Protokoll:
5148

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 5

  • date_rangeSitzungsnummer: 148

  • date_rangeDatum: 19. Januar 1968

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:02 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 18:33 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 148. Sitzung Bonn, den 19. Januar 1968 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 7599 A Wahl der Abg. Fellermaier und Lautenschlager als Mitglieder des Europäischen Parlaments 7599 B Wahl des Abg. Marquardt als Schriftführer des Deutschen Bundestages 7599 B Wahl des Abg. Windelen als ordentliches Mitglied im Verwaltungsrat der Deutschen Bundespost . . . . . . . . . 7599 B Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . 7599 C Große Anfrage betr. sektorale und regionale Strukturpolitik (CDU/CSU) (Drucksache V/1988) Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . . 7599 D Dr. Schiller, Bundesminister 7603 B, 7638 C Junghans (SPD) 7610 D Dr. Staratzke (FDP) . . . . . . 7615 C Gewandt (CDU/CSU) 7618 A Ravens (SPD) 7621 A Porsch (FDP) 7642 A Dr. Lauritzen, Bundesminister . . 7643 C Schmidhuber (CDU/CSU) . . . . . 7644 C Dr. Stammberger (SPD) . . . . . 7646 D Dr. Ritz (CDU/CSU) 7648 C Frau Funcke (FDP) . . . 7650 C, 7666 B Leicht, Parlamentarischer Staatssekretär 7653 A Zebisch (SPD) 7654 C Niederalt (CDU/CSU) 7656 C Wurbs (FDP) . . . . . . . . 7658 B Fritsch (Deggendorf) (SPD) . . . 7659 B Lampersbach (CDU/CSU) 7660 B Schlee (CDU/CSU) 7661 D Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär 7662 D Unertl (CDU/CSU) 7667 A Fragestunde (Drucksachen V/2464, V/2480) Frage des Abg. Genscher: Gespräch des Bundesministers des Auswärtigen mit dem britischen Außenminister Brown Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 7625 D Genscher (FDP) . . . . . . . 7625 D II Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode —148. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1968 Frage des Abg. Ertl: Überzeugung des polnischen Außenministers Rapacki von der Ehrlichkeit der Ostpolitik der Bundesregierung Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär 7626 A Ertl (FDP) 7626 B Weigl (CDU/CSU) 7626 C Dr. Jaeger, Vizepräsident 7626 D Dr. Marx (Kaiserslautern) (CDU/CSU) 7626 D Frage des Abg. Ertl: Deutsche Ansprüche auf die Gebiete jenseits von Oder und Neiße Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär 7626 D Ertl (FDP) 7627 A Frage des Abg. Ertl: Frage einer Anerkennung der DDR als Staat Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär 7627 B Ertl (FDP) 7627 C Frage des Abg. Dr. Marx (Kaiserslautern): Erhöhung der Verteidigungsausgaben von Mitgliedstaaten des Warschauer Paktes Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär 7627 D Dr. Marx (Kaiserslautern) (CDU/CSU) 7628 A Frage des Abg. Schmitt-Vockenhausen: Robbenfang in Kanada Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär 7628 B Schwabe (SPD) 7628 C Dr. Jaeger, Vizepräsident . . . . 7628 D Frage des Abg. Ollesch: Angebliche deutsche Waffenlieferungen an Israel Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 7629 A Ollesch (FDP) . . . . . . . . . 7629 A Frage des Abg. Schlager: Feststellungen des Vorstandsvorsitzenden der Badischen Anilin- und Sodafabrik, Prof Timm betr. die künftigen Industrieschwerpunkte . . . . . . 7629 B Frage des Abg. Dr. Imle: Ablehnung neuer Steuererhöhungen im Jahre 1968 durch den Bundeswirtschaftsminister Dr. Schiller, Bundesminister . . . . 7629 B Dr. Imle (FDP) 7629 C Peters (Poppenbüll) (FDP) . . . 7629 C Frau Funcke (FDP) 7629 D Fragen des Abg. Varelmann: Preise und Gewinnungskosten für Erdgas Dr. Schiller, Bundesminister . . . . 7630 A Varelmann (CDU/CSU) . . . . 7630 A Wächter (FDP) 7630 D Erhard (Bad Schwalbach) (CDU/CSU) 7631 A Frage des Abg. Mertes: Wirkungen der neuen Sparpläne der US-Regierung auf die Bundesrepublik Dr. Schiller, Bundesminister . . . 7631 B Mertes (FDP) 7632 A Opitz (FDP) 7632 B Frage des Abg. Mertes: Wirtschaftspolitische Gegenmaßnahmen der USA gegen den Gemeinsamen Markt Dr. Schiller, Bundesminister . . . 7632 C Mertes (FDP) 7632 C Kiep (CDU/CSU) . . . . . . . 7632 D Moersch (FDP) . . . . . . . 7633 B Dr. Emde (FDP) . . . . . . . 7633 C Frage des Abg. Mertes: Voraussichtliche Auswirkung der Beschränkung des Reiseverkehrs aus den USA auf die Entwicklung des Tourismus in der Bundesrepublik Dr. Schiller, Bundesminister . . . 7633 D Mertes (FDP) 7633 D Schwabe (SPD) 7634 B Berlin (SPD) 7634 C Schmidt (Braunschweig) (SPD) . . 7634 D Frage des Abg. Genscher: Funktion der Immobilien-Fonds als Finanzierungsinstrument für den privaten Wohnungsbau Dr. Schiller, Bundesminister . . . . 7635 A Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1968 III Frage des Abg. Genscher: Schaffung einer Rechtsgrundlage für die Immobilien-Fonds Dr. Schiller, Bundesminister . . . . 7635 A Genscher (FDP) . . . . . . . . 7635 B Fragen des Abg. Dr. Kempfler: Stärkere Arbeitslosigkeit in niederbayerischen Landkreisen 7635 B Frage des Abg. Mischnick: Vom Bundesinnenminister herausgegebene Beiträge zur Diskussion über die Wahlrechtsreform Benda, Parlamentarischer Staatssekretär 7635 C Moersch (FDP) 7636 A Dr. Enders (SPD) 7636 B Borm (FDP) . . . . . . . . 7636 D Jung (FDP) . . . . . . . . . 7637 A Könen (Düsseldorf) (SPD) . . . 7637 B Schoettle (SPD) 7637 C Schultz (Gau-Bischofsheim) (FDP) . 7637 D Frau Funcke (FDP) 7638 A Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen über die Dreißigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1967 (Drucksachen V/2461, V/2485) 7668 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . 7668 C Anlagen 7669 148. Sitzung Bonn, den 19. Januar 1968 Stenographischer Bericht Beginn: 9.02 Uhr Vizepräsident Scheel: Die Sitzung ist eröffnet. Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen zunächst einige Mitteilungen machen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die Tagesordnung ergänzt werden um die Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen (15. Ausschuß) über die von der Bundesregierung beschlossene Dreißigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1967 (Zollkontingent für Sulfat- oder Natronzellstoff — 1968) — Drucksachen V/2461, V/2485 —. Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist. — Die Erweiterung der Tagesordnung ist damit beschlossen. Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 17. Januar 1968 an Stelle des ausgeschiedenen Abgeordneten Seuffert den Abgeordneten Fellermaier und für den verstorbenen Abgeordneten Merten den Abgeordneten Lautenschlager als Mitglieder des Europäischen Parlamentsbenannt. — Auch hiermit ist das Haus einverstanden. Damit sind die Abgeordneten Fellermaier und Lautenschlager als Mitglieder des Europäischen Parlaments gewählt. Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 17. Januar 1968 für den als Schriftführer ausscheidenden Abgeordneten Junghans den Abgeordneten Marquardt benannt. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. -- Ist jemand dagegen? — Das ist nicht der Fall. Damit ist der Abgeordnete Marquardt als Schriftführer in den Vorstand des Deutschen Bundestages gewählt worden. Herr Abgeordneter Marquardt ist im Haus. Ich möchte ihm meinen Glückwunsch aussprechen. Die Fraktion der CDU/CSU hat mit Schreiben vom 17. Januar 1968 für den Abgeordneten Leicht, der sein Mandat als ordentliches Mitglied im Verwaltungsrat der Deutschen Bundespost niedergelegt hat, den Abgeordneten Windelen benannt. Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist. — Damit ist der Abgeordnete Windelen als ordentliches Mitglied im Verwaltungsrat der Deutschen Bundespost gewählt. Er ist nicht im Hause, wie ich sehe. Meine Damen und Herren, das waren die Mitteilungen, die ich Ihnen heute morgen zu machen hatte. Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen: Der -Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen hat am 10. Januar 1968 unter Bezugnahme auf § 17 Abs. 5 des Postverwaltungsgesetzes den 2. Nachtrag zum Voranschlag der Deutschen Bundespost für das Rechnungsjahr 1967 übersandt. Der Nachtrag liegt im Archiv zur Einsicht aus. Der Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen hat am 15. Januar 1968 mitgeteilt, daß der federführende Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen und der mitberatende Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten die nachstehenden Verordnungen ohne besondere Bemerkungen zur Kenntnis genommen haben: Verordnung Nr. 916/67/EWG des Rates vom 28. November 1967 zur Verschiebung des Zeitpunktes des Inkrafttretens der Verordnung Nr. 408/67/EWG Verordnung Nr. 917/67/EWG des Rates vom 28. November 1967 über die dritte Verlängerung der Geltungsdauer der Verordnung Nr. 281/67/EWG zur Festsetzung der Höchstbeträge der Erstattung bei der Erzeugung für Zucker, der in der chemischen Industrie verwendet wird. Wir kommen nun zur Behandlung des Punktes 4 der Tagesordnung: Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. sektorale und regionale Strukturpolitik — Drucksache V/1988 — Die Große Anfrage soll begründet werden. Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Dr. Müller-Hermann. Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) : Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Große Anfrage, die wir heute behandeln, liegt dem Hohen Hause seit Mitte des vergangenen Jahres vor. Als meine Fraktion im Juni 1967 die Vorlage einbrachte, bestand bei unseren Nachbarn kein sehr großes Interesse, dieser Großen Anfrage beizutreten. Wir waren damals alle intensiv damit beschäftigt, uns in erster Linie den Problemen einer Belebung der Konjunktur zuzuwenden. Vielleicht kann man überhaupt das Jahr 1967 als ein Jahr der Konjunkturpolitik bezeichnen. Inzwischen sind aber wohl neue Erkenntnisse herangereift, daß eine Konjunkturpolitik allein mit Sicherheit nicht ausreicht, auf lange Sicht ein gesundes Wachstum unserer Volkswirtschaft zu sichern. Man kann natürlich mit einer aktiven Konjunkturpolitik Expansion gewissermaßen um jeden Preis betreiben. Aber wir müssen wohl, auch wenn vielleicht im Augenblick die Situation auf dem Arbeitsmarkt eine solche Aussage noch nicht rechtfertigt, davon ausgehen, daß die Produktivkräfte unserer Wirtschaft, sowohl Kapital als auch Arbeitskraft, auf lange Sicht knapp bleiben werden und daß daher eine Maximierung 7600 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode 148. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1968 Dr. Müller-Hermann unserer Wirtschaftskraft nur dann gewährleistet werden kann, wenn die Produktivkräfte so eingesetzt werden, daß damit das Ziel einer Maximierung des Sozialprodukts erreicht werden kann. In diesem Hohen Hause gibt es ja wohl auch keinen Zweifel darüber, daß ein Optimum an Leistungskraft unserer Wirtschaft die entscheidende Voraussetzung sowohl für eine aktive Außenpolitik als auch für eine aktive Sozial- und Gesellschaftspolitik ist und bleibt. (Abg. Ehnes: Besonders in den Randgebieten!) — Besonders in den Randgebieten; darauf werde ich noch zu sprechen kommen. Meine Damen und Herren, wir haben im Laufe des vergangenen Jahres auch mit Deutlichkeit erfahren, wie eng Konjunktur- und Strukturpolitik miteinander verknüpft sind. Was Kundige vorher zu wissen glaubten, hat sich im Laufe des letzten Jahres eigentlich bestätigt, daß nämlich in einer Phase der Hoch- und Überkonjunktur die Strukturprobleme einer Volkswirtschaft leicht überdeckt werden. Sie werden nicht nur sichtbar, sondern stellen sich auch als eine besondere Last heraus, wenn eine Phase der Konjunkturabschwächung eintritt. Wir können daraus aber auch eine andere Schlußfolgerung ziehen, daß man nämlich die Strukturprobleme vernünftigerweise möglichst rechtzeitig, d. h. gerade auch in der Phase einer günstigen Konjunktur anpackt und einer Lösung zuführt, was wir in den Zeiten einer überschäumenden Konjunktur vielleicht allesamt nicht recht beachtet haben. (Abg. Dr. Stammberger: Allesamt?) — Mit Sicherheit; Sie können sich auch nicht ausschließen, wenn wir hier überhaupt .an unsere Adresse Vorwürfe richten sollten, was aber heute nicht der Sinn der Sache ist. Um so mehr sollten wir aber, wenn wir diese Einsicht als Allgemeingut unterstellen wollen, heute, wo wir doch mit einigem Optimismus eine neue konjunkturelle Aufwärtsentwicklung erwarten dürfen, energisch darangehen, die längst überfälligen, aber auch die neu auf uns zukommenden Strukturprobleme anzupacken. Um auf Ihren Zwischenruf, Herr Kollege Dr. Stammberger, kurz einzugehen: Ich glaube, wir kommen nicht daran vorbei, sehr objektiv und sachlich festzustellen, daß dier frühere Bundeswirtschaftsminister Schmücker schon 196.6 den Finger auf die wunden Probleme unserer Wirtschaftsstruktur gelegt hat und daß im Wirtschaftskabinett Grundsätze zur sektoralen Wirtschafts- und Strukturpolitik verabschiedet wurden. Eine der Fragen, die wir heute an die Bundesregierung zu stellen haben, ist die, ob sie sich auf den Boden dieser seinerzeit entwickelten Grundsätze stellt und wie sie sie weiter zu entwickeln gedenkt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir unsere wirtschaftliche Situation nüchtern beurteilen, müssen wir, wie mir scheint, folgendes sehr deutlich sehen. Die technologische Entwicklung geht in einem immer rasanteren Tempo weiter. Zum anderen bilden sich immer mehr großräumige Zusammenschlüsse wirtschaftlicher Natur, Auch das ist ein natürlicher Vorgang als Folge der technologischen Entwicklung und einer sich weiter intensivierenden Arbeitsteilung. Mit diesen politischen und wirtschaftspolitischen Zusammenschlüssen bauen sich zwangsläufig alle Maßnahmen ab, durch die — etwa über Zollschutz — versucht wird, die eigene Wirtschaft abzuschirmen. Hinzu kommt eine zunehmende weltweite Mobilität. Ich weise darauf hin, was sich allein durch das Entstehen immer großräumiger werdender Schiffsgefäße und eines massenhaften Luftverkehrs eines nahen Tages zwangsläufig an weltweiten Strukturveränderungen ergeben muß, wenn Güter, die wir auf dem europäischen Markt bisher nie als konkurrenzfähig angesehen hatten, durch diese neuen Verkehrstechniken auch auf diesem Markt zu sehr günstigen Preisbedingungen angeboten werden können. Das heißt mit anderen Worten, unsere Wirtschaft gerät, ob wir es wollen oder nicht, zunehmend in den Sog einer weltweiten internationalen Arbeitsteilung. Daraus ergibt sich für uns die Folgerung, daß wir durch eigene Anstrengungen alles tun müssen, um die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft zu steigern. Dort, wo im internationalen Geschäft Dumping-Praktiken angewandt werden, müssen wir uns wirksam dagegen wehren. Ich verweise auf die Schwierigkeiten, die wir etwa in der Textilindustrie beobachten. Zum dritten scheint es mir notwendig zu sein, daß wir die uns betreffenden Strukturprobleme möglichst auch auf die EWG-Ebene anheben, weil sie allein im nationalen Rahmen auf die Dauer sicherlich nicht wirksam genug gelöst werden können. Auch hierzu die Frage an die Bundesregierung, wie sie sich die Dinge vorstellt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich deutete vorhin an, daß wir bezüglich unserer weiteren Konjunkturentwicklung im allgemeinen doch Anlaß zu einem vorsichtigen Optimismus haben. Wenn wir aber langfristig Prognosen anstellen, haben wir, wie ich glaube, keinen Anlaß zur Selbstzufriedenheit. Es gibt Prognosen auf der EWG-Ebene und von der OECD über das wirtschaftliche Wachstum, die sehr deutlich machen, daß die Wachstumsentwicklung der Bundesrepublik etwa hinter derjenigen in Frankreich, Italien, den Vereinigten Staaten oder gar Japan zurückbleibt, und wir laufen z. B. Gefahr, schon vor 1980 in unserer Position auf dem Weltmarkt, wenn wir die Dinge treiben lassen, von den Japanern überrundet zu werden. Aus diesem Grunde müssen wir, wenn wir von Strukturpolitik sprechen, auch rechtzeitig daran denken, bewußt die eigentlichen Zukunftsindustrien zu fördern, neben der Chemie und der Automobilproduktion, wo wir ja in der Weltwirtschaft einen hervorragenden Stand haben, auch die Entwicklung der Atomenergie, der Computer-Industrie und die Luft- und Raumfahrtindustrie. Hier ist zu berücksichtigen, daß Entwicklungen in diesen Sektoren vielleicht nicht schnell genug vorankommen, wenn wir Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1968 7601 Dr. Müller-Hermann nicht auch staatlicherseits in einem gewissen Maße da hinterher sind. Denn unsere wirtschaftliche Position und damit auch alles, was auf lange Sicht mit Sozial- und Außenpolitik zu tun hat, ist aufs engste damit verbunden, daß wir bemüht sind, unsere Führungspositionen in der Weltwirtschaft für die Dauer zu sichern. Nun gilt unsere akute Sorge natürlich insbesondere den Ad-hoc-Problemen in den besonders betroffenen Wirtschaftsbereichen und in den besonders unter Strukturproblemen leidenden Wirtschaftsregionen. Bei den Bereichen der Wirtschaft, die besonders mit Strukturproblemen zu tun haben, ,denke ich etwa an Bergbau, Textil- und Agrarwirtschaft, Steine und Erden, auch ,an die Bundesbahn. Wir beobachten, daß sich in Teilen dieser Wirtschaftsbereiche, vor allem auch bei den in ihnen tätigen Menschen, eine Art Resignationsstimmung ausbreitet, die dann wiederum von radikalen Elementen ausgenutzt wird, nicht um den Menschen zu helfen, sondern um die Grundfesten unserer parlamentarischen Demokratie zu erschüttern. Natürlich ist, was wir doch objektiv sehen müssen, auch immer eine gewisse Versuchung gegeben, die Notlagen, in die Menschen ohne ihr eigenes Verschulden geraten sind, parteipolitisch auszuschlachten, obwohl das sicherlich nicht der Sache dient. Wir meinen, ,daß eine Globalsteuerung der Wirtschaft zur Lösung dieser sektoralen Strukturprobleme mit Sicherheit nicht ausreicht, sondern daß hier gezielte, aber aufeinander abgestimmte Hilfen der verschiedensten Art eingesetzt werden müssen. Unsere Frage an die Bundesregierung geht dahin, wie sie sich den Einsatz dieser Mittel vorstellt. In diesem Hohen Hause besteht wohl Übereinstimmung darüber, daß unsere strukturpolitischen Maßnahmen nicht etwa auf die Konservierung überholter Strukturen- gerichtet sein dürfen, sondern auf eine rechtzeitige und schnelle Anpassung gerichtet sein müssen. Vielleicht wäre es auch nützlich, Herr Bundeswirtschaftsminister, in den zukünftigen Subventionsberichten einmal mit zu erläutern, inwieweit die Hilfen, wenn sie den Zweck, zur Strukturverbesserung beizutragen, erfüllt haben, auch degressiv gestaltet werden und wo die Subventionshilfen ausschließlich darauf ausgerichtet sind, etwas zu erhalten, was, im Grunde eine Fehlleitung von Produktivkräften darstellt. Wie können ,diese Strukturhilfemaßnahmen beschaffen sein? Wie können die Möglichkeiten der Kooperation gefördert werden? Es ist kein Geheimnis, daß zur Zeit eine Reihe rechtlicher Hindernisse bestehen, sowohl rein rechtlicher Art — ich erwähne etwa das Kartellgesetz — als auch steuerrechtlicher Art. Zweifellos gibt es auch Anpassungshemmnisse in der Gestaltung der Kreditwirtschaft, auf dem Gebiet der Gewerbeordnung und im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik. Deshalb die Frage an die Bundesregierung, wie sie sich hier eine Modifizierung denkt. Wenn wir von Strukturverbesserung sprechen, sollten wir nicht nur an die neu zu errichtenden Betriebe denken, sondern auch an diejenigen Betriebe, die sich in einer Umstellungsphase befinden, die sich nicht nur auf neue Produktionen einstellen, sondern sich in ihrer Produktionsskala ein zweites oder drittes Bein anbinden. Können wir sicher sein, daß die Hilfen der Regierung nicht nur auf Industrieneuansiedlung, sondern auch auf die Umstrukturierung bestehender Industrien und Gewerbebetriebe ausgerichtet sind? Ich denke nicht zuletzt auch an die Probleme, die in der Agrarwirtschaft bestehen. Wieweit kann die Lösung dieser Probleme mit der Schaffung industriell-gewerblicher Arbeitsplätze in den besonders betroffenen Betrieben kombiniert werden? Ganz sicher wollen wir doch, wenn wir eine Optimierung unseres Sozialproduktes durch die Konjunktur- und Strukturpolitik anstreben, auch ein gewisses gesellschaftliches Bild unter allen Umständen erhalten wissen und nicht gesunde gesellschaftspolitische Strukturen mit einer gezielten Strukturpolitik zerstören. Nun läßt sich von der sektoralen Strukturpolitik natürlich die regionale nicht trennen. Hier möchte ich, auch im Namen meiner Fraktion, folgendes sehr deutlich aussprechen. Naturgemäß beschäftigen und bedrücken uns im Augenblick besonders stark die regionalen Strukturprobleme in den Gebieten, die besonders mit dem Steinkohlenbergbau zu tun haben: Nordrhein-Westfalen und Saar. Aber wir sollten uns davor hüten, uns den Blick allzusehr einengen zu lassen. Es gibt fast keine Region der Bundesrepublik, möchte ich sagen, die nicht von echten schwerwiegenden Strukturproblemen betroffen ist. Das ist eine natürliche Folge der technologischen Entwicklung. Wir sollten daher über Nordrhein-Westfalen, die Saar und das Zonenrandgebiet hinaus auch an die anderen Teile der Bundesrepublik denken, die dringend gezielte Regionalprogramme zur Verbesserung ihrer Wirtschaftsstruktur benötigen. In unserem Grundgesetz und auch in der Präambel des EWG-Vertrages steht einiges über eine harmonische Wirtschaftsentwicklung, ein Wort, das sich sehr schön anhört, aber nicht ganz leicht zu praktizieren ist. Selbstverständlich werden wir immer ein gewisses Gefälle zwischen bestimmten Regionen sowohl unseres Landes als auch der EWG haben. Aber unsere Bemühungen — und, wie ich hoffe und sicher bin, auch die Bemühungen der Bundesregierung — müssen natürlich darauf gerichtet sein, das Gefälle in einem zumutbaren Rahmen zu halten. Hier gelten unsere Sorgen ganz besonders dem flachen Lande, das wir nicht der Gefahr aussetzen dürfen, eines Tages verödet zu sein. Hier dreht es sich nicht zuletzt auch darum, diesen Regionen, die besonders zu kurz kommen, eine Mindestausstattung an Infrastruktur sicherzustellen, um überhaupt ein Minimum an Lebensstandard zu sichern, der dem 20. Jahrhundert gemäß ist. (Beifall bei der CDU/CSU.) Ein Stichwort, das ich nur einmal als eines unter anderen in die Debatte werfe: Kanalisation müßte eigentlich auch im letzten Dorf des Bayerischen Waldes eine Selbstverständlichkeit sein. Das ist aber sicher eine Frage der Infrastrukturausstattung und damit — das wollen wir bei jeder Gelegenheit auch 7602 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1968 Dr. Müller-Hermann betonen — im Grunde auch eine Frage der entsprechenden Finanzausstattung. Worum es uns geht, ist, daß Bund und Länder bei der Lösung dieser regionalen Strukturprobleme Hand in Hand arbeiten und sich in den Förderungsprogrammen abstimmen. Herr Bundeswirtschaftsminister, ein Problem, das zu beantworten Sie sicherlich auch nicht für ganz leicht halten werden, ist, wie man sicherstellen kann, daß zwischen den Ländern oder gar zwischen einzelnen Kommunen nicht ein volkswirtschaftlich unsinniger Wettbewerb einsetzt, etwa bei Staatsbürgschaften und indirekten Ansiedlungskosten. Wir wissen aus der praktischen Erfahrung, daß die Gemeinden teilweise diese ganzen Probleme nur aus der Sicht ihres Gewerbesteueraufkommens betrachten. Worauf ich hinaus möchte, Herr Bundeswirtschaftsminister, ist, daß wir nicht nur die Verantwortlichkeit der Bundesregierung, des Bundes für diese Dinge sehr präzisieren, sondern daß wir auch gemeinsame Anstrengungen unternehmen sollten, um die Zusammenarbeit der Länder hier in eine gesamtwirtschaftliche Verantwortlichkeit zu stellen. Mir scheint es auch wichtig, sicherzustellen, daß bei der regionalen Strukturpolitik zunächst einmal im Grundsatz streng ökonomische Maßstäbe angelegt werden. Es sollten im Grunde Investitionen nur für solche Projekte zur Verfügung gestellt werden, die nach einer bestimmten Anlaufzeit auch wettbewerbsfähig gehalten werden können. Ich halte es aber für dringend notwendig, an dieser Stelle einzufügen, daß es Regionen gibt, in denen neben den ökonomischen Maßstäben auch übergeordnete politische Gesichtspunkte eine entscheidende Rolle spielen müssen. Ich denke insbesondere an das Zonenrandgebiet, wo wir eben mit dem Maßstab nur ökonomischen Denkens nicht in der Lage sein werden, die Probleme einer Lösung zuzuführen. Ich nehme an, daß auch darüber in diesem Hause völlige Übereinstimmung besteht. Vielleicht noch ein Gedanke, Herr Bundeswirtschaftsminister. Wir sollten die Länder und Gemeinden anregen, bei der Erschließung ihrer Regionen etwas mehr als bisher auch ihre Phantasie spielen zu lassen. Es ist nicht notwendig, daß jede Gemeinde oder jeder Ort unbedingt einen industriellen Großbetrieb an sich zieht. Es gibt vielleicht auch Möglichkeiten, auf dem Wege der Förderung von Fremdenverkehr eine Region mindestens ebenso zu erschließen. Herr Kollege Schwabe winkt mir zu. Ich glaube, auch hierüber besteht Übereinstimmung. Noch ein Punkt, der mir wichtig zu sein scheint. Wenn wir Strukturpolitik sektoral und regional betreiben, kommen wir nicht daran vorbei, den Zusammenhang zu sehen, der insbesondere mit den Fragen der Energie- und der Verkehrspolitik besteht. Ohne eine qualitativ hochwertige und preisgünstige Energie- und Verkehrsversorgung ist eine Erschließung der wirtschaftlich schwachen und revierfernen Regionen mit Sicherheit nicht möglich. Herr Bundeswirtschaftsminister, ich will es Ihnen ersparen, uns auseinanderzusetzen, inwieweit sich hier gewisse Divergenzen auch in der Zielsetzung der Bundesregierung ergeben: wenn Sie die wirtschaftlich schwachen Räume etwa durch verkehrspolitische Maßnahmen in der Versorgung schlechter als bisher stellen und auf der anderen Seite eine gezielte Regionalpolitik betreiben wollen. Zum Abschluß noch ,ein Gedanke! Eine Anpassung an die Strukturveränderungen in einer sozialen Marktwirtschaft ist natürlich in allererster Linie eine Sache der Unternehmer. Wir wollen auch die Verantwortlichkeit der Unternehmer in keiner Weise geschmälert wissen. Ich glaube aber, daß es nicht im Widerspruch zu den Gedanken und Prinzipien einer sozialen Marktwirtschaft steht, wenn wir auch die Verantwortlichkeit des Staates und der öffentlichen Hand für die sektoralen und regionalen Strukturprobleme ansprechen und sehr stark betonen. Die Folge der rasanten technischen Entwicklung ist eine Dynamisierung unserer Wirtschaft, wie sie die Generationen vor uns nie gekannt haben. Im Zuge dieser dynamischen Entwicklung können die Individuen, die Menschen, und unsere Gesellschaft leider sehr schnell mit unter die Räder kommen. Aus dieser Tatsache ergibt sich auch eine Mitverantwortung des Staates. Bloß sollte man versuchen, wenn der Staat eingreift, das mit möglichst marktkonformen Mitteln zu tun, mit Mitteln, die nicht den Prinzipien unserer sozialen Marktwirtschaft diametral entgegenstehen. Worin bestehen nun die Aufgaben des Staates? Ich skizziere sie nur mit Schlagworten: die Anpassungsvorgänge fördern, anpassungshemmende Maßnahmen abbauen, wir müssen die Mobilität voranbringen, wir müssen die Wirtschaftsabläufe transparent machen, wir müssen unsere Bildungs- und Ausbildungsreserven erschließen, wir müssen den Informationsgrad erhöhen, — ein Punkt, der insbesondere für die mittleren und kleineren Betriebe von außerordentlicher Wichtigkeit ist, die es sich nicht leisten können, durch eigene Apparaturen die zukünftige Marktentwicklung vorauszuschätzen. Ferner müssen wir ein angemessenes Maß an Infrastruktur vorhalten. Auch müssen wir vom Staat und in diesem Fall vom Bund erwarten, daß er Ziele setzt, an denen sich die Kräfte der Wirtschaft orientieren können, und zwar Ziele nicht nur quantitativer, sondern auch qualitativer Art. Auf einen Zwischenruf von unseren Freunden aus der sozialdemokratischen Fraktion hatte ich schon mit dem Hinweis geantwortet, daß alle diese strukturpolitischen Maßnahmen leider nicht nur mit der föderativen Struktur unserer Bundesrepublik zu tun haben, sondern auch mit den Finanzen. Um so wichtiger scheint es uns zu sein — auch hierzu fragen wir die Bundesregierung —, daß die von Bund, Ländern und Gemeinden bereitgestellten Mittel gezielt und kooperativ eingesetzt werden, daß ein gesamtwirtschaftlich sinnvoller Einsatz erfolgt. Wir kommen nicht daran vorbei, auch der Öffentlichkeit sehr deutlich zusagen, daß, wenn wir diese Strukturprobleme auf weite Sicht einer Lösung zuführen wollen, in Zukunft bei einer Steigerung unseres Sozialprodukts eindeutig der Investitionsausweitung vor der Konsumausweitung der Vorrang zukommt. Wir stehen hier einfach vor der Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1968 7603 Dr. Müller-Hermann Alternative, jetzt unsere Zukunft zu verfrühstücken oder mit dem, was die heutige Generation erarbeitet, rechtzeitig auch im Einsatz der Mittel mit entsprechenden Prioritäten Vorsorge zu treffen, daß auch künftige Generationen in einem immer härter werdenden Wettbewerb sich behaupten und sich einen weiter steigenden Lebensstandard leisten können. (Beifall bei der CDU/CSU.) Die Fragen, die wir in dem Katalog der Großen Anfrage gestellt haben, Herr Bundeswirtschaftsminister, sind Ihnen bekannt. Gesprochen worden ist im Laufe des letzten halben Jahres besonders viel über diese Strukturprobleme. Ich glaube, die Zeit des Besprechens, des Überlegens muß jetzt zu Ende sein, es muß gehandelt werden. Der vor uns liegende Konjunkturaufschwung, von dem wir erwarten, daß er nicht nur in Gang kommen, sondern sich auch behaupten wird, ist die Bewährungsstunde für die Strukturpolitik. Meine Frage an die Regierung lautet, wie sie sich ihrerseits die zu treffenden Maßnahmen vorstellt. (Beifall bei der CDU/CSU.)
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    Berichtigung 141. Sitzung, Seite 7177 A, Zeile 6 von unten: Zwischen die Wörter „Mitberatung gemäß" ist .das Wort „und" einzufügen. Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Achenbach 19.1. Dr, Aigner * 19. 1. Frau Albertz 20. 1. Dr. Althammer 22. 1. Arendt (Wattenscheid) 17.2. Dr. Artzinger* 19.1. Bading * 19.1. Dr.-Ing. Dr. h. c. Balke 19.1. Dr. Barzel 19.1. Bauknecht 19.1. Prinz von Bayern 19.1. Dr. Becher (Pullach) 31.1. Dr. Bechert (Gau-Algesheim) 19.1. Berendt * 19.1. Beuster 19.1. Blachstein 26. 1. Böhm 20. 1. Brück (Holz) 20. 1. Dr. Bucher 19. 1. Buchstaller 20. 1. Corterier * 19.1. van Delden 19.1. Dr. Dittrich * 19.1. Eckerland 16. 2. Eckhardt 19.1. Ehnes 19. 1. Frau Dr. Elsner 15. 2. Flämig 20. 1. Dr. Frey 20. 1. Gerlach * 19.1. Dr. Giulini 19.1. Graaff 19.1. Dr. Gradl 19.1. Haage (München) 19. 1. Dr. Häfele 20. 1. Häussler 3. 2. Hamacher 3. 2. Hansing 19. 1. Hellenbrock 20. 1. Hölzle 27. 1. Frau Dr. Hubert 19.1. Kahn-Ackermann 19. 1. Dr. Kempfler 20. 1. Killat 2. 2. Klinker * 19. 1. Koenen (Lippstadt) 20. 1. Kriedemann * 19. 1. Kunze 20. 1. Frau Dr. Krips 26. 1. Dr. Krone 19.1. Langebeck 31.1. Lemmer 22.1. Lenders 19. 1. Dr. Lenz (Bergstraße) 20. 1. Lenz (Brühl) 29. 2. * Für die Teilnahme an Ausschutzsitzungen des Europäischen Parlaments Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Löhr * 19.1. Dr. Lohmar 19.1. Lücker (München) * 19. 1. Dr. Martin 19.1. Matthöfer 26.1. Mauk 19.1. Michels 19.1. Missbach 19. 1. Dr. Mommer 20. 1. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller 16. 2. Dr. Mülhan 19.1. Müller (Aachen-Land) * 19.1. Müller (Berlin) 19.1. Dr. Müller (München) 19.1. Nellen 19. 1. Petersen 20. 1. Prochazka 19.1. Richarts 19.1. Sander 19. 1. Sänger 20. 1. Schmidt (Hamburg) 20. 1. Schmidt (Kempten) 19. i. Schmidt (Würgendorf) 3. 2. Dr. Schmidt (Wuppertal) 20. 1. Schoettle 19. 1. Spitzmüller 20. 1. Dr. Starke (Franken) * 19.1. Dr. Steinmetz 19. 1. Stingl 19.1. Stücklen 19. 1. Weiland 20. 1. Frau Dr. Wolf 23. 1. Dr. Zimmermann 19.1. Anlage 2 Umdruck 350 (neu) Antrag der Fraktion der SPD zur Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. sektorale und regionale Strukturpolitik Drucksache V/1988 Der Bundestag wolle beschließen: I. Die Bundesregierung wird ersucht, die wirtschaftliche Förderung der Steinkohlenbergbau-gebiete und des Zonenrandgebiets entsprechend der überragenden Bedeutung dieser Problemgebiete zu verstärken. II. Die Bundesregierung wird aufgefordert, zur Mitfinanzierung von Strukturprogrammen für diese Gebiete einen Betrag von einer Milliarde DM vorzusehen. Die Mittel sollen schwerpunktmäßig zur Schaffung neuer Arbeitsplätze und die damit in Verbindung stehenden Infrastruktur-Maßnahmen vor allem dort eingesetzt werden, wo sich größere Arbeitslosigkeit infolge struktureller Veränderungen abzeichnen. III. Soweit die Finanzierung der Strukturprogramme nicht durch Einsparungen sichergestellt werden kann, sind Vorschläge der Bundesregierung 7670 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1968 a) für eine Erhöhung der Kreditermächtigung im Haushaltsgesetz 1968 oder b) — wenn eine Finanzierung über dritte Stellen erfolgt — für die Übernahme etwa erforderlich werdender Sicherheitsleistungen und für die Gewährung von Schuldendiensthilfen vorzusehen. Bonn, den 17. Januar 1968 Schmidt (Hamburg) und Fraktion Anlage 3 Umdruck 353 Antrag der Fraktion aer FDP zur Beratung der Großen Anfrage der CDU/CSU betr. sektorale und regionale Strukturpolitik — Drucksache V/1988 —. Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, dem Deutschen Bundestag bis zum 31. März 1968 zu berichten, 1. welche strukturpolitischen Maßnahmen im Rahmen des „2. Programms der Bundesregierung für besondere konjunktur- und strukturpolitische Maßnahmen 1967/68" in Auftrag gegeben und durchgeführt wurden, 2. welche strukturpolitischen Maßnahmen im Rahmen des „Entwurfs des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1968" vorgesehen sind. Aus dem Bericht sollen die gebildeten Schwerpunkte strukturpolitischer Zielsetzung, die Koordinierung der Maßnahmen mit den Ländern und Gemeinden und der Einzelbereiche wie zum Beispiel Industrieansiedlung und Wohnungsbau — sowie bereits absehbare Erfolge und Maßnahmen hervorgehen. Bonn, den 17. Januar 1968 Freiherr von Kühlmann-Stumm und Fraktion Anlage 4 Umdruck 354 Antrag der Fraktion der FDP zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. sektorale und regionale Strukturpolitik — Drucksache V/1988 —. Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ferner ersucht, nach Bedingten besonderen Situation des Zonnenrandgebietes innerhalb des Bundesgebietes und den sich daraus ergebenden psychologischen, wirtschaftlichen, kulturellen, kommunalen und finanziellen Schwierigkeiten im gesamten Verlauf des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens, die der Deutsche Bundestag seit 1953 stets berücksichtigt hat und die auch im EWG-Vertrag für seinen Bereich in dem Artikel 92 anerkannt sind, auch in Zukunft auf allen Gebieten Rechnung zu tragen. Bonn, den 17. Januar 1968 Freiherr von Kühlmann-Stumm und Fraktion Anlage 5 Umdruck 355 Antrag der Fraktion der CDU/CSU zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. sektorale und regionale Strukturpolitik — Drucksache V/1988 —. Der Bundestag wolle beschließen: Das Ziel unserer Wirtschaftspolitik, alle Teile der Bundesrepublik an einer harmonischen Wachstumsentwicklung teilhaben zu lassen, muß gewährleistet werden. Dabei ist den Erfordernissen der Wachstumsbereiche Rechnung zu tragen. Deshalb wird die Bundesregierung ersucht, ihre vom Bundesminister für Wirtschaft dem Wirtschaftsausschuß des Bundestages übermittelten Vorstellungen über Strukturmaßnahmen in Steinkohle-Bergbaugebieten in Zusammenarbeit mit den Ländern im einzelnen darzustellen und nach Prioritäten zu ordnen. Dabei sollten Maßnahmen den Vorrang genießen, die zu einer Stärkung der Wirtschaftskraft dieser Gebiete beitragen. Auf die bereits vorgesehenen Projekte zum Ausbau der Verkehrs-Infrastruktur trifft dies beispielsweise zu. In die Überlegungen der Bundesregierung sind alte mit Strukturproblemen belasteten Regionen der Bundesrepublik einzubeziehen. Das gilt insbesondere für die Zonenrand- und Bundesausbaugebiete. Auch die von Strukturveränderungen besonders betroffenen übrigen Bereiche der Wirtschaft einschließlich der Agrarwirtschaft müssen von den Strukturmaßnahmen ergriffen werden. Hierbei sollten die Möglichkeiten, die im Rahmen des ERP-Sondervermögens für solche Maßnahmen bereits vorgesehen sind, genutzt werden. Auch die mit den 500 Millionen DM Sonderprogramm für die Gemeinden gesammelten Erfahrungen sind zu berücksichtigen. Die Bundesregierung wird ferner ersucht, nach Beendigung ihrer Beratungen mit den Ländern dem Bundestag über die Ergebnisse zu berichten. Insbesondere soll sie sich darüber äußern, in welcher Weise die Finanzierung der entsprechenden Projekte durch gemeinsame Anstrengungen von Bund und Ländern ermöglicht werden kann. Bonn, den 18. Januar 1968 Dr. Barzel und Fraktion Anlage 6 Umdruck 356 (neu) Antrag der Abgeordneten Stücklen, Bauer (Wasserburg), Wagner, Niederalt und Genossen zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/ CSU betr. sektorale und regionale Strukturpolitik — Drucksache V/1988 -. Der Bundestag wolle beschließen: Neben den Aufgaben der sektoralen Strukturpolitik verdient die regionale Strukturpolitik besondere Berücksichtigung. Sie muß sich als langfristige Aufgabe die Herstellung gleicher Lebensbedingungen setzen. Konjunkturpolitische Maßnahmen haben sich in diesen Rahmen einzufügen. Innerhalb der Regio- Deutscher Bundestat — 5. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1968 7671 nalpolitik hat die wirtschaftliche Förderung der Zonenrandgebiete, die durch die deutsche Spaltung in besonderem Maße in Mitleidenschaft gezogen wurde, eine hervorragende politische Bedeutung. Ohne die Schwierigkeiten im Bereich der deutschen Steinkohle unterbewerten zu wollen, muß darauf hingewiesen werden, daß der Umstrukturierungsprozeß der deutschen Landwirtschaft seit Jahren nach Art und Umfang vergleichbare, ja sogar höhere Ausfallerscheinungen und soziale Spannungszustände in sich birgt, wie sie gegenwärtig auch in den Steinkohlenbergbaugebieten festzustellen sind. Eine Konkurrenz der Förderungsbedingungen bzw. eine Bevorzugung eines bestimmten Problemgebietes ist daher nicht gerechtfertigt. Diese Forderung entspricht der im Artikel 72 Abs. 2 Nr. 3 des Grundgesetzes zum Ausdruck kommenden gesellschafts- politischen Zielsetzung. Zur Ausgewogenheit der Förderungsbedingungen gehört auch, daß der Standortnachteil der strukturschwachen und verkehrsfernen Gebiete, insbesondere der Zonenrandgebiete (verstärkt noch durch die Randlage in der EWG), voll ausgeglichen wird. Zur Verwirklichung dieser Grundsätze ersucht der Deutsche Bundestag die Bundesregierung, folgende Vorschläge zu überprüfen: 1. Gewährleistung eines vergleichbaren Investitionsvolumens durch Aufstockung der Mittel für die regionale Förderung. 2. Verstärkte Förderung der Infrastruktur in den betroffenen Gebieten, insbesondere rascher Ausbau der Ost-West-Verbindungen, des Rhein-Main-Donau-Kanals u. ä. 3. Überprüfung der Vorschläge des Verkehrspolitischen Programms der Bundesregierung für die Jahre 1968 bis 1972" auf seine Auswirkungen in den verkehrsfernen Gebieten. 4. Verstärkte Koordination aller Maßnahmen, die im Zusammenhang mit der Rationalisierung landwirtschaftlicher Betriebe und der hierbei sich anschließenden Industrie- und Gewerbeansiedlung notwendig werden. Bonn, den 19. Januar 1968 Stücklen Dr. Gleissner Bauer (Wasserburg) Frau Dr. Kuchtner Wagner Memmel Niederalt Ott Dr. Brenck Dr. Pohle Dr. Franz Röhner Frau Geisendörfer Stiller Gierenstein Weigl und Genossen Anlage 7 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Springorum (CDU/CSU) zu Punkt 4 der Tagesordnung: Herr Kollege Ravens hat die Unternehmer des Bergbaus heftig angegriffen. Wenn man das hörte, mußte man den Eindruck gewinnen, daß hier Leute am Werk waren, die rücksichtslos auf Kosten der Arbeiter ihre Profite machen wollten. Mich hat es gewundert, daß Herr Kollege Ravens die Sache so verzerrt darstellt. Er kennt doch sicher die Sozialpläne, mit denen der Bergbau für seine Arbeiter gesorgt hat und für die sorgt, die ihre Arbeitsplätze verloren haben. Es gibt keinen anderen Wirtschaftszweig mit Sozialplänen einer ähnlichen Größenordnung. Die Bergarbeiter sind diejenige Gruppe unserer Arbeiter, für die mit am besten gesorgt worden ist und auch noch gesorgt wird. Wir alle sind damit sehr einverstanden. Aber es ist reine Demagogie, wenn das hier verschwiegen wird und man so tut, als hätten Bergwerksunternehmen, die sehr viel Geld für diese Sozialpläne freiwillig aufgewendet haben, über ihre arbeitsrechtlichen Verpflichtungen hinaus nun kein Herz für ihre Arbeiter. Ich habe mit Zustimmung gehört, daß auch Herr Kollege Ravens trotz aller seiner Kritik dem freiwilligen Zusammenschluß im Bergbau die Priorität vor einer staatlichen Zwangslösung gibt. Man setzt freilich bei einem so komplizierten Sachverhalt eine gewisse Zeit voraus, Zeit für die Vertragsverhandlungen, die zahllose Einzelheiten regeln müssen. Mit Herrn Ravens bin ich der Meinung, daß es wünschenswert gewesen wäre, wenn alles rascher hätte gehen können. Aber wir sollten die Schwierigkeiten auch gerecht würdigen. Wenn aber die Kritik, wie es gelegentlich anklang, den Inhalt haben sollte, daß man im Herzen doch der Zwangslösung den Vorzug gibt, so sollte das hier offen gesagt werden, damit wir wissen, woran wir in der Wirtschaftspolitik sind. Kollege Ravens hat einige Operationen kritisiert, in denen Bergwerksgesellschaften Halden und Wohnungsbestände in eine andere juristische Form überführt haben. Wir wissen, daß es sich um Gesellschaften handelt, die ihre Struktur umfassend neu gestalten, keineswegs nur die Struktur ihres Bergbaus. Es wäre kaum sinnvoll gewesen, von ihnen zu erwarten, nun den Bergbau aus ihrer Umorganisation herauszuhalten, um der kommenden Lösung nicht vorzugreifen. Ich kann mir im übrigen nicht vorstellen, daß die Behandlung der Halden, des Wohnungsbesitzes, im Rahmen einer umfassenden Neuregelung mit Hilfe des Staates nun von diesen nur juristischen Veränderungen der allerneuesten Zeit beeinflußt werden könnte. Anlage 8 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Weigl (CDU /CSU) zu Punkt 4 der Tagesordnung. Eigentlich melde ich mich nur deshalb zu Wort, weil die Bundesregierung bis zur Stunde keine befriedigende Antwort auf die Frage gegeben hat, die mir als einem Abgeordneten, der eine enge Verbindung zum Wähler pflegt, tagtäglich gestellt wird. Diese Frage lautet: Wie war es möglich, daß die Arbeitslosigkeit in 17 ostbayerischen Land- 7672 Deutscher Bundestag --5. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1968 kreisen am 28. Februar 1967 auf 14 bis 43,7 % anstieg und am 1. Januar 1968 in diesen siebzehn Landkreisen immer noch zwischen 9,5 und 34,3 % lag, obwohl der Bundeswirtschaftsminister noch am 15. April 1966 in einem Bericht über die wirtschaftliche Lage in den Zonenrandgebieten von einer Vollbeschäftigung sprach? Wie konnte sich die Bundesregierung so irren? Das ist der Kern des Problems und darauf erwartet die Bevölkerung eine Antwort. Ich will von dieser Stelle aus heute bewußt. keine konventionelle Rede halten — das tun andere genug —, sondern provozieren, wenn es notwendig sein sollte, sogar schockieren. Nur auf diese Weise verspreche ich mir, daß die Öffentlichkeit endlich wachgerüttelt wird und von den sehr ernsten Problemen in den Notstandsgebieten der Bundesrepublik überhaupt Kenntnis nimmt. Natürlich hatten wir 1966 auf dem Papier Vollbeschäftigung, leider jedoch nur künstlicher Art. Was weiß die Öffentlichkeit von der Tatsache, daß bei der ersten Konjunkturabschwächung Tausende von Fernpendlern aus den Zonenrandgebieten entlassen wurden, weil die Bauindustrie wieder scharf kalkulieren und die Auslösegelder nicht mehr bezahlen konnte. Dabei müssen wir der Bauwirtschaft noch dankbar sein. Diese Bauwirtschaft ist in Ostbayern zum Beispiel zwar mit Arbeitskräften übersetzt, aber in der jetzigen Situation immer noch ein wichtiger Stabilisierungsfaktor. Hätten wir sie nicht, wären die Arbeitslosenzahlen wahrscheinlich so erschreckend hoch, daß man von einer Katastrophe sprechen müßte. Solange wir für unsere Menschen keine anderen Beschäftigungsmöglichkeiten haben, können wir nur bitten: Geben Sie dieser Bauwirtschaft Aufträge im Hochbau - Gott sei Dank brachten die Investitionsprogramme der Bundesregierung einige Aufträge im Tiefbau , so z. B. durch die Einbeziehung des Hochbaus in die wertschaffende Arbeitslosenhilfe. Was wir dann letztlich brauchen, sind endlich durchgreifendere Maßnahmen der Wirtschaftsförderung. Ich habe durchaus Verständnis dafür, daß man in den letzten Jahren die Grenzlandförderung mehr nach dem Gießkannensystem betrieb, mußten doch — um nur ein Beispiel zu nennen — unsere von der Außenwelt fast abgeschlossenen Dörfer zuerst einmal für den Verkehr erschlossen werden. In dieser Richtung ist vieles geschehen. Heute sehe ich die Hauptaufgabe der Regionalpolitik darin, das zur Verfügung stehende Geld ökonomisch am sinnvollsten, d. h. schwerpunktmäßig einzusetzen, wenn der Abstand zwischen den Ballungsräumen und den dünn besiedelten Gebieten in der Bundesrepublik nicht noch größer werden soll. Ich begrüße es daher außerordentlich, daß die Bundesregierung die Schaffung von 18 neuen Bundesausbauorten angekündigt hat. Ich darf mir den Hinweis erlauben, daß es zum Beispiel in meiner Heimat, dem Regierungsbezirk Oberpfalz, mit über 1 Million Einwohnern bisher leider nur 2 Bundesausbauorte (Cham und Roding) gibt, obwohl ein großer Teil dieses Regierungsbezirks Zonenrand- zuwenig. Als eifriger Befürworter einer Konzentration des Mitteleinsatzes in Bundesausbauorten muli ich allerdings einschränkend sagen, daß nach meinen praktischen Erfahrungen die Industriedichte eines Gebietes nicht das entscheidende Kriterium ist, das bei der Auswahl neuer Bundesausbauorte beachtet werden müßte; entscheidend kommt es darauf an, das verkehrsmäßig gut erschlossene Mittel- und Kreisstädte zu Bundesausbauorten erhoben werden. bzw. Bundesausbaugebiet ist. Das ist viel, viel Auch darf der staatliche Eingriff nicht so weit gehen, daß eine Industrieansiedlung etwa nurmehr in Bundesausbauorten erfolgen kann. Der Unternehmer darf seiner Entscheidungsfreiheit nicht völlig beraubt werden. Auf der anderen Seite muli ich eines klar aussprechen: Wir haben kein Recht, jungen Menschen die Abwanderung in die Ballungsgebiete zu verübeln, wenn wir in den Grenzgebieten nicht selbst bereit sind, endlich Gegengewichte gegen die Ballungsräume zu schaffen. Unsere junge Generation ist kritisch, genauso wie anderswo, und sie verlangt mit Recht, daß in gewissen Abständen Fach- und Höhere Schulen, moderne Krankenhäuser usw. erreichbar sind. Deshalb nochmals die Forderung: Schwerpunktbildung bei der Schaffung von Arbeitsplätzen, Schwerpunktbildung bei der Erschließung landschaftlich schöner Gebiete für den Fremdenverkehr (wozu allerdings erst die landesplanerischen Voraussetzungen geschaffen werden müssen), Schwerpunktbildung im Bereich der Landwirtschaft. Ich habe gesagt, daß ich keine konventionelle Rede halten will, sondern provozieren, wenn notwendig, sogar schockieren möchte. Deshalb will ich auch in aller Offenheit den größten Ärger ansprechen, der Jahr für Jahr erneut auf einen Grenzland-abgeordneten zukommt: ich meine die Verhältnisse im sozialen Wohnungsbau. Nach den gesetzlichen Bestimmungen vergibt die Regierung Jahr für Jahr die Darlehnsmittel in folgender Reihenfolge: Familien mit 13, 12, 11, 10, 9 und 8 Kindern. Diese Großfamilien gibt es bei uns noch. Wenn wir Glück haben, werden auch Familien mit 6, 5 und 4 Kindern bedient, aber — und nun kommt das Traurige — alle anderen Antragsteller schauen mit dem „Ofenrohr ins Gebirge", wie wir so schön sagen. Diese Art der Förderung stößt sich mit der Notwendigkeit, Facharbeiter im Grenzland zu halten, auch wenn diese weniger als 4 Kinder haben. Ich könnte hier erschreckende Beispiele erzählen. Ausgesprochen wichtige Fachleute verließen verärgert unser Gebiet, nachdem sie sich vorher jahrelang umsonst bemüht hatten, die öffentlichen Mittel zur Erstellung eines Eigenheimes zu erhalten. Dabei wäre bei uns der Grund noch relativ billig zu bekommen -- einer der wenigen Vorzüge der Grenzlandsituation! Man soll mir nur jetzt nicht kommen mit dem Einwand, daß es ja für die Facharbeiter ein eigenes Sonderprogramm des Landes Bayern gibt. Das stimmt zwar, aber die vom Land zur Verfügung gestellten Facharbeiter- Darlehen sind eben wesentlich teurer! Es stimmt auch, daß die Bundesanstalt kleinere Beträge dem Arbeitnehmer zur Verfügung stellt, der anderweitig öffentliche Mittel Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1968 7673 bekommt. Das dient zwar dem einzelnen bei der Spitzenfinanzierung, hilft uns letztlich aber nicht weiter, weil nach wie vor viele andere Bewerber überhaupt nicht berücksichtigt werden, die dann auch kein Geld der Bundesanstalt in Anspruch nehmen können, weils deren Darlehensmittel zu gering sind. Was wir bräuchten, das wäre ein eigenes Sonderprogramm der Bundesanstalt für den FacharbeiterWohnungsbau. Damit bekäme unsere Bauwirtschaft auch mehr Aufträge im Hochbau. Ähnliche Verhältnisse stelle ich bei der Sanierung des Althausbesitzes fest. Uns ist nicht damit gedient, daß der Bund ein Globalkontingent nach Bayern gibt, um den Althausbesitz zu sanieren. Geholfen ist uns nur dann, wenn der Bund einen Teil dieses Geldes für die Zonenrand- und Bundesausbaugebiete bindet. Gestatten Sie mir, daß ich noch ein weiteres leidiges Kapitel anspreche. Immer wieder bekommt man zu hören, daß Darlehen der Bundesanstalt zur Wirtschaftsförderung nicht abgerufen werden. Woran liegt das? Wir sind der Bundesanstalt dankbar, daß sie für die Zonenrandgebiete etwas tut, aber wir müssen zugleich die dringende Bitte aussprechen, daß die Darlehen der Bundesanstalt nicht mehr an die Vergabe anderer öffentlicher Mittel gekoppelt werden. In der Praxis sieht doch die Sache so aus: Ein Unternehmer erfährt, daß die Darlehen der Bundesanstalt nicht nur eine kurzfristige Laufzeit haben, sondern nur dann gewährt werden, wenn er auch aus anderen öffentlichen Mitteln ein Darlehen erhält. Was tut er? Er geht zur Kreditanstalt für Wiederaufbau und erfährt, daß deren Darlehen ebenfalls nur kurzfristig vergeben werden. Die Folge ist doch die, daß den Unternehmern dann in den meisten Fällen die Lust am Investieren vergeht, weil sie kurzfristige Rückzahlungen der Darlehen einfach nicht verkraften können. Wenn die Bundesanstalt die Koppelung aufgeben würde, stünden für die Entwicklung der Zonenrand- und Bundesausbaugebiete wesentlich mehr Mittel zur Verfügung. Dann würde wahrscheinlich auch das eintreten, was wir brauchen. Wir brauchen heute Investitionen, Investitionen und wieder Investitionen in den Grenzgebieten, was bedeuten müßte, daß die Kredite aus dem regionalen Förderungsprogramm auch an Firmen gegeben werden, die eine gute Bilanz ausweisen können. Es ist wirklich mehr als problematisch, daß heute infolge der Mittelknappheit Beamte gezwungen sind, ein Auswahlsystem vorzunehmen. In der Praxis führt das dazu, daß man im Volksmund sagt, „Bankrotteur muß man sein, um Grenzlandmittel zu erhalten". Ich habe durchaus Verständnis für die Einwände gegen die Förderung von Firmen in der Gewinnzone. Trotzdem sollte man diesen Firmen wenigstens dann einen öffentlichen Kredit geben, wenn wegen der Konkurrenzsituation größere Investitionen unaufschiebbar geworden sind und zugleich die Schaffung neuer Arbeitsplätze ermöglicht wird. Bei dieser Gelegenheit darf ich der Kreditanstalt für Wiederaufbau ein hohes Lob für die unbürokratische Ausreichung der ERP-Darlehen aussprechen, damit aber die Bitte verbinden, das Handels- und Dienstleistungsgewerbe nicht länger dadurch zu diskriminieren, daß der Höchstkredit 100 000 DM nicht überschreiten darf. Man kann schließlich auch nicht über Regionalpolitik reden, ohne den Zusammenhang zwischen der Konzentration in den Ballungsräumen und der Abwanderung aus den dünn besiedelten Gebieten anzusprechen. Schon vor wenigen Jahren waren in den Ballungsräumen Rhein-Ruhr, Rhein-Main, Rhein-Neckar, Hamburg, Hannover und München über 50% der in der Industrie Beschäftigten tätig. Diese Ballungsräume erfassen 45 % der Einwohner der Bundesrepublik auf einer Fläche von nur 13 %. Wie arme Waisenknaben nehmen wir zur Kenntnis, daß zum Beispiel die Zahl der Industriebeschäftigten im Regierungsbezirk Oberbayern von 1961 bis 1965 von 315 141 auf 351 501 gestiegen ist. Davon entfällt allein auf München eine Steigerung von 173 216 auf 186 699 Industriebeschäftigte. Darf ich Ihnen die Vergleichszahlen mit Ostbayern nennen? Wir haben zehn Jahre gebraucht, um ca. 30 000 neue Arbeitsplätze. zu schaffen. Da muß doch etwas nicht in Ordnung sein? Ich ersuche die Bundesregierung dringend, den Fragen der Konzentration in den Ballungsräumen größere Beachtung zu schenken. Das kann letztlich nur von Vorteil für alle sein, ganz zu schweigen von den immensen Folgekosten, die die Konzentration der Bevölkerung in den Ballungsgebieten erfordert. Wehren muß ich mich dagegen, daß man uns da und dort wie arme Verwandte betrachtet oder sogar einen Neidkomplex unterstellt. Die Geduld der Bevölkerung in den Zonenrand- und Bundesausbaugebieten wurde fürwahr lange genug strapaziert, und ich verstehe die bittere Reaktion zum Beispiel auf ein Rundschreiben eines Kreditinstitutes, das kurz vor dem letzten Weihnachtsfest die Unternehmer im Grenzland per Merkblatt auf die günstigen Anlagemöglichkeiten von Kapital in Berlin aufmerksam machte. Es ist einfach ein Unding, daß die Sonderabschreibungsmöglichkeiten für Gebäude in Berlin 75 % und im Zonenrandgebiet 30 % betragen. Dabei wollen wir den Berlinern gar nichts nehmen, sondern wir wollen nur erreichen, daß diese Diskrepanz in der Förderung dadurch geringer wird, daß man auch uns höhere Abschreibungssätze zubilligt. Ich gebe zu, daß für Berlin ein höheres politisches Risiko gilt als für die Zonenrand- und Bundesausbaugebiete, andererseits sollte man jedoch auch uns zubilligen, daß wir — wirtschaftlich gesehen — die eigentlichen Verlierer des Krieges sind. Ich darf nur daran erinnern, daß die ostbayerische Wirtschaft heute von den Absatzmärkten in Thüringen und Sachsen und in der CCSR ausgeschlossen ist. Wenn wir deshalb die Bundesregierung ersuchen, die steuerliche Begünstigung des nicht entnommenen Gewinns in den Zonenrand- und Bundesausbaugebieten einzuführen, so hat das mit allgemeiner Mittelstandsförderung sehr wenig zu tun. Wir müssen darum kämpfen, daß uns eine breite Schicht von kleinen Mittelbetrieben erhalten bleibt, und das trotz der großen Standortnachteile! Bitte, verübeln Sie es mir auch nicht, wenn ich es als ausgesprochen 7674 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1968 ungerecht bezeichne, daß unsere stark lohnintensive Wirtschaft die Altlast des Bergbaus mitzutragen hat, eine Wirtschaft, die schwer zu kämpfen hat und die besonders unter dem Mangel an Selbstfinanzierungsmöglichkeiten leidet. Warum soll nicht auch die Arbeitnehmerschaft in den Zonenrand- und Bundesausbaugebieten durch einen eigenen Lohnsteuerfreibetrag wenigstens ein bißchen entlohnt werden für alle anderen Nachteile, die das Arbeiten und Leben in diesen Gebieten mit sich bringt? Am wichtigsten von allen steuerlichen Maßnahmen scheint mir jedoch die Einbeziehung der Bundesausbaugebiete in die Sonderabschreibungsmöglichkeit für die Zonenrandgebiete notwendig zu sein. Wenn ich zum Beispiel im Landkreis Eschenbach ein Gebiet zu vertreten habe, das durch die Auswirkungen des Truppenübungsplatzes Grafenwöhr besonders hat betroffen wird, und wenn die dort tätigen Unternehmer am meisten vom Konjunkturrückschlag betroffen wurden, so frage ich mich, wie lange man noch warten will, bis die Bundesregierung initiativ wird. Was die Landwirtschaftspolitik anbelangt, kann ich dem Bundeswirtschaftsminister leider nicht voll zustimmen, wenn er den absoluten Vorrang strukturpolitischer Maßnahmen verlangt. Was würde das in der konkreten ostbayerischen Situation bedeuten? Doch nichts anderes als den Versuch, die vielen Kleinbetriebe zu enteignen. Anders kann man in diesem Bereich die Situation gar nicht ändern. Alles andere ist graue Theorie. Enteignung wird aber auch der Herr Bundeswirtschaftsminister in unserem freiheitlichen Rechtsstaat nicht für das geeignete Mittel halten, um die Strukturprobleme in der Landwirtschaft lösen zu können. Ich kann aus meiner Sicht nur sagen, daß bisher viel zuwenig getan wurde, um Ansatzpunkte zu genossenschaftlichen und gemeinschaftlichen Zusammenschlüssen der Landwirte voranzutreiben. Ein Beispiel: Die klimatischen Verhältnisse unseres Raumes lassen zum Teil eben nur die Kartoffelerzeugung zu. Warum geschieht nichts, um eine bessere Verwertung der Kartoffel sicherzustellen? Muß es sein, daß der Regierungsbezirk Oberpfalz in der Flurbereinigung in Bayern an vorletzter Stelle steht? Das sind natürlich zuerst Fragen an das Land, aber beim großen Zusammenhang zwischen gesunder Wirtschaft und gesunder Landwirtschaft ist es doch nicht uninteressant, festzustellen, daß es meistens die gleichen Gebiete sind, in denen die wirtschaftlichen Probleme und die landwirtschaftlichen Fragen ungelöst sind. Als Beispiel nenne ich nur den Landkreis Oberviechtach, in dem sage und schreibe nicht einmal eine einzige Flurbereinigungsmaßnahme durchgeführt worden ist. In einer Zeit, in der wir den Eigentumsgedanken in der Arbeitnehmerschaft propagieren, ist es doch geradezu töricht, unsere Landwirte zur Aufgabe ihres Eigentums überreden oder zwingen zu wollen. Unsere Kleinbauern brauchen eine Zuerwerbsmöglichkeit, wenn man nicht das Risiko eingehen will, sie durch die Verpflanzung in die Ballungsräume geistig heimatlos zu machen. Allerdings muß man in diesem Zusammenhang die Frage stellen, ob auf unterer Ebene die Zusammenarbeit zwischen Wirtschafts-, Agrar- und Arbeitsverwaltung so gut ist, daß durchschlagende Erfolge erzielt werden können. Nach meinen Erfahrungen bezweifle ich es. Ähnliches gilt für die Koordinierung zwischen den mit Zonenrandfragen befaßten Behörden im ganzen gesehen. Ich bin jung und optimistisch und habe deshalb die Hoffnung noch nicht aufgegeben, daß man auf der Ebene der Länder und der Regierungsbezirke eines Tages doch eine zentrale Stelle schafft, zum Beispiel eine Landesbank damit beauftragt, alle Kreditanträge entgegenzunehmen, nachdem sich der einzelne Unternehmer im Bürokratenwirrwar kaum mehr zurechtfinden kann. Ich habe auch immer noch die Hoffnung, daß unabhängig von Kompetenzstreitigkeiten und Eifersüchteleien mancher Behördenchef zu der Einsicht kommt, daß er zuerst diesem Gebiet und den Menschen zu helfen hat und dann erst formale Dinge zu berücksichtigen sind. Lassen Sie mich zum Schluß noch einige Fragen kurz streifen. Erfreulich ist, daß der Unternehmer bei der Schaffung neuer Arbeitsplätze künftig zwischen der Gewährung eines Investitionszuschusses in Höhe von 15 %oder einem im Effekt gleichwertigen Darlehen wählen kann. Ich bezweifele jedoch, daß selbst diese Vergünstigungen ausreichen, um mit der Umstrukturierung zum Beispiel im Amberger Raum fertig zu werden. Hier hat man es doch mit den gleichen Problemen wie im Ruhr- und Saargebiet zu tun, nämlich mit der Hüttenumstrukturierung. Ich frage die Bundesregierung, warum nicht ähnlich wie im Falle des Saargebietes in solch außergewöhnlichen Fällen der Investitionszuschuß auf 25 % der Gesamtinvestitionen erhöht werden kann. Die Bundesregierung sollte bei der Liberalisierung des Osthandels stärker als bisher darauf achten, daß unsere Grenzlandwirtschaft nicht über Staatshandelspreise ruiniert werden kann, haben wir es doch im bayerisch-tschechoslowakischen Grenzgebiet hüben und drüben fast mit den gleichen Wirtschaftszweigen zu tun. Unbedingt notwendig halte ich eine baldige Untersuchung über den Verschuldungsgrad der Gemeinden und Landkreise im Zonenrandgebiet. Es wäre die Frage zu stellen, ob bei echten Maßnahmen der Infrastruktur die Finanzhilfen des Bundes und des Landes nicht wesentlich erhöht werden müssen, wenn die Verschuldung der kommunalen Körperschaften nicht ein katastrophales Ausmaß annehmen soll. Und zum Schluß noch ein letztes Wort zur Verkehrssituation in den Zonenrand- und Bundesausbaugebieten. Ich wende mich mit Bedacht zu guter Letzt dem Verkehrsministerium zu, weil die Verbitterung über dieses Haus immer größer wird. Von den niederbayerischen Freunden ließ ich mir sagen, daß der Besuch des Herrn Staatssekretärs Wittrock in Grafenau eine einzige Enttäuschung war. Ich kann mich leider nicht anders äußern. In den letzten Tagen schrieb mir der Herr Staatssekretär sinngemäß, daß, bedingt durch die Investitionsprogramme, der Ausbau der Schnellstraße B 15 zwischen Pfreimd und Nabburg 1967 überraschenderweise gut vorangekommen sei, so daß man jetzt — man höre und Deutscher Bundestag -- 5. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1968 7675 staune - mit dem Ausbau des Teilstücks Nabburg-Schwarzenfeld etwas kürzer treten müsse. Dazu kann ich nur schlicht und einfach sagen: daß wegen der Überlastung der B 15 zwischen Nabburg und Regensburg heute schon viele Kraftfahrer den großen Umweg über die Ostmarkstraße nehmen, wenn sie nach Regensburg wollen, scheint im Bundesverkehrsministerium wohl nicht bekannt zu sein. Ich kann nur hoffen, daß der Herr Bundesverkehrsminister möglichst bald in die Oberpfalz kommt, damit er an Ort und Stelle sieht, was los ist, und dann auch diese Entscheidungen vom „grünen Tisch" her korrigiert. Sein Vorgänger kannte unser Gebiet sehr gut. Vielleicht verdanken wir dieser Tatsache auch den Bau der Schnellstraße B 470. Ich würde Herrn Minister Leber gerne einmal im Schienenbus Nürnberg —Weiden mitnehmen, der für diese Strecke sage und schreibe heute noch 2 1/2 Stunden benötigt — 21/2 Stunden für eine Strecke von 97 km. Er würde sich auch wundern, wenn er die für den Fremdenverkehr besonders wichtige Verbindung von der Ostmarkstraße nach Bayreuth mit ihren vielen Kurven zu Gesicht bekäme; dessen bin ich mir sicher. Das Hohe Haus kann ich in dieser Stunde nur auffordern, praktische Lösungen für die Zonenrand- und Bundesausbaugebiete anzustreben. Theoretisch haben wir lange genug Zeit gehabt, über diese Dinge nachzudenken. Was uns hilft, ist einzig und allein der konkrete Ansatzpunkt. Maßnahmen der Bundesregierung haben nur dann einen Sinn, wenn den Worten Taten folgen. Anlage 9 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Zebisch (SPD) zu Punkt 4 der Tagesordnung Die eisenschaffende Industrie des Saarlandes hat kurz nach der wirtschaftlichen Rückgliederung bei der Bundesregierung einen Ausgleich für die durch die Moselkanalisierung entstandene Standort- und Wettbewerbsverschlechterung in Form des Baues eines Saar-Pfalz-Kanals gefordert. Diese Forderung nach einem Anschluß des Saargebietes an das Binnenwasser- Straßennetz ist nicht neu, sie hat aber durch den Bau des Moselkanals neuen Auftrieb erhalten. Die Regierung des Saarlandes hat sich einmütig hinter diese Forderung gestellt und bei der Bundesregierung ein entsprechendes Memorandum eingereicht. Nach langwierigen Verhandlungen in einer interministeriellen Arbeitsgruppe der Bundesregierung und der Regierung des Saarlandes hat die Deutsche Bundesbahn auf einen Wink der Bundesregierung hin der Forderung des Saarlandes insofern die Spitze abgebogen, als sie anstelle des Baues eines Saar-Pfalz-Kanals entsprechende Ausnahmetarife angeboten hat. Dabei sollte das Tarifniveau derselben so gestaltet werden, „als ob" ein günstiger Wasserweg vorhanden wäre. Dieses Angebot ist nach eingehenden Verhandlungen von der Saarregierung und der Bundesregierung angenommen. worden, Der Bundesregierung ist dadurch die Bereitstellung entsprechender Mittel für den Bau einer Wasserstraße erspart geblieben. Auf diese Weise entstanden die sogenannten Als-ob-Tarife für die Saar. Während bei echten Wettbewerbstarifen die eisenschaffende Industrie der Oberpfalz keine Einwendungen gegen derartige Maßnahmen erheben könnte, da in jedem Falle der billigere Wettbewerbsweg zur Verfügung stünde, ist jedoch die Maxhütte durch die Als-ob-Tarife des Saarlandes sowohl in ihren Bezügen als auch besonders in ihrem Absatz stark beeinträchtigt. Diese Beeinträchtigung ist nicht nur durch die eigentlichen Als-obTarife der Saar hervorgerufen, sondern tritt in einem verstärkten Ausmaß für die auf Lothringen und Luxemburg bzw. auf die Niederlande und Belgien ausgedehnten Als-ob-Tarife in Erscheinung. Mit diesen zusätzlichen und durch die ausgedehnten Als-ob-Tarife begünstigten Importen muß sich die Maxhütte in ihrem Absatzgebiet bis an die tschechische Grenze auseinandersetzen. Damit ergibt sich eine Besserstellung der Saar an allen Plätzen, die in dem Versandgeltungsbereich der entsprechenden Als-ob-Tarife aufgenommen sind, gegenüber den entsprechenden Transportmengen der Maxhütte in Höhe von 2 980 000 DM. Während die Maxhütte gezwungen ist, ihren Schrott auf dem Eisenbahnweg nach der Regelklasse zu beziehen, erhalten die Saarhütten für den gleichen Schrott eine Ermäßigung aus dem süddeutschen Raum von durchschnittlich 32,5 %, aus dem Rhein-Ruhr-Gebiet von 42,9 % und nach dem Ausdehnungstarif 8 B 144 von den Niederlanden sogar 62 % gegenüber der Regelklasse. Legt man nur eine Durchschnittsermäßigung von 32,5 % aus dem süddeutschen Raum zugrunde, so bedeutet dies bei dem Schrottbezug der Maxhütte von rd. 270 000 Jahrestonnen eine Frachtmehrbelastung von 1,5 Millionen DM. Diese 1,5, Millionen aus dem Aufkommen des Schrottverkehrs kommen zu den 2,98 Millionen DM hinzu, welche sich beim Versand nach dem AT 8 B 14, 8 S 104 und 8 B 40 ergeben, so daß die Ausgleichsforderungen der Maxhütte sich auf rund 4,5 Millionen DM belaufen. Die Maxhütte hält den Ausgleich in Form von ähnlichen Tarifmaßnahmen, wie sie in den Als-obTarifen festgelegt sind, für ungeeignet und unzweckmäßig. Vielmehr sollte die Gelegenheit der bestehenden Frachthilfemaßnahmen dazu benutzt werden, innerhalb der Frachthilfe einen besonderen Fond für Ausgleichsmaßnahmen bereitzustellen. Dieses System hätte dazu noch für die Bundesregierung den großen Vorteil, daß anderen Hüttenwerken in der Bundesrepublik der Boden für Berufungen entzogen würde. Im Frachthilfegebiet liegen nur noch die Hüttenwerke Salzgitter und Peine, denen aber billige Transportmöglichkeiten über Wasserstraße und entsprechende Wettbewerbstarife zur Verfügung stehen. Für eine praktische Regelung der Ausgleichsforderung der Maxhütte wird daher folgender Vorschlag gemacht: 7676 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1968 1. Versand von Walzwerkserzeugnissen Bei einem Jahresbetrag von 20 Millionen DM an Ausgangsfrachten war ein erforderlicher Ausgleichsbetrag von 3 Millionen DM errechnet. 3 Millionen DM Ausgleichsforderung von 20 Millionen DM Fracht machen genau 15 % aus. Das heißt also, für die erforderlichen Ausgleichsmaßnahmen bei den Ausgangsfrachten für Walzwerkserzeugnisse müßten 15 % im Rückvergütungsweg gewährt werden. 2. Schrottbezug Bei einer Jahresmenge von 270 000 t beträgt die Frachtbelastung 4,2 Millionen DM. Wenn nur die Frachtbegünstigung der Saar aus süddeutschen Entfallstellen in Höhe von 32,5 % zugrunde gelegt wird, dann ergibt das eine Summe von rund 1,5 Millionen DM. Es müßten also sämtliche Eingangsfrachten der Maxhütte bei Schrott und Roheisen mit 32,5 %, ebenfalls im Rückerstattungsweg, ausgeglichen werden. Anlage 10 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. Dr. Heinemann vom 17. Januar 1968 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Müller-Emmert (Drucksache V/2464 Frage 1): In welcher Weise gedenkt die Bundesregierung sicherzustellen, daß die deutsche Öffentlichkeit über die mit der Strafrechtsreform zusammenhängenden Probleme, die wie kaum bei einem anderen Gesetzgebungsvorhaben die Belange der Bürger wesentlich berühren, hinreichend informiert und aufgeklärt wird? Die Bundesregierung hält es für dringend geboten, in der Bevölkerung das Verständnis für die Probleme und Ziele der Strafrechtsreform zu wekken, und bejaht deshalb nachdrücklich die Notwendigkeit einer intensiven Öffentlichkeitsarbeit. Dem Bundesministerium der Justiz stehen bisher keine Haushaltsmittel für eine Öffentlichkeitsarbeit zur Verfügung. Gleichwohl ist es selbstverständlich bemüht, die verschiedenen Möglichkeiten einer Information der Öffentlichkeit zu nutzen und damit zur Aufklärung der Bevölkerung über die Strafrechtsreform beizutragen. Ich selbst habe im vergangenen Jahr in vielen Orten, darunter an Universitäten und Akademien, in Vorträgen und Diskussionen zur Strafrechtsreform Stellung genommen. Auch in Zeitungen und Zeitschriften aller Art habe ich vielfältig dargelegt, worauf die Reformarbeit abzielt. In enger Zusammenarbeit des Pressereferenten im Bundesministerium der Justiz mit der Presse, dem Rundfunk und dem Fernsehen wird die Öffentlichkeit laufend über Grundsätze oder Einzelheiten der Strafrechtsreform unterrichtet. Persönlich war ich daran im vergangenen Jahr mit mehr als dreißig Interviews beteiligt. Auch die Sachbearbeiter der Strafrechtsabteilung des Bundesministeriums der Justiz haben in Vorträgen und literarisch die Gedanken der Strafrechtsreform einer breiten Öffentlichkeit nahegebracht. Fortlaufend werden auf briefliche Anfragen aus allen Kreisen der Bevölkerung Erläuterungen zur Strafrechtsreform gegeben. Alle Bemühungen auf dem Gebiet der Öffentlichkeitsarbeit sollen nach Möglichkeit noch verstärkt werden. Angestrebt wird eine enge Zusammenarbeit mit dem Presse- und Informationsamt der Bundesregierung sowie mit der Bundeszentrale für politische Bildung. Die Richterakademie, die im März 1968 ihre erste Tagung abhält, wird in ihr Arbeitsprogramm ebenfalls das Strafrecht und seine Reform einbeziehen. Zusammenfassend darf ich feststellen, daß das Bundesministerium der Justiz mit allen verfügbaren Kräften jeden möglichen Weg nutzt, um die Öffentlichkeit insbesondere über die Strafrechtsreform zu unterrichten. Einzelheiten stehen Ihnen auf Wunsch im Bundesministerium der Justiz zur Verfügung. Anlage 11 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Gumbel vom 27. Dezember 1967 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Bucher (Drucksache V/2464 Frage 34) : Ist die Bundesregierung bereit, den Kultusministern der Länder zu empfehlen, die beiden in der Wochenzeitung „Die Zeit" Nr. 49 Seite 11 kommentierten Urteile — ein Urteil des Nationalsozialistischen Volksgerichtshofes und ein Urteil des Stadtbezirksgerichtes Friedrichshausen (DDR) — in Schulbücher aufzunehmen? In den Bundesländern gilt bei der Zusammenstellung und Herausgabe von Schulbüchern das Prinzip des freien Schulbuchmarktes : Die Kultusminister geben lediglich pädagogische und methodische Hinweise sowie Rahmenrichtlinien darüber, wie der Lehrstoff den verschiedenen Klassenstufen zuzuordnen ist. In welcher Weise die Richtlinien im einzelnen ausgefüllt werden, ist den Schulbuchautoren und -verlagen überlassen. Die Kultusminister werden erst wieder eingeschaltet, wenn über die Eignung oder Nichteignung des fertigen Schulbuches zu entscheiden ist. Die Bundesregierung hält es unter diesen Umständen nicht für zweckmäßig, die Kultusminister der Länder zu bitten, die in der Wochenzeitung Die Zeit Nr. 49, Seite 11, kommentierten Urteile in Schulbücher aufzunehmen. Sie ist jedoch bereit, durch die Bundeszentrale für politische Bildung prüfen zu lassen, ob die in der politischen Bildung tätigen Lehrer und Dozenten durch eine geeignete Information zur politischen Bildung auf diese Urteile aufmerksam gemacht werden können. Unabhängig davon möchte ich darauf hinweisen, daß das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen Dokumentationen zur politischen Gegenwartskunde herausgegeben hat, die sich mit ähnlichen Sachverhalten, wie sie in der Zeit wiedergegeben sind, befassen und auch den Schulbuchautoren bekannt sein dürften, so z. B. die im April 1964 erschienene Zusammenstellung Partei-Justiz — Eine vergleichende Dokumentation über den nationalsozialistischen und kommunistischen Rechtsmißbrauch in Deutschland 1933 bis 1963 —. In dieser Zusammenstellung sind die Sachverhalte dokumentarisch belegt. Vorsorglich möchte ich schließlich auf die auf der privaten Ebene liegende Möglichkeit hinweisen, Ihre Anregung an der Verband der Schulbuchverlage (z. Hd. Dipl.-Volksw. H. P. Vonhoff, Frankfurt, Neue Mainzer Straße 40/42) oder an einen konkreten Verlag oder Autor heranzutragen. Anlage 12 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Leicht vom 19. Januar 1968 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Opitz (Drucksache V/2464 Fragen 46, 47 und 48) : Wie weit sind die Vorarbeiten für die Gerneindefinanzreform, von denen der Bundeskanzler vor dem Deutschen Gemeindetag gesprochen hat, inzwischen gediehen? Teilt die Bundesregierung die Ansicht des hessischen Ministerpräsidenten Dr. Zinn, daß die geplante Finanzverfassungsreform praktisch schon gescheitert ist? Warum hat die Bundesregierung den Katalog der Gemeinschaftsaufgaben — wie Ministerpräsident Dr. Zinn sagt — „so erweitert, daß die Länder dieses Paket nicht akzeptieren können, ohne ihre Eigenstaatlichkeit aufgeben zu müssen? Der Entwurf des Gemeindefinanzreformprogramms der Bundesregierung ist am 21. Dezember 1967 in der Arbeitsgruppe der Bundesregierung für die Finanzreform abschließend beraten worden. Das Bundeskabinett hat sich am 17. Januar 1968 mit der Vorlage befaßt und wird sie voraussichtlich am 24. Januar 1968 verabschieden. Sie soll sodann beschleunigt in der Bund/ Länder-Arbeitsgruppe für die Finanzreform erörtert werden. Wie ich Ihnen — Herr Kollege Opitz — bereits in der. Fragestunde am 4. Dezember letzten Jahres erläutert habe, sollten im Arbeitsausschuß der Bund/ Länder-Arbeitsgruppe für die Finanzreform die Auffassungen der Länder zu den Überlegungen des Bundes zur Finanzreform soweit wie möglich abgestimmt werden. Daß -sich im Verlauf dieser Beratungen !Meinungsverschiedenheiten insbesondere über die Regelung der Gemeinschaftsaufgaben ergeben würden, war bei der Bedeutung der zu erörternden Probleme zu erwarten. Diese Meinungsverschiedenheiten bieten aber keinen Anlaß zu der Annahme, die Finanzreform sei als gescheitert anzusehen. Die von der Bundesregierung vorgeschlagene. verfassungsrechtliche Regelung der Gemeinschaftsaufgaben und der dazu aufgestellte Katalog verfolgen deshalb .das Ziel, die im Grundgesetz vorgesehene Aufgabenabgrenzung durch eine verfassungsrechtliche Ordnung des Zusammenwirkens von Bund und Ländern bei der Bewältigung solcher Gemeinschaftsaufgaben zu ergänzen, die für die Entwicklung des Gesamtstaates bedeutsam sind unid einer gemeinsamen Planung bedürfen. Von einer Aufhebung der Eigenstaatlichkeit der Länder kann bei Verwirklichung des Reformprogramms der Bundesregierung keine Rede sein. Die Bundesregierung wird über die Ausgestaltung der Reform weiter mit den Ländern verhandeln und hofft, auch in der Frage der .gemeinschaftlichen Aufgabenerfüllung durch Bund und Länder zu einer Verständigung mit den Ländern zu gelangen. Anlage 13 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Leicht vom 19. Januar 1968 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dichgans (Drucksache V/2464 Frage 49) : Ist die Bundesregierung bereit, die Strukturveränderungen im Ruhrgebiet dadurch zu fördern, daß sie im Falle des Verkaufs eines Eigenheimes oder einer Eigentumswohnung, verbunden mit einem gleichartigen Kauf an einem anderen Ort, einen Erlaß der Grunderwerbsteuer anregt? Bei der Grunderwerbsteuer stehen Gesetzgebung, Verwaltung und Aufkommen ausschließlich den Ländern zu, so daß die Bundesregierung mangels Zuständigkeit zu der Möglichkeit eines Steuererlasses sachlich nicht Stellung nehmen kann. Falls Sie es wünschen, Herr Kollege, bin ich jedoch bereit, Ihre Anregung an den zuständigen Herrn Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen weiterzuleiten. Anlage 14 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Leicht vom 19. Januar 1968 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Imle (Drucksache V/2464 Frage 50): Wie hoch beläuft sich voraussichtlich im Jahre 1968 das Gesamtaufkommen aus den Erhöhungen der Tabak-, Sekt-, Branntwein-, Mineralölsteuer und der Ergänzungsabgabe sowie der Mehrwertsteuer ab 1. Januar 1968 und 1. Juli 1968? Aus den genannten Steuerrechtsänderungen wird im Jahr 1968 ein Aufkommen von rund 3 Mrd. DM erwartet. Im „Finanzbericht 1968", der dem Hohen Haus zur 1. Lesung des Entwurfs des Bundeshaushaltsplans 1968 zuging, befindet sich auf den S. 171 bis 197 eine eingehende Einzel- und Gesamtdarstellung mit einer tabellarischen Zusammenfassung der finanziellen Auswirkungen von allen in der 5. Legislaturperiode erfolgten Steuerrechtsänderungen auf die Steuereinnahmen der Jahre 1967 unid 196.8. Anlage 15 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Leicht vom 19. Januar 1968 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Berlin (Drucksache V/2464 Fragen 51 und 52) : Trifft es zu, daß die britische Rheinarmee bzw. die englische Regierung schon vor Jahren auf das Gesamtgelände des Truppenübungsplatzes Senne, für welches sie seit Kriegsende zuständig ist, verzichten wollte? Bei Bejahung der Frage 51: Ist es dann richtig, daß Politiker sowie Behörden der Bundesrepublik Deutschland nichts getan haben, um dieses Übungsgelände in die Verfügung und verantwortliche Zuständigkeit der Bundesrepublik zurückzubekommen? Der Bundesregierung ist nicht bekannt, daß die britische Rheinarmee jemals die Absicht gehabt hat, auf den Truppenübungsplatz Senne zu verzichten bzw. in die deutsche Verwaltung zu überführen. Da die Bundeswehr den Übungsplatz Senne mitbenutzt, hat das Bundesministerium der Verteidigung in den Jahren 1958/59 versucht, den Platz in 7678 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Freitag, dien 19. Januar 1968 die deutsche Verwaltung zu überführen. Das ist s. Z. jedoch von den britischen Streitkräften abgelehnt worden. Anlage 16 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Leicht vom 19. Januar 1968 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Reichmann (Drucksache V/2464 Fragen 53 und 54) : Wieviel gemeinsame Zollämter der Bundesrepublik Deutschland mit angrenzenden Nachbarstaaten bestehen insgesamt? Wieviel der in Frage 53 erwähnten gemeinsamen Zollämter befinden sich auf deutschem und wieviel auf ausländischem Boden? Es gibt z. Z. 131 Gemeinschaftszollämter an den Grenzen gegenüber den Nachbarstaaten. Von diesen 131 Zollämtern befinden sich 49 auf deutschem und 33 auf ausländischem Boden. An 49 Übergängen ist die Abfertigung wechselseitig zusammengelegt, d. h. die deutsche Ausgangsabfertigung und die ausländische Eingangsabfertigung befinden sich auf dem Gebiete des Nachbarstaates, die ausländische Ausgangs- und die deutsche Eingangsabfertigung auf deutschem Boden. Es ist zu erwähnen, daß außerdem auf 27 Eisenbahnstrecken und 2 Wasserstraßen die Abfertigung in der Weise zusammengelegt wurde, daß sie während der Fahrt vom Ausland ins Inland und umgekehrt stattfindet. Anlage 17 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Leicht vom 19. Januar 1968 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen (Drucksache V/2464 Frage 58) : Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, um in ähnlichen Fällen wie dem, der im „Deutschen Allgemeinen Sonntagsblatt, Nr. 1 vom 7. Januar 1968, Seite 6, unter der Überschrift „Er war weder Jude noch Zigeuner" geschildert wird, Abhilfe zu schaffen? Der von Ihnen genannte Artikel im „Sonntagsblatt" setzt sich mit einem Urteil des Bundesgerichtshofes von Anfang Dezember 1967 auseinander, dessen Begründung im Wortlaut noch nicht vorliegt. Kläger war der Sohn eines ostpreußischen Bauernmädchens und eines polnischen Zivilarbeiters, der wegen seiner Beziehung zu einer Deutschen öffentlich hingerichtet worden ist. Der Sohn machte als Hinterbliebener Entschädigungsansprüche nach dem Bundesentschädigungsgesetz geltend. Nach dem genannten Artikel vertrat der BGH hierzu die Auffassung, daß Polen nicht aus Gründen ihrer Rasse, wie es das Vorgericht angenommen hatte, sondern aus Gründen ihrer Nationalität bzw. wegen ihres polnischen Volkstums verfolgt und geschädigt worden seien. Diese Auffassung entspricht der herrschenden Lehre und war auch ernsthaft bisher nie bezweifelt worden. Da die Ansprüche von Nationalgeschädigten nach Idem Vierten Teil des Überleitungsvertrages und nach der entsprechenden Regelung des Art. VI des BEG-Schlußgesetzes vom 14. 9, 1965 auf Gesundheitsschäden beschränkt sind, mußte der Anspruch des Klägers, den dieser als Hinterbliebener seines getöteten Vaters geltend gemacht hat, abgewiesen werden. Würde man die Volkstumsentschädigung der Polen als rassische Verfolgung ansehen, so gäbe es für die Fälle der Nationalitätsschädigung i. S. des Artikels VI des BEG-Schlußgesetzes überhaupt keinen Anwendungsbereich mehr. Im Ergebnis erscheint das Urteil des BGH daher zutreffend. Ob in den Urteilsgründen anstoßerregende Formulierungen und Passagen enthalten sind, die aus der nationalsozialistischen Ideologie oder von NS-Kommentaren abgeleistet werden, läßt sich ohne Kenntnis des genauen Wortlautes nicht sagen. Zur Beseitigung von Härten, die sich aus der getroffenen Regelung zweifellos ergeben können, hat die Bundesregierung dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen zwei Härtefonds in Höhe von 48,5 Mio DM zur Verfügung gestellt. Dieser hat hieraus in zahlreichen Fällen Beihilfen gewährt, die besonders zugunsten der Hinterbliebenen getöteter Nationalgeschädigter relativ hoch bemessen waren. Ob der Kläger eine derartige Beihilfe erhalten hat oder noch erhalten wird, ist der Bundesregierung nicht bekannt, weil für die Abwicklung dieser Fonds ausschließlich der Hohe Flüchtlingskommissar zuständig ist. Anlage 18 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Kattenstroth vom 19. Januar 1968 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Geisenhofer (Drucksache V/2464 Frage 79 und 80) : Wie beurteilt die Bundesregierung die Arbeitsmarktkonferenz vom 10. Dezember 1967 in Düsseldorf mit Vertretern der Bundesregierung, des Ministerpräsidenten, Vertretern der Länder, der Gewerkschaften und der Unternehmer? Wäre die Bundesregierung bereit, eine ähnliche wie die in Frage 79 erwähnte Arbeitsmarktkonferenz in Bayern abzuhalten, um Klarheit zu bekommen über das Ausmaß des Strukturwandels und der besonderen Verhältnisse des Zonenrandgebietes sowie über die Einleitung der erforderlichen Maßnahmen besonders im Hinblick auf die Arbeitsmarktlage, Ansiedlung von Industriebetrieben usw.? Das Ruhrgebiet wird, wie wir alle wissen, gegenwärtig besonders konzentriert von strukturellen Veränderungen betroffen. Um die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen dieses Strukturwandels aufzufangen, ist schnelles Handeln erforderlich. Dabei kommt .es entscheidend darauf an, daß alle, die von den Strukturproblemen betroffen sind, und alle, die zu deren Überwindung beitragen können, eng zusammenarbeiten. Denn nur dann kann es gelingen, ausgewogene und der Aufgabe gerecht werdende Lösungen zu verwirklichen. Die Bundesregierung begrüßt deshalb die Konferenz für Arbeitsmarktfragen und Strukturwandel im Ruhrgebiet vom 11. Dezember 1967. Es wurde vereinbart, daß diese Konferenz eine ständige Einrichtung wird. Unter dem Vorsitz des Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen sind an dieser Konfe- Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1968 7679 renz der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, das Bundesministerium für Wirtschaft, das Bundesschatzministerium, die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, die Landesregierung, die Sozialpartner sowie die Organisationen der Wirtschaft beteiligt. Das Schwergewicht der Arbeitsmarktkonferenz liegt auf dem Gebiet der Schaffung neuer Arbeitsplätze durch strukturverbessernde Maßnahmen. Es soll ,erreicht werden, daß alle hierfür zur Verfügung stehenden Mittel sinnvoll, rasch und koordiniert eingesetzt werden. Außerdem soll die berufliche Mobilität der Arbeitnehmer gefördert werden, um den Menschen an Rhein und Ruhr die Anpassung an den Strukturwandel zu erleichtern. Wenn für andere Gebiete der Bundesrepublik seitens der zuständigen Landesregierung die Initiative zu einer ähnlichen Konferenz ergriffen werden sollte, würde die Bundesregierung alle erfolgversprechenden Schritte in dieser Richtung tatkräftig unterstützen. Anlage 19 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Kattenstroth vom 19. Januar 1968 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Richarts (Drucksache V/2464 Fragen 81, 82 und 83): Ist der Bundesregierung bekannt, daß im Zuge der Verminderung amerikanischer Stationierungsstreitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland auch vom NATO-Flughafen Spangdahlem so viele Arbeitskräfte abgezogen werden, daß etwa 950 der dort beschäftigten deutschen zivilen Arbeitskräfte ihren Arbeitsplatz verlieren? Hat die Bundesregierung im Benehmen mit den Stationierungsstreitkräften Vorsorge dafür getroffen, daß bei den in Frage 81 erwähnten Entlassenen grobe soziale Härten vermieden werden? Ist die Bundesregierung bereit, alle zuständigen Ressorts anzuweisen, die Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze in dem vorn Abzug der US-Truppen betroffenen Raum nachhaltig zu unterstützen? Auf dem NATO-Flughafen Spangdahlem sind z. Z. etwa 850 deutsche Arbeitnehmer beschäftigt. Als Folge einer Verminderung der Stationierungsstreitkräfte sind etwa 380 Planstellen für Zivilbedienstete weggefallen. Deshalb braucht es jedoch nicht in gleichem Umfang zu Entlassungen zu kommen. Denn es sind bereits jetzt offene Planstellen nicht besetzt. Außerdem ist damit zu rechnen, daß neue Dienststellen, deren Verlegung nach Spangdahlem erwogen wird, weiteren Bedarf haben werden. Soweit trotzdem Entlassungen unumgänglich sind, sollen sie in der Zeit zwischen dem 1. April und dem 30. September 1968 erfolgen. Dabei ist sichergestellt, daß tarifvertragliche Kündigungsfristen eingehalten werden, andererseits aber Kündigungen seitens deutscher Arbeitnehmer sofort entsprochen wird. Die zuständigen deutschen Dienststellen stehen in enger Verbindung mit den alliierten Stationierungsstreitkräften. Am 27. Dezember 1967 sind in einer Besprechung alle mit den Entlassungen zusammenhängenden Fragen eingehend erörtert worden. An dieser Besprechung haben der zuständige Regierungspräsident, der Direktor des Arbeitsamtes Trier, der Landrat des Landkreises Wittlich und der Leiter des Amtes für Verteidigungslasten in Trier sowie von amerikanischer Seite der zuständige Geschwaderkommodore und der Kommandant des Flugplatzes teilgenommen. Weitere Besprechungen sollen gewährleisten, daß bei den Entlassungen nach Möglichkeit Härten vermieden werden. Bei Entscheidungen über notwendig werdende Entlassungen werden von dem Personalbüro der Flugplatzleitung in enger Zusammenarbeit mit der Betriebsvertretung des Flugplatzes alle wichtigen Gesichtspunkte berücksichtigt, z. B. der Familienstand der Betroffenen, die Dauer der Zugehörigkeit zum Flugplatzpersonal und vor allem der Umstand, daß eine Reihe von Arbeitnehmern bei der Einrichtung des Flugplatzes durch Landabgabe ihre Existenz verloren hatten. Arbeitnehmer, die das 40. Lebensjahr vollendet haben und mehr als 15 Jahre ununterbrochen im Dienst der amerikanischen Streitkräfte waren, genießen einen verstärkten Kündigungsschutz. Die US-Streitkräfte sind bemüht, deutsche Arbeitnehmer zu anderen amerikanischen Dienststellen zu versetzen. Möglichkeiten hierfür zeichnen sich im Raume Bitburg ab. Auch entferntere Dienststellen bei Ramstein oder im Rhein-Main-Gebiet könnten in Betracht kommen. Soweit ich unterrichtet bin, stehen etwa 400 offene Stellen auf amerikanischen Flugplätzen im Bundesgebiet zur Verfügung. Bei Versetzungsbereitschaft werden Trennungsentschädigung und Umzugskosten gewährt. Von seiten der amerikanischen Arbeitgeber erhalten entlassene Arbeitnehmer bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen eine Ablösung aus der Gruppenversicherung für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften (2-2,5 % des in den Jahren seit 1959 bei den US-Streitkräften verdienten Arbeitsentgelts). Für diejenigen Arbeitnehmer, die länger als 5 Jahre bei den US-Streitkräften tätig waren, ist außerdem ein Entlassungsgeld (Überbrückungsgeld) in Höhe von 2 % des Arbeitsverdienstes, den sie in den Jahren seit 1955 erzielt haben, vorgesehen. Die zuständigen Arbeitsämter sind bemüht, für diejenigen Arbeitnehmer, die bei den US-Streitkräften ihren Arbeitsplatz verlieren, anderweitige Arbeitsstellen zu vermitteln. Den Betroffenen stehen dabei alle Hilfen, die von der Arbeitsverwaltung zur Förderung der Arbeitsaufnahme und für berufliche Bildung und Umschulung gewährt werden, zur Verfügung. Die besondere Schwierigkeit, ortsgebundene Arbeitskräfte in anderweitige Beschäftigung zu vermitteln, ist allerdings bei der Wirtschaftsstruktur des Landkreises Wittlich und dessen Nachbarkreisen in der Eifel nicht zu verkennen. Soweit bekannt, ist im Landkreis Wittlich die Ansiedlung einer Schokoladenfabrik beabsichtigt. Außerdem soll ein Betrieb der elektrotechnischen Industrie die Absicht haben, seine Belegschaft zu vergrößern. Zur Zeit kann noch nicht abschließend beurteilt werden, wie viele der beim Flugplatz Spangdahlem entlassenen Arbeitskräfte in die genannten Unternehmen vermittelt werden können. 7680 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1968 Das zuständige Arbeitsamt Trier ist darum bemüht, alle sich bietenden Möglichkeiten auszuschöpfen. Die Bundesregierung hat am 18. März 1967 folgenden Beschluß gefaßt: „Die Bundesregierung wendet der Unterbringung der von den Stationierungsstreitkräften entlassenen Arbeitnehmer von jeher ihre besondere Aufmerksamkeit zu. Diese Bemühungen richteten sich bisher in erster Linie auf eine Unterbringung im Bereich des Bundesministers der Verteidigung. Die Bundesregierung hat sich entschlossen, diese Förderung auf die gesamte Bundesverwaltung auszudehnen. Daher sollen bei Personalbedarf in diesem Bereich unbeschadet der gesetzlichen Verpflichtungen zur vorrangigen Beschäftigung besonderer Personengruppen von den Stationierungsstreitkräften entlassene geeignete Arbeitnehmer — wenn auch ein Rechtsanspruch auf Unterbringung nicht besteht — bevorzugt eingestellt werden. Die Bundesminister treffen die für ihr Ressort zur Durchführung dieses Beschlusses erforderlichen Maßnahmen. Die Bundesregierung bittet die Länder, die Gemeinden und die sonstigen Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes, in gleicher Weise zu verfahren." Darüber hinaus habe ich die Herren Bundesminister des Innern, der Finanzen, für Wirtschaft und der Verteidigung gebeten, sich im Sinne des in Ihrer Frage zum Ausdruck kommenden Anliegens zu verwenden. Anlage 20 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Kattenstroth vom 19. Januar 1968 ,auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Dr. Müller-Emmert (Drucksache V/2464 Fragen 84 und 85) : Wie viele bei den alliierten Streitkräften beschäftigte deutsche Arbeitnehmer werden in den einzelnen Bundesländern durch den US-Truppenabzug ihren Arbeitsplatz verlieren? Welche Übergangshilfen und weitere Maßnahmen hat die Bundesregierung in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Landesregierungen für die in Frage 84 erwähnten Arbeitnehmer vorgesehen? Ein Gesamtüberblick über die Zahl der deutschen Arbeitnehmer, die als Folge des Abzugs von US-Truppen ihren Arbeitsplatz verlieren, läßt sich leider nicht ermitteln. Das hängt vor allem damit zusammen, daß die alliierten Streitkräfte selbst bemüht sind, möglichst wenig Arbeitnehmer zu entlassen, und zwar durch frühzeitige Nichtbesetzung von Planstellen, Verlegung von Dienststellen innerhalb der Bundesrepublik und die Versetzung von deutschen Arbeitnehmern zu anderen Dienststellen. Bei denjenigen Entlassungen, die sich trotzdem als unumgänglich erweisen, ist sichergestellt, daß die Dienststellen der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung — zumeist in enger Zusammenarbeit mit der inneren Verwaltung — rechtzeitig Verbindung mit den alliierten Beschäftigungsdienststellen aufnehmen. In gemeinsamen Besprechungen wird versucht, bei den Entlassungen Härten für die betroffenen Arbeitnehmer zu vermeiden. Von seiten der alliierten Arbeitgeber erhalten entlassene Arbeitnehmer bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen eine Ablösung aus der Gruppenversicherung für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften (2 bis 2,5 % des in den Jahren seit 1959 bei den US-Streitkräften verdienten Arbeitsentgelts). Für diejenigen Arbeitnehmer, die länger als 5 Jahre bei ,den US-Streitkräften tätig waren, ist außerdem ein Entlassungsgeld (Überbrückungsgeld) in Höhe von 2 % des Arbeitsverdienstes vorgesehen, den sie in den Jahren seit 1955 erzielt haben. Die Bemühungen der Arbeitsämter sind darauf gerichtet, den entlassenen Arbeitnehmern einen anderen angemessenen Arbeitsplatz zu vermitteln. Dabei stehen ihnen die gesetzlichen Möglichkeiten zur Förderung der Arbeitsaufnahme und für berufliche Bildungsmaßnahmen uneingeschränkt zur Verfügung. Sofern in bestimmten Gebieten zur Verbesserung der Wirtschaftsstruktur und Schaffung von Arbeitsplätzen die Ansiedlung neuer Betriebe geplant ist, bestehen überdies Förderungsmöglichkeiten aus Mitteln des 'Bundes und der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung. Die Bundesregierung hat sich mit einem Kabinettsbeschluß vom 18. März 1967 an die Bundesbehörden und alle öffentlichen Verwaltungen gewandt, von den Stationierungsstreitkräften entlassene Arbeitnehmer bevorzugt einzustellen. Anlage 21 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Kattenstroth vom 19. Januar 1968 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dröscher (Drucksache V/2464 Frage 86) : Ist es der Bundesregierung bekannt, daß in der Sozialgerichtsbarkeit die nicht durch Verbände vertretenen Kläger eine geringere Erfolgschance haben, weil die Rechtsanwälte wegen der geringen Gebührensätze für Sozialgerichtsverfahren nur selten solche Vertretungen übernehmen können und deshalb die Kläger den rechtserfahrenen Vertretern der Behörden oder Versicherungsanstalten hoffnungslos unterlegen sind? Die Bundesregierung hat bisher nicht festgestellt, daß bei einem Rechtsstreit in der Sozialgerichtsbarkeit die nicht durch Verbände vertretenen Kläger aus den von Ihnen genannten Gründen geringere Chancen hätten. Bekanntlich gilt im Verfahren nach dem Sozialgerichtsgesetz das sogenannte Amtsermittlungsprinzip. Danach hat das Gericht in jedem Streitfalle den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen. Das Sozialgericht hat also darauf hinzuwirken, daß der Kläger u. a. sachdienliche Anträge stellt und unklare Anträge erläutert, ungenügende Angaben ergänzt sowie alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgibt. Aus diesem Grunde kann man von einer — wie Sie sagen — „hoffnungslosen" Unterlegenheit der nicht durch Rechtsanwälte vertretenen Kläger gegenüber den rechtserfahrenen Vertretern der Behörden oder Vesicherungsanstalten sicherlich nicht sprechen. Tatsächlich sind der Bundesregie- Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode —148. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1968 7681 rung auch nach dieser Richtung hin bisher keine Klagen bekanntgeworden. Was die geringen Gebührensätze für die Rechtsanwälte anlangt, so ist hervorzuheben, daß das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit grundsätzlich kostenfrei ist. Hieraus erklärt sich, daß auch die Rahmen-Gebühren der Rechtsanwälte für Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit im allgemeinen geringer sind als die Gebühren für andere Rechtsstreitigkeiten. Wenn ein geringeres Interesse der Anwaltschaft festgestellt wird, so dürfte das im wesentlichen wohl mehr darauf beruhen, daß die Angelegenheiten der Sozialgerichtsbarkeit meist nicht zum . üblichen Arbeitsgebiet der Anwälte gehören. Anlage 22 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Kattenstroth vom 19. Januar 1968 auf die Mündliche Anfrage. des Abgeordneten Dr. Rutschke (Drucksache V/2464 Frage 89) : Ist der Bundesregierung bekannt, welche Berufe, für die heute bei der Berufsberatung noch sehr stark geworben wird, es im Jahr 2000 voraussichtlich nicht mehr geben wird? Für eine erfolgreiche Berufsberatung ist die Frage, welche Aussichten ein angestrebter Beruf in naher und ferner Zukunft hat, von großer Bedeutung. Der rasche Wandel in der Berufs- und Arbeitswelt, ,der sich als Folge der technischen und wirtschaftlichen Entwicklung ergibt, hat die Bundesregierung und die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung zu einer intensiven Förderung der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung veranlaßt. Dabei wird vor allem das Ziel verfolgt, möglichst zuverlässige Prognosen für die Entwicklung der Arbeits- und Berufswelt zugewinnen. Die Bundesanstalt hat zu diesem Zweck eigens ein Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung errichtet. In einer freien, marktorientierten Wirtschaft sind allerdings bei den wirtschaftsabhängigen Berufen langfristige Prognosen — etwa bis zum Jahre 2000 — nur mit Vorbehalten möglich. Deshalb wird besonderer Wert auf die eingehende Untersuchung der langfristigen Entwicklung für verschiedene Wirtschaftszweige gelegt, aus denen sich dann gewisse Folgerungen — auch längerfristiger Art — für die Berufsberatung ableiten lassen. Wegen des ständigen zwangsläufigen Wandels der Berufsinhalte wirkt die Bundesregierung darauf hin, daß eine Ausbildung vor allem in solchen Berufen ,gefördert wird, die auf lange Sicht gute Chancen bieten. Im Hinblick darauf bemüht sich die Bundesregierung, auch den unverkennbaren Unsicherheitsfaktor, der Berufsentscheidungen nun einmal innewohnt, durch den Ausbau ,einer breiten Grundausbildung zu verringern und damit zugleich die Voraussetzungen für berufliche Mobilität der Arbeitnehmer zu verbessern. Auch der Entwurf eines Arbeitsförderungsgesetzes dient dem Ziel, den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, sich dem schnellen Wandel und den strukturellen Veränderungen unserer Wirtschaft möglichst reibungslos anzupassen. Anlage 23 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. Schrader vom 10. Januar 1968 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Jung (Drucksache V/2464 Fragen 90 und 91): Werden Marineflieger der Bundeswehr in den USA auf Maschinen des Typs „Phantom" ausgebildet? Falls Frage 90 mit Ja beantwortet wird, wie vereinbart sich das mit den wiederholten Bekundungen der Bundesregierung, eine Entscheidung über eine Anschaffung der „Phantom" als Nachfolgemuster für den Starfighter sei noch nicht gefallen? Ihre Frage, ob Marineflieger der Bundeswehr in den USA auf Maschinen des Typs „Phantom" ausgebildet werden, beantworte (ich mit nein. Die Flugschüler der Bundeswehr, die zu Strahlflugzeugführern ausgebildet werden sollen, üben ausschließlich auf den Flugzeugmustern T-37, T-38, TF-104 und F-104 G. Ergänzend bemerke ich: Die ,Bundesmarine hat eine Arbeitsgruppe gebildet, welche die Möglichkeit einer Einführung der F /RF-4 (Phantom II) in die Marine untersucht. Im Rahmen dieser Aufgabe erhielt ein Flugzeugführer der Marine eine Typeneinweisung in das Waffensystem F-4, und zwar — vom 3. bis 15. April 1967 auf das Flugzeugmuster F-4 D bei der 36. Tactical Fighter Wing, USAF, in Bitburg und — vom 10. bis 14. Juli 1967 auf das Flugzeugmuster RF-4 C bei .der 10. Tactical Reconnaissance Wing, USAF, in Alconbury /England. Der Auftrag, eine Realisierbarkeitsuntersuchung durchzuführen, stellt keine Entscheidung zugunsten der F /RF-4 (Phantom II) dar. Anlage 24 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Adorno vom Januar 1968 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Moersch (Drucksache V/2464 Frage 92) : In welcher Form beabsichtigt das Bundesverteidigungsministerium, an der Universität Freiburg (Breisgau) einen Lehrstuhl für neuere Geschichte zu finanzieren? Im Militärgeschichtlichen Forschungsamt in Freiburg soll die A 16-Stelle des Abteilungsleiters I — Allgemeine Wehrgeschichte — mit einem habilitierten Historiker besetzt sein. Der Inhaber dieser Stelle soll als Chefhistoriker einen wesentlichen Einfluß auf die Gestaltung der wissenschaftlichen Arbeit im Militärgeschichtlichen Forschungsamt nehmen. Er soll zu allen historischen Arbeiten des Amtes Stellung nehmen, die über das Militärische hinaus Fragen der Politik, Wirtschaft, Kultur, Technik und Gesellschaft berühren. 7682 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1968 Verhandlungen mit acht Professoren, bzw. Dozenten scheiterten in den vergangenen Jahren, weil diese nicht bereit waren, ihre Stellung als Ordinarius bzw. Dozent an der Universität aufzugeben. In Zusammenarbeit mit dem Kultusministerium von Baden-Württemberg und der Freiburger Universität wind deshalb die Errichtung eines neuen Lehrstuhls für neuere Geschichte angestrebt, dessen künftiger Inhaber zugleich die wichtige Funktion des leitenden zivilen Historikers im Militärgeschichtlichen Forschungsamt übernehmen wird. Der Bund soll hierzu die Bezüge des im Haushaltsplan genehmigten Dienstpostens dem Land als Zuschuß zur Verfügung stellen, das Land wird den Lehrstuhlinhaber als Hochschullehrer besolden. Anlage 25 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Adorno vom 19. Januar 1968 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Lemper (Drucksache V/2464 Fragen 93, 94 und 95) : Treffen die Pressemeldungen der letzten Wochen zu, wonach es um den Flugplatz Nörvenich zu bisher nie gekannten und praktizierten Einschränkungen auf dem allgemeinen wie speziellen Bausektor kommen soll und damit fast 20 000 Einwohner dieses betroffenen Gebietes in den Kreisen Bergheim, Euskirchen, Köln- Land.-und Düren keinerlei Baugenehmigungen erhalten und jede Entwicklung unmöglich würde? Trifft es zu, daß der Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen anläßlich eines kürzlich durchgeführten Besuches bei den Rheinischen Braunkohlenwerken die verantwortlichen Herren von Rheinbraun über das in Frage 93 erwähnte Vorhaben informierte, während Abgeordnete, Verwaltungschefs und Öffentlichkeit erst durch die Presse von diesem unverantwortlichen Plan erfuhren? Teilt die Bundesregierung meine Meinung, daß derartige in Frage 93 erwähnte ministerialbürokratische Diktaturmaßnahmen ungeeignet sind, die Demokratie zu fördern? Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen erwägt, im Umkreis des Flugplatzes Nörvenich die Einteilung von Lärmzonen vorzusehen. In diesen Lärmzonen könnte durch eine zeitlich befristete Veränderungssperre nach dem Landesplanungsgesetz von Nordrhein-Westfalen die Bautätigkeit Beschränkungen unterworfen wenden. Wie Ihnen bekannt ist, Herr Abgeordneter, wird in den zuständigen Ausschüssen des Deutschen Bundestages zur Zeit der Entwurf eines Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm in der Umgebung von Flughäfen beraten. Die von der Landesregierung aufgrund Landesrechts erwogenen Maßnahmen würden als Überbrückung bis zum Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes dienen können. Wegen weiterer Einzelheiten darf ich anheimstellen, sich an die Landesregierung in Düsseldorf zu wenden, da es sich um -ein Vorhaben der Landesregierung handelt. Ich bitte um Ihr Verständnis, Herr Abgeordneter, daß ich aus idem gleichen Grunde nicht in der Lage bin, mich zu Ihrer 2. und 3. Frage zu äußern. Anlage 26 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Adorno vom 19. Januar 1968 auf idie Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Haehser (Drucksache V/2464 Fragen 96 und 97) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß für die Anstreicherarheiten eines Fahnenmastes und eines Schlagbaumes beim Reservelazarett Rhaunen, Bezirk Trier, Angebotsunterlagen im Umfang von 12 DIN A 4-Seiten an Unternehmer verschickt worden sind? Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, Schritte einzuleiten zur Vereinfachung, Beschleunigung und damit Verbilligung von Ausschreibungsverfahren? Ich vertrete die Auffassung, daß das bei der Vergabe von Aufträgen zu beachtende Verfahren zeit- und arbeitssparend und der Umfang der Verdingungsunterlagen knapp gehalten sein sollten. Soweit ich darauf Einfluß nehmen kann, werde ich die vorliegenden Fragen zum Anlaß einer entsprechenden Prüfung in dem zuständigen Beratungsgremium des Bundesschatzministers und der Finanzbauverwaltungen der Länder nehmen. Anlage 27 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Adorno vom 19. Januar 1968 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Peiter (Drucksache V/2464 Fragen 98 und 99) : Wieviel Waffen- und Munitionsdiebstähle sind bis heute bei Einheiten und Dienststellen der Bundeswehr vorgekommen? Wieviel der in Frage 98 erwähnten Waffen- und Munitionsdiebstähle sind aufgeklärt worden? Die Verluste und Diebstähle von Waffen und Munition der Bundeswehr sind der Bundesregierung genau bekannt. Jeder Verlust oder Diebstahl muß dem Bundesminister der Verteidigung als Besonderes Vorkommnis unverzüglich gemeldet werden. Dabei ist die Feststellung, ob es sich im Einzelfall um einen Diebstahl oder einen Verlust, insbesondere bei größeren Übungen im Gelände und auf Übungsplätzen, handelt, nicht immer leicht zu treffen. Ein Teil der in Verlust geratenen Waffen und Munition ist auf Grund der Nachforschungen und Ermittlungen sichergestellt und der Truppe wieder zugeführt worden. Die Bemühungen vor einiger Zeit, Vergleichsmöglichkeiten mit anderen Staaten zu bekommen, waren leider erfolglos, weil aus einer Reihe schwerwiegender Gründe uns auch keinerlei vertrauliche Angaben gemacht worden sind. Diese Grundsätze gelten auch für uns. Es muß vermieden werden, interessierten Kreisen Aufschluß zu diesem Thema zu geben. Ich bitte daher um Ihr Verständnis, wenn ich hier Einzelheiten über Anzahl und Art der Waffen- und Munitionsverluste nicht darlegen kann. Ich bin aber gerne bereit, dem Verteidigungsausschuß hierüber genau vorzutragen. Anlage 28 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. Schröder vom 19. Januar 1968 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Felder (Drucksache V/2464, Frage 101): Welche Gliederung weist gegenwärtig der wissenschaftliche Lehrstab an der Schule für Innere Führung in Koblenz auf? Auf Ihre Frage nach der gegenwärtigen Gliederung des Wissenschaftlichen Forschungs- und Lehrstabes bei der Schule der Bundeswehr für Innere Führung übersende ich Ihnen das beiliegende Schaubild. Ergänzend bemerke ich: Mit Ausnahme von zwei noch freien Stellen sind alle Fächer mit qualifizierten Wissenschaftlern besetzt. Über die Neubesetzung der Stelle des Direktors des Wissenschaftlichen Forschungs- und Lehrstabes bei der Schule der Bundeswehr für Innere Führung wird verhandelt. Die Gliederung des Wissenschaftlichen Forschungs- und Lehrstabes bei der Schule der Bundeswehr für Innere Führung Wissen Direktor auf Zusam Schule der schaftl. des WFLAssistent Stabes bei mendrbeit Bundeswehr der Ihr Innere angewiesen Führung wiesen InFüSBw Ständiger Vertreter Sektion Sektion II Staatsrecht Politische Formen- und Völkerrecht Funktionslehre Evangelische Theologie Soziologie Katholische Theologie Politisch. Publizistik Internationale Politik B) Sektion IV Sektion III Allgemeine Geschichte Gruppen- und Zeitgeschichte Sozialpädagogik Auslandskunde Ost Pädagogik Auslandskunde West Psychologie Philosophische Anthropologie ~ I Sektion V Philosophie der Naturwissenschaften und Technik Anlage 29 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Adorno vom 19. Januar 1968 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Marx (Kaiserslautern) (Drucksache V/2464, Frage 102) : Nach welchen Kriterien ist es der Bundesregierung möglich, denjenigen Anteil für militärische Aufwendungen am Bruttosozialprodukt der sowjetischen Besatzungszone zu messen, der nach Darstellung offizieller Organe in Ostberlin sich im lautenden lahr um 61 % bis 62 % steigern wird? Die Höhe der Verteidigungsausgaben wurde seitens der SBZ vor 1968 nicht publiziert. Offizielle Angaben über einen prozentualen Anteil konnten bislang nur zu groben Schätzungen der Höhe des Verteidigungsetats der SBZ führen. So wurden für 1967 3,6 Mrd DM Ost geschätzt. Der jetzt veröffentlichte Etat für 1968 beträgt 5,8 Mrd. DM Ost. Wegen der andersartigen Zusammensetzung des Bruttosozialproduktes in den Staaten des Warschauer Paktes .würde der Vergleich von Verteidigungskosten mit dem Bruttosozialprodukt keine echte Relation im westlichen Sinne ergeben; stattdessen kann das materielle Nettoprodukt (Nationaleinkommen) in der SBZ zum Vergleich herangezogen werden. Dabei ergeben die anteiligen Verteidigungsausgaben am Nationaleinkommen (1964 bis 1967 geschätzt) in %: 1964 1965 1966 1967 1968 3,5 3,4 3,8 4,0 6,1 Anlage 30 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Adorno vom 19. Januar 1968 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Reichmann (Drucksache V/2464, Frage 103): Welche Änderung in der Verpflichtung der Bundeswehr ergibt sich durch die neue Eidesformel? Kürzlich erschienene Nachrichten über eine Änderung der Verpflichtung der Soldaten der Bundeswehr treffen nicht zu. Die den Eid der Soldaten regelnde Vorschrift, § 9 des Soldatengesetzes, gilt in der vom Bundestag beschlossenen Form unverändert fort. Anlage 31 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Adorno vom 19. Januar 1968 auf die Mündliche Anfrage des Ab- geordneten Dröscher (Drucksache V/2464 Frage 104) : Bis wann gedenkt die Bundesregierung die Randschäden im Bereich des US-Flugplatzes Hahn (Hunsrück), die in den betroftenen Gemeinden des Amtes Büchenbeuren seit mehr als 10 Jahren zu erheblichen Schwierigkeiten geführt haben und mehrfach zu Prozessein zwischen den Gemeinden und Bundesbehörden Anlaß gegeben haben, endlich zu regeln? Im Einvernehmen mit dem Herrn Bundesminister der Finanzen darf ich Ihre Frage wie folgt beantworten: Die eingeleiteten Ermittlungen über die Randschäden im Umkreis um den von der amerikanischen Luftwaffe genutzten NATO-Flugplatz Hahn haben ergeben, daß der im Auftrag des Amtes Büchenbeuren von einem Ingenieurbüro aufgestellte Entwurf für eine Sanierung der Oberflächen- und Schmutzwasserableitung nur die Abhilfemaßnahmen außerhalb des Flugplatzes enthielt. Die Landesbauabteilung in Mainz wurde deshalb angewiesen, die Untersuchungen auch auf die militärischen Anlagen innerhalb des Flugplatzes einschließlich der Truppenunterkunft und der US-Wohnsiedlung auszudehnen, um weitere Schäden durch größere Abwassermengen und insbesondere Verseuchungen durch öl- und treibstoffhaltige Abwasser zu unterbinden. Die umfangreichen und zeitraubenden Untersuchungen sind er- 7684 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1968 forderlich, um die Mitfinanzierung durch die NATO sowie die amerikanische Luftwaffe als Nutzer begründen zu können; sie werden voraussichtlich Anfang März 1968 abgeschlossen sein. Nach Abstimmung der baufachlichen Unterlagen und Einigung über die finanzielle Beteiligung der NATO sowie der amerikanischen Streitkräfte wird das Bundesministerium der Verteidigung die Ausführung der Abhilfemaßnahmen innerhalb und außerhalb des Flugplatzes, der Truppenunterkunft und der US-Wohnsiedlung so schnell wie möglich veranlassen. Anlage 32 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Wittrock vom 18. Januar 1968 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen (Drucksache V/2464 Frage 105): Sieht der Bundesverkehrsminister eine Möglichkeit, den durch die immer stärkere Bevölkerungsentwicklung der Gemeinden Klein Gerau und Worteiden entstehenden Autoschlangen auf der Landstraße 3094 am Bahnübergang der stark befahrenen Bahnstrecke Groß Gerau —Dornberg entgegenzuwirken? Die zweigleisige Verbindungskurve zwischen den Bahnhöfen Groß Gerau und Groß Gerau -Dornberg verbindet ,die beiden stark befahrenen Hauptbahnen Frankfurt—Mannheim und Mainz-BischofsheimDarmstadt. Der Bahnübergang der Landstraße 3094 an dieser Verbindungskurve wurde des öfteren länger als allgemein üblich geschlossen gehalten, weil einzelne lange Züge ausnahmsweise vor dem Einfahrsignal des Bahnhofs Groß Gerau zum Halten gekommen waren und der Bahnübergang dadurch für den Straßenverkehr gesperrt bleiben mußte. Die Deutsche Bundesbahn (Bundesbahndirektion Frankfurt) verhandelt seit 1965 mit dem hessischen Straßenbauamt in Darmstadt und der Stadt Groß Gerau über die Beseitigung des Bahnübergangs und den Ersatz durch eine Überführung. Der Entwurf der Straßenbauverwaltung für das Bauwerk konnte jedoch noch nicht fertiggestellt werden, so daß bis zum Baubeginn noch einige Zeit vergehen wird. Für die Zwischenzeit bis zur Beseitigung des Bahnübergangs hat die Deutsche Bundesbahn betriebliche Maßnahmen angeordnet, die eine Sperrung des Bahnübergangs durch haltende Züge weitgehend ausschließen und die Behinderungen des Straßenverkehrs auf das nicht vermeidbare Maß beschränken. Anlage 33 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Wittrock vom 19. Januar 1968 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Geldner (Drucksache V/2464 Frage 106) : Wie rechtfertigt sich die M+S-Reklame der Deutschen Bundesbahn angesichts der vielfachen Verspätungen ,und verpaßten Anschlüsse beim ersten Dezemberschnee, -frost und -nebel? Bei der kritischen Betrachtung, die Ihrer Frage zugrunde liegt, muß davon ausgegangen werden, daß plötzliche unerwartete Frosteinbrüche und ähnliche Wetteränderungen alle Verkehrsträger berühren. Das gilt also auch für die Bundesbahn. Verspätungen sind deshalb leider unvermeidbar. Dennoch bemüht sich die Bundesbahn, Verspätungen auf ein Mindestmaß zu reduzieren. So hatten im Fernverkehr in der äußerst ungünstigen Woche vor Weihnachten 17 % der Züge Verspätungen über 15 Minuten. Im Nahverkehr waren es nur 4 °/o. In der Weihnachtswoche betrug der Anteil der verspäteten Züge im Fernverkehr 2 %, während im Nahverkehr so gut wie keine Verspätungen über 15 Minuten auftraten. In der ersten Januarwoche war für 6 % der Fernzüge eine Verspätung über 15 Minuten zu beklagen. Im Nahverkehr hatten 1 % der Züge eine Verspätung dieses Ausmaßes. Bei der kritischen Betrachtung der Verspätungen muß beachtet werden, daß in vielen Fällen aus dem Ausland kommende Züge betroffen waren. Im übrigen hat die Bundesbahn durch den Einsatz von Ersatzzügen oder von zusätzlichen Kurswagen im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten bei höheren Verspätungen das Mögliche getan, um eine dem Fahrplan entsprechende Verkehrsbedienung herzustellen. Die Schwierigkeiten im Bereich der Bundesbahn sollen, obgleich sie so gut wie unvermeidbar sind, damit keineswegs bestritten werden. Es ist aber zu bedenken, daß für den Straßenverkehr, insbesondere im Fernverkehr, aber oft auch im Nahverkehr, während der ungünstigen Tage Schwierigkeiten bestanden, die den Verkehr oft lahmlegten. Hierbei traten leider im Straßenverkehr häufig schwere Unfälle auf. So haben sich allein auf dem Autobahnabschnitt Aschaffenburg --Nürnberg an 26 ungünstigen Tagen während der letzten Kälteperiode 127 Unfälle ereignet, bei denen 40 Personen Verletzungen erlitten. Auf dem Autobahnabschnitt Karlsruhe—Stuttgart kam es binnen kurzer Zeit zu 30 Unfällen, bei denen 11 Personen Verletzungen erlitten. Dieser beklagenswerte Tatbestand läßt es durchaus als gerechtfertigt erscheinen, wenn die Bundesbahn in der von Ihnen erwähnten Weise für sich wirbt. Anlage 34 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Wittrock vom 19. Januar 1968 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Kubitza (Drucksache V/2464 Frage 107) : Aus welchen Gründen ist der Ausbau der Deutschen Alpenstraße in dem Teilstück Fall —Wallgau nicht in den laufenden Vierjahresplan der Bundesregierung für den Fernstraßenbau aufgenommen worden? Aus finanziellen Gründen konnte der von Ihnen genannte Abschnitt nicht in den 3. Vierjahresplan aufgenommen werden. Bei dem in enger Zusammenarbeit mit den Ländern aufgestellten 3. Vierjahresplan erlaubte der außerordentlich hohe Gesamtbedart an Mitteln für zahlreiche sehr dringliche Maßnahmen leider nur, den Abschnitt Oberjoch —Wertach—Bad Oy zu berücksichtigen. Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1968 7685 Anlage 35 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Wittrock vom 19. Januar 1968 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Baier (Drucksache V/2464 Fragen 111, 112 und 113): Ist der Bundesregierung bekannt, daß bei Straßenbaumaßnahmen, die aus Mitteln des Mineralölsteuermehraufkommens finanziert werden, auf Grund der in den Richtlinien für Bundeszuwendungen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden vom 12. Mai 1967 enthaltenen Bagatellgrenze in Höhe von 500 000 DM kleinere und mittlere Gemeinden nur in seltenen Fällen finanzielle Zuwendungen aus diesem Programm erhalten? Wie verteilt sich — bei Bejahung der Frage 111 der im Haushaltsjahr 1967 bewilligte Zuwendungsbetrag auf kleinere und mittlere Gemeinden sowie auf Städte und Großstädte? Ist die Bundesregierung angesichts der vielen Klagen wegen der Benachteiligung der kleinen und mittleren Gemeinden bereit, eine Regelung dergestalt zu treffen, daß die Bagatellgrenze erheblich herabgesetzt wird oder gänzlich fortfällt? Ja! Selbstverständlich ist das bekannt. Die von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates erlassenen Richtlinien über die Verteilung des erhöhten Mineralölsteueraufkommens beschränken die Beteiligung des Bundes auf Projekte größeren Ausmaßes. Bemerken möchte ich noch, daß für Maßnahmen bei verkehrswichtigen zwischenörtlichen Straßen in zurückgebliebenen Gebieten und im Zonenrandgebiet sowie bei Straßen im Zusammenhang mit Streckenstillegungen die Bagatellgrenze nicht 500 000, sondern 200 000 DM beträgt. Eine Aufschlüsselung der im Haushaltsjahr 1967 gegebenen Zuwendungsbeträge nach Gemeindegrößen ist z. Z. noch nicht möglich, da ein wesentlicher Teil der Mittel den Ländern global zugewiesen wird. Die Richtlinien sehen jedoch vor, daß die Länder nach Jahresschluß die Verwendung der Mittel gegenüber dem Bund nachweisen. Die Bundesregierung wird sich baldmöglichst nach Eingang dieser „Nachweise" eine Ubersicht über die Verteilung der Mittel verschaffen. Es kann heute nur gesagt werden, daß 1967 für 830 kommunale Straßenbaumaßnahmen 396 Mill. DM zur Verfügung stehen. Die restlichen 264 Mill. DM entfallen auf 52 Maßnahmen des öffentlichen Personennahverkehrs. Die Bundesregierung hat z. Z. nicht die Absicht, die Bagatellgrenze herabzusetzen oder fortfallen zu lassen. Die Richtlinien sind bekanntlich bis 1969 befristet. Die Bundesregierung hält es daher für zweckmäßig, Änderungen bis dahin zurückzustellen, zumal die Richtlinien erst sieben Monate in Kraft sind und ausreichende Erfahrungen der Verwaltungsbehörden erst Ende 1968 vorliegen werden. Alle Änderungsvorschläge werden jedoch bei einer evtl. Verlängerung der Richtlinien über 1969 hinaus sorgfältig geprüft werden. Anlage 36 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Wittrock vom 19. Januar 1968 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Schmidt (Kempten) (Drucksache V/2464 Frage 114) : Welche Konsequenzen gedenkt die Bundesregierung aus dem Ergebnis der Sonderuntersuchung des Statistischen Bundesamtes zu ziehen, wonach im Jahre 1966 insgesamt 78 230 Fußgänger im Straßenverkehr verunglückt sind? Eine Verminderung der Fußgängerunfälle wird im wesentlichen durch straßenbauliche, verkehrslenkende und verkehrserzieherische Maßnahmen angestrebt. Unfallschwerpunkte, an denen sich besonders häufig Unfälle mit Fußgängern ereignen, werden durch Anlegung von Verkehrsüberwegen mittels Zebrastreifen, Verkehrsampeln oder Polizeieinsatz beseitigt. Im Rahmen der allgemeinen Verkehrserziehung werden die Verkehrsteilnehmer dazu angehalten, Fahrbahnen --- soweit möglich — nur an diesen Fußgängerüberwegen zu überschreiten und Landstraßen ohne besonderen Gehweg nur auf der äußersten linken Fahrbahn zu begehen. Anlage 37 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Wittrock vom 19. Januar 1968 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dröscher (Drucksache V/2464 Frage 115) : Hält es die Bundesregierung im Interesse der notwendigen Abwanderung des Personenverkehrs von der Straße zur Schiene hin für zuträglich, daß auf einer der Hauptverkehrsverbindungen in der Bundesrepublik Deutschland, nämlich zwischen Mainz und Köln, abends nach 22 Uhr keine Verkehrsverbindung bis zum frühen Morgen besteht? Das Verkehrspolitische Programm der Bundesregierung strebt eine allgemeine Verbesserung des Verkehrsangebotes an. Die Bundesbahn wird in diesem Rahmen unter anderem den Städteschnellverkehr weiter verbessern und mit Beginn des Sommerfahrplans am 26. Mai 1968 eine neue Spätverbindung von Frankfurt am Main über Mainz, Koblenz, Bonn, Köln nach Düsseldorf anbieten. Dieser D-Zug wird voraussichtlich um 22.26 Uhr in Mainz abfahren und um 0.16 Uhr in Köln eintreffen. Sofern dieses zusätzliche Verkehrsangebot in ausreichender Weise ausgenutzt werden wird, soll es über den Sommerfahrplan hinaus beibehalten werden. Bisher hatten die beteiligten Stellen bezweifelt, daß ein ausreichendes Verkehrsbedürfnis vorhanden ist. Anlage 38 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Wittrock vom 19. Januar 1968 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Imle (Drucksache V/72.464 Frage 116) : Wie beurteilt die Bundesregierung das in den USA vor der Einführung stehende Verfahren, in alle Autoreifen farbige Markierungen zu dem Zweck einzubetten, um nach Abfahren des Profils auf den aus Sicherheitsgründen notwendigen Reifenwechsel deutlich hinzuweisen? Beim Einbetten farbiger Reifenmarkierungen handelt es sich um eine von verschiedenen Möglichkeiten, um der neuen amerikanischen Vorschrift über „Indikatoren" an den Kraftfahrzeugreifen zu genügen. 7686 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1968 Nach unseren Vorschriften wird seit langem verlangt, daß die Profiltiefe an jeder Stelle der Lauffläche mindestens 1 mm beträgt. Diese Bestimmung hat sich bewährt; sie erfordert, daß die Profiltiefe von Zeit zu Zeit nachgemessen wird. Die Verwendung farbiger Reifenmarkierungen im Geltungsbereich der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung ist zulässig. Allerdings kann auf das Nachmessen der Profiltiefe nicht verzichtet werden, wenn festgestellt werden soll, ob die Reifen den Bestimmungen der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung entsprechen. Anlage 39 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Wittrock vom 19. Januar 1968 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Lenz (Bergstraße) (Drucksache V/2464 Frage 117) : Hat die Bundesregierung die Absicht, die Bundesautobahnen ähnlich wie die Bundesstraßen in Zukunft mit Nummern oder Buchstaben zu kennzeichnen? Die Bundesautobahnen sind im Jahre 1967 für den Dienstgebrauch numeriert worden. Es besteht nicht die Absicht, diese Nummern an den Autobahnstrecken anzugeben. Im übrigen möchte ich darauf hinweisen, daß Autobahnstrecken im Zuge von Europastraßen numeriert sind. Anlage 40 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Wittrock vom 17. Januar 1968 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Burger (Drucksache V/2464 Fragen 118,119 und 120): Sind Pressemeldungen zutreffend, wonach im Stufenplan III der Deutschen Bundesbahn die Stillegung der Strecke Hausach—Freudenstadt vorgesehen ist? Wie war die Entwicklung des Personen- und Güetrverkehrs in den letzten 10 Jahren auf der in Frage 118 genannten Strecke? Wird die Bundesregierung vor Beschlußfassung die großen Benachteiligungen und schädlichen Auswirkungen durch die in Erwägung gezogene Einstellung des Schienenverkehrs auf der in Frage 118 genannten Strecke für die Wirtschaft, den Fremdenverkehr und den Schülerverkehr der betroffenen Landschaft in vollem Umfang würdigen und berücksichtigen? Die von Ihnen zitierten Pressemeldungen, wonach die Deutsche Bundesbahn die Stillegung der gesamten Strecke Hausach—Freudenstadt Hbf. anstrebt, treffen nach Auskunft der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn nicht zu. Der 3. Stufenplan liegt mir im übrigen noch nicht vor. Der Personenverkehr auf der 39 km langen Gesamtstrecke, für den mir die Deutsche Bundesbahn vorab nur Vergleichszahlen für einen Zeitraum von 7 Jahren nennen konnte, ist geringfügig gestiegen. Nach Auskunft der Deutschen Bundesbahn ist diese Entwicklung seit der im Jahre 1965 eingeführten Bezuschussung von Schülerfahrkarten durch das Land Baden-Württemberg zu beobachten. Der Plan der Deutschen Bundesbahn, für den 25 km langen Teilabschnitt Freudenstadt —Schiltach auch im Güterverkehr eine andere Art der Verkehrsbedienung anzustreben, wird durch das allgemein schwache Verkehrsaufkommen in diesem Abschnitt begründet. Dem in den letzten 10 Jahren etwa gleichgebliebenen Gutaufkommen im Expreßgut-, Eil- und Frachtstückgutverkehr steht ein Rückgang im Wagenladungsverkehr um rund 40 % gegenüber. Bei Vorlage von Stillegungsanträgen der Deutschen Bundesbahn wird auf Grund der dann vorliegenden umfassenden Unterlagen eine eingehende Analyse der Verkehrsentwicklung durchgeführt werden. Die Deutsche Bundesbahn hat vorab erklärt, daß trotz des bei einzelnen Verkehrsarten zu beobachtenden leichten Anstiegs die Verkehrsbedienung auf der Schiene nicht mehr wirtschaftlich ist. In diesem Zusammenhang muß jedoch auch berücksichtigt werden, daß bei der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung dieser Strecke die Investitionen für die Unterhaltung des Verkehrsweges nicht außer Ansatz bleiben können. Nach Angabe der Deutschen Bundesbahn werden für den Teilabschnitt Freudenstadt —Schiltach mit seinen 17 Brückenbauwerken in den nächsten 3 Jahren Investitionen in Höhe von 833 000 DM erforderlich werden. Nach Vorliegen eines Antrages auf Genehmigung einer Streckenstillegung wird dieser unter Würdigung der örtlichen und regionalen Interessen, die bereits in Ihrer Frage zum Ausdruck kommen und die in der nach § 44 Bundesbahngesetz einzuholenden Stellungnahme auch von der obersten Landesverkehrsbehörde vertreten werden, eingehend geprüft, ehe darüber entschieden wird. Meine besondere Aufmerksamkeit werde ich der Frage zuwenden, ob nach einer Stillegungsmaßnahme, deren Durchführung im vorliegenden Falle noch völlig offen ist, die noch vorhandenen Verkehrsbedürfnisse auf wirtschaftlich günstigere Weise befriedigend erfüllt werden können. Anlage 41 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Wittrock vom 19. Januar 1968 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Kohlberger (Drucksache V/2464 Frage 121) : Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß die Deutsche Schlafwagengesellschaft (DSG) sich mit den in den Speisewagen der Deutschen Bundesbahn seit dem 1. Januar 1968 aufliegenden Speise- und Getränkekarten mit der Mehrwertsteuerberechnung als Vorbild für ungerechtfertigte Preiserhöhung auszeichnet? Wie mir die Deutsche Bundesbahn mitteilte, hat die Deutsche Schlafwagen- und Speisewagen-Gesellschaft ihre Preise für Speisen und Getränke in völlig korrekter Weise dem neuen Steuersystem angepaßt. Sie hat zunächst für jede Kategorie die bisherige Umsatzsteuerbelastung errechnet und die festgestellten Beträge von den bisherigen Verkaufspreisen abgezogen. Auf diese reduzierten Preise hat sie zunächst das Bedienungsgeld aufgesetzt und sodann, wie im Gesetz vorgeschrieben, die Mehrwertsteuer in Ansatz gebracht. Ich bin allerdings der Ansicht, daß die Deutsche Schlafwagen- und Speisewagen-Gesellschaft bei der Gestaltung ihrer Speisekarten die Preisauszeich- Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1968 7687 nungs -Verordnung vom 16. November 1940 beachten, d. h. sich darauf beschränken sollte, hinter den Einzelpositionen Bruttopreise anzugeben und die Aufteilung der Preisangaben nach Warenpreis, Bedienungsgeld und Mehrwertsteuer lediglich summarisch am. Schluß der Karten aufzuführen. Die Deutsche Schlafwagen- und Speisewagen-Gesellschaft als private GmbH unterliegt nicht der Aufsicht des Bundesministers für Verkehr. Ich bin aber bereit, die Deutsche Bundesbahn zu unterrichten, damit sie die Deutsche Schlafwagen- und Speisewagen -Gesellschaft verständigt. Anlage 42 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Wittrock vom 19. Januar 1968 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Kahn-Ackermann (Drucksache V/2464 Frage 122) : Welche Gründe haben die Bundesregierung veranlaßt, neuerdings im grenzüberschreitenden Flugverkehr neben der Paßkontrolle sogenannte Ausstiegskarten einzuführen? In den letzten Jahren haben wiederholt Personen, die aus überseeischen Gebieten in die Bundesrepublik einreisten, die Pocken eingeschleppt. In diesen Fällen hat es den Gesundheitsbehörden oft große Schwierigkeiten bereitet, die Kontaktpersonen zu ermitteln. Die Ermittlung soll durch die Aussteigekarte, die nach dem Abkommen vom 7. Dezember 1944 über die Internationale Zivilluftfahrt von Fluggästen gefordert werden darf, ermöglicht werden. Vom Herrn- Bundesminister für Verkehr sind erhebliche Bedenken gegen die Wiedereinführung der Aussteigekarten erhoben worden, um weitere Behinderungen des Luftverkehrs zu vermeiden. Andererseits konnten die Schwierigkeiten der Gesundheitsbehörden nicht übersehen werden. Mit dem Herrn Bundesminister des Innern und der Frau Bundesminister für Gesundheitswesen wurde deshalb ein Kompromiß gefunden, unter Verzicht auf die Einsteigekarte eine vereinfachte Aussteigekarte bis auf weiteres einzuführen. Anlage 43 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Wittrock vom 19. Januar 1968 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Strohmayr (Drucksache V/2464, Frage 123 und 124) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß in anderen EWG-Ländern (z. B. Italien und Frankreich) mit einer der deutschen Fahrerlaubnis der Klasse IV vergleichbaren Erlaubnis Kraftfahrzeuge mit einer durch die Bauart bestimmten Höchstgeschwindigkeit von nicht mehr als 25 km pro Stunde gefahren werden dürfen? Ist insbesondere im Hinblick auf aus Frankreich importierte landwirtschaftliche Zugmaschinen eine Änderung des § 5 Abs. I der Straßenverkehrs -Zulassungs-Ordnung durch Anhebung der Höchstgeschwindigkeit von 20 km pro Stunde auf 25 km pro Stunde für die Fahrerlaubnis der Klasse IV beabsichtigt? Der Bundesregierung ist bekannt, daß die Abgrenzung der Fahrerlaubnisklassen in den einzelnen EWG-Ländern unterschiedlich erfolgt ist. Das gilt insbesondere für die zur Fahrerlaubnisklasse 4 gehörenden Fahrzeuge. Die EWG-Kommission hat in ihrem Entwurf eines „Vorschlages einer Richtlinie des Rates für die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über landwirtschaftliche Zugmaschinen auf Rädern" (BT-Drucksache V/547) u. a. vorgesehen, daß für solche Fahrzeuge eine von der Bauart her bestimmte Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h einheitlich festgesetzt wird. Die Einführung einer solchen Geschwindigkeitsgrenze setzt die Verabschiedung dieser Richtlinie durch den Rat voraus. Die Bundesregierung ist nach Verabschiedung bereit, eine entsprechende Erweiterung des Geltungsbereichs der Fahrerlaubnisklasse 4 vorzunehmen. Anlage 44 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Wittrock vom 19. Januar 1968 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Rutsche (Drucksache V/2464 Frage 125) : Wie viele Bahnhöfe in der Bundesrepublik Deutschland werden z. Z. von der Deutschen Bundesbahn nicht benutzt? 153 Bahnhofsgebäude und Güterhallen werden von der Bundesbahn nicht benutzt. 95 dieser Gebäude sind vermietet oder verpachtet worden. Bei den restlichen 58 bemüht sich die Bundesbahn um entsprechende Vertragsabschlüsse. Anlage 45 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Adorno vom 19. Januar 1968 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Porsch (Drucksache V/2464 Frage 126 und 127): Ist die Bundesregierung bereit, auf die Deutsche Bundesbahn dahin gehend einzuwirken, daß diese Militärurlaubern in Zukunft, als Ausgleich für den Wegfall der Militärurlaubsfahrkarten, dieselben Vergünstigungen einräumt wie den über 65 Jahre alten Personen, um auf diese Weise zu verhindern, daß die Zeit-Soldaten stärker als bisher finanziell belastet werden, während die Züge der Deutschen Bundesbahn nicht immer voll ausgelastet sind? Hält ,es die Bundesregierung für sinnvoll, den Zuschuß für die Militärurlaubsfahrkarten der Zeit-Soldaten in Höhe von zehn Millionen DM zu kürzen, wenn sie voraussichtlich als Folge dieser Maßnahme einen gleich hohen oder sogar höheren Betrag zur Deckung des größer werdenden Defizits der Deutschen Bundesbahn aufwenden muß? Die angesprochene Ermäßigung von 50 % auf den Normalfahrpreis für Reisende ab 65 Jahre ist ein aus rein kommerziellen Erwägungen durchgeführter Versuch der Deutschen Bundesbahn, der am 30. April 1968 abläuft. Er betrifft einen Personenkreis, der sich kaum des Kraftwagens bedient und der aus finanziellen Gründen zumeist nicht reisen würde, wenn ihm nicht die genannte Ermäßigung zur Verfügung stünde. Die Bundesbahn, bei der nach dem Gesetz die Tarifinitiative liegt, ist nicht bereit, eine derartige Ermäßigung auch auf andere Personenkreise, z. B. Soldaten auf Zeit, auszudehnen, weil sie dadurch finanzielle Verluste. befürchtet. Innerhalb der Bundesregierung ist jedoch inzwischen geprüft worden, ob auf die zunächst aus Gründen der Knappheit an Haushaltsmitteln beab- 7688 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode —148. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1968 sichtigte Einschränkung der Gewährung verbilligter Militärurlauberfahrkarten verzichtet werden kann. Im Hinblick auf die besondere Situation der Soldaten auf Zeit, die zum großen Teil von ihren Familien und ihren Heimatwohnorten entfernt Dienst leisten müssen, hat sich die Bundesregierung entschlossen, die alte Regelung, nach der auch den Soldaten auf Zeit bis zum Feldwebel die verbilligten Militärurlauberfahrkarten gewährt werden, im vollen Umfang beizubehalten. Sie wird die dadurch anfallenden Kasten an anderer Stelle einzusparen versuchen. Ich darf annehmen, daß sich die Antwort auf Ihre zweite Frage, Herr Abgeordneter, damit erledigt hat. Anlage 46 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Wittrock vom 19. Januar 1968 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Ramms (Drucksache V/2464 Frage 128) : Ist der Bundesregierung bekannt, warum die kreisangehörigen Gemeinden und Städte, die der Deutsche Gemeindetag vertritt, die derzeitige Verteilung des Mehraufkommens aus der Mineralölsteuer als unzumutbar empfinden? Der Bundesregierung ist bekannt, daß der Deutsche Gemeindetag die Auffassung vertritt, durch die in den Richtlinien über die Verteilung des erhöhten Mineralölsteueraufkommens festgelegte Bagatellgrenze seien die kreisangehörigen Gemeinden benachteiligt. Anlage 47 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Wittrock vom 19. Januar 1968 auf .die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Ramms (Drucksache V/2464 Frage 129) : Wie steht die Bundesregierung zu der Forderung des Deutschen Gemeindetages, ein Verkehrswegeprogramm für Schiene, Straße, Wasserstraße und Luftverkehr aufzustellen und hierüber mit den Ländern und Gemeinden zu verhandeln? Die Aufstellung eines Bundesverkehrswegeprogramms für Schiene, Straße, Wasserstraße und Luftverkehr ist im Verkehrspolitischen Programm für die Jahre 1968 bis 1972 vorgesehen. Dieses Programm wird die Verkehrswege und -anlagen des Bundes enthalten. Es ist beabsichtigt, zu gegebener Zeit über dieses Programm im Rahmen des Gemeinsamen Ausschusses" mit den Ländern und Gemeinden zu verhandeln. Anlage 48 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Wittrock vom 19. Januar 1968 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Ramms (Drucksache V/2464 Frage 130) : Hat nicht der Hinweis des Deutschen Gemeindetages, es sei ein Widerspruch in sich, den Transport von Gütern auf die Schiene verlagern und gleichzeitig etwa 25 % des Schienennetzes stillegen zu wollen, eine gewisse Logik für sich, oder teilt die Bundesregierung meine Ansicht, daß bei dem Vorschlag, gewisse Strecken stillzulegen, die Versorgung heute schon zu mehr als 90 % von der Straße übernommen worden ist? Herr Kollege, ich teile Ihre Ansicht Der von Ihnen zitierte Hinweis des Deutschen Gemeindetages geht fehl; denn während es sich bei den Bemühungen, den Transport bestimmter Massen- und Schwergüter von der Straße auf die Schiene zu verlagern, um Fernverkehrstransporte handelt, betreffen die von der Deutschen Bundesbahn beabsichtigten Streckenstillegungen den Bereich des Nahverkehrs. Die Ursache für die vorgesehenen Streckenstillegungen ist darin zu suchen, daß die Verkehrsnutzer in diesen Bereichen bereits seit langem ihre Entscheidungen zugunsten der Straße getroffen haben. Anlage 49 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Bornemann vom 19. Januar 1968 auf die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Frau Dr. Diemer-Nicolaus (Drucksache V/2464 Frage 131): Wie vereinbart die Bundesregierung ihre Antwort auf meine Frage in der Fragestunde vom 15. Dezember 1967, daß in Vaterstetten bei München Fernsprechteilnehmer unterschiedliche Gebühren zahlen müssen, je nachdem, ob sie gegen die Ausgliederung aus dem Münchener Ortsnetz Verwaltungsgerichtsklage erhoben haben oder nicht, mit dem Verbot, unterschiedliche Gebühren in einem Ort zu erheben? Ich stimme mit Ihnen, Frau Abgeordnete, durchaus überein, daß es sehr unerfreulich ist, wenn für Gespräche von verschiedenen Sprechstellen desselben Ortsnetzes unterschiedliche Gebühren erhoben werden. Um dies zu verhindern, hatte die Oberpostdirektion München die sofortige Vollziehung der Umschaltung von München nach Zorneding für alle hiervon betroffenen Teilnehmer angeordnet. Das Verwaltungsgericht München hat, soweit von den Teilnehmern Klage erhoben worden ist, diese Anordnung aufgehoben, so daß ca. 325 Teilnehmer noch weiterhin am Ortsnetz München verbleiben müssen. Die unterschiedliche Gebührenhöhe ist somit auf eine Maßnahme des Gerichts zurückzuführen. Die Deutsche Bundespost hat daher nicht gegen ein Verbot. verstoßen, sondern mußte sich einem Gebot beugen. Anlage 50 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Bornemann vom 19. Januar 1968 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Peiter (Drucksache V/2464 Frage 132) : Treffen Zeitungsmeldungen zu, daß der Bundespostminister nicht bereit ist, aus Anlaß des 500. Todestages von Johann Gutenberg eine Sondermarke herauszugeben? Die Deutsche Bundespost hat bisher folgende Postwertzeichen zu Ehren von Johann Gutenberg herausgegeben: 1. Eine Gedenkmarke zum 500jährigen Gedenken der ersten Ausgabe der 42zeiligen Bibel durch Johann Gutenberg am 5. Mai 1954. Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1968 7689 2. Ein Sonderpostwertzeichen mit einer Darstellung des Gutenberg-Museums in Mainz im Rahmen der Sonderpostwertzeichen-Serie „Hauptstädte der Länder der Bundesrepublik Deutschland" am 25. September 1964, die bis zum 31. Dezember 1966 gültig war. 3. Ein Postwertzeichen zu 8 Pf in der Postwertzeichen -Dauerserie „Bedeutende Deutsche", das am 3. August 1961 herausgegeben wurde und noch weiterhin gültig ist. Eine weitere Sondermarke zum 500. Todestag von Johann Gutenberg und damit eine vierte, die an ihn erinnert, ist nicht geplant. Anlage 51 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Bornemann vom 19. Januar 1968 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Marx (Kaiserslautern) (Drucksache V/2464 Frage 133) : \Velche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, uni den Selbstwählsprechverkehr mit Jugoslawien aufzunehmen? Die Einführung des Selbstwählferndienstes nach einem fremden Land ist von vermittlungstechnischen, übertragungstechnischen und tariflichen Voraussetzungen in beiden Ländern sowie von der Zustimmung der Fernmeldeverwaltung des Gegenland es abhängig. Mit Jugoslawien wurde bereits am 30. Januar 1967 der halbautomatische Fernsprechverkehr aufgenommen. Hierbei ergab sich, daß noch für den vollautomatischen Dienst ein Leitungsengpaß besteht. Dieser könnte durch Inbetriebnahme des neuen Koaxialkabels zwischen Österreich und Jugoslawien beseitigt werden. Sobald hierüber Näheres bekannt ist, wird das Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen Verhandlungen mit der jugoslawischen Fernmeldeverwaltung aufnehmen, um cien Selbstwählferndienst zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Jugoslawien so bald wie möglich einzuführen. Anlage 52 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Bornemann vom 19. Januar 1968 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Müser (Drucksache V/2464 Frage 134) : Ist die Bundesregierung bereit, mit Rücksicht auf die in den dichtbesiedelten Einflugschneisen des Flughafens Lohausen woh- Wende Bevölkerung der Deutschen Bundespost zu empfehlen den Postverkehr von Düsseldorf -Lohausen während der Nachtstunden auch nach 1969 mit Propellermaschinen befördern zu lassen und notfalls diesbezügliche Aufträge anderen Fluggesellschaften zu erteilen? Die Bundesregierung hat von Anhang an zum Ausdruck gebracht, daß auch sie gegen jede unzumutbare Belästigung der Bevölkerung durch Fluglärm ist. Auch der Bundespostminister hat wiederholt erklärt, daß im Rahmen der ihm innerhalb seines Aufgabenbereichs gegebenen Möglichkeiten alles geschieht, um die Lärmbelästigung der Bevölkerung auf ein Mindestmaß zu beschränken. Was die Situation in Düsseldorf anlangt, so ist es in Verhandlungen mit der Deutschen Lufthansa gelungen, die Nachtpoststrecke Düsseldorf — Frankfurt am Main — Düsseldorf bis 1969 auch weiterhin von einem Propellerflugzeug befliegen zu lassen. Darüber hinaus ist die Deutsche Lufthansa darauf hingewiesen worden, daß es im Interesse der Bevölkerung wünschenswert wäre, wenn auch nach 1969 Düsseldorf mit einem Propellerflugzeug bedient werden kann. Sie soll prüfen, ob sie für ihr Unternehmen geeignete Propellerflugzeuge zum Einsatz im Nachtluftpostnetz auch nach 1969 stellen, beschaffen oder von anderen Luftverkehrsunternehmen chartern kann. Sollte sich die Deutsche Lufthansa allerdings außerstande sehen, dieser Anregung der Deutschen Bundespost nachzukommen, so müßte erwogen werden, ob ein anderes Luftverkehrsunternehmen mit der Durchführung des Dienstes auf der Strecke Düsseldorf—Frankfurt am Main --Düsseldorf beauftragt werden könnte. Eine solche Beauftragung einer anderen Luftverkehrsgesellschaft, eigenverantwortlich die genannte Strecke zu befliegen, würde zweifelsohne den reibungslosen Ablauf des Nachtluftpostdienstes erheblich erschweren, die Pünktlichkeit und Regelmäßigkeit der Flugdurchführung beeinträchtigen, die Abgrenzung der Verantwortlichkeit mindern, und damit die Betriebsgüte verschlechtern. Da die deutsche Bundespost keine Einwände gegen den Einsatz geeigneter Propellergeräte im Nachtluftpostnetz hat, bedarf es auch deshalb keiner besonderen Empfehlung der Bundesregierung an die Deutsche Bundespost. Anlage 53 Schriftliche Antwort des Bundesminister Dr. Lauritzen vom 19. Januar 1968 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Ollesch (Drucksache V/2464 Frage 135) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß viele Bergleute, die sich wegen der Unsicherheit ihrer Arbeitsplätze selbst eine Stelle in einem anderen Industriezweig suchen, durch die Bestimmungen der Zweckbindung der mit Bergbaumitteln geförderten Wohnungen einer Räumung ihrer bisherigen Wohnung ausgesetzt sind, obwohl in der Praxis bei Räumung dieser zweckgebundenen Wohnungen die Zweckbindung aufgehoben wurde, weil keine Bergbaubeschäftigten für eine Neubelegung zur Verfügung standen? Der Bundesregierung ist das in der Frage angedeutete Problem bekannt. Sie verfolgt es sehr aufmerksam und hält dabei vor allem mit den zuständigen Länderministerien und den Sozialpartnern des Kohlenbergbaus Fühlung. Zahlenangaben darüber, in welchem Ausmaß Bergleute, die sich eine Beschäftigung in einem anderen Wirtschaftszweig gesucht haben, die bisher von ihnen genutzte bergbaugebundene Wohnung räumen müssen, liegen nicht vor. Die mit Mitteln des Bundestreuhandvermögens zur Förderung des Bergarbeiterwohnungsbaues geförderten Mietwohnungen unterliegen einer besonderen Zweckbindung, d. h., sie dürfen ständig 7690 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1968 nur von dem Personenkreis genutzt werden, dem im Bergarbeiterwohnungsbaugesetz die Wohnungsberechtigung zuerkannt ist. Die Vermieter von Bergarbeiterwohnungen sind verpflichtet, dafür zu sorgen, daß diese Zweckbindung eingehalten wird. Ich darf darauf hinweisen, daß zu dem wohnungsberechtigten Personenkreis auch die ehemaligen Bergleute gehören, die infolge von Zechenstillegungen ihren Arbeitsplatz im Kohlenbergbau aufgeben mußten und denen eine anderweitige Beschäftigung im Kohlenbergbau zu zumutbaren Bedingungen nicht angeboten wurde. Diese Bergleute gehören nach der Novellierung des Bergarbeiterwohnungsbaugesetzes im Jahre 1965 zu dem wohnungsberechtigten Personenkreis. Anlage 54 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. Lauritzen vom 19. Januar 1968 auf die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Frau Funcke (Drucksache V/2464 Frage 136) : Ist die Bundesregierung bereit, das in Saartouis geplante Service -Haus (Familienwohnhaus mil Kindergarten und sonstigen Einrichtungen zur Entlastung berutstätiger Frauen auf Grund der Erkenntnisse aus der Fraunenenquete als Modelleinrichtung finanziell zu fördern Das Bundesministerium für Wohnungswesen und Städtebau hat sich mit der Errichtung eines sogenannten Service -Hauses für berufstätige Frauen in Saarlouis wiederholt befaßt. Es steht der Förderung eines derartigen Bauvorhabens wohlwollend gegenüber, da nach seiner Ansicht für die berufstätige Frau alle denkbaren Erleichterungen zur Verminderung der Doppelbelastung durch Beruf und Familie geschaffen werden müssen. Eine Förderung mit Mitteln des Bundesministeriums für Wohnungswesen und Städtebau setzt allerdings voraus, daß sich das Land in entsprechender Höhe beteiligt. Eine ausschließliche Förderung mit Bundesmitteln ist aus haushaltsmäßigen Gründen nicht zulässig. Von meiner Bereitschaft, mich finanziell an dem Bauvorhaben zu beteiligen, habe ich das Land mit Schreiben vom 3. 10. 1967 unterrichtet. Der erforderliche Antrag auf Förderung mit Bundesmitteln, der vom Bauträger über das Land an das Bundesministerium für Wohnungswesen und Städtebau zu richten ist, liegt bisher noch nicht vor. Anlage 55 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. Lauritzen vorn 19. Januar 1968 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dorn (Drucksache V/2464 Frage 137) : Ist die Bundesregierung bereit, für ihr Vorhaben einet Wohnbebauung des Geländes der Loekaserne in Bonn in Abstimmung mir der hiesigen Stadtverwaltung Girren städtebaulichen Wettbewerb auszuschreiben, der gegebenenfalls auch die sanierungsbedürttige Umgebung des bundeseigenen Besitzes mit einbezieht? Im Zuge verschiedener Grundstücksverhandlungen hatte der Herr Bundesschatzminister das bundeseigene Areal Loë-Kaserne zum Verkauf an die Stadt Bonn bestimmt. Nachdem die Stadt Bonn von dem Erwerb abgesehen hat, ist es mir für Zwecke der Wohnungsfürsorge angeboten worden. Ich bin bereit, die Grundstücke zu übernehmen, wenn der Verkaufspreis eine wirtschaftliche Bebauung zuläßt, und werde dann im Benehmen mit der Stadt Bonn nach Durchführung eines Wettbewerbes eine städtebaulich optimale und für die Bedürfnisse des Bundes möglichst zweckmäßige Wohnanlage errichten lassen. Der Umfang des in den Wettbewerb einzubeziehenden Gebietes, die städtebauliche Aufgabenstellung, die Kostentragung und dergleichen zu erörtern, wäre verfrüht, weil das bundeseigene Grundstück in meinen Verfügungsbereich noch nicht übertragen wurde. Anlage 56 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. Lauritzen vom 19. Januar 1968 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Wurbs (Drucksache V/2464 Frage 138) : In welchem Maße haben Gesetzesvorlagen der Bundesiegierung die vom SPD Pressedienst tut 1968 angekündigte große Mieterhohung seit 1918 bewirkt? Der Artikel im SPD-Pressedienst vom 29. 12. 1967, auf den sich die Frage bezieht, ist eine Fehlleistung, wie sie auch in anderen Redaktionen zwischen Weihnachten und Neujahr gelegentlich vorkommen soll. Das wichtigste Gesetz aus meinem Bereich hat zum 1. Januar 1968 eine Neugestaltung des Mietrechts gebracht, so daß man jetzt tatsächlich von einem sozialen Mietrecht sprechen kann. Weiter ist das Schlußterminänderungsgesetz zu nennen. Nach bisherigem Recht wären alle restlichen 32 „schwarzen Kreise" mit Ausnahme von Berlin am 1. 1. 1968 „weiß" geworden. Das Schlußterminänderungsgesetz hat den Termin in 7 „schwarzen" Kreisen um 1 Jahr hinausgeschoben. Es handelt sich um Bonn-Stadt, Bonn-Land, Freiburg, Göttingen, Hamburg und München-Stadt, München-Land. In diesen Kreisen ist die Wohnungsmarktlage noch besonders angespannt. Dagegen lassen das für 1967 zu erwartende hohe Ergebnis an bezugsfertigen neuen Wohnungen und insbesondere auch die beiden Konjunkturprogramme der Bundesregierung erwarten, daß in den genannten 7 „schwarzen Kreisen" Ende 1968 eine Aufhebung der Wohnungsbewirtschaftung vertretbar ist. Als Ausgleich für die höher gewordenen Bewirtschaftungskosten ist den Vermietern von Altbauwohnungen in den genannten 7 Kreisen, die noch ein Jahr langer „schwarz" bleiben, eine Mieterhöhung von 10 % zugestanden worden. Wäre das Gesetz nicht gekommen, wäre die Mietpreisbindung in diesen schwarzen Kreisen ganz weggefallen. Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode— 148, Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1968 7691 Als drittes ist die Novelle zur II. Berechnungsverordnung zu nennen. Sie betrifft einen anderen Wohnungskomplex als das Schlußterminänderungsgesetz, so daß eine Kumulation von Mieterhöhungen dadurch nicht bewirkt wird. Durch die Novelle der II. Berechnungsverordnung, die am 1. 1. 1968 in Kraft getreten ist, werden die in der Berechnung der Kostenmiete enthaltenen Pauschalsätze für Verwaltungsinstandsetzung- und Schönheitsreparaturkosten — soweit sie lt. Vertrag der Vermieter trägt — der wirtschaftlichen Entwicklung der letzten 5 Jahre angepaßt. Abschließend ist zu bemerken, daß zur Zeit dem Bundestag das von der Bundesregierung auf Grund der vom Deutschen Bundestag am 8. 12. 1966 einstimmig gefaßten Entschließung eingebrachte Zinserhöhungsgesetz vorliegt, das eine bis zu höchstens 4 % vorsieht. Diese Darlehen sind entweder zinslos oder zu einem schon niedrigeren Zinssatz gewährt worden. Aus dem Mehraufkommen der Rückflüsse soll die Fortführung des sozialen Wohnungsbaues gesichert werden. Die hieraus sich ergebenden Mieterhöhungen sollen in engen Grenzen bleiben. Über die Art der Begrenzung wird z. Z. in dem zuständigen Bundestagsausschuß beraten. Anlage 57 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. Lauritzen vom 19. Januar 1968 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Wurbs (Drucksache V/2464 Frage 139) : Wie kommen die in dem in Frage 138 genannten Beitrag behaupteten Mieterhöhungen bis zu 60 v. 11, zustande? Zunächst darf ich auf die Antwort auf die Frage Nr. 138 Bezug nehmen. Mieterhöhungen in dem in der Frage genannten Umfang sind überhaupt nur in Schleswig-Holstein in Einzelfällen möglich, weil eine Verwendungsaktion der dortigen Landesregierung die Zinssätze öffentlicher Darlehen von 0,5 auf 7 % erhöht. Diese Möglichkeit ergibt sich aus den von der Wohnungsbaukreditanstalt Schleswig-Holstein abgeschlossenen Darlehensverträgen, die eine Umschuldung auf Verlangen des Darlehensgebers vorsehen. Diese Ablösung der öffentlichen Baudarlehen durch Kapitalmarktkredite und die daraus resultierende Mieterhöhung ist in dem Artikel des SPD- Pressedienstes fälschlicherweise für das ganze Bundesgebiet verallgemeinert worden. Ich habe mit Schreiben vom 4. Januar 1968 an den Herrn Minister für Arbeit, Soziales und Vertriebene des Landes Schleswig-Holstein Bedenken gegen die Weiterführung der Umschuldungsaktion geäußert und darum gebeten, weitere Umschuldungsmaßnahmen in Schleswig-Holstein zunächst zurückzustellen. Ich würde es begrüßen, wenn Sie meine Bemühungen bei Herrn Landesminister Eisenmann unterstützen würden. Anlage 58 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. Lauritzen vom 19. Januar 1968 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Wurbs (Drucksache V/2464 Frage 140) : In welchem Verhältnis stehen die durch die Wohnungsbaupolitik der Bundesregierung hervorgerufenen Mehranforderungen auf Grund des Wohngeldgesetzes zu den Einnahmeverbesseiunqen und Kürzungen im Bereich des Einzelplanes des Bundeswohnungsbauministers? Nach dem Wohngeldgesetz beteiligt sich der Bund mit 50 v. H. an den Gesamtaufwendungen für Wohngeld. 1967 belief sich der Bundesanteil vorbehaltlich der endgültigen Abrechnung mit den Ländern auf rund 210 Millionen DM. Für 1968 ist der Bundesanteil mit 285 Millionen DM veranschlagt. Die Mehranforderungen sind nicht durch die Wohnungsbaupolitik der jetzigen Bundesregierung hervorgerufen worden, wie in der Frage unterstellt ist. Die Ursachen sind sehr komplexer Natur. Ich darf dazu auf den kürzlich dem Deutschen Bundestag zugeleiteten II. Wohngeldbericht der Bundesregierung verweisen (Drucksache V/2399). Anlage 59 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. Stoltenberg vom 19. Januar 1968 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Dichgans (Drucksache V/2464 Fragen 141 und 142) : Wieviel Unterrichtsstunden im Jahr erteilt durchschnittlich ein Mitglied des Lehrkörpers an einer deutschen Universität (Professoren, Dozenten, Wissenschaftliche Räte einschließlich der Studienräte im Hochschuldienst, Wissenschaftliche Assistenten)? Wie lautet die entsprechende Zahl für Frankreich, Großbritannien, die Schweiz und die Vereinigten Staaten? Unterlagen über die tatsächlich durchschnittlich im Jahr erteilten Unterrichtsstunden des Lehrkörpers der deutschen Wissenschaftlichen Hochschulen liegen -- wie auch Anfragen bei der Ständigen Konferenz der Kultusminister, dem Wissenschaftsrat, der Westdeutschen Rektorenkonferenz und dem Hochschulverband ergaben — nicht vor. Die Verhältnisse liegen in den einzelnen Hochschulen und Fächern sehr verschieden. Für das den Hochschullehrern zustehende Kolleggeld-Pauschale wird im allgemeinen vom Begriff einer „angemessenen Lehrtätigkeit" ausgegangen. Die Kultusminister der Länder haben im gegenseitigen Einvernehmen, sowie im Einvernehmen mit den Finanzministern der Länder, diese Lehrtätigkeit angemessenen Umfanges im allgemeinen (unbeschadet weitergehender Unterrichtsbedürfnisse eines Faches) mit Beschluß vom 28./29. 10. 1965 bzw. dessen Neufassung vom 26. 6. 1967 wie folgt festgesetzt: a) Ordentliche und außerordentliche Professoren 6-8 Semesterwochenstunden an Vorlesungen, Übungen und Seminaren (Praktika werden in angemessenem Umfange berücksichtigt) b) Abteilungsvorsteher und Professoren, Wissenschaftliche Räte und Professoren sowie außer- 7692 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1968 planmäßige Professoren 6-8 Semesterwochenstunden, jedoch unter Berücksichtigung übertragener besonderer Aufgaben c) Dozenten 4 Semesterwochenstunden an Vorlesungen, Übungen und Seminaren d) Oberärzte, Oberassistenten und Oberingenieure 2 Semesterwochenstunden an Vorlesungen, Übungen und Seminaren. Von diesen Zahlen auf die jährlich tatsächlich erteilten Stunden zu schließen, ist nicht möglich. Die tatsächliche Unterrichtsbelastung geht wegen der Vorbereitungszeit, der Prüfungen und der Einzelbetreuung fortgeschrittener Studenten weit über die genannten Zahlen hinaus, wie auch aus einer Untersuchung von Professor Dr. Helmut Schelsky zu entnehmen ist. Schelskys Studie beschränkt sich jedoch auf eine Umfrage bei 30 Ordinarien ausgewählter Fachrichtungen. Wissenschaftliche Assistenten, die nicht zugleich Privatdozenten sind, sind nicht zu selbständiger Lehrtätigkeit berechtigt oder gar verpflichtet. Tatsächlich sind sie jedoch als Mitarbeiter vor allem bei Anfängerübungen auch in der Lehre beteiligt. Der Wissenschaftsrat hat in seinen „Empfehlungen zum Ausbau der Wissenschaftlichen Hochschulen bis 1970" Lehrveranstaltungen in kleinen Gruppen vorgesehen. Hieraus ergeben sich zusätzliche stärkere Lehrbelastungen. Auch die ausländischen Botschaften haben auf die Frage der jährlich erteilten Unterrichtsstunden die durchschnittliche Lehrbelastung pro Woche angegeben. Ein fundierter Vergleich der Einzelangaben für die erbetenen Länder untereinander oder mit der Bundesrepublik Deutschland ist nicht möglich. Die Struktur der Wissenschaftlichen Hochschulen, der Lehrpläne, die Bezeichnung der Lehrkörperangehörigen usw. ist in den einzelnen Ländern unterschiedlich. Auch innerhalb der einzelnen Staaten bestehen bei den Wissenschaftlichen Hochschulen Abweichungen. Die Angaben sind demzufolge nur als Beispiele zu werten, ohne daß man aus ihnen Schlußfolgerungen ziehen könnte. In Großbritannien betrug 1961/62 die durchschnittliche Lehrbelastung des Lehrkörpers (Lehre, Vorbereitung und Korrekturen) 13,3 Wochenstunden. Innerhalb des Lehrkörpers schwankt diese Zahl zwischen 5,2 und 15,9 Wochenstunden. Diese Tatsache zeigt, wie wenig aussagefähig der Durchschnittswert ist. In den Vereinigten Staaten reichen die Lehrverpflichtungen je nach Universität von 5 bis 21 Wochenstunden während eines akademischen Jahres. Im Rahmen einer Untersuchung für 1963 sind als Durchschnitt 11 Wochenstunden für Lehre und weitere 8 für Vorbereitungen angegeben. In der Schweiz gibt es keine einheitliche Regelung für die Lehrbelastung. Sie richtet sich nach der kantonalen Hochschulgesetzgebung. Nach einer groben Schätzung betragen die Vorlesungspflichtstunden eines Ordinarius an den Universitäten Freiburg und Lausanne 6--8 Stunden wöchentlich, an der Universität Basel 8 Stunden wöchentlich. Wenn von dieser Zahl auch häufig nach oben abgewichen wird, so dürfte sie doch lt. Auskunft der Schweizerischen Botschaft der durchschnittlichen zeitlichen Belastung der Lehrstuhlinhaber für die eigentliche Vorlesungstätigkeit entsprechen. Für Frankreich liegt eine Durchschnittsberechnung der Lehrbelastung des Lehrkörpers an den Universitäten nicht vor. Die Mindestvorlesungsbelastung für die Professoren (Professeurs de faculté und Maîtres de Conférences) sind 3 Wochenstunden. Eine Vorlesung erstreckt sich in der Regel auf 60 Minuten. Anlage 60 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. Stoltenberg vom 19. Januar 1968 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Moersch (Drucksache V/2464 Frage 143) : Welche Konsequenzen gedenkt die Bundesregierung aus der Darstellung „Die Stunde der Wahrheit für die künftige Energieversorgung des Bundesministers für wissenschaftliche Forschung (29. Arbeitstagung der Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft e. V.). für ihre Energiepolitik speziell im Hinblick auf eine beschleunigte Errichtung einer größeren Anzahl deutscher Atomkraftwerke zu ziehen? Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die Entwicklung der Kernenergie auch in Deutschland inzwischen das Stadium der Wettbewerbsfähigkeit gegenüber herkömmlichen Energieträgern erreicht hat. Das beweisen die Bestellungen von zwei 600 MW-Kernkraftwerken für Stade und Würgassen im vergangenen Jahr, die auf rein kommerzieller Grundlage erfolgten. Die Bundesregierung erwartet, daß sich diese Entwicklung fortsetzen wird und daß der Anteil der Kernenergie an der Stromerzeugung im kommenden Jahrzehnt rasch zunehmen wird. Dieselbe Entwicklung vollzieht sich auch in anderen Industrieländern. Sie ist gegenwärtig am weitesten in den Vereinigten Staaten fortgeschritten. Dort entfiel im Vorjahr ebenso wie im Jahr davor mehr als die Hälfte der neu bestellten Kraftwerksleistung auf Kernkraftwerke. Die energiepolitischen Maßnahmen der Bundesregierung werden auch in Zukunft diese Entwicklung in Rechnung stellen. Anlage 61 Schriftliche Antwort des Bundesministers Wischnewski vom 19. Januar 1968 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Freiherr von Gemmingen (Drucksache V/2464 Fragen 144, 145 und 146) : Warum hat die Bundesregierung — Pressemitteilungen zufolge — immer noch nicht sämtliche Entwicklungs- und Kredithilfen an Südkorea eingestellt? In welcher Hohe wurden noch Zahlungen der Bundesrepublik Deutschland an Südkorea seit der Entführung der 17 Koreaner geleistet? Wie viele Berater sind zur Zeit direkt oder indirekt für die Bundesregierung in Südkorea tätig? Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1968 7693 Die Bundesregierung hat, wie der parlamentarische Staatssekretär des Auswärtigen Amtes in den Fragestunden am 17. 11. und 13. 12. und in einer gemeinsamen Sitzung des Auswärtigen und des Entwicklungshilfeausschusses des deutschen Bundestages am 14. 12. 1967 ausgeführt hat, zwei bereits zugesagte Vorhaben der deutschen Entwicklungshilfe, nämlich ein Wärmekraftwerk und ein Demonstrationsprojekt für Milchviehhaltung, zurückgestellt. Beide Vorhaben sind allerdings praktisch schon angelaufen; bei dem Wärmekraftwerk ist bereits ein Beratungsbüro tätig geworden; auch liegen inzwischen die Firmenangebote vor; bei dem Demonstrationsprojekt für Milchviehhaltung war ein deutscher Experte vorbereitend in Korea tätig, der zur Zeit abberufen ist. Die Abkommen über beide Vorhaben sind noch nicht abgeschlossen. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß wirksame Schritte unternommen werden sollten, um dem deutschen Anspruch auf Rücküberstellung der nach Korea verbrachten koreanischen Staatsbürger Nachdruck zu verleihen. Darauf hat Herr Kollege Jahn in diesem Hohen Hause wiederholt hingewiesen. Erfahrungen aus der Vergangenheit haben aber bewiesen, daß die deutsche Entwicklungshilfe, die langfristig angelegt ist, als Instrument zur Erreichung tagespolitischer Ziele im allgemeinen ungeeignet ist. Gewiß rechtfertigen außergewöhnliche Ereignisse außergewöhnliche Maßnahmen. Es darf aber nicht übersehen werden, daß die deutsche Entwicklungshilfe in erster Linie der Bevölkerung zugute kommen muß und daß daher die Einstellung unserer Hilfe vor allem die Menschen in den Entwicklungsländern treffen würden. Deshalb wurde bisher in Übereinstimmung mit dem Hohen Hause bei politischen Schwierigkeiten stets davon abgesehen, laufende Vorhaben einzustellen. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau, die die Kapitalhilfevorhaben für die Bundesregierung abwickelt, hat alle fälligen Zahlungen bei laufenden Kapitalhilfevorhaben vertragsgemäß bedient; bei ihr sind andererseits auch die koreanischen Zahlungen aus dem fälligen Schuldendienst fristgerecht eingegangen. Seit dem 1. Juli 1967 sind daher für 5 laufende Vorhaben Zahlungen in Höhe von 12 694 000,— DM geleistet worden. Diese Mittel wurden nicht an die koreanische Regierung, sondern, wie dies bei der Abwicklung der deutschen Kapitalhilfe üblich ist, an die Firmen überwiesen, die im Rahmen der Projekte Lieferungen und Leistungen erbracht haben. Bei den 3 1967 laufenden Vorhaben der deutschen Technischen Hilfe und bei dem vorhin erwähnten landwirtschaftlichen Demonstrationsvorhaben sind im gleichen Zeitraum nur Zahlungen für die Gehälter des deutschen Personals geleistet worden. Zur Zeit sind 6 deutsche Experten in Korea tätig, nämlich 5 deutsche Lehrkräfte an der Gewerbeschule Inchon und ein deutscher Keramikexperte. Die 5 Kräfte der deutschen Volkswirtschaftlichen Beratergruppe beim koreanischen Economic Planning Board haben zum :il. 12. 1967 vertragsgemäß ihre Tätigkeit in Korea beendet. Der zur Vorbereitung des erwähnten landwirtschaftlichen Demonstrationsvorhabens entsandte deutsche Experte ist zeitweilig abberufen worden. Anlage 62 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. Lauritzen vom 19. Januar 1968 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Biechele (Drucksache V/2464 Frage 153) : Welches sind die „neuen Vorzeichen", unter denen „ein wesentlicher Teil unserer Gesellschaftspolitik" durch die Verabschiedung wichtiger Gesetze stehen soll, von denen der Bundesminister für Wohnungswesen und Städtebau zu Weihnachten 1967 geschrieben hat? Die Formulierung, auf die sich die Frage bezieht, steht in dem Hausrundschreiben, das ich an die Mitarbeiter meines Ministeriums zu Weihnachten 1957 gerichtet habe. Ich wußte gar nicht, daß meine hausinternen Rundschreiben solche Verbreitung haben, daß sie sogar in Gaienhofen am Bodensee gelesen werden. Da der Text bisher nicht veröffentlicht ist und ich wohl nicht annehmen darf, daß meine Hausrundschreiben allen Mitgliedern des Deutschen Bundestages bekannt sind, möchte ich den Text bekanntgeben. Er lautet: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Jahr 1967 hat uns allen ein großes Maß an Arbeit abverlangt. Es ist mir daher ein aufrichtiges Anliegen, Ihnen allen für Ihre Mitarbeit sehr herzlich zu danken. Ich hoffe, daß jeder auf das Geleistete auch ein wenig stolz ,ist. Unser Haus hat es erreicht, daß trotz mancher Widerstände wichtige Gesetze verabschiedet werden konnten, die für alle Bürger der Bundesrepublik von großer Bedeutung sind. Ein wesentlicher Teil unserer Gesellschaftspolitik steht damit jetzt unter neuen Vorzeichen. Mit meinem Dank für die geleistete Arbeit verbinde ich die Hoffnung auf ein weiteres erfolgreiches Zusammenwirken im neuen Jahr. Ich wünsche allen Kolleginnen und Kollegen ein gesegnetes Weihnachtsfest und ein glückliches und gesundes neues Jahr Weihnachten 1967 gez.: Dr. Lauritz Lauritzen Ich glaube, daß mit den Gesetzen, von denen in dem Rundschreiben die Rede ist, neue Wege beschritten werden, die man durchaus als neue Vorzeichen in unserer Gesellschaftspolitik betrachten kann. Ich denke dabei insbesondere an das neue soziale Mietrecht. Dadurch wird es in Zukunft möglich sein, die Interessen zwischen Vermietern und 7694 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1968 Mietern gerechter auszugleichen als bisher. Weiter ist zu nennen das Schlußterminänderungsgesetz, das den jahrelangen heftigen Streit um den Abschluß des Liberalisierungsprozesses in der Wohnungswirtschaft mit einem sozial vertretbaren vernünftigen Kompromiß beendet. Für sehr wesentlich halte ich auch die Änderungen des 2. Wohnungsbaugesetzes, die das Finanzänderungsgesetz gebracht hat. Dadurch werden insbesondere die starren Förderungsränge für einige Jahre ausgesetzt. Auf diese Weise wird es möglich sein, die vorhandenen Mittel so wirksam wie möglich zu verwenden und die öffentliche Förderung des Wohnungsbaues flexibel auf den Bedarf auszurichten.
Gesamtes Protokol
Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514800000
Das Wort zur Beantwortung der Großen Anfrage hat der Herr Bundeswirtschaftsminister.

