Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.Meine Damen und Herren, vor Eintritt in die Tagesordnung möchte ich Ihnen folgendes mitteilen.Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat soll die Tagesordnung uni die in der Ihnen vorliegenden Liste bezeichneten Vorlagen erweitert werden. Erhebt sich dagegen Widerspruch? — Das ist nicht der Fall. Das Haus ist einverstanden. Die Erweiterung der Tagesordnung um diese Punkte ist somit beschlossen.Es liegt Ihnen eine Liste von Vorlagen der Bundesregierung vor, die keiner Beschlußfassung bedürfen und die nach § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden sollen:Vorlage des Bundesministers für Familie und JugendBetr.: Bericht der Bundesregierung über die Lage derFamilien in der Bundesrepublik DeutschlandBezug: Beschluß des Deutschen Bundestages vorn 23. Juni 1965— Drucksache V/2532 zuständig: Ausschuß für Familien- und JugendfragenVorlage des Präsidenten der Versammlung der Westeuropäischen UnionBetr.: Empfehlungen der Versammlung der Westeuropäischen Union während der Sitzungsperiode vom 4. bis 7. Dezember 1967— Drucksache V/2633 Empfehlung 160 zuständig: VerteidigungsausschußEmpfehlung 164 zuständig: Auswärtiger AusschußErhebt sich gegen die beabsichtigte Überweisung Widerspruch? — Ich stelle fest, daß das nicht der Fall ist. Damit sind diese Vorlagen den zuständigen Ausschüssen überwiesen.Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen mitteilen, daß als Nachfolgerin für den durch Verzicht ausgeschiedenen Abgeordneten Dr. Effertz Frau Dr. Heuser am 11. März 1968 die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag erworben hat. Ich begrüße Frau Dr. Heuser, die heute nicht hier sein kann, weil sie sich noch in einem Genesungsurlaub befindet.Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:Der Staatssekretär im Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen hat am 23. Februar 1968 unter Bezugnahme auf § 17 Abs. 5 des Postverwaltungsgesetzes den Voranschlag der Deutschen Bundespost für das Rechnungsjahr 1968 zur Kenntnis übersandt. Er liegt im Archiv zur Einsichtnahme aus.Der Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat am 5. Februar 1968 mitgeteilt, daß seitens des federführenden Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie des mitberatenden Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen gegen die nachstehend angeführten EWG-Verordnungen keine Bedenken erhoben wurden:Verordnung Nr. 1018/67/EWG des Rates vom 19. Dezember 1967 zur Ergänzung der Verordnung Nr. 365/67/EWG über die Regeln für die vorherige Festsetzung der Abschöpfungen für Reis und BruchreisVerordnung Nr. 1019/67/EWG des Rates vom 19. Dezember 1967 zur Ergänzung der Verordnung Nr. 366/67/EWG über die Grundregeln für die Gewährung von Erstattungen bei der Ausfuhr von Reis und über die Kriterien für die Festsetzung der ErstattungsbeträgeVerordnung Nr. 1028/67/EWG des Rates vom 21. Dezember 1967 zur Änderung der Verordnungen Nr. 111/64/EWG und Nr. 68/67/EWG hinsichtlich der Berechnung der Abschöpfungsbeträge für bestimmte KäsesortenVerordnung Nr. 1039/67/EWG des Rates vom 21. Dezember 1967 zur Änderung der in Frankreich während des Milchwirtschaftsjahres 1967/1968 geltenden Schwellenpreise für bestimmte MilcherzeugnisseVerordnung Nr. 1042/67/EWG des Rates vom 21. Dezember 1967 zur Verlängerung der Geltungsdauer der Verordnungen Nr. 214/67/EWG und Nr. 407/67/EWGZu der in der Fragestunde der 158. Sitzung des Deutschen Bundestages am 11. März 1968 gestellten Frage des Abgeordneten Dichgans, Drucksache V/2636 Nr. 3 s), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. Dr. Heinemann vom 12. März 1968 eingegangen. Sie lautet:Ausweislich der vom Statistischen Bundesamt in Wiesbaden herausgegebenen Strafverfolgungsstatistik für die Jahre 1961 bis 1965 wurden in der Bundesrepublik Deutschland wegen einfacher und schwerer passiver Bestechung rechtskräftig abgeurteilt:Wie sich aus der Ubersicht ersehen läßt, sind die Verurteilungen wegen Bestechung in den letzten Jahren stark zurückgegangen. Insgesamt ergibt sich ein erfreuliches Gesamtbild von der Integrität der deutschen Beamtenschaft.Zu der in der Fragestunde der 158. Sitzung des Deutschen Bundestages am 11. März 1968 gestell-*) Siehe 158. Sitzung, Seite 8158 C einfache passive schwere passive Bestechung Bestechung (§ 332 StGB) Jahr Abge- darunter Abge- darunter urteilte Ver- urteilte Ver- insgesamt urteilte insgesamt urteilte1961 221 186 98 651962 143 109 91 601963 57 34 73 481964 43 23 53 401965 21 20 47 28
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8184 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 159. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. März 1968
Vizepräsident Scheelten Frage des Abgeordneten Cramer, Drucksache V/2636 Nr. 4 *), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Bundesministers Frau Strobel vom 12. März 1968 eingegangen. Sie lautet:Das Bundesgesundheitsamt hat mich auf Grund eigener Arbeiten und der vorliegenden wissenschaftlichen Veröffentlichungen darauf hingewiesen, daß es auf dem Markt Ozon erzeugende Geräte für Wohn- und Schlafräume gibt, welche Konzentrationen erzeugen können, die über den fur die menschliche Gesundheit zuträglichen Werten liegen. Auch Bürger haben sich bereits am mich gewandt, die bei Gebrauch eines solchen Gerätes Gesundheitsstörungen bemerkt haben. Die Ozonkonzentration in einem Raum hängt nicht nur von der erzeugten Ozonmenge ab, sondern ebenso von der Konzentration oxydierbarer Substanzen in der Raumluft, der Raumgröße und der Luftwechselzahl. Dei Käufer eines solchen Gerätes ist weder in der Lage, die Konzentration oxydierbarer Substanzen in der Zimmerluft noch die zu deren Oxydation erforderliche Ozonmenge festzustellen.Ein wesentlicher Grund, der mich zu meiner Warnung veranlaßt hat, war, deß diese Geräte auch noch unter Anpreisung gesundheitlicher Vorteile angeboten werden.Daneben gibt es Geräte, die so minimale Ozonmengen erzeugen, daß eine Gesundheitsschädigung nicht zu befürchten ist. Bei diesen sind aber um so mehr die in der Werbung behaupteten vielfältigen Wirkungen nicht zu erwarten.In der Schweiz hat die Interkantonale Kontrollstelle für Heilmittel zwar die Raumozonierung als nützlich empfohlen. Dein sind Fachwissenschaftler des Instituts für Hygiene und Arbeitsphysiologie der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich mit dem Wunsch entgegengetreten, die Kontrollstelle möge diesen auf falschen Überlegungen beruhenden Entscheid überprüfen und die schweizerische Öffentlichkeit vor gesundheitsschädigenden Apparaturen schützen.In den USA sind die Behörden zu dem Schluß gekommen, daß es prinzipiell falsch sei, so toxische Substanzen wie Ozon in Räumen, die von Menschen für längere Zeit benutzt werden, zu produzieren.Im gegenwärtigen Zeitpunkt halte ich den Hinweis an die Bevölkerung auf die Bedenklichkeit der unkontrollierten Anwendung Ozon erzeugender Geräte in Wohn- und Schlafräumen für ausreichend. Sollte sich herausstellen, daß das nicht genügt, werde ich prüfen, wie auf andere Weise die Auswüchse unterbunden werden können.Wir kommen zu Punkt 1 der Tagesordnung: Fragestunde
Wie beurteilt die Bundesregierung die Vorgänge um die Auftragsvergabe für den Tarbela-Staudamm in Pakistan?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Staatssekretär im Wirtschaftsministerium. Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Dr. Müller, die Bundesregierung hat mit Bedauern davon Kenntnis genommen, daß der Auftrag zum Bau des Tarbela-Staudammes in Pakistan nicht an das deutsch-schweizerische Konsortium vergeben worden ist. Sie hat sich von der Durchführung dieses Projekts eine Festigung der freundschaftlichen Beziehungen zu Pakistan versprochen. Das Bauvorhaben war Gegenstand der Gespräche des Bundeskanzlers mit dem pakistanischen Staatspräsidenten im November 1967 in Pakistan. Der Staudamm ist zentraler Faktor des für dieses Land lebenswichtigen land- und wasserwirtschaftlichen Entwicklungspro-
*) Siehe 158. Sitzung, Seite 8158 C
gramms für das Industriegebiet. Für die deutsche Bauindustrie bedeutete er die Chance für einen Leistungsbeweis bei derartigen Dimensionen.
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Müller. Bitte!
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung irgendwelche Schritte bei der Weltbank unternehmen, da nach Auffassung des deutsch-schweizerischen Konsortiums von dieser Seite die Ausschreibungsbedingungen eingehalten worden sind, aber die Weltbank mit der Begründung, sie seien nicht eingehalten worden, die Zustimmung versagt hat?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es ist nichts Derartiges beabsichtigt.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Kollegen Dr. Müller.
Herr Staatssekretär, wird sich das Bundeswirtschaftsministerium in Verhandlungen einschalten, die eventuell zu einer Zusammenarbeit von Firmen des deutsch-schweizerischen und des französisch-italienischen Konsortiums führen, da sich offensichtlich zeigt, daß die französisch-italienische Seite an einer solchen Mitarbeit auch aus finanziellen Gründen interessiert ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Herr Bundeswirtschaftsminister würde es vorziehen, wenn sich die beiden Konsortien, falls notwendig und wünschenswert, selbst zusammenfänden.
Eine Zusatzfrage des Herrn Kollegen Strohmayr.
Herr Staatssekretär, stimmt es, daß die französisch-italienische Gruppe eine Äußerung von sich gegeben hat, daß sie nicht in der Lage sei, allein dieses Projekt durchzuführen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das kann noch nicht gesagt werden. Uns sind Berichte zugänglich gemacht worden, daß die französische Regierung ihren Anteil erhöhen will. Aber darüber wissen wir noch nichts Definitives, Herr Kollege Strohmayr.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Kollegen Strohmayr.
Herr Staatssekretär, stimmt es, daß die französisch-italienische Firmengruppe bereits Verbindung mit der deutsch-schweizerischen Gruppe aufgenommen hat, um unter Umständen gemeinsam dieses Projekt durchzuführen?
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 159. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. März 1968 8185
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das ist durchaus möglich. Das habe ich dem Herrn Kollegen Dr. Müller vorhin auch bestätigt. Die Frage ist nur, ob sich die Bundesregierung in diese Verhandlungen einschalten soll.
Wir kommen jetzt zur Beantwortung der Dringlichen Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Schlager — Drucksache V/2658 —:
Wie beurteilt die Bundesregierung den pakistanischen Zuschlag für das Entwicklungshilfeprojekt Tarbela-Staudamm an das französisch-italienische Konsortium, statt an das im Preis günstiger liegende deutsch-schweizerische Konsortium?
Gibt es bindende Zusagen der Bundesregierung in Pakistan, sich selbst dann mit der Hälfte der vorgesehenen 400 Millionen DM Finanzierungshilfe zu beteiligen, wenn der Zuschlag nicht an ein Konsortium mit deutscher Beteiligung vergeben würde?
Ist es dem deutschen Steuerzahler gegenwärtig — angesichts der noch nicht überwundenen konjunkturellen Talwanderung - zumutbar, daß sich die Bundesregierung an einem Entwicklungshilfeprojekt von der Größenordnung des Tarbela-Staudamms finanziell beteiligt, aus dem keine Aufträge an die deutsche Wirtschaft fließen?
Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort zur Beantwortung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich darf vielleicht die Fragen 2 und 3 zusammen beantworten. Die Frage 1 ist ja praktisch schon erledigt, Herr Kollege Schlager.
Auf einer Tagung der Weltbank am 20. und 21. Juli 1967 hat die Bundesregierung in Washington für den Fall, daß deutsche Firmen den Auftrag zum Bau des Tarbela-Staudamms nicht erhalten, einen an deutsche Lieferungen gebundenen Finanzierungsbeitrag bis zur Höhe von 200 Millionen DM unter dem Vorbehalt einer endgültigen Entscheidung des Bundeskabinetts und der Zustimmung des Haushalts- und des Entwicklungshilfeausschusses des Deutschen Bundestages in Aussicht gestellt. Eine bindende Zusage wurde damit nicht gegeben.
Da ein eventueller Finanzierungsbeitrag der Bundesregierung somit an deutsche Lieferungen und Leistungen gebunden wäre, würde der bereitgestellte Kredit in diesem Falle in voller Höhe der deutschen Wirtschaft in Form von Aufträgen zugute kommen. Ich möchte jedoch in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß die Mittel der Entwicklungshilfe nicht nur der Exportförderung dienen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Kollegen Schlager.
Herr Staatssekretär, ich habe zunächst die Frage, welche Kreditzusagen die Länder Frankreich und Italien an Pakistan für den Fall gegeben haben, der jetzt eingetreten ist, daß dieser Auftrag an das italienisch-französische Konsortium vergeben wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die genauen Daten sind mir nicht bekannt. Ich bin aber gern bereit, sie Ihnen schriftlich zur Verfügung zu stellen.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Kollegen Schlager.
Kann man aus dem, was Sie vielleicht gehört haben, entnehmen, daß gegenwärtig noch eine Finanzierungslücke besteht, in die nun möglicherweise, vielleicht auch nach Absprache mit den Ländern Italien und Frankreich, die Bundesrepublik eintreten könnte?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine derartige Lücke soll durchaus bestehen, Herr Kollege Schlager; aber die Bundesregierung wird sich eine Entscheidung über diese Frage vorbehalten.
Noch eine Zusatzfrage. Schlager : Ich habe drei Fragen.
Insgesamt sechs Zusatzfragen. Wollen Sie gleich alle sechs anmelden?
Es wird wohl das beste sein.
Bitte sehr, Sie können sie hintereinander stellen.
Herr Staatssekretär, können Sie uns sagen, welchen Schuldenstand das Land Pakistan aus der deutschen Entwicklungshilfe hat, insbesondere im Hinblick auf eine Mitteilung des Herrn Bundesministers Wischnewski, der festgestellt hat, daß — in absoluten Zahlen gemessen -neben den Ländern Indien und der Türkei Pakistan zur Spitzengruppe unserer Schuldnerländer gehört?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ja, der Betrag beläuft sich auf etwa 1,5 Milliarden DM. Aber Pakistan hat einen multilateralen Zahlungsbilanzausgleich. Die Zahlungsfähigkeit des Landes ist von der Weltbank geprüft worden. Die Kosten des Staudamms würden die pakistanische Zahlungsbilanz zusätzlich etwa in Höhe von 4% der Exporterlöse in den kommenden Jahren belasten. Bei einer gegenwärtigen Verschuldung Pakistans in Höhe von etwa 13% der Exporte wären das 17%. Die Weltbank, die an sich als ein sehr kritisches Institut gilt, hielt das gerade noch für tragbar.
Herr Staatssekretär, hätte man angesichts dieses sehr hohen Schuldenstandes nicht eigentlich vom Land Pakistan erwarten können und dürfen, daß es auch aus politischer Sicht diesen Auftrag an das deutsch-schweizerische Konsortium vergehen hätte, zumal dieses Konsortium ja nun auch preislich mit seinem Angebot unter allen anderen Angeboten der Konkurrenten gelegen ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich bin sicher,
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8186 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 159. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. März 1968
Parlamentarischer Staatssekretär Dr. ArndtHerr Kollege Schlager, daß über diese Fragen noch gesprochen werden muß. Vieles ist tatsächlich noch unklar. An sich ist Pakistan in keiner Weise gehalten, dem billigsten Anbieter den Zuschlag zu geben. Bei den vielen Rechtsgutachten, die hin und her gewechselt worden sind und wohl auch noch gewechselt werden, wird das sicherlich eine große Rolle spielen.
Wie glaubt aber dann das Land Pakistan diesen hohen Schuldenstand gegenüber der Bundesrepublik abbauen zu können, wenn es ein Projekt von dieser Größenordnung uns verweigert hat?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich glaube, Pakistan kann seine Schulden uns gegenüber nur durch eine höhere Exportfähigkeit abbauen. Einen anderen Weg sehe ich auf die Dauer eigentlich nicht.
Welche Möglichkeiten hat eigentlich Pakistan gegenwärtig überhaupt, durch eine Steigerung seiner Exporte diesen hohen Schuldenstand abzubauen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Pakistan führt Textilien und Naturprodukte aus. Herr Kollege Schlager, mit diesem Land verhält es sich wie mit jedem anderen Entwicklungsland. Hierbei ist immer ein Blick in unsere eigene historische Vergangenheit angebracht, die vor 150 oder 200 Jahren in vieler Beziehung nicht viel anders gewesen ist, als das heute in den Entwicklungsländern der Fall ist.
Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Schlager.
Danke schön, die letzte. — Herr Staatssekretär, ich möchte jetzt nicht an das Gespräch vom Montag anknüpfen im Hinblick auf die Möglichkeit Pakistans, Textilexporte durchzuführen, sondern in Anlehnung an die Fragen des Herrn Kollegen Müller auf die Ausführungen des Herrn Ministers Wischnewski verweisen, der in einem Rundfunkinterview gesagt hat, die Zusammenarbeit zwischen Frankreich und der Bundesrepublik in Fragen der Entwicklungshilfe sei auch auf Ressortebene besonders intensiv. Wäre es nicht doch sinnvoll und angesichts des hohen Schuldenstandes Pakistans sogar geboten, auf offizieller Ebene mit Frankreich Kontakt aufzunehmen mit dem Ziel, die deutsche Industrie zumindest durch Vergebung von Unteraufträgen an diesem Tarbela-Staudamm-Projekt zu beteiligen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Schlager, in diesem Fall gilt, daß wir ja ursprünglich einen Finanzierungsbeitrag von 200 Millionen DM für deutsche Lieferungen ohne jede weitere Kondition in Aussicht gestellt haben. Selbstverständlich wird auch über diesen Punkt noch gesprochen werden.
Herr Kollege Dr. Müller, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Sie sprachen davon, daß Pakistan bzw. die zuständige Behörde Pakistans nicht verpflichtet war, das billigste Angebot zu nehmen. Glauben Sie, daß politische Gründe dafür maßgebend waren, daß es zu dieser Entscheidung kam?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe gesagt, das ist in keiner Weise klar; ich halte es nicht für wahrscheinlich. Welche Gründe nun aber im einzelnen maßgebend waren, das muß erst noch herausgefunden werden.
Noch eine Frage.
Herr Staatssekretär, gab es Einwirkungen ausländischer Regierungen auf die Bundesregierung in dieser Frage?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das ist mir nicht bekannt. Bekannt ist nur, daß die pakistanischen Bieter über die nachträgliche Korrektur des Preises, die ja als Preiserhöhung empfunden wurde, verärgert waren.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Ott.
Herr Staatssekretär, finden Sie es angesichts Ihrer vorigen Äußerung, daß die Weltbank diese Projekte kritisch beurteile, nicht doch sonderbar, daß trotz dieser kritischen Beurteilung durch die Weltbank ein höheres Angebot angenommen und bezahlt wird gegenüber dem niedrigeren Angebot von seiten des deutsch-schweizerischen Konsortiums?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Ott, auch das italienisch-französische Angebot liegt noch im Rahmen der ursprünglichen Kostenschätzungen der Weltbank für dieses Projekt. Selbstverständlich gibt die Weltbank nur eine Finanzierungszusage, wenn die Rentabilität gesichert und die Sicherheit des ganzen Vorhabens gegeben ist. Das scheint aber auch bei der französischitalienischen Gruppe der Fall zu sein.
Noch eine Frage, Herr Kollege Ott.
Herr Staatssekretär, wollen Sie damit zum Ausdruck bringen, daß trotz der nachträglichen Erhöhung des Angebots durch das deutsch-schweizerische Konsortium der Preis nicht noch niedriger ist als der einmalig endgültig genannte Preis der Franzosen und Italiener?
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 159. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. März 1968 8187
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein, das wollte ich in keiner Weise zum Ausdruck bringen.
Zusatzfrage, Herr Kollege Schultz.
Schultz (FDP) : Herr Staatssekretär, würden Sie mir zustimmen, wenn ich sage, daß die Feststellung des Bundeskanzlers vorgestern, daß im deutschen Volk noch viel aufgeklärt werden muß über die Entwicklungshilfe und die Probleme, die damit zusammenhängen, auch zum Inhalt hat, daß Aufklärung in dieser Frage ohne Zweifel auch in diesem Hohen Hause notwendig ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Selbstverständlich wird dem zuständigen Ausschuß auch über viel weitergehende Details dieses diffizilen Problems Kenntnis gegeben werden. Aber zunächst ist ja die Bundesregierung selbst noch in einem Stadium, in dem sie sich mit den Gründen der Entscheidung vertraut macht.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Schultz.
Schultz (FDP) : Herr Staatssekretär, ist Ihnen entgangen, daß ich damit auf den Widerspruch hinweisen wollte, der zwischen dieser Frage, gestellt von einem Kollegen aus der Regierungskoalition, und den Feststellungen, die der Herr Bundeskanzler an diesem Pult getroffen hat, besteht?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das ist mir entgangen.
Herr Kollege Strohmayr!
Herr Staatssekretär, Sie sagten doch vorhin, daß die 200 Millionen DM ursprünglich bedingungslos gegeben worden wären, wenn ... Ich frage Sie: Werden nun diese 200 Millionen DM unter Umständen unter bestimmten Bedingungen gegeben werden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Diese Entscheidung muß noch vom Bundeskabinett gefällt werden, Herr Kollege Strohmayr. Es ist ganz sicher, daß eine entsprechende Beteiligung, ein entsprechendes deutschen Engagement dafür erwartet wird.
Noch eine Frage, Herr Kollege Strohmayr.
Herr Staatssekretär, ich möchte Sie nur so ganz am Rande fragen: Hat die Reise des Herrn Ministerpräsidenten Goppel, des
Herrn Wirtschaftsministers Schedl und des Herrn Kultusministers Huber, der Herren aus dem bayerischen Kabinett, irgend etwas mit der Vergabe der Arbeiten für den Staudamm zu tun gehabt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das ist mir nicht bekannt, Herr Kollege Strohmayr; das sagt aber nicht, daß es auszuschließen ist.
Zusatzfrage, Herr Kollege Stiller. — Hat verzichtet! — Dann bitte Herr Kollege Ott.
Herr Staatssekretär, muß man nicht zu der Auffassung kommen, daß, falls die Bundesregierung an ihrem Kreditangebot in Höhe von 200 Millionen DM festhält, die Gefahr besteht, daß die Hälfte dieses Kredits, nämlich 100 Millionen DM, nur dazu dienen wird, den höheren Preis der französisch-italienischen Gruppe zu finanzieren?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Ott, es sind ursprünglich für den Fall deutscher Bauausführung 400 Millionen DM für das Tarbela-StaudammProjekt zur Verfügung gestellt worden, und zwar ohne jede Kondition. Ich kann nur wiederholen, die
1 Bundesregierung wird sich die Entscheidung darüber vorbehalten, was jetzt in bezug auf dieses Projekt zu geschehen hat, und selbstverständlich werden der Haushaltsausschuß und der Ausschuß für Entwicklungshilfe vorher zu Rate gezogen werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Ertl.
Herr Staatssekretär, darf ich Ihre vorhergehende Antwort auf die Frage des Kollegen Strohmayr bezüglich der Aufgabe der bayerischen Regierungsdelegation unter Führung des Herrn Ministerpräsidenten so verstehen, daß diese Reise nicht mit der Bundesregierung abgestimmt war?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein, das dürfen Sie in keiner Weise. Das war tatsächlich so aufzufassen, wie ich es gesagt hatte: Mir ist das nicht bekannt.
Eine weitere Zusatzfrage.
Daraus ist zu entnehmen, daß diese Reise abgestimmt war. Warum hat sich die Bundesregierung diese Kontaktnahme nicht zunutze gemacht?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es hat ja auch
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8188 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 159. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. März 1968
Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Arndteinen Kontakt auf der von mir vorhin skizzierten Ebene Bundeskanzler — pakistanischer Staatspräsident gegeben.
— Das kann ich nicht beurteilen. Ich glaube das nicht.
Damit sind die Dringlichen Anfragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft erledigt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, wäre es möglich, die Fragen 104 bis 108 anzuschließen?
Nein, Herr Staatssekretär, leider nicht.
Wir kommen zu den Dringlichen Mündlichen Anfragen aus dem Geschäftsbereich des Bundeskanzlers. Fragesteller ist der Abgeordnete Dr. Mühlhan:
Hat das Bundespresse- und Informationsamt der Bundesregierung über die Deutsche Wochenschau GmbH in den Jahren 1966/67 insgesamt ca. 10 000 m Archivfilmmaterial über die militärische und politische Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland nach 1949 an die ostzonale DEFA verkauft?
Das Wort zur Beantwortung hat Herr Staatssekretär Diehl.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, das Presse- und Informationsamt hat zu keinem Zeitpunkt Archivmaterial über die Deutsche Wochenschau GmbH an die DEFA verkauft. Der Sachverhalt ist vielmehr folgender. Die Deutsche Wochenschau hat am 5. Juli 1954 einen vom Bundesminister für Wirtschaft im gleichen Jahr, nämlich am 2. November, genehmigten Filmaustauschvertrag mit der DEFA abgeschlossen, der dem regelmäßigen Austausch von aktuellem Filmmaterial und Archivmaterial dient. Es ist dies eine der wenigen noch funktionierenden Verbindungen auf kulturellem Gebiet zwischen der Bundesrepublik und dem anderen Teil Deutschlands. Dieser Austausch hat in dem gesamten Zeitraum 81 000 m erfaßt, die von der anderen Seite an die Deutsche Wochenschau gegangen sind, während 70 000 m an die DEFA gegangen sind.
Was nun Material in dem in Ihrer Frage genannten Zusammenhang angeht, darf ich folgendes sagen. Die Deutsche Wochenschau verwaltet auch ein Archiv, das uns seinerzeit von der United States Information Agency übergeben worden ist und das den Zeitraum von 1945 bis 1952 abdeckt. Von 1966 bis zum August 1967 sind aus diesem alten Archivbestand im Rahmen jenes Gesamtabkommens, dessen Volumen ich beschrieben habe, rund 9000 m Filmmaterial übergeben worden, von dem vermutlich etwa 8 bis 10 0/0 ausgewertet worden sind.
Die von Ihnen genannte Sendereihe — —
Augenblick! Der Herr Staatssekretär hat das Recht, die Fragen zu verbinden, wenn er das will. Sie haben dann das Recht, Herr Abgeordneter, so viele Zusatzfragen zu stellen, wie Ihnen nach der Anzahl der Fragen zustehen.
— Herr Abgeordneter, die Regeln bestimmt der Präsident. Wenn der Staatssekretär die Fragen verbinden will, kann er sie verbinden, wenn er sie nicht verbinden will, braucht er sie nicht zu verbinden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wie der Herr Abgeordnete es wünscht.
Also werden sie nicht verbunden. Sie haben eine Zusatzfrage.
Ist dem Bundespresseamt bekannt, daß das in Hamburg lagernde Filmmaterial, das aus den beiden amerikanischen Wochenschauen „Welt im Bild", „Welt im Film" der UFA-Wochenschau übergeführt ist, keinem Austauschabkommen unterliegt, im Gegensatz zu den laufenden Kopien der Wochenschaugesellschaften?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, der Austauschvertrag aus dem Jahre 1954, den ich erwähnte, schließt ausdrücklich sowohl den Austausch von aktuellem Material als auch von Archivmaterial ein.
Eine weitere Zusatzfrage.
Darf ich fragen, was hat die DEFA im Austausch abgegeben, und wer hat das DEFA-Material erhalten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, das Gesamtvolumen — ich sagte es — der Lieferung von der anderen Seite an die Deutsche Wochenschau beträgt 81 000 m. 70 000 m sind von der Deutschen Wochenschau an die DEFA geliefert worden. Es besteht also ein leichtes Übergewicht der Lieferungen aus dem anderen Teil Deutschlands an die Deutsche Wochenschau.
Herr Abgeordneter, ich würde Ihnen die Möglichkeit geben, diese Frage zu wiederholen, weil sie nicht beantwortet worden ist.
Ich möchte mich auf diese 10 000 m beziehen und ich möchte wissen, was die DEFA für die oben erwähnten 10 000 Filmmeter abgegeben und wer dieses DEFA-Material erhalten hat. Es besteht nämlich ein Unterschied zwischen dem Archivmaterial des Bundespresseamtes und dem Archivmaterial der UFA-Wochenschau.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Archivmaterial, das Sie ansprechen, Herr Abgeord-
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 159. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. März 1968 8189
Staatssekretär Diehlpeter, stammt aus USIA-Beständen und deckt, wie ich sagte, den Zeitraum von etwa 1945 bis 1952 ab. Aus diesem Material sind etwa 9000 m im Rahmen dieses Gesamtaustausches an die DEFA gegangen. Es war keine spezielle Gegenleistung der anderen Seite vorhanden.
Eine Zusatzfrage dazu, Herr Abgeordneter Ertl.
Herr Staatssekretär, mein Kollege Mühlhan fragt Sie, ob Archivmaterial über militärische und politische Entwicklungen übergeben worden ist. Das trifft offensichtlich zu. Ich frage Sie, ist uns gleichlaufend von drüben auch über die politische und militärische Entwicklung Filmmaterial zur Verfügung gestellt worden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, die Formulierung, daß Material über die militärische oder politische Entwicklung übergeben worden ist, läßt vielleicht den Schluß zu, es handle sich hier um Material, das nicht offen sei. Es handelt sich aber um Wochenschaumaterial, das sowieso im Umlauf ist. Das Material, das von der anderen Seite geliefert wird, deckt auch alle Aktivitäten im anderen Teil Deutschlands ab.
Wir kommen zur Beantwortung der nächsten Frage des Herrn Abgeordneten Mühlhan:
Weiß die Bundesregierung, daß dieses Material zu einer gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichteten Fernsehsendereihe „Kämpfer und Sieger" benutzt wurde?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung kennt eine Fernsehserie mit dem Titel „Kämpfer und Sieger", die drüben ausgestrahlt wird. Diese Serie hat 15 Folgen und ist ein breit angelegter Versuch, die deutsche Geschichte seit 1848 his zur Gegenwart nach den Lehren des Marxismus-Leninismus darzustellen. Wir haben die neueren Teile, also von 1943 an, auf Ampex aufgenommen. Sie befinden sich im Ministerium für gesamtdeutsche Fragen und können dort auch eingesehen werden. Material, das aus dem Austausch stammt, darin zu identifizieren, ist sehr schwierig. Wir schätzen, daß vielleicht insgesamt 800 m in diese Sendung Aufnahme gefunden haben.
Zusatzfrage, Herr Kollege Mühlhan.
Ist das Bundespresseamt nicht gehalten, bei der Auswahl von Archivmaterial für die DDR besonders sorgfältig zu verfahren, weil original gedrehte Filme vom unmittelbaren Geschehen psychologisch eine weitaus tiefere und eindrucksvollere Wirkung haben als von Zeitungen und Bildschirmen abgenommene Aufnahmen, die das akute politische Ereignis darstellen sollen, vor allem dann, wenn diese Originalfilmausschnitte in propagandistischer Absicht in größeren Zusammen-
hängen politischer Demagogie verwandt werden können?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, die Deutsche Wochenschau ist an sich der Vertragspartner der DEFA, nicht das Bundespresseamt. Die Deutsche Wochenschau ist, was diese alten Archivbestände angeht, gehalten, sich mit dem Bundespresseamt abzustimmen. Wir sind der Meinung, daß es wichtiger ist, eine der wenigen Verbindungen, die noch bestehen und die uns erlauben, Originalmaterial aus dem anderen Teil Deutschlands zu bekommen, zu halten, wie ich eingangs sagte. Wir haben auch die Zuversicht, daß selbst bei einer nicht auszuschließenden propagandistischen Verwendung von Material, das aus der Bundesrepublik stammt, dessen Aussagekraft so ist, daß es für die Zuschauer drüben einen Informationswert hat.
Eine weitere Zusatzfrage.
Inwiefern besteht ein Unterschied zwischen der UFA-Wochenschau und dem Bundespresseamt, da doch 92% der Anteile der UFA-Wochenschau in Händen des Bundespresseamtes sind, der Aufsichtsratsvorsitzende Ministerialdirigent Breme aus dem Bundesschatzministerium und der Filmreferent Herr Betz aus dem Bundespresseamt ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, der Unterschied ist der, daß das Bundespresseamt eine oberste Bundesbehörde ist, die Deutsche Wochenschau eine Firma, an der der Bund 92 % der Anteile hat.
Ich rufe die dritte Frage des Herrn Abgeordneten Mühlhan auf:
Trifft es zu, daß der DEFA besonders günstige Verkaufskonditionen eingeräumt wurden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Antwort darauf ist kurz, Herr Abgeordneter: Nein, es trifft nicht zu, daß besonders günstige Verkaufsbedingungen eingeräumt worden sind.
Zusatzfrage, Herr Kollege Mühlhan.
Die normalen Lizenzgebühren bei der Abgabe von Filmstreifen betragen pro Meter 25 bis 40 DM.
Herr Kollege Mühlhan, es sind nur Fragen erlaubt, Erklärungen und Erläuterungen dagegen nicht.
Unterliegt dieser Austausch den normalen Lizenzgebühren, die andere Länder zahlen müssen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, das Material, das uns seinerzeit von
Metadaten/Kopzeile:
8190 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 159. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. März 1968
Staatssekretär Diehlder United States Information Agency übergeben worden ist, ist mit der Auflage übergeben worden, daß Lizenzgebühren nicht berechnet werden dürfen. Es werden die normalen Bearbeitungskosten in Rechnung gestellt. Für alles andere Material, das im Gesamtvolumen ausgetauscht wird, gelten die normalen Geschäftsbedingungen. Es werden also der DEFA keine besonderen Vergünstigungen gewährt.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Mühlhan.
Sind Sie bereit, mir die Geschäftsbedingungen für den Austausch dieser Filme schriftlich mitzuteilen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich kann es Ihnen sogar hier sagen, Herr Abgeordneter. Die Deutsche Wochenschau fordert von den Benutzern des Archivmaterials Bearbeitungsgebühren von 25 DM pro verwendeten Filmmeter. Bei Abnahme einer größeren Menge reduziert sich jedoch dieser Meterpreis auf 18 bis 20 DM. Die vertragliche Regelung in dem vorliegenden Fall, nämlich der Beziehung Deutsche Wochenschau — DEFA, entspricht diesen Bedingungen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Prochazka.
Herr Staatssekretär, wären Sie mit mir der Meinung, daß das Deutsche Fernsehen, wenn es seinem Namen Ehre machen will, eigentlich die Aufgabe hätte, gegenüber der laufenden verzerrten Darstellung der deutschen Geschichte durch das Zonenfernsehen eine der Wahrheit entsprechende richtige Darstellung der deutschen Geschichte seit 1848 zu geben?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das ist eine Anregung, die über die Rundfunkräte an die Anstalten gegeben werden könnte, Herr Abgeordneter.
Damit sind die Dringlichkeitsfragen des Herrn Kollegen Dr. Mühlhan beantwortet.
Wir kommen jetzt zu den Mündlichen Anfragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für wissenschaftliche Forschung. Ich rufe die Fragen 22, 23 und 24 des Herrn Abgeordneten Hilbert auf:
Wieviel Atomkraftwerke sind auf der deutschen Rheinseite von Waldshut bis Basel geplant?
Liegen schon Termine fest, wann mit dem Baubeginn dieser in Frage 22 erwähnten Atomkraftwerke zu rechnen ist?
Welche Standorte sind auf deutscher Seite des Hochrheins für Atomkraftwerke in Aussicht genommen?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums für wissenschaftliche Forschung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, in der Bundesrepublik Deutschland sind
für die Festlegung von Standorten der Kraftwerke, also auch aller Kernkraftwerke, die Unternehmungen der Elektrizitätsversorgung selbst zuständig. Obwohl der Hochrhein geeignete Standorte für Kernkraftwerke bietet, bestehen bei den deutschen Versorgungsunternehmungen z. Z. keine Pläne, auf der deutschen Seite Kernkraftwerke zu errichten. Insbesondere wird das Baden-Werk, in dessen Versorgungsbereich der größte Teil des Hochrheingebietes fällt, nach eigenen Äußerungen nicht vor 1970 eine Bauentscheidung für ein Kernkraftwerk am Hochrhein fällen.
Damit erübrigen sich auch die Antworten auf Ihre beiden weiteren Fragen, Herr Abgeordneter.
Zusatzfrage, Herr Kollege Hilbert,
Ist Ihnen bekannt, daß die benachbarte Schweiz emsig bestrebt ist, jetzt schon Standorte für ihre Atomkraftwerke auf ihrer Seite zu planen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das ist uns bekannt, Herr Abgeordneter. Herr Bundesminister Stoltenberg fährt in der nächsten Woche aus anderem Anlaß in die Schweiz, um mit dem Schweizer Innenminister auch über die Frage der Wasserversorgung des Hochrheins in bezug auf die Standorte zu sprechen. Wir sind also generell mit der Schweiz im Gespräch über diese Frage.
Wir kommen zur Beantwortung der Fragen 25 und 26 des Herrn Abgeordneten Dr. Kempfler:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß über die Gültigkeit des Gesetzes über die Führung akademischer Grade vom 7. Juni 1939 widersprechende Entscheidungen höchster Gerichte vorliegen?
Was gedenkt die Bundesregierung zur Beseitigung der dadurch hervorgerufenen Rechtsunsicherheit zu tun?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, der Bundesregierung sind neben zahlreichen höchstrichterlichen Entscheidungen, die die Gültigkeit des Gesetzes über die Führung akademischer Grade vom 7. Juni 1939 ausdrücklich bejahen, nur eine Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Strafsachen und zum gleichen Sachverhalt eine nicht rechtskräftige Entscheidung des Verwaltungsgerichts München bekannt, die den § 2 dieses Gesetzes, der das Führen ausländischer akademischer Grade im Inland von einer besonderen Genehmigung abhängig macht, für gegenstandslos halten, solange der Gesetzgeber keinen generellen Maßstab für die Entscheidung über Erteilung oder Versagung der Genehmigung gesetzt hat.Demgegenüber hat aber das Bundesverwaltungsgericht in mehreren Entscheidungen die Fortgeltung dieses Gesetzes ausdrücklich bestätigt. Speziell zu § 2 hat das Gericht in einer Entscheidung vom
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 159. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. März 1968 8191
Staatssekretär Dr. von Heppe23. Juni 1967 erklärt, diese Bestimmung verstoße nicht gegen rechtsstaatliche Grundsätze, da Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung aus dem Zusammenhang des Gesetzes ermittelt werden könnten. Im gleichen Sinne hatte sich bereits mein Amtsvorgänger vor einiger Zeit, im Jahre 1964, auf Ihre Frage geäußert.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Dr. Kempfler.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, mir einzuräumen, daß dieses Gesetz dann mindestens im Bereich des Landes Bayern nicht zu vollziehen ist, weil eine Strafdrohung nicht verwirklicht werden kann, so daß mindestens für dieses Land eine Rechtsunsicherheit besteht?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, diese Frage zielt schon auf die Antwort auf Ihre zweite Frage hin, die ich jetzt gleich anschließen kann.
Auch die einhellige Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte und die überwiegende Meinung im Schrifttum gehen davon aus, daß das Gesetz über die Führung akademischer Grade und speziell auch dessen § 2 geltendes Recht sind. Die Bundesregierung ist daher der Ansicht, daß durch die genannten Entscheidungen keine größere Rechtsunsicherheit eingetreten ist als in anderen immer möglichen Fällen, in denen obere Gerichte voneinander abweichende Meinungen vertreten.
Unabhängig davon wäre aber die Bundesregierung schon deshalb gar nicht selbst in der Lage, durch gesetzgeberische Maßnahmen eine Änderung herbeizuführen, weil sowohl nach ihrer Auffassung als auch nach Auffassung der genannten Entscheidungen § 2 des Gesetzes über die Führung akademischer Grade nur als Landesrecht fortgilt. Nur der Landesgesetzgeber könnte also, was auch das Bayrische Oberste Landesgericht ausdrücklich anerkennt, die geforderte Ergänzung herbeiführen.
Ich glaube, damit, Herr Abgeordneter, ist auch Ihre vorige Frage beantwortet. Die Rechtsunsicherheit ist nicht größer als in anderen Fällen.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Kempfler.
Empfinden Sie diesen Rechtszustand nicht als unglücklich, daß der Bundesgesetzgeber einfach nicht in der Lage ist, für das ganze Bundesgebiet ein Gesetz aufzuheben, dessen Gültigkeit mindestens in Teilen bestritten ist? Und wäre nicht vielleicht ein Weg zur Bereinigung dieser ganzen Materie bei der Kultusministerkonferenz anzuregen, daß die Länder entsprechende gesetzliche Regelungen treffen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
In der Kultusministerkonferenz ist dieser Gegenstand in den vergangenen Jahren wiederholt erörtert worden. Dort wurde auch die Meinung vertreten, daß das Gesetz als Landesgesetz fortgilt. Im übrigen, Herr Abgeordneter, ist die Bundesregierung an das Grundgesetz und die verfassungsmäßige Aufteilung der Zuständigkeiten gebunden.
Noch eine Zusatzfrage, Herr Dr. Kempfler!
Ist bei der letzten Kultusministerkonferenz, Herr Staatssekretär, schon die Auffassung des Bayrischen Obersten Landesgerichts bekannt gewesen, und würde diese Entscheidung nicht vielleicht doch ein anderes Bild und andere Anregungen für die Konferenz ergeben?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich kann nicht sagen, ob das bei der letzten Kultusministerkonferenz erörtert worden ist. Meine Bemerkungen beziehen sich auf Erörterungen, die ich selbst miterlebt habe und die zehn Jahre und mehr zurückliegen.
Ich rufe die Frage 27 des Herrn Abgeordneten Dr. Rutschke auf:
Weshalb hat die Bundesregierung bei den deutsch-französischen Gesprächen Mitte Februar in Paris entgegen anderslautenden Meldungen der britischen Presse keine Verhandlungen über eine eventuelle Zusammenarbeit bel der Produktion angereicherten Urans als Brennstoff für Reaktoren geführt?
Die Frage wird von Herrn Abgeordneten Moersch übernommen. Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, die französische und die deutsche Regierung sind der Auffassung, daß die langfristige Versorgung mit angereichertem Uran in erster Linie im Rahmen der Europäischen Atomgemeinschaft erörtert werden sollte. Zu diesem Zweck hat der Rat der Europäischen Gemeinschaften am 8. Dezember 1967 eine besondere Studiengruppe des Beratenden Ausschusses für Kernforschung eingesetzt, die in diesem Monat ihre Arbeit aufnehmen soll. Auf der Grundlage dieser Untersuchung wird die Kommission dem Rat bis zum 1. Januar 1969 Vorschläge unterbreiten. Bei dieser Sachlage bestand kein Anlaß, dieses Problem bei den deutsch-französischen Konsultationen Mitte Februar in Paris erneut anzuschneiden.
Eine Zusatzfrage wird nicht gestellt. Wir kommen zur Frage 28 des Abgeordneten Dr. Rutschke:Welche Gemeinsamkeiten haben die Bundesregierung und die französische Regierung in bezug auf die .Schaffung eines ausgewogenen Weltraumprogramms für Europa" und die übereinstimmende Haltung beider Länder bei den Verhandlungen über eine internationale Organisation für Weltraumfernmeldeverbindungen festgestellt?Bitte, Herr Staatssekretär!
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8192 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 159. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. März 1968
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, zunächst zum europäischen Weltraumprogramm. Über den Bericht des Beratenden Programmausschusses der Europäischen Weltraumkonferenz, der die Vorschläge für ein „ausgewogenes europäisches Weltraumprogramm" enthält, fand am 15. und 16. Februar 1968 ein erster Gedankenaustausch zwischen dem französischen Forschungsminister Maurice Schumann und dem Bundesminister Dr. Stoltenberg statt. Dabei konnte volle Übereinstimmung beider Länder in allen besprochenen Fragen festgestellt werden. Insbesondere bestand Einigkeit darüber, daß die Europäische Weltraumkonferenz vor allem Beschlüsse über das künftige Programm der ESRO und über den Bau eines europäischen Fernmeldesatelliten fassen muß, der den Bedürfnissen der Eurovision entspricht. Frankreich und Deutschland unterstützen diese Pläne nachdrücklich. Auch hinsichtlich der Notwendigkeit, die bestehenden drei Weltraumorganisationen in Europa zu einer einzigen Organisation mit umfassendem Aufgabenbereich zusammenzufassen, besteht zwischen Frankreich und uns volle Übereinstimmung.
Zu den INTELSAT-Verhandlungen. Die Verhandgen über die dauernde Organisation des weltweiten Fernmeldesatellitensystems INTELSAT betreffen eine politisch bedeutungsvolle und in den Einzelheiten recht komplizierte Materie.
In den . anzustrebenden Zielen sind sich Deutschland und Frankreich, aber auch die übrigen europäischen Staaten weitgehend einig. Dies bezieht sich insbesondere auf den Grundsatz einer stärkeren Stellung Europas im Rahmen eines endgültigen weltweiten Abkommens.
Ich rufe die Frage 29 des Herrn Abgeordneten Dr. Rutschke auf:
Welche konkreten Ergebnisse hatte die im Bulletin vom 21. Februar 1968 Seite 184 erwähnte „eingehende Untersuchung des gegenwärtigen Standes der europäischen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Kernenergie" außer der Erkenntnis der Notwendigkeit einer Aufstellung des dort bezeichneten Programms?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, auf Grund des Beschlusses des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 8. Dezember 1967 hat die Gruppe „Atomfragen" in Brüssel einen ersten Bericht vorgelegt, in dem nur eine Einigung im Bereich der Grundlagenforschung auf den Gebieten Kernfusion und Gesundheitsschutz festgestellt werden konnte. Deutschland und Frankreich sind gemeinsam der Ansicht, daß die Zusammenarbeit auf dieses Gebieten allein nicht ausreicht, um ein ausgewogenes Forschungsprogramm für die Europäische Atomgemeinschaft zu gewährleisten. Vielmehr sind beide Staaten übereinstimmend der Meinung, daß ein solches Forschungsprogramm zumindest auch die Basisprogramme für die Forschung und Entwicklung fortgeschrittener Reaktoren umfassen muß. Sie haben sich deshalb grundsätzlich bereit erklärt, ihre nationalen Arbeiten in den Rahmen dieser Gemeinschaft
einzugliedern. Nachdem die Kommission gestern ihre Vorschläge vorgelegt hat, werden Deutschland und Frankreich bei den jetzt stattfindenden Erörterungen ihre grundsätzliche Bereitschaft konkretisieren müssen.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Wir kommen jetzt zur Beantwortung der Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes. Frage Nr. 30 des Herrn Abgeordneten Schmidt :
In wessen Auftrag handelten Staatssekretär Diehl und der stellvertretende Regierungssprecher Ahlers, als sie bei der Intendanz des Westdeutschen Rundfunks und dem Leiter der Sendereihe „Der internationale Frühschoppen" eine thematische Begrenzung und eine personelle Umbesetzung der Diskussionsrunde am 3. März 1968 zu erreichen versuchten?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Staatssekretär des Bundespresseamtes.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, die Annahme, die in Ihrer Frage Ausdruck findet, ist, wie inzwischen durch Erklärungen von Herrn von Bismarck und von Herrn Höfer bekanntgeworden ist, nicht ganz zutreffend. Ich darf den Sachhalt zunächst einmal darstellen.Am 1. März vormittags habe ich den Intendanten des WDR angerufen und habe sinngemäß gesagt: Herr von Bismarck, ich frage, ob es zutrifft, daß Herr Höfer zum Internationalen Frühschoppen mit dem Thema „Publizistischer Umgang mit Staatsoberhäuptern" Henri Nannen eingeladen hat. Herr von Bismarck antwortete, er wisse es nicht; im allgemeinen pflege Herr Höfer über Thema und Teilnehmerkreis des Frühschoppens selbst zu entscheiden; er werde sich aber erkundigen.Ich habe daraufhin Herrn von Bismarck gesagt, ich könne nicht verstehen, warum der WDR Herrn Nannen knapp zwei Tage nach der für den Abend zu erwartenden Stellungnahme des Herrn Bundespräsidenten Gelegenheit geben wolle, in der breitesten Öffentlichkeit vermutlich noch einmal sich in der gleichen Weise zu äußern, wie er es im „Stern" getan habe. Herr von Bismarck konnte mir auf diese Frage auch keine Antwort geben. Und ich darf gleich hinzufügen: diese Antwort hat der WDR auch bis heute noch nicht geben können.Mein Stellvertreter hat Herrn Höfer, der ihm gut bekannt ist, angerufen und hat ihm in gleicher Weise gesagt, daß er die Einladung von Herrn Nannen für verfehlt halte.Herr von Bismarck hat dann noch einmal zurückgerufen, was verabredet war, und hat mir gesagt, was auch Herr Höfer bereits Herrn Ahlers gesagt hatte, man sei über die Sache nicht glücklich; aber so, wie die Dinge lägen, sollte es dabei bleiben. Herr von Bismarck hat mir gegenüber noch einmal mitgeteilt, er habe dem Verwaltungsrat des WDR und gegenüber der Presse erklärt, daß mein Anruf keineswegs den Charakter einer Pression gehabt habe. Er billige der Bundesregierung voll zu, daß sie ihn über ihre Auffassung unterrichte.Ihre Frage nach dem Auftrag, Herr Abgeordneter, ist so zu beantworten: Es bedurfte keines speziellen
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 159. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. März 1968 8193
Staatssekretär DiehlAuftrags. Herr Ahlers und ich haben kraft des uns übertragenen Amtes in eigener Zuständigkeit gehandelt.
Eine Zusatzfrage, Kollege Schmidt.
Herr Staatssekretär, darf ich das anfänglich von Ihnen Gesagte und den letzten Satz dahin verstehen, daß kein direkter Auftrag vorlag, daß Sie völlig aus eigener Initiative gehandelt haben? Oder?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
So ist es.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich fragen, wie die Bundesregierung und wie Sie als der Vertreter der Bundesregierung in diesem Fall einen solchen Anruf, der eine Mitsprache oder eine Erkundigung und damit auch eine gewisse Überlegung hinsichtlich einer besonderen Gestaltung eines Programmes bedeutet, beurteilen. Als einen Eingriff oder nicht?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein. Die Frage der Pressefreiheit oder der Meinungsfreiheit ist überhaupt nicht berührt, und Sie sehen auch aus den Äußerungen der Intendanz und der verschiedenen Gremien des WDR, daß die Meinungen über die Zweckmäßigkeit der getroffenen Entscheidung — vorsichtig ausgedrückt — stark auseinandergehen. Die Bundesregierung nimmt nur für sich ebenfalls ein Recht der Meinungsfreiheit in Anspruch.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Sänger.
Herr Staatssekretär Diehl, da es sich hier um eine wirklich ernste Grundsatzfrage handelt, hätte ich gern gewußt: auf welcher Rechtsgrundlage glaubten Sie zu stehen, als Sie Ihre Intervention vornahmen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter Sänger, der Auftrag des Presse- und Informationsamtes ist, die Verbindungen zwischen der Bundesregierung und den Organen der Publizistik zu halten. Und wir legten Wert darauf, daß man vorher wußte, wie unsere Meinung in dieser Sache war.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, abgesehen von der Tatsache, daß die Länder für den Rundfunk
zuständig sind, hätte ich gern gewußt: glauben Sie, daß ein Rat, jemanden nicht zu einer Sendung kommen zu lassen, eine Darstellung der Auffassung der Bundesregierung — oder nicht doch wesentlich mehr — sei?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, wir haben keinen Rat gegeben. Wir wissen selbstverständlich, daß von uns aus gesehen keinerlei Notwendigkeit und auch, wenn man es gewollt hätte, keine Möglichkeit besteht, auf derartige Entscheidungen Einfluß zu nehmen. Wir haben dem Westdeutschen Rundfunk eine Frage gestellt, und ich sagte bereits: die Frage ist auch bis heute unbeantwortet geblieben.
Ich habe hier — das ist vielleicht von einigem Interesse — die Erklärungen, die vom Verwaltungsrat und vom Rundfunkrat abgegeben worden sind. Sie lauten dahin gehend, daß der Verwaltungsrat des Westdeutschen Rundfunks auf seiner Sitzung am Mittwoch in Köln keine Beschlüsse über die umstrittene Teilnahme von Nannen am Internationalen Frühschoppen gefaßt habe. In einem nach der Sitzung herausgegebenen Kommuniqué heißt es:
Die mit dem letzten Internationalen Frühschoppen vom 3. März 1968 zusammenhängenden Vorgänge wurden vom Verwaltungsrat des WDR in seiner Sitzung am 6. März mit unterschiedlichen Auffassungen erörtert. Beschlüsse wurden nicht gefaßt.
