Protokoll:
5170

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 5

  • date_rangeSitzungsnummer: 170

  • date_rangeDatum: 7. Mai 1968

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 14:33 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 20:27 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 170. Sitzung Bonn, den 7. Mai 1968 Inhalt: Anteilnahme am Tode des in Saigon gefallenen Botschaftsrates Hasso Rüdt von Collenberg 9055 A Glückwünsche zum Geburtstag des Abg Winkelheide 9055 A Erweiterung der Tagesordnung . . . . 9055 A Überweisung von Vorlagen der Bundesregierung an den zuständigen Ausschuß 9055 B Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . 9055 B Bericht der Bundesregierung zur innenpolitischen Situation — Fortsetzung der Beratung — in Verbindung mit der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. Schwerpunktaufgaben in Wissenschaft und Forschung (Drucksache V/2476, Nr. 4), der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. Wahrung der Freiheit von Forschung und Lehre an den Universitäten (Drucksache V/2587), dem Schriftlichen Bericht des Ausschusses für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik über den Antrag betr. Zuständigkeit im Bereich der Wissenschaft, Bildung und Kunst (Abg. Dr. Mühlhan, Moersch, Dorn und Fraktion der FDP) (Drucksachen V/1565, V/2819) und dem Antrag betr. Akademie-Reife (Abg. Dr. Martin, Dr. Schober, Frau Geisendörfer, Dr. Hudak, Gottesleben, Dr. Hammans, Frau Dr. Wex, Dr. Huys und Fraktion der CDU/CSU) (Drucksache V/2804) Dr. Stoltenberg, Bundesminister . . 9056 A, 9092 D Dr. Lemke, Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein . . . 9061 D Scherer, Minister des Saarlandes . 9064 B Moersch (FDP) 9067 C D. Dr. Gerstenmaier, Präsident . 9070 B Dr. Huber, Minister des Landes Bayern 9074 D Dr. Meinecke (SPD) 9080 C Dr. Althammer (CDU/CSU) . . . 9082 D Dr. Schmid, Bundesminister . . . 9085 B Evers, Senator des Landes Berlin . 9089 B D. Dr. Hahn, Minister des Landes Baden-Württemberg 9091 A Raffert (SPD) 9094 D Frau Funcke (FDP) 9098 D Dr. Hammans (CDU/CSU) . . . 9104 D Frau Geisendörfer (CDU/CSU) . . 9106 C Mischnick (FDP) 9106 D Dr. Mommer, Vizepräsident . . . 9107 A Nächste Sitzung 9107 D Anlagen 9109 A Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 170. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 7. Mai 1968 9055 170. Sitzung Bonn, den 7. Mai 1968 Stenographischer Bericht Beginn: 14.33 Uhr
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    8) Siehe Anlage 5 9) Siehe Anlage 6 Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albertz 10. 5. Arendt (Wattenscheid) 10. 5. Dr. Arndt (Berlin/Köln) 8. 5. Bading ** 9. 5. Dr.-Ing. Dr. h. c. Balke 7. 5. Bauer (Würzburg) * 11. 5. Berkhan * 11.5. Blachstein * 11.5. Blumenfeld * 11. 5. Brück (Holz) * 11.5. Buchstaller 8. 5. Burgemeister 11.5. Cramer 20. 5. Diekmann 20. 5. Dr. Dittrich ** 7. 5. Draeger * 11.5. Frau Dr. Elsner 11. 5. Fnk 31. 5. Dr. Erhard 8. 5. Faller 7. 5. Flämig * 11.5. Dr. Frey 30. 6. Frieler 7. 5. Dr. Furler * 11. 5. Haehser 10. 5. Hamacher 11. 5. Frau Herklotz * 11. 5. Herold * 11.5. Hilbert * 11.5. Hösl * 11.5. Frau Dr. Hubert 1. 7. Hufnagel 11. 5. Jahn (Marburg) 7. 5. Junker 7. 5. Kahn-Ackermann * 11. 5. Dr. Kempfler * 11.5. Frau Klee * 11.5. Dr. Kliesing (Honnef) * 11. 5. Klinker ** 8. 5. Knobloch 7. 5. Dr. Kopf * 11.5. Frau Korspeter 8. 5. Kriedemann ** 8. 5. Kunze 1. 6. Lemmrich * 11.5. Lenz (Brühl) 31.5. Lenze (Attendorn) * 11. 5. Dr. Löhr ** 7. 5. Dr. Lohmar 7. 5. Lücker (München) ** 10. 5. Mauk ** 10. 5. Frau Dr. Maxsein * 11. 5. *Für die Teilnahme an einer Tagung der Beratenden Versammlung des Europarats ** Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. h. c. Menne (Frankfurt) 7. 5. Dr. von Merkatz * 11. 5. Müller (Aachen-Land) ** 9. 5. Dr. Müller (München) * 11. 5. Frau Pitz-Savelsberg * 11. 5. Pöhler * 11.5. Ravens 7. 5. Richter * 11.5. Dr. Rinderspacher * 11. 5. Dr. Rutschke * 11. 5. Sander * 11.5. Dr. Schmidt (Offenbach) * 11.5. Schmidt (Würgendorf) * 11. 5. Schultz (Gau-Bischofsheim) 7. 5. Dr. Schulz (Berlin) 25. 5. Dr. Serres * 11. 5. Steinhoff 15. 5. Strohmayr 7. 5. Unertl 10. 5. Dr. Freiherr von Vittinghoff-Schell * 11. 5. Vogt * 11.5. Dr. Wahl * 11.5. Wienand * 11.5. b) Urlaubsanträge Frau Lösche 17. 5. Neumann (Berlin) 17. 5. Anlage 2 Umdruck 440 Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/ CSU zur Aussprache über den Bericht der Bundesregierung zur innenpolitischen Situation Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird gebeten, mit den Regierungen der Länder unverzüglich Verhandlungen aufzunehmen, mit dem Ziel, einheitliche Grundsätze für die Verfassung unserer Hochschulen zu erarbeiten. Der Bundestag wünscht über das Ergebnis dieser Bemühungen bis zum Beginn des Wintersemesters 1968/1969 einen Bericht zu erhalten. Bonn, den 30. April 1968 Dr. Barzel und Fraktion Anlage 3 Umdruck 441 Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur Beratung des Berichts der Bundesregierung zur innenpolitischen Situation Der Bundestag möge beschließen: I. Die Bundesregierung wird aufgefordert, mit den Ländern über eine schnelle und umfassende Hochschulreform zu verhandeln. 9110 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 170. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 7. Mai 1968 II. Die Bundesregierung wird aufgefordert, bei diesen Verhandlungen die folgenden Grundsätze für die Hochschulgesetzgebung zu beachten: 1. Zweck von Hochschulgesetzen Im Erlaß von Hochschulgesetzen dokumentieren sich das Recht und die Pflicht des demokratischen Staates, auf Verfassung und Struktur der Hochschulen als gesellschaftliche Einrichtungen von großer Bedeutung Einfluß zu nehmen. Dabei soll die Hochschulgesetzgebung in erster Linie Impulse zu notwendigen Reformen geben, welche die Leistungs- und Funktionsfähigkeit der Hochschule durch die Verwirklichung demokratischer Prinzipien auch in dieser gesellschaftlichen Institutionen steigern. 2. Rechtsnatur der Hochschulen Hochschulen sind Einrichtungen des Staates und Körperschaften des öffentlichen Rechts. 3. Sachlicher Geltungsbereich von Hochschulgesetzen Die Hochschulgesetze gelten für wissenschaftliche Hochschulen. Andere Hochschulen sind in den Geltungsbereich des Gesetzes einzubeziehen, wenn ihnen die gleiche Struktur und Verfassung wie den wissenschaftlichen Hochschulen gegeben werden soll. Die Hochschulgesetzgebung darf die Planungen und Entwicklungen, die auf eine Integration der wissenschaftlichen Hochschulen in das gesamte Bildungswesen abzielen, nicht behindern. 4. Aufgaben der Hochschulen Forschung, Lehre und Berufsvorbereitung sind die Aufgaben der Hochschule. Sie hat keinen darüber hinausgehenden Erziehungsauftrag. Die Hochschule dient ferner der wissenschaftlichen Fortbildung (Kontaktstudium), wozu sie materiell vom Staat in Stand gesetzt werden muß. Der Hochschule obliegt es, die dafür geeigneten institutionellen und didaktischen Formen zu entwickeln. Die Zusammenarbeit zwischen Hochschule und Einrichtungen der Erwachsenenbildung ist zu verstärken. 5. Leitung der Hochschulen Für die notwendige Steigerung der Leistungs- und Funktionsfähigkeit der Hochschule ist eine starke, kompetente und kontinuierliche Spitze der einheitlichen Hochschulverwaltung unerläßlich, Eine Verlängerung der Amtszeit des traditionellen Rektors oder die Direktorialverfassung sind allenfalls Übergangslösungen. Anzustreben ist die Präsidialverfassung mit einem Präsidenten, der für mindestens sechs Jahre gewählt wird (Beamter auf Zeit). Wiederwahl sollte möglich sein. Der Präsident ist mit weitergehenden Rechten auszustatten als der traditionelle Rektor. Eine wirksame Kontrolle des Präsidenten ist sicherzustellen. 6. Kuratorium Um die notwendige Integration von Hochschule und Gesellschaft zu gewährleisten, ist ein Kuratorium einzurichten. 7. Zusammensetzung der akademischen Organe In den Organen und Kommissionen der Hochschule müssen Hochschullehrer, wissenschaftliche Mitarbeiter, Assistenten und Studenten vertreten sein. Art und Ausmaß ihrer Mitarbeit ergeben sich aus ihrer unterschiedlichen Situation, ihren jeweiligen Aufgaben und Funktionen, sowie aus ihrer gemeinsamen Verantwortung für Ausbildung, Lehre und Forschung. 8. Prüfungen Die Prüfungen müssen vergleichbar sein. Für Prüfungsgremien gilt, daß den Studenten und Assistenten ein Kontrollrecht über das Prüfungsverfahren eingeräumt wird. 9. Berufung Für die Berufung darf die Habilitation keine unerläßliche Voraussetzung sein. Das Berufungsverfahren ist durch Einführung von — nicht zu großzügig bemessenen — Fristen für die Vorlage von Berufungsvorschlägen zu beschleunigen und durch die obligatorische Ausschreibung von vakanten Lehrstühlen öffentlicher zu gestalten. Berufungen sind kooperative Akte von Hochschule und Staat. Die Besetzung von Lehrstühlen sollte deswegen prinzipiell im Zusammenwirken beider Seiten erfolgen. In Ausnahmefällen soll der Staat die Möglichkeit behalten, einen Hochschullehrer seiner Wahl zu berufen. In solchen Fällen ist der Hochschule Gelegenheit zur vorherigen Stellungnahme zu geben. Bei Berufungs- und Bleibeverhandlungen ist die Universität in die finanzielle Mitverantwortung einzuschalten. 10. Habilitation Das Verfahren der Habilitation ist von allen bürokratischen, standespolitischen und autoritären Hemmnissen freizuhalten. Eine Bedürfnisprüfung darf nicht erfolgen. Das Verfahren darf nur darauf abgestellt sein, die Befähigung des Bewerbers zur wissenschaftlichen Forschung und zur akademischen Lehre nachzuweisen. Dabei sind wissenschaftliche Publikationen aller Art (z. B. auch hervorragende Dissertationen) und Lehrtätigkeit zu werten. Der Vorrang einer besonderen Habilitationsschrift ist zu beseitigen. Die entscheidende Beteiligung an Forschungsprojekten ist den im Alleingang erzielten Ergebnissen wissenschaftlicher Arbeit gleichzustellen. Zur Begutachtung der wissenschaftlichen Qualifikation sind auswärtige Gutachter oder überlokale Institutionen heranzuziehen. Die Hochschule hat für die Ausbildung in den Erfordernissen des Unterrichts und der akademischen Lehre zu sorgen. Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 170. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 7. Mai 1968 9111 Der ordnungsgemäße und zügige Ablauf des Verfahrens ist durch Fristen, innerhalb derer das Verfahren abgeschlossen sein muß, und durch die Einsetzung eines besonderen Habilitationsausschusses zu fördern, der sich auf Antrag des Habilitanden oder eines Angehörigen des Lehrkörpers jederzeit über den Stand des Verfahrens zu unterrichten hat. Am Ende des Verfahrens steht die Erteilung der Lehrbefugnis. 11. Institute Institute sollen auch durch staatliche Anordnung errichtet werden können. An die Stelle der monokratisch geführten, einem Lehrstuhl zugeordneten Einzelinstitute sind überall dort, wo es wissenschaftlichen Erfordernissen nicht widerspricht, Kollegialinstitute zu schaffen, die einer wissenschaftlichen Disziplin oder einem wissenschaftlichen Problembereich zugeordnet sind. Die Unabhängigkeit der wissenschaftlichen Mitarbeiter in den Instituten ist in geeigneter Weise (auch personalrechtlich) zu sichern. Alle Gruppen sind institutionell in angemessener Weise an der Aufstellung der Intitutsordnung und an den Institutsaufgaben zu beteiligen. 12. Gliederung Die Gliederung der Hochschule hat sich nach den Ansprüchen von Forschung und Lehre zu richten. Institute, Abteilungen oder andere Gliederungseinheiten sollten an die Stelle der herkömmlichen Fakultäten treten. Eine zweckmäßige Gliederung der Hochschule kann auch durch staatliche Rechtsverordnung erfolgen. 13. Immatrikulation Die Zulassung zum Studium an den wissenschaftlichen Hochschulen sollte allein an die erforderliche Vorbildung und den Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte gebunden sein. 14. Allgemeine Studienbeschränkung (Numerus clausus) Läßt sich die Diskrepanz zwischen den vorhandenen Studien- und Arbeitsplätzen auf der einen und der Zahl der Studienbewerber auf der anderen Seite für einzelne Fächer nicht beseitigen, so können allgemeine Studienbeschränkungen unumgänglich werden, um eine ordnungsgemäße Ausbildung zu gewährleisten. Voraussetzung für die Einführung von Zulassungsbeschränkungen ist, daß alle anderen Möglichkeiten, insbesondere Maßnahmen der Studienreform, ausgeschöpft worden sind. Zulassungsbeschränkungen an einer Hochschule bedürfen der Zustimmung der staatlichen Verwaltung. Sie sind jeweils auf ein Semester zu befristen. Ein den Bedürfnissen der Hochschule angemessenes und sozial gerechtes Auswahlverfahren ist zu gewährleisten. Eine bundeseinheitliche Regelung der Zulassungsverfahren ist dringend notwendig. 15. Zwangsexmatrikulation Angesichts der geringen Bedeutung des Problems der „Bummelstudenten" in der Praxis und der Priorität, welche wirksame Maßnahmen zur Studienreform haben sollten, ist von einer schematisch an der Überschreitung von Mindeststudienzeiten orientierten Zwangsexmatrikulation abzusehen. 16. Disziplinarrecht für Studenten Ein besonderes Disziplinarrecht, welches das Verhalten der Studenten außerhalb der Hochschule erfaßt, ist als Überbleibsel ständischer Vorstellungen abzulehnen. Für eine Aufrechterhaltung der Ordnung innerhalb der Hochschule genügen die Anstaltsordnung und das Hausrecht. Bestehende Disziplinarordnungen sind durch geeignete Übergangs- und Schlußbestimmungen in den Gesetzen ausdrücklich außer Kraft zu setzen. 17. Rechtsstellung der Studentenschaft Der Studentenschaft, der alle Studenten durch Immatrikulation angehören, ist der Status einer rechtsfähigen Körperschaft des öffentlichen Rechts und eines Gliedes der Hochschule zu verleihen. Die Mitwirkung an der Selbstverwaltung der Hochschulen wird in Ziffer 7 dieser Grundsätze behandelt. Der Aufgabenkatalog der studentischen Selbstverwaltung sollte die folgenden Bereiche umfassen: 1. die Vertretung der Gesamtheit ihrer Mitglieder im Rahmen ihrer gesetzlichen und satzungsmäßigen Befugnisse, 2. die Wahrnehmung der hochschulpolitischen Belange ihrer Mitglieder, 3. die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Selbsthilfe der Studenten, soweit sie nicht dem Studentenwerk übertragen ist, 4. die Mitwirkung bei der Studentenförderung, 5. die Förderung der politischen Bildung und des staatsbürgerlichen Verantwortungsbewußtseins der Studenten, 6. die Pflege internationaler Studentenbeziehungen, 7. die Unterstützung der kulturellen und musischen Interessen der Studenten, 8. die Pflege des freiwilligen Studentensports. Bei der Vorbereitung grundsätzlicher hochschulpolitischer Entscheidungen von Exekutive und Legislative ist die Studentenschaft zu hören. Ist eine demokratische Willensbildung in der Studentenschaft gewährleistet, dann sind die studentischen Vertretungsorgane berechtigt, den Mehrheitswillen öffentlich zu vertreten. 18. Studienreform Alle durch Hochschulgesetze zu schaffenden Voraussetzungen für eine Studienreform sind auch gesetzlich zu regeln. Dazu gehört auch un- 9112 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 170. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 7. Mai 1968 beschadet der Verantwortlichkeit der Hochschule die Ermächtigung der Kultusverwaltung, verbindliche Grundsätze für die Aufstellung von Studienplänen und Prüfungsordnungen zu erlassen. Den Hochschulen ist die Einrichtung ständiger Kommissionen für die Durchführung der Studienreform zur Pflicht zu machen. 19. Vorlesungszeiten Die Festlegung der Vorlesungszeiten erfolgt durch die staatliche Verwaltung im Benehmen mit der Hochschule. Im Zusammenhang mit der Studienreform sollte die bisherige Semestereinteilung abgelöst und durch ein Studienjahr ersetzt werden. Den Hochschullehrern ist in regelmäßigen Abständen notwendiger Forschungsurlaub zu gewähren. 20. Finanzierung Die Parlamente tragen die Verantwortung für die finanzielle Ausstattung der Hochschulen. Der Haushalt der Hochschule muß flexibler gestaltet werden, um die Eigenverantwortlichkeit der Hochschule zu stärken und ihr Anreize zur rationellen Mittelverwendung zu geben. Die verfügbaren Haushaltsmittel sollen den sachlichen Bedürfnissen der Hochschulen entsprechend verteilt werden. Diesem Gesichtspunkt ist auch bei Berufungsverhandlungen Rechnung zu tragen. Aufgrund der zur Verfügung stehenden Mittel haben die Hochschulen entsprechende Prioritäten zu setzen. III. Die Bundesregierung wird aufgefordert, beamtenrechtliche Regelungen für den Hochschulbereich vorzulegen, welche die Durchführung der Grundsätze einer Hochschulreform ermöglichen. IV. Der Bundestag erwartet eine Klärung der Probleme I. bis III. bis zum 1. Dezember 1968. Bonn, den 7. Mai 1968 Schmidt (Hamburg) und Fraktion Anlage 4 Umdruck 439 Entschließungsantrag der Fraktion der FDP zur Aussprache über den Bericht der Bundesregierung zur innenpolitischen Situation Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird aufgefordert, zur Beseitigung der Ursachen der innenpolitischen Unruhen dadurch beizutragen, daß sie bis zum 30. September 1968 1. a) dem Bundestag für die Bildungspolitik in der gesamten Bundesrepublik Deutschland einheitliche Zielvorstellungen, insbesondere ein bundeseinheitliches Hochschulgesetz auf der Grundlage des Antrages der Fraktion der FDP zur Änderung des Grundgesetzes (Drucksache V/2280) vorlegt, b) Regelungen vorschlägt, die den modernen personellen Anforderungen von Forschung und Lehre entsprechen; 2. aus den Kommissionsberichten zur Pressekonzentration gesetzgeberische oder andere Konsequenzen zieht, die zur Wahrung des Artikels 5 GG u. a. a) die Fairneß, Objektivität und Qualität der Berichterstattung fördern, b) die sachliche und rechtliche Unabhängigkeit der verantwortlichen Redakteure stärken, c) die berufliche Mobilität der Journalisten begünstigen und ihre soziale Sicherung verbessern, d) die mißbräuchliche Ausnutzung einer Machtposition im Vertriebswesen für Zeitungen und Zeitschriften verhindern, e) Vorstellungen aufzeigen für Modelle von Stiftungen, die geeignet sind, Träger von unabhängigen Publikationsorganen zu sein; 3. dem Bundestag einen Katalog der von ihr angekündigten zahlreichen Grundgesetzänderungen vorlegt, der verdeutlicht, welche Bestimmungen geändert werden und wie dabei dennoch Sinn und Geist der Verfassung gewahrt werden sollen. Bonn, den 30. April 1968 Mischnick und Fraktion Anlage 5 Umdruck 442 Antrag der Fraktion der FDP zur Großen Anfrage der CDU/CSU betr. Schwerpunktaufgaben in Wissenschaft und Forschung — Drucksache V/2476 Nr. 4 . Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird aufgefordert, 1. den Stand der Vorbereitungsarbeiten für den Aufbau regionaler Großrechenzentren für wissenschaftliche Arbeiten (Forschungsbericht II, S. 77) unter Einbeziehung der dabei angewandten Planungsgrundsätze (Plazierung, Größe, Organisation, Finanzierung, Beschaffung), der bisher aufgetretenen und zu erwartenden Schwierigkeiten und des Zeitplanes dem Deutschen Bundestag darzulegen; 2. ihre Kenntnis über den gegenwärtigen Rechenbedarf für wissenschaftliche Arbeiten und dessen zukünftige Entwicklung dem Deutschen Bundestag vorzulegen und zu erläutern und in eine Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 170. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 7. Mai 1968 9113 Beziehung zu der verfügbaren Rechenkapazität und deren geplante Entwicklung zu setzen; 3. ihre durchgeführten und geplanten Maßnahmen (Planungen, Empfehlungen, Vereinbarungen, Beschlüsse, Abkommen, Anordnungen usw. der Bundesregierung und einzelner Bundesministerien) zur Hebung der verfügbaren Rechnerkapazität für wissenschaftliche Zwecke und zur Förderung der Datenverarbeitung allgemein dem Deutschen Bundestag darzulegen; 4. zu der Frage Stellung zu nehmen, welche Möglichkeiten bestehen, die deutsche Computerindustrie bei ihren sehr erheblichen eigenen Anstrengungen durch Auftragserteilung der öffentlichen Hand zu unterstützen; 5. darzulegen, ob und welche Vorschriften der Reichshaushaltsordnung und der Vergabeordnung zur Förderung der deutschen Computerindustrie geändert werden müssen. Bonn, den 7. Mai 1968 Mischnick und Fraktion Anlage 6 Umdruck 443 Antrag der Fraktion der CDU/CSU zur Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. Schwerpunktaufgaben in Wissenschaft und Forschung — Drucksache V/2476 Nr. 4 — Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird gebeten, in Verhandlungen mit den Ländern dafür einzutreten, daß die nachfolgenden Grundsätze alsbald verwirklicht werden: I. Zur Hochschulreform: 1. An die Stelle der jetzigen kurzfristigen Rektoratszeit soll eine langfristige Rektoratszeit oder eine Präsidialverfassung treten, um eine größere Kontinuität in der Leitung der Universität und eine Entlastung der Wissenschaftler von Verwaltungsarbeit zu ermöglichen. 2. Ordinarien, Lehrstühle und Institute sollen zu größeren Einheiten zusammengefaßt werden, um auch die vorhandenen Personal- und Sachmittel optimal nutzen zu können. 3. Das Mitwirkungsrecht der Nicht-Ordinarien, der Assistenten und der Studenten ist in den Universitätsverfassungen neu zu regeln. 4. Die hochschulrechtliche Stellung der Assistenten ist mit dem Ziel einer größeren Unabhängigkeit und der Zuordnung zu größeren Forschungseinheiten neu zu regeln. Ihnen sollen damit größere Möglichkeiten zu eigener wissenschaftlicher Arbeit eingeräumt werden. 5. Das Mitspracherecht der Studenten ist funktionsgerecht zu gestalten. 6. Durch Neugestaltung des Lehr- und Prüfungswesens soll in verstärktem Umfang die Mitarbeit von befähigten Praktikern ermöglicht werden. Unter diesen Gesichtspunkten ist auch das Habilitationsverfahren neu zu ordnen. 7. Ein öffentliches Ausschreibungsverfahren soll an die Stelle des bisherigen Berufungsverfahrens treten. 8. Eine Intensivierung des Studiums soll zu einer Verkürzung der Studiendauer und zu einer maximalen Ausnutzung der Studieneinrichtungen führen. II. Die Ausbildungsmöglichkeiten außerhalb der Hochschulen müssen so gegliedert sein, daß der Übergang von einer in eine andere Ausbildungsstufe bis hin zur Hochschule jedem Begabten offensteht. III. Im Bereich der weiterführenden Schulen ist eine Akademiereife gleichartig in allen Ländern einzuführen. IV. Die Ausbildungsvoraussetzungen und Ausbildungsgänge der Ingenieurschulen und ähnliche Einrichtungen sollen so gestaltet werden, daß 1. die Absolventen dieser Schulen ihre wachsenden Aufgaben in der modernen, technischen und gesellschaftlichen Entwicklung erfüllen können, und daß 2. sie bei der bevorstehenden Eingliederung des Rechts innerhalb der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft gegenüber den entsprechenden Berufen der anderen Mitgliedstaaten nicht benachteiligt werden. Bonn, den 7. Mai 1968 Dr. Barzel und Fraktion Anlage 7 Schriftliche Erklärung des Bundesministers für wissenschaftliche Forschung Dr. Stoltenberg Die Großen Anfragen behandeln Themen der Hochschul- und Studienreform und der Wahrung der Freiheit von Forschung und Lehre im Zusammenhang mit den Unruhen und Auseinandersetzungen an den Hochschulen. Deren Symptome und Ursachen sind in der Debatte vom vergangenen Dienstag unter innenpolitischen Aspekten ausführlich erörtert worden. Ich kann daher zu den Fragen 1, 2, 5 und 6 auf den Bericht der Bundesregierung zur innenpolitischen Lage und auf die anschließende Debatte verweisen. Heute soll ein konkreter Ansatz- 9114 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 170. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 7. Mai 1968 punkt zur Reform im Mittelpunkt der Anwort stehen: die Hochschulpolitik. Die Diskussion hierüber ist durch starke Auffassungsunterschiede und rasche Veränderungen der Situation bestimmt. Deshalb wird die Bundesregierung die Fragen der Hochschul- und Studienreform wie auch die Situation der Studenten und der nichtstudentischen Jugend welter eingehend erörtern und dem Deutschen Bundestag erneut berichten. Ich möchte also zunächst die Punkte 3 und 4 ,der Großen Anfrage (Drucksache V/2587) eingehender beantworten. Uns allen ist bekannt, wie sehr der Wiederaufbau der Hochschulen nach 1945 am Bild der Universität vor 1933 orientiert war. Auch in der ersten Hälfte der sechziger Jahre stand die Forderung nach rascher Steigerung der öffentlichen Mittel für ihren Ausbau im Zentrum aller hochschulpolitischen Debatten. Diesem Verlangen haben vor allem die Bundesländer nach 1960 in einer außerordentlich großen Anstrengung entsprochen. Die Frage nach der inneren Struktur, den notwendigen Veränderungen auf Grund neuer Bedingungen für Lehre und Forschung gewann erst mit den Empfehlungen des Wissenschaftsrates von 1966 zur Neuordnung des Studiums und der dann einsetzenden lebhaften Diskussion über dieses und andere Themen ihr volles Gewicht. Die Bewegung und Unruhe in der Studentenschaft hat in der jüngsten Zeit manche Reformentscheidungen beschleunigt, in einzelnen Fakultäten aber auch zu so starken Spannungen geführt, daß ein geregeltes Studium und die Freiheit von Forschung und Lehre zeitweise gefährdet erschienen. Eine Zwischenbilanz zur Hochschul- und Studienreform ist nicht einfach. Nach der Verfassungs- und Rechtsordnung unseres Staates sind die Zuständigkeiten vielfältig und stark dezentralisiert. Sie liegen im Schwergewicht bei den elf Ländern, 36 wissenschaftlichen Hochschulen und 176 Fakultäten oder Abteilungen. Gremien wie dem Wissenschaftsrat, der Rektorenkonferenz und den Fakultätentagen kommt Bedeutung zu. Nach der politischen Gleichschaltung der wissenschaftlichen Hochschulen in der Zeit des Nationalsozialismus mit ihren verhängnisvollen Folgen für Lehre und Forschung und angesichts eines ähnlichen abstoßenden Beispiels im kommunistisch beherrschten Teil Deutschlands wurde seit 1945 das Prinzip der Autonomie der Hochschule gegenüber dem Staat besonders stark betont. Dieser historische Hintergrund muß uns bewußt sein, wenn wir neuerdings scharfe und generalisierende Urteile über das angebliche Versagen des Staates, konkret also der Bundesländer, richtig bewerten wollen. Manche Kritiker, die heute den Kultusministern vorwerfen, sie hätten schon längst die Hochschulen gegen den Widerstand der Professoren grundlegend reformieren müssen, sprachen vor wenigen Jahren noch vom „Machtmißbrauch" oder der „Bedrohung wissenschaftlicher Freiheit", wenn staatliche Stellen bei einem sachlichen Dissens mit Organen einer Hochschule in rechtlich einwandfreier Weise entschieden. Nicht Polemik bringt uns weiter, sondern die Erkenntnis, daß wir auf Grund der völlig neuen Entwicklung in Forschung und Lehre, der notwendigen Einbeziehung der Hochschulprobleme in den Gesamtzusammenhang der staatlichen Bildungspolitik ein gewandeltes Verhältnis von Staat und Hochschule brauchen. Die rasch steigenden Kosten erfordern eine überregionale Abstimmung der Investitionen und Schwerpunkte, eine Rahmenplanung für das ganze Bundesgebiet, die dem traditionellen Autonomiebegriff der einzelnen Universitäten und Fakultäten nicht mehr entspricht. So ist die Verantwortung des Staates gewachsen. Es gilt, in Verfassungsbestimmungen, Hochschulgesetzen und Satzungen ein ausgewogenes Verhältnis von Staatsverwaltung und Selbstverwaltung zu finden, das den neuen Notwendigkeiten entspricht und zugleich den Grundsatz der Freiheit von Forschung und Lehre in einem modernen Verständnis aufrechterhält. Unter den erwähnten Voraussetzungen der stark dezentralisierten und aufgefächerten Zuständigkeiten ist in den letzten 24 Monaten mehr auf dem Gebiet der Hochschul- und Studienreform geschehen, als in den zwölf Jahren zuvor. Dies gilt für die Neuordnung des Hochschulrechts in Landesgesetzen und Satzungen, die institutionelle Beteiligung der Nichtordinarien, Assistenten und Studenten an den Entscheidungen der Hochschulorgane, die Veränderung der Habilitations- und Berufungspraxis, die Förderung der interdisziplinären Zusammenarbeit in Forschung und Lehre und die Neuordnung der Studiengänge sowie der Prüfungsbestimmungen. Ich möchte hierfür einige besonders aufschlußreiche Beispiele nennen. Weil Fakultäten oft zu groß, zu heterogen und zu schwerfällig sind, haben neue Hochschulen von vornherein Abteilungen, Fachbereiche oder Zentren geschaffen. In Freiburg ist es gelungen, die Naturwissenschaftlich-Mathematische Fakultät in sechs Abteilungen aufzugliedern. Ebenfalls in Freiburg, aber auch in Karlsruhe und München haben sich die Physiker zu einem Department zusammengeschlossen. In Gießen ist seit dem 1. April eine Verfassung in Kraft, in der u. a. eine gemeinsame Beschlußfassung der wissenschaftlichen Mitglieder der Institute (unter Einschluß von Assistentenvertretern) über das Forschungsprogramm des Instituts vorgesehen ist. Von den neuen Hochschulen haben Konstanz und Regensburg die Verbindung von Promotion und Habilitation in Sonderfällen vorgesehen. In Regensburg wurden erstmalig zur Besetzung der Naturwissenschaftlichen Fakultät die Lehrstühle öffentlich ausgeschrieben. In Aachen hat die neu errichtete Medizinische Fakultät den Unterricht am Krankenbett intensiviert. In Bochum wurden von den meisten Abteilungen Studienordnungen auf der Grundlage der Empfehlungen des Wissenschaftsrates von 1966 verabschiedet. In Hannover hat man an der Technischen Hochschule das Studium in Stufen mit zugeordneten Prüfungen neu gegliedert und in den Diplom-Vorprüfungen bereits erheblich bessere Ergebnisse erzielt. Versuche mit mehreren sechssemestrigen Kurzstudiengängen begannen in den naturwissenschaftlichen Fächern an fünf Hochschulen Baden-Württembergs nach sorgfältiger Erörterung mit den staatlichen Stellen und der Wirtschaft. Inhalt und Form der Lehrveranstal- Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 170. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 7. Mai 1968 9115 tungen werden auf Grund konkreten Studienziele kritisch durchdacht, wozu insbesondere der Arbeitskreis Hochschuldidaktik des Hochschulverbandes beitragt. Das wünschenswerte Maß an Einheitlichkeit der Ausbildung erfordert auch bei den Reformen überregionale Zusammenarbeit, die weitgehend in den verschiedenen Fakultätentagen geleistet wird. In der Rechtswissenschaft sind z. B. tiefgreifende Empfehlungen zum neuartigen Aufbau des Studiums mit wenigen Pflicht- und vielen Wahlfächern so weit vorbereitet, daß sie in Kürze beschlossen werden sollen. Sie können zu einer Reduzierung der Studiendauer führen. Umfangreiche Arbeiten hat die von Kultusministerkonferenz und Rektorenkonferenz gebildete Kommission für Prüfungs- und Studienordnung geleistet. Magisterordnungen in zwei Fächern und Rahmenordnungen für Diplomprüfungen in 17 Fächern liegen vor, für 12 Fächer werden sie beraten; reformiert werden dadurch u. a. eine Reihe von Fächern mit besonders hohen Studentenzahlen und langen Studienzeiten: Mathematik, Chemie, Physik, Maschinenbau, Elektrotechnik, Volkswirtschafts- und Betriebswirtschaftslehre. Für die überfüllten Philosophischen Fakultäten besonders wichtig ist die parallel laufende Arbeit der Kommission für die wissenschaftlichen Staatsprüfungen des Gymnasiallehramts; eingerichtet von der Kultusministerkonferenz, behandelt die Kommission mit 18 Fachausschüssen u. a. so bedrängte Fächer wie Germanistik, Anglistik und Geschichte. Hier wirken Vertreter des Staates, Professoren und Studenten in einer wenig beachteten aber vorbildlichen Weise zusammen. Wie in der Lehre so zeichnet sich auch in der Forschung ein grundlegender Wandel ab. Bedeutung und Anerkennung der wissenschaftlichen Mitarbeiter steigen, insbesondere der wissenschaftlichen Assistenten, so daß Forschungsprojekte mehr und mehr in einer Gruppenarbeit angegangen werden. Interdisziplinäre Kooperation wird durch gemeinsame Einrichtungen institutionell gefördert, so u. a. in Bochum und Konstanz. Die Einrichtung von Sonderforschungsbereichen soll die schwerpunktmäßige Konzentration auf abgestimmte Problembereiche weiter fördern. Die zweckgerechte Organisation von Forschung und Lehre im Zusammenhang mit den Bedürfnissen der Gesellschaft ist eine zentrale Aufgabe der Hochschulen. So sind sie, im Rahmen ihrer Selbstverwaltung, zu umfassenden Reformen aufgerufen. Einige wichtige Ansätze dazu enthält die Godesberger Rektorenerklärung vom Januar dieses Jahres. Die Mehrzahl der Länder hält darüber hinaus Entscheidungen des staatlichen Gesetzgebers für erforderlich. Nach Hessen (1966) hat kürzlich Baden-Württemberg ein neues Hochschulgesetz erlassen; in vier Ländern werden eine Reihe von entsprechenden Gesetzentwürfen beraten: in Bayern, Berlin, Hamburg und Schleswig-Holstein. Weitgehende Übereinstimmung besteht darin, die akademische Selbstverwaltung der Hochschulen effektiver zu gestalten und übergeordnete Gesichtspunkte der Universitäten gegenüber individuellen und partikularen Aspekten stärker zu betonen. Dem soll in erster Linie die Einführung eines Hochschulpräsidenten oder eines für längere Zeit gewählten und mit stärkeren Vollmachten ausgestatteten Rektors dienen. Auch Beteiligung aller Gruppen in der Universität an den Entscheidungen ist prinzipiell anerkannt, wenn auch mit Recht rein schematische Lösungen wie die sogenannte „Drittelparität" durchweg abgelehnt werden. Entgegen ihren ursprünglichen Absichten haben die Kultusminister der Länder bisher keine Rahmenrichtlinien für Hochschulgesetze beschlossen. Statt dessen haben sie sich Anfang April auf einige Leitlinien geeinigt, deren detaillierte Ausarbeitung allerdings noch ein beträchtliches Maß an Arbeit erfordern dürfte. Diese wenigen, durchaus unvollständigen Beispiele zeigen, wie falsch es ist, jeden Fortschritt zu negieren und von der Reformunfähigkeit der deutschen Hochschulen zu sprechen. Sie machen auch deutlich, daß es die von vielen erhofften einfachen Lösungen nicht gibt. Die Intensivierung und die didaktische Verbesserung der Lehre, die Neuordnung des Eingangsstudiums mit besseren Studienbedingungen für die Erstsemester, die Einführung von Zwischenprüfungen in allen Disziplinen, die dringend notwendige Verkürzung der Studienzeiten — diese großen Aufgaben sind nicht durch schematische Verwaltungsakte zu meistern, sondern nur durch eine fachwissenschaftlich fundierte Einzelprüfung der Studiengänge und Examensforderungen. Bei den Diskussionen über die neuen Hochschulverfassungen und -satzungen darf es nicht primär um den Widerstreit der Gruppengesichtspunkte gehen, sondern um prinzipielle Fragen des Ausgleichs entgegengesetzter sachlicher Forderungen und Notwendigkeiten. Die Dinge gehen voran. Dennoch besteht kein Anlaß zur Zufriedenheit. Die Reformbemühungen der einzelnen Hochschulen und Bundesländer bedürfen einer erheblichen Verstärkung, Beschleunigung und übergreifender Verbindung. Es ist beachtlich, daß die Landesrektorenkonferenz Nordrhein-Westfalen jetzt detaillierte Vorschläge für die Verfassung und innere Struktur aller Hochschulen des größten Bundeslandes angekündigt hat. Dies ist ein wichtiger und positiver Schritt. Aber auch er reicht noch nicht aus. Die Kultusminister- und die Rektorenkonferenz müssen ihre erwähnten Prinzipienerklärungen konkretisieren und zu gemeinsamen wirkungsvollen Schritten für das ganze Bundesgebiet verbinden. Der Wissenschaftsrat sollte unverzüglich eine genaue Zwischenbilanz über den Stand der Verwirklichung seiner Reformvorschläge von 1966 machen und sie nach der Entwicklung der letzten beiden Jahre ergänzen und präzisieren. Er hat auf Grund einer Initiative der Bundesregierung mit den Vorarbeiten hierfür begonnen. Die Bundesregierung teilt die weitverbreitete Sorge, daß trotz der erwähnten Fortschritte und der hohen staatlichen Aufwendungen für den Ausbau der Hochschulen ihre Situation nicht grundlegend verbessert werden kann, wenn die Reformen nicht beschleunigt und vor allem wirkungsvoller als bis- her mit den allgemeinen bildungspolitischen Entscheidungen abgestimmt werden. Diese Sorge wäre nicht begründet, wenn wir eine statische Situation hätten, also weiterhin mit den jetzigen Zahlen von Studienbewerbern rechnen könnten. Dann würden die hohen öffentlichen Mittel für die Universitäten und das Tempo der Veränderung voraussichtlich ausreichen, in den nächsten fünf Jahren die Hauptprobleme, die uns heute bedrücken, im großen und ganzen befriedigend zu lösen. Aber die Bildungsexpansion der letzten zehn Jahre, der schnelle Ausbau des weiterführenden Schulwesens wird bis 1976 nach den jetzigen Prognosen erneut zu einer Verdoppelung der Abiturientenzahlen führen. 1967 gab es 65 000 Absolventen der Gymnasien gegenüber 32 000 im Jahre 1955; für 1976 werden 130 000 erwartet. Diese tiefgreifenden Veränderungen sind grundsätzlich als ein Fortschritt zu begrüßen. Die Gesellschaft von morgen braucht wesentlich mehr qualifizierte, gut ausgebildete Menschen als bisher. Wenn in einigen Bundesländern 1967 über die Hälfte der Elfjährigen von der Grundschule in eine weiterführende Schule (Gymnasien oder Realschulen) überging, dann zeigt dies deutlich, daß qualifizierte Bildung heute nicht mehr als Privileg einer Minderheit oder bestimmter Berufsgruppen gilt, wie sehr die Schlagworte von der „Klassenschule oder dem angeblich schichtenspezifischen Charakter unseres Bildungssystems überholt sind. Dies ist eine grolle reformerische Leistung der Bundesländer und Gemeinden, die Anerkennung verdient. Aber man muß hinzufügen, daß die Folgeprobleme dieser Bildungsexpansion nicht rechtzeitig erkannt und gemeistert wurden. Die optimistischen Vorhersagen einiger Bildungsökonomen, es bestehe in allen wesentlichen Fächern ein fast unbegrenzter Bedarf an Akademikern, Zielvorstellungen von der Verdoppelung der Zahl der Studenten an wissenschaftlichen Hochschulen auf 500 000 sind nicht mehr aufrechtzuerhalten. Die ersten regionalen Bedarfsprognosen machen ebenso wie die konkreten Erfahrungen der letzten beiden Jahre deutlich, daß nicht globale, sondern stark differenzierte Expansion geboten ist. Es gibt, vor allem in den Geisteswissenschaften, eine Reihe von Disziplinen, in denen heute schon entweder Angebot und Nachfrage an akademischem Nachwuchs ausgeglichen sind oder sogar die Sorge um einen angemessenen Arbeitsplatz für die Absolventen der Hochschule besteht. Demgegenüber besteht in den Lehrberufen und zahlreichen naturwissenschaftlich-technischen Disziplinen ein Bedarf an höheren Studentenzahlen und neuen Kapazitäten. Die künftigen Ausbauplanungen für die Hochschulen, vor allem für die Neugründungen, müssen stärker als bisher auf solchen Einsichten beruhen und zu klaren Schwerpunktbildungen kommen. Diese Fragen durch vertiefte langfristige Studien noch gründlicher zu untersuchen und zu gesicherten Ergebnissen zu kommen, ist eine vordringliche Aufgabe. Sie muß ohne Scheu vor Tabus, vor der Aufgabe liebgewordener Vorstellungen angegangen werden. Die Bundesregierung hat auf Grund ihrer Verantwortung für den wissenschaftlichen Nachwuchs von sich aus bestimmte Analysen veranlaßt. Sie erwartet, daß die Bundesländer und der Wissenschaftsrat ähnliche Initiativen ergreifen. Bei einer erneuten Verdoppelung der Abiturientenzahlen ist es ausgeschlossen, daß weiterhin fast 90 % der Absolventen unserer Gymnasien an wissenschaftlichen Hochschulen studieren. Die Länder beabsichtigen deshalb, neben den Universitäten verstärkt Fachhochschulen und Akademien auszubauen und in diesem Bereich neue, relativ kurze Studiengänge zu entwickeln. Ein Ausschuß des Bildungsrates arbeitet an einer Sonderempfehlung zu Fragen des Schulabschlusses an den Gymnasien. In diesem Zusammenhang ist mit einer positiven Stellungnahme zur Einführung einer Akademiereife zu rechnen, die nach erfolgreichem Abschluß der Mittelstufe des Gymnasiums und der Realschule erworben werden kann und unter bestimmten Voraussetzungen den Zugang zu den Akademien eröffnet. In der schnellen Verwirklichung dieses Planes liegt eine entscheidende Voraussetzung für die Entlastung der wissenschaftlichen Hochschulen und die dringend gebotene Verkürzung der Ausbildungszeit. Ob dieser erste Schritt ausreicht oder zukünftig weitere Änderungen, wie eine besondere Zulassungsprüfung zu den wissenschaftlichen Hochschulen, nötig sind, wird innerhalb des Wissenschaftsrates und des Bildungsrates noch nicht einheitlich beurteilt. Alle Beteiligten sollten jedoch die Dringlichkeit der Einführung der Akademiereife und des beschleunigten Ausbaus der Akademien deutlich erkennen. Wenn einzelne Landespolitiker und Bildungsökonomen diese Entscheidung bis zu einer völligen Umstrukturierung des Schulwesens zurückstellen wollen, beschwören sie für die wissenschaftlichen Hochschulen und das ganze Bildungswesen eine äußerst gefährliche Situation. Wir müssen jetzt durch überlegte, aber entschiedene Sofortmaßnahmen die Folgeprobleme der ersten Bildungsexpansion bewältigen. Eine grundlegende Strukturänderung des Schulwesens erfordert noch sorgfältige wissenschaftliche und pädagogische Untersuchungen, eine politische Verständigung zwischen den Bundesländern und eine genaue Berechnung aller finanziellen und sachlichen Konsequenzen. So lange können wir nicht warten. Das mühsam in 15 Jahren gewonnene Maß an Einheitlichkeit des Schulwesens und an Freizügigkeit im Bundesgebiet sollte nicht durch isolierte Aktionen aufs Spiel gesetzt werden. Wir dürfen also mit der Formulierung von Zielwerten nicht mehr lange zögern, wenn wir die Gefahr vermeiden wollen, daß unser Hochschulausbau von kurzfristigen Gesichtspunkten bestimmt wird. Hochschulen sind gewiß keine Akademikerfabriken. Ein Ausbildungsprozeß unterliegt komplizierteren Gesetzen als ein Produktionsprozeß. Aber das darf uns nicht hindern, ökonomische Denkweisen und Maßstäbe auch an die Produktivität in Hochschulen anzulegen. Ein Bereich, in den die Gesellschaft jährlich Milliardenbeträge investiert, kann sich einer solchen Bewertung nicht gänzlich entziehen. Die künftige Ausbildung wird uns zwingen, das Verhältnis von finanziellem und pädagogischem Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 170, Sitzung. Bonn, Dienstag, den 7. Mai 1968 9117 Aufwand zum Erfolg zu optimieren, wenn wir mit den verfügbaren finanziellen und personellen Mitteln eine so erhebliche Ausweitung unseres Bildungswesens erreichen wollen. Auch hier werden wissenschaftliche Untersuchungen verstärkt gefördert werden müssen. Die Möglichkeiten und Grenzen einer solchen Betrachtungsweise sind keineswegs hinreichend geklärt. All dies macht deutlich, daß auch für den Ausbau der Hochschulen überregionale Rahmenlösungen gefunden werden müssen. Gerade in einer Zeit, in der so tiefgreifende Reformen nötig werden, ist die Gefahr groß, daß die traditionelle Einheitlichkeit der Grundlage unseres Hochschulwesens zerbricht. Gewiß will niemand von uns die deutsche Einheitshochschule. Das weitgehende Selbstgestaltungsrecht der Universitäten wird ihnen den wünschenswerten Reichtum an Formen und ihre Individualität erhalten, die sie seit jeher besessen haben. Aber die Universitäten werden notwendig in immer engere Kooperation treten müssen, auch über die Grenzen der Bundesländer und des Bundesgebietes hinweg. Unsere Hochschulabsolventen werden immer häufiger auf internationale Anerkennung ihrer Abschluß-Zertifikate angewiesen sein. Weniger als je wird sich Deutschland eine Zerspitterung seines akademischen Potentials leisten können. Hier auf eine gewisse Vereinheitlichung der Ausbildungsgänge und Abschlüsse hinzuwirken, ist eine legitime Aufgabe des Gesamtstaates. Das gleiche gilt von der langfristigen Zielsetzung des regionalen Ausbaus unseres Hochschulwesens. Hier gehört es zu den Aufgaben des Gesamtstaates, auf eine angemessene regionale Verteilung hinzuwirken; denn Hochschulen tragen wesentlich zur kulturellen und technischen Entwicklung ihrer jeweiligen Region bei. Zur Erfüllung dieser Aufgaben besitzt der Bund keine Kompetenzen, wenn man einmal von seinen Zuständigkeiten auf dem Gebiet der Heilberufe oder des Beamtenrechts absieht. Die Bundesregierung hat jedoch mit den Ländern gemeinsam den Wissenschaftsrat und den Bildungsrat ins Leben gerufen. Hier hat sie an der Ausarbeitung zahlreicher Empfehlungen mitgearbeitet und so einen begrenzten indirekten Einfluß auf die Gestaltung unseres Hochschulwesens ausgeübt. Bedeutsamer war die Tatsache, daß die Bundesregierung die Einzelvergabe ihrer steigenden Mittel für den Hochschulausbau von entsprechenden Empfehlungen des Wissenschaftsrates abhängig machte. Aber der Bund blieb ebenso wie der Wissenschaftsrat von der Mitberatung über die Planung neuer Hochschulen ausgeschlossen. Damit hatten weder die Bundesregierung noch der Wissenschaftsrat die Möglichkeit, zusammen mit den Ländern umfassende Vorstellungen über den Gesamtausbau der Hochschulen zu entwickeln. Eine sehr bedeutende Veränderung wird hier die Verwirklichung der Finanzreform bringen. Der Entwurf des Art. 91 a GG sieht eine gemeinsame Rahmenplanung vor. Hier werden Bund und Länder erstmalig in partnerschaftlicher Verantwortung die langfristige Ziele des Hochschulausbaus und -neubaus festlegen und in Rahmenpläne fassen. Diese Rahmenpläne sollen nicht - wie die Beschlüsse des Wissenschaftsrates — Empfehlungen darstellen, sondern die Regierungen verpflichten, sie bei ihren Sachentscheidungen zugrunde zu legen. Damit würde ein prinzipieller Fortschritt gegenüber den bisherigen Empfehlungsverfahren erzielt. Solche weitreichenden Entscheidungen, welche jährlich den Ausbau unserer Hochschulen jeweils auf Jahre hinaus festlegen, bedürfen einer sorgfältigen Vorarbeit, die weitgehend der Wissenschaftsrat leisten sollte, und einer immer wieder überprüften Formulierung des Ausbauziels. Wir hören die Meinung, diese Verfassungsänderung reiche nicht aus, der Bund müsse umfassendere Zuständigkeiten für die Hochschulgesetzgebung oder die gesamte Bildungsplanung erhalten. Die Vorschläge der FDP-Fraktion zielen in diese Richtung. Wenn man diese wichtige Frage richtig bewerten will, sollten zwei Punkte deutlich gesehen werden. Zunächst darf die eminente Bedeutung der soeben erläuterten Verfassungsänderung nicht unterschätzt werden, was gelegentlich geschehen ist. Die Bundesregierung beabsichtigt, ihre neuen Zuständigkeiten nach Inkrafttreten der Finanzverfassungsreform sehr ernst zu nehmen und in vollem Umfang auszufüllen. Sie wild dus der jetzigen Funktion des Ratgebers und Mäzens heraustreten und die Sachentscheidungen über die künftige Gestalt unserer Hochschulen partnerschaftlich und in voller Gleichberechtigung mit den Ländern treffen. Ihre finanziellen Leistungen für den Ausbau, die seit 1965 von 280 auf 650 Millionen DM stiegen, sollen vor allem durch die Beteiligung an den Neugründungen weiter erhöht werden. Die Planung von Neubau und Ausbau ist nicht ohne eine Konzeption für die innere Struktur der Universitäten möglich. Es wird also auf Grund der gemeinsamen Verantwortung für den Ausbau und die Finanzierung notwendig sein, auch die Probleme der inneren Organisation von Lehre und Forschung der Hochschulen, die in der Zuständigkeit der Länder bleiben, wesentlich intensiver als bisher gemeinsam zu beraten und zu klären. Zum anderen muß an die einfache Tatsache erinnert werden, daß Verfassungsänderungen eine qualifizierte Mehrheit des Bundestages und des Bundesrates erfordern. Die Bundesregierung und die Ministerpräsidenten haben sich soeben auf die Einführung von Gemeinschaftsaufgaben in der Finanzverfassungsreform verständigt, eine bedeutsame Veränderung der jetzigen Kompetenzen. Wir sollten deshalb die Verwirklichung dieser Neuregelung abwarten und praktische Erfahrungen mit ihr machen. Die verfassungspolitische und administrative Problematik einer weitergehenden Zentralisierung ist in der bisherigen Diskussion nicht genügend berucksichtigt warden. Es wird ohnehin zu einer spürbaren Verstärkung der Organisation der Bundesregierung kommen müssen, um die vorgesehenen neuen Aufgaben in der hier beschriebenen Weise voll wahrnehmen zu können. Die Länder behalten damit für den hier umrissenen Themenkreis eine besonders große Verantwortung. Ihre Entscheidungen in übergreifenden Fragen werden durch die Notwendigkeit, in der Regel zu ein- 9118 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 170. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 7. Mai 1968 stimmigen Beschlüssen zu kommen, nicht leichter. Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt, wie schwer dies oft war. Es wäre verhängnisvoll, wenn in den zentralen Fragen der Hochschul- und Bildungspolitik das liberum veto einzelner oder einiger die dringend notwendigen Entschlüsse verhindern würde. In diesem unerwünschten, hoffentlich nicht eintretenden Fall könnte der Ruf nach einer Stärkung des Bundes, nach weiteren tiefgreifenden Verfassungsänderungen so laut werden, daß er unüberhörbar wird. Ich wende mich jetzt kurz dem zweiten Teil dieses Punktes zu, in welchem danach gefragt wird, ob die rechtlichen und disziplinären Handhaben der Universitäten und der Länder ausreichen. Wenn wissenschaftliche Lehre nicht zum reinen Unterricht werden soll, braucht sie zu ihrer Entfaltung einen Raum der Freiheit, eine Atmosphäre rationaler Diskussion. Diese Grundlage einer echten wissenschaftlichen Lehrtätigkeit ist gegenwärtig in einzelnen Fakultäten durch Versuche einer gewaltsamen Politisierung wissenschaftlicher Lehrveranstaltungen in Frage gestellt. Natürliche Interessengegensätze werden künstlich verstärkt, Gruppen solidarisieren sich, Schmähung und Diffamierung haben durch kleine Minoritäten in die hochschulpolitische Diskussion Eingang gefunden. Das ist außerordentlich bedauerlich. Die Hochschulen bilden den Nachwuchs für leitende Positionen in Gesellschaft, Wirtschaft und Staat aus. Wenn es in den Hochschulen nicht gelingt, Formen sachlicher Auseinandersetzung in Konfliktsituationen zu finden, dann wird sich das eines Tages auf den politischen Stil unseres ganzen Volkes auswirken. Auch von daher stellt sich die vordringliche Aufgabe, die inneren Bedingungen für eine gedeihliche Lehrtätigkeit der Hochschulen wiederherzustellen. Das ist primär nicht durch juristisch-administrative Maßnahmen zu erreichen, sondern nur durch Reformen möglich, wie ich sie vorhin geschildert habe. Straf- und Disziplinarmaßnahmen können allenfalls einen Raum der Ruhe und äußeren Ordnung garantieren, in dem sich neue Formen des Zusammenlebens bilden können. Daß die Lehrfreiheit in den vergangenen Monaten nicht immer mit Hilfe von Polizei und Justiz wirksam geschützt werden konnte, liegt auch daran, daß die Rektoren sich scheuen, Anzeigen zu erstatten oder Polizei auf das Universitätsgelände zu rufen, und daß die Polizei sich scheut, Hochschulgelände zu betreten, obwohl in dieser Hinsicht keine rechtlichen Hindernisse bestehen. Die Haltung der Rektoren und der Polizei ist verständlich, sollte doch die Universität ein Ort sein, wo Vernunft und Kooperation Eingriffe staatlicher Schutzgewalt überflüssig machen. Auch Disziplinarrecht konnte in den letzten Monaten die teilweise gestörte äußere Ordnung an unserer Universität nicht aufrechterhalten. Das Disziplinarecht ist (mit seinen zum Teil vier Instanzen) in seiner bestehenden Form weithin veraltet. Es ist zu langwierig und kann stellenweise schon durch Nichtbeteiligung der Studentenvertreter zunächst außer Wirksamkeit gesetzt werden. Zudem sind „Sitte und Ehre des akademischen Lebens" sowie „Würde und Ansehen der Universität" heute problematische Begriffe geworden. Reformüberlegungen gehen deshalb dahin, das Disziplinarrecht durch einfache praktikable Ordnungen zur Sicherung des ordnungsgemäßen Betriebes von Forschung und Lehre zu ersetzen. Hierzu können allgemein Anordnungen und konkrete Weisungen dienen, die notfalls durch Verwaltungszwangsmaßnahmen durchgesetzt werden müssen. Insgesamt läßt sich zum Straf- und Disziplinarrecht sagen, daß sie bei sachgerechter Anwendung und nach einer Änderung des Disziplinarverfahrens ausreichen würden, um einen wirksamen Schutz von Forschung und Lehre zu gewährleisten. Aber solche Maßnahmen erzeugen leicht neue Resistenz und können zur Beeinträchtigung jener Freiheit führen, die sie schützen sollen. Sie sind daher das letzte Mittel, wenn Diskussion und sachliche Verständigung unmöglich geworden sind. Es wird von der CDU/CSU-Fraktion danach gefragt, inwieweit sich Strukturen der repräsentativen Demokratie verstärkt auf Universitäten und Forschungsinstitute sachgemäß übertragen lassen. Jede große Institution, besonders aber ein so komplizierter Organismus wie eine wissenschaftliche Hochschule, braucht ein von allen Partnern respektiertes Verfahren zur Willensbildung und zur Lösung seiner inneren Probleme. Die bislang an unseren Hochschulen gebräuchlichen Verfahren der Willensbildung werden heute von vielen Studenten, aber auch von Teilen der Professorenschaft, der Dozenten und der Assistenten nicht mehr in vollem Umfang akzeptiert. Die Übertragung repräsentativ-demokratischer Strukturen auf die Universität wird gefordert, um den Prozeß der Debatten und Entscheidungen durchsichtig und für alle Mitglieder der Hochschule überzeugend zu gestalten. Nun ist aber die Hochschule kein staatsähnliches Gebilde; ihre Mitglieder sind kein Staatsvolk. Vielmehr sind die Hochschulen Institutionen mit bestimmten Funktionen in Forschung und Lehre. Daher muß die Übertragung demokratischer Methoden dort ihre Grenzen finden, wo die Universität in der Erfüllung ihrer Aufgaben gehindert wird. Unumstritten ist heute, daß es notwendig ist, Studenten und nichthabilitierte akademische Mitarbeiter stärker an der Willensbildung der Hochschulen zu beteiligen. Die weitestgehende Forderung ist die nach der Drittelparität, d. h., daß alle drei Gruppen durch gleichviel stimmberechtigte Repräsentanten vertreten sein sollen. Dieser Forderung ist zunächst einmal mit Recht entgegengehalten worden, es gebe mindestens vier und nicht drei Gruppen an der Universität. Sie würde zudem nicht Strukturen der repräsentativen Demokratie, sondern syndikalistische Vorstellungen auf die Universität übertragen, die nicht sachgerecht sind. Daher geht der Vorschlag der Westdeutschen Rektorenkonferenz dahin, in den einzelnen Gremien unterschiedliche Beteiligungen der Gruppen vorzusehen. Während etwa in reinen Forschungsfragen Deutscher Bundestag - 5. Wahlperiode — 170. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 7. Mai 1968 9119 Studenten nur als Beobachter zugelassen würden, könnte man in studentischen Angelegenheiten den Studenten eine relativ starke Stellung geben. Dieser Vorschlag hat den Vorteil, von einer unbrauchbaren Grundsatzdiskussion wegzuführen. Sollte es durch die stärkere Beteiligung aller Gruppen gelingen, die Studenten zu einer konstruktiven Mitarbeit zu gewinnen, wäre ein großer Schritt vollzogen. Auch die Forderung von Systemen kollegialer Leitung gehört zu diesen Themenbereichen ebenso wie der Versuch, sämtlichen akademischen Mitarbeitern in den Instituten ein gewisses Mitsprache- und Entscheidungsrecht einzuräumen. Demokratischem Bewußtsein entspringen auch Forderungen nach einer Objektivierung der Prüfungen und Zuordnung der Assistenten an die ständigen Einheiten von Forschung und Lehre. Zur Erfüllung demokratischer Prinzipien gehört schließlich, daß die Hochschulen die Beschlüsse ihrer Organe öffentlich vertreten und begründen. Dazu gehören auch effektive Beschwerde- und Kontrollmöglichkeiten für die jeweils Betroffenen. Gegenwärtig werden an verschiedenen Universitäten Reformmodelle erprobt, und wir müssen abwarten, wie sie sich bewähren. Alle diese Reformen hängen davon ab, ob es gelingt, der geistigen Autorität des Arguments im gesamten Leben der Universität den Stellenwert einzuräumen, den sie in der Forschung seit jeher besitzt. Wenn radikale Gruppen die Forderung nach studentischer Mitbestimmung nur vertreten, um die „Reformunfähigkeit der Universitäten" zu demonstrieren oder neue Konflikte zu provozieren., dann gefährden sie allerdings die erreichten Fortschritte und notwendigen weiteren Entscheidungen. Es kommt auf die Bereitschaft zur Zusammenarbeit aller Beteiligten an. Erst wenn sie vorhanden ist, verspricht die Wahl der Organisationsform wirksame Erfolge. Aus der Großen Anfrage der CDU/CSU betreffend „Schwerpunktaufgaben in Wissenschaft und Forschung", die in der 152. Bundestagssitzung am 7. Februar 1968 behandelt worden ist, ist noch die Frage 4 zu beantworten. Bei dieser Frage geht es um die rechtzeitige Auswahl und Förderung hochbegabter Studenten, um die gerechte Verteilung der Forschungsmittel und um die Erfolgskontrolle bei den Forschungsergebnissen. Im Zeitalter des sprunghaft steigenden Personalbedarfs der Wissenschaften ist es außerordentlich wichtig, hohe wissenschaftliche Begabungen frühzeitig zu erkennen und zu fördern. Und ohne Zweifel ist auch die Ausbildung in unseren Schulen und Hochschulen prinzipiell darauf ausgerichtet, die Anlagen und Begabungen aller Schüler und Studenten optimal zu entwickeln. Andererseits ist der Weg „vom Schüler zum Forscher" alles andere als voraussehbar, unkompliziert und gradlinig. Wissenschaftliche Begabungen sind keinesfalls früh und eindeutig zu erkennen, und überdurchschnittlich gute Noten in Reifezeugnissen sind, wie neuere Untersuchungen ergeben haben, noch keine Gewähr für ein überdurchschnittliches Abschneiden im Studium. Das Erkennen und die Auswahl hervorragender Begabungen liegt also bei den Hochschulen, an denen der Student zur Zeit erhebliche Freiheit genießt und Art und Umfang des Lernens weitgehend selbst bestimmen kann. Nach aller Erfahrung bedeutet dies aber für Studenten mit wissenschaftlicher Begabung kein Hindernis. Sie zeichnen sich gerade dadurch aus, daß sie sich aus eigener Kraft in der ungewohnten Umgebung zurechtfinden, sich selbst die Ziele setzen und sie mit ganzem Einsatz zu erreichen versuchen. Durch diese Haltung fallen sie in der Mehrzahl der Fälle ihren Lehrern auf, sei es bei Lehrveranstaltungen, auch größeren Umfangs, sei es bei Zwischenprüfungen, im Labor oder am Arbeitsplatz. Das Interesse an guten Schülern führt dann dazu, daß der herausragende Student in der Regel in Kontakt mit dem Hochschullehrer kommt und von ihm in der geeignet erscheinenden Weise geleitet und gefördert werden kann. Eine Intensivierung und didaktische Verbesserung des Studiums in den Eingangssemestern, eine der wichtigsten Aufgaben der Studienreform, kann diesen Auswahlprozeß und die frühe individuelle Förderung von besonders Begabten weiter verbessern. Eine besonders wertvolle Arbeit leisten hier die Studienstiftung des Deutschen Volkes und andere Hochbegahtenstiftungen. Der für die Forschung begabte Student, der über die übliche Stoff- und Methodenbeherrschung hinaus in noch unbekannte Bereiche seines Gebietes eindringen will, hat oft die Möglichkeit, als Hilfsassistent an dem Projekt eines Hochschullehrers mitzuarbeiten. Nach Bewährung auf diesem Platz und nach erfolgreichem Abschluß des Studiums führt dann der weitere Weg zur Wissenschaft über die Promotion in die Tätigkeit als wissenschaftlicher Assistent eines Hochschullehrers oder an einem wissenschaftlichen Institut. Die von der Bundesregierung beabsichtigte Verstärkung der Promotionsstipendien und Verbesserung in den Promotionsordnungen sind in diesem Zusammenhang bedeutungsvoll. Ich muß allerdings hier darauf hinweisen, daß die Lage der wissenschaftlichen Assistenten in der letzten Zeit stark im Kreuzfeuer der Kritik steht. In der Tat sind hier bestimmte Verbesserungen und Hilfen nötig. Insbesondere gehört dazu die Beseitigung persönlicher Abhängigkeiten und die Gewährung einer angemessenen Zeit für die eigene wissenschaftliche Arbeit. Nachdem Hochschulgesetze einiger Länder entsprechende Regelungen getroffen haben und die Rektorenkonferenz in diesem Sinne eine Empfehlung zur künftigen Stellung der wissenschaftlichen Assistenten herausgegeben hat, ist anzunehmen, daß Unzuträglichkeiten und Schwierigkeiten in Zukunft weitgehend beseitigt werden. Obgleich die Kaiser- Wilhelm-Gesellschaft, die Vorgängerin der Max-Planck-Gesellschaft, gegründet worden ist, um hervorragende Forscher von den Lehrverpflichtungen zu entlasten, hat sich die MaxPlanck -Gesellschaft seit langem der Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses angenommen. Die Mehrzahl der Direktoren und wissenschaftlichen Mitglieder der Max -Planck-Gesellschaft gehören dem Lehrkörper einer Hochschule an. Dadurch ist gewährleistet, daß begabte Studenten ihre Diplomarbeiten in den Instituten der Max -Planck-Gesellschaft anfertigen können. Um dieses Verfahren zu fördern, hat kürzlich die Westdeutschen Rektorenkonferenz Allgemeine Bestimmungen für die Diplomprüfung in den naturwissenschaftlichen und technischen Fachrichtungen verabschiedet, die ganz allgemein eine Anfertigung von Diplomarbeiten in Instituten außerhalb der Hochschule zulassen, wenn dort die Betreuung durch ein Mitglied des Lehrkörpers sichergestellt ist. In der Mehrzahl der Institute der Max-Planck-Gesellschaft werden regelmäßig Kurse für fortgeschrittene Studenten durchgeführt; außerdem ist die Möglichkeit vorgesehen, Stipendien an Doktoranden zu vergeben. Die gerechte Verteilung der Forschungsmittel ist ein Thema, das alle, die in der Wissenschaftsverwaltung und -förderung tätig sind, immer wieder beschäftigt. Einerseits ist die Verwaltung bei diesen Maßnahmen auf die Beratung durch die Wissenschaft angewiesen, andererseits muß dafür gesorgt werden, daß die Mittel gerade im Bereich der Berater möglichst objektiv verteilt werden. Das zur Zeit angewandte Verfahren scheint dafür weitgehend Gewähr zu bieten. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft verteilt ihre Mittel im Schwerpunkt- und im Normalverfahren. Die Anträge im Schwerpunktprogramm werden von einer durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft jeweils ad hoc bestimmten kleinen Gutachtergruppe geprüft. Dabei werden im allgemeinen Wissenschaftler als Gutachter bestellt, die selbst keine Anträge innerhalb des Schwerpunktprogramms stellen. Im Normalprogramm der Deutschen Forschungsgemeinschaft - ebenso bei den Förderungsmaßnahmen der Bundesregierung liegen die Verhältnisse wegen der großen Zahl der erforderlichen Gutachter anders. Hier läßt es sich nicht vermeiden, daß Wissenschaftler, die selbst Anträge stellen, in anderen Fallen des gleichen Fachgebiets als Gutachter tätig sind. Wenn man dies nicht zulassen wollte, würden gerade in Fachgebieten mit einer verhältnismäßig kleinen Zahl qualifizierter Kräfte Wissenschaftler ausgeschlossen, auf deren Mitwirkung die Bundesregierung Wert legt. Im eigenen Bereich der Bundesregierung tragen die Ministerien durch sorgfältige Auswahl bei der Zusammensetzung der Beratungsgremien und durch die Mitwirkung der Fachverwaltung dafür Sorge, daß Sonderinteressen und einseitige Fachgesichtspunkte einzelner Berater neutralisiert und objektiviert. werden. Bei den großen und immer noch steigenden Aufwendungen für die Wissenschaft stellt sich die im letzten Punkt aufgeworfene Frage nach dein Verhältnis von Aufwand und Ertrag in der Forschung besonders dringlich. Die Beurteilung von Förderungsmaßnahmen vor ihrem Beginn, während des Ablaufs der Arbeiten und in einer Bewertung der Ergebnisse wird sowohl bei den Wissenschaftsorganisationen — ich denke hier an das Begutachtungs- und Berichtsverfahren der Deutschen Forschungsgemeinschaft — und in verschiedener Weise bei den vom Bund geförderten großen Projekten praktiziert. Ich kann hier auf die Fachbeiräte und Projektkomitees des Bundesministeriums für wissenschaftliche Forschung verweisen. Die Bundesregierung wird diese Erfolgsprognose und Erfolgskontrolle intensivieren und systematisieren. Hierzu werden zur Zeit im Bundesministerium für wissenschaftliche Forschung Kriterien und Methoden erarbeitet, die auf eine zusammenfassende Bewertung des Kosten -Nutzen-Verhältnisses abzielen. Im einzelnen wird dieses System der Aufwands- und Ertragsbeurteilung nach gezielten Projekten, für die Förderung allgemeiner wissenschaftlicher Forschungsvorhaben und -programme und nach Maßnahmen der institutionellen Förderung differenziert werden. Das heißt, wir werden auf lange Sicht nicht nur an die Projektförderung und an spezielle Förderungsmaßnahmen, sondern auch an die laufende Finanzierung der Forschungseinrichtungen kritische Bewertungsmaßstäbe anlegen und fragen müssen, wie weit die Ergebnisse den Aufwand rechtfertigen. Daß dabei nicht kurzsichtig und eng vorgegangen werden kann, liegt in der Natur der Sache. Zugleich muß ich darauf hinweisen, daß diese Aufgabe nicht mit den jetzt vorhandenen Kräften bewältigt werden kann. Nach einer Äußerung des Bundesrechnungshofes ist die „Erfolgskontrolle in ihrer Notwendigkeit ebenso unbestritten wie in ihrer praktischen Durchführung schwierig". Das Personal des Bundesministeriums für wissenschaftliche Forschung und seiner zuarbeitenden Stellen hat in den letzten Jahren nicht in dem Maße zugenommen, wie es der Einsatz eines Etats von jetzt rund zwei Milliarden D-Mark im Interesse der Planung und Erfolgskontrolle erfordert hätte. Die jetzt allgemein zu beobachtende Tendenz, entweder Personalstellen automatisch wegfallen zu lassen (§ 11 Abs. 2 des Haushaltsgesetzes 1968) oder ihren Umfang zu plafondieren, d. h. gleichsam einzufrieren, kann ebensowenig zu einer vorausschauenden Planung wie zu einer wirksamen Erfolgskontrolle führen. Anlage 8 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Mischnick (FDP) Standortbestimmung. Niemand wird sich nach den Ereignissen der letzten Wochen, nach der Debatte am vergangenen Dienstag und nach der heutigen Aussprache — so glaube ich - weiterhin der Illusion hingeben, daß mit der Politik des guten Zuredens das Vertrauen in die politische Führung der Bundesrepublik wiederhergestellt werden kann. Was die Jugend, aber auch andere Kreise unserer Bevölkerung bewegt, ist von so grundsätzlicher Natur, daß die bisherigen Antworten dieser Regie- Deutscher Bundestag - 5. Wahlperiode — 170. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 7. Mai 1968 9121 rung und der Koalitionsparteien auf die vielen offenen politischen Fragen nicht ausreichen, um sie einer Lösung zuzuführen. Anstatt sich auf die Lösung der politischen Aufgaben zu konzentrieren, die die Unruhen im Lande beseitigen oder doch wenigstens vermindern könnten, wie auf die Hochschulreform, die Reform des Pressewesens, die Finanzreform, die Strafrechtsreform und die Parlamentsreform, beschäftigt sich diese Koalition unbegreiflicherweise immer wieder mit Plänen, die bereits Proteste hervorgerufen haben und neue hervorrufen werden: mit einer immer noch sehr fragwürdigen Notstandsgesetzgebung und mit einer Wahlrechtsänderung. Wir — so hofft die Opposition — haben gemeinsam im ganzen Haus erkannt, daß wir alle aufeinander angewiesen sind, daß wir die Jugend für unsere Demokratie brauchen, sie in diese integrieren müssen und nicht länger gegeneinander handeln dürfen. Das kann natürlich nicht einfach mit schönen Reden oder Drohungen „verordnet" werden. Dazu bedarf es vielmehr der schöpferischen Kraft der Politik, allen Menschen in unserem Lande die Erkenntnis zu vermitteln, daß sie die alte Welt faktisch längst überwunden haben und nun konsequenterweise auch den Schritt nach vorn tun milssen, der Reformen ermöglicht. Aufgabe der politischen Führung ist also: — die ältere Führungsschicht in unserem Staate dazu zu bringen, daß sie den Ideen der Neuordnung, also den Reformen, die notwendig sind und sich als notwendig erwiesen haben, nicht ablehnend gegenübersteht; - die mittlere Generation so anzusprechen, daß sie das Neue versteht und mit der Zeit geht; ---- die junge Generation immer so anzusprechen, daß sie bereit ist, sich von Grund auf mit der Problematik der Reformen auseinanderzusetzen und nicht nur „Schlagworte" für ihre Wünsche benutzt. Echte politische Handlung geschieht aber nicht durch advokatorische Belehrung, nicht durch gut formulierte Beredsamkeit, sondern durch den Mut zur Entscheidung. Hochschulreform. Zur Sicherung der Freiheit von Forschung, Lehre und Studium muß eine kritische Überprüfung der deutschen Hochschultradition erfolgen. Das Ziel muß sein, durch eine innere Reform des gesamten Hochschulwesens die Universitäten und Hochschulen in die Lage zu versetzen, daß sie den Anforderungen der modernen Gesellschaft entsprechen. In eine Hochschulreform müssen alle Bildungsangebote der heutigen höheren Fachschulen, Fachhochschulen und wissenschaftlichen Hochschulen einbezogen werden. In einem demokratischen Rechtsstaat muß aber auch die autonome Hochschule nach demokratischen Prinzipien aufgebaut sein. Daraus sind Konsequenzen, insbesondere für die Teilhabe der einzelnen Glieder der Hochschule an ihrer Selbstverwaltung, zu ziehen. Um dies zu erreichen, wird sich die FDP bemühen, so schnell wie möglich ein Hochschulrahmengesetz vorzulegen. Die Bedeutung der Bildungspolitik für Gesellschaft, Sozial-, Wirtschafts- und Außenpolitik erfordert die gesamtstaatliche Verantwortung des Bundes in diesem Bereich. Damit das Bildungssystem immer neuen Anforderungen gerecht werden kann, sind Bildungsforschung und planvolle Ausgestaltung des Bildungswesens und der Forschung von einer Stelle aus notwendig. Um auf diesem Wege einen ersten Schritt voranzukommen und klare Fronten zu schaffen, hat Ihnen die FDP-Bundestagsfraktion einen Gesetzentwurf zur Ergänzung des Grundgesetzes, und zwar der Artikel 74 und 75, vorgelegt. Unser Antrag, der für den Bund eine Rahmenkompetenz in der Bildungsplanung und Forschung anstrebt, soll darüber hinaus bewirken, für die Bildungspolitik in der gesamten Bundesrepublik einheitliche Zielvorstellungen zu entwickeln und parlamentarisch zu entscheiden. Unser Antrag ist also — im Gegensatz zu so mancher Änderungsabsicht der Großen Koalition — aus dem Geist des Grundgesetzes und der Demokratie heraus entwickelt. Und er trägt mit dazu bei, endlich die Probleme an- zufassen und einer Lösung zuzuführen, die die Ursachen f r die Unruhe und für das Unbehagen in der Jugend sind. Pressekonzentration. Gehen wir bei dem Versuch, die Situation der deutschen Presse zu analysieren, von dem aus, was an Fakten bereits bekannt ist. Sie zeigen allerdings, wie berechtigt der Wunsch ist, daß man die Konzentration im Pressewesen einer gründlichen Untersuchung unterzieht und daß die politisch Verantwortlichen sich in diese Diskussion einschalten. Jeder, der die Bedeutung der Presse für eine Demokratie kennt, mußte aufhorchen, als zu Beginn des Jahres aus Zürich eine alarmierende Nachricht über die Lage der Presse im westlichen Teil Europas kam. Das dort beheimatete Internationale Presseinstitut stellte in seinem Jahresbericht fest, daß die Zukunft vieler Zeitungen in westlichen Ländern, auch in der Bundesrepublik Deutschland, ebenso wie die Pressefreiheit selbst durch eine wirtschaftliche Konzentration und Monopolisierung gefährdet ist. Dieser Feststellung des Züricher Instituts kann sich kein verantwortlicher Politiker verschließen. Denn bei einer fortschreitenden Konzentration kann es ohne Zweifel dazu kommen, daß uns eines Tages die Meinungsfreiheit abhanden kommt. Daher ist es nicht nur notwendig, sondern eine politische Pflicht, daß wir die weitere Entwicklung genau beobachten und bei Gefährdung der Pressefreiheit entsprechende Maßnahmen er- greifen. Die Gefahr der Konzentration liegt nämlich genau dort, wo die wirtschaftliche Konzentration der Presse zu politischem Mißbrauch führt und so zwangsläufig die Meinungsbildung lenkt. Sich gegen jede Art der Konzentrationsmaßnahmen im deutschen Verlagswesen zu wenden, hieße die Wirklichkeit unserer Zeit zu ignorieren. Es erscheint mir aber für die Meinungsbildung in der Bundesrepublik bedenklich, wenn immer mehr selbstän- 9122 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 170. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 7. Mai 1968 dige Zeitungen zu abhängigen Lokalausgaben werden. Wie weit ist nun die Konzentration der Presse in der Bundesrepublik fortgeschritten? Eine Aufschlüsselung der 1495 westdeutschen Zeitungstitel gibt darüber interessante Auskünfte. Der politische Teil dieser Zeitungen wird nämlich nur von 174 selbständigen Redaktionen hergestellt. Aber es konzentriert sich noch weiter: von diesen 174 noch selbständigen Zeitungsredaktionen redigieren noch knapp die Hälfte insgesamt 85 % der täglichen Gesamtauflage. Der Rest der Auflage, also nur 15 %, wird von den übrigbleibenden 50 % der selbständigen politischen Redaktionen hergestellt. Welche Möglichkeiten hat der Staat überhaupt, durch gezielte Förderungen und gesetzliche Maßnahmen eine Aushöhlung der Pressefreiheit durch Monopole, Kartelle oder Konzerne zu verhindern? Diese Maßnahmen, die dazu beitragen sollen, viele selbständige Verlage und Redaktionen zu erhalten, könnten auf wirtschaftlichem Gebiet vielleicht so aussehen: — die Bundespost könnte aufgefordert werden, den Zeitungsdienst so zu rationalisieren, daß für die auf den Postweg angewiesenen Zeitungen und Zeitschriften Kosteneinsparungen eintreten; — man könnte überlegen, ob man nicht für die sich schnell abnutzenden Druck- und Setzmaschinen eine erhöhte Abschreibungsmöglichkeit schaffen sollte; -- man könnte erwägen, ob man nicht die Umsatzsteuerausgleichsabgabe beim Import von Rotationspapier fortfallen läßt; — ferner könnte man in Betracht ziehen, Steuerbegünstigungen beim Ansammeln von Investitionsreserven zu geben, wie es in Frankreich bereits üblich ist; — Antrag ERP-Mittel. Sollten diese und ähnliche Maßnahmen auf wirtschaftlichem Gebiet nicht ausreichen, die Presse- und Informationsfreiheit vor einer weiteren Konzentration zu schützen, dann hat der Gesetzgeber allerdings die Pflicht, die Erhaltung dieser demokratischen Grundfreiheiten durch gesetzliche Maßnahmen zu sichern. Die verfassungsrechtliche Grundlage für solch ein Gesetz besteht meines Erachtens durch das „Spiegel"- Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 5. August 1966. Damals erinnerten die Karlsruher Richter den Staat nicht nur an seine Pflicht, „überall, wo der Geltungsbereich eine Norm der Presse berührt, dem Postulat ihrer Freiheit Rechnung zu tragen". Vielmehr ließe sich — so betonten die Verfassungsrichter — „auch an eine Pflicht des Staates denken, Gefahren abzuwehren, die einem freien Pressewesen aus der Bildung von Meinungsmonopolen erwachsen könnten". Darüber hinaus befand das Bundesverfassungsgericht zu Artikel 5 des Grundgesetzes: „Die Verfassungsgarantie erstreckt sich auf den Bestand der Presse als eine relativ große Zahl von selbständigen und nach ihrer Tendenz, politischen Färbung oder weltanschaulichen Grundhaltung miteinander konkurrierenden Presseerzeugnissen." Eine solche Gesetzesinitiative des Bundes zum Schutz der Meinungsfreiheit könnte dann vielleicht so ähnlich wie der englische Monopolies and Mergers Act von 1965 aussehen. Dieses Gesetz verbietet Zusammenschlüsse von Zeitungen, wenn sie zusammen eine Auflage von 1/2 Million erreichen. In Fällen, in denen die Monopolkommission feststellt, daß durch einen Zusammenschluß die freie Meinungsbildung nicht beeinträchtigt wird, kann das Handelsministerium eine Ausnahmegenehmigung für eine Fusion erteilen. Sie sehen also, meine Damen und Herren, daß es viele Möglichkeiten gibt, die Konzentrationsbewegungen im deutschen Pressewesen zu stoppen. Wie auf den übrigen Gebieten kommt es nur darauf an, daß die Koalition den Mut aufbringt, sich zu entscheiden. Verfassungsänderung. Zur Begründung des dritten Punktes unseres Antrages möchte ich darauf hinweisen, daß die Bundesregierung in der Zeit der Bildung dieser Koalition ankündigte, daß mehr als 80 Grundgesetzänderungen noch in dieser Legislaturperiode beabsichtigt seien. Sie hat aber nicht deutlich gemacht, daß diese Änderungen den überfälligen Reformen dienen sollen. Deshalb möchte die FDP einmal im einzelnen genau wissen, was die Regierung beabsichtigt, auf diesem Gebiete zu tun. Der Bundesrat hat in einer Entschließung verlangt, daß eine Konzeption der künftigen Gestaltung des Grundgesetzes vorgelegt werde, bevor man ihm ständig Einzeländerungsanträge zuleite. Schon in dieser Entschließung des Bundesrates war die Rüge an die Regierung nicht zu überhören, und wir Freien Demokraten befürchten, daß durch so viele Änderungen unserer Verfassung große Gefahren drohen. Schon bei den von der Bundesregierung verlangten Grundgesetzänderungen für die Notstandsgesetzgebung und die Reform der Finanzverfassung besteht die Gefahr, daß Sinn und Geist des Grundgesetzes stark beeinträchtigt werden. — Notstandsverfassung: Sprengung des parlamentarischen Systems durch Schaffung eines Neben -Parlaments, das in Friedenszeiten tagt, Ausschaltung des Parlaments durch Mitwirkung der Bundesregierung in internationalen Organisationen auf Grund von Bündnisverträgen, Institutionalisierung des neuen Verfassungsorgans „Gemeinsamer Ausschuß", bei der Funktionsunfähigkeit des Bundestages Kompetenzen der Länder (Bundesrat) und des Bundestages untrennbar vermengt. — Finanzreform: Gemeinschaftsaufgaben tragen zum weiteren Rückschritt der parlamentarischen Kontrolle bei und schaffen Graue Zonen statt klarer Zuständigkeiten von Bund und Ländern. Der Katalog von Problemen ist umfangreich, so umfangreich wie die Erwartungen des größten Teils Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 170. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 7. Mai 1968 9123 der Jugend, die sich um die Zukunft der Demokratie ernsthafte Gedanken macht; jedoch auch des Teiles unserer Bevölkerung, der die politische Entwicklung unseres Staates sehr kritisch beobachtet. Probleme — das trifft auf die Demonstrationen ebenso zu wie auf die gegenwärtigen Schwierigkeiten in Berlin — löst man nicht dadurch, daß man sie Probleme nennt, sondern indem man ihre Ursachen beseitigt. Aber auf den Beginn einer reformbewußten Innenpolitik der großen Koalition und auf eine Außenpolitik, die zur Kenntnis nimmt, daß sie nicht auf eigene Ideen verzichten kann, warten wir immer noch. Anlage 9 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Stücklen (CDU/CSU). In der Debatte am Dienstag voriger Woche schnitt Herr Kollege Barzel die Frage der Stellung der Ingenieurschulen in der Bundesrepublik an. Lassen Sie mich ein wenig näher darauf eingehen. Die über 60 000 Studenten den deutschen 000 Studenten an den deutschen Ingenieurschulen kritisieren die schleppende Behandlung einer Neuordnung des technischen Bildungswesens. Ihren Unmut und ihre Unzufriedenheit brachten sie in der letzten Zeit durch Demonstrationen, Protestveranstaltungen und Großkundgebungen zum Ausdruck. In Nordrhein-Westfalen sind sie in einen unbefristeten Vorlesungsstreik getreten. Diese Aktionen, durchgeführt von einer Gruppe in der deutschen Studentenschaft, die in der Vergangenheit immer versucht hat, auf sachlicher Basis ihre Forderungen und Argumente vorzutragen, sollten uns zu denken geben. Der Studentenverband Deutscher Ingenieurschulen - - SVI - fordert, daß international übliche und bewährte Gliederungen im Bildungswesen auch in der Bundesrepublik verwirklicht werden. Zu den Forderungen für eine notwendige Reform der heutigen Ingenieurschulen gehören: ---- die Zuordnung zu einem Gesamthochschulbereich, die Anhebung und Neuordnung der Eingangsvoraussetzungen, — die Zuerkennung umfangreicher Selbstverwaltungsrechte, - - die Schaffung dementsprechender Rechtsgrundlagen. Nur unter diesen Bedingungen können die Ingenieurschulen hoffen, auch in der Zukunft unter Anpassung an den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt das erreichte Ausbildungsniveau zu halten, zur Entlastung der überfüllten und funktionsbeschränkten Universitäten und Hochschulen beizutragen, dem weitreichenden Aufstieg benachteiligter Schichten zu dienen und für ihre Leistungen die adäquate internationale Anerkennung zu finden. Bis zum Jahre 1970 soll in der EWG unter anderem auch für den Ingenieurberuf die Niederlassungs- und Ausübungsfreiheit gewährleistet sein. Gemäß Art. 8 der von der EWG-Kommission aufgestellten Richtlinien soll das Niederlassungsrecht als Ingenieur nur erhalten, wer als ausreichenden Nachweis den Besitz eines im Herkunftsland erworbenen Diploms des jeweils höchsten Ausbildungsgrades nachweist. Die Arbeitsgruppe „Ingenieure" der EWG-Kommission (Generaldirektion Innerer Markt) hat folgende Einteilung vorgenommen: dem Niveau A werden die Ingenieure zugeordnet, wobei aufgeteilt wird in die Tätigkeitsrichtung Forschung und in die Tätigkeitsrichtung Entwicklung und Produktion. In das Niveau B sollen die „Höheren Techniker" aufgenommen werden. Nach den gegenwärtigen Vorstellungen werden die Absolventen der deutschen Ingenieurschulen im Niveau B eingestuft, also als Techniker deklassiert, obwohl die Technikerausbildung in den anderen EWG-Ländern im Niveau keineswegs unserer Ingenieurausbildung entspricht, sondern darunter liegt. Als Begründung wird angeführt, daß die Ingenieurschulen in der Bundesrepublik keinen Hochschulstatus haben und als Eingangsvoraussetzungen die Hochschulreife fehle. Es ist also nicht die Qualifikation, die bemängelt wird, sondern die Formalausbildung. Die Folgen der Nichtanerkennung im EWG-Bereich sind viel weittragender, als es auf den ersten Blick zu erkennen ist. Die Entscheidung der EWG- Kommission wird nicht nur für den verhältnismäßig kleinen Kernbereich der EWG Bedeutung erlangen. Abgesehen davon, daß dieser Kernbereich durch den nicht unwahrscheinlichen Beitritt Großbritanniens und durch die assoziierten Länder erheblich an Geltung gewinnt, würde auch zu diesem Zeitpunkt schon die EWG-Entscheidung in vielen Entwicklungsländern Anwendung finden. Sie könnte auch die Niederlassungsfreiheit deutscher Ingenieurschulabsolventen in den Entwicklungsländern auf lange Zeit ausschließen. Sie würde außerdem bewirken, daß die Studenten aus den afrikanischen, arabischen und anderen Ländern, die bei uns das Examen an einer Ingenieurschule ablegen, in ihrer Heimat nicht als Ingenieure anerkannt werden. Die Bundesregierung und die Länder finanzieren im Rahmen der Entwicklungshilfe zu einem beträchtlichen Teil das Studium ausländischer Studenten aus Entwicklungsländern. Es kann nicht im Interesse der Bundesregierung liegen, diese Gelder für eine Ausbildung bereitzustellen, die nicht einmal in dem betreffenden Entwicklungsland anerkannt wird. Man darf jedoch nicht nur allein von der Niederlassungsfreiheit im EWG-Raum und in Entwicklungsländern ausgehen. Durch immer umfassendere internationale Handelsbeziehungen und gemeinsame Projekte vor allem im europäischen Raum erstreckt sich logischerweise die Planung weit in das Ausbildungswesen und damit auch in den Personalbereich der Wirtschaft. Eine Reihe von Stellen in der Industrie im Ausland und in Niederlassungen deutscher Firmen im Ausland werden nur mit anerkannten Ingenieuren besetzt werden können, also nicht mit heutigen Ingenieurschulabsolventen. Bei zunehmender Verschmelzung der Volkswirtschaften werden 9124 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 170, Sitzung. Bonn, Dienstag, den 7. Mai 1968 vergleichbare Stellen in Deutschland ebenfalls nur von international anerkannten Ingenieuren besetzt werden können, also nicht von heutigen deutschen Ingenieurschulabsolventen. Sie werden ebenfalls einen Druck auf den Stellenmarkt ausüben. Bei den zu erwartenden internationalen Tarifabsprachen werden die graduierten Ingenieure eine oder zwei Tarifklassen niedriger eingestuft werden als Absolventen vergleichbarer Ausbildungsstätten in den anderen EWG-Ländern. Es dürfte jedem einsichtig sein, daß die Reform der Ingenieurausbildung dringend notwendig ist. Sie darf jedoch nicht unabhängig von der dringend notwendigen Reform des gesamten Bildungswesens gesehen werden. Eines sollte allen klar sein: Die Ingenieurschulen werden ohne eine vernünftige Neuordnung des Bildungswesens nicht in der Lage sein, zukünftig das hohe Niveau ihrer Ausbildung zu halten, ganz abgesehen davon, welche Auswirkungen durch die Nichtanerkennung im EWG- Bereich zu befürchten sind. Vielleicht ist auch das ein Grund für die Unruhe in der Jugend, daß zu wenig Gesamtreformen bei uns stattgefunden haben und Reformen meistens nur Flickwerk gewesen sind. Wir sollten auf dem Bildungssektor das weiterführen, was mit den Beratungen über die Finanzreform begonnen wurde. Wir brauchen endlich ein Bildungswesen, das das Bürgerrecht auf Bildung tatsächlich verwirklicht und das einerseits ausgerichtet ist auf das 21. Jahrhundert und andererseits auf die rasante Entwicklung der Naturwissenschaften und der Technik. Für das Wohl eines Volkes sind gerade die Erkenntnisse aus Naturwissenschaft und Technik und die sich daraus ergebenden Möglichkeiten von besonderer Bedeutung. Um die Grundlagen hierfür zu schaffen, muß eine den Anforderungen gerecht werdende Bildungspolitik betrieben werden. Es ist höchste Zeit, unser Bildungswesen auf Naturwissenschaft und Technik auszurichten. Wer heute in der Bildungspolitik den Anschluß verpaßt, muß in der Zukunft mit jetzt noch nicht absehbaren Folgen rechnen. Anlage 10 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Stein (Honrath) (CDU/CSU). Wenn ich alles zusammennehme, was in unserer ganzen bisherigen Diskussion — und ich nehme die November-Debatte hinzu — gesagt worden ist, befindet sich darin ein nützliches, großes Maß an Übereinstimmung. Das ist erfreulich, und wir können nun daran gehen, die Dinge, in denen wir übereinstimmen, an allen Stellen, wo sie durchzusetzen sind, auch mit Nachdruck auf den Weg zu bringen. Vieles ist allerdings noch nicht in beschlußfähiger Form formuliert worden, doch glaube ich, daß die Gesamtdebatte dennoch schon Früchte getragen hat und dies auch weiter tun wird. In der Diskussion im November sind ausgezeichnete Worte über die Bedeutung der Bildung in unserer Gesellschaft gesagt worden, und viele Zitate aus alter und neuer Zeit haben die Unvergänglichkeit solcher nationaler Bildungsdiskussionen demonstriert. Wenn man allerdings nun nach nur knapp sechs Monaten die Protokolle liest, erscheinen manche der damaligen Worte und Zitate plötzlich doch schon recht anachronistisch, fast wie aus einer anderen Welt. Es hat sich eben in Deutschland einiges getan in den letzten Monaten, und die Frage ist nur, ob nach diesem Aufruhr der Geister und der Straße dasjenige, was unsere Bildungsreform von der bloßen Anpassung zur echten und grundlegenden Umwälzung machen würde, in den weiteren Ablauf auch wirklich hineingerät, und ferner, ob von dem Unverzichtbaren der bisherigen geistigen und institutionellen Lösung soviel gerettet werden kann, um die Elite der Lehrenden und auch der Lernenden an die Universitäten oder Hochschulen der Zukunft zu fesseln. Nach allem, was wir in den vielen Diskussionen draußen im Lande gehört haben, muß ich diesen Punkt mit allem Ernst an den Anfang stellen. Ob die Universitäten der Zukunft mit ihren Diplomen noch alle Begabungen anziehen werden, oder oh die langsam entstehenden Großgebilde der Wirtschaft, Forschung und Politik sich diese Begabungen vorweg abholen und sie unter guten Bedingungen ausbilden, mag mehreren noch als vertretbare Alternative erscheinen; ob aber auch die neue Position der Lehrenden das unverzichtbare Gebot der geistigen Qualität noch sicherstellt, sollte uns zu Zweifeln Anlaß geben und gewisse unüberschreitbare Grenzen schaffen. Ein Marburger Professor hat vor kurzem geschrieben, daß das, was man dem Hochschullehrer der Zukunft ansinne, gegen die bisherige Vertragsgrundlage verstößt. Wir dürfen solche Signale nicht überhören und besonders solche nicht aus dem Kreise der Hochschullehrer, von denen sowieso schon einige ohne Grund in den Verdacht nur reaktionären Denkens geraten sind. Wir sind uns vor allem darüber einig, daß unter Verzicht auf andere Programme die allgemeine Situation der Hochschulen verbessert werden muß und baldmöglichst jedem Studenten ein ausreichender Arbeitsplatz gegeben werden muß. Fast will es niemand mehr hören, aber ich muß es dennoch sagen, diese Verhältnisse an den Hochschulen wären längst schon besser und fast normal, wenn die Studenten ihre Prüfungen in den zulässigen Zeiten abgelegt hätten und nicht zuletzt, wenn sich viele davon denjenigen Berufen zugewendet hätten, für die guter Bedarf besteht. Die Frage, die sich hier aufdrängt, ist, ob in den vielen anderen Staaten, in denen die Studenten ebenfalls demonstrierend auf die Straße gegangen sind, sich schon Modelle für eine fortschrittliche Zusammenarbeit abzeichnen. Soweit ich sehe, ist diese Frage zu verneinen. Aber es ist immerhin ein Trost, daß auch anderwärts sehr lautstark nach der Hochschulreform gerufen wird; eine Ausnahme scheinen lediglich Ost-Berlin und die übrigen Zonen- Deutscher Bundestag — 5, Wahlperiode — 170. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 7. Mai 1968 9125 universiäten zu machen. Aber das ist für den Kenner der Verhältnisse keine Überraschung. Jedenfalls muß es in der künftigen Hochschule auch Türen geben, hinter denen die verantwortliche Leitung wichtige Dinge allein berät. Aber wir scheinen auch einig darüber zu sein, daß außer in dem Bereich der Freiheit von Lehre und Forschung und dem materiellen Inhalt der Prüfungen und sonstigen Arbeit keine kleinkarierte Zurückhaltung, was die Anwesenheit von Studentenvertretern angeht, zu herrschen braucht. Es ist auch ein erfreuliches Zeichen der bisherigen Diskussion, daß wir uns nicht hinter einem leeren Grundsatz, daß unter Druck nichts geschehen kann, versteckt haben. Die Grenze muß allerdings sein, daß die Neuregelung nicht die Aufgabe und das Wesen der Universität selbst in Frage stellt. Was das im einzelnen heißt, braucht gar nicht gesagt zu werden. Alle wissen es. Kein Student kann mit dem Übertritt vom Gymnasium zur Universität Mitsprecher in zukunftsweisenden Fragen sein; kein Professor kann einem Studenten eine Besprechung über den Sinn und das System der Arbeit verweigern. Didaktische Diskussionen können ein politologischer Lehrgegenstand, aber keine allgemeine Einrichtung sein. Wenn ich weiterhin das Ergebnis unseres Meinungsaustausches zusammenfasse, scheint klar zu sein, daß wir bei der Hochschulreform vorauseilend neuartige und moderne Konstruktionen anstreben wollen. Die berühmte Frage, ob das Grundverhältnis von Lehrenden und Lernenden davon berührt werden darf, interessiert uns dabei weniger. Die großen Persönlichkeiten unter den Hochschullehrern lächeln über diese Frage nur. Sie werden immer ihren eigenen Weg gehen, welche Hochschulverfassung ihnen auch präsentiert werden wird. Ob diese Hochschulverfassung kraft Bundesrecht einheitlich zu gestalten oder durch die Kraft der Überzeugung in den Ländern einheitlich durchzusetzen ist, ist bisher abschließend nicht geklärt. Es wird darauf ankommen, wie die Länder die Zeichen der Zeit verstehen und mit welcher Intensität und Kooperationsfreudigkeit sie diese im guten Ansatz befindliche Entwicklung fortsetzen. An ihnen und uns liegt es in erster Linie, den Verlust an staatlichem Ansehen wieder etwas wettzumachen, der leider die Folge der Geschehnisse ist. Dieser Verlust an Ansehen, den der Staat erlitten hat und der das hoffnungslos schlechte Verhältnis von Teilen unserer Jugend zu einem neuen und guten Staatsbegriff widerspiegelt, ist nicht nur bei den Studenten und den beteiligten Jugendlichen, aus welchen Gründen auch immer eingetreten, eine böse Hypothek, sondern auch bei vielen Bürgern, die die Abwehrreaktion des Staates als unzureichend empfanden und danach den Staat bewerten. Lassen Sie mich zum Schluß der Debatte gerade in diesem Sinne noch eine kleine Betrachtung über unsere Studenten in der Demokratie einfügen. Am besten macht man heute eine doppelte Frage daraus: Was macht die Demokratie aus ihren Studenten? k) Was machen die Studenten aus unserer Demokratie? Diese beiden Fragen sind es, wie ich glaube, die sich zur Zeit einer entscheidenden Diskussion nähern, von deren Ausweitung manches abhängen wird. Ob diese Diskussion allerdings, wie man gesagt hat, lebensgefährlich für uns werden kann, ist eine Übertreibung. Nein, wir wären sonst wirklich ein nicht lebensfähiger Staat. Dennoch: Bedauerlicherweise hat sich das Gros der demokratischen Studentenschaft in den entscheidenden Stunden nicht klar genug von eben diesen Leuten distanziert, die in der von uns geschaffenen und garantierten Ordnung ausschließlich destruktiv tätig sind. Das Gros hat sich einfangen lassen und seine Enttäuschung über Staat und Gesellschaft zum Ausdruck gebracht, als ob die Studentenschaft eben dieses Mandat der Gesamtheit, sozusagen den Auftrag des Sprechers der Nation hätte. Weder allgemeinpolitisch, noch parteipolitisch, noch universitäts-, noch studentenrechtlich kann von einem solchen Auftrag die Rede sein. Diesen Standpunkt müssen wir mit Nachdruck vertreten. Es gibt auch keinen Auftrag an die Studentenschaft, einen Teilbereich der Gesellschaft umzugestalten. Doch kein vernünftiger Mensch, der den Intelligenzgrad von Diskussionsteilnehmern zu schätzen weiß, wird den Studenten das Recht bestreiten, neben den rein studentenpolitischen Fragen der Hochschule und den einschlägigen hochschulpolitischen Fragen, man möchte sagen, neben den Problemen der Personalvertretung im höheren Sinn und der fachlich-politischen Bildung allüberall und in jeder Koalitionsform politische Themen zu behandeln, aber nicht innerhalb der staatlich bereitgestellten, festgefügten Organisation der Hochschule und den darin zugelassenen Vertretungsformen. Wer gegen den Vietnam-Krieg oder für Pillen an die Entwicklungsländer ist, kann, wenn ihn seine Partei sitzen läßt, einen Verein gründen und alle Studenten hinter sich bringen, aber er kann nicht namens der Studentenschaft der Hochschule oder gar der Hochschule selbst sprechen. Zu deren Wirkungskreis gehören beide Fragen nicht. Dieser Grundsatz muß auch für sogenannte extrem hohe Gefahrenlagen gelten. Wenn beispielsweise der Schahbesuch eine solche Lage war, gibt es überhaupt keine Beschränkungen mehr, und wir sind der Interpretation durch die permanenten Revoluzzer ausgeliefert. Die Studenten haben damals einen schwerwiegenden politischen Sachverhalt geschaffen, aber ihre Verantwortung schlägt sich nirgendwo nieder. Schließlich hat man das Ganze, um den fehlenden Auftrag zu überdecken, eine Gesellschaftsrevolte genannt. Aber das war es eben gerade nicht. Die Gesellschaft war gar nicht beteiligt, sondern es war eine explosive Verdrängungsaktion Unlegitimierter im Gefolge der gezielten allgemein-politischen Aktion einer Minderheit. Ich bin nicht so töricht zu glauben, daß ich mit dieser Akzentuierung überall Beifall finde. Die ganze Landschaft ist längst aus den Fugen und muß 9126 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 170. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 7. Mai 1968 jetzt mühsam wiederaufgebaut werden. Alle Formeln, die der Fortschrittlichen und der Konservativen, sind mittlerweise weit überspitzt worden. Worauf es heute ankommt, ist deshalb, die Rolle der Studentenschaft soziologisch und politisch klar zu sehen. Die Studentenschaft ist etwas Zufälliges. Die Studentenschaft ist eine organisatorische Gemeinschaft von Ausbildungshedürftigen und -willigen. ihre gesellschaftliche Einordnung bewirkt die Hochschule. In dieser Hochschule, die eine hohe Leistung bewirken soll, muß eine feste Ordnung den Ablauf und die Bewertung der Vorgänge garantieren. Hierzu sind Figuren und Gremien mit Autorität unerläßlich. Beide, die Einzel- und die kollektiven Träger von Autorität können wegen der Freiheit, die die sachliche und atmosphärische Voraussetzung ist, nicht an Schablonen gebunden werden. Man rätselt überall, ob das, was angeblich hinter dieser Gärung in der Studentenschaft, hinter dieser Unruhe steckt, die in Abstufungen reicht von unseren Aktiven bis hin zur revolutionären Linken, eine Krise der Jungen oder eine Krise der Älteren ist. Sicher ist die Fragestellung berechtigt und sicher kann man sehr geistreich darüber reden. Aber wenn etwas von Wert ist, so die Erkenntnis, daß die Krise als solche in uns allen steckt und daß das sogenannte Generationsproblem, das es noch nie auf der Welt nicht gegeben hat, eine Differenz in der akuten Ausdrucksform ist, viel mehr nicht. Wir Älteren waren als junge Leute nicht anders als die jungen Leute jetzt. An Stelle der damals fehlenden „Bewältigung der Vergangenheit", ohne diese damit verkleinern zu wollen, waren andere Dinge Gegenstand unseres Unmuts und unserer tiefen Aufgewühltheit. Unsere Meinungen von damals über die da oben scheuen keinen Vergleich mit den heutigen Kennzeichnungen. Auch wir hatten das Gefühl, daß nach den Auslaugungen des Krieges, damals des 1. Weltkrieges, weder Kraft noch Zielsicherheit in der herrschenden Altersschicht oder den Führungsstellen und Regierungen war, und wir bauten uns gegen den Materialismus, der unweigerlich jedem Kriege folgt., ein idealistisches oder sogar illusionäres Bollwerk auf. Und weiter: Wer will von uns Älteren ernsthaft bestreiten, daß uns das heutige Wohlstandsdenken als Teufelswerk, fast als „verdiente Quittung" erscheint und uns zutiefst so abstößt, daß wir oft vor Sorgen um die Zukunft nicht mehr ruhig zu schlafen vermögen. Wer will es für einen Irrtum halten, daß die biologische und damit auch geistige Kraft unserer Führenden und Verantwortlichen in der ganzen Welt manchmal zu gering erscheint, das Führungselement auch vielleicht zahlenmäßig als eine nicht ganz ausreichende Elite, um die Komplexität aller Entwicklungen in der Welt und bei uns zu übersehen und gegen sie und mit ihr bestehen zu können? Die Welt ist wahrhaftig auf Kollisionskurs. Ein Konflikt löst den anderen ab. Da gedeiht natürlich der Weizen der bloßen Ideologen. Die Auseinandersetzungsformen der modernen Domokratie bringen sie nach vorn. Dieser Typ, dem wir heute überall begegnen, reicht aber meist für konstruktive Arbeit und sachliche Führungsansprüche nicht aus, mit Recht nicht. Die Jugend will sicher auf hoher Ebene angesprochen, durch Vorbild, nicht durch hohle Formeln überzeugt werden; sie will gefordert, nicht eingelullt werden, aber sie will auch praktische Lösungen in ihrer Notlage sehen. Wir Älteren machen eine ganze Menge der Kritik durchaus mit. Wir freuen uns darüber, wenn sie in lesbaren Formen geboten wird. Aber wir lehnen sie ab, wenn sie nur randaliert oder wenn an Stelle der vertrauensvollen Auseinandersetzung nur zu hören ist, daß alt und jung sich nicht mehr zu verstehen scheinen. Die Fähigkeit der jungen Leute, die schwachen Stellen der Gesellschaft aufzuspüren und schonungslos anzuprangern, geht in Ordnung. Umgekehrt ist man aber offenbar nicht bereit, den Beitrag der erfahrenen Älteren überhaupt nur entgegenzunehmen, es sei denn, daß er eine Importe aus ganz anderen Verhältnissen und Ländern ist. So kommt es denn zu der originellen, aber zutreffenden Feststellung, daß zur Zeit beide Seiten, die Älteren und die Jüngeren, sich gegenseitig unterdrückt vorkommen und der Diktatur beschuldigen. Dabei ist es so einfach, die gemeinsame und rettende Formel für eine Einheitsplattform zu finden, in dem beiderseitigen Ziel nämlich, höchste menschliche Qualität an die jeweiligen Bedarfsstellen zu bringen, im politischen Raum, in der Hochschule, und zwar im institutionellen wie im institutionsfreien Bereich, kurzum, in unseren menschlichen Beziehungen. Höchste menschliche Qualität beizutragen, würde unseren gesellschaftlichen und politischen Verpflichtungen entsprechen und überall eine immer gefährlichere Lücke schließen können. An der Ausfüllung dieser Lücke zu arbeiten, wird unser aller politische Verpflichtung sein. Hier liegt der innere Kern der Hochschulreform begraben, und dieser ist im Grunde genommen auch das Fundament der Bewältigung der spannungsreichen Gegenwart schlechthin: Im Bereich des Staates, im Bereich der Verbände, unseres gesellschaftlichen Lebens bis weit in solche der Studentengemeinschaften, wo immer wir sie antreffen. Das alte Studentenideal des guten Freundes, des gescheiten Kollegen, des ausgezeichneten Sprechers, des glänzenden Sportmannes, muß ergänzt, besser noch, korrigiert werden durch das Ideal des durch seinen menschlichen Wert alle anderen Kategorisierungen überspielenden wertvollen Mitbürgers, der das zur Reife bringt, was in ihm ist, geführt durch Menschen, die einen Blick dafür haben. Das mag trivial und selbstverständlich klingen. Wir alle wissen aber, daß das der Kern ist; wir wissen, daß die Wertung des Studenten immer eine andere war und daß innere Sauberkeit und Fleiß, ein Berufsideal und soziale Gesinnung nicht immer an der Spitze unserer Beurteilungsskala gestanden haben. Die studentischen Verbände müssen von uns aufgefordert und angehalten werden, hier ihre wichtigste Aufgabe zu sehen. Läsen wir das Problem, wie das zu bewerkstelligen ist, braucht uns um die Zukunft unserer Studentenschaft und ihre gesellschaftliche Valuta nicht bange zu sein. Anlage 11 Schriftliche Erklärung der Abgeordneten Frau Dr. Wex (CDU/CSU) Meine Fraktion hat in diesem Haus einen Antrag zur Akademiereife vorgelegt. Nach diesem Antrag soll die Bundesregierung die Bereitschaft der Länder prüfen, eine Akademiereife zu schaffen, die den Zugang zu wissenschaftlichen Fachhochschulen eröffnet. Zugleich sollen Schritte unternommen werden, die dazu beitragen, die Berufschancen für Fachhochschul -Absolventen zu verbessern. Wir erwarten solche Verbesserungen und damit die Eröffnung eines ausreichenden Stellenmarktes für Fachhochschul -Absolventen einmal von einer entsprechenden Änderung der Laufbahnvorschriften des öffentlichen Dienstes, zum anderen von der Bereitschaft der Privatwirtschaft, ausreichend geeignete und differenzierte Berufsbilder zu schaffen. Dieser Antrag ist keine Notmaßnahme zur Entleerung überfüllter Hochschulen, sondern Teil eines bildungspolitischen Konzepts. Er geht von der Annahme aus, daß die Nachfrage nach wissenschaftlich geschulten Fachleuten nicht allein von der Universität befriedigt werden kann. Sie sollte auch nicht von der Universität allein befriedigt werden. Die eng mit der wissenschaftlichen Forschung verzahnte Universitätsausbildung ist für viele wichtige Fachberufe nicht nur zu anspruchsvoll. Sie ist auch zu teuer, als daß wir sie in beliebigem Umfang vermehren könnten. Eine bedeutende Vermehrung der Möglichkeiten, eine wissenschaftliche Fachausbildung zu erhalten, ist jedoch unbedingt erforderlich. Mit ihrem Antrag zur Akademiereife hat sich die CDU/CSU-Fraktion nicht nur für eine differenzierte wissenschaftliche Ausbildung durch Fachhochschulen und Universitäten ausgesprochen. Sie hat zugleich deutlich gemacht, daß sie für sich in Anspruch nimmt, auch im Bereich der Bildungspolitik Stellung zu beziehen und Initiativen zu ergreifen. Solche Initiativen im Bereich der Bildungspolitik stoßen in diesem Hause sehr bald auf konstitutionelle Konsequenzen. Nicht der Bund, die Länder sind zuständig für die Struktur- und Bildungspolitik. Das müssen wir wissen. Den Bund hat das Grundgesetz auf die Förderung der wissenschaftlichen Forschung beschränkt. In dieser Kompetenzverteilung liegt ein großes Maß an Weisheit. Die Kulturhoheit der Länder verhindert nicht nur eine zentrale Steuerung des Schulwesens mit allen Gefahren, die politisch und kulturell in einer Zentralisierung liegen. Sie sichert den Ländern auch den Bewegungsspielraum, den sie brauchen, um ihr Schulwesen den spezifischen Be-dingengen ihrer Geschichte und Bevölkerung anzupassen. Die Kulturhoheit der Länder schafft auch Raum für fruchtbare Initiativen und Experimente. Sicher gibt es viele, die einer zentralen Regelung wegen ihrer Einheitlichkeit und damit „Ordnung" den Vorzug geben. Die Erfahrungen mit dem französischen System und die Versuche, dort zu einer stärkeren Dezentralisierung zu gelangen, machen jedoch die Gefahren eines übertriebenen Zentralismus deutlich. Er führt zu einer Konzentration der Bildungschancen im Zentrum und zu einem starken Gefälle zu den Provinzen hin. Das föderative System vermeidet diese zentralisierende Wirkung. Es gibt der Vielgestaltigkeit, der zukunftweisenden Entwicklung breiteren Raum und ist damit im Prinzip nicht nur freier, sondern auch leistungsfähiger. Die Länder haben allerdings, so scheint mir, diese Chancen nicht voll genutzt. Sie haben, vor allem in der jüngeren Vergangenheit, bedeutende Erfolge im Bereich des allgemeinen Schulwesens erzielt und außerordentliche finanzielle Leistungen auf dem Hochschul-, Fachschul- und Sekundärschulsektor erbracht. Aber es hat an einer Gesamtkonzeption gefehlt, die geeignet gewesen wäre, diese Anstrengungen in fruchtbarer Weise für ein Bildungswesen der Zukunft nutzbar zu machen. Nicht zuletzt deshalb diskutierten wir in diesem Hause über bildungspolitische Probleme und die Begründung einer Bundeskompetenz im Hochschulwesen und der Bildungsplanung. Die Länder stehen einer solchen Kompetenz ablehnend gegenüber. Sie wünschen am Grundsatz der Kulturhoheit festzuhalten und scheinen allenfalls bereit, das Hochschulwesen in den Katalog der Gemeinschaftsaufgaben aufzunehmen, die von Bund und Ländern gemeinsam finanziert und betreut werden können. Es gibt jedoch die begründete Ansicht, daß die Länder den Problemen, vor allem im Bereich der Hochschulen, nicht länger gewachsen sind. Daß die Länder die Grenze ihrer finanziellen Leistungskraft erreicht haben und auf Bundeshilfe angewiesen sind, ist evident. Dieses wäre jedoch, für sich gesehen, keine unlösbare Schwierigkeit, wenn man davon ausgehen könnte, daß es nur einer Stärkung der Finanzkraft der Länder bedürfe, um die Hochschulprobleme zu bewältigen. Die Erfahrungen der vergangenen Jahre machen uns nicht zuversichtlicher. Zwar haben bisher zwei Länder, Hessen und Baden-Württemberg, Hochschulgesetze verabschiedet, und in anderen Ländern liegen Entwürfe vor, die von den Parlamenten und Senaten beraten und in Hearings analysiert werden. Diese Gesetze haben die Probleme jedoch bis jetzt nicht lösen können. In Baden-Württemberg hat man sich in wochenlangen Beratungen über Beteiligungsverhältnisse in akademischen Gremien aufgerieben und damit die Gelegenheit verpaßt, wirklich neue Wege zu gehen. Auch in Hessen sind die zentralen Fragen der Hochschulfinanzierung, der Sicherung neuer wissenschaftlicher Initiativen und des Verhältnisses von Universität und Fachhochschule durch die Hochschulgesetz- 9128 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 170. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 7. Mai 1968 gebung unbeantwortet geblieben. Und vor allem weder in dem einen noch in dem anderen Land haben es die Regierungen verstanden, die Reformfragen in enger Zusammenarbeit mit den Universitäten und Hochschulen zu lösen. Die Empfehlungen, die die Landesrektorenkonferenz dem Kultusminister zur Neuordnung der Hochschulselbstverwaltung vorgelegt hat, sind meines Wissens die ersten Reformpläne, die die Neuordnung der Wissenschaftsfinanzierung mit der Neuordnung der Hochschulselbstverwaltung verbinden und so von einer geschlossenen Konzeption ausgehen. Bei allen Anstrengungen ist es bisher auch der Kultusministerkonferenz nicht gelungen, einen bildungspolitischen Rahmen zu entwickeln, der bei aller Beachtung einzelstaatlicher Eigenständigkeiten doch diejenigen Daten und Festpunkte setzt, ohne die wir in unserem Land auf die Dauer keine erfolgreiche Bildungspolitik betreiben können. Probleme wie die Neuordnung des Berufungsverfahrens, die damit verbundene Frage der Hochschulfinanzierung, die Stellung des wissenschaftlichen Personals, das Verhältnis der wissenschaftlichen Fachhochschulen und der Pädagogischen Hochschulen zur Universität und viele andere werden hin- und hergeschoben und dann doch auf Länderebene unterschiedlich entschieden. Nimmt es da wunder, daß die unmittelbar Betroffenen, die Hochschullehrer, Assistenten und Studenten, ungeduldig die bildungspolitischen Antworten erwarten, auf die sie nicht nochmals 2 bis 4 Jahre warten können? Vieles spricht somit für die baldige Begründung einer Bundeskompetenz oder doch einer Rahmenkompetenz des Bundes in hochschul- und bildungspolitischen Fragen. Man sollte aber die verfassungsrechtliche Entscheidung der Kompetenzfrage zunächst zurückstellen und folgende Überlegungen anstellen: Was uns heute in erster Linie fehlt, sind nicht Kompetenzen, sondern Ideen und Konzeptionen. Ich sehe keinen Grund, der den Bund daran hindern könnte, den Ländern in der gegenwärtigen schwierigen und weithin verfahrenen Situation Hilfestellung zu leisten und seine guten Dienste anzubieten, auch ohne eine formelle verfassungsrechtliche Kompetenz der Gesetzgebung zu besitzen. Was hindert die Regierung daran, eine bildungspolitische Konzeption zu entwickeln und vorzulegen, ohne auf Bildungsrat, Wissenschaftsrat, Kultusministerkonferenz und Westdeutsche Rektorenkonferenz zu warten, die jede auf ihrem Platz nötig ist? Wieso kann es nicht auch ohne Verfassungsänderung neben der wirtschaftlichen eine bildungspolitische gemeinsame Aktion geben, in der der Bundeswissenschaftsminster eine Makler- und Mittlerrolle einnimmt? Noch immer ist es so gewesen, daß demjenigen die Initiative gehörte, der sie zu ergreifen wußte. Ich habe keinen Zweifel, daß wir auf die Dauer zu einer Koordinierung der Hochschul- und Bildungspolitik kommen müssen, an der der Bund beteiligt ist. Denn niemand kann einer Vermehrung der finanziellen Beteiligung des Bundes das Wort reden, ohne ihm einen angemessenen Einfluß auf den Inhalt dieser Politik einzuräumen. Aber ich glaube, daß dieses Haus einen so schwerwiegenden Schritt wie die Veränderung der verfassungsrechtlichen Kulturzuständigkeiten nur tun sollte, wenn es weiß, was der Bund mit dieser Zuständigkeit zu tun gedenkt. Die Rahmenkompetenz sollte das Ergebnis einer bildungspolitischen Initiative der Bundesregierung sein, nicht ihre Voraussetzung. Wird sie ohne eindeutige Auskunft über den Inhalt der Bildungspolitik der Bundesregierung gewährt, so werden nur weitere Verwirrungen auftreten. Unser Problem ist auch auf diesem Gebiet in erster Linie eine Frage überzeugender Politik, nicht überzeugender Kompetenzen. Das schließt nicht aus, daß die Bundesregierung alsbald echte Hilfestellungen leistet und die Entwicklung einer dauerhaften Regelung vorbereitet. Bereits heute z. B. hat der Bund die Möglichkeit, seine finanzielle Unterstützung im Hochschulbereich von einer Neuordnung der Hochschulfinanzierung abhängig zu machen. Denn die Forderung nach wirksamem Einsatz der Mittel und der Entwicklung entsprechender Finanzierungsverfahren ist wohl kaum eine Verletzung der Kulturhoheit der Länder. Vor allem aber kann der Bund durch seine Initiativen dringend erforderliche politische Entscheidungen der Länder auslösen. Nichts wäre geeigneter, die Bereitschaft der Länderregierungen zu einer fortschrittlichen Hochschul- und Bildungspolitik zu testen, als eine Konzeption der Bundesregierung, die ebenso überzeugend wie durchführbar wäre. Die Aufgabe des Bundes müßte vor allem in einer grobmaschigen Koordination der Einzelmaßnahmen der Länder, in einer übergreifenden Schwerpunktpolitik und in der Entwicklung von Richtlinien liegen, an denen sich der Aufbau des Bildungswesens der Länder zu orientieren hätte. Unter keinen Umständen sollte der Bund Detailplanung im bildungspolitischen Bereich für sich in Anspruch nehmen. Gerade in einem so schwer planbaren Bereich wie dem der Wissenschaft muß das Prinzip der Subsidiarität konsequent durchgeführt werden. Für das Verfahren selbst bietet sich eher das Kommissionssystem als die Übertragung der bildungspolitischen Kompetenz-Ausübung allein auf die Exekutive an. Nicht nur in den Universitäten, auch an der Spitze muß die Bildungsplanung in einem Maximum an Publizität stattfinden. Durch Rahmengesetzgebung könnten entsprechende Institutionen ebenso geschaffen werden wie ein brauchbares Verfahren der Kooperation und Koordination. Zunächst jedoch sollte sich die bildungspolitische Initiative bewähren, die allein eine Verfassungsänderung rechtfertigen kann. Jetzt ist die Regierung am Zuge. Wir werden sonst zusehen müssen, wie die einzelnen Länder, die Universitäten jede für sich, gezwungen sind, ihren Weg zu suchen, und die Gefahr, daß das Bildungswesen sich weiter zersplittert, unaufhaltsam wird. Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 170. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 7. Mai 1968 9129 Anlage 12 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Deringer (CDU/CSU) Ich habe die Aufgabe, noch einige wenige Worte zur Ingenieurschulreform zu sagen. Nicht deshalb, weil wir dafür zuständig wären, sondern weil dieses Thema ein Musterbeispiel dafür bietet, wie die Zusammenarbeit der Länder funktioniert oder besser gesagt, nicht funktioniert. Der Herr Bundesinnenminister hat in der vergangenen Woche mit Recht gesagt, daß ein wesentliches Element der Demokratie sei, daß Änderungen bestehender Zustände nur in verfassungsmäßigen Formen angestrebt und durchgesetzt werden dürften, nicht mit Gewalt. Das führt natürlich dazu, daß Änderungen auch langsamer vor sich gehen, besonders, wenn elf Länder daran beteiligt sind. Dies der ungeduldigen Jugend zu erklären, ist nicht einfach. Deswegen erhebt sie gegen uns den Vorwurf der Immobilität. Unsere Antwort darf nicht ein selbstzufriedenes Wir sind doch schon so weit gekommen sein. Gerade das Beispiel der Ingenieurschulreform zeigt, daß die Ungeduld der Jugend nicht unberechtigt ist. Denn die Studenten dieser Schulen sind keine Politologen oder Theologen, sondern Techniker, die nicht so leicht zu extremen Forderungen neigen. Wenn trotzdem heute neben dem VSI auch die Korporationen, die Evangelische und Katholische Studentengemeinde und die Dozenten gemeinsam demonstrieren, kann das nicht ganz unberechtigt sein. Seit Jahren wird über die Ingenieurschulreform geredet. Am 24. Mai 1965 schon schrieb der badenwürttembergische Kultusminister an den Landtag, daß um der internationalen Anerkennung willen eine höhere Stufe der Vorbildung als bisher angestrebt werden müsse, und im Oktober 1965 wurde die Landesregierung aufgefordert, über die Kultusministerkonferenz auf eine bundeseinheitliche Neuordnung des Ingenieurschulwesens hinzuwirken. Eine Tagung in Bad Boll und eine ausgezeichnete Studie der Evangelischen Studentengemeinde sowie zahlreiche Vorschläge anderer Kreise folgten. Trotzdem hat die Kultusministerkonferenz bis heute noch keine entscheidenden Beschlüsse gefaßt, obwohl sie weiß, daß ohne eine Neuordnung den Absolventen der deutschen Ingenieurschulen erhebliche Nachteile in der EWG drohen. In den anderen Mitgliedstaaten, außer Holland, ist der Typ der Ingenieurschulen nicht bekannt; sie kennen nur Hochschulingenieure und -architekten. Deshalb sollen nach dem Vorschlag der Kommission die Absolventen der deutschen Schulen in den anderen Ländern nur als höhere Techniker behandelt werden. Das beeinträchtigt ihre eigeile Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit, das zwingt die deutschen Unternehmen, für Anträge an Behörden in den anderen Mitgliedstaaten eingesessene Ingenieure oder Architekten zu nehmen, und das wirkt sich auch negativ auf zukünftige europäische Tarifverhandlungen in diesen Bereichen aus. Wir haben im Rechtsausschuß des Europäischen Parlaments unter meinem Vorsitz einen Kompromiß erarbeitet, der den Besitzstand der Älteren einigermaßen wahrt. Für die Zukunft aber ist eine Änderung unerläßlich, um die geschilderten Nachteile abzuwenden. Dabei genügt es nicht, die Ingenieurschulen lediglich in Akademien umzubenennen. Andererseits ist es unverantwortlich, für alle Ingenieurschulen wahllos eine Anhebung zu fordern, wie es Herr Dahrendorf tut, weil der zweite Bildungsweg erhalten bleiben muß. Für die Anerkennung in der EWG aber sind Fachhochschulen notwendig, deren Eingangsvoraussetzung ein Schulabschluß ist, der in etwa dem französischen Abitur entspricht. Ob man das Akademiereife nennen will oder nicht, mag offenbleiben. Unsere bisherige mittlere Reife, wie Herr Kollege Moersch meinte, genügt jedenfalls nicht. Außerdem muß die Dauer des Studiums auf vier Jahre verlängert werden, wobei allerdings ein Teil der praktischen Ausbildung in das Studium einbezogen werden kann, während insbesondere die Franzosen die praktische Ausbildung vor dem Studium nicht als Teil der Ausbildung anerkennen. Neben diesen Fachhochschulen können und müssen Ingenieurschulen der bisherigen Art bestehenbleiben, um allen denen den Aufstieg zu ermöglichen, die nur die Volksschule oder mittlere Reife besitzen. Von diesen Ingenieurschulen muß es einen Aufstieg zur Fachhochschule und gegebenenfalls Hochschule geben, um die Durchlässigkeit des ganzen Systems zu garantieren. Sicher ist die Reform der Ingenieurschulen in unserer Debatte nur ein begrenztes Problem, aber sie ist ein Prüfstein dafür, ob ein föderalistischer Staat funktioniert oder nicht. In der EWG werden heute die Berufsordnungen der sechs Mitgliedstaaten schon harmonisiert, während auf der anderen Seite bei uns immer noch elf Länder verschiedene Vorstellungen und verschiedene Entwürfe haben. Es genügt nicht, wenn ein Land, wie Schleswig-Holstein, jetzt vorangeht; es genügt auch nicht, wie Herr Minister Huber sagte, wenn in der Kultusministerkonferenz endlich Übereinstimmung im Grundsätzlichen erzielt werden sollte. Notwendig ist endlich einheitliches Handeln der Länder. Ich glaube nicht, daß uns im Augenblick eine Bundesrahmenkompetenz weiterhelfen würde. Wichtiger wäre es, wenn die Verfassungsjuristen der Länder ihre Aufgabe weniger darin sähen, festzustellen, was nicht geht, sondern wenn sie nach Wegen suchten, wie es geht. Sonst könnte es sein, daß eines Tages SDS-Ingenieure in den Betrieben alle weiteren Überlegungen überflüssig machen.
Gesamtes Protokol
Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0517000000
Die Sitzung ist eröffnet.
Vor Eintritt in die Tagesordnung gebe ich bekannt, daß ich Baron und Baronin Rüdt von Collenberg die herzliche Anteilnahme des Hauses ausgesprochen habe zum Tode ihres im Dienst unseres Landes gefallenen Sohnes Rüdt von Collenberg.
Ich gratuliere dem Herrn Abgeordneten Winkelheide zum 60. Geburtstag am 4. Mai 1968.