Dr. Karl Schiller (SPD):
Rede ID: ID0514800100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir bitte einige allgemeine Vorbemerkungen, die ich den speziellen Antworten auf die Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU vorausschicken möchte. Ich darf gleich sagen, ich begrüße jene Große Anfrage. Sie gibt mir unter anderem jetzt die Gelegenheit, in dein Hohen Hause vom Grundsätzlichen her auch auf den Zusammenhang und auf die Zusammenhänge zwischen Konjunkturpolitik und Strukturpolitik einzugehen.
Meine Damen und Herren, manchmal wird draußen — nicht hier - die These vertreten, es bestehe ein fundamentaler Gegensatz zwischen Konjunkturpolitik und Strukturpolitik. Das ist falsch. Konjunkturpolitik und Strukturpolitik ergänzen sich und müssen sich ergänzen als Teile einer modernen systematischen Wirtschaftspolitik. Sie stehen nicht zueinander in Widerspruch; ja, Konjunktur- und Strukturpolitik können in bestimmten Situationen, wie z. B. in der Konjunkturphase, in der das zweite Konjunktur- und Strukturprogramm der Bundesregierung beschlossen wurde, identisch sein, wie wir das hier gezeigt und beschlossen haben.
Es ist heute unvorstellbar, daß die Wirtschaftspolitik auf aktive Konjunkturpolitik verzichtet, und es wäre ebenso falsch, wenn man auf jenen anderen Teil, der heute zur Debatte steht, nämlich die Strukturpolitik, verzichten würde. Auch die Ziele der gesamtwirtschaftlich orientierten Politik, die uns durch die beiden großen Gesetze, das Gesetz über den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und durch das neu beschlossene Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft, vorgeschrieben
sind und die da lauten: Stabilität des Preisniveaus, hoher Beschäftigungsstand, außenwirtschaftliches Gleichgewicht bei stetigem und angemessenem Wachstum der Wirtschaft, lassen sich nur erreichen, wenn eben beide Aspekte konjunktureller und struktureller Art beachtet werden.
Die Strukturpolitik hat, wie wir alle wissen — und da stimme ich mit dem Herrn Abgeordneten Müller-Hermann völlig überein -, die Voraussetzung dafür zu verbessern, und zwar laufend zu verbessern, daß die Produktionsfaktoren Kapital, Arbeit und Boden möglichst produktiv verwendet werden und laufend den möglichst optimalen Verwendungszwecken zugeführt werden. Nur so kann auf die Dauer das berühmte „angemessene Wirtschaftswachstum" erzielt werden. Und nur so kann auch vermieden werden - um auf die strukturelle Frage hier besonders einzugehen —, daß in der Wirtschaft bereits vorhandene Krankheitsherde sich ausbreiten oder an anderer Stelle neue Krankheitsherde entstehen.
Strukturelle Krisen — des wissen wir aus einem besonderen Fall, der uns am 8. November vorigen Jahres in diesem Hause sehr beschäftigt hat, nämlich die Strukturkrise des deutschen Steinkohlenbergbaus — können auch die Gesamtkonjunktur nachhaltig beeinträchtigen.
Umgekehrt -- und das muß mit aller Deutlichkeit, ich möchte sagen: gleichberechtigt und symmetrisch betont werden — nützen eine noch so gute Kombination der Produktionsfaktoren in den Branchen und ein noch so hoch entwickeltes Produktionspotential sehr wenig, wenn die gesamtwirtschaftliche Nachfrage nicht ausreicht, d. h. wenn sich die Gesamtkonjunktur nicht genügend entfaltet hat, um die vorhandenen Kapazitäten, selbst wenn sie optimal gestaltet sind, zu beschäftigen.
Man könnte auch sagen, was die strukturpolitischen Notwendigkeiten für den Staat betrifft: je mehr sich die Rate des wirtschaftlichen Wachstums der optimalen und angemessenen Wachstumsrate annähert, je mehr sie sich dieser Grenze zubewegt, um so leichter vollziehen sich sehr viele Strukturwandlungen im marktwirtschaftlichen Prozeß sozusagen von selbst. Bei hohem Wachstum — nicht bei übersteigertem oder überhitztem Wachstum, sondern bei hohem, angemessenem Wachstum — wird ein großer Teil von strukturpolitischen Erfordernissen, die bei dem Kampf der Wirtschaft und der Wirtschaftspolitik nur um die Null-Linie allesamt akut sind, sozusagen von selbst erledigt. Das müssen wir immer wieder feststellen. Eine konjunkturelle Schwäche - das hat die Erfahrung des letzten und des vorletzten Jahres. gezeigt — läßt die strukturellen Schwierigkeiten deutlicher hervortreten.
Gerade die Konjunkturschwäche schafft im übrigen eine Situation, in der die Instrumente der Strukturpolitik an Effizienz verlieren; denken Sie hier an die Investitionsanreize und an bestimmte Wirtschaftsförderungsmaßnahmen im regionalen Bereich, die wir in der Vergangenheit schon besaßen. Sie sind für bestimmte Gebiete gerade in den letzten beiden Jahren relativ wenig zur Auswirkung ge-