In der Stellungnahme des Rundfunkrates heißt es, daß man sich damit auseinandergesetzt habe, wie der Rundfunk seiner Aufgabe, die demokratische Ordnung zu festigen, entsprechen könne. Ich nehme an, daß man in diesem Zusammenhang den Frühschoppen diskutiert hat.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Dorn.
Herr Staatssekretär, ich frage Sie — nachdem Sie gerade erklärt haben, Herr Ahlers habe Herrn Höfer mitgeteilt, die Einladung Nannens sei verfehlt —, ob das nicht doch ein Eingriff in die freie Meinungsäußerung bei uns ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein.
— Nein! Herr Abgeordneter, man muß der Regierung ebenfalls zubilligen, daß sie eine Meinung hat und daß sie die frei äußern kann.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wollte die Bundesregierung mit dieser Meinungsäußerung denn nicht verhindern, daß ein anderer, der seine Mei-
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8194 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 159. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. März 1968
Dornnung dort vortragen wollte, zu Wort kommen durfte?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein, darum geht es nicht.
Warum haben Sie denn dann eingegriffen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Warum wir eingegriffen haben? Weil wir Herrn von Bismarck, wie ich gesagt hatte, und Herrn Höfer zur Kenntnis bringen wollten, daß die Regierung sich zu dieser Sache kritisch äußern würde.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ott.
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß auf Grund der Äußerungen des Herrn Kollegen Dorn zwar gewisse Kräfte in unserem öffentlichen Leben alle Freiheiten haben sollen, daß dagegen der Bundeswehr, Verzeihung: der Bundesregierung und dem Bundespresse- und Informationsamt
— ich habe mich versprochen; entschuldigen Sie, das kann Ihnen auch mal passieren; ich habe es genau richtiggestellt, Herr Kollege; Sie können sich dann melden —, daß es aber der Bundesregierung und dem Bundespresse- und Informationsamt verwehrt werden solle, in dem Streit um die Meinungen eine eigene Meinung zu haben, und daß dadurch die Meinungsfreiheit beeinträchtigt wird?
Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, das Recht der Meinungsfreiheit ist im Grundgesetz verankert und unantastbar. Es war für den Westdeutschen Rundfunk, der eine Anstalt des öffentlichen Rechts ist und dessen Auftrag in seinen Statuten definiert ist, eine eigene Entscheidung, ob er das, was getan worden ist, als mit seinem Auftrag in Einklang befindlich ansah. Nach dem, was wir gehört haben — die Mitteilungen sind ja recht lakonisch —, gibt es darüber verschiedene Meinungen. Unsere Auffassung, die ich bereits hier zum Ausdruck gebracht habe, war, daß es ein gutes Recht ist, die Regierung und natürlich auch das Bundespressamt zu kritisieren, daß das aber nicht dazu führen kann, daß die Bundesregierung nicht mehr in der Lage ist, selbst ihre eigene Meinung auszudrücken.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Tallert.
Herr Staatssekretär, sind Sie sich des Unterschieds einer Meinungsäußerung und einer kritischen Äußerung bezüglich der Dispositionen des Fernsehens nicht bewußt? Es besteht doch sicherlich ein Unterschied darin, ob ich eine Meinungsäußerung — beispielsweise die von Herrn Nannen — kritisiere oder ob ich mich in dieser Weise in die Dispositionen des Fernsehens einmische. Verstehen Sie diesen Unterschied nicht?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich verstehe ihn sehr gut, Herr Abgeordneter, und das ist der Grund dafür, daß ich mich in diesen Fragen jedenfalls immer bemühe, außerordentlich abgewogen und behutsam zu formulieren.
Eine weitere Zusatzfrage.
Ich kann nur in Frageform sagen: Glauben Sie nicht, daß es schwerfällt, Ihre Interpretation zu verstehen, selbst bei einigem Wohlwollen?
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Moersch.
Wären Sie bereit, Ihre eben geäußerte Ansicht unter dem Aspekt zu überprüfen, daß es die Aufgabe des Amtes ist, die Öffentlichkeit über die Bundesregierung zu informieren und nicht zur Unterdrückung von Informationen gegenüber der Öffentlichkeit im amtlichen Auftrag beizutragen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich kann das so nicht annehmen. Es ist so, daß sich die Bundesregierung und ihre Sprecher, was die Verteidigung der Meinungsfreiheit angeht, von niemandem übertreffen lassen. Aber es geht hier um die Entscheidung, Herr Abgeordneter, ob Herrn Nannen in einer öffentlich-rechtlichen Anstalt ein Forum gegeben werden sollte, um seine inzwischen von der Bundesregierung und den Fraktionen abgewehrten Behauptungen und Angriffe gegen den Bundespräsidenten fortzusetzen. Wir waren der Meinung, daß es unser Recht war, dem WDR vorher zu sagen, daß die Regierung kritisch zu diesem Vorhaben stand.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Moersch.
Herr Staatssekretär, vermögen Sie nicht den Unterschied zu erkennen, der darin liegt, daß Sie die volle Freiheit haben, Herrn Nannen zu kritisieren, und daß es etwas anderes ist, wenn Sie versuchen, die Kritik an Herrn Nannen dadurch überflüssig zu machen, daß sie ihn im Fernsehen nicht zu Wort kommen lassen wollen?
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 159. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. März 1968 8195
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein! Herr Abgeordneter, ich darf noch einmal daran erinnern, daß ich zitiert habe, daß sowohl Herr von Bismarck als auch Herr Höfer die Gespräche, die Herr Ahlers und ich geführt haben, in keiner Weise als eine Pression gewertet haben, sondern daß sie ausdrücklich unser Recht anerkannt haben, diese Meinung zu äußern. Und ich finde, das sind die kompetenten Interpreten unserer Intervention.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Unertl.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß gerade im Zusammenhang mit diesem Thema bei uns im Fernsehen und im Rundfunk diejenigen Kräfte, die es mit der Bundesregierung nicht besonders gut meinen, sehr wohl zu Worte kommen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich glaube nicht, daß es mir zusteht, ein solches Urteil zu fällen. Ich habe den Eindruck, daß an sich alle Fächerungen unserer Meinung im Fernsehen zum Ausdruck kommen. Die Entscheidung darüber liegt bei den durch Gesetz eingesetzten Gremien der Rundfunkanstalten. Ich sehe, daß der Vorfall immerhin eine ernsthafte Diskussion über die Zweckmäßigkeit solcher Entscheidungen wie der hier in Frage stehenden ausgelöst hat.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Meinung, daß es unter Umständen einmal gut wäre, wenn man die Öffentlichkeit befragte, was sie zu dem Thema, zu dem ich hier eine Antwort wissen wollte, zu sagen hat?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine
Anregung, die ich gern aufnehme.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie auf Grund des Verlaufs der Sendung auch jetzt noch der Meinung, daß die Teilnahme von Herrn Nannen am Internationalen Frühschoppen deplaciert war?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ja.
Wir kommen zur Frage 31 des Herrn Abgeordneten Schmidt :
Hält die Bundesregierung ein solches in Frage 30 erwähntes Vorgehen ihrer beiden Sprecher Diehl und Ahlers mit der publizistischen Meinungsfreiheit einer unabhängigen Rundfunk- und Fernsehanstalt für vereinbar?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär. Ich habe den Eindruck, die Frage ist implicite schon beantwortet worden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung sieht keine Veranlassung, gegenüber dem Bundespräsidialamt in dieser Sache tätig zu werden, zumal diese Fragen vom Bundespräsidialamt selbst geregelt werden, nämlich Fragen der Zulassung von Fotografen und Pressevertretern. Aber wenn Sie erlauben, will ich allgemein folgendes bemerken.
Herr Staatssekretär, darf ich unterbrechen. Dies ist die Frage 32. Es stand noch die Beantwortung der Frage 31 — die mit der Frage 30 im Zusammenhang steht —, aus. Ich habe schon vermutet, daß Sie sie als beantwortet betrachten, was auch ich glaube annehmen zu dürfen. Aber wenn Sie sie als beantwortet betrachten, stehen dem Fragesteller noch zwei Zusatzfragen zu dieser Frage zu. Deswegen frage ich noch einmal. — Sie betrachten sie als beantwortet. Das ist richtig. Aber der Fragesteller will noch Zusatzfragen stellen, wie ich sehe. —Bitte, zu einer Zusatzfrage Abgeordneter Schmidt.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie die Frage 31 als beantwortet betrachten, darf ich fragen, ob sich das Bundeskabinett mit der Überprüfung der Dinge befaßt hat.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein.
Weitere Zusatzfrage.
Darf ich weiter fragen, ob die Beantwortung dieser Frage mit dem Herrn Bundeskanzler abgestimmt worden ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ja.
Damit ist die Frage 31 erledigt. Wir kommen zu Frage 32 des Herrn Abgeordneten Schmidt :
Ist die Bundesregierung bereit, sich nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung dafür einzusetzen, daß bei der Aufnahme von bedeutsamen Fernsehansprachen des Bundespräsidenten bereits eingeladene Pressefotografen nicht — wie am 1. März 1968 — wieder ausgeladen werden und als einziger Vertreter der Vertragsfotograf einer Rundfunkanstalt die Möglichkeit zur Lieferung honorarpflichtiger Pressefotos bekommt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich darf wiederholen, daß an sich die Frage der Zulassung von Fotografen und Berichterstattern beim Herrn Bundespräsidenten vom Bundespräsidialamt behandelt und entschieden wird und infolgedessen die Bundesregierung keine Veranlassung sieht, gegenüber dem Bundespräsidialamt tätig zu werden. Doch wenn Sie erlauben, will ich zum allgemeinen Verfahren folgendes sagen.Staatsoberhäupter entscheiden selbst, ob sie in ihren Diensträumen und Wohnungen Fotografen zulassen wollen oder nicht. Falls sie positiv entscheiden, steht es ihnen frei, ob sie einen oder mehrere zulassen. Die zugelassenen Fotografen und Kameramänner bieten im allgemeinen nach einer ungeschriebenen Regel des Berufs ihr Material zur
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8196 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 159. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. März 1968
Staatssekretär DiehlVerwendung an. Im Vergleich mit anderen Ländern verfährt das deutsche Staatsoberhaupt bei der Behandlung dieser Fragen eher großzügig.
Zusatzfrage, Herr Kollege Schmidt .
Herr Staatssekretär, darf ich dann fragen, warum die vorher eingeladenen Pressefotografen wieder ausgeladen wurden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es scheint so gewesen zu sein, daß der Pressereferent des Bundespräsidialamtes gesagt hatte: „Ich glaube nicht, daß fotografiert werden kann. Aber" — das ist im Beruf üblich — „wenn ihr anwesend sein und einen Versuch machen wollt, dann kommt." Inzwischen war die negative Entscheidung getroffen worden. Die Fotografen sind aber, soviel ich weiß, vorher verständigt worden.
Frage 33 des Herrn Abgeordneten Stiller:
Billigt die Bundesregierung, daß der Westdeutsche Rundfunk dem „Stern"-Redakteur Nannen Gelegenheit gegeben hat, seine Angriffe gegen den Bundespräsidenten fortzusetzen, obwohl der Bundespräsident als auch Bundesregierung und die im Bundestag vertretenen Parteien mit ihren Stellungnahmen die Haltlosigkeit der Behauptungen Nannens und des Zonenregimes darlegten?
Herr Staatssekretär, bitte!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, die Antwort auf Ihre Frage ist: Nein. Die Bundesregierung ist darüber hinaus der Auffassung, daß der Verlauf der Sendung mit den Bemühungen von Herrn Nannen, seine Angriffe gegen den Herrn Bundespräsidenten fortzusetzen, ihre Bedenken bestätigt hat.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Stiller. Bitte!
Herr Staatssekretär, sind nicht auch Sie mit mir der Meinung, daß die Presse- und Meinungsfreiheit durch manche Veröffentlichungsorgane genauso überstrapaziert wird wie in den zwanziger Jahren und daß der Mißbrauch damals und die Hilflosigkeit, diesem Mißbrauch zu begegnen, der Anfang des Endes des Weimarer Staates war?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, eines ist sicher: daß selbst ein Recht, das ein hohes Gut wie das der Meinungsfreiheit schützt, mißbraucht werden kann und daß das gelegentlich auch der Fall ist. Das ist aber eine Frage, die mehr im Bereich des Berufsstandes liegt, als daß man sie rechtlich beurteilen könnte.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dorn.
Herr Staatssekretär, teilen Sie die Auffassung des Herrn Kollegen Stiller, daß die Behauptungen des Herrn Nannen z. B. im Bereich der Urkundenfälschung, die Frau des Herrn Bundespräsidenten angesprochen, haltlos sind?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich kann hier in eine Diskussion der Sachbehauptungen, die Herr Nannen aufgestellt hat, nicht eintreten. Dazu fühle ich mich nicht kompetent. Auf der anderen Seite ist es so: nachdem der Herr Bundespräsident auf Empfehlung der Bundesregierung entschieden hat, daß keine Strafverfolgung eingeleitet werden soll, ist die Frage, ob dort von Herrn Nannen unter Umständen falsche Behauptungen aufgestellt worden sind, für ihn in gewisser Weise ungefährlich, weil man weiß, daß eine Strafverfolgung nicht beabsichtigt ist. Der WDR hat aber diese Frage meines Wissens nicht geprüft.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Kollegen Dorn.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Meinung, daß diese Empfehlung der Bundesregierung an den Herrn Bundespräsidenten, in keinem Falle eine Strafverfolgung einzuleiten, durch die permanenten weiteren Angriffe nicht doch eines Tages überholt sein könnte und inzwischen eine ganz erhebliche Herabminderung des Amtes eingetreten sei?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, das Bundeskabinett hat bisher seine . Entscheidung nicht zurückgenommen, sondern hat sie, wie Sie wissen, im Zusammenhang mit der Diskussion der ganzen Vorfälle noch einmal bestätigt. Das Ansehen des Bundespräsidenten wird, wenn überhaupt, sicher nicht durch diese Entscheidung geschädigt, sondern durch die Art der publizistischen Behandlung der Vorfälle.
Meine Damen und Herren, ich kann zu diesem Komplex keine weiteren Zusatzfragen mehr zulassen. Die Fragestunde ist damit beendet.Wir kommen zum Punkt 4 der Tagesordnung:Aussprache über den Bericht der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß § 4 des Landwirtschaftsgesetzes und Maßnahmen der Bundesregierung gemäß Landwirtschaftsgesetz und EWG-Anpassungsgesetz— Drucksache V/2540Dazu kommen die folgenden Initiativgesetzentwürfe,die Sie, meine Damen und Herren, vorhin laut Listeauf die Tagesordnung zu setzen beschlossen haben:Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Errichtung des Deutschen Agrarfonds für AbsatzförderungDrucksache V/2663 —
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 159. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. März 1968 8197
Vizepräsident ScheelErste Beratung des von der Fraktion der I FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung landwirtschaftlicher Investitionen
— Drucksache V/2665 —Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Gewährung von Umstellungshilfen und Umschulungsbeihilfen zur Verbesserung der Agrarstruktur
— Drucksache V/2672 Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/ CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Errichtung eines Strukturfonds für die Land- und Ernährungswirtschaft
— Drucksache V/2678 —Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat als erster Herr Kollege Bauknecht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Hohen Hause liegt heute zum dreizehnten Male der Grüne Bericht über die Lage der Landwirtschaft vor, verbunden — diesmal ohne Grünen Plan — mit Vorschlägen der Bundesregierung, wie sie die ungenügende Ertragslage der Landwirtschaft — denn sie ist ja nach wie vor ungenügend — verbessern will. Entgegen der bisherigen Gepflogenheit darf ich mir erlauben, mich in meinen Ausführungen nicht mit den Einzelheiten des Grünen Berichts zu beschäftigen, weil sie in der Vergangenheit liegen — sie betreffen den Zeitraum 1966/1967 , sondern auf die derzeitige Entwicklung einzugehen, und zwar im Zusammenhang mit Erscheinungen in der Öffentlichkeit, die, glaube ich, auch dieses Hohe Haus nicht ruhig lassen dürfen.Die Unruhe der Bauern ist steigend im Zunehmen. Mehr als drei Dutzend spontane Protestkundgebungen in der Öffentlichkeit und Demonstrationsaufmärsche von Schleppern haben in letzter Zeit stattgefunden. Ich darf feststellen, daß die Kette dieser Demonstrationen noch nicht abreißt, muß aber sagen: die Öffentlichkeit hat zur Kenntnis genommen, daß diese Demonstrationen im Gegensatz zu Erscheinungen auf anderen Gebieten in größter Diszipliniertheit und Ordnung vor sich gegangen sind. Sowohl die Presse als auch Rundfunk und Fernsehen haben objektiv über den Verlauf der Demonstrationen berichtet. Leider waren die Kommentare dazu alles andere als geeignet, die Öffentlichkeit in ausreichendem Maße auf die Gründe und die Ursachen hinzuweisen. Es sollte vermieden werden, daß zwischen die Öffentlichkeit und die Landwirtschaft ein Keil getrieben wird. Bisher ist das nicht gelungen. Die Bundesregierung hat die Aufgabe, das zu verhindern. Gerade sie müßte bemüht sein, ihre Informationsmittel stärker als bisher einzusetzen, damit die Öffentlichkeit mehr Verständnis für die Verhältnisse und die berechtigten Forderungen ihrer eigenen Landwirtschaft aufbringt.
Daran hat es bisher gefehlt.
Die Unruhe ist verschiedener Natur. Sie hat die verschiedensten Gründe. Es hat sich eine Existenzangst breitgemacht, wie sie noch vor Jahren für uns unvorstellbar gewesen ist. Täuschen wir uns nicht Es handelt sich nicht etwa nur um ein Agrarstruktur-problem. Vielmehr geht es heute jenen Bauern an den Kragen, die wir bisher als Vollbauern bezeichnet haben und die ihre Höfe rationell bewirtschaften. Neben der Strukturpolitik geht es also um die Preispolitik, und da ist nun etwas eingetreten, was niemandem verborgen geblieben sein kann.Die um 21/2 Jahre vorverlegte Verwirklichung des Gemeinsamen Marktes hat der Landwirtschaft Einnahmeausfälle gebracht, wie sie vorher kaum abzusehen waren. Die Getreidepreise, die seit 1950, also seit 17 Jahren, unverändert geblieben sind, obwohl die allgemeine Geldentwertung in dieser Zeit nach der Statistik des Bundesamtes etwa 47 % ausgemacht hat, mußten ab 1. Juli 1967 um 12 bis 15% gesenkt werden. Gestern hat mir ein Fraktionskollege gesagt, daß allein dieser Beschluß des gemeinsamen Getreidepreises es ermöglicht habe, die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft überhaupt am Leben zu erhalten. Wäre das nicht gelungen, so wäre es fraglich gewesen, ob wir heute noch eine EWG hätten.Damals um die Monatswende November/Dezember 1964 hat der Berufsstand aus einem Verantwortungsgefühl heraus ja gesagt, aber er hat, wie man das bei Verhandlungen machen muß, Bedingungen gestellt. Die Zusagen sind nicht eingehalten worden, und das ist mit ein Grund für die Unruhe.Die große Presse hat in jenen Tagen um diese Monatswende November/Dezember 1964 geschrieben: „Nun ist der Durchbruch gelungen", „Ein europäischer Frühling steht in Aussicht".
— Ich will jetzt auf etwas anderes hinaus, Herr Kollege Logemann.Man hat geschrieben: „Wir wissen, daß das mit großen Kosten verbunden sein wird." Ein namhafter Korrespondent aus Brüssel hat in einer der führenden Zeitungen betont — wie andere auch —: „Es mag kosten, was es will; es ist diesen Preis wert."Nun, wenn dem so war, dann muß das auch seine Gültigkeit behalten.
— Meine Damen und Herren von der FDP, Sie haben ja damals mitgemacht.
Sie waren doch in der Regierung.
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8198 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 159. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. März 1968
Bauknecht— Nun, da hilft kein Geheule.
— Ja, wir haben uns hier schon oft über diese Frage unterhalten, aber nicht zu Ihrem Vorteil.
Das muß absolut vermieden werden. Die Öffentlichkeit ist nämlich immer der Meinung, das seien Subventionen für die Landwirtschaft, obwohl es sich hier um Summen dreht, die mit der Landwirtschaft relativ wenig zu tun haben. In dem hier aufgezeigten Betrag ist auch ein durchlaufender Posten in Höhe von 560 Millionen DM als Teilausgleich für die Verluste bei Getreide enthalten. Er wird in diesem Etat mit geführt und als Subvention des Bundes bezeichnet. Das ist bedauerlich.
— Ich weiß nicht, warum Sie lachen; Sie haben doch einen Antrag vorliegen, der genau in diese Richtung läuft.
— Herr Kollege Ertl, Ihre Kollegen saßen früher auch darauf.Meine Damen und Herren, eine bessere Entflechtung wäre hier wirklich am Platze. Wenn die Öffentlichkeit das nicht versteht, so muß man unermüdlich sagen, was denn alles in diesem Etat enthalten ist. In diesem Etat ist z. B. die gesamte nationale Vorratshaltung enthalten, die doch heute eine gewisse Bedeutung haben müßte. Oder läßt uns das, was in der Welt passiert, total gleichgültig? Man wird jetzt eine Vietnam-Debatte haben, und ich meine, es gibt doch einiges, was in der Welt passiert. Man hatte die Krise im Nahen Osten, und niemand schützt uns davor, daß solche Krisen entstehen. Wenn man dann aber eine Vorratshaltung hat, einen strukturellen Überschuß — bei Butter sind es rund 40 000 t; das sind 0,7 kg je Kopf der Bevölkerung —, dann schreit man. Meine Damen und Herren, das ist eine nationale Sache. Und der Ernährungsausschuß kommt hin und wieder nach Berlin und sieht sich die Verhältnisse dort an. Hier handelt es sich doch um eine rein strategische Vorratshaltung für diese 2 Millionen
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 159. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. März 1968 8199
BauknechtMenschen, die unendliches Geld kostet. Das steht im Etat des Bundesernährungsministers und wird landläufig als Subvention für die Landwirtschaft angesehen.Weiterhin sind die ganzen Kosten für die Wasserwirtschaft zu nennen und die Kosten für den Küstenschutz, die aufgebracht werden müssen, damit die Menschen bei einer neuen Flut nicht wieder ersaufen. Dieser Betrag steht im Ernährungshaushalt als Subvention für die Landwirtschaft.Meine Bitte geht also dahin, in der Aufklärungsarbeit der Bundesregierung unermüdlich zu sein und sich auch vor das Fernsehen hinzustellen und diese Dinge klar zurechtzurücken.In diesem Zusammenhang noch eine kurze Bemerkung. Es ist dem Hohen Hause nicht verborgen geblieben, daß in den letzten drei Jahren erhebliche Mittel, die im Haushalt des Bundesernährungsministers standen, nicht ausgegeben werden konnten, weil die Richtlinien für die entsprechenden Gesetze viel zu spät herausgekommen sind. Und im Jahre 1966 hatte der Bundesfinanzminister kein Geld mehr, und da hat man die Zahlungen einfach eingestellt. Aber diese Mittel, die in den drei Jahren etwa 1,2 Milliarden DM ausmachen, werden dauernd zusammengezählt: Das habe die Landwirtschaft als Subvention erhalten, während es ihr in Wirklichkeit völlig durch die Lappen gegangen ist. Auch das muß man der Öffentlichkeit sagen. Die landläufige Meinung ist doch: Die deutsche Landwirtschaft lebt nur aus dem Säckel des Steuerzahlers. Das sind Ursachen, die die Menschen eben ärgerlich machen, und dieses Odium wollen sie nicht auf sich nehmen. Wie kann es vermieden werden, daß solche Haushaltsmittel verfallen? Meine Damen und Herren, in unserem Entschließungsantrag haben wir einen Punkt, der nachher von meinem Kollegen Bauer erläutert wird. Ich will darauf nicht näher eingehen.Noch ein paar kurze Ausführungen zur Strukturpolitik. Sie ist eine weitere Ursache für die Existenzangst. Was sollen diese kleinen Betriebe anfangen? Nun hat man hier Hilfen vorgesehen. Mit unserem Antrag, ebenso wie mit dem Antrag der SPD, soll bezweckt werden, daß auslaufende Betriebe sozusagen ein vorzeitiges und ein zusätzliches Altersgeld bekommen. Aber, meine Damen und Herren, die Dinge liegen doch noch viel tiefer. So sehr der Ruf an die Industrie berechtigt ist, aufs Land zu gehen, in jene Gegenden, wo diese kleinen Betriebe sind, daß dort Arbeitskräfte frei gemacht werden und diese Leute sich auf den Nebenerwerbs- oder Zuerwerbsbetrieb zurückziehen, so ist doch auf der anderen Seite heute festzustellen, daß sich bei der Zurückhaltung in bezug auf neue Investitionen keine Industrie bemüßigt fühlt, eben in diese Gebiete zu gehen.Der Bundeswirtschaftsminister hat die Leute zu Lohnerhöhungen aufgefordert, wodurch die landwirtschaftlichen Produktionskosten noch verteuert werden. Das würde eine neue Lähmung für die Industrie in bezug auf neue Investitionen bedeuten. Das ist meine Auffassung. Ich glaube, daß das sehrzu bedauern ist. Was soll mit diesen Leuten geschehen?
Sie können ihren Betrieb nicht zum Nebenerwerbs-betrieb zurückentwickeln, weil sie einfach keine Beschäftigungsmöglichkeit haben. Mein Kollege Struve hat mir gesagt, selbst in Schleswig-Holstein müßten solche Kleinbauern täglich 80, 90 km mit einem VW-Bus fahren, um in Kiel eine Beschäftigung zu finden. Das kann man doch wirklich niemandem zumuten. Auf der anderen Seite müssen wir wirklich verlangen, daß sich die Industrie aufs Land verlagert. Wir sind der Auffassung, daß die Menschen sonst noch mehr zusammengeballt werden und daß das flache Land vollends entvölkert wird.
Daß ein Bürger in einem Ballungsraum viel mehr Geld für den Steuerzahler kostet, ist doch längst eine Binsenwahrheit.Ich möchte nur die Verkehrsprobleme in der Großstadt ansprechen. Hier muß trotz der widrigen Umstände etwas getan werden.Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang muß leider gesagt werden, es hat einen großen Schock verursacht, daß der maßgebende Mann, der die Landwirtschaft in der Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zu leiten hat, die Leute durch seine wiederholten Aussagen so unsicher gemacht hat, daß jetzt nahezu keiner mehr aus und ein weiß.Auf der COPA-Tagung in Düsseldorf wurde noch davon gesprochen, 80 Kühe seien für einen Bauernbetrieb anzustreben, während man heute offen erklärt, 400 seien die richtige Zahl. Wenn Sie bedenken, daß in meinem Heimatland Baden-Württemberg 90% der Betriebe weniger als 10 ha umfassen, dann können Sie diese Existenzangst begreifen.Der Kabinettschef des Herrn Mansholt, Herr Mozer, hat am 1. März laut Zeitungsberichten — und die Zeitungen berichten sicher die Wahrheit — auf der AVA-Tagung in Wiesbaden, die vom Lande Hessen veranstaltet wurde, gesagt, daß er diese Ausführungen Mansholts durchaus billige. Er gehe sogar noch weiter und sage: keinen Pfennig öffentliche Mittel mehr für etwas anderes als für solche großen Betriebe.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Peters?
Bitte!
Herr Kollege Bauknecht, ist Ihnen entgangen, daß die Äußerungen von Minister Strauß und von Minister Höcherl hier im Saal sich zwar nicht dem Ziel von Herrn Mansholt definitiv angeschlossen haben, aber in der Richtung dieses Zieles liegen?
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8200 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 159. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. März 1968
Herr Peters, ich würde Ihnen empfehlen, mich weiterreden zu lassen. Das kommt noch.
Meine Damen und Herren, was soll man dann sagen? Es gibt solche Leute, die in diesem Hause nicht sonderlich beliebt waren, Wissenschaftler der Agrarpolitik. In nenne hier Professor Priebe. Sie werden sich an ihn erinnern. Dieser Mann schreibt in der „Frankfurter Allgemeinen" in einem Artikel vom letzten Samstag: Man soll sich ja keinen Illusionen hingeben, als ob es möglich wäre, diese Dinge überhaupt zu realisieren — er hat den Namen Mansholt nicht genannt —, wenn ein Arbeitsplatz, der neu erstellt werde, 200 000 bis 300 000 DM an neuen Investitionen erfordere. Das wäre also eine Illusion. Er schreibt wörtlich: „Keine neuen Illusionen", und er warnt davor, weil das völlig unmöglich ist. Aber dann soll man solche Aussagen auch nicht machen.
Der Korrespondent, der diese Dinge berichtet hat, schreibt dann:
Hier wird unbekümmert eine sozialisierte Agrarwirtschaft angestrebt, in der der Familienbetrieb keine Funktion mehr hat und das Eigentum an landwirtschaftlichem Grund und Boden beseitigt werden muß, um zu diesen neuen Strukturen möglichst bald zu kommen.
Ich wäre dankbar, wenn der Herr Bundesernährungsminister in seiner Replik auf das, was heute alles gesagt wird, in diesem Hause mit aller Deutlichkeit erklärte, daß die Bundesregierung von solchen Vorstellungen abrückt. Das wollen wir hören.
Meine Damen und Herren, ich mache auf folgendes aufmerksam. Herr Peters, es gibt Leute, die aus der Rede von Herrn Höcherl vom 14. Februar herauslesen wollen, daß diese wissenschaftlich-volkswirtschaftlichen Überlegungen, leicht in Seidenpapier verpackt, nicht recht erkennen ließen, wohin die Reise geht. Das habe ich des öfteren gelesen. Ich wäre dankbar, wenn Herr Höcherl hier im Namen der Bundesregierung erklären könnte, daß an solche Dinge absolut nicht gedacht ist, und dann gleichzeitig sagen könnte, wie man diesen Leuten helfen kann.
Zur Parallele Kohle bietet sich doch ein Vergleich an. Was wir dort erleben und was dieses Hohe Haus an finanziellen Bewilligungen schlucken muß, ist Ihnen allen bekannt. Wenn man nun sagt, weitere Mittel seien für die Maßnahmen auf dem landwirtschaftlichen Sektor nicht aufzubringen, dann muß ich fragen, wie man es denn bei der Knappschaftsversicherung macht, die jedes Jahr über das erwartete Maß hinaus unendlich viel mehr kostet, im letzten Jahr 238 Millionen DM, in diesem Jahr 400 Millionen DM mehr, als geplant war. Dieses Haus wird es bewilligen. Man kann diese Leute natürlich nicht ihrem Schicksal überlassen. Aber das Schicksal jener Bauern, die nicht mehr ein und aus wissen, deren Betrieb zu klein ist und die nicht in die Industrie abwandern können, denen man nicht zumuten kann, in die Ballungsräume zu gehen, ist
ähnlich. Hier müssen ähnliche Maßnahmen Platz greifen.
Zum Schluß möchte ich noch einen Punkt erwähnen, der mit zu den Ursachen dieser Bauernunruhen gehört. Wann fingen sie an? Sie fingen zu dem Zeitpunkt an, als die Landwirtschaft, die diese Preiseinbußen zum Teil noch gewillt war hinzunehmen, wenn sie gesehen hätte, daß andere Berufsstände gleiche Einbußen hätten hinnehmen müssen, sah, daß man die Gehälter und Löhne in Bund, Ländern und Gemeinden, also bei der öffentlichen Hand, erhöhte. Da ging es los. Der Wirtschaftsminister glaubt ich habe das vorhin angedeutet —, 4 bis 5% Lohnerhöhung seien richtig. Das wird erneut auf die Kosten der Landwirtschaft zurückschlagen. Diese Kreise sind sicher nicht imstande, das innerlich zu verkraften. Dann werden unsere Produktionsmittel aufs neue teurer, und die sogenannte Disparität wird noch größer.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Ravens?
Ja.
Herr Kollege Bauknecht, können Sie mir sagen, wie Sie die weiter steigende landwirtschaftliche Erzeugung verkaufen wollen, wenn nicht an die breiten Kreise der Bevölkerung, wozu man die Massenkaufkraft stärken muß?
Wir haben hier Vorschläge, beispielsweise bei der Milch. Ich habe gesagt, ich werde mich der Ausführungen dazu enthalten, weil Kollege Bauer zu diesen Dingen sprechen wird. Man könnte bei der Milch einen preisgespaltenen Markt einführen und den Landwirten, die 95 % oder 100 % der bisherigen Mengen produzieren, den vollen Richtpreis von Brüssel zukommen lassen, während man die Überschußmengen aus dem Markt nimmt und sie a mit Mitteln des Garantiefonds und b unter einer bestimmten Beteiligung jener, die die Mehrproduktion verursachen, in den Weltmarkt verkauft, genauso wie es bei der Zuckerrübe richtig gemacht wird.Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen auch die Vorschläge für die Schweine sagen. Hier hat man folgende Möglichkeit. Man wird in einem bestimmten Verhältnis zur vorhandenen Hektarzahl jene Produktion von Schweinen, die ein bestimmtes Maß nicht übersteigt, voll an den Markt gelangen lassen — die übrigen auch, ich will keine Beschränkung —, wer mehr erzeugt als das Maß — —
.
— Lieber Schmidt , Ihr Kollege hat mich angesprochen. Er will wissen, was ich für Vorstellungen habe.
Hier haben Sie die Vorstellungen. Bei der Überproduktion von Schweinen zahlt der Betreffende
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 159. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. März 1968 8201
BauknechtFür das mehr produzierte Schwein etwas in eine Interventionskasse, so daß er sich an der Vermarktung der Überschüsse auch beteiligen muß.
Würden Sie eine weitere Zusatzfrage erlauben, Herr Abgeordneter?
Bitte.
Herr Kollege Bauknecht, ich habe das im Zusammenhang mit der von Ihnen so polemisch angesprochenen Lohnerhöhung gemeint. Sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß Sie zur Durchsetzung Ihrer Vorstellungen eine steigende Massenkaufkraft brauchen?
Ganz bestimmt.
Aber wenn zugleich die bessere Verkaufsmöglichkeit dadurch konsumiert wird, daß unsere Produktionsmittel im Preis steigen, dann haben wir keinen Vorteil davon, und die Dinge bleiben wie sie sind.
Meine Damen und Herren, ich kann mich kaum der Vorstellungen jener Industrien erwehren, die ihre Produktion an die Landwirtschaft verkaufen, z. B. Ackerschlepper, Landmaschinen. Der Absatz dieser Erzeugnisse ist im Inland derart rapide gesunken, daß es erschreckend ist. Beispielsweise hat in Stuttgart bei der Württembergischen Landwirtschaftlichen Zentralgenossenschaft der Verkauf an Landmaschinen und Ackerschleppern so abgenommen, daß er in den letzten zweieinhalb Monaten um 70 % niedriger lag als vor Jahresfrist. Ich meine, man sollte die Kaufkraft der deutschen Landwirtschaft auch nicht mißachten. Wenn dieser Kaufkraftschwund bei uns weiter anhält, können wir das nicht vertreten.
Damit will ich schließen. Ich habe darauf hingewiesen, daß Herr Bauer den Antrag, der Teile dessen enthält, was ich eben gesagt habe, im übrigen aber weit darüber hinausgeht, begründen wird. Herr Berberich wird zum sozialen Teil sprechen. Herr Klinker und andere werden noch zu dem Marktstrukturfondsgesetz Stellung nehmen, das wir vorlegen.
Meine Damen und Herren, nehmen Sie die Erscheinungen, die Sie heute bei der Landwirtschaft in der Öffentlichkeit feststellen, ernst! Nehmen Sie sie bitter ernst! Es geht um das Wohl des ganzen Volkes.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Agrarpolitische Debatten pflegen in diesem Hause im allgemeinen eine Angelegenheit der Insider der Agrarpolitik, vielleicht auch noch derjenigen der Finanz-, der Steuer- undder Wirtschaftspolitik zu sein. Es handelt sich normalerweise — so wird es sicherlich auch im Laufe des heutigen Tages wieder sein — um ein Gespräch unter Experten, wo in vielen Fällen aus langjähriger gemeinsamer Befassung mit der Materie in den Ausschüssen der Kollege A das 13. Argument des Kollegen B schon im voraus kennt und der Kollege B das 14. Argument des Kollegen A auch schon im voraus weiß.
Ab und zu taucht ein neues Problem auf, und man muß es neu durchdenken, und dann gibt es auch einmal neue Argumente.Im Augenblick scheint es uns so zu sein, daß das Gewicht des Problems in diesem Jahr wirklich größer geworden ist als in früheren Jahren. Der Kollege Bauknecht sagte eben am Schluß, man sollte dieses Problem ernst nehmen. Daran habe ich nichts zu deuteln. Ich glaube schon, daß die komplexe Problematik der Landwirtschaftspolitik mit allem, was dazugehört, bis zur Agrarfinanzierung im Rahmen der EWG, von uns allen sehr ernst genommen werden sollte.Wenn ich hier aus allgemeinpolitischer Sicht etwas dazu sage, dann eigentlich nur, um zu zeigen, daß es sich nicht nur um eine Sache der Experten handelt, sondern daß wir sie aus allgemeiner politischer Verantwortung ernst nehmen wollen. Ich glaube, die gegenwärtige Situation der Landwirtschaft, sowohl was ihre psychologische Struktur angeht als auch was das Wachsen der Unruhe auf dem Lande angeht, ist eine innenpolitische Herausforderung, der wirtschafts-, Finanz- und agrarpolitisch begegnet werden muß.Es handelt sich ganz gewiß um eine tiefgreifende Veränderung der Struktur. Die Landwirtschaft ist ein wichtiger Teil der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gesamtstruktur. Wir reden in neuerer Zeit in diesem Hause vielfach von Strukturkrisen. Natürlich ist das etwas, was man nicht umgehen kann. Bei der Modernisierung einer Gesellschaft und der Technisierung einer Wirtschaft treten in allen möglichen Bereichen der Volkswirtschaft und in bestimmten geographischen Gebieten strukturelle Krisen ein. Das ist im Grunde etwas Natürliches, weil einige Regionen oder Sektoren nicht im gleichen Tempo mitwachsen wie andere.Wir sind in diesem Hause und in der Bundesregierung ja endlich auch dabei, diesen strukturellen Erscheinungen mehr Aufmerksamkeit zuzuwenden und Instrumente zur Förderung neuer Strukturen, zur Steuerung des Strukturwandels und zur sozialen Absicherung dieses Wandlungsprozesses zu schaffen. Die neue Regierung hat schon ein gewisses Verdienst daran, daß sich dieses strukturpolitische Denken -- auch im Bewußtsein der Öffentlichkeit — insgesamt stärker durchsetzt als bisher. Das fängt bei der Kohle an und hört bei der Landwirtschaft noch lange nicht auf. Ich meine, es gehört zu einer neuen Art von „contrat social", zu einem neuen Verständnis in der allgemeinen Öffenlichkeit für die spezifischen Probleme bestimmter, strukturell be-
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8202 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 159. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. März 1968
Schmidt
sonders gefährdeter oder in einem besonderen Spannungsprozeß befindlicher Gebiete oder Bereiche zu kommen.Ich würde sehr wünschen, daß die heutige Debatte über die Landwirtschaft in einer solchen Form und mit solchen Argumenten geführt wird, daß sie für die Laien, z. B. für die Verbraucher in den Städten, begreifbar bleibt. Das ist eines der schwierigsten Probleme von Expertendebatten in diesem Bundeshaus, daß sie auch draußen nur noch von Experten verstanden werden können, daß sie selbst innerhalb des Hauses nur noch von Experten verstanden werden können; deshalb sind ja dann auch die weiteren Bänke des Hauses nicht besetzt. Es geht also darum, daß sie draußen nicht nur verstanden werden kann von Laien, sondern daß auf diese Weise auch eine Verständnisbereitschaft geweckt wird bei der nichtlandwirtschaftlichen Bevölkerung. Eine Verständnisbereitschaft bei der nichtlandwirtschaftlichen Bevölkerung! Ich befürchte, daß manches, was in den letzten Wochen öffentlich gesagt worden ist, dem nicht unbedingt gedient hat, sondern eher die nichtlandwirtschaftliche Bevölkerung provoziert hat.
Das nutzt niemandem. Die Absicht zur Provokation nützt weder den Studenten bei der Universitätsreform, noch nützt in der Landwirtschaftspolitik die beabsichtigte Provokation letztlich den Bauern. Das ist nur — entschuldigen Sie den Ausdruck, Herr Präsident — Selbstbefriedigung, um seinen Ärger loszuwerden, aber nicht Politik.
Der Ausdruck ist entschuldigt.
Schönen Dank!
In dem Zusammenhang möchte ich gern an die landwirtschaftlichen Verbände, an die Bauernverbände — und Herr Bauknecht, der hier für seine CDU/CSU-Fraktion gesprochen hat, ist ja, wie viele in seiner Fraktion, gleichzeitig Funktionär dieser Verbände —, Herr Bauknecht, also insbesondere an Sie und an Ihre Kollegen in den Verbänden möchte ich den Appell richten, die Notwendigkeit zu sehen, daß die nichtlandwirtschaftliche Bevölkerung verstehen können muß, worum es euch geht; ihr müßt sie nicht provozieren wollen, sondern ihr müßt ihr klar machen, daß es auch in ihrem Interesse liegt, daß die Landwirtschaft gesund wird. Ich appelliere an die Verbände, die psychologisch-politische Lage der Landwirtschaft in der Gesamtheit unseres Volkes nicht durch unrealistische Forderungen noch schwieriger zu machen, als sie ohnehin innenpolitisch schon ist.
Die Landwirtschaft ist in jedem modernen Industriestaat einem schwierigen Anpassungsprozeß unterworfen. Jede der hochentwickelten Volkswirtschaften in Westeuropa hat ihr eigenes agrarpolitisches Problem. Das ist nicht allein in der Bundesrepublik Deutschland so, das ist auch in den osteuropäischen Staaten so. Die Probleme sind überall gekennzeichnet durch schnelle Technisierung, durch die Ersetzung von Arbeit durch Kapital in Form von Maschinen, wobei überall die Landwirtschaft diesen Wechsel von mehr Arbeit früher zu jetzt weniger Arbeit, von weniger Maschinenkapital zu jetzt mehr Maschinenkapital zu wenig selbst finanzieren kann; überall begründet durch historisch gewachsene unzulängliche Betriebsgrößen, die keine optimalen Kostenrelationen erreichen können; und überall gekennzeichnet dadurch, daß in dem größeren Rest der jeweiligen Industriegesellschaft der Lebensstandard schneller steigt als bei den Bauern. Das ist in allen unseren Nachbarländern ähnlich. Auch unsere Bauern müssen sich also darüber klarsein, daß das keine deutsche Besonderheit ist, sondern daß wir alle vor demselben Problem stehen, das überall besonders gelöst werden muß, wobei in unserem deutschen Fall nun allerdings der deutschen Landwirtschaft dadurch besondere Lasten aufgebürdet werden, daß sie quasi Schrittmacher ist bei der Integration innerhalb der europäischen Wirtschaft.
Herr Kollege Schmidt, erlauben Sie eine Zwischenfrage von Herrn Sander?
Aber gern! Vizepräsident Scheel: Bitte, Herr Sander!
Herr Schmidt, ist Ihnen nicht bekannt, daß die Verschuldung in der Landwirtschaft am größten in den sogenannten großbäuerlichen Betrieben ist?
Ich glaube nicht, daß das ein alleiniger Maßstab für die Kostenstruktur ist, Herr Kollege. Ich sprach von der Kostenstruktur. Ich bin sicherlich kein Agrarexperte, aber ich habe einmal Wirtschaftspolitik an einer deutschen Universität studiert.
Wissen Sie, Kollege Bauknecht und andere aus Ihrer Fraktion haben draußen im Lande diese Regierung kritisiert. Ihre Kollegen aus den Verbänden haben Plakate getragen. Da wurden der Kollege Höcherl und auch andere Kollegen als Bauernkiller bezeichnet.
— Herr Präsident, vielleicht können Sie einem der Herren das Wort zur Zwischenfrage geben, damit ich akustisch erkennen kann, was gemeint ist.
— Ach, Sie meinen, ich wollte den Schiller verschweigen?
Nein, nein, das ist aus Versehen gewesen; das ist sozialdemokratische Bescheidenheit.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 159. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. März 1968 8203
Schmidt
Das wissen Sie doch, daß wir im Grunde Anlaß haben und auch große Chancen, mit dem Schiller draußen im Lande anzugeben, meine Damen und Herren.
- Nein, die Bauern werden das schon wissen, werder Landwirtschaftsminister ist und wer für die Konjunktur verantwortlich ist. Ich nehme an, daß sie das unterscheiden können.
Der Landwirtschaftsminister ist in meinen Augen für die Landwirtschaftspolitik auch nicht allein verantwortlich, sondern es geht um die Verantwortlichkeit des Gesamtkabinetts. Da spielt der Finanzminister mit, da spielt der Wirtschaftsminister mit, und da spielt der Bundeskanzler mit; er hat ja hier auch schon zur Landwirtschaftspolitik gesprochen — vor ein paar Wochen.
— Wie bitte?
— Ich höre, daß der Kollege Unertl mir zuruft, auch die früheren Regierungen spielten mit. Das wollte ich gerade sagen. Da liegt nämlich die Hauptschuld, Kollege Unertl!
Daran kann doch kein Zweifel sein, daß hier jahrelang eine kurzsichtige, auf kurzfristige Ziele gerichtete Interessentenpolitik für deutsche Volkswirtschaftspolitik gemacht worden ist; daran kann kein Zweifel sein.
— Das war nicht zu dick, lieber Herr Struve. Hören Sie mal, jetzt will ich mal außerhalb des Konzepts hier etwas sagen. Ich weiß gar nicht, ob meine agrarpolitischen Experten ganz froh sind über das, was ich jetzt auf meine Kappe nehme: Sie sind aus Schleswig-Holstein, und zwar aus der Rendsburger Gegend, Herr Struve. Ich habe in Ihrem Landkreis Rendsburg ein kleines Wochenendhaus.
— Habt ihr was dagegen?
Wenn ich von meinem Wochenendhäuschen aus spazierengehe — wie oft in den letzten Jahren —, dann treffe ich als Ergebnis dessen, was ich eben kritisiert habe, auf eine große Zahl von landwirtschaftlichen Wegen, voll ausgebaut mit Asphalt drauf, die zweimal im Jahr benutzt werden: einmal zu Pfingsten, wenn die Kühe heraufgetrieben werden, und einmal im Herbst, wenn sie wieder herunterkommen.
— Also, daß pfui gerufen wird, kann ich nicht ver-stehen. Ihr müßt doch auch noch in der Lage sein, Tatsachen anzuhören. Ihr braucht sie nicht anzuerkennen, aber anhören müßte ihr das schon. Es gibt gar keinen Zweifel für mich, daß viele Mittel des Grünen Plans in sehr vernünftige Zwecke gesteckt worden sind und daß manches eben auch nicht in vernünftige Zwecke gesteckt worden ist.
Und jemand, der ehrlich ist als Landwirtschaftspolitiker, kann dem nicht widersprechen, sondern er muß genau wie ich danach streben, daß das Geld von den heute nicht mehr so wichtigen Zwecken in die Zwecke umgeleitet wird, die die Erleichterung des Strukturwandels betreffen.
Aber ich wollte gar nicht polemisieren.
Herr Kollege, es hatte sich unsere Kollegin Frau Griesinger gemeldet. Aber ich sehe, daß sie in der Zwischenzeit verzichtet hat.
Aber Herr Schultz möchte eine Zwischenfrage stellen. Sind Sie einverstanden?
Aber gern.
Schultz (FDP) : Herr Kollege Schmidt, führt vielleicht glücklicherweise ein solcher betonierter Weg, wo nur die Kühe getrieben werden, an Ihrem Wochenendhäuschen vorbei, und haben Sie daran nicht ein bißchen Freude gehabt?
Herr Kollege Schultz, wenn das so wäre, hätte ich mich ja nicht getraut, so etwas zu sagen. Mein Weg ist im Herbst, im Winter und im Frühjahr immer noch im Schlamm. — Nein, nehmen Sie das mit dem Weg so, wie es gemeint war: als ein Beispiel dafür, daß wir anfangen müssen — nun wirklich endlich anfangen müssen —, einen Teil der Ausgaben im Grünen Plan zu verlagern auf Ausgaben und auf Aufgaben, die mit der Strukturveränderung der Landwirtschaft zu modernen Strukturen hin zu tun haben und nicht mit der Konservierung alter Strukturen.Das sagt ja auch Herr Höcherl. Ich habe gar nicht das Gefühl, daß ich mit einem einzigen Satz etwas gesagt hätte, was Herr Höcherl nicht für richtig halten könnte. Herr Höcherl muß sich nur fragen lassen, ob das, was er sagt — was er auch im vorigen Jahr schon gesagt hat —, nun auch endlich gemacht wird. Das ist die Frage, die wir zu stellen haben. Das, was Herr Höcherl als Landwirtschaftsminister vorträgt, haben wir vom Grunde her nicht zu kritisieren, Wir haben aber die Frage zu stellen, ob es denn nun auch in die Wirklichkeit umgesetzt wird. Und da haben wir das Gefühl, daß Herrn Höcherl bei dem Umsetzen in die Wirklichkeit nicht unbedingt von allen seinen Parteifreunden geholfen wird.
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8204 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 159. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. März 1968
Schmidt
Es ist der Landwirtschaft übrigens auch nicht dadurch zu helfen, das will ich noch einmal mit aller Deutlichkeit sagen, wenn sich hier aus allen Fraktionen Kollegen finden, die die Landwirtschaft loben. Sie ist zu loben, sicher. Die Bauern sind bestimmt nicht weniger fleißig als irgend jemand sonst in Deutschland. Das ist alles richtig. Aber ich weiß nicht, wem es nützt, wenn hier die alten Sprüche wieder vorgetragen werden von dem Dank an die Bäuerinnen, von dem prachtvollen Menschenschlag. Das ist alles richtig. Aber das ist noch keine Agrarpolitik, meine Damen und Herren.
Es ist keine Agrarpolitik, genausowenig, wie es Verkehrspolitik wäre, dem Fernverkehr nach dem Munde zu reden und auf diese Weise Stimmung gegen den Verkehrsminister zu machen. Die Gefahr liegt auf allen Gebieten nahe. Das gilt nicht nur für die eine Seite des Parlaments, das gilt auch für die andere Seite des Parlaments. — Ja, ich sehe, Herr Präsident, lauter Zwischenfrager; sie wollen mich nun doch zum Agrarexperten machen.
Würden Sie weitere Zwischenfragen erlauben, Herr Kollege?
Bitte sehr!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege, darf ich Sie fragen, wer Ihrer Ansicht nach die
Äußerung getan hat von dem Dank an die bäuerliche Familie usw.?
Ich kann mich nicht genau daran erinnern, wer es war.
Aber daß ich es in diesem Hause gehört habe, bin ich bereit zu beschwören. Wer es gesagt hat, ist mir egal. Das ist keine Politik, sage ich Ihnen. Aber wenn es, wie ich jetzt erkenne, ein Kollege von der FDP gewesen ist, um so schlimmer.
— Nein?
— Der Bundeskanzler war es? — Tut mir leid! Ich habe das nicht gewußt. Aber es schadet nichts. Ich bin trotzdem der Meinung: Das ist keine Agrarpolitik.
Ich hatte diesen Satz bloß noch im Ohr. Mir war nicht in Erinnerung, wer ihn gesprochen hat. Aber zu meiner Kritik an dem Satz werde ich doch noch stehen, auch wenn es der Bundeskanzler ist, meine Damen und Herren.
Würden Sie eine Zwischenfrage von Herrn Ertl erlauben?
Bitte sehr!
Ertl FDP) : Herr Kollege Schmidt, darf ich Ihren letzten Ausführungen entnehmen, daß Sie den Bundeskanzler nicht als Sprüchemacher bezeichnen wollten?
Ich habe das Wort „Sprüchemacher", glaube ich, nicht gebraucht. Das kam mehr aus Ihren Reihen. Da gehört es auch hin, meine Herren von der FDP.