(Beifall.)

Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat soll die heutige Tagesordnung ergänzt werden um die Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Martin, Dr. Schober, Frau Geisendörfer, Dr. Hudak, Gottesleben, Dr. Hammans, Frau Dr. Wex, Dr. Huys und der Fraktion der CDU/CSU betr. Akademie-Reife — Drucksache V/2804 —.
Es liegt Ihnen eine Liste von Vorlagen der Bundesregierung vor, die keiner Beschlußfassung bedürfen und die nach § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung dem zuständigen Ausschuß überwiesen werden sollen:
Vorlage des Bundesministers des Innern Betr.: Bundeskriminalamt
Bezug: Beschluß des Bundestages vom 7. Februar 1968
— Drucksache V/2855 —zuständig: Innenausschuß
Vorlage des Bundesministers des Innern
Betr. Rechtsstellung und Ausbildung der deutschen Beamten für internationale Aufgaben
Bezug: Beschluß des Bundestages vom 24. März 1966
— Drucksache V/2854 —
zuständig : Innenausschuß
Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Folgende amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesminister für Wirtschaft hat am 30. April 1968 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Baron von Wrangel, Prinz von Bayern und Genossen betreffend Einfuhr von Sprengstoffen aus den Ostblockstaaten — Drucksache V/2822 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache V/2867 verteilt.
Der Staatssekretär im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat am 3. Mai 1968 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Mauk, Reichmann und Genossen betr. Regelung der Einfuhr von Obst und Gemüse aus Drittländern — Drucksache V/2684 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache V/2871 verteilt.
Der Bundesminister des Innern hat am 2. Mai 1968 die Kleine Anfrage der FDP vom 7. März 1968 betr. kostenlose Anzeigenblätter von Behörden — Drucksache V/2650 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache V/2872 verteilt.
Der Bundesminister für Verkehr hat am 30. April 1968 unter Bezug auf den Beschluß des Bundestages vorn 28. September 1956 über die Vergabe der Aufträge durch die Eurolima berichtet. Sein Schreiben wird als Drucksache V/2869 verteilt.
Der Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat am 30. April 1968 mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Beratung der Verordnung des Rates zur Festsetzung der monatlichen Zuschläge der Preise für Getreide und Mehl, Grobgrieß und Feingrieß von Weizen oder Roggen für das Wirtschaftsjahr 1967/68 — Drucksache V/2690 - abgesehen hat, nachdem die Verordnung inzwischen vom Rat beschlossen ist. Bedenken gegen die Verordnung wurden nicht erhoben.
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 23. Februar 1962 die Vierunddreißigste Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste — Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz — Drucksache V/2834 — dem Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen überwiesen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 26, Juni 1968.
Der Präsident des Bundestages hat gemäß § 96 a der Geschäftsordnung die von der Bundesregierung als dringlich bezeichnete Einundvierzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1967 (Zollaussetzungen 1968 — II. Teil) — Drucksache V/2859 — mit der Bitte um fristgemäße Behandlung dein Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen überwiesen.
Wir kommen dann zur Tagesordnung. Einziger Punkt:
a) Fortsetzung der Beratung über den Bericht der Bundesregierung zur innenpolitischen Situation
b) Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. Schwerpunktaufgaben in Wissenschaft und Forschung
— Drucksache V/2476, Nummer 4 -
c) Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. Wahrung der Freiheit von Forschung und Lehre an den Universitäten
— Drucksache V/2587 —
d) Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik (8. Ausschuß) über den Antrag der Abgeordneten Dr. Mühlhan, Moersch, Dorn und der Fraktion der FDP
betr. Zuständigkeit im Bereich für Wissenschaft, Bildung und Kunst
— Drucksachen V/1565, V/2819 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Rau



Präsident D. Dr. Gerstenmaier
e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Martin, Dr. Schober, Frau Geisendörfer, Dr. Hudak, Gottesleben, Dr. Hammans, Frau Dr. Wex, Dr. Huys und der Fraktion der CDU' CSU
betr. Akademie-Reife — Drucksache V/2804 —
Das Wort zum Tagesordnungspunkt im ganzen, also nicht nur zu den Großen Anfragen, hat der Herr Bundesminister für wissenschaftliche Forschung.

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0517000100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heutige Debatte wird die allgemeine Aussprache zur Situation der Jugend, der Studentenschaft im besonderen, nach den Auseinandersetzungen und Gewaltaktionen der letzten Zeit weiterführen. Sie soll ihr besonderes Schwergewicht durch eine Erörterung der hochschulpolitischen Fragen erhalten: die konkreten Aufgaben der Hochschul- und Studienreform.
Die Bundesregierung hat in der schriftlichen Beantwortung der Großen Anfragen, die Ihnen vorliegt *), ausführlich Stellung genommen und angekündigt, daß sie nach einer eingehenden weiteren Erörterung dem Bundestag erneut berichten will. Ich möchte mich deshalb darauf beschränken, bestimmte leitende Gedanken dieser Antwort zu unterstreichen und dann einige Verbindungslinien zwischen den hochschulpolitischen Fragen und der allgemeinen Verschärfung der innenpolitischen Situation aufzuweisen.
Eine Zwischenbilanz zur Hochschul- und Studienreform ist nicht einfach. Nach der Verfassung und Rechtsordnung unseres Staates sind die Zuständigkeiten außerordentlich vielfältig und stark dezentralisiert. Sie liegen im Schwergewicht bei den elf Bundesländern, den 36 wissenschaftlichen Hochschulen und den 176 Fakultäten oder Abteilungen. Auf Grund bitterer geschichtlicher Lehren wurde im freien Teil Deutschlands nach 1945 der Grundsatz der Autonomie und Freiheit der Hochschulen gegenüber dem Staat besonders stark betont.
Dieser historische und psychologische Hintergrund muß uns bewußt sein, wenn wir neuerdings scharfe und generalisierende Urteile über das angebliche Versagen des Staates richtig bewerten wollen. Manche Kritiker, die heute den Kultusministern vorwerfen, sie hätten schon längst die Hochschulen gegen den Widerstand der Professoren grundlegend reformieren müssen, sprachen vor wenigen Jahren noch vom Machtmißbrauch oder der Bedrohung wissenschaftlicher Freiheit, wenn staatliche Stellen bei einem sachlichen Dissens mit Organen einer Hochschule in rechtlich einwandfreier Weise entscheiden wollten.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Es gibt einen Wandel in der Sache durch die neuen Bedingungen für Forschung und Lehre, die ein neues Verhältnis von Staat und Wissenschaft
*) siehe Anlage 7
notwendig machen. Die rasch steigenden Kosten erfordern eine überregionale Abstimmung der Investitionen und Schwerpunkte, eine Rahmenplanung für das ganze Bundesgebiet, die dem traditionellen Autonomiebegriff der einzelnen Universitäten und Fakultäten nicht mehr entspricht.
Eine unvoreingenommene Betrachtung zeigt: Unter den erwähnten Voraussetzungen der stark dezentralisierten und aufgefächerten Zuständigkeiten ist in den letzten 24 Monaten auf dem Gebiet der Hochschul- und Studienreform mehr geschehen als in den zwölf Jahren zuvor. Dies gilt für die Neuordnung des Hochschulrechts in Landesgesetzen und Satzungen, die institutionelle Beteiligung der Nichtordinarien, Assistenten und Studenten an den Entscheidungen der Hochschulorgane, die Veränderung der Habilitations- und Berufungspraxis, die Förderung der interdisziplinären Zusammenarbeit in Forschung und Lehre und die Neuordnung der Studiengänge sowie der Prüfungsbestimmungen.
Wir haben in der schriftlichen Beantwortung der Großen Anfragen dafür eine Reihe von Beispielen angeführt, die durchaus noch unvollständig sind. Sie zeigen, wie vor allem die neuen Hochschulen in den genannten Aufgaben der Reform vorangingen, aber auch die überkommenen Universitäten in vielen Einzelentscheidungen Fortschritte erzielten. Besonders bemerkenswert erscheinen mir zwei Dinge. Während weithin immer noch Zweifel bestehen, ob die Studienreform-Vorschläge des Wissenschaftsrats, die empfohlene Verkürzung der Ausbildungszeiten, realisierbar sind, haben eine Anzahl von naturwissenschaftlichen Fakultäten nach sorgfältiger Abstimmung mit den staatlichen Stellen und der Wirtschaft Kurzstudiengänge von 6 Semestern, also unterhalb der vom Wissenschaftsrat empfohlenen Zahl, eingeführt, die anerkannte Abschlüsse bringen. Man kann nur hoffen, daß dieses Beispiel an den deutschen Universitäten Schule macht.

(Beifall in der Mitte.)

Eine wenig beachtete, besonders verdienstvolle Arbeit hat die von Kultusministerkonferenz und Rektorenkonferenz gebildete Kommission für Prüfungs- und Studienordnungen geleistet. Magisterordnungen für zwei Fächer und Rahmenordnungen für Diplomprüfungen in siebzehn Gebieten liegen vor. Für zwölf Fächer werden sie beraten. Reformiert werden dadurch u. a. eine Reihe von Gebieten mit besonders hohen Studentenzahlen und langen Studienzeiten: Mathematik, Chemie, Physik, Maschinenbau, Elektrotechnik, Volkswirtschafts- und Betriebswirtschaftslehre. Besonders wichtig für die überfüllten philosophischen Fakultäten ist die parallel laufende Arbeit der Kommission für die wissenschaftliche Staatsprüfung des Gymnasiallehramts. Eingerichtet von der Kultusministerkonferenz, behandelt die Kommission mit 18 Fachausschüssen u. a. so bedrängte Fächer wie Germanistik, Anglistik und Geschichte.
Wie in der Lehre, so zeichnet sich auch in der Forschung ein grundlegender Wandel ab. Bedeutung und Anerkennung der wissenschaftlichen Mitarbeiter steigen, insbesondere der wissenschaft-



Bundesminister Dr. Stoltenberg
lichen Assistenten, so daß die Forschungsprojekte mehr und mehr in einer Gruppenarbeit angegangen werden. Interdisziplinäre Kooperation wird durch gemeinsame Einrichtungen zunehmend institutionell gefördert.
Neben den Entscheidungen der Universitäten sind in den meisten Ländern Initiativen zu einer neuen staatlichen Hochschulgesetzgebung ergriffen worden. Weitgehende Übereinstimmung besteht darin, die akademische Selbstverwaltung der Hochschulen effektiver zu gestalten und übergeordnete Gesichtspunkte der Universitäten gegenüber individuellen und partikularen Aspekten der einzelnen Lehrstühle oder Fakultäten stärker zu betonen. Dem soll in erster Linie die Einführung eines Hochschulpräsidenten oder eines für längere Zeit gewählten und mit stärkeren Vollmachten ausgestatteten Rektors dienen. Auch die Beteiligung aller Gruppen in der Universität an den Entscheidungen ist prinzipiell anerkannt, wenn auch mit Recht rein schematische Lösungen wie die sogenannte Drittelparität durchweg klar abgelehnt werden.
Es ist zu hoffen, meine Damen und Herren, daß die Kultusminister durch intensive Kooperation das erforderliche Maß an Übereinstimmung in den Grundsätzen dieser rechtlichen Neuordnung erreichen.
Diese knappen Hinweise machen deutlich, wie falsch es ist, jeden Fortschritt zu negieren und von der Reformunfähigkeit der deutschen Hochschulen schlechthin zu sprechen. Sie zeigen aber auch deutlich, daß es die von vielen erhofften einfachen Lösungen nicht gibt. Die Intensivierung und die didaktische Verbesserung der Lehre, die Neuordnung des Eingangsstudiums mit besseren Studienbedingungen für die Erstsemester, die Einführung von Zwischenprüfungen in allen Disziplinen, die notwendige Verkürzung der Studienzeiten, diese großen Aufgaben sind nicht durch schematische Verwaltungsakte zu meistern, sondern nur durch eine fachwissenschaftlich fundierte Einzelprüfung der Studiengänge und Examensforderungen.
Die Dinge gehen voran. Dennoch besteht gar kein Anlaß zur Zufriedenheit. Die Reformbemühungen der einzelnen Hochschulen und Bundesländer bedürfen einer erheblichen Verstärkung, Beschleunigung und übergreifenden Verbindung. Es ist beachtlich, daß jetzt die Landesrektorenkonferenz Nordrhein-Westfalen detaillierte Vorschläge für die Verfassung und innere Struktur aller Hochschulen des größten Bundeslandes angekündigt hat. Das ist ein wichtiger und ermutigender Schritt. Aber auch er reicht noch nicht aus. Die Kultusminister- und die Rektorenkonferenz müssen ihre Prinzipienerklärungen weiter konkretisieren und zu gemeinsamen, wirkungsvollen Schritten für das ganze Bundesgebiet verbinden.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Der Wissenschaftsrat sollte unverzüglich eine genaue Zwischenbilanz über den Stand der Verwirklichung seiner Reformvorschläge von 1966 machen und sie auf Grund der Entwicklung der letzten beiden Jahre ergänzen und präzisieren. Er hat
nach einer Initiative der Bundesregierung mit den Vorarbeiten hierfür begonnen.
Die Bundesregierung teilt die auch in diesem Hohen Hause weit verbreitete Sorge, daß trotz der erwähnten bemerkenswerten Fortschritte und der hohen staatlichen Aufwendungen für den Ausbau der Hochschulen ihre Situation nicht grundlegend verbessert werden kann, wenn die Reformen nicht beschleunigt und vor allem wirkungsvoller als bisher mit den allgemeinen bildungspolitischen Entscheidungen abgestimmt werden.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Diese Sorge wäre nicht begründet, wenn wir eine statische Situation in Deutschland hätten, also weiterhin mit den jetzigen Zahlen von Studienbewerbern rechnen könnten. Dann würden die hohen und weiter steigenden öffentlichen Mittel für die Universitäten und das erwähnte Tempo der Veränderung voraussichtlich ausreichen, in den nächsten fünf Jahren die Hauptprobleme, die uns heute bedrücken, im großen und ganzen befriedigend zu lösen.
Aber die Bildungsexpansion der letzten zehn Jahre, der schnelle Ausbau des weiterführenden Schulwesens werden bis 1976 nach den jetzigen Prognosen erneut zu einer Verdoppelung der Abiturientenzahlen führen. 1967 gab es 65 000 Absolventen der Gymnasien gegenüber 32 000 im Jahre 1955; für 1976 werden 130 000 erwartet. Wenn in einigen Bundesländern 1967 erstmals über die Hälfte der Elfjährigen von der Grundschule in eine weiterführende Schule — Gymnasien oder Realschulen — überging, dann zeigt dies deutlich, daß qualifizierte Bildung heute nicht mehr als Privileg einer Minderheit oder bestimmter Berufsgruppen gelten kann und wie sehr die Schlagworte von der „Klassenschule" oder dem angeblich „schichten-spezifischen Charakter" unseres Bildungssystems überholt sind. Dies ist, wie ich glaube, eine große reformerische Leistung der Bundesländer und Gemeinden, die Anerkennung verdient.
Aber man muß hinzufügen, daß die Folgeprobleme dieser Bildungsexpansion nicht rechtzeitig erkannt und bis heute nicht gemeistert wurden. Die ersten, noch unvollständigen Bedarfsprognosen zeigen ebenso wie die Erfahrung der letzten beiden Jahre, daß nicht globales, sondern differenziertes Wachstum an den Hochschulen erforderlich ist.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Die künftigen Ausbauplanungen, vor allem für die Neugründungen müssen stärker als bisher auf solchen Einsichten beruhen und zu ganz klaren Schwerpunktbildungen kommen. Diese zentralen Fragen durch vertiefte langfristige Studien noch gründlicher zu untersuchen und zu möglichst gesicherten Ergebnissen zu kommen, ist eine besonders vordringliche Aufgabe. Sie muß ohne Scheu vor Tabus, vor der Aufgabe liebgewordener Vorstellungen der letzten Jahre angegangen werden.

(Beifall bei der CDU/CSU.)




Bundesminister Dr. Stoltenberg
Die Bundesregierung hat auf Grund ihrer Verantwortung für den wissenschaftlichen Nachwuchs und auch den Nachwuchs für die Wirtschaft von sich aus bestimmte Analysen veranlaßt. Sie erwartet und hofft, daß die Bundesländer und der Wissenschaftsrat ähnliche Initiativen auf breiter Ebene ergreifen.
Bei einer erneuten Verdoppelung der Abiturientenzahlen ist es ausgeschlossen, daß weiterhin fast 90 % der Absolventen unserer Gymnasien an wissenschaftlichen Hochschulen studieren. Die Länder beabsichtigten deshalb, neben den Universitäten in einer ganz bestimmten, noch festzulegenden Verbindung mit ihnen verstärkt Fachhochschulen und Akademien auszubauen und in diesem Bereich neue, relativ kurze Studiengänge zu entwickeln. Ein Ausschuß des Bildungsrates arbeitet an einer Sonderempfehlung zu Fragen des Schulabschlusses an den Gymnasien. In diesem Zusammenhang ist mit einer positiven Stellungnahme zur Einführung einer Akademiereife zu rechnen, die nach erfolgreichem Abschluß der Mittelstufe des Gymnasiums und der Realschule erworben werden kann und unter bestimmten, noch festzulegenden Voraussetzungen den Zugang zu den Akademien eröffnet. In der schnellen Verwirklichung dieses Planes liegt eine entscheidende Voraussetzung für die Entlastung der wissenschaftlichen Hochschulen und die dringend gebotene Verkürzung der Ausbildungszeiten.

(Beifall in der Mitte.)

Wenn einzelne Landespolitiker und einige Bildungsökonomen diese Entscheidung bis zu einer völligen Umstrukturierung des gesamten Schulwesens zurückstellen wollen, beschwören sie für die wissenschaftlichen Hochschulen und das ganze Bildungswesen eine äußerst gefährliche Situation.

(Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren, wir müssen jetzt durch überlegte, aber entschiedene Sofortmaßnahmen die Folgeprobleme der ersten Bildungsexpansion bewältigen.

(Beifall in der Mitte.)

Eine grundlegende Strukturänderung des gesamten Schulwesens erfordert sicher noch sorgfältige wissenschaftliche und pädagogische Untersuchungen, eine politische Verständigung zwischen den Bundesländern und eine genaue Berechnung aller finanziellen und sachlichen Konsequenzen. Insofern müssen uns gewisse Fehlschlüsse und Irrtümer zu Beginn der sechziger Jahre eine eindringliche Warnung sein.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

So lange können wir jedoch nicht warten. Das mühsam in 15 Jahren gewonnene Maß an Einheitlichkeit des Schulwesens und an Freizügigkeit der Bürger und ihrer Kinder im ganzen Bundesgebiet sollte nicht durch isolierte Aktionen aufs Spiel gesetzt werden.

(Beifall in der Mitte.)

Aus dem Gesagten wird deutlich, wie dringend für den Ausbau der Hochschulen jetzt überregionale Rahmenlösungen gefunden werden müssen. Der
Bund besitzt nach unserer Verfassung für die skizzierten Aufgaben keine wesentlichen Zuständigkeiten, wenn man von seinen Kompetenzen auf dem Gebiet der Heilberufe oder des Beamtenrechts absieht. Die Bundesregierung hat jedoch mit den Ländern gemeinsam den Wissenschaftsrat und den Bildungsrat ins Leben gerufen. Hier hat sie an der Ausarbeitung zahlreicher Empfehlungen mitgearbeitet und so einen begrenzten indirekten Einfluß auf die Gestaltung unserer Hochschulen ausgeübt..
Bedeutsamer noch war die Tatsache, daß die Bundesregierung die Einzelvergabe ihrer steigenden Mittel für den Hochschulausbau von entsprechenden Empfehlungen des Wissenschaftsrates abhängig machte. Aber der Bund blieb ebenso wie der Wissenschaftsrat bisher von der Mitberatung über die Planung neuer Hochschulen ausgeschlossen. Damit hatten weder die Bundesregierung noch der Wissenschaftsrat die Möglichkeit, zusammen mit den Ländern umfassende Vorstellungen über den Gesamtausbau der Hochschulen zu entwickeln.

(Hört! Hört! in der Mitte.)

Eine sehr bedeutende Veränderung wird hier die Verwirklichung der Finanzreform bringen. Der Entwurf des Art. 91 a sieht eine gemeinsame Rahmenplanung vor. Hier werden Bund und Länder erstmals in partnerschaftlicher Verantwortung die langfristigen Ziele des Hochschulausbaus und -neubaus festlegen und in Rahmenpläne fassen. Diese Rahmenpläne sollen nicht — wie die Beschlüsse des Wissenschaftsrates — Empfehlungen darstellen, sondern die beteiligten Regierungen verpflichten, sie bei ihren Sachentscheidungen zugrunde zu legen. Damit würde ein prinzipieller Fortschritt gegenüber dem bisherigen Empfehlungsverfahren erzielt.
Wir hören nun in diesem Hause und in der deutschen Öffentlichkeit die Meinung, eine solche Verfassungsänderung reiche nicht aus. Der Bund müsse umfassendere Zuständigkeiten für die Hochschulgesetzgebung oder die gesamte Bildungsplanung erhalten. Die Vorschläge der FDP-Fraktion zielen in diese Richtung. Meine Damen und Herren, wenn man diese wichtige Frage richtig bewerten will, sollten zwei Punkte deutlich gesehen werden. Zunächst darf die eminente Bedeutung der eben erläuterten Verfassungsänderung nicht unterschätzt werden, was gelegentlich geschehen ist. Die Bundesregierung beabsichtigt, ihre neuen Zuständigkeiten nach Inkrafttreten der Finanzverfassungsreform sehr ernst zu nehmen und in vollem Umfang auszufüllen. Sie wird aus der jetzigen Funktion des Ratgebers und des Mäzens heraustreten und die Sachentscheidungen über die künftige Gestalt unserer Hochschulen partnerschaftlich und in voller Gleichberechtigung mit den Ländern treffen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ihre finanziellen Leistungen für den Ausbau, die seit 1965 von 280 auf 650 Millionen DM stiegen, sollen vor allem durch die Beteiligung an den Neugründungen weiter erhöht werden. Die Planung von Neubau und Ausbau ist nicht ohne eine Konzeption für die innere Struktur der Universitäten möglich. Es wird also auf Grund der gemeinsamen Verantwortung für



Bundesminister Dr. Stoltenberg
den Ausbau und die Finanzierung notwendig sein, auch die Probleme der inneren Organisation von Lehre und Forschung der Hochschulen, die in der Zuständigkeit der Länder bleiben, wesentlich intensiver als bisher gemeinsam zu beraten und zu klären.
Zum anderen muß an die einfache Tatsache erinnert werden, daß Verfassungsänderungen eine qualifizierte Mehrheit des Bundestages und des Bundesrates erfordern. Man kann nicht sagen, meine Damen und Herren, daß die Landesregierungen ihre Bereitschaft hierzu bekundet haben, übrigens auch nicht jene fünf Kabinette, in denen die FDP Regierungspartei ist.

(Heiterkeit und sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Die Bundesregierung und die Ministerpräsidenten haben sich soeben ant die Einführung von Gemeinschaftsaufgaben in der Finanzverfassungsreform verständigt, eine bedeutsame Veränderung der jetzigen Kompetenzen. Wir sollten deshalb die Verwirklichung dieser vereinbarten Neuregelung abwarten und praktische Erfahrungen mit ihr sammeln. Die verfassungspolitische und administrative Problematik einer weitergehenden Zentralisierung ist in den bisherigen Diskussionen nach meinem Eindruck übrigens noch nicht genügend grundsätzlich durchdacht und behandelt worden. Es wird ohnehin zu einer spürbaren Verstärkung der Organisation der Bundesregierung kommen müssen, um die vereinbarten neuen Aufgaben in der hier beschriebenen Weise voll wahrnehmen zu können. Ich darf hoffen, daß das Hohe Haus bereit ist, der Bundesregierung die entsprechenden qualifizierten Mitarbeiter dafür zu bewilligen.

(Abg. Moersch: Sie müssen sie erst mal anfordern!)

Die Länder behalten damit für den hier umrissenen Themenkreis eine besonders große Verantwortung. Ihre Entscheidungen in übergreifenden Fragen werden durch die Notwendigkeit, in der Regel zu einstimmigen Beschlüssen zu kommen, nicht leichter. Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt, wie schwer dies oft war.
Man muß, meine Damen und Herren, mit allem Nachdruck folgendes sagen. Es wäre verhängnisvoll, wenn in den drängenden und zentralen Fragen der Hochschul- und Bildungspolitik das liberum veto einzelner oder einiger die dringend notwendigen Entschlüsse verhindern würde.

(Beifall hei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD.)

In diesem unerwünschten, hoffentlich nicht eintretenden Fall könnte der Ruf nach einer Stärkung des Bundes, nach weiteren tiefgreifenden Verfassungsänderungen so laut werden, daß er unüberhörbar wird.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich fasse die wichtigsten Folgerungen für die Bundesregierung in ihrem Verantwortungsbereich noch einmal in Stichworten zusammen:
1. Erarbeitung eines abgestimmten Ausbaukonzepts für sämtliche wissenschaftlichen Hochschulen einschließlich der Neugründungen für die Zeit von 1970 bis 1975 in einer gemeinsamen Rahmenplanung von Bund und Ländern, klare Schwerpunktentscheidungen auf Grund von verbesserten Bedarfsprognosen und der Arbeiten des Wissenschaftsrates;
2. eine weitere beträchtliche Steigerung der Bundesmittel, eine Reform des Haushaltsrechts, unter anderem mit dem Ziel, mehrjährige Investitionshaushalte zu schaffen, eine finanzielle Entlastung der Länder in der Großforschung und außeruniversitären Forschung zugunsten ihrer Aufwendungen für die Hochschulen, eine gemeinsame Finanzierung des Programms der Sonderforschungsbereiche;
3. eine nachdrückliche Förderung der Arbeiten in Bildungsrat und Wissenschaftsrat zur Einführung einer Akademiereife und Prüfung der Funktion des Abiturs, Neuordnung der Laufbahnrichtlinien und der Examensanforderungen im öffentlichen Dienst auf der Grundlage dieser Reformen und zur Förderung der Verkürzung der Studienzeiten, Weiterentwicklung des Beamtenrechts zur Verbesserung der Stellung der Hochschullehrer und vor allem des wissenschaftlichen Nachwuchses;
4. eine Verstärkung der Zusammenarbeit von Bund und Ländern in allen genannten Fragen, um die Entscheidungen im jeweiligen Verantwortungsbereich noch wirkungsvoller abzustimmen und den Gesamtzusammenhang, die Interdependenz jeder Einzelmaßnahme deutlich zu machen.
Meine Damen und Herren! Für Reformen brauchen wir in unserer demokratischen Gesellschaft die ständige Unterstützung der öffentlichen Meinung. Wir würden uns Illusionen hingeben — ich sage das im Anschluß an die Aussprache vom vergangenen Dienstag —, wenn wir übersehen, daß das hohe Ansehen von Hochschullehrern und Studenten durch die Vorgänge der letzten Zeit beeinträchtigt ist. Die kritiklose Bewunderung der Professoren, ihre einsame Höhe auf der Stufenleiter des Sozialprestiges ist stellenweise in eine pauschale Verurteilung und Polemik umgeschlagen. Aber das neue Zerrbild des reaktionären, um seine Privilegien ängstlich besorgten Ordinarius verkennt die außerordentliche Vielfalt der Überzeugungen und Verhaltensweisen unter den Hochschullehrern. Ich glaube, man muß betonen, daß ihre große Mehrheit durchaus klar und grundsätzlich Reformen bejaht. Sie ist bereit, an ihrer Verwirklichung mitzuarbeiten. Daß gegenwärtig an den Universitäten und innerhalb der Lehrkörper um die richtigen Lösungen zum Teil heftig gerungen wird, ist primär aus der Schwierigkeit, der Komplexität der Sachfragen zu verstehen, die man eben nicht mit Schlagworten allein bewältigen kann.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Allerdings wird auch sichtbar, daß viele Professoren als angesehene Fachgelehrte von neuen wissenschaftspolitischen und allgemeinpolitischen Fragen, die vor allem die Studenten mit Nachdruck stellen, wenig vorbereitet getroffen werden. Hier wirkt sich die nach 1945 vorherrschende betonte Distanzierung der Hochschulen von der Politik ungünstig aus.

(Beifall bei der CDU/CSU.)




Bundesminister Dr. Stoltenberg
Es ist gut, wenn hier jetzt eine Korrektur erfolgt. Allerdings droht in einigen wissenschaftlichen Disziplinen in einem radikalen Umschlag schon stellenweise das andere Extrem einer einseitigen Politisierung und Ideologisierung.
Das politische Engagement mancher Hochschullehrer hat sich in den letzten Jahren auf die periodische Unterzeichnung von Protestresolutionen gegen „Bonn" beschränkt.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD.)

Hier gibt es in jüngster Zeit einige bedrückende Zeugnisse der Entstellung. Ich habe vor einigen Tagen ein Rundschreiben von Professor Dr. Helmut Ridder erhalten mit der freundlichen Einladung, einen Aufruf gegen die Notstandsgesetze zu unterzeichnen.

(Lachen bei der CDU/CSU.)

Darin heißt es unter anderem — ich zitiere und bitte um Ihre Aufmerksamkeit —:
Erheben wir gemeinsam unsere Stimme gegen die Pläne einer Regierung, die unter Täuschung der Öffentlichkeit sich diktatorische Gewalt erschleichen will;

(Pfui-Rufe von der CDU/CSU — Zurufe von der CDU/CSU: Typisch Ridder!)

die bereit ist, die Bundeswehr gegen das eigene Volk einzusetzen;

(erneute Pfui-Rufe von der CDU/CSU)

die bereits heute den Notstand mit Waffengewalt übt!

(Zurufe von der Mitte: Wo denn?)

Es sind aus früheren Aktionen bekannte Namen, die unter diesem Machwerk stehen: Abendroth, Flechtheim, Hofmann, Maus und andere mehr, auch der Vorsitzende des Verbandes Deutscher Studentenschaften gehört dazu. Obwohl nach allen Meinungsbefragungen der jüngsten Zeit die Mehrheit der Studenten im Gegensatz zu einer lautstarken Propaganda und einer permanent falschen Unterrichtung der Öffentlichkeit nicht grundsätzlich eine Notstandsgesetzgebung ablehnt, wird hier eine öffentlich-rechtliche Körperschaft mit Zwangsmitgliedschaft und Zwangsbeiträgen rechtswidrig in den Dienst einseitiger politischer Propaganda-Aktionen gestellt.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD.)

Daß hier nicht das völlig legitime sachliche Für und Wider der Notstandsdiskussion im objektiven Urteil der Wissenschaftler zum Ausdruck kommt, sondern eine rein tendenziöse und bösartige Agitation, weiß Herr Ridder selbst.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Er begründet nämlich seine Sprache der Entstellung und Verleumdung in seinem Anschreiben damit, daß jetzt — ich zitiere — „Rücksichtnahmen
auf sonst angebrachte akademische Stilgepflogenheiten zurückstehen müssen",

(Zuruf von der CDU/CSU: Aber auch diesen Leuten gegenüber!)

ein Grundsatz, den ja auch manche linksradikalen Gruppen zum Schmerzen der Professoren in der universitären Auseinandersetzung durchaus beherzigen.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

So kann man es auch bezeichnen, was mir als eines der unqualifiziertesten Dokumente deutscher Wissenschaftler seit den Zeiten der Nationalsozialisten und der alldeutschen Professoren erscheint.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD.)

Das sind, meine Damen und Herren, die gleichen Herren Ridder und Abendroth, die in ihrem letzten Aufruf gegen die Notstandsgesetze vor wenigen Wochen mit zahlreichen anderen erklärten, die Berliner Blockade habe doch bewiesen, daß das Grundgesetz ausreiche, mit allen Krisensituationen fertig zu werden, jene historische Auseinandersetzung der Jahre 1948/49, die vier Wochen vor der Verabschiedung des Grundgesetzes im Parlamentarischen Rat durch das Jessup-Malik-Abkommen endete.
Wir können die Radikalisierung eines Teils der Studenten, die sporadische Anwendung von Gewalt mit ihren tragischen Opfern nicht in den tieferen Ursachen verstehen, ohne auf das Wirken dieser relativ kleinen, aber lautstarken Gruppe von Hochschullehrern zu verweisen.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD.)

Sie verfälschen das Bild der deutschen Gegenwart und Geschichte der letzten 20 Jahre permanent und laden so in der politischen Sprengwirkung ihre Thesen, etwa der hier zitierten Sätze, eine schwere Schuld auf sich.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Freilich sollten wir Politiker uns mit derartigen notwendigen Hinweisen in dieser Diskussion nicht begnügen. Wir müssen uns selbst fragen, was an der Kritik aus der jungen Generation an uns im Kern berechtigt ist., was an der unverfälschten politischen Realität der Bundesrepublik Deutschland Anlaß zur Enttäuschung und Unzufriedenheit sein kann.
Blicken wir zurück auf die Jahre 1965/66! Haben wir, die damaligen Regierungsparteien, durch innere Auseinandersetzungen und das Scheitern der Kleinen Koalition nicht manche Erwartungen der Jugend enttäuscht? Hat nicht die damalige Opposition hier und da Hoffnungen geweckt, die teilweise die objektiven Möglichkeiten deutscher Politik überstiegen? Stand der Rückschlag in der Europa- und Deutschlandpolitik, den die sechziger Jahre brachten, nicht in einem zu scharten Gegensatz zu den Erwartungen, die wir in den fünfziger Jahren hegten und weckten? Haben wir nicht relativ lange gebraucht, um die neue Situation genau zu erkennen und Antworten



Bundesminister Dr. Stoltenberg
zu finden, die realistisch sind und dennoch langfristige Zielsetzungen deutlich machen?

(Zuruf von der FDP. — Gegenrufe von der CDU/CSU.)

— Ich bewundere jeden, meine Damen und Herren, der es nicht für nötig hält, sich in diese Betrachtung einzuschließen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ist von Regierung, Parlament und Parteien die Aufgabe überhaupt schon überzeugend gemeistert, die spröden und komplexen Einzelfragen, die eben den Alltag der modernen Politik ausmachen, so zu diskutieren und öffentlich darzustellen, daß sie dem interessierten Bürger ganz deutlich werden und größere Chancen für ein qualifiziertes realistisches Engagement eröffnen? Sind die demokratischen Parteien und großen Verbände nicht immer noch weithin zu sehr durch geschlossene oligarchische Strukturen bestimmt, gefördert durch die betonte Distanz der meisten Bürger und der skeptischen Jugend zur praktischen Politik, aber jetzt herausgefordert von einem besonders kritischen und aktiven Teil der jungen Generation?
Diese und andere Fragen müssen wir uns stellen,

(Zuruf von der FDP: Die CDU!)

nicht in der Pose der Selbstanklage, aber in einer redlichen und gründlichen Gewissenserforschung, der sich niemand in falscher Selbstgerechtigkeit entziehen sollte.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD.)

Wenn es uns gelingt, jedenfalls einige überzeugende Antworten zu finden und Verbesserungen zu erreichen, wird das Gespräch zwischen den Generationen fruchtbarer. Denn die letzten Wochen haben doch deutlich gemacht, daß die große Mehrzahl der Studenten und der jungen Menschen die politische Auseinandersetzung auf dem Boden des Rechts und unserer Verfassung will und die kalt geplanten Gewaltaktionen der Linksradikalen ebenso ablehnt wie die lautstarke Agitation der Rechtsextremen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD.)

Die Einbeziehung der Berliner SED in die Aktionseinheit der sogenannten außerparlamentarischen Opposition hat vielen wohl endgültig die Augen geöffnet, was es mit diesem neuen Markenartikel wirklich auf sich hat.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Die meisten deutschen Studenten werden gegen Unfreiheit und fehlende Demokratie in anderen Ländern nicht gemeinsam mit jenen demonstrieren, die in Deutschland und Berlin ihre Mitbürger erschießen, weil sie von einem Teil des Landes in den anderen gehen wollen, und für die Freizügigkeit und Rechtsstaatlichkeit im eigenen Herrschaftsgebiet staatsfeindliche Vokabeln sind.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Sie werden wahrscheinlich auch nicht länger bereit
sein, dem Ruf „Schafft zwei, drei Vietnam" zu folgen und hinter den Fahnen jener durch die deutschen Städte zu ziehen, die deutsche Ärzte und Diplomaten, ausländische Journalisten und viele ihrer eigenen Landsleute kaltblütig ermordeten. Hier tritt in diesen Wochen eine deutliche Klärung ein, nachdem leider die Massenmedien und die linksorientierte Publizistik zu lange ihre sonst mit Recht betonte gesellschaftskritische Aufgabe gegenüber diesen erschreckenden Phänomenen der deutschen Wirklichkeit der letzten Zeit versäumt haben.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD.)

Der parteiliche, sektorale Moralismus, der nur bestimmte Verbrechen und Mißstände sieht, heftig anprangert und verurteilt, andere aber verschweigt oder sogar verherrlicht, ist von den Werten des christlichen Ethos, wahrer Humanität und Sittlichkeit meilenweit entfernt.

(Beifall bei der CDU/ CSU und der SPD.)

Uns sollten die Anzeichen der Neuorientierung in der Jugend allerdings kein Anlaß zu irgendeiner Selbstzufriedenheit und Selbstbestätigung sein.

(Abg. Moersch: Selbstgerechtigkeit!)

Nein, meine Damen und Herren, vor uns liegt nach
der inneren Entfremdung in unserem Volk, den erschreckenden Zügen der Intoleranz und des Radikalismus ein schwerer, steiniger Weg, um wieder zu einer ungestörten Kommunikation und einer Verständigung in den Prinzipienfragen unseres Zusammenlebens zu kommen. Diese Einsicht verpflichtet uns, um so nachdrücklicher das Gespräch zu suchen, das Notwendige zu tun und das Vermögen zur Reform, zum entschiedenen und notfalls auch unpopulären Handeln unter Beweis zu stellen.

