Gesamtes Protokol
Das Wort zur Beantwortung der Großen Anfrage hat der Herr Bundeswirtschaftsminister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir bitte einige allgemeine Vorbemerkungen, die ich den speziellen Antworten auf die Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU vorausschicken möchte. Ich darf gleich sagen, ich begrüße jene Große Anfrage. Sie gibt mir unter anderem jetzt die Gelegenheit, in dein Hohen Hause vom Grundsätzlichen her auch auf den Zusammenhang und auf die Zusammenhänge zwischen Konjunkturpolitik und Strukturpolitik einzugehen.Meine Damen und Herren, manchmal wird draußen — nicht hier - die These vertreten, es bestehe ein fundamentaler Gegensatz zwischen Konjunkturpolitik und Strukturpolitik. Das ist falsch. Konjunkturpolitik und Strukturpolitik ergänzen sich und müssen sich ergänzen als Teile einer modernen systematischen Wirtschaftspolitik. Sie stehen nicht zueinander in Widerspruch; ja, Konjunktur- und Strukturpolitik können in bestimmten Situationen, wie z. B. in der Konjunkturphase, in der das zweite Konjunktur- und Strukturprogramm der Bundesregierung beschlossen wurde, identisch sein, wie wir das hier gezeigt und beschlossen haben.Es ist heute unvorstellbar, daß die Wirtschaftspolitik auf aktive Konjunkturpolitik verzichtet, und es wäre ebenso falsch, wenn man auf jenen anderen Teil, der heute zur Debatte steht, nämlich die Strukturpolitik, verzichten würde. Auch die Ziele der gesamtwirtschaftlich orientierten Politik, die uns durch die beiden großen Gesetze, das Gesetz über den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und durch das neu beschlossene Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft, vorgeschriebensind und die da lauten: Stabilität des Preisniveaus, hoher Beschäftigungsstand, außenwirtschaftliches Gleichgewicht bei stetigem und angemessenem Wachstum der Wirtschaft, lassen sich nur erreichen, wenn eben beide Aspekte konjunktureller und struktureller Art beachtet werden.Die Strukturpolitik hat, wie wir alle wissen — und da stimme ich mit dem Herrn Abgeordneten Müller-Hermann völlig überein -, die Voraussetzung dafür zu verbessern, und zwar laufend zu verbessern, daß die Produktionsfaktoren Kapital, Arbeit und Boden möglichst produktiv verwendet werden und laufend den möglichst optimalen Verwendungszwecken zugeführt werden. Nur so kann auf die Dauer das berühmte „angemessene Wirtschaftswachstum" erzielt werden. Und nur so kann auch vermieden werden - um auf die strukturelle Frage hier besonders einzugehen —, daß in der Wirtschaft bereits vorhandene Krankheitsherde sich ausbreiten oder an anderer Stelle neue Krankheitsherde entstehen.Strukturelle Krisen — des wissen wir aus einem besonderen Fall, der uns am 8. November vorigen Jahres in diesem Hause sehr beschäftigt hat, nämlich die Strukturkrise des deutschen Steinkohlenbergbaus — können auch die Gesamtkonjunktur nachhaltig beeinträchtigen.Umgekehrt -- und das muß mit aller Deutlichkeit, ich möchte sagen: gleichberechtigt und symmetrisch betont werden — nützen eine noch so gute Kombination der Produktionsfaktoren in den Branchen und ein noch so hoch entwickeltes Produktionspotential sehr wenig, wenn die gesamtwirtschaftliche Nachfrage nicht ausreicht, d. h. wenn sich die Gesamtkonjunktur nicht genügend entfaltet hat, um die vorhandenen Kapazitäten, selbst wenn sie optimal gestaltet sind, zu beschäftigen.Man könnte auch sagen, was die strukturpolitischen Notwendigkeiten für den Staat betrifft: je mehr sich die Rate des wirtschaftlichen Wachstums der optimalen und angemessenen Wachstumsrate annähert, je mehr sie sich dieser Grenze zubewegt, um so leichter vollziehen sich sehr viele Strukturwandlungen im marktwirtschaftlichen Prozeß sozusagen von selbst. Bei hohem Wachstum — nicht bei übersteigertem oder überhitztem Wachstum, sondern bei hohem, angemessenem Wachstum — wird ein großer Teil von strukturpolitischen Erfordernissen, die bei dem Kampf der Wirtschaft und der Wirtschaftspolitik nur um die Null-Linie allesamt akut sind, sozusagen von selbst erledigt. Das müssen wir immer wieder feststellen. Eine konjunkturelle Schwäche - das hat die Erfahrung des letzten und des vorletzten Jahres. gezeigt — läßt die strukturellen Schwierigkeiten deutlicher hervortreten.Gerade die Konjunkturschwäche schafft im übrigen eine Situation, in der die Instrumente der Strukturpolitik an Effizienz verlieren; denken Sie hier an die Investitionsanreize und an bestimmte Wirtschaftsförderungsmaßnahmen im regionalen Bereich, die wir in der Vergangenheit schon besaßen. Sie sind für bestimmte Gebiete gerade in den letzten beiden Jahren relativ wenig zur Auswirkung ge-
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7604 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1968
Bundesminister Dr. Schillerkommen. Warum? Weil die allgemeine Konjunkturbewegung den Anreiz zum Gebrauch dieser Hilfen und Investitionskredite von der Wirtschaft her verkleinerte. Die jüngsten Erfahrungen in der Rezession sowohl in den Zonenrandgebieten als auch im Ruhrgebiet zeigen ganz deutlich ,daß die Wirtschaft trotz dieser schon in der Vergangenheit vorhandenen bestimmten Anreize in diesen Gebieten auch bei Präferenzen — auch in Berlin unter den Berlin-Präferenzen — in der Rezession nur sehr zögernd investiert, weil das allgemeine Konjunkturklima dann zu schlecht ist.Herr Kollege Müller-Hermann hat vollkommen recht, in den vergangenen Monaten, ja in dem ganzen letzten Jahr mußte deshalb die allgemeine Globalsteuerung, die Konjunkturpolitik im Vordergrund unseres Handelns stehen. Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung — das wissen wir alle — wurde seit Mitte 1966 durch eine zu geringe gesamtwirtschaftliche Nachfrage bestimmt, wo immer und wodurch sie immer verursacht sein möge, das steht heute nicht zur Debatte.Ich muß deshalb an dieser Stelle und bei dieser Gelegenheit sehr eindringlich vor dem Fehlschluß warnen, die Strukturpolitik — ein im allgemeinen Gebrauch sehr modern gewordenes Wort — könnte sozusagen an die Stelle der Globalsteuerung treten. Das will sicher auch Herr Müller-Hermann nicht. Würde das aber eintreten — und man muß die Grenzen sehen —, daß die Strukturpolitik sozusagen Schritt für Schritt an die Stelle der Globalsteuerung tritt, so würde das letztlich bedeuten, daß sich die Wirtschaftspolitik hier in eine Vielzahl von gezielten oder, besser formuliert, von zielgerichteten Maßnahmen auflöst. Letztlich würde das bedeuten, daß die Wirtschaftspolitik am Ende dann nur noch aus einzelnen Dirigismen bestünde, und da kann ich nur sagen: auf diesem Wege bekämen wir die planification en détail. Die kommt für uns nicht in Frage, und wohl niemand in diesem Hause will auf dem Wege über eine zu weit getriebene oder deformierte Strukturpolitik eine solche Entwicklung.Bei den Maßnahmen der Bundesregierung zur Steigerung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage, bei den Beschlüssen dieses Hauses zu den beiden Konjunkturprogrammen haben wir — ich deutete es eben schon an — zugleich wesentliche strukturpolitische Prioritäten, vor allem regionaler Art, gesetzt. Im zweiten Konjunktur- und Strukturprogramm haben wir eben diese Komponente und diese Konzeption ausdrücklich dadurch unterstrichen, daß wir diese sogenannten Konjunkturmittel nach einem Schlüssel verteilt haben, der für bestimmte Gebiete fiktiv die doppelte Bevölkerungszahl vorsah: Steinkohlengebiete, Zonenrandgebiet, Berlin, Bundesaufbaugebiete. Das war die Identität, die völlige Dekkungsgleichheit von konjunktur- und strukturpolitischer Aktivität. Das ist also berücksichtigt.Aber bei mittel- und langfristigen Überlegungen, bei jenen Überlegungen, die wir etwa unter dem Rubrum Wachtsumspolitik auf längere Sicht, Entwicklungspolitik, Fortschrittspolitik anstellen, tritt natürlich die Komponente der strukturpolitischen Maßnahmen noch särker in den Vordergrund. WieSie alle wissen, hat sich die Bundesregierung sehr eingehend mit solchen mittel- und langfristigen Planungen beschäftigt. Sie alle kennen die mittelfristige Zielprojektion für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung, auf deren Grundlage dann, entsprechend dem § 9 des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes, diesem Hohen Haus die mehrjährige Finanzplanung vom vorgien Jahr vorgelegt worden ist. Das in der mittelfristigen gesamtwirtschaftlichen Zielprojektion angegebene Ziel, nämlich eine Wachstumsrate für die Gesamtwirtschaft von jährlich 4 %, ist realistisch, wie der Sachverständigenrat in seinem neuesten Jahresgutachten, das Ihnen allen vorliegt und das wir bald hier diskutieren werden, deutlich bestätigt hat.Meine Damen und Herren! Dieses Ziel einer Steigerung um real 4 % pro Jahr ist natürlich nur zu erreichen, wenn bei etwa noch zurückgehendem Arbeitskräftepotential oder bei weiterer maßvoller Arbeitszeitverkürzung die Produktivität pro geleisteter Arbeitsstunde über 4 % pro Jahr hinausgeht. Nur so können wir die globale Zuwachsrate von 4 % real halten. Dazu also sind — das ist ganz klar — strukturpolitische Maßnahmen auch notwendig. Längerfristige Wachstumspolitik ist damit gleichzeitig Strukturpolitik. Diese längerfristige Wachstumspolitik muß darauf orientiert sein, vor allem den spontanen marktwirtschaftlichen Strukturwandel zu fördern und auf keinen Fall zu hemmen.Meine Damen und Herren, ich will ganz deutlich sagen: es gibt in der öffentlichen Debatte zu diesem nun sehr oft gebrauchten Wort „Strukturpolitik" genau gesehen zwei völlig verschiedene Interpretationen. Das wurde auch schon von Herrn Müller-Hermann angedeutet. Sehr oft wird — ohne daß man das sagt -- unter dem Begriff „Strukturpolitik" in der öffentlichen Debatte einfach schlicht eine konservierende Schutzpolitik in bestimmten Branchen, bestimmten Berufen und auch für bestimmte Regionen verstanden. Die Bundesregierung vertritt die andere Interpretation des Begriffs „Strukturpolitik". Sie versteht unter Strukturpolitik im Gegensatz zu der konservierenden Schutzpolitik eine Politik des Fortschritts und nicht der Erhaltung und der Konservierung. Wir müssen davon ausgehen, daß alle Produktivkräfte in unserer Wirtschaft auch in Zukunft begrenzt und knapp sind, ganz besonders — wie Sie auch sagten -- die menschliche Arbeitskraft. Das darf man auch angesichts der augenblicklich noch vorhandenen konjunkturellen Arbeitslosigkeit und des konjunkturell nicht genutzten Wachstumspotentials in unserer Wirtschaft nicht übersehen. Kurz und gut, die Anpassungsfähigkeit — und das ist der Sinn der ganzen Maßnahmen - in der Gesamtwirtschaft muß erhöht werden, und zwar über das Ganze gesehen und in besonderen Branchen. Das ist auch heute noch die aktuelle Ausgangsposition der Strukturpolitik.Am 8. September vorigen Jahres haben wir uns bei der Verabschiedung des zweiten Konjunktur- und Strukturprogramms in diesem Hohen Hause auch noch über ein besonderes Strukturprogramm auf mittlere und längere Sicht unterhalten. Es lag der Entschließungsantrag des HaushaltsausschussesDeutscher Bundestag - 5. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Freitag, dén 19. Januar 1968 7605Bundesminister Dr. Schiller
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Vizepräsident Schoettle: Herr Genscher!
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— Ich hatte mir nicht vorgenommen, hier ein Land zu nennen.
Ich habe auch den Auftrag meiner Fraktion, der Bundesregierung mitzuteilen, daß die Wirtschaftskraft des industriellen Bundesbesitzes hinsichtlich ihrer strukturpolitischen Wirksamkeit verstärkt genutzt werden muß. Ich nenne Kiel, Salzgitter, Amberg, Saargebiet. Wir werden diesem Hohen Hause hierfür den Vorschlag zur Bildung einer kaufmännisch-unternehmerisch geführten Bundesholding unterbreiten. Die bisher vorgebrachten Argumente
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Junghansgegen die vorgeschlagene Bundesholding haben mich jedenfalls nicht überzeugt.Aber auch die private Wirtschaft — um diese handelt es sich vorwiegend — sollte sich durch Eigeninitiative mehr als bisher in die regionale Wirtschaftspolitik einschalten. Wir begrüßen die Bildung des Arbeitskreises Berlin des Bundesverbandes der deutschen Industrie, wären aber dankbar, wenn ähnliche Möglichkeiten auch für Ruhr-, Saar- und Zonenrandgebiete geschaffen würden. Ich sage ausdrücklich: „ähnliche Möglichkeiten"In dem Antrag Umdruck 350 *) ersuchen wir die Bundesregierung, für 1968 einen Betrag in der Größenordnung von 1 Milliarde DM zur Mitfinanzierung von Strukturprogrammen für die Problemgebiete, Ruhr, Saar und Zonenrandgebiete, über den Weg der Kreditaufnahme bereitzustellen. Wir meinen damit das Strukturprogramm für Nordrhein-Westfalen, das gestern dem Wirtschaftsausschuß im Entwurf vorgelegen hat, sowie die Schaffung neuer Arbeitsplätze durch Neuansiedlung und Aufschließung — selbstverständlich schwerpunktmäßig — an der Saar und im Zonenrandgebiet, um die Schere der Wirtschaftskraft dieser Gebiete zum Bundesdurchschnitt, die sich, wie sich in der Rezession gezeigt hat, immer mehr geöffnet hat, wieder schließen zu helfen.Gestatten Sie mir eine Bemerkung zum Schluß. An Schriften, wissenschaftlichen Untersuchungen, auch streitbaren Untersuchungen, Aufsätzen, Büchern und Dissertationen über Strukturpolitik und Raumordnung hat es in der Vergangenheit wahrlich nicht gefehlt. Bei mir jedenfalls, der ich mich seit fast zehn Jahren damit befasse, häuft sich das Material zu Bergen. Ich werde manchmal den Verdacht nicht los, daß, je unklarer ein Problem in Analyse und Lösungsmöglichkeit ist, desto mehr darüber geschrieben und geredet wird. Die Wirtschaftstheorie— das möchte ich hier deutlich sagen — hat noch kein unumstrittenes Rezept für die Strukturpolitik. Mit Schriften, Reden und Vorträgen sind wir eingedeckt. Diese gehen bis zur Steinzeit zurück, — wenn ich auch nicht verkennen will, daß es sicherlich auch bei dem Übergang von der Steinzeit zur Bronzezeit Probleme gegeben hat. Aber die wenigsten von uns werden sich daran erinnern können.
— Jedenfalls nehme ich es an.
— Leider ist das manchmal etwas schwierig, wenn man etwas Grundsätzliches sagen soll, Herr Kollege, und ich hatte den Auftrag dazu. Sie haben sicher auch gemerkt: weder bei der Begründung noch bei der Beantwortung war es möglich, diese an sich trockene Materie durch Beispiele aufzulokkern. Ich könnte sehr viele Beispiele bringen, und dann wäre es auch für Sie vielleicht etwas interessanter. Aber wir sollen uns hier ja beschränken.*) Siehe Anlage 2Uns kam es darauf an, daß nicht nur geschrieben und geredet wird, daß wir nicht nur auf letzte Weisheiten und Wahrheiten warten, sondern daß ein Problem, dessen Lösung in den letzten Jahren -man muß das einmal sagen -- verschleppt worden ist, nunmehr tatkräftig und pragmatisch angegangen wird. Das ist der Sinn unseres Antrages. Es geht um das Schicksal von Hunderttausenden von Arbeitnehmern und ihren Familien. Strukturpolitik hat nach sozialdemokratischer Auffassung nur Sinn, wenn sie der Entfaltung der Produktivkräfte des ganzen Volkes dient. Die Vollbeschäftigung ist hiervon ein wesentlicher Teil. Nur so kann allen Arbeitnehmern ein gesichertes Einkommen gewährleistet werden.Wir bitten Sie deshalb sehr herzlich, aus den neuen Erkenntnissen auch die Schlüsse zu ziehen und unseren Antrag auf Umdruck 350 , der die Bundesregierung ins Obligo zum Handeln bringt, anzunehmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Staratzke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Große Anfrage der CDU/CSU-Fraktion gibt Gelegenheit, eine Reihe von Zweifelsfragen zu klären. Ich darf mir erlauben, namens meiner Fraktion auf einige Grundsätze der sektoralen und regionalen Strukturpolitik einzugehen.Wir haben es im Jahre 1966 außerordentlich begrüßt, daß die damalige Regierung Erhard/Mende im Kabinett Richtlinien zur Strukturpolitik verabschiedet hat. Aus den vorhergehenden Ausführungen haben wir schon eindeutig gehört, daß die Strukturpolitik ein wesentlicher, ein entscheidender Teil der gesamten Wirtschaftspolitik ist. Leider müssen wir feststellen — das darf ich in aller Klarheit und Offenheit herausstellen —, daß die Strukturpolitik, wie sie nach den 1966 herausgegebenen Richtlinien vorgesehen war, bei einem so starken Hervortreten der Konjunkturpolitik, wie wir es in den letzten Jahren erlebt haben, sehr in den Hintergrund getreten ist. Das soll kein Vorwurf an den Bundeswirtschaftsminister sein, aber vielleicht, Herr Minister, eine Mahnung.Ich möchte einmal herausstellen — das ist, glaube ich, bisher nicht getan worden, auch nicht in der Begründung —, warum eigentlich die Strukturpolitik so bedeutungsvoll ist. Wir können wohl davon ausgehen, daß, wenn wir aus der Rezession einmal wirklich heraus sind, die Jahre des externen Wachstums unserer Volkswirtschaft vorbei sind; ich meine das langfristig. Warum ist das so? Weil — darüber müssen wir uns alle im klaren sein — die Zahl der inländischen Beschäftigten bei konstanter Geburtenzahl — die Statistiken weisen das aus — in den nächsten Jahren zurückgehen wird und — ein Tatbestand, an dem wir auch nicht vorbeigehen können — der Trend zur Verkürzung der Arbeits-
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Dr. Staratzkezeit das volkswirtschaftliche Arbeitsvolumen in Zukunft leider vermindern wird. Infolgedessen wird das künftige Wachstum — immer langfristig gesehen — vornehmlich ein internes Wachstum sein. Die Quelle des internen Wachstums ist aber nun allein die Produktivitätszunahme, d. h. die Leistungssteigerung pro Arbeiter oder Arbeiterstunde, die Nettowertschöpfung, oder wie sie es nennen wollen. Die Produktivitätszunahme wiederum hängt von dem Ausmaß und von dem Tempo des technischen Fortschritts und von den Produktivitätsgewinnen durch den Strukturwandel ab.Die erste Komponente der Produktivitätszunahme, der technische Fortschritt — generell als Begriff —, ist nicht so sehr eine Angelegenheit der Wirtschaftspolitik; seine Verwirklichung wird vornehmlich eine Aufgabe der Unternehmungen in dieser Wirtschaft sein. Selbstverständlich hat auch der Staat hier nicht nur eine Reihe von Aufgaben, sondern auch Verpflichtungen. Ich denke z. B. an die Förderung der Forschung, der Ausbildung usw.Zu diesem Faktor des technischen Fortschritts — hier als allgemeiner Begriff — kommt nun die staatliche Wirtschaftspolitik. Und hier kommt meine Mahnung: Diese staatliche Wirtschaftspolitik sollte sich, wenn sie die ohnehin in der Volkswirtschaft vor sich gehenden Strukturwandlungen günstig beeinflussen will, in ihrem angestammten Betätigungsfeld bewegen. Dieser Einfluß hat eben nur dann produktivitätssteigernde Wirkungen, wenn er eine Verbesserung der gesamten Wirtschaftsstruktur erreicht. Das bedeutet, daß diejenigen Strukturwandlungen gefördert werd-en sollten, die überdurchschnittliche Produktivitätseffekte versprechen.Wir gehen von den Grundsätzen der alten Regierung vom Oktober 1966 aus. Heute haben wir eine Neufassung dieser Grundsätze vorliegen. Ich konnte sie noch nicht so studieren, daß ich mir ein Bild davon verschaffen konnte. Aber ich meine, daß sie jetzt etwas konkreter gefaßt worden sind, so daß einige Mängel, die ich hier herausstelle, in der Neufassung vielleicht nicht mehr so deutlich hervortreten. Ich meine aber, daß diese Grundsätze zur Strukturpolitik doch in einer Reihe von Punkten erklärungsbedürftig und ergänzungsbedürftig sind.Beispielsweise war in den alten Richtlinien zu lesen, daß der optimale volkswirtschaftliche Ertrag für die Förderungswürdigkeit eines Wirtschaftsbereichs oder einer Branche oder Sparte — oder wie auch 'immer — maßgebend sein sollte. Nach meiner und der Auffassung meiner Kollegen kann hier nur die volkswirtschaftliche Produktivität gemeint sein, d. h. der reale Ertragszuwachs der eingesetzten Produktionsfaktoren, niemals aber die privatwirtschaftliche Rentabilität einzelner Industriezweige, einzelner Unternehmen usw. Warum? Das ist ein Grundsatz, den man sich klarmachen muß, weil man möglicherweise eine Strukturpolitik nach der privatwirtschaftlichen Rentabiltät betreibt, die nachher ins Auge gehen kann. Die Rentabilität der Unternehmen ist ja nicht nur Ausdruck ihrer inneren Produktivitätssteigerung, sondern sie ist weitgehend auch von der Intensität des Wettbewerbs abhängig. Die Erträge sind möglicherweise geschwächt, wenn dieWettbewerbsintensität sehr hoch ist. Dabei kommt es in einer Volkswirtschaft, insbesondere in einer Volkswirtschaft, die in so hohem Maße in die Weltwirtschaft verflochten ist wie diejenige der Bundesrepublik, nicht nur auf das Ausmaß des inneren Wettbewerbs an, sondern auch auf das Ausmaß des vom Außenhandel stammenden äußeren Wettbewerbs.Würde sich also diese fördernde Strukturpolitik des Staates, der Bundesregierung oder der Länder, an der privatwirtschaftlichen Rentabilität und nicht an der volkswirtschaftlichen Produktivität orientieren, so würde man Wirtschaftsbereiche mit hoher Wettbewerbsintensität und daraus möglicherweise resultierender mangelnder Rentabilität ganz einfach bestrafen. Das kann in unserer freien Marktwirtschaft und in unserer Wettbewerbswirtschaft wohl nicht der Sinn sein. Ich nehme an — das wollte ich an dieser Stelle einmal klarstellen —, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister -in dieser Frage mit uns einig ist, daß man hier also das Kriterium der volkswirtschaftlichen Produktivität ansetzen muß.Eines kommt in den Grundsätzen unseres Erachtens ein bißchen zu kurz — ich sage sehr leger „ein bißchen" —, nämlich die Förderung der kleinen und der mittleren Unternehmen, auch wenn die Grundsätze gewisse Hinweise auf die Verbesserung der Marktposition dieser Unternehmen geben. Hier ist eine Präzisierung dessen, was getan werden soll, nötig. Lassen Sie mich ganz offen aussprechen — gerade weil der Herr Wirtschaftsminister hier ist —, daß offenbar der Begriff „Mittelstand" seit einiger Zeit in der offiziellen Wirtschaftspolitik nicht mehr en vogue ist. Gerade weil die mittleren und kleineren Betriebe ihre Widerstandskraft in der hinter uns liegenden Zeit bewiesen haben oder in der noch immer vorherrschenden Rezessionszeit wieder einmal beweisen, muß ich besonders an die Bundesregierung und an den Herrn Bundeswirtschaftsminister appellieren, bei der Gestaltung der Strukturpolitik zu berücksichtigen, daß die deutsche Volkswirtschaft aus einer großen Zahl von Klein- und Mittelbetrieben besteht und möglichst viele selbständige Existenzen braucht, die am Wettbewerb vollgültig teilnehmen sollen.
Unter einer Ziffer der alten Grundsätze zur sektoralen Strukturpolitik war zu lesen, daß „Verfälschungen des Wettbewerbs durch Subventionen, Preisfestsetzungen oder sonstige staatliche Eingriffe im Auslande hier außer Betracht bleiben sollen". Es heißt dort: „Ihnen muß mit gesonderten Überlegungen begegnet werden, die über den Rahmen dieser Richtlinien hinausgehen." Nun hat Herr Kollege Müller-Hermann, glaube ich, in seiner Begründung schon darauf hingewiesen, daß es natürlich ein Unding ist, die Faktoren, die von draußen kommen und im Wettbewerb verfälschend wirken, beiseite zu stellen und sie nicht einzubeziehen. Ich habe das Gefühl, daß auch der Herr Bundeswirtschaftsminister der Meinung ist, daß dieser Passus, der noch in den alten Richtlinien steht, geändert werden sollte. Ich meine, daß die Beschränkung — ich nenne es einmal eine Beschränkung — der außen-
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Dr. Staratzkewirtschaftlichen Faktoren auf die Nationalwirtschaft in diese Grundsätze hineingehört, daß sie in die Grundsätze einbezogen werden muß. Die Einbeziehung von Maßnahmen anderer Länder in die eigenen strukturpolitischen Zielsetzungen ist nach meiner Meinung einfach unerläßlich. Andernfalls können wir überhaupt keine wirklichkeitsnahen Ansatzpunkte für ein praktisches politisches oder auch, sagen wir mal, administratives Handeln finden. Wir freuen uns — ich sage das noch einmal; ich meine, ich habe es herausgehört —, daß der Herr Wirtschaftsminister hier ganz unserer Meinung ist.Nun ein Wort zum Gemeinsamen Markt; er ist in der Ziffer III der Großen Anfrage angeschnitten. Die Grundsätze, die man jetzt überarbeitet, enthalten nach meiner Meinung zu wenig über die Probleme des Gemeinsamen Marktes. Wenn man nämlich — ich glaube, das ist auch die Ansicht des gesamten Hauses — den Gemeinsamen Markt nicht nur als eine Zollunion oder als eine gemeinsame Agrarregelung zu unseren Lasten verstanden wissen will, so muß man alles tun — ich möchte es einmal der Einfachheit und der Schnelligkeit halber so formulieren —, um schnellstens binnenmarktähnliche Verhältnisse zu schaffen. Das heißt, unsere Strukturpolitik muß auf den Gemeinsamen Markt hin ausgerichtet werden, unsere Strukturpolitik muß aber auch in Einklang mit den Überlegungen der anderen Staaten innerhalb der EWG stehen. Insofern ist die Anfrage III nach meiner Meinung besonders wichtig, und der Bundeswirtschaftsminister ist vorhin ja auch darauf eingegangen, indem er auf die Übereinstimmung, die grundsätzliche Übereinstimmung, hingewiesen hat.Aber, meine Damen und Herren, die Praxis sieht anders aus; sie sieht sehr viel anders aus. Eine Gemeinsamkeit in der Strukturpolitik der EWG-Staaten auf dem gewerblichen Gebiet — aber ich meine, wohl überall — gibt es noch nicht. Wohl aber gibt es eine Fülle von Förderungen und Beihilfemaßnahmen, regional und sektoral, in den einzelnen Staaten der EWG, die alle unterschiedlich sind und unterschiedliche nationale Zielsetzungen haben. Ich habe bei einer Europa-Debatte hier einmal von einem Beihilfen- und Förderungsgestrüpp gesprochen, durch das man sich erst einmal hindurcharbeiten muß in dieser EWG-Politik. Im Augenblick ist man noch sehr am Anfang. Ich glaube, auch der Bundeswirtschaftsminister hat das deutlich gemacht, daß man zwar im Grundsatz über diese Dinge einig ist, daß aber die Wettbewerbsverfälschungen und -ver zerrungen infolge der verschiedensten Maßnahmen riesengroß sind.Meine Damen und Herren, warum ist das so gefährlich? Weil diese Zeit, in der wir nicht zu einer Gemeinsamkeit in dieser Richtung kommen, strukturelle Veränderungen zugunsten anderer Staaten und zu Lasten unseres Staates und unserer Wirtschaft bringen kann. Das ist das Gefährliche daran, wenn man noch sehr lange wartet, bis man hier eine Einheitlichkeit findet.Die EWG-Kommission hat den zaghaften Ansatz gemacht, die Beihilfemaßnahmen der einzelnen EWG-Staaten zu registrieren — ich habe das sehrwohl gelesen —, und sie hat auch versucht, diese Maßnahmen als zulässig und unzulässig zu bewerten. Dieser Katalog der Maßnahmen in den einzelnen Staaten, die über einen Leisten geschlagen werden sollen, scheint mir noch sehr lückenhaft zu sein.Wie sehr die nationalen Regelungen zur Zeit noch differieren, ergibt sich deutlich — ich habe das mit einem Schmunzeln gelesen — aus der Beantwortung der Schriftlichen Anfrage Nr. 130 von Herrn Oele an die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, jetzt erst im vergangenen Dezember. Ich empfehle jedem, meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Antwort im Amtsblatt der EWG — sie steht dort in der Nr. 311/12 vom 21. Dezember 1967 — zu lesen.Ich bitte dringend darum, daß die Bundesregierung alles tut, um hier diese EWG-Gemeinsamkeit zu finden. Sonst gehen wir strukturellen Veränderungen entgegen, die zu einem großen Teil zu Lasten unserer Wirtschaft gehen.Ich möchte mich zunächst auf diese paar erklärungs- und ergänzungsbedürftigen Punkte beschränken.Lassen Sie mich noch ein Wort zu den Instrumenten der Strukturpolitik sagen, wobei ich vornehmlich an die sektorale Strukturpolitik denke. Wir würden uns entschieden gegen dirigistische Elemente in der Strukturpolitik wehren. Die klassischen Mittel sind so umfangreich. Sie genügen, wie wir täglich erfahren. Zu diesen klassischen Mitteln zähle ich — um das nur einmal aufzureihen — vornehmlich die Steuerpolitik — denken Sie an die Umwandlungen, denken Sie an Fusionen, denken Sie an die Gesellschaften über die Grenzen —, die Handelspolitik — wir haben noch keinen Schritt zu einer gemeinsamen Handelspolitik in der EWG —, die Kreditpolitik, die Integrationspolitik generell und die Wettbewerbspolitik schlechthin. Ich meine — das sollten wir noch einmal herausstellen —, bei dieser Strukturpolitik sollten die bewährten Grundsätze der sozialen Marktwirtschaft voll beachtet werden.Im Rahmen dieser Grundsatzpunkte zu diesem Thema möchte ich natürlich nicht vergessen, darauf hinzuweisen — aber ich glaube, es ist genügend gesagt worden —, daß alles getan werden sollte, die Mobilität der Arbeitskräfte zu fördern. In diesem Zusammenhang sollte in der Tat das vorhin zitierte Arbeitsförderungsgesetz gesehen werden. Es besteht eine echte Verbindung zwischen der Strukturpolitik und der Mobilität der Arbeitskräfte, und diese Zielsetzungen sollten koordiniert werden.An sich wäre es notwendig, noch eine ganze Reihe von Spezialfragen zu beleuchten, etwa die Zonenrandgebiet- und Grenzlandförderung, besondere Maßnahmen auf dem Gebiet der Raumordnung und der Wohnungsbaupolitik, des Verkehrs, ja sogar der Steuerpolitik. Ich möchte mich aber auf diese grundsätzlichen Betrachtungen beschränken. Ich weiß, daß eine Reihe von Spezialfragen dieser Art von Kollegen meiner Fraktion in dieser Debatte behandelt werden.
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7618 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1968
Das Wort hat der Abgeordnete Gewandt.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Der Kollege Junghans hat sich während .seiner Ausführungen einmal an die Bundesratsbank gewandt. Ich möchte mir zu Anfang erlauben, mich an die Regierungsbank zu wenden
und hier aus Gründen der „sozialen Gerechtigkeit" eine Feststellung zu treffen. Wir werden immer gescholten, wenn die Präsenz zu wünschen übrig läßt. Aber ist Strukturpolitik nicht Landwirtschaftspolitik, nicht Verkehrspolitik, nicht Raumordnung, und hat nicht auch der Herr Bundesinnenminister hier Zuständigkeiten? Ich glaube, man sollte das erwähnen, damit die Breite und die Bedeutung dieses Themas klargestellt wird.
Ich bin dem Herrn Bundeswirtschaftsminister außerordentlich dankbar, daß er zu Beginn seiner Darlegungen einige grundsätzliche Ausführungen gemacht hat. Ich möchte ihm in der Interpretation der Globalsteuerung vollinhaltlich zustimmen und auch meinerseits ganz deutlich erklären, daß wir, wenn wir von Strukurpolitik sprechen, keinen branchenorientierten Dirigismus oder Protektionismus wollen.
Strukturpolitik ist ein Instrument, keine neue Heilslehre.Im übrigen verdient der Herr Bundeswirtschaftsminister volle Zustimmung auch insofern, als er sich vorbehaltlos zu einer freiheitlichen Außenwirtschaft bekannt hat. Es ist bedauerlich, daß große Welthandelsnationen dabei sind, vom Weg der Tugend abzuweichen.
Man sollte auch an dieser Stelle feststellen, daß wir mit einer solchen Strukturpolitik und auch mit einer wohlverstandenen Globalsteuerung nicht vom Pfad der Tugend abgehen oder uns gar von den Prinzipien der Architekten unseres wirtschaftlichen Aufbaus zu entfernen gedenken.Nun begegnet die Strukturpolitik immer einigen Schwierigkeiten. In Zeiten der überschäumenden Konjunktur besteht die Meinung: das Thema löst sich von allein. Ich hatte, . offen gesagt, gelegentlich die Befürchtung — nach den heutigen Darlegungen habe ich sie nicht mehr ganz so stark —, daß auch der Bundeswirtschaftsminister dieser Auffassung anhängen könnte. In einer Phase der Abkühlung sind wiederum mit der Strukturbereinigung so viele sosiale Probleme verbunden, daß deshalb die Lösung struktureller Probleme ebenfalls schwierig ist. Das zeigt uns, daß wir rechtzeitig Strukturpolitik betreiben müssen, nicht erst dann, wenn, wie jetzt an der Ruhr, die Krise besonders deutlich ist oder die Landmänner mit der schwarzen Fahne zu demonstrieren beginnen.
Eine marktkonforme Strukturpolitik kann nur zum Ziele haben, den wirtschaftlich notwendigen Wandlungsprozeß zu fördern und die Anpassung an diesen Prozeß zu ermöglichen, und zwar sowohl was die Unternehmerschaft als auch was die Arbeitnehmerschaft angeht. Es wird ständig von der Verbesserung der Mobilität der Produktionsfaktoren gesprochen, und heute ist mehrfach darauf hingewiesen worden, daß durch das Arbeitsmarktanpassungsgesetz begrüßenswerterweise eine Grundlage dafür geschaffen wird, daß sich die Arbeitnehmer ohne soziale Härten diesem Prozeß anpassen können.Aber wir sollten nicht den Eindruck entstehen lassen, daß sich nur in den Bereichen der Großwirtschaft strukturelle Veränderungen ergäben und daß es nur dort zu Härten und Anpassungsschwierigkeiten komme. Ich möchte ganz deutlich sagen, daß sich gerade im Bereich der mittleren Industrie, des Handwerks und des Einzelhandels ein rapider Strukturwandel vollzogen hat, der ohne nennenswerte Staatshilfe überwunden werden konnte. Ich möchte einen Gedanken an die erste Stelle stellen: Es kommt natürlich entscheidend auf die Fähigkeit und das Leistungsvermögen der Unternehmer an; die staatlichen Maßnahmen können immer nur korrespondierend sein.Ich möchte nun auf das Thema eingehen: Was können wir vom Staat an Maßnahmen erwarten, welche den nötigen Strukturwandel erleichtern und unserer Volkswirtschaft sine moderne Struktur geben sollen? Dabei verweise ich wiederum auf ein Beispiel, das im allgemeinen übersehen wird. Ich glaube, es gibt keinen Bereich der deutschen Wirtschaft, in dem sich der Strukturwandel so gründlich und so rapide vollzogen hat wie beispielsweise im Handel. Wir haben festzustellen, daß immer neue Betriebsformen, immer neue Unternehmensformen auf dem Markt erschienen sind. Das Ergebnis dieses Anpassungsprozesses war —das sollte unterstrichen werden — ein immer leistungsfähigerer Handel und eine immer bessere Bedienung des Verbrauchers. Wir sollten uns auch hier zur Marktwirtschaft und zu dem erforderlichen Strukturwandel bekennen und auch einmal die Vorteile darstellen.Wenn Sie Vergleiche im internationalen Bereich ziehen, wenn Sie über die Champs Elysées oder andere Prachtstraßen gehen, werden Sie feststellen, daß es dort sehr anspruchsvolle Geschäfte gibt. Aber schon in den Nebenstraßen werden Sie erkennen, daß das Niveau und die Leistungsfähigkeit unseres Handels sehr viel größer sind, und das primär durch unternehmerische Leistung und nur sekundär durch ganz geringe korrespondierende Maßnahmen der Gewerbeförderung wie im Handwerk.Ich möchte besonders betonen: Gewerbeförderung ist keine Erhaltungssubvention, sondern aktive Strukturpolitik. Wenn man für einen erhöhten Einsatz des Kapitals und für eine verbesserte Raumökonomie zur Verbesserung der Produktivität eintritt, muß man aber natürlich auch die Städteplanung und Raumordnung in die Betrachtung einbeziehen. Hier gibt es jedoch erhebliche Wettbewerbsverschiebungen. Ich denke daran, daß diese Raumordnungspolitik in bestimmten Gemeinden
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Gewandtnicht nur nach sachlichen, sondern auch nach bestimmten politischen Erwägungen durchgeführt wird.Meine Damen und Herren, wenn wir das Leistungsvermögen der Unternehmerschaft und der Arbeitnehmerschaft steigern wollen, wenn wir wollen, daß wir uns diesem rapiden Tempo des Strukturwandels anpassen können, der ja häufig unvorhersehbare Ausmaße erreicht hat — ich möchte hier nur erwähnen, daß die amerikanische chemische Industrie davon ausgeht, daß sie in fünf Jahren bis zu 80 % ihrer Umsätze in Artikeln erzielen wird, die man heute noch gar nicht kennt —, ist es natürlich wichtig, daß für alle am Wirtschaftsleben Beteiligten, die Großen, die Kleinen und die Mittleren, alle volkswirtschaftlichen, betriebswirtschaftlichen und technischen Zusammenhänge transparenter gemacht werden als in der Vergangenheit. Wir brauchen also eine bessere Marktübersicht und mehr Fachkenntnisse für Unternehmer und Mitarbeiter. An erster Stelle steht nach meiner Auffassung in der Strukturpolitik also die geistige Investition.Hierzu gehört die Schaffung besseren statistischen Materials, um das Ausmaß der Strukturwandlung deutlicher sichtbar werden zu lassen. Deshalb ist es zu begrüßen, daß wir hier im Hohen Hause — ein Gesetz hat der Kollege Junghans bereits zitiert — eine Reihe von Gesetzen verabschiedet haben, die bedauerlicherweise im Bundesrat nicht das nötige Verständnis gefunden haben. Wir brauchen weiterhin besseres, breiter gefächertes Informationsmaterial, Branchenmarktanalysen. Träger dieser Aufgabe sollten in der Zukunft wie in der Vergangenheit die entsprechenden Forschungseinrichtungen der Wirtschaft selbst sein. In allen Bereichen der Industrie, des Handels und des Handwerks haben wir erlebt, daß hier vorzüglich gearbeitet wurde, mit gewissen nur ergänzenden Maßnahmen der öffentlichen Hand.Natürlich gehört dazu die breitere Verbesserung der beruflichen Ausbildung und die Erkenntnis, daß mit einer einmal abgeschlossenen Berufsausbildung der Betreffende nicht für das ganze Berufsleben fit ist. Wir müssen immer neuere Methoden finden, daß sich der im Berufsleben Stehende den Veränderungen anpassen kann. Natürlich kann man diese Frage nicht ganz losgelöst vom Geld betrachten. Sicher muß man sich überlegen, in welchem Zusammenhang und in welcher Weise die Finanzierungshilfen verbessert werden können, inwieweit man es verschiedenen Branchen ermöglichen kann, eigene Bauträger in den Stand zu setzen, bei der Raumneuordnung mitzuwirken. Es gilt dabei zu überlegen, ob man nicht die Kreditgemeinschaften verstärken und ausbauen sollte. Aber wir brauchen rauch ein Umdenken in der Kreditwirtschaft. Denn nicht nur die dingliche Sicherheit bedarf, meine ich, der Berücksichtigung, sondern auch die Fähigkeit des Unternehmers und die Ertragssituation des Betriebes.Nun hat der Bundeswirtschaftsminister sich erneut zur Kooperation bekannt, und er hat darauf hingewiesen, daß man möglicherweise sogar die Fusion stärker fördern müsse. Ich bin, Herr Bundeswirtschaftsminister, mit Ihnen einer Meinung. Aber ich möchte auch auf eine Gefahr hinweisen: die Gefahr, daß bestimmte Formen der Kooperation dazu führen, daß es eine Art Scheinselbständigkeit gibt, bei der irgendein Management Hunderte oder Tausende von kleinen Betrieben dirigiert und diese Leute dann eigentlich nur das Risiko ihres Gehalts tragen. Ich glaube, hier ist Aufmerksamkeit vonnöten.Wenn man aber eine wachstumsorientierte Strukturpolitik ermöglichen will, kommt man, Herr Bundeswirtschaftsminister, auf die Dauer natürlich um entsprechende steuerliche Maßnahmen nicht herum. Sie müssen temporär sein, sie müssen begrenzt oder degressiv sein. Aber ich glaube, in der augenblicklichen prekären Lage unserer Staatsfinanzen wäre es nicht opportun, hierüber zu sprechen oder gar Vorschläge zu machen, die sich im Augenblick doch nicht realisieren lassen. Wir müssen alle gesetzgeberischen Maßnahmen ständig daraufhin überprüfen, ob sie den Erfordernissen einer modernen Strukturpolitik entsprechen. Das bedeutet: alle fiskalischen, sozialen und sonstigen Gesetze. Ein Weg in diese Richtung ist ja schon die Mehrwertsteuer.Aber wir müssen auch das Wettbewerbsrecht überprüfen. Eine erhebliche Anzahl von Kollegen unserer Fraktion hat zu diesem Thema einen Entwurf eingebracht, der es ermöglicht, diese Frage parlamentarisch zu behandeln.Ich glaube, auch der Leber-Plan verdient besondere Überprüfung in dieser Richtung. Ich habe nicht den Eindruck, daß er mit den hier von der Regierung verkündeten Grundsätzen einer vernünftigen regionalen und sektoralen Strukturpolitik übereinstimmt.