Bundesminister Dr. Schiller
kommen. Warum? Weil die allgemeine Konjunkturbewegung den Anreiz zum Gebrauch dieser Hilfen und Investitionskredite von der Wirtschaft her verkleinerte. Die jüngsten Erfahrungen in der Rezession sowohl in den Zonenrandgebieten als auch im Ruhrgebiet zeigen ganz deutlich ,daß die Wirtschaft trotz dieser schon in der Vergangenheit vorhandenen bestimmten Anreize in diesen Gebieten auch bei Präferenzen — auch in Berlin unter den Berlin-Präferenzen — in der Rezession nur sehr zögernd investiert, weil das allgemeine Konjunkturklima dann zu schlecht ist.
Herr Kollege Müller-Hermann hat vollkommen recht, in den vergangenen Monaten, ja in dem ganzen letzten Jahr mußte deshalb die allgemeine Globalsteuerung, die Konjunkturpolitik im Vordergrund unseres Handelns stehen. Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung — das wissen wir alle — wurde seit Mitte 1966 durch eine zu geringe gesamtwirtschaftliche Nachfrage bestimmt, wo immer und wodurch sie immer verursacht sein möge, das steht heute nicht zur Debatte.
Ich muß deshalb an dieser Stelle und bei dieser Gelegenheit sehr eindringlich vor dem Fehlschluß warnen, die Strukturpolitik — ein im allgemeinen Gebrauch sehr modern gewordenes Wort — könnte sozusagen an die Stelle der Globalsteuerung treten. Das will sicher auch Herr Müller-Hermann nicht. Würde das aber eintreten — und man muß die Grenzen sehen —, daß die Strukturpolitik sozusagen Schritt für Schritt an die Stelle der Globalsteuerung tritt, so würde das letztlich bedeuten, daß sich die Wirtschaftspolitik hier in eine Vielzahl von gezielten oder, besser formuliert, von zielgerichteten Maßnahmen auflöst. Letztlich würde das bedeuten, daß die Wirtschaftspolitik am Ende dann nur noch aus einzelnen Dirigismen bestünde, und da kann ich nur sagen: auf diesem Wege bekämen wir die planification en détail. Die kommt für uns nicht in Frage, und wohl niemand in diesem Hause will auf dem Wege über eine zu weit getriebene oder deformierte Strukturpolitik eine solche Entwicklung.
Bei den Maßnahmen der Bundesregierung zur Steigerung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage, bei den Beschlüssen dieses Hauses zu den beiden Konjunkturprogrammen haben wir — ich deutete es eben schon an — zugleich wesentliche strukturpolitische Prioritäten, vor allem regionaler Art, gesetzt. Im zweiten Konjunktur- und Strukturprogramm haben wir eben diese Komponente und diese Konzeption ausdrücklich dadurch unterstrichen, daß wir diese sogenannten Konjunkturmittel nach einem Schlüssel verteilt haben, der für bestimmte Gebiete fiktiv die doppelte Bevölkerungszahl vorsah: Steinkohlengebiete, Zonenrandgebiet, Berlin, Bundesaufbaugebiete. Das war die Identität, die völlige Dekkungsgleichheit von konjunktur- und strukturpolitischer Aktivität. Das ist also berücksichtigt.
Aber bei mittel- und langfristigen Überlegungen, bei jenen Überlegungen, die wir etwa unter dem Rubrum Wachtsumspolitik auf längere Sicht, Entwicklungspolitik, Fortschrittspolitik anstellen, tritt natürlich die Komponente der strukturpolitischen Maßnahmen noch särker in den Vordergrund. Wie
Sie alle wissen, hat sich die Bundesregierung sehr eingehend mit solchen mittel- und langfristigen Planungen beschäftigt. Sie alle kennen die mittelfristige Zielprojektion für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung, auf deren Grundlage dann, entsprechend dem § 9 des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes, diesem Hohen Haus die mehrjährige Finanzplanung vom vorgien Jahr vorgelegt worden ist. Das in der mittelfristigen gesamtwirtschaftlichen Zielprojektion angegebene Ziel, nämlich eine Wachstumsrate für die Gesamtwirtschaft von jährlich 4 %, ist realistisch, wie der Sachverständigenrat in seinem neuesten Jahresgutachten, das Ihnen allen vorliegt und das wir bald hier diskutieren werden, deutlich bestätigt hat.
Meine Damen und Herren! Dieses Ziel einer Steigerung um real 4 % pro Jahr ist natürlich nur zu erreichen, wenn bei etwa noch zurückgehendem Arbeitskräftepotential oder bei weiterer maßvoller Arbeitszeitverkürzung die Produktivität pro geleisteter Arbeitsstunde über 4 % pro Jahr hinausgeht. Nur so können wir die globale Zuwachsrate von 4 % real halten. Dazu also sind — das ist ganz klar — strukturpolitische Maßnahmen auch notwendig. Längerfristige Wachstumspolitik ist damit gleichzeitig Strukturpolitik. Diese längerfristige Wachstumspolitik muß darauf orientiert sein, vor allem den spontanen marktwirtschaftlichen Strukturwandel zu fördern und auf keinen Fall zu hemmen.
Meine Damen und Herren, ich will ganz deutlich sagen: es gibt in der öffentlichen Debatte zu diesem nun sehr oft gebrauchten Wort „Strukturpolitik" genau gesehen zwei völlig verschiedene Interpretationen. Das wurde auch schon von Herrn Müller-Hermann angedeutet. Sehr oft wird — ohne daß man das sagt -- unter dem Begriff „Strukturpolitik" in der öffentlichen Debatte einfach schlicht eine konservierende Schutzpolitik in bestimmten Branchen, bestimmten Berufen und auch für bestimmte Regionen verstanden. Die Bundesregierung vertritt die andere Interpretation des Begriffs „Strukturpolitik". Sie versteht unter Strukturpolitik im Gegensatz zu der konservierenden Schutzpolitik eine Politik des Fortschritts und nicht der Erhaltung und der Konservierung. Wir müssen davon ausgehen, daß alle Produktivkräfte in unserer Wirtschaft auch in Zukunft begrenzt und knapp sind, ganz besonders — wie Sie auch sagten -- die menschliche Arbeitskraft. Das darf man auch angesichts der augenblicklich noch vorhandenen konjunkturellen Arbeitslosigkeit und des konjunkturell nicht genutzten Wachstumspotentials in unserer Wirtschaft nicht übersehen. Kurz und gut, die Anpassungsfähigkeit — und das ist der Sinn der ganzen Maßnahmen - in der Gesamtwirtschaft muß erhöht werden, und zwar über das Ganze gesehen und in besonderen Branchen. Das ist auch heute noch die aktuelle Ausgangsposition der Strukturpolitik.
Am 8. September vorigen Jahres haben wir uns bei der Verabschiedung des zweiten Konjunktur- und Strukturprogramms in diesem Hohen Hause auch noch über ein besonderes Strukturprogramm auf mittlere und längere Sicht unterhalten. Es lag der Entschließungsantrag des Haushaltsausschusses
Deutscher Bundestag - 5. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Freitag, dén 19. Januar 1968 7605
Bundesminister Dr. Schiller