(Lebhafter anhaltender Beifall bei der CDU/ CSU und Beifall bei der SPD.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0517000200
Das Wort als Mitglied des Bundesrates hat der Herr Ministerpräsident von Schleswig-Holstein.
Dr. Lemke, Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es war gut, daß sich der Bundestag am vorigen Dienstag, und es ist gut, daß er sich heute mit der neuen Situation auseinandersetzte und auseinandersetzt, die in der Anfangsperiode der zweiten Nachkriegsphase in Deutschland sichtbar geworden ist. Es war gut, daß eine weitgehende Übereinstimmung herrschte in den Analysen, in der Ablehnung von Methoden, in dem Willen zur Erhaltung der freiheitlich demokratischen Grundordnung und in der Erkenntnis, daß die parlamentarische Parteiendemokratie die optimale Staatsform ist, um in einer freizügigen hochtechnisierten Massengesellschaft die persönlichen, demokratischen und sozialen Grundrechte zu gewährleisten.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Es war gut, daß Reformen auf vielen Gebieten, insbesondere im Bildungswesen verlangt wurden. Es
soll von mir nichts wiederholt werden. Wichtig aber



Ministerpräsident Dr. Lemke
ist es, aus dem Stadium der allgemeinen Forderungen nach Reformen, nach Prüfungen, nach Konferenzen und Kommissionen herauszukommen.
Es war und ist richtig, daß der Bundestag die existenziellen Fragen unseres politischen Lebens gründlich und öffentlich diskutiert, ganz gleich, ob er eine administrative oder legislative Zuständigkeit hat oder nicht, oder ob jetzt eine solche als Gemeinschaftsaufgabe geschaffen werden soll. Meines Erachtens haben die gewählten Volksvertreter des Deutschen Bundestages und der deutschen Landtage geradezu die Pflicht, auch in den Parlamenten und nicht etwa nur irgendwo in öffentlichen Versammlungen zu politischen Ereignissen und Gedanken Stellung zu nehmen. Auch in einem Bundesstaat gibt es gesamtstaatliche Verpflichtung der Minister und der Abgeordneten.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Nur die Verwirklichung-das ist die Erfüllung
staatlicher Aufgaben durch Maßnahmen, nämlich durch Ausübung staatlicher Befugnisse — richtet sich nach den verfassungsmäßigen Zuständigkeiten. Allerdings hätte manches wirklich schon längst diskutiert und entschieden sein können. Allerdings hätten schon oft klare Ziele gesetzt werden können, auch dort, wo die Verwirklichung in der Hand der Länder liegt. Eine Auseinandersetzung über Zuständigkeiten und gegenseitige polemische Vorwürfe enttäuschen die junge Generation,

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

schaden dem — einem modernen demokratischen Staat zuträglichen — föderalen Staatsaufbau. Eine Zielsetzung für die deutsche Politik kann diskutiert, kann akzeptiert oder bekämpft werden. Eine dann folgende klare Entscheidung der zuständigen Gremien erhebt den demokratischen Staat.
Sehen Sie bitte: Die Jugend-heute wie früher —
ist ehrlich, hilfsbereit und selbstbewußt. Die technische Umgebung hat sie allerdings zugleich sehr viel nüchterner gemacht. Sie will die Wahrheit erfahren und Entscheidungen haben. Die bitteren Erfahrungen und Erkenntnisse der Älteren sind ihr nicht zugänglich: die Jugend kennt keine Unfreiheit, keine Arbeitslosigkeit, keinen Krieg, keine Zuteilung, keine Not, keine Angst, kein Reich, kein Königsberg, kein Breslau, sie kennt nicht den Wert der erstmals errungenen freiheitlich-sozialen Staats- und Gesellschaftsordnung. Die Jugend sieht vielmehr unklare Antworten zu den Ereignissen in Vietnam, in Kleinasien, zur Wiedervereinigungsfrage, zur Europa-Frage. Sie sieht das Ausweichen vor klaren Entscheidungen in innenpolitischen Fragen, jahrelange Verzögerungen in der Hochschulreform; sie empfindet, daß sie vielfach nicht gehört worden ist — daher die Skepsis gegenüber unserer parlamentarischen Parteiendemokratie —, ohne allerdings andere Vorschläge zu haben, abgesehen von dem von allen abgelehnten antidemokratischen Rätesystem. Die freiheitlich-demokratische Grundordnung, der soziale Rechtsstaat sei eben nicht da. Sie will hören, was also geschehen soll!
Lassen Sie mich nun bitte in Ihrer Mitte einmal einen neuen Weg gehen, nicht etwa, weil ich vor 13 Jahren einmal Landeskultusminister war, sondern weil ich heute als Mitglied eines Bundesorgans mit einer realisierbaren Konzeption für das Bildungswesen ein Modell zeigen möchte, das Sie diskutieren, akzeptieren, verändern oder verwerfen können. Aber Ihr Votum, meine sehr verehrten Damen und Herren, so oder so, wäre ein Wegweiser für einen Weg. Ihr Votum wäre bestimmt ein Wegweiser, der ein solches Politikum darstellt, daß der Weg auch beschritten werden würde.
In unserer demokratischen, hochtechnisierten Leistungsgesellschaft müssen alle Bildungseinrichtungen — einschließlich der Universität — Teil eines Bildungssystems sein, dessen innere Ausgewogenheit und Leistungsstärke gerade darin liegen soll, daß sowohl dem einzelnen Menschen die Chance gegeben wird, sich seinen Anlagen gemäß zu entfalten, als auch die Bedürfnisse und Anforderungen der Gesellschaft selbst durch entsprechend gebildete oder ausgebildete Nachwuchskräfte befriedigt werden können.
Dies ist in einem freiheitlichen Staat sehr schwer zu beeinflussen. Jeder junge Mensch soll in jeder Phase seiner Entwicklung die Möglichkeit haben, sich so zu entfalten, ohne dabei nivelliert zu werden; keiner darf aber auch später vom Bildungsaufstieg abgeschnitten werden, und die Gesellschaft soll nicht in einigen Berufen übersetzt sein, in anderen Berufen Mangel leiden! Aber: die Berufswahl des freien jungen Menschen ist seine Sache.
Doch eine Vorausschau auf die Berufsbilder von morgen und eine Feststellung des sich entwickelnden Bedarfs in den einzelnen Berufszweigen wirkt auf eine vernünftige Entscheidung hin. Eine solche qualifizierte Berufsberatung muß und kann auch im ganzen Bundesgebiet rechtzeitig erfolgen.
Übrigens: auch für den Staat, für uns ist dieses Material sehr wichtig, weil sich danach der Ausbau und die innere Fortentwicklung der staatlichen Bildungs- und Ausbildungseinrichtungen richten können und Fehlinvestitionen vermieden werden.
Die schleswig-holsteinische Landesregierung hat sich nun um ein modernes akzeptables Modell bemüht, das regionale Variationen ohne Substanzschaden zuläßt. Selbstverständlich erfordert es mehr finanzielle Mittel, als wenn man nur „konventionell" ausbauen würde. Aber es verwendet weitgehend Bestehendes und ist daher durchaus realisierbar. Vor einigen Wochen hat sie einen Vorentwurf für ein Hochschulgesetz, das Universität und Pädagogische Hochschulen betrifft, der Öffentlichkeit vorgelegt. Wir haben mit Bedacht einen Vorschlag unterbreitet, damit er möglichst breit diskutiert und der endgültige Entwurf eben verbessert werden kann. Hier sind seine Schwerpunkte:
Erstens: Der Gesetzentwurf verpflichtet die staatliche Verwaltung und die akademische und die studentische Selbstverwaltung, vordringlich und gemeinsam auf die Konzentration des Lehr- und Prüfungsstoffes, die Intensivierung des akademischen Unterrichts, die Einführung von Zwischen-



Ministerpräsident Dr. Lemke
prüfungen und die Verkürzung der Studienzeit hinzuwirken.
Dies betrifft also die Studienreform. Die schleswig-holsteinische Landesregierung wird auch diese ihre Vorstellungen im einzelnen der Öffentlichkeit darlegen.
Zweitens : An der Gliederung unserer Universitäten in Fakultäten soll zwar festgehalten werden, zugleich aber soll auch die Möglichkeit zur Untergliederung in überschaubare Abteilungen eröffnet werden. Fachbereiche sollen darüber hinaus — unabhängig von den Fakultätsgrenzen — zwischen den Abteilungen gegründet werden können. Dadurch soll die enge Zusammenarbeit verwandter Disziplinen ermöglicht werden.
Drittens: Der leitende Verwaltungsbeamte oder Kanzler als Spitze der Universitätsverwaltung ist eine weitere wesentliche Forderung. Denn die immer komplizierter werdende Verwaltung einer modernen Universität verlangt eine Universitätsspitze, die gleichermaßen Kontinuität und Sachnähe verbürgt und die Klammer zwischen den akademischen und den wirtschaftlichen Angelegenheiten der Universität darstellt.
Viertens: Die Mitglieder der Universität — insbesondere Professoren, Dozenten, Assistenten und Studenten — wirken funktional verschieden an der Erfüllung der gemeinsamen Aufgaben der Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden mit. Deshalb müssen sie mit differenzierten Kompetenzen an der akademischen Selbstverwaltung beteiligt sein. Sachgemäße Differenzierung, nicht aber Gleichmacherei um jeden Preis wird allein der Struktur unserer Universitäten gerecht.
Daher halten wir eine 20%ige Beteiligung der Studenten in den akademischen Gremien für angemessen und ausreichend. Die Studenten sollen grundsätzlich an allen Entscheidungen mitwirken. Das gilt insonderheit für die Erarbeitung von Studien- und Prüfungsordnungen.
Aus der Natur der Sache ergeben sich aber auch Bereiche, zu deren Mitbestimmung den Studenten die fachliche Qualifikation noch fehlt. Deshalb sieht unser Entwurf einen besonderen Fakultätskonvent vor, der ohne Studenten über Promotionen, Habilitationen und Berufungen entscheidet.
Zur Modernisierung des Habilitationsverfahrens sieht der Entwurf vor, Veröffentlichungen von erheblicher wissenschaftlicher Bedeutung oder herausragende Doktorarbeiten der besonderen Habilitationsschrift gleichzustellen. Das Habilitationsverfahren soll spätestens innerhalb eines Jahres nach Zulasung zur Habilitation abgechlossen sein. Ein Habilitationsausschuß soll das Recht erhalten, sich über
den Stand des Habilitationsverfahrens zu informieren.
Zur Straffung des Berufungsverfahrens werden die Fakultäten an zeitlich eng bemessene Fristen gebunden.
Ein weiterer wesentlicher Faktor in einem integrierten Bildungssystem — wir hörten es soeben von dem Herrn Bundesforschungsminister — ist der
Bereich der Akademie. Wir haben in unserem Entwurf eines Akademie-Gesetzes einen Vorschlag gemacht, der den Eigenwert der Akademien als Ausbildungsstätten für gehobene Führungskräfte betont und gleichzeitig die Akademien von den wissenschaftlichen Hochschulen abgrenzt. Andererseits verlangt aber die Tatsache, daß Akademiestudenten in der Regel Erwachsene und keine Schüler sind, eine weitgehende rechtliche Annäherung an die wissenschaftlichen Hochschulen.
Die Punkte, die meines Erachtens beachtenswert sind und bei einer solchen gründlichen Debatte durchaus erörtert werden müssen, sind folgende:
Die Akademien sollen eine Bildung vermitteln, die zu einer selbständigen Tätigkeit auf technischem, wirtschaftlichem, sozialem oder kulturellem Gebiet sowie im öffentlichen Dienst befähigt. Die Akademien müssen wie die Universitäten — und das ist eine wichtige und berechtigte Forderung der Ingenieurstudenten — die Rechte und Pflichten einer Körperschaft des öffentlichen Rechts erhalten. Der Rektor einer Akademie muß gewählt werden. Es muß bei den Akademien ebenfalls Kollegialorgane geben. Auch die Akademiestudenten sollen 20 % der Mitglieder der Kollegialorgane stellen.
Sehr wichtig ist dabei, daß wir außer dieser formalen Änderung des Status der Akademien dafür sorgen, daß die Ingenieurstudenten nach dem Abschluß dann auch vollberechtigte Ingenieure in der EWG sind. Das ist möglich; ich komme nachher noch einmal darauf zurück.
Wir haben für die Schulsysteme Hauptschule, Realschule und Gymnasium ein „Kieler Modell" entwickelt, das jederzeit horizontal ein Umsteigen von einer Schule in eine andere Schulart ermöglicht, das aber auch vertikal einen Aufstieg zuläßt. Man kann also von der Hauptschule schließlich auch zum Studium kommen, nämlich über die Fachschulen und die Akademien. Es ist dafür gesorgt, daß nicht ner ein horizontales Umsteigen möglich ist, sondern daß auch vertikal ein junger Mensch von einer Schule zur anderen Schule Weitersteigen kann. Dies ist ein in sich geschlossenes Schulsystem, das den modernsten Anforderungen gerecht wird.
Wir werden bei den Ingenieurstudenten dafür sorgen haben, daß sie durch eine zusätzliche theoretische und praktische Ausbildung auch wirklich innerhalb der EWG den entsprechenden Rang bekommen. In Schleswig-Holstein ist jetzt dafür gesorgt, daß eine solche zusätzliche Ausbildung auf die Akademiereife hin erfolgt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich konnte in dieser kurzen Zeit — und ich selle auch, das es im einzelnen weniger interessiert — natürlich nur thesenartig die Grundzüge einer geschlossenen, dem Menschen wie der Gesellschaft gerecht werdenden Bildungskonzeption entwickeln, die jedem Geeigneten in jeder Phase seiner Entwicklung die Bildungsmöglichkeit gibt, die er begehrt, die Vorurteile beseitigt und Fehlleitungen hemmt.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich sagte einleitend, die Jugend will wissen, wie es



Ministerpräsident Dr. Lemke
weitergehen soll. Ich gab eine Antwort für ein sehr wichtiges Teilgebiet. Ich bin sehr glücklich über das gebieterische Fragen. Kommen wir doch endlich aus der Wartesaal-Situation heraus!
Ich meine, es muß deshalb ein deutliches Wort über unseren Staat gesagt werden; denn das sollte ja wohl eigentlich die erste Antwort auf die vielen Fragen der Jugend sein:
Trotz aller Bemühungen der Bundesregierung um Verständigung ist infolge der hartnäckigen Verweigerung der Wiedervereinigung durch den Osten diese in unbekannte Ferne gerückt. Betont erklärt die neue Verfassung in Mitteldeutschland, daß die „DDR" ein sozialistischer Staat deutscher Nation ist. Auch wenn wir Unrecht nicht anerkennen, müssen wir die Wirklichkeit hinnehmen. Dann ist es aber ein Fehler, die Bundesrepublik Deutschland als ein „Provisorium der Unzulänglichkeiten" zu bezeichnen, zumal dieses angesichts der Tatsache unwahr ist, daß diese Bundesrepublik in den letzten Jahren für alle ihre Bürger Einmaliges geleistet hat. Auch unsere jungen Soldaten wollen wissen, was sie verteidigen.
Meine Antwort: Dank ihrer demokratischen Legitimation und ihrer außerordentlichen Leistungskraft ist die Bundesrepublik Deutschland zu dem freiheitlichen Kernstaat der deutschen Nation geworden.
Diese Bundesrepublik Deutschland hat u. a. zwei hervorragende Aufgaben:
Erstens innenpolitisch: Die Sicherung und Vollendung des freiheitlich-demokratischen und sozialen Rechtsstaates muß unter Beteiligung aller Gruppen — in politischen Auseinandersetzungen mit den Politikern — fortgeführt werden. In anstrengender Präsenz — nicht in der Zurückgezogenheit — der Gewählten muß sich erweisen, daß die parlamentarische Parteiendemokratie die optimale Staatsform ist, die die Grundrechte der Menschen gewährleistet. Dann haben auch im Parlament nicht vertretene Minoritäten Chancen mitzuwirken, es sei denn, sie wollen die freiheitlich-demokratische Grundordnung überhaupt beseitigen.
Zweitens außenpolitisch: Die Bundesrepublik Deutschland muß ein entschiedener Vorkämpfer für die europäische politische Union sein.

(Sehr gut! in der Mitte.)

Nur diese Kraft bietet im Hinblick auf die heterogenen Weltmächte den einzelnen europäischen Nationen die äußere und wirtschaftliche Sicherheit; nur so können auf Dauer die Freiheiten des Menschen in Frieden gesichert sein.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0517000300
Als Mitglied des Bundesrates hat das Wort der Herr Kultusminister des Saarlandes.
Scherer, Minister des Saarlandes: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dem Werk eines österreichischen Kulturhistorikers habe ich vor einigen Monaten die sehr lapidare Feststellung entnommen: „Kultur ist Reichtum an Problemen." Diese Formulierung drängt sich mir auch jetzt wieder in die Erinnerung, weil sie — wie andere bildungspolitische Auseinandersetzungen — auch diese Diskussion immerhin in der tröstlichen oder gar ermutigenden Gewißheit beginnen läßt, daß der Reichtum der hier beschriebenen Probleme auf ein breit gefächertes kulturelles Bemühen schließen läßt. Dieses Bemühen ignoriert selbstverständlich auch nicht den komplexen Bereich der Hochschulen und der für sie als notwendig empfundenen Reformen, die — in partieller Ausdeutung des in der Plenarsitzung vom 30, April entworfenen Bildes der innenpolitischen Situation — heute bevorzugt Gegenstand gemeinsamer Beratung sind und zu denen ich als Mitglied des Bundesrates, aber auch als derzeitiger Vorsitzender der Kultusministerkonferenz zugleich für einige Kollegen einige Gedanken entwickeln möchte. Ich möchte auch auf Fragen antworten, die in der letzten Sitzung insbesondere vom Herrn Abgeordneten Dr. Barzel an die Vertreter der Länder gerichtet worden sind.
Der gelegentlich an die Kultusminister der Länder adressierte Vorwurf, die infolge der sogenannten „explosion scolaire" und infolge des gewandelten Verhältnisses zwischen Universität und Gesellschaft gebotene Veränderung der Hochschulstruktur verzögert zu haben, mag wohl als ein Ausdruck sehr verständlicher drängender Ungeduld gelten; doch wird ein solches pauschales Urteil den Tatsachen sicher nicht gerecht, und ich begrüße es, daß der Herr Bundesminister für wissenschaftliche Forschung das auch eigens herausgestellt hat. Es bedurfte immerhin über Jahre hinweg einer sehr intensiven und sehr gezielten Information, um im Bewußtsein unseres Volkes den unmittelbaren Zusammenhang zwischen der von den Ländern bewußt geförderten Expansion der Bildungspolitik und der wirtschaftlichen, kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Position der Bundesrepublik zu verdeutlichen. Diese expansive Bildungspolitik hat nun in Verbindung mit dem Generationenkonflikt jene Dynamik bewirkt, die uns alle, Bund und Länder, seit geraumer Zeit und jetzt vor dem Hintergrund deutlicher Zeichen der Unruhe in hohem Maße beschäftigt. Aber, meine Damen und Herren, man kann nun einmal keine Dynamik ohne Unruhe haben, und ich sehe eine entscheidende Aufgabe darin, diese Unruhe zu einer fruchtbaren Fortführung der Dynamik zu nutzen. Konkret heißt das für unsere Bildungspolitik: Die Expansion und Reform des Schulwesens einschließlich des zweiten Bildungsweges, auf die die Öffentlichkeit einen sehr viel unmittelbareren Einfluß nehmen konnte als etwa auf die anstehende Reform der Hochschulen, ist materiell und strukturell seit einem halben Jahrzehnt im Gange. Die Tätigkeit des Deutschen Bildungsrates wird hier zweifelsohne weitere, die Bemühungen der Kultusminister ergänzende Impulse bringen. Der quantitative und auch geistig-kulturelle Druck, der durch diese Expansion entstanden ist, darf — nach wohl übereinstimmender Auffassung — nicht zu restriktiven Reaktionen verleiten; er muß vielmehr genutzt werden, um auch auf der Ebene der Hochschulen neben der Bereitstellung materieller Mittel die Bereitschaft zu strukturellen Änderungen zu fördern.



Landesminister Scherer
Erfolgversprechende Ansätze reichen zeitlich schon weiter zurück, d. h. die Reform, die nun verstärkt fortgeführt wird, hat bereits begonnen. Es sei mir gestattet, meine Damen und Herren, diese Ansatzpunkte und die von ihnen ausgehenden Entwicklungslinien wenn auch nur skizzenhaft — darzustellen. Ich hoffe, damit der begrüßenswerten Erwartung des Deutschen Bundestages zu entsprechen, von den Kultusministern der Länder einige Informationen zu erhalten.

(Zuruf von der Mitte: Vorschläge!)

Ich darf dabei ausgehen von den bekannten quantitativen Entwicklungen im weiterführenden Schul- und Hochschulwesen und den sich daraus ergebenden Notwendigkeiten zu einer baldigen Umsetzung der zahlreich vorliegenden Reformvorschläge.
Heute besuchen rund 260 000 Studenten die wissenschaftlichen Hochschulen in der Bundesrepublik. Wir haben davon auszugehen, daß im Jahre 1980 die wissenschaftlichen Hochschulen bei einem Fortbestehen der gegenwärtigen Studiendauer Plätze für rund 476 000 Studierende und bei einer Verkürzung der Studiendauer entsprechend den Empfehlungen des Wissenschaftsrates für immerhin rund 365 000 Studierende bieten müssen. Das bedeutet etwa 100 000 zusätzliche Studienplätze im Ablauf von zwölf Jahren. Hierbei handelt es sich zunächst um Schätzungen auf Grund der erwarteten Nachfrage nach Studienplätzen, nicht aber auf Grund des gesellschaftlichen Bedarfs. Dennoch muß gesagt werden -und ich stimme darin dem Herrn Bundesminister für wissenschaftliche Forschung durchaus zu -, daß dieser Bedarf entsprechend der zunehmenden Bedeutung des Dienstleistungssektors auch weiter anwachsen wird und daß mit Ausnahme einiger Fachrichtungen wie etwa im Bereich der Sozialwissenschaften ein Überangebot von Akademikern bei einer entsprechend differenzierten Fortentwicklung der Hochschule nicht zu befürchten sein wird. Durch Ausbau der bestehenden Einrichtungen und Errichtung neuer Hochschulen werden im Laufe der nächsten zwölf Jahre etwa 70 000 bis 80 000 neue Studienplätze geschaffen werden können. Von den dann insgesamt 340 000 Studienplätzen bis zur Zahl der zu erwartenden Studienbewerber von maximal 476 000, mindestens aber 365 000

(Abg. Frau Geisendörfer: 600 000!)

bleibt eine erhebliche Spanne, die zu überbrücken mit herkömmlichen Mitteln und rein quantitativen Maßnahmen nicht gelingen kann.
Erlauben Sie mir deshalb in diesem Zusammenhang, in dem sich eine Gegenüberstellung von quantitativ-materiellen Maßnahmen zum Ausbau eines bestehenden Systems mit einer qualitativen und strukturellen Neuordnung des Bildungswesens und insbesondere der Hochschulen anbietet, einen ganz kleinen Exkurs zu dem in der letzten Zeit immer wieder erhobenen Vorwurf der jahrelang verschleppten Hochschulreform. Ich glaube, man sollte eher sagen, es handelte sich um eine Verspätung der Hochschulreform, die wohl vor allem aus dein Zustand und der besonderen Situation der deutschen Nachkriegsgesellschaft zu erklären ist.
Nach ersten und, wie ich hinzufügen möchte, sehr ermutigenden Anfängen einer strukturellen Hochschulreform und einer Bestimmung des Standorts der Hochschulen in der Gesellschaft zwischen den Jahren 1947 und 1955, dem Jahr der großen Hochschulkonferenz von Bad Honnef, erfolgte im Zeichen einer Konzentration der Gesamtgesellschaft auf den materiellen Wiederaufbau und wirtschaftlichen Wohlstand ein rein materieller und personeller Ausbau der wissenschaftlichen Hochschulen, wie er insbesondere durch die ersten Empfehlungen des Wissenschaftsrats von 1960 angeregt wurde und von den Ländern unter Mitwirkung des Bundes relativ rasch bewältigt werden konnte. Erst ab Mitte der 60er Jahre erfolgte angesichts der quantitativen Veränderungen im weiterführenden Schulwesen und ihrer voraussehbaren Auswirkungen auf das Hochschulwesen sowie infolge der personellen Veränderungen im Lehrkörper — ich darf an die Zunahme im Mittelbau und in der Assistentenschaft erinnern — ein Übergang zu Reformüberlegungen struktureller Art, die auf die Anfänge nach dem zweiten Weltkrieg zurückführten, sich aber nun unter einem sehr viel größeren Druck vollziehen müssen. Diese Überlegungen werden auch durch die Erkenntnis und die genaue Feststellung der ständigen Verlängerung der Studiendauer in vielen Disziplinen und der stofflichen Überbürdung der Studien- und Prüfungsordnungen gefördert.
Diese Verspätung der Studienreform, die zu erkennen Anlaß zu kritischer Selbstbesinnung aller Beteiligten gegeben hat, bereitet im Zusammenhang mit der Expansion im Bildungswesen die heute vielfach erwähnten Schwierigkeiten, die allerdings nicht zu panikartigen Reaktionen, sondern zu wohldurchdachten und differenzierten Handlungen führen müssen. In diesem Sinne hat die Kultusministerkonferenz am 10. April ihre Grundsätze zur Hochschulreform beschlossen, deren Verwirklichung in der Landesgesetzgebung einen ganz wesentlichen Schritt in dieser Richtung darstellen wird.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0517000400

Die Empfehlungen des Wissenschaftsrats zur quantitativen Expansion unserer Hochschulen und ihres lehrenden Personals sind im Rahmen des Möglichen befolgt worden. Die Gesamtzahl der Stellen für wissenschaftliches Personal hat sich von 1960 bis 1966 mehr als verdoppelt. Dem steht eine Steigerung der Studentenzahl um 29 % gegenüber. Während 1960 zwölf Studenten auf einen Lehrenden kamen, waren es 1966 nur noch acht. Die Zahl der Stellen im Mittelbau und der Assistenten wurde überdurchschnittlich — nämlich um 117 % — vermehrt. Während 1960 auf einen Lehrstuhl im Durchschnitt vier Mittelhau- und Assistentenstellen kamen, waren es fünf Stellen im Jahre 1966. Damit sind wesentliche Voraussetzungen für eine Inten-



Landesminister Scherer
sivierung der Lehre und auch für eine Verkürzung der Studiendauer gegeben.
Lassen. Sie mich aber bei dieser Gelegenheit — wenn auch nur beiläufig - bemerken, daß in den besonders wichtigen mathematischen und naturwissenschaftlichen Disziplinen der personelle Ausbau stark akzentuiert worden ist. Während die Stellen für das wissenschaftliche Personal zwischen 1960 und 1966 insgesamt um 104 % zunahmen, betrug die Zunahme in den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern 116 % und im Mittelbau und bei den Assistenten sogar 131 %.
Zur Studienreform sind durch die Empfehlungen des Wissenschaftsrates und die beiden von dem Herrn Bundesminister für wissenschaftliche Forschung in ihrer Bedeutung gewürdigten gemeinsamen Kommissionen für Prüfungs- und Studienordnungen der Kultusministerkonferenz und der Westdeutschen Rektorenkonferenz die entscheidenden Ansätze und Arbeitsinstrumente bereits gegeben. Ich möchte bei dieser Gelegenheit bemerken, daß die Mitarbeit von Studentenvertretern in den Fachausschüssen der Kommission gute Ergebnisse zeitigt und sich für alle Seiten als nützlich erwiesen hat.
Die Kolleggeldreform war eine sehr schwierige Aufgabe und ist heute in ihrer Bedeutung leider schon vergessen, obwohl sie als Reform des aus dem vorigen Jahrhundert überkommenen Kolleggeldsystems außerordentliche Ungleichheiten in der Honorierung unserer Professoren und einige die Hochschulreform gefährdende Mißstände ausgeräumt hat. Daneben fand eine Reform des Besoldungswesens statt, die die deutschen Lehrstühle auch zu wirtschaftlich begehrenswerten Wirkungsstätten gemacht hat.
In konsequenter Fortsetzung dieser Bemühungen um eine schrittweise Reform der Hochschulen hat die Kultusministerkonferenz am 10. April Grundsätze für ein modernes Hochschulrecht und für die strukturelle Neuordnung des Hochschulwesens vereinbart. Ich darf diesen Beschluß der Kultusministerkonferenz sicher als bekannt voraussetzen und mich auf den Hinweis beschränken, daß unter den einzelnen Grundsätzen eine Fülle detaillierter Empfehlungen subsumiert sind, die nicht etwa nur verbaler Ausdruck der Reformbereitschaft sind, sondern vielmehr als Verpflichtung und als ein sehr eindringlicher Anruf an alle Gremien zu werten sind, diese Empfehlungen unverzüglich in die Gesetzgebung und auch in die Satzungen der Hochschulen zu transformieren.
Das Bedeutsame an diesem Beschluß ist, daß von den elf Ländern gemeinsam ein Grundgerüst für die weiterführende Hochschulreform aufgestellt wurde, wobei ich gewiß bin, daß die Landesgesetzgeber die für die einzelne Hochschule zweckmäßigste Form finden werden. Die von der Kultusministerkonferenz formulierten Grundsätze sollen allerdings den notwendigen gemeinsamen Rahmen abstecken. Im übrigen, glaube ich, besteht kein Zweifel darüber — das haben die Kultusminister auch sehr deutlich zu erkennen gegeben -, daß mit der Verabschiedung der Grundsätze nur ein neuer Schritt zur Hochschulreform getan wurde, daß dem aber zügig weitere Vereinbarungen folgen werden. Daraus wird sogleich auch die Auffassung deutlich, daß die Hochschulreform den Charakter eines fortdauernden Prozesses hat, an dem die gesamte Gesellschaft beteiligt ist und der infolgedessen auch nicht isoliert von gesellschaftlichen Auseinandersetzungen verlaufen kann. In diesem Sinne bedarf es auch eines sehr engen Zusammenwirkens der Bundesregierung und der Länderregierungen. Ich erinnere beispielsweise nur an die bereits vom Herrn Bundesminister für wisenschaftliche Forschung genannten laufbahnrechtlichen oder beamtenrechtlichen Probleme im Verfolg der Studienzeitverkürzung oder an das notwendige Instrumentarium der Bedarfsforschung und Bedarfsprognosen oder an das Erfordernis erhöhter Bildungs- und Forschungsinvestitionen.
Nach meinem Dafürhalten sollte deshalb geprüft werden, ob es nicht einer besseren Koordination dienlich sein könnte, in Anlehnung an das BundLänder-Abkommen von 1964 eine gemischte Kommission aus Vertretern der Länder und des Bundes zu konstituieren, die die Bildungspolitik als einen wesentlichen Bereich der gesamten Innenpolitik zum Gegenstand ihrer Beratungen macht.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Dabei denke ich insbesondere an die Bedarfsplanung. Ich glaube, daß eine solche Kommission als gutes Beispiel eines kooperativen Föderalismus viele Friktionen vermeiden könnte, die zur Zeit den ohnehin schwierigen Reformprozeß noch zusätzlich belasten.
Lassen Sie mich mit wenigen Worten auch noch eine Frage beantworten, die der Herr Abgeordnete Dr. Barzel anläßlich der Debatte am 30. April gestellt hat, und zwar zum Status und zu den Aufgaben der Ingenieurakademien. Auf diese Fragen hat sich ja seit einigen Monaten die Diskussion um eine zeitgemäße Struktur des Bildungswesens und vor allem auch eine sachgerechte Zuordnung der einzelnen Ausbildungsebenen zueinander konzentriert. Ein Ansatzpunkt hierfür sind unter anderem die seit mehreren Jahren innerhalb der EWG laufenden Verhandlungen über das Niederlassungsrecht und den freien Dienstleistungsverkehr für Ingenieure, Verhandlungen, bei denen im Ergebnis eine Benachteiligung der Absolventen deutscher Ingenieurschulen bzw. Ingenieurakademien befürchtet wird.
Primär aus innerdeutschen Bedürfnissen — aber hoffentlich auch künftig für den Status der Ingenieure in der EWG dienlich — wurde in einer Sondersitzung der Kultusministerkonferenz im November vergangenen Jahres insoweit eine neue Entwicklung eingeleitet, als sich die Kultusminister dafür ausgesprochen haben, die Ingenieurschulen angesichts der erreichten Entwicklung in den Rang von Akademien zu erheben und gleichzeitig die Eingangsvoraussetzungen mit dem Ziel einer Intensivierung der fachtheoretischen Vorbereitung zu überprüfen. Eine eigene Kommission wurde beauftragt, dazu Vorschläge auszuarbeiten und gleichzeitig die im Zusammenhang mit der Einführung einer Akade-



Landesminister Scherer
miereife entstehenden Fragen zu prüfen. Ich glaube, daß dieser Arbeitsauftrag weitgehend auch verschiedenen Initiativen entspricht, die hier im Deutschen Bundestag entwickelt worden sind.
Die besondere Problematik für die Absolventen der deutschen Ingenieurakademien liegt im EWG- Bereich darin, daß in den EWG-Ländern mit Ausnahme der Niederlande die Ausbildung der Ingenieure ausschließlich an Hochschulen erfolgt und daß nur die Absolventen dieser Hochschulen das Recht auf freie Niederlassung erhalten sollen. Eine endgültige Entscheidung ist bei den Verhandlungen, bei denen der Herr Bundeswirtschaftsminister federführend. ist, der in dieser Frage mit der Kultusministerkonferenz seit geraumer Zeit sehr eng zusammenarbeitet, noch nicht getroffen worden. Vielmehr ist es der beharrlichen Aufklärungsarbeit der deutschen Verhandlungspartner gelungen, deutlich zu machen, daß die Ausbildung von Ingenieuren an Technischen Hochschulen und an Ingenieurakademien sowohl qualifiziert als auch den Bedürfnissen der Wirtschaft und des Bildungswesens adäquat ist.
Das bildungspolitische Problem für die Kultusverwaltungen besteht darin, die Eingangsvoraussetzungen — und dabei sind wir zur Zeit — für die Akademien so zu gestalten, daß sie sowohl den innerdeutschen Anforderungen als auch den Vorstellungen über eine abgeschlossene Sekundarbildung, die den Zugang zur dritten Ausbildungsebene eröffnet, in der EWG entsprechen; und jetzt muß ich hinzufügen: ohne den bildungs- wie gesellschaftspolitisch bewährten Zugang über den zweiten oder den berufsbezogenen Bildungsweg abzuschneiden.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Die von der Kultusministerkonferenz beauftragte Kommission versteht daher ihre Arbeit in dem Sinne, die Eingangsvoraussetzungen durch die Schaffung einer Akademiereife anzuheben, ohne daß das jetzige Abitur an die Stelle der bisherigen Bingangsvoraussetzungen treten soll. Nach diesem ersten Schritt, der schon sehr bald abgeschlossen sein wird, muß eine Annäherung der zur Zeit noch unterschiedlichen Standpunkte bei der Ausarbeitung der EWG-Richtlinien gefunden werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, gestatten Sie mir abschließend noch eine kleine Anmerkung. Es galt über Jahrzehnte hinweg, als Prinzip, daß die Wissenschaft unabhängig von gesellschaftlichen und politischen Bedürfnissen zu betreiben sei. Das inzwischen vor allem in der Jugend ausgeprägte Bewußtsein, daß der ökonomische und der politische Standard eine Funktion des wissenschaftlichen Fortschritts ist, begründet sehr konkrete Erwartungen an die Hochschule und macht deren eigene Struktur zum Gegenstand kritischer Analysen. Diese sehr kritische Auseinandersetzung geht bei vielen Studenten mit einem geradezu idealtypischen Demokratieverständnis einher und wird zusätzlich von einem Generationskonflikt überlagert, der sich in betontem Mißtrauen gegenüber der verantwortlichen wissenschaftlichen und tragenden politischen Generation artikuliert. Damit will ich sagen, daß mit einer formalen Änderung der Hochschulstruktur die uns bewegenden Probleme nur teilweise gelöst sein werden, daß es in der Folge vor allem der Bereitschaft bedarf, den durch die neuen Strukturen gesetzten Rahmen mit dem erkennbaren guten Willen auszufüllen, die erwähnten Spannungen im Bemühen um das gegenseitige Verständnis für unsere Gesellschaft fruchtbar zu machen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0517000500
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Moersch.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0517000600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist des Nachdenkens wert, daß bei dieser Debatte über Hochschulfragen, die am Dienstag letzter Woche begonnen hat, die Bundesregierung zuerst den Innenminister ins Treffen geschickt hat und acht Tage später den Wissenschaftsminister und daß das gleiche die Bundesratsmitglieder getan haben, wo zunächst der Innenminister als Polizeiminister von München das Wort hatte und dann in zweiter Linie erst der Vertreter der Kultusministerkonferenz hier zu Wort gekommen ist. Denken Sie bitte darüber nach, daß es auch eine bestimmte Vorstellung von politischer Priorität enthält, wenn Sie von der Regierungskoalition in diesem Punkte so verfahren sind.

(Zurufe von der CDU/CSU: Nein, den Kern herausschält!—Von der Sache her gegeben!)

— Ich sehe und höre Proteste von Ihnen. Bisher scheint Ihnen nicht ganz aufgegangen zu sein, daß es vielleicht kein Zufall war, daß man mit dem Ordnungsprinzip begonnen und sozusagen die geistigen Fragen an die zweite Stelle gesetzt hat. Ich hatte eigentlich gewünscht, daß wir — —

(Widerspruch bei der CDU/CSU.)

— Sie werden durch Ihre Unruhe den gegenteiligen Beweis nicht erbringen können; denn das ist tatsächlich der Verlauf der Debatte, und die Öffentlichkeit hat sich darüber Gedanken gemacht. Ein Teil des Unmuts über die letzte Woche kommt eben daher, daß Sie die Prioritäten, wie Sie es zu nennen pflegen, so gesetzt haben. Aber das ist Ihre Verantwortung.
Daß hier etwas mehr im Spiel ist als der Zufall, scheinen mir die frei gesprochenen Teile der Erklärung des Herrn Bundesministers für wissenschaftliche Forschung gezeigt zu haben; denn in dem letzten Teil der schriftlich nicht vorgelegten Antwort wurde in einiger Polemik, etwa gegen den VDS-
Vorsitzenden und andere, doch ein autoritärer Gesinnungshintergrund deutlich, der genau die Frage beantwortet, der Sie bisher ausgewichen sind, nämlich die Frage, aus welcher Gesinnung heraus Sie eigentlich hier in diesem Hause Hochschulreform und Bildungsreform betreiben wollen.

(Abg. Dr. Huys: Herr Moersch, Sie waren doch selbst bei der Fernsehsendung dabei!)

— Herr Dr. Huys, es gilt, was in diesem Hause gesprochen worden ist, und dieser Teil ist in der Fernsehsendung nicht mehr drangewesen. Ich spreche nicht von den sachlichen Dingen, ich spreche von dem Gesinnungshintergrund, der hier deutlich ge-



Moersch
worden ist, und den werden Sie durch Zwischenrufe nicht wegdiskutieren können; der ist nämlich ganz schlicht vorhanden. Ich kann Ihnen das bei einigen anderen Punkten vielleicht nachher noch im Detail sagen.

(Zurufe von der CDU/CSU: Ihnen können wir es auch sagen!)

— Daß Sie das nicht gerne hören und daß es Sie überrascht, zeigt mir, wie wichtig es ist, daß wir hier darüber sprechen; denn dieser Bundestag ist in der Tat der Ort der Handlung; das haben wir vorher sogar von einem Ministerpräsidenten gehört. Nur, Herr Ministerpräsident Dr. Lemke, ich hatte mir vorgestellt, daß auch der Bundesrat der Ort der Handlung wäre und daß vielleicht die Mitglieder des Bundesrates einmal in ihrem Hause Gelegenheit nehmen sollten, freimütig und offen zu diskutieren und nicht nur vorbereitete Entscheidungen dort zu vollziehen. Daß hier und heute diese Massierung von Bundesratsmitgliedern auftritt, — —

(Zuruf der Abg. Frau Geisendörfer.)

— Frau Geisendörfer, es ist doch unbestritten, daß im Bundesrat bisher keine Bildungsdebatte stattgefunden hat, obwohl dort Gelegenheit dazu gewesen wäre. Ich bin an sich froh, daß wir sie im Bundestag haben, aber das Verfahren, das hier abgewickelt wird, dürfte nicht gerade zur Lebendigkeit der Debatte beigetragen haben. Die beiden Reden, die wir gehört haben, hätte man ja auch zu Protokoll geben können, genau wie das jetzt bei den Reden der Bundesregierung vorgesehen ist.

(Zurufe von der CDU/CSU: Ihre auch!)

— Entschuldigen Sie bitte, diese Reden sind verteilt worden. Wir haben in diesem Hause beschlossen, dank Ihrer Initiative, daß künftig etwa Große Anfragen schriftlich beantwortet werden sollten und daß die Begründungen schriftlich gegeben werden. Und jetzt protestieren Sie dagegen. Sie haben sich doch dafür stark gemacht, daß hier frei diskutiert werden soll, und wenn ich nun feststelle, daß das auf Grund des Verfahrens, das heute geübt wird, eben nicht der Fall ist, dann werden Sie nervös. Ich verstehe das nicht. Wo bleibt hier Ihre Konsequenz?

(Zurufe.)

- Es ist ein bißchen schwer, die Zwischenrufe aus
der CDU zu verstehen, weil es hier oben mehr ein Volksgemurmel ist als eine artikulierte Äußerung.

(Anhaltende Zurufe.)

Sie werden doch nicht behaupten wollen, daß Sie hocherfreut darüber sind, daß sich hier sechs Kultusminister zu Wort gemeldet haben? Oder darf ich das unterstellen? Sie sind doch sicher auch der Meinung, daß in erster Linie der Bundestag zu debattieren hätte und daß vielleicht einer der Ländervertreter hier eine abgestimmte Erklärung abgibt — das war doch wohl so vorgesehen —, und daß im übrigen, wenn sechs sprechen wollen, der Bundesrat der Ort der Handlung wäre. Wir haben nämlich bisher vergebens auf die gemeinsame Sitzung des Kulturausschusses des Bundesrats und
des Wissenschaftsausschusses des Bundestags gewartet. Die wird jetzt hier öffentlich ausgetragen. Ich habe nichts dagegen. Nur finde ich, daß man mit dem letzten zuerst begonnen hat und nicht den richtigen Weg gegangen ist. Das wird man doch hier noch sagen dürfen.

(Beifall bei der FDP.)

Meine Damen und Herren, ich komme noch einmal auf den Ausgangspunkt zurück: Die Frage der Reformen ist keine formale Frage. Die Frage der Reformen, die notwendig sind, ist eine Frage nach Ihrer Gesinnung, nämlich vor allem nach der Gesinnung der Mehrheit dieses Hauses. Diese Gesinnung ist hier schon ein wenig deutlich geworden, und ich hoffe, wir werden noch klarer sehen, unter welchen Auspizien Sie reformieren möchten. Sie müssen z. B. dabei bedenken, daß die Bundesregierung trotz aller verfassungsrechtlichen Schwierigkeiten eine gesamtstaatliche Verantwortung hat und daß sie eine Führungsaufgabe hat, auch und gerade dann, wenn die Kompetenzen nicht so klar umrissen sind. Zum Beispiel hätte man sich vorstellen können, daß an den unruhigen Tagen in Berlin nicht nur einige Bundesminister in Bonn zur Beratung zusammengetreten wären, sondern daß der eine oder andere sich auch einmal an Ort und Stelle informiert hätte über das, was dort wirklich vorgegangen ist und sich nicht nur auf die amtlichen Berichte verlassen hätte, die von vielen der Beteiligten bestritten werden und von demjenigen bestritten werden müssen, der sich an Ort und Stelle informiert hat. Ich kann Ihnen nur sagen, Sie sollten Ihre Informationen aus erster Hand beziehen und nicht im bequemen Sessel in Bonn warten, bis Sie Informationen auf dem Dienstwege bekommen haben.

(Abg. Büttner: Was soll das denn, Herr Moersch? Weitere Zurufe.)

— Was das soll? Das will ich Ihnen ganz genau sagen: Daß hier am letzten Dienstag Behauptungen aufgestellt worden sind, die den Tatbestand nicht richtig darstellen.

(Zurufe: Welche Behauptungen?)

— Zum Beispiel vom Innenminister Benda und von Herrn Innenminister Merk.

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : Welche Behauptungen?)

— Über die Art des Polizeieinsatzes, Herr Dr. Marx, wenn Sie es ganz genau wissen wollen. Mein Kollege Dorn hat einiges davon zurückgewiesen. Aber es steht doch beispielsweise fest, daß in Berlin die explosive Stimmung dadurch verstärkt worden ist, daß zunächst für die Kundgebung am Ostermontag ein Polizeiaufgebot vorgesehen war. Als dann einige Bürger von Berlin, z. B. Präses Scharf und andere, sich einschalteten und der Meinung waren, daß diese Kundgebung ohne Polizei ruhiger verläuft als mit Polizei, mußte schließlich der Innensenator von Berlin nachgeben. Hier sitzt ein Mitglied des Berliner Senats, das ebenfalls der Meinung war, daß es ohne Polizei besser geht. Es wird es Ihnen nachher bestätigen können. Schließlich ist der Beweis



Moersch
erbracht worden, daß es auf diese Weise völlig ruhig gegangen ist.

(Zurufe von der SPD: Na also!)

— Was heißt „na also"? „Na also" heißt doch hier, daß zunächst von Bonn andere Direktiven gegeben worden sind.

(Beifall bei der FDP. Zurufe von der CDU/CSU.)

— Sie hören natürlich nicht gerne, wenn man bei Ihnen einmal aufzählt, wo Sie gewesen sind, als Verantwortung wirklich ausgeübt werden sollte. Die Rede von der Verantwortung in diesem Hause ist nämlich manchmal sehr theoretisch. Dort, wo die Praxis im Spiel ist, sah man jedenfalls wenig davon. Ich hätte mir jedenfalls gewünscht, daß auch Sie in diesen Tagen in Berlin zugegen gewesen wären.

(Beifall bei der FDP. — Zuruf von der CDU/CSU/CSU: Waren Sie dort? — Weitere Zurufe.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0517000700
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0517000800
Keine Zwischenfrage.
Ich möchte Sie auf einige andere Tatbestände hinweisen, die in der Rede des Wissenschaftsministers nicht klar genug geworden sind. Auch Herr Kultusminister Scherer hat sie hier sehr vorsichtig angepeilt. Es handelt sich z. B. darum, welche Verantwortung die Bundesregierung für die Hochschulreform wirklich ausüben kann. Meine Damen und Herren, die Bundesregierung ist durchaus in der Lage — sie hat das auch bewiesen —, eine negative Art Hochschulreform zu betreiben, nämlich durch ihre Vorschläge zum Beamtrechtsrahmengesetz. Ich denke an die §§ 105 bis 114. Von dem, was vom Innenministerium damals als Kabinettsvorlage eingebracht worden ist und was offensichtlich nicht mit dem Wissenschaftsministerium abgestimmt war, kann man sich einfach nicht vorstellen, daß es so Gesetz werden soll. Was heute im Innenausschuß des Bundestages zur Beratung steht, wird, wenn es verabschiedet und Gesetz wird, die Hochschulreform blockieren. Seien Sie sich bitte darüber im klaren! Sie können also einen negativen Beitrag zur Hochschulreform leisten, wenn Sie da bleiben, wo das Innenministerium begonnen hat. In diesem Entwurf wird nämlich der Wunsch nach einem Abbau bestehender Über- und Unterordnungsverhältnisse unter den Mitgliedern des Lehrkörpers blockiert. Sie haben hier Beamtenverhältnisse auf Widerruf, die einfach zur Reform nicht passen. Sie haben das Problem der Assistenten in dieser Vorlage auf eine falsche Weise gelöst. Und Sie stellen in dieser Vorlage z. B. fest, daß Beamter auf Lebenszeit ein Nichtordinarius nur dann werden kann, wenn er Funktionen in einem Institut übernimmt. Das kann zweifellos nicht zur Verstärkung der Lehre beitragen.
Ich möchte mich hier auf die Einwände beziehen, die im Wissenschaftsausschuß vor allem von unserem Kollegen Dr. Rau vorgebracht worden sind und die nicht widerlegt werden konnten. Ich möchte hinzufügen, daß die Bundesregierung bisher nicht imstande war, hierzu eine abgewogene Darstellung zu geben, und daß offensichtlich keine Zusammenarbeit innerhalb der Bundesregierung und ihrer Ressorts auf diesem entscheidend wichtigen Gebiet stattfindet. Sonst hätte ja der Kultusminister des Saarlandes hier nicht in indirekter Form die Bundesregierung ermahnen müssen, was er vorhin in seiner Rede zu diesem Punkt getan hat. Nur haben Sie wahrscheinlich nicht ganz verstanden, was hier gemeint war. Die Länder, die reformwillig sind, werden durch diese Rechtsverhältnisse und durch diese Vorschriften daran gehindert, eine Reform so zu verabschieden, wie sie möchten. Zunächst sollte also die Bundesregierung im Kabinett Klarheit über das schaffen, was sie will und welche Ziele sie hat, und sie sollte nicht gegenteilige Vorschläge zu dem machen, was sie als Reformwillen verkündet.
Ein zweiter Fall: Es ist begreiflich, daß die Länder sich dagegen sperren, Verfassungsergänzungen zugunsten des Bundes vorzunehmen. Das wird so lange verständlich bleiben müssen, wie die Bundesregierung nicht bereit ist, ihre Kompetenzen innerhalb des Kabinetts in einem Ressort zusammenzufassen. Der Bundestag hat heute Gelegenheit, dem vom Wissenschaftsausschuß einstimmig angenommenen Antrag meines Kollegen Dr. Mühlhan zu folgen und die Bundesregierung dazu aufzufordern. Aber die Macht, das auszuführen, hat allein der Bundeskanzler. Er hat die Organisationsgewalt. Der Unterschied zwischen wohlformulierten Erklärungen und Politik ist eben der, ob man sich hier mit Erklärungen begnügt oder ob man die politischen Konsequenzen auch dort zieht, wo man einzelnen Ressortministern in diesem Kabinett weh tun muß. Solange Sie diese Kompetenzen nicht zusammengefaßt haben, werden Sie keine Klarheit in Ihrer Wissenschaftsplanung haben. Sie werden auch keine Klarheit über ihre Ausgaben bekommen, obwohl diese Klarheit dringend notwendig wäre.
Ich darf hier auf einen weiteren wunden Punkt hinweisen, damit die Debatte konkreter wird, als Sie es offensichtlich wünschen. Ich darf darauf hinweisen, daß die Frage der allgemeinen Finanzierung der Großforschung und ihrer Effektivität bisher nicht befriedigend beantwortet werden konnte, daß offensichtlich der Bund hier zu wenig führend eingegriffen hat und daß auch, wie der Wissenschaftsminister mit Recht gesagt hat, die Apparatur des Bundes dazu nicht ausreicht. Nur ist es ja eine etwas merkwürdige Art, dem Bundestag zu sagen, Herr Minister, er solle dann diese Personalbewilligung geben. Dann müssen Sie sich erst einmal im Kabinett durchsetzen Dann muß das eben in der Kabinettsvorlage drinstehen. So stelle ich mir die Arbeit einer Bundesregierung vor. Das ist der letzte Schritt, den Sie tun können, an uns zu appellieren, wenn dieses Hohe Haus Ihre Anträge im Haushaltsausschuß etwa abgelehnt haben sollte. Davon ist mir nichts bekannt, daß gut begründete Personalanforderungen abgelehnt worden wären.

(Abg. Büttner: Warum hat Herr Dahlgrün denn die Chance nicht genutzt?)




Moersch
— Ach, Herr Büttner, kommen Sie doch nicht mit solch billigen Dingen aus der Vergangenheit. Herr Dahlgrün hat keine Anforderung bekommen. Deswegen konnte er in diesem Falle keine bewilligen. Das steht doch fest, daß die Bundesregierung in ihrem Apparat nicht für diese Dinge ausgerüstet ist. Es hindert doch niemand die Bundesregierung daran, einige überflüssig gewordene Stellen in anderen Ressorts zu streichen und sie auf das Wissenschaftsministerium zu übertragen. Es muß ja nicht immer eine Vergrößerung sein. Man kann auch Aufgaben abbauen. Ich könnte Ihnen ein paar nennen. Aber dann werden Sie auch nicht zufrieden sein, weil jeder von Ihnen sein Spezialressort hat, das er verteidigen zu müssen glaubt. Das ist doch nicht unsere Sache, hier den Korrektor der Bundesregierung zu machen. Es ist doch Sache der Bundesregierung, wie sie die Wichtigkeit ihrer Aufgaben sieht, und daß sie sie nicht sieht — —

(Abg. Leicht: Sehr gut, aber Sie machen ihn doch!)

— Ach, Herr Leicht, setzen Sie sich doch oben auf die Regierungsbank. Wenn Sie unten als Parlamentarischer Staatssekretär Zwischenrufe zu Ihrem Ressort machen wollen, halte ich das für ein ungewöhnliches Verfahren.

(Abg. Rasner: Abgeordneter ist er doch immer noch!)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0517000900
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter, das muß ich rügen.

(Abg. Moersch: Entschuldigung!)

Ein Mitglied des Hauses hat das Recht, sich nach seiner Funktion zu verhalten.

(Beifall.)

Ich würde einen Zwischenruf eines Staatssekretärs von dieser Regierungsbank nicht dulden. Aber als Mitglied des Hauses genießt er jede Freiheit wie alle anderen Mitglieder auch.

(Abg. Rasner: Genau das! — Beifall bei den Regierungsparteien.)


Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0517001000
Herr Leicht, ich bitte um Entschuldigung, daß ich diese Replik gemacht habe.

(Zuruf von der CDU/CSU: Wir sind gute Demokraten!)

Aber ich meine, Herr Leicht, daß Sie das getroffen hat, zeigt mir, daß es doch wohl nicht ganz falsch sein kann.

(Lachen bei den Regierungsparteien.)

Ich beziehe mich auf die Äußerung des Kollegen Dr. Dichgans, der hier dieses gleiche Petitum vorgetragen hat, nur in seiner vornehmen Art für die Bundesregierung offensichtlich nicht deutlich genug. Geldausgeben kostet Geld, und Sie haben sich bisher nicht entscheiden können, die Abteilungen zu verstärken, die Geld ausgeben müssen und können. Sie geben inzwischen beinahe 3 Milliarden DM im Bundesetat für die Forschung aus. Sie müssen sich die Frage gefallen lassen: Wo ist die Effektivität?
Sie haben z. B., Herr Minister, in diesem Hause Erklärungen über die Qualität Ihrer Projekte zur Förderung der Datenverarbeitung abgegeben. Sie haben uns heute nicht gesagt - Sie waren auch nicht gefragt, aber wir möchten es gern von Ihnen

(Abg. Frau Geisendörfer: Es war heute nicht das Thema!)

— Entschuldigen Sie, Sie haben eine Anfrage über die Großforschung gestellt, Frau Geisendörfer. Da müssen Sie sich schon die Frage gefallen lassen, wie es damit steht. Sie haben das initiiert, nicht wir. Wir haben einen Entschließungsantrag dazu eingebracht.
In der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung", deren Gründlichkeit in bezug auf die Seite „Wissenschaft und Technik" sicherlich unbestritten ist, ist am 24. April ein Aufsatz erschienen, der Sie alle eigentlich hätte alarmieren müssen. Daraus geht nämlich schlichtweg hervor, daß nach Meinung des sachkundigen Redakteurs, die wohl recherchiert ist, in den nächsten Jahren die deutsche Wissenschaft zum Teil in der Forschung lahmgelegt wird, weil keine Rechenkapazität dafür vorhanden ist, weil die optimistischen Voraussagen des Ministeriums und der Fachleute, die das Ministerium beraten haben, der Wirklichkeit nicht standhalten — ein Jahr, nachdem wir das hier besprochen hatten. Darauf muß dieses Haus eine Antwort haben. Diese Bundesregierung hat schließlich riesige Summen in der mittelfristigen Finanzplanung für diese Aufgaben stehen. Wir wissen alle, wie dringlich diese Aufgaben sind. Ich habe den Eindruck, daß hier ganz einfach der Mangel an Personal dazu geführt hat, daß man sich falsch hat beraten lassen. Anders wäre das doch wohl nicht denkbar. Das zeigt aber auch, daß die Hoffnung von Ministern, durch bestimmte Chargen in der Beratung zu einer sinnvollen Entscheidung zu kommen, offensichtlich trügt, daß man die Auswahl der Beiräte eben nicht allein nach Titeln und Funktionen vornehmen kann, sondern daß man unter Umständen auch einmal den ungewöhnlichen Weg gehen muß, etwa junge wissenschaftliche Mitarbeiter heranzuziehen, die unmittelbar mit der Materie befaßt sind. Da kann man zwar ein Ministerium nicht mit großen Namen schmücken; man hat dafür aber vielleicht den Sachverstand zusammen, den man wirklich braucht, um solche Entscheidungen zu treffen.

(Beifall bei der FDP.)

Lassen Sie mich noch ein Weiteres dazu sagen! Auch diese Frage ist hier schon oft behandelt, aber von der Regierung noch nie klar beantwortet worden. Es fehlt in unserer wissenschaftlichen Selbstverwaltung die Öffentlichkeit. Es fehlt die Möglichkeit, die Entscheidungsargumente durch andere Wissenschaftler kritisch zu überprüfen und ihre Argumente genügend zu werten. Dieses Fehlen der kritischen Öffentlichkeit bringt die Gefahr mit sich, daß dieses Parlament zu Entscheidungen veranlaßt wird, die es selber gar nicht genügend beurteilen kann. Es fehlt meiner Ansicht nach auch die Klarheit über das, was eigentlich geschieht.



Moersch
Wenn diese Bundesregierung den Weg geht, den der Wissenschaftsminister heute wieder angedeutet hat, nämlich praktisch die Großforschung aus der Finanzierung der Universitäten durch die Länder zugunsten des Bundes herauszulösen, so glaube ich, Sie sollten die Gefahr nicht übersehen, daß hier die modernen Teile der Forschung zunächst auf Grund von Finanzproblemen vollends von der Hochschule weg verlagert werden und daß am Ende eben gerade diejenigen Menschen in Deutschland nicht ausgebildet werden können, die in neuen Forschungsbereichen tätig sein müssen, daß Sie also damit sozusagen das Geld am falschen Platz ausgeben, ohne Beziehung zu der Ausbildungsaufgabe. Auch hier sollte die Bundesregierung einmal etwas präziser werden und sagen, wie sie diese Gefahr sieht und wie sie ihr begegnen möchte.
Schließlich muß ich Ihnen ganz offen sagen, daß dieses Parlament eine Kontrollmöglichkeit braucht, um gerade diese großen Ausgabenblöcke künftig besser unter die Lupe nehmen zu können. Wir brauchen in diesem Parlament eigene Sachverständige, von mir aus Wirtschaftsprüfungsgesellschaften oder was auch immer, um einmal prüfen zu können, was eigentlich mit den hohen Forschungsmitteln in manchen Instituten geschieht. Immer wieder hören wir, daß teure Apparaturen kaum genutzt werden, daß sie beispielsweise nur wenige Stunden am Tag in Betrieb sind. Wir haben nur den Überblick darüber, daß das Geld ordnungsgemäß ausgegeben ist, aber wir wissen nicht, ob auch ordnungsgemäß damit gearbeitet wird. Das hängt mit dem Institutscharakter, mit ihrer Verfassung zusammen. Aber dieses Parlament hat die Pflicht, das zu prüfen, denn wenn wir nicht genau Bescheid wissen, was hier geschieht, können wir künftig der Öffentlichkeit gegenüber die Ausgabe dieser Riesensummen nicht verantworten, die zur Erfüllung der künftigen Aufgaben gebraucht werden.