Nun ist die Frage: Was hat die Bundesregierung auf der Grundlage der Grundsätze, die seinerzeit Bundeswirtschaftsminister Schmücker erlassen hatgetan? Eine Reihe von Fortsetzungsmaßnnahmen, die die Unterstützung des Hauses gefunden haben, im Zonenrandgebiet, an Rhein und Ruhr. Bundesminister Katzer hat ein Arbeitsförderungsgesetz eingebracht. Aber wir erwarten natürlich noch eine Reihe anderer Maßnahmen, und wir meinen, die Bundesregierung sollte stärker als in der Vergangenheit deutlich machen, daß sie nicht nur quantitative Ziele anstrebt, sondern daß auch nach ihrer Auffassung eine qualitätsorientierte Strukturpolitik nötig ist. Ich möchte hier einmal dem holländischen Nationalökonomen Tinbergen recht geben, wenn er der nur auf die Veränderung der volkswirtschaftlichen Globalgrößen gerichteten Konjunkturpolitik als gleichrangig eine qualitätsorientierte Strukturpolitik gegenüberstellt.Ich meine also, wir haben hier klargemacht: Es geht uns nicht um die Erhaltung überholter Strukturen, um die Gewährung von Erhaltungssubventionen oder gar um die Errichtung von Wettbewerbshemmnissen. Strukturpolitik ist für uns ein Teil der Marktwirtschaft und steht in keinem Gegensatz zu einer Konjunkturpolitik. Aber wir brau-Gewandtchen eine gesunde, zeitgemäße Struktur: Und hier muß ich, Herr Bundeswirtschaftsminister, darauf hinweisen, daß seit einiger Zeit Meldungen zur Sorge Anlaß geben, denen zufolge Sie eine neue Wettbewerbskonzeption hätten, bei der man sich primär — ich möchte nicht sagen: ausschließlich — auf Mammutbetriebe konzentriere, weil man der Meinung sei, weitere Oligopole seien einer modernen Wirtschaft dienlicher, weil sie eine größere Rationalität ermöglichten. Ich glaube, daß derartige Auffassungen bestenfalls in der Theorie stimmen und daß wir in der Praxis bei einer solchen Wettbewerbspolitik den Wettbewerb einschränken würden, vor allen Dingen die Zulassung neuer Wettbewerber am Markt.Nun gibt es zahlreiche Wachstumsindustrien, die uns bewiesen haben, daß die Regenerierungskraft der Wirtschaft größer ist, als man annimmt. Ich glaube, auch die offizielle Wirtschaftspolitik des Bundes sollte in diese Kraft mehr Vertrauen setzen als in der Vergangenheit. In vielen Wachstumsindustrien könnten beträchtliche Fortschritte erzielt werden. Aber — und darauf ist wiederholt hingewiesen worden — es gibt auch Bereiche, in denen eine staatliche Schützenhilfe unerläßlich ist. Und wenn hier von größeren Einheiten gesprochen wird, Herr Bundeswirtschaftsminister, dann ist es natürlich dringend erforderlich, daß wir zu einer Europagesellschaft kommen; denn ohne sie ist eine Zusammenarbeit über die Grenzen hinaus natürlich schwer möglich.Ich möchte aber auf einen Gesichtspunkt noch einmal hinweisen. Ich komme jetzt auf den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion, der hier neue Akzente gesetzt hat. Ich glaube, wir sollten nicht übersehen, daß in Deutschland immer noch zwischen Verbrauch und Investition ein Mißverhältnis besteht, das wir uns auf die Dauer nicht erlauben können.
Das Anwachsen der investiven Ausgaben von 0,5 % pro Jahr reicht eben nicht aus, wenn wir die gesetzten Ziele erreichen wollen. Aber — und das muß in aller Deutlichkeit gesagt werden — eine gesunde Konjunktur- und Strukturpolitik setzt natürlich auch eine solide und gesunde Finanzpolitik voraus. Und da, muß ich sagen, überrascht der Antrag der sozialdemokratischen Kollegen — nicht wegen der Zielsetzung, sondern wegen der Art und Weise, wie die Finanzfrage hier berührt wird. Ich könnte mir vorstellen, daß sich einige geistige Väter dieses Konzepts vielleicht auch in der Bundesregierung befinden. Ich nenne hier diesen Antrag schlicht kühn. Ich hätte einen Ausdruck, der nach meiner Meinung geeigneter wäre; aber er könnte vielleicht den Koalititionsfrieden stören.Ich bin nicht der Meinung, daß wir neue Spritzen brauchen. Das hat ja auch der Herr Bundeswirtschaftsminister gestern in Frankfurt erfahren. Alle Institute machen klar, daß wir mit einem Zuwachs real von 5 bis 6 % rechnen können — mit einer, ich möchte nicht sagen: gezielten Ausnahme, mit der Ausnahme eines Instituts, das es sich als Ehre anrechnen muß, den Kollegen Arndt an der Spitze zuhaben. Dort ist man etwas pessimistischer; aber alleanderen rechnen mit einem Zuwachs von 5 bis 6 %.Wenn man aber, meine Damen und Herren, über Geld und über neue Verschuldung spricht, dann muß ich hier doch einmal ganz offen die Frage stellen: Wie ist denn die Lage? Es wird von 16 Milliarden DM neuer Versduldung von Bund und Ländern gesprochen. Ich möchte es mir versagen, hier auch noch auf Bundesbahn, Bundespost und Gemeinden einzugehen, weil wir dann in Größenordnungen kommen, die in der Tat alarmierend sind. Und es genügt ja nicht, daß man sich verschuldet; man muß natürlich auch an die Rückzahlung 'denken. Eines möchte ich hier einmal klarmachen: Ich habe nicht den Eindruck, daß wir für die Große Koalition waren, um die englische Krankheit in Deutschland einzuführen.
Im übrigen, meine Damen und Herren, hat der Herr Bundesfinanzminister — noch nicht konkret, aber er wird es bald konkretisieren — schon davon Kenntnis gegeben, daß eine Reihe von Berechnungen der Ausgaben im Bundeshaushalt nicht zutreffen, sondern daß mit erheblichen Mehrausgaben auf Grund bestehender gesetzlicher Bestimmungen zu rechnensein wird.Wie man angesichts dieser Tatsache an eine neue Verschuldung denkt oder gar von steuerlichen Veränderungen spricht, kann ich nicht verstehen. Wir haben die Ergänzungsabgabe nicht erfunden. Uns hat man gesegt, das sei die Bedingung der SPD-Fraktion, um zu einer sozial gerechten Regelung der Haushaltsfragen zu kommen. Damals hat man den Plafond erhöhen wollen und gefragt: Warum 3 %, warum nicht 5 %? Heute sagt man, man müsse die Erhöhungen abbauen. Das sagen berufene Sprecher der SPD-Fraktion.
— Möller! Lesen Sie es einmal! Vor einigen Tagen ist das erschienen. Wir haben es mit großem Erstaunen zur Kenntnis genommen.
Wir haben in großen Zügen eine gemeinsame Übereinstimmung gefunden. Es bedarf jetzt aber der Konkretisierung der Maßnahmen. Man darf den Zusammenhang von Konjunkturpolitik und Strukturpolitik, aber auch Finanzpolitik nicht ganz außer acht lassen.Im übrigen wäre es besser, wenn sich die Bundesregierung wirklich ganz klar an ihre Arbeitsverteilung hielte und Äußerungen zur Steuerpolitik dem Minister überlassen würde, der dafür zuständig ist. Das ist nach meiner Auffassung der Herr Bundesminister der Finanzen.
Diese Große Anfrage ist für uns nicht ein Ventil gewesen, um hier einmal über einige Probleme zu sprechen, die uns beunruhigen, sondern wir wollten der Regierung die Möglichkeit geben, ihre Politik zu präzisieren und daraus Folgerungen zu
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Gewandtziehen, die sonst der parlamentarischen Initiative überlassen werden müßten. Wir haben vor, der Regierung die Arbeit zu erleichtern durch eine Reihe von Anregungen, die in unserem Entschließungsantrag enthalten sind. Wir bitten das Hohe Haus um Zustimmung.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Ravens.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie, daß ich nach all den guten Aufforderungen, die die Bundesregierung bis jetzt aus den Reihen aller Parteien bekommen hat, mit dem beginne, was die Voraussetzung dafür ist, handeln zu können, nämlich mit der Frage, wie denn das finanziert werden soll. Herr Kollege Gewandt, Sie haben darauf hingewiesen, daß unser Entschließungsantrag gewisse neue Akzente setzt. Sie haben aber mit „Erstaunen", sagen Sie, zur Kenntnis genommen, daß darin auch etwas über Geld steht. Ich frage mich, wie man von der Bundesregierung die Darlegung ihrer strukturpolitischen Vorstellungen verlangen kann, verbunden mit der Aufforderung, nun endlich auf diesem Gebiet mehr als bisher gezielt zu arbeiten, wenn man gleichzeitig sagt: Kosten darf das Ganze nichts; du mußt sehen, wie du zurecht kommst; schau mal zu, woher du die Mittel bekommst.
Die Kollegen Stücklen, Bauer, Wagner, Niederalt und Genossen, Ihre Kollegen aus der CSU, haben uns auf Umdruck 356 einen Antrag vorgelegt, in dem steht, zur Verwirklichung ihrer Grundsätze sei notwendig — um in den Zonenrandgebieten und in den bayerischen Grenzgebieten zurechtzukommen —: Gewährleistung eines vergleichbaren Investitionsvolumens durch Aufstockung der Mittel für die regionale Förderung. Ich frage, woher die Mittel für die Aufstockung genommen werden sollen, wenn nicht so, wie wir es vorschlagen.
Dann ist die Rede von verstärkter Förderung der Infrastruktur in den betroffenen Gebieten, insbesondere vom raschen Ausbau der Ost-West-Verbindungen, des Rhein-Main-Donau-Kanals. Ich frage: womit, wenn nicht mit Mitteln, die wir bereitstellen müssen?
Es bleibt doch so lange Augenwischerei in diesem Hause, über Grundsätze zu reden und sie zu entwickeln, wenn man nicht auch bereit ist, daraus die Konsequenzen zu ziehen. Den Mund spitzen können wir alle sehr gut. Hier muß gepfiffen werden, wenn die Dinge in Gang kommen sollen. Für uns stellt sich die Frage, meine Damen und Herren, ob wir denn — um auf die bayerischen Kollegen einzugehen - bereit sind, hinzunehmen, daß augenblicklich in den Gebieten des bayerischen Grenzlandes 19 % strukturelle Arbeitslose vorhanden sind,
- strukturell bis zu 19 % in verschiedenen Arbeitsamtsbezirken —, und dabei zu fordern, es
müsse etwas getan werden, ohne dafür das Geld zur Verfügung zu stellen.
Gestatten Sie eine Frage? — Herr Abgeordneter Gewandt!
Herr Kollege, sind Sie nicht der Meinung, daß es neben einer unverantwortlichen Überschuldung auch die Möglichkeiten gibt, dieses Problem durch die Schaffung neuer Prioritäten zu lösen?
Herr Kollege Gewandt, wir haben vor einigen Wochen in diesem Hause die mittelfristige Finanzplanung verabschiedet, die hier zwei besondere Schwerpunkte gesetzt hat: Förderung von Wissenschaft und Forschung und Verkehrsausbau. Ich frage mich nur, wie wir aus dem Plafond heraus, der uns jetzt zur Verfügung steht, dann noch weitere Umschichtungen in der Größenordnung, die wir nötig haben, vornehmen können. Ich frage mich zweitens, Herr Kollege Gewandt, ob es denn eigentlich ein Verschulden in dem Sinne ist, daß es unverantwortlich sei, wenn wir gleichzeitig wissen, daß sich durch die echten Strukturkrisen, die wir heute an Ruhr und Saar und im Zonenrandgebiet haben, die Steuerausfälle im Laufe der Jahre auf ein viel höheres Volumen heraufspielen werden. Dann werden wir eines Tages hier in diesem Hause stehen und uns fragen, ob wir Finanz- und Wirtschaftspolitik à la Brüning machen wollen. Ich glaube, das wollen wir doch alle miteinander nicht wiederholen.Dann zu Ihrer Frage — um auch das gleich auszuräumen -, wie das mit Alex Möller sei. Der Kollege Möller hat gefordert, daß man sich in diesem Hause im Zusammenhang mit der Förderung der Investitionsneigungen der privaten Unternehmungen, auf die es ja in diesem Jahre 1968 besonders ankomme, über die Frage der Überprüfung der Investitionssteuer unterhalte. Mit keinem Wort hat der Kollege Alex Möller oder einer aus unserer Fraktion bisher auch nur die Frage gestellt, wie das mit der Ergänzungsabgabe sei. Wir halten diese Ergänzungsabgabe nach wie vor für eines der, sagen wir, sozial notwendigen Äquivalente gegenüber dem, was wir all den anderen Leuten aus dem Bereich der Sozialpolitik zur Gesundung unserer Haushaltsfinanzen haben anlasten müssen, und dabei sollten wir auch bleiben.
Meine Damen und Herren, wir sind bereit — um das kurz abzuschließen —, alle Anstrengungen zu unternehmen und alle Überprüfungen von Tatbeständen im Bereich der Steuerpolitik, die den Aufschwung in diesem Lande hindern könnten, mitzumachen. Wir sind aber nicht bereit, hier erneut weitere Verschiebungen der Gewichte, der Belastung der Gruppen in diesem Lande hinzunehmen. Ich glaube, darüber ist sich der Bundestag in seiner großen Mehrheit doch wohl einig, daß wir mit einseitigen Belastungen nicht weiter gehen können, als wir leider alle miteinander gehen mußten, und das weiß Gott nicht in großer Freude.
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7622 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1968
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte, gerne.
Herr Kollege Staratzke!
Herr Abgeordneter Ravens, ich bitte um Entschuldigung, daß ich mit meiner Frage etwas spät komme. Sie sind in Ihren Ausführungen schon über diesen Punkt hinaus; Sie sprachen vom Geld. Wäre es nicht denkbar gewesen, daß man im Rahmen der vergangenen Sonderprogramme, Investitionsprogramme, für diese Zwecke, die hier alle angesprochen werden, sehr viel mehr hätte tun können?
Herr Kollege Staratzke, ich weiß, daß Sie genauso gut wie ich wissen, daß z. B. in diesem zweiten Programm zwei Gewichte im Mittelpunkt gestanden haben, nämlich die allgemeine Konjunkturentwicklung und — mit Schwergewicht — die Förderung der Infrastruktur in den unterentwickelten oder einseitig strukturierten Gebieten. Sie wissen, daß im zweiten Investitionshaushalt die Verteilung auf die Länder, die ja für viele dieser Aufgaben zuständig waren und sind, in diesen Gebieten nach dem Schlüssel der doppelten Bevölkerungszahl vorgenommen wurde. Das war ein Schlüssel, dessen Anwendung in der Kürze der Zeit möglich war und der ganz klar die Prioritäten unserer Bemühungen auf diesem Gebiet in die strukturschwachen Gebiete hineingelenkt hat. Weil das aber nicht ausgereicht hat, Herr Kollege Staratzke, sind wir der Meinung, ,daß wir hier zusätzlich Mittel haben müssen, um in bezug auf die Probleme an der Ruhr, an der Saar, in den regionalen Förderungsgebieten und im Zonenrandgebiet einen Schritt voranzukommen, um für sie endlich etwas mehr als in der Vergangenheit zu tun.Meine Damen und Herren, es ist ja wohl in diesem Hause eine unumstrittene Feststellung, daß die sektorale Strukturpolitik in einem System der marktwirtschaftlichen Ordnung, wie wir es hier haben, zunächst Unternehmensaufgabe ist. Es liegt in der Selbstverantwortung unserer Unternehmensverfassung, daß die Unternehmer ihre Betriebe, ihre technischen Vorgänge selbst an neue Entwicklungen anpassen, daß sie rechtzeitig erkennen, wohin der Hase läuft, daß sie rechtzeitig umbauen. Das alles gehört nun einmal dazu, wenn man marktwirtschaftliche Ordnung will, wenn man die freie Unternehmensentfaltung in diesem Lande will. Davon sollten wir bei allen Überlegungen ausgehen.Aber dennoch ergibt sich aus der Pflicht der staatlichen Wachstumsvorsorge und aus der Verantwortung dieses Staates für die Vollbeschäftigung seine Aufgabe, den Unternehmen und den Arbeitnehmern bei Anpassungsvorgängen behilflich zu sein.Sie haben heute, Herr Kollege Gewandt, eine Reihe von Instrumenten für die bessere Durchleuchtung der Wirtschaftsabläufe aufgezeigt. Ich bin mit Ihnen der Meinung, daß viele unserer statistischenMöglichkeiten, die wir heute haben, noch lange nicht ausreichend genutzt sind. Wir bekommen solche Daten häufig erst sehr spät. Im Januar erhalten wir die Daten des Auftragsvolumens der Industrie für November. Das alles sind langfristige Verzögerungen, die uns immer wieder vor Schwierigkeiten stellen, eine gegebene Situation richtig und genau einschätzen zu können.Zur langfristigen Strukturpolitik gehören, so meine ich, über dieses Zurverfügungstellen von Daten, über die Hilfe in besonderen Gebieten, über die wir gar nicht streiten, hinaus auch die Berufsausbildung, die Berufsweiterbildung und nicht zuletzt die Berufsforschung.Meine Herren, ist es nicht fast ein Anachronismus, daß wir den ganzen 4. Bundestag hindurch in diesem Hause darum gestritten haben, wie denn ein zukünftiges Berufsausbildungsgesetz aussehen soll, das unseren jungen Menschen heute die Möglichkeit gibt, einen Beruf zu erlernen, in dem .sie morgen mit der neuen Technik fertig werden! Ist es nicht fast ein Anachronismus, daß wir noch beinahe 500 Lern- und Anlernberufe haben, die einfach die weite und breite Ausbildung, die der Arbeitnehmer heute in der Industrie braucht, um umgestellt werden zu können, wenn es sein muß, immer noch verhindern! Und ist es nicht eigentlich ein bißchen anachronistisch, daß die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung erst im vergangenen Jahr ihr Berufsforschungsinstitut eingesetzt hat!Wir wissen heute noch nicht, wie die Entwicklung in der Industrie mit den Anforderungen an die Berufe langfristig laufen wird. Wir bilden heute in Berufen aus, die es morgen und übermorgen auf der Landkarte nicht mehr gibt, und bilden heute in Fertigkeiten nicht aus, die morgen und übermorgen in unserem Land dringend gebraucht werden. Hier sind Ansatzpunkte, die man nicht verkennen darf. Sie gehören in die Überlegungen einer langfristig angelegten, sozial ausgerichteten Strukturpolitik hinein, die sich nicht nur an die Unternehmen wendet, sondern die ihre Hilfestellung auch für den Arbeitnehmer in diesem Land bereitstellt.Meine Damen und Herren, in dieser strukturpolitischen Debatte heute darf man auch nicht an den aktuellen, brennenden Problemen vorübergehen, die wir hier am Sitz des Bundestages, im Land Nordrhein-Westfalen, alle miteinander jeden Tag spüren. Man kann nicht nur die Grundsätze auf den Tisch legen, sondern ich meine, wir haben heute auch ein gutes Beispiel dafür, in welcher Art, mit welchen Mitteln und mit welchen Methoden Strukturpolitik gemacht werden kann und was wir auf der anderen Seite dabei von denen erwarten können, die für die Strukturveränderungen in der Wirtschaft mitverantwortlich sind, von den Unternehmern.Die Bundesregierung hat mit der Vorlage des Berichts über die strukturpolitischen Maßnahmen in den Bergbaugebieten an Ruhr und Saar gestern im Wirtschaftsausschuß eigentlich ihr großes Engagement für diese Aufgabenstellung deutlich gemacht. Sie will sich an der Lösung der Probleme der Verbesserung der Verkehrsstruktur an Ruhr und SaarRavensim Rahmen eines ausgewogenen Landesentwicklungsprogramms beteiligen. Meine Frage geht nur dahin, ob es nicht richtig wäre, Herr Bundeswirtschaftsminister, auch mit dein Land Nordrhein-Westfalen einmal darüber zu reden, ob nicht auch die Aufgaben der Stadtsanierung in den gemeinsamen Katalog hineinkommen sollten. Sie könnten, so meine ich, wesentlich helfen, die allgemeine Wirtschaftslage an der Ruhr zu verbessern und den Arbeitnehmern dort Berufe anzubieten, in die sie umsteigen können, und hätten gleichzeitig den Effekt, weitere anschließende Industriebereiche wieder in die Wachstumszone hineinzubringen.Deutlich wird bei der Vorlage dieses Berichtes aber auch die enge und unlösbare Verbindung zwischen der Schaffung einer einheitlichen Unternehmensstruktur im Bergbau an Ruhr und Saar und dem Anpassungs- und Stillegungsplan. Daraus ergeben sich die Zahl und der Standort der in Zukunft zur Verfügung stehenden Arbeitnehmer und von daher natürlich auch die Fragen nach den gewerblichen oder den kommunalen Erschließungsmaßnahmen für Gewerbegebiete und die Fragen nach dem Verkehrsprogramm und dem Wohnsiedlungsprogramm.Meine Fraktion hat in dre Debatte des Deutschen Bundestages am 8. November 1967 ganz eindeutig klargemacht, daß sie für die Lösung dieses Strukturproblems, das durch die Monostruktur sowohl ein sektorales als ein regionales ist, vier Dinge als grundsätzliche Voraussetzungen ansieht: die Schaffung einer Einheitsgesellschaft, die Stillegungsprämien mit der gleichzeitigen Bindung an einen Stillegungsplan, die Schaffung eines Gesamtstrukturplans für diese Gebiete und die Vorlage eines Sozialplans, der gleichzeitig den Arbeitnehmern den Übergang in neue Berufe ohne sozialen Abstieg ermöglichen und erleichtern soll.Bei manchem in diesem Hause oder draußen in der Öffentlichkeit mag der Eindruck entstanden sein, der Bundestag habe über die Weihnachtspause die Steinkohlenkrise, ,das innenpolitische Problem Nr. 1, ein wenig aus dem Auge verloren. Mit Betroffenheit haben wir zur Kenntnis nehmen müssen, daß die Gespräche zwischen dem Bundeswirtschaftsministerium auf der einen Seite und dem sogenannten Rheinstahlkreis auf der anderen Seite bisher noch nicht zu einem Abschluß geführt haben. Mit ebenso großer Betroffenheit haben meine Freunde zur Kenntnis genommen, daß der Fühlungnahme zwischen der IG Bergbau und Energie und dem Rheinstahlkreis, um hier zu einheitlichen und tragbaren Lösungen zu kommen, immer noch nicht die Phase einer tatsächlichen Verhandlung gefolgt ist. Wir haben am 8. November sehr deutlich gesagt, daß wir die Einheitsgesellschaft als Schlüssel für die Lösung der Strukturkrise ansehen. Jedem Verantwortlichen brennt doch diese Frage auf den Nägeln. Man kann ruhig offen sagen, daß es draußen und auch in diesem Hause eine nicht unbeachtliche Minderheit gegeben hat, die den freiwilligen Zusammenschluß der Zechen als einen sehr langwierigen Prozeß, als eine unter Umständen gar nicht lösbare Aufgabe angesehen hat und vom ersten Tage der Besprechungen an überhaupt auf eineZwangslösung hat zusteuern wollen. Die Verhandlungen des Bundeswirtschaftsministeriums mit dem Rheinstahlkreis scheinen jetzt jedoch in ein Stadium eingetreten zu sein, das auch bei anderen die Sorge aufkommen läßt, ob denn die freiwillige Lösung überhaupt möglich ist. Eine sehr angesehene deutsche Tageszeitung, die nicht im Verdacht stehen kann, besonders gewerkschaftsfreundlich zu sein, schreibt in diesen Tagen, es sei doch ein wenig eigenartig, daß man sich immer wieder nur über Lösungsvorschläge unterhalte, nach denen der Unternehmer seine Zechen durch den Staat bezahlt bekäme, während die anderen wahrscheinlich alle miteinander — sprich: die Steuerzahler die Zeche für eine falsche Unternehmenspolitik der letzten 10 Jahre zu zahlen hätten. Die Stimmen, die sich so oder so kritisch in dieser Richtung äußern, mehren sich in den letzten Tagen. Auch der Sachverständigenrat hat in seinem letzten Jahresgutachten einige sehr kritische Worte hinsichtlich der Übernahme des Unternehmerrisikos auf die Schultern der Steuerzahler gefunden. Zu dieser Auffassung hat nicht zuletzt — ich würde sagen: zu allererst - das Verhalten der Zechenunternehmen und derjenigen, die sie im Rheinstahlkreis vertreten, beigetragen. Dieses Verhalten in den Verhandlungen ist sicher kein Beispiel für die Zusammenarbeit zwischen Staat und privater Wirtschaft bei der Lösung von Strukturfragen. Es ist auch kein Beispiel für soziales Verantwortungsbewußtsein, sondern ein Beispiel dafür, wie ein kleiner Kreis von Unternehmern aus der verfehlten Geschäfts- und Investitionspolitik der vergangenen Jahre Gewinn schlagen möchte, indem er versucht, uns mit der Drohung einessozialen Konflikts im Ruhrgebiet in die Ecke zu bringen, in der wir dann am Ende nur noch zahlen können. Ich kann mir nicht vorstellen, daß bei Verhandlungen in der freien Wirtschaft die Partner,die dort zusammenkommen und sich fusionieren wollen, zu solch seltsamen Methoden gelangen, wie sie heute an der Ruhr eingerissen sind. Da wirdI mitten in den Verhandlungen das Verhandlungsobjekt im Wert gemindert. Da werden Kohlenhalden an andere Unternehmen übertragen. Da wird mit Grundstücksübertragungen an Holdings und an andere Besitzer manipuliert. Da wird mit Wohnungseigentum manipuliert; dafür werden neue Gesellschaften gegründet. Aber am Schluß möchte man vom Staat immer noch die gleich hohe Einstandszahl für dieses entwertete Objekt garantiert haben, das man hier einbringt. Meine Damen und Herren, für dieses Gebaren — ich muß schon sagen: für solche Teppichhändlermethoden — haben die von der Existenzangst ergriffenen Kumpels an der Ruhr weiß Gott kein Verständnis.
Wir sollten uns nicht wundern, wenn es dann morgen an der Ruhr Transparente gibt, die den Bergbauunternehmern weniger passen werden als die, die wir bisher dort gesehen haben. Bisher haben die Arbeitnehmer an der Ruhr mit ihren Unternehmern zusammen versucht, die Probleme zu losen. Daß wir dabei manches Mal ,die Leidtragenden waren, brauche ich in diesem Hause nicht zu sagen; das
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Ravenshaben wir erlebt. Aber wenn das so weitergeht, möchte ich einigen der Unternehmer heute schon prophezeien, daß das letzten Endes dann zu Lasten ihrer Position geht.Es steht ganz außer Frage, daß die Zechenunternehmer dabei sind, ihre letzte Karte für einen freiwilligen Zusammenschluß zu verspielen, dessen Möglichkeit ihnen durch diese Regierung und dieses Parlament gegeben worden ist. Was dann übrigbleibt, das ist der staatliche Zwang. Es fragen sich manche in diesem Hause — und ich mich auch -, ob der staatliche Zwang der richtige Weg ist. Ich kann hier nur sagen: uns wäre es lieber, wenn man hier ganz schnell zu einer Einigung, zu einer freiwilligen Lösung käme. Denn niemand von uns kann doch wollen, daß die Angst der Bergleute in diesem Gebiet fortdauert. Niemand in diesem Hause kann dulden, daß aus Mitteln des Steuerzahlers nur die kärglichen unrentablen Reste der Zechen auf Raten dem Staat angeboten und von ihm erworben werden. Niemand in diesem Hause kann wollen, daß der seit zehn Jahren versäumte Anpassungsprozeß des wirtschaftlichen Herzens unseres Staates dank der Finten und der Begehrlichkeit einer kleinen Gruppe, die ganz sicher nicht repräsentativ für das ganze deutsche Unternehmertum ist, weiter verschleppt wird mit all den verheerenden Folgen für die Wirtschaft unseres Staates morgen und für den sozialen Frieden in unserem Lande.Hier an der Ruhr können wir alle miteinander studieren, wieweit oder wie schwer die Probleme sich kumulieren, wenn dieser Staat nicht früh genug mit Mitteln der Globalsteuerung, mit Mitteln der Anpassung hilft, aber auch studieren, wohin es führt, wenn Unternehmer nicht begreifen, daß es Zeit ist, die Pferde zu wechseln, auf andere Bereiche auszuweichen.
— Nein, das ist keine Energiedebatte, meine Herren. Hier geht es letzten Endes um das brennende Problem der Strukturanpassung an einem Ort, die uns jeden Tag hier wieder neu vorexerziert wird. Hier können wir nicht nur Grundsätze verkünden; wir müssen auch etwas tun und dazu etwas sagen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage?
Herr Kollege, nachdem Sie sich über die angeblich skrupellosen Methoden der Unternehmer an der Ruhr beschwert haben, darf ich Sie fragen, ob es Ihnen entgangen ist, daß das alles mitbestimmte Betriebe sind.
Herr Kollege, ich habe mich erstens einmal nicht über die skrupellosen Methoden d e r Unternehmer beschwert und sie hier dargestellt, sondern ich habe über einige gesprochen. Außerdem sind im Rheinstahlkreis — soweit ich sehe — keine Arbeitnehmer vertreten. Ich will aber auch gan offen hier eingestehen: Für den Fall, daß solche Entscheidungen, wie sie hier gefällt worden sind — Übertragung von Kohlenhalden oder
von Wohnungseigentum oder von Grundstücken einstimmig in den mitbestimmten Aufsichtsräten getroffen worden sind, bin ich bereit, das in der gleichen Härte denen zu sagen, die als Arbeitnehmervertreter in diesen Aufsichtsräten sitzen.
Hier gibt es keinen Unterschied.
Gestatten Sie noch eine Frage?
Herr Kollege, darf ich Sie fragen, ob es nicht besser gewesen wäre, hier in der gleichen Härte Ihre Vorwürfe auch an diese Adresse zu richten, als zu sagen: „wenn ..."?
Ich habe die Vorwürfe an die Unternehmer gerichtet, die sich solcher Methoden bedienen. Sie weisen darauf hin, diese Unternehmen seien mitbestimmt. Damit ist noch lange nicht gesagt, daß es einstimmige Beschlüsse im Aufsichtsrat gibt. Aber wenn es sie gibt, bin ich bereit, genau dasselbe auch noch einmal an die Adresse derer zu sagen, die in den Aufsichsräten als Arbeitnehmervertreter sitzen. Auch sie müssen wissen, daß es hier nicht zuerst um den Segen ihres Unternehmens geht, sondern daß es hier um die Wohlfahrt der Menschen an Saar und Ruhr geht, die ihnen ja wohl ganz besonders am Herzen liegen.
Ich habe den Eindruck, daß einige Zechenunternehmen an Rhein und Ruhr das Angebot des Bundestages und der Bundesregierung, zu einer freiwilligen Lösung zu kommen, und unsere relative Geduld, die wir gehabt haben — denn es hieß ja mal „1. Januar" —, als ein Zeichen der Schwäche angesehen haben: so ernst nehme es der Bundestag doch wohl eigentlich nicht.
Mir lag daran, an dieser Stelle und bei der heutigen Gelegenheit einmal deutlich zu machen, daß wir das nicht als ein Zeichen der Schwäche verstanden haben, und um auch einmal deutlich zu machen, daß unsere Geduld und die Geduld der Menschen draußen langsam zu Ende geht. Dieses Haus kann keine Abteilung für Kulanzregelungen auf Kosten der sozialen Sicherheit der Menschen an der Ruhr und an der Saar — und das noch auf Kosten der Steuerzahler — sein. Dafür können wir hier nicht eintreten.
Ich hoffe, daß einige Herren im Rheinstahlkreis, vor allem diejenigen, die bis heute noch der Meinung sind, sie brauchten sich an der Lösung der Aufgabe nicht zu beteiligen, begriffen haben, daß der Deutsche Bundestag außer dem Angebot der freiwilligen Lösung zur Behebung der Strukturkrisen an Rhein und Ruhr auch das Instrument des Zwanges anzuwenden bereit ist, wo es nötig ist. Denn wir gehen davon aus, daß es bei der Lösung dieses Problems eine unlösbare Verbindung zwischen den Fragen der Unternehmensstruktur und der sich daraus ergebenden Rationalisierungsmöglichkeit einerseits und den Fragen der Strukturpolitik und der Sozialpolitik andererseits gibt. Wir, die Bundesregierung und dieses Hohe Haus,
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haben mit der Vorlage des Sozialplans und mit unseren Stellungnahmen dazu sowie mit der Vorlage des Strukturplans und unseren Stellungnahmen dazu deutlich gemacht, daß wir bereit sind, unseren Part zu spielen, unsere Verantwortung zu übernehmen. Wir erwarten dasselbe von den anderen, die letzten Endes wohl mit dafür verantwortlich sind, daß wir heute an Ruhr und Saar in den jetzigen Problemen stecken.
Lassen Sie mich zum Schluß noch ein Wort zu ein paar Fragen der strukturschwachen Gebiete sagen. Sie sind hier angesprochen worden. Auch an diesem Beispiel wird deutlich, wie sehr die Verantwortung hinsichtlich der Bildung, der Ausbildung und der Weiterbildung bei uns liegt. In den vergangenen Jahren sind aus der Landwirtschaft fast zwei Millionen Menschen ausgeschieden. Das geschah häufig in Gebieten, die einseitig agrarisch strukturiert waren, in denen es also in der Nähe des Wohnortes keine anderen Arbeitsplätze gab, in denen es keine Möglichkeit gab, nun mal schnell umzusteigen. Die sind ausgeschieden, und niemand von uns hat gefragt, wie sie denn eigentlich diesen Prozeß überstanden haben. Es sind zwei Millionen Menschen, die wir entlassen haben, ohne etwas dazu zu sagen. Denn es war ja jahrelang nicht opportun, in diesem Hause davon zu reden, daß die Zahl derer, die in der Landwirtschaft tätig sein können, von Jahr zu Jahr kleiner werde. Wir haben sie entlassen, ohne zu fragen, ob wir ihnen gleichzeitig auch die Chance für die Erlernung eines neuen Berufs oder für die Umschulung auf einen anderen Beruf einräumen müßten.
Ich komme aus einem solchen Gebiet. Ich würde sehr empfehlen, sich einmal die Statistiken unserer Arbeitsämter anzusehen. Das, was da heute als „konjunkturelle Arbeitslose" erscheint, sind in überwiegendem Maße ehemalige freie Landwirte und ehemalige landwirtschaftliche Arbeiter, die den Übergang nicht gefunden haben, die als Ungelernte in den Betrieben gestanden haben und die im augenblicklichen Zustand immer weniger gebraucht werden. Dabei haben sie die ersten Opfer zu tragen. Auch hier liegt für uns für die Zukunft eine Aufgabe, der wir uns nicht länger verschließen dürfen.
Entwicklungspläne in den Ländern für diese einseitig strukturierten Gebiete sollten wir nachhaltig auch hier fordern, um auf der Basis dieser Entwicklungspläne die Hilfen, die wir in der regionalen Wirtschaftspolitik, in der regionalen Strukturpolitik geben können, gezielt einzusetzen. Denn Regionalpolitik bleibt ja zunächst einmal bei den Entwicklungsplänen Aufgabe der Länder. Wir sollten die Hilfen gezielt einsetzen, um die Lebensverhältnisse dieser Menschen zu verbessern und ihnen die Chance zu geben, auszusteigen und in einen neuen, gesicherten Beruf hineinzugehen.