Ich möchte gern auf einen Punkt zurückkommen, den der Kollege Bauknecht in Form einer Zwischenfrage oder eines Frage-und-Antwort-Spiels zur linken Seite des Hauses hin behandelt hat. Sie haben, wenn ich es richtig verstanden habe, Herr Bauknecht, die Zwischenfrage des Kollegen Ravens bejaht, der Sie fragt, ob Sie nicht auch der Meinung seien, daß das Stagnieren der Massenkaufkraft unmittelbar auf die Absatzentwicklung der Landwirtschaft durchschlüge. Sie haben gesagt, jawohl, der Meinung seien Sie auch. Das möchte ich nochmals deutlich unterstreichen, weil dieses Beispiel, die Frage und Ihre positive Antwort, doch etwas zeigt, was sowohl wir in den Städten als auch die Bauern draußen begreifen müssen, nämlich daß wir im Grunde im selben Boot sitzen, daß wir nicht einen Klassenkampf führen können: Bauern gegen Städter oder Städter gegen die Landwirtschaft.
Im letzten Jahr, 1967, hat die wirtschaftliche Entwicklung der Gesamtgesellschaft, glaube ich, deutlicher gemacht als in den früheren Jahren, wer alles im selben Boot sitzt: Arbeitnehmer gemeinsam mit Unternehmern, Rentner gemeinsam mit aktiven Arbeitnehmern, Bergarbeiter gemeinsam mit den übrigen Arbeitnehmern der Wirtschaft, und Bauern im selben Boot wie die Arbeitnehmer, die nämlich das Schweinefleisch, die Eier und die Milch kaufen sollen. Es wäre auch ganz gut, wenn manche der Protestreden, die jetzt draußen im Lande gehalten werden — für die ich Verständnis habe —, durchscheinen lassen würden, daß jeder von denen, die protestieren, weiß, daß wir im selben Boot sitzen.Durch dieses neue Verständnis des Miteinanderverflochtenseins und Voneinanderabhängigseins ist ja auch das Verständnis der finanziellen Begrenztheit dessen, was der Staat machen kann, gefördert worden, wenn auch manche das noch nicht ganz verstanden haben. Man kann heute in der Agrarpolitik vielleicht sogar — das sage ich als Außenstehender — von einem eigenen „magischen Dreieck" sprechen, das die Agrarpolitik beherrscht: Erzeugereinkommen, Verbraucherausgaben, Belastung der öffentlichen Haushalte. Alles drei gehört zusammen; und damit haben Sie den Wirtschaftsminister, was die Verbraucher angeht, Sie haben den Finanzminister, was die Belastung der öffentlichen
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 159. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. März 1968 8205
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Haushalte angeht, und Sie haben den Landwirtschaftsminister. Alle drei gehören hier zusammen und müssen zusammenwirken. Ich meine, das muß draußen auch in der Landwirtschaft erkannt werden, wenn doch die Landwirtschaft um das ehrliche Verständnis und um die Hilfsbereitschaft aller Kreise in unserem Volk und um die Hilfsbereitschaft auch der politischen Parteien werben will.Wir, die politischen Parteien dieses Parlaments, müssen uns — nicht nur als Experten, sondern durchaus auch aus allgemeiner politischer Verantwortung — mit der Strukturkrise der Landwirtschaft und mit der politischen Unruhe, die infolgedessen dort entstanden ist, beschäftigen und auseinandersetzen, und wir dürfen die Bauern nicht radikalen Rattenfängern überlassen.Auf der anderen Seite hoffen wir sehr, daß auch alle die, die durch ihre politische Autorität oder durch die Kraft ihres Arguments Einfluß innerhalb des landwirtschaftlichen Bereichs haben, dafür sorgen, daß nicht das Feld für radikale Rattenfängerei bereitet wird. Jeder, der in der Landwirtschaft Bescheid weiß, weiß auch, an welchen Präsidenten ich bei diesen Worten denke.
Ich will nicht mit diesem Wort schließen, weil es ein bißchen böse klingen könnte, aber ich meine, Herr Kollege, daß dieses Wort auch einmal gesagt werden mußte. Wir möchten nicht in die Lage kommen, daß wir demnächst von dieser und jener und der dritten und der vierten Gruppe aus unserer Gesellschaft mit solchen Reden unter den Daumen genommen werden sollen. Ich habe versucht zu zeigen, daß man aus allgemein politischer Verantwortung sehr viel Verständnis für die Probleme der Landwirtschaft haben muß, daß man auch von der allgemeinen politischen Verantwortung her sie zu lösen bereit sein muß. Aber die Bereitschaft wird größer sein, wenn sie nicht durch Provokationen erzwungen werden soll.Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Landwirtschaft.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben das seltene Erlebnis gehabt, Herr Kollege Schmidt, daß die hohe Fraktionsführung vom hohen Olymp herabsteigt und sich als Externer einmal an dieser Diskussion über Landwirtschaftspolitik — bisher eine Insider-Diskussion — beteiligt. Ich bin Ihnen dafür sehr dankbar, und ich glaube, es ist ein Vorteil, den wir der Großen Koalition zu verdanken haben, daß die SPD-Fraktion uns in diesen schwierigen Fragen nicht mehr ganz so allein läßt. Wenn sie nicht ganz so mitziehen kann — es sind die ersten Gehversuche —,
aber immerhin: daß das von so prominenter Seite und in einer so sachverständigen Form geschieht, möchte ich dankbar vermerken.Ich darf mich etwas mit Ihren Gedanken befassen und dann gleich auf die Anmerkungen des Herrn Kollegen Bauknecht eingehen. Die Rednerliste ist nämlich so umfangreich, daß eine gewisse Auflockerung notwendig ist, damit die Dinge in dem Zusammenhang bleiben, in den sie gehören.Sie haben völlig recht, Herr Kollege Schmidt: es gibt keine landwirtschaftliche Frage allein, es gibt keine isolierte Landwirtschaft, sondern die Landwirtschaft steht in einem sehr engen Zusammenhang mit dem Bereich, der ihr die Betriebsmittel für ihre eigene Produktion liefert, sie ist der große Rohstofflieferant für die Verarbeitung, sie hat einen ganz wesentlichen Beitrag für den Verbraucher zu liefern, sie stellt einen wirtschaftlichen Faktor dar, der mit einem Umsatz von 30 Milliarden DM schwer ins Gewicht fällt, und sie ist einer der größten Gruppenkäufer. Das ist auch sichtbar geworden, als zum erstenmal ihre Kaufkraft beträchtlich nachgelassen hat und sie im letzten Jahr die Investitionen um 15% kürzen mußte. Wir haben auch heute noch keine Zahlen, die in diesem Bereich nach oben deuten würden.Sie haben wohl auch darin recht, daß der Kern dieser Unruhe und dieser Vorgänge im tiefsten eine Existenzangst beinhaltet, eine Existenzangst, die sich keineswegs auf den landwirtschaftlichen Bereich beschränkt, sondern genauso den Mittelstand ergriffen hat und genauso den Arbeitnehmer, der z. B. gerade in den letzten Tagen und Wochen im Rahmen der Automationsdiskussion seine Unruhe zum Ausdruck gebracht hat über die Sicherheit seines Arbeitsplatzes im Zuge der Entwicklung, die wir wollen, für die wir aber gleichzeitig einstehen müssen, um die Übergänge behutsam zu gestalten.Sie haben von einem neuen Contrat social gesprochen. Ich glaube, man sollte es dahin formulieren, daß unsere moderne Wirtschaft mit ihrer extremen Arbeitsteilung und damit der Möglichkeit, eine viel bessere Versorgung zu erreichen, noch nicht alle Bereiche, auch die Landwirtschaft, erreicht hat, daß es heute keine Sicherheit mehr in dem Besitz von Produktionsmitteln, keine Sicherheit mehr in der Produktion selbst gibt, sondern daß diese Sicherheit von allen Elementen, die zusammenwirken müssen, gestaltet wird und daß deswegen auch der Anspruch auf eine soziale Sicherheit, die wir bisher nur auf einen gewissen Bereich und auf gewisse Personengruppen beschränkt haben, heute ein Anspruch ist, der mit Recht durchaus auch von Selbständigen erhoben wird. Wir haben im Handwerk einen solchen Vorgang, wir haben in dem landwirtschaftlichen Bereich einen Anfang dazu.Natürlich muß die Landwirtschaftspolitik, wenn sie bestehen will und wenn sie von den 90 % der Bevölkerung, die nicht in diesem Beruf tätig sind, verstanden, gebilligt und unterstützt werden soll — und darauf ist sie angewiesen —, auch auf den Verbraucher Rücksicht nehmen. Aber ich bin der Meinung, daß wir selbst als sogenanntes Hoch-
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Bundesminister Höcherlpreisland in den Erzeugerpreisen eine Rücksicht auf den Verbraucher genommen haben wie kein anderes EWG-Land.
Das ist eine Tatsache, die zu wenig bekannt ist. Wir haben zum Teil heute noch die niedrigsten Erzeugerpreise und die niedrigsten Verbraucherpreise. Nehmen Sie im Vergleich dazu die französische Situation! Ich glaube, daß hier die deutschen Landwirtschaft ein gutes Gewissen hat.Was nun die Frage betrifft, Herr Kollege Schmidt, daß lange Jahre hindurch eine kurzfristige Funktionärspolitik getrieben worden sei, so möchte ich nicht in diesen Versuch einstimmen, alles, was vor der Großen Koalition war, in die heidnische Zeit zu verweisen und das wirkliche politische Christentum jetzt mit der Großen Koalition beginnen zu lassen.
So war es nun nicht. Ich glaube, der Notwendigkeit der Großen Koalition und den großen Aufgaben, die ihr zugewiesen sind, tut man keinen Abbruch, wenn man die Werte und die Leistungen der Vergangenheit durchaus zu wahren und anzuerkennen weiß. Wir alle stehen auf den Schultern der Vergangenheit, wir haben sie mitgestaltet, und auch Sie haben sie als Opposition mitgestaltet. Die Opposition ist ein ganz wesentliches konstruktives Element, wenn sie konstruktiv geführt wird. Und es ist nicht möglich, Herr Kollege Schmidt, das Zukunftsmodell in die Gegenwart hineinzuziehen und perfektionistisch zu versuchen, alles so zu gestalten, wie es einmal in zwanzig Jahren sein wird. Uns fehlt die Vorausschau, uns fehlen die Möglichkeiten dazu. Wir alle leben vom Provisorium, wir alle leben vom Kompromiß des Tages, und wir müssen den Tagesnotwendigkeiten im Blick auf die Zukunft gerecht werden. Das ist in der großen Industrie nicht anders. Wenn Sie allein die Wachstumsindustrien, ihre Investitionspolitik und die Irrtümer dieser Investitionspolitik nehmen und wenn Sie damit vergleichen, mit welchen Voraussetzungen die Landwirtschaft in einem solchen Wettbewerb angetreten ist, dann möchte ich sogar meinen, daß sie reichlich gut abschneidet und daß sie keinen Vorwurf verdient. Aber Sie haben es ja auch nicht als Vorwurf in diesem Sinne gemeint.Die Massenkaufkraft ist zweifellos die entscheidende Macht, die die nächsten und die kommenden Möglichkeiten bestimmen wird. Deswegen gehören die Bemühungen der Bundesregierung in allererster Linie der Wiederherstellung der Massenkaufkraft, von deren Gestaltung es abhängen wird, ob die strukturellen und die Preismaßnahmen, die wir als unerläßlich betrachten, sich halten können und ob sie von der allgemeinen Entwicklung bestätigt werden. Das zu Ihren Ausführungen.Nun einige kurze Bemerkungen zu dem Diskussionsbeitrag des Herrn Kollegen Bauknecht. Herr Kollege Bauknecht, Sie haben auf die Demonstrationen hingewiesen und mit Recht herausgestellt, daß sich diese Demonstrationen — es sind bisher 38 gewesen, soweit wir das gezählt haben — in einervorbildlichen Disziplin und Ordnung abgespielt haben. Bei uns hat jeder das Recht zur freien Meinungsäußerung und auch das Recht, diese freie Meinungsäußerung in Form von Demonstrationen zu praktizieren. Was ich als ganz besonders wertvoll und konstruktiv herausstellen möchte, ist, daß den Versuchen radikaler Elemente, sich dieser Meinungsäußerung zu bedienen, energisch Widerstand geleistet wurde und daß die Embleme dieser radikalen Gruppen von den demonstrierenden Landwirten zerstört wurden. Ich glaube, das sollte man festhalten,
damit andere Demonstrationen, die sich nicht an Gesetz und Ordnung gehalten haben und zeitlich und räumlich vielleicht mit den Demonstrationen der Bauern in einem gewissen Zusammenhang stehen, nicht kausal und nicht in ihrem Ablauf und nicht in den Urteilen — der Versuch war gelegentlich festzustellen — mit diesen Demonstrationen auf einen Nenner gebracht werden. Die deutsche Landwirtschaft äußert sich bei solchen Demonstrationen nicht gerade zimperlich. Ich hatte ja Gelegenheit, solche Dinge mitzuerleben. Ich kenne auch die Plakate. Man kann nicht verlangen, daß eine Masse, die sich demonstrativ versammelt, alles auf die Goldwaage legt. Man muß auch für ernste Ursachen Verständnis haben. Es wäre falsch, die Ursachen dieser Demonstrationen nicht sehen zu wollen. Auf diese kommt es an. Wenn ich mir die Resolutionen ansehe, die Forderungen betrachte und wenn ich sie dann vergleiche, so muß ich sagen, daß sie ernste Anliegen darstellen, Anliegen, denen unsere Aufmerksamkeit gehört. Aber ich darf noch einmal Ihre Feststellung bestätigen und sogar bekräftigen, daß bisher eine erfreuliche Disziplin bewahrt und auch sehr viel Verantwortungsgefühl gezeigt wurde. Nur ausnahmsweise wurde mehr gesagt das läßt sich bei solchen Veranstaltungen nicht vermeiden —, als vielleicht absolut notwendig war.Herr Bauknecht, Sie haben die Vorverlegung der Integration besonders herausgestellt. Ich kann da Ihren Ausführungen nicht folgen; denn ich bin der Meinung, daß es kein Schaden für die Landwirtschaft ist, daß wir die Integration vorverlegt haben, sondern daß letzten Endes, wenn diese Vorverlegung zu dem führt, was wir haben wollen, nämlich zu einer schnelleren Integration, etwas erreicht wird, was vielleicht in der Übergangszeit Beschwerden macht — und dafür müssen wir Abhilfe schaffen —, was uns aber dem endgültigen Ziel, nämlich den großen Markt mit 180 Millionen Menschen als große Massenkaufkraft aufzubauen, näherbringt. Dieses Ziel ist für die deutsche Landwirtschaft das absolut Entscheidende. Es gibt keine nationale Hilfe und keine Strukturpolitik und keine Preispolitik, die das ersetzen könnte, was ein geschlossener Markt mit 180 Millionen Menschen zu erreichen in der Lage ist.
Das sind keine Prognosen, das ist nicht irgendeine Konstruktion, sondern das sind nichts anderes als Hochrechnungen der bisherigen Verdichtungsergebnisse, die wir in den zehnjährigen Bemühungen be-
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Bundesminister Höcherlreits verzeichnen können. Es gibt keine Wirtschaftsregion der Welt, in der in diesen letzten zehn Jahren eine so intensive Verstärkung eingetreten wäre, wie in der Region, mit der wir es hier zu tun haben. Die sechs Länder bauen die künstlichen Hindernisse zusehends ab und wollen sie bis zum 1. Juli vollständig beseitigen. Was hier an Verstärkung des . gegenseitigen Austausches und an Zunahme der Kaufkraft geschehen ist, halte ich für entscheidend.Ich darf einen Punkt herausgreifen, weil er oft sehr mißverständlich behandelt wird. Der italienische Markt ist für die deutsche Landwirtschaft der interessanteste Markt der Gemeinschaft.
Dieser italienische Markt hat, wenn Sie das Volkseinkommen pro Kopf auf den Durchschnitt der Gemeinschaft beziehen, noch viel Entwicklungsmöglichkeiten. Er allein hat uns in diesem Jahr beim Rindermarkt mit Exporten, die in die Hunderttausende gehen, eine Entlastung gewährt, ohne die wahrscheinlich der Rinderpreis sehr in Mitleidenschaft gezogen worden wäre. Man soll sich deswegen nicht an einigen Dingen festklammern, die diesen freien Fluß vielleicht da und dort einmal beeinträchtigt haben, die wir auch nicht wünschen. Aber an dem großen Ergebnis und an dem Faktor, daß wir hier Möglichkeiten haben, uns an diesem Markt mit der Gemeinschaftspräferenz zu erholen, darf niemand vorbeigehen. Das ist für den Milchmarkt und für den Fleischmarkt interessant. Wenn i die italienische Kaufkraft einmal das Durchschnittsmaß der europäischen Kaufkraft erreicht hat, könnte ich mir vorstellen, daß viele Sorgen, die wir heute haben, vor allem bei Entwicklungsmöglichkeiten in der Produktion, von uns genommen werden. Deswegen stimme ich nicht mit Ihnen überein, wenn Sie sagen, daß es vielleicht nicht ganz zweckmäßig war, die Verkürzung anzustreben.Etwas anderes ist es — und das haben Sie, glaube ich, gemeint —, daß der Ausgleich für die Verkürzung nicht in der notwendigen Form erfolgt ist.
Ich darf Ihnen ganz offen folgendes sagen. Wir haben in den letzten vier Jahren einen Ausgleich von 770 Millionen DM pro Jahr durchgeführt, und zwar in vier Jahren, deren letzte zwei Jahre uns finanzpolitisch weiß Gott in einer Klemme gesehen haben. Es sind bisher zweimal 260 und jetzt dreimal 260 Millionen DM nicht ausbezahlt worden. Ich sage Ihnen ganz offen: ich bedaure sehr, daß es notwendig war, zu diesen Kürzungen zu schreiten. Einen gewissen Ausgleich sehe ich schon in dem, was heute der Haushaltsausschuß beschlossen hat und was auf unseren Kollegen Struve zurückgeht, nämlich die 200 Millionen DM zusätzlich zu diesem Haushalt bereitzustellen. Das scheint mir schon eine Art Wiedergutmachung in dieser Richtung zu sein. Ich sage Ihnen auch ganz offen, ich werde das Kabinett bitten, diese dreimal 260 Millionen DM in einem geeigneten Zeitpunkt und in geeigneter Form, wenn wir wieder in der Lage sind, nachzureichen.
Ich weiß nämlich aus der Entstehungsgeschichte dieses EWG-Anpassungsgesetzes — ich war daran als Innenminister beteiligt —, daß es ein feierliches Versprechen war, ein Versprechen, das nicht nur die übliche Gesetzesform bekommen hat, sondern ein Versprechen, das einen hochpolitischen Inhalt hatte. Damals wurde eine ganz neue Richtung, eine Weichenstellung in der europäischen Politik eingeschlagen. Das war der Grund. Und weil hier ein wichtiger Abschnitt in unserer Geschichte eingeleitet worden ist, bin ich der Auffassung, wir müssen diese viermal 260 Millionen DM zu einer gegebenen Zeit, in einer erreichbaren Zeit und in der richtigen Form nachreichen, und zwar in einer Form mit einer Dauerwirkung, vielleicht auf dem Kreditsektor, da wir das ja bisher institutionell noch nicht so lösen konnten, wie wir das eigentlich wollen. Wir sind immer wieder auf Haushaltsbewilligungen angewiesen. Vielleicht wäre das eine Möglichkeit, hier eine Kombination zu finden. Man muß sich aber darüber im klaren sein, daß dieses feierliche Versprechen in einer Art und Weise honoriert werden muß, die uns finanzpolitisch nicht in Verlegenheit bringt, die aber auch niemandem Gelegenheit gibt, vom gebrochenen Wort zu reden. Das ist meine Auffassung. Ich brauche dazu natürlich die Zustimmung der Bundesregierung, um die ich bitten werde, noch mehr aber die Zustimmung des Hohen Hauses, das mich in die Lage versetzen muß. Ich darf um Ihre Hilfe bitten. Der Antrag Struve, der heute vom Haushaltsausschuß bewilligt worden ist, ist einer der ersten Schritte. Ich bin Ihnen sehr dankbar; Sie haben, mein sehr verehrter Herr Kollege Struve, mit diesem Antrag zum richtigen Zeitpunkt der großen Reihe Ihrer agrarpolitischen Verdienste einen neuen Punkt dazugesetzt, und das soll das Hohe Haus wissen.
Herr Kollege Bauknecht, Sie haben ein heikles Thema angesprochen, nämlich die Frage der bäuerlichen Veredelungspolitik. Wir alle kennen den Antrag, der zu diesem Punkte dem Hohen Hause vorliegt, der aber bisher an der Barriere unserer Verfassungsbestimmungen gescheitert ist. Sie werden sich erinnern, daß wir schon vor Jahren, noch bevor ich die Ehre hatte, dieses nicht ganz einfache Amt in Ihrem Auftrag zu betreuen, darüber gesprochen haben und daß ich schon damals meine rechtlichen Bedenken geltend machen mußte. Die Wirklichkeit hat gezeigt, daß wir Art. 12 GG in dieser Form wahrscheinlich nicht überwinden werden. Wenn Sie aber meine Einführungsrede genau gelesen haben, werden Sie dort Ausführungen gefunden haben, die zum erstenmal auch zu diesem Punkt ganz positiv Stellung nehmen. Ich bin nämlich der Meinung, man muß hier zunächst den Verbraucher ansprechen. Der Verbraucher hat nämlich den Verdacht, daß er über Einschränkungen der Veredelungswirtschaft, über die Beschränkung auf den bäuerlichen Bereich benachteiligt werden, daß eine Art bäuerliches Kartell zu seinen Ungunsten geschlossen werden soll.Dieser Verdacht ist leicht auszuräumen, weil es ganz einwandfreie betriebswirtschaftliche Zahlen gibt, die besagen, daß für jeden Veredelungsbereich
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Bundesminister Höcherlein gewisses Optimum existiert. Auf die Arbeitskraft bezogen, steht fest, daß auch größere Populationen, also Intensivhaltungen mit Tausenden und aber Tausenden von Tieren, nicht in der Lage sind, ein billigeres Angebot für den Verbraucher oder ein qualitativ besseres Angebot zu erzeugen. Das ist das eine.Das Zweite ist — und das darf ich wiederholen —: es gibt seuchenpolizeiliche Erfahrungen, die uns vorsichtig machen müssen. Wir haben bittere Erfahrungen bis hinein in die jüngste Zeit gemacht. Das sieht alles so großartig aus, das begeistert unseren Sinn, der sich in bemerkenswerter Vergeßlichkeit des qualitativen Elements allzusehr am Gigantischen, an den großen Zahlen orientiert. Die Größe, meine Damen und Herren, ist aber für sich ganz und gar keine Qualität, auch wirtschaftlich nicht. Natürlich gibt es Produktionsbereiche, die nur im großen absolviert werden können, die eine Kapitalkraft voraussetzen, die in sehr hohe Bereiche hineinreicht. Aber in der Intensivhaltung von Tieren und auch im Bereich der getreideabhängigen Veredelung gibt es einfache, überzeugende und betriebswirtschaftlich absolut gesicherte Grenzen. Aus veterinärpolizeilichen Gründen müssen wir hier eine Prophylaxe einbauen, um keine größeren gesundheitlichen Gefahren auszulösen.Ich darf einmal an die Schweinemisere in Italien erinnern, die gerade im letzten Jahr durch das Auftreten eines einzigen kleinen, unsichtbaren Virus, nämlich des Erregers der afrikanischen Schweinepest, einen Schaden von 600 Millionen DM ausgelöst hat. Bei unseren Produktionszahlen könnte ein solcher Schaden in die Milliarden gehen. Das ist ebenfalls ein Gesichtspunkt, der berücksichtigt werden muß.Schließlich und endlich müsen wir wissen, daß wir ja die Gemeinschaft zu Leistungen aufrufen müßten, wenn wir einen klassischen, einen geborenen Betriebszweig dem dafür geschaffenen und vorhandenen Berufsstand entzögen und vielleicht Wirtschaftsbereichen überließen, die unter Umständen versuchten, Gewinne mit Verlust aus diesem Betriebszweig auszugleichen. Der Versuch, hier steuerlich und steuerpolitisch eine Grenze zu ziehen, so möchte ich einmal sagen, ist leider gescheitert. Die Gesetzeslage erlaubt es nicht. Es gibt aber eine Instanz, die eine vernünftige, dem Verbraucher wohlwollende und für die Landwirtschaft erträgliche Lösung möglich macht; das ist die EWG, die diese rechtlichen Bindungen in dieser Form nicht hat. Wir haben uns hier sehr intensiv bemüht.Ich glaube aber, es ist zum Vorteil für die Landwirtschaft, eine solche Frage vom Verbraucherstandpunkt aus zu betrachten und für den Verbraucher den Nachweis zu erbringen, daß für ihn kein Schaden und keine Benachteiligung eintreten wird. Das ist der Weg. Ich bin überhaupt der Auffassung, daß Landwirtschaftspolitik das wohlverstandene Interesse des Verbrauchers, vor allem seiner ärmeren und seiner weniger leistungsfähigen Schichten, berücksichtigen muß, wenn sie Erfolg haben will. Das ist meine Auffassung zu diesen Dingen.
Sie haben, Herr Kollege Bauknecht, naturgemäß — und das hat seine besonderen Gründe — das Thema Obst und Gemüse angeschnitten. Ich glaube, das Thema Gemüse brauchen wir nicht zu erwähnen. Aber das Thema Obst können wir auf das Thema Apfel konzentrieren. Dann haben wir das herausgeholt, was Ihnen zum Thema Obst so sehr am Herzen liegt. Ich will Ihnen etwas sagen, Herr Kollege Bauknecht. Wir haben mit den Italienern, unseren italienischen Freunden schon sehr gute, auch agrarpolitische Kompromisse möglich gemacht. Der Herr Kollege Sander, der hier einmal ein so großes Wehklagen über den Zuckerrübenpreis und die Sorgen, daß der Zuckerrübenerzeuger innerhalb der EWG benachteiligt werden könnte, angestimmt hat, weiß jetzt ganz genau, daß es der deutsch-italienischen Kooperation zu verdanken ist, daß wir ihm diese Sorge vom Herzen nehmen konnten. Wir haben zwar keinen Dank bei Ihnen gefunden; das verlangen wir auch nicht von der Opposition.
Aber auch hier ist es so, Herr Kollege Bauknecht, Italien und jene Apfelsorgen hängen nicht zusammen, wie Sie wissen. Hier waren es die besonderen Ernteverhältnisse dieses Jahres, die wir nicht auffangen konnten, selbst wenn wir interveniert und die Mittel dazu gehabt hätten.
Herr Bundesminister, würden Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schultz erlauben?
Bitte sehr!
Schultz (FDP) : Herr Bundesminister, glauben Sie, daß Sie Ihre Ausführungen noch vor Redaktionsschluß beenden können, damit die anderen im Bundestag vertretenen Parteien vielleicht auch noch zu Wort kommen?
Höcherl, Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Herr Kollege Schultz, ich danke Ihnen sehr. Selbstverständlich muß man die Opposition zu Wort kommen lassen. Das gehört zum politischen Stil, zu der Fairneß, mit der wir auch von der Opposition behandelt werden. Ich werde mich sehr beeilen. Ich nehme Rücksicht darauf. Ich erinnere mich zwar nicht an Fälle, in denen das von Ihrer Seite geschehen wäre. Aber das soll uns nicht hindern, ganz loyal zu sein.
Ich darf meine Ausführungen unterbrechen und die Opposition bitten, hier sofort mit ihren konstruktiven Vorschlägen aufzuwarten.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Logemann.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister, zunächst möchte ich monieren, daß Sie heute in der Tat einen neuen Stil in diese Debatte hineingebracht haben. Sie haben erstmalig gleich einem Sprecher Ihrer Koalition geantwortet. Das ist neu. Darin sehe ich eine Benachteiligung der Opposition.
Ich möchte dabei gleich auf eine zweite Benachteiligung der Opposition hinweisen. Es war früher in diesem Hohen Hause üblich, daß bei Agrardebatten der Sprecher der Opposition regelmäßig zuerst das Wort bekam.
— Doch, Herr Kollege Dr. Schmidt, Sie haben eigentlich immer bei den Agrardebatten zuerst gesprochen.
Auch dieser Stil ist jetzt insofern geändert, als wir heute schon an die vierte Stelle gerückt sind.
Herr Minister Höcherl, damit komme ich gleich zu Ihren Aussagen. Sie haben soeben versucht, schon wieder mit sehr viel Zahlen zu jonglieren. Ich kenne ja Ihre Art. Wir werden noch im einzelnen auf Ihr Zahlenspiel zurückkommen.
Ich will hier gleich mit einem Widerspruch beginnen. Sie haben gemeint, es sei ein Erfolg der Großen Koalition, wenn hier heute der Fraktionsvorsitzende
der SPD, Herr Schmidt , ans Pult gegangen ist. Sie gestatten, daß ich das anzweifle. Ich bin vielmehr der Meinung, daß die Unruhen draußen, daß die Bauerndemonstrationen Anlaß gewesen sind, nun einmal aus einer Fraktion den Fraktionsvorsitzenden nach vorn zu schicken.
Nun, meine Damen und Herren, noch eine Anmerkung zu den Ausführungen des Herrn Schmidt . Herr Schmidt (Hamburg), ich würde wirklich gern Ihren Wunsch erfüllen und meine Rede etwa unter der Überschrift „Stadt und Land Hand in Hand" halten. Ich darf Ihnen aber sagen, daß wir hier über den Grünen Bericht ja mit sehr komplizierten volkswirtschaftlichen und agrarpolitischen Vorgängen konfrontiert werden, so daß ich gezwungen bin, mich auf den Grünen Bericht entsprechend einzustellen. Da ist es nun einmal notwendig, in Einzelheiten zu gehen. Sie haben ja selber schon erkennen können, wie schwierig es ist, wenn man das als Außenstehender versucht.
Sie haben sofort ein Eigentor geschossen, als Sie hier den Wirtschaftswegebau erwähnten. Ich bin in der Tat der Meinung, daß der Wirtschaftswegebau seit eh und je eine der wertvollsten und wichtigsten Aufgaben des Grünen Plans gewesen ist.
Herr Kollege Schmidt, Sie haben auch völlig übersehen, daß ohne einen Wirtschaftswegebau die
Motorisierung in der deutschen Landwirtschaft
überhaupt nicht hätte durchgeführt werden können.
Zwischenfrage, Herr Abgeordneter Schmidt .
Ohne polemisieren zu wollen, Herr Kollege: Sind Sie wohl bereit, mir zuzugestehen, daß mein Urteilsvermögen ausreicht, in einer Landschaft, die ich genau kenne, erkennen zu können, ob an der einen oder anderen Stelle des Guten nicht ein bißchen sehr zuviel getan worden ist?
Herr Schmidt, ich bin nicht der Meinung, daß ihr Urteil ausreicht, Vorgänge wie den Wirtschaftswegebau richtig zu beurteilen. Dazu fehlt Ihnen, Herr Kollege Schmidt, die Berührung mit der landwirtschaftlichen Praxis.
Eine zweite Anmerkung zu Herrn Kollegen Bauknecht. Selbstverständlich, Herr Kollege Bauknecht — ich werde es gleich vorweg sagen —, war die FDP jahrelang in der Agrarpolitik dabei. Wir bekennen uns dazu, die Verantwortung mitgetragen zu haben. Ich möchte aber ausdrücklich sagen, daß bei unserem Abgang das Haus agrarpolitisch gut bestellt war. Wenn nun Ihre Regierung, Herr Kollege Bauknecht, in reichlich einem Jahr bei den Bauern jedes Vertrauen verspielt hat, ist das ihre Schuld und nicht unsere Schuld.
Ich möchte es etwas genauer definieren. Herr Kollege Bauknecht, ich bin der Auffassung, daß es vorrangig sogar die Schuld der Partei ist, die den Bundeskanzler, den Finanzminister und den Landwirtschaftsminister stellt, und das ist immer noch die CDU/CSU.
Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Häfele.
Herr Kollege, sind Sie nicht der Meinung, daß es sich hier weitgehend um eine Entwicklung handelt, die zu einem großen Teil gar nicht im Einflußbereich der Politik liegt?
Doch! Sie übersehen, Herr Kollege, daß diese Entwicklung schon vor Jahren eine gewisse Weichenstellung erfahren hat. Die Weichenstellung war durchaus gut. Die Entwicklung ist nur nachher falsch gelaufen, schon in diesem einen Jahr. Ich könnte Ihnen nachweisen, was alles aufgegeben worden ist. Denken Sie nur an das EWG-Anpassungsgesetz, um nur ein Beispiel zu zeigen.
Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Häfele.
Glauben Sie wirklich, daß durch die Veränderung der Regierung diese Entwicklung maßgeblich verändert wurde?
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8210 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 159. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. März 1968
Ja, der Meinung bin ich. Das werde ich auch in meinen Ausführungen noch beweisen. — Bitte sehr!
Herr Kollege Logemann, halten Sie es für „gut bestellt", wenn man durch Haushaltssicherungsgesetze Lasten wegschiebt und anderen aufbürdet?
Nein. Dieses Haushaltssicherungsgesetz ist auch von uns mit eingeleitet worden. Ich gebe zu, daß auch mit unserer Hilfe 260 Millionen DM im EWG-Anpassungsgesetz verschoben worden sind.
Aber das, was Sie, meine Damen und Herren, jetzt aus dem EWG-Anpassungsgesetz gemacht haben, wäre bei unserer Mitwirkung in der Koalition niemals geschehen.
Damit darf ich jetzt wirklich zum 13. Grünen Bericht kommen, den wir heute diskutieren wollen. Zunächst darf ich feststellen, daß auch der 13. Grüne Bericht wieder eine Disparität ausweist. Das ist keineswegs neu. Die Bauern sind es seit 13 Jahren gewohnt, mit dieser Disparität zu leben. Aber neu ist in der Zwischenzeit die Reaktion der Bauern nach anderthalb Jahren Großer Koalition. Die Protestkundgebungen zeigen jedem, daß einfach kein Vertrauen mehr zur Regierung da ist. Sie machen den rapiden Vertrauensschwund deutlich, den diese Regierung in reichlich einem Jahr Regierungsverantwortung für die Agrarpolitik hinnehmen muß. Herr Minister Höcherl, mit Ihrer Rede zum Grünen Bericht neulich haben Sie nicht der Agrarpolitik Ziel und Richtung gegeben, wie es notwendig gewesen wäre, sondern Sie haben mit gewissen Äußerungen, die hier vorhin auch kritisiert wurden, noch 01 in das Feuer der Erregung gegossen.Zunächst darf ich die Ursache der Unruhe darstellen. Nach meiner Auffassung bestehen in der Tat in kleinen und großen Betrieben Existenzsorgen. Ich meine, die Öffentlichkeit sollte gerade davon Kenntnis nehmen, daß auch die großen Betriebe, die strkuturell gesund sind, bei einer verhängnisvollen Agrarpolitik sehr schnell in finanzielle Schwierigkeiten geraten und gefährdet werden können.Ein Beispiel dafür! Aus Schleswig-Holstein wird berichtet, daß dort schon 25% der buchführenden Betriebe, die ja schon größere Einheiten darstellen, bei der jetzigen Entwicklung nicht mehr aus der Verschuldung herauskommen. Man befürchtet, daß aus diesen 25% bei weiteren Mindererlösen, die man sich schon ausrechnen kann, 60 % werden.Die Ursache — ich habe es gesagt — liegt also nicht allein bei der Disparität. Ich finde, daß es wichtig ist, diese Ursachen durch eine Agrarbilanz der Realitäten, möchte ich sie nennen, und nicht durch einen manipulierten Bericht, wie wir ihn vorliegen haben, deutlich zu machen.Die Bauern im Lande beobachten sehr wohl, daß Herr Minister Schiller im Rahmen der konzertiertenAktion fast täglich zu Lohnerhöhungen von 4 % bis 5 % jährlich auffordert. Er hält sie für notwendig zur Ausweitung der Massenkaufkraft. Ich will ihm dabei in keiner Weise widersprechen. Nur müssen die Bauern von Landwirtschaftsminister Höcherl dauernd hören: Erstens gebe es keine Chance für bessere Preise. Zweitens übersteige die landwirtschaftliche Produktion den Marktbedarf, die Landwirtschaft dürfe nicht mehr produzieren. Drittens seien die Kassen leer; deshalb sei — viertens — das EWG-Anpassungsgesetz nicht zu erfüllen. Dabei ist auch draußen auf dem Lande durchaus bekannt, daß andere Gesetze erfüllt werden. In den letzten Wochen — auch das ist schon angedeutet worden — waren ja plötzlich 400 Millionen DM zusätzlich da, als es um die Erfüllung einer anderen gesetzlichen Verpflichtung, beim Knappschaftsgesetz, ging.Meine Damen und Herren, diese einfache Formel bedeutet doch für die Landwirtschaft, ganz grob ausgedrückt, sinkende Erzeugerpreise, sinkende Einkommen und infolge der Lohnerhöhung im gewerblichen Bereich mit Sicherheit steigende Kosten. Diese Rechnung ist aber noch nicht vollständig. Man muß dazunehmen, daß z. B. Finanzminister Strauß auf Grund eines Kabinettsbeschlusses — Herr Minister, es wäre wirklich wichtig, Ihre Haltung dazu zu hören — vorgeschlagen hat, die Grundsteuern müßten erhöht werden. Das wäre wiederum eine neue Kostenbelastung für die deutsche Landwirtschaft.Hinzu kommt, daß wir erheblich gestiegene Kosten dadurch haben, daß die DieselkraftstoffVerbilligung monatelang ausgesetzt wird. Die FDP hatte dazu andere Vorschläge gemacht. Bei Befolgung unserer Vorschläge wären diese Einnahmenausfälle in der Landwirtschaft nicht entstanden. Herr Minister, Sie hätten uns mit Sicherheit sehr viel Bürokratie, die jetzt in den Landkreisen notwendig wird, ersparen können.
Ein weiterer Punkt, der die Unruhen in der Landwirtschaft mit verursacht, ist die erhebliche Verschuldung, ist die Zunahme des Fremdkapitals. Wenn ich Fremdkapital und Schulden — Herr Minister, wir wollen uns hier auf diese beiden Begriffe einigen — zusammenzähle, macht dieser Betrag etwa schon das aus, was die Landwirtschaft an Verkaufserlösen von rund 27 Milliarden DM zu erwarten hat. Ich möchte die früheren Zeiten einmal in Gegensatz zu heute stellen. Es ist bekannt, daß es auf dem Dorfe einmal hieß: In der Landwirtschaft muß eigentlich so gewirtschaftet werden — das wird mir Herr Kollege Brese bestätigen können —, daß man eine Ernte auf der Bank hat, die zweite auf dem Speicher und die dritte auf dem Feld. Das war Vergangenheit — ich sage das ausdrücklich, das muß einmal angesprochen werden —, jetzt ist es auf Grund der Entwicklung der Tatsachen so, daß schon die noch nicht eingefahrene Ernte den Banken gehört.
Sie können wohl verstehen, wenn die Bauern aufGrund dieser Entwicklung in Existenzangst geraten.
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LogemannDiese Existenzängste sind es, die die Bauern in die Protestkundgebungen treiben, in Protestkundgebungen, wie sie es nennen, gegen die landwirtschaftsfeindliche Politik der Regierung. Es ist nicht so, wie es Herr Finanzminister Strauß neulich meinte, der glaubte, die Landwirtschaft davor warnen zu müssen, sich von Festrednern aufputschen und in Demonstrationen hineintreiben zu lassen.Es ist gut, daß der Herr Bundeskanzler hier anwesend ist. Ich würde sehr bedauern, Herr Bundeskanzler, wenn die Äußerungen stimmten, die Sie neulich — wie ich gelesen habe auf der Fraktionssitzung der CDU/CSU in Berlin getan haben sollen. Aus dem, was ich gelesen habe, war ersichtlich, daß Sie dem Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes Demagogie vorgeworfen haben sollen.
Herr Bundeskanzler, wenn das stimmt, dann waren Sie wirklich schlecht beraten. Ich meine, so etwas darf man nicht tun, besonders wenn man weiß, wie sehr man gerade den Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes Rehwinkel mit seinen Forderungen auf der ganzen Linie im Stich gelassen hat.
Ich kann auch das nicht begreifen und glauben, was die „Frankfurter Allgemeine" schreibt: daß der Kollege Bewerunge, der selbst Präsident einer Landwirtschaftskammer ist und ein hohes Amt im Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband innehat,Angriffe gegen den Präsidenten Rehwinkel gestartet hat. Es wäre wirklich an der Zeit, daß die prominenten Agrarpolitiker der CDU aufhörten, einem Präsidenten in dieser schwierigsten Situation in die Arme zu fallen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Häfele?
Herr Logemann, sind Sie wirklich der Meinung, daß alles das, was der Präsident Rehwinkel im Laufe der letzten Zeit gesagt hat, verantwortlich und die volle Wahrheit war?
Ich halte die Reden von Herrn Rehwinkel für verantwortlich. Ich kann mir vorstellen, in welcher Lage gegenüber der Landwirtschaft er sich befindet.
Er ist hinsichtlich all der Zusagen und auch der gesetzlichen Verpflichtungen, die wir hier beschlossen haben, im Stich gelassen worden. Ich kann mir also vorstellen, daß er mit der Politik dieser Regierung nicht einverstanden ist.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Bewerunge?
Herr Logemann, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß es schlecht um uns bestellt wäre, wenn man als Bezirksvorsitzender eines Bauernverbandes nicht auch das Recht hätte, die Verhältnisse des Deutschen Bauernverbandes anzusprechen, wo wir hier es sogar wagen, unsere Minister zu kritisieren?
Herr Kollege Bewerunge, ich halte es nicht für richtig, in dieser schwierigen Zeit, wo der Bauernverbandspräsident Rehwinkel sich wirklich bemüht, für Gerechtigkeit gegenüber dem Landvolk zu sorgen, ihm noch mit Angriffen in den Arm zu fallen. Das möchte ich damit gesagt haben.
Herr Abgeordneter, wollen Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Freiherr von Gemmingen beantworten? Bitte, Baron Gemmingen!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Logemann, darf ich Sie fragen, ob Sie festgestellt haben, daß die Kollegen der CDU/CSU-Fraktion, die Präsidenten im Bauernverband sind, auf dieser Fraktionssitzung der CDU in Berlin gegen die Äußerungen des Herrn Bundeskanzlers protestiert haben?
Das habe ich nicht feststellen können. Darüber gelangen keine Unterlagen an die Öffentlichkeit.
Einen Augenblick. Ich muß an den Redner die folgende Frage stellen: Herr Kollege Logemann, wollen Sie weiter alle Zwischenfragen beantworten?
Die von Herrn Kollege Bewerunge noch sehr gerne.
Dann werde ich nicht mehr weiter fragen. Herr Abgeordneter Bewerunge zu einer Zwischenfrage.
Herr Kollege Logemann, glauben Sie nicht, daß Sie sich derzeit bemühen, eine Legende zu bilden, indem Sie von einer Sitzung sprechen, an der Sie überhaupt nicht beteiligt waren und indem Sie auf Grund eines Satzes der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" Dinge behaupten, die in keiner Weise stimmen?
Herr Kollege Bewerunge, gerade deshalb habe ich Ihre Frage noch zugelassen. Ich habe von vornherein das, was ich aus der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" wiedergegeben habe, mit einem Fragezeichen versehen. Ich meine, Sie, Herr Kollege Bewerunge, sollten dann dafür sorgen, daß die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" solche Äußerungen wieder zurechtrückt, wenn sie nicht stimmen.
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LogemannMeine Damen und Herren, ich habe vorhin gesagt, die Existenzangst treibe die Bauern zu den Protestkundgebungen. Darf ich hier einige Anmerkungen machen, damit Sie erkennen, wie es in den einzelnen Landkreisen aussieht. Wir haben aus niedersächsischen Landkreisen in der letzten Zeit sehr gute Unterlagen bekommen, die wirklich gut durchgerechnet sind. Es handelt sich um Buchführungsergebnisse, die einen erheblichen Aussagewert haben. Ich darf hier einmal drei Landkreise anführen. Der Landkreis Harburg, der über durchschnittliche mittelbäuerliche Betriebe verfügt, meldet ein Weniger an Einnahmen gegenüber dem Vorjahr von 13 134 000 DM. Das sind 183 DM je ha landwirtschaftlicher Nutzfläche weniger. Im Landkreis Bremervörde, wo sich die Kartoffelpreise auswirkten, ist es so, daß in diesem Landkreis mit einer durchschnittlichen Betriebsgröße von 20 ha ,ein Weniger an Einnahmen gegenüber dem Vorjahr von 23 312 000 DM oder 286 DM je ha landwirtschaftlicher Nutzfläche da ist. Nun als letztes noch einen Spitzenkreis bezüglich rationeller Veredelung, bezüglich rationeller Landbewirtschaftung: Das ist der Landkreis Grafschaft Hoya. In diesem Landkreis Grafschaft Hoya werden die Mindereinnahmen gegenüber dem Vorjahr auf 24 060 000 DM beziffert, Herr Minister. Interessant ist folgendes: In diesem Landkreis sind vier Spitzenbetriebe, die besten Betriebe mit vorbildlichster Betriebsführung, noch einmal besonders auf ihre Entwicklung hin untersucht worden. Dabei hat man festgestellt, daß in diesen vier Spitzenbetrieben mit starker Veredelung — 30 ha Größe vorbildlich bewirtschaftet — der Reinertrag je ha gegenüber dem Vorjahr um etwa 48% zurückgegangen ist. Das Familieneinkommen ist um 31% zurückgegangen.Meine Damen und Herren, das sind Landkreise, die als fortschrittlich bekannt sind. Herr Minister, hier ist es wirklich so gewesen, daß die Landwirte dem modernen Rat, auch amtlichen Rat, gefolgt sind. Als z. B. gesagt wurde: Ihr müßt versuchen, die Getreidepreissenkung durch mehr Veredelung aufzufangen, haben sie es getan, und jetzt können wir feststellen, daß gerade diese fortschrittlichen Landwirte Beratungsgeschädigte geworden sind.Ich meine, daß diese Bilanz doch jedem Bauern zeigen muß, wohin die Reise geht. Wir fragen uns: Was muß eigentlich noch passieren, damit agrarpolitisch endlich in dieser Großen Koalition nun etwas passiert?!
Meine Damen und Herren, wenn ich über die Jahre 1967/68 Bilanz mache — Herr Minister, ich liefere dafür gleich noch die Beweise , dann muß ich, auf die Regierung und auch auf den Landwirtschaftsminister bezogen, hier feststellen: die Agrarbilanz ist eine Meisterleistung agrarpolitischer Abstinenz. Dafür bin ich Ihnen, Herr Minister, einen Nachweis schuldig. Ich habe versucht, die Ankündigungen zu Ihrem Schwerpunktprogramm vom 15. Februar 1967, also zum vorjährigen Grünen Bericht, in Vergleich zu stellen zu dem, was nun 1968 erreicht worden ist. Punkt eins: Sie haben als Schwerpunkt die Regionalförderung genannt; Sie haben herausgestellt, esmüsse versucht werden — so wie beim Emsland-plan —, andere Modellbereiche zu schaffen, und Sie haben vor allen Dingen eine Verbesserung der Infrastruktur verlangt. Nun, in Ihrem jetzigen Grünen Bericht ist nichts zu sehen von einem Modell 1968, das kommen sollte. Hier also Fehlanzeige!Ich bin aber auch der Meinung — dazu hätte ich gern Ihre Auffassung, Herr Minister —, daß bezüglich Ihrer Forderung nach mehr Infrastruktur doch festgestellt werden muß, daß der Leber-Plan, der im Kabinett einstimmig beschlossen worden sein soll, nun im Gegenteil die Infrastruktur nach unserer Auffassung hemmt, denn er begünstigt die Ballungsräume. Wie stehen Sie dazu?Ein zweiter Schwerpunkt sollte sein, daß in der Landwirtschaft die Bauweise künftig durch Fertigbauteile usw. verbilligt werden sollte. Ergebnis im Jahre 1968: Die Bauten sind nicht billiger, sondern teurer geworden. Auch hier bei diesem Schwerpunkt, Herr Minister, kein Fortschritt!Einen dritten, ganz besonderen Schwerpunkt sollte die Verbesserung der Betriebsstruktur bilden. Herr Minister, ich bin in diesem Bemühen mit Ihnen völlig einig. Aber wenn ich jetzt Bilanz mache, so entnehme ich dem Grünen Bericht die Feststellung, daß eine Verbesserung im letzten Jahr nicht erreicht worden ist, sondern daß im Gegenteil die Bruttoinvestitionen in der Landwirtschaft um 15% zurückgegangen sind. Ich werte diesen Rückgang als ein besonderes Alarmzeichen deshalb, weil damit sichtbar wird, daß in der Landwirtschaft tatsächlich durch die Kürzung der Mittel im EWG-Anpassungsgesetz eine notwendige Rationalisierung nicht vorgenommen worden ist.Herr Minister, Sie sollten dieses Problem zusammen mit dem Wirtschaftsminister auch noch von einer anderen Seite aus sehen. Wir sind der Meinung, es ist durchaus wichtig, auch die deutsche Landwirtschaft — ich werde das nachher noch sagen — an der Massenkaufkraft mit zu beteiligen. Wenn die Investitionen um rund 3 Milliarden DM zurückgehen, so bedeutet das praktisch doch auch einen Ausfall von 3 Milliarden DM in der gewerblichen industriellen Produktion des Binnenmarktes. Ich bin also durchaus der Meinung, man muß die Dinge ernst nehmen. Die FDP hat auch versucht, laufend zu Investitionen neue Anregungen zu geben; ich erinnere an die Investitionssteuer usw.Ein anderer wichtiger Punkt ist der Schwerpunkt: Senkung der Zinsbelastung. Diese Senkung der Zinsbelastung ist in diesem Jahr nicht stärker geworden, sondern im Gegenteil. Hier sind auch verschiedene andere Dinge nicht erfüllt worden. Sie haben z. B. in Ihrer vorjährigen Rede den Satz gesagt, es sei durchaus erwägenswert, den Gedanken eines revolvierenden Fonds, gespeist aus Kapitalmarktrückflüssen, zu hegen. Die FDP hat jetzt Ihren erwägenswerten Gedanken in Form einer Gesetzesvorlage aufgenommen. Aber auch hier muß ich bei der Regierung allerdings Fehlanzeige melden; es ist nichts geschehen.Der fünfte Schwerpunkt sollte sein: Verbesserung der Marktstruktur mit Erzeugergemeinschaften. Sie haben dann die Worte gesagt: „verstärkt zum An-
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Logemanngriff auf die Märkte Europas rüsten", -- ein Wort, Herr Minister, das mir tatsächlich aus der Seele gesprochen ist. Aber nun das Ergebnis: von der Regierung bezüglich der Erzeugergemeinschaften keine Initiative. Wir haben einen SPD-Antrag vorliegen. Wir haben bei den Beratungen feststellen können, daß dieser Antrag der SPD durch das Finanzministerium gebremst wird. Wir haben uns in Berlin fleißig bemüht, zwei, drei Tage darüber zu beraten. Aber nach meiner Auffassung haben wir dabei eigentlich nur leeres Stroh gedroschen, weil von irgendeiner Stelle immer wieder gebremst worden ist. Herr Minister, wären Sie nicht bereit, hier einmal ein Machtwort zu sprechen, damit aus Ihrem Schwerpunkt von 1967 jetzt endlich einmal 1968/1969 etwas wird?Die Chancen des deutschen Agrarexports sind angesprochen worden; das war ein Schwerpunkt im letzten Jahr. Hier ist in der Tat eine Steigerung da, die begrüßen wir. Aber daß auch hier mehr möglich ist, beweisen ja die Aussagen von Herrn Fahrenschon, der schon erklärt hat, eine Verdoppelung sei ohne weiteres erreichbar. Wir haben den Nachweis z. B. in der Milchwirtschaft. Sachverständige haben uns erklärt, daß man mit mehr Erstattungsfreudigkeit der Bundesregierung durchaus mehr milchwirtschaftliche Ausfuhren hätte ermöglichen können.Nun, ich will das grausame Spiel nicht weiter fortsetzen. Ich könnte jetzt noch anführen: Schwerpunkt Kleinbauerntum, Fachausbildung, Reform der Altershilfe, Flurbereinigung des Etats, Herr Minister, das letzte ist wirklich ein sehr, sehr wichtiger Punkt, und Sie sollten sich ihn auch in Ihren Reden mit vornehmen. Dieses Jonglieren mit Zahlen verwirrt doch alles. Vielmehr müssen wir hier doch verlangen — und wir haben dafür einen Antrag eingebracht —, daß endlich einmal die für die Landwirtschaft eingesetzten Mittel ganz klar aufgeteilt werden in EWG-Zahlungen, in nationale Zahlungen und in Zahlungen, die für allgemeine Zwecke Verwendung finden. Diese Flurbereinigung des Etats, die Sie angesprochen haben, sollten Sie sich aber auch selber vornehmen. Und Sie sollten nicht den Bauern dauernd große Zahlenreihen auftischen, die doch in der Praxis nicht ankommen.Abschließend möchte ich feststellen, daß der deutschen Agrarpolitik — im Gegensatz zu der konzertierten Aktion möchte ich das sagen — in der Tat Leitlinien für die landwirtschaftliche Praxis fehlen. Ich bin der Meinung, Herr Minister, daß Ihre Agrarpolitik tatsächlich ohne Konzeption läuft. Sie sollten klare Leitlinien für die Bauern setzen, damit sie wissen, wohin zum mindesten ihre Reise gehen soll.Nun einige Anmerkungen zum Grünen Bericht. Der Grüne Bericht weist eine weitere Steigerung der Arbeitsproduktivität in der Landwirtschaft aus. Trotz der bestehenden Arbeitsproduktivität ist die Disparität von 1964/65 dort 25 % — bis 1966/67 auf 34,3 % gestiegen. Ich darf hinzufügen, sie ist gestiegen, obwohl die Bauern sich bemühten, weit länger zu arbeiten als in anderen Bereichen. Obwohl sie sich bemühten, auf allen Gebieten diegrößten Anstrengungen zu machen, müssen wir doch, Herr Minister, resigniert feststellen: Trotz Fleiß keinen Preis.Erstmalig bringen Sie in diesem Jahr im Grünen Bericht eine Gewinnermittlung. Herr Minister, Sie haben hier eine Gewinnermittlung gebracht, die in der Öffentlichkeit zu völlig falschen Vorstellungen über die Lage in der Landwirtschaft geführt hat. Sie haben ein Roheinkommen als Gewinn zusammengezählt. Erst in den letzten Tagen haben Sie versucht, etwas Ordnung in die Dinge hineinzubringen, den Begriff „Gewinn" zu definieren. Dabei haben Sie selber festgestellt, daß der von Ihnen in Vergleich gestellte bäuerliche Gewinn — so darf ich ihn mal nennen nicht der normale Unternehmergewinn sei. Herr Minister, damit haben Sie in der Tat weitere Unklarheiten über die Lage der Landwirtschaft geschaffen. Ich bin der Meinung, daß auch der Vergleich mit dem Handwerkergewinn eigentlich erst dann gezogen werden kann, wenn man wirklich den Kapitaleinsatz in der Landwirtschaft und auch im Handwerk entsprechend mit berücksichtigt. Ihr Handwerkervergleich ist in der Tat ein Vergleich zwischen Äpfeln und Birnen, der nicht passen kann. Ich bin aber der Auffassung, daß Sie uns gerade mit dieser Irreführung der Öffentlichkeit über die Lage der Landwirtschaft großen Schaden zugefügt haben.Die „Frankfurter Rundschau" schrieb z. B. am Tage nach Ihrer Rede einen landwirtschaftlichen Artikel unter der Überschrift „Den Bauern geht es recht gut — Gewinn pro Hof 1000 DM monatlich — Grüner Bericht vorgelegt". Ich muß zugunsten des Journalisten, der dies geschrieben hat, feststellen, daß er das durchaus auf Grund der vorher vorgelegten Gewinnermittlung von Ihnen, Herr Minister, so schreiben durfte. Ich wäre Ihnen außerordentlich dankbar, wenn Sie uns einen landwirtschaftlichen Betrieb nennen könnten, der nach Ihren Unterstellungen keinen Gewinn macht, wenn Sie mir sagen könnten, was ich als Bauer machen muß, um bei Ihrer Rechnung nicht immer im Gewinn zu bleiben. Hier muß eine Klarstellung erfolgen, und die sollte so schnell wie möglich nun auch von Ihrer Seite her kommen. Aber Sie haben — das möchte ich dazu sagen — mit dieser falschen Unterrichtung, mit der Vortäuschung eines Gewinns das Vertrauen auch des letzten Bauern verspielt.Herr Minister, ich darf es Ihnen direkt sagen, ich habe mich vor einem Jahr am 22. Januar mit einem persönlichen Telegramm an Sie gewandt. In diesem Telegramm heißt es unter anderem:Durch Pressemeldungen erfahren auch jetzt die Abgeordneten von den rigorosen Kürzungen im Ernährungsetat. Durch diesen Kabinettsbeschluß werden Hunderttausende Bauern bei dem zu erwartenden Sinken der Erzeugerpreise durch EWG-Beschlüsse und weiter steigende Kosten hei Betriebsmitteln bzw. Investitionen in ihrer Existenz getroffen.Herr Minister, das war eine Warnung aus der Opposition am 22. Januar 1967.Die zweite Warnung — daraus mögen Sie entnehmen, wie gut wir es mit Ihnen meinen — kam
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Logemannaus der Opposition am 15. November 1967 anläßlich der Agrardebatte. Ich hatte damals darauf hingewiesen, daß in der Zwischenzeit die Proteste in der Bauernschaft am laufenden Band weitergehen. Beweis: Deutscher Bauerntag in München — Pfiffe für Landwirtschaftsminister Höcherl, Ihre Antwort war damals, die Zeichen seien nicht so tragisch zu nehmen; das sei nicht der Kernbestand der Delegierten, sondern das seien einige DFU-Mitglieder gewesen. Herr Minister, Sie haben sich sicherlich in der Zwischenzeit wohl davon überzeugen können, daß diejenigen, die jetzt protestierend auf. die Schlepper steigen, mit Sicherheit nicht mehr so eingeteilt werden können, wie Sie es getan haben. Wir meinen aber, Herr Minister, wenn Sie weiter Agrarpolitik betreiben wollen und Ihre Agrarpolitik nur Widerstand und kein Vertrauen mehr findet, dann sollten Sie überlegen, ob es nicht richtig wäre, daraus die Konsequenzen zu ziehen.