(und erweitern. Und ein Zweites! In wenigen Tagen werden wir dem Deutschen Bundestag den Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung entsprechend § 2 des Stabilitätsund Wachstumsgesetzes vorlegen. In diesem Jahreswirtschaftsbericht wird und muß auf die Strukturpolitik in besonderer Richtung eingegangen, und es müssen Ihnen weitere Hinweise gegeben werden. Die Richtung unserer strukturpolitischen Absichten, den Trend, den wir verfolgen, will ich schon heute in meinen Antworten — ich kann es aber noch nicht vollständig tun — auf die Große Anfrage darlegen. Nun, meine Damen und Herren, in Kürze zu den Fragen selbst. L Zur sektoralen Strukturpolitik. Zu Frage I 1: Die Bundesregierung übernimmt den sachlichen Inhalt der vom Wirtschaftskabinett im Herbst 1966 verabschiedeten Grundsätze der sektoralen Strukturpolitik. Sie wird diese Grundsätze in zwei wesentlichen Punkten akzentuierter anwenden, als dies bisher zum Ausdruck kam. Wir sehen eine besonders wichtige Aufgabe der sektoralen Strukturpolitik darin, die Entwicklung zukunftsweisender, für den gesamtwirtschaftlichen Fortschritt wichtiger Produktionszweige zu fördern, die ohne staatliche Hilfe zu wenig oder zu langsam vorankämen. Hier gilt vor allem die Diskrepanz zwischen dem notwendigen privaten Rentabilitätsstreben, das ja zwangsläufig kurzfristiger an den Märkten orientiert ist, und den längerfristigen Erfordernissen optimaler volkswirtschaftlicher Produktivitätssteigerung zu überwinden. Eine überdurchschnittlich lange Dauer der Entwicklung bestimmter neuer Produktionsmethoden bis hin zur Herstellung eines marktgängigen Produkts und die technisch verursachte Notwendigkeit, wesentliche Entwicklungsvorgänge in sehr großen Betriebsoder Unternehmenseinheiten durchzuführen, bringen es mit sich, daß in bestimmten Sektoren unserer Wirtschaft — und eben gerade in den Fortschrittssektoren — ein ungewöhnlich großes Mißverhältnis zwischen Kapitalaufwand, Kapitalrisiko und Eigenfinanzkraft der betreffenden Unternehmen entsteht. Es kommt hinzu, daß die Lage auf den Absatzmärkten dieser Fortschrittsindustrien oft durch die vielfältigen direkten oder indirekten Förderungsmaßnahmen anderer Staaten erschwert ist. Wir kennen alle die Beispiele in den Anlagen für die friedliche Gewinnung der Atomenergie, für elektronische Datenverarbeitung und die Luftund Raumfahrtindustrie. Die Bundesrepublik und die Länder geben hier finanzielle Anreize, um die Entwicklung und die „innovations", die Neuerungen, zu beschleunigen. Aber ein anderes ist auch deutlich geworden. Es klang schon das Wort von der „technologischen Lücke" an. Meine Damen und Herren, diese technologische Lücke ist nicht nur eine Frage der Strukturpolitik auf bestimmte Branchen hin, sondern auch eine Frage der Konjunkturentwicklung. Die hinter uns liegende Rezession seit 1966 hat, darüber gibt es keinen Zweifel, die technologische Lücke zwischen unserem Land und den USA auf jeden Fall vergrößert. Mit dem Wachstumsverlust ist auch eine Vergrößerung jener so oft genannten technologischen Lücke verbunden gewesen. Wir alle sind uns klar: wir werden den internationalen Status als hochtechnisierte Industrienation nur behaupten können, wenn derartige Verluste an Wachstum und derartige Rückschläge in der technologischen Relation zu anderen Staaten in Zukunft vermieden werden und wenn es uns gelingt, in den Bereichen, die besonders hohe Fortschtittsaussichten aufweisen, mit an der Spitze des Weltstandards zu stehen. Nun zur rein betriebsökonomischen Seite der Angelegenheit. Technologische Entwicklung und wachsende Märkte verlangen in den „modernen" Wachstumsund Fortschrittsindustrien häufig Betriebsund Unternehmensgrößen, wie sie in der Bundesrepublik in jenen Bereichen bisher nicht immer erreicht sind. Die Bundesregierung wird daher bemüht sein, die Hemmnisse steuerund gesellschaftsrechtlicher Art zu mildern oder zu beseitigen, die das Entstehen strukturpolitisch notwendiger, größerer Betriebsund Unternehmenseinheiten bisher behinderten. Auf die steuerrechtliche Seite dieses Problems werde ich noch an anderer Stelle eingehen. Ich möchte hinzufügen, daß diese notwendigen Unternehmenseinheiten von einer bestimmten kritischen Größe an, die für eine bestimmten technologischen Fortschritt leinfach erforderlich sind, auch bedingen — und auch damit beschäftigen wir uns —, daß wir uns bestimmte. Gedanken über das Wettbewerbsrecht, die Wettbewerbspolitik und die Fortentwicklung natürlich bestimmter Marktformen machen. Aber das nur am Rande. Im übrigen stellt sich dieses Problem der Unternehmensgrößen auch bei manchen anderen Wirtschaftszweigen, weil strukturelle Schwierigkeiten dort — und die Industrien, die ich jetzt anspreche, sind nun keine Wachstumsindustrien — häufig durch das zahlenmäßige Überwiegen zu kleiner und zu schwacher Unternehmen verursacht oder verschärft werden. Dabei ist „zu klein" oder „klein" keineswegs immer identisch mit „schwach". Aber angesichts dieser Tatsache prüft die Bundesregierung zur Zeit, ob in solchen Fällen nicht neben der Kooperation auch der Zusammenschluß von Unternehmen zu größeren, wettbewerbsfähigeren Einheiten gefördert werden sollte. Das geht also, wie ich soeben schon sagte, bis ins eigentliche Wettbewerbsrecht und in die Wettbewerbspolitik hinein. Bundesminister Dr. Schiller Ich möchte aber hinzufügen: kleine und mittlere Unternehmen, die sehr stark sein können, werden auch in Zukunft auf den für sie geeigneten Märkten eine bedeutende und notwendige Rolle spielen. Ja — das kann man wohl prophezeien —, es werden gerade im Zuge des weiteren technologischen Fortschritts und einer weiterentwickelten Arbeitsteilung in unserer Gesamtwirtschaft besonders in den Zulieferindustrien und in der Weiterverarbeitung dauernd solche Märkte neu entstehen, auf denen kleine und mittlere Unternehmen sich entwickeln, sich ausbreiten und in größerer Zahl auftreten können. Das Ganze ist nicht einfach auf die Formel zu bringen, technologischer Fortschritt sei nur mit Giganten zu erreichen. Das ist eine gegenseitige Ergänzung. Aber hier muß natürlich politisch die Lage aufmerksam geprüft und entsprechend gehandelt werden. Zu Frage I 2. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß eine Strukturpolitik gegen den Markt — das ergab sich schon aus meinen Vorbemerkungen — nicht nur die Stabilität des Preisniveaus gefährden würde, sondern auch besondere Wachstumsverluste mit sich brächte. Die sektorale Strukturpolitik muß eben Bestandteil einer Wirtschaftspolitik ,aus einem Guß sein, und diese Wirtschaftspolitik muß sich in erster Linie darauf richten, die Funktionsfähigkeit des marktwirtschaftlichen Prozesses zu sichern und zu fördern. Die Bundesregierung gibt daher der Strukturwandlung und der strukturellen Anpassung der Unternehmen durch den Wettbewerb grundsätzlich den Vorrang vor anderen Mitteln und anderen Wegen. Damit fördert sie den Strukturwandel, aber auch die Marktwirtschaft. Das schließt allerdings ein, daß in außergewöhnlichen Lagen mit besonders schwerwiegenden gesellschaftlichen und regionalen Anpassungsproblemen die Anpassung selbst, die vom Markte her erzwungen wird, sozial abgestützt und zeitlich so bemessen werden muß, daß bruchartige Entwicklungen mit unvertretbaren Folgen für die Gesamtwirtschaft verhindert werden. Bei derartigen schmerzhaften Anpassungsvorgängen ist es immer dieselbe Aufgabe, 'daß wir drohende steile Abstürze oder krasse Sprünge in den Quanten in gleitende Übergänge verwandeln. Wenn wir das tun, steile Abstürze vermeiden und gleitende Übergänge in den Strukturwandlungen herstellen, dann dient eine solche Strukturpolitik übrigens auch der Sicherung des marktwirtschaftlichen Prozesses. Würde man nämlich bruchartige Erschütterungen zulassen, würde sicherlich der hochempfindliche marktwirtschaftliche Prozeß überfordert werden und an diesen Stellen nicht mehr gedeihlich funktionieren. Nun zu den Fragen I 3 und 1 3 a. Die Konferenz der Länderwirtschaftsminister hat am 2. November vorigen Jahres die Grundsätze der sektoralen Strukturpolitik beraten und ihnen zugestimmt. Bei diesen Beratungen ist eine Neufassung der Grundsätze entstanden, die sich inhaltlich von dem ursprünglichen Wortlaut kaum unterscheidet. Dabei zeigten sich die Wirtschaftsminister der Länder den strukturpolitischen Vorstellungen der Bundesregierung gegenüber aufgeschlossen und positiv. Auch mit den Spitzenorganisationen der Wirtschaft und dem Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes wurden diese Grundsätze mehrmals erörtert. Auch hier läßt sich ohne Einschränkung feststellen, daß jenes Konzept der Bundesregierung weitgehende Zustimmung findet. Die Wirtschaftsverbände haben 'die Notwendigkeit und die Qualität einer verstärkten strukturpolitischen Aktivität der Bundesregierung anerkannt; sie sind bereit, konstruktiv mitzuwirken. Wir werden diese Gespräche fortsetzen. Zu Frage I 3 b. Die Bundesregierung ist im Bereich der Arbeitsmarktund Sozialpolitik bemüht, die Arbeitnehmer besser in den Stand zu setzen, sich in der Zukunft strukturellen Veränderungen anzupassen. Sie muß dafür sorgen, daß für Arbeitnehmer, die im Sturkturwandel ihren bisherigen Arbeitsplatz verlieren, rechtzeitig neue Arbeitsplätze bereitgestellt werden, auch temporäre Arbeitsplätze; denn auch der Aufbau von neuen Arbeitsplätzen bedeutet ja schon Beschäftigung für diejenigen, die bisher an Arbeitsplätzen tätig waren, die durch Strukturwandlungen nun nicht mehr besetzt werden können. Die Bundesregierung hat deshalb, wie Sie alle wissen, meine Damen und Herren, den Entwurf eines Arbeitsförderungsgesetzes vorgelegt. Dieses Gesetz soll mehr 'als bisher durch aktive beschäftigungspolitische Maßnahmen — im Gegenatz zu dem früheren Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung — rechtzeitig drohende oder mögliche strukturelle Arbeitslosigkeit verhindern oder sie zu überwinden helfen. Um diese Ziele zu erreichen, wird in dem Entwurf ein System zur Förderung der beruflichen Bildung vorgeschlagen; es sind Beihilfen, Kostenerstattungen und eine intensivierte Berufsausbildung und -fortbildung sowie Umschulung vorgesehen. Meine Damen und Herren, beruflicher Aufstieg, Anpassung an veränderte berufliche Anforderungen sowie Vorbereitung und Umschulung auf neue Berufe stehen alle gleichrangig nebeneinander. Hierbei geht die Bundesregierung von der Überlegung aus, daß 'die Berufstätigen in Zukunft ihren ursprünglich erlernten Beruf mehr als heute wechseln müssen. Das soll aber nicht Heimatlosigkeit oder soziales Herumwandern bedeuten, sondern dieser Übergang von dem einen zum anderen erlernten Beruf muß erleichtert werden, und es muß Sicherheit gegeben werden. Schon heute ist nach Angaben des Statistischen Bundesamtes etwa ein Drittel der erwachsenen Berufstätigen nicht mehr in dem Berufe tätig, den sie in ihrer Jugend erlernt haben. Meine Damen und Herren, neben den einzelnen Beschäftigten können auch die überbetrieblichen Einrichtungen der Wirtschaft, die der Fortbildung und Umschulung dienen, wie Sie wissen, Hilfen in Form von verbilligten Darlehen und Zuschüssen erhalten. Durch rechtzeitige Orientierung und Beratung sollen die Arbeitnehmer in Zukunft eben mehr als bisher in die Lage versetzt werden, ihren Lebensweg auch über verschiedene Stationen hinweg selbst zu planen. Dazu gehört, daß die Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt und in der Bundesminister Dr. Schiller Berufsstruktur soweit wie möglich transparent, für alle überschaubar, gemacht werden. Dazu brauchen wir leider auch wieder die Statistik. Die Bundesregierung wird deshalb die Beschäftigungsstatistik ausbauen und den modernen berufspolitischen Anforderungen anpassen. Die Bemühungen um eine bessere Anpassungsfähigkeit der Berufstätigen sollen nach dem von mir erwähnten Gesetzentwurf durch Finanzierungshilfen zur Schaffung neuer Arbeitsplätze ergänzt werden. Die Bundesanstalt für Arbeit wird also in Zukunft mehr als bisher Aufgaben im Rahmen der sektoralen und regionalen Strukturpolitik zu erfüllen haben. Wie wir alle wissen, meine Damen und Herren, sind gerade auf dem Gebiet der Energiepolitik bei den strukturpolitischen Bemühungen der Bundesregierung die sozialen Probleme, die Probleme des Menschen im Kohlenbergbau von ganz besonderer Bedeutung. Ich glaube, ich habe schon mehr als einmal hier in diesem Raume gesagt, daß, wenn es notwendig ist, durch Anpassungsvorgänge das dekapitalisierte Kapital zu entschädigen, dann auch im gleichen Schritte die menschliche Arbeitskraft, die bisher im Bergbau tätig war, unorthodox entschädigt werden muß. Beides muß Hand in Hand gehen. Deshalb sind im Zusammenhang mit den neuen Entwürfen und auch den neuen Beschlüssen hier in diesem Hohen Hause die Entschädigung bei Feierschichten und vor allem das Abfindungsgeld für Bergleute, die aus dem Bergbau ausgeschieden sind, zu erwähnen. Die Außenhandelspolitik hat natürlich die strukturelle Anpassung einer Wirtschaft an die neuen Gegebenheiten und das Weiterschreiten der Wirtschaft auf dem Wege des Fortschritts zu berücksichtigen. Diese Außenhandelspolitik hat eine besondere Bedeutung; denn durch sie muß die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft insgesamt entscheidend bestimmt werden. Die Bundesregierung wird grundsätzlich an ihrer freiheitlichen Außenwirtschaftspolitik festhalten. Ich sage das mit besonderem Nachdruck. Wir werden diese Politik einer liberalen Außenhandelsund Außenwirtschaftsgestaltung weiterführen, obwohl wir jetzt in anderen Ländern der Welt leider vor einer neuen Welle des Protektionismus stehen. Wie wir wissen, hat der weltweite Zollabbau, der durch die großartige Vision der Kennedy-Runde eingeleitet und schließlich auch vereinbart wurde, jetzt in manchen Ländern eine Gegenbewegung entfacht, durch die die großen Ergebnisse der Kennedy-Runde wieder verkleinert werden sollen. Wir werden unseren Kurs des weltweiten Zollabbaus, des Abbaus der Handelshemmnisse nach wie vor beachten und in unserer Politik durchführen. Im übrigen wird die Bundesregierung prüfen, mit welchen Mitteln sie auch in der Außenhandelspolitik zur Lösung der Strukturprobleme beitragen kann. Sie wird auch prüfen, wie sie die Probleme besser lösen kann, die sich aus der Intensivierung der internationalen Arbeitsteilung ergeben. Meine Damen und Herren, wir alle in diesem Hause wissen ganz genau, daß Probleme entstehen, wenn überseeische Entwicklungsländer in ihren Industrialisierungsbemühungen — zwangsläufig — danach trachten, daß Standorte hiesiger Industrien an die Peripherie der Weltwirtschaft wandern. Damit treten in bestimmten hiesigen Industrien, die dort als Basisindustrien der Industrialisierung von Entwicklungsländern angesehen werden, Schwierigkeiten auf. Diese Strukturfragen werden uns bei der Intensivierung der internationalen Arbeitsteilung in Zukunft besonders beschäftigen. Strukturpolitisch erwünschte Anpassungsvorgänge im Unternehmensbereich sollten durch steuerliche Bestimmungen nicht behindert, sondern eher gefördert werden. Schon mit der Einführung des § 6 b des Einkommensteuergesetzes wurden die Rationalisierung und die Strukturanpassung in vielen Fällen erleichtert: Veräußerungsgewinne können unter bestimmten Voraussetzungen steuerfrei auf Neuinvestitionen übertragen werden. Hemmnisse für eine Geschäftsaufgabe kleiner und mittlerer Unternehmen im Zuge eines bestimmten Prozesses werden zudem dadurch gemildert, daß in § ,16 des Einkommensteuergesetzes ein Freibetrag von 20 000 DM — bisher gab es eine Freigrenze von 10 000 DM -bei Besteuerung von Gewinnen aus Betriebsveräußerungen zugestanden wurde. In dem Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung und Gesundung des deutschen Steinkohlenbergbaus und der deutschen Steinkohlenbergbaugebiete ist aus dieser Überlegung heraus ebenfalls vorgesehen, die Übertragung von Gewinnen aus Veräußerungen von Bergbauvermögen zu begünstigen. Das spielt eine besondere Rolle bei bestimmten privatwirtschaftlichen Lösungen des Kohleproblems. Für uns ist ein vorrangiges Ziel die Fusionierung der Unternehmen zu optimalen Unternehmenseinheiten, wie es in dem Entwurf des Kohleanpassungsgesetzes formuliert ist, oder die Fusionierung zu einer Gesamtgesellschaft, wie es hier am 8. November von allen Seiten des Hauses gefordert wurde. Meine Damen und Herren, auch in anderen Bereichen werden strukturpolitisch erwünschte Vorgänge wie der Wechsel von Unternehmensformen, insbesondere die Umwandlung von Personenunternehmen in Kapitalgesellschaften und die Fusion, durch steuerrechtliche Bestimmungen immer noch behindert. Die Bundesregierung beabsichtigt deshalb, Anfang dieses Jahres einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die im Bereich des Steuerrechts noch bestehenden Hemmnisse mildert oder erleichtert, soweit die Zuständigkeit des Bundes gegeben ist. Auch mit den Ländern muß Verbindung aufgenommen werden, weil deren Gesetzgebungskompetenz ebenfalls angesprochen ist, und das hat die Bundesregierung getan. Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Friderichs? Ja. 7608 • Herr Bundesminister, darf ich Sie fragen, ob mit der Vorlage des Entwurfs erst Anfang kommenden Jahres zu rechnen ist oder ob dieser Entwurf so rechtzeitig verabschiedet werden kann, daß er spätestens per I. Januar 1969 in Kraft und wirksam ist. Herr Abgeordneter, ich bedanke mich für Ihre große Aufmerksamkeit. Sie haben völlig recht. Ich stimme Ihnen darin zu, daß dieses Ziel, das Sie soeben angedeutet haben, erreicht werden sollte. Im übrigen kommt es dem Bundeswirtschaftsministerium auch darauf an, in Zusammenarbeit mit der Kreditwirtschaft und den Wirtschaftsverbänden die Mobilität des Kapitals zu verbessern. Bei der Kredithergabe, insbesondere an kleinere und mittlere Unternehmen, soll dort, wo ausreichende dingliche Sicherheiten nicht vorhanden sind, mehr als bisher die Ertragskraft der Unternehmen zur Beurteilung der Kreditwürdigkeit berücksichtigt werden. Im übrigen haben wir einen allgemeinen Beitrag zur Erhöhung der Mobilität des Kredits und des Kapitals geleistet, nämlich durch die Zinsfreigabe vom 1. April vorigen Jahres, die ja zu einem erheblichen Wettbewerb der Banken untereinander geführt und damit sicherlich die Mobilität des Kredits auch gerade für die mittleren und kleineren Betriebe und Kreditnehmer erhöht hat. Nun zur Frage I 3 c. Ich habe hier schon, das Arbeitsförderungsgesetz erwähnt. Ein wichtiger Bestandteil ,dieses Entwurfs ist die Gewährung eines Schulungsgeldes. Das ist bereits vom Bundestag vorgezogen worden und im Rahmen des 7. Änderungsgesetzes zum Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung am 1. April 1967 in Kraft getreten. Darüber hinaus wird die Bundesregiernug dem Bundestag zur Beseitigung der steuerrechtlichen Anpassungshemmnisse einen Gesetzentwurf vorlegen. Als strukturpolitisches Sondergesetz von höchster Wichtigkeit hat die Bundesregierung das schon erwähnte Gesetz zur Anpassung und Gesundung des Deutschen Steinkohlenbergbaus eingebracht, das mit den bekannten Vorschriften zugleich ein Gesetz zur Gesundung der Steinkohlenreviere darstellt. Zur Frage I 4. Die Forderung, Hilfen des Bundes, also Subventionen, zeitlich zu begrenzen oder im Zeitablauf degressiv zu gestalten, ist in dem bekannten § 12 des Stabilitätsund Wachstumsgesetzes ausdrücklich niedergelegt. Hier wird die Vorlage eines Subventionsberichtes vorgeschrieben, in dem die Finanzhilfen nach Erhaltungs-, Anpassungs und solchen Hilfen zu gliedern sind, die der Förderung des Produktivitätsfortschritts dienen. Den ersten Ansatz zu einem Subventionsbericht, gegliedert nach diesen drei Gesichtspunkten, haben Sie vom Bundesfinanzminister bekommen. Auch in dem Entwurf des Kohlegesundungsgesetzes wird dem Grundsatz der zeitlichen Begrenzung und der Degression der Finanzmittel Rechnung getragen. Alle unsere Überlegungen, sowohl in der Gesetzgebung, jetzt auch im Wirtschaftsausschuß, wie auch in den Verhandlungen über eine privatwirtschaftliche Lösung stehen unter dem Gesichtspunkt, in absehbarer Zeit im Bereich der Kohlesubventionen eine Degression herbeizuführen; sonst wäre alles das, was wir vorhaben, keine Lösung. Schwieriger wird es natürlich sein, bereits früher gesetzlich oder durch rechtlichen Vertrag beschlossene Hilfen nachträglich zeitlich zu befristen oder degressiv zu gestalten. Besitzstände gibt es auch da. Sie werden, ob sie heute noch in vollem Umfange gerechtfertigt sind oder nicht, erfahrungsgemäß auf allen Gebieten meist bis aufs äußerste verteidigt. Sehr oft werden — das wissen wir aus der Vergangenheit — Anpassungssubventionen eben Erhaltungssubventionen. Wo es jedoch rechtlich irgendwie möglich und sachlich auch geboten ist, wird die Bundesregierung bemüht sein, auch bereits früher beschlossene Finanzhilfen nach diesen Grundsätzen neu zu gestalten. Zur Frage I 5: Die Bundesregierung hat ihre Haushaltspolitik im Rahmen der mehrjährigen Finanzplanung auch an strukturpolitischen Zielen orientiert. Sie wissen das aus der Debatte und aus den Unterlagen vom September zur mittelfristigen Finanzplanung. Am deutlichsten kommt das darin zum Ausdruck, daß die Bundesregierung in dieser Finanzplanung bis 1971 einen überproportionalen Anstieg der investiven Ausgaben im Bundeshaushalt vorgesehen hat. Sie wissen auch, daß bei einer durchschnittlichen Zuwachsrate für die Bundesausgaben von rund 6 % pro Jahr ein überdurchschnittlicher Prozentsatz der Zunahme von Jahr zu Jahr für das Gebiet von Wissenschaft und Forschung vorgesehen ist, nämlich von plus 16 %. Das entspricht genau den strukturpolitischen Absichten und den strukturpolitischen Erfordernissen, die, glaube ich, in diesem Hause von allen Seiten verteidigt werden. Nun zu den Fragen zu II, zur regionalen Strukturpolitik. Zwischen sektoraler Strukturpolitik und regionaler Wirtschaftspolitik bestehen natürlich enge wechselseitige Beziehungen. Beide können, wie man so schön sagt, nur im Rahmen einer Gesamtkonzeption erfolgreich praktiziert werden. Die Bundesregierung hat deshalb unmittelbar nach der neuen Formulierung von Grundsätzen der sektoralen Strukturpolitik auch Grundsätze der regionalen Wirtschaftspolitik vorbereitet. Diese Grundsätze mußten zunächst sehr eingehend mit den Ländern beraten werden. Nach Abstimmung in einer Konferenz der Länderwirtschaftsminister erklären nunmehr Bund und Länder ihre Absicht, diese Grundsätze einzuhalten und auf ihre Beachtung hinzuwirken. Die Grundsätze der Regionalpolitik stehen im Einklang mit all den Gedanken, die ich Ihnen im Zusammenhang mit den sektoralen Problemen vortragen durfte. Ihr Ziel ist wie immer die Steigerung der Wirtschaftskraft in bestimmten Räumen der Bundesrepublik. Diesem Ziel dienen neben dem Ausbau der Infrastruktur Investitionsanreize für die Errichtung oder den Ausbau leistungsfähiger privater Betriebe, die sich in überschaubarer Zukunft im Bundesminister Dr. Schiller Wettbewerb behaupten können. Dauersubventionen kommen auch für die Regionalpolitik nicht in Betracht. Im besonderen Maße ist hier die Frage der Koordinierung bedeutsam, sowohl der Koordinierung zwischen dem Bund und den Ländern wie auch der Abstimmung zwischen den Mitgliedstaaten der EWG und zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten der EWG. Wir alle kennen die schwierigen Zusammenhänge zwischen Sektorenpolitik und regionaler Wirtschaftspolitik in den Gebieten, in denen ein Wirtschaftszweig dominant ist, wie man auch sagt: in den Gebieten mit Monostruktur. Hilfen für die notwendige Umstrukturierung sollen so weit wie möglich — das ist, glaube ich, auch ganz selbstverständlich — vorbeugender Natur sein. Werden jedoch monostrukturierte und wirtschaftsschwache Räume von Strukturwandlungen von der Branche her stark betroffen, so müssen die Anpassungsmaßnahmen allesamt durch Maßnahmen der regionalen Wirtschaftspolitik erleichtert und ergänzt werden. Der strukturelle Anpassungsprozeß, etwa die Rückbildung eines Wirtschaftszweiges, muß zeitlich mit der Ansiedlung von Ersatzbetrieben oder der Expansion ansässiger Betriebe abgestimmt sein, damit negative Rückwirkungen auf die Gesamtbeschäftigung in diesen Räumen vermieden werden. Aber ich sage noch einmal: bei diesen Ersatzbetrieben, Ersatzindustrien geht es auch darum — und das ist von Bedeutung —, daß schon der Aufbau dieser Ersatzindustrien Arbeitsplätze für die von der Anpassung betroffenen Arbeitskräfte in den alten Wirtschaftszweigen anbietet. Ich erwähne in diesem Zusammenhang noch einmal unseren Entwurf eines Kohlegesundungsund -anpassungsgesetzes. Meine Damen und Herren, Sie wissen auch, daß in diesem Gesetzentwurf, der sich in erster Linie auf die Kohle und die Steinkohlenbergbaureviere bezieht, eine zehnprozentige Investitionsprämie für Neuinvestitionen in den Revieren vorgesehen ist, die mit der Kohle als solcher gar nichts zu tun hat, sondern sich gerade auf NichtKohle-Wirtschaftszweige bezieht und die der Umstrukturierung und der Branchenverbreiterung jener Räume dienen sollen. Zu II 2. Die Richtlinien für das regionale Förderungsprogramm der Bundesregierung enthalten schon seit längerem Bestimmungen, die alle darauf abzielen, daß auch die regionale Strukturpolitik an den Kriterien der wirtschaftlichen Effizienz orientiert ist. So wird die Finanzierung aus öffentlichen Mitteln so bemessen, daß sie einen Investitionsanreiz gibt, aber eine erhebliche und beachtliche Eigenbeteiligung der Unternehmer sicherstellt. Auf diese Weise — durch die Beteiligung des privaten Risikos der Unternehmer und des Bankenobligos — lassen sich Fehlinvestitionen weitgehend vermeiden. Der Wert solcher Bedingungen hat sich gerade in der Zeit der Rezession dadurch bestätigt, daß Stillegungen bei den mit Bundesmitteln geförderten Betrieben in nennenswertem Umfang nicht zu verzeichnen waren. Noch einmal: Dauersubventionierungen oder -sanierungen kommen im Rahmen der regionalen Wirtschaftsförderung nicht in Betracht. Im übrigen wird durch eine gewisse regionale Konzentrierung der Ansiedlungshilfen für Industriebetriebe an bestimmten Punkten in den Regionen gewährleistet, daß die industriebedingte Infrastruktur in besonders rationeller Weise begünstigt und genutzt werden kann. Hier versuchen wir, durch eine gezielte Regionalpolitik den altbekannten Agglomerationseffekt bei der Standortwahl und hei der Standortkonzentration ebenfalls zu entfachen und zu nutzen. Für den Bund selbst sind in einem Interministeriellen Ausschuß für Raumordnung Leitvorstellungen beschlossen worden mit dem Ziel, die Bundeshilfen schwerpunktmäßig für die Industrieansiedlung zu fördern und zu konzentrieren. Für die Sondersituation Berlins und des Zonenrandgebietes ergeben sich natürlich spezielle Akzente bei der regionalen Wirtschaftspolitik. Es darf auch in diesen Räumen nicht darum gehen, die traditionelle Wirtschaftsstruktur um jeden Preis aufrechtzuerhalten. Gerade in Berlin und im Zonenrandgebiet kommt es vielmehr darauf an, daß ein moderner, leistungsfähiger und vielfältiger Produktionsapparat für die Lebensfähigkeit der Wirtschaft arbeiten kann. Der Entwicklungsstand der Berliner Wirtschaft und das Verhalten der Berliner Wirtschaft haben übrigens gerade in der Rezession in den vergangenen anderthalb Jahren gezeigt, daß der Prozeß der strukturellen Vervielfältigung in Berlin erfreulicherweise Fortschritte gemacht hat, so daß die Rückwirkung der Rezession in jener großen Stadt — der größten Industriestadt der Bundesrepublik — im Vergleich zu manchen Städten mit Monostruktur zwar auch nicht schön, aber doch wenigstens erträglicher war als etwa in jenen Gebieten, von denen ich vorhin gesprochen habe. Es gilt in diesen Gebieten, in Berlin und im Zonenrandgebiet, insbesondere natürlich mit den Nachteilen der Standortferne fertig zu werden und auch mit jenen Problemen, die durch die Integration der Bundesrepublik in den größeren Gemeinsamen Markt aufgeworfen werden. Denn immer mehr werden damit das Zonenrandgebiet und Berlin im Rahmen des Gemeinsamen Marktes periphere Gebiete. und sie werden damit vor besondere Probleme gestellt. Aber auch bei diesen Hilfen für jene Gebiete ist immer erneut zu prüfen, ob ihre Notwendigkeit auch im Einzelfall noch bejaht werden kann und ob die Gewährung solcher Hilfen nicht Strukturwandlungen verlangsamt oder hemmt, die sich später dann, wie wir alle wissen, mit. um so größerer Wucht und mit entsprechenden Härten vom Markt her durchsetzen. Zur Frage II 3. Die regionale Wirtschaftsförderung ist auch Gegenstand der Vorschläge und der schwierigen Verhandlungen zur Finanzverfassungsreform. -Wir sind der Meinung und ich glaube, wir kommen da insgesamt zu einem Ergebnis —, daß die regionale Wirtschaftsförderung nach dem Finanzreformprogramm der Bundesregierung künftig als Gemeinschaftsaufgabe erfüllt werden soll, soweit diese Maßnahmen „zur Beseitigung wesentlicher Unterschiede in den Lebensverhältnissen im BundesgeBundesminister Dr. Schiller biet erforderlich sind". Die Ministerpräsidenten der Länder haben im Grundsatz der Aufnahme dieser Gemeinschaftsaufgabe in das Grundgesetz zugestimmt. Das wäre also, wie Sie alle wissen, nach dem Hochschulbau die zweite Gemeinschaftsaufgabe, die von den Ländern akzeptiert wird. Die dritte versteht sich beinahe von selbst; das ist natürlich die Agrarstrukturpolitik. Hinsichtlich eines wichtigen Teils der regionalen Wirtschaftspolitik kann auf diese Weise dann ein verfassungsmäßig geregeltes Verfahren für das Zusammenwirken von Bund und Ländern geschaffen und damit auch natürlich die regionalpolitische Zusammenarbeit vertieft werden. Meine Damen und Herren, das Bundeswirtschaftsministerium selbst ist schon lange bemüht, die regionale Wirtschaftsförderung zwischen den Ländern und im Verhältnis der Länder zum Bund zu koordinieren. Ziel ist es, einheitliche Kriterien zu beachten, wobei den Bundesfördergebieten die höchste Förderungspriorität eingeräumt werden soll. Insbesondere soll in Zukunft ausgeschlossen werden, daß durch rivalisierende Programme das wirtschaftliche Gefälle zwischen einzelnen Regionen in der Bundesrepublik noch vergrößert wird. Alle diese Bemühungen — ich gestehe es freimütig — kamen bisher nur langsam, sehr langsam voran, weil die Länder ihre nach dem Grundgesetz gegebene unmittelbare Zuständigkeit für die regionale Wirtschaftsförderung bisher nicht eingeschränkt wissen wollten. Wir haben vom Bundeswirtschaftsministerium den Ländern schließlich ein Abstimmungsverfahren vorgeschlagen, das sich zunächst nur auf die Hilfen für die Industrieansiedlung ab einer bestimmten Größenordnung und in bestimmten Räumen erstreckt. Die Zustimmung der Länder zu diesem speziellen Vorschlag steht noch aus. Aber die Länder haben, wie ich schon sagte, inzwischen wenigstens den Grundsätzen der regionalen Wirtschaftspolitik zugestimmt. Nun zur Frage II 4: Während es Anfang der fünfziger Jahre in erster Linie darauf ankam, in bezug auf die industrielle Expansion neue Arbeitsplätze zu schaffen und den Produktionsapparat auszubauen, ist nun nach Erreichung eines hohen Beschäftigungsstandes — wenn wir einmal von der Rezession absehen — die Rationalisierung und Modernisierung unseres Produktionsapparats zunehmend in die Förderung einbezogen worden. In den Richtlinien für das Programm 1968 werden auch die Strukturprobleme bestimmter Branchen durch die Gewährung von Umstellungskrediten an gewerbliche Produktionsbetriebe ausdrücklich berücksichtigt. Den Erfordernissen entsprechend wird der Anteil dieser Umstellungshilfen am Gesamtvolumen in Zukunft noch erhöht werden, wobei insbesondere im Zonenrandgebiet für wichtige Fälle nach wie vor ausreichend Mittel auch gerade für die Rationalisierungsvorhaben zur Verfügung stehen. Nun zum letzten Punkt, zu Frage III. Die Zusammenarbeit mit den Brüsseler Dienststellen und den zuständigen Gremien des Rates auf dem Gebiet der sektoralen Strukturpolitik und der regionalen Politik kann im großen und ganzen als gut bezeichnet werden. Im ersten Programm für die mittelfristige Wirtschaftspolitik der EWG wurden in den Kapiteln sektorale Strukturpolitik und regionale Wirtschaftspolitik die Grundsätze der Bundesregierung in vollem Umfang berücksichtigt. Wir können sogar feststellen: Die strukturpolitischen Überlegungen der EWG-Kommission stimmen im Kern mit allen unseren Grundsätzen weitgehend überein. So können wir in dieser Beziehung sagen: Das sind gute Ergebnisse. Auch in dem bisherigen Entwurf für das zweite Programm der mittelfristigen Wirtschaftspolitik decken sich die Aussagen über die sektorale und regionale Strukturpolitik mit den Vorstellungen der Bundesregierung. Hier werden gemeinsame Überlegungen neben den allgemeinen Überlegungen zu den speziellen Problemen einzelner Bereiche angestellt, so über die elektronische Industrie, über den Schiffbau und über die Textilwirtschaft. Dieses bisherige Ergebnis läßt hoffen, daß auch in Zukunft Bonn und Brüssel strukturpolitisch am gleichen Strang ziehen. Die auf der EWG-Ebene im Rahmen der Gemeinschaften also deutlich gewordene Übereinstimmung in der Sache über strukturpolitische Leitlinien sollte bewirken, daß alle Mitgliedstaaten ihre eigene Politik nun auch zunehmend an diesen gemeinschaftlichen Vorstellungen orientieren. Meine Damen und Herren, ich muß allerdings offen bekennen und das ist der Abschluß --: Es darf nicht verhehlt werden, daß im Ministerrat in Brüssel vor einiger Zeit von bestimmter Seite die rein und absolut nationale Zuständigkeit für Regionalpolitik sehr nachdrücklich betont wurde. Ich glaube, damit habe ich mich auch in dieser Hinsicht so deutlich und so höflich wie möglich ausgedrückt. Das Wort hat der Abgeordnete Junghans. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion begrüßt es sehr, daß der Deutsche Bundestag Zeit gefunden hat, auf Grund der Großen Anfrage der CDU/CSU die drängenden Fragen der sektoralen und regionalen Strukturpolitik zu debattieren. Es wurde von Mitgliedern dieses Hauses außerhalb dieses Hauses die Frage gestellt, ob es denn möglich sei, für die Strukturpolitik Zeit zu haben. Ich meine, die heutige Debatte und die Erklärung des Herrn Bundeswirtschaftsministers sowie die bisherigen Überlegungen in seinem Haus zeigen sehr deutlich, daß es möglich ist, diese Zeit zu haben. Die SPD hat im November 1966 zu den Aufgaben der neuen Bundesregierung in dem bekannten AchtPunkte Programm Leitsätze aufgestellt. Dort heißt es unter Punkt 5, Wirtschaftspolitik: Durch sofort einzuleitende Maßnahmen muß der deutschen Wirtschaft die Möglichkeit geschaffen werden, in einen neuen Aufschwung Junghans einzutreten, damit in Zukunft Stabilität. und Wachstum gleichermaßen gesichert sind. Diese Möglichkeiten sind im vergangenen Jahr unter dem Bundeswirtschaftsminister Professor Schiller geschaffen worden. Weiter heißt es in dem Acht-Punkte-Programm: Die Bundesregierung wird ein detailliertes Programm der Strukturpolitik vorlegen und durchführen. Die Anpassung einiger Wirtschaftszweige an neue Marktverhältnisse muß gefördert werden. Umstellungsschwierigkeiten müssen gemildert werden. Bisher benachteiligte oder durch Strukturwandlungen bedrohte Wirtschaftsgebiete müssen durch eine zielbewußte Regionalpolitik an das zukünftige Wachstumstempo der Gesamtwirtschaft herangeführt werden. Damit haben wir Sozialdemokraten ganz klar gesagt, daß wir keine Alternative zwischen einer volkswirtschaftlichen Rahmenplanung und einer gesamtwirtschaftlichen Steuerung auf der einen Seite und der Strukturpolitik auf der anderen Seite sehen. Globalsteuerung und Strukturpolitik stehen in einem fruchtbaren Wirkungszusammenhang. Beide ergänzen sich, beide erst geben ein geschlossenes wirtschaftspolitisches Konzept. Die Wirtschaftspolitik kann nicht einseitig auf die Globalpolitik oder die Strukturpolitik verzichten. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion mißt deshalb der Entschließung des Deutschen Bundestages vom September 1967 zum zweiten Programm der Bundesregierung für besondere konjunktur und strukturpolitische Maßnahmen, Drucksache 2105, nach wie vor besondere Bedeutung bei. Es heißt dort unter den Punkten 5 und 6: 5. Der Bundestag begrüßt die in dem Programm vorhandenen Ansätze zur strukturellen Förderung der Bergbauund Fördergebiete, ersucht aber die Bundesregierung, ein strukturpolitisches Programm sowohl für die Überwindung des großen Nachholbedarfs in der wirtschaftlichen Infrastruktur als auch im Hinblick auf strukturpolitische und gesellschaftspolitische Ziele zu entwickeln; dementsprechend wird die Bundesregierung aufgefordert, mit diesem Programm auch die dem Bund zur Verfügnug stehenden strukturpolitischen Instrumente und deren Wirkung darzulegen. 6. Die Bundesregierung wird ersucht, in strukturschwachen Gebieten besondere Anstrengungen zu unternehmen, um eine ausgeglichene Wirtschaftsstruktur in allen Regionen zu erreichen. Man sollte sich deshalb nicht schlechthin gegen eine Globalsteuerung der Volkswirtschaft wenden; denn das hieße das Kind mit dem Bade ausschütten, das hieße der Herr Bundeswirtschaftsminister hat das betont, ich möchte das noch einmal eindringlichst unterstreichen -an Stelle der Globalsteuerung ein immer ausgeprägteres dirigistisches und interventionistisches Steuerungssystem einzuführen. Ich möchte in diesem Zusammenhang ergänzen, weil auch das nicht nur von historischem Interesse ist, daß auch Staatssekretär a. D. Professor MüllerArmack bei der Abwägung der Frage, ob der Strukturpoltik bei der Überwindung der Rezession ein Vorrang einzuräumen sei, seine Meinung gegenüber der Veröffentlichung im Mai 1967 entscheidend revidiert hat. Herr Kollege Müller-Hermann, hier ist zu begrüßen, daß die Zeit auch eine entscheidende Vertiefung der Erkenntnisse mit sich gebracht hat. Noch im Mai 1967 sagte Müller-Armack — ich zitiere wörtlich —; So schwierig es sein mag, die Wirtschaftspolitik muß sich gegenwärtig von ihrer Globalbetrachtung lösen und diesen konkreten Einzelproblemen im Rahmen — d. h., er hat es vorher ausgeführt, der Strukturpolitik —einer Gesamtkonzeption zuwenden. Er hat dann in einer langen Liste die strukturschwachen Bereiche aufgeführt; ich will Sie damit nicht langweilen. Das fängt an bei der Baumaschinen-, Landmaschinen-, Schiffsbauund Elektroindustrie und geht hin bis zum Brückenbau usw. Wer diese Liste gelesen hat, hat sich nur fragen können, was denn noch an anderen Wirtschaftsbereichen übrigbleibt. Im Sommer des vorigen Jahres schränkte MüllerArmack seine These dagegen entscheidend ein. Er sagte dort — und das finde ich bemerkenswert, auch hinsichtlich der Erkenntnisse, die sich aus dem zeitlichen Ablauf der Planung und Globalsteuerung ergeben haben —: Die Strukturprobleme belasten gegenwärtig die Globalsteuerung und bringen sie um ihren Erfolg. Das ist noch die Einschränkung. Er sagt aber dann weiter: Ihre Lösung darf jedoch keineswegs mit der trügerischen Hoffnung verbunden werden, daß nun die Gesamtnachfrage von selbst wieder läuft. In Ergänzung hierzu eine Äußerung von Fritz Berg vom September 1967, die ich dem Hohen Hause nicht vorenthalten möchte. Fritz Berg sagte damals: Unsere Wirtschaft ist im Grunde gesund. Die gegenwärtig verbreitete Unterbeschäftigung von technisch guten Produktionskapazitäten ist meiner Ansicht nach kein Strukturproblem. Sie geht nämlich — von einigen wenigen Stellen abgesehen — nicht auf eine Schrumpfung der Nachfrage aus strukturellen Gründen zurück. Zusammengefaßt, meine Damen und Herren, zu diesem Problem Globalsteuerung oder Strukturpolitik heißt das doch: Wo nichts ist, hat der Kaiser sein Recht verloren. Oder: Wenn es keine Belebung, kein Wachstum in der Gesamtnachfrage gibt, führen strukturpolitische Maßnahmen ebenfalls zu nichts. Auf der Nullinie — wie der Herr Bundeswirtschaftsminister es immer ausdrückt — geht das eben nicht zu machen. Junghans Das, meine Damen und Herren, zum allgemeinen Teil der Antwort des Herrn Bundeswirtschattsministers, mit dem wir, wie Sie unschwer erkennen, in dieser Frage übereinstimmen, sogar theoretisch. Ich will zu den Antworten des Herrn Bundeswirtschaftsministers nicht wiederholen, was er dort ausgeführt hat und worin wir im wesentlichen übereinstimmen. Es geht mir aber um einige Punkte, wo wir Ergänzungen anzubringen haben. Einige Fraktionskollegen werden nach meinen grundsätzlichen Ausführungen in dieser Runde nachher in weiteren Runden noch zu Detailfragen Stellung nehmen. Wir begrüßen die Absicht, die Entwicklung zukunftweisender, für das gesamtwirtschaftliche Wachstum wichtiger Produktionszweige zu fördern, die ohne staatliche Hilfe zu wenig oder nur zu langsam vorankämen. Gestatten Sie mir aber eine zusätzliche Bemerkung, Herr Bundeswirtschaftsminister, zu den Absichten der Bundesregierung, das durch Verminderung des Risikos usw. zu tun. Wir wünschen auch Maßnahmen in Zukunft, die den Graben zwischen Forschung und Anwendung zuschütten oder zum mindesten weitgehend überbrücken. Es kommt mir hier darauf an, der Bundesregierung zu sagen, daß solche Bemühungen nicht durch künstlich errichtete Ressortgrenzen erschwert werden dürfen. Oder ganz konkret gesagt: der technologische Fortschritt ist nicht eine einseitige Angelegenheit von Wissenschaft und Forschung, sondern gleicherweise eine Angelegenheit der Wirtschaftsund Sozialpolitik, nämlich auch der Konjunkturund Strukturpolitik. In diesem Zusammenhang bitte ich den Herrn Bundeswirtschaftsminister und die Bundesregierung, ihr Augenmerk verstärkt vor allem auch darauf zu richten — nämlich durch außenwirtschaftliche Anstrengungen —, daß nicht künstlich neue Strukturprobleme geschaffen werden. Wir haben leider einige unschöne Beispiele auch in unmittelbarer Nachbarschaft —, daß durch staatliche Subventionen anderer Länder solche Strukturprobleme bei uns entstehen. Ich denke hier an die sehr massive Subventionierung des Energiepreises im holländischbelgischen Raum, ich denke auch an andere Bereiche, z. B. die Textilindustrie und auch die Werftindustrie. Aber das soll keine vollständige Aufzählung sein. Wir meinen auch, daß das Schwergewicht in Zukunft von den Erhaltungssubventionen stärker zu den wachstumsorientierten Maßnahmen verschoben werden muß. Dazu gehört auch die Förderung der zwischenbetrieblichen Kooperation, die Intensivierung der Gemeinschaftsforschung, Verbreitung wichtiger Forschungsergebnisse, Intensivierung der Marktforschung, Errichtung regionaler Datenverarbeitungszentren, Schaffung gemeinsamer Standorte, Anregung gemeinsamer Werbekampagnen. Allerdings — der Herr Bundeswirtschaftsminister hat das schon aufgenommen —: bevor punktuelle Maßnahmen zur Erleichterung der Zusammenfassung zu größeren Unternehmenseinheiten erfolgen sollen, bitten wir die Bundesregierung dringend, ihre wettbewerbspolitischen Vorstellungen vorab zu entwikkeln. Man kann auf diesem Felde eben nicht dam sind die Marktmachtprobleme zu groß — den Teufel durch Beelzebub austreiben wollen, wenn nicht vorab die Wettbewerbspolitik des Bundes eindeutig geklärt ist. Wir begrüßen es auch, daß die Länder den strukturpolitischen Überlegungen des Bundes aufgeschlossen gegenüberstehen. Diese Aufgeschlossenheit reicht aber nicht aus. Hier sind Landesentwicklungsprogramme notwendig, für die allerdings der Bund den Ländern die Verantwortung nicht abnehmen kann. Das gilt für Nordrhein-Westfalen, aber auch für die Länder, die an der Zonengrenze liegen. Hier ist auch die Stelle, wo ich auf den Zusammenhang der Strukturpolitik mit der Wohnortsgunst hinweisen muß. Das ist in der Antwort des Herrn Bundeswirtschaftsministers nicht erwähnt worden. Das heißt zunächst, daß auch die Frage der Städtesanierung in diesen Überlegungen eine wichtige Rolle spielen muß. Darauf wird, so hoffe ich, ein Fraktionskollege noch näher eingehen können. Die Bundesregierung könnte durch das baldige Einbringen eines Städtebauförderungsgesetzes helfen, aber auch die finanzielle Beteiligung des Bundes an der Städtebauförderung rechtlich sicherstellen. Wichtig erscheint mir aber auch ein Hinweis aus der Presse, der allerdings etwas untergegangen zu sein scheint, daß nämlich nach einer Umfrage des Arbeitsamtes Dortmund 53 % der Befragten bereit sind, sich umschulen zu lassen, aber nur rund 23 % bereit wären, mit der Arbeit auch die Wohnung zu wechseln. Das heißt, um es etwas abstrakt auszudrücken, die berufliche Mobilität bzw. die Bereitschaft dazu ist nach dieser Umfrage mehr als doppelt so groß wie die räumliche Mobilität. Die künftige Wohnungsbaupolitik — das ist der Schluß daraus, und ich glaube, diese Erkenntnis ist doch schon weit verbreitet — muß also in die Strukturpolitik integriert werden. Gestatten Sie mir aber, meine Damen und Herren, hier auch eine kritische Bemerkung an die Bundesratsbank. Wie soll das geschehen, wenn wir auf Einspruch der Länder das Wohnungsstatistikgesetz als Grundlage für solche besonders auch für die Länder wichtige Planungen nun schon dreimal im Vermittlungsausschuß ohne Ergebnis behandelt haben? Ich glaube, dieses Feilschen um eine so wichtige Maßnahme wird langsam eine Groteske. Wir fordern hier Integrierung der Wohnungsbaupolitik in die Strukturpolitik, und am Ende werden solche mehr oder weniger bürokratischen Überlegungen zu einem sehr schweren auch zeitlichen Hemmnis. Bei den Überlegungen zur Steigerung der Mobilität der Arbeitnehmer spielt natürlich auch das von der Bundesregierung vorgelegte Arbeitsförderungsgesetz, das in den Zielen voll mit dem von uns eingebrachten Arbeitsmarktanpassungsgesetz übereinstimmt, eine progressiv ansteigende Rolle. Das ist ausdrücklich anzuerkennen. An die Stelle einer einJunghans maligen Berufsausbildung am Anfang des Lebens muß eine permanente Ausbildung treten. Ich verweise hier auf die Vorschläge zum Bildungsurlaub. Leider kann man allgemein nur feststellen vielleicht liegt das an der Vernachlässigung unserer polytechnischen Bildung angesichts unserer humanistischen Tradition —, daß der Einfluß der Bildungsinvestitionen auf das wirtschaftliche Wachstum immer noch unterschätzt wird. Permanente Weiterbildung und Fortbildung ist aber nur dort möglich, wo die Basis hierzu besteht. Sonst wird das Gebäude auf Sand gebaut. Deshalb gehört die Modernisierung der Erstausbildung ich erinnere hier an das Berufsausbildungsgesetz zum Arbeitsförderungsgesetz wie der Castor zum Pollux. Über die besonderen Probleme in den Steinkohlenbergbaugebieten wird ebenfalls noch ein Kollege von mir sprechen, insbesondere über unsere Sorge, Herr Bundeswirtschaftsminister, daß das Angebot der Bundesregierung im Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung und Gesundung des deutschen Steinkohlenbergbaues von verschiedenen Unternehmen pervertiert wird. Eine Bemerkung zu den Erhaltungssubventionen: Für den Außenstehenden ist es im allgemeinen äußerst schwierig, zwischen strukturkonservierenden Subventionen und wachstumsfördernden Subventionen zu unterscheiden. Nur allzu leicht werden hier außerökonomische Motive untergemogelt. Was nicht entstehen darf, ist ein riesiges Umverteilungssystem über den Steuerzahler zugunsten angeblich schwacher Wirtschaftszweige. Deshalb bin ich der Auffassung, daß auch im ERP-Wirtschaftsvermögen die Bemühungen verstärkt werden sollten, nicht zu Dauersubventionen in bestimmten Bereichen zu kommen. Wir begrüßen daher die Absicht der Bundesregierung, energisch bemüht zu sein, früher beschlossene Hilfen umzugestalten, bitten aber auch um Ausdehnung auf den ERP-Bereich. Aber ich bitte Sie, meine Herren auf der Regierungsbank — es sind nur zwei da --, sich mit Subventionen an die Wirtschaft zu beschäftigen und nicht Arbeitnehmerfreibeträge als Subventionen anzusehen; diese haben doch wohl mit Subventionen nichts zu tun. Bei der Problematik der Subvention geht es um die Wahrung der Grundsätze der Marktwirtschaft und nicht um das Problem, wie der Herr Bundesfinanzminister unter extensiver Auslegung des Begriffs. „Subvention" seinen Steuersäckel füllt. Wenn das so weitergeht, finden wir in der nächsten Subventionsliste vielleicht auch noch die Beamtengehälter wieder. Auch das gehört zum Thema „Ruhe an der Steuerfront". Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage? Herr Kollege, nach Ihrer sehr heftigen Kritik an dem Bundesfinanzminister frage ich Sie: Sind die Publikationen der Bundesregierung zur Subventionspolitik Erklärungen eines Ressorts oder nicht vielmehr Ausdruck der gemeinsamen Politik der Regierung? Herr Kollege Genscher, ich würde es begrüßen, wenn Sie mit mir gemeinsam für die Wiedereinführung des früher, glaube ich, bewährten Subventionsbegriffs des StatistischenBundesamtes eintreten wollten. Aber wir wollen nicht um Begriffe streiten. Herr Kollege, ungeachtet meiner Meinung dazu frage ich Sie noch einmal: Was sind diese Erklärungen? Sind das Ressorterklärungen, die Sie kritisieren, oder kritisieren Sie die Politik der Bundesregierung? Sie haben nicht zugehört, Herr Genscher. Ich habe gesagt: meine Herren auf der Regierungsbank. Ich meine wirklich die ganze Bundesregierung. Nun zur regionalen Wirtschaftspolitik. Hier muß von vornherein Klarheit über mögliche Zielkonflikte zwischen Regionalund Wachstumspolitik bestehen. Der Prozeß des wirtschaftlichen Wachstums — der Herr Bundeswirtschaftsminister hat das ja auch deutlich gesagt. — ist zwangsläufig von Strukturwandlungen und damit Ungleichheiten in der individuellen und auch regionalen Einkommensverteilung begleitet. Es ist einfach unmöglich das sollte man auch einmal deutlich sagen , jedem Bürger sein Einkommensmaximum an jedem beliebigen Ort zu verschaffen. Es kommt also auf ein optimales Mischungsverhältnis zwischen Wachstum und regionaler Verteilung an. Dazu reichen aber nach meinem Empfinden die bisherigen Instrumente noch nicht aus. Wir bitten daher das Instrumentarium auf diesem Gebiet durch Forschungsvorhaben laufend zu ergänzen. Natürlich gilt das auch für die Verbesserung der Infrastruktur. Aber Voraussetzung für eine wirksame Einflußnahme des Staates auf die Struktur ist die Finanzreform. Investitionen in die Infrastruktur entlasten die politische Führung von der nachher peinlichen Notwendigkeit, wie wir sie heute häufig sehen, zu dirigistischen Einzelmaßnahmen Zuflucht nehmen müssen. Wir sind deshalb überzeugt, daß noch in dieser Legislaturperiode die Finanzreform, die die Schere zwischen privatem Wohlstand und öffentlicher Armut schließen soll, durchgeführt werden kann. Wir meinen aber, daß z. B. bei der Infrastruktur, etwa auf dem Verkehrssektor, nicht nur die baulichen Maßnahmen — wie wir wissen, wird in Nordrhein-Westfalen ein großes Verkehrsprogramm geplant — im Zusammenhang mit der Verbesserung des Berufsverkehrs gesehen werden müssen, sondern daß vor allem auch die Verkehrsbedienung verbessert werden muß. Das gilt auch für die Zonenrandgebiete. Ich meine, es ist für die Menschen für diejenigen, die nicht gerade an Junghans solchen Projekten Beschäftigung finden, für die Menschen, die dort wohnen — doch relativ uninteressant, ob neue Schienenwege für eine S-Bahn oder tur ein Verkehrsnetz von 16 kommunalen Unternehmungen gebaut, wieviel neue Brücken und Straße gebaut werden. Die Menschen interessiert doch in erster Linie — ich glaube, hier muß man etwas umdenken die Zeit, die sie unterwegs sind, von zu Hause weg sind und was das kostet. Bringen Sie deshalb Herr Staatssekretär, nehmen Sie das als Auftrag — die Fahrplanschuster der verschiedenen Verkehrsträger an einen Tisch und schaffen Sie für bestimmte Regionen einheitliche Fahrkarten und Tarife. Meine Damen und Herren, Bahnhöfe und Haltestellen, auch wenn sie jetzt neu gebaut werden, sind nämlich nicht zum Warten da, auch wenn es die so segensreichen Einrichtungen der Wartesäle und Wartehallen gibt. In erster Linie will man nämlich solche Bahnhöfe zum Einund Aussteigen in die Züge haben. Das ist mein Hinweis. Ich empfehle hier Anstrengungen zu unternehmen. Ich weiß, hier ist nicht der Bund allein zuständig. Es gibt aber einige Verkehrsträger — Bundesbahn, Bundespost usw. , die auch bei den Fahrplänen, auch im Zonenrandgebiet, gegeneinander konkurrieren. Da ist es dann immer so, daß, wenn der Zug ankommt, der Bus gerade weg ist. Ich weiß, daß natürlich auch kommunale Verkehrsträger und private Verkehrsträger eine Rolle spielen. Ich finde aber, das Hamburger Beispiel der Schaffung eines regionalen Verkehrsverbundes sollte hier ermutigend sein, um auch, wenn Sie so wollen, für die Großstadt Ruhr und auch in weiten Regionen des Zonenrandgebietes einen solchen Verkehrsverbund zu schaffen. Ich möchte beim Thema regionale Wirtschaftspolitik nach wie vor an die Lage im Zonenrandgebiet erinnern. Dort wird es darauf ankommen, schwerpunktmäßig zu fördern, vor allem dort, wo Schrumpfungsprozesse, z. B. in Bergbaugebieten — es gibt auch im Zonenrandgebiet Bergbaugebiete —, mit den politisch bedingten Standortnachteilen kumulieren. Also: Neuansiedlungen und Aufschließung von Industriezonen. Das besagt unser Antrag auf Umdruck 350 Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Sätze aus dem Bericht des Ausschusses für gesamtdeutsche und Berliner Fragen, Drucksache IV/3668: Das Zonenrandgebiet ist ein staatsund nationalpolitisches Problem. Die Förderung des Zonenrandgebietes ist eine politische Aufgabe und ein Beitrag zur Wiedervereinigung Deutschlands. Wir müssen die Zonenrandgebiete materiell und kulturell funktionsfähig machen für die Rolle, die diesen Gebieten und den Menschen, die dort leben und arbeiten, im Rahmen eines geregelteren Nebeneiander zukäme, wie es Bundesminister Wehner einmal ausdrückte. Die Darlegung dieser Materie in ihrer Gesamtheit würde den Rahmen dieser Debatte verständlicherweise sprengen. Ein Fraktionskollege von mir wird hierzu noch Einzelheiten bringen. Soviel ist aber klar — das kann ich von diesem Platz aus sagen , daß sich die Befürchtungen, die ich von dieser Stelle aus vor beinahe zehn Jahren dem Hohen Hause gegenüber ausgesprochen habe, leider nur als allzu wahr herausgestellt haben, daß nämlich die Strukturschwächen des Zonenrandgebietes nur konjunkturell überdeckt seien. Ich brauche kein Gebiet besonders herauszunehmen. Allein die Beschäftigungslage auch in den bisher noch als einigermaßen gesund zu bezeichnenden Gebieten ist Grund zu ernster Besorgnis. Ich will hier keine Zahlen nennen. Sie sind schwierig und müssen auch im einzelnen gedeutet werden. Ich hoffe, sie sind der Bundesregierung bekannt. Über unseren Antrag zur zusätzlichen Bereitstellung von Investitionskrediten hinaus fordern wir daher kurzfristig für die Zonenrandgebiete die Verabschiedung der in Aussicht gestellten neuen Richtlinien zur Vergabe öffentlicher Aufträge im Zonenrandgebiet. Die Effektivität der bisherigen Richtlinien, nämlich der vom 31. März 1954, ist prakisch an den Nullpunkt herangekommen, wie Ihnen, meine Damen und Herren, die zuständigen Industrieund Handelskammern wohl sehr anschaulich bestätigen können. Zum anderen bitten wir, auch an die ansässige Wirtschaft zu denken, sie nicht zu vergessen. Das meine ich nicht im Sinne der Erhaltung schwacher, überkommener Strukturen, sondern in dem Sinne, daß hier ein wirksamer Ausgleich der politisch bedingten Standortnachteile bei einer Normalisierung unserer Haushalts-, Finanzund Wirtschaftslage durch steuerliche Maßnahmen — Arbeitnehmerfreibeträge usw. gefunden werden muß. Auf keinen Fall wünschen wir aber einen Abbau des Volumens der Frachthilfe, sondern eine Verbesserung ihrer Wirksamkeit. Auch sollten wir nicht vergessen, daß kulturelle Maßnahmen ebenfalls eine wirtschaftspolitische Bedeutung haben. Darauf näher einzugehen, würde den Rahmen dieser Debatte wiederum sprengen. Wir alle wissen, wie häufig bestimmte Ansiedlungen daran scheitern, daß die Schulund andere Verhältnisse noch nicht in Ordnung sind. (Abg. Dr. Stammberger: Z. B. bei uns in Bayern!)