(Beifall bei der FDP.)

Ich hätte gewünscht, daß die Bundesregierung in der Antwort auf diese Fragen etwas präziser geworden wäre.
Ich hätte mir auch gewünscht, daß der Herr Bundesminister die Frage beantwortet hätte, wie es eigentlich mit den wirtschaftlichen Erträgen aus Forschungsförderungsmitteln steht, die beispielsweise an die Industrie oder an die Institute gehen, wie es in Deutschland eigentlich mit den Patenten und Lizenzen steht, die wir hier doch indirekt erwerben. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, daß solche Lizenzen und Patente in den Vereinigten Staaten von der Regierung teuer verkauft werden, daß
sie aber den eigenen Industrieunternehmen kostenlos zur Verfügung gestellt werden.
Nun, ich glaube, wir sind in dieser Diskussion an dem Punkt, an dem wir uns überlegen müssen, ob es heute noch sinnvoll ist, das staatliche Bildungsmonopol im Hochschulbereich aufrechtzuerhalten. Wir haben anläßlich der Etatdebatte von der FDP aus einen Entschließungsentwurf eingebracht, der, wie ich sagen muß, versehentlich dem Ausschuß überwiesen worden ist. Er sollte heute hier zur Debatte stehen. Ich muß ihn deshalb kurz begründen. In diesem Entschließungsentwurf schlagen wir vor, daß die Bundesregierung von sich aus initiativ wird, d. h. ihre guten Dienste zur Gründung einer privaten Modellhochschule, wie ich es einmal nennen möchte, oder einer Stiftungshochschule anbietet. Herr Staatssekretär von Heppe hat sich darüber vor einigen Wochen in Hannover auf einer Pressekonferenz geäußert und erklärt, daß die Stiftung Volkswagenwerk ihr Geld bedauerlicherweise nicht zu diesem Zweck ausgeben könne, was doch wohl ursprünglich beabsichtigt war. Ich möchte Ihnen dringend vorschlagen, diesen Gedanken sehr ernst zu prüfen und uns auch in diesem Hause einmal speziell mit dieser Frage zu befassen. Damit könnte z. B. das Problem der Universität in Bremen gelöst werden, wenn etwa der Bund durch Veräußerung von Bundesvermögen Stiftungskapital in eine solche privatrechtliche Hochschule einbrächte und wenn der Bund bereit und in der Lage wäre, die Rechtsvorschriften zu ändern oder den Vorschlag zu der Änderung zu machen, die notwendig ist, um hier experimentell etwas Neues zu gestalten. Wir denken ganz besonders daran, daß die soeben hier beklagten Laufbahnvorschriften und anderes eben in solchen Einrichtungen gar nicht gelten konnen, daß Sie in einer Hochschule privatrechtlichen Charakters beispielsweise eine Mobilität zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung bekämen, daß Sie hier wirklich den personellen Austausch vornehmen können, der sicherlich für alle Teile nur von Vorteil sein kann. Denn Sie werden ja wohl nicht bestreiten, daß in unserem Lande — im Gegensatz zu einer oft geäußerten Meinung — nicht so sehr ein Nachholbedarf an technischem Wissen besteht als ein Bedarf an Veränderung des Managements sowohl in der Regierung als auch in der Industrie und daß man derartige Hochschulen durchaus brauchen könnte, um diesen Gedanken weiterzuentwickeln; daß wir — entgegen einer für uns durchaus schädlichen Diskussion — gar nicht sosehr technisch im Rückstand sind als vielmehr die Umsetzung technischer Erkenntnisse in die Praxis nicht genügend im Griff haben. Da gibt es ja inzwischen Sachverständigenäußerungen — damals in Berlin —, die das zur Genüge belegen. Wir werden Gelegenheit haben, uns künftig im Wissenschaftsausschuß mit den Sachverständigen weiter über diese Dinge zu beraten. Deshalb muß hier die Frage zur Debatte stehen, ob die Bundesregierung und die Regierungsmehrheit bereit sind, von Verfassungsänderungen, die wir vielleicht doch einmal beschließen, sinnvollen Gebrauch zu machen.
Vom Wissenschaftsminister ist gesagt worden, daß die Überlegungen zur Finanzreform uns ein Stück weiterbrächten und das die Bundesregierung auf diesem Umwege ihren Einfluß auf die Hochschulpolitik kräftig ausüben wolle. Nun, wenn Sie das wollen, müssen Sie zunächst einmal in dieser Koalition den Inhalt der Reformen bestimmen, die Sie gemeinsam vornehmen wollen. Das Instrumentarium allein wird dabei nicht genügen. Ich habe den Eindruck, daß es hier durchaus Differenzen gibt, in dem Ziel nämlich, das Sie erreichen möchten.



Moersch
Das Ziel der FDP auf diesem Gebiet ist klar. Wir wollen ein besseres demokratisches Instrumentarium für Hochschule, Forschung und Bildungsplanung. Das wollen wir mit unseren Verfassungsänderungsanträgen, die hier ja schon begründet worden sind, erreichen, speziell auch bei der Bildungsplanung. Statt des Geleitzugprinzips — das ja hier selbst in Zweifel gezogen worden ist — mit dem Vetorecht eines einzelnen Bundeslandes in Bildungsfragen, etwa in den Grundfragen der Bildung, wollen wir demokratische Mehrheitsentscheidungen im Bundestag und Bundesrat. Wie sehen nämlich sonst die Gefahr, daß Expertengremien unkontrolliert von Öffentlichkeit und Parlament praktisch die Politik machen. So nützlich Wissenschaftsrat, Bildungsrat und alle möglichen Forschungsbeiräte auch sein mögen — sie sollten ganz klar reine Beratungsfunktion haben und die politischen Entscheidungen der Parlamente und der Regierungen vorbereiten, und sie sollten auch veranlaßt werden, Alternativvorschläge für die politischen Gremien zu machen, damit überhaupt eine Möglichkeit der Entscheidung zwischen verschiedenen Vorschlägen besteht. Auch das ist, glaube ich, nützlich.
Und ein Drittes. Wir wollen Verwaltungsabkommen beseitigen — so gut sie in dem einen oder anderen Falle gewesen sind —, weil sie die Durchsichtigkeit verhindern, weil sie die Entscheidungen von der parlamentarischen Verantwortlichkeit und damit schließlich auch vom Wähler weg verlagern.
Ich betone ausdrücklich, daß wir Freien Demokraten durchaus den Föderalismus in seiner ganzen Bedeutung nicht nur erkennen, sondern auch begrüßen. Wir sehen in ihm die machtbrechende und machtkontrollierende Funktion, und wir schätzen sie nicht gering, wir brauchen sie. Diese Funktion sollte durchaus wieder belebt werden. Sie ist jetzt zum Teil einer Bürokratie gewichen, die weder unitarisch noch föderalistisch ist, die einfach abseits demokratischer Verantwortlichkeit ausgeübt wird. In den letzten 20 Jahren hat dieser Föderalismus zur Zersplitterung im Bildungswesen geführt, und er hat zur Behinderung statt zur Förderung der Mobilität beigetragen.
Wir müssen im Bildungswesen vergleichbare Strukturen über die Ländergrenzen hinweg schaffen und dadurch die notwendige Mobilität, etwa beruflicher Art, erreichen. Wir müssen einigermaßen einheitliche Prüfungsordnungen haben, die Prüfungsanforderungen müssen gleich sein, die Prüfungsziele müssen gleich sein; denken Sie nur an die Fragen der Anstellung von Lehrern. Das kann man in einem Bundesrahmengesetz durchaus mehrheitlich regeln, dazu bedarf es nicht ,des jetzigen Systems.
Die Bundesregierung aber vermischt jetzt in ihren Vorschlägen wiederum unitarische und föderale Elemente. Sie redet zwar von kooperativem Föderalismus — was übrigens eine Tautologie ist —, hat aber bis jetzt keine klaren und praktischen Lösungsvorschläge gemacht, und sie sind ja wohl auch bei dem jetzigen System kaum zu erwarten.
Wenn wir den Bundesrat in der Gesetzgebung mehrheitlich so einschalten, wie wir das wollen, ist das keine Absage an den Föderalismus. Der Bundesrat muß dann die Richtlinien selbst mit beschließen, und wir könnten ohne ihn auch im Bundestag keine Entscheidungen treffen.
Da wir aber heute hauptsächlich über die Struktur der Hochschule zu sprechen haben, lassen Sie mich ganz kurz unsere Zielvorstellungen einer Hochschulreform darlegen, mit dem ausdrücklichen Hinweis, daß wir sie zur Debatte stellen und daß wir um Kritik in diesem Hause und außerhalb dieses Hauses bitten, weil wir glauben, daß diese Grundlagen einmal Gegenstand eines Rahmengesetzes des Bundes werden sollten und daß sie dann gründlich nach allen Seiten abgewogen sein sollten.
Zu den Prinzipien wäre zu sagen, daß wir die Aufgabenstellung der Hochschule in erster Linie darin sehen, das Bürgerrecht auf Bildung zu realisieren. Sie muß daneben der Forschung und Lehre, muß der Berufsausbildung und -fortbildung und muß nicht zuletzt der Heranbildung kritischer Demokraten dienen, und zwar durch Praktizierung der Demokratie im eigenen Hochschulbereich, durch Offenlegen der gesellschaftlichen und politischen Relevanz der einzelnen Hochschuldisziplinen.
Zu den Organisationsstrukturen wäre zu sagen, daß wir die Gliederung des Großbetriebes Universität in überschaubare und funktionsfähige Einheiten wünschen. Wir wünschen weiterhin die Sicherung von Kontinuität und Sachverstand in der Verwaltung. Dafür sind die verschiedensten Modelle möglich, beispielsweise die Präsidialverfassung, das Dreier-Rektorat oder eine Lösung etwa nach dem Vorbild der Gemeindeverfassung von NordrheinWestfalen, einschließlich einer Zuordnung von Kuratorien und Beratungsgremien, die selbst mitentscheidende, vielleicht sogar Veto-Funktionen in bestimmten Fragen haben könnten.

(Abg. Dr. Schober: In welchen Fragen?)

— Zum Beispiel auch in Berufungsfragen, Herr Dr. Schober; ich bin durchaus der Meinung, daß sie da eingeschaltet werden könnten. Das ist ein Vorschlag, der im Wissenschaftsausschuß schon besprochen worden ist. Ich halte ihn für sehr erwägenswert. — Wir sollten also solche Hochschul-Verfassungsvorstellungen anbieten, ohne daß sie einheitlich verwirklicht werden müßten.
Wir wünschen aber vor allem eines: die Öffentlichkeit und Nachprüfbarkeit aller Entscheidungen aller Hochschulorgane und -einheiten. Die Hochschule selbst muß so öffentlich in ihrem Wirken sein, daß kein Mißtrauen der Art entstehen kann, wie es auf Grund von mangelnder Information in der Vergangenheit sehr oft zu beklagen war.
Wir wünschen weiter eine gleichberechtigte und gleichmäßige Teilhabe aller Personengruppen in der Hochschule an der Selbstverwaltung, zuzüglich von Beiratsmitgliedern, die außerhalb der Hochschule stehen. Das heißt, wir wünschen eine kräftige Mitwirkung der Studenten. Ich will sie nicht prozentual begrenzen. Ich habe persönlich nichts gegen die Drittelparität. Das ist eine Frage der Funktionsfähigkeit. Ich bin allerdings der Meinung, daß die



Moersch
Gruppen in der Hochschule, die von einem Problem unmittelbar betroffen sind, von den beiden anderen jedenfalls nicht sollten überstimmt werden können und daß wir Regelungen finden müssen, die einen klaren Minderheitenschutz in diesem Falle sichern.
Wir wünschen des weiteren, daß der Geltungsbereich des Hochschulgesetzes großzügig abgegrenzt wird. Wir meinen, daß ein modernes Gesetz dieser Art den gesamten dritten, den tertiären Bereich des Bildungswesens umfassen soll — ich sage: den gesamten —, um das, was heute hier anklang, nämlich die Abschottungen zwischen den verschiedenen Bildungseinrichtungen dieser Stufe abbauen zu können, also etwa zwischen Akademien und wissenschaftlichen Hochschulen. Ich glaube, daß wir in diesem Gesetz zu einer differenzierten Gesamthochschule jedenfalls den Weg ebnen sollten.
Die nachhaltige Reform — darüber sind wir uns im klaren — ist durch den Ausbau der Hochschulen allein nicht möglich. Strukturelle Erweiterungen entsprechend etwa dem Dahrendorfschen Hochschulgesamtplan oder auch dem Gesamthochschulmodell, das Herr Senator Evers uns vorgelegt hat, sind notwendig. Deswegen wäre eine getrennte Gesetzgebung für Hochschulen einerseits und höhere Fachschulen andererseits reformfeindlich. Das heißt, ich halte nichts davon, daß wir dann noch getrennte Akademiegesetze verabschieden, zumal ich den Eindruck hatte, daß nach Bekanntwerden des Dahrendorf-Planes in einigen Bundesländern zu seiner Abwehr solche Akademiegesetze geradezu gefördert worden sind. Sie bewirken dann am Ende im Grunde genommen einen Etikettenschwindel und können nicht zur Reform beitragen.
Es ist uns sicherlich klar, daß hier auch die Probleme der EWG gesehen werden müssen. Ich glaube aber, daß der Fehler, der im EWG-Vertrag in der Bewertung unseres Abiturs gemacht worden ist, nicht dazu führen darf, daß wir nun auf Grund dieses Fehlers, der die Gleichberechtigung unserer Ingenieure in der EWG erschwert, zu einer Zementierung solcher Stufenverhältnisse kommen. Ich widerspreche hier ganz klar den Vorstellungen der CDU/CSU- Fraktion und auch dem, was hier vorhin von den Vorrednern vorgetragen wurde. Ich halte nichts von einer besonderen Akademiereife auf Zeit oder auf Dauer. Ich glaube, daß wir im Gegenteil zunächst einmal die Grundvorstellungen über den Inhalt des Abiturs zu verändern haben, daß wir nicht zweierlei Reifeprüfungen haben sollten, daß wir aber innerhalb des Abiturs zu stark differenzierten Ausbildungsgängen kommen müssen und sie auch, je nach Begabungsrichtung, anzubieten haben. Das heißt: es muß eine Reifeprüfung geben, die dem Alter nach deutlich unter dem liegt, was heute üblich ist, und die unterschiedlichen Inhalts sein muß. Auch eine Berufspraxis muß dabei sehr viel mehr als Bildungswert anerkannt werden. Vor allem muß ein Weiteres getan werden: für die Kinder, die von zu Hause aus nicht so sprachgewandt sind, muß beispielsweise die Vorschule als Pflicht eingeführt werden; denn dort entscheidet sich in Wahrheit, ob sich schon im fünften Lebensjahr Begabungen entwickeln können. Wenn die Kinder erst im siebenten Jahr zur Schule kommen, sind eben schon sehr viele benachteiligt, die auf Grund ihrer Anlage gar nicht benachteiligt sein müssen.
Wenn wir das tun, dann kommen wir, glaube ich, wieder in Deutschland dazu, daß man auch mit 18 Jahren die allgemeine Reifeprüfung ablegt, und dann löst sich auch das Problem des Zugangs zu den Ingenieurschulen oder den Fachhochschulen. Früher war es doch so, daß der Weg dorthin deswegen notwendig war, weil wir eine relativ geringe Anzahl von Abiturienten hatten. Wir bringen jetzt viele junge Menschen zum Abitur, die früher kein Abitur gemacht hätten, sondern etwa den zweiten Bildungsweg gegangen wären, so daß das Angebot an Abiturienten bald durchaus ausreicht, um etwa den Nachwuchs für die Fachhochschulen in vollem Umfang zu gewährleisten.

(Abg. Dr. Schober: Das wollen wir ja gerade!)

— Entschuldigen Sie, Herr Dr. Schober, aber Sie teilen schon wieder in verschiedene Klassen ein, und ich sage Ihnen voraus, daß dann der Drang, das richtige Abitur zu machen, keineswegs nachläßt, wie Sie glauben, und daß dann erst recht nicht der Drang nachläßt. auf jeden Fall zur Universität zu gehen und nicht etwa über die Fachhochschule sich die Möglichkeit offenzuhalten, doch noch ein zusätzliches Studium zu absolvieren.

(Zurufe von der Mitte: Sie irren!)

— Das ist eine Frage des Glaubens; da gebe ich Ihnen recht. Aber ich bin jedenfalls der Meinung, daß Ihre Vorschläge nicht zu dem gewünschten Erfolg führen, sondern daß man es hier mit einem klaren System versuchen sollte. Das heißt natürlich, daß Sie für bestimmte Studiengänge in den Anfangssemestern Zusatzlehrgänge vorschreiben müssen, was Sie ja bei den Theologen in Griechisch und Hebräisch schon tun und was wir nach dem Kriege getan haben. Da sind wir mit dem Reifevermerk zur Universität gekommen und haben zusätzlich Vorsemesterkurse absolviert. Das ist auch gegangen.
Nur so erreichen Sie nämlich, daß in Deutschland das eintritt, was in der ganzen Welt üblich ist, nämlich daß man mit 25 Jahren wirklich auch als Akademiker in den Beruf eintreten kann, vorausgesetzt, Sie sind dann in der Lage, dafür zu sorgen, daß die Fort- und Weiterbildung entsprechend gewährleistet ist. Das muß natürlich sein. Das betrifft auch das Beamtenrecht. Warum eigentlich soll es in Deutschland so bleiben, daß jemand, der mit 25 Jahren eine Prüfung abgelegt hat, von dieser Prüfung bis zum 65. Lebensjahr unbeschadet zehren kann? Warum soll er nicht veranlaßt werden, zwischendurch einmal seine Qualifikation erneut zu beweisen oder auch aufzusteigen?

(Abg. Frau Geisendörfer: Das bestreiten wir alles nicht!)

— Entschuldigen Sie, Frau Geisendörfer, wenn Sie das gedanklich vorsehen, dann kommen Sie auch zu einem Bildungswesen und Bildungssystem, das am Ende sogar wirtschaftlicher ist als das, was wir heute haben. Das alles können Sie aber doch nicht



Moersch
in den Verfassungsformen vollenden, die Sie offensichtlich weiterhin zu bewahren wünschen. Das können Sie doch nur tun, wenn Sie dem Bund eine Rahmenkompetenz auf diesem Gebiet geben, damit Mehrheitsentscheidungen möglich sind. Wie wollen Sie denn bei den Zuständen, die da und dort noch in den einzelnen Ländern herrschen, jeweils das Geleitzugprinzip abschaffen? Wollen Sie hier die Fortschrittlichen gewissermaßen zum Maßstab Ihrer Entscheidungen machen? Das wird Ihnen nicht möglich sein.
Aber zurück zur Hochschule. Nur einige Sätze zum Problem der Autonomie. Diese Autonomie, die heute auch hier in der verschiedensten Weise beschworen worden ist, soll die Freiheit von Forschung und Lehre sichern. Die Freiheit von Forschung und Lehre wird aber im Gegensatz zu manchem anderen, was hier anklang und auch in Ihrer Frage angeklungen ist, nicht nur durch sachwidrige Eingriffe des Staates gefährdet, sondern auch durch die Hierarchie an der Hochschule selbst. Ich nenne Stichworte: den Lehrstuhlabsolutismus, die Nebentätigkeit der Lehrstuhlinhaber, Auftragsforschung und anderes mehr. Ich glaube, daß die Fragestellung der CDU/CSU insofern, als die Frage auf die Studenten und ihre offensichtlich unerbetene volle Mitwirkung zielte, polemisch und etwas einseitig klingt und deshalb unfair ist. Wir sollten hier durch eine wohlüberlegte Gesetzgebung die Demokratisierung und die kritische Gesellschaftsbezogenheit der Hochschulen ermöglichen und sichern. Das allein rechtfertigt nämlich diese Autonomie in der Demokratie. Der Katalog von Hinweisen des Herrn Bundeswissenschaftsministers auf die erzielten Fortschritte war mir in diesem Falle wiederum nicht klar genug. Ich hätte eigentlich gerne gehört, was nun der erklärte Wille der Bundesregierung ist. Die CDU/CSU-Fraktion hat hierzu inzwischen einen Entschließungsantrag vorgelegt. Ich war der Meinung, die Bundesregierung sollte uns einmal sagen, wie sie sich das alles vorstellt, was wir hier von der FDP als Opposition vorgetragen haben. Ich sehe, daß offensichtlich das Betrachten und das Referieren immer noch leichter sind als das Handeln.
Ich meine, vieles von dem, was hier vorgetragen worden ist, ist als Bestandsaufnahme recht ordentlich und hat auch ganz gut geklungen; aber es fehlt die Führungsaufgabe, es fehlt das Erkennen der Führungspflicht der Bundesregierung in diesen Fragen. Man kann nicht warten, his da und dort verschiedene Vorschläge kommen, und sie dann zu irgendeinem Mosaik zusammensetzen wollen. Ich bin der Meinung, daß die Bundesregierung von sich aus der aktive Teil im Gespräch mit den Ländern sein müßte.
Lassen Sie mich das noch sagen: In diesen Ländern sitzen ja CDU- und SPD-Minister in der Mehrheit. Der gesamte Bundesrat wird von den gleichen beiden Parteien beherrscht, die diese Koalition hier in Bonn bilden. Wieso eigentlich sollte es nicht möglich sein, im Bundesrat verfassungsändernde Mehrheiten zu bekommen? Wenn Sie nur wollen! Es ist doch offensichtlich deswegen nicht möglich, weil vor allem innerhalb der CDU/CSU, aber auch innerhalb der SPD schwere Konflikte aus einem beharrlichen Verhalten in den Ländern und aus dem entstehen, was Sie hier im Bunde bereits an Erkenntnis gewonnen haben. Diese Konflikte sollten Sie austragen. Sie sollten auch in Ihren Parteien den Mut haben, zu Mehrheitsentscheidungen zu kommen. Warum stimmen Sie nicht einmal in Parteitagen über solche Dinge ab? Warum machen Sie nur diese Gesangsveranstaltungen und ähnliches, die Sie gelegentlich — kürzlich in Braunschweig — hatten? Warum äußern Sie sich nicht zu konkreten Vorstellungen und sagen, was Sie nun für die Partei selbst wollen?

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Huys.)

— Die FDP-Parteitage, Dr. Huys, haben es politisch durchaus in sich, darauf sind wir stolz. Bei uns weiß man, warum auf dem Parteitag diskutiert worden ist,

(Beifall bei der FDP)

hei uns fliegt man nicht mit dem Hubschrauber senkrecht auf die Tagungsstätte ein, sondern bei uns bereitet man Anträge vor und diskutiert darüber.

(Zuruf von der Mitte: Man steigt aber senkrecht auf! — Weitere Zurufe.)

— Das ist der Unterschied zwischen unten und oben, meine Herren. Ich sagte, Sie seien herunter gekommen; das ist der Unterschied.

(Erneute Zurufe von der Mitte.)

Lassen Sie mich zum Schluß noch eines anmerken, das auch für dieses Hohe Haus gilt und bedacht werden muß; ich glaube, es ist das Wesentliche. Vieles, was hier beispielhaft auf den Hochschulbereich bezogen gesagt worden ist, gilt für unser gesamtes Bildungswesen. Das Gegenbild der falsch, weil allzu statisch verstandenen und egoistisch interpretierten Hochschulautonomie ist nun einmal die veraltete, der staatlichen Bürokratie ausgelieferte, den angepaßten Untertan produzierende Schule. Zwischen diesen Extremen werden wir für alle Stufen des Bildungswesens den sachgerechten Pfad der Demokratisierung und der kritischen Gesellschaftsbezogenheit finden müssen. Nur dann können wir moderne, entwicklungs- und leistungsfähige Bildungseinrichtungen schaffen. Diese Einrichtungen allesamt — und das mag Ihnen nicht immer so sehr gefallen — müssen sich als kritische Instanzen in dieser Gesellschaft verstehen. Sie müssen kritische Bürger bilden, die stets sich selbst kritisch in Frage stellen. Der Abbau obrigkeitsstaatlicher Relikte in einem der wichtigsten Bereiche unserer Politik ist für unsere Demokratie nicht irgendeine Frage unter vielen anderen Fragen; es ist die Lebensfrage der Demokratie schlechthin.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0517001100
Das Wort hat der Herr Kultusminister des Landes Bayern.
Dr. Huber, Minister des Landes Bayern: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe im Verlaufe dieser Debatte hier mit großem Interesse



Staatsminister Dr. Huber
die beiden Entschließungsanträge gelesen, die die Fraktionen der CDU/CSU und der SPD dem Hohen Hause unterbreitet haben. Ich habe in diesen Entschließungsanträgen ein sehr hohes Maß, zumindest ein sehr bemerkenswertes Maß von Übereinstimmung in wesentlichen Vorstellungen feststellen können.

(Zurufe von der SPD.)

Aber, meine Damen und Herren, ich muß hinzufügen: Ein noch größeres Maß von Übereinstimmung als zwischen diesen beiden Entschließungsanträgen hat sich bereits auf der Konferenz der Kultusminister, die von der CDU/CSU und SPD beschickt ist, ergeben.

(Abg. Raffert: Das sind eben Pragmatiker!)

Ich wollte das vorausschicken, um einmal darzutun, wie sehr die Probleme in wesentlichen Punkten gleich gesehen werden, aber auch um darzutun, in welch großem Ausmaß es der Konferenz der Kultusminister gelungen ist, zu übereinstimmenden Vorstellungen zu gelangen. Ich werde im Verlaufe dessen, was ich hier vorbringen darf, auf die wesentlichen Punkte dieser Übereinstimmung eingehen, und dann möge beurteilt werden, ob es nicht ein sehr hohes Maß von Übereinstimmung ist und ob nicht ein sehr starker Wille dahintersteckt — das werden wir alle gemeinsam festzustellen haben —, diese erarbeiteten Grundsätze durchzuführen und in der Praxis zu vollziehen.
Aber ehe ich auf die Punkte im einzelnen eingehe, darf ich zunächst einige Anmerkungen zu dem machen, was der Herr Bundesminister Dr. Stoltenberg hier gesagt hat. Ich bin ihm dankbar dafür, daß er hervorgehoben hat, daß von den Ländern aus vieles geschehen ist. Er hat hinzugefügt, er hoffe, daß die Kultusministerkonferenz zu der erforderlichen Übereinstimmung komme. Nun, Herr Bundesminister Dr. Stoltenberg, in einem sehr wesentlichen Problembereich, nämlich in dem der neuen inneren Strukturgebung unserer Universitäten, ist ein hohes Maß von Übereinstimmung in der Kultusministerkonferenz zustande gekommen, und zwar nicht nur in allgemeinen Grundsätzen, nicht nur in einer Größenordnung und in einer Präzision, wie sie in etwa einer Rahmengesetzgebung entsprechen könnte, sondern darüber hinausgehend in Festlegungen für den praktischen Vollzug innerhalb unseres Hochschulrechts bei der Hochschulreform.

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0517001200
Noch 1964 hat ein sehr sachverständiges Gremium, nämlich der deutsche Wissenschaftsrat, eine Prophezeiung, sogar eine dreifach gestufte Prophezeiung mit drei Möglichkeiten abgegeben, wobei die oberste Möglichkeit hinsichtlich des Anwachsens der Studentenzahlen für das Jahr 1980 bei 380 000 gelegen ist. Das war eine Feststellung des Wissenschaftsrats, die nicht etwa zehn Jahre zurückliegt, sondern die vom März 1964 datiert. Jetzt sind im Verlaufe von vier Jahren diese so sorgfältig angestellten Erhebungen völlig überholt, und wir reden von der Größenordnung von 500 000 oder 600 000 Studenten an unseren Universitäten Ende der 70er oder zu Beginn der 80er Jahre, im allgemeinen auf das Jahr 1980 bezogen.
Sie haben, wenn ich Sie richtig verstanden habe, auch gesagt: Keine Zurückstellung von Akademieplänen! Ich werde darauf eingehen, weil ich der Meinung bin, daß sich eine Hochschulreform nicht nur auf die inneren strukturellen Veränderungen in unseren Hochschulen beziehen darf. Hinzu kommen müssen vielmehr Vorstellungen über Bildungseinrichtungen mit dazugehörigen Berufsbildern, wo die Schüler der weiterführenden Schulen hingeführt werden können, sofern sie nicht zum Abitur kommen wollen. Übrigens, meine Damen und Herren, würde ich es für falsch halten, nach dem Abitur eine weitere Barriere vor dem Universitätsstudium aufzubauen. Das würde ich nicht für sachgerecht halten, und unsere Bildungswerbung für die Gymnasien wäre unredlich, wenn wie zunächst die Gymnasiasten in die Gymnasien locken, ihnen aber nach dem Abitur sagen: Jetzt könnt ihr nicht auf die Hochschulen gehen!

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Der Herr Bundesminister hat weiter gesagt, man möge keine isolierten Aktionen übernehmen. Da stimme ich im Prinzip völlig mit Ihnen überein.
Sie, Herr Bundesminister, haben dann von der Möglichkeit von Rahmenregelungen gesprochen. Dabei gehe ich nicht davon aus, daß eine Grundgesetzänderung gemeint ist. Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen — und da beziehe ich mich auch auf Ausführungen meines Herrn Vorredners —, daß die Schwierigkeiten im wesentlichen gar nicht in Rahmenrechtsregelungen liegen. Die Schwierigkeiten liegen nicht im Finden von Rahmensätzen und allgemeinen Aussagen, sondern die Schwierigkeiten liegen inbesondere im Detail.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich glaube deshalb, daß mit einer Rahmenrechtsregelung die Lösung des Problems von der Sache her nicht in der erforderlichen Weise gefördert werden könnte.
In einem stimme ich völlig mit Ihnen überein, nämlich in der Forderung, es dürfe nun im Vollzug des als notwendig Erkannten keine Verzögerung mehr eintreten. Das Werk, das uns heute in Gestalt gemeinsamer Vorstellungen über innere strukturelle Reformen unserer Universitäten vorliegt, kann aber gar kein Werk von Wochen sein. Diese Sache also auf die Demonstrationen in der Karwoche zu beziehen, ist so unvernünftig, daß es sich eigentlich erübrigen müßte, darauf einzugehen. Das ist nicht. die Auswirkung von Demonstrationen. Fast wäre ich im Hinblick auf die Gewalttätigkeiten bei den Demonstrationen versucht zu sagen, daß wir heute eine Hochschulreform nicht wegen der Demonstrationen, sondern trotz mancher Krawalle bei Demonstrationen durchführen müssen, die besser unterblieben wären und der Hochschulreform nicht genützt, sondern eher geschadet haben.

(Beifall bei der CDU/CSU.)




Staatsminister Dr. Huber
Meine Damen und Herren! Die Hochschulreform ist gegliedert in zwei große Problemkreise. Der erste Problemkreis umfaßt die inneren strukturellen Neuordnungen, der zweite die Heranführung von Schülern weiterführender Schulen an zusätzliche Bildungseinrichtungen, die ich als ein System von Akademien begriffen wissen möchte.
Ich darf zunächst zu dem ersten Problemkreis Stellung nehmen und sechs Kernprobleme herausstellen.
Erstens: die Stärkung der Arbeitsfähigkeit und die Sicherung der Kontinuität in der Leitung einer Hochschule. Es ist vorher die Frage: Rektoratsverfassung, Kanzlersystem oder Präsidialverfassung angesprochen worden. Ich will mich kurz fassen. Ich bin der Meinung: die Rektoratsverfassung in ihrer bisherigen Ausprägung hat sich nicht bewährt und muß durch ein neues System der Leitung unserer Universitäten ersetzt werden.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Dabei würde ich gar nicht den entscheidenden Wert darauf legen, dieses System als Präsidial- oder als Kanzlersystem zu bezeichnen. Es kommt darauf an, daß eine kontinuierliche Leitung der Hochschule herbeigeführt wird, und zwar im Zusammenwirken zwischen der Hochschule und dem mitverantwortlichen Staat.
Meine Damen und Herren, es soll nicht als ein Vorwurf an die Adresse der Professoren und der Hochschulen aufgefaßt werden, wenn ich jetzt ganz nüchtern eine Frage stelle: Wer hätte denn nach dem bisherigen Rechtszustand eine solche Änderung eigentlich herbeiführen können? Antwort: die Universitäten. An den Universitäten wäre es gewesen, an die Stelle der Rektoratsverfassung in ihren Satzungen Präsidialverfassungen oder Kanzlersysteme zu setzen. Erst dann hätte es an den Ministerien sein können, solche Änderungen, die die Universitäten selbst hätten wollen müssen, zu genehmigen. Dabei möchte ich den Reformwillen einzelner Universitäten gar nicht bestreiten. Es ,gibt hier sehr erfreuliche Ansätze, aber ich meine, insgesamt sollte man doch herausstellen, daß nach der bisherigen Rechtsordnung die Initiative in dieser Frage aus dem Universitätsbereich hätte kommen müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD.)

Meine Damen und Herren, sie ist nicht gekommen; aie ist zumindest nicht überall und nicht in dem erforderlichen Ausmaß gekommen. Und wenn sie weiterhin nicht kommt, werden wir gezwungen sein, von Staats wegen hier bestimmte Regelungen zu treffen. Ich meine nur, man möge uns dann nicht des Staatsdirigismus bezichtigen, sondern möge davon ausgehen, daß es der Reformwille zugunsten unserer Universitäten ist, der uns bewegt.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD.)

Ich komme zu dem zweiten d r mir wesentlich erscheinenden Punkte: Zusammenfassung von Lehrstühlen und Instituten zu größeren funktionsfähigen
Einheiten. Meine Damen und Herren, Sie werden mich fragen: Warum haben Sie das in der Praxis nicht getan? Ich kann nur sagen: In dem Bereich, wo wir von uns aus staatlich tätig werden konnten, ist es geschehen. Wir haben z. B. bei der neuen Universität Regensburg diese Konstruktion der Zusammenfassung von Lehrstühlen und Instituten zu größeren funktionsfähigen Einheiten gewählt, und ich füge heute schon hinzu: wir haben sie mit Erfolg gewählt. Diese Zusammenfassung ist von eminenter praktischer Bedeutung. Ich glaube, ich brauche das hier nicht in vielen Einzelheiten zu erläutern.
Das heutige System der Bindung von Instituten an einen einzelnen Lehrstuhlinhaber mag den Vorstellungen und Anforderungen in der Vergangenheit genügt haben, ist aber in vielen Fällen nicht mehr geeignet, den Erfordernissen unserer Zeit Genüge zu leisten.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


(immer ganz vertretbar erscheint, denn ein Institut, das von einem Lehrstuhlinhaber allein beherrscht wird, wird in seiner Ausstattung zwangsläufig auf diesen einen Lehrstuhlinhaber ausgerichtet sein, und wenn später ein weiterer Lehrstuhlinhaber kommt, werden sich gewisse Ausgabennotwendigkeiten ergeben, die zum Teil jedenfalls vermeidbar wären, wenn man von vornherein eine bestimmte Einheit, bezogen auf den Fachbereich, konstruieren würde. Ich halte also dieses System der Fachbereiche — Sie mögen sie Departements oder wie sonst auch immer nennen — für einen ganz wesentlichen Punkt unserer Hochschulreform, auch deshalb, weil wir mit diesen Fachbereichen zu einem Kollegialsystem und zu einer Mitarbeit von Kräften des sogenannten Mittelbaus kommen, die im Interesse der Fortentwicklung unserer Hochschulen dringend notwendig und wünschenswert erscheinen. Ich komme zu dem dritten Punkt, über den in der Öffentlichkeit sehr viel diskutiert wird. Es ist die Frage der Mitsprache oder der Mitwirkung von Kräften, die nicht zu den Ordinarien herkömmlicher Bezeichnung gehören, in den akademischen Gremien. Ich spreche mich trotz der Vorgänge in den vergangenen Wochen, die nicht gerade großes Vertrauen zu allen Studentensprechern haben erwecken können, sehr nachdrücklich dafür aus, daß in den akademischen Gremien eine funktionsgerechte Mitsprache der an Forschung und Lehre beteiligten Gruppen einschließlich der Studenten für die Zukunft gesichert werden soll. Meine Damen und Herren, „funktionsgerecht" habe ich gesagt. Was heißt funktionsgerecht? Funktionsgerecht heißt, daß man nicht auf starre Prozentsätze abstellen kann. Ich halte den Halbierungsmodus für genauso wenig vertretbar wie einen Dreiteilungsmodus für alle Bereiche. Ich würde z. B. sagen, daß es ein sachgerechtes Anliegen der Studentenschaft ist, beim Zustandekommen von Studienund Prüfungsordnungen mitwirken zu können. Hier, würde ich meinen, bedeutet das „funktionsgerecht" ein echtes und stark ausStaatsminister Dr. Huber übbares Mitspracheund Mitwirkungsrecht in den akademischen Gremien. Aber, meine Damen und Herren, im Hinblick auf die Berufungen muß ich schon eine Einschränkung machen. Nehmen Sie nur einmal, um ein Beispiel zu haben, die Berufung der leitenden Ärzte von Universitätskliniken. Jetzt gehe ich einmal vom Standpunkt der Bevölkerung aus, vom Standpunkt von Patienten vielleicht, die sich in die Behandlung von solchen leitenden Ärzten von Universitätskliniken zu begeben haben. Da bin ich mir sicher, daß nahezu die gesamte Bevölkerung wünscht, daß die Studenten bei der Auswahl der leitenden Ärzte nicht die gleiche Stimmenzahl in den akademischen Gremien haben wie die sachverständigen Ärzte, die in der Fakultät vereinigt sind. Meine Damen und Herren, gar nichts gegen die Bereitschaft, sich in eine bestimmte Materie hineinzuknien. Aber wir müssen auch an die Auswirkungen auf die Allgemeinheit denken. Ich würde infolgedessen meinen: eine Mitwirkung der Studenten ja, aber keine starre Mitwirkung mit Dreiteilung oder gar Halbierung, sondern eine Mitwirkung in funktionsgerechter Weise. Herr Kollege, Sie wollen offenbar eine Zwischenfrage stellen. Bitte sehr. Gestatten Sie eine Zwischenfrage? Dr. Huber, Minister des Landes Bayern: Bitte sehr, Herr Präsident. Herr Minister, wollen Sie mit dieser Schlußfolgerung auch z. B. die Behauptung aufstellen, daß etwa Gemeinderäte oder Kreistagsmitglieder bei der Bestellung von Chefärzten nicht mitreden könnten, sondern nur Ärzte? Dr. Huber, Minister des Landes Bayern: Herr Kollege, ich begebe mich hier nicht auf die Ebene der Kommunalpolitik. Hier geht es um die leitenden Ärzte unserer Universitätskliniken, die auch die Verantwortung für die Fortentwicklung von Wissenschaft und Forschung im Bereich der Medizin im Interesse der Allgemeinheit unserer Bevölkerung tragen. Gestatten Sie eine zweite Zwischenfrage? Dr. Huber, Minister des Landes Bayern: Bitte sehr. Herr Minister, haben Sie als Minister noch nie auf die Besetzung leitender Stellen in den medizinischen Fakultäten Bayerns Einfluß genommen oder daran mitgewirkt, obwohl Sie nicht Mediziner sind? Dr. Huber, Minister des Landes Bayern: Herr Kollege, Sie scheinen zu verkennen, daß die Berufungslisten von den sachverständigen Fakultäten aufgestellt werden und daß in den Ministerien genügend Sachverständige vorhanden sind, daß sie sich mit den sachkundigen Vorschlägen der Fakultäten auseinandersetzen können. Wenn der Einwand von Ihnen richtig wäre, dann müßte eine parlamentarische Verantwortlichkeit von Ministern überhaupt abgeschafft werden, weil Sie einen parlamentarisch verantwortlichen Minister, der Sachverständiger für sämtliche Bereiche seines Ressorts ist, überhaupt nie finden werden. Dann müßte ich in meinem Ressort Volksschullehrer, Realschullehrer, Gymnasiallehrer aller Fakultäten, Mediziner und Tierarzt und was weiß ich alles gleichzeitig sein. Das sollte man doch vernünftigerweise in einer Parlamentsdebatte nicht als Erwägung in den Vordergrund stellen. Ich komme damit zu dem vierten Punkt, der Reform des Lehrkörpers und seiner Struktur. Was wir bei der Festlegung der Reform des Lehrkörpers und seiner Struktur brauchen, ist vielerlei. Ich kann jetzt in dieser Debatte nur einige unserer wesentlichen Willensbildungen zu diesem Problem herausgreifen. Wir brauchen eine Festlegung der Lehrverpflichtungen nach Art und Umfang. Wir brauchen eine verstärkte Beteiligung des Mittelbaus, auch an den Prüfungen. Dabei sage ich Ihnen ganz offen, daß mir der Begriff des Mittelbaus nicht recht gefällt. Wir haben die Bezeichnungen „höhere Schule" und „mittlere Schule" aus dem Sprachgebrauch verbannt. Aber ausgerechnet im Bereich unserer Universitäten und Hochschulen sprechen wir jetzt von dem Mittelbau. Ich glaube, diese Bezeichnung, die nach meiner Erinnerung der Wissenschaftsrat eingeführt hat, ist nicht ganz sachgerecht. Denn dem Mittelbau wird in Zukunft eine wachsende, sehr große Bedeutung an unseren Universitäten und Hochschulen zukommen und zukommen müssen. Aber gestatten Sie, daß ich in diesem Fall wieder eine Zwischenfrage aufwerfe; ich hätte sie bei allen bisher erörterten Punkten aufwerfen können: Wer hätte eigentlich bisher — ich sage das wieder nicht als Vorwurf, sondern nur als Frage — Reformen dieser Art, beispielsweise auch eine verstärkte Beteiligung des Mittelbaues an Prüfungen, nach der bisher geltenden Rechtslage herbeiführen können? Die Antwort darauf lautet: Die Universitäten! Ich bin der Meinung, daß wir diese verstärkte Beteiligung des Mittelbaues in der ganzen Breite brauchen. Ich beziehe da auch die Assistenten ein, nicht nur die Wissenschaftlichen Räte und die Akademischen Räte, sondern ganz bewußt auch die Assistenten. Wir bräuchten auch, so meine ich, eine verstärkte hauptund nebenamtliche Beteiligung von Akademikern aus der Praxis am Unterricht. Hier scheint mir manches an unseren Universitäten und Hochschulen ergänzungsund ausbildungsbedürftig Staatsminister Dr. Huber und -fähig zu sein. Wir brauchen eine fachgerechte Bestimmung der Aufgaben der Assistenten im Bereich von Lehre und Forschung, um zu vermeiden, daß Assistenten bisweilen in die Rolle von gehobenen Sekretären gedrängt werden. Und wir brauchen schließlich eine Straffung und Objektivierung des Habilitationswesens, wobei ich Ihnen ganz offen sage, meine Damen und Herren: Ich selbst bin ein Gegner des Habilitationszwanges. Ich bin der Meinung, daß der Habilitationszwang aus einer Zeit mit anderen Bedingungen und anderen Voraussetzungen stammt. Es gibt heute glänzende Wissenschaftler, die in einer Teamarbeit vielleicht sogar beim Zustandekommen eines Werkes, das zur Verleihung des Nobel-Preises geführt hat, wissenschaftlich Hervorragendes geleistet haben. Von diesen dann zu verlangen, daß sie noch durch eine Habilitationsschrift den Nachweis erbringen, daß sie geeignet sind, Lehre und Forschung an unseren Universitäten zu betreiben, das halte ich für ein Erfordernis, das nicht mehr in unsere Zeit paßt. Ich bin also nicht nur für eine Straffung und Objektivierung des Habilitationswesens, sondern ich bin für eine Befreiung von einem Habilitationszwang, wie er in sehr vielen Fällen heute praktisch —vielleicht nicht immer rechtlich, aber praktisch geübt wird. Ich komme zum fünften Punkt, das ist die Neugestaltung des Berufungswesens. Diese Frage hängt zusammen mit den Erörterungen, die ich zum Punkt 2 angestellt habe. Wir müssen unsere Berufungsverfahren neu gestalten. Wir hatten einen ersten Versuch unternommen bei einer neuen Universität, nämlich in Regensburg, im Bereich der Naturwissenschaften. Wir haben hier nicht mehr bloß eine Liste von einem Gremium der Universität oder einem akademischen Gremium auf Grund der Sachkenntnis der dort vertretenen Mitglieder erstellen lassen, sondern sind zum Ausschreibungsverfahren übergegangen. Wir haben einen Lehrstuhl ausgeschrieben, so daß alle, die glaubten, dafür geeignet zu sein und die Voraussetzungen dafür mitzubringen, sich darum haben bewerben können. Dieses Ausschreibungsverfahren hat sich nach den Beobachtungen, die ich bis jetzt machen konnte, durchaus bewährt. Ich bin deshalb der Meinung, dali dieses Ausschreibungsverfahren in das neue Hochschulrecht ganz allgemein übernommen werden sollte. Dann werden wir in der Zukunft eine breitere Auswahlmöglichkeit bekommen, als wir sie heute haben, und wir werden manche Lehrstühle schneller besetzen können und von dem unguten Zustand wegkommen, daß wir bisweilen zehn his zwanzig Prozent vakante Lehrstühle an den Universitäten haben, ganz einfach deshalb, weil uns von den Universitäten Berufungsvorschläge unterbreitet werden, die bisweilen nicht realisierbar sind. Ich bin deshalb der Meinung, daß man das Ausschreibungsverfahren für das Berufungswesen allgemein einführen sollte. Schließlich als sechsten und letzten Punkt zu diesem ersten großen Problemkreis die Studienund Prüfungsreform mit dem Ziel einer Verkürzung der tatsächlichen Studienzeiten. Das muß mit einer Berufsberatung in der Oberstufe der Gymnasien beginnen. Das muß mit einer institutionalisierten Studienberatung an unseren Universitäten weitergeführt werden. Dazu muß eine Aufstellung von Prüfungsordnungen, Studienplänen und Studienordnungen und die Überprüfung und Beschränkung des Studienstoffes kommen. Denn, meine Damen und Herren — hier muß ich ein Wort zugunsten der Studenten sagen —, nicht alle, die ihre Studienzeit überschreiten, tragen dafür allein die Verantwortung, sondern bei manchen ist das Stoffangebot in der Reihenfolge nicht so, daß es die Studenten in der vorgesehenen Mindeststudienzeit auch tatsächlich bewältigen können. Das sollte man objektiverund gerechterweise auch einmal sagen. Nur, meine Damen und Herren, wenn man hier Abhilfe schaffen will, muß man dem Staat die Möglichkeit in die Hand geben, solche Reformen selbst durchzuführen, wenn auf der Universitätsseite allein die genügende Bereitschaft zur Schaffung von solchen neuen Ordnungen nicht besteht. Über eines in der öffentlichen Diskussion wundere ich mich, nämlich darüber, daß einerseits nach den Reformen durch den Staat gerufen und dem Staat der Vorwurf gemacht wird, er reformiere nicht, daß aber in dem Augenblick, wo er sich anschickt, etwas zu reformieren, der Vorwurf kommt, der Staat mische sich in dirigistischer Weise in die autonomen Selbstverwaltungsangelegenheiten der Universitäten ein. Meine Damen und Herren, entweder will man, daß sich der Staat dieser Reform annimmt. Dann muß man auch Eingriffe von ihm in Kauf nehmen und bereit sein, solche Eingriffe zu wollen. Oder man will das nicht. Dann kann man dem Staat eine Verantwortung für das, was ist, in diesem Bereich jedenfalls nicht anlasten. Meine Damen und Herren, ich glaube, es müßte weiter die Transparenz von Prüfungsvorgängen kommen. Es müßten weiter hinzukommen Einrichtungen von studienbegleitenden Arbeitsgemeinschaften, von hochschuldidaktischen Arbeitsgruppen. Ich will nur noch einen einzigen, letzten Punkt herausgreifen: die Frage der besseren Ausnützung der vorlesungsfreien Zeit. Unsere Erwägungen über die Universitätsreform gehen u. a. von der Kapazitätsfrage aus. Aber wenn wir die Kapazitätsfrage erörtern, müssen wir uns gleichzeitig dessen bewußt sein, daß die vorhandenen Kapazitäten noch nicht so ausgenützt sind, wie sie tatsächlich ausgenützt werden könnten. Dafür gibt es drei Abhilfemöglichkeiten: entweder eine stärkere Ausnützung der vorlesungsfreien Zeit durch Übungen und Praktika und Arbeitsgemeinschaften oder die Einführung von Trimestern oder die Einführung des Studienjahres, wo eine stärkere Konzentration und Zusammenfassung des Stoffes möglich ist. Die Kultusministerkonferenz hat sich für die letztgenannte Möglichkeit ausgesprochen. Staatsminister Dr. Huber Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, zu diesen sechs Punkten der inneren strukturellen Reform unserer Universitäten zusammenfassend eines feststellen. Was ich Ihnen dazu jetzt vortragen durfte, ist nicht etwa eine Planvorstellung eines Landes, sondern es ist die übereinstimmende Vorstellung der Kultusminister aller deutschen Länder. Hier ist in der Sitzung vom 10. April eine Übereinstimmung zustande gekommen, die mir ein sehr bemerkenswertes und in der deutschen Öffentlichkeit bis jetzt unterschätztes Faktum in der politischen Entwicklung und in der kulturpolitischen Entwicklung im besonderen zu sein scheint. Lassen Sie mich zu dem zweiten Problemkreis übergehen, wo ich mich wesentlich kürzer fassen kann. Das ist die Frage der ausreichenden Schaffung von anderen Bildungseinrichtungen vor der Ebene des Abiturs und des Übergangs zu unseren Universitäten und Hochschulen. Das ist das, was ich als ein System von Akademien bezeichnen möchte, das nach meiner Überzeugung auf einer Grundlage der Akademiereife -aufgebaut werden sollte, die im Ausgangspunkt etwa dort angesetzt werden sollte, wo unsere bisherige mittlere Reife ist. Nur eine Bemerkung darf ich im Deutschen Bundestag zu den Laufbahnvorschriften machen. Meine Damen und Herren, man wird der mittleren Reife und einer Akademiereife nie eine besondere Attraktion verleihen können, solange es Bundesverwaltungen gibt, die weiterhin hartnäckig darauf bestehen, daß auch diejenigen, die in den gehobenen Dienst gehen, das Abitur haben müssen. Wenn man aus der mittleren Reife und einer künftigen Akademiereife etwas machen will, muß der Staat ich meine jetzt den Bund seine eigene bisherige Haltung hier korrigieren. Über eines möge sich niemand einem Zweifel hingeben: Neue Bildungseinrichtungen wie Akademien werden nur dann attraktiv sein und können nur dann einen praktischen Effekt haben, wenn bei ihnen zu der Einrichtung ein Berufsbild hinzutritt, das auf diese Einrichtung bezogen ist. Denn die Menschen, die sich einer bestimmten Ausbildung unterziehen, wollen in unserem Land im allgemeinen wissen, welche Berufsbilder hinter solchen Ausbildungseinrichtungen stehen. Ich halte ein solches System der Akademiereife und der Einrichtung von Akademien auch noch au einem anderen. Grunde für außerordentlich nützlich. Meine Damen und Herren, es würde den Rahmen dieser Sitzung wohl überschreiten, wenn ich mich jetzt den Problemen Gesamtschule oder Nicht-Gesamtschule zuwenden würde. Ich bin kein dogmatischer Gegner von Versuchen mit einer Gesamtschule. Ich sage nur das eine: es wird in Flächenstaaten und ich bin Minister eines Flächenstaates mit einem System von Gesamtschulen Schwierigkeiten geben. Andererseits werden wir auf eine horizontale Verflechtung unseres Bildungswesens nicht verzichten können. Ich würde es für falsch halten, schlicht und einfach zu sagen: Gesamtschule nein, ohne gleichzeitig Erwägungen über andere Konstruktionsmöglichkeiten im Bildungswesen anzustellen. Ich würde mir bei dieser Akademiereife drei Säulen nebeneinander vorstellen: vier Jahre Grundschule, sechs Jahre Gymnasium; vier Jahre Grundschule, sechs Jahre Realschule oder sechs Jahre Grundschule in einem anderen Land und vier Jahre Realschule; oder neun Jahre Grundund Hauptschule und darauf aufbauend Berufsfachschulen, Fachschulen oder Ausbildungen im Bereich der Berufsaufbauschulen. Auf diese drei Säulen müßte dann das System der Akademien gleichmäßig aufgesetzt sein. Das würde eine horizontale Verflechtung bedeuten, und das würde eine Durchlässigkeit des Bildungswesens in allen Bereichen bringen, selbst dann, wenn man zu der Konstruktion der Gesamtschule in bestimmten Flächenstaaten aus Sachgründen nicht kommen kann. Meine Damen und Herren, diese Akademien könnten Ingenieurakademien sein, wobei in ihnen das zusätzliche Erfordernis eines 11. und 12. Schuljahrs aus Gründen der internationalen Anerkennung hinzukommen müßte in der Form, daß neben dem Berufspraktikum ein begleitender theoretischer Unterricht stehen könnte. Diese Akademien könnten ferner Wirtschaftsund Sozialakademien sein, wobei ich sage: Ich habe den Eindruck, daß sich heute viele Studierende der Betriebswirtschaft, der Volkswirtschaftslehre und der Soziologie Illusionen über die Bedürfnisse im Bereich der Wirtschaft hingeben, denen sie nach Abschluß ihres Studiums begegnen werden. Wenn ich von den Bedürfnissen des sogenannten mittleren oder kleineren Managements ausgehe, dann würde ich meinen, daß man mit Wirtschaftsund Sozialakademien Einrichtungen schaffen könnte, die eine kürzere Ausbildungszeit ermöglichten, aber den Bedürfnissen der Praxis in sehr erheblichem Ausmaße nahe kämen. Ich könnte mir daneben Akademien für den medizinisch-technischen Bereich vorstellen; ich könnte mir Akademien für den Verwaltungsund Rechtspflegerbereich vorstellen, um nur die Möglichkeiten dieses Akademiesystems einmal in ihrer Breite vor Ihnen anzudeuten. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich den Versuch einer kurzen Zusammenfassung unternehmen. Ich glaube, wir sollten die Hochschulreform in den beiden Problemkreisen angehen, zunächst in dem Problemkreis der neuen inneren strukturellen Ordnung, wo wir die Übereinstimmung unter den Ländern schon erzielt haben, Lassen Sie mich das noch einmal in aller Deutlichkeit herausstellen: Was von mir vorgetragen worden ist, sind nicht irgendwelche Vorstellungen, sondern das sind d i e Vorstellungen der Länder zu diesem Problem der inneren strukturellen Neuordnung im Bereich unserer Universitäten und Hochschulen. Ich glaube, daß damit wirkStaatsminister Dr. Huber lieh ein sehr guter Schritt nach vorn im Bereich der Universitätsreform getan worden ist. Ich glaube aber auch — um das zu wiederholen —, daß wir daneben diese zusätzlichen, neu ausgebauten Bildungseinrichtungen mit einem Akademiesystem stellen müssen, um neue Einrichtungen zu schaffen, auf die dann auch die entsprechenden Berufsbilder bezogen werden müssen. Über diesen zweiten großen Problemkreis wird man sich noch zu einigen haben. Aber ich habe oft den Eindruck, meine Damen und Herren, daß in der deutschen Öffentlichkeit über das Ausmaß von Übereinstimmung, das erzielt worden ist, und zwar insbesondere zu dem ersten Problemkreis, noch nicht die richtigen Vorstellungen bestehen. Lassen Sie mich zum Schluß sagen: es nützt natürlich nichts, zu gewissen gemeinsamen Vorstellungen gekommen zu sein, sondern wir werden sie nun rasch durchführen müssen. Wir werden sie rasch durchführen müssen auf der Basis der Übereinstimmung, aber bezogen auf das, was in den einzelnen Ländern in Verhandlungen mit den Universitäten und auf dem Gebiete der Legislative zu geschehen hat. Und ich sage Ihnen, ich werde die äußersten Anstrengungen unternehmen, um zusammen mit unseren Universitäten zu einer einvernehmlichen Regelung zu kommen. Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren. Wenn es nicht gelingt, möglichst rasch zu diesen einvernehmlichen Regelungen zu kommen, möge man bitte in der Öffentlichkeit nicht von einem Staatsdirigismus sprechen, wenn wir gezwungen sind, von uns aus, von Staats wegen, Reformen an unseren Universitäten durchzusetzen. Vor zwei Jahren wäre manche reformerische Forderung, die wir erhoben haben, in der Öffentlichkeit auf einen sehr harten Widerspruch gestoßen. Ich muß nur feststellen, daß die gesamte Konzeption, die ich vor Ihnen ausbreiten durfte, nicht das Werk von Wochen oder Monaten sein konnte und sein kann, sondern daß sehr intensive Beratungen und sehr intensive Bemühungen vorausgehen mußten, ehe eine solche Konzeption gefunden werden konnte. Reform ist eben letzten Endes auch etwas aus dem Bereich der Evolution. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich damit schließen. Wir brauchen diese Reformen dringend, wir haben sie bitter notwendig aus dem Gebot der Sache heraus, und wir werden sie durchführen. Wir werden sie in einer evolutionären Weise durchführen; denn auch für den Hochschulbereich gilt, daß nicht die Revolution nach den taktischen Anweisungen von Lenin oder der Roten Bibel von Mao Tsetung das Angemessene ist, sondern die evolutionäre Fortentwicklung zu Reformen, die wir Länder gemeinsam im Interesse unserer studierenden Jugend und der Zukunft unseres Landes durchführen müssen. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Meinecke. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der massive Angriff der deutschen Kultusminister — es steht jetzt 4 : 1 für die Kultusministerkonferenz — kam, muß ich sagen, auch gerade noch zur rechten Zeit! Natürlich steht am Ende einer jeden Rede, die heute hier von uns Abgeordneten des Bundestages gehalten wird oder gehalten werden soll, der Appell an diese Konferenz der Kultusminister, sich auf Grund der jetzt vorliegenden eiligen Beschlüsse nunmehr zur Tat durchzuringen, um bis zum Ende dieses Jahres das Wesentliche vollbracht zu haben. Das alles haben Sie uns, Herr Minister Huber, allerdings erspart. Das war ein geschickter Angriff und Schachzug. Wir werden Sie in einem Jahr beim Wort nehmen. Im übrigen muß man feststellen, daß in den wesentlichen hochschulpolitischen Fragen und in einem großen Teil der bildungspolitischen Probleme eine sehr weite Übereinstimmung von allen Mitgliedern dieses Hauses und den Vertretern der Länder zu verzeichnen ist. Wir reiten somit hier heute — und das ist wirklich neu in der Bundesrepublik — auf einer Welle allgemeinen gegenseitigen Verständnisses und gegenseitiger Toleranz. Aber, meine Damen und Herren, wir haben dabei über diejenigen, die zur Erzielung dieses Ergebnisses und der Auslösung bildungspolitischer Initiativen in diesem Volke sehr wesentlich beigetragen haben, zuwenig Positives gesagt und haben sie nicht mehr gewürdigt. Der negative Aspekt der Demonstrationen der Studenten und der jahrelangen Mahnungen der jungen Akademiker in diesem Lande ist bei der letzten Debatte am vorigen Dienstag ausreichend betrachtet worden, und dem Bekenntnis für die rechtsstaatliche Ordnung wurde Genüge getan. Um nun den Sinn dieser Debatte heute wieder auf die Ausgangsposition zurückzuführen, möchte ich doch noch einmal sagen: Es ist angebracht, auch heute und in Anbetracht dieser Übereinstimmung, diese positiven Seiten des gesellschaftspolitischen Engagements der deutschen akademischen Jugend und die Impulse, die davon ausgegangen sind, noch einmal vor der ganzen deutschen Öffentlichkeit darzustellen. Denn das ist das Ergebnis eines langen und leidvollen Weges der deutschen Studentenschaften seit dem Jahre 1948 gewesen. Auf diesem Wege sind sie begleitet worden von vielen AppelDr. Meinecke len, von Ermahnungen und guten Reden unserer prominenten Politiker. Wenn ich heute die Protokolle nachlese, stelle ich fest: es sitzt kaum jemand auf der Regierungsbank, hier wie dort, der sich in den vergangenen acht bis zehn Jahren nicht an diesen wohlmeinenden und drängenden Appellen beteiligt hätte. Darf ich einmal zitieren, was der Herr Bundesminister Schröder 1954 dem Verband Deutscher Studentenschaften zugerufen hat — das war also vor 14 Jahren —:? Und wenn dann die echte Beunruhigung von den Hörsälen, den Werkbänken und Laboratorien ausgehen wird, dann werden sie gewiß die richtige Antwort erhalten. Und dann sagte Herr Kultusminister Simpfendörfer, der wohl zu den Mitbegründern der CDU in BadenWürttemberg gehört: Restaurieren, Reparieren, Reformieren — das alles ist viel zu wenig. Es kommt jetzt darauf an, zu revolutionieren. (Heiterkeit bei der SPD und der FDP. — Hört! Hört! bei der FDP.)