Über allem aber, meine Damen und Herren, steht hier wohl - unausgesprochen zunächst, aber doch deutlich sichtbar — die Frage nach der Finanzreform in diesem Lande. Die Debatte über die Strukturpolitik wird in diesem Lande auf dieser Ebene unbefriedigend bleiben müssen, solange nicht im Rahmen der Finanzreform eine klare Abgrenzung der Möglichkeiten zwischen Bund und Ländern, eine klare Abgrenzung auch der Mittel, die dafür zur Verfügung stehen, hergestellt worden ist. Hier sollten wir gemeinsam Druck darauf ausüben, daß die Bundesregierung auf ihrem Wege weiterschreitet, die Finanzreform in dieser Legislaturperiode über die Bühne zu bringen.
Meine Damen und Herren, die Grundsätze der Regierung liegen vor. Jetzt muß dieses Haus der Regierung die Möglichkeit zum Handeln geben. Das bezweckt unser Antrag. Wer also aus der akademischen Diskussion heraus will, der muß unserem Antrag zustimmen.
Meine Damen und Herren, wir unterbrechen die Sitzung und treten in die Mittagspause ein. Ich gebe aber bekannt, daß sich zu diesem Tagesordnungspunkt bis jetzt noch 18 Redner gemeldet haben. Ob es dabei bleibt, ist eine offene Frage.
Um 14 Uhr wird die Sitzung wiederaufgenommen.
Die Sitzung ist wieder eröffnet.
Wir fahren fort mit dem Punkt:
Fragestunde
— Drucksachen V/2464, zu V/2464 —
Wir beginnen mit den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts. Ich rufe zuerst die Dringliche Mündliche Anfrage des Abgeordneten Genscher auf Drucksache V/2480 auf:
Welchens Ergebnis hatte das Gespräch des Bundesministers des Auswärtigen mit dem britischen Außenminister Brown in bezug auf die EWG-Politik der Bundesregierung?
Herr Staatssekretär, ich darf bitten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, der Herr Bundesminister befindet sich in dieser Stunde noch im Gespräch mit dem britischen Außenminister. Ich bitte deshalb um Verständnis, wenn ich darüber im Augenblick noch nichts sagen kann.
Eine Zusatzfrage, Abgeordneter Genscher.
Darf ich davon ausgehen, Herr Staatssekretär, daß die Bundesregierung in der kommenden Woche das Haus unterrichten wird?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Davon dürfen Sie ausgehen.
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7626 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1968
Damit komme ich zu den Fragen aus der Drucksache V/2464. Zuerst die Frage 21 des Abgeordneten Ertl:
Was beabsichtigt die Bundesregierung zu tun, um den polnischen Außenminister Rapacki nach dessen Erklärung vom 3. Januar von der Ehrlichkeit ihrer Ostpolitik zu überzeugen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung hat an dieser Stelle am 13. Dezember 1966 und am 13. Oktober 1967 zur Frage der deutschpolnischen Beziehungen erklärt, sie wünsche ein von beiden Völkern gebilligtes, dauerhaftes und friedliches Verhältnis guter Nachbarschaft. Sie hat Verständnis für den Wunsch des polnischen Volkes, in gesicherten Grenzen zu leben, und stellt daher nicht die Rechtsposition in den Vordergrund, sondern den Versöhnungswillen. Wir sind auf der Grundlage dieser Erklärung jederzeit zu einem deutsch-polnischen Gespräch über die künftige- Gestaltung der Beziehungen zwischen unseren Völkern und Staaten bereit.
Die Bundesregierung ist sich der Tatsache bewußt, daß unsere Bemühungen, die deutsch-polnischen Beziehungen zu verbessern, bisher keinen sichtbaren Erfolg gehabt haben. Wir werden jedoch nicht nachlassen, unseren Willen zu Frieden, Verständigung und Versöhnung immer wieder kundzutun. Da auch das polnische Volk den Frieden will, muß es nach unserer Überzeugung eines Tages zur Verständigung kommen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ertl.
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß der polnische Außenminister Rapacki in seiner jüngsten Erklärung gefordert hat, die Bundesregierung müsse, um ihren guten Willen sichtbar zu machen, die Existenz zweier deutscher Staaten und die bestehenden Grenzen anerkennen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es ist richtig, daß der polnische Außenminister eine Reihe von Vorbedingungen gesetzt hat. Nur, Herr Kollege Ertl, wir haben immer wieder erklärt — und wir bleiben dabei —, nach unserer Auffassung sollte es möglich sein, über die zwischen den beiden Ländern bestehenden Fragen ein offenes Gespräch zu führen.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ertl.
Darf ich aus dieser Antwort und auch aus Ihrer ersten Antwort schließen, daß die Bundesregierung ,es nicht wegen Grenzfragen zu Schwierigkeiten kommen lassen würde?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das ist eine sehr mißverständliche Frage, Herr Kollege Ertl. Was heißt „daß die Bundesregierung es nicht wegen Grenzfragen zu Schwierigkeiten kommen lassen
würde"? Die Bundesregierung hat ihre Bereitschaft erklärt, über alle zwischen den beiden Ländern bestehenden Fragen mit Polen zu sprechen. Da kann sich die Bundesregierung nicht anders verhalten, als sie es bisher getan hat, nämlich zusagen: Wir führen dieses Gespräch ohne Vorbedingungen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Weigl.
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß deutsche Reisegruppen in letzter Zeit fast in keinem Falle mehr eine Einreisegenehmigung nach Polen erhalten haben, und sehen Sie in dieser Tatsache eine Verhärtung des Standpunktes der polnischen Regierung?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege, ich kann im Augenblick nicht sagen, ob diese Verallgemeinerung zutreffend ist. Schwierigkeiten sind immer aufgetreten und können immer auftreten. Ob das aber zu der Schlußfolgerung berechtigt, die Sie gezogen haben, vermag ich im Augenblick nicht zu sagen. Ich glaube aber, man sollte generell nicht sagen, daß eine besondere, auffallende Verhärtung gerade in der letzten Zeit eingetreten sei. Die Auseinandersetzung mit Polen und die Bemühungen, mit der polnischen Regierung in ein Gespräch zu kommen, sind im Rahmen der Bemühungen der Bundesregierung um bessere Verbindungen zu den osteuropäischen Ländern immer besonders schwierig gewesen.
Herr Abgeordneter Weigl, ich halte es zumindest für zweifelhaft, ob Ihre Frage überhaupt noch eine Zusatzfrage ist oder ob sie nicht als selbständige Frage hätte eingebracht werden können, was übrigens immer noch geschehen kann.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Marx.
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß die von Herrn Kollegen Ertl genannten Bedingungen nicht gerade die geeignete Methode sind, die von der Bundesregierung gewünschte vorurteilslose Diskussion mit der polnischen Regierung führen zu können?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Vorbedingungen sind überhaupt keine Erleichterung für ein Gespräch, Herr Kollege Marx.
Damit komme ich zur Frage 22 des Abgeordneten Ertl:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß „jeder intelligente Politiker weiß: Keine Regierung Europas kann und will deutsche Ansprüche auf die Gebiete jenseits von Oder und Neiße vertreten"?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregie-
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode 148. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1968 7627
Parlamentarischer Staatssekretär Jahn
rung verkennt nicht, daß die Ansprüche Polens auf die Gebiete jenseits von Oder und Neiße in der Öffentlichkeit verschiedener Länder auf zunehmendes Verständnis stoßen. Andererseits wird im befreundeten Ausland auch anerkannt, daß im Rahmen der Potsdamer Abmachungen von 1945 die Regierungschefs der Sowjetunion, Großbritanniens und der Vereinigten Staaten förmlich ihre Auffassung bekräftigt haben, daß die endgültige Festlegung der Westgrenze Polens bis zu der Friedenskonferenz zurückgestellt werden soll. Dieser Standpunkt ist von den Verbündeten und Mitgliedstaaten der NATO in den Pariser Verträgen und in entsprechenden Beschlüssen des Nordatlantikrats von 1954 förmlich bestätigt worden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ertl.
Herr Staatssekretär, darf ich aus Ihrer Antwort entnehmen, daß Sie meine Frage in der Form: „jeder intelligente Politiker weiß: Keine Regierung Europas kann und will deutsche Ansprüche auf die Gebiete jenseits von Oder und Neiße vertreten" für die Bundesregierung ablehnen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Am liebsten interpretiere ich mich selber, Herr Kollege Ertl.
Ich würde sagen: die Bundesregierung hat ihre Auffassung, so wie ich das jetzt hier vorgetragen habe, zu wiederholten Malen dargelegt und hält an dieser Auffassung fest. Ich glaube, das ist der einfachste Weg, sich Klarheit über die Auffassung der Bundesregierung zu verschaffen, und er ist sicherlich klarer als der Versuch, sie in Beziehungen zu anderen Auffassungen zu setzen, die gelegentlich geäußert werden.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ertl.
Darf ich, Herr Staatssekretär, nochmals in der Form fragen: Ist die von Ihnen vorgetragene Auffassung eine einheitliche Auffassung der Bundesregierung und natürlich auch der sie tragenden Parteien?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ja, das ist sie.
Wir kommen zur Frage 23 des Abgeordneten Ertl:
Ist auch die Bundesregierung der Auffassung, daß „die DDR ein Staat ist, mit dessen ungeliebter Regierung wir gleichwohl geordnete Verbindungen herstellen müssen, auch wenn wir die DDR nicht völkerrechtlich als Ausland anerkennen können oder wollen"?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Auch zu dieser Frage ist der Standpunkt der Bundesregierung am 13. Oktober letzten Jahres vor dem Deutschen Bundestag erneut dargelegt worden. Ich zitiere aus dieser Erklärung: „Die völkerrechtliche Anerkennung der DDR kommt für uns nicht in Frage. Sie ist kein Verhandlungs- und Gesprächsgegenstand." Die Bundesregierung hat ebenso deutlich erklärt, daß sie bereit ist, mit den zuständigen Stellen im anderen Teil Deutschlands die innerdeutschen Beziehungen zu verbessern und jene Hindernisse abzubauen, die sich dem menschlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Austausch heute entgegenstellen. Wenn wir über diese Dinge mit Ostberlin sprechen wollen, so bedeutet das nicht die vom SED-Regime geforderte völkerrechtliche Anerkennung. Vielmehr handelt es sich um einen innerdeutschen Vorgang. Die DDR ist nach Auffassung der Bundesregierung kein souveräner Staat und somit kein Staat im völkerrechtlichen Sinne. Unsere Bemühungen um innerdeutsche Entspannung haben gerade das Ziel, die Teilung unseres Landes zu überwinden. Wir müssen daher jede Handlung unterlassen, die diese Teilung vertiefen oder gar völkerrechtlich besiegeln würde.
Herr Staatssekretär, sind Sie in der Lage, mir hier zu erklären, in welcher Form Sie Möglichkeiten sehen, mit dem anderen Teil Deutschlands Verhandlungen zu führen, wenn dieser die völkerrechtliche Anerkennung zur Vorbedingung macht, und wenn ja, wie glauben Sie, daß sich das vollziehen läßt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Ertl, ich habe soeben in anderem Zusammenhang schon einmal gesagt: die Bundesregierung betrachtet in der Tat Vorbedingungen, gerade auch, wenn sie von der anderen Seite, mit der man in Verhandlungen kommen möchte, gestellt werden, nicht als eine Hilfe, nicht als eine Erleichterung. Die Bundesregierung kann deswegen ihre Auffassung nicht ändern. Sie wird daran festhalten und ihre Bereitschaft, ohne Vorbedingungen in der Sache zu sprechen, aufrechterhalten.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie in diesem Zusammenhang vielleicht auch um Ihre Meinung fragen, ob im jetzigen Augenblick sich eher eine Verhärtung oder eine mögliche Verhandlungsbereitschaft abzeichnet.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Im Augenblick läßt sich eine Verhandlungsbereitschaft nicht unmittelbar erkennen.
Ich komme zur Frage 24 des Abgeordneten Dr. Marx :
Wie beurteilt die Bundesregierung die in der Sowjetunion 15,2 %, in der Volksrepublik Polen 10 % und in der sowjetischen Besatzungszone 61 % betragende Erhöhung der erkennbaren militärischen Ausgaben auch im Hinblick auf die Notwendigkeit einer Entspannung in Europa?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Verteidigungsausgaben verschiedener Mitglieder des War-
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7628 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1968
Parlamentarischer Staatssekretär Jahn schauer Paktes haben schon seit geraumer Zeit steigende Tendenz. Diese setzt sich in diesem Jahr mit weiteren Erhöhungen der Verteidigungshaushalte fort. Dabei wirken jedoch auch Faktoren mit, die nicht zu einer Erhöhung der Kampfkraft der Warschauer-Pakt-Staaten beitragen, wie z. B. Preiserhöhungen und die Übernahme bisher unter anderen Titeln verdeckter Ausgaben in den Verteidigungshaushalt. Gleichwohl ist eine nicht unerhebliche Erhöhung des tatsächlichen Rüstungsaufwandes festzustellen, Die Kampfkraft der Streitkräfte des Warschauer Pakts wird seit geraumer Zeit verstärkt. Die Bundesregierung beobachtet diese Entwicklung und muß sie in ihrer eigenen Verteidigungsplanung berücksichtigen. Ihre Politik der Aussöhnung mit den osteuropäischen Staaten und des Abbaues der militärischen Konfrontation in Europa setzt sie jedoch unbeirrt fort.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Marx.
Herr Staatssekretär, darf ich den ersten Teil Ihrer Antwort so verstehen, daß in einer Reihe von Warschauer-Pakt-Staaten eine Reihe bisher versteckte Titel, die in einer Reihe von Etattiteln untergebracht waren, auf den Haushalt des jeweiligen Verteidigungsministeriums übertragen und dadurch erkennbarer und kalkulierbarer geworden sind?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
So ist es.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Marx.
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß ein Teil der erhöhten Ausgaben vor allen Dingen zur Modernisierung und zur Steigerung der Schlagkraft neuer operativer Einheiten verwendet wird, wie das etwa bei Marineinfanterie und Luftlandetruppen der Fall sein mag?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich bin nicht in der Lage, Herr Kollege Marx, im einzelnen Ihre Überlegungen so detailliert zu bestätigen, wie sie in Ihrer Frage zum Ausdruck kommen. Aber daß im Prinzip ein wesentlicher Teil der Ausgaben auch auf Umrüstungen entfällt, kann ich bestätigen.
Ich komme zur Frage 25 des Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen:
Ist inzwischen geklärt, ob die abstoßenden Szenen von der Enthäutung lebender junger Robben, die im Fernsehen gezeigt worden sind, auf Fälschungen beruhen oder tatsächlich Gegebenheiten entsprechen?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es handelt sich um eine von Professor Dr. Bernhard Grzimek veranstaltete Sendung im Ersten Deutschen Fernsehen vom
8. Dezember 1965. Herr Prof. Grzimek hat dem Auswärtigen Amt mit Schreiben vom 3. November 1967 mitgeteilt, daß die von ihm gezeigten Szenen nicht absichtlich gestellt waren, sondern in jeder Hinsicht korrekt gefilmt worden sind. Es besteht keine Veranlassung, an diesen Erklärungen zu zweifeln.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Schwabe.
Herr Staatssekretär, halten Sie es für einen normalen Vorgang, daß in Unterhaltungssendungen des Deutschen Fernsehens und dann im deutschen Parlament Fragen des Tierschutzes in Kanada erörtert werden, zumal ja wohl nachgewiesen ist, daß es sich nicht um deutsche Robben handelt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Schwabe, ich weiß nicht, ob in irgendwelcher Weise die Nationalität der Robben hat festgestellt werden können. Aber selbst unterstellt, es wären keine Robben deutscher Nationalität gewesen, würde ich meinen, wenn es ein berechtigtes Interesse gibt — und das ist in diesem Falle doch glaubhaft dargetan worden —, ist es eine legitime Sache, daß in diesem Parlament und daß auch in der Öffentlichkeit darüber gesprochen wird.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schwabe.
Würden Sie es als ebenso selbstverständlich betrachten, Herr Staatssekretär, wenn sich das kanadische Parlament mit der grausamen und bis jetzt noch durch keine gesetzliche Auflage verbesserten Aufzucht der Schlachtkälber in Deutschland befassen würde?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich kann das natürlich nicht ausschließen, obwohl ich — da bitte ich mir aber nachzusehen, daß ich auf diesem Gebiet nur über begrenzte Fachkenntnisse verfüge — mir nicht ganz im klaren bin, ob es sich hier um einen vergleichbaren Tatbestand handelt.
Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen, Ihre Zusatzfragen sind schon verfallen.
— Ja, damit sind sie verfallen. Das ist die Übung des Präsidiums des Hauses.Wir kommen nun zu der Frage 32 des Abgeordneten Ollesch:Sind der Bundesregierung arabische Behauptungen bekanntgeworden, wonach aus der Bundesrepublik Deutschland noch
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1968 7629
Vizepräsident Dr. Jaegernach dem israelisch-arabischen Krieg im Sommer zweimal 50 Leopard-Panzer von Niederlande Israel geliefert worden sein sollen?Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Antwort lautet: Nein, Herr Kollege, diese nicht. Verschiedene andere Stimmen in dieser Richtung, allerdings auch nur vereinzelt, hat die Bundesregierung in der letzten Zeit zur Kenntnis bekommen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Ollesch.
Herr Staatssekretär, Sie können ausdrücklich bestätigen, daß diese Stimmen des Hintergrundes entbehren?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Daß diese Stimmen der Begründung entbehren, wollen Sie sagen?
Ich bin dankbar für die Gelegenheit, hier in aller Form sagen zu können, daß es keinerlei Lieferungen von Waffen irgendwelcher Art nach Israel seit der bekannten Einstellung solcher Lieferungen durch die Bundesregierung gegeben hat.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich komme zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft.
Zunächst die Frage 59 des Abgeordneten Schlager. — Da Herr Abgeordneter Schlager nicht im Saal ist, wird die Frage schriftlich beantwortet.
Wir kommen zur Frage 60 des Abg. Dr. Imle:
Gilt die vom Bundeswirtschaftsminister vor der Industrie- und Handelskammer Hagen ausgesprochene entschiedene Ablehnung neuer Steuererhöhungen im Jahre 19G8 auch für den Bereich der Verkehrspolitik?
Wer beantwortet die Frage? — Bitte, Herr Bundeswirtschaftsminister!
Ich darf die Frage des Herrn Abgeordneten Imle wie folgt beantworten.
Ich habe in Hagen bei der Industrie- und Handelskammer wörtlich gesagt: „Auf keinen Fall darf es zu einer weiteren Erhöhung der Steuerbelastungsquote kommen". Damit habe ich einen früheren Beschluß der Bundesregierung wiedergegeben, der später bei der Verabschiedung der verkehrspolitischen Vorlagen berücksichtigt wurde. Es soll nämlich — so Beschluß der Bundesregierung — bis zum Inkrafttreten einer aus ordnungspolitischen Gründen notwendigen Besteuerung des Straßengüterverkehrs geprüft werden, welche gleichwertigen, kostenwirksamen Entlastungen sich im Interesse des Preisstabilität für die Wirtschaft ermöglichen lassen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Imle.
Herr Minister, würde das bedeuten — wenn ich es richtig verstanden habe —, daß auf die Wirtschaft und auf die Verbraucher keine höheren Belastungen zukommen würden?
Diese Absichtserklärung der Bundesregierung bedeutet, daß geprüft werden soll, wie Entlastungen an anderer Stelle erfolgen können, so daß die Steuerbelastungsquote im ganzen für die Gesamtwirtschaft und die Bevölkerung möglichst gleichbleibt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Peters.
Herr Minister, würden diese Entlastungen im Verkehrsbereich liegen, oder würden sie in völlig anderen Bereichen erfolgen?
Sie wären natürlich verkehrsneutral, da ,sie die ordnungspolitische Funktion einer Verkehrsteuer nicht stören sollten, wenn diese beschlossen würde.
Frau Abgeordnete Funcke zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, können Sie uns etwa sagen, in welchem Zeitpunkt die Wirtschaft mit umrißmäßigen Vorstellungen über diese Entlastung rechnen kann?
In der Absichtserklärung der Bundesregierung steht: bis zum Inkrafttreten einer ordnungspolitisch notwendigen Besteuerung des Straßengüterverkehrs.
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Minister, ich habe Ihre Rede gehört. Sie liegt nun bald schon mehr als einen Monat zurück. Da die Verkehrsteuer nach der Vorstellung der Regierung in absehbarer Zeit in Kraft treten und, das heißt doch, von diesem Haus beschlossen werden soll, wäre es da nicht gut, wenn das Haus allmählich erführe, in welche Richtung die Überlegungen der Regierung zu einem Kostenausgleich gehen, da ja auch sie vom Bundestag beschlossen werden müssen?
Sie haben völlig recht, Frau Abgeordnete. Demnächst wird hier das verkehrspolitische Gesamtprogramm dargelegt werden. Im Anschluß daran werden sich sicherlich auch die Fragen der Kompensation in anderen Bereichen, um die eis hier geht, ergeben.
7630 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode 148. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1968
Ich komme zur Frage 61 des Abgeordneten Varelmann:
Stehen die Preise für Erdgas in den wirtschaftlich schwachen Vorkommensbezirken in Einklang mit den Gewinnungskosten?
Bitte sehr, Herr Minister!
Ich darf die erste Frage des Herrn Abgeordneten Varelmann wie folgt beantworten. Seit 1959 gibt es für Erdgas keine staatliche Preisbindung mehr. Die Preise bilden sich ani Markt, d. h. sie können nicht höher sein, als ;die Konkurrenz dies zuläßt. Sie brauchen aber auch nicht niedriger zu sein. Das Zahlenbild der Erdgaspreise zeigt für das Jahr 1966, das letzte Jahr, für das zusammenfassende Daten verfügbar sind, daß sie nach den abgenommenen Mengen und nach den Absatzgebieten differieren. Sie waren in Niedersachsen für Sonderabnehmer und Tarifabnehmer, also für alle Letztverbraucher, niedriger als in jedem anderen Bundesland.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Varelmann.
Wurden die Ferngasleitungen von den Erdölgesellschaften oder von den Großstädten in den Ballungsräumen finanziert?
Ist es erlaubt, Herr Präsident und Herr Abgeordneter, daß ich gleich die Antworten zu der zweiten und der dritten Frage gebe? Damit ist das auch beantwortet.
Einverstanden.
Dann rufe ich auch die Fragen 62 und 63 des Herrn Abgeordneten Varelmann auf:
Ist es der Bundesregierung bekannt, daß das Erdgas in den weit von den Erzeugungspunkten entfernt liegenden industriellen Ballungsorten preisgleich oder sogar billiger angeboten wird als in den Gewinnungsgebieten?
Haben die Wirtschaft und zugleich die Haushalte in den Erdgasvorkommensräumen den Preis für die Ferngasleitungen mitfinanziert?
Wie schon erwähnt, sind die Preise für die Letztverbraucher in Niedersachsen am niedrigsten. Das schließt nicht aus, daß für Wiederverkäufer Kommunen, Ferngasgesellschaften — die Bezugspreise für Erdgas bei großen Abnahmemengen gelegentlich unter den Bezugspreisen im Gewinnungsland Niedersachsen liegen.
Ich darf die dritte Frage wie folgt beantworten. Die statistischen Unterlagen geben keinen Anlaß zu einem derartigen Urteil. Im Gewinnungsland Niedersachsen sind die Verbraucherpreise jedenfalls niedriger als in den anderen Bundesländern.
Eine Zusatzfrage.
Von welcher Stelle wurden die Ferngasleitungen finanziert, von den Abnehmerstellen in den Großstädten, oder haben Verbraucher in den Gewinnungsgebieten mit dazu beigetragen?
Darüber kann ich Ihnen, Herr Abgeordneter, jetzt im einzelnen keine Auskunft geben. Aber ich bin selbstverständlich bereit, Ihnen so schnell wie möglich die Frage im einzelnen zu beantworten.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Varelmann.
Ist die Bundesregierung bereit, auf die Erölgesellschaften in dem Sinne einzuwirken, daß in den Gewinnungsgebieten, die ja im allgemeinen im Bereich der regionalen Wirtschaftsförderung liegen, das Erdgas zu Preisen ohne jede Nebenbelastungen, die durch den Bau von Ferngasleitungen entstehen, abgegeben wird?
Wie ich schon andeutete, herrscht in diesem Bereich der Markt, und die Bundesregierung ist in der bestehenden Ordnung unserer Marktwirtschaft nicht in der Lage, unmittelbar preispolitisch einzuwirken. Ich darf hinzufügen, daß sich für das Erdgas aus Niedersachsen möglicherweise eine Differenzierung der Preise etwa für Großabnehmer in weiter entfernten Gebieten durch die Konkurrenz von Gasprodukten dieser Gebiete - etwa an der Ruhr - ergeben kann. Das ist unter Umständen auch ein Ergebnis des marktwirtschaftlichen Prozesses.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Varelmann.
Ist die Bundesregierung darüber informiert, in welchem Umfang Unternehmer davon abgehalten wurden, sich in Gebieten mit Erdgasvorkommen anzusiedeln, als ihnen bekanntwurde, daß sie in diesen Räumen keine bevorzugten Preise genießen würden?
Uns sind derartige Vorgänge nicht bekannt.
Herr Abgeordneter Wächter zu einer Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, kann ich aus Ihren bisherigen Antworten schließen, daß sich der Preis für Erdgas frei auf dem Markt entwickelt, und darf ich auf Grund dieser Feststellung jetzt an Sie die Frage richten: Gibt es denn eine echte Konkurrenz zwischen den einzelnen Erdgaslieferanten?
Vielleicht ist noch keine vollkommene Konkurrenz da, aber die Konkurrenz wird im Laufe der Ent-
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1968 7631
Bundesminister Dr. Schillerwicklung mit der Steigerung des Angebots in diesem Markt von Jahr zu Jahr vollkommener.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Erhard.
Herr Minister, habe ich Sie richtig verstanden, daß Sie der Meinung sind, in den Bereichen der Erdgasenergieversorgung würde dort, wo das Erdgas an den Verbraucher kommt, eine irgendwie geartete Marktsituation vorliegen?
Ja, natürlich.
Sind Sie nicht der Meinung, daß es sich, mindestens auf örtlicher Ebene, um reine Oligopole oder sogar Monopole handelt?
Selbst wenn es sich um Oligopole handelt — ich habe ja gesagt, eine vollkommene Konkurrenz haben wir nicht —, ist immer noch die Nachfrage in der Lage, den Preis zu beeinflussen.
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7632 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1968
Herr Abgeordneter Mertes, Sie haben schon zwei Zusatzfragen gestellt. — Herr Abgeordneter Opitz zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, strebt die Bundesregierung in all diesen Fragen eine echte enge Zusammenarbeit mit ihren EWG-Partnern an?
Ja, selbstverständlich.
Ich rufe die Frage 65 des Herrn Abgeordneten Mertes auf:
Was ist der Bundesregierung im einzelnen über die angekündigten wirtschaftspolitischen Gegenmaßnahmen der USA gegen den Gemeinsamen Markt bekanntgeworden?
Ich darf die zweite Frage des Herrn Abgeordneten Mertes wie folgt beantworten: Soweit der Bundesregierung bekannt ist, hat die amerikanische Regierung wirtschaftspolitisch im allgemeinen keine Maßnahmen beabsichtigt, die sich speziell gegen den Gemeinsamen Markt richten.
Sind Ihnen nicht Informationen aus Brüssel bekannt, Herr Minister, nach denen die amerikanische Regierung erwägt, eine Einfuhrbelastung in Höhe von 2,5 % vorzunehmen als Ausgleich für die nach der Ansicht der amerikanischen Regierung schädliche Wirkung der Einführung der Mehrwertsteuer im EWG-Raum?
Diese fehlerhafte Beurteilung der Wirkung der Mehrwertsteuer ist uns bekannt; aber die Maßnahmen, die die amerikanische Regierung hier plant, richten sich nicht speziell gegen die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, sondern gegen alle Handelspartner.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Mertes.
Wird die Bundesregierung — da die Mehrwertsteuer doch wiederholt als Grund für derartige Überlegungen hinsichtlich der Einfuhrbelastung und auch einer höheren Einfuhrrückvergütung angeführt wurde — die Gelegenheit nutzen, im Zusammenhang mit den EWG-Partnern derartige, wie Sie sagen, Herr Minister, falsche Vorstellungen in den USA zu korrigieren?
Die Bundesregierung hat schon mit den EWG-Partnern mehrfach Beratungen über die Auswirkung der neuen Mehrwertsteuer gehabt. Sie hat zum zweiten in der vorletzten Sitzung beschlossen, der US-Regierung z. B. das neue Gutachten des Sachverständigenrats über die gesamtwirtschaftliche Entwicklung zugänglich zu machen. In diesem Gutachten ist ein weitaus niedrigerer Effekt dieser Mehrwertsteuer in bezug auf die deutsche Außenwirtschaft angegeben; er kommt im übrigen nach den dortigen Darlegungen erst im Laufe einer längeren Entwicklung zur Auswirkung.
Zu einer Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kiep.
Herr Minister, würden Sie mir zustimmen, wenn ich sage, daß zu den Schwierigkeiten, die zu den soeben diskutierten Maßnahmen
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1968 7633
Kiepder amerikanischen Regierung geführt haben, auch Spekulationen gegen den Dollar — zum Teil auch aus dem EWG-Raum heraus — sehr wesentlich beigetragen haben?
Zu dieser Problematik, Herr Kollege, darf ich Ihnen folgendes sagen: Die Bundesrepublik Deutschland, in diesem Fall vertreten durch die Deutsche Bundesbank, ist in der ganzen Zeit an vorderster Front in Goldpool aktiv gewesen, um jene schädlichen Goldpreisspekulationen einzudämmen.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Kiep.
Würden Sie mir auch zustimmen, Herr Minister, wenn ich sage, daß die Bundesregierung und die Bundesrepublik Deutschland ein Interesse daran haben, eine Situation entstehen zu sehen, die derartige Spekulation in Zukunft unmöglich macht?
Wir halten solche Spekulationen natürlich nicht für förderlich und würden alles begrüßen, was sie verhindert.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Moersch.
Herr Minister, glauben Sie, daß eine ausländische Regierung von einem Hinweis auf unsere Sachverständigengutachten besonders überzeugt werden kann, wenn diese Sachverständigengutachten von der eigenen Bundesregierung nicht in allen Teilen so gewürdigt werden, wie es die Sachverständigen selber wohl erwartet haben?
Herr Kollege Moersch, da wissen Sie mehr als ich, der ich zur Zeit Mitglied der Bundesregierung bin, denn die Stellungnahme der Bundesregierung zum Jahresgutachten wird erst Ende dieses Monats formuliert und dann sofort dem Hohen Haus übergeben. Es liegt noch keine Stellungnahme der Bundesregierung vor.
Darf ich, Herr Minister, fragen, ob mit Ihrer Erklärung hier die partiellen Äußerungen aus Kreisen der Bundesregierung über das Sachverständigengutachten hinfällig geworden sind.
Ich kann Ihnen nochmals ganz korrekt sagen: bis heute gibt es noch keine Stellungnahme der Bundesregierung. Sie wird Ende Januar formuliert und Ihnen sofort übergeben.
— Oder regionale.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Emde.
Herr Minister, halten Sie den Hinweis auf dieses Gutachten in den Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten für ausreichend, oder ist die Bundesregierung gewillt, noch weitere Argumente in die Aussprache einzuführen?
Aber selbstverständlich! Ich habe das nur als Beispiel genannt, weil wir gerade eine ganz präzise Berechnung von einem autonomen Gremium bekommen haben, das nicht der Weisungsbefugnis der Bundesregierung untersteht und das mit einer Ziffer kommt, die, sagen wir einmal, die amerikanischen Vorstellungen erheblich reduzieren würde.
Wir kommen zur Frage 66 des Herrn Abgeordneten Mertes:
Wie wird sich die beabsichtigte Beschränkung des Reiseverkehrs aus den USA voraussichtlich auf die Entwicklung des Tourismus in der Bundesrepublik Deutschland auswirken?
Herr Kollege Mertes, ich darf Ihre Frage wie folgt beantworten: Nach der Fremdenverkehrsstatistik 1966 entfallen nur 1,3 % der Fremdübernachtungen in Beherbergungsbetrieben auf Reisende aus den USA; darunter befindet sich ein hoher Anteil Geschäftsreisender, die von den Kürzungen kaum betroffen werden dürften.
Die von der amerikanischen Regierung angestrebte Reduzierung der Devisenausgaben für Auslandsreisen dürfte für die deutsche Fremdenverkehrswirtschaft insgesamt keine ernsthaften Schwierigkeiten mit sich bringen. Falls die beabsichtigten Maßnahmen zu einer linearen Kürzung der bisherigen Devisenausgaben führen, könnten sich die Deviseneinnahmen aus dem Reiseverkehr, die in der deutschen Zahlungsbilanz 1966 mit insgesamt 3,2 Milliarden DM ausgewiesen wurden, um etwa 100 Millionen DM verringern. Es ist nicht ganz auszuschließen, daß einzelne Beherbergungsbetriebe und einzelne Fremdenverkehrsorte, die bisher einen weit überdurchschnittlichen amerikanischen Gästebesuch hatten, die Ausgabenreduzierung einschneidender, als der Durchschnitt es vermuten läßt, zu spüren bekommen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Mertes.
Würde zu den Fremdenverkehrsstädten, die einschneidend unter den Schwierigkeiten zu leiden hätten, auch Berlin gehören?
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7634 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1968
Ich möchte annehmen, daß Berlin sicherlich in bezug auf den Reiseverkehr bei den vielen, erfreulich vielen amerikanischen Investitionen in Berlin wenig leiden wird.
Es ist wohl bekannt, daß Berlin durch die Plafondierung der Direktinvestitionen — für Kontinentaleuropa auf 0 %, für England auf 65 %, für die Entwicklungsländer auf einen höheren Prozentsatz, und zwar 110 — in eine besondere Situation gebracht werden würde. Deswegen ist sofort nach Bekanntwerden dieser Maßnahme speziell in der Angelegenheit Berlin mit der US-Regierung Verbindung aufgenommen worden.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Mertes.
Wären Sie bereit, Herr Minister, meine Meinung zu teilen, daß die Auswirkungen einer Beschränkung des amerikanischen Reiseverkehrs zumindest zu einem Teil dadurch abgeschwächt werden könnten, daß die amerikanischen Paß- und Impfbestimmungen liberalisiert würden, um somit einen größeren Touristenstrom auch in die Vereinigten Staaten zu bringen?
Ich stimme Ihnen zu, so, wie ich generell sage: Ich muß von meinem ganzen wirtschaftspolitischen Konzept her jede Liberalisierung, wo auch immer sie eintritt, begrüßen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schwabe.
Herr Minister, unter Würdigung der Tatsache, daß das eben angesprochene Problem in verschiedenen Häusern ressortiert, möchte ich fragen, ob das Problem des Reiseverkehrs, der menschlichen Beziehungen, für die wir von Deutschland aus so viel Geld und Mühe eingesetzt haben, nicht eine besondere Beachtung und vielleicht auch Behandlung verdient?
Ich stimme Ihnen völlig zu. Wie Sie, glaube ich, aus meiner Antwort erkennen, bemühen wir uns auch hier, in bestimmten schwierigen Situationen zu helfen.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schwabe.
Sind Sie mit mir der Ansicht, daß es möglich sein müßte, dann, wenn man den zuständigen amerikanischen Stellen die besonderen Argumente der deutsch-amerikanischen menschlichen Beziehungen darlegt, hier bei den zu erwartenden Maßnahmen noch eine Modifizierung zu erreichen, die auch unseren Gesichtspunkten näher kommt?
Herr Kollege, ich glaube, wir müssen die amerikanischen Kürzungs- und Sparmaßnahmen als Ganzes sehen. Es ist für uns sehr schwer, einen relativ kleinen Teil aus diesen Maßnahmen herauszunehmen und ihn zum Gegenstand einer besonders spitzen Debatte zu machen.
Was uns beschwert, ist, wie ich sagte, nicht zahlungsbilanzpolitisch, sondern konjunkturpolitisch bedingt. Dabei spielt der von Ihnen angeführte Wirtschaftszweig eine Rolle. Es liegt an uns, ob wir durch Steigerung der inländischen Nachfrage das kompensieren, was durch die ausländische Nachfrage ausgefallen ist.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Berlin.
Herr Minister, sind Sie nicht der Meinung, daß sich unter Berücksichtigung des Sinnes dieser Fragestunde die jetzt von Ihnen behandelte Thematik eigentlich mehr für eine Kleine Anfrage als für eine Behandlung hier in der Fragestunde eignet?
Herr Kollege, ich möchte folgendes sagen: Als Abgeordneter bin ich Ihrer Meinung; als Mitglied des Kabinetts habe ich dem Hause zu gehorchen und komme selbstverständlich gern und ausführlich dieser Fragestellung nach.
Herr Abgeordneter Schmidt zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, Sehen Sie nicht doch irgendwelche geeignete Maßnahmen, die es den mehreren Millionen Menschen, die aus verschiedenen Gründen in den zurückliegenden Jahren von Deutschland nach Amerika ausgewandert sind, gestatten würden, ihre Absicht, Deutschland zu besuchen, trotz der angekündigten Devisenbeschränkung durchzuführen?
Herr Abgeordneter, ich darf noch einmal darauf hinweisen, daß ein großer Teil der Maßnahmen der amerikanischen Regierung noch der Verhandlung mit den Partnerländern bedarf. Wir werden das Paket im ganzen selbstverständlich weiter mit unseren amerikanischen Freunden besprechen.
Frage 67 ist vom Fragesteller zurückgezogen worden.
Wir kommen zur Frage 68 des Herrn Abgeordneten Genscher:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Funktion der Immobilien-Fonds als Finanzierungsinstrument für den privaten Wohnungsbau?
Bitte sehr, Herr Bundesminister!
Ich darf die Frage des Herrn Abgeordneten Genscher wie folgt beantworten. Bei cien ImmobilienFonds gibt es zwei Formen, einmal die ImmobilienInvestmentfonds, die ähnlich wie die Wertpapierfonds nach dem Grundsatz der Risikomischung Grundstücke erwerben, und zum anderen diejenigen Immobilien-Fonds, die Anlegern ein Recht an einem Grundstück vermitteln. Im ersten Fall besitzen die Anleger im Gegensatz zum zweiten Typ jedoch kein unmittelbares Redit an den Grundstücken und können deshalb Abschreibungen auf die Gebäude für sich selbst nicht geltend machen.
Die Immobilien-Fonds liefern einen steigenden Beitrag zur Finanzierung unseres Wohnungsbaus. Dabei stellen sie im Gegensatz zur traditionellen, an der Wohnungsbaufinanzierung beteiligten Kapitalsammelstelle die Masse ihrer Mittel in Form von Eigenkapital zur Verfügung und tragen so zur Überwindeng der auf diesem Gebiete bestehenden Knappheit bei. Insgesamt beträgt das bisherige Aufkommen der Immobilien-Fonds ca. 1,1 bis 1,2 Milliarden DM.