Vielleicht noch einige Punkte zu Forderungen meiner Fraktion zur Agrarpolitik.Zunächst haben wir unsere Forderungen in Anträgen zusammengefaßt. Wir sind vor allen Dingen der Meinung, daß es vorrangig sein muß, auch weiterhin in der EWG Initiativen für eine Erzeugerpreispolitik zu entwickeln. Ich habe Ihnen die Einnahmeausfälle, die Millionen aus verschiedenen Landkreisen genannt. Herr Minister, solche Einnahmeausfälle kann man niemals durch Strukturpolitik ersetzen. Die Preispolitik muß das A und O bleiben.
Sie entscheidet künftig über das Schicksal der deutschen Landwirtschaft.Dazu gleich eine weitere Anmerkung. Es ist langsam zur Gewohnheit geworden, in Reden so leicht zu sagen: „Aber was können wir denn preispolitisch noch tun? Da ist ja die EWG entscheidend!" Herr Minister, die Opposition nimmt es Ihnen nicht ab, wenn versucht wird, mit der Begründung „Wir können nichts tun" den Schwarzen Peter in der Preispolitik Brüssel zuzuschieben. Hier kann man in der Tat durch entsprechende Initiativen der Bundesregierung etwas tun. Ich möchte noch einmal behaupten, daß es bei gutem Willen und bei gleichgewichtig hartem Verhandeln gegenüber Frankreich durchaus schon möglich gewesen wäre, die Rentabilität des deutschen Getreidepreises wiederherzustellen, den deutschen Getreideanbau wieder rentabel zu gestalten.
Herr Minister, Sie haben erklärt, Sie hätten Tag und Nacht verhandelt. Mir ist nicht bekannt — vielleicht können Sie uns aufklären —, daß überhaupt ein Antrag von der Bundesregierung in Richtung auf Erhöhung der Getreidepreise entsprechend den Beschlüssen des Europäischen Parlaments vertreten worden wäre. Das müssen wir einmal wissen; erst dann können wir Vertrauen haben zu Ihren Worten, es sei alles versucht worden.Das zweite aber ist, daß Sie auch national sich nicht einmal bemüht haben, den deutschen Getreideanbau durch die vollständige Auszahlung der 560 Millionen DM nach der Getreidefläche wieder rentabel zu machen. Hier kommen wir sowieso zu einer Beratung; es liegt ein Antrag von uns vor. Wir werden nicht zulassen, daß 100 Millionen DM gegen alle Vereinbarungen, die bisher dazu getroffen worden sind — sie gehen ja bis 1964 zurück —, nun einfach für andere Etatzwecke verwendet werden.Es wäre auch mehr an Erzeugerpreisen bei Rindern und bei Milch möglich gewesen. Dazu möchte ich jetzt nicht mehr sagen. Aber ich will auf eines hinweisen. Wir sollten erkennen, daß man auch durchaus Preispolitik durch Kostensenkung machen kann. Die deutsche Landwirtschaft ist mit um rund 20 °/o höheren Produktionskosten belastet als die Landwirtschaft in den anderen Partnerländern. Hier wäre es Ihre Pflicht, Herr Minister, eine Initiative für eine beschleunigte Harmonisierung der Steuer-, Verkehrs- und Sozialpolitik und anderer Wirtschaftsbereiche zu entwickeln, damit endlich diese Wettbewerbsunterschiede beseitigt werden.Dazu gehört aber auch, daß man alle anderen Möglichkeiten einer nationalen Kostensenkung wahrnimmt. Dazu gehört die Erfüllung des EWG-Anpassungsgesetzes. Mein Kollege Peters wird dazu nachher noch Vorschläge machen; er wird noch verschiedene andere Anträge begründen, auf die ich jetzt nicht eingehen will.Wir haben in einem weiteren wichtigen Punkt eine Forderung der Fraktion in einem Antrag vorgelegt. Wir meinen, daß, wenn die gewerbliche, industrielle Wirtschaft im Rahmen der konzertierten Aktion ganz bestimmte Lohnleitlinien bekommt, analog dazu versucht werden müßte, auch für die Landwirtschaft Einkommensleitlinien für die Zukunft im Rahmen dieser konzertierten Aktion bekanntzugeben, analog also zur konzertierten Aktion Einkommensdaten für die Landwirtschaft.Noch eine Anmerkung zur EWG-Agrarmarktfinanzierung. Es ist natürlich so, daß 1966 die Vereinbarungen beschlossen worden sind und daß seit dieser Zeit jeder wußte, wohin die Reise der finanziellen Belastungen ging. Aber ich finde, man muß auch der Öffentlichkeit gegenüber diesen Belastungen das entgegenrechnen, was national eingespart wird. Es ist doch in der Tat so, daß etwa 1 Milliarde DM bei Bund und Ländern beim Milchpfennig in Wegfall kommt, diese Mittel also eingespart werden, weil ja Brüssel künftig die Zahlungen dafür leistet.Wir sind auch der Meinung, daß es wichtig ist, von seiten der Regierung darauf zu achten, daß die Verwendung der Fondsmittel durch die Partnerländer so geschieht, daß dabei die EWG-Präferenz Beachtung findet. Wir kennen aus Zeitungen das Geschäft Frankreichs mit Rotchina: Weizen nach Rotchina, Kosten 131 Millionen DM aus Brüsseler Mitteln. Nun, soweit ist alles egal. Aber ich wäre Ihnen dankbar, Herr Minister, wenn Sie uns dazu etwas sagen könnten. Durch Pressemeldungen ist jetzt bekanntgeworden, daß Frankreich den Weizen an Rotchina geliefert hat und dafür jetzt Schweinefleisch aus Rotchina in die EWG importiert. Solche Ge-
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Logemannschäfte sollten wir nicht mit unseren Steuermitteln über Brüssel finanzieren.
Ein letzter Punkt! Wir fordern die Bundesregierung auf, künftig die Öffentlichkeit mehr als bisher über die Entwicklung der Erzeuger- und Verbraucherpreise zu informieren. Herr Minister, Sie haben hier viele amtliche Möglichkeiten. Sie stellen in Ihrem Grünen Bericht z. B. fest, daß der Abfluß an landwirtschaftlichen Veredlungserzeugnissen deshalb gebremst worden sei, weil wir in eine Talsohle der Wirtschaft geraten seien. Ich habe den Grünen Bericht sehr genau gelesen. Ich bin vielmehr der Meinung — vielleicht werden Sie es mir bestätigen —, daß es in der Tat so gewesen ist, daß gesenkte Erzeugerpreise für die Landwirtschaft durch eine vergrößerte Vermarktungsspanne verlorengingen, der Verbraucher also nicht die Möglichkeit bekam, nun entsprechend billiger einzukaufen. Wäre hier eine bessere Aufklärung erfolgt oder würde sie in Zukunft erfolgen, so würde das zu einer Einengung der Vermarktungsspannen führen, und wir würden damit vielleicht eine engere Berührung' von Erzeugerpreis und Verbraucherpreis erreichen.Das zweite ist — ich habe es schon angesprochen —, daß mehr Aufklärung über die Mittel für die Landwirtschaft erfolgen sollte. Ich habe die Etataufteilung genannt.Eine letzte Schlußbemerkung! Die Bilanz der Agrarpolitik, wenn man sie real und nüchtern zieht, berechtigt zu Unruhe im Bauerntum. Beim letzten Grünen Bericht wird auch wieder deutlich, daß Ihre Aussagen bei der Einbringung, Herr Minister, nicht zu einer Beruhigung beigetragen haben, sondern daß die Existenzsorgen in der Landwirtschaft größer denn je sind. Ich möchte wiederholen, die Agrarpolitik braucht Ziel und Richtung — nicht schöne Worte des Kanzlers und auch nicht viele Worte des Ministers, sondern agrarpolitische Taten, und darum bitte ich Sie.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Bauer .
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich gleich bei dem beginnen, womit der Kollege Logemann geschlossen hat. Herr Kollege Logemann, Sie haben den Herrn Bundeskanzler angesprochen und gemeint, schöne Worte allein nützten der Agrarpolitik nichts. Glauben Sie wirklich, daß die Übertreibungen, die Sie hier wieder einmal vorgebracht haben, und der — ,seien Sie mir nicht böse — so ein bißchen Bauernversammlungsstil, den Sie hier hineingetragen haben, der Landwirtschaft sehr viel nützen?
Ich bin sehr froh, daß der Anfang dieser heutigen Diskussion von einem großen Ernst getragen war. Herr Logemann, ich teile Ihre Auffassung, daß es
in der Tat gut ist, daß diese Diskussion mit sehr großem Ernst geführt wird. Aber dann lesen Sie bitte auch Ihre gesamten Ausführungen noch einmal nach! Vieles von dem, was Sie hier gesagt haben, können Sie doch einfach nicht aufrechterhalten. Sie sagten, ein Jahr Große Koalition habe genügt, die Bauern das Vertrauen zur Regierung verlieren zu lassen. Herr Kollege Logemann, darf ich Sie in aller Bescheidenheit daran erinnern: Wieso ist es eigentlich zu dieser Großen Koalition gekommen? Doch einfach deshalb um mich agrarpolitisch auszudrücken —, weil Sie als Koalitionspartner abgewirtschaftet hatten.
— Ich muß Ihnen sehr weh getan haben.
Einen Augenblick, meine Damen und Herren! Das ist ein hartes Wort; aber in einer Agrardebatte muß ja schließlich von „abgewirtschaftet" die Rede sein dürfen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter?
Bauer (CDU: CSU) : Bitte sehr, wenn es nicht viel wird. Aber ich möchte gern haben, daß die anderen Kollegen auch noch zu Wort kommen; denn ich höre von Anfang an, Herr Präsident, daß eine große Zahl von Wortmeldungen vorliegt.
Herr Kollege Bauer, sind Sie nun endlich bereit, zur Sache zu kommen? Denn Ihre letzten Ausführungen haben doch gezeigt, daß für das, was „abgewirtschaftet" heißt, in erster Linie die CDU, die nun seit 1949 in der Regierung ist, verantwortlich ist. Wir sind bereit, für alles, was wir in der Regierung getan haben, voll die Verantwortung zu tragen.
Das scheint mir nicht ganz der Fall zu sein. Herr Sander, seien Sie mir nicht böse, aber ich muß auch das nächste gleich noch sagen. Der Herr Kollege Logemann sprach von der völlig falschen Weichenstellung. Ja, Herr Logemann, Sie waren über viele Jahre hinweg mit uns zusammen gemeinsamer Weichensteller für diese Agrarpolitik, die Sie jetzt ein kurzes Jahr nach Ausscheiden aus der Regierung für so schrecklich falsch halten. Das darf ich als Zweites noch hinzufügen.
Eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Peters.
Herr Bauer, stimmen Sie mit mir darin überein, daß von dem Zeitpunkt an, wo die Große Koalition besteht, in der Agrarpolitik wesentlich andere Weichen gestellt worden
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Peters
sind und daß von dem Zeitpunkt an die Zusagen der Regierung Erhard, für die ja auch die CDU, die SPD und die FDP verantwortlich sind, nicht mehr eingehalten worden sind?
Herr Kollege Peters, auf diese Zusagen will ich noch zu sprechen kommen, wenn Sie es darauf abstellen. Ich wollte nur klarmachen, daß es keinen Sinn hat, sich von etwas, was man einmal gemeinsam mit dem Koalitionspartner eingeleitet und bewerkstelligt hat, hinterher wegzudrücken, als ob es sich bei dem, was nun geschehen ist, um ein lediges Kind handeln würde.
Sie sind in einer ganz legitimen Koalitionsehe mit uns verbunden gewesen, und das sollten Sie nicht wegleugnen.
Ich darf noch etwas sagen, Herr Kollege. Dem Minister Höcherl haben Sie wieder einmal unterstellt, er würde sich von den preispolitischen Entscheidungen wegdrücken, wenn er sagt: Brüssel sei hier zuständig. — Ja, Herr Kollege Logemann, ist dem nicht so? Ist es nicht so, daß in den Bereichen, in denen wir bereits gemeinsame Marktordnungen haben, in der Tat Brüssel zuständig ist? Sie haben völlig recht: wir haben in Brüssel eine von den sechs Stimmen, aber nur eine, und insofern kann selbstverständlich jeder Minister eines jeden Landes initiativ werden. Aber deswegen dem Minister, der die Tatsachen feststellt, der sagt, wie es bei der Preisbildung und -gestaltung innerhalb der EWG ist, zu unterstellen, er drücke sich von einer Verantwortung weg — sehen Sie, das ist auch diese Art der Darstellung, die mir nicht gefällt, die mir nicht ganz paßt. Ich meine, Herr Logemann, solche Übertreibungen helfen uns nicht weiter.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja, also bei Herrn Mauk kann ich überhaupt nicht nein sagen. Bitte sehr, Herr Kollege Mauk.
Herr Kollege Bauer, Ihnen dürfte bekannt sein, daß bei den Beschlüssen in Brüssel auch die deutschen Minister dabei sind und daß doch nur so beschlossen werden kann, wie die deutschen Minister mit beschließen,
und daß der Herr Höcherl das mit zu verantworten hat, was dort beschlossen wird.
Herr Kollege Mauk, ich will Ihnen sehr höflich antworten; aber ich möchte Ihnen doch klarmachen, daß ich genau dasselbe gerade gesagt habe. Ich habe gesagt: wir
sind in Brüssel einer von sechs. Wir sitzen nicht mehr allein, sondern dort sitzen fünf andere mit uns am Tisch. Natürlich — das habe ich gleichzeitig hinzugefügt, Herr Kollege Mauk — wir stellen nur einen von den Sechsen. Aber es ist doch unzweifelhaft, daß viele dieser Entscheidungen heute in der Tat auf der Ebene von Brüssel getroffen werden. Da nun zu versuchen, sich so auf diese elegante Weise herauszumogeln, wie Sie das immer wieder tun, das gehört doch auch zu dein Punkt, zu dem ich sagte: wir müssen diese Diskussion mit großem Ernst, mit großer Offenheit und in gegenseitiger Ehrlichkeit führen.
Herr Kollege, —
Darf ich fortfahren, Herr Präsident?
Sie dürfen fortfahren; Sie können die Zwischenfrage ablehnen.
Ohne daß Sie mir noch böse sind, möchte ich dann zur Sache kommen. Ich habe noch etwas, was an die Adresse — —
Herr Kollege Bauer, wissen Sie eigentlich — —
Einen Augenblick! Herr Abgeordneter, Sie dürfen erst reden, wenn ich Ihnen das Wort gebe. Sonst reden schließlich alle durcheinander, und im Hinblick auf die Mikrofone wird das dann ein bißchen schwierig. Also jetzt, Herr Sander, zu Ihrer Frage.
Herr Kollege Bauer, sind Sie nicht wirklich der Meinung, daß man — ich will nur einige Artikel nennen — bei Obst und Gemüse, bei Kartoffeln und teilweise bei Schweinen unzeitgemäße Einfuhren zugelassen hat und daß man bei Kartoffeln und Obst durch, sagen wir mal, eine bessere Marktordnung doch bessere Preise hätte erzielen können?
Herr Kollege Sander, was Sie jetzt anschneiden, ist ein ganz, ganz weites Gebiet. Ich greife nur das letzte — bessere Marktordnung bei Obst und Gemüse — heraus. Es fällt mir beinahe so schwer wie dem zuständigen Ressortminister, eine solche Frage und die dahinter stehenden unterschiedlichen Interessenlagen gerade bei der Frage der Marktordnung für Obst und Gemüse hier in der Öffentlichkeit darzulegen, ohne größeren Schaden für die jetzt in Gang befindliche Verhandlungsrunde über Rindfleisch und Milch anzurichten.
Das ist das Hemmnis, sehr verehrter Herr Kollege.Seien Sie nicht böse: Wenn man mit fünf anderen
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verhandeln muß und dann hier sozusagen auf dem offenen Markt — und dieses Haus ist offen für alle Ohren – alles vorher austrägt, dann schädigt man und stört man die Möglichkeiten und die Position und die Taktik
des von Ihnen hier so oft angegriffenen Ministers. Und darum bitte ich Sie, mir nicht böse zu sein, wenn ich gerade zu diesen Dingen im Augenblick keine Ausführungen machen will. Denn unser Minister steht, das wissen Sie, in sehr schwierigen Verhandlungen um zwei, wie ich meine, für unsere Landwirtschaft sehr wichtige Gebiete, nämlich bei Rindfleisch und Milch.Aber ich habe ja gesagt, Sie sollen mir die Möglichkeit geben, zunächst ein freundliches Wort an den Vorsitzenden unseres Koalitionspartners zu sagen, der davon sprach, daß sich bei der heutigen Debatte etwas Neues ergeben habe, daß sich nämlich plötzlich hier nicht nur die Insider, sondern auch die Outsider betätigten. Ich bedauere außerordentlich, daß der Kollege Schmidt nicht mehr da ist und ich ihm dieses Kompliment nicht mehr selber machen kann, daß er sich heute hier zu Wort gemeldet hat. Wenn sich aber der Herr Fraktionsvorsitzende dieses Koalitionspartners hier zu Wort gemeldet hat, dann muß ich natürlich, auch wenn er jetzt nicht da ist und da bitte ich vielmals umNachsicht , darauf antworten dürfen; denn der Herr Kollege hat gemeint, Provokationen und Demonstrationen, die insbesondere die Gefahr in sich bergen, möglicherweise den Verbrauchern in den falschen Hals zu kommen, seien gefährlich. Soweit einverstanden! Nur würde ich sagen, Herr Kollege Schmidt, das muß dann für alle Berufsstände gelten, denn mir sind aus der Vergangenheit Demonstrationen von anderen ähnlichen Organisationen bekannt, die durchaus von Ihnen toleriert worden sind, obwohl es sicher manchen anderen Leuten nicht ganz gefallen und nicht gepaßt hat.Eine sehr schöne Feststellung hat er getroffen, als er sagte, das Gesamtkabinett sei für die Landwirtschaft verantwortlich. Darüber freue ich mich sehr, denn bei uns ist das doch eine alte Erkenntnis, daß wir immer gesagt haben: Wir wünschen keine Agrarpolitik irgendwo hinter Schutzzäunen, sondern wir wünschen eine Landwirtschaftspolitik, die ein fester Bestandteil unserer Gesamtpolitik und damit auch der gesamten Wirtschaftspolitik ist. Nur werde ich leider dem Herrn Wirtschaftsminister hernach bei meinen Ausführungen noch etwas mitgeben müssen — ich darf es dann seinem Staatssekretär sagen —: Diese Mitverantwortung bedingt dann natürlich auch das Mithandeln, wenn es darum geht, wie ich meine, legitime, vernünftige Dinge für diesen Teil unserer Volkswirtschaft im Kabinett zu beschließen und festzulegen.
In der Frage des Wirtschaftswegebaus würde ich nicht allzu engherzig sein, wenn der Kollege Schmidt hier in dieser Frage aus seiner eigenen Anschauung, von seinem Häuschen aus, einen etwas falschen Eindruck bekommen hat; wir wollen ihm das nach-sehen. Ich möchte ihm aber doch sagen — und ich muß das unterstreichen, was hier Herr Kollege Logemann gesagt hat : Zu der Erstausstattung je- der vernünftigen Erschließung des flachen Landes gehört doch gerade, in erster Linie die Verkehrsverhältnisse zu vebessern. Ich muß Ihnen sagen, solange das einigermaßen im vertretbaren Rahmen geblieben ist, freue ich mich über jeden Kilometer Wirtschaftswegebau, den wir innerhalb und außerhalb der Flurbereinigung bisher gebaut haben,
und ich bin überzeugt, daß der Herr Schmidt es auch tut. Dort, wo er es noch nicht weiß, Herr Kol- lege Dr. Schmidt, wäre ich dankbar, wenn Sie ein bißchen für Nachhilfe sorgen würden.
— Sehr schön!Konservierung alter Strukturen! Ich würde mich jetzt gern wieder an die Adresse des Herrn Kollegen Schmidt wenden. Meine sehr verehrten Kollegen der SPD aus dem Ernährungsausschuß dieses Hohen Hauses, auch hier sollten Sie einmal ein kleines Privatissimum mit Ihrem Faktionsvorsitzenden anstellen; denn er müßte doch wissen, daß gerade dieser oft als so rückständig angesehene und angeblich Strukturen konservierende Berufsstand — —
— Herr Kollege Schmidt, ich habe es so gehört, und darauf antworte ich. Sollte es anders sein, stehe ich nicht an, das in Ordnung zu bringen, auch von diesem Pult aus.Sie müßten Ihrem Fraktionsvorsitzenden sagen, daß es in der Bundesrepublik keinen anderen Berufsstand gibt, der in den letzten 20 Jahren, was die Rationalisierungserfolge anbelangt, irgendeinen Konkurrenten hätte, der weitergekommen wäre als die angeblich so rückständige deutsche Landwirtschaft.
Das muß einfach zur Kenntnis genommen werden, und das ist auch von Ihnen ganz sicher unbestritten. Was auf diesem Gebiete geschehen ist, was von unserer Landwirtschaft geleistet worden ist, das ist doch längst Geschichte. Diese Landwirtschaft hat — das wissen Sie — seit 1900 ihre Produktionskraft, ihre Leistung verfünffacht. Sie hat die Produktion seit 1950 um 340 O o gesteigert, und das alles bei den bekannten Zahlen: jährliche Verminderung um 30 000 ha landwirtschaftlichen Grund und Bodens, bei 2 Millionen ausgeschiedenen Arbeitskräften und und und! Jetzt höre ich aber gleich auf, weil das doch Dinge sind, die an Ihre Adresse zu sprechen falsch wäre; denn Sie sind genau darüber unterrichtet.Es ist hier die Frage gestellt worden, ob es richtig war, daß der Herr Bundeskanzler bei einer anderen Gelegenheit von diesem Platze aus auch ein Wort des Dankes an die Bäuerin gerichtet hat. Meine sehr
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Bauer
verehrten Damen und Herren! Ich bin dem Herrn Bundeskanzler dafür sehr dankbar.
Natürlich gebe ich dem Kritiker recht: es wäre selbstverständlich zuwenig, Herr Bundeskanzler — das wissen Sie, und wir hatten bereits Gelegenheit, in vielen Gelegenheiten darüber zu sprechen —, wenn dieser Dank allein stünde. Aber Ihre Anwesenheit heute und gerade auch Ihr Verhalten in der vorigen Woche in jener heute schon angesprochenen Fraktionssitzung in Berlin ermutigen mich, zu sagen, daß zu diesem Dankeswort des Bundeskanzlers seine Einstellung und seine Taten im Kabinett, in seiner Regierung hinzukommen.
— Meine Damen und Herren, ist es denn anders? Hier muß ich mich wirklich wundern.Herr Kollege Logemann, Sie haben vorhin dem Minister Höcherl wieder einmal den Vorwurf gemacht, er habe sofort eingegriffen, nachdem hier zwei Leute der Regierungsparteien gesprochen haben. Ich war sehr froh, daß er eingegriffen hat. Denn was hat er hier gesagt? Ich greife nur zwei Dinge heraus, über die wir uns eigentlich gemeinsam freuen sollten. Dieser Bundeslandwirtschaftsminister hat in Gegenwart des Herrn Bundeskanzlers und einer ganzen Reihe von Regierungsmitgliedern erstens einmal die Feststellung hinsichtlich der zusätzlichen 200 Millionen DM getroffen, die heute vormittag im Haushaltsausschuß — auch mit Genehmigung und Zustimmung dieser Großen Koalition — „eingesegnet" worden sind. Er hat zweitens klargemacht, daß die feierliche Verpflichtung bezüglich der 260 Millionen DM auch eine Verpflichtung für die jetzige Koalitionsregierung ist.
Sehen Sie, Herr Logemann, schon aus diesem Grunde bin ich sehr froh, daß der Herr Minister hier rechtzeitig das Wort ergriffen hat, solange diese Bank rechts von uns noch sehr gut besetzt war und solange vor allen Dingen der Chef dieser Regierung hier noch anwesend war.
Aber nun müßte ich eigentlich mit dem beginnen, was ich Ihnen hier sagen wollte. Herr Kollege Bauknecht und auch der Kollege Schmidt haben erfreulicherweise sehr viel über das Kapitel Unruhe und berechtigte Unruhe in unserer Landwirtschaft gesprochen. Ich will deshalb dazu keine längeren Ausführungen mehr machen, sosehr es mir am Herzen läge, klarzumachen, daß wir in diesem Hohen Hause zu einer richtigen Würdigung und Beurteilung auch dessen kommen müssen, was zur Zeit draußen vorgeht und was wir alle miteinander mit Sorge beobachten. Lassen Sie mich zu dem Kapitel nur zwei Dinge sagen. Ich bin der Meinung, daß das, was sich bisher draußen abgespielt hat, durchaus im Rahmen liegt. Aber auch kein Bauernverbandspräsident und kein Kreisobmann kann es verhindern, wenn eine noch so gut gemeinte Demonstration von rechts- oder linksradikalen Kräften mißbraucht wird und es dann zu Ausuferungen kommt.Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen gleich etwas anderes. Hoffentlich stimmt es nicht, was ich gehört habe, daß angeblich bei künftigen Versammlungen sogar ein Kollege aus diesem Hohen Hause gemeinsam mit einem Vertreter der NPD bei einer solchen Demonstration aufzutreten beabsichtigt.
Meine Damen und Herren, hier würde ich wirklich herzlich darum bitten — von links bis ganz rechts —, lassen Sie uns doch bitte in dieser Frage — mögen die Flammen der Entrüstung, der Empörung oder der Demonstration noch so hoch gehen — vor allen Dingen zunächst und zuerst unsere gemeinsame Verantwortung gegenüber diesem Staat, die uns übertragen worden ist, in den Vordergrund stellen, bevor wir in irgendeiner Form solche Situationen für parteipolitische oder andere Zwecke — ich weiß nicht, wofür — etwa mißbrauchen.
Ich würde also meinen, daß das, was in der Vergangenheit geschehen ist, schon Grund genug zur Unruhe wäre.Herr Präsident Bauknecht hat auf die desolaten Zustände auf den Märkten und auf die Preissituation bei einzelnen Märkten hingewiesen. Trotzdem sage ich Ihnen, noch mehr bedrückt unsere Landwirtschaft der Blick in die Zukunft und die Frage, was werden wird. Ich glaube, die Entscheidungen, die vor uns liegen, sind für sie von noch größerer Bedeutung. Dieses Zukunftsbild ist eigentlich der Ausfluß ihrer gegenwärtig zum Ausdruck kommenden Existenzangst. Ich glaube — das sage ich auch an die Adresse der Regierungsbank hier zur Rechten —, alle Aussagen, die wir hier zu tun haben, sollten sich weniger nach rückwärts als vielmehr nach vorwärts darauf richten, was ist und was kommen wird.
Hierzu gibt es, glaube ich, ein paar Dinge richtigzustellen.Sicherlich, Herr Minister Höcherl, Sie haben sich einmal vor einem halben oder Dreivierteljahr im Bulletin der Bundesregierung ganz klar und deutlich zum Kleinbauerntum geäußert. Aber wie es halt immer so geht, die Dinge gehen unter, werden nicht beachtet, obwohl man dort alles nachlesen konnte. Sie haben sich bei Ihrer Einbringungsrede wieder klar und eindeutig geäußert. Aber, Herr Minister, es gibt daneben leider Gottes Äußerungen von einem aus Ihrem Hause geschiedenen hohen Beamten bis hin zu einem Kommissar drüben in Brüssel, die genau das Gegenteil aussagen. Ich muß sagen, hier ist Herr Mansholt noch der ehrlichste. Er sagt wenigstens klipp und klar: Ich habe für den Zu- und Nebenerwerbsbetrieb nichts übrig; ich sehe auch keine Chancen für seine Zukunft.Ich meine, hier ist eine der Ursachen für die Existenzangst. Daher müssen wir zu dieser Frage
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eine ganz eindeutige Antwort geben. Ich brauche es für meine Fraktion wohl kaum zu tun, denn wir haben oft genug erklärt, wie unser Bild von der Gesellschaftsstruktur auch im Bereich der Landwirtschaft in der Zukunft aussehen soll. Wir sind der Meinung, daß gerade die Vollerwerbsbetriebe, über die wir so oft in der Vergangenheit geredet haben, größere Sorgenkinder der Zukunft sein werden als unsere Zu- und Nebenerwerbsbetriebe, die manche heute am liebsten schnell verschwinden lassen möchten.Meine Damen und Herren, ich sagte schon, ich bin der Meinung, daß das, was in der Zukunft liegt, unsere Landwirte vermutlich noch mehr beunruhigt — vielleicht auch so manches Ereignis der Gegenwart.Jetzt sage ich etwas an die Adresse des Herrn Staatssekretärs im Wirtschaftsministerium, nachdem sein Minister nicht mehr da ist. Herr Staatssekretär, natürlich würden wir uns zunächst alle miteinander freuen, wenn Ihr Haus die derzeitige wirtschaftliche Lage so beurteilte, daß es glaubt, bereits im Laufe dieses Sommers wieder Arbeitgeber und Arbeitnehmer kräftig an die Kasse bitten zu können — völlig einverstanden. Ich teile auch die Meinung, die Herr Kollege Ravens geäußert hat: Wir sind an einer starken Kaufkraft der Gesamtbevölkerung sehr interessiert. Der Wirtschaftsminister müßte sich nur — das müssen Sie Ihrem Minister sagen, Herr Staatssekretär — bei seiner von dem Herrn Fraktionsvorsitzenden bestätigten Gesamtverantwortung, also auch für die Agrarpolitik, fragen, wie sich dieses Mehreinkommen von 5 oder 6 % auch im Bereich dieses Teils unserer Wirtschaft, nämlich der Landwirtschaft, verwirklichen läßt.
Hier gibt es ein paar ganz bescheidene Dinge, die mit etwas mehr Elan und mit etwas mehr Liebe zu diesem Berufsstand künftig im Kabinett angefaßt werden müßten. Herr Bundeskanzler, ich plaudere wohl nicht zuviel aus der Schule, wenn ich sage: Uns Agrarpolitiker hat es ein bißchen gewurmt, als wir hörten, daß es einiger Anläufe im Kabinett bedurft hat, als es darum ging, den Trinkmilchpreis um 2 Pf zu erhöhen. Meine Damen und Herren, das gehört zu diesen Ärgerlichkeiten, die zu dieser Existenzangst und zu diesen Sorgen führen.Lassen Sie mich frei und offen sagen: wenn ich jetzt wieder höre, daß im Zusammenhang mit dem so wichtigen Beschluß über die Qualitätsverbesserung und die Auffettung der Trinkmilch auf 3,5 % gar von der Frau Gesundheitsministerin Sorgen ob der Gesundheit der deutschen Bevölkerung geäußert werden, wenn sie eine so fette Milch trinken müsse, dann bin ich der Meinung, es gäbe sorgenvollere Aufgaben für die Frau Ministerin.
Ich denke etwa daran, als wie gefährlich auch von diesem Pult einmal die Tbs- und Bang-verseuchten Rinderbestände unserer Landwirtschaft dargestellt wurden und wie wir die Tierhalter zu einem Aufwand von Hunderten von Millionen ermuntert ha-ben und auch mitgeholfen haben; das sage ich gleich dazu.
— Ermuntert haben wir unsere Landwirtschaft. HerrMertes, das war eine höchst deplazierte Bemerkung.
— Ich habe klar und deutlich gemacht, worum es sichhandelt. Wissen Sie, wenn man sachlich nichts zubemerken hat, dann macht man solche Zwischenrufe.
Wiederholt ist also die große gesundheitspolitische Bedeutung dieser Maßnahme, sowohl was die Versorgung unserer Menschen mit Fleisch als auch was ihre Versorgung mit Milchprodukten anlangt, herausgestellt worden. Freilich, die Frau Ministerin kann nicht verhindern, daß französische oder aus anderen Ländern stammende Milch oder Fleischprodukte über die Grenzen kommen. Aber es wäre eine gute Sache, Frau Ministerin, wenn Sie in Ihrer Fürsorge um den deutschen Verbraucher einmal sagten, wie gefährlich diese Produkte sein können, da die anderen noch nicht so weit sind wie wir.
Das wäre ein Beitrag zugunsten der deutschen Landwirtschaft und der deutschen Ernährungswirtschaft, der absolut auf Tatsachen und Qualitätsunterschieden beruht. Wir könnten das ruhig sagen, ohne jemanden wehzutun und ohne daß es etwas kostet.Herr Minister Höcherl, Ihnen sage ich auch gleich etwas. Wenn Ihr Kollege Herr Mansholt so mit dem Schlachtmesser gegen die Kühe der kleinen Kuhhalter vorgeht, dann machen Sie auch dem Herrn Mansholt klar, daß es etwas Besseres zu schlachten gibt. Dann soll er einmal an die nicht Tbc- und Bang-freien Tiere unserer Partner in der EWG gehen. Wir sind gerne bereit, die dadurch entstehenden Lücken aus unserem deutschen Rinderstapel aufzufüllen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Hammans?
Bitte, Herr Kollege!
Herr Kollege Bauer, ist Ihnen nicht bekannt, daß die Bedenken der Gesundheitsministerin dadurch erheblich gemindert werden, daß in Zukunft eine zweite Milchsorte angeboten wird, deren Fettgehalt wesentlich niedriger sein wird?
Mir ist das allerdings bekannt, Herr Kollege. Ich bin aber noch nicht sehr glücklich darüber. Denn ich bin nicht sicher, ob uns ein so breit gefächertes Angebot nützt. Wir haben das in der Bundesrepublik alles schon einmal durchexerziert und haben die Erfahrung gemacht, daß es uns gar nichts genützt hat. Auch heute gibt es schon magere Milchsorten für denjeni-
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gen, der vor 3,5 % Fett Angst hat. Dies ist übrigens der Zustand, in dem die Kuh die Milch normalerweise uns Menschen gibt. Wir haben nur bisher eingegriffen und haben diesen Fettgehalt bekanntlich gesenkt. Dieses Überbleibsel aus einer Zeit, als in Deutschland Ernährungsgüter rar waren und das Fett knapp war, sollten wir endlich einmal beseitigen. treidepreissenkung durch mehr Veredelung aufzuMan muß so oft hören, um wieviel schlechter angeblich die deutsche Trinkmilch ist. Man kommt dann ganz zwangsläufig zu der Forderung, diese mindere Qualitätsbewertung endlich aus der Welt zu schaffen. Wenn die Trinkmilch auf 3,5 % aufgefettet und voll homogenisiert wird, werden Sie bald feststellen, daß auch die deutsche Trinkmilch genauso vollmundig, genauso gut und genauso wohlschmeckend ist wie die, die Sie in Skandinavien oder in Amerika trinken. Dazu kommt es aber nicht, solange wir uns hier nicht zu einer Neuregelung aufraffen. Hier ist bei uns das Kabinett am Zuge und niemand anders. Die Materie ist bis jetzt gesetzlich geregelt und muß von da her in Ordnung gebracht werden.Meine Damen und Herren, ich komme noch ganz kurz auf ein Kapitel zu sprechen, wobei ich vielleicht auch den Unwillen meiner eigenen Fraktionsfreunde hervorrufe, Herr Logemann. Jetzt sage ich auch etwas an die Adresse in der Mitte. Ziehen wir heute Bilanz und fragen wir uns bei dieser Diskussion, was die besorgte und beunruhigte Landwirtschaft an diesem Augenblick von dem Hohen Hause, von dem Bundestag und der Bundesregierung erwartet. Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen eines: sie erwartet vor allen Dingen, daß das, was wir hier ankündigen, durchführbar, realisierbar ist und nicht in irgendeiner Form wieder zurückgeschraubt werden muß.
Herr Logemann, das gehört mit dazu.Man muß gleich ehrlicherweise hinzufügen, daß das Angebot dann nicht mehr ganz so reichlich sein kann. Wenn die Kassen leer oder leerer sind, wird das Angebot natürlich geringer. Aber ich bin der Meinung ,daß wir uns mit unserer Landwirtschaft so weit werden verständigen können, daß wir sagen, lieber weniger, aber bei dem, was wir hier miteinander absprechen, bleibt es, es sei denn, es treten Dinge ein, für die wir alle uns — ganz gleich, von links bis rechts — hoffentlich nie werden hinstellen müssen.Ich meine auch, daß unsere Landwirtschaft — ich weiß jetzt nicht, von wem das zuletzt hervorgehoben worden ist — etwas von der deutschen Wirtschaft erwartet. Meine Damen und Herren, wie oft ist schon erklärt worden, daß die Landwirtschaft --- wie soll ich es sagen? — immer wieder das Brecheisen war, um in der europäischen Politik vorwärtszukommen, daß man sie immer wieder auffordert, vernünftig zu sein, Opfer zu bringen. Sie hat bisher den perfektesten Weg des Zusammenschlusses gefunden. Die gewerbliche Wirtschaft hat sowieso nur die Absicht, sich in einer Zollunion zusammenzufinden. Warum muß das alles geschehen? Es muß deshalb geschehen, weil wir wissen, daß sich die gewerbliche Wirtschaft im Rahmen dieses Zusammenschlusseseinen bedeutenden Zuwachs ihrer Absatzchancen für die 180 Millionen Menschen ausrechnet.Wenn dem so ist, dann sage ich an die Adresse der gewerblichen Wirtschaft: Helft doch der Landwirtschaft, wenn es wirklich gelingen sollte, erneut einen Aufwind zu bekommen und erneut Rationalisierungserfolge zu erzielen! Bitte, denkt auch einmal daran, daß man diese Erfolge nicht allein zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern aufteilt! Es gäbe auch die Möglichkeit, einen Teil davon über die Preise zurückzugeben und auf diese Weise Kostensenkungen auch für die Landwirtschaft und viele andere Bereiche unserer Wirtschaft in die Wege zu leiten.
Auch das gehört zu den Sünden der Vergangenheit. Wenn wir sie als solche bekennen, dann sollten wir sie eigentlich bekämpfen und versuchen, es in der Zukunft besser zu machen.Ein Weiteres erwartet die deutsche Landwirtschaft auch von dieser Bundesregierung und von uns. Wir sind heute drauf und dran, in vielfältiger Form eine neue Politik zu machen. Ich erinnere an unsere Ostpolitik, an die Politik der kleinen Schritte, der allmählichen Auflockerung, der Aufeisung und Enteisung des Klimas im Osten drüben. Alles wunderbar und schön! Eine Sache, die uns alle miteinander angeht. Aber wenn aus einer solchen Politik heraus Opfer entstehen, muß klarsein, daß diese Ostpolitik nicht wegen der deutschen Bauern, sondern wegen des deutschen Volkes betrieben wird. Es muß versucht werden, Opfer, die hier entstehen, auf alle Schultern zu verlagern, soweit das Menschenkraft und Menschenkunst überhaupt vermag. Auch das erwartet unsere Landwirtschaft von uns.
Dann einiges zur Betriebsstruktur. Herr Minister, ich habe schon bei anderer Gelegenheit gesagt, daß wir von dem desolaten Zustand herunter müssen, den wir jetzt haben und bei dem es so aussieht, als ob Zu- und Nebenerwerbsstellen gewissermaßen die Fußkranken der Nation oder insbesondere die Fußkranken der deutschen Landwirtschaft wären. Wir müssen diesen Leuten im Gegenteil klarmachen, daß sie auch in unserer dynamischen Wirtschaft eine Überlebenschance haben und daß sie auch in Zukunft Teil unserer Landwirtschaft sein werden. Sie sollen also keine Landwirte zweiter Klasse sein, die sich da einzuordnen haben, sondern diese Zu- und Nebenerwerbsstellen gehören wirklich zu den Betriebsformen, auf die hin unsere Politik klar und eindeutig ausgerichtet ist.Herr Minister, Sie selber haben ausgeführt, doll die Zahl dieser Zu- und Nebenerwerbsstellen sicherlich weiter wachsen werde. Sicherlich werden auch noch weitere Betriebe ausscheiden, und zwar ohne Druck. Es sind auch schon bisher Betriebe freiwillig ausgeschieden. Aus dieser Sorge heraus wurden nun hier verschiedene Gesetzesvorschläge eingereicht. Mit ihnen sollen auf gesetzlicher Grundlage zusätzliche Anreize gegeben werden. Herr Dr. Schmidt, Anreize zur Betriebsabgabe, zur Umschulung sind nach meiner Ansicht aber erst dann sinn-
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voll, wenn für diese Menschen Ersatzbeschäftigungsmöglichkeiten vorhanden sind, wenn also die Arbeitsplätze für den Zu- oder Nebenerwerbsbetrieb im außerwirtschaftlichen Bereich entweder im Entstehen begriffen oder schon da sind.Ich bin nun der Meinung, daß man dieses Problem besser über Richtlinien und den Haushalt als fiber ein Gesetz lösen kann. Aus dem Gesetz würden nämlich nur Rechtsansprüche abgeleitet werden, die uns unter Umständen in manchen Phasen dieser Entwicklung recht unbequem werden könnten, sei es, das wir das finanziell eines Tages nicht mehr verkraften können, sei es, daß dieser Prozeß ein Tempo annimmt, bei dem wir dann mit der Verbesserung der Infrastruktur und den damit verbundenen Kosten in keiner Weise mehr mitkommen.Lassen Sie mich noch etwas anderes sagen. Wie oft ist von diesem Podium aus schon das Recht auf Heimat angesprochen worden. Ich möchte neben diesem Recht auf Heimat heute ein anderes Recht neu postulieren: das Recht auf die ländliche Heimstatt derjenigen, die hier weichen oder auf den Zu-oder Nebenerwerbsbetrieb übergehen.
Wenn man dieses Recht auf die ländliche Heimstatt anerkennt, dann muß man aber auch dafür sorgen, daß diesen Menschen in der Nähe oder in zumutbarer Nähe ihrer ländlichen Heimstatt die erforderlichen Arbeitsplätze im außerlandwirtschaftlichen Bereich gegeben sind. Hier ist nun eine wirklich großartige Aufgabe der Koordinierung unserer Wirtschafts-, unserer Agrar- und unserer Verkehrspolitik gegeben. Um es ganz deutlich zu sagen — der Kollege Logemann hat das auch schon angesprochen , hier würde ein Stück Koordinierung mehr uns sicherlich wesentlich weiterhelfen.Der Kollege Berberich wird nachher noch zu den sozialen Fragen Stellung nehmen. Ich dart mich deshalb jetzt noch mit einer Sache beschäftigen, die mich jedesmal ärgert. Es gibt auf dem Gebiet der Verbraucheraufklärung gewiß sehr viel zu tun, und wir sind hier, Herr Minister, hei der Gewährung von finanziellen Mitteln für diese Aufgabe großzügig. Organisierte Verbraucherschaft — gut, einverstanden! Das muß wohl heute 'so sein; ich verstehe es nicht, aber es muß so sein. Vielleicht werde ich wirklich mal aufgeklärt, warum das alles so sein muß. „Organisierte Verbraucherschaft", ich betone das ausdrücklich. Wir geben sehr viel Geld aus und meinen, daß diese Verbraucheraufklärung auch dazu dienen würde, gegenseitig die Probleme etwas verständlicher zu machen und hier für einen gewissen Ausgleich zu sorgen.Die „Verbraucherpolitische Korrespondenz" hat nun zum Grünen Bericht wieder eine merkwürdige Begleitmusik gegeben. Es heißt im letzten Teil dieses Blattes — mit Genehmigung des Herrn Präsidenten darf ich zitieren —:Es wäre nützlich, wenn der Grüne Bericht in Zukunft auch darüber eine klare Aussage brächte, in welchem Umfang sich die Preise der einzelnen Agrarprodukte in der Bundesrepublik und in der EWG über dem jeweiligenWeltmarktniveau bewegen; nicht nur den Verbrauchern, deren Ernährungskosten davon abhängen, sondern gerade den landwirtschaftlichen Unternehmern selber würde damit verdeutlicht, auf welchem Leistungsniveau sie sich innerhalb der Volkswirtschaft befinden.Meine Damen und Herren, rücksichtsvollerweise rücksichtsvollerweise!—gehe ich davon aus, daß der Verfasser dieser Zeilen nicht wußte, was er hier sagt. Ich bin ja nicht so bibelfest; da gibt es diesen Spruch: Oh Herr, dunkel ist ihrer Rede Sinn! Unter diesem Motto sage ich rücksichtsvollerweise: man wußte nicht, was man hier verlangt. Man müßte sich sonst darüber im klaren sein, daß diese Weltmarktpreise manipuliert sind, daß sie politischen und kommerziellen Spekulationen ausgesetzt sind und daß diese Weltmarktpreise niemals etwas über die Produktionskraft oder Produktionsleistung oder gar über die Produktionskosten auszusagen vermögen.Um es an Hand eines Beispiels ganz hart zu sagen, meine Damen und Herren: Der Weltmarktpreis für Butter, für gute Butter, ist zur Zeit etwa 1,60-1,80 DM. Wenn die europäische Landwirtschaft von Skandinavien his Sizilien zu diesem Preis produzieren müßte, meine Damen und Herren, was hier als Leistungsmesser sozusagen verlangt wird, dann wäre das nichts anderes als die Forderung: Zurück zu Sklavenlöhnen und zu Lebensverhältnissen von Sklaven!
Für 1,60 und 1,80 DM gibt es keinen Lohn mehr für unsere Bauern oder ihre Mitarbeiter.Ich meine, in einem solchen Maße darf es bei der Verständigung nicht fehlen. Das ist hart und tut weh, und mir tut es auch weh, daß ich es hier ansprechen muß, aber diejenigen, die so etwas lesen — auch im Bereich unserer Land- und Ernährungswirtschaft —, können sich nur wundern.Ich hätte gern noch etwas darüber gesagt, daß unsere Landwirtschaft auch erwartet, Herr Minister, daß wir die Chancen der EWG, die uns so oft angekündigt werden — nach meiner Ansicht auch vorhandene Chancen —, kraftvoller nutzen, als das manchmal den Anschein hat. Ich habe heute bereits darauf aufmerksam gemacht, welchen Qualitätsvorsprung unsere Land- und Ernährungswirtschaft so- zusagen in diese EWG-Ehe mit einbringt. Wir haben durchaus berechtigte Chancen, daß eine ganze Reihe von Produkten nicht nur bei uns hier in der Bundesrepublik Anklang finden, sondern auch in den anderen Ländern. Dazu, Herr Minister, bedürfen wir einer etwas beweglicheren, rascher anpassungsfähigen Verwaltung, sei es hei Ihnen, sei es im Wirtschaftsministerium. Hier, bin ich der Meinung, sind wir noch ein bißchen unterentwickelt. Die Umstellung von einem Importland auf ein Exportland, die völlig neue Aufgaben mit sich bringt, bedeutet auch für unsere Beamtenschaft eine schwierige Umstellung. Herr Minister, hier ist es notwendig, zu versuchen, sich rascher den jeweils ver-
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änderten Marktsituationen anzupassen, wenn wir diese Chancen voll ausschöpfen wollen.
Noch ein letztes, meine Damen und Herren! Eines der großartigsten Dinge in der EWG, das sage ich auch hier in diesem Hause, ist ganz zweifellos der Außenschutz, den wir gegenüber den Drittländern nun auch für uns hier bekommen haben. Aber das setzt natürlich voraus, daß nun an diesem Außenschutz gegenüber den Drittländern nicht alle möglichen Mäuse und Ratten zu knabbern beginnen und den Zaun allmählich wieder unterminieren. Denn sonst haben unsere Bauern Angst, daß zwar keiner von ihnen ausbrechen, daß aber von draußen neue Gefahren hereinbrechen könnten.Darum bitte ich Sie sehr herzlich, Herr Minister: Der Tilsiter Friede, den Sie oder einer Ihrer Vorgänger einmal mit den Dänen geschlossen haben, ist ja so ein Modellfall. Es gibt in der Zwischenzeit eine ganze Reihe von ähnlichen Fällen. Ich meine nicht den Frieden von Tilsit — damit das ganz klar ist —, sondern den Tilsiter Käse.