(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)








(Zustimmung des Abg. Illerhaus.)

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514800200
Dr. Karl Schiller (SPD):
Rede ID: ID0514800300
Dr. Hans Friderichs (FDP):
Rede ID: ID0514800400
Dr. Karl Schiller (SPD):
Rede ID: ID0514800500







(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514800600
Hans-Jürgen Junghans (SPD):
Rede ID: ID0514800700







(Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)


(Zustimmung von der CDU/CSU.)





(Vors i t z : Vizepräsident Schoettle.)

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0514800800
Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0514800900
Hans-Jürgen Junghans (SPD):
Rede ID: ID0514801000

(Zuruf von der FDP: Keine Antwort!) Vizepräsident Schoettle: Herr Genscher!

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0514801100
Hans-Jürgen Junghans (SPD):
Rede ID: ID0514801200



— Ich hatte mir nicht vorgenommen, hier ein Land zu nennen.

(Abg. Dr. Stammberger: Ich nenne es!)

Ich habe auch den Auftrag meiner Fraktion, der Bundesregierung mitzuteilen, daß die Wirtschaftskraft des industriellen Bundesbesitzes hinsichtlich ihrer strukturpolitischen Wirksamkeit verstärkt genutzt werden muß. Ich nenne Kiel, Salzgitter, Amberg, Saargebiet. Wir werden diesem Hohen Hause hierfür den Vorschlag zur Bildung einer kaufmännisch-unternehmerisch geführten Bundesholding unterbreiten. Die bisher vorgebrachten Argumente



Junghans
gegen die vorgeschlagene Bundesholding haben mich jedenfalls nicht überzeugt.
Aber auch die private Wirtschaft — um diese handelt es sich vorwiegend — sollte sich durch Eigeninitiative mehr als bisher in die regionale Wirtschaftspolitik einschalten. Wir begrüßen die Bildung des Arbeitskreises Berlin des Bundesverbandes der deutschen Industrie, wären aber dankbar, wenn ähnliche Möglichkeiten auch für Ruhr-, Saar- und Zonenrandgebiete geschaffen würden. Ich sage ausdrücklich: „ähnliche Möglichkeiten"
In dem Antrag Umdruck 350 (neu) *) ersuchen wir die Bundesregierung, für 1968 einen Betrag in der Größenordnung von 1 Milliarde DM zur Mitfinanzierung von Strukturprogrammen für die Problemgebiete, Ruhr, Saar und Zonenrandgebiete, über den Weg der Kreditaufnahme bereitzustellen. Wir meinen damit das Strukturprogramm für Nordrhein-Westfalen, das gestern dem Wirtschaftsausschuß im Entwurf vorgelegen hat, sowie die Schaffung neuer Arbeitsplätze durch Neuansiedlung und Aufschließung — selbstverständlich schwerpunktmäßig — an der Saar und im Zonenrandgebiet, um die Schere der Wirtschaftskraft dieser Gebiete zum Bundesdurchschnitt, die sich, wie sich in der Rezession gezeigt hat, immer mehr geöffnet hat, wieder schließen zu helfen.
Gestatten Sie mir eine Bemerkung zum Schluß. An Schriften, wissenschaftlichen Untersuchungen, auch streitbaren Untersuchungen, Aufsätzen, Büchern und Dissertationen über Strukturpolitik und Raumordnung hat es in der Vergangenheit wahrlich nicht gefehlt. Bei mir jedenfalls, der ich mich seit fast zehn Jahren damit befasse, häuft sich das Material zu Bergen. Ich werde manchmal den Verdacht nicht los, daß, je unklarer ein Problem in Analyse und Lösungsmöglichkeit ist, desto mehr darüber geschrieben und geredet wird. Die Wirtschaftstheorie
— das möchte ich hier deutlich sagen — hat noch kein unumstrittenes Rezept für die Strukturpolitik. Mit Schriften, Reden und Vorträgen sind wir eingedeckt. Diese gehen bis zur Steinzeit zurück, — wenn ich auch nicht verkennen will, daß es sicherlich auch bei dem Übergang von der Steinzeit zur Bronzezeit Probleme gegeben hat. Aber die wenigsten von uns werden sich daran erinnern können.

(Heiterkeit. — Zuruf von der Mitte: Ein bißchen viel verlangt!)

— Jedenfalls nehme ich es an.

(Zuruf von der CDU/CSU: Herr Junghans, das ist in der Länge Ihrer Rede untergegangen!)

— Leider ist das manchmal etwas schwierig, wenn man etwas Grundsätzliches sagen soll, Herr Kollege, und ich hatte den Auftrag dazu. Sie haben sicher auch gemerkt: weder bei der Begründung noch bei der Beantwortung war es möglich, diese an sich trockene Materie durch Beispiele aufzulokkern. Ich könnte sehr viele Beispiele bringen, und dann wäre es auch für Sie vielleicht etwas interessanter. Aber wir sollen uns hier ja beschränken.
*) Siehe Anlage 2
Uns kam es darauf an, daß nicht nur geschrieben und geredet wird, daß wir nicht nur auf letzte Weisheiten und Wahrheiten warten, sondern daß ein Problem, dessen Lösung in den letzten Jahren -
man muß das einmal sagen -- verschleppt worden ist, nunmehr tatkräftig und pragmatisch angegangen wird. Das ist der Sinn unseres Antrages. Es geht um das Schicksal von Hunderttausenden von Arbeitnehmern und ihren Familien. Strukturpolitik hat nach sozialdemokratischer Auffassung nur Sinn, wenn sie der Entfaltung der Produktivkräfte des ganzen Volkes dient. Die Vollbeschäftigung ist hiervon ein wesentlicher Teil. Nur so kann allen Arbeitnehmern ein gesichertes Einkommen gewährleistet werden.
Wir bitten Sie deshalb sehr herzlich, aus den neuen Erkenntnissen auch die Schlüsse zu ziehen und unseren Antrag auf Umdruck 350 (neu), der die Bundesregierung ins Obligo zum Handeln bringt, anzunehmen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten in der Mitte.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0514801300
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Staratzke.

Dr. Hans-Werner Staratzke (FDP):
Rede ID: ID0514801400
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Große Anfrage der CDU/CSU-Fraktion gibt Gelegenheit, eine Reihe von Zweifelsfragen zu klären. Ich darf mir erlauben, namens meiner Fraktion auf einige Grundsätze der sektoralen und regionalen Strukturpolitik einzugehen.
Wir haben es im Jahre 1966 außerordentlich begrüßt, daß die damalige Regierung Erhard/Mende im Kabinett Richtlinien zur Strukturpolitik verabschiedet hat. Aus den vorhergehenden Ausführungen haben wir schon eindeutig gehört, daß die Strukturpolitik ein wesentlicher, ein entscheidender Teil der gesamten Wirtschaftspolitik ist. Leider müssen wir feststellen — das darf ich in aller Klarheit und Offenheit herausstellen —, daß die Strukturpolitik, wie sie nach den 1966 herausgegebenen Richtlinien vorgesehen war, bei einem so starken Hervortreten der Konjunkturpolitik, wie wir es in den letzten Jahren erlebt haben, sehr in den Hintergrund getreten ist. Das soll kein Vorwurf an den Bundeswirtschaftsminister sein, aber vielleicht, Herr Minister, eine Mahnung.
Ich möchte einmal herausstellen — das ist, glaube ich, bisher nicht getan worden, auch nicht in der Begründung —, warum eigentlich die Strukturpolitik so bedeutungsvoll ist. Wir können wohl davon ausgehen, daß, wenn wir aus der Rezession einmal wirklich heraus sind, die Jahre des externen Wachstums unserer Volkswirtschaft vorbei sind; ich meine das langfristig. Warum ist das so? Weil — darüber müssen wir uns alle im klaren sein — die Zahl der inländischen Beschäftigten bei konstanter Geburtenzahl — die Statistiken weisen das aus — in den nächsten Jahren zurückgehen wird und — ein Tatbestand, an dem wir auch nicht vorbeigehen können — der Trend zur Verkürzung der Arbeits-



Dr. Staratzke
zeit das volkswirtschaftliche Arbeitsvolumen in Zukunft leider vermindern wird. Infolgedessen wird das künftige Wachstum — immer langfristig gesehen — vornehmlich ein internes Wachstum sein. Die Quelle des internen Wachstums ist aber nun allein die Produktivitätszunahme, d. h. die Leistungssteigerung pro Arbeiter oder Arbeiterstunde, die Nettowertschöpfung, oder wie sie es nennen wollen. Die Produktivitätszunahme wiederum hängt von dem Ausmaß und von dem Tempo des technischen Fortschritts und von den Produktivitätsgewinnen durch den Strukturwandel ab.
Die erste Komponente der Produktivitätszunahme, der technische Fortschritt — generell als Begriff —, ist nicht so sehr eine Angelegenheit der Wirtschaftspolitik; seine Verwirklichung wird vornehmlich eine Aufgabe der Unternehmungen in dieser Wirtschaft sein. Selbstverständlich hat auch der Staat hier nicht nur eine Reihe von Aufgaben, sondern auch Verpflichtungen. Ich denke z. B. an die Förderung der Forschung, der Ausbildung usw.
Zu diesem Faktor des technischen Fortschritts — hier als allgemeiner Begriff — kommt nun die staatliche Wirtschaftspolitik. Und hier kommt meine Mahnung: Diese staatliche Wirtschaftspolitik sollte sich, wenn sie die ohnehin in der Volkswirtschaft vor sich gehenden Strukturwandlungen günstig beeinflussen will, in ihrem angestammten Betätigungsfeld bewegen. Dieser Einfluß hat eben nur dann produktivitätssteigernde Wirkungen, wenn er eine Verbesserung der gesamten Wirtschaftsstruktur erreicht. Das bedeutet, daß diejenigen Strukturwandlungen gefördert werd-en sollten, die überdurchschnittliche Produktivitätseffekte versprechen.
Wir gehen von den Grundsätzen der alten Regierung vom Oktober 1966 aus. Heute haben wir eine Neufassung dieser Grundsätze vorliegen. Ich konnte sie noch nicht so studieren, daß ich mir ein Bild davon verschaffen konnte. Aber ich meine, daß sie jetzt etwas konkreter gefaßt worden sind, so daß einige Mängel, die ich hier herausstelle, in der Neufassung vielleicht nicht mehr so deutlich hervortreten. Ich meine aber, daß diese Grundsätze zur Strukturpolitik doch in einer Reihe von Punkten erklärungsbedürftig und ergänzungsbedürftig sind.
Beispielsweise war in den alten Richtlinien zu lesen, daß der optimale volkswirtschaftliche Ertrag für die Förderungswürdigkeit eines Wirtschaftsbereichs oder einer Branche oder Sparte — oder wie auch 'immer — maßgebend sein sollte. Nach meiner und der Auffassung meiner Kollegen kann hier nur die volkswirtschaftliche Produktivität gemeint sein, d. h. der reale Ertragszuwachs der eingesetzten Produktionsfaktoren, niemals aber die privatwirtschaftliche Rentabilität einzelner Industriezweige, einzelner Unternehmen usw. Warum? Das ist ein Grundsatz, den man sich klarmachen muß, weil man möglicherweise eine Strukturpolitik nach der privatwirtschaftlichen Rentabiltät betreibt, die nachher ins Auge gehen kann. Die Rentabilität der Unternehmen ist ja nicht nur Ausdruck ihrer inneren Produktivitätssteigerung, sondern sie ist weitgehend auch von der Intensität des Wettbewerbs abhängig. Die Erträge sind möglicherweise geschwächt, wenn die
Wettbewerbsintensität sehr hoch ist. Dabei kommt es in einer Volkswirtschaft, insbesondere in einer Volkswirtschaft, die in so hohem Maße in die Weltwirtschaft verflochten ist wie diejenige der Bundesrepublik, nicht nur auf das Ausmaß des inneren Wettbewerbs an, sondern auch auf das Ausmaß des vom Außenhandel stammenden äußeren Wettbewerbs.
Würde sich also diese fördernde Strukturpolitik des Staates, der Bundesregierung oder der Länder, an der privatwirtschaftlichen Rentabilität und nicht an der volkswirtschaftlichen Produktivität orientieren, so würde man Wirtschaftsbereiche mit hoher Wettbewerbsintensität und daraus möglicherweise resultierender mangelnder Rentabilität ganz einfach bestrafen. Das kann in unserer freien Marktwirtschaft und in unserer Wettbewerbswirtschaft wohl nicht der Sinn sein. Ich nehme an — das wollte ich an dieser Stelle einmal klarstellen —, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister -in dieser Frage mit uns einig ist, daß man hier also das Kriterium der volkswirtschaftlichen Produktivität ansetzen muß.
Eines kommt in den Grundsätzen unseres Erachtens ein bißchen zu kurz — ich sage sehr leger „ein bißchen" —, nämlich die Förderung der kleinen und der mittleren Unternehmen, auch wenn die Grundsätze gewisse Hinweise auf die Verbesserung der Marktposition dieser Unternehmen geben. Hier ist eine Präzisierung dessen, was getan werden soll, nötig. Lassen Sie mich ganz offen aussprechen — gerade weil der Herr Wirtschaftsminister hier ist —, daß offenbar der Begriff „Mittelstand" seit einiger Zeit in der offiziellen Wirtschaftspolitik nicht mehr en vogue ist. Gerade weil die mittleren und kleineren Betriebe ihre Widerstandskraft in der hinter uns liegenden Zeit bewiesen haben oder in der noch immer vorherrschenden Rezessionszeit wieder einmal beweisen, muß ich besonders an die Bundesregierung und an den Herrn Bundeswirtschaftsminister appellieren, bei der Gestaltung der Strukturpolitik zu berücksichtigen, daß die deutsche Volkswirtschaft aus einer großen Zahl von Klein- und Mittelbetrieben besteht und möglichst viele selbständige Existenzen braucht, die am Wettbewerb vollgültig teilnehmen sollen.

(Beifall bei der FDP.)

Unter einer Ziffer der alten Grundsätze zur sektoralen Strukturpolitik war zu lesen, daß „Verfälschungen des Wettbewerbs durch Subventionen, Preisfestsetzungen oder sonstige staatliche Eingriffe im Auslande hier außer Betracht bleiben sollen". Es heißt dort: „Ihnen muß mit gesonderten Überlegungen begegnet werden, die über den Rahmen dieser Richtlinien hinausgehen." Nun hat Herr Kollege Müller-Hermann, glaube ich, in seiner Begründung schon darauf hingewiesen, daß es natürlich ein Unding ist, die Faktoren, die von draußen kommen und im Wettbewerb verfälschend wirken, beiseite zu stellen und sie nicht einzubeziehen. Ich habe das Gefühl, daß auch der Herr Bundeswirtschaftsminister der Meinung ist, daß dieser Passus, der noch in den alten Richtlinien steht, geändert werden sollte. Ich meine, daß die Beschränkung — ich nenne es einmal eine Beschränkung — der außen-



Dr. Staratzke
wirtschaftlichen Faktoren auf die Nationalwirtschaft in diese Grundsätze hineingehört, daß sie in die Grundsätze einbezogen werden muß. Die Einbeziehung von Maßnahmen anderer Länder in die eigenen strukturpolitischen Zielsetzungen ist nach meiner Meinung einfach unerläßlich. Andernfalls können wir überhaupt keine wirklichkeitsnahen Ansatzpunkte für ein praktisches politisches oder auch, sagen wir mal, administratives Handeln finden. Wir freuen uns — ich sage das noch einmal; ich meine, ich habe es herausgehört —, daß der Herr Wirtschaftsminister hier ganz unserer Meinung ist.
Nun ein Wort zum Gemeinsamen Markt; er ist in der Ziffer III der Großen Anfrage angeschnitten. Die Grundsätze, die man jetzt überarbeitet, enthalten nach meiner Meinung zu wenig über die Probleme des Gemeinsamen Marktes. Wenn man nämlich — ich glaube, das ist auch die Ansicht des gesamten Hauses — den Gemeinsamen Markt nicht nur als eine Zollunion oder als eine gemeinsame Agrarregelung zu unseren Lasten verstanden wissen will, so muß man alles tun — ich möchte es einmal der Einfachheit und der Schnelligkeit halber so formulieren —, um schnellstens binnenmarktähnliche Verhältnisse zu schaffen. Das heißt, unsere Strukturpolitik muß auf den Gemeinsamen Markt hin ausgerichtet werden, unsere Strukturpolitik muß aber auch in Einklang mit den Überlegungen der anderen Staaten innerhalb der EWG stehen. Insofern ist die Anfrage III nach meiner Meinung besonders wichtig, und der Bundeswirtschaftsminister ist vorhin ja auch darauf eingegangen, indem er auf die Übereinstimmung, die grundsätzliche Übereinstimmung, hingewiesen hat.
Aber, meine Damen und Herren, die Praxis sieht anders aus; sie sieht sehr viel anders aus. Eine Gemeinsamkeit in der Strukturpolitik der EWG-Staaten auf dem gewerblichen Gebiet — aber ich meine, wohl überall — gibt es noch nicht. Wohl aber gibt es eine Fülle von Förderungen und Beihilfemaßnahmen, regional und sektoral, in den einzelnen Staaten der EWG, die alle unterschiedlich sind und unterschiedliche nationale Zielsetzungen haben. Ich habe bei einer Europa-Debatte hier einmal von einem Beihilfen- und Förderungsgestrüpp gesprochen, durch das man sich erst einmal hindurcharbeiten muß in dieser EWG-Politik. Im Augenblick ist man noch sehr am Anfang. Ich glaube, auch der Bundeswirtschaftsminister hat das deutlich gemacht, daß man zwar im Grundsatz über diese Dinge einig ist, daß aber die Wettbewerbsverfälschungen und -ver zerrungen infolge der verschiedensten Maßnahmen riesengroß sind.
Meine Damen und Herren, warum ist das so gefährlich? Weil diese Zeit, in der wir nicht zu einer Gemeinsamkeit in dieser Richtung kommen, strukturelle Veränderungen zugunsten anderer Staaten und zu Lasten unseres Staates und unserer Wirtschaft bringen kann. Das ist das Gefährliche daran, wenn man noch sehr lange wartet, bis man hier eine Einheitlichkeit findet.
Die EWG-Kommission hat den zaghaften Ansatz gemacht, die Beihilfemaßnahmen der einzelnen EWG-Staaten zu registrieren — ich habe das sehr
wohl gelesen —, und sie hat auch versucht, diese Maßnahmen als zulässig und unzulässig zu bewerten. Dieser Katalog der Maßnahmen in den einzelnen Staaten, die über einen Leisten geschlagen werden sollen, scheint mir noch sehr lückenhaft zu sein.
Wie sehr die nationalen Regelungen zur Zeit noch differieren, ergibt sich deutlich — ich habe das mit einem Schmunzeln gelesen — aus der Beantwortung der Schriftlichen Anfrage Nr. 130 von Herrn Oele an die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, jetzt erst im vergangenen Dezember. Ich empfehle jedem, meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Antwort im Amtsblatt der EWG — sie steht dort in der Nr. 311/12 vom 21. Dezember 1967 — zu lesen.
Ich bitte dringend darum, daß die Bundesregierung alles tut, um hier diese EWG-Gemeinsamkeit zu finden. Sonst gehen wir strukturellen Veränderungen entgegen, die zu einem großen Teil zu Lasten unserer Wirtschaft gehen.
Ich möchte mich zunächst auf diese paar erklärungs- und ergänzungsbedürftigen Punkte beschränken.
Lassen Sie mich noch ein Wort zu den Instrumenten der Strukturpolitik sagen, wobei ich vornehmlich an die sektorale Strukturpolitik denke. Wir würden uns entschieden gegen dirigistische Elemente in der Strukturpolitik wehren. Die klassischen Mittel sind so umfangreich. Sie genügen, wie wir täglich erfahren. Zu diesen klassischen Mitteln zähle ich — um das nur einmal aufzureihen — vornehmlich die Steuerpolitik — denken Sie an die Umwandlungen, denken Sie an Fusionen, denken Sie an die Gesellschaften über die Grenzen —, die Handelspolitik — wir haben noch keinen Schritt zu einer gemeinsamen Handelspolitik in der EWG —, die Kreditpolitik, die Integrationspolitik generell und die Wettbewerbspolitik schlechthin. Ich meine — das sollten wir noch einmal herausstellen —, bei dieser Strukturpolitik sollten die bewährten Grundsätze der sozialen Marktwirtschaft voll beachtet werden.
Im Rahmen dieser Grundsatzpunkte zu diesem Thema möchte ich natürlich nicht vergessen, darauf hinzuweisen — aber ich glaube, es ist genügend gesagt worden —, daß alles getan werden sollte, die Mobilität der Arbeitskräfte zu fördern. In diesem Zusammenhang sollte in der Tat das vorhin zitierte Arbeitsförderungsgesetz gesehen werden. Es besteht eine echte Verbindung zwischen der Strukturpolitik und der Mobilität der Arbeitskräfte, und diese Zielsetzungen sollten koordiniert werden.
An sich wäre es notwendig, noch eine ganze Reihe von Spezialfragen zu beleuchten, etwa die Zonenrandgebiet- und Grenzlandförderung, besondere Maßnahmen auf dem Gebiet der Raumordnung und der Wohnungsbaupolitik, des Verkehrs, ja sogar der Steuerpolitik. Ich möchte mich aber auf diese grundsätzlichen Betrachtungen beschränken. Ich weiß, daß eine Reihe von Spezialfragen dieser Art von Kollegen meiner Fraktion in dieser Debatte behandelt werden.

(Beifall bei der FDP.)





Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0514801500
Das Wort hat der Abgeordnete Gewandt.

Heinrich Gewandt (CDU):
Rede ID: ID0514801600
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Der Kollege Junghans hat sich während .seiner Ausführungen einmal an die Bundesratsbank gewandt. Ich möchte mir zu Anfang erlauben, mich an die Regierungsbank zu wenden

(Sehr richtig! rechts)

und hier aus Gründen der „sozialen Gerechtigkeit" eine Feststellung zu treffen. Wir werden immer gescholten, wenn die Präsenz zu wünschen übrig läßt. Aber ist Strukturpolitik nicht Landwirtschaftspolitik, nicht Verkehrspolitik, nicht Raumordnung, und hat nicht auch der Herr Bundesinnenminister hier Zuständigkeiten? Ich glaube, man sollte das erwähnen, damit die Breite und die Bedeutung dieses Themas klargestellt wird.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP.)

Ich bin dem Herrn Bundeswirtschaftsminister außerordentlich dankbar, daß er zu Beginn seiner Darlegungen einige grundsätzliche Ausführungen gemacht hat. Ich möchte ihm in der Interpretation der Globalsteuerung vollinhaltlich zustimmen und auch meinerseits ganz deutlich erklären, daß wir, wenn wir von Strukurpolitik sprechen, keinen branchenorientierten Dirigismus oder Protektionismus wollen.

(Abg. Illerhaus: Sehr richtig!)

Strukturpolitik ist ein Instrument, keine neue Heilslehre.
Im übrigen verdient der Herr Bundeswirtschaftsminister volle Zustimmung auch insofern, als er sich vorbehaltlos zu einer freiheitlichen Außenwirtschaft bekannt hat. Es ist bedauerlich, daß große Welthandelsnationen dabei sind, vom Weg der Tugend abzuweichen.

(Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

Man sollte auch an dieser Stelle feststellen, daß wir mit einer solchen Strukturpolitik und auch mit einer wohlverstandenen Globalsteuerung nicht vom Pfad der Tugend abgehen oder uns gar von den Prinzipien der Architekten unseres wirtschaftlichen Aufbaus zu entfernen gedenken.
Nun begegnet die Strukturpolitik immer einigen Schwierigkeiten. In Zeiten der überschäumenden Konjunktur besteht die Meinung: das Thema löst sich von allein. Ich hatte, . offen gesagt, gelegentlich die Befürchtung — nach den heutigen Darlegungen habe ich sie nicht mehr ganz so stark —, daß auch der Bundeswirtschaftsminister dieser Auffassung anhängen könnte. In einer Phase der Abkühlung sind wiederum mit der Strukturbereinigung so viele sosiale Probleme verbunden, daß deshalb die Lösung struktureller Probleme ebenfalls schwierig ist. Das zeigt uns, daß wir rechtzeitig Strukturpolitik betreiben müssen, nicht erst dann, wenn, wie jetzt an der Ruhr, die Krise besonders deutlich ist oder die Landmänner mit der schwarzen Fahne zu demonstrieren beginnen.

(Beifall in ,der Mitte.)

Eine marktkonforme Strukturpolitik kann nur zum Ziele haben, den wirtschaftlich notwendigen Wandlungsprozeß zu fördern und die Anpassung an diesen Prozeß zu ermöglichen, und zwar sowohl was die Unternehmerschaft als auch was die Arbeitnehmerschaft angeht. Es wird ständig von der Verbesserung der Mobilität der Produktionsfaktoren gesprochen, und heute ist mehrfach darauf hingewiesen worden, daß durch das Arbeitsmarktanpassungsgesetz begrüßenswerterweise eine Grundlage dafür geschaffen wird, daß sich die Arbeitnehmer ohne soziale Härten diesem Prozeß anpassen können.
Aber wir sollten nicht den Eindruck entstehen lassen, daß sich nur in den Bereichen der Großwirtschaft strukturelle Veränderungen ergäben und daß es nur dort zu Härten und Anpassungsschwierigkeiten komme. Ich möchte ganz deutlich sagen, daß sich gerade im Bereich der mittleren Industrie, des Handwerks und des Einzelhandels ein rapider Strukturwandel vollzogen hat, der ohne nennenswerte Staatshilfe überwunden werden konnte. Ich möchte einen Gedanken an die erste Stelle stellen: Es kommt natürlich entscheidend auf die Fähigkeit und das Leistungsvermögen der Unternehmer an; die staatlichen Maßnahmen können immer nur korrespondierend sein.
Ich möchte nun auf das Thema eingehen: Was können wir vom Staat an Maßnahmen erwarten, welche den nötigen Strukturwandel erleichtern und unserer Volkswirtschaft sine moderne Struktur geben sollen? Dabei verweise ich wiederum auf ein Beispiel, das im allgemeinen übersehen wird. Ich glaube, es gibt keinen Bereich der deutschen Wirtschaft, in dem sich der Strukturwandel so gründlich und so rapide vollzogen hat wie beispielsweise im Handel. Wir haben festzustellen, daß immer neue Betriebsformen, immer neue Unternehmensformen auf dem Markt erschienen sind. Das Ergebnis dieses Anpassungsprozesses war —das sollte unterstrichen werden — ein immer leistungsfähigerer Handel und eine immer bessere Bedienung des Verbrauchers. Wir sollten uns auch hier zur Marktwirtschaft und zu dem erforderlichen Strukturwandel bekennen und auch einmal die Vorteile darstellen.
Wenn Sie Vergleiche im internationalen Bereich ziehen, wenn Sie über die Champs Elysées oder andere Prachtstraßen gehen, werden Sie feststellen, daß es dort sehr anspruchsvolle Geschäfte gibt. Aber schon in den Nebenstraßen werden Sie erkennen, daß das Niveau und die Leistungsfähigkeit unseres Handels sehr viel größer sind, und das primär durch unternehmerische Leistung und nur sekundär durch ganz geringe korrespondierende Maßnahmen der Gewerbeförderung wie im Handwerk.
Ich möchte besonders betonen: Gewerbeförderung ist keine Erhaltungssubvention, sondern aktive Strukturpolitik. Wenn man für einen erhöhten Einsatz des Kapitals und für eine verbesserte Raumökonomie zur Verbesserung der Produktivität eintritt, muß man aber natürlich auch die Städteplanung und Raumordnung in die Betrachtung einbeziehen. Hier gibt es jedoch erhebliche Wettbewerbsverschiebungen. Ich denke daran, daß diese Raumordnungspolitik in bestimmten Gemeinden



Gewandt
nicht nur nach sachlichen, sondern auch nach bestimmten politischen Erwägungen durchgeführt wird.
Meine Damen und Herren, wenn wir das Leistungsvermögen der Unternehmerschaft und der Arbeitnehmerschaft steigern wollen, wenn wir wollen, daß wir uns diesem rapiden Tempo des Strukturwandels anpassen können, der ja häufig unvorhersehbare Ausmaße erreicht hat — ich möchte hier nur erwähnen, daß die amerikanische chemische Industrie davon ausgeht, daß sie in fünf Jahren bis zu 80 % ihrer Umsätze in Artikeln erzielen wird, die man heute noch gar nicht kennt —, ist es natürlich wichtig, daß für alle am Wirtschaftsleben Beteiligten, die Großen, die Kleinen und die Mittleren, alle volkswirtschaftlichen, betriebswirtschaftlichen und technischen Zusammenhänge transparenter gemacht werden als in der Vergangenheit. Wir brauchen also eine bessere Marktübersicht und mehr Fachkenntnisse für Unternehmer und Mitarbeiter. An erster Stelle steht nach meiner Auffassung in der Strukturpolitik also die geistige Investition.
Hierzu gehört die Schaffung besseren statistischen Materials, um das Ausmaß der Strukturwandlung deutlicher sichtbar werden zu lassen. Deshalb ist es zu begrüßen, daß wir hier im Hohen Hause — ein Gesetz hat der Kollege Junghans bereits zitiert — eine Reihe von Gesetzen verabschiedet haben, die bedauerlicherweise im Bundesrat nicht das nötige Verständnis gefunden haben. Wir brauchen weiterhin besseres, breiter gefächertes Informationsmaterial, Branchenmarktanalysen. Träger dieser Aufgabe sollten in der Zukunft wie in der Vergangenheit die entsprechenden Forschungseinrichtungen der Wirtschaft selbst sein. In allen Bereichen der Industrie, des Handels und des Handwerks haben wir erlebt, daß hier vorzüglich gearbeitet wurde, mit gewissen nur ergänzenden Maßnahmen der öffentlichen Hand.
Natürlich gehört dazu die breitere Verbesserung der beruflichen Ausbildung und die Erkenntnis, daß mit einer einmal abgeschlossenen Berufsausbildung der Betreffende nicht für das ganze Berufsleben fit ist. Wir müssen immer neuere Methoden finden, daß sich der im Berufsleben Stehende den Veränderungen anpassen kann. Natürlich kann man diese Frage nicht ganz losgelöst vom Geld betrachten. Sicher muß man sich überlegen, in welchem Zusammenhang und in welcher Weise die Finanzierungshilfen verbessert werden können, inwieweit man es verschiedenen Branchen ermöglichen kann, eigene Bauträger in den Stand zu setzen, bei der Raumneuordnung mitzuwirken. Es gilt dabei zu überlegen, ob man nicht die Kreditgemeinschaften verstärken und ausbauen sollte. Aber wir brauchen rauch ein Umdenken in der Kreditwirtschaft. Denn nicht nur die dingliche Sicherheit bedarf, meine ich, der Berücksichtigung, sondern auch die Fähigkeit des Unternehmers und die Ertragssituation des Betriebes.
Nun hat der Bundeswirtschaftsminister sich erneut zur Kooperation bekannt, und er hat darauf hingewiesen, daß man möglicherweise sogar die Fusion stärker fördern müsse. Ich bin, Herr Bundeswirtschaftsminister, mit Ihnen einer Meinung. Aber ich möchte auch auf eine Gefahr hinweisen: die Gefahr, daß bestimmte Formen der Kooperation dazu führen, daß es eine Art Scheinselbständigkeit gibt, bei der irgendein Management Hunderte oder Tausende von kleinen Betrieben dirigiert und diese Leute dann eigentlich nur das Risiko ihres Gehalts tragen. Ich glaube, hier ist Aufmerksamkeit vonnöten.
Wenn man aber eine wachstumsorientierte Strukturpolitik ermöglichen will, kommt man, Herr Bundeswirtschaftsminister, auf die Dauer natürlich um entsprechende steuerliche Maßnahmen nicht herum. Sie müssen temporär sein, sie müssen begrenzt oder degressiv sein. Aber ich glaube, in der augenblicklichen prekären Lage unserer Staatsfinanzen wäre es nicht opportun, hierüber zu sprechen oder gar Vorschläge zu machen, die sich im Augenblick doch nicht realisieren lassen. Wir müssen alle gesetzgeberischen Maßnahmen ständig daraufhin überprüfen, ob sie den Erfordernissen einer modernen Strukturpolitik entsprechen. Das bedeutet: alle fiskalischen, sozialen und sonstigen Gesetze. Ein Weg in diese Richtung ist ja schon die Mehrwertsteuer.
Aber wir müssen auch das Wettbewerbsrecht überprüfen. Eine erhebliche Anzahl von Kollegen unserer Fraktion hat zu diesem Thema einen Entwurf eingebracht, der es ermöglicht, diese Frage parlamentarisch zu behandeln.
Ich glaube, auch der Leber-Plan verdient besondere Überprüfung in dieser Richtung. Ich habe nicht den Eindruck, daß er mit den hier von der Regierung verkündeten Grundsätzen einer vernünftigen regionalen und sektoralen Strukturpolitik übereinstimmt.