Dann kommen wir zur Frage 69 des Abgeordneten Genscher:
Beabsichtigt die Bundesregierung für die Immobilien-Fonds -
ähnlich wie für die Kapitalanlagegesellschaften im Gesetz vom 14. April 1957 geschehen — eine Rechtsgrundlage zu schaften?
Ja, dies Ist beabsichtigt. Über die notwendige Form der Rechtsgrundlage wird noch beraten.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Genscher.
Wann kann damit gerechnet werden, dab die Bundesregierung ein solches Gesetzgebungswerk vorlegt?
In - ich würde sagen — ein bis zwei Monaten.
Ich rufe nun die Fragen 70, 71 und 72 des Herrn Abgeordneten Dr. Kempfler auf :
Ist der Bundesregierung bekannt, daß in verschiedenen niederbayerischen, außerhalb des Zonenrandgebietes gelegenen Landkreisen die Arbeitslosenzahl von Ende Dezember die des Vorjahrs erheblich übertrifft und bei ca. 10 % liegt?
Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung für die betroffenen - in Frage 70 erwähnten Landkreise zu ergreifen, insbesondere in bezug auf Vergebung öffentlicher Aufträge aus den Investitionsprogrammen?
Hält es die Bundesregierung für richtig, daß für die in Frage 70 erwähnten, im Bundesausgebiet gelegenen Landkreise im Gegensatz zu den im Zonenrandgebiet liegenden keinerlei Vorteile bei der Bewerbung um Aufträge der öffentlichen Hand vorgesehen sind?
Der Fragesteller hat sich mit. schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Herrn Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Arndt vom 17. Januar 1968 lautet:
Diese Frage muß mit. „Ja" beantwortet werden. Es handelt sich insbesondere um die Landkreise Vilshofen , Landau (12,8 %), Eggenfelden (12,3 %) und Griesbach (10,9 %), die sämtlich zu den Bundesausbaugebieten gehören.
Die Bundesregierung ist ständig darum bemüht, das Regionale Förderungsprogramm an veränderte Verhältnisse anzupassen und die Wirksamkeit der einzelnen Maßnahmen zu verbessern: So können ab 1968 anstelle der gewerblichen Investitionskredite auch Investitionszuschüsse gewährt werden. Da die genannten Kredite bis zu 50 % der Investitionskosten ausmachen, die gleichwertigen Investitionszuschüsse jedoch nur 15 % der Investitionskasten betragen, werden dadurch haushaltsmittel eingespart, die für zusätzliche Förderungsfälle zur Verfügung stehen. Ferner wird die Zahl der Bundesausbauorte, die eine Sonderförderung genießen, um weitere 18 Orte erhöht.
Die Auftragsvergabe im Rahmen der heilen Investitionshaushalte der Bundesregierung ist bereits abgeschlossen; dabei sind die strukturschwachen Gebiete besonders berücksichtigt worden. Ein weiteres Investitionsprogramm ist von der Bundesregierung nicht beabsichtigt. Im Rahmen des Zweiten Programms für besondere konjunktur- und strukturpolitische Maßnahmen 1967/68 wurde unter anderem das Regionale Förderungsprogramm um 50 Mio DM aufgestockt. Mit diesen Mitteln wurden in den niederbayerischen, außerhalb der Zonenrandgebiete gelegenen Landkreisen kommunale Infrastrukturmaßnahmen mil einem Investitionsvolumen von 16 Mio DM gefordert. Dieses Gebiet hat damit einen Anteil an den verfügbaren Zuschüssen erhalten, der fast das Doppelte seines Bevölkerungsanteils an der Bevölkerung alter begünstigten Gebiete erreicht.
Die von der Bundesregierung beschlossenen Richtlinien für die bevorzugte Berücksichtigung bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen vom 31. März 1954 begünstigen Bewerber aus Berlin und dem Zonenrandgebiet.
Der Bundestagsausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen hat in seinem einstimmig vom Bundestag angenommenen Bericht vorn 25. Juni 1965 — BT-Drucksache IV/1668 eine noch stärkere Bevorzugung des Zonenrandgebietes angeregt und darauf hingewiesen, daß die Förderung_ des Zonenrandgebietes vorrangig als politische Aufgabe und Beitrag zur Wiedervereinigung Deutschlands betrachtet werden müsse.
Eine Erweiterung des Kreises der bevorzugten Bewerber könnte nicht auf bestimmte Teile der Bundesausbaugebiete beschränkt werden. Würde man aber die Bundesausbaugebiete insgesamt in die für das Zonenrandgebiet geltenden Bevorzugungsrichtlinien einbeziehen, müßten die bei der öffentlichen Auftragsvergabe zu bevorzugenden Gebiete flächenmäßig auf mehr als das Doppelte anwachsen. Das würde die bisherige Vorzugsstellung des Zonenrandgebietes sehr beeinträchtigen, also das Gegenteil von dem bewirken, was Bundestag und Bundesregierung wiederholt als ihr Ziel erklärt haben.
Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern, zuerst zur Frage 33 des Abgeordneten Mischnick:
Hält es die Bundesregierung mit den Grundsätzen einer parlamentarischen Demokratie und der politischen Fairness film vereinbar, daß in den vom Bundesinnenminister herausgegebenen Beiträgen zur Diskussion über die Wahlrechtsreform ausführliche Stellungnahmen der CDU/CSU und SPD in acht Beiträgen erschienen sind, während die Auffassung der FDP lediglich mit einem Drei-Zeilen-Zitat wiedergegeben wurde?
Bitte sehr, herr Staatssekretär!
Die von Ihnen zitierte Veröffentlichung ist eine von vielen Publikationen, die das Bundesministerium des Innern bisher zur Frage der Wahlrechtsreform herausgegeben bzw. gefördert hat. Alle diese Schriften dienen der sachlichen Information und verdeutlichen zugleich die Auffassung der Bundesregierung und der Fachressorts. Eben dies ist die Aufgabe von Publikationen der Bundesregierung und der Bundesministerien.Ein Blick in die von Ihnen erwähnte Publikation zeigt, daß beide Anliegen berücksichtigt worden sind. Wörtlich sind aus der ebenfalls vom Bundesinnenministerium geförderten Schrift des Berliner Politologen Joachim Raschke über das Wahlrecht „Wie wählen wir morgen?" die Gegenüberstellungen der Vor- und Nachteile des gegenwärtigen Wahlsystems und des Mehrheitswahlrechts übernommen worden. In dieser Aufstellung sind alle be-
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7636 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1968
Parlamentarischer Staatssekretär Bendakannten Argumente der Gegner einer Wahlrechtsreform enthalten. Die von der Freien Demokratischen Partei vorgetragenen Gegenargumente sind zudem sehr ausführlich in der Publikation des Bundesinnenministeriums „Tatsachen und Meinungen", 1/1967, enthalten.Schließlich darf ich noch erwähnen, daß Ihnen, Herr Kollege Mischnick, in der von der Bundeszentrale für Politische Bildung herausgegebenen Wahlrechtsillustrierten als Vertreter der FDP der gleiche Raum, und zwar an erster Stelle, eingeräumt worden ist wie den Vertretern der SPD und der CDU/CSU. Ich sehe daher in der Öffentlichkeitsarbeit des Bundesministeriums des Innern weder einen Verstoß gegen die Grundsätze einer parlamentarischen Demokratie noch einen Verstoß gegen die politische Fairneß.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Moersch.
Herr Staatssekretär, wäre es nicht der Öffentlichkeit gegenüber korrekter, wenn Sie künftig bei Publikationen Ihres Hauses, die in dieser Art erfolgen — wobei ich selbstverständlich Ihre Auffassung über die Objektivität nicht teilen kann —, vielleicht den Vermerk machten: „Beiträge zur einseitigen Unterrichtung der Öffentlichkeit"?
Herr Kollege, wir haben offenbar sehr unterschiedliche Auffassungen über die Aufgabe einer Publikation der Bundesregierung oder eines Bundesressorts. Ich wiederhole, daß es die Aufgabe einer Publikation eines Bundesressorts ist, in objektiver und sachlicher Weise darzustellen, was die Bundesregierung bzw. das Ressort will und warum sie es will. Dieser Aufgabe kommt die Publikation in vollem Umfang nach. Ich glaube, Ihre Charakterisierung ist daher unzutreffend.
Herr Staatssekretär, glauben Sie, daß die Bundesregierung, die in dieser Frage Partei ist, oder daß ihr Ressort überhaupt in der Lage ist, sich selbst Objektivität zu bescheinigen?
Herr Kollege, ich weiß nicht, in welchem Sinne Sie das Wort „Partei" in diesem Zusammenhang gebrauchen. Ich persönlich würde vor einer Bundesregierung, die in einer so wichtigen Frage wie der Wahlrechtsreform nicht weiß, was sie will und warum sie es will, wenig Respekt haben können.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, die bisher zugeteilten Publikationen befassen sich mit den
Grundlagen der beiden Wahlsysteme. Aber für die Beurteilung und Stellungnahme - —
Ich bitte, eine Frage zu stellen.
Die Frage ist die: Es ist für die Abgeordneten erforderlich, die Grundlagen für die 500 Wahlkreise, die geplant sind, in die Hand zu bekommen. Wann ist Ihr Ministerium bereit, diese Unterlagen den Abgeordneten zuzustellen?
Nun, das ist ein etwas anderes Thema, als das, das der ursprünglichen Frage zugrunde liegt.
Sie brauchen nicht zu antworten, Herr Staatssekretär.
Wenn der Herr Präsident gestattet, will ich gern antworten.
Die Bundesregierung wird sich voraussichtlich im Lauf der nächsten Monate, etwa um die Zeit bis Ostern, mit dem vom Bundesinnenministerium vorzulegenden Regierungsentwurf beschäftigen, ihn, wie ich annehme und hoffe, verabschieden und dann selbstverständlich alsbald den gesetzgebenden Körperschaften zuleiten. Dazu gehört auch die Wahlkreiseinteilung.
Herr Abgeordneter Borm zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, können Sie Auskunft geben, aus welchem Fonds die Publikationen bezahlt werden?
Die Publikationen des Bundesinnenministeriums werden selbstverständlich aus dem Haushalt des Bundesinnenministeriums finanziert.
Eine zweite Zusatzfrage.
Sind Sie bereit, Auskunft über die angefallenen Kosten zu geben?
Ich nehme an, daß es möglich ist, diese Auskunft zu geben. Allerdings bin ich nicht in der Lage, jetzt an Ort und Stelle die entsprechenden Kosten mitzuteilen.
Herr Abgeordneter Jung zu einer Zusatzfrage.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1968 7637
Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, in einer der nächsten Ausgaben der laufend erscheinenden Hefte „Schwarz auf Weiß" auch die objektive Stellungnahme der FDP zu diesem Problem zu veröffentlichen?
Herr Kollege, ich habe bereits einmal gesagt, daß in den verschiedenen Veröffentlichungen — ich habe eine zitiert, nämlich „Tatsachen und Meinungen" 1/67 — die FDP sehr ausführlich zu Wort gekommen ist. Ich darf nochmals auf diese Wahlrechtsillustrierte hinweisen. Ich nehme an, daß Sie den Herrn Kollegen, der dort mit einem ganzseitigen Bild veröffentlicht ist, erkennen. Das ist Ihr Kollege Mischnick, der hier sehr ausführlich mit seinen eigenen Worten seine Meinung äußern konnte.
Ich habe mich auf die Hefte „Schwarz auf Weiß" bezogen.
Ich glaube nicht, daß es sinnvoll ist, die Detailfrage, ob „Schwarz auf Weiß" oder „Tatsachen und Meinungen" nun der richtige Ort ist, zu erörtern. Aber dort, wo das Thema behandelt wird, gelten die Grundsätze, die ich hier schon mehrfach dargestellt habe.
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jung.
Herr Staatssekretär, Sie sind also nicht bereit, in den Heften „Schwarz auf Weiß" die objektive Stellungnahme der FDP demnächst zu veröffentlichen?
Herr Kollege Jung, ich habe nur sagen wollen, daß wir die notwendige Redaktionskonferenz hier im Augenblick nicht vornehmen können. Aber im übrigen gelten die Grundsätze, die ich dargestellt habe, selbstverständlich für alle Veröffentlichungen, auch für die, die Sie nennen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Könen.
Herr Staatssekretär, sind Sie überhaupt in der Lage, den Fragestellern eine Zusage in dieser Richtung zu machen, nachdem von den Fragestellern eben selbst festgestellt worden ist, daß derjenige, der Partei ist — da war die Bundesregierung gemeint —, nicht objektiv sein könne, so daß damit zu rechnen wäre, daß die FDP, die auch Partei ist, ebenfalls keinen objektiven Beitrag leisten könnte?
Herr Kollege Könen, man muß im Einzelfall prüfen — und das ist von dem betreffenden Bundesministerium und seinem Minister politisch vor diesem Hohen Hause zu verantworten —, ob eine Darstellung einer Meinung einer politischen Partei sinnvoll ist oder nicht. Dieser Verantwortung wird sich der Bundesminister des Innern durchaus nicht entziehen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schoettle.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, anzuerkennen, daß in den von Ihnen erwähnten Publikationen keine Partei eine Parteimeinung geäußert hat, sondern daß es sich zunächst um Meinungen von Individuen handelt, die keine Partei in vollem Umfang für sich in Anspruch nehmen können?
Herr Kollege Schoettle, die Persönlichkeiten insbesondere aus dem Bereich dieses Hohen Hauses, die gebeten worden sind, ihre Meinung darzustellen, sind nicht wegen ihrer Parteizugehörigkeit darum gebeten worden, sondern weil sie wichtige und auf die Sache bezogene Funktionen haben. Ich nenne beispielsweise den Herrn Vorsitzenden des Innnenausschusscs, Herrn Kollegen Schmitt-Vockenhausen, und unseren bisherigen Kollegen und jetzigen Staatssekretär Dr. Schäfer. Selbstverständlich haben diese Herren — ich unterstelle das jedenfalls — ihre persönliche Auffassung, um die sie gebeten worden sind, dargestellt und haben den Entscheidungen, die von ihren Parteien und Fraktionen zu treffen sind, nicht vorgreifen wollen.
Eine Zusatzfrage, Abgeordneter Schultz.
Schultz (FDP): Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, einzuräumen und meine Meinung zu teilen, daß Sie in unzulässiger Weise die Publikationen des Innenministeriums, nämlich „Schwarz-Weiß", und die Publikationen der Bundeszentrale für politische Bildung vermengt haben, daß das zwei ganz verschiedene Dinge sind und wir uns darüber zu beschweren haben, daß in „SchwarzWeiß" der Standpunkt der FDP nicht richtig zur Geltung gekommen ist?
Ich glaube nicht, Herr Kollege Schultz, daß ich die Dinge vermengt habe. Ich habe im Gegenteil jeweils die Publikationen des Bundesinnenministeriums mit ihrem Titel bezeichnet und daneben die Publikationen der Bundeszentrale für politische Bildung. Wenn ein Mißverständnis bestehen sollte, kann das, meine ich, nicht an mir liegen.
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7638 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1968
Eine zweite Zusatzfrage, Abgeordneter Schultz.
Schultz (FDP): Herr Staatssekretär, geht es Ihnen nicht, ich möchte sagen, unter die Haut, daß wir uns in der Frage, die wir hier gestellt haben, in erster Linie an das Innenministerium, also en Ihr Ressort, und nicht an die Bundeszentrale für politische Bildung gewandt haben, daß das beides ein Unterschied ist und daß wir die Fairneß heim Innenministerium vermissen?
Ich weiß nicht, was sich hinter der Bezeichnung „unter die Haut gehen" verbirgt. Selbstverständlich höre ich Ihre Frage mit großem Interesse und versuche, sie so gut, wie ich es kann, zu beantworten.
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Funcke.
Herr Staatssekretär, wird das Bundesinnenministerium bei der Fortsetzung dieser gezielten Informationen auch das Ergebnis der Umfrage erkennbar machen, in der die Bevölkerung gefragt wurde, ob sie das Zweiparteiensystem oder das Mehrparteiensystem für besser hält?
Es gibt darüber eine Reihe von Veröffentlichungen in der Tagespresse, und die Öffentlichkeit hat — mit Recht — ein großes Interesse daran. Wir werden von Fall zu Fall prüfen und entscheiden, ob die Aufnahme solcher Informationen in die von uns herausgegebenen Publikationen sinnvoll ist.
Eine zweite Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Funcke.
Herr Staatssekretär, Sie werden aber zugeben, daß eine solche Veröffentlichung nicht eine parteipolitische, sondern eine objektive sein würde, weil sie sich auf klare Zahlen stützt.
Frau Kollegin Funcke, ich habe schon einmal — ich glaube, auf eine Frage des Kollegen Moersch — gesagt: Ich bin der Meinung, daß der Bundesminister und das Bundesministerium in einer solchen Frage nicht nur Partei nehmen dürfen, sondern Partei nehmen müssen. Nur bedeutet „Partei" in diesem Falle die Stellungnahme zu einer Sache, nicht eine enge parteipolitische Sicht. Das ist ein sehr großer Unterschied, und ich würde vorschlagen, das dabei zu berücksichtigen.
Meine Damen und Herren, ein Blick auf die Uhr zeigt, daß wir die Zeit der Fragestunde überschritten haben. Ich darf sie damit schließen und bekanntgeben, daß aus der Drucksache V/2464 die Fragen 87, 88, 100, 108, 109 und 110 zurückgezogen sind, ebenso aus der Drucksache zu Drucksache V/2464 die Fragen 151, 152, 154 und 155.
Wir fahren fort in der heute vormittag begonnenen Diskussion zu Punkt 4 der Tagesordnung:
Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU
betr. sektorale und regionale Strukturpolitik.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Debatte von heute vormittig hat sich, glaube ich, in den Fragen der Strukturpolitik im Grundsätzlichen, aber auch in vielen Einzelheiten weitgehend Übereinstimmung gezeigt. Ich will jetzt nur in aller Kürze auf einige wenige spezielle Fragen, die etwas streitig waren, eine präzise Antwort geben.
Herr Kollege Staratzke hat bei sonst weitgehender Übereinstimmung, was die Fragen der marktwirtschaftlichen Strukturpolitik betrifft, beanstandet oder gemahnt, daß die Worte „Mittelstand" und „Mittelstandspolitik" in dem schmalen Vokabularium des Bundeswirtschaftsministers bisher nicht oft genug erschienen seien. Herr Kollege Staratzke, wir sind uns doch darin einig: nicht Wort sind wichtig, sondern Taten. Was die Worte betrifft, so kann ich darauf hinweisen, daß in der Neufassung der Grundsätze der sektoralen Strukturpolitik — —
Meine Damen und Herren, ich bitte doch um etwas mehr Aufmerksamkeit für den Herrn Bundesminister.
- Es wäre vielleicht gut, wenn die. Herren Abgeordneten die Herren Minister und Staatssekretäre nicht ausgerechnet während einer wichtigen Ministerrede attackierten.
Ich darf fortfahren, Herr Präsident!Ich darf darauf hinweisen, daß in den neu formulierten Grundsätzen der sektoralen Strukturpolitik an zwei Stellen speziell auf die Mittelstandspolitik und die Förderung der mittleren und kleinen Betriebe hingewiesen ist. Zu den Taten, Herr Kollege Staratzke, möchte ich hier nur drei Fakten erwähnen.Erstens. Beide Konjunkturprogramme haben nach unserer Beurteilung in besonderem Maße den klei-
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Bundesminister Dr. Schillernen und mittleren Betrieben geholfen. Wir alle haben doch festgestellt, daß sich in der Zeit der Rezession Großbetriebe relativ wohlfühlten und, wenn auch nicht in allen Branchen, stärker daran dachten, sich auf der Talsohle anzusiedeln, um ihre Marktanteile bei sinkender Gesamtnachfrage auf Kosten der kleinen und mittleren Betriebe zu erweitern. Es ist typisch, daß das Unbehagen in der Rezession gerade in den Mittelschichten und in den freien Berufen sowie in den Mittel- und Kleinbetrieben gestiegen ist. Beide Konjunkturprogramme bringen deswegen eine Erleichterung speziell für die mittelständische Wirtschaft.Zweitens. Die Zinsfreigabe hat den Wettbewerb der Banken und des Kreditgewerbes insgesamt jetzt auch um den kleinen Kreditnehmer animiert und entfacht. Die Banken sind gehalten, jetzt mit Farbe zu werben und auch gegenüber dem kleinen Kreditnehmer Farbe zu bekennen. Auch das ist, glaube ich, eine mittelstandspolitische Maßnahme.Drittens. Soweit mich die Erinnerung nicht trügt, ist die Mehrwertsteuer als wettbewerbsneutrale Steuer auch mit der Absicht eingeführt worden, den selbständigen Kleinbetrieben umsatzsteuerpolitisch in etwa die gleiche Chance zu geben wie einem durchkonzernierten, sich vertikal über mehrere Stufen erstreckenden Großunternehmen. Die Mehrwertsteuer soll doch auch in dieser Beziehung helfen.Ich glaube, damit habe ich Ihnen ein paar Beispiele dafür gegeben, daß wir in der Frage der Mittelstandspolitik bei aller Sorge um die Gesamtkonjunktur keineswegs müßig gewesen sind.Ich stimme Ihnen darin zu, daß wir im Bereich der EWG noch sehr viel in Richtung auf einen Abbau von nationalen Wettbewerbsverzerrungen tun müssen. Wir in Deutschland — ga gebe ich Ihnen mit allem Nachdruck recht — sind bei der weiteren Integration des Gemeinsamen Marktes ja geographisch und geoökonomisch Randgebiet und damit also, besonders hinsichtlich unserer Zonenrandgebiete, in einer peripheren Situation. Jede regionale Diskriminierung ist dann für uns von Nachteil.Herr Kollege Gewandt hat zu meiner Freude gesagt, daß Strukturpolitik ein politisches Instrumentarium darstellt, aber keine neue Heilslehre. Ich freue mich, daß auch bei Ihnen die Entideologisierung der Wirtschaftspolitik nunmehr gewisse Fortschritte macht.
— Nun, eine Zeitlang war die Strukturpolitik doch so eine Art eschatologische Angelegenheit.Ich stimme Ihnen auch darin zu, daß der autonome Prozeß im Verteilungssystem uns im Handel — im Groß- und vor allem im Kleinhandel — in vieler Hinsicht einen positiven Strukturwandel und einen Vorsprung vor anderen Ländern beschert hat. Gerade unser westliches großes Nachbarland ist, was den Verteilungsapparat, den Handelsapparat bis zur letzten Stufe betrifft, ein Beispiel dafür, wohin man kommt, wenn man eine ziemlich poujadistische, ziemlich zünftlerisch verkrustete Branchenpolitik füreinen bestimmten Zweig betreibt. Der Distributionsapparat in Frankreich ist sicherlich nicht so gut wie unserer.
Herr Kollege Gewandt, nicht ganz stimme ich Ihnen zu, wenn Sie meinen, ich spräche mich schlechthin für größere Wirtschaftseinheiten aus. Davon kann keine Rede sein. Nur geht es immer darum: Was steht in diesem Fall zur Wahl? Und wenn etwa auf einem bestimmten Markt zur Wahl steht: Kartell oder Fusion zu optimalen Unternehmenseinheiten, wie etwa in der Stahlindustrie, dann sage ich immer: die Fusionen bringen uns immer noch einen höheren Grad von Wettbewerb, als wenn der Markt durch Kartellierung geschlossen wird. So sehe ich ja auch die vier Stahlkontore als ein Trainingszentrum für die Herausbildung optimaler Unternehmenseinheiten an und nicht als eine permanente Syndikalisierung der deutschen Stahlwirtschaft. Das ist nur so ein Beispiel.Es tut mir leid, daß Sie neben Ihren ebenso gewandten wie geschickten Ausführungen über Strukturpolitik dann auf ganz aktuelle Fragen der Konjunkturpolitik,
und zwar sehr punktuell eingegangen sind. Ich kann Sie nur versichern: Für Steuerpolitik ist und bleibt der zuständige Minister zuständig.
Das entspricht ja auch wohl den Äußerungen, die in den letzten Wochen eben im Rahmen der gegebenen Zuständigkeiten geschehen sind.Was die Verschuldungszahlen betrifft, so möchte ich nur drauf hinweisen, daß nach der Statistik der Deutschen Bundesbank, die Herrn Staatssekretär Leicht und mir gestern im Zentralbankrat gegeben wurde, die Netto-Kreditaufnahme für den Bund für 1968 mit 7,7 Milliarden DM und für 1967 mit 7,9 Milliarden DM angegeben wurde. Ich möchte das nur erwähnen, weil Ihre Zahl, die sich sehr umfassend auf alles bezog, vielleicht im Raum stehend etwas sehr dramatisch wirkte.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Gewandt?
Herr Bundesminister, es ist ja sicherlich bei Ihrem Gespräch in Frankfurt nicht nur auf die Verschuldung des Bundes und der Länder, sondern auch der Bundesbahn, der Bundespost und der Gemeinden bezug genommen worden, und wenn Sie das Volumen nehmen und dann auch die Nettozahlen angeben, sind das doch immerhin beachtliche Größen, die nach meiner Auffassung deshalb nicht unbedenklich sind, weil wir doch wohl in Übereinstimmung hoffen, daß sich eines Tages bei einem Aufschwung auch die Privatwirtschaft wieder des Kapitalmarktes bedienen soll, und ich will nicht hoffen, daß die öffentliche Hand ihn dann deroutiert hat.
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7340 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1968
Keineswegs, Herr Kollege Gewandt! Ich bin der Meinung — und ich glaube, in voller Übereinstimmung auch mit dem Herrn Bundesfinanzminister —, daß diese Schuldenlast zu bewältigen ist und daß wir dann, wenn wir wirklich die nötigen Steuermehreinnahmen aus einem realen Wachstum unseres Sozialprodukts bekommen und wenn die Margen der mittelfristigen Finanzplanung überschritten werden, im Sinne des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes an die Tilgung oder an andere Dinge heranzugehen haben, Ich glaube, darüber sind wir uns völlig einig.
Im übrigen muß ich sagen, Herr Kollege Gewandt, mich hat Ihre Kritik an dem Entschließungsantrag, zu dem Herr Kollege Junghans Stellung genommen hat, nicht ganz überzeugt. Sie selber haben doch, wenn mich nicht alles trügt, einen eigenen Entschließungsantrag zur Strukturpolitik eingebracht und haben darin auch gesagt:
Insbesondere soll sie — die Bundesregierung —
sich darüber äußern, in welcher Weise die Finanzierung der entsprechenden Projekte durch gemeinsame Anstrengungen von Bund und Ländern ermöglicht werden kann.
Unter „gemeinsame Anstrengungen" verstehe ich,
daß in Moneten, in Zahlen etwas getan wird, und
I das meinen Sie doch auch. Sie meinen doch nicht nur Sitzungen und Reden.
— Was heißt „nicht mehr Schulden"? Da komme ich wieder darauf zurück, daß unter dem, was hier so schlechthin als Schulden bezeichnet wird, auch der ganz normale langfristige öffentliche Kredit gemeint ist. Der ist doch auch in diesen Zahlen enthalten; das ist doch nicht alles kurzfristige Verschuldung, Kreditschöpfung, Kassenobligationen, U-Schätze oder so etwas. Wir wollen doch alle gemeinsam durch unsere Arbeit das Vertrauen in den Staatskredit und in das Staatspapier stärken. Wir wollen Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand — ich glaube, Sie auch — vielleicht auch mit solchen Mitteln. Dazu brauchen wir eine Mehrausgabe von Staatspapieren an die Bevölkerung, wir brauchen eine Erschließung neuer Gläubigerschichten. Das alles dient dann doch den Gemeinschaftsaufgaben — in diesem Falle sind es nämlich auch Gemeinschaftsaufgaben —: Finanzierung von Infrastrukturmaßnahmen und anderen Investitionen an der Ruhr und an der Saar.
Im übrigen darf ich hinzufügen, daß der privatwirtschaftliche Plan, der Rheinstahlplan, auf den ich gleich noch ein paar Sätze verwenden werde, seinerseits vorsieht, daß, wenn es zu einem positiven Verhandlungsergebnis kommt, 1,8 Milliarden DM, die an sich in 20 Jahren anfallen und den Eigenkapitalanteil der Altgesellschaften darstellen, auf zwei Jahre, nämlich dieses Jahr und 1969, durch eine Großbank oder mehrere Großbanken vorfinanziert werden, um neuen Investitionen zugeführt zu werden. Das vollzieht sich dann mehr im privaten Rahmen; aber es ist doch gesamtwirtschaftlich — ich glaube, Herr Gewandt, darüber sind wir uns einig — genauso zu beurteilen wie der andere Vorgang, daß es via Staat gemacht wird. Der Vorgang via Staat ist doch, was Geldwertstabilität, Preisstabilität, Stabilität unseres Wachstums betrifft, nicht schlechter als der andere Vorgang. In beiden Fällen ist es eine Mobilisierung — etwa durch Vorfinanzierung, wenn es nötig und wenn es möglich ist — von neuen Mitteln für ein Strukturprogramm an der Ruhr und an der Saar. Insofern, glaube ich, sollten Sie von Ihrem eigenen Antrag aus den Antrag der SPD-Fraktion wohlwollend, tolerant und kollegial betrachten.
Ich darf zum Rheinstahlplan, weil er von mehreren Rednern angesprochen wurde, noch folgendes sagen. Ich selber habe den Herren Vertretern der Eigentümerseite gesagt: Es ist völlig unmöglich, daß wir einen Ausschuß des Deutschen Bundestages, der an einem wichtigen Gesetz arbeitet, ständig in einem bestimmten Punkt seine Arbeit über einen bestimmten Zeitpunkt hinaus prolongieren lassen. Die Eigentümer wissen — und ich habe das auch dem Vorsitzenden und auch dem stellvertretenden Vorsitzenden des Wirtschaftsausschusses gesagt —, daß sie sich Ende Januar bzw. Anfang Februar zu einem Kompromiß oder zu einer klaren abschließenden Äußerung durchringen müssen. Ich muß hinzufügen, soweit Schwierigkeiten zwischen der Eigentümerseite und der Industriegewerkschaft Bergbau und Energie bestehen, geht es in der RheinstahlplanDebatte um zwei Fragen, Herr Kollege Ravens: um die Frage der Mitbestimmung und die Frage der Wohnungswirtschaft. Ich persönlich bin der Meinung, an diesen beiden Fragen dürfte das Projekt nicht scheitern. Wenn das Projekt scheitern sollte, dann vielleicht an dem geldlichen Volumen, weil die Bürgschaftsvorstellungen zwischen dem Finanzminister und dem Wirtschaftsminister auf der einen Seite, die ja eine gemeinsame Vorstellung über die Plafondierung haben, und den Petenten, den Eigentümern, auf der anderen Seite sehr weit auseinanderklaffen. Das ist eine wichtige Frage. Aber die beiden anderen Punkte, die zwischen der Gewerkschaft und der Unternehmensseite in der Diskussion sind, sollten eigentlich schiedlich-friedlich geregelt werden. Beide Seiten wissen auch, daß ich persönlich jederzeit bereit bin, bei beiden Punkten — Mitbestimmung in einer Gesamtgesellschaft bis zu einer bestimmten Größe herunter und Wohnungswirtschaft — als Dritter zu vermitteln.
Herr Kollege Gewandt, Sie sollten anerkennen — und Sie wissen das ja auch —, daß ich nicht für eine grenzenlose Staatsverschuldung eintrete. Ich bin doch derjenige gewesen, der hier nach Absprache mit der gesamten Bundesregierung erklärt hat, die Gesamtbürgschaft von 7,2 Milliarden DM als eine Verpflichtung des Staates wäre sehr hoch. Ich habe hier eine Plafondierung genannt, um die öffentlichen Finanzen nicht völlig ins Obligo zu bringen und dem Eigenrisiko der Unternehmer selber auch einen beträchtlichen Anteil zu geben.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Ravens?
Herr Bundesminister, darf ich auf Ihre Äußerung hinsichtlich der Verhandlungen zwischen der IG Bergbau und Energie und dem sogenannten Rheinstahlkreis zurückkommen. Würden Sie es mit mir zusammen nicht auch für besser halten, wenn, solange die Verhandlungen laufen, keine Briefe von einer Seite geschrieben würden, in denen versucht wird, wesentliche Verhandlungsobjekte durch eine abschließende Stellungnahme aus der Verhandlung herauszulösen?
Ich bin mit Ihnen völlig einig, Herr Kollege Ravens. Ich glaube, Sie meinen in diesem Falle nicht den Eigentümerkreis, sondern den Unternehmensverband Ruhrbergbau, der einen Brief geschrieben hat. Aber ich glaube, ,es ist unsere Aufgabe, die Relation zwischen Unternehmensverband und der entsprechenden Gewerkschaft — im Interesse der Autonomie beider Gruppen — hier nicht allzusehr zu debattieren. Das ist wohl deren unmittelbares Verhältnis. Ich möchte nur klarstellen, daß der Brief vom Unternehmensverband und nicht von Eigentümerkreis kam. Ich stimme Ihnen in der Sache völlig zu.
Im übrigen muß ich noch hinzufügen, daß das Gutachten über die Wirtschaftlichkeitsrechnung bei der Treuarbeit seit dem 8. November, als hier über die Gesamtgesellschaft debattiert wurde, in Arbeit ist und daß dieses Gutachten natürlich noch etwas Zeit braucht. Das ist eine sehr komplizierte Rechenmaterie. Das Gutachten ist meines Erachtens- für eine endgültige Entscheidung sowohl der Eigentümer wie des Staates, der hier ein Obligo übernehmen soll, sehr wichtig.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Illerhaus?
Herr Bundesminister, Sie sprechen mit Recht — und wir alle — von den Sorgen und schweren Problemen beim deutschen Kohlenbergbau. Sind Sie sich klar darüber, wenn Sie dort Zusagen finanzieller Art machen, 'daß andere Wirtschaftszweige, z. B. die deutsche Textilindustrie, dann mit gleichem Recht an Sie herantreten, und was würden Sie denen dann antworten?
Herr Kollege Illerhaus, wir haben am 8. November eine sehr ausführliche Energiedebatte gehabt. In ihr haben alle Seiten des Hauses die außergewöhnlich prekäre Strukturkrisensituation des deutschen Steinkohlenbergbaus geschildert und bewertet. Alle Seiten des Hauses, glaube ich, haben die Linie der Bundesregierung gebilligt, daß hier eind Strukturbereinigung nicht gegen den Markt, sondern mit dem Markt und im Sinne des Fortschritts stattfinden muß und daß diese Maßnahmen eine Umwandlung der Unternehmensstruktur erfordert. Auch ,das ist
hier allgemeine Meinung gewesen, daß wir die privatwirtschaftliche Umwandlung, also die privatwirtschaftlich freiwillige Lösung vorziehen würden. Es hat sich nur herausgestellt, daß ein Teil des Risikos dem Staat angeboten wird. Wir verhandeln jetzt über einen gemeinsamen Vorschlag — das möchte ich nochmals sagen — des Bundesfinanzministers und des Bundeswirtschaftsministers. Wir sind in dieser Beziehung völlig d'accord, Ich glaube nicht, daß man die schwere soziale Situation an der Ruhr und an der Saar, die dort durch die lange verschleppte Strukturkrise bedingt ist, in ihrer sozialen Intensität, in ihrer Spannung, mit den Schwierigkeiten irgendeines anderen Wirtschaftszweiges in der Bundesrepublik vergleichen kann.
Eine zweite Zwischenfrage des Abgeordneten Illerhaus.
Herr Bundesminister, ich bin mit Ihnen im Grundsatz einig. Aber glauben Sie nicht, daß man auch in der Textilindustrie, wenn man nicht bald etwas tut — nicht im Hinblick auf Subventionen und Beihilfen oder so etwas, sondern in bezug auf die Infrastruktur und die Harmonisierung der Steuern im EWG-Bereich, auf das Verhältnis von direkten und indirekten Steuern —, zu einer strukturellen Krise kommen kann?
Natürlich haben wir strukturelle Schwierigkeiten in der deutschen Textilindustrie, Herr Illerhaus. Das gebe ich Ihnen freimütig zu. Das ist eigentlich gar nicht zuzugeben, das i s t einfach der Fall. Aber erstens möchte ich sagen, in der Qualität — was sozusagen die „gesellschaftliche Sprengladung" angeht — ist die Sache bei der Kohle bei weitem schwerwiegender als in der Textilindustrie. Zweitens: Ich habe zu meiner Freude festgestellt, daß im Wirtschaftsministerium vor längerer Zeit schon -und wir wollen das jetzt wieder aufnehmen — ein Sanierungs- und Strukturbereinigungsplan für die deutsche Textilindustrie vorbereitet und angeboten worden war, der dann nicht akzepiert worden ist. Das ist Vergangenheit. Wir wollen hier nicht weiter über die Vergangenheit reden. Wir selber überlegen uns, ob wir so etwas für die Textilwirtschaft nicht einmal neu machen sollten. Daß in der Textilindustrie eine Selektion zu den guten Betrieben hin gefördert werden muß — und Gott sei Dank gibt es ganz fortschrittliche Unternehmen in der Textilwirtschaft — ist uns, glaube ich, klar. Das ist keine bloße Konservierung, Herr Illerhaus.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das wären meine kurzen Zwischenantworten zu den, soweit ich sehe, noch kritischen Fragen. Im übrigen betone ich noch einmal, ich bin für die vielen Anregungen hier besonders dankbar und freue mich, daß Strukturpolitik hier nicht als eine Summe von Schutzmaßnahmen innerwirtschaftlicher und außerwirtschaftlicher Protektionismus dargelegt und interpretiert wurde, sondern eben als eine Angelegenheit, die dem Markte entgegenkommt und nicht gegen die fortschrittliche Entwicklung unserer Wirt-
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Bundesminister Dr. Schiller
schaft gerichtet ist. Ich darf mich für diese Übereinstimmung besonders bedanken. Sie wird unsere Arbeit in der kommenden Zeit besonders befruchten; denn wenn die Globalsteuerung im Laufe dieses Jahres ihre vollen Erfolge zeitigt, werden natürlich Einzelprobleme in Einzelbranchen für unsere Arbeit von besonderer Bedeutung werden, und dazu gehört eben die Strukturpolitik in sektoraler und in regionaler Hinsicht.
Meine Damen und Herren, wir haben eine sehr lange Rednerliste. Der Abgeordnete Weigl hat mir zur Verkürzung des Verfahrens seine Rede schriftlich gegeben. Ich nehme an, Sie sind einverstanden, daß sie zu Protokoll gegeben wird.