(Beifall bei der CDU/CSU.)





(Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)


(Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0517001300
Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0517001400
Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0517001500
Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0517001600

(Beifall bei der CDU/CSU.)


(Beifall bei der CDU/CSU.)


(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Jaeger.)





(Beifall bei den Regierungsparteien.)


(Beifall bei der CDU/CSU.)


(Beifall bei den Regierungsparteien.)


(Abg, Dr. Hammans: Wer ist denn „man"?)


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU.)


(Beifall bei den Regierungsparteien.)


(Abg. Frau Geisendörfer: Und die Laufbahn!)


(Beifall bei den Regierungsparteien.)





(Beifall bei der CDU/CSU.)


(Erneuter Beifall bei der CDU/CSU.)


(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0517001700

(Anhaltender Beifall bei den Regierungsparteien.)

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0517001800
Dr. Rolf Meinecke (SPD):
Rede ID: ID0517001900

(Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien.)


(Allgemeiner Beifall.)




Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen diese Zitate nun wirklich nicht ersparen. Denn eine punktuelle Ausgangssituation vor den Ostertagen dieses Jahres anzunehmen, ist einfach historisch unwahr.

(Zustimmung bei der SPD und bei der FDP.)

Und es sprach Professor Schiller von einer Demokratie der Rabiaten, in der jetzt jeder schreien müsse, wenn er nicht unter die Räder kommen wolle.
Ich könnte Ihnen reihenweise solche Zitate liefern. Ich wollte nur fragen: Was für eine Form und Art der Unruhe haben denn eigentlich diese Politiker damals erwartet?

(Heiterkeit.)

Nun kommt der Zwischenruf nicht, auf den ich gewartet habe: „Natürlich keine Revolution!" Ja, was sie nicht erwartet haben, das weiß ich; aber was sie erwartet haben, bleibt doch weitgehend unklar.
Ich bin deswegen dem Herrn Minister Stoltenberg und dem Herrn Bundeskanzler sehr dankbar für die Bemerkungen in ihren Beiträgen am letzten Dienstag in diesem Hause. Beide haben herausgestellt, daß die Bewegung und Unruhe auch die Reform beschleunigt haben und daß hier positive Ansätze für den weiteren Weg zu finden sind. Und das soll nur der Sinn meines kleinen Beitrages sein: einmal zu beleuchten, wie wir in Zukunft wieder den Weg zueinander finden wollen, indem wir auch gewisse Aufforderungen und Anforderungen allerdings an die Studentenschaften zu stellen haben.
Und nun gehe ich noch einmal auf eine andere Debatte ein, die vor kurzem, vor zwei Monaten, in diesem Hause stattgefunden hat. Ich meine die Diskussion dieses Hauses über den Bericht der Bundesregierung zur Lage der Nation. Der Herr
Bundeskanzler hat sich damals zu einer durchgreifenden Reform des gesamten Erziehungs- und Bildungswesens bekannt. Wir wissen heute — wir haben es gehört —, daß dieser Appell sehr rasch gewirkt hat. Dann hat der Herr Bundeskanzler weiterhin ausgeführt, daß er bereit ist, unverzüglich mit allen verantwortlichen Vertretern der Länderregierungen, mit den Vertretern der Studentenschaften und der Studierenden und mit den Vertretern der Universitäten, der Senate und der Fakultäten, in das große gemeinsame Gespräch einzutreten. Ich frage heute nun ganz offiziell: Ist dieses Gespräch vorbereitet, wann beginnt das Gespräch, auf der Basis welcher Grundlagen wird das Gespräch beginnen, und was soll hier in der nächsten Zeit geschehen? Ich habe aus den Anregungen des Präsidenten der Kultusministerkonferenz entnommen — und ich hätte das gern noch ein wenig klarer gehört —, daß man sich dort gewisse Vorstellungen macht, als ob es hier zu einer permanenten Gesprächsrunde kommen sollte, die jetzt bis zum Ende der Legislaturperiode dafür sorgen soll, daß die drängenden Reformen wirklich in dem Maße verwirklicht werden, wie wir es heute gehört haben.
Meine Damen und Herren, ich habe von dem langen Leidensweg der deutschen Studentenschaften gesprochen. Sie erinnern sich an die Fragen, die vor acht bis zehn Jahren gestellt wurden: Was ist dem Staat der Nachwuchs wert? Und Sie erinnern sich, daß Jahr für Jahr Themen der Diskussion waren: _Studentenförderung, Honnefer Modell, aber auch Vergrößerung des akademischen Lehrkörpers, Hochschulreform und Studienreform, soziale Fragen und immer wieder soziale Fragen! Ganz allmählich ließ sich dann aber im Laufe der Jahre ein interessanter gesellschaftspolitischer Prozeß verfolgen, indem nämlich die Thematik der bildungspolitischen Probleme immer weiter gestellt wurde. Man ging über zur Ausbildungsförderung, man bezog in die eigenen Debatten die gesamte bildungsfähige Jugend ein, man ging über
zur Bildungsplanung, man forderte neue Maßnahmen auf dem Gebiet der Berücksichtigung dieser Planungsergebnisse. So muß man sagen, daß in den damaligen Jahren die deutschen Studenten ihren gesellschaftspolitischen Verpflichtungen nachgekommen sind, und damals hat ihnen auch niemand ein politisches Mandat bestritten. Das müssen wir heute einmal feststellen.
Parallel dazu möchte ich nun aber bemerken: Es wurde hier des öfteren wiederholt: Wer hätte denn vor Jahren gewisse Dinge der inneren Reform der Hochschulen schon von sich aus bewerkstelligen können? Sie haben gesagt, Herr Minister Huber: die Universitäten selbst, und Sie haben damit recht. Ich möchte aber gern auch einen anderen Blick auf die Entwicklung der deutschen Hochschulen zurückwerfen und werde wiederum 20 Jahre zurückgehen. Damals waren nicht die Gutachten des Wissenschaftsrats maßgebend — er war ja damals noch gar nicht am Leben —; aber damals gab es auch schon in der deutschen Zeitgeschichte ein großes fundiertes Gutachten zur Hochschulreform, das sogenannte „Blaue Gutachten" aus dem Jahre 1948, an dem



Dr. Meinecke
maßgebliche Bürger unseres politischen Lebens — ich nenne nur Adolf Schönfelder — mitgearbeitet haben. Wen man jetzt in dem Bericht der Bundesregierung auf der zweiten Seite in der historischen Darstellung mit Recht liest, Herr Minister Stoltenberg, daß natürlich dieses neue Autonomieverständnis der Universitäten nach 1945 in den Jahren 1946 bis 1950 eine gewisse wissenschaftliche Isolierung erbracht hat, so muß um der wissenschaftlichen und historischen Korrektheit willen heute hier auch gesagt werden, daß damals Männer des politischen Lebens wie der Wissenschaft die wesentlichen Aufgaben der deutschen Hochschulen wie folgt dargelegt haben. Erstens: Der Zugang zur Hochschule muß Begabten jeder Herkunft offenstehen. Zweitens: Auch Dozenten, die nicht der engeren Universitätslaufbahn entstammen, sollen, Eignung vorausgesetzt, mehr herangezogen werden, so, wie es an den Technischen Hochschulen erfolgt. Drittens — und das ist für mich der wesentliche Punkt —: Dem Kontakt der Hochschulen mit allen Schichten der Gesellschaft sollen die Einrichtungen des Hochschulrates und Hochschulbeirates dienen. Damals ist also schon darauf hingewiesen worden, daß die Universitäten eine tiefe, große und schwere gesellschaftspolitische Verpflichtung haben. In der danach folgenden wissenschaftlichen Isolierung ist dann diese Verpflichtung übersehen oder ignoriert worden, und auch das ist ein historischer Fehler in unserer Entwicklung, den wir heute noch bitter zu bezahlen haben.
Nur noch ein kurzes Wort zur hochschulpolitischen Landschaft — es hat sich allerdings weitgehend erübrigt: Bis jetzt sind zwei Ländergesetze verabschiedet worden. Das beste Gesetz ist wohl in Hessen verabschiedet worden. Aber es liegen in den deutschen Landen 12 bis 14 zum Teil verschiedenartige Entwürfe vor. Nun, der Schritt, hier zu einer gewissen Gemeinsamkeit zu gelangen, ist getan. Wir sind deshalb der Meinung, daß man angesichts der Verschiedenartigkeit bestimmter Hochschulen und einer gewissen regional bedingten Verschiedenartigkeit der Strukturen darauf verzichten sollte, ein bundeseinheitliches Hochschulgesetz zu erlassen, daß aber die Weiterarbeit auf Grund der beiden Entschließungsanträge der CDU und der SPD und der Vorlage der Kultusministerkonferenz zu gewissen einheitlichen Grundsätzen führen kann. Im Prinzip handelt es sich ja doch um nicht mehr als acht bis zehn strittige Fragen, und es müßte wirklich mit dem Teufel zugehen, wenn man auf diesen Gebieten nicht zu einer erträglichen Einigung käme.
Die Grundfrage muß allerdings gestellt werden: was ist bis dahin auch ohne Gesetz auf Grund der Satzungen möglich und kann schon von den Universitäten getan werden? Der Katalog ist von Herrn Minister Huber hier dargelegt worden. Ich habe aber leider immer wieder das Gefühl, daß an einzelnen Fakultäten und auch in einzelnen Hochschulen immer noch nicht begriffen wird, wie die Zeiten der Zeit stehen. Nicht anders kann ich mir ein Ergebnis eines Hearings des Hamburger Landesparlaments mit akademischen Hochschullehrern erklären, die, zur Institutsverfassung befragt, vom Grundtenor ausgehen: im Grunde genommen für einzelne Fälle ja, aber prinzipiell nein. Die Antwort hätte umgekehrt lauten müssen, und deshalb habe ich die große Befürchtung, daß in den Senaten einzelner Hochschulen noch nicht begriffen wird, was nun in der Zwischenzeit schon geschehen kann.
Wenn nun so verfahren wird, wie hier dargelegt worden ist, wenn diese Änderungen und Anregungen alsbald verwirklicht werden, sehe ich im Vergleich mit dem politischen Programm des VDS für 1968 eine gewisse Phase der Annäherung der Standpunkte, zumindest Ansatzpunkte für ein gegenseitiges Verständnis. Die deutschen Studentenschaften sollten sich in dieser Phase der Überlegung und der Demonstrationspause auch selbst besinnen und den Parlamenten, den Regierungen und den Universitäten die Chance geben, ihrerseits ihnen entgegenzukommen. Es sollten durchweg gemeinsame permanente Gespräche geführt werden. Dann könnte ich mir denken, daß wir in absehbarer Zeit zu einer zwar fruchtbaren Unruhe, aber auch zu einer Überwindung von Destruktion an den Hochschulen gelangen könnten. Dabei bin ich mir darüber klar, daß es in der politisch engagierten Studentenschaft Teile gibt, die an einer echten Hochschulreform weder interessiert sind noch sie für möglich halten, da sie im Grunde genommen auf Grund ihrer politischen Maxime der Meinung sein müssen, daß eine solche Reform nur möglich wäre, wenn sich die Gesellschaft selbst vorher revolutionär verändert hätte. Daß wir diesen Weg nicht mitgehen, ist wohl, glaube ich, die übereinstimmende Meinung dieses Hauses. Daß wir diejenigen, die bereit sind, den Weg zu gehen, den wir vorschlagen — 80 bis 90 % der deutschen Studierenden —, auf unsere Seite ziehen wollen, soll mit der Sinn meines Beitrages sein.
Ich wollte hier noch einiges Bittere über den Föderalismus und seine Beurteilung sagen. Das hat sich Gott sei Dank für diesen Tag erübrigt.

(Zurufe von der SPD: Na, na!)

Ein zweites Wort. Herr Bundesminister, Sie haben in einer schönen und offenen Ehrlichkeit auch auf Versäumnisse hingewiesen, die hier in diesem Hause und seitens der Regierung vielleicht zu beklagen sind. Ich meine, Herr Minister, es hätte Ihnen gut gestanden, wenn Sie im Sinne eines immer noch vorhandenen fruchtbaren Koalitionsklimas dann auch einmal zugestanden hätten, daß zumindest von der linken Seite dieses Hauses rechtzeitig und frühzeitig gemahnt wurde, daß aber auf der anderen Seite des Hauses nicht immer das richtige Ohr geöffnet wurde.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0517002000
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Althammer.

Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0517002100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, die heutige Debatte eröffnet ein neues Kapitel in der Zusammenarbeit des Bundes mit den Ländern

(Zuruf von der Mitte: Hoffentlich!)




Dr. Althammer
in den Bereichen, die sie betreffen. Wir haben hier zum Teil sogar ein Zwiegespräch erlebt, unter Umständen auch in Abweichung von dem, was die Geschäftsordnung dieses Hohen Hauses vorschreibt, Ich glaube aber, wir alle waren so beeindruckt von diesem neuen Stil der Diskussion zwischen Bundestag und Bundesrat, daß wir hierin gerne einen Fortschritt sehen. Es ist ja im Bundestag häufig beklagt worden, daß die Bank des Bundesrates bei wichtigen Debatten, die auch das Verhältnis BundLänder betreffen, leer geblieben ist. Und gerade weil das jetzt ganz offensichtlich anders wird, meine ich, müssen wir auch einige Dinge zurückweisen, die der Sprecher der FDP von hier aus erklärt hat.
Herr Kollege Moersch, Sie haben gesagt, es wäre vielleicht besser gewesen, daß einige dieser Reden zu Protokoll gegeben worden wären. Ich glaube, daß das nicht nur unhöflich ist, sondern auch in keiner Weise sachdienlich war.

(Abg. Dr. Hammans: Das galt nur für die von Moersch! Für seine galt das!)

Ich glaube, es ist auch notwendig, daß wir noch einmal mit einigen Bemerkungen auf den Ausgangspunkt dessen zurückkommen, was Kollege Moersch hier vorgetragen hat, nämlich seine Kritik an Anlage und Ablauf der Gesamtdebatte, also zusammengefaßt von der letzten Woche bis zu dieser Woche. Herr Kollege Moersch, Sie sind der Meinung, man habe aus der Tatsache, daß in der letzten Woche in erster Linie die freiheitlichen und sicherheitspolitischen Aspekte der Auseinandersetzungen behandelt worden sind, folgern können, daß hier autoritative Hintergründe erkennbar würden. Ich meine, das ist eine ganz grobe Entstellung dessen, was das Parlament mit dieser Debatte beabsichtigt.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich glaube, hier zeigt sich ein sehr tiefgreifendes Problem, nämlich die Frage, wie demokratische Politiker zu der Herausforderung Stellung nehmen, die heute von links- und rechtsextremer Seite gegenüber diesem Parlament und damit auch der freiheitlichen Demokratie vorgetragen werden. Meine sehr verehrten Damen und Herren von der FDP, ich glaube, daß das ein sehr ernstes Problem ist, wie wir alle zusammen, wir demokratischen Politiker, auf diese Herausforderung reagieren. Ich meine, die Erfahrung derjenigen unter uns, die Weimar selbst noch erlebt haben — diejenigen, die es nicht erlebt haben, werden wahrscheinlich in dieser Richtung Studien anstellen müssen —, wie damals auf den Links- und Rechtsradikalismus reagiert worden ist, muß für uns heute von brennender Aktualität sein.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wenn wir uns das vergegenwärtigen, Herr Kollege Moersch, durfte in dieser Debatte ein Wort wie das, daß der Innenminister Polizeiminister sei, einfach nicht fallen.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Ich unterstelle Ihnen nicht, daß Sie hiermit einen
negativen Unterton in diese Bezeichnung bringen
wollten, aber Sie müssen wissen, daß gerade die
linksradikalen Agitatoren dieser Funktion des Innenministers eines demokratischen Staates diesen negativen Unterton geben. Darum sollte es in unserer Auseinandersetzung solche Bezeichnungen nicht geben.
Ich habe davon gesprochen, daß in der Reaktion demokratischer Politiker heute leider Gottes noch sehr viel Unsicherheit festzustellen ist. Ich möchte Ihnen dafür einige Beispiele vortragen. Wenn wir lesen, daß im Land Hessen die Staatssekretärin im Kultusministerium für eine Sternfahrt und eine Kundgebung in Bonn schulfrei erteilt,

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

ist, glaube ich, sehr genau die Frage zu stellen, ob das in dieser Situation eine richtige Reaktion ist. Ich muß aber in gleicher Weise sagen, daß es mein Verständnis auch nicht finden kann, wenn die Deutsche Bundesbahn vom Abfahrtsort Ost-Berlin einen Sonderzug für ähnliche Agitationsunternehmungen zur Verfügung stellt.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Das sind nur einige Beispiele dafür, daß wir uns in der Tat sehr genau überlegen müssen, wie wir reagieren.
Unser Fraktionsvorsitzender Barzel hat in der letzten Woche sehr betont darauf hingewiesen, daß unser demokratischer Staat ein offener Staat für jeden ist, der bereit ist, mitzuarbeiten und auch Änderungen durchzuführen. Aber wenn wir dieses Angebot einer offenen freiheitlichen Gesellschaftsordnung an jeden machen, der bereit ist, sich auf den Boden dieser unserer demokratischen Staatsordnung zu stellen, müssen wir auf der anderen Seite dieses unser Angebot auch glaubwürdig machen, indem wir Festigkeit gegenüber einem Extremismus beweisen, den wir nicht unterstützen können.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0517002200
Herr Abgeordneter Dr. Althammer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Moersch?

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0517002300
Herr Kollege Althammer, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß die Unruhe unter dem demokratisch gesinnten Teil der Jugend — und das ist der größere Teil — u. a. daher kommt, daß hier von Ihrer Seite her mit einem Anspruch agitiert wird, der eine permanente Verwechslung von Demokratie und Obrigkeitsstaat enthält?

(Zurufe von der CDU/CSU.)


Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0517002400
Herr Kollege Moersch, ich kann Ihnen nur empfehlen, nachzulesen, was unser Innenminister Benda zu diesem Punkt gesagt hat.

(Abg. Moersch: Und was Dr. Jaeger in der Studentendebatte gesagt hat!)

Wenn Sie sich diese Rede noch einmal zu Gemüte führen, muß Ihnen doch immer wieder gegenwärtig werden, daß hier ganz genau unterschieden ist zwischen der großen Mehrheit unserer Jugend, die die-



Dr. Althammer
ser Demokratie sehr kritisch, aber auch offen gegenübersteht, und einer kleinen Gruppe von Radikalen, die es gar nicht verbergen, daß sie diesen Staat beseitigen wollen.
Sie zitierten meinen Kollegen Richard Jaeger. Dazu muß ich Ihnen noch einmal sagen: Man muß einfach die Gesamtheit der Argumente sehen. Sehr verehrter Kollege Moersch, wenn dieser Staat in den Augen seiner Bevölkerung nicht mehr glaubwürdig ist, wenn er nämlich nicht mehr gewillt ist, Radikalismus abzuwehren, und es sich versagt, seine Basis zu verteidigen, brauchen wir uns auch nicht sehr darum zu bemühen, den gutwilligen Teil unsere; Jugend für uns einzunehmen.

(Abg. Moersch: Nur haben Sie einen anderen Staatsbegriff als diese Demokraten unter der Jugend! Das ist der Unterschied!)

— Herr Kollege Moersch, wir alle haben uns mit diesen jungen Leuten sehr gründlich auseinandersetzen müssen und werden es auch in der Zukunft tun. Ich kann Ihnen nur sagen, ich habe noch nie Schwierigkeiten gehabt, mit dem großen, gutwilligen Teil dieser Jugend über den Staatsbegriff einig zu werden. Sie sollten uns also — das sage ich jetzt noch einmal in allem Ernst, Herr Kollege Moersch — nicht Dinge unterstellen, die hier überhaupt nicht zur Diskussion stehen. Es wird ein entscheidender Punkt sein, ob dieses Parlament und diese demokratischen Parteien in den kommenden Monaten und Jahren so viel an Solidarität und Gemeinsamkeit in der Auseinandersetzung mit den Radikalen entwickeln, daß diese nicht einzelne Äußerungen — meinetwegen von seiten der parlamentarischen Opposition — für ihre Zwecke mißbrauchen können. Ich sehe hier eine sehr, sehr wesentliche Aufgabe gerade auch der innerparlamentarischen Opposition in diesem Hause.
Ich glaube, es ist wirklich an der Zeit, sich die volle Tragweite dieser Dinge klarzumachen. Denn es war doch sicherlich auch in der Weimarer Zeit so, daß die Feinde der Demokratie gewisse interne Auseinandersetzungen der demokratischen Parteien mißbraucht haben, um das ganze System anzugreifen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Es geht mir um nichts anderes als darum, Ihnen diesen Punkt in aller Eindringlichkeit vor Augen zu stellen.
Nun, wir haben die Debatte damit begonnen, daß wir den linksradikalen und auch den rechtsradikalen Kräften eine klare Absage erteilt haben, und wir sollten dies als Basis bekräftigen.
Wir haben jetzt im zweiten Teil der Parlamentsdebatte das Problem der Hochschulreform angepackt. Wir werden in den nächsten Wochen weitere Debatten über das Problem der Notstandsverfassung vor uns haben, wo auch wieder einer dieser Punkte zu behandeln und zu entscheiden ist, der in der Auseinandersetzung mit der „außerparlamentarischen Opposition" eine sehr wesentliche Rolle spielt.

(Abg. Moersch: Worin sich Ihr falscher Staatsbegriff zeigt!)

— Wir werden, Herr Kollege Moersch, dann auch noch das Problem der Pressekonzentration in einer ausführlichen Debatte — unter Umständen mit Konsequenzen — zu behandeln haben. Aber ich möchte jetzt wirklich nicht so billig polemisieren, daß ich Ihnen vorhalte, was damals, als Sie in der Regierung waren, zu dem Problem der Notstandsverfassung als Regierungsentwurf vorgelegt worden ist. Ich meine, wir sollten das nicht so billig machen.
Wir haben in der heutigen Debatte erlebt, daß nicht nur die Übereinstimmungen bezüglich der Hochschulreform noch einmal bekräftigt und sichtbar gemacht wurden, sondern daß auch der Wille besteht, jetzt sehr rasch zu handeln und dieses Reformprogramm zu verwirklichen. Es ist bereits von meinem Vorredner sehr zu Recht darauf hingewiesen worden, daß es natürlich darauf ankommt, bei Realisierung dieser Hochschulreform, die sich wohl zunächst in einer Reihe von Landeshochschulgesetzen niederschlagen wird, ein Mindestmaß an Einheitlichkeit zu bewahren.

(Abg. Dr. Barzel: Sehr gut!)

Es wird sicher Punkte geben, wo es von der Sache her begründet ist, unterschiedliche Lösungen in den einzelnen Ländern, unter Umständen auch an den einzelnen Hochschulorten zu treffen.

(Abg. Frau Geisendörfer: Aber nicht zu viele!)

Es muß aber auf jeden Fall für Studierende und für Lehrende das Prinzip der Gleichheit der Lebensbedingungen im ganzen Bundesgebiet berücksichtigt werden.
Ich glaube, daß die Lösung dieser Frage — nämlich wie die Realisierung dieser Hochschulreform aussehen wird — auch ein entscheidender Punkt dafür sein wird, wie die Fortentwicklung unserer föderalistischen Verfassung beurteilt werden wird. Hier liegt eine echte Bewährungsprobe dieser föderalistischen Verfassung.
Herr Kollege Moersch, ich möchte jetzt auch einmal etwas sehr Positives hervorheben, was Sie hier soeben ausgeführt haben. Wir haben mit großer Genugtuung Ihr Bekenntnis zum Föderalismus gehört. Ich habe noch einmal die Rede Ihres Parteivorsitzenden Scheel von der vergangenen Woche nachgelesen. Da klang das wesentlich härter. Von diesem positiven Bekenntnis zum föderalistischen Prinzip war dort nichts zu lesen. Ich betone noch einmal: in diesem Punkt sind wir uns durchaus einig. Ich glaube, wir sind auch darin einig, daß dieses föderalistische Prinzip zukunftsgerichtet sein muß, daß es ein kooperativer Föderalismus sein muß, der auch fähig sein wird, die Zukunftsaufgaben zu bewältigen. — Bitte schön.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0517002500
Herr Kollege Dr. Althammer, können Sie dann bei Ihrer Bestätigung dieses Bekenntnisses mal dafür sorgen, daß innerhalb Bayerns föderalistische Prinzipien zur Geltung kommen und nicht weiterhin zentralistische Prinzipien Geltung haben wie unter Montgelas eingeführt?




Dr. Walter Althammer (CSU):
Rede ID: ID0517002600
Herr Kollege Moersch, ich weiß nicht, ob Sie wissen, daß ich zum schwäbischen Bevölkerungsteil Bayerns gehöre und mir solche Klagen durchaus vertraut sind. Aber seien Sie davon überzeugt, daß in ähnlicher Wirksamkeit, wie es soeben der bayerische Kultusminister in diesen schwierigen Fragen getan hat, auch im bayerischen Landtag dieser innerbayerische Föderalismus gepflegt wird. Darüber würde ich mir an Ihrer Stelle keine so großen Sorgen machen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Der Herr Bundesforschungsminister hat sehr zu Recht darauf hingewiesen, daß die nächste Etappe in der weiteren Zusammenführung von Bund und Ländern die Verabschiedung der Finanzreform und speziell des Art. 91 a sein wird, der den Komplex des Ausbaus und Neubaus von wissenschaftlichen Hochschulen behandelt. Das ist der entscheidende Punkt, in dem sich der kooperative Föderalismus bewähren muß.
Die FDP hat andere Vorschläge unterbreitet. Ich muß Ihnen ehrlich sagen: ich hielte ,es nicht für sehr sachdienlich, wenn jetzt versucht würde, einen neuen Kompetenzstreit zu entfesseln. Hier gilt das, was von Herrn Ministerpräsident Lemke schon zu Recht gesagt worden ist. Die deutsche Öffentlichkeit wäre enttäuscht, wenn als Ergebnis einer Wissenschaftsdebatte nur herauskäme, daß sich Bund und Länder erneut darüber streiten, welche Zuständigkeiten nach dem Grundgesetz für die eine oder andere Seite bestehen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich sehe in der Tat die Gefahr einer solchen recht langwierigen und vielleicht im Ergebnis fruchtlosen Auseinandersetzung, wenn man Ihren Antrag aufnehmen würde, hier eine Bundeszuständigkeit verfassungsrechtlich neu zu begründen. Ich glaube, sehr viel realistischer und vor allem in allernächster Zukunft sehr viel wirksamer ist der andere Weg, nämlich die Finanzverfassungsreform beschleunigt zu verabschieden und dann von dem Angebot Gebrauch zu machen, das heute von der Bundesratsbank hier doch so nachdrücklich vorgetragen worden ist, nämlich diese Aufgaben in Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern zu lösen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, wenn wir so zusammenarbeiten, ohne den Ländern damit ihre legitimen politischen Aufgaben nehmen zu wollen, werden wir auch die Hochschulreform in die richtigen Bahnen lenken.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0517002700
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Angelegenheiten des Bundesrates und der Länder.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0517002800
Meine Damen und Herren! Dieser Tag ist ein bedeutsamer Tag, nicht nur, weil hier zu bedeutsamen Dingen gesprochen worden ist — Wissenschaft, Bildung, Forschung —, sondern weil heute — ich glaube, zum erstenmal — von seiten von Länderregierungen und vom Herrn Vizepräsidenten des Bundesrates festgestellt worden ist, daß es in unserem Bundesstaat gesamtstaatliche Verantwortungen gibt, ohne Rücksicht darauf, wem, ob, Bund oder Land, der Text unseres Grundgesetzes eine spezielle Kompetenz zuordnet. Ich halte das für eine höchst bedeutsame Sache,

(Beifall bei den Regierungsparteien)

und wir sollten diese Tatsache in unserem, wenn
ich das sagen darf, „Kriegstagebuch" vermerken. Sie
wissen, was das ist. Ich brauche es nicht zu erklären.
Nun, meine Damen und Herren, man hat das nicht immer so gehört. Die Feststellung kommt spät, aber sie ist gekommen, und dafür wollen wir dankbar sein. Ich gehe noch ein Stück weiter. Ich glaube, daß dieser Satz nicht nur für Wissenschaft und Forschung gilt — dort in erster Linie —; er gilt für alle Sachgebiete, auf denen der Bestand der Nation in Frage stehen kann, falls ein notwendiges Tun unterlassen wird oder von dem unmittelbar von der Verfassung Angesprochenen nicht allein getan werden kann. Das ist keine ausufernde Interpretation. Ich glaube, daß sich dies ganz schlicht aus dem ergibt, was jeder Verfassung zugrunde liegt, nämlich eine bestimmte Vorstellung davon, was den Staat ausmacht.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Was den Staat ausmacht, ist schlicht, daß er es ist, der die Voraussetzungen dafür schafft, daß die Nation in ihrem Bestand und in ihrem geschichtlichen Rang erhalten werden kann.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Das ist die Aufgabe des Staates in erster Linie. Beim Bundesstaat teilen sich der Bund und die Länder in diese Aufgabe. Für Bildung, Wissenschaft und Forschung gilt dies in besonderem Maße, denn wenn von dieser Trias die Rede ist, ist immer die Frage nach der Möglichkeit des Überdauerns der Nation im Spiel. Wissenschaft und Forschung sind heute nicht mehr Privatsache, auch nicht mehr Sache eines „Hieronymus im Gehäuse" allein. Wissenschaft und Forschung sind heute ein politisches Potential, das sehr viel größer ist, als es einst die Kanonenfabriken waren; und das ist gut so, möchte ich sagen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Es kann den Organen, die für den Bestand der Gesamtnation verantwortlich sind, nicht gleichgültig sein, ob, was bisher auf solchem Felde getan werden konnte — ich spreche nicht nur von Versäumnissen; nein, manches konnte eben nicht geschehen —, genügt, um der Nation die Ausrüstung an wissenschaftlicher Potenz, an Forschern und an wissenschaftlich ausgebildeten Praktikern zu geben, deren sie bedarf, um im Wettbewerb mit anderen Nationen bestehen zu können, und deren sie bedarf — ich sage das ganz langsam —, um vor sich die Selbstachtung empfinden zu können, ohne die eine Nation und vor allem ihre Jugend sehr vielen Versuchungen erliegen kann.
Demokratie ist ohne Selbstachtung, ohne die Möglichkeit, als Nation vor sich selbst Achtung zu haben



Bundesminister Dr. Schmid
- nicht eine Achtung, die man sich mit dem TraraHorn um die Ohren bläst, sondern eine Achtung, die fundiert ist —, nicht möglich. Wenn wir genau hinsehen, stellen wir fest, daß das Ausmaß an Demokratie in einem Staat Ausdruck für das Ausmaß an Achtung ist, die ein Volk für sich empfindet.
Ein Volk braucht Dinge, auf die es stolz sein kann, Dinge vor allem, vor denen es sagen kann: Wir sind unserer Vorfahren vielleicht nicht so ganz unwürdig. Wenn ich in diesem Zusammenhang von Vorfahren spreche, meine ich nicht so sehr Kriege und siegreiche Schlachten, sondern die Zeit, in der Deutschland wissenschaftlich eine Vormacht war.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

So zu denken ist kein dummer Nationalismus und ist nicht Hybris. Diese Dinge sollten selbstverständlich sein.
Die gesamte Nation kann fordern, daß wir durch die Länder auf deren Gebiet und durch deren Tun ein Schulwesen und ein Hochschulwesen bekommen, das es der Nation erlaubt, mit Aussicht auf Erfolg den Herausforderungen des Jahrhunderts, in dem wir stehen, gerecht zu werden. Ich erinnere mich eines Wortes aus dem Mund des langjährigen Botschafters der USA in Bonn, Mr. Conant, der einer der bedeutendsten, sagen wir einmal: Wissenschaftsverwalter ist — ich bitte, das Wort richtig zu verstehen —, die es in Amerika und in der Welt gibt. Er sagte: Die deutsche Universität ist die beste Universität für das 19. Jahrhundert, aber nicht mehr für dieses Jahrhundert. Ich glaube, er hat hier recht. Wir sind vielleicht ein bißchen auf Lorbeeren eingeschlafen, die einmal grün waren. Es ist Zeit, sich neue Lorbeeren zu pflücken.
Wir, in diesem Hause, die wir keine Kultur machen können, die wir keine Wissenschaft machen können, die wir keine Forschung machen können — wir können sie auch nicht dekretieren —, wir können den Raum schaffen, in dem die, die solches zu tun vermögen, es wirksam tun können. Das ist unsere Aufgabe. Das müssen wir tun.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Wir können hier trotz der unbestreitbaren ausschließlichen Kompetenz der Länder auf diesem Gebiet als Bundesregierung, als Bundestag innerhalb dieser allgemeinen Verantwortung unseren Sorgen Ausdruck verleihen. Darüber hinaus können wir urbi et orbi darlegen, was geschehen müßte, um die Entwicklung durch die Länder in der richtigen Weise voranzutreiben. Damit nehmen wir den Ländern keine Perle aus ihrer Krone. Wir tun damit etwas mit ihnen zusammen, jeder auf seine Weise, jeder mit seinen Möglichkeiten, wobei unsere Möglichkeiten nicht sehr viel mehr sind als die, das richtige Wort zu finden. Wir müssen zusammen das Rechte tun, damit Schaden von diesem Volk abgewandt werde.
Der Bundestag kann auf diesem Felde nicht selber handeln, und die Bundesregierung kann die Länder nicht zum Rechten kommandieren, auch wenn sie gute Gründe haben sollte zu wünschen, manches möchte anders gehen. Ich habe im Konjunktiv gesprochen; ich möchte das unterstreichen.
Wir können, glaube ich, darüber hinaus - und damit kommen wir an etwas hin, zu dem wir kompetent sind: Förderung der wissenschaftlichen Forschung - von den Ländern erwarten, daß sie ihr Schul- und Hochschulwesen so einrichten, daß die wissenschaftliche Forschung, die wir fördern sollen, auch das Personal findet, das voll geeignet ist, Forschung ergiebig zu betreiben. Sache der Länder ist es, aus dem, was wir hier sagen, die Konsequenzen zu ziehen, die sie glauben ziehen zu sollen und ziehen zu können, und zu verantworten, was sie dabei tun. Wie gesagt: mehr als das Wort steht uns, dem Bundestag, hier nicht zur Verfügung. Doch das ist schon etwas. Ich erinnere mich, daß sehr bedeutsame Leute uns auch dieses Wort haben bestreiten wollen. Das ist aber offensichtlich seit heute vorbei.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Die Länder müssen ihre eigenen Hochschulgesetze beschließen. Es schadet gar nichts, daß dies einen Pluralismus ergeben wird. Aber sie sollten sich über identische Grundvorstellungen einig werden.

(Sehr wahr! in der Mitte.)

Das ist möglich. Was das Wesen anbetrifft, ist sich gleich, ob man es in Hamburg konkretisiert oder in München, in Frankfurt oder in Mainz oder sonstwo. Man sollte mehr als üblich in diesen Dingen zwischen Essenz und Akzidenz zu unterscheiden versuchen. Ich habe manchmal den Eindruck, daß man mehr auf das Kostüm sieht als auf das, was darinsteckt oder stecken sollte.
Das ganze, das wir wollen, wird sich nicht darstellen können als eine zentralisierte Anstalt, sondern als Harmonie von Verschiedenem, aber aufeinander Abgestimmtem, das in derselben Tonart komponiert ist. Das sollte auf diesem Felde unsere Vorstellung von Einheit sein, und ich glaube, daß diese aristotelische Konzeption der Ganzheit auf diesem Felde besonders angebracht ist.

(Abg. Dr. Barzel: Sehr gut!)

Was die Studienordnungen anbetrifft, so meine ich, daß es Sache der Hochschulen und des Staates ist, sie aufzustellen. Man kann es nicht den Hochschulen allein überlassen, wie in ihren Hörsälen, ihren Instituten studiert werden soll. Der Staat hat dabei ein Wort mitzureden, nicht nur, weil er die Mittel aufzubringen hat, sondern weil er hier eine Verantwortung zu tragen hat, von der ihn keine korporative Autonomie freistellen kann.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Er muß gewisse Mindestforderungen aufstellen, quantitativer, qualitativer Art, auch was das Wie anbetrifft. Ich gebe ein kleines Beispiel: Die Frage, wie man den Studenten in den Studiengang hineinbringt, wie man den Studenten „einfügt", ist etwas, das man nicht den einzelnen Universitäten allein überlassen kann. Das sind Dinge, die überall einigermaßen ähnlich sein sollten.
Wenn sich die Universitäten und Hochschulen hier alle gleich einigen können — um so besser! Aber



Bundesminister Dr. Schmid
Erfahrungen lassen es leider nicht wahrscheinlich erscheinen, daß dem so sein wird. Das gilt auch für die Bestimmungen der Voraussetzungen für den Besuch einer Hochschule, für die Zulassungsvoraussetzungen also. Diplome und auch das Prüfungswesen sind mach etwas, was man nicht allein den Hochschulen überlassen sollte. Für akademische Grade gilt dies nicht. Aber überall, wo es sich um Diplome handelt, die zu etwas berechtigen oder die Ausgangsstationen für ein Wirken in der Öffentlichkeit und für die Öffentlichkeit sind, gibt es ein Interesse des Staates, dazu seine Meinung zu sagen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Das soll durchaus Sache der Länder sein, aber es geht auch den Bund etwas an.

(Erneuter Beifall hei den Regierungsparteien.)

Hier möchte ich ein Wort aufgreifen, das einer meiner Vorredner gebraucht hat. Es kommt auf das Gespräch, und zwar auf das öffentliche Gespräch, an. Der Dialog zwischen Bund und Ländern und Universitäten mob öffentlich geführt werden. Die Besorgung alles dessen, was mit Bildung und Wissenschaft zusammenhängt, muß in öffentlichem Dialog besprochen werden, damit unser Volk weiß, worum es geht und warum manches nicht geht, das man sich gerne wünschen möchte.
Öffentlichkeit ist immer unbequem für die, die handeln müssen. Aber Demokratie besteht u. a. auch darin, daß man es erträgt, dab Regieren eine unbequeme Sache ist; denn nur dann wird demokratisch regiert, wenn man es möglich macht, daß das Volk unmittelbar erfährt, worum es geht.
Ich sprach von Öffentlichkeit. Die Zeit ist vorbei, da Studium Privatsache war. Das war es im 19. Jahrhundert und im ersten Viertel oder Drittel unseres Jahrhunderts noch zu Recht so. Damals gab es die Selbstregulierung durch den freien Markt des Ehrgeizes und des Bildungstriebes. Das genügte im allgemeinen, um zu schaffen, was geschaffen werden mußte: individuelle Bildung und die Selektion, die notwendig ist, um der Gesellschaft und dem Staat die rechten Leute in der richtigen Ausbildung zuzuführen. Das ist heute nicht mehr der Fall. Heute geht es nicht mehr allein im Wege solcher Selbstregulierung. Heute muß sich der Staat darum kümmern, daß sinnvoll studiert werden kann. Darauf kommt es an, nicht daß dieses und jenes, aber daß, was studiert wird, sinnvoll studiert werden kann. Da kann einiges mehr getan werden. Da kann der Staat Perspektiven eröffnen, die dem einzelnen verborgen sind. Er kann bestimmte Trends kanalisieren. Er kann spezifische Wege öffnen. Insbesondere kann er Einrichtungen schaffen, die auf das rechte Studium hin orientieren und die die Möglichkeit einer Auslese gemäß dem Erreichten geben.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Nun, meine Damen und Herren, ein anderes. Ich sage es, weil es mir auf der Seele brennt und weil es mit dem Thema von heute zum mindesten zusammenhängt. Sie können sagen, es war das Thema der letzten Woche. Aber ich glaube, es ist ein ewiges Thema. Es ist kein Zweifel, daß in Deutschland, in der Bundesrepublik, heute ein „malaise", ein Unbehagen mit unserer Verfassungswirklichkeit besteht. Bei den Studenten ist es am deutlichsten sichtbar. Aber sie sind nur die Spitze des Eisbergs. Unter der Oberfläche ist sehr viel Eis. Ich meine damit nicht die Leute, die meinen, sie müßten unsere Maos sein. Die meine ich nicht. Es gibt sehr viele Studenten, die das nicht wollen und sehr laut zu erkennen geben, daß sie dieses Unbehagen empfinden, und die dem Ausdruck geben, indem sie sich mit Leuten solidarisieren, mit denen sie sich nicht identifizieren.
Dieses Unbehagen hat viele Gründe. Zum Teil kommt es daher, daß man sich von der Großen Koalition — fast 90 % der Stimmen im Bundestag — Dinge versprochen hat, die man sich davon nicht hätte versprechen dürfen. Nun empfindet man Unbehagen darüber, daß von dem, was man sich versprochen hatte — Wunderdinge zum Teil —, nicht viel, jedenfalls nicht alles, geschaffen worden ist, und man denkt nicht daran, daß es aus Gründen, die wir nicht immer zu vertreten haben, nicht geschaffen werden konnte.
Dazu kommt noch etwas anderes, und das scheint mir vielleicht noch bedeutsamer zu sein. Unsere Jugend vor allem, aber auch wir anderen, haben es nicht so gut wie andere Volker. in unserem Staat gibt es nichts, das Glanz hätte. Es wird wahrscheinlich noch lange Zeit nichts in diesem Staat geben, das Glanz hat. Das liegt an dem Krieg; das liegt an den „tausend Jahren" und an manchem anderen noch dazu. Aber es ist so, und es ist sehr schwer für ein Volk, im bloßen Grau des Alltags zufrieden mit sich selber und seinen Lebensordnungen zu leben

(Beifall bei den Regierungsparteien)

und mit dem, was in der amerikanischen Erklärung der Menschenrechte „pursuit of happiness" heißt. Das ist notwendig, aber es genügt für sich allein nicht. Der Mensch lebt nicht vom Wohlstand allein und von der Erreichung eines immer höheren Lebensstandards. Es ist sehr notwendig und wichtig, daß man dies erreicht; aber dazu braucht der Mensch noch etwas anderes, etwas, an dem er an sich selber hinaufschauen kann. Weil dem nicht so ist, ist dieses Volk unruhig.
Ich will nicht das Wort Talleyrands wiederholen, der dem König sagte: „Sire, la France s' ennuie", und deswegen ist das Volk dieses Frankreich turbulent. Ein Volk muß das Gefühl haben, vor allen Dingen eine Jugend muß das Gefühl haben können, daß es für einen selber und für die Welt gut ist, daß es diese Nation und ihren Staat gibt. Nur dann wird es mit der Leidenschaft unruhig sein können; die dem Staate guttut und die ihn nicht aufrißt wie Ratten. Dieses Selbstgefühl könnte von uns geschaffen werden, wenn wir unser Bildungswesen, unser Hochschulwesen — beides gehört zusammen, es gibt letztlich nur eines — so einrichten, daß jeder einzelne weiß, daß, wenn er will, er von Staats wegen die Möglichkeit hat, das in ihm an Begabung und Energie Angelegte voll zu entfalten.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)




Bundesminister Dr. Schmid
Ich möchte zum hundertsten Mal darauf hinweisen, daß es eine schlimme Sache ist, daß bei uns in der Bundesrepublik ganze 6 % der Hochschulstudenten aus Arbeiterfamilien stammen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Das ist nur ein Bruchteil dessen, was in England, in Amerika und in Frankreich an Studenten aus Arbeiterfamilien stammt. Ganz abgesehen von der beschämenden Ungerechtigkeit, die darin liegt, ist es doch schlechthin töricht, daß man offenbar meint, auf Begabungen, die wir haben könnten, verzichten zu können.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Es stünde uns gut an, wenn wir wie Frankreich und England und Amerika auch von Staats wegen große Stipendienfonds anlegten, zu denen man sich den Zugang durch Leistung verdienen muß; aber wenn man sich den Zugang verdient hat, dann soll man ruhig und ohne Sorgen und nicht als Bettelstudent seinen Studien nachgehen können. Das wird nicht nur dem guttun, den es getroffen hat; das wird der Nation guttun.
Noch ein anderes. Das Problem „die Intellektuellen und der Staat" ist für uns in Deutschland immer ein Problem gewesen — nicht nur in Deutschland; freilich, aber wir haben diesem Problem zu allen Zeiten wenig innere Sicherheit entgegenzubringen vermocht. Was sind Intellektuelle? — Nun, das sind die Leute, die sich mit der uns umgebenden Wirklichkeit kritisch befassen und uns sagen, was sie dabei finden. Im alten Athen waren das die Sophisten, die Leute, die sagten: Der Staat ist ja nichts als ... . Er war auch in der Tat auf manchen Gebieten nichts als ... . Sie sind die Analytiker. Man sagt, sie zersetzten. Sie müssen zersetzen. Wenn man analysiert, muß man das Problem in seine Elemente zersetzen. Dabei allerdings muß man so vorgehen, daß die Elemente so sauber herauspräpariert werden, daß man daraus dann eine neue und reinere Wirklichkeit schaffen kann, das, was Descartes die decompositio und die recompositio nannte. Aber zur gleichen Zeit wie den Protagoras und den Gorgias gab es doch einen anderen Intellektuellen: einen gewissen Sokrates, das Musterbild des Bürgers, der auch ein Intellektueller, ja, der geradezu d e r Intellektuelle gewesen ist, einer, der seinem Volke und seinem Staat von der Idee des Menschen aus den Spiegel vorhielt. Das ist eine gute und notwendige Sache. Wir brauchen beide, und wir sollten es uns nicht verdrießen lassen, daß sie uns gelegentlich Dinge sagen, die wir als unfreundlich empfinden müssen. Wir sollten auf die Ehre, gelegentlich Zielscheibe sein zu dürfen, nicht verzichten.

(Heiterkeit und Beifall bei allen Fraktionen.)

Ich glaube, wir brauchen den Intellektuellen an unserer Seite und uns gegenüber — nicht um uns Sachverstand zubringen zu lassen. Davon haben wir leider vielleicht ein bißchen zuviel. Vor lauter Sachverstand werden wir gelegentlich betriebsblind für das Wesentliche. Wir denken zu sehr an die Mechanik und nicht an das, w a s bewegt werden sollte. Und da ist es gut, wenn man einen hat, der einem von Zeit zu Zeit zeigt, daß es falsch ist, zu glauben, was man pragmatisch zum Nutzen aller erreicht hat, sei schon das Aufgegebene. Das ist es nicht immer; meistens ist es nur ein Annäherungswert, und es ist gut, wenn uns einer das Gewissen wach hält und es uns schwer macht, uns mit dem, was wir erreicht haben, zu begnügen, als hätten wir damit das Notwendige schon geschafft.
Sicher gibt es bei den Intellektuellen Spreu und Weizen. Wo gibt es das nicht? Das gibt es auch bei uns. Aber ich meine, einige Weizenkörner können schon genügen, um uns gelassen einige Spreu mit in Kauf nehmen zu lassen.
Zur Kritik gehört aber nicht nur, daß man sagt: dies und jenes ist falsch und nicht richtig. Neben die Schelte des Ungenügenden gehört die Anerkennung des Guten, das da ist.

(Beifall bei allen Fraktionen.)

Ich möchte bei aller Skepsis sagen, daß dieser Staat eine Reihe von Dingen geschaffen hat, auf die er und sein Volk stolz sein können.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Das gilt aber nur dann, wenn wir uns damit nicht begnügen, wenn wir wissen, daß dieses Wissen letztlich eine Aufforderung ist, nach den Dingen zu schauen, die wir nicht gut gemacht haben oder an die wir noch nicht herangekommen sind, vielleicht weil die Zeit dafür nicht reif war oder weil uns Umstände gehindert haben, deren wir nicht Herr werden konnten. Manchmal muß man eben zuerst aufräumen, ehe man anfangen kann zu bauen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.) Und wir waren ja lange in dieser Situation.

Nun noch ein letztes Wort über dieses merkwürdige neue Ding, genannt: außerparlamentarische Opposition. Ich habe mich immer gefragt: Was ist denn das eigentlich so Neues? Das hat es doch immer gegeben! Was war denn die Presse — ein Teil wenigstens - anderes als außerhalb des Parlaments lebendig werdende Opposition? Was waren denn die Bürger, die sich, wie im Osterspaziergang, zusammentaten und sagten: „Nein, er gefällt uns nicht, der neue Bürgermeister!"? Das war doch außerparlamentarische Opposition, nicht nur Gemecker an Stammtischen, sondern eben das waren doch sehr ernsthafte Dinge, und die Regierungen, die Parteien haben darauf Rücksicht nehmen müssen und Rücksicht genommen. Das Besondere an dem, was man heute außerparlamentarische Opposition nennt, ist die Selbstinstitutionalisierung

(Zurufe: Sehr richtig!)

derer, die glauben, daß die Parteien, daß das Parlament, daß diese Art Parlamentarismus nicht mehr tauglich seien, die Aufgaben zu lösen, die die Zeit uns aufgibt. Auch hier möchte ich sagen, daß es ganz gut ist, daß es so etwas gibt. Wir brauchen gelegentlich Leute, die uns zum Fenster hineinrufen, daß es Dinge gibt, an die wir noch nicht gedacht haben; oder daß manches, von dem wir geglaubt haben, wir hätten es ganz perfekt gemacht, eben nur sehr vorläufig gemacht worden ist und daß man sich noch einmal darangeben müßte. Das tut uns



Bundesminister Dr. Schmid
gut. Denn bei all dem, was wir zu tun haben, verlieren wir oft den Blick für das eigentlich Wesentliche. Dieses Parlament ist bestimmt das fleißigste Parlament Europas, und vielleicht ist gerade das der Grund, warum es nicht immer auch das politischste Parlament Europas ist.

(Allseitiger Beifall.)

Wir sollen, was uns die außerparlamentarische Opposition sagt - auch was sie uns ins Ohr schreit oder in uns hineinmarschieren will —, überlegen, wir sollen es in uns gären lassen, und wir sollen uns dann entscheiden, wie unser Gewissen es uns aufgibt, auch wenn man uns da und dort als dumme Spießer ansprechen )sollte.
Doch wäre es denn nicht besser, daß außerparlamentarische Opposition, die sich also institutionalisiert hat, den Versuch machte, ins Parlament zu kommen,

(Beifall bei den Regierungsparteien)

also eine Partei zu werden und zu zeigen, daß sie die Kraft hat, es zu sein?

(Zuruf von der SPD: Das ist zu anstrengend, das riecht nach Arbeit!)

Pressure groups wird es immer geben. Manchmal sind sie notwendig. Der Unterschied zwischen pressure groups und Parteien ist, daß die pressure group sich nicht weiter Gedanken zu machen braucht, was aus dem wird, was sie tut und sagt, während die Partei bereit sein muß, zu zeigen, daß sie es besser machen kann als die anderen.

(Allgemeine Zustimmung.)

Sie macht es oft nicht besser; aber sie muß wenigstens bereit sein, sich anzustrengen, um es zu versuchen.
Meine Damen und Herren, das sind nur einige Miszellen. Sie mögen sagen: durcheinander dargebracht wie Kraut und Rüben. Wenn Sie so denken sollten, haben Sie recht. Mir sind diese Gedanken eingefallen, als man mir sagte, ,es wäre gut, wenn auch ich hier das Wort ergriffe.
Meine Damen und Herren, wir sind alle aufgerufen, das Notwendige zu tun, Bund, Länder, Bürger — der Bürger genauso wie wir, die wir hier sitzen; denn wir sitzen als Bürger hier. Daß einige aus dieser Not eine Untugend machen, daß sie diese Not als Vorwand für schlimme Absichten oder Donquichotterien mißbrauchen wollen, sollte uns nicht daran hindern, alle Kräfte auf das Abstellen erkannter Notlagen unseres Bildungswesens zu verwenden, auch wenn die, die uns darauf hinweisen, sich dabei nicht richtig benehmen sollten.