Solche Dinge schaffen dann bei unseren Bauern das Gefühl: Jetzt haben wir endlich einen Knüppel in der Hand, mit dem wir uns einigermaßen wehren können, und siehe da, dann kommt wieder von links hinten einer und will uns ein Stück davon aus der Hand nehmen. Das gehört auch mit zu der Forderung, die ich gestellt habe: Ausschöpfen der Chancen und Möglichkeiten, die uns die EWG bietet.Nun, meine Damen und Herren, bin ich meinem Auftrag eigentlich schlecht gerecht geworden, denn ich hatte den strikten Auftrag meiner Fraktionsführung, den Entschließungsantrag zu Umdruck 366 noch zu begründen. Hochverehrte Opposition, ich verzichte darauf, weil ich der festen Überzeugung bin, daß Sie das, was dort steht, sicher mit uns gemeinsam werden durchführen wollen. Und hochverehrter Großer Koalitions-Partner, ich verzichte darauf, weil ich sicher bin, daß wir auch Ihre Unterstützung bei der Einbringung und Verabschiedung und bei der Überweisung des Umdruckes 366 haben werden. Sollte das nicht der Fall sein, Herr Dr. Schmidt, dann werde ich noch einmal hier antreten und werde versuchen, mit guten oder auch harten Worten alle miteinander auf diese Linie zu bringen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schmidt .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Wasserburg hat —
— es ist der alte Fehler; mein Versprecher, Herr Kollege Bauer, kommt immer deswegen, weil Sie so massiv wie eine Burg sind.
Einen Augenblick, Herr Kollege Bauer. Ich kann Ihnen eigentlich noch gar keine Frage gestatten. Der Redner hat ja noch gar nichts gesagt.
— Nein, lassen Sie ihn doch wenigstens anfangen!
— Lassen Sie ihnen einen Satz sagen, dann können Sie Ihre Frage landen.
Also schließlich und endlich muß der Mann, dem der Präsident das Wort erteilt hat, ja wenigstens erst einmal einen Satz sagen.
— Ach was, Herr Kollege Unertl, etwas Nettes können Sie der Welt immer sagen. Die Umwelt wird dann aufmerksam hinhören!
Also bitte, fangen Sie an, Herr Kollege!
Herr Kollege Bauer , Sie haben dem Kollegen Logemann geraten, Übertreibungen zu unterlassen, weil sie der Landwirtschaft nichts nützen. Ich möchte nach Ihren Ausführungen sagen, daß Sie sich an die eigene Brust klopfen müßten; denn Sie haben in vielen Bereichen weit, weit übertrieben. Ich kann natürlich nicht auf alles das eingehen, was heute meine Vorredner — ich bin hier in der zweiten Runde — schon gesagt haben; das würde zu weit führen. Ich wollte nur das Thema vertiefen, das mein Kollege Schmidt (Hamburg) von der Gesamtpolitik her erörtert hat.Ich beginne damit, daß ich mich ein wenig mit der Rede des Bundesernährungsministers befasse, die er uns vor vier Wochen gehalten hat. Wir alle haben damals Anfang Februar — diese Rede mit Spannung erwartet, weil man erwarten konnte, daß in dieser Rede ein Bericht über ein Jahr Regierungstätigkeit in der Großen Koalition zum Thema Agrarpolitik gegeben wird. Ich gebe zu, daß die Rede, die der Herr Minister gehalten hat, mit Prägnanz vorgetragen worden ist. Die ökonomistischen Darstellungen einiger einfacher agrarpolitischer Sachzusammenhänge haben auf Außenstehende, Herr Minister, einen großen Eindruck gemacht. Sie hatten eine außerordentlich gute Presse. Da war von „Durchbruch" die Rede, von der „Stunde der Wahrheit", von einer „Wende in der Agrarpolitik". In einer Zeitung war sogar von einer „Stunde des Offenbarungseides" zu lesen, und eine ganz große Zeitung bemerkte anschließend, daß nun aber die Taten folgen müßten. Ich will diese Beurteilungen nicht kommentieren. Aber ich möchte für meine Freunde ausdrücklich hinzufügen, daß die Ausbeute für uns nicht sehr groß war. Ich gebe zu, daß zum erstenmal ein CDU-Agrarminister es fertiggebracht hat, die Sachprobleme so nüchtern wie nur möglich darzustellen. Das war vorher nie der Fall. Aber vielleicht ist Herr Bundesminister Höcherl dadurch angespornt worden, daß sein Parteifreund und Parteivorsitzender, der Finanzminister Strauß, hier im Bundestag anläßlich einer Haushaltsrede
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Dr. Schmidt
auch so markante nüchterne Sätze ausgesprochen hat.
Ich möchte ausdrücklich hinzufügen, wir haben als SPD keinerlei sachliche Einwendungen gegen Ihre Ausführungen. Wir würden das eine oder andere Gewicht verlagern, aber von der Sache her müssen wir Ihnen zustimmen.Nur eines war mir aufgefallen, nämlich daß Sie bei der Abhandlung der ganzen Problematik zu den Marktproblemen — das sind doch die Kernprobleme überhaupt — kein Wort verloren haben. ich habe etwas anderes mit Freude festgestellt und registriert, nämlich daß Sie auch an der agrarpolitischen Vergangenheit der anderen Bundesregierung Kritik geübt haben. Ich weiß, das macht sich heute sehr gut. Der ehemalige Staatssekretär Hüttebräuker übt sich ja fleißig in entsprechenden Erklärungen. Bankrotterklärung seiner eigenen Tätigkeit, so möchte ich es bezeichnen. Nur ein Unterschied besteht: Der Herr Hüttebräuker ist pensioniert, und Sie sind noch im Amt; und das ehrt Sie.Wenn ich nun den Eindruck wiedergeben sollte den dieses Haus nach Ihrer Rede gehabt hat — und ich habe ja die Gesichter rechts von uns ständig beobachtet —, ja so schien es mir, daß manche Kollegen ihrer eigenen Fraktion und auch der Opposition sehr bestürzt waren — kein Wunder, die Bewältigung der agrarpolitischen Vergangenheit ist eine ganz schwierige Sache —, so daß hier die Frage erlaubt ist, ob und inwieweit die so nüchterne und klare Darstellung des Sachverhalts und der Probleme in diesem Hause überall Zustimmung gefunden hat. Daß ich Zweifel habe, darüber werde ich noch an anderer Stelle ein eindeutiges Wort sagen. Ich wünschte, die Rede wäre so aufgefaßt worden, wie wir sie im Grunde aufgefaßt haben.Aber bevor ich darauf zu sprechen komme, möchte ich einige Bemerkungen zum Grünen Bericht des Wirtschaftsjahres 1966/67 machen, weil mir das notwendig erscheint.Ich bin dankbar, daß Aussagen in einzelnen Teilen sicherer als früher geworden sind. Die Ergebnisse sind nicht unterschiedlich gegenüber dem vergangenen Jahr. Aus dem Bericht kann man die großartigen Leistungen der deutschen Landwirtschaft ersehen. Der Grüne Bericht gibt ein ganz gutes Zeugnis über den Anpassungswillen der Bauern, wenn man auch feststellen mußte, daß dieser Prozeß in der Rezession etwas rückgängig war. Auf eine gravierende Feststellung kann ich nicht verzichten — ich glaube, es ist d i e Feststellung überhaupt , daß die Einkommensdisparität innerhalb der Landwirtschaft stark zugenommen hat. Ich habe vor einem Jahr bereits an dieser Stelle darauf hingewiesen, ohne sichtbaren Erfolg in bezug auf die politischen Konsequenzen.Nun hat der Bundesernährungsminister die bisherige Vergleichsrechnung mit einem Gewinnvergleich erweitert. Ich will mich wegen der Zeit nicht im einzelnen damit befassen; in einer Erklärung habe ich bereits dazu Stellung genommen. Aber, Herr Bundesminister, ich möchte Ihnen die Frage stellen:Wozu soll dieser Gewinnvergleich überhaupt gut sein? Er stiftet Verwirrung, hat Verwirrung auf dem Lande gestiftet, und ich hielte es für dringend notwendig, daß Sie im kommenden Jahr Abstand von einer derartigen Darstellung nehmen.
Wir haben doch schon Schwierigkeiten genug mit der fragwürdigen Vergleichsrechnung, und ich hielte es nicht für tragisch, wenn man auch auf diesen Vergleich verzichtete.Damit möchte ich schon das Thema „Grüner Bericht" abschließen und mich nun der Lage zuwenden, in der wir uns heute draußen im Lande befinden. Sicher ist die Lage gegenüber dem vergangenen Jahr verändert. Ich will auch nicht die Gründe im einzelnen erörtern. Nicht nur die hohe Ernte und die hohe Produktion an Fleisch, auch die gesamtwirtschaftliche Lage hat zur Folge gehabt, daß die Preisrückgänge so erheblich gewesen sind. Und das wissen wir doch, daß die strukturellen Schwächen bei einer solchen Talfahrt besonders sichtbar werden und ungemütlich sind.Es ergibt sich für mich eine Erkenntnis: Rekordernten, wie wir sie gehabt haben, waren früher mal ein Segen. Mancher Betrieb und mancher Hof wartete auf solche Rekordernten, weil er sich dann sanieren konnte. Heute ist das Gegenteil der Fall; heute können sie ihn zum schnellen Ende führen.Die Wandlung vom Verkäufer- zum Käufermarkt mit all ihren Konsequenzen wird zu einer Dauersituation. Das ist ein ungewohnter Zustand für die deutsche Landwirtschaft, und ich möchte meinen, diese ganze Situation ist für den einzelnen Landwirt im Grunde genommen schwer überschaubar, ich meine sogar, er ist überfordert. Er gerät daher in eine Existenzangst, sieht keine Chance mehr, und dann geht er auf die Straße, weil er sich auch irregeführt sieht — irregeführt durch Maßnahmen in der Vergangenheit. Schon seit Jahren beobachten wir auf dem Lande den sich ausbreitenden Defaitismus. Ich meine, es ist dagegen zu wenig angegangen worden. Der Schwund an Vertrauen in die staatliche Agrarpolitik hat ebenfalls das Seine zu dieser Entwicklung beigetragen. Die Ursachen für diesen Vertrauensschwund, das müssen wir uns alle eingestehen, liegen Jahre zurück. Fehlleistungen über Fehlleistungen. Da gebe ich dem ehemaligen Staatssekretär Hüttebräuker recht: es hätte manches damals anders gemacht werden müssen, können und sollen. Aber das verantworten wir nicht. Ich will, wenn ich das hier anspreche, auch dem Koalitionspartner gegenüber keine Wunden aufreißen. Aber ich erinnere Sie an all das, was ich an dieser Stelle hier selber Jahr für Jahr und oft sogar zweimal gesagt habe. Die Unruhe, die wir heute haben, war im Grunde genommen schon seit Jahren vorauszusehen. Ich habe vor Jahren schon — der Kollege Bauknecht hat mich mehrere Male darauf angesprochen und gemeint, ich solle das Wort nicht wieder gebrauchen — von dem Scherbenhaufen gesprochen, der spätestens im Jahre 1967 für alle in der Landwirtschaft sichtbar sein würde. Und da sind wir heute. Ich meine, wir haben die Aufgabe — und8224 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 159. Sitzung. Bonn,Mittwoch, den 13. März 1968Dr. Schmidt
der unterziehen wir uns ja —, daß wir alle uns dieser Lage stellen. Alle Fraktionen sind aufgerufen und auch die Bundesregierung.Aus diesem Grunde, Herr Bundesminister Höcherl, habe ich zutiefst bedauert, daß Sie uns eine politische Antwort in Ihrer Rede schuldig geblieben sind.Dem Herrn Bundeskanzler, der ja vor zwei Tagen auch zu den Problemen der Landwirtschaft gesprochen hat, empfehle ich, sich etwas gründlicher und vor allen Dingen vielseitiger informieren zu lassen. Dann würde er sicher zu anderen Schlußfolgerungen kommen als vor zwei Tagen.Herrn Bundesminister Höcherl darf ich daran erinnern, daß ich vor einem Jahr seine Rede hier im Bundestag gelobt habe. Ich war von der Rede angetan, Herr Bundesminister, das wissen Sie, weil Sie mehr als ein Dutzend Vorschläge vorgelegt und auch die entsprechenden Initiativen angekündigt haben. Ich könnte die Liste hier aufführen; aber ich will darauf nicht eingehen. Es war mir sogar vergönnt, diese Ihre Liste an Vorschlägen im Innern durch ein europäisches Aktionsprogramm ergänzen zu können. Ich glaubte in der Tat nach jener Debatte, es gebe nun für uns einen agrarpolitischen Frühling, er sei angebrochen.Wir sind nicht glücklich darüber, Herr Bundesminister, daß es bei diesen Absichtserklärungen geblieben ist. Die Erstellung von Gutachten, der Gedankenaustausch mit den übrigen Ressorts, der Gedankenaustausch mit den Ländern ist schön und gut. Das Aufheben und Sammeln von Ideen und Vorschlägen habe ich selber Ihnen und dem ganzen Hause, allen Fraktionen vor Jahren empfohlen, und das haben Sie gemacht. Aber einmal muß doch gepfiffen werden, wenn man zu Potte kommen will. Ich räume ganz offen ein, daß die Last der Brüsseler Verhandlungsführung, die zähen Auseinandersetzungen mit den anderen Partnern an den Kräften des Ernährungsministers gezehrt haben, und ich räume ein, daß Sie tagaus, tagein ein Übermaß an Arbeit leisten.
Aber wenn die Regierung nur einiges von dem praktiziert hätte, was vor einem Jahr als Regierungserklärung angekündigt worden war -- und ich bin überzeugt, das Kabinett wäre Ihnen nicht in den Arm gefallen ---, dann brauchten Sie sich heute nicht in der Verteidigung zu befinden. Nur — das habe ich in diesem Hause gesagt — eine offensiv geführte Politik hätte uns über die heutigen Schwierigkeiten hinweggebracht.Damit, meine Damen und Herren, möchte ich dieses Kapitel abschließen, und ich möchte nun die Fragen beatnworten, die uns in den Kundgebungen und Versammlungen draußen dauernd gestellt werden. Ich habe selber ein Dutzend solcher Versammlungen gehabt und habe zu der Frage Rede und Antwort stehen müssen: Wie soll es weitergehen, und welche Chancen haben die Bauern, zu überleben? Dabei sollten wir alle ohne Rücksicht auch auf unseren Standort in diesem Hause offen und ehrlich sein. Wir sollten erklären, was die Politiktun kann, was sie tun wird und was sie nicht tun kann.Wir müssen darüber hinaus den Bauern ganz deutlich sagen, was 'sie selber tun müssen, und ich will es ihnen gleich sagen: sie müssen mehr tun als bisher.
Ich halte nichts davon, sich mit dem Jahre 2000 zu befasssen, wie es an anderer Stelle geschehen - ist. Mir reicht es schon, wenn ich die nächsten zehn Jahre in der Zielsetzung erfasse. Im Augenblick —und darauf kommt es an — brauchen wir kein agrarpolitisches Grundsatzprogramm, sondern ein Arbeitspapier, in dem die Initiativen für 1968 und 1969 abgegrenzt sind. Bei diesem Arbeitspapier haben wir drei Tatbestände zu berücksichtigen, und nur im Rahmen dieser Tatbestände haben wir noch Handlungsfreiheit: erstens die Kompetenzen Brüssels, zweitens den vor der Vollendung stehenden gemeinsamen Agrarmarkt und drittens unsere vorhandenen eigenen Mittel.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Petersen?
Herr Kollege Schmidt, darf ich als Nichtagrarexperte eine Frage stellen. Sie sagten soeben, die Bauern müßten Ihrer Ansicht nach mehr tun. Haben Sie sich einmal die Arbeitsstunden der Bauern und der Bauersfrauen in unseren Familienbetrieben angesehen?
Herr Kollege, ich verzeihe Ihnen diese Frage, da Sie nicht in der Landwirtschaft tätig sind. Jeder weiß, daß ich das ganz anders gemeint habe. Ich komme aber noch darauf zurück, wie ich das gemeint habe.Die größte Koalitionsfraktion hat in Berlin unter Anwesenheit des Herrn Bundeskanzlers und einiger Minister einen ganzen Tag über die Agrarpolitik beraten und der Öffentlichkeit ein Papier übergeben. Den Inhalt dieses Papiers finden Sie heute in dem Entschließungsantrag Umdruck 366 zum größten Teil wieder. Ich finde es wirklich gut, daß sich die ganzen Fraktionen mit solchen Problemen befassen.Wir haben das in den letzten Tagen und Wochen auch getan. Aber ich bitte um Verständnis, wenn ich mich mit diesem Papier ganz offen und loyal ein wenig auseinandersetzen muß. Als ich das Papier las, fand ich eine Fülle von Gedanken und Überlegungen, aber auch Fragen. Einen Teil dieser Fragen möchte ich stellen. Vielleicht ist das die beste Form.ist das als ein Wahlpapier für Baden-Württemberg gedacht, das man nachher wieder einstampft? Das wäre meine erste Frage.Wenn ich dieses Papier prüfe und darüber nach denke, taucht die zweite Frage auf: ist das nicht auch ein Papier, das die Arbeit des eigenen Ernährungsministers ein bißchen zu stark kritisiert?Eine weitere Frage: Steht das Papier nicht in großen Teilen in einem Widerspruch zu den Erklärungen des Bundesministers Höcherl vor vier Wochen?
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— Nun ja, eine schnelle Verabschiedung.Im übrigen will ich noch eins sagen Der Beschluß des Kabinetts über die Verteilung dieser 560 Millionen DM ist noch gar nicht gegessen. Wir sind nach wie vor der Meinung, daß dieses Geld denjenigen gehört, die in der Tat durch den Brüsseler Beschluß Einkommensverluste gehabt haben.
Mit diesem Standpunkt müssen Sie rechnen. Ich konnte erwarten, daß die Bundesregierung mit ihren Auszahlungen mindestens so lange wartet, his die entsprechenden Gremien des Bundestages dazu. Stellung genommen haben. Aber Sie haben ja nachher noch Gelegenheit, dazu etwas zu sagen.
Nun kommt ein weiterer Punkt. In Ihrem Entschließungsantrag Umdruck 366 sprechen Sie von einer Prüfung der Altersgelderhöhung und nennen sogar die geforderten Beträge. Wunderbar! Herrlich! Die alten Landwirte, die Altenteiler werden sich freuen, wenn das durchzusetzen ist. Aber ich habe den Eindruck — wenn ich Herrn Leicht sehe, fällt mir die Bemerkung um so leichter. Herr Kollege Leicht, Sie kennen doch die Haushaltslage. Sie wissen genau, was diese 50 DM mehr im Monat für das Ehepaar kosten. Das macht rund 230 MillionenDM aus. Ich habe von Ihnen noch gar keine Erklärung in diesem Hause gehört. Wir haben bei unseren Anträgen gesagt: wir bringen Deckungsvorschläge, indem wir andere Posten entscheidend kürzen. Bitte, eine solche Erklärung fehlt von Ihnen, und deswegen muß ich Ihnen sagen: Woher wollen Sie eigentlich dieses Geld nehmen? Die 230 Millionen schon sind nicht ohne weiteres ein Pappenstiel, aber es bleibt doch nicht allein bei dieser Ausgabe. Ich warne also. Da ich nicht glaube, daß diese Mittel so leicht zu beschaffen sind, möchte ich meinen, hier werden Hoffnungen erweckt, die zu großen Enttäuschungen führen werden.Nun zu einem weiteren Programmpunkt Ihres Berliner Papiers und Ihres Umdrucks 366. Sie reden dort von der Sicherung des Erzeugermilchpreises frei Molkerei von 41,2 Pf, das ist also 39,3 Pf im Hof. Wir waren uns doch bisher mit allen Milchwirtschaftlern darin einig, daß die Verwirklichung dieses Ziels in absehbarer Zeit nicht möglich ist. Das ist eine Utopie.
Wir haben doch bei allen den Besprechungen und Erörterungen zur Kenntnis nehmen müssen, daß, wie gesagt, in absehbarer Zeit derartige Beträge gar nicht aus dem Markt erwirtschaftet werden können. Natürlich kann man sich taub stellen. Das gebe ich zu. Natürlich kann man an allen Sachverständigen vorbeireden. Die von ihnen in den Punkten 6 und 7 genannten Forderungen werden sicher nicht das Ziel erreichen. Aber vielleicht haben Sie, meine Herren von der CDU/CSU, eine Zusage des Finanzministers in der Tasche. Das könnte ja durchaus möglich sein. Sie kennen doch die Auswirkungen im Rahmen der europäischen Zahlungen, die von Monat zu Monat steigen; jetzt sind wir schon bei fast 4 Milliarden DM. Wenn Sie eine Wunderwaffe haben, dann wollen wir das in Gottes Namen mitmachen, aber die Wunderwaffe müssen Sie uns erst einmal zeigen.Zu einem letzten Punkt Ihres Berliner Papiers möchte ich noch kritisch Stellung nehmen, in dem Sie zum Schutze der bäuerlichen Veredelungswirtschaft in Brüssel eine baldige Gesetzesinitiative erwirken wollen. Fällt es Ihnen denn so schwer, eine Lieblingsidee zu begraben, mit der man draußen in den Versammlungen sehr gern operiert, für die es aber in der EWG überhaupt nicht die geringste Chance gibt? Das wissen wir, und deswegen möchte ich davor warnen.Nun, ich will es mit diesen kritischen Bemerkungen bewenden lassen; der Katalog ist lang genug. Ich bin — nehmen Sie mir das offene Wort nicht übel — erschüttert darüber, daß es erlaubt sein kann, fast wider besseres Wissen Forderungen zu erheben, Forderungen, die die Politik einfach nicht erfüllen kann, es sei denn, wir bringen das ganze Gefüge unserer mittelfristigen Finanzplanung durcheinander. Es geht ja dabei dann um Milliardenbeträge. Die früher so oft geübte Methode hat doch entscheidend mit zu dieser Unruhe draußen geführt. Das müssen Sie endlich einmal einsehen. Ich verstehe Ihre Lage draußen, meine Herren Kollegen; es ist sehr schwer für Sie, aber dafür sind wir
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Dr. Schmidt
nicht verantwortlich. Ich möchte meinen, mit diesen Methoden des Darstellens von Wünschen, Anträgen, Entschließungen, die man nicht verwirklichen kann, treibt man Bauern letzten Endes in die Radikalisierung. Wir sind — nehmen Sie das von vornherein hin — trotz der großen Koalition unter keinen Umständen bereit, bei dieser Methode mitzuwirken.
Für die Rolle der schönen roten Feder am schwarzen Hut sind wir nicht geeignet, das sollten Sie inzwischen schon gemerkt haben.
Nun, meine Damen und Herren
ich hoffe, Sie lassen mich ausreden —, ich glaubte es meinem Gewissen gegenüber verantwortlich zu sein, daß ich Ihnen das in allem Freimut sage, damit es dabei keine Illusionen gibt.Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat in den letzten Jahren wiederholt Vorschläge gemacht. Auch im letzten Jahr habe ich die volle Anwendung der Brüsseler Beschlüsse durch die Bundesregierung gefordert, leider ohne Erfolg. Wir haben in den Marktfragen durch die Vorlage eines Marktstrukturgesetzes einen Schritt weiterkommen wollen. Leider sind die Beratungen des Gesetzes verzögert worden, und selbst Herr Strauß wurde bemüht, durch ein Telegramm die Beratungen aufzuhalten, was ihm nicht gelungen ist, weil der Druck der Öffentlichkeit, dieses Gesetz zu verabschieden, einfach zu groß ist.Wir haben immer wieder die Durchforstung aller Förderungsmaßnahmen einschließlich der agrarstrukturellen Maßnahmen, schon wegen der Kosten und der Rentierlichkeit, gefordert. Das hat auch mein Fraktionskollege Schmidt heute schon dargetan. Herr Bundesminister, Sie haben diesen ganzen Katalog von Förderungsmaßnahmen leider wieder verteidigt; Sie wollen ihn aufrechterhalten. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal den Appell an die Bundesregierung richten, diesen Katalog von Grund auf zu durchforsten und zu prüfen, was noch notwendig und was noch zielgerecht ist. Schließlich brauchen wir Mittel für zeitgerechte Maßnahmen.Nun, meine Damen und Herren, ich habe hier von einem Aktionskatalog gesprochen. Ich räume ein, daß es für die Agrarpolitik keine Patentlösungen gibt. Aber ich habe mir hier einige Punkte aufgeschrieben, mit denen ich die Lage und die sich aus ihr ergebenden Erfordernisse darstelle, und ich erlaube mir mit Genehmigung des Präsidenten, dieses Papier hier namens meiner Fraktion vorzutragen.Erstens. Die Lage der deutschen Landwirtschaft wird durch zwei Entwicklungen bestimmt, die sich zwar zur gleichen Zeit vollziehen, die aber dennoch getrennt voneinander gesehen werden müssen, von dem technischen Fortschritt und von der Integration der Agrarmärkte in der EWG. Der technische Fortschritt ermöglicht es, eine unveränderte und sogar noch steigende Produktionsleistung mit einer abnehmenden Zahl von Arbeitskräften zu erbringen. Die dadurch entstehenden Wachstumsschwierigkeitenkönnen nicht der Politik angelastet werden. Allerdings ist es Aufgabe des Staates, in diesen Prozeß steuernd einzugreifen, um im Interesse des gesamten ländlichen Raumes krisenhafte Erscheinungen zu verhindern und den Betroffenen die Anpassung an die veränderten Bedingungen zu erleichtern. Die I SPD-Fraktion hat mit dem Entwurf eines Ersten Agrarstrukturgesetzes aufgezeigt, wie durch einen sinnvollen Einsatz von Förderungsmitteln sowohl denjenigen geholfen werden kann, die heute geradezu verurteilt sind, an einem zu kleinen Betrieb festzuhalten, als auch solchen Landwirten, die nicht über eine ausreichende Betriebsfläche verfügen. Dieses Gesetz ist ein erster Schritt auf dem Wege zu einer neuen Konzeption. Ihm werden weitere Initiativen folgen.Zweitens. Ebensowenig wie der technische Fortschritt ist der strukturelle Anpassungsprozeß, der Umwandlungsprozeß auf die Bundesrepublik beschränkt. Es handelt sich um ein weltweites Problem, das gerade in den Industrieländern mit besonderen Schwierigkeiten verbunden ist. Das von dem technischen Fortschritt ausgelöste Ansteigen der Produktion führt zu einer zunehmenden Selbstversorgung, in Teilbereichen sogar zu einer Überproduktion. Von den Auswirkungen auf den Außenhandel einmal abgesehen, ist die zwangsläufige Folge ein Druck auf die Erzeugerpreise. Die daraus für die Landwirtschaft entstehenden Schwierigkeiten können nach allen bisherigen Erfahrungen von den Bauern am ehesten gemeistert werden, die nicht nur über eine ausreichende Fläche verfügen, sondern, was noch viel wichtiger ist, auch über eine gute Ausbildung und über eine optimale Ausstattung mit Gebäude- und Maschinenkapital.Drittens. Sowohl hinsichtlich der Struktur als auch hinsichtlich der Produktionsfaktoren stehen die Vollerwerbsbetriebe in der Bundesrepublik weit über dein Durchschnitt im Gemeinsamen Markt. In einem echten Leistungswettbewerb muß sich also die deutsche Landwirtschaft in jedem Fall behaupten können. Das gilt um so mehr, als sie über eine relativ günstige Lage zu den Verbrauchszentren verfügt und ihr gut ausgebaute private und genossenschaftliche Vermarktungseinrichtungen zur Seite stehen. Die beschleunigte Verabschiedung des Marktstrukturgesetzes ist als Ergänzung dazu bitter notwendig.Viertens. Auf Grund der in den Ländern der Wirtschaftsgemeinschaft vorerst noch unterschiedlichen Verkehrs-, Steuer-, Kredit-, Sozial- und Handelspolitiken ergeben sich Wettbewerbsnachteile zu Lasten der deutschen Landwirtschaft, die sich mit dem Wegfall der Schutzmaßnahmen an der Grenze und mit der Angleichung der Preise zwangsläufig verstärken müssen. Es ist deshalb vordringlich, daß die Bundesregierung ihre besondere Aufmerksamkeit diesen Wettbewerbsfaktoren zuwendet. Das ist in der Vergangenheit bedauerlicherweise nicht in dem Maße geschehen, wie das die Landwirtschaft hätte erwarten dürfen. Wenn auch nicht damit gerechnet werden kann, daß sich die bestehenden Verzerrungen mit einem Schlage beseitigen lassen, so darf das nicht verhindern, daß man sich mit beständigem Nachdruck um einen Abbau bemüht. In diesem Zusam-
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menhang darf ich auf meine Anregung in der Debatte über den Grünen Bericht des letzten Jahres verweisen, beweiskräftige Unterlagen zu sammeln und sie bei gegebener Gelegenheit auf den Tisch zu legen.Fünftens. Nicht zuletzt auf Grund der Tatsache, daß der EWG-Kommission von der Regierung eines Mitgliedstaates das Recht verweigert wird, von den im Vertrag von Rom vorgesehenen Kontrollbefugnissen Gebrauch zu machen, werden die Vorschritten der gemeinsamen Marktordnungen nicht in allen Partnerländern in gleicher Weise angewandt. Auch das führt zu Verzerrungen zum Nachteil der deutschen Landwirtschaft. Neben der Beseitigung dieser Unterschiede muß von der deutschen Delegation im Ministerrat erwartet werden, daß sie bei der Beratung neuer Marktordnungen darauf drängt, daß Verfahren entwickelt werden, die eine einheitliche Auslegung und Durchführung sicherstellen. Auch das ist ein Mittel der Preispolitik, um in jedem Lande standortorientierte Erlöse zu erzielen. Schon im Hinblick auf die Veränderungen in der Kostenstruktur wird sich die Bundesregierung einer kostenorientierten Preisfestsetzung nicht entziehen können.Sechstens. Die einzelnen Partnerländern zugestandenen Sonderregelungen im Rahmen gemeinsamer Marktordnungen haben sich durchweg als wettbewerbsverzerrend erwiesen. Es ist deshalb darauf zu achten, daß sie innerhalb der vorgesehenen Fristen abgeschafft werden. Die neuen Marktordnungen dürfen derartige Sonderregelungen nicht mehr enthalten, was bedeutet, daß auch von deutscher Seite auf Forderungen von Ausnahmebestimmungen verzichtet wird. Vor allem aber muß der Standort der Produktion zum Markt als einer der wichtigsten Wettbewerbsfaktoren voll zur Wirkung kommen. Es ist nicht Aufgabe der Preispolitik, regionale Schwierigkeiten zu verdecken. Die Probleme der marktfernen Gebiete müssen mit den Mitteln der Regional- und Strukturpolitik gelöst werden.Siebtens. Die wiederholt geforderte Offenlegung aller Beihilfen zugunsten der Landwirtschaft in der EWG ist bisher noch nicht erfolgt. Die Bundesregierung wird deshalb ersucht, einen neuen Vorstoß in dieser Richtung zu unternehmen. Von besonderer Bedeutung sind dabei jene Beihilfen, die sich unmittelbar auf die Märkte auswirken. Dazu gehören auch die parafiskalischen Abgaben zugunsten von Berufsverbänden und deren Verwendung. Über das Ergebnis dieser Bemühungen soll die Bundesregierung alsbald einen Bericht vorlegen.Achtens. Gerade im vergangenen Jahr hat sich gezeigt, daß der innergemeinschaftliche Warenverkehr immer noch durch bestimmte Verwaltungstaktiken behindert wird. Besondere Hemmnisse sind vor allem an der italienischen Grenze festzustellen. Die Auswirkungen solcher Praktiken sind: Ein großräumiger Marktausgleich wird unmöglich gemacht, und das Angebot aus den Produktionszentren der Gemeinschaft fließt in die Richtung jenes Landes, das sich am EWG-freundlichsten verhält. Um der Gefahr zu begegnen, daß die Behinderungen weiter zunehmen, sollte die Bundesregierung keine Gelegenheit ungenutzt lassen, darauf hinzuwirken, daß der Wegfall der Zölle und Kontingente nicht durch Schikanen an der Grenze mit noch stärkerem protektionistischem Effekt wettgemacht wird.Neuntens. Auf Grund einer Großen Anfrage der SPD-Bundestagsfraktion im Jahre 1963/64 durchgeführte Untersuchungen haben gezeigt, daß die Preise für einige wichtige Betriebsmittel in der Bundesrepublik über denen in anderen westeuropäischen Ländern liegen. Außerdem war festgestellt worden, daß zwischen den Inlands- und den Exportpreisen bestimmter Düngemittel ein erheblicher Unterschied besteht, der nicht damit erklärt werden kann, daß die Käufer im Ausland größere Mengen beziehen und keinen Service beanspruchen. Die Bundesregierung wird deshalb ersucht, die seinerzeit angestellten Ermittlungen auf den neuesten Stand zu bringen und dem Bundestag über das Ergebnis zu berichten.Zehntens. Erheblich über dem EWG-Durchschnitt liegen in der Bundesrepublik die Kosten für die Errichtung landwirtschaftlicher Betriebsgebäude. Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Ursachen festzustellen und dabei vor allem zu prüfen, ob sich nicht bestimmte behördliche Vorschriften besonders verteuernd auswirken, auf die zumindest teilweise verzichtet werden kann. In diesem Zusammenhang sollte auch geprüft werden, ob Mehraufwendungen auf Grund von Auflagen, die sich aus den Vorschriften über den Landschaftsschutz ergeben, den landwirtschaftlichen Bauherren angelastet werden können. Die Bundesregierung wird außerdem ersucht, einen Bericht über die im vergangenen Jahr angekündigten Bemühungen um billigere Baupreise vorzulegen.Meine Damen und Herren, lassen Sie mich, nachdem ich diese zehn Punkte Ihnen vorgetragen habe, mit verschiedenen Ersuchen an die Bundesregierung, zum Schluß einige Bemerkungen machen, die ich insbesondere an die Adressen der Bauern richten möchte. Die gegenwärtigen Schwierigkeiten sind sicher nicht mit einem Schlage zu beseitigen. Jeder einsichtige Landwirt wird das begreifen und auch zugeben. Der Kampf um die Marktanteile ist in aller Härte im Gange, er wird noch einige Jahre dauern. Es wäre verhängnisvoll, wenn die deutsche Landwirtschaft sich wegen der derzeitigen Mindererlöse zu drastischen Produktionseinschränkungen entschließen wollte; denn jede Marktlücke, die auf dem großen Verbrauchszentrum Bundesrepublik entsteht, wird sofort durch die Nachbarn ausgefüllt. Es gilt also für die deutsche Landwirtschaft, diese Durststrecke zu überstehen.Die Landwirtschaft kann von der Politik erwarten, daß sie den Leistungswettbewerb in der von mir aufgezeigten Weise sicherstellt. Sie kann von der Politik auch erwarten — sie hat sogar einen Anspruch darauf —, daß sie offen und ehrlich und umfassend informiert wird. Alles andere wird sie selber und werden ihre Organe in die Hand nehmen müssen. Noch ist das Selbstvertrauen in den eigenen Leistungswillen im Grunde genommen ungebrochen. Das berechtigt uns alle, davon überzeugt
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Dr. Schmidt
zu sein, daß die deutschen Bauern und Landwirte ihre Chancen nützen werden.
Meine Damen . und Herren, ehe ich das Wort weiter gebe, eine Bemerkung zur Geschäftslage. Bei mir liegen 21 Wortmeldungen vor. Bei einem Schnitt von einer Viertelstunde für jeden Redner würde es dann halb eins. Ich wäre sehr dankbar, wenn die Herren Fraktionsgeschäftsführer Fühlung miteinander nähmen, um mir zu helfen, daß es nicht so spät wird.
Ich werde mir auch erlauben, wenn wir später in die zweite Runde eintreten — die erste ist noch nicht beendet; ein Redner der FDP wird noch das Wort erhalten —, jeweils nach der Redezeit zu fragen, wie das Haus es früher einmal durch einen Beschluß möglich gemacht hat.
Zunächst hat das Wort der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf mich ganz kurz den beiden Diskussionsrednern zuwenden, zunächst Herrn Kollegen Logemann. Ich bitte ihn, damit einverstanden zu sein, daß ich nicht auf alle Punkte eingehe, um auch der Mahnung des Herrn Präsidenten gerecht zu werden. Ich will aber einige Punkte herausgreifen, die mir besonders beachtlich und beachtenswert erscheinen. Herr Logemann, ich bin sehr überrascht, daß Sie einen Ausdruck wie „manipulierter Bericht" auf den Grünen Bericht, den ich hier gegeben habe, anzuwenden versuchen. Einmal enthält der Grüne Bericht all das, was er bisher enthalten hat, um die Kontinuität der Berichterstattung zu wahren. Zweitens habe ich ihn durch eine ganze Reihe von Daten, Zusammenstellungen und Auswertungen ergänzt. Ich meine, das ist genau der Sinn des Grünen Berichtes und der Auftrag des Landwirtschaftsgesetzes. Die Landwirtschaft hat sich als erster Berufsstand in einer vorbildlichen Weise einer freiwilligen Selbstkontrolle unterworfen, die als Beispiel eigentlich mehr Anregungen hätte geben müssen. Bei einem solchen Vergleich oder einer solchen freiwilligen Selbstkontrolle kann es sich doch nur darum handeln, von Jahr zu Jahr unter Auswertung der jeweiligen Erkenntnisse und Erfahrungen die Aussagen immer mehr zu verfeinern und sie immer genauer zu gestalten, um die Überzeugungskraft und die Glaubwürdigkeit und damit auch die Kraft dieses Berichtes als Entscheidungshilfe zu verstärken. Das war der Grund und kein anderer. Ich meine nicht, daß Sie mit Recht eine doch so ernsthafte Behauptung aufstellen können, hier sei etwas manipuliert worden.Sie haben ferner über die Preispolitik gesprochen, Herr Kollege Logemann. Ich will Ihnen etwas über die Preispolitik sagen. Zur Preispolitik muß gehandelt und darf nicht nur gesprochen werden. Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, daß ich in der Zeit, in der ich dieses Amt betreue, auf demPreissektor bei der Festlegung des Milchpreises mitzuwirken hatte. Sie wissen ganz genau, daß der höchste Milchpreis, der bisher in der ganzen Entwicklung erzielt worden ist, der des Jahres 1967 war. Das ist ein ganz und gar nicht so einfaches Experiment angesichts des Überschusses, den wir -das ist ja kein deutscher Überschuß -- in Frankreich und Holland und der EWG einkaufen mußten. Ich habe das in der Einführungsrede sehr deutlich zum Ausdruck gebracht. Auf dem Rindfleischsektor haben wir ernsthafte Bemühungen angesetzt, die vorübergehend starke eigene Produktion preislich wenigstens so zu gestalten, daß keine ernsthaften Verluste eintraten. Es ist uns möglich gewesen, durch gezielte Interventionen, wir vor allem durch interessante Exporte nach Italien, Schlimmeres zu verhindern. Daß das gleiche bei Schweinen nicht möglich war, brauche ich Ihnen als erfahrenem Landwirt nicht zu erklären.Sie haben gefragt, ob wir in Luxemburg oder Brüssel vor einem halben Jahr bei den Verhandlungen über den Getreidepreis 1968/69 einen Vorschlag auf den Tisch gelegt hätten. Ich muß hier folgendes sagen. Ich war derjenige Landwirtschaftsminister, der bei diesen Verhandlungen — es sind nur einstimmige Beschlüsse möglich -- die größten Vollmachten hatte, was die Anhebung der Preise betrifft. Wir hatten es mit den größten Schwierigkeiten zu tun, vor allem gegenüber der italienischen Delegation, die sich aus einer ganz anderen Situation heraus völlig gegen jede Preisentwicklung sperrte. Wir haben schließlich auf dem Getreidepreissektor, und zwar bei der meines Erachtens falschen Relation, die 1964 zwischen Futtergetreide und Brotgetreide festgelegt wurde, eine Anhebung des Preises für Gerste um 3,5.N und für Roggen um 4 % erreicht. Wir konnten auf dem Preissektor durch eine vorteilhafte Lösung der Mehrwertsteuerfragen weitere 5% herausholen, eine Lösung, die vielleicht nicht zustande gekommen wäre, wenn man in dieser Frage bei der Mehrwertsteuerberatung bis in die letzten Einzelheiten Ihren Fraktionskollegen gefolgt wäre, die im Wirtschaftsausschuß eine ganz andere Sprache sprechen, als Sie sie im Ergänzungsausschuß anzuwenden belieben. Dafür gibt es Beispiele auf dem Trinkmilchsektor. Ich möchte jedoch nicht in die Einzelheiten gehen, weil sie für Sie zu peinlich wären. Aber Sie sollten nicht mit zwei Pferden fahren, mit einem Ackergaul altertümlichster Art und mit einem Rennpferd liberalster Wirtschaftspolitik.
Auf jeden Fall ist es möglich gewesen, diese 4 und 5 % herauszuholen. Dieser Verhandlungsvorschlag — ich hatte damals das Präsidium — ist von der deutschen Delegation auf den Tisch gelegt worden. Zur gleichen Zeit haben wir eine Preisentscheidung für den Orientierungspreis Rinder getroffen. Wir haben nicht alles erreichen können, weil die übrigen fünf Länder und vor allem ein Einfuhrland wie Italien — gar kein Interesse daran batten. Die Italiener haben auch gar kein Interesse an einer Getreidepreissteigerung bei Futtergetreide. Warum? Weil sie eine eigene Produktion mit importiertem Futtergetreide aufbauen wollen; sie selber erzeugen
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Bundesminister Höcherlnicht in ausreichendem Malie Futtergetreide. Das war der Grund. Auch andere Partner, die aus der Niedrigpreisstufe heraus kommen und die in hohem Maße exportorientiert sind, hatten kein Interesse.Diese Widerstände zu überwinden und sich nach 26 Stunden auf einer mittleren Linie zu einigen, das verdient es nicht, daß die Frage gestellt wird, ob wir uns bemüht hätten. Herr Logemann, ich weiß nicht, welche Figur Sie dort abgegeben hätten. Aber ich will Ihnen sagen: die deutsche Delegation — sie wurde damals von Herrn Staatssekretär Hüttebräuker geführt — hat sich redlich bemüht. Ich bin nicht gewillt, einen derartigen Vorwurf, auch wenn er mit einem Fragezeichen versehen ist und versteckt erhoben wird, unwidersprochen hinzunehmen.
Sie haben ferner etwas wiederholt, was mich sehr gewundert hat. Sie wissen ganz genau, daß kürzlich der Kollege Strauß im Zusammenhang mit der Finanzreform und der finanziellen Ausstattung der Gemeinden auch zur Grundsteuer Stellung genommen hat. Das ist mißverständlich so aufgefaßt worden, als ob er daran dächte, die Steuerneutralität der neuen Einheitswerte wieder zu gefährden, als ob er gar daran dächte, die Grundsteuer A irgendwie zu bewegen. Der Kollege Strauß hat das mindestens dreimal schon hier im Bundestag und in der Öffentlichkeit widerlegt. Das kann Ihnen als aufmerksamem politischem Beobachter gar nicht entgangen sein. Ich frage Sie, ob Sie diese Richtigstellung gekannt haben oder nicht. Warum stellen Sie hier die Frage? Der Kollege Schulz hat sich ja bemüht, Sie noch vor Redaktionsschluß zum Reden zu bringen, und ich habe mich sofort damit einverstanden erklärt. Wollen Sie trotz dreimaliger Einwendungen und Richtigstellungen dieses Fragezeichen als Oppositionsleistung an die Presse verkaufen oder nicht? Ich halte das nicht für eine gute Sache; das kann ich Ihnen sagen.
Ich erkläre hier — auch im Namen des Kollegen Strauß daß er ausdrücklich sowohl bei den Überlegungen zu diesem Thema als auch wiederholt hinterher zum Ausdruck gebracht hat, daß die Grundsteuer A hier nicht in Erwägung gezogen werden kann. Sie spielt auch bei der finanziellen Ausstattung der Gemeinden nicht die wesentliche Rolle; das wissen Sie auch. Das tun ganz andere Steuerformen: die Grundsteuer B, die Gewerbesteuer. Wir haben ja eine ganz neue Einheitsbewertung durchgeführt. Angesichts der Preisentwicklung müssen wir uns fast schon wieder überlegen, oh diese Einheitsbewertung den damaligen Vorstellungen überhaupt noch angemessen ist.Das sind alles Dinge, die ich hier deswegen wiederholen muß, Herr Kollege Logemann, weil Sie diese Fragezeichen setzen. Ich glaube, Sie sollten nicht in dieser Form Opposition treiben, nachdem Sie — mit Ausnahme von 1956 bis 1961 — diese Politik mitgetragen haben, auch wenn Sie damals schon immer auf zwei oder drei Hochzeiten zu tanzen versucht haben. Das war immer die Schwierigkeit Ihrer Oppositionsrolle. Aber wenn Sie dasschon wissen — das muß Ihnen immer wieder vorgehalten werden —, ist eine gewisse Bescheidenheit und eine hohe Sachlichkeit die einzige Methode, Oppositionspolitik zu betreiben.Zur Verschuldung und zum Fremdkapital haben Sie ein interessantes Beispiel angeführt. Sie haben gesagt, es müßte eigentlich gelingen, eine volle Ernte auf der Sparkasse, eine volle Ernte in der Scheuer und eine volle Ernte auf dem Felde zu haben. Ich weiß nicht, wann diese goldenen Zeiten geherrscht haben. Aus der Vergangenheit weiß ich kein Beispiel, daß — mit Ausnahme von ,einigen ganz besonders begünstigten Betrieben das jemals ein Kennzeichen gewesen wäre fur die Lage in der Landwirtschaft. Ich kann mir nicht vorstellen, doll Sie mit solchen Beispielen einen Eindruck machen könnten.„Beratungsgeschädigte”: Die Kräfte der Beratung werden ja nicht vom Bund zur Verfügung gestellt, sondern von den Ländern; deren Aufgabe ist es. Wenn Sie heute eine nicht zufriedenstellende Schweinepreissituation — vor einem Jahr war genau das Gegenteil der Fall, da war sie nämlich sehr zufriedenstellend — als Argmuten für Ihre Behauptung nehmen, so glaube ich, daß insgesamt gesehen die Veredelungsentwicklung — die Verbrauchsentwicklung sowohl wie die Preisentwicklung , von einigen bedauerlichen und gerade für den Ernährungs- und Landwirtschaftsminister so bedauerlichen Einbrüchen abgesehen, im allgemeinen die Beratung wirklich gerechtfertigt hat. Wenn Sie den Fleischverbrauch und den Butterverbrauch vor zehn Jahren mit der heutigen Situation vergleichen, dann müssen Sie sagen: Das war genau die Richtung, in der sich angesichts einer günstigen Konjunktursituation und der weiteren Zuneigung zur höheren Qualität bei den Lebensmitteln die Entwicklung vollzogen hat.Sie haben den Leberplan erwähnt; er ist im Kabinett einstimmig verabschiedet worden. Der Leberplan hat versucht, auf die landwirtschaftlichen Inter- essen angemessen Rücksicht zu nehmen. Weitere Verbesserungen werden vom Hohen Hause angebracht, und es ist bestimmt nicht der Kollege Leber, der sich dagegen wenden wird. Er hat sich Verbesserungen und Abänderungen durchaus offen gezeigt.Sie haben sich über die Baupreise alteriert. Ich darf Ihnen sagen: Die Baupreise waren im letzten Jahr wohl die ruhigsten, und sie haben sich eher nach unten bewegt als nach oben. Dieses Beispiel ist Ihnen nicht gelungen.Zu dem, was Sie über Zinsbelastung, revolvierende Fonds, Massenkaufkraft usw. ausgeführt haben, will ich Ihnen folgendes sagen. Es ist richtig, die Zinsbelastung ist erheblich, sie beträgt rund 1,2 Milliarden DM, ein Problem, das mich dauernd beschäftigt; aber Sie werden nicht leugnen können, Herr Kollege Logemann, daß wir auch im letzten Jahr wieder 1,5 Milliarden DM in Zinsverbilligung nehmen konnten, obwohl der Kapitalmarkt auf unsere Zinsbedürfnisse und Zinsleistungsfähigkeiten keine Rücksicht nehmen kann.