Es spricht nunmehr der Abgeordnete Porsch.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Herr Professor Schiller hat eben ein großes Wort gelassen ausgesprochen, das ich meinem Beitrag zu den Problemen der Zonenrandgebiete vorausschicken möchte. Wir Freien Demokraten schließen uns seiner Meinung an: Nicht Worte, sondern Taten sind notwendig.Wenn allerdings die vielen tausend Arbeitslosen etwa des bayerischen Grenzlandes die bisherige heutige Debatte erlebt hätten, würden sie für die Dinge, auf die sie dringend warten, nicht gerade von echter Hoffnung erfüllt sein.Die Struktur mag in manchen Gebieten mehr oder weniger verschieden von der verkehrs-, der agrar- und der wirtschaftspolitischen Entwicklung beherrscht sein. Im Zonenrandgebiet einschließlich des ostbayerischen Grenzlandes ist Strukturpolitik eine gesamtpolitische Aufgabe. Die bisherige staatliche Hilfe für die Zonenrandgebiete, sei es in Frachthilfe, sei es in Sonderabschreibungen oder anderen Sonderleistungen, war für die dortige Wirtschaft ganz klar eine echte Unterstützung und sollte natürlich beibehalten werden.Aber in den letzten Monaten und Jahren hat sich gerade im Zonenrandgebiet und im bayerischen Grenzland gezeigt, daß dort das konjunkturempfindlichste Gebiet ist. Wir sollten doch einmal an das vor einigen Jahren ausgesprochene Wort denken, daß das Zonenrandgebiet der Vorgarten der freien Welt sein und nicht zum Hinterhof werden sollte.Ich darf Ihnen nachher Zahlen aus dem bayerischen Grenzgebiet nennen. Über sie werden Sie vielleicht einigermaßen erstaunt sein. Wichtig und entscheidend für die Entwicklung ist, daß dort ständige Arbeitsplätze geschaffen werden. Die Zeit eilt, weil es nach unserer Meinung in den 50er Jahren versäumt worden ist, dort ständige Arbeitsplätze zu schaffen. Es kommt nicht darauf an, daß, wenn Arbeitskräfte in der Bundesrepublik gerade einmal Mangelware sind, dort in Kinosälen und in Gasthaussälen plötzlich Betriebe entstehen, die, wie wir im letzten Jahr gesehen haben, genauso schnell verschwinden, wie sie gekommen sind. Nach unsererMeinung ist es notwendig, mit Hilfe des Bundes alles zu tun, damit sich dort eine Industrie ansiedelt, die bereit ist zu investieren, der allerdings Bund, Länder und auch Gemeinden dieses Investieren interessant machen müssen.Zur Zeit besteht in diesem bayerischen Grenzland eine neue Sorge, vor allem im oberpfälzischen und im niederbayerischen Raum. Es ist die Sorge, ob tatsächlich Nebenbahnen aufgelassen werden; denn sie sind ja die wichtigsten Verkehrsverbindungen für eine Industrie, die dort schon seßhaft ist oder seßhaft gemacht werden soll.Dazu kommt noch die gesamte Unklarheit mit den Begrenzungen für den Kraftwagenverkehr, was ja für das Grenzland wiederum von besonderer Bedeutung ist.Herr Professor Schiller, ich würde Sie sehr gern einmal einladen, etwa den Raum von Vohenstrauß bis Wegscheid in der Zeit zu besuchen, in der — gerade jetzt - dort die langen Kolonnen von Arbeitslosen stehen und unerhört hohe Zahlen von Arbeitslosen zu verzeichnen sind.Ich darf dazu mit Genehmigung des Herrn Präsidenten ein paar Beispiele nennen. Es handelt sich um Vergleichszahlen, die uns, wie ich glaube, beweisen, daß sich die Talfahrt, die im vorigen Frühjahr beendet sein sollte, in diesem Winter leider wiederholt hat, ja, erneut begonnen hat.Im Landkreis Oberviechtach hatten wir im Februar 1967 30,4 %, im September 1967 9,8 % und im Dezember 1967 — also praktisch zur Zeit — 34 % Arbeitslose. Ein anderes Beispiel: Im Landkreis Waldmünchen waren im Februar 1967 24,9 %, im September 9,1 % und im Dezember vorigen Jahres 24,7 % Arbeitslose zu verzeichnen. Bayern im Gesamtdurchschnitt: 5,3 %, 1,8 % und 3,8 %. Die Zahlen lassen sich durch Angaben über andere Landkreise dieses Gebiets noch wesentlich ergänzen. Ich möchte mir das wegen der Kürze der Zeit ersparen. Aber daraus ist doch zu ersehen, daß dieses Problem der Grenzlandgebiete viel ernster zu nehmen ist, als das an mancher Stelle geschieht. Natürlich: wenn bei uns 30 % arbeitlos sind, wird nicht gleich im Fernsehen über die Arbeitslosenschlangen berichtet, die an unseren Rathäusern bzw. vor den Arbeitsämtern stehen. Es ist aber an der Zeit, daß nun dort im Rahmen einer guten Raumordnung Arbeitsplätze geschaffen werden und daß sich diese Schlangen nicht jährlich wiederholen. Letzten Endes hat die Bevölkerung in diesem Gebiet ein Recht auf ihren Arbeitsplatz. Der Familienvater hat auch ein Recht darauf, ,seinen Feierabend im Kreise seiner Familie verbringen zu können. Auch das muß gesehen werden. Zu einem großen Teil gibt es dort seit vielen Jahren noch den Fernpendler. Es wäre so einfach gewesen, im Lande Bayern einen Teil der Industrie anzusiedeln, die :in den Ballungsräumen täglich neue Probleme schafft. Ich denke etwa an den Großraum München — selbst wenn ich damit erneut Widerspruch herauslocke — oder auch an den Großraum Nürnberg. Bund und Land müßten gemeinsam versuchen, neue Industrien dort anzusiedeln, wo sich
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Porschdie Arbeitskräfte befinden, damit diese Arbeitskräfte nicht am Sonntagabend oder in der Nacht vom Sonntag zum Montag wegfahren müssen, in Baracken kampieren und am Freitag zurückfahren müssen, bis sie eines Tages, wie ich neulich schon sagte, die Wohnungsprobleme in München oder in Nürnberg vermehren.
Unser Kollege Ravens hat heute erwähnt, daß das Problem zu lösen sei, wenn der Rhein-Main-Donau-Kanal ausgebaut werde. Dazu möchte ich ein Wort sagen. Es ist zu überlegen, ob die 2,2 Milliarden DM, die der weitere Ausbau kostete, wenn es schnell gehen soll - das wird ja auch noch 10 Jahre dauern , nicht besser angelegt wären, wenn man die Arbeiten zunächst einmal etwas länger streckte und dafür sogrte, daß im Grenzland Industrien angesiedelt werden. Ich bin der Überzeugung, daß die Bahnstrecke zwischen Regensburg und Nürnberg bei weitem nicht ausgelastet ist. Das kann sogar von der Bundesbahn nachgewiesen werden. Man sollte solch entscheidende Projekte nicht allein davon ableiten, daß sich irgendwo eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens darauf freut, die Kapitänsmütze aufzusetzen, wenn die Einweihung des neuen Hafens heransteht, sondern man sollte überlegen, ob das Geld nicht nutzbringender für eine schnelle Hilfe zur Industrieansiedlung verwendet werden kann. Wenn wir dennoch die heutige Debatte in diesem Hause wieder einmal als eine Angelegenheit. schöner Reden betrachten und nicht Taten folgen lassen, können die Ballungsräume eines Tages zu einem Problem werden. Wir hätten es in der Hand — gerade Ihre Regierung; denn Ihre Parteien stellen alle Landesregierungen in den Ländern, deren östliche Grenzgebiete gleichzeitig Zonenrandgebiet sind —, diese Probleme endlich einmal anzufassen. Die Ballungsräume werden eines Tages nicht nur zum gesellschaftspolitischen Problem — lesen Sie recht gut nach, was heute über Bremen in den Zeitungen steht; das tangiert uns heute noch nicht, aber vielleicht in einigen Jahren —, sie können auch zum echten politischen Problem für diesen Staat werden.Lassen Sie mich mit der Bitte an die Parteien und Fraktionen dieses Hauses wie auch an die Bundesregierung schließen, alles für die Menschen in den Zonenrandgebieten, aber vor allem auch im bayerischen Grenzland zu tun, die bei aller Enttäuschung, die sie erleben mußten, bis jetzt — vielleicht war das ihr Fehler - in völliger Ruhe ihr nicht ganz einfaches Schicksal ertragen haben. Wir sind aufgerufen, einen gesunden, wirtschaftlich und kulturell gut erschlossenen Lebensraum entlang der Ostgrenze des einen Teiles unseres geteilten Tandes zu schaffen; fürwahr nach unserer Meinung eine gesamtdeutsche Aufgabe, bei der wir als Opposition gern eine praktische Hilfe leisten.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wohnungswesen und Städtebau.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit gutem Recht ist in der heutigen strukturpolitischen Debatte auf die Bedeutung des Wohnungs- und Städtebaus hingewiesen worden. Ich brauche in diesem Zusammenhang dem Hohen Hause nicht zu erläutern versuchen, welche Schlüsselstellung die Bauwirtschaft für unsere Gesamtwirtschaft hat. Wenn ich darauf aufmerksam machen darf, daß der Wohnungsbau am gesamten Hochbau etwa einen Anteil von 60 % und am gesamten Baugewerbe von über 40 % ausmacht, dann, glaube ich, wird in diesen beiden Zahlen schon deutlich, welche entscheidende konjunktur- und strukturpolitische Bedeutung dem Wohnungsbau zukommt. Um die Problematik zu beleuchten, lassen Sie mich ein paar Zahlen hinzufügen. Wir haben im Jahre 1966 ein Fertigstellungsergebnis von 605 000 Wohnungen gehabt. Wir rechnen damit, daß wir im vergangenen Jahr etwa 570 000 Wohnungen in der Bundesrepublik gebaut haben. Wenn wir den bestehenden Überhang und die bisher erteilten Baugenehmigungen in Betracht ziehen, können wir vielleicht damit rechnen, daß im Laufe des Jahres etwa 550 000 Wohnungen hergestellt werden.Alle langfristigen Prognosen, ob sie nun von deutschen Instituten, von den Bauverwaltungen der Länder oder z. B. vom Prognos-Report in Basel angestellt worden sind, sprechen davon, daß langfristig mindestens 400 000 Wohnungen jährlich gebaut werden müssen. Einige Prognosen gehen etwas höher. Aber wenn Sie sich einmal diese Zahlenreihen vergegenwärtigen, wird Ihnen eine Entwicklung sichtbar, die deutlich macht, daß hier struktur- und konjunkturpolitische Aufgaben auf uns zukommen, die unter Umständen nicht ganz ungefährlich sind, wenn es uns nicht gelingt, eine allmähliche und elastische Anpassung der einmal großen Wohnungsbauvolumen an ein langfristiges Volumen von etwa 400 000 im Jahr zu erreichen.Hier wird es darauf ankommen, sich zu überlegen, wie man eine solche Entwicklung auffängt und welcher Ersatz vielleicht konjunktur- und strukturpolitisch für die deutsche Bauwirtschaft gefunden werden kann. Ich glaube, daß sich ein solcher Ersatz aus zwei Bereichen anbietet. Ich sehe eine große Reserve für die Bauwirtschaft nach wie vor in dem erheblichen Instandsetzungsbedarf des Althausbesitzes und in dem großen Sanierungsbedarf unserer Städte und Dörfer.Wie groß der Instandsetzungsbedarf des Althausbesitzes insgesamt ist, wissen wir nicht genau. Heute morgen ist schon auf die Notwendigkeit hingewiesen worden, das Wohnungszählungsgesetz zu verabschieden, das das Hohe Haus schon wiederholt beschäftigt hat. Mit Recht ist bedauert worden, daß es bisher noch nicht gelungen ist, für dieses Gesetz die Zustimmung des Bundesrates zu finden. Der Vermittlungsausschuß wird sich Anfang Februar erneut — zum dritten Male — mit diesem Gesetzentwurf befassen. Ich hoffe, daß es dann gelingt, auch die Zustimmung der Länder zu finden. Ich halte dieses Gesetz für unbedingt notwendig, um einen exakten Überblick nicht nur über den tatsächlichen Woh-
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Bundesminister Dr. Lauritzennungsbedarf, sondern auch über den Instandsetzungsbedarf des Althausbesitzes und den Sanierungsbedarf unserer Städte zu gewinnen. Es gibt eine repräsentative Erhebung der vergangenen Jahre, die zu dem Ergebnis gekommen ist, daß im Wohnungsbestand der Bundesrepublik etwa eine Million Wohnungen nicht anders saniert werden können als dadurch, daß sie abgebrochen und durch neue ersetzt werden. Etwa sechs bis sieben Millionen Wohnungen sind sanierungsbedürftig.Welche Bedeutung in dem Instandsetzungsbedarf des Althausbesitzes steckt, ist, glaube ich, bei unserem Zweiten Konjunkturprogramm deutlich geworden; hier ist mit Zinszuschüssen und Darlehen der Länder ein Programm zur Instandsetzung von etwa 250 000 Vorhaben in Gang gebracht worden, und zwar mit einem Gesamtbauvolumen von 1,5 Milliarden DM. Gerade diese Maßnahme des Zweiten Konjunkturprogramms hat einen großen Anklang gefunden; es ist, wenn ich richtig unterrichtet bin, dasjenige Programm des Zweiten Konjunkturhaushalts, das zuerst abgewickelt worden ist. Ich glaube, daß hier eine Aufgabe vor uns liegt, der wir auch in Zukunft unsere besondere Aufmerksamkeit zuwenden sollten. Es sollten Mittel und Wege gefunden werden, auch vom Bund her weitere Hilfen zur Verfügung zu stellen.Der Sanierungsbedarf der Städte und Dörfer ist bisher auch nicht exakt ermittelt worden. Er geht in die Milliarden. Wenn es gelingt, hierfür Finanzierungsmöglichkeiten zu finden, kann — strukturell gesehen — langfristig auch für die deutsche Bauwirtschaft hier ein Aufgabenvolumen mobilisiert werden, dem eine große wirtschaftliche Bedeutung zukommt. Ich sehe aber hierin nicht nur eine konjunktur- und strukturpolitische Bedeutung, sondern ich glaube, daß ,es sich bei dem Sanierungsbedarf unserer Städte und Dörfer um eine Aufgabe handelt, die kommunalpolitisch und gesellschaftspolitisch ein ganz besonderes Gewicht hat. Dieser Aufgabe sollte größere Aufmerksamkeit zugewendet werden als bisher. Hier ist ein baldiges Handeln notwendig, wenn wir uns nicht schwerwiegende Versäumnisse zuschulden kommen lassen wollen. Um etwas Entscheidendes zu tun, brauchen wir nach meiner Meinung ein Bundesgesetz, in dem eine Reihe von bodenrechtlichen Problemen, die Frage der Trägerschaft solcher Sanierungsvorhaben, aber auch eine finanzielle Beteiligung des Bundes an diesen Vorhaben geregelt werden.Ich habe mit Befriedigung festgestellt, daß sowohl in der öffentlichen Diskussion als auch in der Debatte des heutigen Tages immer wieder auf die Notwendigkeit eines solchen Städtebauförderungsgesetzes hingewiesen worden ist. Ich hoffe, daß es gelingt, bei den Verhandlungen mit den Ländern über die Finanzreform auch dieses Problem so zu lösen, daß damit für ein Städtebauförderungsgesetz des Bundes die Bahn frei wird. Ich hoffe, daß es möglich ist, noch in diesem Jahr einen solchen Gesetzentwurf den parlamentarischen Körperschaften vorzulegen.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidhuber.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie der Kollege Porsch möchte ich mich mit einigen Fragen der regionalen Strukturpolitik beschäftigen. Es ist heute schon wiederholt darauf hingewiesen worden, daß unsere Volkswirtschaft in einem raschen Wandlungsprozeß begriffen ist, und es gibt viele Anzeichen dafür, daß sich dieser Wandlungsprozeß in den nächsten Jahren noch beschleunigen wird.Ein Kennzeichen dieser Wandlung ist das Zurückfallen der Bedeutung der Urproduktion für die Erwirtschaftung des Sozialprodukts. Dies gilt sowohl für die Landwirtschaft als auch für den Bergbau. Für die Beteiligten, d. h. für die Erwerbspersonen in Landwirtschaft und Bergbau, hat diese Entwicklung große Veränderungen und auch eine Reihe bitterer Konsequenzen mit sich gebracht. Diese sozialen Umschichtungen sind die Kehrseite des technischen Fortschritts, der Preis für die industrielle Wohlstandsgesellschaft, ein Preis, der nicht allein von den unmittelbar Betroffenen gezahlt werden kann und darf.Im Gegensatz zum Bergbau ist dieser Umschichtungsprozeß in der deutschen Landwirtschaft schon wesentlich länger im Gange und hat weit größere Dimensionen, was man angesichts der politischen Nebenerscheinungen in den Bergbaugebieten manchmal vergessen könnte. Die Stärkung der Wirtschaftskraft der überwiegend agrarisch orientierten Gebiete, die Synchronisation der Freisetzung der in der Landwirtschaft tätigen Erwerbspersonen mit der Schaffung neuer gewerblicher Arbeitsplätze sind aber deswegen kein geringeres wirtschaftspolitisches Problem. Die Existenzangst des einzelnen ist im Bayerischen Wald ebenso groß wie in Gelsenkirchen oder Recklinghausen.
Als spezielle Aufgabenstellung der Regionalpolitik ist die Förderung des Zonenrandgebietes hervorzuheben. Hier haben wir einen der wenigen praktischen Ansatzpunkte, um der Herausforderung der Spaltung unseres Vaterlandes zu begegnen, indem wir verhindern, daß sich an der Zonengrenze eine soziale und wirtschaftliche Erosion breitmacht. Gerade dort müssen wir den Beweis für die Leistungskraft der sozialen Marktwirtschaft antreten.Diese politischen Gesichtspunkte müssen bei der Ausgestaltung der Hilfen entsprechend berücksichtigt werden. Ich möchte nicht in den Fehler verfallen, die Regionalpolitik isoliert zu betrachten. Sie ist selbstverständlich nur ein Instrument im großen Werkzeugkasten der Wirtschaftspolitik. Sie muß eingesetzt werden für die allgemeinen Ziele unserer Wirtschaftspolitik, nämlich Stabilität und Wachstum. Dazu gehört auch die Zielvorstellung von der Gleichheit der Lebensbedingungen, die es mit Hilfe der Regionalpolitik in den strukturschwachen Gebieten durchzusetzen gilt. Dazu gehört auch, daß gleiche Tatbestände oder, besser gesagt, Notstände mit den gleichen Mitteln und mit gleicher Intensität
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Schmidhuberbehandelt werden. Die Lautstärke, mit der die Forderungen vorgetragen werden, ist da nicht immer der richtige Maßstab.Ein gewisser, wenn auch nicht völlig unanfechtbarer Gradmesser sind die Arbeitslosenzahlen, die heute schon öfters hier eine Rolle gespielt haben. Aus ihnen geht hervor, daß die Beschäftigungssituation in den ostbayerischen Notstandsgebieten mindestens ebenso kritisch ist wie im •Ruhrgebiet. Während am 31. Januar 1967 in den Arbeitsamtsbereichen Gelsenkirchen 5,2 %, Essen 3,8 % und Aachen 3,7 % der Erwerbstätigen arbeitslos waren, lauteten die Zahlen für die Arbeitsamtsbezirke Passau 19,5 %, Deggendorf 16,0 % und Schwandorf 13,7 N. Die Zahlen für diesen Winter dürften sich in der Relation kaum günstiger entwickeln als im Vorjahr.Warum trage ich Ihnen diese Zahlen vor? Weil wir große Sorge haben, daß im Vergleich zu der Sanierung der Steinkohlenbergbaugebiete, die wir selbstverständlich bejahen, die Förderung der wirtschaftsschwachen Gebiete, d. h. des Zonenrandgebiets und der Bundesausbaugebiete, ins Hintertreffen kommen könnte. Diese Befürchtung hegen wir insbesondere seit Vorlage des Steinkohlenanpassungsgesetzes.
Nach § 26 dieses Gesetzentwurfs soll eine Investitionsprämie von 10% als spezieller Investitionsanreiz für die Steinkohlenbergbaugebiete gewährt werden. Weiter soll den ausscheidenden Bergarbeitern von der öffentlichen Hand ein Abfindungsgeld — ein völliges Novum in der deutschen Sozialgeschichte — gewährt werden. Die Auszahlung dieser Gelder wird die marktwirksame Nachfrage in den Steinkohlenbergbaugebieten stützen bzw. beleben und ist somit unmittelbar auch als eine strukturpolitische Maßnahme anzusehen. Man wird dem freigesetzten Landarbeiter und dem Textilarbeiter, der seinen Arbeitsplatz wegen der Schrumpfung dieser Branche verloren hat, schwer klarmachen können, warum er nicht in den Genuß einer solchen Vergünstigung kommt.
Wir begrüßen es, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister in der Antwort auf die Kleine Anfrage der Kollegen Schlager, Burgemeister, Hösl, Niederalt und Genossen erklärt hat, ab 1. Januar 1968 könnten Investitionszuschüsse bis zu 15 % für Projekte im Zonenrandgebiet und in den Bundesausbaugebieten gewährt werden. Dies bedeutet aber nur eine formelle Gleichstellung; denn an der Höhe der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel, die überdies durch Sonderprogramme stark in Anspruch genommen sind, hat sich damit noch nichts geändert. Das Investitionsvolumen, das begünstigt werden kann, steht also in keinem Verhältnis zu dem, was durch die Anwendung des vorgesehenen § 26 des Steinkohlenanpassungsgesetzes vermutlich in Bewegung gesetzt werden wird.Ich darf in diesem Zusammenhang noch eine andere Frage anschneiden. Es ist beabsichtigt, die Regionalpolitik als Gemeinschaftsaufgabe von Bundund Ländern im Grundgesetz zu verankern. Dies erscheint mir aber nur dann als eine sinnvolle Maßnahme, wenn die für diesen Zweck zur Verfügung stehenden Mittel erheblich aufgestockt werden. Bei dem gegenwärtigen Umfang der Mittel lohnt sich hier die Erklärung zur Gemeinschaftsaufgabe nicht.Die Befürchtung, daß es zu einer Benachteiligung der strukturschwachen Gebiete kommen könnte, ist durch den Bericht des Bundeswirtschaftsministers über die Strukturmaßnahmen für Ruhr und Saar an den Wirtschaftsausschuß des Deutschen Bundestages vom 16. Januar 1968 noch verstärkt worden. Der Bundeswirtschaftsminister geht hier von einem notwendigen Investitionsvolumen von 3 Milliarden DM für 60 000 Arbeitsplätze, die in den nächsten zwei bis drei Jahren geschaffen werden sollen, aus. Daneben sollen Infrastrukturinvestitionen in einer Größenordnung von etwa 5 Milliarden DM im Ruhrgebiet, allerdings im Rahmen eines langfristigen Plans, vorgenommen werden. Ich kann mich hier nicht mit der Frage befassen, ob die diesen Vorstellungen zugrunde liegenden Annahmen richtig sind. Ich will auch nicht die Notwendigkeit der vorgeschlagenen Maßnahmen in Zweifel ziehen. Ich möchte nur in aller Bescheidenheit darauf hinweisen, daß in Ostbayern, in den strukturschwachen Gebieten Niederbayerns, der Oberpfalz und Oberfrankens und auch in den Industrieräumen München und Nürnberg äußerst dringliche Infrastrukturmaßnahmen auf die hoffentlich ebenso großzügige Hilfe des Bundes warten.Nur als Anmerkung darf ich darauf verweisen, daß Niederbayern der einzige Regierungsbezirk in der Bundesrepublik ist, der bis heute und wahrscheinlich auch in den nächsten Jahren noch nicht über einen Meter Autobahn verfügt. Ich hoffe, daß das Ostbayern-Programm, das von der bayerischen Staatsregierung demnächst verabschiedet wird, beim Bundeswirtschaftsminister die gleiche freundliche Aufnahme findet wie die Pläne des Landes Nordrhein-Westfalen.
In diesem Zusammenhang darf ich auch noch einen Hinweis auf die Bedeutung des Rhein-MainDonau-Kanals machen. Ich bin da allerdings nicht der Meinung des Kollegen Porsch, dem es nach seinen Äußerungen wohl in erster Linie auf die damit verbundenen Einweihungsfeiern ankommt. Der Rhein-Main-Donau-Kanal hat eine überragende verkehrs- und allgemein wirtschaftspolitische Bedeutung als eine Verbindung der beiden Großschifffahrtsstraßen Rhein und Donau. Er wird einmal den Anschluß Südosteuropas an die zentralen Wirtschaftsräume Mitteleuropas bewirken und damit eine fruchtbare Wirkung haben, die weit über Bayern hinausgehen wird.Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang ein kurzes Wort zum Leber-Plan sagen. Die verkehrspolitischen Vorschläge der Bundesregierung werden genau daraufhin zu überprüfen sein, welche Auswirkungen sie für die wirtschaftsschwachen Gebiete7646 Deutscher Bundestag — S. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1968Schmidhuberhaben werden. Wir haben die Sorge, daß diese Vorschläge in einigen Punkten mit den regionalpolitischen Erfordernissen nicht übereinstimmen. Wir wollen zu gegebener Zeit auf diesen Punkt ausführlich zurückkommen.Der Kollege Ravens hat sich heute morgen mit dem Entschließungsantrag der CSU-Landesgruppe kurz befaßt. Ich möchte hier noch einmal unseren Standpunkt verdeutlichen. Unsere Forderung nach Verstärkung der Förderungsmittel ist als eine langîristige Umschichtungsmaßnahme zu verstehen. Wir möchten uns nicht dem Verdacht aussetzen, daß wir eine Politik des leichten Geldes im Gewand der Strukturpolitik treiben wollen.
Für uns ist die Regionalpolitik eine die Konjunkturphasen überlappende Daueraufgabe.Lassen Sie mich noch einen anderen Fragenkreis anschneiden. Das Jahresgutachten 1967 des Sachverständigenrates weist mit Recht auf den Zusammenhang zwischen Beschäftigungsgrad der Volkswirtschaft und den Anpassungschancen strukturschwacher Regionen hin: von einem steigenden und hohen Beschäftigungsgrad gehen dezentralisierende Wirkungen aus, während eine Rezession die Tendenzen zur räumlichen Konzentration verstärkt. Daraus folgt, daß die strukturschwachen Gebiete durch die rezessive Phase der Konjunktur, die wir eben durchlaufen haben, härter getroffen worden sind als andere Teile des Bundesgebiets. Es sollten daher Überlegungen angestellt werden, wie dieser Effekt ausgeglichen werden könnte. Ohne Zweifel hat der zweite Konjunkturhaushalt — was den Bereich der Infrastruktur anlangt — in diese Richtung gewirkt. Aber es hat Rückschläge bei den neu angesiedelten Betrieben gegeben. Mancher Zweigbetrieb in den strukturschwachen Gebieten oder im Zonenrandgebiet, der oft mit großer Mühe hergeholt worden war, mußte geschlossen werden.Es erhebt sich die Frage, ob nicht dieser Tendenz mit speziellen steuerlichen Hilfen entgegengewirkt werden könnte. Ich denke dabei an die Gewährung des vollen Sofortabzugs der Mehrwertsteuer für Investitionen im Zonenrandgebiet, also den Wegfall der sogenannten Investitionssteuer. Man könnte diese steuerliche Vergünstigung dadurch in erträglichen finanziellen Grenzen halten, daß man sie davon abhängig macht, daß die Landesregierung die volkswirtschaftliche Förderungswürdigkeit der Investitionen bescheinigt, wie dies auch in § 26 des Kohleanpassungsgesetzes oder in § 6 b Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes vorgesehen ist. Mit einer derartigen Maßnahme würden die strukturschwachen Gebiete eher in den vollen Genuß des Konjunkturaufschwungs kommen. Da die sogenannte Investitionsteuer ohnehin einem stufenweisen Abbau unterliegt, wäre gleichzeitig auch für einen zeitgerechten Abbau dieser konjunkturpolitisch motivierten Hilfe gesorgt.Abschließend möchte ich noch auf einen gewissen Zielkonflikt zwischen der Regionalpolitik und unserem Bestreben, den Interzonen- und den Osthandel auszuweiten, zu sprechen kommen. Wir bringen unsselbst um den Erfolg unserer regionalwirtschaftlichen Bemühungen, wenn wir die Importkontingente für Güter, die von Wirtschaftszweigen, die im Zonerandgebiet ansässig sind und mit sektoralen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, hergestellt werden - wie die keramische Industrie, die Textilindustrie und die Industrie der Steine und Erden im besonderen -, im Zuge der im übrigen zu begrüßenden Ausweitungstendenzen erhöhen. Diese Importe belasten die betreffenden Industriezweige enorm. Wir haben hier gerade in letzter Zeit einige unerfreuliche Beispiele erlebt.
Meine Damen und Herren, ich darf zusammenfassen. Auf dem Gebiet der Strukturpolitik - das hat der bisherige Verlauf der Debatte gezeigt - sind eine Fülle von Aufgaben zu bewältigen. Es werden hier gewisse Prioritäten gesetzt werden müssen, weil unsere Mittel nicht ausreichen, alles zu gleicher Zeit und mit gleicher Intensität zu tun. Vergleichbare Tatbestände müssen aber gleichbehandelt werden.Ich versuchte, Ihnen darzulegen, warum wir den strukturschwachen Gebieten die gleiche Dringlichkeit einräumen wie der Sanierung der Steinkohlenbergbaugebiete. Dieser gleichen Dringlichkeit muß eine gleiche Ausgestaltung der Förderungsbedingungen entsprechen, wobei der zusätzliche Standortnachteil der peripheren Gebiete entsprechend ausgeglichen werden muß.In der Zonenrandförderung müssen die politischen Zielsetzungen gegenüber den rein ökonomischen nach wie vor den Vorrang haben. Deshalb halten wir auch Maßnahmen für gerechtfertigt, gegen die wir sonst ordnungspolitische Bedenken hätten. Wir begrüßen es daher, daß die Bundesregierung z. B. bereit ist, auch in Zukunft Rationalisierungsmaßnahmen im Grenzgebiet zu fördern. Wenn wir diese Politik konsequent weiter verfolgen, werden wir unserem Ziel einer ausgewogenen Wirtschaftsstruktur — was nicht bedeutet eine uniforme Wirtschaftsstruktur - in einer angemessenen und erträglichen Zeit näher kommen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Stammberger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es war sehr interessant, soeben der Tendenz der Ausführungen des Kollegen Schmidhuber zu folgen. Herr Kollege Schmidhuber, damit wir uns jetzt nicht falsch verstehen: ich komme ebenfalls aus Bayern. Aber Sie haben hier ganz bewußt versucht, bayerische Belange gegen nordrhein-westfälische auszuspielen.
Sie haben mit einer deutlichen Spitze gesagt, man hoffe, daß die Pläne, die jetzt von Bayern kommen, die gleich günstige Aufnahme fänden wie die von Nordrhein-Westfalen.
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Dr. StammbergerHerr Kollege Schmidhuber, das ist ein Bumerang. Wir müssen nämlich fragen: Warum kommen diese Pläne erst jetzt?Sie haben mehrfach auf die Kleine Anfrage Bezug genommen, die Kollege Schlager und andere zum Ende des vergangenen Jahres gestellt haben, offensichtlich - wie sich jetzt deutlich zeigt - in Vorbereitung auf die Debatte, die wir heute haben. Die Antwort der Bundesregierung darauf ist am 21. Dezember gegeben worden. Darin befindet sich allerdings ein Satz, der auf eine sehr schlechte Vorausschau schließen läßt. Das möchte ich hier ganz offen sagen. Es wird dort nämlich gesagt, daß in den Gebieten mit überdurchschnittlicher Arbeitslosigkeit eine spürbare Verbesserung eingetreten sei. Meine Damen und Herren, daß das nicht der Fall ist, haben wir ja heute bereits mehrfach gehört, und auch die Zahlen des Landesarbeitsamtes Nordbayern sind uns ja bekannt. Man wird uns zwar entgegenhalten, daß die Höhe dieser Zahlen, die in manchen Landkreisen bereits 20 und 30 % übersteigen, nur konjunkturell zu betrachten seien.
Aber, meine Damen und Herren, strukturell steigt es eben leider auch.Dann aber ist in Ihrer Anfrage eine Kritik enthalten, der ich nicht folgen kann und die ebenfalls wieder zurückwirkt. Es wird dort nämlich gefragt, wie denn die etwas unterschiedliche Aufassung, die in verschiedenen Äußerungen der Bundesregierung zum Ausdruck komme, zu verstehen sei; ob man denn nun diese Zonen- oder Gebietshilfe, diese regionale Hilfe nach Möglichkeit noch steigern oder ob man dieses regionale Förderungsprogramm nur in seiner Effizienz ständig verbessern wolle. Beide Erklärungen hatte die Bundesregierung einmal abgegeben.Meine Damen und Herren, ich glaube, beides ist notwendig, vor allen Dingen aber das zweite, wenn das Geld sinnvoll angelegt werden soll. Deshalb ist es eben erforderlich — was bisher in Bayern sträflich vernachlässigt wurde — daß man endlich dazu übergeht, Raumordnungspläne und Strukturverbesserungspläne vorzulegen, die, wie Herr Minister Schiller heute früh sehr richtig gesagt hat, nicht vorsehen dürfen, daß überholte Strukturen mit irgendwelchen Subventionen aufrechterhalten werden, sondern die es ermöglichen, zu modernen Neuordnungen zu kommen. Ich glaube, gerade das ist ein Gebiet, wo man von einer wirklichen Gemeinschaftsaufgabe in Form eines sinnvollen Föderalismus sprechen kann.Es ist sehr interessant, einmal das Protokoll der Debatte durchzulesen, die am 28. November 1967, also erst vor wenigen Wochen, im Bayerischen Landtag stattgefunden hat und in der sich jetzt plötzlich eine Änderung der Haltung der bayerischen Landesregierung zeigte, welche bisher alle diese Pläne nach dem bewährten Vorbild des früheren Bundeskanzlers Erhard abgelehnt hatte, weil sie dahinter Planwirtschaft gerochen hat. Und jetzt überstürzt sie sich geradezu in dem Verlangen nach Plänen, in der Entwicklung von Plänen, die nun nach Möglichkeit ausden leeren Kassen von Bonn finanziert werden sollen. Daß die Kassen, die die jetzige Regierung von der früheren Regierung übernommen hat, leer sind, das hat ja vorgestern der Herr Bundesernährungsminister Höcherl hier sehr deutlich zu verstehen gegeben.
— Selbstverständlich. Wir machen aber im Gegensatz zu Ihnen auch Vorschläge, wie das aufzubringen ist. Ich bitte Sie, sich das durchzulesen.
Herr Kollege Stammberger, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Ertl?
Ja, bitte!
Herr Kollege Stammberger, haben Sie nicht zur Politik der leeren Kassen beigetragen, als Sie noch Minister waren, allerdings noch als Mitglied der Fraktion, die Sie dann später verlassen haben?
Herr Kollege, gerade weil ich diese Politik für falsch hielt, bin ich ja zur SPD übergegangen, und ich habe das nicht bereut.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ich würde sagen, bevor sich die Herren so aufregen, sollen sie sich lieber wieder „zur Gesellschaft formieren". Ich gestatte keine Zwischenfrage.
Es ist jetzt ein anderer Frager; aber es liegt an Ihnen, ob Sie eine Zwischenfrage zulassen wollen.
Ich beantworte keine Zwischenfragen. Ich spreche erst fertig; hinterher können Sie Fragen an mich stellen.Das einzige, was bisher von der bayerischen Staatsregierung vorgelegt worden ist, ist der RhönPlan, ist der Plan für den Bayerischen Wald, sind einige weitere, die jetzt kommen sollen. Dazu möchte ich einiges sagen. Es hat gar keinen Zweck, wenn man immer sagt: wir müssen neue Betriebe ansiedeln, wir haben dazu die Möglichkeit, die Gelände sind vorhanden, und dergleichen mehr. Ebenso notwendig wie die Ansiedlung neuer Betriebe ist die Erhaltung der bisherigen Betriebe. Wenn Sie nämlich die uns gegebenen Unterlagen durchlesen, werden Sie mit Erschrecken feststellen, daß viel mehr Be-
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Dr. Stammbergertriebe, viel mehr Arbeitsplätze weggehen als neue kommen.
— Warum schreien Sie so, meine Herren, warum sind Sie so erregt über die von Ihnen gestellte Staatsregierung? Ich kann das allerdings verstehen. — Dazu gehört natürlich auch die Verbesserung der Verkehrsverhältnisse und gehört auch die Verbesserung der kulturellen Verhältnisse. Sie werden Führungskräfte aus der Wirtschaft in diese Gebiete nur bekommen, wenn sie die Gewähr haben, daß ihre schulpflichtigen Kinder in geordnete Schulen gehen können. Wie es da bei uns in Bayern aussieht, darüber brauchen wir in der augenblicklichen Auseinandersetzung wohl nichts zu sagen, darüber sind wir uns wohl klar.Sehr erfreut bin ich über das, was Herr Minister Schiller vorhin gesagt hat. Er hat nämlich darauf hingewiesen, daß für die Textilindustrie dringend etwas getan werden muß. Wir haben gerade bei uns in Oberfranken — aber so wie bei uns in Oberfranken ist es ja überall in der Bundesrepublik — erhebliche Auseinandersetzungen über die Frage, wie die Textilindustrie weiterarbeiten soll. Was Herr Minister Schiller dazu gesagt hat, war sehr interessant. Er hat nämlich gesagt, daß er in seinem Hause einen Plan vorgefunden habe, der bereits früher erstellt, aber abgelehnt worden sei. Er hat zwar nicht gesagt, warum er abgelehnt wurde. Er hat gesagt, man wolle nicht in der Vergangenheit suchen. Aber das war ja schon eine deutliche Begründung dafür, warum er abgelehnt worden ist. Es ist dringend notwendig, daß das geschieht, was Professor Schiller gesagt hat, daß man sich nämlich gerade mit diesem Plan nun an die Arbeit macht.Die Bundesregierung hat uns mit Zustimmung des Bundesrates jetzt die Grundsätze für die regionale Wirtschaftspolitik vorgelegt, und sie hat mit Recht gesagt, daß man in Zukunft davon Abstand nehmen will, Dauersubventionen auszuschütten, die lediglich gewisse Wirtschaftsschwächen zudecken sollen. Das ist die Wirtschaftspolitik in den vergangenen Jahren gewesen. Nun hat man das Geld für die Subventionen nicht mehr, und so kommt es nun überall zu Krisen. Das ist ganz klar, darüber dürfte wohl kein Streit mehr bestehen. Aber es gibt nun — und es ist sehr erfreulich, daß wir das am Schluß dieser Grundsätze für die sektorale und regionale Wirtschaftspolitik sehr deutlich sehen — politisch bedingte Sondersituationen in Berlin und im Zonenrandgebiet, wozu wir in Bayern nun einmal auch die Grenze zur Tschechoslowakei rechnen müssen, die auch eine Abweichung von diesen Grundsätzen mit sich bringen können. Es ist eine Geldfrage, meine Damen und Herren, darüber müssen wir uns völlig klar sein.
— Nein, nicht nur. In erster Linie muß man wissen, wozu man das Geld haben will. Aber ich glaube, das ist eher zu beantworten als die Frage, woher wir dann das Geld nehmen. Hier möchte ich aber noch einmal auf das verweisen, was Herr Kollege Müller-Hermann heute vormittag mit Recht gesagthat. Er hat gesagt, daß gerade in diesen Gebieten eine gewisse Staatsverdrossenheit besteht, daß gerade in diesen Gebieten aus dieser Staatsverdrossenheit eine gewisse Radikalisierung entstehen kann und daß wir aus diesem Grunde auch bereit sein müssen, die finanziellen Opfer zu bringen, um hier zu gesunden wirtschaftlichen Verhältnissen zu kommen.