(Anhaltender lebhafter allgemeiner Beifall.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0517002900
Das Wort hat der Herr Senator für Schulwesen des Landes Berlin.
Evers, Senator des Landes Berlin: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, Herr Kollege Moersch, mich hier zu Polizeieinsätzen zu äußern. Ich möchte zwei Bereiche ansprechen, zunächst die Frage der Zusammenarbeit der Länder untereinander und sodann die Frage der Zusammenarbeit von Bund und Ländern in der Bildungspolitik.
Da muß ich zunächst freimütig einräumen, daß auch mir in der Kooperation der Länder vieles zu langsam geht und nicht bündig genug erscheint. Das ist Selbstkritik, und wenn ich nachher Kritik äußern werde, dann bitte ich, diese auf dem Hintergrund dieses selbstkritischen Vorbehalts zu sehen.
Meine Damen und Herren, ich will hier keine Geschichtsforschungen betreiben. Jedoch ist es nützlich, einige Tatsachen in Erinnerung zu rufen, die vielleicht den einen oder anderen anregen mögen, Selbstgerechtigkeit und Selbstzufriedenheit zu überprüfen.
Ein erstes Beispiel dafür: Da hatte sich die Kultusministerkonferenz im März 1964 zur europäischen Schulentwicklung geäußert und eine Reihe von Maßnahmen aufgezählt, die auch für die Bundesrepublik Deutschland notwendig und dringend sind. Auf der Grundlage dieser Berliner Erklärung der Kultusministerkonferenz unterbreitete meine Partei, die Sozialdemokatische Partei, im September 1964 ein bildungspolitisches Sofortprogramm, dessen Verwirklichung keine neue Untersuchungen, keine
neuen Kommissionen, keine neue Räte erforderte.
Gleichzeitig lud die SPD die anderen Parteien zu Besprechungen auf Bundesebene über bildungspolitische Sofortmaßnahmen ein. Was ist daraus geworden? Nach ständigem Drängen teilte uns die CDU schließlich Anfang 1965 mit, daß sie ein solches Gespräch nicht für sinnvoll halte. Hier wurde bereits vor vier Jahren der Versuch gemacht, von dem Herr Scheel am vergangenen Dienstag gesprochen hat. Ich weise auch darauf hin, daß dann auf der Grundlage dieses Sofortprogramms von mir der Kultusministerkonferenz ein Aktions- und Zeitplan für Sofortmaßnahmen unterbreitet wurde. Dieser scheiterte dann im Dezember 1964, und zwar nicht am Widerstand meiner sozialdemokratischen Kollegen.
Ein zweites Beispiel: Im Juni 1964 schlug ich die Errichtung einer Deutschen Kommission für Bildungsplanung vor, in der die Exekutiven von Bund und Ländern sowie die kommunalen Spitzenverbände vertreten sein sollten. Der Bund sollte hier insbesondere aus seiner Verantwortung und Zuständigkeit für die Wirtschaftspolitik, die Arbeitsmarktpolitik und die Finanzpolitik den Ländern und Gemeinden seine Daten einer langfristigen, zukunftsorientierten Politik mitteilen, damit für die Festsetzung der Prioritäten des Ausbaus der Bildungsstätten sowie für Schullaufbahn und Studienberatung Orientierungshilfen bekannt würden; umgekehrt sollte der Bund hier die finanzpolitischen Erfordernisse erfahren. Es ging also um einen Aspekt der Bildungsplanung, nämlich um die Frage der künftigen Qualifikationsnotwendigkeiten, deren Erarbeitung— und das bekenne ich in Übereinstimmung mit Herrn Professor Carlo Schmid ausdrücklich — nur der Gesamtstaat leisten kann.
Obwohl das Bundesinnenministerium wiederholt, zuletzt im Spätherbst 1967, an diese Notwendigkeit erinnert wurde, gibt es eine solche Kommission oder



Senator Evers
Institution bis heute nicht. Es ist richtig, was Herr Abgeordneter Scheel am vorigen Dienstag gesagt hat, nämlich daß sich der Föderalismus in einer entscheidenden Bewährungsprobe befindet, aber ich füge hinzu: nicht nur der Föderalismus, sondern der Gesamtstaat. Wer kann behaupten, daß in den letzten 20 Jahren der Bund und Bonn identisch gewesen seien mit einer guten und zukunftsorientierten Politik?
Ich könnte weitere Tatsachen mitteilen. Ich will eine Reihe offener Fragen hier an die Bundesregierung stellen. Was macht die dringend notwendige Reform der Berufsausbildung, für die der Bund zuständig ist? Was macht die Berufsforschung, ohne die die Berufsberatung im luftleeren Raum stattfindet? Was hat der Bund getan, um das Juristenmonopol in der öffentlichen Verwaltung zu brechen? Wenn es dem Bund um Bildungsreform geht, dann frage ich: Wo bleibt die Finanzierung von überregionaler Forschung und Entwicklung im Bildungswesen, um das Ansetzen zukunftsträchtiger Erziehungsmodelle durch gezielte finanzielle Hilfe anzureizen? Auch die Vereinigten Staaten sind ein Bundesstaat, Herr Stoltenberg, und dennoch haben Bundesregierung und Kongreß Wege gefunden, um gezielte Impulse für die pädagogische Entwicklung und Erneuerung zu geben, die für jeden einzelnen Bundesstaat zu teuer wären. Eine letzte Frage: Haben sich die Vertreter des Bundes im Wissenschaftsrat für einen forcierten Ausbau mathematischer, naturwissenschaftlicher und technischer Hochschuleinrichtungen eingesetzt, oder haben sie statt dessen das lineare Prinzip des Ausbaus unterstützt? Ich könnte hier weitere Fragen stellen; aber Geschichtsforschung, so habe ich schon gesagt, führt hier nicht weiter, auch die Suche nach Sündenböcken führt nicht weiter.
Es ist zwar spät, aber ich hoffe, es ist noch nicht zu spät. Diese 12 Staatlichkeiten der Bundesrepublik müssen endlich und das sage ich nicht zum erstenmal - koordiniert politisch handeln und können nicht länger das Heil allein von Räten und Expertisen oder von Zuständigkeitsregelungen erwarten. Es kommt auf politische Sachentscheidungen an.
In den letzten Jahren sind in einer Reihe von Ländern Schulreformen beschlossen oder verwirklicht worden. Diese könnten den Eindruck entstehen lassen, wir hätten die große Reform bereits hinter uns. Dabei handelt es sich oft um Maßnahmen, die eigentlich schon vor Jahrzehnten fällig gewesen wären. Der Bildungsgrat ist zwar mit großem Fleiß und Eifer und mit großer Arbeitsintensität dabei, Pläne zu entwickeln; aber dabei zerrinnt doch die Zeit unter unseren Händen. Der Wissenschaftsrat hat eine Reihe von Empfehlungen vorgelegt, und einige, nämlich die einfachsten, sind verwirklicht. Auch hier könnte man meinen, das Wichtigste sei bereits geschafft. Aber auch hier steht die große Reform noch bevor.
Sie wissen, daß inzwischen in einigen Ländern der Bundesrepublik, um Anschluß an die europäische Schulentwicklung zu finden, die integrierte Gesamtschule erprobt wird. Ich füge hinzu: keinesfalls unter dem Beifall der Unionsparteien.

(Zurufe von der Mitte.)

Die Frage hat elementar etwas mit der Heranführung von Arbeiterkindern an unsere Universitäten und Hochschulen zu tun. Die Reform der Oberstufe, des Sekundarschulwesens und des Abiturs sowie die Integration von Universitäten, Hochschulen und Akademien zu regionalen Gesamthochschulen steht noch bevor. Ich habe hierzu vor kurzem ein Modell veröffentlicht. Es steht zur öffentlichen Aussprache. Es bezieht bewährte Ausbildungsgänge ein. Herr Abgeordneter Moersch hat bereits darauf hingedeutet. Und, Herr Abgeordneter Dichgans, ein 13. Schuljahr wird es in diesem Modell nicht mehr geben.

(Zustimmung in der Mitte.)

Die Verwirklichung dieses Modells — und ich werbe hier ausdrücklich für die Unterstützung dieser Gesamtkonzeption — würde auch, Herr Dr. Barzel, die Absolventen unserer Ingenieurakademien vor einer Dikriminierung im EWG-Bereich bewahren, und das hat höchste Eile. Eine Akademiereife, die auf dem Ende der zehnten Klasse basiert, bringt für dieses Problem keine Hilfe, sondern das Gegenteil. Das Kieler Modell, das der schleswigholsteinische Ministerpräsident hier erwähnt hat, ist nichts als eine restriktive Bestandsaufnahme des Bestehenden.

(Zurufe von der Mitte: Stimmt nicht! — Da machen Sie es sich zu einfach!)

— Bitte, ich warte darauf, ich bin neugierig, neue Informationen über das hinaus zu bekommen, was bis jetzt veröffentlicht worden ist.
Meine Damen und Herren, die Verwirklichung eines expansiven Modells erfordert allerdings erheblich mehr, sie verlangt vor allen Dingen, daß wir Bildung und Wissenschaft in der Finanzpolitik real — nicht nur in Begrüßungsansprachen bei Kongressen von Lehrern und Wissenschaftlern — eine andere, eine höhere Priorität einräumen als bisher. Das hat etwas mit der Verteilung des Steueraufkommens zu tun, und das ist wiederum zunächst eine Frage des Bundes. Vorher, meine Damen und Herren, ist aber politisch zu entscheiden, ob eine offene oder ob eine restriktive Bildungspolitik gewollt wird. Wer meint, die Förderung jedes einzelnen Jugendlichen bis zum Höchstmaß seiner Befähigung sei die verfassungsgerechte gesellschaftspolitische Aufgabe, muß auch zu den finanzpolitischen Konsequenzen bereit sein. Von Ihnen, vom Bundesminister für wissenschaftliche Forschung, steht ein klares Bekenntnis zum expansiven Weg, zum Bürgerrecht auf Bildung, Herr Stoltenberg, noch aus.
Meine Damen und Herren, wenn wir herauswollen aus dem bekannten Circulus vitiosus von Zuständigkeitsfragen, müssen wir uns, Bund, Länder und Gemeinden, endlich zu einer konzertierten Aktion in der Bildungspolitik zusammentun und die gesellschaftspolitischen Sachfragen entschlossen anpacken. Ich möchte nicht, daß die fälligen Reformen, die seit längerem diskutiert werden, erst zustande kom-



Senator Evers
men unter dem Druck direkter Aktionen, unter dem Eindruck von Go-ins und ähnlichen Maßnahmen. Ich möchte vielmehr, daß der demokratische Staat zeigt, daß er aus eigener Einsicht zu Reformen bereit und fähig ist, nicht nur in Reden, sondern in der Tat.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0517003000
Das Wort hat der Herr Kultusminister des Landes Baden-Württemberg, Herr Professor Hahn.
D. Dr. Hahn, Minister des Landes Baden-Württemberg: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Dr. Althammer hat davon gesprochen, daß heute durch diese Debatte ein neues Kapitel in der Kooperation

(Abg. Dr. Althammer: Aber nicht übertreiben, Herr Minister!)

zwischen Bund und Ländern aufgeschlagen worden sei. Es ist ja nun in der Tat zu einem wirklich fruchtbaren Gespräch zwischen dem Bundestag auf der einen Seite und der Bundesratsbank auf der anderen Seite gekommen. Ich glaube, der letzte Beitrag von Herrn Senator Evers hat gezeigt, daß es sich dabei nicht nur um ein zweiseitiges Gespräch handelt, sondern eigentlich um ein dreiseitiges Gespräch; denn die mancherlei Auseinandersetzungen, die es auch innerhalb der Kultusministerkonferenz gibt, sind uns bei dieser Gelegenheit sehr anschaulich vor Augen geführt worden.

(Zustimmung in der Mitte.)

Meine Damen und Herren, es würde natürlich ein ganz falscher Eindruck entstehen, wenn man sagte: d i e Bildungsreform. Wir sprechen hier ja nicht im umfassenden Sinne von der Bildungsreform, sondern von der Hochschulreform. Die Punkte, die Herr Senator Evers soeben aufgegriffen hat, bezogen sich im wesentlichen auf die Schulreform.
Ich darf vielleicht eben einblenden, daß eine Einigung im Dezember 1964 über das damals von Herrn Senator Evers vorgelegte und sehr zu beachtende Schulreformprogramm deswegen nicht erzielt werden konnte, weil hier die Stadtstaaten, die unter völlig anderen Bedingungen die Schulreform durchführen können und müssen, und die Flächenstaaten nicht zur Übereinstimmung kamen und weil uns damals die Stadtstaaten einen Terminkalender vorlegten. Nach diesem Terminkalender sollten wir in sehr kurzer Zeit Reformen durchführen, für die die Bevölkerung auf dem Lande sehr viel längere Zeiträume nötig hat. Das war für uns mit unseren Lehrerkräften nicht möglich. Uns stehen ja sehr viel weniger Lehrer zur Verfügung als Berlin mit seiner besonderen Struktur. Es wäre von uns ein nicht ehrliches Zugeständnis gewesen, wenn wir auf diesen Terminkalender eingegangen wären, von dem wir ganz genau wußten, daß er unsere materiellen Fähigkeiten weit überstieg. Aber in den Zielsetzungen waren wir uns einig.
Auf der anderen Seite hat Herr Minister Carlo Schmid vorhin sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, daß wir den Föderalismus auch darin bejahen, daß wir, auch wenn es heute hier zu einer Kooperation kommen soll, damit keineswegs eine Uniformierung des gesamten Bildungswesens für notwendig halten.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Er hat es im Blick auf die Hochschulgesetzgebung zum Ausdruck gebracht. Ich möchte das ganz ausdrücklich unterstreichen.
Die Kultusministerkonferenz hat am 10. April in ihren Grundsätzen für eine einheitliche Hochschulgesetzgebung durchaus Leitlinien aufgezeigt, die es doch ermöglichen, daß die einzelnen Länder auch die Akzente zum Teil etwas verschieden setzen. Ich meine, das sollte auch für das übrige Bildungswesen gelten. Es ist nicht notwendig, daß sich das Studium und die Studienbedingungen und der Aufbau der Universitäten in allen deutschen Ländern in jeder Einzelheit völlig decken. Hier darf es durchaus gewisse Variationen geben.

(Zuruf von der CDU/CSU: Nur nicht zuviel und nicht zu groß!)

— Sie sollen nicht zu groß sein.
Auf der anderen Seite möchte ich sagen, daß diese Debatte für die Länder doch ein ganz großer Auftrieb ist, und zwar deswegen, weil wir seit Jahren mitten in umfassenden Bildungsreformen sind, die sich auch auf die Hochschulen beziehen. Es ist nicht so, daß wir erst im Jahre 1967 dadurch, daß die Studenten auf die Straße gegangen sind, mit diesen Reformen begonnen haben.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Das ist heute schon sehr oft gesagt worden. Das Jahr 1960 und die vier Jahre, in denen wir die weitgespannten Vorschläge des Wissenschaftsrates wirklich erfüllt haben, was man damals an den Universitäten einfach für unmöglich gehalten hätte, waren schon ein sehr großer Schritt und eine sehr große Anstrengung für die Länder. Die Gründung von neuen Universitäten — ich nenne aus meinem Land Konstanz und Ulm —, die wirklich nicht die innere Hochschulreform übersehen haben, sondern sie gerade angepackt haben und die heute richtunggebend für neue Universitäten sind, die beispielsweise in den USA und in Finnland gegründet werden, ist ein Beweis dafür, daß wir diese Dinge durchaus gesehen haben.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Auch der Hochschulgesamtplan, den ich für das Land Baden-Württemberg habe erarbeiten lassen, ist ein Zeichen dafür, wie sehr wir diese Dinge sehen und gesehen haben.
Wir geben alle zu, daß es nicht schnell genug gegangen ist. Auch wenn wir uns weitgehend darüber klar sind, daß wir schneller vorgehen müssen, daß wir sogar viel mehr investieren müssen, so sind wir uns doch darüber im klaren, daß, wenn wir auch in den nächsten Jahren die größten Anstrengungen unternehmen, es uns nicht gelingen wird, alle Wünsche zu befriedigen.



Landesminister D. Dr. Hahn
Ich habe die Erfahrung gemacht, und zwar gerade dadurch, daß ich in meinem Lande Reformen durchgeführt habe, daß jede Reform neue Probleme hervorbringt. Diese neuen Probleme stellen uns vor ganz große neue Schwierigkeiten. Ich habe die weitere Erfahrung gemacht, daß jeder Versuch, grundlegend einzugreifen und neue Strukturen zu schaffen, dazu führt, daß man auf die verschiedensten Interessen trifft, die dem entgegenstehen, und daß man infolgedessen auch sehr große Kämpfe führen muß. Ich kann nur hoffen, daß dieses heutige Zusammenklingen nach und nach dazu führen wird, daß Bund und Länder die großen Probleme gemeinsam anfassen.
Wir sollten nicht übersehen, daß es in Wirklichkeit allen vergleichbaren Ländern der Welt ebenso geht wie uns. Wir als Deutsche lieben es, uns immer isoliert zu sehen. Aber es geht in Wirklichkeit allen vergleichbaren Lindern in dieser Frage ebenso wie uns, daß sie mit dem Massenproblem, das plötzlich an den wissenschaftlichen Hochschulen auf sie zugekommen ist, nicht fertig geworden sind und auch in absehbarer Zeit nicht fertig werden. Wir dürfen keine Wunder erwarten; sonst kommen wir zu ganz falschen Schlüssen. Wir dürfen uns aber auch dadurch, daß keine Wunder eintreten, nicht entmutigen lassen.

(Zustimmung in der Mitte.)

Wir stehen weiter vor der Situation, daß die Kosten für die moderne Forschung so wachsen, daß kein mittlerer Staat mehr in der Lage ist — abei im Grunde auch nicht mal ein Großstaat wie die Vereinigten Staaten oder Rußland -, diese Schere zu schließen. Und dennoch wissen wir uns dazu berufen, unserer Forschung auf die Beine und dazu zu helfen, daß sie noch Möglichkeit wieder einen internationalen Rang erreicht. Ich möchte warnen davor, hier zuviel zu erwarten. Ich möchte aber zu gleicher Zeit davor warnen, uns entmutigen zu lassen, wenn wir jetzt Kritik bekommen, wenn man nicht mit uns zufrieden ist und wenn man uns erzählt, wir machten eine restriktive Bildungspolitik. Wir müssen mit aller Nüchternheit Schritt für Schritt vorwärtsgehen.
Es sind eine Reihe von Sofortmaßnahmen notwendig, zu denen wir uns Bereitfinden müssen. Ich nenne immer wieder das eine entscheidende Problem: das sind tatsächlich die Massen der Studenten, die im Augenblick auf uns zukommen. Hier ist uns das Entscheidende noch nicht eingefallen. Sonst gibt es sehr viele Punkte, in denen wir übereinstimmen. Aber hier ist uns das Entscheidende noch nicht eingefallen — auch Ihnen nicht, Herr Moersch —, was wir mit den Massen machen wollen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Lassen Sie mich noch auf einen besonderen Gesichtspunkt. hinweisen. Wenn wir jetzt Schritt für Schritt und mit aller Nüchternheit versuchen, die Hochschulreform weiter durchzuführen und wenn wir uns auf bestimmte gemeinsame Linien einigen können, so ist das eigentliche Problem dieses, daß die von manchen Gruppen angestrebte Hochschulrevolution uns im Augenblick gefährdet und dazu führen kann, daß wir in der Frage der Hochschulreform steckenbleiben. Es kommt daraut an, daß e uns gelingt, die richtigen Intentionen der Mehrheit der Studenten so zu lenken, daß sie wieder bereit werden, an der Hochschulreform im evolutionären Sinne weiter mitzuwirken.
Ich möchte noch ein letztes Wort zu einem Problem sagen, das ganz kurz angeklungen ist. Es handelt sich um die Frage der Autonomie der Hochschulen. Ich glaube, darin sind wir uns alle einig, daß die Autonomie der Hochschulen an sich etwa: ist, was wir nicht antasten wollen. Wir sind der Meinung, daß die Hochschulen eine weitgehende Autonomie behalten müssen. Es muß sich aber um eine Autonomie in echter Partnerschaft mit deal Staat handeln. Nur diese Partnerschaft zwischen Staat und selbständigen Hochschulen — dabei denke ich an alle Gruppen der Hochschulen - gewährleistet das Vorwärtsschreiten in der Hochschulreform. Dabei sollte es aber nicht nur so sein, da lt sich der Staat für die Hochschulen verantwortlichweiß, sondern die Hochschulen sollten in allen ihren Gruppen sich auch für diesen demokratischen Staat verantwortlich wissen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0517003100
Das Wort hat der Herr Bundesminister für wissenschaftliche Forschung.

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0517003200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es sind in dieser langen Debatte zumindest von zwei Rednern so pointierte kritische Bemerkungen gemacht worden, daß ich kurz - um nicht zu lange die Beiträge der Kollegen des Bundestages zu unterbrechen einiges dazu sagen muß.
Ich möchte zunächst einmal in dem Versuch einer Zwischenbilanz sagen, daß ich dem Urteil der Kollegen Meinecke und Professor Schmid zustimme, daß wir hier ohne Zweifel - gerade auch in den Beiträgen des Bundesrates — einen grundsätzlichen Fortschritt in der Bund-Länder-Diskussion erzielt haben. Die Bereitschaft zur Verdichtung des Meinungsaustauschs ist nicht nur angekündigt, sie ist praktiziert. Ich glaube, daß wir das Angebot des Präsidenten der Kultusministerkonferenz, auch zu einem institutionell verbesserten ständigen Gedankenaustausch zu kommen, nach Prüfung, wie weit diese institutionelle Diskussion mit dem, was im Bildungsrat, im Wissenschaftsrat ohnehin geschieht, abgestimmt werden muß, sehr gerne aufnehmen werden.
Aber nun darf ich vielleicht etwas zu den Bemerkungen des Kollegen Moersch sagen. Er hat eine Reihe von Fragen kritisch angesprochen, deren Behandlung in der heutigen Debatte nicht vorgesehen war. Stichworte wie Patente, Lizenzen, Industrieforschung, Datenverarbeitung werden wir, glaube ich, im allgemeinen Einvernehmen bei anderer Gelegenheit gründlich besprechen. Ich darf darauf verweisen. Er hat dann aber eine sehr konkrete Sorge



Bundesminister Dr. Stoltenberg
ausgesprochen, die unser Thema zweifellos stark berührt: die Stellungnahme der Bundesregierung zum Beamtenrechtsrahmengesetz. Ich glaube, daß der Sachstand und die Beurteilung der sachkundigen Mitarbeiter der Bundesregierung doch etwas anders sind als die Schilderung von Herrn Moersch hier.
Ich möchte zunächst im Gegensatz zu seiner Vermutung betonen, daß die beteiligten Ressorts hier in engem Einvernehmen gearbeitet haben. Der Entwurf räumt rahmenrechtliche Hindernisse aus dem Weg, die einer Verwirklichung der Empfehlung des Wissenschaftsrates über die Neugliederung des Lehrkörpers durch die Länder entgegenstehen. Der Entwurf entspricht den Vorstellungen der Länder für den Hochschulbereich. Auf der Grundlage der einzelnen Empfehlungen des Wissenschaftsrates soll die Stelle des außerordentlichen Professors neuer Art - als Spitzenstellung des wissenschaftlichen Mittelbaus - als Beamter auf Lebenszeit geschaffen werden. Die versorgungsrechtliche Sicherung der Dozenten und wissenschaftlichen Assistenten wird spürbar verbessert.
Die Frage, Herr Kollege Moersch, ob es einer modernen Wissenschaftskonzeption mit der notwendigen Flexibilität wirklich entspricht, den Status des Beamten auf Lebenszeit zum Regelstatus für den wissenschaftlichen Nachwuchs zu machen, möchte ich mit einem großen Fragezeichen versehen, obwohl natürlich - Sie haben ja in der Hinsicht etwas gesagt - das Drängen der Organisationen dorthin geht. Ich hege einen gewissen Zweifel, ob dies die richtige Form sozialer Sicherung ist.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0517003300
Gestatten Sie eine Frage, Herr Minister?

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0517003400
Ja.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0517003500
Bitte, Herr Abgeordneter Moersch!

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0517003600
Herr Minister, stimmen Sie mir darin zu, daß man sich entscheiden kann, ob alle diesen Status des Beamten im alten Sinn nicht haben oder ob alle ihn haben, daß man aber innerhalb des Lehrkörpers nicht zwischen Beamten auf Widerruf und Beamten auf Lebenszeit teilen kann?

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0517003700
Ich glaube, bei verschiedenen Funktionen ist eine solche Teilung möglich. Ich glaube, daß man nach Funktionsgesichtspunkten abstufen kann. Aber mir lad daran, zu betonen, daß hier auf der Grundlage der Empfehlungen des Wissenschaftsrates deutliche Verbesserungen erzielt werden. Die endgültige Entscheidung wird dieses Hohe Haus in der zweiten und dritten Lesung treffen.
Nun haben Sie, was ich, offen gesagt, nicht verstehe, meine kritische Stellungnahme zu dem von mir zitierten Pamphlet zur Notstandsgesetzgebung mit der Unterschrift des Vorsitzenden des VDS darunter als einen Ausdruck autoritären Denkens bezeichnet. Ich begreife das nicht. Was ist damit gemeint? Soll ich diesen Text wirklich noch einmal vorlesen, und wollen wir in eine Diskussion dieses Textes eintreten? Wollen Sie ihn als einen sachlichen Beitrag verteidigen? Ich nehme das nicht an. Ich habe hier mit einer rechtlichen Motivation, aus Rechtsgründen darauf hingewiesen, daß es nach dem klaren Urteil dreier Verwaltungsgerichte nicht statthaft ist, daß Vorsitzende öffentlich-rechtlicher Körperschaften mit Zwangsmitgliedschaft sich so verhalten. Das Recht, dies zu tun, müssen Sie mir zusprechen.

(Beifall in der Mitte.)

Wo kämen wir hin, wenn die Mitglieder der Bundesregierung in der öffentlichen politischen Diskussion in einer Frage, in der sie beschimpft und verleumdet werden, nicht mehr auf die Rechtsgrundlage unseres Staates hinweisen dürften?

(Beifall in der Mitte.)

Was hat das mit autoritärem Denken zu tun?
Wie diese Dinge dann behandelt werden, zeigt ein anderes Beispiel. Unmittelbar nach meiner Rede hat dieser hier mit Recht scharf kritisierte Vorstand des VDS eine Presseerklärung veröffentlicht, in der er laut dpa wahrheitswidrig sagt, ich hätte hier die Professoren und Studenten, die besorgt oder kritisch in die Notstandsdiskussion eingriffen, pauschal verurteilt. Der Entlarvung der einen Verleumdung folgt die neue Verdrehung. Wir kennen diese Methode, meine Damen und Herren; wir weisen sie nachdrücklich zurück.

(Beifall in der Mitte.)

Ich glaube, die letzten Ausführungen des Herrn Senators Evers haben deutlich gemacht, daß es trotz der betonten, in den Grundsätzen sicher auch zu Recht betonten Einigkeit der Kultusminister in vielen Fragen der Hochschulen in anderen doch einen klaren Dissens zwischen ihnen gibt. Darauf hat auch Herr Minister Hahn in seiner kurzen Replik hingewiesen. Er hat auch klargestellt, daß bestimmte Vorwürfe an die Bundesregierung wie etwa der, sie habe die damaligen Vorschläge von Herrn Evers zur Bildung einer Kommission für Schulfragen und Bildungsplanung nicht positiv aufgenommen, schon deshalb völlig unbegründet waren, weil innerhalb der Länder selbst darüber kein Einvernehmen erzielt wurde. Ich brauche auf Grund der Replik von Minister Hahn zu diesem Punkt nicht Stellung zu nehmen.
Andere Vorwürfe, die uns gemacht wurden, etwa mangelnde Iinitiative auf dem Gebiet der Bildungsforschung in letzter Zeit, überraschen mich deshalb, weil doch bis vor kurzem die große Mehrheit der Bundesländer der Meinung war, daß der Bund hier im Grunde gar nichts zu tun habe.

(Beifall bei der CDU CSU.)

Wir wollen nicht nachtragen. Wir wollen den gemeinsamen Geist, der die heutige Diskussion in den Beiträgen aller so positiv bestimmt hat, für alle Zukunft in den Vordergrund stellen. Aber wir sollten uns nicht Vorwürfe in Fragen machen, in denen zumindest in der Vergangenheit die große Mehrheit



Bundesminister Dr. Stoltenberg
der Länder eine Tätigkeit des Bundes aus rechtlichen oder politischen Gründen nicht wünschte.
Was Herr Senator Evers in deutlichem Unterschied zu den drei anderen Kultusministern über bestimmte Probleme hier gesagt hat, etwa die zentrale Frage der Akademiereife, zu der sich die anderen positiv geäußert haben, oder bestimmte Prioritätsfragen auf dem Gebiet von Sofortentscheidungen und Strukturentscheidungen im Schulwesen, zu denen er sich etwa in dem Plädoyer für die Gesamtschule geäußert hat, begründet eben doch etwas die Sorge, die ich vorhin mit dem Begriff des Liberum veto gemeint habe. Das ist das große Problem, meine Damen und Herren, das wir deutlich sehen müssen, daß in diesen Fragen Einstimmigkeit notwendig ist und daß viele von uns allen, in den Ländern und im Bund, im Bundestag, in Landtagen und in Landesregierungen manche Ideen und manche Konzeptionen, an denen sie hängen, vielleicht zunächst einmal zurückstellen müssen, damit jetzt das sofort Notwendige geschehen kann.
Ich glaube im übrigen nicht, daß meine Ausführungen zur Bildungsexpansion von ihm richtig verstanden wurden. Sie waren völlig eindeutig. Ich habe die Entwicklung der letzten zehn Jahre, nämlich die von den Ländern eingeleitete und durchgeführte Bildungsexpansion mit den zitierten Ergebnissen, der Entwicklung der Abiturientenzahlen, klar und eindeutig für die Bundesregierung und für mich als einen Fortschritt begrüßt. Insofern brauchen wir uns hier nicht gegenseitig in falsche Gegensätze zu begeben. Sie ist ein Fortschritt. Aber es ist ein unbestreitbarer Tatbestand, daß man in der Vergangenheit die Folgeprobleme zum Teil nicht rechtzeitig erkannt hat, vielleicht — Herr Minister Huber hat darauf hingewiesen, ich räume das ein — auch gar nicht erkennen konnte. Deshalb muß die Bewältigung der Folgeprobleme der ersten Bildungsexpansion im Bereich der Hochschulen, der Akademien und der Fachschulen im Interesse der jungen Menschen, die in wachsender Zahl aus den Schulen kommen und besorgt nach einer angemessenen weiterführenden Ausbildung fragen, eine absolute Priorität besitzen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich habe mich allerdings — und ich weiß, daß ich da zum Teil noch auf starken offenen oder verborgenen Widerstand stoße sehr entschieden und hier auch in Übereinstimmung mit einigen Sprechern des Bundesrates und vielen Sprechern aus diesem Hause für eine differenzierte Expansion im Hochschulbereich aus Gründen ausgesprochen, die klar genannt sind und die wir nicht weiter zu erörtern brauchen.
Nun glaube ich, daß das „Bürgerrecht auf Bildung", um Ihr Zitat aufzugreifen, eine sehr schöne Formulierung ist, allerdings auch eine Formulierung, die zu manchen Mißverständnissen Anlaß geboten hat, und nur aus diesem Grunde habe ich sie nicht gebraucht. Denn Bürgerrecht auf Bildung kann nicht Beliebigkeit bedeuten,

(Sehr gut! bei der CDU/CSU)

weder in der Auswahl der Bildungswege noch in der Länge der Ausbildungszeiten. So wird es heute weithin von vielen verstanden. Der Demokratisierung des Bildungswesens, die vorangeht und die weitergehen muß — Professor Schmid hat mit Recht auf den immer noch zu niedrigen Anteil der Arbeiterkinder unter den Studenten hingewiesen , entspricht nun einmal als Korrelat die Verstärkung des Leistungsprinzips.

(Beifall bei der CDU CSU.)

Denn wenn ich breiten Schichten des Volkes, so wie es geschieht und noch verstärkt geschehen muß, die Chance des Zugangs zu weiterführenden Schulen und qualifizierten Ausbildungsgängen eröffnen will, muß ich eben auch das Leistungskriterium in der Auswahl, aber auch in zumutbaren Zwischenprüfungen und in der Begrenzung der Studienzeit zum Prinzip erheben.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Und da muß ich sagen, daß in manchen Beiträgen der öffentlichen Diskussion — ich beziehe das nicht. auf Ihren Beitrag - sich ein Verständnis dieses Begriffes eingebürgert hat, in dem Bürgerrecht au( Bildung zu sehr als ein beliebiges Individualrecht erscheint, ohne daß der beherrschende Gesichtspunkt der Auswahl, des Wettbewerbs und der Leistung im Vordergrund steht, der nach meiner Überzeugung unsere Bildung und unsere Wirtschaft von morgen noch stärker bestimmt als in der Vergangenheit.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0517003800
Das Wort hat der Abgeordnete Raffert.

Joachim Raffert (SPD):
Rede ID: ID0517003900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieses Pult ist ja eigentlich kein Platz für Deklamationen, und das sollte es auch in der heutigen Debatte nicht sein. Es ist eher, wenn ich es richtig sehe, vor allem nach dem letzten Beitrag von Herrn Minister Stoltenberg, Teil eines Kampfplatzes, auf dem wir LUIS hier befinden. Oh in der Weise eines Kampfes zwischen Bund und Ländern das von uns gewünschte fruchtbare Gespräch geführt werden kann, muß ich natürlich bezweifeln.

(Abg. Frau Geisendörfer: Ich würde eher sagen, ein Wettkampf!)

— Na gut. Beim Wettkampf gelten ja sportliche Regeln, und es wäre gut, wenn die sportlichen Regeln der Fairneß bei der Auseinandersetzung uni die Dinge, um die es uns heute geht, ganz besonders um die Hochschulpolitik, von allen Beteiligten eingehalten würden, von allen. Damit meine ich jetzt nicht die beiden Bänke, von denen heute im wesentlichen die Sprecher gekommen sind, sondern ich spreche hier auch einmal nach draußen.
Die Debatte, die am vorigen Dienstag einen so breiten Ansatz hatte, hat sich jetzt verengt, verengt insbesondere auf das Gebiet der Hochschulreform. Das ist ganz verständlich; denn die wesentlichen Ansätze auch zur grundsätzlichen Kritik an unserer Gesellschaft, die wesentlichen Ansätze des Wider-



Raffert
standes gegen das, was man Establishment nennt, gegen das, was an unserem Staate für falsch gehalten wird, haben sich ja an der Tatsache entzündet, daß wir im Bereich deß Hochschulpolitik, im Bereich der Hochschulverfassung und -struktur nicht den Status erreicht haben, der als eine wirkliche Ausgangsbasis für eine positive Weiterentwicklung angesehen werden könnte.
Mir ist bei der Vorbereitung für die Debatte ein Zitat von Adolf Arndt, der leider heute nicht da ist, in die Hände gefallen; es ist zwölf Jahre alt. Arndt hat damals in Köln gesagt: ,,Das Ausbleiben der Hochschulreform ist im Kreise der restaurativen Versäumnisse, die zum Unterlassen aller grundsätzlichen Reformen geführt haben, eine der drückendsten Hypotheken — eine der drückendsten Hypotheken -, deren Zinsendienst uns und der künftigen Generation noch teuer zu stehen kommen wird!" Wir sind jetzt dabei, Zins und Zinseszins auf den Tisch legen zu müssen. Aber ich will ganz offen sagen, mir liegt es nicht — und das sollte auch unsere Art heute nicht sein -, dabei nach rückwärts zu kämpfen, den Schwarzen Peter der Verantwortlichkeiten hin- und herzuschieben vom Bund auf die Länder, von den Ländern auf die Professoren, womöglich gar noch auf die Studenten. Das wäre, denke ich, nicht die rechte Art, heute diese Fragen zu behandeln. Auf jeden Fall - das haben auch eine Reihe derer deutlich werden lassen, die heute hier gesprochen haben, erfreulicherweise auch der eine oder andere der Kultusminister — ist die Kritik, die an unserem Bildungswesen und an seinem jetzigen Stand geübt wird, in vieler Weise verständlicher, als es vielleicht die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der CDU/CSU und wie auch das eine oder das andere Wort aus dem Munde von Herrn Minister Huber oder vom Präsidenten der Kultusministerkonferenz mögen erscheinen lassen. Diese Kritik hat über die Studenten weit hinausgegriffen, auch über die Professoren, über die Lehrer und die Assistenten. Sie wirkt in unserer ganzen Bevölkerung und beginnt bei den Eltern, die Kinder auf der Schule haben. Wenn wir einmal eine Mängelliste - eine Mängelliste, nicht Mengenliste, das muß ich deutlich sagen — von dem aufstellten, was es heute in der Bildungspolitik und im Bildungswesen zu kritisieren gibt.: Da fiele einem manches ein. Das beginnt wirklich bei der Schule. Deswegen ist es verständlich, daß die Kultusminister, wenn sie hier reden, ebenso über die Schulreform und was dabei notwendig ist zu sprechen versuchen wie über die Hochschulreform. Die Leute im Lande regen sich eben darüber auf, verständlicherweise: verschiedene Länge von Schulzeiten, also unterschiedliche Schulsysteme, unzureichende Übergangsmöglichkeiten, Lehrermangel vor allem an Gymnasien. Den Lehrermangel kann man nicht ohne weiteres dadurch beheben, daß man durch die Akademiereife jetzt eine bestimmte Gruppe von Gymnasiasten veranlaßt, die Oberstufe nicht mehr zu durchlaufen. Es wird kritisch werden, wenn wir darüber im Ausschuß zu sprechen haben. Das möchte ich in aller Freundschaft andeuten, damit nicht der
Eindruck entsteht, wir befänden uns hier in einem allgemeinen Einverständnis über alle Punkte.

(Abg. Dr. Schober: So einfach stellen wir uns das auch nicht vor!)

- Das glaube ich Ihnen, Herr Dr. Schober. Deswegen werden wir darüber auch noch länger zu reden haben.
Ein Problem ist bei uns auch noch unbeantwortet - es ist einmal angeklungen —: die Frage der Ausbildungsberatung. Wer weist eigentlich die Wege bei all diesen vielen Möglichkeiten, insbesondere bei den vielen Sackgassen, die es heute gibt, nicht nur im Universitätsbereich, sondern im allgemeinen Ausbildungsbereich? Da fehlt uns eine ganze Menge.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Wenn man über Hochschulreform spricht, muß man auch das als einen Mangel erwähnen; gerade das dürfen wir nicht vergessen.
Über Bildungsplanung ist ein Teil schon hier gesagt worden. Daß sie unzureichend war, mindestens unzulänglich koordiniert und auf unzureichenden Voraussetzungen basierend, dafür sind die Zahlen der Abiturienten und die viel geringeren Zahlen nicht nur von Studienplätzen, sondern auch von beruflichen Möglichkeiten für sie nur ein Beweis.
Dazu fällt mir natürlich auch ein - Carlo Schmid hat mit Recht auf den viel zu geringen Prozentsatz der Arbeiterkinder hingewiesen, und Minister Stoltenberg hat das dankenswerterweise aufgegriffen — der weite Bereich der Ausbildungsförderung, der bei uns ja auch nicht in Ordnung ist; etwas anderes kann keiner sagen. Das empfinden viel ganz schmerzhaft. Viele haben sich angewöhnt, in der Diskussion fiber die Studenten zu sagen: Die können leicht demonstrieren, denen geht es ja gut, denen geht es zu gut. Wir wissen, wie wenige auch von den Studenten Ausbildungsförderung bekommen. Ich glaube, es sind weniger als 15 %.

(Abg. Dr. Schober: 16 %!)

— Manche sagen 13 "i'", mal nur mit „Honnef" und mal mit „Hochgegabten" gerechnet. Immerhin sind es viel, viel weniger als in allen mit uns in Konkurrenz befindlichen westlichen Nationen, von dem, was in Osteuropa in diesem Bereich geleistet wird, ganz abgesehen. Das muß man auch einmal deutlich sagen.
Es waren verfassungsrechtliche Bedenken von der Länderseite - jeder weiß, woher sie besonders gekommen sind und daß ich es diesmal unbefangen sagen kann —, die es verhindert haben, daß wir schon eine umfassende AusbildungsförderungsGesetzgebung haben. Ob sie unter früheren Mehrheiten in diesem Hause so hätte aussehen können, wie sich das meine Partei vorstellt, bezweifle ich. Aber vielleicht hätten wir einen ersten Schritt tun können. Wir sehen auch am Problem der Ausbildungsförderung, daß verfassungsrechtliche Hemmnisse nicht immer durch Verfassungsänderungen ausgeräumt werden müssen. Manchmal hilft auch ein schönes Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das uns die Sache später leichter macht. Immer aber



Raffert
muß man darauf zielen, daß solche Hemmnisse einer vernünftigen Entwicklung nicht im Wege stehen.
Einer der Punkte in der schriftlichen Antwort der Regierung auf die Große Anfrage der CDU/CSU hat mich ein bißchen skeptisch gestimmt. Ich beurteile die Situation bei der Hochbegabtenförderung, die ja ganz wesentlich ist, wenn wir qualifizierten wissenschaftlichen Nachwuchs haben wollen, nicht ganz so positiv, wie es aus dem, was Sie, Herr Minister Stoltenberg, formuliert haben, herauszulesen zu sein scheint. Wenn wir die Haushaltssituation der Stiftungen betrachten, die Hochbegabte fördern, und wenn wir einige andere Dinge in diesem Bereich in unseren Blick bringen, wissen wir, daß wir noch kein System haben, das verläßlich sicherstellt, daß wirklich alle, die hochbegabt sind, auch in einer Weise gefördert werden, die sie aus der allgemeinen Förderung heraushebt; denn sie müssen daraus herausgehoben werden können. Die allgemeine Förderung wiederum muß so gestaltet sein, daß jeder nach seiner Begabung den Platz erreichen kann, der in der Gesellschaft für ihn bereit ist. Nicht jeder wird den Platz erreichen können, den er erreichen will. Das geht leider nicht. Das ist eine der großen Schwierigkeiten, in denen wir stehen, daß wir es bei aller Mühe niemals erreichen werden, ein Bildungssystem zu schaffen, in dem jeder nach seinen Fähigkeiten und Wünschen ganz genau den Platz erreicht, den er ansteuert. Und wenn er ihn erreicht, hindert ihn vielleicht unsere sich wandelnde Welt daran, den Platz so lange zu behalten, wie er es sich gewünscht hat. Auch darauf müssen wir uns in unserem Erziehungs- und Bildungssystem einstellen. Dazu kann allerdings der Sektor, über den wir heute sprechen, die Hochschulgesetzgebung, und ganz besonders etwas, worüber wir heute nicht ausführlich genug gesprochen haben und wozu ich nun leider auch nicht mehr ausführlich Stellung nehmen kann, nämlich die Studienreform, beitragen. Sie kann die Voraussetzungen schaffen helfen, jemandem den Weg zu öffnen, der nicht nur für ihn paßt, sondern der ihn auch an einem bestimmten Punkt seiner Entwicklung mit der Ausbildung fertig sein läßt, der es ihm noch möglich macht, sich vielleicht später einmal zu verändern, sich weiter so fortzubilden, daß er den richtigen Platz findet, wenn er den anderen nicht mehr behalten kann.
Ich will nicht noch ausführlich darauf eingehen, daß in diesen Zusammenhang Fragen gehören wie etwa die des Kontaktstudiums, Fragen, die nicht nur im Blick auf eine Umorientierung, sondern auch im Blick auf die Fortbildung und das weitere Anschlußhalten an die Entwicklung unbedingt beantwortet werden müssen.

(Abg. Frau Geisendörfer: Das ist kein strittiger Punkt!)

— Nein, es ist kein strittiger Punkt mehr - Gott sei Dank - , aber es ist ein noch nicht zur Entscheidung gebrachter Punkt. Es gibt ja so viele Punkte - und das ist etwas, was wir auch als Ergebnis dieser Diskussion feststellen können - , die unter den Verantwortlichen nicht strittig sind. Deswegen ist. es um so unverständlicher, wenn sie nicht umgesetzt werden, wenn sie nicht wirklich gelöst werden, wenn es kein Gesetz gibt, wenn es keine Verordnung gibt, die es möglich macht, diese unstrittigen Punkte aus der theoretischen Diskussion heraus in die Praxis zu bringen und wirklich dafür zu sorgen, daß es nun bei diesem Punkt, wo Einigkeit besteht, zu einer Entscheidung kommt, die uns weiterbringt. Das liegt nicht nur an verfassungsrechtlichen Schwierigkeiten.

(Abg. Dr. Schober: Bei einigen Universitätsneugründungen ist das schon vorgesehen!)

— Ja, bei einigen Universitäten ist vieles vorgesehen.

(Abg. Dr. Schober: Bei Universitätsneugründungen!)

— Bei Neugründungen. Auch bei einigen Universitäten, die es schon gibt, macht man solche Versuche.

(Abg. Dr. Schober: Konstanz, Bielefeld!)

Aber wir haben uns auch angewöhnt, diese Vielfalt, die wir im Bildungswesen haben, wo man immer auch einmal auf ein gutes Beispiel verweisen kann, gelegentlich dazu zu benutzen, zu sagen: Da ist es so; dann wird es woanders auch kommen! Aber es kommt woanders nicht von selbst, sondern es bedarf einer gemeinsamen Anstrengung von uns allen, es auch anderswo so gut zu machen, wie positive Beispiele es zeigen.
Ich will ein paar Worte zu den uns vorliegenden Anträgen sagen; denn das muß ja in dieser Runde, glaube ich, ganz konkret geschehen. Wir haben einmal den Entschließungsantrag der FDP. - Herr Moersch, ich spreche gerade über Ihren Antrag; vielleicht ist das ganz interessant. Der Antrag der FDP wird ja ebenso wie die anderen, die hier vorliegen, in die Ausschüsse gehen. Ich möchte nur ganz deutlich machen: es gibt ja noch keine verfassungsrechtliche Grundlage für Punkt 1 a; was Sie uns in der Drucksache, auf die Sie sich beziehen, vorgelegt: haben, hat noch keinen Ausschuß verlassen, sondern das ist noch in der Arbeit, und wir werden erst später darüber reden können.
Ich bin nicht der Meinung, daß Rahmenkompetenz des Bundes oder daß die Vereinigung noch vieler zusätzlicher Kompetenzen auf den Bund, die man den Ländern eventuell abnimmt, unbedingt eine schlüssige Antwort auf all die Probleme geben kann. vor denen wir stehen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Es wäre zu automatistisch gedacht, wenn man glaubte: Wenn wir das jetzt alles zentralisieren, geht es zwangsläufig besser. Herr Stoltenberg hat schon zu Recht gesagt, daß er einen größeren Apparat brauchte, um diese Aufgaben zu bewältigen. Ich stelle mir da diesen Riesenapparat vor, der ja auch nicht beweglicher sein wird als die Ansammlung von Ministern, mit der das bis jetzt zu betreiben versucht wird. - Bitte schön, Herr Moersch!




Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0517004000
Herr Kollege Raffert, teilen Sie denn vielleicht die Befürchtung, daß man der Mehrheit dieses Hauses gar nicht ein solches Instrument in die Hand geben sollte, weil keine reformfreudige Gesetzgebung gemacht werden soll?

Joachim Raffert (SPD):
Rede ID: ID0517004100
Herr Moersch, ich möchte auf diesen Zwischenruf gar nicht antworten, sondern ihn so stehenlassen; so schön ist er.

(Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich darf allerdings — und das kann ich trotz der Kürze der Zeit, die uns noch zur Verfügung steht, nicht unterdrücken, — eine persönliche Bemerkung einflechten: Wenn es nicht in absehbarer Zeit gelingt, ohne Verfassungsänderungen
über die geplanten, mit der Finanzreform verbundenen Änderungen hinaus — und ohne ein stärkeres Ansichziehen solcher Kompetenzen durch den Bund die Fragen, vor denen wir stehen, schnell und zügig zu behandeln, wird das eine Bewährungsprobe, und dann kann das, wenn sie der Föderalismus nicht bestanden hat, zu einer Zerreißprobe werden die ganz schreckliche Folgen haben kann, nicht nur bei der Bildungs- und Hochschulpolitik, sondern für unsere Verfassung überhaupt und für unseren Bundesstaat. Ich darf für meine Person sagen, daß ich außerordentlich skeptisch bin in bezug auf das, was geschehen wird, wenn wir nun nicht wirklich zügig handeln.
Ich habe mit Vergnügen gehört, was Minister Huber gesagt hat: „Die Botschaft ..." Ich will das Zitat nicht vervollständigen: denn mir fehlt der Glaube. Wenn ich an Minister Huber denke, fehlt mir der Glaube in beiderlei Beziehung, sowohl der konfessionelle, wie der, der hier erforderlich wäre, wenn man ihm folgen wollte.

(Beifall bei der SPD.-Zuruf des Abg. Moersch.)

Meine Damen und Herren! Wir haben eine ganze Reihe von schwerwiegenden Problemen angesprochen. Ich habe soeben ein bißchen locker versucht, über das sehr schwierige Problem des kooperativen Föderalismus zu sprechen. Man müßte natürlich ausführlich das kann man leider nicht so locker tun — über das Problem des sich wandelnden oder des sich notwendigerweise wandeln müssenden Autonomieverständnisses unserer Wissenschaft sprechen, das ganz gewiß in unserem Zusammenhang mindestens ebenso schwierig ist wie das des kooperativen Föderalismus. Ich sehe es natürlich gern, daß Professoren der Technischen Hochschule München zum erstenmal eine Zeremonie ohne Talare durchgeführt haben, und ich unterstelle, daß sie das nicht getan haben, um sich eventuellen Demonstrationen von Studenten zu entziehen. Das nehme ich aber nur als eine symbolische Geste
das muß ich noch sagen —; es ist gar nicht unbedingt notwendig, daß man solchen äußeren Formen abschwört. Aber so, wie die Lage jetzt ist, ist es ganz gut, wenn ein solches Symbol einmal gesetzt wird.

(Abg. Frau Geisendörfer: Sie können zu den Symbolen gehören, von denen Herr Kollege Schmid gesprochen hat!)

— Ich befinde mich da nicht im Gegensatz zu ihm;

(Abg. Frau Geisendörfer: Ich sage es ja nur!)

da bin ich mit ihm völlig einig, daß ein gewisser Symbolgehalt bei diesen Dingen auch heute noch eine Rolle spielt. Tradition ist nicht nur etwas Schreckliches, sie darf nur nicht zum Hemmschuh werden; dann wäre es schlimm.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Im Bereich der Autonomie, so wie sie von vielen Hochschullehrern verstanden worden ist, gibt es tatsächlich noch solche Hemmschuhe. Man braucht nur die Kommentare — noch aus der letzten Zeit — zu lesen, um zu sehen, was unter Autonomie verstanden wird, insbesondere im juristischen Sinne, dann kann man als Politiker eigentlich nichts anderes tun ich sage das jetzt einmal ganz lax — als darüber weinen, daß so etwas als wissenschaftliche, als juristische Erklärung dafür gegeben wird, daß wir als Staat, wir, die wir nicht nur Geld geben, sondern die wir mit den gesellschaftlichen Problemen fertig werden sollen, dort möglichst gar keine Eingriffe vornehmen dürften. Das ist eigentlich schlechterdings unerträglich.
Ich muß aber sagen: Es vollzieht sich zur Zeit ein Vorgang, auf den das öffentliche Interesse in viel geringerem Maße gerichtet ist als auf die Studentendemonstrationen und das, was sich auf der Straße abspielt, nämlich eine Reihe von WissenschaftsHearings im Ausschuß dieses Hauses, der dafür zuständig ist, im Wissenschaftsausschuß. Dort haben die Sachverständigen, der Präsident der Westdeutschen Rektorenkonferenz, der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Präsident des Wissenschaftsrates, der Präsident des Bildungsrates, der Vorsitzende des VDS — die sitzen da an einem Tisch mit uns, uns gegenüber, nebeneinander in einer Reihe übereinstimmend erklärt, daß „die Autonomie der deutschen Hochschulen in der gegenwärtigen Form veraltet" sei. Daraus werden wir Konsequenzen ziehen können. Sie befinden sich da ja in einer sehr guten Tradition. Das war doch schon — wenn man ihn in diesem Zusammenhang einmal zitieren darf, eigentlich tut man das nur bei Gymnasien — die Auffassung von Humboldts, der gewußt hat, daß, ich hätte fast gesagt, die Wissenschaften eine zu ernste Sache sind, als daß man ihre Organisation nur den Professoren überlassen dürfte: der so gehandelt hat, daß der Staat von vornherein lenkend mit eingreifen konnte, nicht in das, was geforscht wird, nicht in das, was die Professoren an Ort und Stelle lehren, aber in die Struktur der Hochschulen.
Deswegen, denke ich, ist es gut, wenn in diesem
Hause heute-und das ist das letzte, wozu ich
etwas sagen will-eine Reihe von Entschließungsanträgen vorliegt, die Grundsätze zur Hochschul-



Raffert
gesetzgebung beinhalten. Ich habe mit Vergnügen gesehen, daß auch die CDU/CSU-Fraktion jetzt solche Grundsätze vorgelegt hat. Ich nehme an, daß das nicht nur deswegen gekommen ist, weil unsere - die es ja schon seit einer ganzen Zeit gibt, die auf dem Parteitag in Nürnberg verabschiedet worden sind — zu erwarten waren. Wenn man die miteinander vergleicht und das vergleicht, was durch die Kultusministerkonferenz der Länder gekommen ist, dann kann man mit Minister Huber sagen: Es gibt eine ganze Reihe entscheidender Punkte, in denen Übereinstimmung besteht. Es gibt aber auch
das muß man hei genauerer Betrachtung sehen — Unterschiede, sogar im Ansatz. Wir sagen in unserem ersten Punkt ganz deutlich, daß es bei jeder Hochschulgesetzgebung darauf ankommen muß, daß sie Impulse für Reformen zu geben hat, die darauf gerichtet sind, daß demokratische Prinzipien an den Hochschulen die Leistungs- und Funktionsfähigkeit dieser Einrichtungen steigern helfen sollen. Dieses Moment der Demokratisierung ist außerordentlich wichtig; Herr Moersch, da stimme ich mit Ihnen überein. Ich werde Sie an diese Übereinstimmung gelegentlich erinnern, wenn wir über Demokratisierungsnotwendigkeiten in der Wirtschaft sprechen werden; dahin gehört das ja durchaus auch, man muß das beides zusammen sehen. Das ist ein entscheidender Ansatzpunkt für uns.

(Abg. Moersch: Bei den Parteien gehört es auch hin, nicht nur bei der Wirtschaft und den Hochschulen!)

Aber natürlich! Unsere Partei gibt dafür ein gutes Beispiel, Herr Moersch.

(Lachen bei der FDP.)

- Das läßt sich doch beweisen; aber es ist hier nicht
der Ort, das im einzelnen darzulegen. Ich habe es ja auch nicht nötig, über unseren Parteitag lobende Worte zu verbreiten, wie Sie es tun. Daß auf unseren Parteitagen öffentlich und hart über strittige Fragen diskutiert wird, ist so selbstverständlich, daß man das gar nicht erwähnt. Daß Sie es gemacht haben, das hielt ich für einen Moment der Schwäche; Sie diskutieren sonst qualifizierter, Herr Moersch.

(Beifall bei der SPD. Abg. Dorn: Und über die anderen reden Sie gar nicht?)

— Das ist nicht meine Sache. Ich bin ja nicht in der Opposition. Das unterscheidet uns im Augenblick jedenfalls.

(Heiterkeit. - Abg. Dorn: Das ist gut!)