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8230 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 159. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. März 1968
Bundesminister HöcherlIch habe absichtlich davon abgesehen, bei der Einbringungsrede den ganzen Katalog der Ergebnisse und Leistungen aufzuzählen, und ich will das auch heute nicht tun. Das sind nicht nur Leistungen, die sich die Regierung auf ihr Konto schreiben darf, sondern es sind Leistungen, die das ganze Hohe Haus mit verantwortet. Ich könnte zu jedem Kapitel und zu jedem Titel vorweisen, welche Beträge mit welchen Ergebnissen aufgewandt wurden. Ich glaube, sie können sich sehen lassen, obwohl die Aufgaben immer wieder mehr werden. Es ist wie mit dem Kopf der Hydra in der alten Sage: kaum ist eine Sorge beseitigt, so wachsen neun neue nach. Aber das einfach alles nicht sehen zu wollen, das ist, glaube ich, nicht die Art, wie wir hier verhandeln sollten. Wir tragen eine gemeinsame Verantwortung gegenüber der Landwirtschaft. Die Landwirtschaft weiß selbst um die Bemühungen gerade auch auf dem finanziellen Gebiet in einer Zeit großer haushaltsmäßiger Enge. Der Haushalt, den wir jetzt verabschieden, weist sehr interessante Zahlen aus, auch wenn nicht alles unmittelbar zur Einkommensverbesserung der Landwirtschaft ausschlagen kann, weil die Infrastruktur im ländlichen Raum und in der ländlichen Betriebswirtschaft eine so große Rolle spielt. Aber es ist nicht angebracht und gegenüber dem Steuerzahler nicht die richtige Haltung, wenn man nichts anerkennen will. Wie gesagt, ich möchte gar nicht im Rahmen dieser Diskussion eine Erfolgsliste vorlegen; das ist, glaube ich, nicht notwendig. Ihnen stehen die Zahlen genauso zur Verfügung. Aber ich bedaure es wirklich außerordentlich, daß man, weil man auf einen solchen Katalog verzichtet hat, immer wieder in die Lage versetzt wird, im Rahmen der Diskussion darauf zurückkommen zu müssen.Daß ich keine Therapie angeboten habe — ich darf das auch für Herrn Kollegen Schmidt sagen —: Wer die Rede genau gehört und wer sie nachgelesen hat, der konnte aus dieser schonungslosen Diagnose und aus dieser schonungslosen Analyse und aus einigen Bemerkungen, die politisch in entsprechender homöopathischer Form verabreicht worden sind, durchaus sehen, wohin die Absichten und die Zielsetzungen der Bundesregierung gehen. Hier von diesem Tisch ist bei dem damaligen Anlaß mit einer Deutlichkeit wie noch nie zum Ausdruck gekommen, daß wir für alle Vollerwerbsbetriebe eine aktive, konstruktive und der allgemeinen Einkommensentwicklung angepaßte Preispolitik betreiben wollen. Das habe ich ausdrücklich und wörtlich gesagt. Wenn das keine programmatische und keine ausreichende Formulierung ist, — —
— Herr Kollege Ertl, ich würde Sie bitten, diesen Passus nachzulesen. Ich bin in der Lage, ihn zu zitieren. Ich glaube, das ist eine Aussage, die Sie zufriedenstellen könnte und die nicht in jedermanns Ohr sich so angenehm anhört, die aber als Notwendigkeit und von der Regierung anerkannte Notwendigkeit hier vorgetragen wurde. Wenn ich dann darauf hinweisen mußte, daß es für diese Preispolitik Grenzen gibt, dann habe ich nichts anderes formuliert als die Erfahrungen aus der Vergangenheit, die Erfahrungen innerhalb einer Sechsergemeinschalt, die ihre Entscheidungen einstimmig trifft. Aber ich habe dieses Thema nicht ausgespart, ich habe es angesprochen und positiv und ganz deutlich formuliert. Ich wiederhole es heute, damit es endlich klar wird.Ich habe auch die Kostenfrage, die andere Seite der Ertragsrechnung, angesprochen. Ich habe ferner die Regionalpolitik in einer ganz neuen Form zitiert. Regionalpolitik hat es immer gegeben, und zwar wurden über eine Milliarde allein in der regionalen Wirtschaftspolitik, die vorn Wirtschaftsministerium betreut wird, in diesen Jahren zur Verfügung gestellt. Dazu kommen die Mittel der Länder und alle die Mittel, die von den Beteiligten aufgebracht werden. Wenn wir heute diesen ländlichen Raum sehen, dann befriedigt er uns zwar noch nicht in seinem Zustand — es gibt noch unendlich viel Lücken —, aber wenn ich den Zustand, mit dem wir begonnen haben, und das Ergebnis, das bisher erzielt worden ist, vergleiche, dann wäre es doch undankbar — auch der eigenen Leistung gegenüber, wenn wir das alles nicht sehen wollten und wenn wir das alles für nichts erklären wollten. So kann man nicht verfahren Aber wir haben dieser Regionalpolitik einen neuen Akzent zu geben versucht, und zwar einen Akzent, der sich sehr bald in ganz realen Modellen und realen Beispielen zeigen wird. Wir möchten nicht mehr nur Wirtschaftspolitik, sondern alle die Formen der Infraktruktur von der Bildungspolitik bis zur Industrieansiedlung und bis zu agrarpolitischen Maßnahmen auf einen Punkt und für einen Zeitraum und einen Bereich konzentrieren.Deswegen habe ich mich — im Einverständnis mit meinen Kollegen, die das Ihre beizutragen haben —mit den Ländern in Verbindung gesetzt, und die Beratungen laufen. Wir haben auch Mittel dafür in Aussicht genommen, und zwar nicht Mittel, die irgendwie und irgendwann einmal als Wunschgedanken formuliert werden, sondern Mittel, die wir aus dem Siedlungszweckvermögen für diesen Bereich mit Vorrang der Ansprüche der Heimatvertriebenen einsetzen wollen, um einige Räume, die sich eine solche infrastrukturelle Verbesserung aus eigener Kraft ohne Sogwirkung von Ballungsräumen nicht leisten können und die das nicht erbringen können, mit der allgemeinen Hilfe — einer konzentrierten und zeitlich begrenzten Hilfe — in diesen Zustand zu versetzen.Ich darf vielleicht noch ganz kurz auf einige Bemerkungen des Kollegen Bauer zu sprechen kommen. Herr Kollege Bauer, Sie haben einige Äußerungen des früheren Staatssekretärs Hüttebräuker hier zitiert. Ich könnte sagen: Herr Staatssekretär Hüttebräuker wurde von der FDP für das Landwirtschaftsministerium gestellt. Ich habe ihn wegen seiner fachlichen Qualitäten und seiner persönlichen Integrität über die Kleine Koalition hinaus in die Große Koalition übernommen. Ich hätte ihn auch noch länger behalten, wenn es sein Gesundheitszustand gestattet hätte. Ich war nicht mit jeder politischen Außerung, die er getan hat, einverstanden. Aber in unserem Hause herrscht Meinungsfreiheit, und ich stehe gar nicht an zu sagen, daß ich sie jedem anderen genau wie ihm zubillige. Aber Sie
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 159. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. März 1968 8231
Bundesminister Höcherlwissen ganz genau, daß die Meinung, die die Meinung des Hauses ist und die die Meinung der Bundesregierung ist, von dem Chef des Hauses vertreten wird.Dasselbe ist der Fall mit Mansholt. Hier ein offenes Wort: Sie wissen ganz genau, daß Vizepräsident Mansholt im übrigen im Rahmen der Preisdebatte gerade für die Vollerwerbsbetriebe sehr interessante und weitgehende Preisvorschläge gemacht hat, die in der Kommission bei ihrer heutigen Zusammensetzung keineswegs mehr so leicht passieren. Aber mit einer ganzen Reihe von anderen Dingen, die er zum Ausdruck bringt, mit seinen strukturpolitischen Vorstellungen kann ich mich nicht identifizieren. Ich sage das in aller Deutlichkeit. Ich glaube, daß Herrn Vizepräsidenten Mansholt die Vorstellungen aus der Struktur unseres ländlichen Raumes fehlen und daß er keine ausreichende Kenntnis des Zuerwerbs- und Nebenerwerbsbetriebes des kleinbäuerlichen Bereiches hat, auf den wir nicht heute und nicht morgen und in Europa wahrscheinlich überhaupt nie verzichten können. Im übrigen habe ich hier bei der Einbringungsrede den Zu- und Nebenerwerbsbetrieb einmal aus der Diffamierung, aus der Deklassierung herausgeholt und ihn als wertvollen Bestandteil mit seiner spezifischen Funktion eingeordnet und vom Vollerwerbsbetrieb abgesetzt.Das Problem, das uns zu lösen bleibt, ist folgendes: Dieser Kleinbetrieb hat eine bedeutsame Marktleistung, die mit 30% natürlich auch die Kreise des Vollerwerbsbetriebs beeinträchtigt und stört. Hier einen Kompromiß zu schließen, der in der Modernisierung, nämlich der Führung der Kleinbetriebe, gelöst werden muß, in einer Kooperation, einer etwas extensiveren Bewirtschaftung, das scheint mir der Weg zu sein, um das eine zu tun und das andere nicht zu lassen. Hier muß eine Verbindung und ein Schluß gefunden werden.Vizepräsident Mansholt kommt von Äußerung zu Äußerung auf immer höhere Zahlen. Die Wahrheit gebietet es, zu sagen, — man muß die Rede, die er gehalten hat, dahin ergänzen —, daß er ein schwieriges Problem mit eingeflochten hat, nämlich die Struktur des Familienbetriebes: ob es genügt, heute einen Familienbetrieb auf vier Augen zu stellen, ob das sozialpolitisch und soziologisch gesehen ausreicht. Er meinte, ein moderner Familienbetrieb müßte vier und fünf Vollarbeitskräfte haben; das ist nicht meine Meinung. Aber ich stehe nicht an, zu behaupten, daß ein Familienbetrieb auch dann noch gegeben ist, wenn er Lohnarbeitskräfte hat. Das schließt die Eigenschaften, den Charakter eines Familienbetriebs keineswegs aus. Dann hätten ja alle Familienbetriebe von früher, die ohne die moderne Technik mit Fremdarbeitskräften gewirtschaftet haben, diesen Charakter verloren. Hier, glaube ich, ist eine saubere Definition am Platz. Aber ich darf wiederholen: ich kann mich all diesen strukturpolitischen Vorstellungen, soweit sie über die Wirklichkeit unserer Möglichkeiten hinausgehen, nicht anschließen. Das will ich ganz deutlich gemacht haben.Ich würde ganz gern diese Gelegenheit benützen, Herr Kollege Bauer, nachdem Sie die Frage desMilchpreises angeschnitten haben, hier die letzten Ergebnisse aus den Verhandlungen in Brüssel über den Milchpreis insgesamt vorzutragen. Sie wissen ganz genau, daß die Kommission erst vor wenigen Tagen ihren Vorschlag auf den Tisch gelegt hat, obwohl sie selber weiß, daß eigentlich der 1. April der Tag sein müßte, an dem die neue Milchmarktordnung in Kraft gesetzt wird. Der Vorschlag kommt sehr spät. Ich darf offen sagen, daß ich auf weite Strecken mit diesem Vorschlag nicht einverstanden bin. Ich habe erklärt, daß es nicht angeht, den Milchpreis für die Standardqualität, wie wir sie kennen, nach dem Vorschlag der Kommission um einen Pfennig auf 38 Pf zu senken. Das halte ich nicht für tragbar,
vom Kostenstandpunkt aus nicht und auch deswegen nicht, weil wir vor eineinhalb Jahren einen Beschluß gefaßt haben und die Produzenten sich darauf einrichten konnten. Es geht nicht an, eine solche Zusage, die für die Entscheidung der Produzenten bedeutsam war und die bereits Konsequenzen ausgelöst hat, schon eineinhalb Jahre später zu verändern. Man wird sich überlegen müssen, für welche Mengen das gilt. Man wird nicht jede beliebige Menge und jede beliebige Entwicklung in diese Preisvorstellung einbeziehen können.Auch der Berufsstand, das muß hier gesagt werden, hat Vorstellungen entwickelt und Vorschläge gemacht, die in realistischer Weise das anerkennen und die unsere Arbeit erheblich erleichtert haben. Das auch einmal zu sagen ist wichtig, weil es ja modern ist, Globalverurteilungen auszusprechen. Ich glaube, daß das nicht gerechtfertigt ist. Wenn ich die berufsständische Arbeit in der gesamten Landschaft verfolge, bin ich der Meinung, daß der bäuerliche Berufsstand schon seine Rechte zu wahren weiß und eine harte Sprache spricht; aber keine härtere als andere.
Interessenvertretung ist eine Art Anwaltschaft, und das ist keine Angelegenheit eines Mädchenpensionats, sondern eine harte Männersache, und das muß man aushalten können. Ich halte das schon aus.
Ich bin auch mit einigen strukturellen Vorschlägen nicht einverstanden, die die Kommission vorgelegt hat. Ich glaube nicht, daß man dem Problem mit solchen Versuchen beikommt, Prämien auszusetzen usw. Ich habe schon die Meinung vertreten, daß wir allenfalls das prämiieren wollten und würden, was von selbst sich entwickeln wird.Das größte Problem ist der Vorrat von 150 000 t Butter. Meine Damen und Herren, das war nicht mit einbezogen. Ich darf allen Milchpolitikern der Opposition, die hier schon großartige Gedichte über das Ergebnis meiner Milchpolitik vorgetragen haben, sagen: ich brauche mich dieser Milchpolitik zunächst nicht zu schämen. Nun, die 150 000 t Butter sind ein ernstes Problem. Es ist vor allem ein französisches und ein holländisches Problem.
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Bundesminister HöcherlDaß auch wir selber Vorräte haben — und zwar die geringsten pro Kopf —, ist darauf zurückzuführen, daß wir im Jahre 1953 — es mag jeder sein Gewissen erforschen, der damals beteiligt war — eine vorzeitige Käseliberalisierung eingeführt haben. Ich möchte meinen, daß die heutige Opposition damals nicht ganz unschuldig war. Wir wollen aber die Schuldfragen nicht nach biblischer Sitte bis in das letzte Glied verfolgen. Ich räume dem Herrn Kollegen Logemann durchaus ein, daß er da noch nicht beteiligt war.
— Sie waren nicht in der Regierung? Aber da waren Sie feste in der Regierung!
— 1953 waren Sie doch in der Regierung. Machen Sie doch keine Geschichten! Herr Sander, Sie haben ein viel besseres Gedächtnis, wenn Sie mir Vorhaltungen machen. Wenn Sie argumentieren, verläßt Sie das Gedächtnis.
Das Problem dieses „Butterberges" — ich mag diesen alpinistischen Ausdruck nicht, wie Sie wissen — ist finanziell gesehen ein ernstes Problem, und es ist vor allem auch in der öffentlichen Diskussion zu einem ernsten Problem geworden. Aber ich könnte mir durchaus vorstellen, daß es industrielle und gewerbliche Beispiele gibt, die man auch so behandeln könnte. Aber ich halte nichts davon, Gegenrechnungen aufzustellen.Ich bin der Meinung, daß man bei diesem Problem neben vielen technischen Lösungen, die es gibt, u. a. was die Fütterungsseite usw. betrifft — man muß meines Erachtens der Landwirtschaft zumuten, daß sie auf dem Fütterungssektor auch bei der Milchproduktion mehr auf ihre eigenen Erzeugnisse zurückgreift --, sehen muß, daß hier rasch zu handeln ist. Es geht nicht an, die 150 000 t Butter in drei Jahren in einem sehr schwierigen Prozeß zu beseitigen. Das kann die Öffentlichkeit nicht vertragen; das würde eine moderne Milchpolitik wahrscheinlich von Anfang an mit einem Schatten versehen, der einer guten Sache schaden könnte.Ich bin der Auffassung, daß es viele humanitäre Möglichkeiten gibt — auch das habe ich in der Einbringungsrede gesagt —, mit humanitären Mitteln, wie wir das jetzt schon zugunsten von jungen Menschen, zugunsten von kinderreichen Familien, zugunsten von Altersheimen usw. versuchen, einen rascheren Abbau zu erreichen. Ich bin entschlossen, zusammen mit anderen Ländern, die sich ebenfalls in dieser Beziehung bemühen, alles zu unternehmen, um dem Personenkreis, der die Kostenpreise unserer Butter — die deutsche Butter ist nicht die teuerste innerhalb der Gemeinschaft — nicht aufbringen können, genauso unter die Arme zu greifen, wie wir das aus den gleichen Gründen bei den Wohnungen mit Wohngeld tun. Auch das, was wir über die Grenzen im Rahmen der Welternährungshilfe zu tun vermögen, sollten wir ausschöpfen. Karitas steht uns allen hier im Hause gut an.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Bundesminister, ich wollte nur fragen, ob Sie es angesichts der Schwierigkeit des Problems und des vielen hier versammelten Sachverstandes nicht auch für gut hielten, wenn die 22 Wortmeldungen noch zum Zuge kämen. Ich habe mich selbst nicht gemeldet; ich darf für andere fragen.
Das ist eine sehr nette Geste, und ich danke für die kollegiale Art, in der Sie es vorbringen. Ich darf ganz kurz noch einige Bemerkungen anbringen. Ich werde sofort wieder der freien Diskussion, die ja eigentlich mein Lebenselexier ist, jenen Raum geben, den sie in diesem Hause beanspruchen darf. Aber die Regierung möchte eben auch ihre Meinung sagen und nicht immer nur lesen und hören müssen, was man über sie denkt, sondern sie möchte Ihnen Gedanken vorlegen, damit die Kritik wieder wächst und damit Sie wieder Stoff bekommen, sich zu äußern.
Meine Damen und Herren, Ostpolitik und Landwirtschaftspolitik in einen etwas oberflächlichen Zusammenhang zu bringen, ist hier nicht der Platz. Herr Kollege Bauer hat schon darauf hingewiesen. Hier geht es um große Probleme. Es gibt ein Schutzelement in der Ostpolitik im Verhältnis zur Landwirtschaftspolitik: das ist der Marktordnungsbereich, der uns auch vor Ostimporten schützt. Wir könnten vielleicht aus eigener Kraft, weil wir in der Rangordnung der politischen Aufgaben nicht das allerletzte ansetzen können, nicht so viel Außenschutz aufbringen, und ich glaube, daß hier keineswegs die so üblich gewordenen Verdächtigungen am Platze sind.Herr Kollege Schmidt, nur eine kurze Bemerkung! Sie wissen, wie sehr wir Ihre kritische Art schätzen. Sie haben auch heute wieder ein Meisterstück von Kritik angebracht. Diese Befähigung zur Kritik nimmt ja oft die Befähigung zum Handeln und ist gelegentlich auch für Sie ein Hindernis gewesen. Ich bin Ihnen sehr dankbar dafür, daß Sie meine Absichten bei der Einbringungsrede doch richtig angesprochen haben. Ich halte die Art, wie Sie das gemacht haben, für fair und gut. Ich habe gesehen, daß Sie es genau studiert haben. Aber sonst hatte ich den Eindruck, daß Sie die Eierschalen der vergangenen Opposition noch nicht ganz abgelegt haben.
Das trübt aber die Herzlichkeit unserer Beziehungen nicht.
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Bundesminister HöcherlHerr Kollege Schmidt, ich gehe mit Ihrer Darstellung weitgehend einig. Sie haben zehn Punkte vorgelegt. Sie werden nicht verlangen — ich bin ja auch von Ihren Fraktionskollegen gemahnt worden —, daß ich sie jetzt behandle. Ich werde aber ganz gründlich darauf zurückkommen. Vielleicht kann ich das in einer schriftstellerischen Arbeit tun.Eines muß ich Ihnen aber sagen: Der Herr Bundeskanzler kann der Debatte nicht mehr länger beiwohnen. Sie haben ihm aber vorgehalten, er müßte sich etwas mehr über die Landwirtschaftspolitik informieren lassen, und der Teil in der Botschaft über die Lage der Nation zur Landwirtschaft sei nicht sachgerecht oder nicht ausführlich genug ausgefallen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser Vorwurf und dieser Zweifel kann und darf in dieser Form nicht stehenbleiben. Es ist kein Geheimnis und entspricht der Arbeitsweise einer Regierung, daß der jeweilige Ressortchef dem Bundeskanzler die Vorschläge macht. Der Herr Bundeskanzler hat diese Vorschläge vollständig übernommen. Ich habe die Zusammenfassung noch einmal vor mir, und ich muß sagen, das ist ein klassischer Auszug in einer knappen, präzisen Formulierung, der alles enthält, was man vernünftigerweise, ohne in die Einzelheiten zu gehen, dazu sagen kann.
Das Entscheidende finde ich darin, daß er die Hilfestellung für die Landwirtschaft wegen der Strukturentwicklung ausdrücklich bejaht und eine besonders sinnvolle Hilfestellung verlangt, ein Ausdruck, der sehr gezielt und genau dorthin weist, wohin wir uns zu bewegen haben. Er hat genau die Unterscheidung gemacht zwischen Vollerwerbsbetrieben und Betrieben, die im Zu- und Nebenerwerb zu unserer agrarpolitischen Landschaft gehören, und er hat für beide einen ganzen Katalog von Maßnahmen angesprochen, die wir verwirklichen müssen.Ich darf Ihnen hier folgendes sagen: Meine Einbringungsrede wäre nicht so drastisch ausgefallen, wenn mich nicht der Bundeskanzler ausdrücklich beauftragt hätte, einmal so, wie es auch finanz- und wirtschaftspolitisch geschehen ist, und nicht zuletzt, um einige Sünden von Ihnen, meine Herren der Opposition, zu bereinigen, eine schonungslose Analyse als Ausgangspunkt einer Therapie vorzulegen. Das war sein Auftrag, und ich glaube, das ist eine sehr korrekte und sehr berechtigte Art und Weise. Ernsthafter können die Gesinnung und die Einstellung des Regierungschefs für einen solchen Bereich nicht zum Ausdruck kommen. Im übrigen ist es gerade der Kanzler, der die Frage der Regionalpolitik ganz besonders forciert. Über die regionalpolitische Problematik habe ich Ihnen bereits in anderem Zusammenhang vorgetragen. Das wäre das, Herr Kollege Schmidt.Vielleicht darf ich aber noch etwas viel Wichtigeres sagen. Bei einer ganzen Reihe von schwierigen Entscheidungen, vor allein von Preisentscheidungen, die im Jahre einer Rezession, in einem Jahr, das uns Arbeitslosigkeit gebracht hat, jedem sehr schwer-fallen, hat sich der Bundeskanzler trotz schwerer Bedenken im Zuge der Preisentwicklung immer wieder zu Schritten, wenn auch zu kleinen Schritten — andere konnten wir nicht vornehmen — nach vorn entschlossen und sich auf die Seite dieser Entwicklung gestellt. Er hat diese Entscheidungen nicht zuletzt immer zu einer Richtlinienfrage gemacht. Das sage ich hier, damit es die deutsche Landwirtschaft und alle Öffentlichkeit hört.
Meine Damen und Herren, ich glaube, das verlangt die Aufrichtigkeit und die Korrektheit, damit die hier gelegentlich zu vernehmenden Vorwürfe auf das Maß zurückgeführt werden, das der Wahrheit und der Wirklichkeit entspricht. Aber damit möchte ich es schon bewenden lassen. Ich darf mir vielleicht gestatten, Herr Kollege Schmidt, bei einem Schlußwort das eine oder andere noch nachzutragen. Zunächst möchte ich sagen: freie Gasse der weiteren Diskussion.
Für die weitere Diskussion sind 20 Redner eingeschrieben. Als nächster Redner hat das Wort der Herr Abgeordnete Ertl.
— Die Bundesregierung hat nach der Geschäftsordnung das Recht, jederzeit das Wort zu verlangen. Allerdings sollte jeder, der redet, auf die Geschäftslage Rücksicht nehmen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Inzwischen ist es 19.45 Uhr. Die Debatte hat bisher 4 Stunden und 15 Minuten gedauert, und die Opposition hat bisher ungefähr eine halbe Stunde Redezeit gehabt. Dafür hat die Regierung bereits über eine Stunde gesprochen.
— Aber ich würde sagen: der Minister wird es nötig haben, sich zu rechtfertigen, und bei der Lage haben wir dafür volles Verständnis.
Damit komme ich gleich zu dem letzten Beitrag. Verehrter Herr Minister, Sie sagten, es sei nichts manipuliert. Die Gewinnermittlung, wie Sie sie in Ihrem Bericht vorgetragen haben, ist manipuliert, und ich meine, in diesem Punkt werden Sie das zugeben. Sie haben wohl auch schon selbst bereits eine ähnliche Veröffentlichung gemacht.Ich möchte beinahe sagen, die CDU hat hier so eine Art Zensorrolle gespielt. Der Herr Bauer zensiert gern, und der Herr Minister zensiert auch gern. Gute Koalition, schlechte Koalition, braver Koalitionsbruder, schlechter Koalitionsbruder, guter Kanzler, schlechter Schiller — so ähnlich geht es hier laufend rund. Ich möchte sagen: Oberstudiendirektor! Wir haben uns das gern angehört.
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8234 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 159. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. März 1968
ErtlSie haben hier darauf hingewiesen, daß z. B. der Herr Kollege Logemann sozusagen unberechtigter-weise nach der Grundsteuer gefragt habe. Das ist natürlich ein eigenartiger parlamentarischer Stil. Ich hoffe, daß Sie wenigstens dem Bayerischen Bauernverband nicht gar so böse sind; denn dem sollten Sie zumindest in der Form des Präsidenten sehr nahestehen. Da lese ich folgendes, und ich nehme an, daß er gut informiert ist, nachdem Sie solche Spitzengespräche führen. Beispielsweise hat der Herr von Feury gesagt: Die Agrarpolitik mache ich ja mit Höcherl, und was der mit den 100 Millionen DM vorhat, weiß ich schon längst; denn ich habe das mit Höcherl besprochen. Das hat er in Mühldorf erklärt. Ich nehme also an, daß Sie wenigstens auch in dieser Sache Herrn von Feury informiert haben. Aber hier lese ich im letzten Wochenblatt neben der Sorge des Regensburger Bischofs, bei dem Sie vielleicht besser einmal beichten würden, damit der Sie ins Gebet nehmen könnte, —
— Ich erfülle meine Beichtpflicht immer zu Ostern und ich bekomme eine gute Absolution; denn ich habe ein reineres Gewissen.Hier lese ich aber: „Der BBV protestiert gegen die Grundsteuererhöhung." Verehrter Herr Kollege— entschuldigen Sie, so weit werde ich es ja nicht bringen —,
verehrter Herr Minister Höcherl, ich gehöre auch zu den Gebildeten. Ich habe bisher immer nur gelesen: Strauß für maßvolle Grundsteuererhöhung. Ich habe nichts anderes gelesen und habe deshalb auch für die Fragestunde eine Frage eingebracht, die, hoffe ich, noch in dieser Woche beantwortet wird. Dann wissen wir, wie wir dran sind.Es gibt ja viele Irrtümer, es gibt auch offensichtlich verschiedene Ansichten des Bundesministers über die Lage der Landwirtschaft. Aber ich nehme an, ich unterliege hier wieder einem neuen Irrtum. Das letzte Wochenblatt in Bayern ist eine hochinteressante Ausgabe gewesen. Weil Sie schon so dabei sind und sagen, man müsse dem Minister viel Verständnis entgegenbringen — das haben wir, ich als Landmann ganz besonders —: ich lese z. B. hier: „Bundesminister Höcherls mehr als läßliche Sünde." Mehr als läßliche Sünde! Und dann heißt es im Irmgard-Boten: „Ärgerlich war der Minister, daß die großen Bauern heute schreien und die kleinen, die eher Grund hätten, ruhig bleiben." —„Höcherl mit Schweißperlen auf der Stirn: Wir können doch der Welt nicht weismachen, daß unsere Landwirtschaft auf dem letzten Loch pfeift, wenn unsere Bauern mit dem Mercedes 300 auf den Acker fahren, wenn sie Paläste als Ställe bauen, wenn aus Bayern 1967 40,5 Millionen DM an Investitionsmitteln zurückgegeben werden."
Und später heißt es: „Höcherl sieht es anders."Dann heißt es: „Es ging in der Rede des Ministersin Regensburg darum, daß die Landwirte sich dochnicht bangemachen lassen sollten. Das Zitat mit dem Mercedes im Irmgard-Kurier ist aus dem Zusammenhang gerissen." Ich hätte das nicht gesagt, Herr Minister, aber wenn sich einer immer so sehr auf Wahrheit beruft und sich dann immer so sehr berichtigen muß, dann, muß ich sagen, hat die Opposition das Recht, Fragen zu stellen, um die Wahrheit zu erfahren.
Das wollte ich nur einmal zu dieser Frage gesagt haben. Ich werde auf einige Themen noch später kommen.Es wäre interessant, auf viele Fragen der Vorredner einzugehen. Ich fühle mit dem Kollegen Schmidt, daß er natürlich nicht gerne die schwankende rote Feder am schwarzen Hut sein will; das würde zuviel Schwankungen bedeuten. Und ich muß sagen, er hat auch heute hier manch wertvollen beitrag geliefert. Überhaupt haben wir als Opposition es hier sehr schön. Mit den 560 Millionen — —
— Ja, das geben wir offen zu.
Mit den 560 Millionen werden wir die Mehrheit mit den Sozialdemokraten bekommen, und der Höcherl wird seine 100 Millionen nicht so verteilen, wie er will und wie er es seinen Freunden versprochen hat; dafür werden wir sorgen.
Beim Rinderorientierungspreis werden wir mit der CDU/CSU eine Mehrheit bilden, und die Bauern werden einen besseren Preis bekommen. Das nenne ich konstruktive Opposition.
So werden wir es auch in Zukunft. halten.
— Ja, wissen Sie, bei solchen routinierten Taktikern halten wir auch etwas von Taktik. Wir sind offen nach allen Seiten und werden auch nach allen Seiten offenbleiben. Darauf können Sie sich verlassen.
Nun kommt mein hochverehrter Freund und Zensor Bauer. Er hat wieder einmal gesagt — ich habe das schon einmal betont, wir kennen ja die Leier nun zur Genüge —, wenn es früher schlecht war, dann war immer der Finanzminister der FDP schuld, heute ist es der Wirtschaftsminister der SPD. Ich habe das schon einmal gesagt. Das ist eben so, der Große sagt: Ich habe immer recht, auch wenn ich es falsch mache, und er hat bis jetzt immer noch das Glück gehabt, daß ihm die Bauern geglaubt haben. Nur bis jetzt! Langsam merken sie es, daß er allein die Verantwortung als größte Partei seit
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Ertl1949 ununterbrochen mit dem Kanzler und mit allen maßgeblichen Ministern getragen hat.
Eine Zwischenfrage.
Sind Sie der Meinung, daß Ihre Minister in der Koalition alle nicht maßgebend waren?
Nein, nein! Ich bedauere es sogar, daß die Richtlinienkompetenz so ist, mir wäre im Kabinett ein Kollegialitätssystem lieber, weil das für die Koalition viel zweckmäßiger wäre. Aber die Richtlinien der Politik hat bisher immer nur ein CDU-Kanzler bestimmt; das wollte ich hier noch einmal zur Deutlichkeit sagen, damit hier nicht falsche Gewichtsverschiebungen kommen. Aber wir bekennen uns zu unserer Mitwirkung. Wir bekennen uns beispielsweise zu unserer Mitwirkung in der ersten Regierung Adenauer an den Marktordnungen. Wir bekennen uns auch dazu, daß wir die Römischen Verträge abgelehnt haben, und zwar richtigerweise abgelehnt haben.
— Ja, bitte sehr, das können Sie nachlesen. Wir haben auf die agrarpolitischen Schwierigkeiten hingewiesen. Lesen Sie die Rede Margulies' nach!
Aber ich habe die Reden nachgelesen, lieber Freund Bauer, und im Gegensatz zu Ihnen erinnere ich mich auch noch an etwas und lese ich etwas nach. Es wäre besser, wenn Sie auch öfters Ihre Reden nachlesen würden.
Wir bekennen uns auch zu unserem Antrag auf Erhöhung des Zuckerrübenpreises und des Milchpreises, zu unserer Initiative zum Landwirtschaftsgesetz, zu unserer Initiative zum EWG-Anpassungsgesetz. Ich könnte noch vieles nennen. Wir brauchen uns unserer Rolle in Regierung und Opposition nicht zu schämen. Uns ging es immer darum, der Landwirtschaft einen gleichberechtigten Platz in unserer Volkswirtschaft und in unserer Gesellschaft einzuräumen.
Nun hat der Herr Bundesminister, der ja schon zweimal hier aufgetreten ist — darum muß ich das jetzt etwas sprungartig machen —, eine Offenbarung gemacht. Er hat gesagt, die viermal 260 Millionen DM werden nachbezahlt. Da werden wir ihn beim Wort nehmen, ihn und diese Regierung. Denn
da müssen Sie dann das Finanzänderungsgesetz wiederum ändern.
— Nein, ich werde ihn beim Wort nehmen, damit das zu gegebener Zeit wieder geklärt wird. Wir bieten ihm aber bereits heute etwas zur Verwendung an. Wir haben zwei großartige Gesetzentwürfe eingebracht, nämlich zur Absatzförderung und zu den Investitionen. Bei beiden gibt es sehr viele Möglichkeiten, die Mittel zu verwenden. Herr Bundesminister, wir nehmen Sie beim Wort. Stellen Sie die Milliarde für diesen Zweck zur Verfügung, und Sie machen eine konstruktive Agrarpolitik!
Weiterhin wurde hier so großartig gelobt, wie herrlich es ist, daß die Bauern wieder 200 Millionen DM Kredite bekommen. Zuerst streicht man 700 Millionen DM, dann bekommt man 200 Millionen DM zurück und muß dann auch noch danke schön sagen. Ganz so einfach ist es nicht darzustellen, obwohl wir es begrüßen, daß diese 200 Millionen DM gekommen sind.
Herr Kollege Ertl, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Bauer ?
: Herr Kollege Ertl, ich will nur ein bißchen nachhelfen. Die 200 Millionen DM — das wissen Sie doch so gut wie ich
— haben wir in der Zwischenzeit erfreulicherweise und Gott sei Dank zu einem wesentlichen Teil sogar in verlorene Zuschüsse umwandeln können durch die frei gewordenen Mittel. Ich meine, wir sollten uns eigentlich gemeinsam darüber freuen. Und wenn Sie von den 260 Millionen DM gesprochen haben, so darf ich noch die Frage stellen, — —
— Seid noch nicht so nervös da drüben! Ein bissel mehr Ruhe! Ruhe ist die erste Bürgerpflicht.
Bitte, Herr Bauer , die Zwischenrufe der Kollegen sind berechtigt; Sie müssen eine Frage stellen.
Selbstverständlich, Herr Präsident; ich bitte um Entschuldigung.
Die zweite Frage war: Herr Kollege Ertl, Sie wissen doch, daß wir auch im Rahmen — —
— Ich frage Sie, ob Sie wissen, daß wir im Rahmen auch der Konjunkturhaushalte schon einige hundert Millionen DM in der Zwischenzeit nachgeschoben haben. Auch das ist doch bekannt.
Ich weiß das sehr wohl, und ich würde sagen, Sie müssen einmal Ihre Kollegen im Haushaltsausschuß fragen. Ich habe mich allerdings auch hier im Plenum schon einmal dazu geäußert. Auch da ist es so, daß man zunächst gestrichen und danach
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Ertlein klein wenig nachgeschossen hat, so nach der Methode: Wenn man zunächst einmal etwas wegnimmt und danach wieder etwas schenkt, kommt das auf eine gute Weise an. Ich wollte das gar nicht kritisieren; das ist Ihr gutes Recht. Wir freuen uns über alles, und in der Landwirtschaft muß man auch für alles dankbar sein. Wir wissen das, und wir wissen ganz besonders, daß wir gerade in der jetzigen Konstellation sehr dankbar sein müssen. Wir wollen nur die richtige Relation herstellen, und man sollte nicht glauben, daß wir nicht wissen, daß zunächst ein Loch vergrößert wurde, und zwar, wenn Sie es genau wissen wollen, um 700 Millionen DM. Der Kollege Peters wird nachher noch auf Einzelheiten eingehen.Der Tenor des bisherigen Verlaufs der Debatte war in einem Punkt wieder sehr interessant. Ähnlich wie am 15. November kann ich nur sagen: allenthalben und speziell in der Fraktion des Herrn Ministers selbst erhebliche Kritik an seiner Politik. Das ist eine interessante Tatsache. Auch der Koalitionspartner — ich würde bei der SPD nicht Juniorpartner sagen — übt erhebliche Kritik. Er spricht von Tatenlosigkeit. Ich muß auch sagen, mir ist sehr aufgefallen, daß zwar die letztjährige Rede des Herrn Ministers wirkliche Höhepunkte bezüglich einer Proklamierung seiner Agrarpolitik hatte. Ich kann aber nur unterstreichen, was der Kollege Schmidt gesagt hat: Keiner dieser Punkte ist bis jetzt auch mir in einen Status nascendi geraten. Von „angegriffen" will ich gar nicht reden.Das ist vielleicht auch der Punkt, warum letzten Endes heute draußen eine so große Unruhe besteht: weil die Bauern erstens sehen, daß ihre Preise permanent fallen und daß es auf dem Agrarförderungssektor auch immer schlechter wird. Da schafft es eben die Große Koalition, daß nicht nur die Studenten, sondern auch die Bauern auf die Straße gehen, wobei man es den Bauern heute nicht mehr übelnehmen kann.Herr Minister, ich wollte Ihnen weiß Gott nicht persönlich nahetreten. Ich weiß, wie schwer es ein Landwirtschaftsminister hat. In diesem Punkte wird es bei der Opposition immer volles Verständnis haben. Er hat es in unserer Zeit sehr schwierig. Aber ich habe Ihnen in der Debatte am 15. November am Schluß ein ernstes Wort mitgegeben. Ich weiß, Sie dachten, ich möchte Ihnen persönlich etwas unterstellen. Ich habe Ihnen gesagt, was mein väterlicher Freund Frühwald mir und Ihnen damals mitgab. Er sagte: Sie haben die Chance, der Vollender zu werden. Ich sagte: Hoffentlich nicht im Sinne des Liquidators, sondern wir wünschen, im Sinne der Sicherung einer leistungsfähigen Landwirtschaft.Wenn Sie heute durch die Lande ziehen, hören Sie viele Bauern fragen: Hat es überhaupt noch einen Sinn, oder sollen wir nicht gleich aufhören? Die Bauern sagen: wir würden vielleicht sogar aufhören, wenn wir eine andere Chance fänden. Gerade auf dieses Thema möchte ich eingehen. Ich möchte heute nur noch in wenigen Sätzen auf das Thema Landwirtschaft in der Industriegesellschaft eingehen. Ich meine, das ist heute eine Kernfrage, und hier können wir die Bauern nicht mehr länger vertrösten.
Wir müssen sagen: Wollen wir in dieser Industriegesellschaft ein freies Bauerntum, ein auf bäuerliches Eigentum aufbauendes Bauerntum, oder wollen wir es in einer unter ökonomischen Gesichtspunkten nur zum Großbetrieb hin sich orientierenden Form? Diese Frage muß einmal geklärt werden. Erst wenn diese Frage geklärt ist, kann man die Mittel der Agrarpolitik und der Agrarförderung zur Verfügung stellen.Lassen Sie mich ein grundsätzliches Wort aus der Sicht der Freien Demokraten sagen. Das Problem ist uralt. Bereits Naumann befaßte sich vor dem ersten Weltkrieg mit diesem Thema.
— Aber es ist sehr interessant. Er sagte damals:
Ein siegreicher Industrialismus wird aus wirtschaftlichen und aus nationalen Gründen Bauernschutzpolitik treiben müssen, wenn er unser Volk nicht in die höchst bedenkliche Lage bringen will, in der jetzt England ist, wo in einer industriellen und finanziellen Hochkonjunktur der Bauer in unserer Gunst fällt. Wenn es sich um Bauernschutzpolitik handelt, müßte selbst eine industrielle Demokratie in weitsichtigem Interesse Opfer bringen.Ich halte diese Ausführungen für sehr interessant. Ich bin auch der Meinung, daß diese Frage heute noch von eminent politischem Gehalt ist.
Ist unsere Industriegesellschaft bereit, im Interesse des Bauerntums Opfer zu bringen, weil wir sagen, wir brauchen eine gesunde Gesellschaftsordnung? Das ist die Kernfrage. Weil heute so sehr viel von ökonomischen Problemen, von der Lösung nur aus der ökonomischen Sicht heraus gesprochen wird, möchte ich hier einmal darauf hinweisen, was beispielsweise Röpke, der ein Vater unserer Nationalökonomie gewesen ist, in einer seiner letzten Ausführungen geschrieben hat. Das hat er all jenen modernen, sogenannten modernen Menschen, ins Stammbuch geschrieben, die heute meinen, Rationalisierung sei ein Mittel, das alle Probleme löse, und die nicht den Menschen sehen. Ich will mit Genehmigung des Präsidenten die Ausführungen Röpkes kurz zitieren:Zum erstenmal nämlich habe ich darauf aufmerksam zu machen, daß Agrarfragen, auch wenn sie von Agrarexperten erörtert werden, meist von einem Standpunkt aus diskutiert werden, der durchaus städtisch-industriell ist und wenig Verständnis für die mehr als technischen Probleme der Landwirtschaft und des flachen Landes erkennen läßt. Je mehr die Landbevölkerung zu einer Minderheit herabsinkt, um so größer ist die Wahrscheinlichkeit, daß die Vertreter und Lenker der öffentlichen Meinung, Politiker wie Intellektuelle einschließlich der Agrarintellektuellen, der Stadt und dem indu-
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Ertlstriellen Milieu entstammen und daher bei aller agrartechnischen, agrarökonomischen Schulung dem Landleben notwendigerweise fernstehen. Diese Fremdheit steigert sich zuweilen zu einer Arroganz und Verachtung gegenüber dem Land, wie sie vielleicht zuerst von Karl Marx aufgebracht worden ist, als er von der „Idiotie des Landlebens" sprach.Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist ein sehr ernstes Wort. Auch in unserer öffentlichen Diskussion kann man diese Meinungen hören.Damit stellt sich folgende Frage. Es war sehr interessant, Herr Bundesminister, daß im Gegensatz zu Ihrer Erklärung vom 15. November und auch der Erklärung des Herrn Bundeskanzlers vom 15. November das Wort „Familienbetrieb" nicht mehr vorkam. Es wurde aus Ihren Diskussionsbeiträgen gestrichen. In der Tagespresse wurden Sie vielfach gelobt, wie Herr Schmidt mit Recht sagte, und es wurde gesagt, das sei der Durchbruch. Dann muß man natürlich sagen, was man will. Ihre Ausführungen fielen zusammen mit den Ausführungen von Herrn Mansholt in Groningen: pro Arbeitskraft 400 Kühe, Gartenbaubetriebe von 50 bis 80 ha. Sie haben sich soeben davon distanziert. Ich nehme das zur Kenntnis. Aber ich frage: Ist die Bundesregierung dann willens, in Brüssel weiter mit diesem Mann zusammenzuarbeiten? Oder ist sie nicht verpflichtet, ihm wenigstens zu sagen, daß sie diesen seinen agrarpolitischen Kurs nicht mitmachen kann?
— Nein. Das ist doch eine Frage. Die Bundesregierung hat ja bei der Zusammensetzung der Kommission mitzubestimmen.
Herr Ertl, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Dröscher?
Herr Ertl, sind Sie sich darüber im klaren, daß das, was Herr Mansholt auf den Tisch gelegt hat, nicht etwa seine Zielvorstellung ist, sondern daß er gesagt hat: Hier ist ein neuer Schub der Agrarpolitik eingeleitet, der dann, wenn das Ganze finanziell tragbar sein soll, im Laufe eines längeren Zeitraums zu neuen Betriebsformen führen wird?
Ich bin mir sehr wohl darüber im klaren. Ich habe auch gelesen, daß Herr Mansholt gesagt hat, wir müßten sogar neue Eigentumsformen, sei es die Kooperation, sei es die Aktiengesellschaft, finden. Das heißt, für ihn hört das individuelle Eigentum auf.
Das lese ich hier heraus. Wenn Sie natürlich Herrn Mansholt interpretieren können, ist das Ihre Sache. Es steht doch darin, man müsse neue Eigentumsformen finden. Das ist eine Grundsatzfrage.
Jetzt komme ich auf die Empfehlung an unsere Landwirte zurück, weiter zu produzieren. In dieses Konzept ist eingerechnet, daß eine Vielzahl unserer Landwirte die Produktion aufgeben, damit sich unser Markt für unsere Partner öffnet.
Das muß man doch einmal hier sagen.
Eine Zwischenfrage, Herr Schmidt.
Herr Kollege Ertl, wissen Sie nicht, daß diese Frage einen ganz bestimmten taktischen Zweck hatte, der auf ganz anderer Ebene liegt?
Ich lasse mich gern belehren.
— Mein Parteifreund ist der Herr Mansholt nicht. — Bitte, Herr Ritz!
Eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Ritz.
Herr Kollege Ertl, wenn Sie hier sehr allgemein in Richtung EWG sagen: weniger Betriebe, damit mehr von außen hereinkommt, wie stellen Sie sich denn zu den Aussagen Ihres eigenen stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Herrn Dorn, der in einem ausgiebigen Interview in Fragen des Osthandels gesagt hat, auch da, wo Überschüsse seien, müsse natürlich entsprechend eingeführt werden? Ich möchte das jetzt nicht en detail darstellen. Hier geht es doch um Lösungen und Konzepte. Ich würde mich freuen, wenn Sie dazu etwas sagen wollten.
Herr Kollege Ritz, ich bin Ihnen sehr dankbar für diese Frage; denn das läßt ein weiteres Gebäude zusammenbrechen. Es ist schlechtweg unwahr, daß wir ein Interesse daran haben, daß unsere Grenzen dicht werden. Das ist genau die These, die Sie hier im Bundestag nicht durchsetzen. Sie wissen genau und ich teile das, was heute dazu gesagt worden ist —, daß die Massenkaufkraft für die Landwirtschaft entscheidend ist. Auch wir haben ein Interesse daran, daß unsere Arbeiter genug verdienen. Wir haben auch ein Interesse daran, daß der deutsche Bauer gut verdient. Das muß gleichartig sein. Sie wissen ganz genau, Herr Kollege Ritz, daß ein Drittel unseres Exports in die sogenannten Drittländer geht, und Sie wissen ganz genau, daß diese Bundesregierung eine aktive Ostpolitik betreibt, zum Teil auch mit Unterstützung der Opposition. Wenn Sie nun behaupten, wir könnten unsere EWG abdichten, sagen sie schlechtweg nicht die Wahrheit. Und weil Sie das den Bauern nicht sagen, tauchen so viele Mißverständnisse auf.
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8238 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 159. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. März 1968
Ertl— Wenn Sie mir da zustimmen, dann werden Sie zugeben, daß diese ganze Abschließungskonzeption der EWG aus einem weiteren Grund für uns wiederum gefährlich ist, so daß sie unsere Landwirtschaft erneut in Schwierigkeiten bringt. Das muß hier doch einmal in aller Deutlichkeit gesagt werden.Der Umstrukturierungsprozeß im Sinne Mansholts ist nach unserer Kenntnis mit Kosten von 150 Milliarden DM his 180 Milliarden DM verbunden. Wer das aufbringen will, der weiß, daß das ein Unding ist. Daraus ergibt sich eine Vielzahl von anderen Aufgaben, die heute gegeben sind. Es gibt die Fragen im Zusammenhang mit der Infrastruktur, die heute behandelt wurden. Herr Bundesminister, ich war vor kurzem in der Oberpfalz in Ihrer Nähe und habe dort mit Landräten gesprochen. Die haben mir gesagt: „Schicken Sie uns doch die Betriebe, damit wir zusätzliche Arbeitsplätze bekommen." Tatsache ist, daß es gar nicht so leicht ist, die Infrastruktur zu verbessern. Es ist viel leichter gesagt, das müsse geschehen, als getan. Zumindest sind die praktischen Erfolge nicht in ausreichendem Umfang gegeben.Ich will noch einen weiteren Punkt anschneiden, die Finanzierung der EWG und die Marktordnungen. Wir haben uns zu diesen Marktordnungen bekannt, obwohl der EWG-Vertrag bindend drei Lösungen vorschreibt. Wir haben uns zu der dritten Lösung bekannt. Wer Marktordnungen und auch das Regulationsinstrument Preise bejaht, darf dann nicht bei der Finanzierung kneifen. Das hätte man sich früher überlegen müssen. Es hat eine ganz entscheidende Funktion für alle kommenden Ordnungen, natürlich auch für die Gestaltung der Erzeugerpreise der Zukunft.Nun kommt natürlich die Frage, wie sich bei uns überhaupt noch eine Einkommensentwicklung erreichen läßt. Mit Recht stellen wir hier in dem Antrag die Frage: Was bleibt mit den Einkommensleitlinien im Rahmen der konzertierten Aktion für die Landwirtschaft? Was wird daraus? Warum werden nicht Einkommensleitlinien oder Lohnleitlinien festgelegt? Die Landwirte sollten doch nicht ausgeklammert werden. Diese Fragen sind von eminenter Bedeutung.Ich darf in der Kürze der Zeit noch auf zweierlei hinweisen. Wir haben zwei Gesetzesanträge eingebracht, zunächst in Drucksache V/2663 ein Gesetz für den Agrarfonds, übrigens eine Initiative, die wir schon einmal im Jahre 1958 aufgegriffen haben. Wir haben sie jetzt verbessert. Sie sehen, wieviel weiter die Agrarpolitik gekommen wäre, wenn diese Idee schon in den letzten Jahren realisiert worden wäre. Es ist nicht unsere Schuld. Wir greifen Sie noch einmal auf.Zu den Formen des Agrarfonds! Wir hoffen, mitzuhelfen, die Marktstellung unserer Landwirtschaft zu stärken, die Erzeugung zu verbessern und letzten Endes den Absatz einschließlich des Agrarexports auszuweiten.Wir legen, ganz im Sinne der vorjährigen Erklärung zum Grünen Bericht, ganz großen Wertauf das landwirtschaftliche Investitionsgesetz — Drucksache V/2665 —, weil wir der Meinung sind, die Agrarstrukturmaßnahmen müssen langfristig harmonisch verlaufen. Sie müssen langfristig kontinuierlich gestaltet werden und sie müssen unbürokratisch abgewickelt werden. Daher unser Fonds-Gedanke in Form einer revolvierenden Finanzierung! Vielleicht kann man hier das Investitionssparen ähnlich wie das Bausparen mit einbauen, so daß sich auch die Landwirtschaft langfristig auf solche Aufgaben vorbereiten und daran beteiligen kann.Das sind unsere Gesetzesanträge, die wir in den Ausschüssen sicherlich noch in Einzelheiten erläutern können. Wir gehen davon aus, daß auch diese Initiativen nicht absolute Patentlösungen sind. Wir lassen uns gern belehren und helfen, wenn sich im Ausschuß noch bessere Lösungen finden lassen. Unsere Bereitschaft ist in diesem Falle sehr groß.Ich darf zum Schluß noch einmal zusammenfassen. Es erscheint uns dringend notwendig, daß alles getan wird, um die Revision beim Getreidepreis durchzusetzen, den Rinderpreis zu verbessern und, wenn irgend möglich, den Milchpreis zu halten. Wir teilen die Sorgen, die der Kollege Schmidt hat, daß es vielleicht in der Praxis nicht durchzusetzen ist, weil man nicht die nötigen Mittel hat, auch die Milchauffettung mit entsprechender Preiserhöhung zu erreichen.
Wir werden noch auf Einzelheiten zurückkommen. Es wäre wirklich interessant, Herr Minister, wenn wir im Ausschuß über dieses Thema ausgiebig mit Ihnen diskutieren könnten.Die Preispolitik muß auch in Zukunft die Kostensituation berücksichtigen. Eine richtige Agrarpolitik kann nur betrieben werden, wenn sie alle Komponenten — d. h. die Preispolitik, die Strukturpolitik, die Investitionspolitik und die Sozialpolitik — berücksichtigt. Die Strukturpolitik muß nach unserer Auffassung sich langfristig harmonisch abwickeln. Daher haben wir auch unsere Gesetzentwürfe eingebracht.So sehen wir die Schwerpunkte unserer nationalen Agrarpolitik. Wenn die landwirtschaftliche Bevölkerung wieder merkt, daß diese Regierung und dieses Parlament, und zwar Koalition und Opposition, sich wiederum auf einer Linie bewegen, wie das früher der Fall war, wo leidenschaftlich darum gerungen wurde, daß unsere Landwirtschaft gleichberechtigt werde, wird sie auch Vertrauen schöpfen. Aber weil sie zur Zeit meint, sie sei abgeschrieben, kommt der Protest. Sie fühlt sich tatsächlich abgeschrieben.Lassen Sie mich zum Schluß ein mahnendes Wort Chateaubriands zitieren: „Die Verbrechen finden in dieser Welt nicht immer ihre Sühne; die Fehler aber werden immer bestraft., erbarmungslos, ohne Ausnahme." Hoffentlich muß man das nicht eines Tages von der Agrarpolitik dieser Tage sagen.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 159. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. März 1968 8239
Meine Damen und Herren, die Geschäftslage hat sich ein wenig gebessert. Unsere Kollegen Herr Stooß *) und Herr Fritz **) haben die beabsichtigten Ausführungen zu Protokoll gegeben. Unter den Fraktionen ist Einverständnis erzielt worden, wie man mir gesagt hat, daß wir uns noch drei kurze Runden vornehmen.
Zunächst hat das Wort Herr Abgeordneter Professor Stein. Ich darf ihn, wie früher angekündigt, fragen, wie lange er zu reden gedenkt.
Herr Präsident, ich werde etwa 10 Minuten sprechen und, wenn ich diese Zeit nicht einhalten kann, den Rest meiner Rede zu Protokoll geben ***).
Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir gehen in eine neue Runde der Debatte und können uns einigen Spezialproblemen zuwenden. Sie werden verstehen, wenn ich an das anknüpfe, was der Kollege Ertl gesagt hat, und mich einen Augenblick mit dem Verhältnis von Industrie und Landwirtschaft, das ja in diese Problematik hineingehört, beschäftige.In früheren Jahren konnte es oft so scheinen, als ob die Landwirtschaft einerseits und die übrige Wirtschaft andererseits sich gegenseitig ohne Verständnis und Wohlwollen betrachteten, ja als ob sie einander ihre gegenläufigen Interessen vorrechneten und sich ihrer gemeinsamen Grundlage nicht bewußt wären. Auch heute werden gelegentlich derartige Vergleiche gezogen, wie etwa der Vergleich des Reineinkommens und der Unkosten. Daraus werden dann Ansprüche hergeleitet, die allesamt ein wenig daran kranken, daß sie nicht auf einer sehr breiten Vergleichbasis berechnet sind und daß sie allerlei Wichtiges unberücksichtigt lassen. Wir haben auch in letzter Zeit — das ist heute angeklungen solche Berechnungen mit stark emotioneller Grundlage gehört.Ich will beileibe nicht die breite Gegenrechnung der nichtlandwirtschaftlichen Wirtschaft aufmachen. Ich bin als Sprecher eines stark landwirtschaftlich durchsetzten Wahlkreises nicht nur voller Verständnis für die Landwirtschaft und ihre Bedürfnisse und voller Interesse an ihrem Vorankommen, sondern auch in der Lage, beide Seiten, die Landwirtschaft und die übrige Wirtschaft, ganz obejktiv und ruhig zu betrachten.Die Vorstellung, daß es etwa die Wirtschaft sei, die der Landwirtschaft nicht die Butter aufs Brot gönne, wäre so albern, daß es sich nicht verlohnte, hier irgendwie darauf einzugehen. Wenn jemand die Landwirtschaft und die Wirtschaft als kaum trennbare Teile der Volkswirtschaft empfindet, dann ist es die Wirtschaft, deren Gesundheit und deren*) Siehe Anlage 5 **) Siehe Anlage 6 ***) Siehe Anlage 7Wachstum nicht zuletzt von einer leistungsfähigen Landwirtschaft abhängen. Umgekehrt ist es ebenso, daß die Landwirtschaft von der Wirtschaft profitiert. Wenigstens ist es in der ganzen Welt so und auch in Deutschland schon lange so. Ohne die Kaufkraft ihrer Arbeitnehmer können weder die Landwirtschaft noch die Industrie und die übrige Wirtschaft leben, und kein Zweig kann dem anderen vorwerfen, daß er ausschließlich auf Kosten der anderen benachteiligt ist. Selbstverständlich dürfen sich die Nachteile und die Vorteile nicht ganz unangemessen gegenüberstehen. Und das kann — wie gesagt, da stimme ich dem Kollegen Unertl bei — nicht nur mit dem Bleistift berechnet werden. Der Landwirtschaft kann auch nicht daran gelegen sein, daß im Rahmen der weltwirtschaftlichen Arbeitsteilung der Gesamtwirtschaft etwa die deutsche Wirtschaft in Schwierigkeiten gerät oder daß das große Menschenpotential der Industrie eine geringere Kaufkraft hat. Umgekehrt ist die Wirtschaft für eine abnahmekräftige deutsche und europäische Landwirtschaft.Ich frage mich, ob wir nicht für die gegenseitige Abhängigkeit von Landwirtschaft und Wirtschaft in den beiden letzten Jahren eine ganz gute Lektion erhalten haben, eine Lektion, die uns vor dem gegenseitigen Vorrechnen von Markt- und Einkommensvorteilen für einige Zeit bewahren sollte. Unsere Wirtschaft geriet bekanntlich in der zweiten Hälfte des Jahres 1966 erstmals in eine konjunkturelle Abwärtsbewegung. Die Investitionstätigkeit ließ nach, die Beschäftigtenzahl verminderte sich, das Masseneinkommen stagnierte im wesentlichen, und die Sparguthaben, das wissen wir alle, blieben im Grunde genommen im Strumpf. Da war es auch die Landwirtschaft, die diese Stagnation der Massenkaufkraft auf den Nahrungsmittelmärkten deutlich zu spüren bekam. Vor allem ließ die Nachfrage bei den relativ teuren landwirtschaftlichen Veredelungsprodukten nach, und statt der berühmten ökonomischen Eigengesetzlichkeit der beiden Seiten, der Landwirtschaft und der übrigen Wirtschaft, zeigte sich wider Erwarten eine sehr hohe gegenseitige Abhängigkeit. Daran wird sich auch in der voll integrierten Agrarwirtschaft meines Erachtens nichts ändern.Wenn wir inzwischen nun alle wieder hoffen, daß wir uns jetzt am Beginn einer neuen Aufwärtsbewegung unserer Wirtschaft befinden, gilt diese Hoffnung natürlich auch für die Gesamtwirtschaft, also auch für die Landwirtschaft, deren harmonische Weiterentwicklung uns allen im eigensten Interesse am Herzen liegt. Die konjunkturelle Abschwächung traf unsere Landwirtschaft hart, weil sie am Beginn der eigenen industriellen Entwicklung steht und daher gerade jetzt über die erforderlichen Investitionsmittel verfügen muß. Die Industrie ist an dieser Steigerung der Produktivität aufs lebhafteste interessiert, und schon deshalb ist jede Spekulation auf gegenläufige Interessen von Landwirtschaft und Industrie abwegig.Die Industrie erkennt auch gern die großen Leistungen an, die unsere Landwirtschaft in den letzten Jahren vollbracht hat. Es ist hier gesagt worden — ich glaube, Herr Schmidt hat es ausge-
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Stein
sprochen —, daß die Landwirtschaft an sich keinenAnspruch auf Lob ihrer besonderen Leistungen erhebt. Aber ich habe das Gefühl, und ich glaube, wir sollten es gelegentlich aussprechen, daß ein Gewerbe, das in so langen Jahren sich als Stiefkind der Gesamtwirtschaft gefühlt hat, gelegentlich ein solches Wort der Anerkennung aus der anderen Gruppe durchaus verträgt und auch Anspruch darauf hat.Wir wissen, daß die Landwirtschaft ihre Produktivität seit 1950 jährlich um 14% gesteigert hat, und wir wissen auch, daß es in den 50 Jahren vor dieser Zeit ganz anders gewesen ist, daß die Produktivitätssteigerung 1 % betragen hat. Man muß sich, glaube ich, wenn man unsere Verhältnisse in der Agrarpolitik übersieht, der Bedeutung dieses Umstellungsprozesses, die sich in diesen Zahlen ausdrückt, anhaltend bewußt bleiben, um zu einem richtigen Urteil zu kommen und die Leistung der Landwirtschaft zu würdigen.Die Zulieferungsindustrien der Landwirtschaft haben diese Entwicklung natürlich sehr wesentlich mitgefördert. Aber ich hebe die Rolle der Zuliefererindustrie nicht deshalb hervor, weil es sozusagen zum Repertoir eines industriellen Sprechers gehört, auf die Landwirtschaft als Kunde der arbeitshungrigen Industrie hinzuweisen, sondern weil es in der Tat einzelne Zweige der Industrie gibt, die auf die Kaufkraftentwicklung der Landwirtschaft existentiell angewiesen sind. Der Industrie kann ganz einfach an einer Inferiorität der Landwirtschaft nicht gelegen sein. Ich verweise auf den Maschinenbau, der in seiner Produktion zu 10 bis 12 % von der Landwirtschaft abhängig ist. Selbst eine so große Industrie wie die chemische Industrie setzt über 5% ihrer Produktion in der Landwirtschaft ab. Der Kapitalbedarf für die Vollarbeitskraft in der Landwirtschaft steigt deshalb ständig. In hochmechanisierten Betrieben können wir heute bereits einen Kapitalbedarf von rund 200 000 bis 300 000 DM feststellen. Dieser Kapitalbedarf kennzeichnet besonders eindrucksvoll die ständig zunehmende gesamtwirtschaftliche Verflechtung der Landwirtschaft mit den anderen Zweigen der industriellen Wirtschaft. Die Znulieferindustrien schaffen damit gewissermaßen Vorleistungen im Rahmen der landwirtschaftlichen Produktion. Sie sind in den Produktionsprozeß indirekt eingegliedert.Dieser zunehmende Kapitaleinsatz in der Landwirtschaft erfordert aber gleichzeitig ein betriebswirtschaftliches Umdenken. Der Bauer wird auch in unseren Augen immer mehr zu einem Unternehmer.
Dieser Wandel in der Gesellschaft wird sich noch deutlicher ausprägen. Erlauben Sie, daß ich darüber noch ein kurzes Wort verliere. Der moderne Bauer gehört ebenso wie der selbständige Handwerker zum Unternehmertum. Beide bilden zusammen mit den zum großen Teil mittelständisch orientierten Unternehmern der Industrie ein breites und sicheres gesellschaftspolitisches Fundament. Das ist nicht nur eine soziologische, sondern vor allem auch eine politische Tatsache erster Ordnung angesichts dervielfachen Auseinandersetzungen in unserer Zeit. Die deutsche Landjugendakademie Fredeburg, die zentrale Schulungsstätte des Führungsnachwuchses des Bauernverbandes, hat in einer bemerkenswerten Denkschrift, die nachzulesen sich lohnt, auf die ausgeprägte Unternehmerfunktion des modernen Bauern hingewiesen. Damit sollten wir eine klare Absage an alle diejenigen erteilen, die unsere Landwirte immer nur als staatlich angestellte Landschaftspfleger behandeln möchten.Ein weiteres Wort darf ich zur Bedeutung der landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetriebe sagen. Die Zahl der Landwirte, die in der landwirtschaftlichen Tätigkeit ihren Vollerwerb finden, wird in der Diskussion oft überschätzt. Nach unseren Berechnungen dürfte sich die Zahl der Vollerwerbsbetriebe heute in der Bundesrepublik — je nachdem, wie man die Größe rechnet — auf etwa 300 000 belaufen. Mehr als das Dreifache sind die Neben- und Zuerwerbsbetriebe im Verhältnis zu diesen Vollbetrieben. Nach der wohl einheitlichen Meinung der Wirtschaft sollten die Nebenerwerbsbetriebe unter keinen Umständen von den allgemeinen Förderungsmaßnahmen der Agrarpolitik ausgeschlossen werden. Auch die Nebenerwerbsbetriebe müssen Objekt der Agrarpolitik bleiben. Unsere Landwirtschaft wartet hier auf ganz und gar klärende Worte, nachdem in den Agrardiskussionen verschiedentlich die Forderung aufgestellt worden ist, die agrarpolitischen Förderungsmaßnahmen lediglich auf die Vollerwerbsbetriebe zu beschränken. Gerade für die große Aufgabe der Industrieansiedlung aus Strukturgründen darf man aus dem Vorhandensein einer ausreichenden Zahl von Nebenerwerbsbetrieben einen konjunkturstabilisierenden Einfluß erhoffen.Herr Kollege Ertl hatte damit, richtig schließend, auf diese Notwendigkeit der Strukturansiedlung, der Ansiedlung von Industrien in strukturbedrängten Gebieten der Agrarwirtschaft hingewiesen. Das ist selbstverständlich nicht von heute auf morgen zu lösen, sondern eine Frage der Langfristigkeit, die wir hier vor uns haben. Aber sie ist in erster Linie zu lösen und läßt sich lösen nur in Zeiten einer aufblühenden Konjunktur im Rahmen des Anwachsens der Kapazitätsnotwendigkeit. Das ist das Problem. Aber gerade wenn wir das sagen und wenn in Zukunft jede Industrieansiedlung mit einem besonderen Risiko aus der allgemeinen Konjunktursituation heraus behaftet ist, so ist klar, daß die aus den Nebenerwerbsbetrieben der Landwirtschaft zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte diejenigen Arbeitskräfte sind, auf die die Industrie in erster Linie zurückgreifen wird. Das wollte ich zu diesem Problem sagen.Ich wollte noch eine Reihe anderer Probleme behandeln, wo sich die Auffassungen der Landwirtschaft und der Industrie gelegentlich gegenüberstehen. Ich darf diese Ausführungen entsprechend meiner Zusage hiermit zu Protokoll geben *) und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
*) Siehe Anlage 7
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 159. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. März 1968 8241
Vielen Dank. Herr Kollege Stein hat sich im wesentlichen an die angekündigte Redezeit gehalten. Die Lage hat sich weiter dadurch erleichtert, daß Herr Kollege Lemp seine beabsichtigten Ausführungen zu Protokoll *) gibt und die Fraktion der FDP mitgeteilt hat, daß nur noch einer ihrer Redner sprechen wird. Zunächst hat Herr Abgeordneter Saxowski das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Präsident, vielleicht darf ich Ihnen sagen, daß ich mich in Anbetracht der Geschäftslage dieses Hauses auf eine Redezeit von sieben bis acht Minuten beschränken werde. Auch ich wäre vielleicht bereit gewesen, meine Erklärung zu Protokoll zu geben. Aber da es sich hier um die Einbringung einer Gesetzesvorlage handelt, bin ich doch der Auffassung, daß man einige kurz Worte zu der Situation sagen sollte.Hier wurde viel von der Unruhe auf dem Land gesprochen und davon, daß man nicht weiß, wohin diese Unruhe führen wird. Aber ich glaube, man hat sich dieser Unruhe zu stellen. Wenn man den Grünen Bericht einmal durchsieht, kann man feststellen, daß schon ein Teil der Unruhe aus der Einkommenslage verschiedener Betriebsgruppen und aus der Abwanderung von Landwirtschaftsbetrieben in der Größenordnung zwischen 5 und 10 ha, die Vollerwerbsbetriebe waren, resultiert. Ich glaube, es ist unsere politische Aufgabe, hier Punkte zu setzen, die diese Unruhe in etwa beheben.Auf dem Land geht einfach die Angst um die Existenz um. Das erleben wir täglich in unseren Versammlungen. Das wegzudiskutieren wäre vollkommen falsch. Hier sollten wir den Anfangspunkt setzen.Die Strukturkrise in der Landwirtschaft bei den Betriebsgruppen, die ich hier meine, kann man nicht mit der Angst vor der Arbeitslosigkeit in der Industrie schlechthin vergleichen, sondern hier müht sich ein Betriebsinhaber auf kleiner Fläche unter Einsatz der vollen Arbeitskraft seiner Familie. Aber am Ende reicht das Einkommen einfach nicht aus, um seine Lebensbedürfnisse zu decken. Daran sollte man nicht vorbeigehen; das kann man nicht wegdiskutieren. Hier müssen unsere Überlegungen einsetzen.Weiter müssen wir sehen, daß viele Betriebsinhaber körperlich, weil sie in fortgeschrittenem Alter stehen, einfach den Betrieb nicht mehr weiterführen können. Sie bekommen aber die 150 DM Altersgeld noch nicht. Diese 150 DM Altersgeld garantieren auch wieder kein Einkommen.Weiter müssen wir sehen, daß es viele Höfe gibt, wo die jungen Leute nicht mehr bereit sind, die Existenz weiterzuführen. Ich habe mich vor einigen Wochen in der Krumme-Hörn tummeln können. Wenn mir da Leute mit 50 ha sagen, daß sie die Stelle eines Schleusenwärters suchen und mich um Unterstützung, um Intervention beim zuständigen Minister in Hannover bitten, dann sagt das schon alles, oder wenn Landwirte mit Höfen arbeiten*) Siehe Anlage 8müssen, die Belastungen pro Hektar bis 450 DM tragen, mit der zusätzlichen Wasserhypothek, dann kann man darauf schließen, daß vielen einfach der Mut verlorengegangen ist und sie auf der anderen Seite keine Expansion des Betriebes erreichen können, weil die Landfläche nicht vorhanden ist. Hier müssen wir ansetzen.Meine Damen und Herren, diese Menschen haben die Wahrheit erkannt. Sie verlangen von uns eine Aussage. Sie sehen in der Umwelt, daß der Lebensstandard weiter wächst und sie trotz ihrer Quälerei nicht weiterkommen. Alles das sind leider Tatsachen.Es ist kein Eigenlob, aber wir haben diese Entwicklung gesehen. Ich darf Sie an den Sozialplan der SPD aus dem Jahre 1963 erinnern. Heinz Frehsee hat ihn sehr oft zitiert. Ich darf weiter an die folgerichtige Fortsetzung unserer Chancen für die Landwirtschaft erinnern. Das war eine weitgefaßte Programmierung unserer Ansicht zur Agrarpolitik. Hier haben wir auch von einem Strukturfonds gesprochen, indem wir ganz klar die Landmobilisierung ansprachen, weil uns die Erkenntnisse klar zeigten, daß hier etwas in Bewegung war. Der Herr Minister — der ja auch von neuen Konzeptionen sprach —hat noch vor einiger Zeit diese Landmobilisierung sehr hartnäckig abgelehnt. Aber er hat durchklingen lassen, daß man jetzt doch eventuell in der Lage wäre. Ich kann auch dem Herrn Bauer nicht ganz folgen. Er sagte, man müßte das vielleicht über den Weg von Richtlinien machen. Das sehen wir nicht. Ich glaube, es sind klare, präzise Gesetze erforderlich, die dem, der abgeben will, auch die Sicherheit geben, daß für ihn in etwa angemessen gesorgt wird; ich betone: angemessen; nicht mehr. Über Richtlinien können wir es nicht machen.Andererseits soll man auch nicht darauf verharren, daß die Industrie fehlt. Denn es gibt ja auch Kleinbetriebe, die zugunsten größerer, die im Konzert der EWG eine Vollexistenz voll ausbauen können und auf Landaufstockung warten, ihr Land abgeben können. Deswegen haben wir dieses Gesetz über die Gewährung von Umstellungshilfen zur Verbesserung der Agrarstruktur vorgelegt. Wir nennen es kurz: Erstes Agrarstrukturgesetz. Das hat vielleicht schon den Unterton, daß wir in Kürze ergänzende Gesetze folgen lassen werden. Wir haben unserem Koalitionspartner, getreu einer Koalition, in der man bereit ist, miteinander zu arbeiten, den Entwurf eine Woche vorher zugestellt. Ich will Ihnen ehrlich sagen: ich wäre glücklicher, wenn wir das Gesetz zusammen eingebracht hätten. Aber ich hoffe, daß es hier keinen Futterneid gibt, sondern daß wir dieses Gesetz gemeinsam in die Beratung bringen. Man kann durchaus über verschiedene Passagen andere Auffassungen haben. Aber in einer guten Zusammenarbeit werden wir das Modell finden, das wir zur Hilfe brauchen. Ihrem Antrag Umdruck 366 Ziffern 3 a bis b entnehme ich im übrigen, daß diese Bereitschaft auch bei Ihnen da ist.Was wollen wir mit diesem Gesetz?Es geht uns um zwei Effekte. Wir haben einmal die soziale Komponente und auf der anderen Seite
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8242 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 159. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. März 1968
Saxowskidie agrarstrukturelle. Wir wollen demjenigen, der mit 60 Jahren aus der Landwirtschaft ausscheidet -wir haben es an Kriterien gebunden, nach denen festzustellen ist, ob der Betrieb, den er aufgibt, bei ordentlicher Führung überhaupt noch eine nachhaltige Existenzsicherung abgibt ein doppeltes Altersgeld nach den geltenden Sätzen gewähren. Das heißt also gleichzeitig auch: es ist ein dynamisches Altersgeld. Sie haben ja schon in Ihren Empfehlungen oder Anträgen ausgesprochen, daß Sie auf eine Höhe von 200 DM hinaus wollen. Weiter behält der Aufgebende — Aufgabe entweder durch Veräußerung oder langfristige Verpachtung auf mindestens zwölf Jahre, dann mit dinglich gesichertem Vorkaufsrecht — den Resthof, d. h. die Gebäude, und es kann ihm so viel Landzulage gegeben werden, wie er für die Eigenbedarfsdeckung braucht. Die Summe von 300 DM sieht im Augenblick gering aus. Es kommt aber hinzu, daß er für seinen Eigenbedarf selber sorgen kann, wenn er will, und auf der anderen Seite die Pacht. Über deren Höhe muß man verhandeln; das liegt nun einmal leider im Bereich des Grundstücksrechts und vielleicht auch der kaufmännischen Ambitionen des Abgebenden.Weiter sehen wir eine Umschulungsbeihilfe für den Hofinhaber oder aber seinen Erben — sprich: mitarbeitendes Familienmitglied — vor, des weiteren eine Kapitalisierung der Rente auf sechs Jahre zur Existenzgründung außerhalb der Landwirtschaft.Alles das sind Maßnahmen, zu denen natürlich der Herr Finanzminister fragen wird: Was kostet denn dieser Spaß? Nun, dieses Gesetz ist nicht nur auf unserem, entschuldigen Sie den Ausdruck, — —gewachsen
— ich hatte gerade einen Sprachfehler —, sondern wir haben über die Grenze gesehen. Sie alle kennen die französischen und auch die holländischen Modelle in dieser Frage, die das seit Jahren schon mit gewissem Erfolg praktizieren.Wir rechnen bei 60 000 Betrieben, die im Laufe der Zeit auf diesem Wege ausscheiden wollen, mit einer Kapitalbelastung pro Jahr, wenn wir 10 000 Betriebe ablösen, von 20 bis 30 Millionen DM, und wir werden auch die Deckungsvorschläge dafür machen. Wir wollen ja gar keine Bundeskasse zusätzlich strapazieren, sondern wir wollen dieses Geld aus dem Haushalt herausholen. Die 20 bis 30 Millionen DM können wir durchaus aus dem Kap. 10 02 oder aus dem sowieso aufgepumpten Kap. 1013 ohne Frage herausnehmen. Herr Bauknecht — ich sehe ihn leider nicht mehr hier — hat ja auch ganz deutlich gesagt, daß in den vergangenen Jahren — wir wollen die Beträge hier nicht nennen, wir wollen sie schamhaft verschweigen, Herr Minister, sonst würden wir die Unruhe vielleicht noch weiter steigern hier Hunderte von Millionen erspart worden sind. Das sind — das soll man auch einmal sehen — Gelder gewesen, die der Landwirtschaft für dringende Probleme weggegangen sind. Da finden wir das Geld, und diese 30 Millionen sind eine läppische Summe im Gesamtvolumen von 5,4 Milliarden DM. Darüber kann es keine Diskussion geben.Sehen Sie bitte auch die Erfolge, die die Franzosen mit diesem Modell erreicht haben. Sie haben bis heute über 1,4 Millionen ha freigesetzt das ist die gesamte Nutzfläche Nordrhein-Westfalens — mit 104 000 Betrieben, und die Holländer haben bis dato 24 000 ha mit über 4000 Betrieben in diese neue Form hineingegossen. Das sind doch Erfolge, die man einfach nicht übersehen kann.Sage aber bitte keiner, hier werde Bauernlegerei getrieben. Das machen wir nicht. Diese Maßnahme ist vollkommen freiwillig, sie kann von dem, der will, in Anspruch genommen werden. Aber wir sehen nicht ein, daß man die um ihre Existenz ringenden Landwirte länger am langen Arm verhungern läßt. Wir müssen uns den Realitäten stellen, die die Zeit heute nun einmal setzt. Sie sind da, und wir alle können sie nicht mehr wegdiskutieren.Sehen Sie sich bitte einmal die Agrarstrukturtitel im Grünen Plan an. Herr Bauknecht hat ja auch seinen Unwillen mit den vielleicht fälschlich im Einzelplan 10 vorhandenen Titeln hier bekundet. Die Struktur müssen wir untersuchen, vor allen Dingen die Aussiedlungen, Flurbereinigungen und Sanierungen. Man hört draußen, daß Aussiedlungen bis zu 80 % gemacht werden, daß die Stellen ausgebaut sind und man dem Bauern nachher sagt: sieh zu, wie du nun fertig wirst, wie du zu noch weiteren Kapitalbelastungen kommst, die du am freien Markt suchen mußt! Hier müssen wir auch einen Wandel schaffen, eine Konzentration. Es geht nicht mehr von der Aussiedlung bis zum warmen Wasser. Hier müssen wir gemeinsame Globaltitel finden. Aber über den Haushalt wollen wir uns lieber bei der Verabschiedung eingehend unterhalten. Wir haben auch in dieser Frage präzise Vorstellungen.Ich darf daher alle Damen und Herren bitten, unsere Anstrengungen mit zu unterstützen. Ich glaube, es wird in Zukunft leichter sein, weil sich auch bei den anderen Fraktionen allmählich die Ansicht durchsetzt, daß auf diesem Gebiet etwas geschehen muß. Ich bitte daher, unseren Entwurf Drucksache V/2672 an den Ernährungsausschuß — federführend — und zur Mitberatung an den Wirtschaftsausschuß und an den Haushaltsausschuß — weil er ja schließlich nachher über den Nervus rerum zu entscheiden hat — zu überweisen. — Vielen Dank für Ihre Geduld!
Meine Damen und Herren, die Herren Abgeordneten Ravens *) und Wächter **) sowie Herr Abgeordneter Welslau***), Herr Abgeordneter Dr. von Nordenskjöld ****) und Herr Abgeordneter Dr. Siemer ) haben Reden zu Protokoll gegeben. Ich nehme an, daß Sie damit einverstanden sind.Das Wort hat Herr Abgeordneter Reichmann.*) Siehe Anlage 9**) Siehe Anlage 10 ***) Siehe Anlage 11 ****) Siehe Anlage 12 *****) Siehe Anlage 13
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 159. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. März 1968 8243
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Kürze noch ein Wort zur landwirtschaftlichen Sozialpolitik. Sie ist ein sehr wichtiger Faktor der Agrarpolitik und von größter Bedeutung. Leider hat der Herr Bundesminister Höcherl in seiner Rede dafür nur wenige und sogar belanglose Worte gefunden. Wir fragen deshalb: Ist die agrarsoziale Politik bereits derart nebensächlich geworden, oder ist der Herr Minister unsicher darüber, weil durch das Finanzänderungsgesetz tatsächlich eine Weichenstellung zum Abbau der agrarsozialen Maßnahmen eingeleitet wurde? Der Herr Minister hat selber gesagt, daß die Auswirkungen des Wandlungsprozesses das sozial tragbare Maß überschritten. Um so größer und dringlicher ist angesichts dieser Situation das Bedürfnis und die Notwendigkeit, die soziale Sicherheit der Landwirtschaft entsprechend zu berücksichtigen und zu werten.
Die Altershilfe wurde neben der Unterstützung und Förderung der Agrarstruktur zu einer vielseitigen Einrichtung zur sozialen Hilfe. Aber sie muß weiter entwickelt werden. Die CDU hat ja schon einen entsprechenden Antrag vorgelegt, den wir begrüßen,
Nach dem Bericht haben sich die Rehabilitationsmaßnahmen erfreulicherweise von 4100 auf 10 900 Fälle vergrößert. Hier hat besonders die Landfrau die Möglichkeit, die Gesundheitsgefährdung abzuwenden. Sie sollte nur noch mehr davon Gebrauch machen. Bei der Durchführung zeigt sich aber auch lie Notwendigkeit der Ersatzkraftgestellung, die verbessert und im Zusammenhang mit der Altershilfe sowie für die Krankenhilfe und deren Verbesserung ergänzt werden muß, damit die landwirtschaftliche Sozialpolitik nicht Stückwerk bleibt.
Auffallend in dem Bericht ist der Wandel der Arbeitskräftestruktur in der Landwirtschaft mit dem starken Rückgang der beitragzahlenden mithelfenden Familienangehörigen von 20 495 Personen auf 12 600. Hier zeigt sich ein besonders dringliches Problem. Die weibliche Landjugend wandert in einem solchen Ausmaß in außerlandwirtschaftliche Berufe ab, daß die Gefahr besteht, daß für die in Zukunft viel geringere Zahl von Betrieben die erforderlichen Jungbäuerinnen überhaupt nicht mehr vorhanden sind. Ein landwirtschaftlicher Betrieb — gleich welcher Betriebsgröße — ohne Frau ist aber existenzunfähig. Ich darf deshalb den Herrn Minister bitten, bei dem in dem Bericht angekündigten Forschungsauftrag auch diesem Problem besondere Aufmerksamkeit zu widmen.
Bei der landwirtschaftlichen Altershilfe hat sich in der praktischen Durchführung ergeben, daß in Einzelfällen immer wieder, bedingt durch Unzulänglichkeiten im Gesetz, schwierige, unerträgliche Härtefälle auftreten. Deshalb sollte den Alterskassen die Ermächtigung erteilt w erden, unter bestimmten Voraussetzungen diese Härtefälle gerecht zu regeln.
Wir sind eigentlich etwas überrascht durch den Antrag der CDU, die Altershilfe zu verbessern, nachdem vor einem Vierteljahr die CDU sich für eine relative Verschlechterung der agrarsozialen Maßnahmen, insbesondere der Altershilfe, entschieden hat. Das ist ja mit ein Grund für die Unsicherheit in der Landwirtschaft. Vor einem Vierteljahr hat man Verschlechterungen eingeführt und sich dafür entschieden, und heute werden Verbesserungen vorgeschlagen und beantragt.
Noch ein Wort zu den landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften. Hier steigt der Gesamtaufwand auf 400 Millionen DM, obwohl der Jahresarbeitsverdienst auf 4500 DM zurückgehalten wird gegenüber einem Arbeitseinkommen nach dem vorliegenden Grünen Bericht von 6931 DM. Dadurch beträgt die Höchstgrenze z. B. für einen Querschnittgelähmten in der Landwirtschaft nur 250 DM. Dramatisch zeigt sich hier die soziale Unterbewertung der Landwirtschaft. Eine Anpassung der Jahresarbeitsverdienste ist dringend geboten. Aber bei den gesenkten Erzeugerpreisen ist die Landwirtschaft nicht in der Lage, entsprechend höhere Beiträge zu zahlen, und die Bundeszuschüsse werden gekürzt, fortschreitend sogar, um zwei Drittel auf 70 Millionen DM im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung. Wir lehnen diese Kürzungen aus diesen Gründen jetzt und auch künftighin ab. Alljährlich wird — berechtigterweise — die Forderung aufgestellt, daß die letzte Lücke in der landwirtschaftlichen Sozialpolitik, die Krankenversicherung, geregelt wird. Es ist zu begrüßen, daß die Bundesregierung diese Zustände in der Landwirtschaft wissenschaftlich untersuchen ließ, aber trotz des festgestellten Durcheinanders wird nichts getan. 200 000 Landwirte sind unterversichert, 13; wenn wir die Altersgeldempfänger mit einbeziehen: 31%. Die Ersatzkraftgestellung im Krankheitsfall ist ebenfalls nicht gelöst. Die Regierung erklärt zwar, daß eine Regelung notwendig sei, auf die finanziellen Schwierigkeiten wird zwar hingewiesen,
sie stellt sich dabei aber auf den Ohne-mich-Standpunkt. Man läßt also die desolaten Zustände in der Landwirtschaft in dieser Hinsicht bestehen. Wir sind eigentlich etwas enttäuscht von der SPD, daß sie, die in der landwirtschaftlichen Sozialpolitik so fortschrittlich war,
auf ihren Sozialplan verzichtet
und der Verschlechterung der agrarsozialen Maßnahmen beim Finanzänderungsgesetz zugestimmt hat.
Gestatten Sie eine Frage?
Ja, bitte!
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8244 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 159. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. März 1968
Kann man darunter verstehen, daß die FDP den Sozialplan der SPD neuerdings übernehmen will?
— Ich darf ja mal fragen!
Wir haben bereits erklärt, daß wir den zur Kenntnis nehmen und uns darüber im Hinblick auf die Notwendigkeit der Lösung der Probleme der Krankenversicherung in der Landwirtschaft in positivem Sinne unterhalten werden.
Haben Sie schon gelesen, daß 95 % versichert sind, und würden Sie, Herr Kollege, wenn Sie jetzt keine Zeit mehr haben, wohl zu Protokoll geben, womit Sie beweisen, daß nach Ihrer Meinung soviel Hunderttausende unterversichert sein sollen? Würden Sie den Beweis zu Protokoll geben?
Frau Kollegin Kalinke, ich darf Ihnen sagen, daß durch die wissenschaftliche Untersuchung, die das Bundesernährungsministerium veranlaßt hat, die Unterversicherung dieser 200 000 nachgewiesen ist.
— Die Bundesregierung hat sich diese Untersuchung der Agrarsozialen Gesellschaft aber doch weitgehend zu eigen gemacht.
Die nach § 5 des Landwirtschaftsgesetzes, Abschnitt C, beabsichtigten Maßnahmen der landwirtschaftlichen Sozialpolitik sind sehr dürftig und nichtssagend für die zukünftige Entwicklung. Es wird nur die Feststellung getroffen, daß wiederum 745 Millionen DM zur Verfügung gestellt werden, aber nichts wird gesagt über das vorzeitige Altersgeld, über das zusätzliche Altersgeld bei vorzeitiger Hofübergabe. Allerdings hat die SPD nun in ihrem Gesetzesantrag dieses dringende Problem aufgegriffen, und man wird darüber diskutieren müssen. Kein Wort sagt also die Bundesregierung in diesem Abschnitt über die zukünftige agrarsoziale Entwicklung. Während in den anderen Bereichen der Strukturwandel mit einem umfassenden Sozialplan erleichtert wird, werden die viel bescheideneren sozialen Hilfen in der ebenfalls betroffenen Landwirtschaft noch abgebaut. Daß die Landwirtschaft gegen dieses zweierlei Maß, mit dem gemessen und gehandelt wird, protestiert, ist eine gesunde Reaktion auf die ungerechte Behandlung.Ein kurzes Wort noch zu dem Finanzänderungsgesetz, das ja eine Weichenstellung zum Rückschritt statt zum Fortschritt in der landwirtschaftlichen Sozialpolitik darstellt. Gerade die Landwirtschaft hatdurch ihre opfervolle Zurückhaltung in der Agrarpreispolitik seit 1952 trotz gestiegener Produktionskosten den größten Stabilitätsbeitrag erbracht. Jetzt soll die Landwirtschaft durch die Verschlechterungen im Rahmen des Finanzänderungsgesetzes für die Sünden der anderen herhalten. Es ist doch unmöglich, diese Entscheidungen damit rechtfertigen zu wollen, daß durch die Einsparung von 20 Millionen DM bei der Berufsgenossenschaft, durch die Blockierung der Defizithaftung in der Altershilfe die Stabilität gesichert werden könne, wenn in einem anderen Einzelbereich vom Bund zusätzlich 400 Millionen DM übernommen werden. Außerdem werden durch die Aufhebung der Finanzierungsverpflichtungen des Anpassungsgesetzes die agrarsozialen Maßnahmen ja mitfinanziert und durch den Verzicht der verpflichtenden Finanzierung die landwirtschatfliche Sozialpolitik gefährdet. Nachdem weder im Grünen Bericht noch in der Rede des Herrn Ministers dazu Stellung genommen wurde, möchten wir den Minister doch bitten, zu diesem Problem die Auffassung der Bundesregierung mitzuteilen und zu sagen, wie es nun eigentlich um die Prioritätsstufe der agrarsozialen Maßnahmen steht. Wir, die Opposition, aber auch die Landwirtschaft, wollen wissen, wohin die agrarsoziale Reise der Regierung in der Zukunft geht.Diese Wegweisung ist um so dringlicher, weil wir feststellen müssen, daß unser Hauptwettbewerber in der EWG, Frankreich, die agrarsozialen Maßnahmen verstärkt. Die Bundesregierung baut sie ab und verschlechtert sie. 4,7 Milliarden DM setzt Frankreich dafür ein, die Bundesrepublik nur 1,3 Milliarden DM. Statt daß man die Wettbewerbsverzerrungen beseitigt, werden agrarsoziale Wettbewerbsunterschiede zum Nachteil unserer Landwirtschaft vergrößert. Das ist doch ein schlechter Weg, bei dem die deutsche Landwirtschaft auf der Strecke bleiben müßte, wenn die Regierung auf dem Weg weitergeht.Zweifellos sind die agrarsozialen Maßnahmen EWG-konform. Die agrarsozialen Hilfen erbringen den besten Nutzeffekt für unsere Landwirtschaft, weil sie nicht wie die Agrarpreisverbesserungen — so notwendig diese sind — infolge der Automatik der EWG-Marktregelungen unserer Landwirtschaft nur teilweise zugute kommen und zudem finanzielle und marktwirtschaftliche Schwierigkeiten verursachen. Um so mehr sollte die Bundesregierung die Konsequenzen aus diesem Sachverhalt ziehen. Leider müssen wir feststellen, daß sie das Gegenteil macht und deshalb diese Richtung nicht stimmt.Aus allen diesen Gründen lehnt die Bundestagsfraktion der FDP jede Verschlechterung der landwirtschaftlichen Sozialpolitik ab. Wir fordern deshalb eine Weiterentwicklung der landwirtschaftlichen Sozialpolitik wie in anderen Bereichen mit dem Ziel der gleichberechtigten Eingliederung und Einordnung unserer Landwirtschaft in unsere Wirtschaft und Gesellschaft zum Nutzen aller.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 159. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. März 1968 8245
Meine Damen und Herren, die Abgeordneten Klinker *) und Glüsing **) haben ihre Rede zu Protokoll gegeben. Ich stelle fest, daß Sie damit einverstanden sind.
Das Wort hat der Abgeordnete Berberich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Reichmann hat in seinen Ausführungen dargelegt, daß der Landwirtschaftsminister in seiner Einbringungsrede zum Grünen Plan auf agrarsozialem Gebiet nicht allzuviel ausgesagt habe. Nun, meine Damen und Herren, ich glaube, daß das darauf zurückzuführen ist, daß Herr Minister Höcherl die sehr strapazierten Nerven seiner Kabinettskollegen etwas schonen wollte und es uns überläßt, zu diesen Fragen einige Ausführungen zu machen. Ich glaube aber auch, die heutige Debatte hat gezeigt, daß in allen drei Fraktionen die Fragen der Sozialpolitik für die Landwirtschaft eine erhebliche Rolle spielen und daß sie in den Erwägungen keineswegs an der Stelle stehen, an der die Redner der Fraktionen zu diesen Fragen sprechen.Der Herr Kollege Dr. Schmidt hat gesagt, daß die CDU in ihrem Antrag auf Erhöhung des Altershilfegeldes keine Deckungsvorschläge gemacht habe. Mir ist es aber eigentlich schleierhaft, daß er bei der Gründlichkeit, mit der er Vorlagen zu lesen pflegt, übersehen hat, daß in unserem Antrag dazu sehr konkrete Vorschläge gemacht worden sind, woher die Mittel im Rahmen des Haushaltsplans genommen werden sollen.Wir könnten, wenn der Herr Kollege Saxowski nicht vor mir gesprochen hätte, dieses Kompliment, daß es an einem konkreten Vorschlag für die Dek-kung fehlt, genauso zurückgeben. Wir haben es uns vorbehalten, diese Vorschläge hier zu machen. Wir sind der Überzeugung, daß sich auch das erhöhte Altersgeld genauso im Rahmen des Haushaltsplans des Landwirtschaftsministeriums finanzieren läßt wie die Vorschläge, die die SPD zur Frage der Strukturwandlungsmittel gemacht hat.Meine Damen und Herren, im Prinzip begrüßen wir diesen Gesetzesantrag der SPD. Wir sind aber der Meinung, daß wir zunächst einmal mit Richtlinien im Rahmen des Titels 573 sehr viel schneller zum Ziel kommen können. Zum zweiten sind wir der Meinung, daß wir auf einem solchen Gebiet mit Richtlinienkompetenzen Erfahrungen sammeln sollten, bevor wir die ganze Angelegenheit in Gesetzesform bringen.Meine Damen und Herren, ich bin der Überzeugung, daß diese Gesetzesform eines Tages notwendig sein wird, daß wir aber im Moment — vor allen Dingen deshalb, weil wir diese Maßnahmen bereits ab 1. Juli zum Anlaufen gebracht wissen wollen — mit Richlinien schneller zum Zuge kommen können.
*) Siehe Anlage 14 **) Siehe Anlage 15Der SPD-Antrag geht von einer Verdoppelung des Altersgeldes für solche Betriebe aus, die aufgeben, und wir operieren hier mit 100 DM zusätzlicher Umstellungsbeihilfe. Diese beide Zielsetzungen sind identisch. Wir gehen davon aus, daß das Altersgeld generell auf 200 DM bzw. 135 DM erhöht wird. Eine Aufstockung um 100 DM ergibt genau denselben Betrag von 300 DM, den der SPD-Antrag beinhaltet. Herr Saxowski hat erklärt, man könne über die Einzelheiten des SPD-Antrages diskutieren. Ich bin der Überzeugung, daß man dann, wenn man diesen Gesetzentwurf verabschieden will, noch eine ganze Reihe von Modalitäten wird erörtern müssen. Denn so, wie der Antrag hier vorliegt, würde er in der Praxis nicht haltbar sein. Für die Durchführung eines Gesetzentwurfs in dieser Form wäre vor allem auch ein enormer Verwaltungsaufwand notwendig.Was wird ein solches Gesetz oder eine solche Richtlinienkompetenz den Bund kosten? Jeder, der hier Voraussagen macht, muß sich unter die Propheten begeben. Gerade auch auf sozialpolitischem Gebiet haben wir in der Landwirtschaft schon wiederholt erlebt, daß Schätzungen, auch wenn sie mit der größten Akribie und Vorsicht aufgestellt worden waren, nicht gestimmt haben. Nach meiner Meinung wird die Belastung im ersten Jahr, im Jahre 1968, gering sein, weil solche Dinge erst anlaufen müssen und weil sie sich nicht von heute auf morgen regeln lassen. Im Verlauf der Zeit aber wird dieser Gesetzentwurf sicherlich eine große Bedeutung gewinnen, selbst dann, wenn man nicht der Meinung ist, daß die Prophezeihungen Mansholts richtig sind; ich bestreite die Richtigkeit dieser Aussagen von Mansholt.
— Es ist leider Gottes mit der Zeit heute abend so bestellt, daß ich darauf nicht eingehen kann. Sonst würde ich mich gern über diesen Punkt hier auseinandersetzen.
— Das würde ich auch ins Protokoll sagen, Herr Kollege. Seien Sie überzeugt davon, daß sich gegen die Thesen von Mansholt auch dann eine Menge einwenden läßt, wenn sie von einzelnen deutschen Wissenschaftlern in der Zwischenzeit übernommen und unterstützt werden. Wir sind nicht der Meinung, daß die Zukunft des landwirtschaftlichen Betriebs der EWG der Farmbetrieb oder die Kolchose sein wird. Die Zukunft des landwirtschaftlichen Betriebs in der EWG wird vielmehr, genauso wie es heute ist, im Familienbetrieb liegen, wenn auch dieser Familienbetrieb der Zukunft sich zum größeren Betrieb verändern wird. Das aber haben wir im Verlauf der letzten 15 Jahre auch ohne Mansholt und ohne wesentliche Strukturhilfen deutlich erreicht. Wenn wir auf dem Weg der Strukturhilfe einiges für diese Umstrukturierung tun können, so sind wir dazu gern bereit. Denn wir wissen, daß es für die jüngere Generation ein Problem der Umschulung und der Schaffung von Arbeitsplätzen
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8246 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 159. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. März 1968
Berberichgibt. Der jüngeren Generation kann man nicht sagen: Bleibt auf diesen kleinen Betrieben sitzen, sondern ihr muß man Arbeitsplätze bieten. Der älteren Generation, den 60jährigen, kann man nicht sagen: Hört auf! Vor allem haben wir viele Kollegen, die wesentlich älter sind und die ihren Hof infolge des unzureichenden Altersgeldes überhaupt nicht abgeben können. Ihnen könnte man über eine solche Strukturhilfe helfen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dröscher?
Herr Kollege Berberich, halten Sie es für richtig, die lügenhafte Darstellung, daß Herr Mansholt gesagt habe, die Zukunft der deutschen Landwirtschaft liege entweder im Kolchos oder in der Farm, aufrechtzuerhalten und immer wieder vorzubringen? Das hat er nämlich nicht so gesagt.
Ich weiß genau, daß er es nicht in dieser Form gesagt hat.
Aber wenn Sie die Rede Mansholts analysieren, ist die Tendenz genau die, die ich dargelegt habe, kein Jota anders.
Herr Kollege Dröscher, ich nehme an, daß Sie das Wort „lügenhaft" nicht im Zusammenhang mit dem Redner, sondern im Zusammenhang mit einem Dritten gebraucht haben.
Meine Damen und Herren, wir raten zu Richtlinien vor allen Dingen deshalb, weil auf diesem Wege zunächst einmal Erfahrungen gesammelt werden können. Wir werden auf diesem Gebiet Erfahrungen bitter nötig haben, um genau den Personen- oder Betriebskreis zu treffen, den wir mit dieser Maßnahme treffen und dem wir mit dieser Maßnahme helfen wollen.
Nun noch etwas zu der Erhöhung des Altersgeldes, zu dem Antrag, den wir hier als Entschließungsantrag eingebracht haben. Wir sind uns bei dem Antrag auf Erhöhung des Altersgeldes darüber klar, daß mit der Erhöhung möglichst gleichzeitig auch die Krankenversicherung für den Personenkreis der Altershilfeempfänger gelöst werden muß, wenn wir diesen Problemkreis überhaupt lösen wollen. Wenn wir diesen Weg nicht gehen, wird eine Krankenversicherung nicht möglich sein. Ich bin mir auch darüber im klaren, daß für eine Krankenversicherung der Altersgeldbezieher der Unterbau der selbständigen Landwirte notwendig ist. Wir haben dazu ganz einfach deshalb keinen Gesetzentwurf eingebracht, weil uns die Zeit gefehlt hat, die notwendigen Vorarbeiten zu leisten. Herr Kollege Frehsee, Sie wissen so gut wie ich, wie die Dinge liegen. Wir bemühen uns seit Monaten genauso
darum, diese Fragen zu lösen und zu klären, wie Sie es seit mehr als einem Jahr ebenfalls versuchen. Wir sind der Überzeugung, daß es möglich sein wird, bei gemeinsamer Zusammenarbeit der Fraktionen eine tragbare Lösung für dieses Problem zu finden. Ich möchte heute keinen Patentvorschlag machen, wie man dieses Problem lösen kann. Darum müssen wir uns, wenn einmal ein entsprechender Entwurf vorliegt, gemeinsam bemühen, damit eine vernünftige und tragbare Lösung gefunden wird.
Nun noch ganz kurz ein paar Worte zu den Fragen, die Herr Kollege Reichmann bezüglich der Unfallversicherung angesprochen hat. Es ist richtig, daß im Finanzplanungsgesetz, in der Finanzvorschau ein Abbau der Zuschüsse des Bundes vorgesehen ist. Es ist genauso sicher und genauso wahr, daß ich zu jeden Zeitpunkt einer solchen Kürzung widersprochen habe, weil sie entweder zu einem Abbau der Leistungen oder aber zu Beitragserhöhungen in der Unfallversicherung führt, die bei etwa 80 % des heutigen Beitrags liegen.
Dabei ist über das Problem einer Erhöhung des Jahresarbeitsverdienstes für die Selbständigen überhaupt nichts ausgesagt. Ich bin nach wie vor der Meinung, wenn wir auf dem Gebiete der Unfallversicherung glaubhaft bleiben wollen, müssen wir zunächst einmal auch für die Zukunft die Zuschüsse in einer erträglichen Höhe halten. Es ist darüber hinaus trotz alledem notwendig, die eigenen Beiträge zu steigern, wenn wir den Anschluß an die Sozialpolitik in der Unfallversicherung nicht völlig verlieren wollen. Herr Kollege Reichmann hat ausgeführt, daß wir heute bei einem Jahresarbeitsverdienst von 4500 DM sind. In der gewerblichen Wirtschaft liegt der durchschnittliche Jahresarbeitsverdienst heute bei etwas über 9300 DM. Wenn wir nur auf den Satz gehen wollen, den der Grüne Plan als Arbeitsverdienst in der Landwirtschaft aufweist, nämlich knapp 7000 DM, dann bedeutet das eine Erhöhung um 2500 DM. Da die Mehrheit der Unfallgeschädigten in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung Selbständige sind, bedeutet das eine weitere Beitragserhöhung nur dafür, die bei etwa 30% liegen dürfte. Jeder, der die heutige finanzielle Situation in der Landwirtschaft kennt, weiß, daß diese Beitragsbelastung — 80 % aus der Kürzung der Zuschüsse des Bundes und 30 % aus einer angemessenen Anpassung an die tatsächlichen heutigen Verhältnisse — bei der Finanzsituation der Landwirtschaft einfach nicht zu schaffen ist.
Wir haben deshalb die dringende Bitte — nicht nur an die Bundesregierung, sondern an das ganze Haus —, auch in dieser Frage gemeinsam eine Lösung zu suchen. Nachdem die Bereitschaft auf allen Seiten dieses Hauses vorhanden ist, der Landwirtschaft auf sozialem Gebiet zu helfen, wird man wohl auch einen gangbaren Weg finden.
Das Wort hat der Abgeordnete Frehsee.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wegen der vorgeschrittenen Zeit will
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 159. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. März 1968 8247
Frehseeich wirklich nur wenige Bemerkungen machen. Wer dieser grünen Debatte 1968 aufmerksam gefolgt ist, wird nachdenklich geworden sein. Es klang echte Sorge aus vielen der Reden, die hier gehalten worden sind. Insofern haben die Bauernkundgebungen schon einen gewissen Zweck erfüllt.Auch ich bin erfüllt von Besorgnis, besonders hinsichtlich der Weiterentwicklung der landwirtschaftlichen Sozialpolitik. Ich teile die Besorgnis, die der Herr Kollege Reichmann hier geäußert hat. Ich bin nicht so zuversichtlich, Herr Kollege Berberich — das muß ich schon sagen —, wie Sie sich soeben gezeigt haben. Offensichtlich müssen wir totale Stagnation der landwirtschaftlichen Sozialpolitik feststellen; das ist eine harte Feststellung, aber sie ist wahr.Herr Minister, Sie haben in früheren Reden — da hat der Herr Kollege Reichmann recht — immer einige konstruktive Worte zur Sozialpolitik gefunden; diesmal vermisse ich sie. Der Herr Bundeskanzler hat das in seinem Bericht über die Lage der Nation zum Teil gutgemacht, indem er gesagt hat, daß es eines Ausbaus der landwirtschaftlichen Sozialpolitik bedürfe. Ich bin auf die Taten gespannt, die dieser Ankündigung folgen werden. Herr Kollege Berberich, es ist gar kein Zweifel, daß Sie die Mithilfe der Fraktion der Sozialdemokraten bei dem Ausbau der landwirtschaftlichen Sozialpolitik haben werden.Ich will hier nicht wiederholen, was gesagt worden ist, sondern nur einiges ein wenig kommentieren. Bei der gegebenen Sachlage halte ich es nicht für geboten, eine Erhöhung des Altersgeldes von 35 % zu fordern, wie das in dem Entschließungsantrag der CDU geschieht. Ich halte es vielmehr für geboten, bei der landwirtschaftlichen Unfallversicherung wieder etwas von dem aufzuholen, was dort, wie hier richtig geklagt worden ist, versäumt worden ist. Die Relation zwischen der Unfallrente in Höhe von 250 DM monatlich
für einen hundertprozentig Erwerbsgeminderten, also einen völlig erwerbsunfähigen Landwirt, und dem Altersgeld in Höhe von 150 DM ist einfach sozialpolitisch nicht richtig. Wenn wir sozialpolitisch konstruktiv verfahren wollen, dann müssen wir, Herr Kollege Reichmann, wirklich zuerst an die Erhöhung der durchschnittlichen Arbeitsverdienste gehen. Für die Laien darf ich es nochmals sagen: Die Unfallrenten der in der Landwirtschaft tätigen Selbständigen und Mithelfenden werden nicht nach den tatsächlichen Einkommen, auch nicht nach den im Grünen Bericht festgestellten Arbeitseinkommen oder Betriebseinkommen, sondern nach sogenannten durchschnittlichen Jahresarbeitsverdiensten bemessen; das sind fiktive Größen, die von dazu eingesetzten Ausschüssen von Zeit zu Zeit festgesetzt werden. Das ist dieser Betrag von 4500 DM, von dem Herr Kollege Reichmann und Herr Kollege Berberich geprochen haben.Sie haben gehört, was es kostet, wenn wir auf 6000 DM gehen, d. h. wenn wir die Unfallrente des Vollerwerbsunfähigen auf monatlich 333 DM erhöhen. Herr Minister, das kostet dann eine Beitragserhöhung um 30 %. Nun müssen wir ja auch nach der mittelfristigen Finanzplanung verfahren. Wir können nicht Mittel verwenden, die an anderer Stelle des Einzelplans 10 frei werden oder nicht in Anspruch genommen werden, wie es mein Vorschlag wäre, Herr Kollege Berberich. Mein Vorwurf geht aber nun dahin, daß die Mittel nicht dort eingesetzt werden, wo sie am dringlichsten gebraucht werden. Das ist doch einkommenspolitisch von erheblicher Bedeutung, gerade in der Situation der sinkenden landwirtschaftlichen Einkommen.
— Ja, gut, Herr Kollege Struve. Nur sagte ich, daß wir seit einem Jahr Stagnation haben. Wir tun also nichts.
— Trotzdem, Herr Kollege Bauer, ist es nicht zu vertreten, daß die Titel des Grünen Plans und des Einzelplans 10 nicht gegeneinander austauschfähig waren und daß 35 Millionen DM beispielsweise von den Mitteln für die landwirtschaftliche Altershilfe nicht für den anderen wichtigen Zweck verbraucht werden konnten, sondern aus dem Haushaltsplan 10 herausgegeben werden mußten.
— Sehen Sie, darauf will ich doch hinaus, so müssen wir das, glaube ich, machen.
— Herr Kollege Struve, bitte erinnern Sie sich doch an frühere Reden von mir und an ähnliche Vorschläge, die ich hier gemacht habe.Und nun noch eine letzte Bemerkung, weil ich es ja doch kurz machen wollte; wir sind alle ziemlich strapaziert. Und die letzte Bemerkung, Frau Kollegin Kalinke, ich kann es mir nicht versagen, gilt natürlich wieder dem fehlenden Krankenversicherungsschutz für die Selbständigen und Mithelfenden in der Landwirtschaft. Ich kann mir nicht helfen, mein Standpunkt hat sich nicht geändert, ich halte nach wie vor die Einführung einer Pflichtkrankenversicherung für erforderlich. Ich bin nach wie vor davon überzeugt, daß es mit der Krankenversicherungspflicht nicht getan ist. Wir brauchen die Pflichtkrankenversicherung. Das ist nach meiner Überzeugung nicht nur so wegen der Ergebnisse des Gutachtens der Agrarsozialen Gesellschaft, von dem Sie sagen, daß es nicht zutreffend sei und daß falsche Schlußfolgerungen daraus gezogen werden, das ist auch beispielsweise so wegen der Untersuchungen, die an Landwirten, den Ehefrauen der Bauern und den sonstigen Mithelfenden angestellt werden, die sich einer Kur unterziehen wollen. Da stellen wir in erschreckendem Maße fest, daß in sehr vielen Fällen mit medizinischen Mitteln, mit Hilfe von Kuren überhaupt nicht mehr geholfen werden kann. Das bekräftigt meine Überzeugung, daß wir eine Pflichtkrankenversicherung brauchen. Und das
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Frehseeschließend eine andere Meinung gegenüber dem hat auch wieder einen einkommenspolitischen Aspekt, meine Damen und Herren. Warum haben wir eine unzureichende Krankenversicherung, mit Ausnahme eines Teiles der in der Landwirtschaft Tätigen, der eine zureichende Krankenversicherung hat? Weil eben die Mittel für ausreichende Beiträge zu einer privaten Krankenversicherung nicht vorhanden sind. Deswegen brauchen wir eine soziale Krankenversicherung, wie sie für die Arbeitnehmer gilt.