Das Wort hat jetzt Herr Abgeordneter Dr. Ritz.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In dieser Debatte über sektorale und regionale Strukturpolitik ist wiederholt auch, wenn auch am Rande — manchmal zentral —, auf die Probleme der Landwirtschaft hingewiesen worden. Ich glaube, es ist gut, wenn man hier einmal in einem kurzen Beitrag die spezifischen regionalen und sektoralen Probleme der Landwirtschaft zusammenfaßt.
In der Tat haben wir es bei dem Strukturprozeß innerhalb der Landwirtschaft sowohl mit einem sektoralen als auch einem regionalen Problem zu tun. Sektoral geht es darum, den notwendigen und auferlegten Anpassungsprozeß zu vollziehen; regional ergibt sich daraus die Aufgabe, die freigewordenen Arbeitskräfte sinnvoll in den Wirtschaftsprozeß einzugliedern.
Meine Damen und Herren, ich glaube, es lohnt, sich einmal kurz anhand der Statistik zu fragen, was sich hier in den vergangenen Jahren und dem vergangenen Jahrzehnt vollzogen hat. Man hört nämlich immer wieder draußen und wo auch immer die Meinung, die Landwirtschaft sei zu statisch, zu unbeweglich, zu wenig anpassungsfähig, und was immer dort an Vorwürfen in dieser Richtung gesagt wird. Wenn Herr Minister Schiller vorhin gesagt hat, daß die Probleme des Kohlenbergbaus die gravierendsten Strukturprobleme sind, so will ich nicht darüber streiten, weil es sich hier in der Tat punktuell um ein sehr schwieriges Problem handelt.
Ich glaube aber, wenn wir uns einmal den Strukturwandel der Landwirtschaft quantitativ anschauen, werden wir feststellen, daß wir es hier mit enormen Dimensionen zu tun haben. Die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe hat sich seit 1949 um rund 500 000 verringert, aber die Zahl der Vollerwerbsbetriebe ist von insgesamt 1,4 Millionen auf heute 538 000 gesunken.
Was die Menschen anlangt, so verstecken sich dahinter folgende Zahlen. Von 4,4 Millionen familieneigenen Arbeitskräften in der Landwirtschaft sind im Jahre 1967 2,2 Millionen verblieben. Das ist also genau eine Halbierung. Auch was die familienfremden Arbeitskräfte angeht, müssen wir einen starken Abgang verzeichnen, so daß wir im Durchschnitt der letzten 16 Jahre mit einem jährlichen Abgang von 165 000 Menschen aus der Landwirtschaft zu rechnen haben.
Ich glaube, es verdient auch in diesem Hause einmal anerkannt zu werden, daß sich dieser Prozeß
Dr. Ritz
ohne große Sonderprogramme vollzogen hat, daß sich diese Menschen jene Arbeitsplätze gesucht haben, die frei geworden sind, und daß sie heute weithin in den ländlichen Räumen zu einem festen und guten Bestand der Betriebe geworden sind. Wenn es auch richtig ist, Herr Kollege Ravens, daß natürlich bei vorübergehender Arbeitslosigkeit viele Arbeitslose gerade ungelernte landwirtschaftliche Arbeitskräfte sind, so bleibt doch die Tatsache bestehen, daß es gerade in den ländlichen Regionen die früher in der Landwirtschaft tätigen Arbeitskräfte gewesen sind, die heute den soliden Block und Stamm der Belegschaft stellen. Ich glaube, daß es genug Zeugnisse von Unternehmern gäbe, um darzustellen, welchen Wert diese Arbeitskräfte für den gesamten Strukturanpassungsprozeß im ländlichen Lebensraum gehabt haben.
Nun kann man fragen, ob dieser Prozeß abgeschlossen ist. Ich glaube, 'es ist niemand hier in diesem Hohen Haus, der der Meinung ist, es sei so. Ich glaube, daß sich dieser Prozeß in der Tat noch im Gang befindet. Es ist sicher schwer, das zahlenmäßig abzugrenzen. Das Prognos-Gutachten, das im Auftrag des Niedersächsischen Wirtschafts- und Verkehrsministeriums erstellt worden ist, geht für das Land Niedersachsen davon aus, daß sich die Zahl der in der Landwirtschaft Beschäftigten von heute 440 000 auf 330 000 im Jahre 1980, d. h. also in den nächsten 13 Jahren, verringern wird. Das bedeutet eine Abwanderung von noch einmal rund einem Drittel. Wir wissen nicht, ob diese Zahl stimmt, aber wir haben auf jeden Fall davon auszugehen, daß sich dieser Prozeß fortentwickelt.
Ich glaube, man wird sagen müssen, daß sich dieser Anpassungsprozeß, der hier sektoral von der Landwirtschaft gefordert wird, nur in dem Maße erfolgreich vollziehen kann, in dem es gelingt, regional jene Arbeitsplätze in zumutbarer, erreichbarer Pendlerentfernung zu beschaffen, die erforderlich sind, um den Gesamtprozeß sektoral und regional — hier zeigt sich eine unmittelbare Verknüpfung der Probleme — in der rechten Weise-zu bewältigen. Denn, meine Damen und Herren, man kann keinem Landwirt zumuten, im Zuge einer passiven Sanierung, wie das ja wohl die Wirtschaftswissenschaft nennt, irgendwo in wirtschaftsfernen Räumen seinen Arbeitsplatz zu suchen. Dann wird er eher bereit sein, sich mit einem ständig sich vermindernden Einkommen zufrieden zu geben. Damit aber wird das Mengenproblem in der Agrarproduktion nicht etwa ausgeräumt, sondern vergrößert. Er wird nur dann bereit sein, seinen Betrieb in einen Nebenerwerbsbetrieb umzuformen, wenn er diesen Arbeitsplatz in einer zumutbaren Entfernung von seinem früheren Hof und seiner Heimstatt finden kann. Hierüber ist an anderer Stelle schon sehr viel gesagt worden. Ich kann mir das insgesamt ersparen.
Es ist auch gesagt worden — Herr Kollege Dr. Stammberger hat es ebenfalls gerade gesagt, wenn ich es recht in Erinnerung habe —, daß es sehr schwer, fast unmöglich ist, in jedem Fall neue Industrien anzusiedeln. Aus der Erfahrung wird man ihm weitgehend recht geben müssen. Um so mehr werden wir zu fragen haben, welche alternierenden Möglichkeiten wir schaffen können. Denn so weit wollen wir alle nicht kommen wie die Vereinigten Staaten, die heute eine ihrer wichtigsten Aufgaben bis an 'das Jahr 2000 darin sehen, wieder zu gesunden Dörfern sowie kleineren und mittleren Städten zu kommen. Das geht sowohl aus ieiner Rede hervor, die der amerikanische Landwirtschaftsminister Freeman Anfang Dezember vergangenen Jahres gehalten hat, als auch aus Vorschlägen, die das Nationale Beratende Komitee für Ernährung und Fasererzeugung in den USA kürzlich erstellt hat. Wir haben insgesamt — insgesamt, mit all den Abstrichen — noch gesunde ländliche Räume. Es gilt jetzt, alles zu tun, um die Strukturen nicht nur zu halten, sondern auszubauen.
Lassen Sie mich einige konkrete, aus der Praxis geborene und gewachsene Fragen und Anregungen vortragen. Reicht die Koordinierung zwischen Bund und Ländern im Bereich der regionalen Wirtschaftsförderung aus? Das ist eine Frage, die wir uns stellen müssen, wenn wir beobachten, daß gerade finanzschwache und damit besonders strukturarme Länder einen besonders niedrigen Betrag pro Kopf der Bevölkerung für wirtschaftsfördernde Maßnahmen ausgeben. Bei geringer Höhe der Mittel für die regionale Wirtschaftsförderung wird natürlich die Strukturschwäche und Wirtschaftsschwäche des Landes nicht etwa vermindert, sondern erhöht. Ich weiß nicht, ob es bis zum Vollzug der Finanzverfassungsreform, die diese Aufgaben zu Gemeinschaftsaufgaben machen wird, schon notwendig ist, eine Standing Group oder etwas Ähnliches zwischen Bund und Ländern zu schaffen, um diese Aufgaben besser und sinnvoller zu koordinieren.
Zu fragen wäre auch, ob die Koordinierung zwischen den Ressorts auf Bundes- und Landesebene ausreicht. Ich war heute morgen geneigt, zu sagen — ich sage es auch jetzt —, daß das Bild, das die Regierungsbank heute morgen bot und auch jetzt noch bietet, hoffentlich nicht ein Spiegelbild für die Koordination zwischen den Ressorts ist.
— Ich weiß, Herr Kollege Unertl, es wäre gut, wenn auch auf der anderen Seite heute sichtbar wäre, daß die Koordination besser ist. Aber ich glaube, es ist zwingend notwendig — und das müssen wir erreichen —, daß auch das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten stärker noch als in der Vergangenheit an diesen Maßnahmen der regionalen Wirtschaftsförderung beteiligt wird, um selbst zu einer besseren Koordinierung seiner speziellen Agrarstrukturmaßnahmen zu kommen, auf die ich heute nicht eingehen möchte.
Eine andere Frage möchte ich noch kurz stellen und hier unmittelbar an das anknüpfen, was auch Herr Dr. Stammberger sagte. Wir tun uns schwer bei der Neuansiedlung von Betrieben. Aus meiner nordwestdeutschen Perspektive sehe ich ganz nüchtern, daß es gerade angesichts der erhöhten Anstrengungen, im Ruhrgebiet möglichst viele Betriebe neu anzusiedeln, im gleichen Maße in den
Dr. Ritz
ländlichen Regionen schwerer wird, Industriebetriebe dort hinzuziehen.
Weiter ist zu fragen, ob die Richtlinien zur Förderung vorhandener Betriebe ausreichen, um zügig und möglichst unbürokratisch vorzugehen. Ich persönlich habe die Erfahrung gemacht — ich darf das hier einmal ganz offen sagen —, daß es Unternehmern, die einen neuen Betrieb ansiedeln wollten, relativ leicht war, auch in dem bürokratischen Weg leicht war, die dafür notwendigen Mitteln zu erhalten, daß es aber Betriebe, die vorhanden waren, die eine gewisse Ausdehnung, eine gewisse Umstrukturierung vornehmen wollten, bei dieser Aufgabe sehr viel schwerer hatten.
Ich glaube, es muß auch gesagt werden, daß auch jene Unternehmer, die schon einen leistungsfähigen Betrieb haben und sich möglicherweise ein zweites Bein schaffen wollen, in den Genuß dieser Mittel kommen müßten; denn sie haben ja bewiesen, daß sie leistungsstark sind, daß sie die Struktur dieses Raumes verbessern können. Ich glaube, man sollte wirklich überlegen, ob wir nicht Möglichkeiten haben, gerade in der Förderung vorhandener und im Ausbau befindlicher Betriebe schneller und wirkungsvoller zu arbeiten, als das in der Vergangenheit möglich war.
In bezug auf das verkehrspolitische Programm der Bundesregierung ist schon einiges gesagt worden. Ich meine auch, wir werden sehr nüchtern zu prüfen haben, ob nicht etwa die Beförderungsteuer nach Tonnenkilometern in Verbindung mit den Streckenstillegungen gerade diesen unseren Bemühungen, von denen wir jetzt sprechen, entgegenwirken. Das sollte man ohne Tabu in aller Nüchternheit und aller Klarheit in den Beratungen überlegen, und man sollte nach der richtigen Lösung suchen.
Meine Damen und Herren, ein Letztes, nur zur Abrundung. Es scheint mir selbstverständlich zu sein, daß auch ein landwirtschaftlicher Sozialplan notwendig ist, der sicherstellt, daß die jüngeren Betriebsinhaber die entsprechenden Möglichkeiten der Umschulung erhalten, wenn sie bereit sind, umzuschulen. Hier bietet ja auch das Arbeitsförderungsprogramm der Bundesregierung einen guten Ansatzpunkt. Aber ich glaube, es geht auch darum, daß man den Älteren, die nicht mehr umschulen können, die nicht mehr woanders arbeiten können, wenn sie es wollen, bei langfristiger Verpachtung oder bei Verkauf die Möglichkeit gibt, etwa eine Rente zu beziehen. Nur mit der gegenwärtigen Altersgeldregelung allein ist diesem Problem nicht beizukommen.
Meine Damen und Herren, ich wollte nur einmal die vielen Gedanken, die hier im Zusammenhang mit der Landwirtschaft aufgekommen sind, ein wenig bündeln und sie in diese wirtschaftspolitische Debatte hineinstellen. Ich bin der festen Überzeugung, daß es nur in dem Maße, in dem es der Wirtschaftspolitik vor allem mit den Mitteln der regionalen Wirtschaftsförderung gelingt, die industriell-gewerbliche Wirtschaftskraft des flachen Landes zu verbessern, auch der Landwirtschaft möglich sein wird, den Umstrukturierungs- und Anpassungsprozeß zu vollziehen, vor den sie sich heute gestellt sieht und dem
sie oft nur unter größten Anstrengungen gewachsen ist.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Funcke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich stelle fest, daß seit beinahe einer Stunde kein Minister mehr auf der Ministerbank sitzt. Ich stelle fest, daß die Regierung bereits 13/4 Stunde der verfügbaren Redezeit in Anspruch genomen hat, während sich die Parlamentarier aller Fraktionen bemüht haben, sich in ihrer eigenen Redezeit zu begrenzen. Ich stelle fest, daß die Minister, die überhaupt da waren, nach der Methode der Haydnschen Abschiedssinfonie jeweils von hinnen gegangen sind, nachdem sie die letzte Note geblasen hatten. Ich überlasse es Ihnen, meine Herren und Damen von den Regierungsfraktionen, sich darüber Ihre eigenen Gedanken zu machen. Die Opposition hat sich ihre Meinung über diese Art der Achtung der Regierung vor dem Parlament inzwischen gebildet.
Und sagen Sie mir nicht, meine Herren dort oben, daß heute Herr Schiller dies und Herr Lauritzen jenes zu tun hatten. Wir haben nach meiner Zählung mindestens 20 Minister, und abgesehen von dem Postminister und der Gesundheitsministerin, von denen ich annehme, daß sie bei diesem Thema nicht dringend angesprochen sind, dürften ziemlich alle sonstigen Minister von diesem Problem mit berührt sein.
In dem Subventionsbericht der Bundesregierung lesen wir unter der Überschrift „Strukturpolitik" einen sehr beachtenswerten Satz, der lautet: „Grundsätzlich ist es Aufgabe der Unternehmer, die erforderlichen Strukturanpassungen in eigener Verantwortung vorzunehmen." Ich nehme an, es gibt in diesem Saal wohl kaum jemand, der diesen Satz nicht unterstreichen und bei allen Festtagsreden in Mittelstands- und in Wirtschaftsausschüssen auch fleißig zitieren würde.Meine Herren und Damen, das ist sicherlich richtig. Nur müßten wir uns dann gleichzeitig einige Gedanken darüber machen, welche Notwendigkeiten hinter diesem Satz stehen. Herr Kollege Gewandt hat heute richtig gesagt, daß zu der Tätigkeit und der Wirksamkeit des Unternehmers Initiative, Kenntnisse und Mut gehören. Wir sollten darüber aber nicht die Augen davor verschließen, daß zu den notwendigen Anpassungen im unternehmerischen Bereich auch Kapital erforderlich ist.Herr Minister Schiller hatte heute morgen gesagt, ihm und der Regierung liege daran, die Anpassungsfähigkeit der Betriebe zu erhöhen. Im krassen Widerspruch zu dieser sicherlich sehr richtigen Feststellung der Regierung stehen allerdings die Beschlüsse der Regierung und der Mehrheit dieses Hauses über die permanente Erhöhung der Steuern.Frau FunckeWenn wir überall die Bewegungsfreiheit der Unternehmer im Finanziellen so einschränken, wie es durch Ihre Steuerbeschlüsse des letzten Jahres geschehen ist, werden wir uns nicht wundern müssen, daß wir dann in diesem Hause alle Vierteljahre und in verstärktem Maße Strukturdebatten haben werden.Es klangen schon einige Bereiche an: Bergbau und Zonenrandgebiete. In diesen beiden Bereichen sind es ja außer- oder nur teilwirtschaftliche Gründe, z. B. politische Gründe, die zu der Notwendigkeit schneller Umstrukturierungen besonderen Anlaß geben, Hier ist in der Tat nach unserer Vorstellung ein besonderer Grund für die Regierung gegeben, aktive Strukturpolitik zu betreiben.Aber, meine Herren und Damen, wir sollten nicht die Augen davor verschließen, daß die Notwendigkeit laufender Anpassung in der Breite unserer gesamten Wirtschaft gegeben ist. Neue Arbeitsverfahren, neue Rohstoffe, neue Artikel, neue Vertriebswege, neue Verkaufsmethoden - in der ganzen Breite unseres Wirtschaftslebens stehen wir vor der Notwendigkeit, anzupassen, um den internationalen Stand zu erhalten und durch Einstellung auf die Ergebnisse von Forschung und Wirtschaft unsere Wirtschaft leistungs- und konkurrenzfähig zu machen.Wir wir schon aus früheren Berechnungen, mögen sie auch branchenmäßig ein bißchen verschieden sein, wissen, kostet die Einrichtung eines neuen Arbeitsplatzes mindestens 50 000 DM. Das mag uns ein Maßstab dafür sein, welches Kapital auch schon die laufende Anpassung an neue Arbeitsverfahren, Rohstoffe und Entwicklungen erfordert.Aus diesem Grund bin ich besonders bedrückt und erstaunt, daß wir hier vom Finanzministerium den ganzen Tag bis jetzt eben, wo Herr Staatssekretär Leicht gekommen ist, nichts gesehen und nichts gehört haben.Es ist ja kein Zufall, meine Herren und Damen von der CDU, daß man in Ihrem umfangreichen Fragenkatalog sehr sorgfältig um ein Kernproblem herumgeschifft ist und eine Frage zu der finanziellen, kapitalmäßigen Leistungsfähigkeit der Unternehmungen vorsichtshalber nicht gestellt hat. Denn Sie hätten sich die Antwort auf diese Frage in eigener Verantwortung negativ geben müssen. Sie selbst waren es ja, die die Umstellungsmöglichkeiten der Wirtschaft durch Ihre Stuererhöhungsbeschlüsse behindern. Auch Herr Minister Schiller hat diesen wichtigen Faktor in der strukturellen Wirtschaftsentwicklung ausgelassen. Aber so leicht können wir es uns eben nicht machen. Wir können nicht bezüglich des Finanzbedarfs an Wunder oder an Sterntaler glauben. Wenn wir dem Unternehmer weiterhin die Verantwortung und die Initiative für die weitgehende Umstrukturierung in der Wirtschaft zumuten wollen — und das ist ja bisher von niemandem bestritten -, müssen wir uns allerdings auch die Gretchenfrage stellen: woraus soll er das denn eigentlich finanzieren?Nach meiner Kenntnis gibt es im wesentlichen vier Möglichkeiten der Finanzierung. Die erste undeigentlich für eine freie Wirtschaftsordnung normale ist die Finanzierung aus dem Eigenkapital. Aber wie sieht es damit aus, und zwar insbesondere im Mittelstand und in der mittelständischen Industrie, die eben nicht wie manche andere Betriebe mit Schillers Bürgschaft
oder ähnlichem rechnen können? Überlegen Sie einmal, was von den Gewinnen abgeführt wird: Einkommensteuer, Kirchensteuer, Vermögensteuer, gelegentlich Erbschaftsteuer und auch die Vermögensabgabe, die wir zweifelsohne hinsichtlich ihrer Entstehung und ihrer Notwendigkeit unter einem besonderen Gesichtspunkt betrachten — das ist unbestritten —, die aber — auch das wird niemand bestreiten können einen Ausgabencharakter in Hinsicht auf die Liquidität und Eigenkapitalbildung der Betriebe hat und in den nächsten elf Jahren noch haben wird. Wenn der Unternehmer alles das abgeführt hat und nun auch noch von dem Geld seinen Lebensstandard finanziert, bleibt eben für eine Investition, die ja bekanntlich aus dem Versteuerten geht, kaum etwas übrig. Hier sind wir an die Grenze gestoßen und haben sie überschritten, zumal wir uns außerdem noch weniger Abschreibungsmöglichkeiten leisten als unsere Konkurrenzländer. Denn wir alle wissen, daß die Abschreibungsmöglichkeiten für Investitionen bei uns am schlechtesten geregelt sind. Und wenn dann gleichzeitig darüber diskutiert wird, auch noch die Degression abzuschaffen, — ja, meine Herren und Damen, dann müssen Sie uns in der Tat die Frage beantworten, wie die Strukturanpassung finanziert werden soll. Herr Ravens hat sie mit Recht gestellt. Man kann um das Geld nicht herumreden. Nur, Herr Ravens: wir haben eine ganz andere Vorstellung von der Frage, wie das Geld aufgebracht werden soll.Die zweite Möglichkeit, sich Geld zu beschaffen, ist der Weg des Kredits. Davon hat Minister Schiller schon gesprochen. Nur glauben wir auch da nicht an Wunder. Die Möglichkeit, Kredit zu bekommen, ist immer auch eine Frage der wirtschaftlichen Struktur und der rechten Seite der Bilanz, d. h. der Eigenkapitalbildung. Auch wenn die Regierung sich mühen sollte, die Banken zu veranlassen, Kredite ohne reale Sicherheiten zu geben, so werden Sie doch nicht ausschließen können, daß Banken nach ihren erfahrungsbedingten Grundsätzen sich sehr sorgfältig um Sicherheiten bemühen. Ohne irgendeine Sicherheit, allein auf die Hoffnung hin, daß neue Investitionen mit neuen Krediten auch neue Rentabilität bringen, wird gerade der mittelständische Bereich keine hinreichenden Mittel bekommen. Zudem haben Kredite nun einmal die unangenehme Eigenschaft, daß man sie gelegentlich zurückzahlen muß. Das ist etwas, was uns in den nächsten Jahren ja die Regierung auch in ihrem Bereich verklaren muß. ln der Wirtschaft ist es halt nicht anders. Uferlose Kredite bekommt man nicht und kann man auch nicht verantworten, wenn man sie nicht eines Tages aus den versteuerten Restbeständen der Gewinne zurückzahlen kann.Die dritte Möglichkeit, Kapital zu bekommen, ist die, sich von den Amerikanern das Geld geben bzw.
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7652 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1968
Frau Funckedie Wirtschaft aufkaufen zu lassen. Ich bin nicht sicher, ob hier eine Meinung besteht, daß das ein günstiger und erstrebenswerter Weg ist, auf den wir unsere Wirtschaft bringen sollten.Noch ein Wort zu den Krediten. Kredite sind nicht zuletzt auch abhängig von der Größe und der Gesellschaftsform der Unternehmen. Eine große Aktiengesellschaft kann eben Obligationen ausgeben, ein Einzelhändler nicht; das ist eine bekannte Tatsache. Wir begrüßen darum, daß die Regierung vorhat, schneller, als es anklang, ein Umgründungs- oder Umwandlungsgesetz vorzulegen. Nur für die Größenordnungen, für die ich hier spreche, meine Herren von der Regierung, hilft das natürlich auch nicht weiter. Das Entscheidende nämlich, was für diese Größenordnungen durchschlägt, um eine Umgründung möglich zu machen, ist die Beseitigung der Grunderwerbsteuer. Aber genau zu diesem Punkte werden Sie in Ihrem Gesetz keine Antwort geben können, weil hier die Bundesregierung nicht zuständig ist. Das ist aber der entscheidende Punkt, nachdem die Frage der Umsatzsteuer durch Einführung der Mehrwertsteuer praktisch gegenstandslos geworden ist.Der vierte Weg — davon ist heute am meisten geredet worden — ist der, daß der Staat dann einspringt und das notwendige Kapitel in dieser oder jener Weise zur Verfügung stellt. Täuschen wir uns nicht: dieser Weg der Finanzierung durch den Staat ist der teuerste, den wir gehen können. Wenn wir erst einmal anfangen, unsere Wirtschaft, der wir vorher das Geld weggenommen haben, auf den Weg zu verweisen, sich im Einzelverfahren das Geld für die notwendigen Investitionen wiedergeben zu lassen, dann wird das das Teuerste sein, was wir uns je geleistet haben, denn dann wird keiner ausbleiben. Wir werden dann in diesem Hause die Strukturdebatten nicht mehr von der Tagesordnung bekommen. Heute sind es Bergbau und Textil, und morgen sind es Eisen und übermorgen Papier oder was immer Sie wollen. Strukturprobleme gibt es überall, und sie werden mit der Schnellebigkeit der Zeit und mit der schnellen Entwicklung unserer Technik, der Wirtschaft und der Warenströme in besonderem Maße auf uns zukommen. Keine Industrie und kein Gewerbe wird auf die Dauer in der Lage sein, bei diesen Steuersätzen und bei diesen Abschreibungssätzen die notwendigen Kapitalien aus eigener Kraft aufzubringen.Deshalb müssen wir uns an dieser Stelle entscheiden. Es geht um die Kernfrage, ob wir die zukünftigen wirtschaftlichen Probleme vorrangig über den Staat oder vorrangig über die freien Kräfte der Wirtschaft lösen wollen. Meine Herren und Damen der CDU, um die Frage kommen Sie nicht herum, auch wenn Sie in Ihren unterschiedlichen Ausschüssen, die Sie jeweils mit unterschiedlichen Rednern beschicken, einmal so und einmal so reden.Es geht um die Kernfrage, ob unsere Wirtschaft wirklich und entscheidend in die Abhängigkeit von staatlichen Entscheidungen hineingebracht werden soll oder ob sie weiterhin auf der freien Entscheidung unserer Unternehmer fußen soll. Das ist keine absolute Grundsatzfrage; meine Herren und Damen,bitte jetzt keine Polemik im Klassenkampf. Wir überschneiden uns in unseren Auffassungen zweifellos von rechts bis links in weiten Strecken. Aber dort, wo wir uns unterscheiden, da werden die Weichen für die letzte Entscheidung gestellt, ob die Entwicklung in Richtung Staatswirtschaft und damit in Richtung Staatsregime geht oder nicht. Wer nämlich Anträge auf Unterstützung an die Regierung stellen muß, der ist in Gefahr, daß die Regierung ja oder nein sagt, je nachdem, welche Auffassung die jeweilige Regierung von der Notwendigkeit des einen oder anderen Zweiges hat.Die von uns angestrebte Steuersenkung ist nicht eine Frage der sozialen Symmetrie. Ich glaube, wir müssen einmal aus dieser Diskussion die törichte und doch immer noch vorhandene Vorstellung herausbringen, als seien Konsumkapital und Investitionskapital — was ja gemeinsam versteuert wird — in ihrer volkswirtschaftlichen Wertigkeit absolut gleich. Die soziale Symmetrie, von der hier immer gesprochen wird, ist keine formelle rechnerische Größe und schon gar nicht eine Größe, die auf den gegenwärtigen Augenblick — etwa den Zeitpunkt einer Hochkonjunktur — bezogen ist. Symmetrie im recht verstandenen Sinne muß funktional verstanden werden, und zwar mit dem Blick auf Dauer.Wer also, meine Damen und Herren — und ich meine beide Regierungsfraktionen —, die Verantwortlichkeit in der Wirtschaft erhalten will und wer den entscheidenden Wert auf die unternehmerische Initiative legt — und wer wollte das nicht angesichts der Erfolge der freien Marktwirtschaft in den letzten zwanzig Jahren —, der muß allerdings auch die Voraussetzungen für eine verantwortliche Wirtschaft wollen. Das bedeutet: er muß die Kapitalbildung in der Wirtschaft wollen.
Denn nur mit einer hinreichenden Kapitalbasis können die Unternehmer sowohl die konjunkturellen wie auch die strukturellen Schwankungen und Krisen abfangen bzw. überwinden ohne die sonst unvermeidlichen Anforderungen an die Staatskasse und an die Staatsverwaltung.Darum haben wir seitens der FDP vor allen steuerlichen Experimenten des letzten Jahres gewarnt. Wir sind sehr froh, daß die Zahl der Stimmen wächst, die sich kritisch gegenüber den Steuerentscheidungen des letzten Jahres äußern. Es geht in der Tat um die Sozialpolitik, und es geht auch um die Finanzpolitik des Staates. Denn die beste und auf die Dauer einzige Garantie für den sozialen Wohlstand aller ist nun einmal die gesunde und anpassungsfähige Wirtschaft. Das sollten wir doch alle aus den leidvollen Erfahrungen des letzten Jahres gelernt haben. Und in Richtung auf den Herrn Finanzminister möchte ich hinzufügen: die beste und auf die Dauer einzige Garantie für die Leistungsfähigkeit unserer Staatsfinanzen ist ebenfalls eine gesunde Wirtschaft. Man kann auf die Dauer nicht auf Pump leben! Um diese relativ einfachen, aber, wie mir scheint, doch wichtigen Erkenntnisse kommen' wir nun einmal nicht herum. Deswegen können und müssen wir die Einkommens- und
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Deutscher Bundestag - 5. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1968 7653
Frau FunckeSteuerpolitik dieser Regierung und dieser Koalitionsparteien erneut und gerade im Hinblick auf die Strukturpolitik in Frage stellen.
Das Wort hat der Herr Staatssekretär im Bundesfinanzministerium.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Funcke veranlaßte mich durch ihre Ausführungen, wenigstens einige Sätze hier zu sagen. Im Augenblick tagt unter Vorsitz des Herrn Bundeskanzlers immer noch das Wirtschaftskabinett, Frau Kollegin, dem immerhin neun Minister angehören, darunter auch die Minister, die sicherlich gerade — trotz der Wichtigkeit der Frage, die hier behandelt wird — sehr dringend dort gebraucht werden, nämlich der Wirtschaftsminister, der Finanzminister, auch der Landwirtschaftsminister — auch seine Abwesenheit wurde kritisiert —, und zwar im Auftrage dieses Parlaments, weil über den Jahreswirtschaftsbericht zu beraten ist. Dieses Parlament will ja bis zum 30. Januar die Stellungnahme der Bundesregierung haben.
— Herr Zoglmann, ich weiß, was kommt. — Das soll keine Entschuldigung dafür sein, daß gar kein Minister da ist. Aber es darf immerhin dazu beitragen, den Tatbestand insoweit klarzurücken.
Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage? — Zunächst Herr Abgeordneter Moersch!
Ja, bitte schön!
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Meinung, daß in einer parlamentarischen Demokratie die parlamentarische Beratung Vorrang vor der Beratung der Regierung hat?
Herr Kollege Moersch, ich würde sagen: selbstverständlich hat diese Beratung hier im Parlament große Bedeutung. Aber gerade Sie sind es doch immer wieder, die die Regierung angreifen,
weil sie gewisse Dinge nicht tut, die Sie verlangt haben. Das Parlament hat es verlangt, und die Regierung muß beraten.
Gestatten Sie eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Zoglmann?
Bitte schön!
Herr Staatssekretär, würden Sie mir beipflichten, wenn ich unterstelle, daß die Bundesregierung — im Ältestenrat des Bundestages durch ein Kabinettsmitglied vertreten — an der Festlegung der Tagesordnung des Plenums dieses Hauses beteiligt ist und daß es daher kein besonders gutes Zeichen von Kooperation ist, wenn eine solche Sitzung, von der Sie hier sprechen, zur gleichen Stunde wie die Diskussion in diesem Hause angesetzt wird?
Ich möchte das nicht unbedingt verneinen, Herr Kollege Zoglmann. Lassen Sie mich aber noch einen Grund anführen. In den letzten Wochen — auch das sollte man ganz nüchtern feststellen — war die Bundesregierung mit Großen Anfragen sehr stark in Anspruch genommen. Wenn man das richtig und nüchtern betrachtet und auch noch dazunimmt, daß neben den Großen Anfragen große Gesetzgebungswerke hier behandelt worden sind, wird man erkennen, wie stark die Regierung, wie stark auch die Beamtenschaft in diesen Wochen strapaziert waren. Das sollten Sie ebenfalls berücksichtigen.
Gestatten Sie eine Zusatzfrage von Herrn Zoglmann?
Selbstverständlich!
Herr Staatssekretär, würden Sie mir recht geben, wenn ich sage, daß, da das Plenum dieses Hauses nach einer vierwöchigen Pause in dieser Woche zum erstenmal wieder tätig ist, in der Zwischenzeit sehr wohl die Möglichkeit bestanden hätte, all diese Dinge zu koordinieren, von denen Sie hier sprechen?
Dazu möchte ich jetzt doch einmal feststellen, daß heute vormittag — insofern hatten Sie, Frau Kollegin Funcke, mich ja auch angesprochen — auf der Regierungsbank eine ganze Reihe von Ministern zumindest zeitweise gesessen hat, was ich selbst festgestellt habe.
Zweitens darf ich feststellen, daß auch ich bereits heute vormittag und heute nachmittag seit 14 Uhr da oben gesessen habe, ausgenommen die Zeit, in der ich da unten mit Kollegen sprechen mußte.Drittens eine weitere Feststellung: die Einrichtung der Parlamentarischen Staatssekretäre ist zu dem Zweck erfolgt, eine politische Entlastung der Minister zu erreichen. Wenn hier Parlamentarische Staatssekretäre sitzen, zählt das soviel, wie wenn der Minister da säße.
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7654 Deutscher Bundestag - 5. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1968
Herr Staatssekretär, gestatten Sie ein Frage von Herrn Abgeordneten Frehsee?
Selbstverständlich!
Herr Staatssekretär, würden Sie den Kollegen Zoglmann darauf aufmerksam machen wollen, daß der Ältestenrat bei der Festlegung der Tagesordnung dieser Plenarsitzung nicht davon ausgegangen ist, daß sie so lange andauern würde, und daß der Präsident und die Mitglieder des Ältestenrates den anwesenden Vertreter der Bundesregierung nicht darauf aufmerksam gemacht haben, daß diese Plenarsitzung möglicherweise noch während der Sitzung des Wirtschaftskabinetts, die da schon bekannt war, andauern würde?
Ich bin dankbar, Herr Kollege Frehsee, daß Sie mich darauf hinweisen. Ich selbst habe dieser Sitzung nicht beigewohnt. Es war nicht meine Aufgabe.
Gestatten Sie eine weitere Frage von Herrn Abgeordneten Zoglmann?
Bitte sehr!
Herr Staatssekretär, würden Sie mir beipflichten — ich darf auf das abheben, was die Frau Kollegin Funcke vorhin gesagt hat; Sie waren offenbar mit ihr einer Meinung —, wenn ich sage, daß sich ein Minister, wenn er von der Diskussionszeit allein fast eineinhalb Stunden in Anspruch nimmt, nachher nicht dadurch beschwert fühlen darf, daß dieses Haus mit der Diskussion nicht schnell genug vorankommt?
Ich teile diese Meinung nicht. Lassen Sie mich das aber zum Anlaß nehmen, Herr Kollege Zoglmann, wenigstens noch einige wenige Sätze zum sachlichen Inhalt dessen zu sagen, was Frau Kollegin Funcke hier vorgetragen hat.
Ich teile Ihre Meinung, Frau Kollegin Funcke, daß Kapital dazu gehört, wenn man in der Wirtschaft arbeiten will. Auf der anderen Seite muß ich aber auch die Frage stellen: Gehört dann nicht auch Kapital dazu, wenn der Staat arbeiten will? Wir können heute keine Steuerdebatte führen. Das haben Sie wahrscheinlich auch nicht gewollt. Das ist Ihr Stekkenpferd; das kommt immer wieder. Wir werden sicherlich ausgiebig Gelegenheit haben, uns im Rahmen der Beratung über den Jahreswirtschaftsbericht eingehend auch über diese Fragen — dann allerdings nicht allein und getrennt und nur aus der Sicht der Steuern und der Steuersenkung oder anderer Maßnahmen, die nur diesen eng umgrenzten
Bereich betreffen — zu unterhalten, sondern hineingestellt in den 'Gesamtjahreswirtschaftsbericht und auch in den Gesamtablauf der Wirtschaft, wie wir ihn in der Prognose für das Jahr 1968 vor uns sehen.
Ich gebe Ihnen auch recht, wenn Sie sagen, daß es das teuerste Geld sei, das man im Wege der Anleihe, das man für hohe Zinsen nehmen muß. Dasselbe trifft aber auch für den Staat zu, der gerade im Augenblick — im vergangenen Jahr und in diesem Jahr — .sehr stark in die Verschuldung, also den Weg der Anleihe gehen muß.
Schließlich gebe ich Ihnen auch recht, was die Frage der Grunderwerbsteuer betrifft. Auch dazu nur eine kurze Antwort. Ich glaube, Sie selbst waren es, die in der Fragestunde diese Frage angeschnitten hatten; oder es war ein anderer Kollege. Ich habe ,damals schon gesagt, und ich sage es heute wieder: auch hier wird die Bundesregierung versuchen — Sie selbst sagten, die Zuständigkeit hat sie nicht; das ist richtig —, im Zusammenwirken mit den Ländern oder, wenn Sie wollen, durch Einwirken auf die Länder nach Möglichkeit eine Änderung zu erreichen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Zebisch.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Ausführungen meines Kollegen Dr. Stammberger haben etwas Unruhe in dieses Haus gebracht, als er über das Land Bayern sprach. Vielleicht kann ich jetzt mit einigen kalten, nüchternen Zahlen seine Ausführungen untermalen.Ich spreche nicht das große Land Bayern an; denn dazu habe ich keine Zeit. Mein Fraktionsgeschäftsführer hat mir acht Minuten Zeit gegeben.
Ich darf aus Bayern die Oberpfalz herausnehmen, die zugleich meine Heimat ist. Da muß ich feststellen, daß die Schuld an der Situation der Oberpfalz nicht die heutige Regierung trägt, sondern daß man bei der Frage nach der Schuld wahrscheinlich schon Jahrzehnte zurückgehen muß..Ich darf vielleicht einige Beispiele anziehen. Während wir in der 'Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1965 auf 1000 Einwohner einen Industriebesatz von 147 messen konnten, hatten wir im Land Bayern 135, in der Oberpfalz 107. In Niederbayern ging der Industriebesatz sogar auf 91 zurück. Diese Zahl sinkt in bestimmten Landkreisen der Oberpfalz, und zwar im südlichen Teil, bis unter 60. Diese Zahlengegenüberstellung zeigt, daß die seit Generationen bestehenden Strukturschwächen im Regierungsbezirk Oberpfalz weiter fortbestehen und daß diese Situation nach meiner Meinung auf Grund der extremen Randlage dieses Gebietes durch den Vollzug ,der Römischen Verträge nicht besser, sondern wahrscheinlich noch schlechter werden würde.