Meine Damen und Herren, es wäre natürlich jetzt reizvoll und wahrscheinlich auch angebracht, wenn man über Einzelheiten unseres Papiers spräche. Ich will aber nur eines ganz deutlich machen. Wir sind nicht der Meinung, damit ein ganz besonders progressives, zukunftweisendes Papier vorgelegt zu haben. Wir sind der Meinung, daß es sich hier um ein Minimalprogramm handelt. Wir sind der Meinung, es sei einmal notwendig gewesen, zu fixieren und zu zeigen, worüber mindestens man sich einigen müßte und was als Ausgangsbasis für weitere Entwicklungen gesehen werden kann. Uns liegt nämlich daran, daß sich aus dieser Debatte hier, aus dem, was wir hier gemeinsam tun, nicht neue Illusionen entwickeln, sondern daß wir zu Antworten kommen, die sich in die Tat umsetzen, die sich realisieren lassen. Deswegen sind wir mit dem, was wir vorgelegt haben, in manchen Punkten zurückhaltender gewesen, als der eine oder andere meiner Freunde es sich vielleicht gewünscht hätte.

(Abg. Moersch: Sind Sie Realist oder Fatalist?)

- Ich bin nicht Fatalist, dazu neige ich nicht. Wer Fatalist ist, der sollte nicht Politiker werden. Dann wird er nämlich sehr schnell aufgeweckt. Denn mit Fatalismus kommt man hier nicht durch, kommt man auch nicht weiter. Sie kennen das, Herr Borm, aus eigenem Schicksal zu gut.

(Zuruf von der FDP: Also Optimist?)

— Ja, Optimisten müssen wir sein. Das müssen Politiker immer sein, sie müssen immer glauben, daß es sich noch lohnt, Politik zu machen, und diesen Glauben lassen wir uns auch in der jetzigen Situation von niemandem nehmen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Meine Damen und Herren, die Dinge, die zu entscheiden sind, spielen sich nicht nur bei uns ab. Mehrere haben es gesagt, ich will es noch einmal unterstreichen: Die Hochschulen haben eine große Chance, von sich aus vieles dazu zu tun. Die Westdeutsche Rektorenkonferenz hat eine Reihe Erklärungen abgegeben. Es würde mir sehr viel Spaß machen, sie einmal im 'einzelnen zu untersuchen und festzustellen, was sich wirklich an positiven Absichten in den Erklärungen verbirgt. Eine schließt, wenn ich mich richtig erinnere, mit dem Satz: „Das Jahr 1968 kann das Jahr der großen Reformen werden." Ein Politiker, der hier steht und in dieser Situation spricht, wandelt den Satz ah und sagt: Das Jahr 1968 m u 13 das Jahr der großen Reformen werden, wenn alles das Sinn haben soll, was wir hier getan haben.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0517004200
Das Wort hat Frau Abgeordnete Funcke.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0517004300
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Herr Kollege Althammer hat soeben kritisiert, daß mein Kollege Moersch den Herrn Innenminister als Polizeiminister tituliert hat. Nun, wir Freien Demokraten sind es gewohnt, unseren Innenminister Weyer gelegentlich als Polizeiminister anzusprechen. Das ist durchaus positiv und funktional gemeint und keineswegs abschätzig. Es liegt nämlich ein wenig daran, wie der einzelne zu der Funktion des Staates und zu der Funktion der Polizei steht, wie er die Bewertung vornimmt. Wer allerdings den Staat überwiegend autoritär versteht und die Polizei als Hüter dieser Autorität, der mag möglicherweise darin eine Konfrontation mit dem Bürger sehen. Wer aber den Staat liberal und demokratisch versteht, der wird in der Polizei den Hüter der Ordnung zwischen gleichberechtigten Menschen



Frau Funcke
sehen. Von daher ist auch die Ministerfunktion, so scheint es mir, positiv zu beurteilen.

(Beifall bei der FDP.)

Herr Kollege Barzel hat in der vorigen Woche durchschimmern lassen, daß ihm die Diskussion beinahe vergeblich erscheine, weil es an der Spannung gefehlt habe. Nun, wer unter parlamentarischen Diskussionen im wesentlichen brillante Dialektik versteht, der mag vielleicht über manche Rede, die etwas nachdenklicher war, enttäuscht gewesen sein. Ich hoffe aber, wir alle haben noch einmal nachgelesen, was in der vorigen Debatte gesagt worden ist, und wer zugleich noch einmal nachgelesen hat, was in diesem Hause in der Aktuellen Stunde am 9. Februar, d. h. vor den Osterereignissen, gesagt worden ist, wird hoffentlich gemerkt haben, wie gut es ist, daß wir hier mehr als einmal über die Dinge sprechen. Denn mir scheint, wir sind inzwischen etwas differenzierter in unseren Aussagen geworden. Es war doch bedrückend, in diesem Hause zu spüren, wie am 9. Februar überhaupt Applaus und gar starker Applaus nur entstand, sobald von Ruhe, Sicherheit und Durchgreifen die Rede war,

(Beifall bei der FDP)

und wie ruhig und fast unwillig man war, wenn es um das Verständnis der Ursachen ging. Glücklicherweise unterhalten wir uns jetzt differenzierter. Es ist doch kein Zweifel, meine Herren und Damen, daß das fatale Wort von dem „Landgraf, werde hart!" entscheidend zur Verhärtung und Verschärfung der Auseinandersetzung beigetragen hat.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD.)

Herr Kollege Althammer hat es als eine vorrangige Notwendigkeit angesehen, daß wir auf die Herausforderung von links und rechts reagieren. Das ist sicherlich richtig, Herr Kollege, nur scheint es uns wichtiger zu sein, auf die Herausforderung der Zukunft zu reagieren, und zwar schnell und richtig. Dann werden wir mit rechts und links leicht fertig werden, weil es dort nämlich dann nur noch schmale Gruppen gibt, die immer vorhanden sind, und wir uns darauf nicht mehr so zu konzentrieren brauchen, wie das im Augenblick notwendig erscheint.

(Beifall bei der FDP.)

Unter den zahlreichen Zuschriften, die uns in der vergangenen Woche erreicht haben und auch jetzt erreichen, gerade von jungen Menschen, die viel Hoffnung auf die Diskussion in diesem Hause gesetzt haben, ist ein Wort der evangelischen Jugend. Sie fragt — und ähnlich fragen andere —:
Müssen nicht verschleppte Entscheidungen, versaumte Zielsetzungen, verhinderte Reformen unseres gesellschaftlichen Lebens junge Menschen in Verzweiflung oder in Resignation bringen?
Ja, wenn wir uns, nicht zuletzt am Ende der heutigen Diskussion, einmal vor Augen halten, was alles auf der kulturpolitischen Front im argen liegt, so müssen wir allmählich die Verzweiflung der jungen Menschen verstehen, die ihren Blick in das nächste
Jahrhundert wenden. Denn ist es nicht zum Verzweifeln, daß mindestens zwei Länder in ihren Kulturverwaltungen und im Kulturausschuß des Landtags nahezu ein ganzes Jahr und mehr durch die Diskussion blockiert waren, endlich die konfessionelle Zwergschule zu beseitigen, anstatt großräumig wichtigere Probleme zu bewältigen, ein Problem, das wir schon vor 20 Jahren hätten endgültig erledigen können und nicht erst im Jahre 1968 oder später?

(Beifall bei der FDP.)

Ist es nicht zum Verzweifeln, daß in Dortmund auf dem Platz der Technischen Universität noch kein Stein auf dem anderen steht, weil die CDU in den 50er Jahren immer wieder die Vorbereitungskosten abgelehnt hat, also in einer Zeit, in der die Einnahmen ständig stiegen und uns die Möglichkeit einer schnellen Realisierung einer zusätzlichen Hochschule gegeben hätten? Ist es nicht zum Verzweifeln, daß in Gerolstein ein Elternpaar seine evangelisch getauften Kinder nicht zur vollausgebauten katholischen Schule schicken konnte, es sei denn, die Kinder würden als konfessionslos angemeldet? Bitte: im Jahre 1968 und nicht im Jahre 1868!

(Zurufe von der Mitte.)

- Augenblick, ich komme noch darauf. Ich spreche jetzt zur CDU, damit Sie es begreifen.

(Abg. Dorn: Wenn es konkret wird, werden sie immer nervös! — Anhaltende Zurufe von der CDU/CSU.)

Ich spreche zur CDU. Ist es nicht zum Verzweifeln, wenn der Vorsitzende der größten Fraktion in diesem Hause vor einer Woche mit einer geradezu entwaffnenden Naivität uns und dem deutschen Volk erklärte, daß er keine Ahnung hätte, daß die Ingenieurschulausbildung offensichtlich diskriminiert wird im europäischen Raum?

(Abg. Dorn: Hört! Hört!)

Wir haben im Bundestag die Verantwortung für die EWG, und hier erklärt der erste Vorsitzende der größten Fraktion, er hätte keine Ahnung, er müßte einmal bei den Kultusministern nachfragen. Schauen Sie, das ist wirklich zum Verzweifeln.

(Beifall bei der FDP.)

ist es nicht zum Verzweifeln, daß die Frage der Finanzierung der Bremer Universität seit nahezu 10 Jahren auf dem gleichen Punkt ist wie damals, nämlich daß man heute wie damals wieder die Frage aufwirft: Wie kann man sie vom Bund aus finanzieren, ohne daß die Länder Einspruch erheben?

(Zuruf von der Mitte: Das liegt aber auch an den Bremern!)

Ich komme noch darauf. Es liegt jedenfalls nicht nur an den Bremern. Die Frage der Finanzierung ist unabhängig von den Bremern, sondern ist eine Frage, ob die Herren dort - die inzwischen weggegangen sind — nicht Einspruch erheben, wenn hier der Bund dafür Geld gibt. Das ist doch nicht zu bestreiten, meine Herren und Damen.
Ist es nicht zum Verzweifeln,

(Zurufe von der CDU/CSU: Nein!)




Frau Funcke
- das geht jetzt gerade nicht auf Sie; Sie müssen
doch erst einmal zuhören —, daß wir hier eine Diskussion mit Herren vom Bundesrat beabsichtigen und die jedesmal nach Absingen ihres Sprüchleins die Bundesratsbank verlassen

(Beifall auf allen Seiten des Hauses)

— na also —, mit Ausnahme des Herrn Senators Evers.

(Zuruf von der SPD: Ausnahmen bestätigen die Regel!)

Ist es nicht zum Verzweifeln für Ingenieurschulabsolventen, festzustellen, daß fortschrittlichere Überlegungen durch die Notwendigkeit blockiert werden, bei der Kultusministerkonferenz immer einheitliche Beschlüsse fassen zu müssen und dadurch eben der langsamste Zug das Tempo des Geleites angibt? Ist es eben nicht zum Verzweifeln, meine Herren und Damen von der CDU, daß in Ihrem neuen Aktionsprogramm unter Punkt X und der Gesamtüberschrift „Bildung, Jugend, Sport und Freizeit" auch etwas von den Bildungsaufforderungen der künftigen Jahre steht?

(Zuruf von der Mitte: So was haben Sie gar nicht, Frau Funcke! — Gegenruf von der FDP: Lesen müßte man! — Weitere Zurufe.)

— Ich habe es genau gelesen. Bei uns steht es ein bißchen früher, Sie haben offensichtlich nur hinten hingeschaut.
Ist es nicht zum Verzweifeln, daß es in Bayern immer noch kein 9. Schuljahr gibt?

(Beifall bei der FDP und der SPD. — Abg. Hermsdorf: Trotz Zusage des Kultusministers!)

— Na also! — Ist es nicht zum Verzweifeln, daß in Baden-Württemberg ein Hochschulgesetz verabschiedet wird, das die fortschrittlicheren Vorstellungen von Tübingen zum Beispiel wieder rückwärts schraubt anstatt nach vorwärts zu gehen? Und ist es schließlich nicht zum Verzweifeln, daß eine Lehrerin nicht über die Landesgrenze hinweg heiraten kann ohne die Gefahr, ihren Beamtenstatus oder ihre Qualifikation zu beeinträchtigen?

(Beifall bei der FPD und der SPD.)

Meine Herren und Damen, das ist eine kleine Auswahl; ich könnte sie beliebig erweitern. Wer sich elf Jahre im Landtag und sieben Jahre in diesem Hause bemüht, gegen die konservative Kulturpolitik der CDU moderne Vorstellungen zu entwikkeln, kann nicht anders, als dies einmal mit aller Deutlichkeit auszusprechen. Sie werden mir das hoffentlich nicht übelnehmen.

(Beifall bei der FDP. — Zurufe von der CDU/CSU: Doch!)

— Sie können es beweisen. Eben sagen Sie, Sie sind nicht zuständig. Es gibt Anträge in diesem Hause, für die Sie zuständig sind, die aber auch nicht weiterkommen.

(Zuruf von der FDP: Eben!)

Wann wollen Sie denn endlich das Ausbildungsförderungsgesetz vorlegen, auf das wir entgegenkommenderweise bisher mit der Beratung unseres Gesetzes gewartet haben? Wann wollen Sie denn endlich — darüber sprechen wir doch schon Jahre — unseren Antrag behandeln, daß Ausbildungs- und Fortbildungskosten in der steuerlichen Begünstigung gleichgestellt werden? Es wird doch von Ihnen permanent verschleppt. Wann endlich wollen Sie entscheiden über die Teilzeitbeamtin? Auch dieses Gesetz liegt seit mehr als einem Jahr vor. Es wird doch von Ihnen verschleppt. Selbst bei diesen bescheidenen Kompetenzen sagen Sie grundsätzlich: morgen, übermorgen oder überhaupt nicht.
Man kann angesichts aller dieser verschleppten Fragen die Ungeduld der Jugend schon verstehen, und man kann auch verstehen — wenn auch nicht rechtfertigen —, wenn die Betroffenen einer so allzu langsamen Entwicklung das Abweichen von der Legalität mit der inneren Legitimation begründen, endlich mit für einen Fortschritt zu sorgen.

(Unruhe und Widerspruch bei der CDU/CSU.)

— Ich weiß, daß es gefährlich ist, das auszusprechen, meine Herren und Damen, aber wollen wir einmal ganz ohne innere Erregung — und ich glaube, in diesem Hause erwarten zu können: auch mit dem richtigen Verständnis — feststellen, daß wir sofort hellwach sind, wenn Fensterscheiben eingeworfen werden und Autos umgestürzt werden,

(Zurufe von der CDU/CSU)

daß wir es aber jahrelang ertragen haben, daß in den Verhältnissen unserer Universitäten Jahr um Jahr Student um Student ein und zwei und drei Semester verloren hat — und das heißt Zeit und Geld und Karriere — wegen der unzureichenden Verhältnisse auf den Universitäten. Das ist doch eben zugegeben worden.

(Beifall bei der FDP.)

Hier gilt es ein bißchen abzuwägen, bevor man allzu schnell über die zerbrochenen Fensterscheiben weint.

(Zurufe von der Mitte.)

Es hilft auch nichts, wenn wir heute an dieser Stelle immer wieder ein Hin- und Herschieben der Verantwortlichkeiten erlebt haben. Von der Regierungsbank zur Bundesratsbank und von da zu den Universitäten und wieder zurück, ist es doch munter hin und her gegangen mit den Entschuldigungen und der Frage, wer eigentlich zuständig ist und die Sache zu verantworten hat. Meine Herren und Damen, damit kommen wir in der Frage auch nicht einen Schritt weiter.

(Beifall bei der FDP.)

Unser Volk erwartet endlich Entscheidungen, die durchgreifend sind, und nicht nur hier ein bißchen und in jenem Land ein bißchen und in diesem Land ein bißchen ändern. Meine Herren von der Bundesratsbank, soweit Sie noch da sind, das ist kein Angriff gegen die Bemühungen der Länder, in ihrem Bereich alles Mögliche zu tun. Das ist es nicht. Ich weiß es wahrlich aus langjähriger Erfahrung, wieviel unendliche Mühe sich Landtage und Landeskultusminister geben, natürlich immer nur



Frau Funcke
im Grade ihres Verständnisses von Kultur. Aber daß man insgesamt nicht weiterkommt, liegt doch eben daran, daß das immer nur Stückwerk bleiben muß und nicht die Entscheidung des Ganzen hinter sich hat.
Unsere Jugend denkt heute wahrlich nicht mehr in provinziellen Grenzen, und wir können es ihr nicht übelnehmen. Unsere Jugend denkt heute im Weltmaßstab. Wir wissen, daß das Wort von der Weltinnenpolitik schon einen sehr aktuellen Grad an Verständnis in unserer Jugend hat. Mit Recht! Wir sollten froh darum sein. Aber wer im Maßstab einer Weltinnenpolitik zu denken sich anschickt, meine Herren und Damen, kann es einfach nicht verstehen, daß man auf einer Reise von Kiel bis Saarbrücken durch acht pädagogische Provinzen mit acht verschiedenen Schulsystemen und acht verschiedenen Länderverwaltungen und Eigenständigkeiten fährt. Das ist einfach nicht mehr zu verstehen. Begreifen Sie doch, daß man heute in der Jugend dies nicht mehr hinnimmt: Jede Autostunde eine andere pädagogische Provinz mit allen Eigentümlichkeiten und Eigenheiten und Provinzialismen.
Ich unterstreiche das Wort, das Herr Kollege Barzel in der letzten Sitzung gesagt hat: Die Geschichte
fragt uns nicht nach Kompetenzen, sondern danach, ob in diesem Land geschieht, was notwendig ist. Meine Herren und Damen, ich meine, das sollten wir sehr ernst nehmen.

(Abg. Dorn: Sehr richtig!)

Ich höre jetzt lange genug das Wort von der Bewährungsprobe des Bundesrats. Wie lange soll die Probezeit eigentlich noch dauern? Jahr um Jahr hören wir, daß wir hier erwarten, daß sich der Bundesrat bewährt. Er gibt sich sicherlich Mühe. Aber überzeugend ist das nun wahrlich nicht.

(Beifall bei der FDP.)

Was wir brauchen und unserem Volk überzeugend klarmachen müssen, ist, daß wir für unsere deutsche Bundesrepublik einen für Kulturpolitik überhaupt Verantwortlichen brauchen; den gibt es nämlich nicht. Das machen Sie draußen mal jemandem klar! Es gibt keinen, der für die deutsche Bildungspolitik verantwortlich und zuständig ist. Glauben Sie wirklich, daß wir das vor unserer Jugend und vor unserem deutschen Volk weiterhin noch ernstlich verantworten können? Mir scheint das nicht so zu sein.

(Beifall bei der FDP.)

Herr Kollege Schmidt (Hamburg) hat gesagt: Wir wollen keinen Zentralismus, wir wollen die Macht verteilen. Gut, richtig. Deswegen will ich sie eben nicht allein bei den Kultusminister lassen, sondern ich meine, wir sollten sie ganz ehrlich so verteilen, daß der Bund und die Länder gemeinsam zuständig werden. Das ist nämlich echte Machtverteilung. Darum sollten Sie unseren Antrag annehmen, die Zuständigkeit des Bundes für Hochschulfragen und für die Bildungsplanung zu begründen. Wir brauchen hier endlich einen Adressaten für all die vielen Eingaben, die da kommen und irgendwo herumliegen, aber keinen wirklichen gemeinsamen Adressaten haben.
Sie sprechen von neuen Kommissionen. Du liebe Zeit, wieviel Kommissionen wollen wir denn eigentlich noch! Wir haben den Bildungsrat und den Wissenschaftsrat, und wir hatten den Deutschen Ausschuß, und nun haben wir noch gemischte Kommissionen. Meine Herren und Damen, durch Beraten kommen wir doch nicht weiter, wir wollen endlich Entscheidungen haben.
Nun, ich weiß, was die SPD an Argumenten Jahr um Jahr gegen die Kompetenz des Bundestages ins Feld führten. Sie sagt — und das kann man sogar verstehen —: In den Ländern, in denen wir die Mehrheit haben, können wir die Kulturpolitik wenigstens so vorantreiben, wie wir uns das vorstellen; aber im Bund regiert überwiegend die CDU, und da wird es eben so konservativ gemacht. Das ist doch der wirkliche Grund, das wissen wir doch.
Meine Herren von der SPD, sind Sie seit den letzten Wahlen oder schon vorher so schrecklich mutlos geworden, daß Sie nicht einmal darauf vertrauen, daß Sie mit Ihren Argumenten zusammen mit uns - denn in dem Punkt liegen wir im allgemeinen gar nicht so weit auseinander —, in diesem Hause die von uns gewünschten Entscheidungen durchsetzen können, oder stehen Sie so in der Zucht der Koalition, daß Sie nicht einmal wagen, eine andere Meinung vorzubringen?

(Heiterkeit und Beifall bei der FD).

Lachen bei der SPD und der CDU/CSU.)

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0517004400
Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Frage?

Joachim Raffert (SPD):
Rede ID: ID0517004500
Frau Kollegin, am liebsten möchte ich Sie natürlich anregen, selber eine Frage an die CDU/CSU-Fraktion zu stellen, nämlich, welche Erfahrung sie mit uns als „zuchtfrommem" Koalitionspartner gemacht hat. Aber ich will Sie lieber fragen: glauben Sie wirklich, daß es sich eine Partei wie die SPD leisten kann, in so entscheidenden Fragen wie der Bildungspolitik und in so entscheidenden Fragen wie denjenigen, von denen Sie selbst eben sprechen, nach rein parteitaktischen Gesichtspunkten ihre Entscheidung zu treffen? Glauben Sie das wirklich, und wollen Sie uns das unterstellen?

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0517004600
Herr Raffert, ich schätze Ihre Fraktion in der Tat so ein, daß sie das nicht nötig hätte; nur alle Argumente, die wir bisher in Dreiparteiengesprächen von Ihrer Seite gehört haben, gingen dahin. Wenn Sie es also selbst behaupten, können Sie schlecht erwarten, daß ich eine bessere Meinung von Ihnen habe als Sie selbst.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP.)

Und zur CDU bezüglich unseres Antrages, die Bildungskompetenz dem Bund zu geben: Es gibt durchaus in Ihren Reihen Bereitwillige, die das anerkennen, die das sogar für richtig halten. Ich brauche nur Herrn Mikat zu nennen, ich brauche



Frau Funcke
nur auf die Regierungsbank zu schauen. Da gibt es ja Leute, die unseren Antrag gern annehmen würden. Warum tun Sie es nicht?
Ich habe, wie ich schon sagte, Ihr Bildungsprogramm sehr genau gelesen. Da geht es auch um die Frage der Gemeinschaftsschulen. Sie sagen nicht, daß Sie dafür sind, sondern Sie sagen so ein bißchen neutral: „Nach dem Willen der überwiegenden Mehrheit der Eltern soll in der Bundesrepublik die christliche Gemeinschaftsschule im allgemeinen die Regelschule sein." Das heißt: Wir sind schließlich auch ein bißchen dafür. — Wenn Sie einmal rum-schauen, werden Sie feststellen, daß die allgemeine Mehrheit des deutschen Volkes mit Sicherheit für die Zuständigkeit des Bundes und für eine fortschrittliche Kulturpolitik ist. Vielleicht können Sie wenigsten unter dieser abstrahierenden Formel unserem Antrag zustimmen.
Darüber kann kein Zweifel sein: das deutsche Volk hat für diesen Provinzialismus im Bildungswesen kein Verständnis. Es hat es um so weniger, als dies ja nicht nur eine Frage der Entscheidung über bildungspolitische Einzelfragen ist. Die naive Frage von Herrn Barzel hat es deutlich gemacht. Wir haben in der Bundesrepublik keine Verbindung zwischen den kulturpolitischen Fragen und den übrigen Fragen. Alle Staaten dieser Erde — ich schließe die Entwicklungsstaaten nicht aus, im Gegenteil — haben begriffen, daß die Kulturpolitik und die Bildungspolitik eine entscheidende und zentrale politische Anlegenheit sind. Nur in der Bundesrepublik leistet man es sich, diese Frage auszuklammern und den Ländern zu überlassen. Dadurch bekommt man die Anbindung an die übrigen politischen Fragen nicht hinreichend in den Blick. Sie wissen genau, daß Sie Landwirtschaftspolitik nicht ohne Finanzpolitik treiben können. Sie wissen genau, welche innere Verbindung zwischen der Verteidigungspolitik und der Innenpolitik besteht. Aber Sie leugnen hier durch Ihre Abstinenz gegenüber unserem Antrag den inneren und notwendigen Zusammenhang zwischen Bildungspolitik und allen übrigen innen- und außenpolitischen Fragen.
Mir scheint, daß dies im Blick auf den Weltmaßstab in der Tat reichlich rückständig ist, und ich verstehe gut, daß die jungen Leute dafür kein Verständnis mehr haben.

(Abg. Raffert: Schauen Sie nach Amerika!)

- Wissen Sie, in Amerika kommt man nicht in
einem halben Tag durch acht verschiedene pädagogische Provinzen. Da sind die Maßstäbe doch ein bißchen größer, Herr Raffert. Ich würde Ihnen empfehlen, mal hinzureisen.

(Abg. Raffert: Aber die Erfolge sind auch größer!)

Wenn wir die Größenordnung eines amerikanischen Staates hätten, könnten wir sogar zwei oder drei unterhalten. Aber Sie geben doch zu, daß die Größenordnungen von Bremen und dem Saarland — ohne den Ländern zunahe zu treten —, so sind, daß das zweifelsohne keine richtigen pädagogischen
Provinzen sind. Das wollen wir uns doch gegenseitig zugestehen.
Meine Herren und Damen, noch ein Wort mehr.

(Zuruf des Abg. Schmitt-Vockenhausen.)

- Da sind wir uns ja wohl nicht uneinig.
Meine Herren und Damen, die Hochschulpolitik und die Hochschulfragen sind sicherlich Anlaß und auch nicht unerheblicher Grund der Unruhen. Aber sie sind es nicht allein. Es wäre gut gewesen, wenn in dieser Debatte - auch von seiten der Bundesratsbank — etwas mehr über die tiefer liegenden Ursachen, die hinter den Unruhen insgesamt stehen und die erhebliche Bedeutung für das Bildungswesen haben, gesagt worden wäre.

(Abg. Dr. Schober: Ich habe darüber sehr viel gehört!)

Eine von den brennenden Fragen ist zweifelsohne die nach dem Verhältnis von Wissen und Meinung. Das ist ja auch der Grund, warum man mit den Professoren diskutieren und nicht nur Vorlesungen hören will. Man will die Meinung des Professors wissen, und zwar die Meinung zu der Begründung des wissenschaftlichen Tuns. Ich glaube, im Zeitalter der Atombombe ist diese Frage von eminenter Bedeutung und Erklärbarkeit; denn das Forschen und das Wissen um ihrer selbst willen mochten im 19. Jahrhundert noch echte Begründung haben; unter den Bedrohungen unserer Welt von heute können sie so allein nicht stehen. Heute muß die Frage nach dem Warum und dem Wohin des wissenschaftlichen Tuns und des Forschens mit aller Deutlichkeit gestellt werden. Unsere junge Generation fragt nach der moralischen Qualität unseres Tuns, und sie fragt nach der Glaubwürdigkeit.

(Beifall bei der FDP.)

Sie fragt mit einer Penetranz und einer Absolutheit, die sicherlich der Jugend aller Zeiten eigen war, die uns aber heute besonders beklemmt; denn aus dieser Absolutheit und dieser Idealisierung, wenn Sie so wollen, erwächst jene Utopie, mit der wir uns politisch ja nun herumschlagen müssen.
Hier muß die Frage gestellt werden: Wie kommt es denn, daß all unsere Begründungen und Erklärungen, warum das so ist und warum es so schwer ist, und daß es ja doch Bedingtheiten und Bedingungen gibt, so gar nicht ankommen. Sie kommen tatsächlich nicht an, weil eben unsere junge Generation ein bißchen weltfremd aufwächst — trotz Fernsehen -, existentiell weiltfremd aufwächst; denn die Bedingungen, unter denen heute ein junger Mensch aufwächst, die menschlichen Kontaktbedingungen, sind immer ärmer geworden. Die Erfahrungen, die ein Kind früher schon aus häuslicher, verwandtschaftlicher und Bekanntenatmosphäre mitbrachte, waren menschlich viel reicher und erfahrungsgebundener als die, die heute das isoliert aufwachsende Großstadtkind haben kann. Wir haben nicht begriffen, daß das, was die Strukturen unserer Großstädte an Isolierung mit sich bringen, nun auf andere Weise ausgeglichen werden muß. Wir haben lange genug nicht begriffen — wir haben es an dieser Stelle auch schon diskutiert —, daß die Städte vielfach vergessen



Frau Funcke
haben oder sich zu spät vergegenwärtigt haben, daß man Spielplätze braucht. Aber mindestens im gleichen Maße braucht der junge Mensch Erfahrungen im sozialen Umgang, und diese sind heute kaum mehr aus der natürlichen Struktur einer Kleinfamilie in einer anonymen Nachbarschaft heraus möglich. Ich hätte die Kultusminister der Länder gerne gefragt, wie sie sich eigentlich zu diesem Problem stellen.
Wie ist es denn eigentlich mit der Erziehung zur Gemeinschaft? Wo existiert sie denn? Wo geschieht sie? Und in welcher Form? Unsere 5-Stunden-Vormittagschule mit dem individuellen „Du mußt für dich lernen" ist wahrlich kein Übungsfeld für sozialen Kontakt. Und dann hört es auf. Wenn der junge Mensch nämlich nicht lernt, mit anderen Menschen umzugehen, wundert es mich nicht, wenn er hinterher absolute Ansprüche stellt und vor der Nichterfüllbarkeit kapituliert oder resigniert oder sich auflehnt. Ihm fehlt die Einübung in das menschliche Zusammenleben und das Verständnis für die Bedingtheiten. Man kann nicht nachher im Soziologiekolleg lernen, was man als Drei-, Vier- oder Zehnjähriger hätte lernen müssen. Hier ist die Frage: Was tut unsere Gesellschaft, um den jungen Menschen einzuüben in die Funktionen, in die Bedingungen und Bedingtheiten des echten Zusammenlebens?
Die Erziehung zum Konflikt: Unsere Schule lebt noch immer, trotz vieler Bemühungen vieler Pädagogen in einer gewissen Abgeschlossenheit vom wirklichen Leben. Nicht, daß die Thematik nicht immer moderner würde, wenngleich ich auf die Schulbücher von Hessen jetzt nicht eingehen möchte; die sind anderswo auch nicht besser. Es wäre ein interessantes Feld, die Weltfremdheit unserer Schulbücher zu untersuchen. Da ist schon einiges geschehen?

(Zurufe von der CDU/CSU: Das hat sich gebessert!)

— Na, na. Ich sage ja: es gibt einiges. Aber insgesamt!
Aber das läßt sich auch nicht allein erlesen. Unsere Erziehung hat immer noch einen gewissen idealisierenden Anstrich: die Welt schöner, besser und moralischer zu machen und mit dem moralischen Anspruch unserer Lesebuchgeschichten eine Vorstellung zu geben, daß man nur richtig handeln müsse und dann die Welt schön werde. Meine Herren und Damen, sie wird auch dann nicht schön, wenn man selbst richtig handelt. Das wissen wir nun alle.
Die Erziehung zum Konflikt ist in unseren Schulen weitgehend unte entwickelt, um es ganz deutlich zu sagen. Dann wundert es mich nicht, wenn nachher der 20jährige und der 22jährige mit der vorhandenen Welt nicht auskommen, in die sie bis dahin nicht hineingestellt waren, sondern von der sie nur am Rande ein bißchen theoretisch erfahren haben.

(Beifall bei der FDP. — Zuruf des Abg. Dr. Huys.)

— Das ist nicht allein eine Frage des pädagogischen Geschicks des Lehrers. Das ist eine Frage der Schulorganisation und der Schulgestaltung.
Wo lernen unsere Kinder den rechten Umgang miteinander in Toleranz? Wir können es alle nicht so sehr gut. Auch manche Reaktionen hier in diesem Hause haben schon bewiesen, daß es mit der Toleranz ein bißchen schwierig ist. In unserem deutschen Volk ist es noch schwieriger. Wo lernen wir uns gegenseitig ein bißchen besser ertragen, die einen den ertragen, der mit langen Haaren herumläuft, und die anderen den ertragen, der mit innerer Liebe vom Vaterland spricht? Meine Herren und Damen, das ist jetzt nicht gesucht. Fragen Sie mal herum in der deutschen Bevölkerung, wie schnell die Vorurteile da sind, allein an solchen Äußerlichkeiten! Wir müssen schon unsere Jugend besser zur Toleranz hinwenden und erziehen. Ich bin froh über die Gemeinschaftsschule, die in diesem Punkt jetzt die Möglichkeit gibt, auch Menschen unterschiedlichen Glaubens auf gegenseitige Toleranz hin anzusprechen und einzuüben.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0517004700
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0517004800
Bitte!

Dr. Paul Kübler (SPD):
Rede ID: ID0517004900
Frau Kollegin, ich wollte die Zwischenfrage bei Ihrer Kritik der Schule stellen: Würden Sie mir zugeben, daß gerade die Gymnasiasten aus den Schulen, die am fortschrittlichsten in ihrer Oberstufe differenziert haben und die Schüler als freie, selbständige Menschen behandelt haben, am stärksten schockiert sind, wenn sie in die Universitäten kommen, und dort am ehesten meutern, daß es also gerade umgekehrt ist, wie Sie es dargestellt haben, daß es nicht bei der Schule liegt, sondern daß die wirklich frei erzogenen, in der Oberstufe selbständigen Schüler erschrecken, wenn sie sich in der Universität einem Säulenheiligen gegenüber befinden?

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0517005000
Herr Kollege, Sie wollen doch damit jetzt nicht die Modernisierung der Oberstufe wieder rückwärts drehen, uni damit bravere Studenten zu erziehen?

(Abg. Dr. Kübler: Nein, ich habe die Frage gestellt, ob Sie es so einseitig bei der Schule belassen wollen!)

Man müßte Ihre Aussage erst einmal exakter analysieren, Herr Kollege. Es gibt viele Faktoren, die da mitwirken könnten. So einfach können Sie es nicht sagen. Vielleicht hat der Lehrer trotz der Aufgeschlossenheit der Schule nicht richtig reagiert, vielleicht gibt es andere Ursachen. Meine Frage ging nur dahin, ob wir über dieses Problem in den Schulverwaltungen unserer Länder hinreichend nachgedacht haben und die richtigen Konsequenzen ziehen. In Ihrer Frage lag doch an sich etwas Positives. Sie wollen doch die Aufgeschlossenheit, so nehme ich an.



Frau Funcke
Es ist die Frage nach der Erziehung zum Engagement, und an dieser Stelle hapert es bei uns ganz und gar. Das ist eine Frage, die wir schon allein deswegen, weil es keine Jugendbewegung im echten Sinne mehr gibt, auch an die Schulen stellen müssen: Wo lernt die Jugend das Engagement, das Sichfreiwillig-Hineinstellen? Ihre Entscheidung zur Notstandsverfassung, jetzt auch noch die Frauen zum Pflegedienst verpflichten zu wollen, ist dazu sicherlich die verkehrteste,

(Beifall bei der FDP)

nahezu eine einseitige Bestrafung derer, die sich freiwillig einsetzen. Hier müssen wir schon ein bißchen nachdenken und sollten auch in diesem Hause die Frage nicht außer acht lassen.
Auch die Erziehung zur Politik ist eine Frage, die an unsere Schule gestellt werden muß. Die jungen Menschen müssen lernen, daß das Politische sich nicht in Stoßtruppunternehmen auf einzelne Fragen bezieht, was nebenbei auch einige unserer Verbände ganz gut lernen könnten, soweit sie unter Politik mehr oder weniger die einmalige Lösung einer einmaligen Frage verstehen und nicht begreifen können, daß diese Fragen eine Anbindung an andere Probleme haben. Das muß man auch einüben, das muß man auch lernen, und dazu reicht eben — ich glaube, das hat der Herr Bundeskanzler in der letzten Sitzung sehr richtig gesagt — die Lehre von den Institutionen nun wahrlich nicht aus. Es wäre gut — das ist ohne Kritik, aber doch mindestens als Anregung gesagt —, wenn die gesamte Frage des politischen Unterrichts, angefangen bei der Ausbildung der Lehrer, einmal tiefer durchdacht und endlich realisiert wird. Hier hapert es auf der ganzen Linie. Dann muß man sich nicht wundern, wenn man nicht politisch reife, ausgewogene und nach allen Seiten hin urteilende junge Menschen hat.

(Beifall bei der FDP.)

Lassen Sie mich ein Wort sagen, das über dieses Haus hinausgeht. Das Erschrecken in unserer Bevölkerung über die gestörte Ruhe und Ordnung und der Ruf nach d e r Ordnung war groß. Ich habe mich manchmal gefragt, und ich habe auch die Menschen gefragt: Welche Ordnung meint ihr denn? Meint ihr wirklich die konfliktreiche parlamentarisch-demokratische Ordnung, oder liegt euer Weltbild nicht doch noch bei stark autoritären Vorstellungen, wo eben die Ordnung, verstanden als das Bestehende, entscheidend durch die Polizei gewährleistet wird und Disziplin und Ordnung mehr in Unterwerfung besteht? Die Vorstellungen von der konfliktreichen Demokratie sind in unserer Bevölkerung nicht groß, und die Fragen der Politik stehen in weiten Teilen unserer Bevölkerung am letzten Ende. So trifft diese sich politisch engagierende Jugend auf eine völlig apolitische Bevölkerung. Das fängt im Elternhaus an.
Gestatten Sie mir, daß ich hier ein Wort zur Frau sage, der Frau in der Familie, die es heute noch weithin für außerhalb ihres Aufgabenkreises ansieht, die Politik überhaupt zur Kenntnis zu nehmen, von manchen guten Ausnahmen abgesehen. Es war für mich sehr aufschlußreich', als ich kürzlich in einer süddeutschen Zeitung einmal den Lokalteil las und dort den Bericht eines Reporters, der einen vollen Vormittag in einem Jugendgericht zugebracht hatte, wo ein Eigentumsdelikt Jugendlicher nach dem anderen verhandelt wurde. Das Erschrekken des Reporters war in doppelter Hinsicht: einmal wegen des fehlenden Unrechtsbewußtseins der jungen Menschen gegenüber diesen Eigentumsdelikten, zum andern wegen des totalen Unverständnisses der dabeisitzenden Mütter, die mit großem Erschrecken sagten: „Es hat doch immer sei Esse und sei Gerägeltes gehabt!" Ja, meine Damen und Herren, mit dem „Geregelten", das ist das gemachte Bett, die saubere Wäsche im Schrank, das rechtzeitige Wecken morgens und das eingepackte Frühstücksbrot, ist es eben nicht getan. Damit ist der heute politisch aufgeweckten Jugend nicht genügend Antwort gegeben. Wenn in einer Rundfrage unter berufsschulpflichtiger Jugend und Schülern weiterführender Schulen festgestellt wurde, daß ein erschreckend großer Teil auf die Frage, ob sie zu Hause ernsthafte Gespräche führten, nein sagte, so ist das doch tief erschreckend. Wo soll denn der junge Mensch heute jene Maßstäbe lernen, die auch für sein Verhalten außerhalb des Hauses in der Welt der Politik gelten können und eine Anbindung an reale Werte haben? Da liegt es.
Hiermit stellt sich die Frage der Erwachsenenbildung und der politischen Einstellung unserer Bevölkerung. Es ist die Aufgabe aller politischen Parteien, über das Problem nachzudenken, ob die Schlagworte „Keine Experimente!" und „Ruhe ist die erste Bürgerpflicht" im staatspolitischen Sinne wirklich noch die richtigen Vokabeln sind oder ob es nicht sehr viel richtiger ist, unserem Volke, statt in Wahlanzeigen die Ruhe zu verkünden, die Unruhe zu predigen und ihm die Unruhe in echter demokratischer Auseinandersetzung lieber und werter zu machen.

(Beifall bei der FDP.)

Hier stellt sich auch die Frage nach dem Verständnis der Autorität, über die ich im Februar bereits gesprochen habe. Wenn wir nicht unsere Schulen, unsere Hochschulen und unser demokratisches Leben überhaupt stärker als bisher von dem „von oben herunter" und „wer mehr Geld kriegt, weiß es besser" umstellen auf die Erkenntnis — die für die älteren Menschen vielleicht schmerzlich sein muß —, daß der junge Mensch mindestens in dem Gespür für das, was die Zukunft fordert, es etwas besser weiß als wir Älteren, wenn wir uns in diesem Stehen vor dem Unbekannten nicht dialogisch aufeinander einstellen, wenn wir das nicht begreifen, werden wir auch mit noch so vielen äußeren und formalen Regeln die wirklichen Ursachen der Unruhe in unserer jungen Generation nicht beseitigen.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0517005100
Das Wort hat Herr Dr. Hammans.

Dr. Hugo Hammans (CDU):
Rede ID: ID0517005200
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese



Dr. Hammans
Debatte hier im Hohen Hause begann vor einer Woche nach den bösen Unruhen über Ostern, und sie führte heute zu dieser neuen Wirklichkeit. In der Bewußtseinswerdung von Bundesrat und Bundestag traten Übereinstimmungen auf, die es bislang in dieser Form nicht gegeben hat. Ich will in dieser späten Stunde nur noch zu dem Stellung nehmen, was nicht erörtert worden ist, noch einiges zu formulieren versuchen, was bisher in der Debatte gefehlt hat.
Ich habe mich gefreut, daß auch Herr Professor Hahn als Kultusminister von Baden-Württemberg klar erklärt hat, daß die Universitäten die erste und größte Schwierigkeit darin sehen, daß sie mit den Massen der Studenten, die auf sie zukommen, einfach nicht fertig werden können. Mancher, der vor Jahren den Bildungsnotstand propagiert hat, schlägt sich heute wohl ein wenig verschämt an seine Brust und fragt sich, ob es nicht besser gewesen wäre, die Entwicklung in Richtung auf Bildung etwas ruhiger als so explosiv vonstatten gehen zu lassen, wie es geschehen ist. Es hieß jahrelang, daß das Wort von der Bildungskatastrophe die Gemüter in der Bundesrepublik aufrüttle, ja, es war bald soweit, daß man davon sprach, in wenigen Jahren die Abiturientenzahl verdoppeln und verdreifachen zu müssen. Tatsächlich haben wir ein Bildungsgefälle gehabt, keinen Bildungsnotstand, ein Bildungsgefälle von der Stadt zum Land hin und leider Gottes — wir hörten es heute schon — ein Bildungsgefälle von Angestellten, Beamten, Akademikern usw. zum Arbeiter hin.
Nun ein Wort zur Akademiereife. Ich freue mich, daß Herr Senator Evers noch hier ist, und ich hoffe, daß wir ihm ein paar neue Gesichtspunkte aufzeigen können, bei denen ihm klar wird, daß diese neue Einrichtung der Akademiereife neue Akzente bringt und auch für die Voraussetzung der Ingenieurschulen im europäischen Rahmen eine vernünftige Lösung in sich birgt. Wir wollen versuchen, mit der Explosion der höheren Schüler in der Form fertig zu werden, daß wir diesen Bildungsstrom am Ende der Obersekunda in vernünftige Richtungen leiten.
Hier muß allerdings noch eine Frage geklärt werden, vor allem im Hinblick darauf, ob in den nächsten Jahren damit zu rechnen ist, daß innerhalb der EWG ein Abitur nach zwölf Jahren erfolgen kann. Das sind noch Fragen, die einer Überlegung wert sind. Es müßte ungefähr so aussehen, daß zwei Jahre vor dem Abitur — sei es am Ende der 11., sei es am Ende der 10. Klasse — diese Akademiereife erreicht ist. Dann müßte sich — Herr Senator Evers, das ist das, was für Sie, glaube ich, dann
etwas Neues wäre - für die Anwärter der Ingenieurschulen eine einjährige fachtheoretische Unterweisung anschließen, die vor allen Dingen in Richtung auf eine akademische Ausbildung, auf eine wissenschaftliche Ausbildung gehen müßte. Damit wäre der Anschluß an das geforderte europäische Maß durchaus erreicht. Unsere Ingenieure, die an unseren Ingenieurschulen ausgebildet wären, hätten durchaus den gleichen Status wie die anderen innerhalb der EWG.
Ich bin nicht mit Herrn Moersch der Meinung, daß wir durch die Akademiereife zweierlei Abitur bekommen, sondern ich bin der Meinung, daß wir eine ausgezeichnete Entlastung für die Oberstufe, für die beiden letzten Klassen an der höheren Schule, bekommen. Allerdings - und das ist Voraussetzung — müssen eine Reihe von staatlichen Institutionen hier mitziehen und ihre Bereitschaft erklären, daß in Zukunft für den höheren und den gehobenen Dienst diese Akademiereife ausreicht. Ich denke an die Finanzverwaltungen, an die Bundespost, an die Bundesbahn ja, auch an die Bundeswehr — um Offizier zu werden --, ebenso an den Bundesgrenzschutz.
Danach wäre eine neue Form von Unter- und Oberprima möglich, mit völlig neuen Arbeitsmöglichkeiten, vielleicht sogar ohne Übergang von der Unter- zur Oberprima. Eine ganz andere, bessere Vorbereitung auf wissenschaftliche Arbeit wäre möglich, ja, vielleicht sogar eine gerechtere Beurteilung im Abitur, weil der Lehrer mit kleineren Klassen die Sache viel besser übersehen kann.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Lassen Sie mich trotz der späten Stunde noch etwas über die Demokratisierung in der höheren Schule sagen, über die heute meines Erachtens noch nicht gesprochen worden ist. Ich sehe das Problem auch darin, daß sich das Generationsproblem im Laufe der letzten 20 Jahre weiter nach unten, in niedrigere Klassen der höheren Schule verlagert hat und daß damit die Differenzen und Schwierigkeiten zwischen Lehrern und Schülern und Eltern wesentlich eher beginnen, als dies früher der Fall war. Ich glaube, wenn wir unsere Schüler und Schülerinnen zu Demokraten erziehen wollen, aber patriarchalische Formen an der höheren Schule und auf der Universität haben, sind diese pädagogischen, rein theoretischen Bemühungen nicht von Erfolg gekrönt.
Denken wir einmal kritisch zurück. Ist es nicht so gewesen, daß die Schülermitverwaltung von vielen Lehrern über die Schulter angesehen und kaum ernst genommen wurde? Ist es nicht möglich, an den Schulen eine Diskussion zwischen Lehrer und Schüler über die Zensur durchzuführen? Wird es nicht möglich sein, auch mit einem Schüler zu besprechen —nicht nur mit den Eltern, und das auch noch kurz vor der Versetzung —, ob es nicht besser für ihn sei, eine Klasse zu wiederholen?

(Abg. Dr. Schober: Hoffentlich sieht er es ein!)

Ich glaube, diese Dinge sind durchaus möglich und würden das bringen, was sich die Schüler und Schülerinnen an ihren Schulen als Demokratisierung wünschen.
Einige letzte Gedanken zu den Anfangssemestern der Universität, über die heute abend auch nicht gesprochen worden ist. Wenn wir den Empfehlungen des Wissenschaftsrates folgen wollen, müssen wir zu einer Straffung, ja, wenn Sie so wollen, als Pendant zur Verwissenschaftlichung der letzten Jahre an der höheren Schule zu einer Verschulung der ersten zwei Semester an der Universität kom-



Dr. Hammans
men. Es darf nicht wie in der Vergangenheit passieren, daß ein oder zwei Semester an den Universitäten verlorengehen, weil der Student sich nicht zurechtfinden konnte, weil er nicht wußte, ob er richtig an seinem Platze war. Wir brauchen eine Studienzeitverkürzung nicht nur im Hinblick darauf, daß wir dann Plätze an der Universität frei bekommen.
Und noch etwas, meine Damen und Herren! Wir haben bisher eine Berufsberatung an der höheren Schule. Wir brauchen auch in den ersten Semestern an der Universität eine Berufsberatung, wie sie an der Schule üblich ist. Wir brauchen Zwischenprüfungen, nicht um jemanden von der Universität wegprüfen zu wollen, sondern damit der Student selber die Möglichkeit hat, festzustellen, ob er an der richtigen Stelle steht. Im übrigen — das sei nur am Rande erwähnt —: Die Kultusminister sollten sich keine Sorgen machen, daß sie für diese Prüfungen keine Prüfer finden werden. Ich glaube, das würden Studienräte und Studienprofessoren in den Universitätsstädten gern übernehmen. Sie würden dann wieder einmal einen Kontakt zur Universität bekommen und hätten auch von der Schule her noch einen sehr guten Kontakt zu den jungen Studenten. Das würde also sicher eine sehr erfreuliche Möglichkeit sein.
Ein Letztes, meine Damen und Herren! Daß die Unruhen besonders von jenen Fakultäten ausgehen, an denen Politologen und Soziologen ausgebildet werden, hat seinen besonderen Grund. Es ist dies nicht etwa darauf zurückzuführen, daß diese Studenten ein besonderes Verständnis für die Politik hätten, sondern darauf, daß sie auf einmal feststellen, daß für die 2000 Studenten der Politologie und Soziologie in der Bundesrepublik nur einige wenige Stellen frei sind, die sie übernehmen können.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Es ist pure Existenzangst, die diese Studenten auf die Straßen treibt. Meine Damen und Herren, ich frage Sie: Was ist das für ein Staat, in dem man die Studenten animiert, etwas zu studieren, von dem man schon vorher weiß, daß sie mit diesem Studium hinterher ihr Brot nicht werden verdienen können?

(Abg. Dr. Schober: Man muß sie davor warnen!)

Wir müssen eine Bedarfsfeststellung für Akademiker in irgendeinem groben Rahmen finden.
Lassen Sie mich mit drei kurzen Sätzen schließen, die ich eigentlich am 17. November hier vortragen wollte. Damals wurde ich aber gebeten, meine Rede zu Protokoll zu geben. Diese Sätze sind heute so aktuell, wie sie es damals waren. Herr Präsident, Sie gestatten, daß ich diese meine eigenen Worte zitiere:
Wenn unsere Kinder in Zukunft mit fünf Jahren in die Volksschule kommen können und mit sechzehn Jahren die Akademiereife erhalten, wenn diese eingeführt sein wird, im Zusammenhang damit eine Änderung der letzten zwei Jahre des Unterrichts an den höheren Schulen erfolgt sein wird, die ersten Semester der Hochschulen eine Veränderung erfahren haben werden sowie eine erhebliche Verkürzung des Studiums erreicht sein wird, dann könnte das Ziel in greifbare Nähe rücken, daß das Hochschulstudium, die Wehrdienstzeit einbezogen, in einem Lebensalter von 24 Jahren abgeschlossen werden kann.
Wenn dies erreicht ist, muß in Ruhe gearbeitet werden können. Es darf nicht geschehen, daß dann bereits neue Pläne an unsere Türe klopfen, die Milliarden kosten würden. Für weitere Experimente ist im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung des Bundes und, wenn diese auch in den Ländern eingeführt sein wird, auch dort kein Platz.
Und der letzte Satz:
Die Kultusminister der deutschen Länder können sich große Verdienste, ja Ruhm erwerben, wenn es ihnen bald gelänge, die großen Fragen der Bildungs- und Studienreform von den Schulen zu den Hochschulen in bester Weise zu koordinieren, ohne zu egalisieren. Der Dank des gesamten Volkes wäre ihnen gewiß.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0517005300
Das Wort hat Frau Geisendörfer.

Ingeborg Geisendörfer (CSU):
Rede ID: ID0517005400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am Abend eines denkwürdigen Tages in der Geschichte der Kulturpolitik des Bundes und der Länder, einer, ich möchte sagen, leidvollen Geschichte, in der heute aber ein neuer Akzent gesetzt worden ist, in der heute vielleicht sogar ein Silberstreifen am Horizont aufgetaucht ist, hätte ich gern noch einige Worte gesagt. Da aber eine allgemeine Übereinkunft über Schluß der Debatte besteht, muß ich mir das versagen. Ich habe nur noch darauf hinzuweisen, daß sich in dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 443 *) — der sicher nicht mehr begründet zu werden braucht, denn er ist im Laufe der Debatte mehrfach und genügend begründet worden — unter IV ein Tippfehler eingeschlichen hat, der berichtigt werden muß. Es muß richtig heißen: „Die Aufnahmevoraussetzungen und Ausbildungsgänge der Ingenieurschulen und ähnlicher Einrichtungen sollen so gestaltet werden, daß ...". Unter IV, 2 muß es heißen: „innerhalb der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft gegenüber entsprechenden Berufen der anderen Mitgliedstaaten nicht benachteiligt werden." Ich bitte, das noch zu berichtigen.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0517005500
Das Wort hat Herr Mischnick.

Wolfgang Mischnick (FDP):
Rede ID: ID0517005600
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte nur einige wenige Worte zu dem Entschließungsantrag Umdruck 439 **) sagen.
*) Siehe Anlage 6 **) Siehe Anlage 4



Mischnick
Erstens. Die Vorstellungen, die die Herren Landeskultusminister hier entwickelt haben, sind sehr dankenswert. Aber zwischen dem, was hier gesagt worden ist, und dem, was als Beschluß hoffentlich herauskommt, ist, so fürchten wir, noch ein weites Feld. Es ist noch nicht vergessen, daß dieser Bundestag einmal 250 Millionen DM für Schulbau zur Verfügung stellen wollte, die Länder aber dazu nein gesagt haben.
Zweitens. Die Anträge der CDU/CSU und der SPD, die ja praktisch Aufforderungen an die Länder darstellen, sind ein wesentlicher Schritt vorwärts; das ist hier schon gesagt worden. Wir meinen aber, es darf nicht bei der Empfehlung an die Länder bleiben, sondern die Entscheidung muß im Bundestag entsprechend unserem Entschließungsantrag erfolgen.
Drittens. Da dieser Entschließungsantrag sowohl Hochschulpolitik wie Pressekonzentration wie Fragen der Grundgesetzänderung anspricht, werde ich die Begründung für die einzelnen Punkte zu Protokoll geben **).

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0517005700
Auch Herr Kollege Stücklen 1) gibt Ausführungen, die er machen wollte, zu Protokoll — ebenso Herr Abgeordneter Stein (Honrath) 2) - Frau Abgeordnete Dr. Wex 3)
und Herr Abgeordneter Deringer 4).
Damit ist die Aussprache geschlossen.
Wir müssen noch über die Entschließungsanträge und Anträge, die eingegangen sind, befinden.
Zunächst zu a), dem Bericht der Bundesregierung zur innenpolitischen Situation. Hierzu liegen drei Anträge vor: Antrag Umdruck 440 5) der Fraktion der CDU/CSU, Antrag Umdruck 441 6) der Fraktion der SPD und Antrag Umdruck 439 7) der Fraktion der FDP. Alle drei Anträge sollen an den Ausschuß für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik — federführend — und zur Mitberatung an den Innen-
**) Siehe Anlage 8
1) Siehe Anlage 9
2) Siehe Anlage 10
3) Siehe Anlage 11
4) Siehe Anlage 12
5) Siehe Anlage 2
6) Siehe Anlage 3
7) Siehe Anlage 4 ausschuß überwiesen werden. - Das Haus ist damit einverstanden.
Dann zu b), der Großen Anfrage betr. Schwerpunktaufgaben in Wissenschaft und Forschung. Hierzu liegen ein Antrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 442 s) und ein Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 443 9) vor. Beide sollen ebenfalls an den Ausschuß für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik — federführend — und zur Mitberatung an den Innenausschuß überwiesen werden.
Das Haus ist damit einverstanden.
Wir haben dann noch zu d) über den Antrag des Ausschusses auf Drucksache V/2819 zu befinden. Der Antrag lautet:
Der Bundestag wolle beschließen,
der Bundeskanzler wird ersucht, die in den Bereich der Förderung der wissenschaftlichen Forschung, der technologischen Entwicklung, der Bildungsplanung und Ausbildungsförderung fallenden Zuständigkeiten des Bundes im Ministerium für wissenschaftliche Forschung zu vereinigen.
Wer diesem Antrag zustimmen will, gebe bitte das Handzeichen. — Ich danke. Gegenprobe! — Enthaltungen?-Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Schließlich ist noch ein Antrag eingegangen, der als Punkt e) auf die Tagesordnung gesetzt worden ist. Es handelt sich um den Antrag der Abgeordneten Dr. Martin, Dr. Schober, Frau Geisendörfer und Genossen betr. Akademie-Reife, Drucksache V/2804. Der Antrag soll an den Ausschuß für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik — federführend — und zur Mitberatung an den Innenausschuß überwiesen werden. — Das Haus ist damit einverstanden.
Wir sind damit am Ende unserer heutigen Beratung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Mittwoch, den 8. Mai, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.