— Frau Kollegin Kalinke, ich wollte es kurz machen, ich wollte nicht auch heute noch einmal auf den landwirtschaftlichen Sozialplan der SPD zurückkommen.
Wir sind nach wie vor der Auffassung, daß es so geht, Herr Kollege Berberich. Aber bitte, nun machen Sie uns doch nicht diesen unverdienten Vorwurf, daß wil nicht zum Zuge gekommen wären, ich habe Ihnen doch, nachdem ich Ihnen von dieser Stelle aus vor einem Jahr angeboten hatte — ich habe wörtlich gesagt: Ich biete an! —, ich habe Ihnen doch in der gleichen Stunde einen fix und fertigen Gesetzentwurf übergeben. Wenn wir also nicht zum 1. .Januar 1968 eine Krankenversicherung in der Landwirtschaft gehabt haben, dann ist das doch wahrhaftig nicht die Schuld dieser Bundestagsfraktion, der Fraktion der SPD, die nicht nur Forderungen gestellt hat, sondern die einen kompletten Entwurf vorgelegt hat, dem Sie aus irgendwelchen Gründen nicht folgen können, wie Sie ja, wie wir wissen, Schwierigkeiten haben mit den Interessenten in den eigenen Reihen, auch in dem landwirtschaftlichen Berufsstand, mit denen, die Funktionen haben in den Privatkrankenversicherungen der Landwirtschaft. Sie müssen dann über Ihren eigenen Schatten springen.Wir stehen nach wie vor zu dem Entwurf und sind bereit. Übrigens, meine Damen und Herren, die 35 Millionen DM, die in der landwirtschaftlichen Altershilfe nicht verbraucht worden sind, hätten ausgereicht, die Krankenversicherung nach dem Motto 51 : 49 einzuführen. Bitte, Frau Kollegin Kalinke!
Entschuldigen Sie, aber eine Frage muß ich Ihnen noch stellen. Sind Sie der Meinung, daß diejenigen, die Funktionen in den Organen der Sozialversicherungsträger haben, nicht Bedenken hätten dagegen, einen Staatszuschuß in die gesetzliche Krankenversicherung einzuführen, und glauben Sie, daß dies angesichts unserer Haushaltsposition ein soziales Versprechen ist, das man geben darf?
Frau Kollegin Kalinke, zunächst darf ich sagen, daß ich Sie gar nicht gemeint habe, — wenn Sie das, was ich gesagt habe, vielleicht auf
sich bezogen haben könnten. Ich habe von denen gesprochen, die in den Organen der privaten Krankenversicherung, in der Landwirte versichert sind, sitzen. Na bitte, es hat halt jeder zwei Seelen in seiner Brust. Das kann ich durchaus verstehen.
Was die Kosten betrifft, Frau Kollegin Kalinke, so geht die Rechnung, die ich damals gemacht habe und die ich wiederholt hier angestellt habe, heute noch auf. Natürlich müßte es eine Pflichtkrankenversicherung sein, und die Beiträge, die jetzt zur privaten Krankenversicherung gezahlt werden, würden in diesen Topf fließen. Natürlich gehen wir davon aus, daß ein allgemeiner, gleicher und relativ niedriger Sockelbeitrag von allen gezahlt werden soll und dann ein nach dem Einheitswert gestaffelter Zusatzbeitrag. Aber ich wollte doch nicht alles wiederkäuen, was ich hier so viele Male vorgetragen habe.
Nun möchte ich mich nicht verleiten lassen, noch länger zu sprechen. Denn ich wollte wirklich in Ihrer aller Interesse nur kurze Ausführungen machen. Ich möchte schließen mit einem Appell an alle, die beteiligt sind, besonders auch an den Herrn Landwirtschaftsminister; vielleicht, Herr Minister, erläutern Sie jetzt in einem Schlußwort, das wir vermutlich wie gewöhnlich von Ihnen hören werden, diese von mir zitierte Stelle in dem Bericht des Bundeskanzlers über die Lage der Nation: „Ausbau der landwirtschaftlichen Sozialpolitik". Was bis zum Augenblick darüber gesagt wurde, ist so gut wie nichts und läßt nicht hoffen. Aus dieser grünen Debatte wollen wir ja wohl alle in der Hoffnung hinausgehen, daß die Gefahren, die sich da abzeichnen, gemeistert werden können.
Das Wort hat der Abgeordnete Ehnes.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dröscher, ich habe vorhin Ihre Erregunug nicht ganz verstanden, als mein Kollege Berberich über seine Strukturvorstellungen und die seiner Fraktion gesprochen hat. Wenn wir heute abend nach fünf Stunden zusammenfassen, was in dieser Debatte ausgesagt worden ist, dann darf man feststellen, daß mit Sicherheit viele Kollegen hier anwesend sind, die mit einer großen Genugtuung und Beruhigung vom Herrn Bundesminister erfahren haben, daß er den Vorstellungen, die gewisse Wissenschaftler im Strukturbereich entwickeln, nicht gerecht werden wird und daß er diese Größenordnungen persönlich auch in der Europäischen Gemeinschaft nicht haben will.Ich glaube, wenn man hier besorgt ist — und das hat mein Kollege Berberich zum Ausdruck gebracht —, dann muß man, ob man die Wissenschaftler zitiert oder ob man den Vizepräsidenten, Herrn Mansholt, zitiert, das deswegen schon zum Ausdruck bringen, weil ja in einer der letzten Reden schriftlich festgelegt wurde, daß diese Personen auch an-
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IhnesEigentum zum Ausdruck bringen. Wenn ich die Rede richtig in Erinnerung habe, dann heißt es, daß man eben die zukünftige Landwirtschaft als AG, als KG oder als Genossenschaft betrachten müsse und daß man dann, wenn diese Formen geschaffen sind, bezüglich des Eigentumsdenkens einer anderen Auflassung zum Durchbruch verhelfen müsse. Hier sind wir in der CDU-Fraktion verwundbar,
und hier werden wir, wenn solche und ähnliche Ausführungen gemacht werden, sehr scharf reagieren, weil das den Prinzipien unseres Parteiprogramms widerspricht
und weil wir von der Lebensauffassung und von der Weltanschauung her einfach nicht bereit sind, diese Maßnahmen einzuleiten, die dann zu diesen neuen Formen führen. Ich bitte also, auch unsere Argumente berücksichtigen zu wollen, und das hat der Kollege Berberich zum Ausdruck gebracht.Was zusammenfassend nach meiner Auffassung heute nach dieser Debatte nach draußen gehen sollte ist, daß wir neben den Preis- und Marktfragen ganz konkret diese Strukturfrage behandelt haben. Dann werden unsere Berufskollegen draußen mit Sicherheit etwas weniger Angst und Unruhe haben; denn ich weiß sehr wohl, daß gerade diese Strukturfragen unsere Landwirte aus der Fassung bringen, weil daran die Zukunft von Zweidritteln unserer Bauernhöfe in der Bundesrepublik hängt. Das ist der Grund dafür, das diese echte Sorge ausgelöst worden ist, die sich gegenwärtig draußen niederschlägt.Die CDU/CSU-Fraktion unterstützt selbstverständlich alle Maßnahmen einer Preis-, einer Markt-, einer Struktur- und einer Sozialpolitik. Wir werden in den Ausschüssen Gelegenheit haben, zu den einzelnen Gesetzentwürfen, die heute eingereicht worden sind und eingereicht werden, Stellung zu nehmen. Ich glaube, daß wir da sehr bald vorankommen werden.Ich möchte aber dem Bundesminister für Ernährung auch noch eine Bitte vortragen. Wir haben in der Europäischen Gemeinschaft zunächst einmal die Auffassung, daß unsere Bodenproduktion in Europa sinnvoll verwertet werden soll. Für mich persönlich ist es immer etwas mißhellig, wenn ich sehe und erfahre, in welch großem Umfang heute Überseefuttermittel eingeführt werden, die die Erzeugungschance gewisser Bodenprodukte in Europa früher oder später gefährden werden. Ich wäre Ihnen, Herr Bundesminister, sehr dankbar — wenn man auf dem preispolitischen Gebiet so schwer vorankommt —, wenn man seitens des Ministeriums einmal prüfen würde, ob bei eingeführten Futtermitteln aus Übersee eine Verteuerung stattfinden könnte; denn das wäre der echte Schutz für die Bodenproduktion, für den Getreidebau und alle abhängigen Früchte, die wir von unseren Böden in Europa ernten können. Diese Frage kann bei einer wachsenden Erzeugungschance in Europa nicht übersehen werden; denn wir haben uns in Europa von einer selbstversorgenden zu einer produzierenden Landwirtschaft hin entwickelt. Deswegen ist es auch notwendig, daß man diese Dinge berücksichtigt.Meine Fraktionskollegen haben in den letzten Monaten im besonderen die deutsche Marktsituation beobachtet. Die deutsche Marktsituation ist gegenüber der unserer Partnerstaaten benachteiligt, weil sowohl in Frankreich als auch in Holland bereits Markteinrichtungen vorhanden sind, die unseren Markteinrichtungen, den hei uns bestehenden Möglichkeiten, überlegen sind. Deshalb haben sich meine politischen Freunde zusammengesetzt und haben das Strukturfondsgesetz entwickelt, das ich Ihnen in der Drucksache V/2678 anbiete. Als Begründung hierzu trage ich vor, daß wir von der Produktionsseite her, von der Ausrichtung in der Produktion einerseits, und vom Absatz auf land- und ernährungswirtschaftlichem Gebiete und den Vermarktungseinrichtungen her eine Verstärkung unserer Marktposition wünschen. Wir haben das Gefühl, daß wir, wenn wir das Marktfondsgesetz nicht schaffen und nicht gemeinsam diesen Weg beschreiten, mit Sicherheit von unseren Partnern unterwandert werden, weil diese die marktordnerischen Maßnahmen in einer straffen Organisation zusammengefaßt haben und weil das, was die Franzosen und die Holländer in diesen Markt bringen, auch bei uns gegeben sein muß, wenn die Grenzen ab 1. Juli 1968 nicht mehr vorhanden sind.
Deswegen möchte ich auch noch ein Wort zum gewerblichen Mittelstand sagen. Es gibt unter Ihnen bestimmt Kolleginnen und Kollegen, die hier Bedenken haben. Dazu darf ich sagen: wir von der bäuerlichen Seite wollen nicht haben, daß der gewerbliche Mittelstand ein Kontrahent zu uns wird, wir wollen, daß er ein Partner wird, in der Form, daß er sich in diese Maßnahme mit hineinbegibt und daß wir mit dem Mittelstand zusammen dann das Instrumentarium schaffen, das wir brauchen, um im europäischen Marktgeschehen bestehen zu können. Ich darf vielleicht für die Damen und Herren, die diesem Gesetzentwurf noch mit etwas Sorge entgegensehen, sagen: auch unser verehrter Kollege Franz Xaver Unertl, der ja eine große mittelständische Organisation vertritt, hat dazu sein Jawort gegeben, weil er überzeugt ist, daß dieser Gesetzentwurf uns in die Lage versetzt, marktpolitisch mehr wirksam zu werden, als es in der Vergangenheit bei uns der Fall gewesen ist.Ich darf Sie deshalb, meine Damen und Herren, bitten, dem Gesetzentwurf Drucksache V/2678 Ihre Zustimmung zu geben, und darf bitten, ihn dem Ernährungsausschuß — federführend — und dem Wirtschaftsausschuß — mitberatend — zu überweisen.
Meine Damen und Herren, der Abgeordnete Dr. Rinderspacher, den ich soeben als Schriftführer bestellt habe, hat seine Rede zu Protokoll übergeben *). Ich nehme an, daß Sie damit einverstanden sind.*) Siehe Anlage 16
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Vizepräsident Dr. JaegerDie Rednerliste ist erschöpft. Das Wort will noch der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte um Ihre Nachsicht und um Ihre Geduld; aber einige Erklärungen müssen noch gemacht werden. Zunächst darf ich mich kurz einer Bemerkung des Herrn Kollegen Ertl zuwenden. Es tut mir leid, daß ich nicht mehr auf alles eingehen kann, mit dem er uns beglückt hat.Von zwei Seiten, von der Opposition wie auch aus dem Koalitionsbereich, ist kritisiert worden, daß ich im Grünen Bericht eine neue Methode ergänzend gebracht hätte, nämlich einen Gewinnvergleich. Ich verstehe, offen gestanden, nicht, warum nicht der Berufsstand diesen Vorschlag gemacht hat und warum es diesen beiden Kritikern nicht möglich ist, dieser Methode ein gewisses Interesse abzugewinnen. Erstens einmal kann es gar keinen Zweifel geben, daß es unangemessen ist, einen Lohnvergleich und einen Unternehmervergleich zu ziehen, so wie das Landwirtschaftsgesetz das vorschreibt. Das mag damals als Behelfslösung durchaus seinen Wert gehabt haben, und ich will diese Lösung jetzt gar nicht aufgeben. Sie ist uns gesetzlich vorgeschrieben. Was wir aber haben müssen, ist ganz etwas anderes. Wir bemühen uns um die Rechenhaftigkeit im landwirtschaftlichen Betrieb, wir machen Auflagen in Richtung Buchführung. Warum? Um den Landwirten die Möglichkeit zu geben und sie anzuhalten, sich mit ihren Betriebstatbeständen wirklich in einer eigenen Analyse vertraut zu machen, damit ein unternehmerisches Denken in diesem Bereich einkehrt. Wenn bei diesem Gewinnvergleich — der zunächst noch sehr einfach und unvollkommen ist, das haben wir selber zugegeben — und wenn ein Gewinn ausgewiesen wird, bei dem es in der Vorlage heißt, daß die Löhne mit enthalten sind, und ein Gewinn von 10 000 oder 12 000 DM ausgewiesen wird, dann ist das ein so bescheidenes Ergebnis als Gewinnvergleich, daß daraus mehr zu gewinnen ist und eine bessere Aussage auch im Interesse der Landwirtschaft gefolgert werden kann. Ich darf die Herren Kritiker bitten, sich einmal mit dieser Seite vertraut zu machen. Auf jeden Fall ist das eine Aussage, die betriebswissenschaftlich gerechtfertigt ist und die im Endergebnis zu besseren Argumenten führt.In der Debatte wurde wiederholt davon gesprochen, daß bei den Demonstrationen immer wieder die Forderung des Bundeswirtschaftsministers eine Rolle spiele, im Rahmen der Konjunkturpolitik die Massenkaufkraft durch eine Lohnerhöhung im Rahmen der sozialen Symmetrie zu heben. Meine Damen und Herren, das ist nicht eine Forderung des Bundeswirtschaftsministers, sondern das ist ein Beschluß der Bundesregierung, der sich auf den Sachverständigenbericht und die Stellungnahme der Bundesregierung bezieht. Sie wissen, daß die sehr schwierige und kunstvolle moderne Konjunkturpolitik sich aus einer ganzen Reihe zum Teil antagonistischer Bestandteile zusammensetzt und daß globale Maßnahmen zur Stärkung der Massenkaufkraft sich zusammen mit strukturpolitischen Maßnahmen in eine gemeinsame Ordnung fügen müssen. Gleichzeitig gibt es Haushaltsbeschränkungen und Umlagerungen im Haushalt von konsumtiven in produktive und investive Ausgaben. Aber alles das zusammen ist ein Bezugsnetz, das nur in der Gesamtheit diese Wirkung verspricht. Ich glaube, man kann diesem Einwand, der der Öffentlichkeit schwer verständlich zu machen ist, am besten dadurch begegnen, daß sich das Bundeswirtschaftsministerium bemüht, die Öffentlichkeit etwas intensiver darauf aufmerksam zu machen. Es sind Zusammenhänge, die für mich auch vom agrarpolitischen Bereich nicht uninteressant sind, und zwar deswegen, weil uns im Jahre 1967 die Konjunkturpolitik im agrarpolitischen Bereich verlassen hat. Aber es gibt noch etwas viel Interessanteres. Ich möchte mit diesem Zuge mitfahren, auf ihn aufsteigen, meine Damen und Herren, und auch daran könnte man denken. Es muß nicht alles so direkt und so brutal ausgesprochen werden. Aber ich habe schon einen Platz in diesem Zuge abonniert,
und das entspricht auch der Meinung der Bundesregierung. Ich glaube, daß diese Formulierung auch bei den hartgesottenen Agrarpolitikern ein gewisses vorsichtiges Verständnis findet.Dem Herrn Kollegen Professor Stein bin ich sehr dankbar dafür, daß er auf eine sehr wichtige Kooperation hingewiesen hat: die zwischen Industrie und Landwirtschaft. Es gibt diese Arbeitsgemeinschaften, die eine sehr verdienstvolle Tätigkeit ausüben. Ich wäre dankbar, wenn sich der Berufsstand noch etwas stärker mit dieser Gemeinschaft befassen würde. Es ist eine Symbiose, eine natürliche Verbindung, die niemand stören soll. Wir sehen gerade jetzt angesichts eingeschränkter Kaufkraft zum erstenmal wachsendes Interessse gewisser Industriebereiche für landwirtschaftliche Probleme. Das ist ein Nebenprodukt einer unangenehmen Entwicklung, aber ein wertvolles, positives Nebenprodukt, und wir sollten es gebrauchen.Herr Saxowski, Sie haben den Gesetzesvorschlag über die Mobilisierung des Bodens vorgetragen. Das ist eine der Möglichkeiten. Die Bundesregierung befaßt sich auf dem Pachtsektor bereits seit langer Zeit mit dieser Frage. Die Länder haben zum Teil Spezialprogramme. Wir sollten das nicht unterlassen, sollten aber nicht glauben, daß damit allein die Seligkeit begründet werden könne. Das ist eines der Mittel, ein Mittel, das uns von der Landwirtschaft selbst vorgewiesen wird, weil sie es ja betreibt. Auf der anderen Seite wissen wir, daß neben der Bodenmobilisierung sehr asnpruchsvolle Investitionsanforderungen stehen, die gerade in der heutigen Ertragssituation eine gewisse Vorsicht verlangen. Ich bin aber durchaus der Meinung, man sollte diesem Gedanken nähertreten.Herr Reichmann hat gemeint, ich hätte zur Sozialpolitik in der Einbringungsrede nichts oder zum
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Bundesminister Höcherlmindestens nur Belangloses gesagt. Nun, ich will nicht mit der gleichen Münze zurückzahlen, Herr Reichmann; aber ich darf Ihnen empfehlen, im Bulletin nachzulesen, was ich dazu gesagt habe. Ich habe, glaube ich, sehr viel dazu gesagt, wenn auch etwas eingepackt, um nicht all die Geister wachzurufen, die diesen Bestrebungen gar nicht so positiv gegenüberstehen.Ich habe z. B. gesagt, daß die Altershilfe längst ihre Funktion geändert hat. Sie hatte einmal eine sehr bedeutsame Übergabehilfefunktion, der sie mit große Erfolg gerecht geworden ist. Heute denken wir schon etwas weiter. Heute — und das hat sich in dem Entwurf der CDU/CSU-Fraktion niedergeschlagen — verlangen wir von einer Altersversorgung eine wirkliche Altersversorgung. Ich bin davon überzeugt, daß vieles von der Existenzangst, die heute mit Recht als der Kern dieser Demonstrationen und Kundgebungen herausgestellt worden ist, verschwinden wird, daß man vieles davon wird zum Verschwinden bringen können, wenn man aus der bisherigen Altersversorgung eine echte Altersversorgung macht, wie wir sie im Handwerk und in anderen Bereichen bereits haben. Ob der Weg gegangen werden kann, das in einer eigenen Kasse mit den bisherigen Organisationen zu machen, bezweifle ich, und zwar deswegen, weil ich schlechte Erfahrungen mit schmaler Basis mache. Ich brauche das nicht im einzelnen vorzutragen. Ich weiß nicht, ob hier nicht eine große gemeinsame Solidarität herrschen sollte. Ich habe einmal als Abgeordneter und als Vorsitzender der Landesgruppe einen entscheidenden Anteil nehmen können an der Altersversorgung des Handwerks, die ja aus einer anderen Entstehungsgeschichte eingebaut ist in den großen Bereich, zu dem wir auch erhebliche Beiträge leisten. Ich weiß nicht, ob man nicht solche Gedanken anstellen kann. Das läßt sich in wenigen Sätzen und Worten nicht mehr ausführen. Aber ich bin mißtrauisch gegen kleine eigene Einrichtungen, die nicht eine wachsende, sondern eine degressive Basis. haben. Es gibt dann auch Prozentsätze und Relationen, die sich politisch schwer verteidigen lassen. Wenn ich die Gewinnermittlung angestellt habe, so habe ich damit auch etwas anderes zum Ausdruck bringen wollen. Wissen Sie, was ich haben möchte? Ich möchte die mithelfenden Arbeitskräfte im Familienbetrieb in einer ordentlichen Sozialversicherung sehen. Dort gehören sie mit ihren Kosten hinein, und dann schließt sich diese Überlegung.
Herr Kollege Frehsee, Sie haben recht, wenn Sie sagen, daß wir auf dem sozialpolitischen Sektor keine großen Fortschritte machen konnten, weil das Finanzproblem dazwischenliegt. Was haben wir denn gemacht? Und was haben wir in der Regierungskoalition machen müssen? Wir haben den Rentnern in der Krankenkasse Auflagen machen müssen, wir haben Wartezeiten verlängern müssen, wir haben Beiträge erhöhen müssen, alles um wieder auf eine Gerade zu kommen. Das war der Grund. Die Finanzfrage ist hier ja noch gar nicht angeschnitten. Auf der einen Seite ist an dem Entwurf der CDU/CSU kritisiert worden, daß die finanzielleSeite nicht beachtet worden sei. Gleichzeitig erheben Sie die Forderung, nun erhebliche sozialpolitische Schritte zu tun. Wer würde sie lieber tun als ich, meine Damen und Herren?Der Beitrag des Herrn Bundeskanzlers ist ein Beitrag, den ich empfohlen habe, und er hat diesen Teil übernommen. Ich bitte noch einmal, den Part meiner Einbringungsrede dazu nachzulesen.Herr Frehsee, ich weiß, daß es gerade in der Zeit einer Rezession ein langer Weg vom Wunsch und von der Forderung bis zur Verwirklichung ist.Einige Bemerkungen zum Schluß. Sie haben mit Recht gefragt, warum der eingehenden und schonungslosen Diagnose nicht schon gleich in der Einbringungsrede die fertige Therapie gefolgt ist. Hier darf ich um Ihr Verständnis bitten. Die Analyse allein ist schon etwas. Zur Vorlage einer korrekten Analyse gehört auch ein gewisser Mut, und das kann sich, wenn sie fortgesetzt wird, zu einer Tat verdichten. Aber ohne Analyse kann es keine Therapie geben. Die Analyse der Lage der Landwirtschaft war mehr oder weniger ein Problem der Zusammenfassung unserer eigenen Auswertungen und der Interpretation neuzeitlicher agrarökonomischer Erkenntnisse. Die Konzipierung einer brauchbaren Therapie dagegen ist ein politisches, soziales und zutiefst menschliches Problem. Ein Berufsstand, der ohne sein Verschulden in großer Unruhe ist, läßt sich nicht von heute auf morgen beruhigen. Ich habe selbst schon Bedenken gegen die Einbringungsrede bekommen, weil ich die Schockwirkung gesehen habe; denn das hat wohl nicht nur positive, sondern auch andere Wirkungen. Aber ich glaubte nicht darauf verzichten zu können, weil es ohne diese Schockwirkung einfach nicht geht. Eine solche Therapie muß große menschliche Probleme bewältigen, deren Lösung um so größere Schwierigkeiten bereitet, als diese Probleme in einer Zeit gelöst werden müssen, die nun einmal voller Ungeduld ist und die uns zweitens in einen sehr engen finanziellen Rahmen preßt.Mit der fortschreitenden Industrialisierung und Automatisierung auch der landwirtschaftlichen Produktion — das ist nicht eine Industrialisierung, die wir uns wünschen, sondern das ist eine Arbeitserleichterung, eine technische Anpassung, die wir brauchen — werden oft jahrtausendealte bäuerliche Wertvorstellungen und traditionelle Organisationsformen der landwirtschaftlichen Produktion in Frage gestellt. Das gibt einen psychologischen und seelischen Bruch, den wir mit aller Behutsamkeit in eine neue Wirklichkeit überführen müssen. Der berechtigte Ruf nach industriegleichen Einkommen und nach dem zum Leitbild erhobenen Sozialstatus einer arbeitsteiligen Gesellschaft läßt sich in der Landwirtschaft im wesentlichen nur durch eine Steigerung der Arbeitsproduktivität, und zwar durch Verminderung des Arbeitsaufwandes und durch die Nutzbarmachung aller Möglichkeiten moderner Unternehmensformen realisieren. Dabei bin ich etwas großzügiger als mein Freund und Kollege Ehnes. Ich bin immer der Meinung, daß die Rechtsform ein Mittel ist, nicht mehr und nicht weniger. Ich möchte
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8252 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 159. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. März 1968
Bundesminister Höcherlmich nicht an die Gesellschaftsformen AG usw. kleben, das meine ich nicht, aber es gibt moderne Formen der Gemeinschaft, oft der ganz leichten Kooperation, die wir mehr benützen sollten. Ich rede mit all diesen Vorstellungen nicht einem modernen Bauernlegen das Wort, ich bin im Gegenteil davon überzeigt, daß ein breit gestreutes bäuerliches Eigentum bei gleichzeitiger Teilnahme der Landbevölkerung am wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt unter unseren strukturellen Verhältnissen eines überfüllten und eng besiedelten Raumes am ehesten im Rahmen neuer Kooperationsformen innerhalb und zwischen den verschiedenen Ebenen, die von der Erzeugung zur Weiterverarbeitung und bis zum Verkauf, also bis zum Absatz reichen, gefunden werden kann. Verschließen wir doch unsere Augen nicht vor dieser Wirklichkeit! Sie umgibt uns ja schon und wird von der Jugend zum Teil schon begeistert aufgenommen.Ein rasch zunehmender Anteil auch unserer bäuerlichen Betriebe wird heute schon von den Inhabern neben einem außerbetrieblichen Hauptberuf bewirtschaftet, weil mit fortschreitender Mechanisierung die Arbeitskapazität der Betriebsinhaber Gott sei Dank rascher zunahm, als sich Möglichkeiten zur Aufstockung der Betriebe boten und sich auch in der Zukunft bieten werden. Diese Entwicklung wird, wie zahlreiche Beispiele in besonders fortgeschrittenen Ländern der westlichen Welt zeigen, weiter voranschreiten und nicht ohne Rückwirkung auf die Betriebsorganisation im weitesten Sinne dieses Wortes sein können. Spezialisierung, Inanspruchnahme fremder Dienstleistungen gegen Bezahlung, vertragliche Regelungen mit Zulieferern und Weiterverarbeitern, kurzum die Bereitschaft zur Arbeitsteilung und zur Delegation der sich auch im Agrarbereich zunehmend differenzierenden Funktion als Spezialisten lassen einen neuen landwirtschaftlichen Unternehmertyp entstehen, der sowohl in bezug auf sein Einkommen als auch auf seine soziale Sicherheit den Vergleich mit anderen Wirtschaftsbereichen nicht zu scheuen braucht und gleichwohl im ländlichen Raum seine gesellschaftspolitischen Funktionen besser als heute zu erfüllen vermag.Eine entscheidende Voraussetzung dieser begrüßenswerten und modernen Entwicklung — und hier zeigen sich die engen Wechselbeziehungen zwischen unseren agrarpolitischen Zielvorstellungen und der allgemeinen Wirtschaftspolitik — ist freilich eine weitere konjunkturelle Aufwärtsentwicklung, vor allem in den Regionen, die bisher im Konjunkturschatten des Wirtschaftswunders gestanden haben und noch stehen.Von ganz entscheidender Bedeutung ist heute die Rationalisierung der Vermarktung — und das, Herr Dr. Schmidt, haben Sie mit Recht herausgestellt — der ganzen landwirtschaftlichen Produktion in einer Zeit des Überangebots. Bei den meisten landwirtschaftlichen Grundprodukten ist nicht mehr das Produzieren, sondern das Verkaufen der Ware das Problem Nr. 1. Hier hat die deutsche Landwirtschaft im zunehmend härter werdenden Wettbewerb um die europäischen und die außereuropäischen Märkte in der deutschen Ernährungsindustrie undim Deutschen Nahrungsmittelhandel potente und auch international leistungsfähige Verbündete und Alliierte, um deren Partnerschaft sie sich mehr als bisher bemühen sollte.Die Bundesregierung wird alles in ihrer Kraft Stehende tun, um durch eine Verbesserung der Markttransparenz, durch die erforderlichen Handelsklassenregelungen sowie durch die Förderung von Erzeugergemeinschaften und zentralen Verwertungs- und Absatzeinrichtungen in den wichtigsten Produktionsgebieten die Voraussetzungen für eine expansive Marktstrategie zu schaffen, um der konzentrierten Nachfrage über die Vereinigungen, die auch die EWG vorsieht, ein konzentriertes und qualitativ hochstehendes Angebot entgegenzusetzen. Die Bundesregierung wird noch in diesem Jahr u. a. auf dem Obst- und auf dem Fleischgebiet Modelleinrichtungen errichten helfen, um die Anziehungskraft des Beispiels für diesen Gedanken wirksam zu machen und einzusetzen.Sie werden mir gewiß zugeben, daß die Programmierung einer in sich geschlossenen Therapie durch die im Grundgesetz geregelte Aufteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern nicht gerade erleichtert wird. Im Agrarbereich kommen neuerdings die vielseitigen und in ihrer Reichweite noch nicht im einzelnen absehbaren Zuständigkeiten der Brüsseler Organe als erschwerendes Faktum hinzu. Jede dieser Ebenen hat ihren eigenen zeitlichen und politischen Rhythmus. Ich brauche hier nicht zu betonen, daß sich das gewünschte Programm und die Therapie der Haushaltswirklichkeit anzupassen haben. Bei den meisten Positionen bestehen rechtliche Bindungen, das wissen Sie selbst, und für neue Aufgaben bzw. Änderungen in der Zielsetzung gibt es zunächst keine nennenswerten zusätzlichen Mittel. Es konnte lediglich durch gegenseitige Deckungsfähigkeit eine bessere Ausnutzung erreicht werden, und ich bin dem Haushaltsausschuß sehr dankbar, der ausgerechnet am heutigen Tage zum erstenmal eine sehr großzügige Beweglichkeit beschlossen hat.
Gleichzeitig hat er den Grundsatz aufgestellt ichglaube, das ist auch erstmals im Haushaltsausschuß geschehen, und das ist eine Leistung der Großen Koalition in diesem Haushaltsausschuß für die Landwirtschaftspolitik gewesen —,
daß die Beträge, die ja vom Parlament gewollt werden, voll ausgeschöpft werden, Damit können zum erstenmal mit einer vernünftigen 'Aussicht auf Erfolg auch neue Aufgaben in Angriff genommen werden.Jede Agrarpolitik muß sich diesen Grundtatsachen unterwerfen. Es gibt aber keine Agrarpolitik, die allein und einzig aus der ökonomischen Logik entwickelt werden könnte. Idi gebe insoweit dem Kollegen Ertl recht. Sicherlich werden wir einmal auch daran gemessen werden, inwieweit wir neben rein wirtschaftlichen auch die gesellschaftlichen Funktionen der Landwirtschaft berücksichtigt haben. Die Landwirtschaft ist genausowenig wie andere
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Bundesminister HöcherlBereiche in der Lage, ihre Probleme allein zu lösen. Sie ist heute mehr denn je darauf angewiesen, daß ihr die übrigen Glieder der Volkswirtschaft bei der Lösung ihrer Probleme aus gesellschaftspolitischer Verantwortung helfen. Dazu gehören alle Maßnahmen der Infrastruktur, des Schulwesens, der Bildungseinrichtungen und der regionalen Wirtschaftsentwicklung. Damit wird deutlich, daß sich die Agrarpolitik nicht allein auf das Landwirtschaftsministerium stützen kann. Alle anderen Ressorts haben bei der Lösung der Agrarprobleme eine entscheidende Mitverantwortung.Die Landwirtschaft hat freilich wertvolle Gegenleistungen zu bieten, die von der Ernährungssicherung bis zur Erhaltung und Pflege des ländlichen Raumes reichen und sich darin keineswegs erschöpfen. Diese Bereitschaft der anderen Teile des Volksganzen zur Hilfe ist aber nur dann zu erwarten, wenn deutlich wird, daß es sich um Hilfe zur Selbsthilfe handelt, die mit einer überzeugenden Zielsetzung verbunden ist und glaubwürdig auch zu einer entscheidenden Gesundung führen kann.In der Einbringungsrede wurde auch mit einer Reihe von Fehlurteilen aufgeräumt wie z. B. der viel umstrittenen Betriebsgrößenfrage. Es kann nicht Aufgabe der staatlichen Agrarpolitik sein, nur eine bestimmte Betriebsform zu fördern. Ich bin der Auffassung, daß allein die Einkommensmöglichkeiten in den jeweiligen Betrieben den entscheidenden Ansatzpunkt der verschiedenen Maßnahmen bilden können. Je nach der Ausgangssituation der Betriebe hinsichtlich ihrer Ausstattung mit Boden, Arbeit und Kapital gibt es objektiv verschiedene Wege, eine Einkommensverbesserung zu erreichen, über die relativ teure und schwierige Aufstockung, die Aufnahme von zusätzlicher Erwerbstätigkeit in außerlandwirtschaftlichen Bereichen, nicht zuletzt aber durch die Verminderung der Kosten durch moderne Gemeinschaftsformen, die sich nicht nur auf eine gemeinsame Maschinenhaltung beschränken dürfen. Niemand will jemanden aus der Landwirtschaft oder aus der Beteiligung
seiner Flächen verdrängen. Im Gegenteil! Obwohl es in diesem Zusammenhang nicht geringe Marktprobleme gibt, — --
– Nein, ich kann das nicht zu Protokoll geben. Ich habe den größten Teil schon gestrichen. Ich muß diese Ausführungen machen. Diese Geduld müssen Sie doch aufbringen; ich war so geduldig Ihnen gegenüber.
Herr Bundesminister, selbstverständlich kann auch ein Minister eine Rede zu Protokoll geben. Das Haus ist großzügig.
Meine Damen und Herren, ich will es noch viel kürzer machen; ich sehe, die Ungeduld übersteigt alles.
Ich möchte aber noch ein Problem deutlich ansprechen, ein. besonderes Phänomen, das hier einige Male apostrophiert worden ist, nämlich daß gerade auch größere Betriebe z. B. Schleswig-Holsteins und Niedersachsens, die aus der Gesindeverfassung unvorbereitet und sehr schnell auf die Mechanisierungsphase umschalten mußten, in Schwierigkeiten geraten sind, ohne daß man Vorwürfe erheben könnte. Die Marktferne dieser Gebiete hat die Spannungen verschärft und hohe Verschuldungen zur Folge gehabt. Die Bundesregierung beobachtet diese Entwicklung mit großer Aufmerksamkeit und wird zusammen mit den zuständigen Ländern diese Fragen vor allem auch wegen der Konsolidierung der Liquiditätsseite prüfen.
Ich komme nun zum Schluß und darf zusammenfassen. Im Mittelpunkt unserer agrarpolitischen Überlegungen steht der Mensch mit seinen unveräußerlichen Rechten und nicht ein bestimmtes Betriebssystem. Ich werde dem Kabinett in wenigen Monaten ein geschlossenes System von Maßnahmen vorschlagen. In dieser Programmierung einer mittelfristigen. Agrarpolitik, an der bereits gearbeitet wird, wird solchen Maßnahmen der Vorrang eingeräumt werden, die sich in. der Vergangenheit als besonders wirkungsvoll erwiesen haben. Es gibt aber auch eine Reihe von neuen Maßnahmen und Akzenten, die uns von der stürmischen Entwicklung abverlangt werden. Ich bitte Sie noch um einige Monate Geduld, um Ihren Rat und um Ihre Hilfe und um Konkretisierung all unserer Überlegungen im Haushalt.
Der Haushaltsausschuß hat Ihnen ein Beispiel gegeben. Ich bitte, diesem Beispiel zu folgen.
Ich darf Ihnen herzlich danken. für die Bereitschaft, einen Nachmittag für die Landwirtschaft zu diskutieren. Ich danke der Landwirtschaft, die es schwer hat, die uns ein Beispiel von Anpassung und von einer Berufstreue gegeben hat, das uns anspornen muß, diesem Beispiel durch eine entsprechende Gegenleistung gerecht zu werden.
Meine Damen und Herren, wird noch das Wort gewünscht? — Frau Abgeordnete Griesinger hat eine Rede zu Protokoll gegeben *) Das Haus ist damit einverstanden.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.Ich schlage Ihnen vor, den Grünen Bericht auf Drucksache V/2540 an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — federführend — sowie an den Haushaltsausschuß — mitberatend und gemäß § 96 der Geschäftsordnung — zu überweisen.Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.Ich schlage Ihnen vor, den Entschließungsantrag auf Umdruck 364 an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, denjenigen auf Umdruck 365 an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft*) Siehe Anlage 17
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8254 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 159. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. März 1968
Vizepräsident Dr. Jaegerund Forsten sowie an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung zu überweisen, in gleicher Weise den Antrag auf Umdruck 366. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.Ich komme nunmehr zu den Gesetzentwürfen. Ich schlage Ihnen folgende Überweisungen vor:Den Gesetzentwurf auf Drucksache V/2663 an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — federführend — an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen — mitberatend — und an den Haushaltsausschuß — sowohl mitberatend als auch gemäß § 96 der Geschäftsordnung. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.Den Gesetzentwurf auf Drucksache V/2655 an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — federführend —, an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen — mitberatend — sowie an den Haushaltsausschuß — mitberatend und gemäß § 96 der Geschäftsordnung. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.Den Gesetzentwurf auf Drucksache V/2672 an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und. Forsten — federführend —, an den Haushaltsausschuß — mitberatend und gemäß § 96 der Geschäftsordnung. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.Den Gesetzentwurf auf Drucksache V/2678 an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — federführend , an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen — mitberatend — sowie an den Haushaltsausschuß — mitberatend und gemäß § 96 der Geschäftsordnung. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.Ich rufe nunmehr Punkt 6 der Tagesordnung auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Schiffsbankgesetzes— Drucksache V/2276 —Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirt-schaft und Mittelstandsfragen
— Drucksache V/2562 —Berichterstatter: Abgeordneter Regling
Ich danke dem Berichterstatter für seinen Schriftlichen Bericht und rufe in zweiter Beratung Art. 1, 2, 3, Einleitung und Überschrift auf. — Das Wort wird nicht begehrt. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe! — Es ist so beschlossen.Ich komme zurdritten Beratung.Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe! — Ich sehe keine Gegenstimme. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Titels IV der Gewerbeordnung— Drucksache V/2071 —Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen
— Drucksachen V/2577, zu V/2577 — Berichterstatter: Abgeordneter Schmidhuber
Ich danke dem Berichterstatter für seinen Schriftlichen Bericht. Ich rufe in zweiter Beratung Art. 1 bis 5, Einleitung und Überschrift auf. — Das Wort wird nicht begehrt. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.Ich komme zurdritten Beratung.Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ich sehe keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes und des Gesetzes über das Luftfahrt-Bundesamt (1. Änderung)— Drucksache V/2296 —Schriftlicher Bericht des Verkehrsausschusses
— Drucksache V/2579 —Berichterstatter: Abgeordneter Meister
Der Berichterstatter, der Abgeordnete Meister, wünscht das Wort zu einer kurzen Erklärung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Entschuldigen Sie vielmals, daß ich Sie heute abend zu so später Stunde noch wenige Minuten aufhalten muß. Bei der Einbringung des Antrags Drucksache V/2296, der zur Beratung steht, war noch nicht zu übersehen, bis zu welchem Zeitpunkt das Gesetz verkündet werden könne. Es kann nunmehr davon ausgegangen werden, daß die Verkündung bis zum 1. Mai 1968 erfolgen wird. Da eine Frist von etwa vier Wochen zwischen Verkündung und Inkrafttreten für den Erlaß der gleichzeitig in Kraft zu setzenden Durchführungsverordnungen notwendig, aber auch ausreichend ist, wird als Zeitpunkt des Inkrafttretens der 1. Juni 1968 vorgeschlagen. In Art. 5 der Vorlage ist also das Datum „1. Juni 1968" einzufügen.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 159. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. März 1968 8255
MeisterIch bitte Sie, meine Damen und Herren, diesem Antrag zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seinen Schriftlichen Bericht und für die Ergänzung und rufe in zweiter Beratung die Art. 1 bis 4 auf. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.Art. 5! — Der Antrag des Berichterstatters ist bekannt. Wer Art. 5 in dieser Fassung anzunehmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.Einleitung und Überschrift! — Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Es ist so beschlossen.Ich komme zurdritten Beratung. — Das Wort wird nicht gewünscht.Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich von seinem Platz zu erheben. Ich sehe keine Gegenstimmen. — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über eine Holzstatistik— Drucksache V/2180a) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung— Drucksache V/2598 — Berichterstatter: Abgeordneter Röhnerb) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
— Drucksache V/2597 —Berichterstatter: Abgeordneter Saxowski
Ich danke den Berichterstattern für ihre Berichte und rufe in zweiter Beratung die §§ 1 bis 8, Einleitung und Überschrift auf. — Das Wort wird nicht begehrt.Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.Ich komme zurdritten Beratung.— Eine Aussprache wird nicht gewünscht.Ich komme zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.Ich rufe Punkt 10 der Tagesordnung auf:Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung— Drucksache V/2592 —Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage vor, den Gesetzentwurf zu überweisen an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen als federführenden Ausschuß und an den Rechtsausschuß zur Mitberatung. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 11 der Tagesordnung auf:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den Protokollen Nr. 2, 3 und 5 und zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten— Drucksache V/2583 —Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage vor Überweisung an den Rechtsausschuß als federführenden Ausschuß sowie an den Auswärtigen Ausschuß und den Innenausschuß zur Mitberatung. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 12 der Tagesordnung auf:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 22. Dezember 1966 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Soziale Sicherheit und zu der Vereinbarung vom 22. Dezember 1966 zur Durchführung des Abkommens— Drucksache V/2584 —Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen vor Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik als federführenden Ausschuß sowie an den Ausschuß für Familien- und Jugendfragen zur Mitberatung. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 13 der Tagesordnung auf:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Abwicklung der der landwirtschaftlichen Entschuldung— Drucksache V/2586Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen, vor, den Gesetzentwurf an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu überweisen. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 14 der Tagesordnung auf:Erste Beratung des von der Bundesregierungeingebrachten Entwurfs eines Gesetzes überdie Feststellung der Wirtschaftspläne des
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8256 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 159. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. März 1968
Vizepräsident Dr. JaegerERP-Sondervermögens für das Rechnungsjahr1968
Drucksache V/2625 Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen vor Überweisung an den Ausschuß für das Bundesvermögen als federführenden Ausschuß sowie an den Haushaltsausschuß und an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen zur Mitberatung. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 15 der Tagesordnung auf:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des ERP-Investitionshilfegesetzes— Drucksache V/2626 ---Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen vor Überweisung an den Ausschuß für das Bundesvermögen als federführenden Ausschuß sowie an den Haushaltsausschuß und den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen zur Mitberatung. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.Ich rufe Punkt 16 der Tagesordnung auf:Beratung der Übersicht 18 des Rechtsausschusses über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht— Drucksache V/2563 —Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. --- Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist einstimmig so beschlossen.Ich rufe Punkt 17 der Tagesordnung auf:Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für das Bundesvermögen über den Antrag des Bundesministers der Finanzenbetr. Veräußerung einer Teilfläche des ehemaligen Flugplatzes Köln-Ostheim an die Firma Dr. Madaus & Co. in Köln— Drucksachen V/2311, V/2602 —Berichterstatter: Abgeordneter StrohmayrIch danke dem Berichterstatter für seinen Schriftlichen Bericht. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.ich rufe Punkt 18 der Tagesordnung auf:Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für das Bundesvermögen über den Antrag des Bundesministers der Finanzenbetr. Veräußerung einer Teilfläche des Grundstücks in Berlin-Moabit, Kruppstr. 2 bis 4, an das Land BerlinDrucksachen V/2462, V/2603 —Berichterstatter: Abgeordneter StrohmayrIch danke dem Berichterstatter für seinen Schriftlichen Bericht. Das Wort wird nicht begehrt. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.Punkt 19 macht eine Debatte erforderlich und wird zurückgestellt.Ich rufe die Punkte 20 bis 26 auf. Es handelt sich um Berichte über EWG-Vorlagen:20. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für eine Verordnung des Rats über den Beitrag des EAGFL zur Behebung der in Italien im Jahre 1967 durch die afrikanische Schweinepest verursachten Schäden— Drucksachen V/2419, V/2588 —Berichterstatter: Abgeordneter Bewerunge21. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für eine Verordnung des Rats zur Abänderung und Ergänzung des Artikels 20 der Verordnung Nr. 17/64/EWG über die Bedingungen für die Beteiligung des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft— Drucksachen V/2459, V/2599 Berichterstatter: Abgeorneter Knobloch22. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Gesundheitswesen über die von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschläge der Kommision der Europäischen Gemeinschaften füra) eine dritte Richtlinie des Rats für die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Arzneispezialitätenb) eine Entschließung des Rats über die Angleichung der Rechtsvorschriften über Angleichung der Rechtsvorschriften über Arzneispezialitäten— Drucksache V/2446, V/2605 — Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Brenck
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Vizepräsident Dr. Jaeger23. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Sozialpolitik über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats zur Änderung und Ergänzung der Verordnungen Nr. 3 und Nr. 4 über die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer (Änderungen verschiedener Anhänge)— Drucksachen V/2445, V/2609 —Berichterstatter: Abgeordneter Kühn
24. Beratung des Mündlichen Breichts des Innenausschusses über den Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für eine Verordnung des Rats zur Festlegung des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften und zur Einführung von Sondermaßnahmen, die vorübergehend auf die Beamten der Kommission anwendbar sind— Drucksachen V/2272, V/2622Berichterstatter: Abgeordneter Schmitt-Vokkenhausen25. Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über die von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschläge der Kommission der EWG füreine Verordnung des Rats betreffend die Verlängerung der Verordnung Nr. 361/67/EWG für Getreide- und Reisverarbeitungserzeugnisse mit Ursprung in den assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar oder in den überseeischen Ländern und Gebieteneine Verordnung des Rats über die Durchführungsbestimmungen zur Regelung der Einfuhr von aus der Türkei stammenden und eingeführten Zitrusfrüchten— Drucksachen V/2455, V/2458, V/2624 — Berichterstatter: Abgeordneter Blume26. Beratung des Schriftlichen Berichts des Finanzausschusses über die von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschläge der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats über die schrittweise Errichtung einer gemeinsamen Marktorganisation für Rohtabakeine Verordnung des Rats über die anderen Verbrauchsteuern auf Tabakwaren als die Umsatzsteuer, sowie Entwurf einer Entschließung des Rats betreffend die Verbrauchsteuern auf Tabakwareneine Verordnung des Rats über die staatlichen Handelsmonopole für Tabakwareneine Verordnung des Rats betreffend dieassoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar und die überseeischen Länder und Gebiete— Drucksachen V/2039, V/2611 — Berichterstatter: Abgeordneter Krammig in Verbindung damitBericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung über die von der Bunderegierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschläge der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats über die schrittweise Errichtung einer gemeinsamen Marktorganisation für Rohtabakeine Verordnung des Rats über die anderen Verbrauchsteuern auf Tabakwaren als die Umsatzsteuer sowie Entwurf einer Entschließung des Rats betreffend die Verbrauchsteuern aus Tabakwareneine Verordnung des Rats über die staatlichen Handelsmonopole für Tabakwareneine Verordnung des Rats betreffend die assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar und die überseeischen Länder und Gebiete– Drucksache V/2612 —Berichterstatter: Abgeordneter RöhnerWünschen die Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall. Das Wort zur Aussprache wird nicht gewünscht.Ich komme zur Abstimmung über die Ausschußanträge auf den Drucksachen V/2588, V/2599, V/2605, V/2609, V/2622, V/2624, V/2611. Zum Ausschußantrag auf Drucksache V/2611 liegt ein Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung auf Drucksache V/2612 vor. Wer den aufgerufenen Drucksachen und den Ausschußanträgen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig beschlossen.Ich rufe Punkt 27 der Tagesordnung auf:Beratung des Schriftlichen Berichts des Finanzausschusses über den Antrag der Abgeordneten Reichmann, Dr. Rutschke, Jung, Mauk, Schultz (Gau-Bischofsheim), Freiherr von Gemmingen und der Fraktion der FDP betr. EWG-Marktordnung für Rohtabak— Drucksachen V/2175, V./2617 —Berichterstatter: Abgeordneter KrammigIch danke denn Berichterstatter für seinen Schriftlichen Bericht.In Verbindung damit wird aufgerufen:Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung über den Antrag der Abgeordneten Reichmann, Dr. Rutschke, Jung, Mauk, Schultz (Gau-
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8258 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 159. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. März 1968
Vizepräsident Dr. JaegerBischofsheim), Freiherr von Gemmingen und der Fraktion der FDP betr. EWG-Marktorganisation für Rohtabak— Drucksache V/2618 — Berichterstatter: Abgeordneter RöhnerIch danke dem Berichterstatter. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Ausschußantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Einstimmig angenommen.Ich rufe Punkt 28 auf:Beratung des Schriftlichen Berichts des Finanzausschusses über den Antrag der Fraktion der FDP betr. Erhöhung der Brennrechte bei Kartoffeln— Drucksachen V/2193, V/2619 —Berichterstatter: Abgeordneter Ahrens
in Verbindung damitBericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung über den Antrag der Fraktion der FDP betr. Erhöhung der Brennrechte bei Kartoffeln— Drucksache V/2620 — Berichterstatter: Abgeordneter WindelenIch danke dem Abgeordneten Ahrens für seinen Schriftlichen Bericht, auch dem Abgeordneten Windelen für den Bericht des Haushaltsausschusses. Das Wort wird nicht begehrt. Wer dem Ausschußantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Zwei Gegenstimmen, aber keine Enthaltung.Ich rufe Punkt 29 der Tagesordnung auf:Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für das Bundesvermögen über den Bericht des Bundesschatzministers über die Durchführung des ERP-Investitionshilfegesetzes gemäß § 3 Abs. 2 des ERP-Investitionshilfegesetzes vom 17. Oktober 1967 (BGBl. I S. 989)— Drucksache V/2596 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Frerichs Abgeordneter LangeIch danke den Berichterstattern für ihren Schriftlichen Bericht. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.Ich rufe Punkt 30 der Tagesordnung auf:Beratung des Schriftlichen Berichts des Finanzausschusses über die von der Bundesregierung beschlossene Verordnung zur Einschränkung der Begünstigungdes § 27 des Zollgesetzes für den Luftfahrzeugbau— Drucksachen V/2474, V/2613 —Berichterstatter: Abgeordneter FeuringIch danke dem Berichterstatter für seinen Schriftlichen Bericht. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Meine Damen und Herren, ich komme nunmehr zu den Zusatzpunkten. Ich rufe zuerst auf:Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen über die von der Bundesregierung beschlossene Sechsunddreißigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1967 (Zollaussetzungen für Tee, Pilchards und Pfifferlinge)— Drucksachen V/2615, V/2644 — Berichterstatter: Abgeordneter Dr. PreißIch danke dem Berichterstatter für seinen Schriftlichen Bericht. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer der Verordnung im Sinne des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. — Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig beschlossen.Ich rufe den nächsten Zusatzpunkt auf:Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen über die von der Bundesregierung beschlossene Siebenunddreißigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1967 (Zollkontingente für Pflaumen und Verschnittrotwein — 1968)— Drucksachen V/2616, V/2645 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. StaratzkeIch danke dem Berichterstatter für seinen Schriftlichen Bericht. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag des Ausschusses, der Verordnung zuzustimmen, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Der Antrag ist einstimmig angenommen.Ich rufe den weiteren Zusatzpunkt auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes— Drucksache V/2378 —a) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache V/2655 --Berichterstatter: Abgeordneter Bremer
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 159. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. März 1968 8259
Vizepräsident Dr. Jaegerb) Schriftlicher Bericht des Innenausschusses
— Drucksache V/2649 Berichterstattter: Abgeordneter Hübner
Ich danke den Berichterstattern für ihre Berichte. Eine Ergänzung ist nicht notwendig.Ich rufe in zweiter Beratung auf die §§ 1 bis 3, Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.Ich komme zurdritten BeratungDas Wort wird nicht begehrt. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? -Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.Damit, meine Damen und Herren, haben wir die heutige Tagesordnung erledigt. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages aufmorgen, Donnerstag, den 14. März, 9 Uhr. Die Sitzung ist geschlossen.