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ZebischIch darf vielleicht .ein weiteres Beispiel anführen. Hier sind viele Zahlen, teilweise falsche, teilweise richtige, über die Arbeitslosenquote in 'der Oberpfalz genannt worden. Im Telegrammstil: Die Oberpfalz, in der 20 % der nordbayerischen Bevölkerung leben, stellt zur Zeit 35 % der Arbeitslosen dieses Raumes. Das sind insgesamt 26 000 betroffene Menschen. Mehr als 76 % dieser Arbeitslosen sind leider Männer.Hier wurde unter anderem der Situationsbericht des Landesarbeitsamts Nordbayern zitiert. Ich kann dem Herrn Kollegen Porsch von der FDP nicht zustimmen. Seine Zahlen stimmen nicht. Wir haben Gott sei Dank in diesem Zeitraum noch nicht 'die Quoten erreicht, die auf der Talsohle in unserem Gebiet zu verzeichnen waren. Wir verzeichnen z. B. zur Zeit im Bezirk 'des Arbeitsamts Schwandorf 12,1 % Arbeitslose; im Februar 1967 waren ,es dort 16%. In Weiden haben wir zur Zeit 9,9 %, im Februar 1967 hatten wir 12,9 %.Bedrohlicher sehe ich die Entwicklung im Raum Amberg, und zwar in den letzten sechs Jahren. Die industrielle Arbeitsplätze in diesem Gebiet sind um 18,6% zurückgegangen. Der Rückgang wird sich im Sommer 1968 auf Grund der Entlassungen bei der Luitpold-Hütte noch auf 24,2 % steigern. Diese Erscheinung ist leider Gottes symptomatisch für die gesamte Oberpfalz.Nun lassen Sie mich die Auswirkungen dieser von mir angegebenen Tatsachen ansprechen. Ich darf das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf des Jahres 1964 zum Vergleich heranziehen. Dieses betrug in der Oberpfalz im Durchschnitt 5250 DM; in verschiedenen Bereichen lag es unter 4000 DM. Der Bundesdurchschnitt dagegen lag ungefähr bei 7150 DM. Für 1967 wird sich angesichts der Entwicklung der Arbeitslosenquoten und der Industriedichte der Abstand wahrscheinlich noch wesentlich vergrößert haben.Hinter diesen kalten Zahlen 'stehen menschliche Schicksale. Wir 'stellen fest, ,daß die Menschen in der Oberpfalz nicht nur während des Erwerbslebens, sondern vor allem auch später, wenn sie Rentenbezieher sind, bedeutend schlechter gestellt sind als die im übrigen Bundesgebiet. Ich darf Ihnen in meiner Eigenschaft als Vorsitzender der Vertreterversammlung der Landesversicherungsanstalten nur einige Beispiele anführen. Wir zahlen bei der Landesversicherungsanstalt Oberpfalz zur Zeit eine durchschnittliche Berufsunfähigkeitsrente von 108,00 DM; auf Bundesebene beträgt 'der Durchschnitt 136,70 DM. Die durchschnittliche Höhe der Erwerbsumfähigkeitsrente, die die Menschen in unserem Raum bekommen, 'beträgt 171,56 DM, auf Bundesebene 197,13 DM. Noch drastischer ist der Unterschied bei der Altersrente, die vom 65. Lebensjahr an gezahlt wird. Hier bekommen unsere Menschen in Niederbayern/Oberpfalz im Durchschnitt 203,99 DM, auf Bundesebene 260,82 DM. Ich könnte diese Beispiele fortsetzen über die Witwenrente bis herunter zur Waisenrente.Einen weiteren Nachteil für die von mir angesprochene Oberpfalz kann ich an Hand von zwei Betrieben ansprechen. An erster Stelle darf ich dieGesellschaft Eisenwerke Maximilianshütte nennen, die Zweigbetriebe in der gesamten Oberpfalz hat und sich einem völlig verzerrten Wettbewerb gegenübersieht. Während z. B. den Saar-Betrieben von der Bundesbahn für Transporte ihrer Güter Tarife eingeräumt werden, die der Höhe der Transportkosten entsprechen, die entstünden, wenn es einen Saar-Pfalz-Kanal gäbe, steht eine solche Vergünstigung den marktfernen Betrieben der Maximilianshütte nicht zur Verfügung. Diese Nichteinräumung der Alsobtarife bedeutet pro Jahr für dieses Unternehmen allein eine Mehrbelastung von 4,5 Millionen DM. Ich habe mich gefreut, daß in einem Gespräch, das in der Zwischenzeit zwischen dem Vorstand dieses Unternehmens und Verkehrsminister Leber bzw. seinen Experten stattgefunden hat, festgestellt wurde, daß diese Zahlen richtig sind und daß 'der Bundesverkehrsminister in einem Schreiben an den Herrn Bundeswirtschaftsminister die Durchführung struktureller wirtschaftspolitischer Maßnahmen angeregt hat. — Mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten darf ich weitere Angaben über die Maximilianshütte schriftlich zu Protokoll geben.Ein weiteres Beispiel bietet die Luitpoldhütte in Amberg. Dort wird die Beschäftigtenzahl, die im Jahre 1966 noch 2300 Menschen betrug, Mitte dieses Jahres auf 1000 zurückgehen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage 'des Abgeordneten Porsch?
Bitte sehr!
Herr Kollege Zebisch, Sie haben vorhin die Behauptung aufgestellt, ich hätte falsche Zahlen angegeben. Ich habe diese Zahlen aber von der Regierung der Oberpfalz gestern bekommen. Woher sind Ihre Zahlen?
Meine Unterlagen stammen vom Landesarbeitsamt Nordbayern in Nürnberg und datieren vom 5. Januar 1968.
— Darf ich fortfahren, Herr Präsident? —
Nennenswerte neue Arbeitsplätze für dieses Gebiet in der Oberpfalz in der Region Amberg stehen zur Zeit nicht zur Verfügung. Wenn in der Region Amberg nichts unternommen wird, bedeutet das allein für das ' Gebiet Amberg einen Kaufkraftschwund von rund 10 bis 12 Millionen DM, der wiederum Auswirkungen auf den Beschäftigtenstand und vor allem auf die Finanzen der Stadt Amberg haben wird.
Diese von mir angesprochene Region hat auf der anderen Seite den größten Geburtenanstieg Bayerns zu verzeichnen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Moersch?
Bitte!
Herr Kollege, ist Ihnen eben bei der Zwischenfrage meines Kollegen Porsch nicht klar geworden, daß seine Zahlen die neuesten Regionalzahlen der Oberpfalz sind und Ihre offensichtlich etwas älter sind und sich auf ganz Nordbayern beziehen?
Herr Kollege Moersch, das ist mir leider nicht bekanntgeworden. Ich weiß nicht, von wann das Schreiben der Regierung Oberpfalz ist; ich kenne dieses Schreiben nicht. Aber ich habe die letzten Zahlen des Landesarbeitsamtes für Nordbayern zur Verfügung, und ich bin gern bereit, dem Kollegen Porsch meine Zahlen zu geben.
— Wir Bayern lassen uns nicht aus der Ruhe bringen.
Wenn ich Ihnen jetzt sage, daß Ihre Redezeit abgelaufen ist, werden Sie vielleicht doch aus der Ruhe kommen.
Dann muß ich mich beeilen, Herr Präsident.
Ich gebe Ihnen eine Frist von einer Minute.
Zusammenfassend darf ich also für das von mir angesprochene Gebiet der Oberpfalz folgendes feststellen. Im Vergleich mit den übrigen Regierungsbezirken des Landes Bayern zeigt dieser Bereich nach wie vor erhebliche strukturelle Schwächen im Wirtschaftsaufbau. Die jährlich wiederkehrenden saisonalen Schwankungen der Arbeitslosigkeit geben in den Wintermonaten zu ernster Sorge Anlaß. Sie dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß saisonale Schwankungen letzten Endes einer seit geraumer Zeit bestehenden strukturellen Arbeitslosigkeit vorgelagert sind. Deshalb ist die Anhebung des Industriebesatzes durch gezielte Strukturverbesserungen sektoraler und regionaler Art durch die öffentliche Hand vordringlich. Die von seiten des Bundes geplante Kürzung der Mittel und die beabsichtigte Veränderung der Modalitäten des regionalen Förderungsprogrammes können möglicherweise ungünstige Auswirkungen in diesem Zonenrand- und Grenzgebiet zeitigen. Künftig sollten die Strukturverbesserungsmaßnahmen der öffentlichen Hand über die Kreditprogramme des Bundes und des Landes gezielt und schwerpunktartig in dieses Gebiet mit seiner großen Arbeitslosigkeit und seinem schwachen Industriebesatz gelenkt werden.
Ich darf mich bei dem Herrn Präsidenten bedanken.
Exakt eine Minute. — Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Niederalt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man diese Debatte und auch andere Debatten aus früherer Zeit über regionale und sektorale Wirtschaftsfragen aufmerksam verfolgt, wird man feststellen müssen, daß in der Sache nicht viel Neues gesagt wird, daß sich aber von Mal zu Mal immer mehr Kollegen zu Wort melden und zu diesem Thema sprechen. Ich freue mich darüber, und zwar deshalb, weil die allgemeine Unruhe offensichtlich doch immer größer wird, die allmählich in unsere Reihen des Deutschen Bundestages eindringt, die Unruhe über die Unausgeglichenheit der Wirtschaftsstruktur in der Bundesrepublik, die nach wie vor groß ist. Das Ziel der regionalen Wirtschaftsförderung ist doch gerade die Ausgeglichenheit der Wirtschaftsstruktur. Von diesem Ziel sind wir noch weit entfernt.Ich brauche mich nicht in den Zahlenstreit zwischen Herrn Porsch und Herrn Zebisch einzumischen. Die Zahlen sind katastrophal, meine Damen und Herren! Es gibt Landkreise, mehr als ein Dutzend, mit 30 bis 35 % Arbeitslosen. Da streite ich nicht lange um 0,1 % mehr oder weniger herum; mir genügen die Zahlen auch so.
Meine Damen und Herren! Wir fragen nach den Ursachen. Wenn wir das tun, dann tun wir es — wenn uns das Problem wirklich ernst ist - ohne Rücksicht darauf, ob der Sprecher von der SPD, von der CSU oder von der FDP kommt.
Wir fragen also wieder: Auf welche Ursachen ist diese Entwicklung zurückzuführen? Ein Teil der Ursachen ist heute am Rande genannt worden. Ein Kollege von der SPD hat richtig gesagt: In den letzten Jahren haben wir 2 Millionen Menschen, im wesentlichen aus der Landwirtschaft, entlassen, aber nicht genügend vorgesorgt für ihre Ausbildung. Diese Menschen sind in der Regel die ersten, die arbeitslos werden. Das ist richtig.Ein zweiter Grund ist die allgemeine Konjunkturlage. Natürlich sind verkehrsschwache und revierferne Gebiete immer die ersten, die von einer Rezession betroffen werden. Deshalb ist richtig, was in der Antwort des Bundeswirtschaftsministers gesagt wurde, daß sowohl sektorale wie regionale Strukturfragen auf die Dauer nur gebessert werden können, wenn die allgemeine Konjunkturlage gebessert wird, und darin müssen wir ihn unterstützen. Aber — und jetzt kommt das große Aber — nach meiner Überzeugung kommen eben auch noch spezielle Gründe dazu. Meine Damen und Herren, wenn wir nicht mit den Problemen der regionalen Wirtschaftspolitik einmal ernst machen, dann wer-
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Niederaltden wir in fünf oder zehn Jahren — sofern wir dann noch hier sind — über das gleiche Thema mit den gleichen Zahlen operieren müssen.Der Hauptgrund für diese überaus große Unterschiedlichkeit in der Wirtschaftsstruktur liegt einfach in den natürlichen Standortnachteilen der revierfernen Gebiete. Wenn wir nicht damit ernst machen, diese Standortnachteile durch Anreize steuerlicher Art zu mildern oder vielleicht auszugleichen, dann ist alles sinnlos. Meine Damen und Herren, ich bin Anhänger einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung, das möchte ich ausdrücklich sagen. Aber diesen Ausgleich zu schaffen, ist Aufgabe des Staates, da ist die Wirtschaft für sich allein überfordert. Die Wirtschaft ist angetreten unter den strengen Gesetzen der harten Kalkulation. Wenn ich als Wirtschaftsunternehmer vor der Frage stehe, ob ich einen Betrieb im Bayerischen Wald errichten soll oder im Raum Schweinfurt oder im Rhein-MainGebiet oder im Ruhrgebiet, dann gehe ich natürlich in das Rhein-Main-Gebiet oder das Ruhrgebiet. Zufuhr der Rohstoffe, Absatz der Fertigprodukte — alles liegt vor der Tür. Das ist die beste Grundlage für die Kalkulation.Meine Damen und Herren, der Staat hat ein legitimes Interesse an einer gesunden Raumordnung. Wir müssen von ihm verlangen, daß er dafür sorgt, daß die Ballungsräume nicht weiter wachsen und daß die ländlichen Gebiete nicht völlig entleert werden.
Wenn der Staat dieses Interesse hat oder haben muß, dann muß er auch durch steuerliche Anreize dafür sorgen, daß in dieser Richtung etwas geschieht. Deshalb unser Antrag. Ich möchte nicht im einzelnen auf ihn eingehen. Ich möchte nur noch einmal drei Punkte herausgreifen. — Einer steht nicht einmal im Antrag.Wir müssen unbedingt bei der Investitionsprämie mit dem Ruhrgebiet gleichziehen. Der Kollege Stammberger hat gemeint, wir von der CSU hätten da eine Rivalität mit dem Ruhrgebiet und spielten da ein wenig Bayern gegen Ruhrgebiet aus, Herr Kollege Stammberger, das liegt uns völlig fern. Aber für mich ist Arbeitsloser gleich Arbeitsloser. Wenn ich feststelle — und ich bitte, das noch einmal zur Kenntnis zu nehmen, meine Damen und Herren -, daß an -keinem einzigen Tage des Jahres 1967 die prozentuale Arbeitslosenziffer von Nordrhein-Westfalen größer war als die Arbeitslosenziffer des Landesarbeitsamtes Nürnberg, sondern im Gegenteil an jedem Tage des Jahres 1967 die prozentuale Arbeitslosenziffer des Landesarbeitsamtes Nürnberg erheblich über der von Nordrhein-Westfalen lag, -ja, haben wir dann nicht das Recht, haben wir dann nicht die Pflicht, uns zu rühren und zu sagen: auch wenn dort im Bayerischen Wald nicht das Gesetz der großen Zahl Platz greift, so sind das doch auch Menschen, und Arbeitslose sind Arbeitslose?
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Mick? —
Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, daß wir in Nordrhein-Westfalen z. B. in Gelsenkirchen eine Arbeitslosenquote von über 5 % haben?
Lieber Herr Kollege Mick, fassen Sie doch meine Ausführungen nicht falsch auf. Natürlich ist mir das bekannt. Ich kann Ihnen dazu aber auch sagen, daß wir das ganze Jahr 1967 über in Bayern mehr als ein Dutzend Landkreise hatten, in denen die Arbeitslosigkeit nicht unter 8,8 % gesunken ist.
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Mick? -
Ist Ihnen bekannt, Herr Kollege Niederalt, daß z. B. das Land Bayern von der Bundesanstalt mehr Mittel zur regionalen Strukturförderung erhalten hat, als die bayerische Wirtschaft, die bayerischen Arbeitnehmer je in die Bundesanstalt eingezahlt haben?
Diese Tatsache ist mir im Augenblick nicht bekannt, Herr Kollege Mick;
aber sie geht ja am Thema vorbei. Mir geht es darum, hier ganz klipp und klar zu sagen: Wir wollen keine kleinkarierte Rivalität, sondern wir wollen gesunde Grundsätze; Arbeitslosigkeit ist Arbeitslosigkeit; sie muß, gleichgültig, wo sie auftritt, bekämpft werden.
Als zweites möchte ich folgendes feststellen. Wir werden bei der Erhaltung der Betriebe und der Frage von neuen Niederlassungen - ganz gleich, ob sie sich in Baden-Württemberg befinden, auch dort gibt es einige solcher Landstriche, oder oben in Niedersachsen oder im Bayerischen Wald — auf die Dauer nur dann Erfolg haben — wenn wir ein gewisses Prä, ein gewisses Plus zum Ausgleich der natürlichen Standortnachteile geben. Dieses Prä und dieses Plus können nach meiner Meinung — ich bitte Sie ernsthaft, bei Anlaß der Überweisung des Antrages an den Ausschuß darüber zu beraten; das ist mein Vorschlag — nur in einer Art von verstärkten Sonderabschreibungen bestehen, wie sie beispielsweise im Berlinhilfegesetz gegeben werden.
— Das gehört dazu. Das ist nur in dieser Art möglich; sonst werden wir es nicht schaffen, es sei denn, man will das Problem nicht lösen. Wenn man es lösen will, muß man es s o machen.Nun ein Drittes, sehr Wichtiges, das ich in diesem Hause seit 1953 immer gesagt habe: Die Gesamtpolitik muß auf eine gesunde raumordnerische Funktion abgestellt sein. Da darf es nicht vorkommen, daß wir auf der einen Seite regionale Förderungsprogramme aufstellen — also etwas geben —, und auf der anderen Seite wieder etwas nehmen, etwa durch Maßnahmen des Verkehrs, der Bundes-
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Niederaltbahn. Das muß in die Gesamtkonzeption hineinpassen; da spielt nicht nur der Verkehr eine Rolle, sondern auch der Außenhandel ist ganz wichtig. Mit anderen Worten: es muß gelingen, dieser Frage endlich einmal die politische Priorität zu geben, die ihr zukommt. Nur wenn das geschieht, werden wir von diesen unerfreulichen Entwicklungen wegkommen.Natürlich kostet das etwas. Ich bin dankbar, daß heute auch diese Frage mit angeschnitten wurde. Ich zähle nicht zu den oberflächlichen Leuten, die bei Ad-hoc-Debatten, wenn es um die Landwirtschaft geht, sagen: es gibt nur die Landwirtschaft, und, wenn es ums Regionale geht, sagen: es geht nur ums Regionale. Nein, wir müssen all unsere Spezialpolitik in die Gesamtpolitik einbetten. Wir müssen wissen: eine gesunde Konjunkturpolitik können wir nur bei Stabilität der Wirtschaft und bei einer vernünftigen Finanzpolitik betreiben.Wir müssen auch wissen: wenn wir die relativ geringen finanziellen Mittel jetzt nicht aufbringen, wird uns das in ganz wenigen Jahren schon viel teurer zu stehen kommen, und zwar nicht nur in Mark und Pfennig teurer — weil die Probleme der Ballungsräume, die schon heute finanziell kaum noch zu bewältigen sind, immer teurer werden -, sondern es wird uns allen politisch teuer zu stehen kommen.Übersehen Sie bitte eines nicht: in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gibt es keine gottgegebene und so hingenommene Arbeitslosigkeit mehr. Wenn Sie hier nicht etwas tun, dann treiben wir die Leute, mögen sie noch so gutmütig sein, allmählich in den Radikalismus.Deshalb, meine Damen und Herren, bitte ich Sie von Herzen, sowohl unseren Antrag als auch das, was ich zusätzlich gesagt habe, in den Ausschüssen zu beraten, um der Frage einer regionalen Wirtschaftsförderung endlich die Bedeutung zu geben, die ihr nach meiner Auffassung insgesamt zukommt.
Das Wort hat jetzt Herr Abgeordneter Wurbs.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich im Rahmen der strukturpolitischen Aussprache einige wenige Bemerkungen zur Wohnungsbausituation mache. Ich glaube, man darf von der Tatsache ausgehen, daß sich der Wiederaufbau im wesentlichen vollzogen hat und daß sich die Verhältnisse in allen Bereichen der Wirtschaft zu normalisieren begonnen haben bzw. schon normalisiert haben. Dies trifft insonderheit für den Wohnungsbau zu.Die wirtschaftliche Rezession, besser gesagt: die Stagnation der letzten Monate ist nicht allein auf konjunkturelle Tatbestände zurückzuführen, vielmehr spielen auch strukturelle Gesichtspunkte hierbei eine entscheidende Rolle. Es ist daher von maßgehender Bedeutung gerade für die künftige Wohnungsbaupolitik, diesen strukturellen Verhältnissen und Gesichtspunkten. Rechnung zu tragen. Es erscheint mir unerläßlich, umfangreiche und ausgiebige Strukturanalysen anzufertigen, um künftig gezielter Wohnungsbau betreiben zu können. Auf jeden Fall muß vermieden werden, nach dem Gießkannenprinzip zu bauen, nur um quantitative Leistungen vorweisen zu können. Meine Damen und Herren, ich selbst komme aus der Bauwirtschaft und hin froh über jeden Auftrag, der der Bauwirtschaft insgesamt zugute kommt. Ich habe aber gewisse Vorbehalte, gerade nach Anlaufen des zweiten Eventualhaushalts, daß zum Teil nur aus konjunkturbelebenden Gesichtspunkten Vorhaben gefördert werden oder wurden, deren Dringlichkeit nicht in jedem Falle gegeben ist. Auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen, möchte ich noch einmal ausdrücklich vor einem Bauen um jeden Preis und vor einem Bauen am Bedarf vorbei warnen.Ich möchte die Bundesregierung noch einmal eindringlich auffordern, alles zu unternehmen, damit das Wohnungszählungsgesetz zum Zuge kommt. Ich bin erfreut, aus dem Munde des Herrn Wohnungsbauministers vernommen zu haben, daß er sehr zuversichtlich ist, daß in Bälde mit dem Bundesrat eine Einigung erzielt werden kann. Wenn auch die Erkenntnisse dieses Wohnungszählungsgesetzes auf Unterlagen beruhen, die zwei Jahre zurückliegen und nicht den wahren Tatbestand widerspiegeln, ist doch eine zeitverschobene Unterlage immer noch besser als gar keine.Die Kenntnis von Art, Umfang und regionaler Verteilung des Wohnungsbedarfs ist von besonderer Wichtigkeit sowohl für die Investitionsentscheidungen der gesamten Wohnungswirtschaft als auch für den Einsatz der Mittel des Bundes. Ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten aus den Grundsätzen der sektoralen Strukturpolitik des Bundeswirtschaftsministeriums vom November 1966 zitieren und darf damit gleichzeitig an die Ausführungen meiner Kollegin Frau Funcke anknüpfen. Nach unseren marktwirtschaftlichen Ordnungsvorstellungen hat der Unternehmer seine Entscheidung selbstverantwortlich zu treffen. Grundsätzlich ist es seine Aufgabe, Strukturveränderungen rechtzeitig zu erkennen und sich auf sie einzustellen. Dazu gehört auch, daß die Möglichkeiten zur Kooperation ausgeschöpft werden.Meine Damen und Herren, was für den Unternehmer Gültigkeit haben soll, muß in jedem Fall auch für den Staat gelten. Es ist unbestritten, daß sozial und wirtschaftlich Schwache nicht immer vom freien Wohnungsmarkt versorgt werden können. Aus diesem Grunde ist es unerläßlich, für diesen Personenkreis künftig in ausreichendem Maße Wohnungen zur Verfügung zu stellen. Es ist zu überlegen, ob man diese Wohnungen mit einer angemessenen Ausstattung nicht über einen gewissen Zeitraum binden sollte. um Fehlbelegungen vorzubeugen. In diesen Komplex sind auch Wohnungen für alte Menschen und die Pflegebedürftigen mit einzubeziehen. Die neuesten Statistiken haben ergeben, daß sich bis zum Jahre 1970 der Anteil der alten Menschen, gemessen an der Gesamtbevölkerung, auf etwa 12 % erhöhen wird. Diesem Umstand muß für die Zukunft Rechnung getragen werden.
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WurbsEbenso sind Wohnungen für kinderreiche Familien in diesen Komplex mit einzubeziehen. Auch ist der Mobilität der Arbeitskräfte beim Bau von Wohnungen Rechnung zu tragen.Nach Deckung des Nachholbedarfs kommt der Verbesserung alter Wohnungen sowie der Strukturverbesserung der Städte und Gemeinden eine besondere Bedeutung zu. Die Strukturverbesserung muß meines Erachtens Priorität vor dem Wohnungsneubau bekommen. Die Modernisierung alter Objekte, die weniger aufwendig ist als die Sanierung, muß vorrangig behandelt werden, zumal in den letzten Jahrzehnten, in den Jahren der Wohnungszwangswirtschaft, die Altbauvorhaben vernachlässigt worden sind. Heute ist dies nicht mehr zu verantworten. Nach meinem Dafürhalten besteht die zwingende Notwendigkeit, die Altbauwohnungen dem derzeitigen Standard anzupassen, damit die Altbauwohnungen bei einem weiteren Wohnungsneubau künftig nicht ins Hintertreffen kommen und brachliegen.In diesem Zusammenhang erscheint es mir angebracht, zu überlegen, ob nicht seitens des Staates Hilfen gewährt werden können, um den Wohnungseigentümern Anreiz zu geben, alte Wohnungen abzureißen und neue zu erstellen. In den meisten Fällen wird es möglich sein, verhältnismäßig tragbare Mieten zu erzielen, weil teilweise die Kosten der Versorgungsleitungen und Fundamente entfallen oder sehr niedrig angesetzt werden können und somit bei der Mietpreisbildung eine Rolle spielen; das gleiche gilt für die verhältnismäßig niedrigen Grund- und Bodenpreise.Meine Damen und Herren, ich kann an dieser Stelle nur ein paar grundsätzliche Bemerkungen machen und einige Anregungen gehen. Der zuständige Ausschuß wird sich noch mit der Gesamtmaterie befassen und entsprechende Entscheidungen treffen. Abschließend möchte ich sagen, daß die Wertung der staatlichen Wohnungspolitik nicht allein nach den erzielten Bauleistungen oder gar nach dem Volumen der gewährten öffentlichen Mittel erfolgen wird. Entscheidend dürfte für die Zukunft vielmehr die Wohnungsbaukonzeption sein.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Fritsch.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst bin ich dem Herrn Bundeswirtschaftsminister sehr dankbar dafür, daß er in seiner Antwort auf die Große Anfrage der CDU/CSU betreffend die sektorale und regionale Strukturpolitik mitgeteilt hat, daß die regionale Wirtschaftsförderung nach dem Finanzreformprogramm der Durchführung der Gemeinschaftsaufgaben gleichgestellt werden soll. Warum bin ich dafür sehr dankbar? Weil ich meine, daß gerade die regionale Wirtschaftsförderung jene Gebiete treffen kann, die der Förderung besonders bedürfen. Ich meine damit das Zonenrandgebiet, von dem heute vielfach gesprochen worden ist, und den niederbayerischen Raum, der seit Jahrzehnten unterwirtschaftlichen Benachteiligungen und unter außergewöhnlichen sozial schwierigen Verhältnissen lebt und in dem die Menschen bei aller Arbeitswilligkeit und bei aller Arbeitsfähigkeit vielfach den ihnen gemäßen Arbeitsplatz nicht finden.Ergänzend zu den bereits dargelegten Zahlen der derzeitigen arbeitslosen Mitbürger füge ich hinzu, daß es im niederbayerischen Raum rung 13 000 Pendler gibt, Fernpendler, die keine Möglichkeit haben, am Wohnort ihrer Familie oder in der Nähe Arbeit zu finden. Ich füge hinzu, daß etwa die Hälfte der derzeitigen arbeitslosen Mitmenschen ungelernte Arbeitskräfte sind, für die das kommende Arbeitsförderungsgesetz sicher ein weites Anwendungsfeld finden wird. Niederbayern und der ostbayerische Raum leiden aber auch unter erheblichen sektoralen Schwierigkeiten und Schwächen.lassen Sie mich hierzu ein Wort über die Granitindustrie sagen, die mit ihren 5000 Beschäftigten nur zu 60 % ihrer Kapazität ausgelastet ist, die einen ständigen Rückgang in ihrer Erzeugung durch die Veränderung der Verbrauchergewohnheiten erfährt und die durch die ausländische Konkurrenz besonders bedroht ist.Ich meine auch ein Wort zur Holzindustrie sagen zu müssen. Es ist eigenartig, in jedem Fall betrüblich, wenn in einem Gebiet wie dem ostbayerischen Grenzraum mit 750 000 ha Wald trotzdem Stillegungen von über 50 % der Sägewerke in den letzten 15 Jahren stattgefunden haben.Die Glasindustrie, die etwa 3000 Menschen Arbeit und Brot gibt, ist ob ihres ungünstigen Standortes ebenfalls außergewöhnlich krisenanfällig und bedarf der Stützung.Die regionalen Strukturverhältnisse drücken sich auch darin aus, daß die Verkehrsverhältnisse im ostbayerischen Raum und in Niederbayern besonders ungünstig sind. Ich meine, daß es, wenn wir im Rahmen der regionalen Wirtschaftsförderung Hoffnungen auf die zukünftigen Maßnahmen setzen dürfen, möglich sein muß, dabei weitgehend flexibel vorzugehen und in den Räumen Schwerpunkte zu setzen, die bisher sehr vernachlässigt worden sind und bei denen die Summation der unterbliebenen Effekte die Menschen besonders betroffen hat.Heute ist bereits ausgeführt worden, daß Niederbayern nicht über einen einzigen Meter Autobahn verfügt und daß nach den Plänen voraussichtlich nicht vor 1970 mit dem Bau der Autobahn Regensburg–Passau als einer lebenswichtigen Verkehrsverbindung begonnen werden kann. Es müßte im Interesse einer flexiblen regionalen Wirtschaftsförderung möglich sein, im Sinne der Austauschbarkeit der eingesetzten Titel wenigstens den Teilausbau dieser Autobahn durchzuführen. Das hat nicht nur Auswirkungen für den Verkehr, sondern auch wirtschaftliche Ergebnisse für die bereits erwähnte Granitindustrie.Wir meinen, daß im Hinblick auf eine Verbesserung der Struktur und der Infrastruktur der Ausbau der Bundesstraßen als vorrangig betrachtet werden muß. Ich erinnere dabei an die lebenswichtigen Verkehrsverbindungen von Eisenstein nach München,
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Fritsch
die Bundesstraße 11 bzw. die Bundesstraße 388, die dadurch, daß sie nicht voll funktioniert, einen ganzen Landkreis von jeglicher wirtschaftlicher Entwicklung abschneidet, nämlich den Landkreis Wegscheid. Die Bundesbahn sollte in diesem Raum keine Verdünnung ihrer Fahrpläne vornehmen, sondern sie sollte eine aktive Verkehrspolitik betreiben und dazu beitragen,
daß Stillegungen vermieden werden, mindestens dort nicht angekündigt werden, wo sie noch nicht feststehen. Ich meine aber auch, daß der Ausbau des bereits erwähnten Rhein-Main-Donau-Kanals sehr nützlich sein wird und daß er diesem Raum neue und notwendige Impulse vermitteln wird.Ich habe von der Flexibilität der Maßnahmen und der Hilfen gesprochen. Lassen Sie mich dabei in aller Kürze einige sofort ergreifbare Maßnahmen erwähnen. In diesem Gebiet, das jahrzehntelang vernachlässigt worden ist, sollte keine öffentliche Einrichtung abgezogen werden; im Gegenteil, der Bund sollte es sich zur Aufgabe machen, dort Schulen, Archive, Erholungsstätten und vieles andere mehr zu errichten. Bundeseinrichtungen in diesem Gebiet haben nicht nur einen wirtschaftlichen Effekt, sondern hängen vielleicht irgendwo auch mit der Frage der Glaubwürdigkeit unserer Verteidigungsbereitschaft zusammen. Die flexible Unterstützung sollte insbesondere darin bestehen, die Frachthilfe zu verbessern und die eingeführten Bagatellgrenzen wegfallen zu lassen; denn sie belasten die mittelständische Wirtschaft. Wir sollten dazu übergehen, Bürgschaften für Betriebsmittelkredite zu ermöglichen. Wir sollten aber auch daran denken, daß der Wohnungsbau in diesem Grenzgebiet verstärkt durchgeführt werden muß, um die Wanderungsverluste, die dieses Gebiet in den letzten Jahrzehnten hinnehmen mußte, aufzufangen oder wenn irgend möglich zu verhindern. Neben der Stützung der ansässigen Industrie ist selbstverständlich die Schaffung neuer Arbeitsplätze vordringlich. 13 000 Pendler sind eine überzeugende Zahl dafür, daß alles getan werden muß, um den Menschen Niederbayerns, um den Menschen an der Grenze das Gefühl zu geben, daß sie gleichberechtigte Wirtschafts- und Sozialbürger in unserem Lande sind.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Lampersbach.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Wenn ich der Debatte jetzt noch einmal nachgehe, so möchte ich sagen: mit der Anfrage, die von der CDU/CSU zur Strukturpolitik eingebracht worden ist, stellen sich heute zwei Aufgaben. Es geht zunächst einmal um die Ad-hoc-Lösung brennend gewordener Probleme, die sich sowohl im Bergbau als auch in Niederbayern, in den Zonenrandgebieten oder auch in der Textilindustrie stellen. Allerdings meine ich, daß die Frage der Lösung dieser Schwierigkeiten, so interessant sie auch sein mag, in einer
Debatte über regionale und sektorale Strukturpolitik zweitrangig ist. Man sollte diese schwierigen Situationen vielmehr kurzfristig zu lösen versuchen, so wie es auch die Regierung und das Parlament in den letzten Wochen und Monaten getan haben. Sicherlich sind dazu zunächst einmal Finanzspritzen vordringlich vonnöten, wie sie auf Grund der beiden Konjunkturprogramme verabfolgt worden sind.
Ich möchte mich in den kurzen Ausführungen, die mir hier gestattet sind, mehr auf die eigentlichen Grundfragen der regionalen und sektoralen Strukturpolitik beschränken. Lassen Sie mich vorab aber noch einige Worte zu den Ausführungen des Kollegen Ravens sagen, die mich als Mitglied dieses Hauses, aber auch als Abgeordneten, der aus einem bergbaubezogenen Wahlkreis kommt, doch außerordentlich befremden. Ich meine, daß es nicht gut ist, wenn man die ohnehin schwierige Situation, in der sich alle Beteiligten befinden, sowohl die Arbeitnehmer als auch die Unternehmer, noch durch zusätzliche Interpretationen in der Art, wie sie Herr Ravens hier gegeben hat, erschwert. Wir sollten nicht irgendwelche Neidkomplexe, die sicherlich sehr leicht aufkommen, stärken und schüren, sondern wir sollten versuchen, sie abzubauen, um ein gesundes Klima für Verhandlungen in diesem sehr schwierigen Unterfangen zu bekommen.
Es trifft sicher nicht den Kern, wenn Herr Kollege Ravens hier meint, daß die Verhandlungen zwischen Wirtschaftsministerium und Rheinstahlkreis immer wieder bewußt verzögert worden seien, damit es nicht zu einem Ergebnis komme. Herr Kollege Ravens, Sie werden sicherlich dem Herrn Minister Schiller zugestehen, daß er als Mensch Anspruch darauf hat, einmal Urlaub zu machen. Diese drei Wochen Urlaub fallen gerade in die Zeit hinein, in der die Verhandlungen schleppend geworden sind. Man sollte so fair und loyal sein, dem Minister den Urlaub zu gönnen, den er sicher sehr wohl verdient hat.
Erlauben Sie eine Zwischenfrage?
Herr Kollege Lampersbach, haben Sie den Eindruck, daß die Verhandlungen durch den Bundesminister Schiller verzögert worden sind? Ist das behauptet worden?
Ich habe nicht davon gesprochen, daß der Minister Schiller die Verhandlungen verzögert hat, sondern daß einfach die zeitlichen Voraussetzungen zur Fortsetzung der Verhandlungen — sowohl durch Feiertage, als auch durch einen sicher notwendigen Urlaub — weggefallen waren. Das hat also nichts mit Böswilligkeit der einen oder anderen Seite zu tun.
Ich glaube, man sollte hier nicht global unterstellen, daß die Unternehmungen grundsätzlich alle Verbesserungen, die wir für den Bergarbeiter erstreben und die ihm gewährt werden, verhindern wollen. Man könnte nachweisen, daß der Bergbau, also die Unternehmungen, über die arbeitsrecht-
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Lampersbach
lichen Verpflichtungen hinaus doch einiges getan hat. Wir sind wohl weitgehend der Meinung, daß hier sicherlich noch mehr getan werden muß. Ich gehöre zu den Leuten, die alle Maßnahmen unterstützen, durch die die Situation der Betroffenen oder der in Zukunft noch Betroffenen verbessert wird.
Mir ist nicht ganz klargeworden, was der Herr Minister Schiller mit den qualitativen Unterschieden bei der Strukturwandlung sowohl im Steinkohlenbergbau als auch bei der Textilindustrie gemeint hat. Qualitative Unterschiede bei den Betroffenen — gleichgültig, ob es nun ein Weber, Spinner, Bleicher oder Bergmann ist — könnte man wohl nicht nennen. Das Schicksal des einzelnen betroffenen Arbeitnehmers, der durch die Strukturwandlung in die Situation kommt, seinen Arbeitsplatz wechseln zu müssen, ist gleichmäßig schwierig. Man sollte auch nicht schon dann von einer verstärkten oder qualitativ noch größeren Not sprechen, wenn massive Demonstrationen mit schwarzen Fahnen durchgeführt werden; so etwas soll man dabei herauslassen.
Die regionale und sektorale Strukturpolitik, wie wir sie sehen, verstehen und interpretiert haben möchten, möchte ich folgendermaßen zusammenfassen. Die Strukturpolitik ist auf mehreren Ebenen zu sehen. Wir müssen diese Strukturpolitik sowohl im nationalen wie auch im übernationalen Rahmen sehen. Wir werden sicher einer Meinung darin sein daß wir bestimmte Sektoren, bestimmte Fabrikationen bei uns schützen müssen, wenn diese Strukturen durch nicht marktkonforme Mittel von außen in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. Darüber hinaus gibt es hier vordringliche Aufgaben der Länder, der Regierungsbezirke und der Gemeinden, die diese Strukturpolitik mit durchzuführen haben.
Die Aufgabe hängt nach meiner Auffassung nur sekundär mit dem Geld zusammen. Primär ist sie durch gesetzliche Regelungen zu lösen. Diese gesetzlichen Regelungen lösen zunächst einmal Nahwirkungen aus. Dadurch werden Länder und Gemeinden dann zu Maßnahmen in der Infrastruktur animiert, die eine bessere Strukturierung der jeweils betroffenen Gebiete ermöglichen. Ich denke auch daran, daß im Rahmen der Finanzverfassungsreform und der Steuerreform, die hoffentlich in Parallele zu der ersteren recht bald kommen wird, die Gemeinden und die Länder in die Lage versetzt werden müssen, den Strukturänderungen besser und schneller als bisher Rechnung zu tragen.
Sicherlich müssen wir uns auch Gedanken über die noch bestehenden Demarkationen machen, z. B. in der Stromversorgung. Hier sind in der Vergangenheit, wie uns vielfach bekanntgeworden ist, Schwierigkeiten bei der Ansiedlung neuer Industriebetriebe aufgetreten. Dazu gehört selbstverständlich auch, daß wir uns im Rahmen der Raumordnung und der Verwaltungsreformen — die nun teilweise überall anlaufen — Gedanken über die Verkehrspolitik machen. Ich meine hier nicht das Konzept, das uns seit einigen Wochen vorliegt, sondern ganz allgemein die Verkehrspolitik, die Ausgestaltung der Verkehrswege. Es darf hier in keinem Fall zu einer
Einengung des Wettbewerbs kommen, weil wir den immer noch für richtig und wirkungsvoller für die Entwicklung halten, als wenn es zu rein diktatorischen Zwangsmaßnahmen des Staates käme. Die Generalverkehrspläne, die allerorten in Angriff genommen worden sind, könnten hier sicherlich gute Leistungen erwarten lassen.
