bezahlen, weil Sie uns eine leere Kasse hinterlassen haben, wie schonoft dargestellt werden mußte. Wir haben aber den Versuch unternommen.
— Herr Kollege Ertl, ich kann es nicht ändern, wir haben die Kasse umgedreht. Sie war vollständig leer.
Gestatten Sie, Herr Minister, eine Frage des Herrn Abgeordneten Peters?
Herr Minister, ist Ihnen entgangen, daß wir bei der Haushaltsdebatte Kürzungsvorschläge von insgesamt 700 Millionen DM gemacht haben und daß wir dann im Agraretat Ausgabepositionen von 400 Millionen DM vorgeschlagen haben?
Das ist mir nicht entgangen, aber Ihre Vorschläge haben nicht den Reifegrad gehabt, daß sie von der Mehrheit hätten angenommen werden können.
Das waren Vorschläge, die für die Presse bestimmt waren;
das waren aber keine Vorschläge, die das Haus hätten beeindrucken können.
Der Haushaltsausschuß war sehr agrarfreundlich eingestellt. Er hat — so kann man sagen — ein Entgegenkommen bewiesen wie noch niemals. Der Haushaltsausschuß wäre dankbar gewesen, wenn Sie ihm wirklich klingende Münze auf den Tisch hätten legen können. Sie haben ihm aber Inflationsgeld auf den Tisch gelegt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will Ihnen einmal etwas sagen. Ich habe — und meine Leute arbeiten intensiv daran — einen ganz genauen Kommentar zum Einzelplan 10 in Aussicht gestellt. Dort wird nach allen Funktionen — nach Zweckbestimmungen, nach Wirkungen und nach Inzidenzen — jeder Betrag von einigem Gewicht dargestellt. Ich kann nur hoffen, daß Sie trotz der Papierflut, in der wir fast alle ersticken, wenigstens diese Ausarbeitung genau studieren werden.Noch eines darf ich Ihnen sagen. Ihre ewig wiederkehrende, aber durch die Wiederholung nicht besser werdende Behauptung, daß die Mittel für die nationalen Aufgaben gekürzt worden seien, ist falsch.
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Bundesminister HöcherlWenn wir in Kap. 10 03 bei den Marktordnungsausgaben eine Verstärkung haben, liegt darin der wirklich interessante einkommenswirksame Vorgang, der mir die Preise und den Absatz der Überschüsse sichert. Das ist das, wa wir brauchen. Ich bin genauso wie Sie für eine progressive, vernünftige, sich nach vorn entwickelnde kostenorientierte Preispolitik, und zwar ständig und fortgesetzt. Ich bin vor allem wegen der Milchpolitik dafür, daß der Getreidepreis nach vorn entwickelt wird, weil ich mir hier mittelbar eine Entlastung verspreche. Ich jage aber keinen Illusionen nach. Ich könnte mich doch auch hier herstellen und könnte — weiß Gott — irgendwelche Zahlen verkünden. Ich muß die Zahlen nur verwirklichen, und zwar durch einstimmige Beschlüsse, und das ist etwas schwerer als das muntere Reden vom Oppositionsplatz aus, das Sie — das will ich gern anerkennen — mit Fleiß und Energie, in diesem Fall aber nicht mit besonders guten Gründen und Argumenten vollziehen.Mehr möchte ich Ihnen nicht zumuten. Ich darf mich bedanken, daß Sie mir Gelegenheit gegeben haben, einige aufklärende Worte zu sagen, nachdem Irrtümer verbreitet wurden.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ertl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es war wirklich nicht meine Absicht, hier etwas zu sagen, aber ich kann mich nicht ganz enthalten, wieder einmal zum Ausdruck zu bringen: dieser Minister ist nicht nur wendig, er ist geradezu ein Tanzmeister der Agrarpolitik, und er versteht es sehr gut, über alles hinwegzutänzeln und dabei noch als Meister Qualifikationen auszuteilen. Nun, wir qualifizieren Sie nicht, Herr Minister; wir sind nur froh, wenn Sie nicht zuviel tänzeln, sondern mehr geradlinig handeln. Dann würden Sie eine bessere Agrarpolitik betreiben, und dann weiß man auch besser, woran man ist.
Diese Bitte haben wir, und hier darf ich Sie nur am Schluß einmal auf Ihre eigene Fiktion hinführen. Am Schluß haben Sie sich nämlich klassisch widersprochen. Zuvor haben Sie gesagt, das mit der Milch wäre sehr leicht, wenn man dieses viele Geld dazu hätte, und danach haben Sie gesagt, das Geld haben wir ja, um die Preise zu stabilisieren und die Überschüsse zu vermeiden. Warum nutzen Sie dann das Geld nicht? Dann hätten wir den Preisverfall und das Problem der Überschüsse doch nicht.
Ich muß hier noch einmal sagen: da haben Sie nicht
mit unserer Logik gerechnet. Aber das ist wohl eine
Frage, die Sie uns vielleicht ein anderes Mal wieder
erklären. Wir als Opposition sind gerne bereit, uns von Ihnen belehren zu lassen, und wir nehmen das gerne zur Kenntnis. Wir geben auch zu, wir sind nicht immer ganz so, daß wir Sie nur schonen. Das ist auch gar nicht unsere Aufgabe. Aber wenn, bitte sehr, dann klar und ohne Widersprüche.
Ich könnte noch vieles sagen zu der Einfuhr von Futtermitteln und ähnlichem mehr. Uns ist das gar nicht zuwider, Herr Minister. Sie und diese Regierung mußten den Widerspruch zwischen der Wirtschaftspolitik und ihrer Handelspolitik zu Drittländern, ihrer Ostpolitik und den EWG-Präferenzverpflichtungen klären. Ich habe das hier schon einmal gesagt, und Sie werden das in Zukunft klären müssen. Nicht nur die Opposition muß das klären, auch Sie müssen das klären. Wir haben vor den einseitigen Zugeständnissen permanent gewarnt. Das hätten Sie früher tun können.
Ich will gleich Schluß machen. Aber weil hier von einigen Kollegen und natürlich auch vom Herrn Minister — ich bin bereit, ihm einmal ein Privatissimum über „liberal" zu geben; das würde für einen CDU-Minister sehr nützlich sein — über das Verhalten der Freien Demokraten gesprochen worden ist, möchte ich noch sagen: die Freien Demokraten gestalten ihre Politik durch Anträge und Beiträge in diesem Hohen Hause.
Darüber hinaus sind wir frei und liberal genug, uns die Meinung einzelner Mitglieder anzuhören, die das vertreten können, was sie für richtig halten. Das ist ihr gutes Recht.
Die Fraktion beschließt und die Fraktion stellt hier Anträge. Verehrte Kollegen, Ihnen würde ich raten, daß Sie sich in Ihrer Fraktion als Agrarpolitiker erst einmal so durchsetzen könnten, wie wir es seit zehn Jahren zum Wohl der deutschen Landwirtschaft mit großem Erfolg getan haben.
Meine Damen und Herren, Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, der Ihnen auf Drucksache V/2589 vorliegt. Wer diesem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag des Ausschusses ist einstimmig angenommen. Damit ist Punkt 42 der Tagesordnung erledigt.
Die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages wird einberufen für Mittwoch, den 15. Mai 1968, 9 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.