Im Zusammenhang mit dieser Gesetzgebung sollte man auch daran denken, daß das Bundesbaugesetz dringend einer Reformierung bedarf. Das ist schon verschiedentlich angeklungen. Ob ich den Wohnungsbau oder auch die gewerblichen Bauten betrachte, man sollte überlegen, welche Änderungen erforderlich sind, um leichter und griffiger handeln zu können. Die Schwierigkeiten, auf die wir sicherlich stoßen, werden darin liegen, daß wir unter Umständen weitgehend in bestehende Kompetenzen der Länder und Gemeinden eingreifen müßten. Ich halte das nicht für gut. Denn wir sollten die gute Selbstverwaltung, die wir seit vielen Jahren praktizieren, nicht leichtfertig aufgeben.
Man sollte auch nicht ohne weiteres von dem föderativen Charakter unserer Bundesrepublik abgehen. Denn diese Fragen kann man leichter und schneller durch die Stellung von Gemeinschaftsaufgaben lösen, zu der sich alle drei Ebenen — Bund, Länder und Gemeinden — bekennen müßten und könnten.
Bei allen diesen Maßnahmen darf in keinem Fall die regionale oder auch die sektorale Strukturpolitik nur dann möglich sein, wenn permanent eine Subventionswelle über das Land geht. Aus zweierlei Gründen halte ich das für schlecht. Hier würde von vornherein der Leistungswille der einzelnen Unternehmungen, aber unter Umständen auch der der Arbeitnehmer kupiert werden. Das würde bedeuten, daß der Staat permanent für alle die Bereiche, die irgendwie krank werden, in Vorlage zu treten hätte.
Herr Abgeordneter, darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß Ihre Redezeit abgelaufen ist.
Ich bin sofort am Ende, Herr Präsident. — Dadurch würde man in die Gefahr geraten, daß die Wirtschaft praktisch zum Subunternehmer des Staates werden könnte.
Die Schwierigkeiten, die sich langfristig für die nächsten Jahre stellen — ohne daß ich so vermessen wäre, das Jahr 2000 zu nennen —, dürften sicherlich in allerkürzester Zeit von den Fachausschüssen eingehend zu beraten sein. Ich bin froh, daß wir heute einmal über diese Dinge, die uns in jeder einzelnen Region besondere Schwierigkeiten machen, ausführlich und eingehend sprechen können.
Das Wort hat der Abgeordnete Schlee.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und meine Herren! Wenn ich wi-
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7662 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1968
Schleeder Erwarten an dieser Stelle der Debatte noch die Gelegenheit erhalte, die Aufmerksamkeit des Hauses in Anspruch zu nehmen, muß und werde ich mich selbstverständlich darauf beschränken, nur noch einige wenige Gesichtspunkte hervorzuheben, die mir besonders am Herzen liegen.Mit Genugtuung müssen wir alle feststellen, daß in der Beantwortung der Großen Anfrage der CDU/ CSU am Schluß von der Regierung klar ausgesprochen worden ist, daß die Bedingungen der politischen Situation des Zonenrandgebiets wie der Stadt Berlin Abweichungen von den allgemeinen Grundsätzen unserer Struktur- und Regionalpolitik notwendig machen.Ich möchte noch folgendes betonen. Wir alle in diesem Hause, gleich, wo immer unsere Wahlkreise liegen, müssen Verständnis dafür haben und bereit sein, diejenigen Maßnahmen zu ergreifen, die zur Sanierung ,des Ruhrgebiets notwendig sind. Auf der anderen Seite aber wollen wir auch um Verständnis dafür werben, daß die Probleme des Zonenrandgebietes und der Bundesausbaugebiete nicht in den Schatten des Ruhrgebiets geraten. Es darf hier — wie mein Kollege Niederalt gesagt hat - keine Rivalität unter uns entstehen. Beides ist die gemeinsame Aufgabe von uns allen, die wir mit Einsicht und Tatkraft in den nächsten Jahren zu lösen haben. Alle Maßnahmen, die für das Zonenrandgebiet und die Bundesausbaugebiete zu treffen sind, sollten danach trachten, daß diese Gebiete mit der Zeit aus eigener Kraft den wirtschaftlichen Durchschnitt der Bundesrepublik erreichen. Sie sollten auf die Dauer nicht Subventionsempfänger der Bundesrepublik sein und bleiben.Nun sind das Zonenrandgebiet und die Bundesausbaugebiete unterschiedlich strukturiert. Es gibt Gebiete, in denen reichlich Arbeitsplätze vorhanden sind, und es gibt Gebiete, die weniger gut versehen sind. Es gibt Gebiete, die nach Arbeitsplätzen „schreien". Ich erlaube mir, einen Satz aus der Beantwortung der Großen Anfrage hervorzuheben, wo es heißt, „daß ein befriedigendes Wachstum erst auf Grund verstärkter Beweglichkeit der Arbeitskräfte und des Kapitals zu gewinnen sein wird".Worum es uns im Zonenrandgebiet und in den Ausbaugebieten geht, ist vor allen Dingen dies, daß das Kapital, das bei uns ansässig ist, daß die Arbeitskraft, ,die bei uns ansässig ist, sich nicht mit örtlicher Beweglichkeit entfernt, sondern bleibt und daß das Zonenrandgebiet eine attraktive Landschaft wird. Ich möchte hervorheben, daß dazu vor allem die Förderung und der Ausbau der Infrastruktur und die Förderung der kulturellen Maßnahmen gehört. Nicht zu Unrecht hat einer meiner Herren Vorredner darauf hingewiesen, daß die Ansiedlung wirtschaftlicher Betriebe und daher also überhaupt die Zweckmäßigkeit der Förderung einer Ansiedlung immer weiter davon abhängen, welche Bedingungen kultureller Art, welche Bedingungen bezüglich der Infrastruktur, hier geboten werden.Ich weiß, daß ich mich dabei auch im Bereich der Landespolitik bewege, und ich möchte daher die Bundesregierung bitten, bei den Verhandlungen,von denen in dem Antrag der CDU/CSU die Rede ist, darauf hinzuarbeiten, daß Bund und Länder eine zielbewußte Planung und Abstimmung ihrer Förderungsmaßnahmen vornehmen und daß uns auch Berichte, die hier ebenfalls vorgesehen sind, in Zukunft häufiger vorgelegt werden, damit wir einen laufenden Überblick über den Erfolg der getroffenen und die Notwendigkeit weiterer Maßnahmen haben.Ich darf einige Bemerkungen an einen zweiten Satz der Antwort auf die Anfrage anschließen. Hier heißt es:Strukturwandlungen gehören in einer dynamischen Wirtschaft zum gewohnten Bild. Ursachen dieser Strukturwandlungen sind technischer Fortschritt, vor allem die europäische Integration und weltwirtschaftliche Verflechtung.Meine Damen und Herren, Strukturwandlungen in einer dynamischen Wirtschaft bedeuten Wechsel der Standorte, und Standorte hängen von einer Reihe von Faktoren ab. Standort der industriellen Erzeugung und damit Mittelpunkt des wirtschaftlichen Lebens und des Wohlstandes zu sein, ist 'ein Zusammenspiel von vielen Faktoren. Ich glaube, die Vergangenheit hat gezeigt; daß die Mobilität der Arbeitskraft weitaus größer ist als die Mobilität der Rohstoffe, der Rohstoffbasen und der Energiezuführung.Hat nicht gerade das Ruhrgebiet diesen Beweis erbracht? Ich glaube, auch die Geschichte der Vereinigten Staaten zeigt, daß die Mobilität der überschüssigen Kräfte innerhalb Deutschlands und in Europa dahin geführt hat, dort dieses große Gebiet aufzubauen. Das heißt, wir könnten es durchaus erleben, daß in den nächsten Jahrzehnten auch Rohstoffbasen, die sich außerhalb Europas befinden, industrielle Standorte und Schwerpunkte bilden und daß Europa verarmt. Wir in der Bundesrepublik haben vor allen Dingen einen Faktor beizusteuern, und das ist die Arbeit. Ich glaube, es ist eine wesentliche Aufgabe unserer Politik, unserer Wirtschafts- und unserer Strukturpolitik, nicht nur die wissenschaftliche, sondern auch die industrielle Forschung zu fördern, damit die deutsche Arbeitskraft durch die Güte und die Vorzüglichkeit der Produkte, die aus der deutschen Arbeitskraft hervorkommen, in der Welt ihren Platz erhalten. Wir müssen das tun, um dafür zu sorgen, daß die Deutschen in ihrem Lande bleiben, wohnen, sich vermehren und ihr Brot verdienen können, auch in Zukunft.
Das Wort hat jetzt als Vertreter der Bundesregierung Herr Staatssekretär Arndt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich erlaube mir, vor den Begründungen der Anträge noch einmal für die Bundesregierung das Wort zu nehmen, um vor allen Dingen für die Bundesregierung der antragstellen-
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1968 7663
Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Arndtden Fraktion und den Antragstellern zu danken, ferner denen zu danken, die uns in der Debatte heute viele Anregungen für die strukturpolitische Akzentuierung der nächsten Zeit gegeben haben.Wir wissen, daß wir die Grundsätze des Jahres 1966 kaum zu ändern brauchen, weder in der sektoralen noch in der regionalen Strukturpolitik. Das liegt erstens daran, daß die Grundsätze des Jahres 1966 eben nicht diejenigen des Jahres 1950 waren, sondern sich durchaus schon etwas in Zeitnähe befanden, und zweitens daran, daß wir das machen wollten, was das Hohe Haus eigentlich ziemlich einmütig gewünscht hat, nämlich an die Arbeit zu gehen und die Grundsätze in die Realität, in die politische Aktion umzusetzen.Die ein, zwei Änderungen, die drin sind, sind dennoch wichtig. Wir müssen auch etwas für die zukunftbezogene Industrien tun, die in anderen Ländern mit nennenswerten staatlichen Mitteln aufgezogen und vergrößert worden sind. Das, was in anderen großen Ländern als Beiprodukt militärischer Forschung für kommerzielle Zwecke anfiel, müssen wir hier direkt in einem zivilen Programm zu erreichen versuchen, damit wir auch für die Zukunft wettbewerbsfähig bleiben. Das sind die Änderungen der Strukturgrundsätze von 1966.Etwas ist, glaube ich, heute hier auch deutlich geworden. Die Diskussion des vergangenen Jahres, ob Konjunkturpolitik oder Strukturpolitik wichtiger ist, ist nicht mehr in dem Maße vorhanden. Tatsächlich gilt in dieser Frage wie in allen Fragen natürlich das Prinzip: alles zu seiner Zeit. Es ist eine Sache der Dimensionen. Wenn die Lebensverhältnisse der großen Masse der Erwerbstätigen im Bundesgebiet durch eine zu heftige oder zu schwache wirtschaftliche Aktivität tangiert werden, sprechen wir von Konjunkturpolitik. Geschieht es nur in einzelnen Branchen oder in einzelnen Regionen, ist die gleiche Aktion eine Aktion der Strukturpolitik. Dieselbe öffentliche Investition, derselbe Straßenbau, derselbe Wohnungsbau hat einmal eine Konjunkturkomponente und einmal eine Strukturkomponente. Das gleiche gilt für Finanzhilfen, für Burgschaften und was es alles an staatlichen Förderungsmaßnahmen gibt. Das Motiv ist in dem einen oder anderen Fall unterschiedlich, weil die wirtschaftliche Problematik bei der Konjunkturpolitik fast alle Erwerbstätigen des Bundesgebiets zu einer gegebenen Zeit betrifft, bei der Strukturpolitik einen Teil; deswegen auch in dem einen Fall Global-, in dem anderen Fall Spezialsteuerung. Die Instrumente der Strukturpolitik müssen feiner sein, müssen sich stärker des Qualitativen bedienen.Es ist auch versucht worden, diese Doppelwirkung jeder öffentlichen Maßnahme — konjunktur- und strukturpolitische Wirkung — im ersten Eventualhaushalt, im zweiten konjunktur- und strukturpolitischen Programm bis hin zur Entlastung der Altvorräte, die ja auch nicht schematisch gemacht worden ist, zu berücksichtigen und entsprechend vorzugehen. Selbstverständlich sind strukturgefährdete Regionen bevorzugt worden — in den Zinssätzen und in der Dotierung —, und selbstverständlich ist auch so etwas wie das, was Herr MinisterLauritzen vorhin erwähnt hat: das Wohnungsinstandsetzungsprogramm, die Substanzerhaltung des Althausbesitzes, ein strukturpolitisches Programm im echten und guten Sinne des Wortes. Hier ist etwas gemacht worden, wozu es bis dahin nicht kommen konnte.Was die sektoralen Fragen anbelangt: Die Textilindustrie kann die Gewißheit haben, daß wir einen Unterschied in der Strukturpolitik für den Textilsektor und für den Kohlebergbau machen. Der Unterschied, Herr Kollege, liegt einfach darin begründet, daß die Textilproduktion in normalen Zeiten — nicht in einer Rezession — in Deutschland gewachsen ist, sogar stärker gewachsen ist als in den übrigen EWG-Ländern, daß dort Rationalisierungsfortschritte in einem ganz anderen Umfang möglich sind als im Bergbau mit seinen geologisch bedingten Mißhelligkeiten. In der Textilindustrie kann und wird in normalen Zeiten der Auftragseingang steigen, während im Kohlebergbau, wie wir wissen, der Auftragseingang auch in normalen Zeiten rückläufig gewesen ist und in einem gewissen Ausmaß auch noch bleiben wird. Das bedingt eine ganz unterschiedliche Qualität der Anpassungsprogramme für diese beiden Bereiche.
Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schlager?
Herr Staatssekretär, Sie stellten richtig fest, ,daß wir in unserer Strukturpolitik einen Unterschied machen müssen hinsichtlich der Kohlenindustrie einerseits und der Textilindustrie andererseits. Wenn man hier schon einen Vergleich ziehen wollte, müßte er sich auf zwei gleichermaßen Fußkranke beziehen. Sind Sie mit mir der Auffassung, daß es sich bei der Textilindustrie im Gegensatz zum Bergbau eigentlich nicht um eine Strukturkrise handelt, sondern daß wir es hier mit einer uns unangenehmen Verlagerung von Produktion und Absatz von inländischen Unternehmen auf den Import zu tun haben?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Schlager, Sie können das Kohleproblem natürlich genauso sehen: Der Energiebedarf wächst selbstverständlich, nur verlagert er sich von der deutschen Steinkohle auf andere und zum großen Teil importierte Energieträger. Darin liegt also wohl nicht der eigentliche Unterschied. Der Unterschied besteht vielmehr darin, daß wir bei der Kohle auf geologische Probleme stoßen, die der Rationalisierung Hemmnisse auferlegen, welche wir im Textilbereich nicht haben. Wir wissen auch, daß der größere Teil der Textilbetriebe bei entsprechender Mechanisierung durchaus konkurrenzfähig ist. Das Problem der Textilindustrie besteht darin — wir hatten das ja in verschiedenen Fragestunden im vergangenen Sommer besprechen können —, daß sich die Einfuhren aus den Drittländern im Rahmen der EWG nicht so einseitig verteilen sollten, wie das bisher der Fall ist, und daß wir die gleiche Politik
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7664 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1968
Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Arndtder Harmonisierung gegenüber Osteuropa betreiben sollten.Im übrigen haben wir — das waren die Probleme des letzten Jahres — auch zu trennen zwischen der strukturpolitischen Komponente und der konjunkturpolitischen Komponente der Lage in der Textilindustrie. Die konjunkturpolitische Komponente war ja auch in sehr starkem Maße Ursache für Produktions- und Auftragsrückgänge, und in den letzten Monaten sind wir in diesem Bereich eigentlich ganz hübsch nach vorn gekommen. Darüber hinaus gilt gerade für diesen Bereich die höhere Entlastung der Altvorräte als strukturpolitisch wichtige Maßnahme.
Gestatten Sie eine weitere Frage, Herr Staatssekretär?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bitte!
Herr Staatssekretär, im Hinblick auf Ihre Ausführungen darf ich Sie fragen, ob Sie wissen, daß sich im nordrhein-westfälischen Landtag bei allen Fraktionen die Besorgnisse über eine sich am Horizont abzeichnende Textilkrise verstärken?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Für eine solche Textilkrise gibt es keinerlei Indizien.
Herr Staatssekretär, wissen Sie, daß im nordrhein-westflälischen Landtag die Rede davon ist, daß die Kapazität der dortigen Textilindustrie nur zu 70 % ausgelastet ist, daß man sich keine Hoffnungen macht, daß das besser werden könnte, und daß man gerade hier eine Wechselbeziehung zwischen der Importpolitik und der Absatzsituation der Textilindustrie sieht?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Schlager, vielleicht ist es ganz gut, daß wir dieses Problem auch an diesem Beispiel erörtern können. Ein Teil der Kapazitäten ist eben einfach nicht wettbewerbsfähig, auch unter normalen Konjunkturumständen nicht, und Strukturpolitik heißt natürlich auch, den Strukturwandel fördern, heißt nicht, den Wettbewerb innerhalb von Branchen ausschalten. Wir müssen uns schon vergewissern, und wir können der Textilindustrie — die es natürlich im übrigen selber weiß — die Information nicht ersparen, daß es auch unrentable Betriebe gibt, die lange nicht investiert haben, daß es auch einige Betriebe gibt, die falsch investiert haben. Diese Kapazitäten werden selbstverständlich nicht auszunutzen sein oder nur durch eine Umstellung des Betriebs durch neue Investitionen oder auf ein neues Textilprodukt wieder reaktiviert werden können. Die konjunkturpolitische Komponente der niedrigen Kapazitätsausnutzung kommt ja nun gerade in diesen Wochen und Monaten wieder in Ordnung, und hoffentlich kommt sie wirklich gut in Ordnung. Aber auf dieseStreitfrage möchte ich hier in dein Schlußwort für die Regierung nicht eingehen.Weiterhin spielte hier die Verärgerung über die regionale Strukturpolitik eine große Rolle. Es handelte sich in hohem Maße um Anregungen aus dem Lande Bayern und für das Land Bayern. Ich glaube, es ist kein Zufall, daß wir gerade aus diesem Raum so viel gehört haben. Das ist deshalb kein Zufall, weil in Bayern in der Vergangenheit versucht worden ist, Industrieansiedlung durch die Ansiedlung von Industrie in einzelnen kleinen Dörfern zu betreiben. Es hat sich bei den Konkursen und Betriebsschließungen, zu denen es in der Rezession kam, gezeigt, daß viele dieser kleinen Betriebe in den kleinen Dörfern dieser Rezession nicht standgehalten haben. Das erklärt einen erheblichen Teil der dortigen Arbeitslosigkeit.Das regionale Förderungsprogramm der Bundesregierung geht andere Wege. Es will Industrieansiedlungen in zentraleren Orten — nicht in Ballungsgebieten, aber in zentraleren Orten —, die ein industrielles Gefüge in einer wirtschaftsschwachen Region wenigstens an dieser oder jener Stelle entstehen lassen und damit auch die einzelnen Betriebe und vor allen Dingen die einzelnen Arbeitnehmer untereinander etwas weniger krisenempfindlich oder vielleicht sogar krisenfest machen.Es ist auch nicht einfach gewesen, in Zeiten der angespannten Arbeitsmarktlage, in Zeiten der Hochkonjunktur, wo also eine Investitionsbereitschaft vorhanden war, neue Ansiedlungen in jeden dieser wirtschaftsschwachen Räume hineinzubringen; denn neue Ansiedlung von Industrie bedeutet ja neue Nachfrage nach Arbeitskräften, und dann ist die Arbeitslosenquote eben nicht so hoch, dann ist sie auch dort niedrig gewesen. Das aber war den Firmen — vielleicht sogar der einen oder anderen Industrie- und Handelskammer —, die dann einer neuen Konkurrenz um die Arbeitskräfte ausgesetzt waren, nicht angenehm. Man kann nur hoffen, daß es der Bundesregierung bei der nächsten Hochkonjunktur in Zusammenarbeit mit den Landesregierungen gelingt, zu erreichen, daß diesem Umstand mehr Rechnung getragen wird.Selbstverständlich muß man das tun, was Herr Kollege Dr. Ritz anregte und was auch getan wird, wofür es Programme gibt, nämlich die Ermöglichung der Umgestaltung der bereits bestehenden Industrie- und Gewerbezweige in einem wirtschaftsschwachen, einem Strukturgebiet. Das muß sein. Aber man kann und darf die Konkurrenz um die Arbeitskräfte durch die Ansiedlung neuer Gewerbezweige diesem wirtschaftsschwachen Gebiet und den anderen Unternehmen, die dort schon ansässig sind, nicht ersparen; denn sonst bleibt das ein wirtschaftsschwaches Gebiet.Das gilt ein wenig auch für die Granitindustrie in den dortigen Gebieten. Ich darf sagen, daß wir im Herbst vorigen Jahres an die bayerische Landesregierung geschrieben und um Vorschläge für ein gemeinsames Programm zur Umstellung dieses Zweiges im Sinne einer Strukturwandlung und im Sinne der möglichen Ansiedlung neuer Industrien gebeten
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Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Arndthaben und daß wir die Antwort immer noch erhoffen. Denn wir kommen nicht daran vorbei, daß die Produktion der deutschen, vor allen Dingen auch der bayerischen Granitindustrie nur schwer auf dem gegenwärtigen Stand gehalten werden kann, erstens weil die Nachfrage nach diesem Produkt im Straßenbau fällt — man macht das heute etwas anders — und zweitens weil es sehr viel billiger ist, dieses Produkt aus anderen Ländern zu importieren.Als letztes ist vorhin von Herrn Kollegen Schmidhuber die Porzellanindustrie als bayerisches Problem genannt worden. Selbstverständlich haben wir im innerdeutschen Handel die Kontingente etwas erhöht, denn wir müssen es der anderen Seite ermöglichen, durch Lieferungen den Saldo auszugleichen. Diese Erhöhung beträgt 4 Millionen Verrechnungseinheiten, ist also — gemessen am Umsatzwert der Porzellanindustrie von 500 Millionen DM — sehr gering. Ich glaube, wir haben genug berücksichtigt, daß dies der Porzellanindustrie weder in Bayern noch in einem anderen Teil der Bundesrepublik Schwierigkeiten machen wird. Es ist eine ganz geringfügige Erhöhung. Auch die Einfuhren aus den anderen Wirtschaftsräumen, bei denen diese Produkte liberalisiert sind, sind nicht so erheblich, daß sie der Zukunft der Porzellanindustrie entgegenstünden. Wir haben es außerdem nicht für 1967, das Jahr der Konjunkturflaute, sondern haben es erst für 1968 gemacht.Kurzum, das Zonenrandgebiet wird weiter die alte hohe Priorität in der Förderung genießen. Aber man kann aus einem wirtschaftsschwachen Raum keinen gesunden Raum machen, wenn man nicht die Anpassung in dem einen oder anderen Fall auch staatlicherseits erzwingt. Es genügt nicht, Geld zu bieten; hier müssen auch einige Widerstände des Altgewohnten überwunden werden, und da kann regionale Förderungspolitik vom Bund aus nicht heißen, daß man das in erster Linie von Bonn aus überwindet, sondern da muß die Aktivität, gestützt und beraten durch die Bundesregierung, in erster Linie bei dem Land liegen. Das ist der Sinn unserer föderalen Verfassung, und selbstverständlich wird der Bund das gelegentlich sagen müssen, wenn er Kritik dafür bekommt, daß es dort nicht funktioniere.
Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage von dem Herrn Abgeordneten Schlager?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ja, wenn ich die Geduld der Kollegen nicht allzu sehr erschöpfe. Ich bin an sich fertig.
Danke sehr, Herr Staatssekretär! Weil Sie gerade die Feststellung trafen, man müsse vielleicht in dem einen oder anderen Fall die Anpassung erzwingen, darf ich Sie fragen, um als Beispiel gerade die Industrie Steine und Erden herauszunehmen: Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß Sie, wenn Sie eine Anpassung etwa der bayerischen Steinindustrie in der Oberpfalz und in Niederbayern erzwingen wollen, dann den Unternehmern sagen müssen, woran sie sich anpassen sollen? Und ist es nicht so, daß wir, wenn die Unternehmer etwa die Frage an uns stellen, ob sie Chancen hätten, in die Veredlungsindustrie Steine und Erden hineinzugehen, und wir das bejahen, dann zur Antwort bekommen, daß die gegenwärtige Liberalisierungspolitik möglicherweise diesen Umstellungsprozeß nicht mehr ermögliche, so daß wir uns in einem Kreise bewegen?
Nach der Geschäftsordnung sollen die Fragen kurz und präzise gestellt werden. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie so liebenswürdig wären, sich in etwa daran zu halten.
Herr Präsident, ich werde mich gern daran halten. Nur sind die Fragen sehr komplex.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Schlager, darf ich mir den Vorschlag erlauben, daß wir nächste Woche direkt erörtern, wie das etwa gemacht werden könnte. Wir können es nur hypothetisch. Das ist eine Sache der Landesregierung. Die Grundgesetzänderung in Richtung auf Gemeinschaftsaufgaben — Sie wissen, regionale Wirtschaftsförderung wird als Gemeinschaftsaufgabe von den Ländern akzeptiert - wird eben nur deshalb akzeptiert, weil wir die Priorität in der Initiative, in der regionalen Initiative, wenn Sie so wollen, das Subsidiaritätsprinzip, akzeptieren und befolgen. Das wollen wir weiter beibehalten.Und 'schließlich Ruhr und Saar! Ruhr und Saar ist ein Problem, das in der zeitlichen Förderung für die Anpassung dieses Gebiets viel enger begrenzt ist als Zonenrand- oder gar das Grenzgebiet zur CSSR. Es hat im Bundesrat keinen Widerspruch zum Kohlegesundungsgesetz gegeben. Es hat im Bundesrat gerade auch den Einsatz des bayerischen Wirtschaftsministers für dieses Kohlegesundungsgesetz wegen seiner zeitlichen Begrenzung gegeben. Denn die Alternative zur Anpassung der Kapazitäten an den möglichen Absatz, die Alternative zu einem gleichgerichteten und zeitlich simultanen Infrastrukturprogramm, das die Umstellung dieser Gebiete auch ermöglicht und Arbeitslosigkeit verhindert, wäre eben nur — darüber müssen wir uns klar sein — Importschutz für den deutschen Steinkohlenbergbau, Verteuerung unserer Energieerzeugung, alles Dinge, die den wirtschaftsschwachen Gebieten der Bundesrepublik einschließlich Bayerns weit unzuträglicher wären als die zeitlich begrenzte Anpassung im Ruhrgebiet und an der Saar.So ist ja auch die Bundestagsdebatte am 8. November unter Zustimmung und Beteiligung aller Fraktionen gelaufen, und ich würde Sie doch herzlich bitten, daß wir diesen Aspekt nicht jetzt kurzfristig, kurzzeitig in bezug auf das Kohlegesetz ändern. Es ist gerade auch für die wirtschaftsschwachen Länder der beste Weg, so zu verfahren. Worauf hinzuweisen ist, ist, daß sie in den Förderungsmitteln selbstverständlich darunter nicht zu leiden haben; einer der Anträge der SPD-Fraktion weist
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7666 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1968
Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Arndtja auch ausdrücklich darauf hin, daß für das Zonenrandgebiet die Förderungsmittel verstärkt werden sollten; das alles hat sich in einer Quantität des gesamten Finanzbedarfs der regionalen Strukturpolitik für die nächsten Monate ausgedrückt.Ich glaube, an einem wird man nicht vorbeikommen: wir brauchen schon Geld, wenn wir das alles tun müssen und tun sollen. Wir brauchen Geld und müssen natürlich immer fragen: Läßt es die Konjunkturlage zu, dementsprechende neue Anstöße und Anreize zu geben? Wir wollen diese strukturpolitischen Maßnahmen nicht aus konjunkturpolitischen Gründen. Wir müssen umgekehrt fragen: Steht die Konjunkturlage einer Strukturpolitik an Zonenrand und Ruhr und Saar entgegen? Da ist die Antwort im Moment tatsächlich: nein. Deswegen ist es also durchaus möglich, wenn man in den Bundestagsausschüssen die Unterlagen über Strukturprogramme des Landes Nordrhein-Westfalen und des Saarlandes angefordert hat. Unterlagen, zu denen das Bundeswirtschaftsministerium nicht Stellung genommen, sondern einfach weitergereicht hat und aus denen sicher ausgewählt wird, die sicher nicht addiert werden, aus denen sicher ausgewählt werden muß, ein Programm gemeinsamer Arbeit der Bundesländer mit der Bundesregierung und innerhalb der Bundesregierung natürlich auch in gemeinsamer Arbeit der Ressorts zustandezubringen, das allen Ansprüchen genügt, was das Anwachsen der Verschuldung betrifft, was die Dosierung in bezug auf die Konjunkturlage betrifft und was schließlich die Strukturierungsbedürfnisse dieser Räume betrifft. Ich hoffe, daß das in den nächsten Wochen auch anläßlich der weiteren Beratungen des Kohlegesundungsgesetzes gelingen wird.
Meine Damen und Herren, damit ist die Beratung abgeschlossen.
Wir kommen jetzt zur Behandlung der vorliegenden Anträge, zunächst des Antrags der Fraktion der SPD auf Umdruck 350 *). Der Antrag ist heute vormittag begründet worden.
Vorgeschlagen wird die Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen als federführenden Ausschuß sowie an den Ausschuß für Arbeit und an den Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen und außerdem nach § 96 der Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß. Wer für diese Überweisung ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenstimmen? — Es ist so beschlossen.
Der Antrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 353 **) wird von Frau Funcke begründet.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Zur Konkretisierung dessen, was heute durch viele Fragen und durch zum Teil allgemeinere, zum Teil etwas konkretere Antworten der Regierung zum Ausdruck gekommen ist, bitten wir die Regierung, uns gerade zu diesen uns bedrängenden Fragen einen Bericht vorzulegen. Das
t) Siehe Anlage 2 **) Siehe Anlage 3
zweite Investitionsprogramm der Bundesregierung trägt bekanntlich den Titel „Zweites Programm für besondere konjunktur- und strukturpolitische Maßnahmen 1967 und 1968". Gerade nach der heutigen Debatte scheint es uns nützlich zu sein, daß dieses Haus erfährt, in welcher Verteilung und in welcher Größenordnung die Regierung dieses zweite Konjunkturprogramm nun verwirklicht und welche Ergebnisse, soweit sie sichtbar und zählbar sind, dieses Programm gezeitigt hat. Nachdem Herr Minister Schiller soeben gesagt hat, daß dieses Programm besonders mittelstandsförderlich sei, würde uns zugleich interessieren, wieso und in welcher Richtung sich hier besondere Schwerpunkte gebildet haben. Wir bitten auch um eine Übersicht über die strukturpolitischen Maßnahmen, die im Bundeshaushalt 1968 vorgesehen sind. Nach dieser Debatte wird uns alle wohl interessieren, wie die Zahlen im einzelnen aussehen.
Wir bitten, diesen Antrag dem Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen und zur Mitberatung auch dem Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen zu überweisen.
Sie haben die Begründung gehört, meine Damen und Herren. Es ist vorgeschlagen, den Antrag dem Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen als federführendem Ausschuß und dem Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen als mitberatendem Ausschuß zu überweisen. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenstimmen? — Keine. Es ist so beschlossen.
Wir kommen zum Antrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 354 ') . Die Begründung wird als durch die Ausführungen des Abgeordneten Porsch erledigt betrachtet.
Es wird vorgeschlagen, den Antrag an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen als mitberatenden Ausschuß zu überweisen. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ihr Handzeichen. — Gegenprobe! — Es ist so beschlossen.
Dann kommen wir zum Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 355 **). Es wird vorgeschlagen, den Antrag an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen als mitberatenden Ausschuß zu überweisen. Wer für diese Überweisung ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Es ist so beschlossen.
Wir kommen zum Antrag der Abgeordneten Stücklen, Bauer und Genossen auf Umdruck 356. Der Antrag hat auf dem vorliegenden Umdruck nur 16 Unterschriften. Weitere Unterschriften liegen mir vor; inzwischen sind es mehr als 30 Unterschriften geworden. Ihnen wird ein Umdruck 356 ***)
*) Siehe Anlage 4 **) Siehe Anlage 5 ***) Siehe Anlage 6
Deutscher Bundestag 5. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1968 7667
Vizepräsident Scheel
zugestellt werden. Der Antrag wird also von 3,0 Mitgliedern des Hauses unterstützt.
Zur Begründung des Antrags hat das Wort der Abgeordnete Unertl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mir das gute Beispiel der charmanten Kollegin Frau Funcke zu eigen machen und es so kurz sagen, wie es geht.
Der Antrag liegt Ihnen vor. Die Unterschriften sind nun nachgeholt. Wir bringen in dem Antrag zum Ausdruck, daß wir die Schwierigkeiten der deutschen Steinkohlenindustrie anerkennen und sie auf keinen Fall unterbewerten. Wir weisen aber darauf hin, daß infolge des Umstrukturierungsprozesses in der Landwirtschaft gerade in den Gebieten, die heute so oft erwähnt worden sind, ebenfalls Ausfallerscheinungen und soziale Spannungszustände in erschreckendem Maße vorliegen. Ganz besonders sind heute die Sorgen des Zonenrandes, der Ausbaugebiete, der Förderungsgebiete und der Frachthilfegebiete gewürdigt worden. Ich schließe mich dem an, was alle Redner sämtlicher Fraktionen zu diesen Problemen gesagt haben.
Ich darf nur ein paar Hinweise geben. Herr Staatssekretär, Sie haben vorhin mit Recht erwähnt, daß Industrieansiedlung vornehmlich in zentralen Orten gemacht werden soll. Was sagen Sie denn, wenn ich Ihnen gleich dieses Beispiel nenne? Ich will die Beratung damit nicht verlängern. Der zentrale Ort Rotthalmünster ist seit Jahren durch Bahnstillegung ohne Bahnverbindung, und bei dem zentralen Ort Waldkirchen ist die Bahnstillegung angemeldet. Das ist auch ein Widerspruch zu unseren Bestrebungen, und ich glaube, es ist gut, wenn wir alle diese widersprüchlichen Ereignisse der letzten Jahre in den genannten Ausschüssen, wo die Anträge beraten werden, einmal gründlich unter die Lupe nehmen.
Umstrukturierung in der Granitindustrie. Da bekomme ich zur Antwort, Herr Staatssekretär: Die Dinge sind schwierig. Die Menschen unten hängen an ihren Arbeitsplätzen, an ihren herkömmlichen Betrieben. Die kleinen sind sowieso schon auf der Strecke geblieben, die anderen haben Gott sei Dank durch die Maßnahmen der bayerischen Staatsregierung heuer eine bessere Auftragslage zu verzeichnen als im Vorjahr. Und dann kommt das Beispiel: Die Osterreicher haben in ihrem kleinen Land die Steinindustrie en bloc gehalten. Was die können, möchte man eigentlich der größeren Bundesrepublik auch zumuten. Es ist eine Frage, was sich hier tut und was wir noch machen können. Ich gebe unumwunden zu, wenn ich draußen gefragt werde, ob wir das, was wir sagen, noch glauben, muß ich - das geht Ihnen vielleicht nicht besser — oft mit schlechtem Gewissen vor die Öffentlichkeit hintreten, insbesondere dann, wenn wir wissen, daß in den revierfernen Gebieten nun einmal ein Unterschied in den wirtschaftlichen Verhältnissen gegenüber den in den auch hier erwähnten Ballungsräumen vorhanden ist.
Der Herr Bundesminister sagte heute früh, Investitionsanreize müßten gegeben werden. Was heißt denn das? Ansiedlung neuer Betriebe mit Vergabe neuer Kredbite. Ich darf hier kurz sagen: Die Inhaber der kleinen und mittleren Betriebe im Bayerischen Wald, in Bayern und an der ganzen Zonengrenze von Passau bis nach Schleswig-Holstein haben Angst vor einer neuen Verschuldung, und wenn es nicht möglich sein wird, im Rahmen der neuen Absichten, die die Bundesregierung hat, wobei wir sie alle gern unterstützen, dm Rahmen von Zinsverbilligungsaktionen auch ,die Altschulden in tragbare Verhältnisse zu bringen, wird das Erhalten altherkömmlicher Betriebe auch im gesamten Grenzgebiet schwieriger werden.
Ein Wort zur Regionalpolitik. Sie wird — das ist heute oft genug gesagt worden — auch bestimmt durch die Handelspolitik. Es ist heute sehr modern, sich als großer Freund des Osthandels aufzuführen und aufzuspielen. Jeder pflegt freundschaftliche Beziehungen mit dem Osten. Ich habe auch nichts dagegen. Ich bin dier letzte, der hier nicht jede Möglichkeit ausschöpfen möchte. Die regionale Handelspolitik gerade vom Osten her wirkt sich aber dann sehr oft recht nachteilig für die heimische Wirtschaft aus, wenn zu unrechten Zeiten und am unrechten Platz ,die Einfuhrschleusen beispielsweise auf dem Agrar- oder Holz- oder Granitsektor geöffnet werden. Ich möchte auch ,das hier zurückstellen und möchte hoffen, daß wir Gelegenheit haben, auf jeden Fall bei den Beratungen in den Ausschüssen, unis ganz ausführlich über ,das Sorgenkind, das heute mit Recht angesprochen wurde, auszusprechen.
Meine Damen und Herren, abschließend dies: Keine platonischen Liebeserklärungen im Rahmen der Konzertierten Aktion mehr! In Bayern sagt man: Uns ist lieber, wenn die Blechmusik spielt. Gebt uns das in barer Münze! Dabei müssen wir sagen, daß das, was in der Vergangenheit getan wurde, bei uns auch volle Anerkennung findet. Die Menschen sind 'dankbar für jede staatliche Hilfe, aber sie haben sich auch 'selber bemüht, das Ihre dazu beizutragen.
Wenn wir es fertigbringen, ,daß ein neuer Anlauf gemacht wird und daß 'diese Absichten, von denen heute alle sprachen, die vor mir — weil ich der letzte bin, der ,das Wort hat — gesprochen haben, verwirklicht werden, dann gehe ich mit etwas größerem Mut nach Hause. Ich muß wirklich sagen: Ich freue mich auf ,die Beratungen.
Ich bitte, den Antrag, den ich zu begründen hatte, an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen — ,federführend — sowie an den Haushaltsausschuß und an den Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen zur Mitberatung zu überweisen, denn in dem Bereich, um dem es hier geht, und bei unserem Anliegen sind in Wahrheit besonders die gesamtdeutschen Fragen ,angesprochen. Ich bitte um Zustimmung und um Unterstützung des Antrags bei der Beratung in den Ausschüssen.
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Meine Damen und Herren, es wird also vorgeschlagen, den Antrag an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen —
7668 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode —148. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1968
Vizepräsident Scheel
federführend — und an den Gesamtdeutschen Ausschuß — mitberatend — zu überweisen. Wer für die Überweisung ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer ist dagegen? — Die Überweisung ist beschlossen.
Ich rufe den Punkt auf, der heute morgen zusätzlich auf die Tagesordnung gesetzt worden ist:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen über die von der Bundesregierung beschlossene Dreißigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1967 (Zollkontingent für Sulfat- oder Natronzellstoff — 1968)
— Drucksachen V/2461, V/2485 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Serres
Der Antrag des Ausschusses lautet:
Der Bundestag wolle beschließen, der Verordnung — Drucksache V/2461 — zuzustimmen.
Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer ist gegen den Antrag ,des Ausschusses? — Wer enthält sich der Stimme? — Der Antrag des Ausschusses ist einstimmig angenommen.
Damit ist die Tagesordnung erledigt. Ich berufe die nächste Sitzung auf Dienstag, den 23. Januar 1968, 14.30 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.