(Abg. Unertl: Was mit der einen Hand gegeben wird, wird mit der anderen genommen!)

Nun ist die Frage: Was hat die Bundesregierung auf der Grundlage der Grundsätze, die seinerzeit Bundeswirtschaftsminister Schmücker erlassen hat
getan? Eine Reihe von Fortsetzungsmaßnnahmen, die die Unterstützung des Hauses gefunden haben, im Zonenrandgebiet, an Rhein und Ruhr. Bundesminister Katzer hat ein Arbeitsförderungsgesetz eingebracht. Aber wir erwarten natürlich noch eine Reihe anderer Maßnahmen, und wir meinen, die Bundesregierung sollte stärker als in der Vergangenheit deutlich machen, daß sie nicht nur quantitative Ziele anstrebt, sondern daß auch nach ihrer Auffassung eine qualitätsorientierte Strukturpolitik nötig ist. Ich möchte hier einmal dem holländischen Nationalökonomen Tinbergen recht geben, wenn er der nur auf die Veränderung der volkswirtschaftlichen Globalgrößen gerichteten Konjunkturpolitik als gleichrangig eine qualitätsorientierte Strukturpolitik gegenüberstellt.
Ich meine also, wir haben hier klargemacht: Es geht uns nicht um die Erhaltung überholter Strukturen, um die Gewährung von Erhaltungssubventionen oder gar um die Errichtung von Wettbewerbshemmnissen. Strukturpolitik ist für uns ein Teil der Marktwirtschaft und steht in keinem Gegensatz zu einer Konjunkturpolitik. Aber wir brau-

Gewandt
chen eine gesunde, zeitgemäße Struktur: Und hier muß ich, Herr Bundeswirtschaftsminister, darauf hinweisen, daß seit einiger Zeit Meldungen zur Sorge Anlaß geben, denen zufolge Sie eine neue Wettbewerbskonzeption hätten, bei der man sich primär — ich möchte nicht sagen: ausschließlich — auf Mammutbetriebe konzentriere, weil man der Meinung sei, weitere Oligopole seien einer modernen Wirtschaft dienlicher, weil sie eine größere Rationalität ermöglichten. Ich glaube, daß derartige Auffassungen bestenfalls in der Theorie stimmen und daß wir in der Praxis bei einer solchen Wettbewerbspolitik den Wettbewerb einschränken würden, vor allen Dingen die Zulassung neuer Wettbewerber am Markt.
Nun gibt es zahlreiche Wachstumsindustrien, die uns bewiesen haben, daß die Regenerierungskraft der Wirtschaft größer ist, als man annimmt. Ich glaube, auch die offizielle Wirtschaftspolitik des Bundes sollte in diese Kraft mehr Vertrauen setzen als in der Vergangenheit. In vielen Wachstumsindustrien könnten beträchtliche Fortschritte erzielt werden. Aber — und darauf ist wiederholt hingewiesen worden — es gibt auch Bereiche, in denen eine staatliche Schützenhilfe unerläßlich ist. Und wenn hier von größeren Einheiten gesprochen wird, Herr Bundeswirtschaftsminister, dann ist es natürlich dringend erforderlich, daß wir zu einer Europagesellschaft kommen; denn ohne sie ist eine Zusammenarbeit über die Grenzen hinaus natürlich schwer möglich.
Ich möchte aber auf einen Gesichtspunkt noch einmal hinweisen. Ich komme jetzt auf den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion, der hier neue Akzente gesetzt hat. Ich glaube, wir sollten nicht übersehen, daß in Deutschland immer noch zwischen Verbrauch und Investition ein Mißverhältnis besteht, das wir uns auf die Dauer nicht erlauben können.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Das Anwachsen der investiven Ausgaben von 0,5 % pro Jahr reicht eben nicht aus, wenn wir die gesetzten Ziele erreichen wollen. Aber — und das muß in aller Deutlichkeit gesagt werden — eine gesunde Konjunktur- und Strukturpolitik setzt natürlich auch eine solide und gesunde Finanzpolitik voraus. Und da, muß ich sagen, überrascht der Antrag der sozialdemokratischen Kollegen — nicht wegen der Zielsetzung, sondern wegen der Art und Weise, wie die Finanzfrage hier berührt wird. Ich könnte mir vorstellen, daß sich einige geistige Väter dieses Konzepts vielleicht auch in der Bundesregierung befinden. Ich nenne hier diesen Antrag schlicht kühn. Ich hätte einen Ausdruck, der nach meiner Meinung geeigneter wäre; aber er könnte vielleicht den Koalititionsfrieden stören.
Ich bin nicht der Meinung, daß wir neue Spritzen brauchen. Das hat ja auch der Herr Bundeswirtschaftsminister gestern in Frankfurt erfahren. Alle Institute machen klar, daß wir mit einem Zuwachs real von 5 bis 6 % rechnen können — mit einer, ich möchte nicht sagen: gezielten Ausnahme, mit der Ausnahme eines Instituts, das es sich als Ehre anrechnen muß, den Kollegen Arndt an der Spitze zu
haben. Dort ist man etwas pessimistischer; aber alle
anderen rechnen mit einem Zuwachs von 5 bis 6 %.
Wenn man aber, meine Damen und Herren, über Geld und über neue Verschuldung spricht, dann muß ich hier doch einmal ganz offen die Frage stellen: Wie ist denn die Lage? Es wird von 16 Milliarden DM neuer Versduldung von Bund und Ländern gesprochen. Ich möchte es mir versagen, hier auch noch auf Bundesbahn, Bundespost und Gemeinden einzugehen, weil wir dann in Größenordnungen kommen, die in der Tat alarmierend sind. Und es genügt ja nicht, daß man sich verschuldet; man muß natürlich auch an die Rückzahlung 'denken. Eines möchte ich hier einmal klarmachen: Ich habe nicht den Eindruck, daß wir für die Große Koalition waren, um die englische Krankheit in Deutschland einzuführen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Im übrigen, meine Damen und Herren, hat der Herr Bundesfinanzminister — noch nicht konkret, aber er wird es bald konkretisieren — schon davon Kenntnis gegeben, daß eine Reihe von Berechnungen der Ausgaben im Bundeshaushalt nicht zutreffen, sondern daß mit erheblichen Mehrausgaben auf Grund bestehender gesetzlicher Bestimmungen zu rechnen
sein wird.
Wie man angesichts dieser Tatsache an eine neue Verschuldung denkt oder gar von steuerlichen Veränderungen spricht, kann ich nicht verstehen. Wir haben die Ergänzungsabgabe nicht erfunden. Uns hat man gesegt, das sei die Bedingung der SPD-Fraktion, um zu einer sozial gerechten Regelung der Haushaltsfragen zu kommen. Damals hat man den Plafond erhöhen wollen und gefragt: Warum 3 %, warum nicht 5 %? Heute sagt man, man müsse die Erhöhungen abbauen. Das sagen berufene Sprecher der SPD-Fraktion.

(Abg. Stammberger: Wer?)

— Möller! Lesen Sie es einmal! Vor einigen Tagen ist das erschienen. Wir haben es mit großem Erstaunen zur Kenntnis genommen.

(Abg. Stammberger: Wo denn?)

Wir haben in großen Zügen eine gemeinsame Übereinstimmung gefunden. Es bedarf jetzt aber der Konkretisierung der Maßnahmen. Man darf den Zusammenhang von Konjunkturpolitik und Strukturpolitik, aber auch Finanzpolitik nicht ganz außer acht lassen.
Im übrigen wäre es besser, wenn sich die Bundesregierung wirklich ganz klar an ihre Arbeitsverteilung hielte und Äußerungen zur Steuerpolitik dem Minister überlassen würde, der dafür zuständig ist. Das ist nach meiner Auffassung der Herr Bundesminister der Finanzen.

(Bundeswirtschaftsminister Dr. Schiller: Ist geschehen!)

Diese Große Anfrage ist für uns nicht ein Ventil gewesen, um hier einmal über einige Probleme zu sprechen, die uns beunruhigen, sondern wir wollten der Regierung die Möglichkeit geben, ihre Politik zu präzisieren und daraus Folgerungen zu



Gewandt
ziehen, die sonst der parlamentarischen Initiative überlassen werden müßten. Wir haben vor, der Regierung die Arbeit zu erleichtern durch eine Reihe von Anregungen, die in unserem Entschließungsantrag enthalten sind. Wir bitten das Hohe Haus um Zustimmung.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0514801700
Das Wort hat Herr Abgeordneter Ravens.

Karl Ravens (SPD):
Rede ID: ID0514801800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie, daß ich nach all den guten Aufforderungen, die die Bundesregierung bis jetzt aus den Reihen aller Parteien bekommen hat, mit dem beginne, was die Voraussetzung dafür ist, handeln zu können, nämlich mit der Frage, wie denn das finanziert werden soll. Herr Kollege Gewandt, Sie haben darauf hingewiesen, daß unser Entschließungsantrag gewisse neue Akzente setzt. Sie haben aber mit „Erstaunen", sagen Sie, zur Kenntnis genommen, daß darin auch etwas über Geld steht. Ich frage mich, wie man von der Bundesregierung die Darlegung ihrer strukturpolitischen Vorstellungen verlangen kann, verbunden mit der Aufforderung, nun endlich auf diesem Gebiet mehr als bisher gezielt zu arbeiten, wenn man gleichzeitig sagt: Kosten darf das Ganze nichts; du mußt sehen, wie du zurecht kommst; schau mal zu, woher du die Mittel bekommst.
Die Kollegen Stücklen, Bauer, Wagner, Niederalt und Genossen, Ihre Kollegen aus der CSU, haben uns auf Umdruck 356 einen Antrag vorgelegt, in dem steht, zur Verwirklichung ihrer Grundsätze sei notwendig — um in den Zonenrandgebieten und in den bayerischen Grenzgebieten zurechtzukommen —: Gewährleistung eines vergleichbaren Investitionsvolumens durch Aufstockung der Mittel für die regionale Förderung. Ich frage, woher die Mittel für die Aufstockung genommen werden sollen, wenn nicht so, wie wir es vorschlagen.

(Beifall bei der SPD.)

Dann ist die Rede von verstärkter Förderung der Infrastruktur in den betroffenen Gebieten, insbesondere vom raschen Ausbau der Ost-West-Verbindungen, des Rhein-Main-Donau-Kanals. Ich frage: womit, wenn nicht mit Mitteln, die wir bereitstellen müssen?
Es bleibt doch so lange Augenwischerei in diesem Hause, über Grundsätze zu reden und sie zu entwickeln, wenn man nicht auch bereit ist, daraus die Konsequenzen zu ziehen. Den Mund spitzen können wir alle sehr gut. Hier muß gepfiffen werden, wenn die Dinge in Gang kommen sollen. Für uns stellt sich die Frage, meine Damen und Herren, ob wir denn — um auf die bayerischen Kollegen einzugehen - bereit sind, hinzunehmen, daß augenblicklich in den Gebieten des bayerischen Grenzlandes 19 % strukturelle Arbeitslose vorhanden sind,

(Zuruf von der CDU/CSU: 50 %!)

- strukturell bis zu 19 % in verschiedenen Arbeitsamtsbezirken —, und dabei zu fordern, es
müsse etwas getan werden, ohne dafür das Geld zur Verfügung zu stellen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0514801900
Gestatten Sie eine Frage? — Herr Abgeordneter Gewandt!

Heinrich Gewandt (CDU):
Rede ID: ID0514802000
Herr Kollege, sind Sie nicht der Meinung, daß es neben einer unverantwortlichen Überschuldung auch die Möglichkeiten gibt, dieses Problem durch die Schaffung neuer Prioritäten zu lösen?

Karl Ravens (SPD):
Rede ID: ID0514802100
Herr Kollege Gewandt, wir haben vor einigen Wochen in diesem Hause die mittelfristige Finanzplanung verabschiedet, die hier zwei besondere Schwerpunkte gesetzt hat: Förderung von Wissenschaft und Forschung und Verkehrsausbau. Ich frage mich nur, wie wir aus dem Plafond heraus, der uns jetzt zur Verfügung steht, dann noch weitere Umschichtungen in der Größenordnung, die wir nötig haben, vornehmen können. Ich frage mich zweitens, Herr Kollege Gewandt, ob es denn eigentlich ein Verschulden in dem Sinne ist, daß es unverantwortlich sei, wenn wir gleichzeitig wissen, daß sich durch die echten Strukturkrisen, die wir heute an Ruhr und Saar und im Zonenrandgebiet haben, die Steuerausfälle im Laufe der Jahre auf ein viel höheres Volumen heraufspielen werden. Dann werden wir eines Tages hier in diesem Hause stehen und uns fragen, ob wir Finanz- und Wirtschaftspolitik à la Brüning machen wollen. Ich glaube, das wollen wir doch alle miteinander nicht wiederholen.
Dann zu Ihrer Frage — um auch das gleich auszuräumen -, wie das mit Alex Möller sei. Der Kollege Möller hat gefordert, daß man sich in diesem Hause im Zusammenhang mit der Förderung der Investitionsneigungen der privaten Unternehmungen, auf die es ja in diesem Jahre 1968 besonders ankomme, über die Frage der Überprüfung der Investitionssteuer unterhalte. Mit keinem Wort hat der Kollege Alex Möller oder einer aus unserer Fraktion bisher auch nur die Frage gestellt, wie das mit der Ergänzungsabgabe sei. Wir halten diese Ergänzungsabgabe nach wie vor für eines der, sagen wir, sozial notwendigen Äquivalente gegenüber dem, was wir all den anderen Leuten aus dem Bereich der Sozialpolitik zur Gesundung unserer Haushaltsfinanzen haben anlasten müssen, und dabei sollten wir auch bleiben.

(Beifall bei der SPD.)

Meine Damen und Herren, wir sind bereit — um das kurz abzuschließen —, alle Anstrengungen zu unternehmen und alle Überprüfungen von Tatbeständen im Bereich der Steuerpolitik, die den Aufschwung in diesem Lande hindern könnten, mitzumachen. Wir sind aber nicht bereit, hier erneut weitere Verschiebungen der Gewichte, der Belastung der Gruppen in diesem Lande hinzunehmen. Ich glaube, darüber ist sich der Bundestag in seiner großen Mehrheit doch wohl einig, daß wir mit einseitigen Belastungen nicht weiter gehen können, als wir leider alle miteinander gehen mußten, und das weiß Gott nicht in großer Freude.




Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0514802200
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Karl Ravens (SPD):
Rede ID: ID0514802300
Bitte, gerne.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0514802400
Herr Kollege Staratzke!

Dr. Hans-Werner Staratzke (FDP):
Rede ID: ID0514802500
Herr Abgeordneter Ravens, ich bitte um Entschuldigung, daß ich mit meiner Frage etwas spät komme. Sie sind in Ihren Ausführungen schon über diesen Punkt hinaus; Sie sprachen vom Geld. Wäre es nicht denkbar gewesen, daß man im Rahmen der vergangenen Sonderprogramme, Investitionsprogramme, für diese Zwecke, die hier alle angesprochen werden, sehr viel mehr hätte tun können?

Karl Ravens (SPD):
Rede ID: ID0514802600
Herr Kollege Staratzke, ich weiß, daß Sie genauso gut wie ich wissen, daß z. B. in diesem zweiten Programm zwei Gewichte im Mittelpunkt gestanden haben, nämlich die allgemeine Konjunkturentwicklung und — mit Schwergewicht — die Förderung der Infrastruktur in den unterentwickelten oder einseitig strukturierten Gebieten. Sie wissen, daß im zweiten Investitionshaushalt die Verteilung auf die Länder, die ja für viele dieser Aufgaben zuständig waren und sind, in diesen Gebieten nach dem Schlüssel der doppelten Bevölkerungszahl vorgenommen wurde. Das war ein Schlüssel, dessen Anwendung in der Kürze der Zeit möglich war und der ganz klar die Prioritäten unserer Bemühungen auf diesem Gebiet in die strukturschwachen Gebiete hineingelenkt hat. Weil das aber nicht ausgereicht hat, Herr Kollege Staratzke, sind wir der Meinung, ,daß wir hier zusätzlich Mittel haben müssen, um in bezug auf die Probleme an der Ruhr, an der Saar, in den regionalen Förderungsgebieten und im Zonenrandgebiet einen Schritt voranzukommen, um für sie endlich etwas mehr als in der Vergangenheit zu tun.
Meine Damen und Herren, es ist ja wohl in diesem Hause eine unumstrittene Feststellung, daß die sektorale Strukturpolitik in einem System der marktwirtschaftlichen Ordnung, wie wir es hier haben, zunächst Unternehmensaufgabe ist. Es liegt in der Selbstverantwortung unserer Unternehmensverfassung, daß die Unternehmer ihre Betriebe, ihre technischen Vorgänge selbst an neue Entwicklungen anpassen, daß sie rechtzeitig erkennen, wohin der Hase läuft, daß sie rechtzeitig umbauen. Das alles gehört nun einmal dazu, wenn man marktwirtschaftliche Ordnung will, wenn man die freie Unternehmensentfaltung in diesem Lande will. Davon sollten wir bei allen Überlegungen ausgehen.
Aber dennoch ergibt sich aus der Pflicht der staatlichen Wachstumsvorsorge und aus der Verantwortung dieses Staates für die Vollbeschäftigung seine Aufgabe, den Unternehmen und den Arbeitnehmern bei Anpassungsvorgängen behilflich zu sein.
Sie haben heute, Herr Kollege Gewandt, eine Reihe von Instrumenten für die bessere Durchleuchtung der Wirtschaftsabläufe aufgezeigt. Ich bin mit Ihnen der Meinung, daß viele unserer statistischen
Möglichkeiten, die wir heute haben, noch lange nicht ausreichend genutzt sind. Wir bekommen solche Daten häufig erst sehr spät. Im Januar erhalten wir die Daten des Auftragsvolumens der Industrie für November. Das alles sind langfristige Verzögerungen, die uns immer wieder vor Schwierigkeiten stellen, eine gegebene Situation richtig und genau einschätzen zu können.
Zur langfristigen Strukturpolitik gehören, so meine ich, über dieses Zurverfügungstellen von Daten, über die Hilfe in besonderen Gebieten, über die wir gar nicht streiten, hinaus auch die Berufsausbildung, die Berufsweiterbildung und nicht zuletzt die Berufsforschung.
Meine Herren, ist es nicht fast ein Anachronismus, daß wir den ganzen 4. Bundestag hindurch in diesem Hause darum gestritten haben, wie denn ein zukünftiges Berufsausbildungsgesetz aussehen soll, das unseren jungen Menschen heute die Möglichkeit gibt, einen Beruf zu erlernen, in dem .sie morgen mit der neuen Technik fertig werden! Ist es nicht fast ein Anachronismus, daß wir noch beinahe 500 Lern- und Anlernberufe haben, die einfach die weite und breite Ausbildung, die der Arbeitnehmer heute in der Industrie braucht, um umgestellt werden zu können, wenn es sein muß, immer noch verhindern! Und ist es nicht eigentlich ein bißchen anachronistisch, daß die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung erst im vergangenen Jahr ihr Berufsforschungsinstitut eingesetzt hat!
Wir wissen heute noch nicht, wie die Entwicklung in der Industrie mit den Anforderungen an die Berufe langfristig laufen wird. Wir bilden heute in Berufen aus, die es morgen und übermorgen auf der Landkarte nicht mehr gibt, und bilden heute in Fertigkeiten nicht aus, die morgen und übermorgen in unserem Land dringend gebraucht werden. Hier sind Ansatzpunkte, die man nicht verkennen darf. Sie gehören in die Überlegungen einer langfristig angelegten, sozial ausgerichteten Strukturpolitik hinein, die sich nicht nur an die Unternehmen wendet, sondern die ihre Hilfestellung auch für den Arbeitnehmer in diesem Land bereitstellt.
Meine Damen und Herren, in dieser strukturpolitischen Debatte heute darf man auch nicht an den aktuellen, brennenden Problemen vorübergehen, die wir hier am Sitz des Bundestages, im Land Nordrhein-Westfalen, alle miteinander jeden Tag spüren. Man kann nicht nur die Grundsätze auf den Tisch legen, sondern ich meine, wir haben heute auch ein gutes Beispiel dafür, in welcher Art, mit welchen Mitteln und mit welchen Methoden Strukturpolitik gemacht werden kann und was wir auf der anderen Seite dabei von denen erwarten können, die für die Strukturveränderungen in der Wirtschaft mitverantwortlich sind, von den Unternehmern.
Die Bundesregierung hat mit der Vorlage des Berichts über die strukturpolitischen Maßnahmen in den Bergbaugebieten an Ruhr und Saar gestern im Wirtschaftsausschuß eigentlich ihr großes Engagement für diese Aufgabenstellung deutlich gemacht. Sie will sich an der Lösung der Probleme der Verbesserung der Verkehrsstruktur an Ruhr und Saar

Ravens
im Rahmen eines ausgewogenen Landesentwicklungsprogramms beteiligen. Meine Frage geht nur dahin, ob es nicht richtig wäre, Herr Bundeswirtschaftsminister, auch mit dein Land Nordrhein-Westfalen einmal darüber zu reden, ob nicht auch die Aufgaben der Stadtsanierung in den gemeinsamen Katalog hineinkommen sollten. Sie könnten, so meine ich, wesentlich helfen, die allgemeine Wirtschaftslage an der Ruhr zu verbessern und den Arbeitnehmern dort Berufe anzubieten, in die sie umsteigen können, und hätten gleichzeitig den Effekt, weitere anschließende Industriebereiche wieder in die Wachstumszone hineinzubringen.
Deutlich wird bei der Vorlage dieses Berichtes aber auch die enge und unlösbare Verbindung zwischen der Schaffung einer einheitlichen Unternehmensstruktur im Bergbau an Ruhr und Saar und dem Anpassungs- und Stillegungsplan. Daraus ergeben sich die Zahl und der Standort der in Zukunft zur Verfügung stehenden Arbeitnehmer und von daher natürlich auch die Fragen nach den gewerblichen oder den kommunalen Erschließungsmaßnahmen für Gewerbegebiete und die Fragen nach dem Verkehrsprogramm und dem Wohnsiedlungsprogramm.
Meine Fraktion hat in dre Debatte des Deutschen Bundestages am 8. November 1967 ganz eindeutig klargemacht, daß sie für die Lösung dieses Strukturproblems, das durch die Monostruktur sowohl ein sektorales als ein regionales ist, vier Dinge als grundsätzliche Voraussetzungen ansieht: die Schaffung einer Einheitsgesellschaft, die Stillegungsprämien mit der gleichzeitigen Bindung an einen Stillegungsplan, die Schaffung eines Gesamtstrukturplans für diese Gebiete und die Vorlage eines Sozialplans, der gleichzeitig den Arbeitnehmern den Übergang in neue Berufe ohne sozialen Abstieg ermöglichen und erleichtern soll.
Bei manchem in diesem Hause oder draußen in der Öffentlichkeit mag der Eindruck entstanden sein, der Bundestag habe über die Weihnachtspause die Steinkohlenkrise, ,das innenpolitische Problem Nr. 1, ein wenig aus dem Auge verloren. Mit Betroffenheit haben wir zur Kenntnis nehmen müssen, daß die Gespräche zwischen dem Bundeswirtschaftsministerium auf der einen Seite und dem sogenannten Rheinstahlkreis auf der anderen Seite bisher noch nicht zu einem Abschluß geführt haben. Mit ebenso großer Betroffenheit haben meine Freunde zur Kenntnis genommen, daß der Fühlungnahme zwischen der IG Bergbau und Energie und dem Rheinstahlkreis, um hier zu einheitlichen und tragbaren Lösungen zu kommen, immer noch nicht die Phase einer tatsächlichen Verhandlung gefolgt ist. Wir haben am 8. November sehr deutlich gesagt, daß wir die Einheitsgesellschaft als Schlüssel für die Lösung der Strukturkrise ansehen. Jedem Verantwortlichen brennt doch diese Frage auf den Nägeln. Man kann ruhig offen sagen, daß es draußen und auch in diesem Hause eine nicht unbeachtliche Minderheit gegeben hat, die den freiwilligen Zusammenschluß der Zechen als einen sehr langwierigen Prozeß, als eine unter Umständen gar nicht lösbare Aufgabe angesehen hat und vom ersten Tage der Besprechungen an überhaupt auf eine
Zwangslösung hat zusteuern wollen. Die Verhandlungen des Bundeswirtschaftsministeriums mit dem Rheinstahlkreis scheinen jetzt jedoch in ein Stadium eingetreten zu sein, das auch bei anderen die Sorge aufkommen läßt, ob denn die freiwillige Lösung überhaupt möglich ist. Eine sehr angesehene deutsche Tageszeitung, die nicht im Verdacht stehen kann, besonders gewerkschaftsfreundlich zu sein, schreibt in diesen Tagen, es sei doch ein wenig eigenartig, daß man sich immer wieder nur über Lösungsvorschläge unterhalte, nach denen der Unternehmer seine Zechen durch den Staat bezahlt bekäme, während die anderen wahrscheinlich alle miteinander — sprich: die Steuerzahler die Zeche für eine falsche Unternehmenspolitik der letzten 10 Jahre zu zahlen hätten. Die Stimmen, die sich so oder so kritisch in dieser Richtung äußern, mehren sich in den letzten Tagen. Auch der Sachverständigenrat hat in seinem letzten Jahresgutachten einige sehr kritische Worte hinsichtlich der Übernahme des Unternehmerrisikos auf die Schultern der Steuerzahler gefunden. Zu dieser Auffassung hat nicht zuletzt — ich würde sagen: zu allererst - das Verhalten der Zechenunternehmen und derjenigen, die sie im Rheinstahlkreis vertreten, beigetragen. Dieses Verhalten in den Verhandlungen ist sicher kein Beispiel für die Zusammenarbeit zwischen Staat und privater Wirtschaft bei der Lösung von Strukturfragen. Es ist auch kein Beispiel für soziales Verantwortungsbewußtsein, sondern ein Beispiel dafür, wie ein kleiner Kreis von Unternehmern aus der verfehlten Geschäfts- und Investitionspolitik der vergangenen Jahre Gewinn schlagen möchte, indem er versucht, uns mit der Drohung eines
sozialen Konflikts im Ruhrgebiet in die Ecke zu bringen, in der wir dann am Ende nur noch zahlen können. Ich kann mir nicht vorstellen, daß bei Verhandlungen in der freien Wirtschaft die Partner,
die dort zusammenkommen und sich fusionieren wollen, zu solch seltsamen Methoden gelangen, wie sie heute an der Ruhr eingerissen sind. Da wird
I mitten in den Verhandlungen das Verhandlungsobjekt im Wert gemindert. Da werden Kohlenhalden an andere Unternehmen übertragen. Da wird mit Grundstücksübertragungen an Holdings und an andere Besitzer manipuliert. Da wird mit Wohnungseigentum manipuliert; dafür werden neue Gesellschaften gegründet. Aber am Schluß möchte man vom Staat immer noch die gleich hohe Einstandszahl für dieses entwertete Objekt garantiert haben, das man hier einbringt. Meine Damen und Herren, für dieses Gebaren — ich muß schon sagen: für solche Teppichhändlermethoden — haben die von der Existenzangst ergriffenen Kumpels an der Ruhr weiß Gott kein Verständnis.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Wir sollten uns nicht wundern, wenn es dann morgen an der Ruhr Transparente gibt, die den Bergbauunternehmern weniger passen werden als die, die wir bisher dort gesehen haben. Bisher haben die Arbeitnehmer an der Ruhr mit ihren Unternehmern zusammen versucht, die Probleme zu losen. Daß wir dabei manches Mal ,die Leidtragenden waren, brauche ich in diesem Hause nicht zu sagen; das



Ravens
haben wir erlebt. Aber wenn das so weitergeht, möchte ich einigen der Unternehmer heute schon prophezeien, daß das letzten Endes dann zu Lasten ihrer Position geht.
Es steht ganz außer Frage, daß die Zechenunternehmer dabei sind, ihre letzte Karte für einen freiwilligen Zusammenschluß zu verspielen, dessen Möglichkeit ihnen durch diese Regierung und dieses Parlament gegeben worden ist. Was dann übrigbleibt, das ist der staatliche Zwang. Es fragen sich manche in diesem Hause — und ich mich auch -, ob der staatliche Zwang der richtige Weg ist. Ich kann hier nur sagen: uns wäre es lieber, wenn man hier ganz schnell zu einer Einigung, zu einer freiwilligen Lösung käme. Denn niemand von uns kann doch wollen, daß die Angst der Bergleute in diesem Gebiet fortdauert. Niemand in diesem Hause kann dulden, daß aus Mitteln des Steuerzahlers nur die kärglichen unrentablen Reste der Zechen auf Raten dem Staat angeboten und von ihm erworben werden. Niemand in diesem Hause kann wollen, daß der seit zehn Jahren versäumte Anpassungsprozeß des wirtschaftlichen Herzens unseres Staates dank der Finten und der Begehrlichkeit einer kleinen Gruppe, die ganz sicher nicht repräsentativ für das ganze deutsche Unternehmertum ist, weiter verschleppt wird mit all den verheerenden Folgen für die Wirtschaft unseres Staates morgen und für den sozialen Frieden in unserem Lande.
Hier an der Ruhr können wir alle miteinander studieren, wieweit oder wie schwer die Probleme sich kumulieren, wenn dieser Staat nicht früh genug mit Mitteln der Globalsteuerung, mit Mitteln der Anpassung hilft, aber auch studieren, wohin es führt, wenn Unternehmer nicht begreifen, daß es Zeit ist, die Pferde zu wechseln, auf andere Bereiche auszuweichen.

(Zuruf von der FDP: Energiedebatte!)

— Nein, das ist keine Energiedebatte, meine Herren. Hier geht es letzten Endes um das brennende Problem der Strukturanpassung an einem Ort, die uns jeden Tag hier wieder neu vorexerziert wird. Hier können wir nicht nur Grundsätze verkünden; wir müssen auch etwas tun und dazu etwas sagen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0514802700
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage?

Alfred Ollesch (FDP):
Rede ID: ID0514802800
Herr Kollege, nachdem Sie sich über die angeblich skrupellosen Methoden der Unternehmer an der Ruhr beschwert haben, darf ich Sie fragen, ob es Ihnen entgangen ist, daß das alles mitbestimmte Betriebe sind.

Karl Ravens (SPD):
Rede ID: ID0514802900
Herr Kollege, ich habe mich erstens einmal nicht über die skrupellosen Methoden d e r Unternehmer beschwert und sie hier dargestellt, sondern ich habe über einige gesprochen. Außerdem sind im Rheinstahlkreis — soweit ich sehe — keine Arbeitnehmer vertreten. Ich will aber auch gan offen hier eingestehen: Für den Fall, daß solche Entscheidungen, wie sie hier gefällt worden sind — Übertragung von Kohlenhalden oder
von Wohnungseigentum oder von Grundstücken einstimmig in den mitbestimmten Aufsichtsräten getroffen worden sind, bin ich bereit, das in der gleichen Härte denen zu sagen, die als Arbeitnehmervertreter in diesen Aufsichtsräten sitzen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.) Hier gibt es keinen Unterschied.


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0514803000
Gestatten Sie noch eine Frage?

Alfred Ollesch (FDP):
Rede ID: ID0514803100
Herr Kollege, darf ich Sie fragen, ob es nicht besser gewesen wäre, hier in der gleichen Härte Ihre Vorwürfe auch an diese Adresse zu richten, als zu sagen: „wenn ..."?

Karl Ravens (SPD):
Rede ID: ID0514803200
Ich habe die Vorwürfe an die Unternehmer gerichtet, die sich solcher Methoden bedienen. Sie weisen darauf hin, diese Unternehmen seien mitbestimmt. Damit ist noch lange nicht gesagt, daß es einstimmige Beschlüsse im Aufsichtsrat gibt. Aber wenn es sie gibt, bin ich bereit, genau dasselbe auch noch einmal an die Adresse derer zu sagen, die in den Aufsichsräten als Arbeitnehmervertreter sitzen. Auch sie müssen wissen, daß es hier nicht zuerst um den Segen ihres Unternehmens geht, sondern daß es hier um die Wohlfahrt der Menschen an Saar und Ruhr geht, die ihnen ja wohl ganz besonders am Herzen liegen.
Ich habe den Eindruck, daß einige Zechenunternehmen an Rhein und Ruhr das Angebot des Bundestages und der Bundesregierung, zu einer freiwilligen Lösung zu kommen, und unsere relative Geduld, die wir gehabt haben — denn es hieß ja mal „1. Januar" —, als ein Zeichen der Schwäche angesehen haben: so ernst nehme es der Bundestag doch wohl eigentlich nicht.
Mir lag daran, an dieser Stelle und bei der heutigen Gelegenheit einmal deutlich zu machen, daß wir das nicht als ein Zeichen der Schwäche verstanden haben, und um auch einmal deutlich zu machen, daß unsere Geduld und die Geduld der Menschen draußen langsam zu Ende geht. Dieses Haus kann keine Abteilung für Kulanzregelungen auf Kosten der sozialen Sicherheit der Menschen an der Ruhr und an der Saar — und das noch auf Kosten der Steuerzahler — sein. Dafür können wir hier nicht eintreten.
Ich hoffe, daß einige Herren im Rheinstahlkreis, vor allem diejenigen, die bis heute noch der Meinung sind, sie brauchten sich an der Lösung der Aufgabe nicht zu beteiligen, begriffen haben, daß der Deutsche Bundestag außer dem Angebot der freiwilligen Lösung zur Behebung der Strukturkrisen an Rhein und Ruhr auch das Instrument des Zwanges anzuwenden bereit ist, wo es nötig ist. Denn wir gehen davon aus, daß es bei der Lösung dieses Problems eine unlösbare Verbindung zwischen den Fragen der Unternehmensstruktur und der sich daraus ergebenden Rationalisierungsmöglichkeit einerseits und den Fragen der Strukturpolitik und der Sozialpolitik andererseits gibt. Wir, die Bundesregierung und dieses Hohe Haus,
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn; Freitag, den 19. Januar 1968 7625
Ravens
haben mit der Vorlage des Sozialplans und mit unseren Stellungnahmen dazu sowie mit der Vorlage des Strukturplans und unseren Stellungnahmen dazu deutlich gemacht, daß wir bereit sind, unseren Part zu spielen, unsere Verantwortung zu übernehmen. Wir erwarten dasselbe von den anderen, die letzten Endes wohl mit dafür verantwortlich sind, daß wir heute an Ruhr und Saar in den jetzigen Problemen stecken.
Lassen Sie mich zum Schluß noch ein Wort zu ein paar Fragen der strukturschwachen Gebiete sagen. Sie sind hier angesprochen worden. Auch an diesem Beispiel wird deutlich, wie sehr die Verantwortung hinsichtlich der Bildung, der Ausbildung und der Weiterbildung bei uns liegt. In den vergangenen Jahren sind aus der Landwirtschaft fast zwei Millionen Menschen ausgeschieden. Das geschah häufig in Gebieten, die einseitig agrarisch strukturiert waren, in denen es also in der Nähe des Wohnortes keine anderen Arbeitsplätze gab, in denen es keine Möglichkeit gab, nun mal schnell umzusteigen. Die sind ausgeschieden, und niemand von uns hat gefragt, wie sie denn eigentlich diesen Prozeß überstanden haben. Es sind zwei Millionen Menschen, die wir entlassen haben, ohne etwas dazu zu sagen. Denn es war ja jahrelang nicht opportun, in diesem Hause davon zu reden, daß die Zahl derer, die in der Landwirtschaft tätig sein können, von Jahr zu Jahr kleiner werde. Wir haben sie entlassen, ohne zu fragen, ob wir ihnen gleichzeitig auch die Chance für die Erlernung eines neuen Berufs oder für die Umschulung auf einen anderen Beruf einräumen müßten.
Ich komme aus einem solchen Gebiet. Ich würde sehr empfehlen, sich einmal die Statistiken unserer Arbeitsämter anzusehen. Das, was da heute als „konjunkturelle Arbeitslose" erscheint, sind in überwiegendem Maße ehemalige freie Landwirte und ehemalige landwirtschaftliche Arbeiter, die den Übergang nicht gefunden haben, die als Ungelernte in den Betrieben gestanden haben und die im augenblicklichen Zustand immer weniger gebraucht werden. Dabei haben sie die ersten Opfer zu tragen. Auch hier liegt für uns für die Zukunft eine Aufgabe, der wir uns nicht länger verschließen dürfen.
Entwicklungspläne in den Ländern für diese einseitig strukturierten Gebiete sollten wir nachhaltig auch hier fordern, um auf der Basis dieser Entwicklungspläne die Hilfen, die wir in der regionalen Wirtschaftspolitik, in der regionalen Strukturpolitik geben können, gezielt einzusetzen. Denn Regionalpolitik bleibt ja zunächst einmal bei den Entwicklungsplänen Aufgabe der Länder. Wir sollten die Hilfen gezielt einsetzen, um die Lebensverhältnisse dieser Menschen zu verbessern und ihnen die Chance zu geben, auszusteigen und in einen neuen, gesicherten Beruf hineinzugehen.
Über allem aber, meine Damen und Herren, steht hier wohl - unausgesprochen zunächst, aber doch deutlich sichtbar — die Frage nach der Finanzreform in diesem Lande. Die Debatte über die Strukturpolitik wird in diesem Lande auf dieser Ebene unbefriedigend bleiben müssen, solange nicht im Rahmen der Finanzreform eine klare Abgrenzung der Möglichkeiten zwischen Bund und Ländern, eine klare Abgrenzung auch der Mittel, die dafür zur Verfügung stehen, hergestellt worden ist. Hier sollten wir gemeinsam Druck darauf ausüben, daß die Bundesregierung auf ihrem Wege weiterschreitet, die Finanzreform in dieser Legislaturperiode über die Bühne zu bringen.
Meine Damen und Herren, die Grundsätze der Regierung liegen vor. Jetzt muß dieses Haus der Regierung die Möglichkeit zum Handeln geben. Das bezweckt unser Antrag. Wer also aus der akademischen Diskussion heraus will, der muß unserem Antrag zustimmen.

(Beifall bei der SPD.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0514803300
Meine Damen und Herren, wir unterbrechen die Sitzung und treten in die Mittagspause ein. Ich gebe aber bekannt, daß sich zu diesem Tagesordnungspunkt bis jetzt noch 18 Redner gemeldet haben. Ob es dabei bleibt, ist eine offene Frage.
Um 14 Uhr wird die Sitzung wiederaufgenommen.

(Unterbrechung der Sitzung von 12.32 bis 14.02 Uhr.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514803400
Die Sitzung ist wieder eröffnet.
Wir fahren fort mit dem Punkt:
Fragestunde
— Drucksachen V/2464, zu V/2464 —
Wir beginnen mit den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts. Ich rufe zuerst die Dringliche Mündliche Anfrage des Abgeordneten Genscher auf Drucksache V/2480 auf:
Welchens Ergebnis hatte das Gespräch des Bundesministers des Auswärtigen mit dem britischen Außenminister Brown in bezug auf die EWG-Politik der Bundesregierung?
Herr Staatssekretär, ich darf bitten.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514803500
Herr Abgeordneter, der Herr Bundesminister befindet sich in dieser Stunde noch im Gespräch mit dem britischen Außenminister. Ich bitte deshalb um Verständnis, wenn ich darüber im Augenblick noch nichts sagen kann.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514803600
Eine Zusatzfrage, Abgeordneter Genscher.

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0514803700
Darf ich davon ausgehen, Herr Staatssekretär, daß die Bundesregierung in der kommenden Woche das Haus unterrichten wird?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514803800
Davon dürfen Sie ausgehen.




Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514803900
Damit komme ich zu den Fragen aus der Drucksache V/2464. Zuerst die Frage 21 des Abgeordneten Ertl:
Was beabsichtigt die Bundesregierung zu tun, um den polnischen Außenminister Rapacki nach dessen Erklärung vom 3. Januar von der Ehrlichkeit ihrer Ostpolitik zu überzeugen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514804000
Die Bundesregierung hat an dieser Stelle am 13. Dezember 1966 und am 13. Oktober 1967 zur Frage der deutschpolnischen Beziehungen erklärt, sie wünsche ein von beiden Völkern gebilligtes, dauerhaftes und friedliches Verhältnis guter Nachbarschaft. Sie hat Verständnis für den Wunsch des polnischen Volkes, in gesicherten Grenzen zu leben, und stellt daher nicht die Rechtsposition in den Vordergrund, sondern den Versöhnungswillen. Wir sind auf der Grundlage dieser Erklärung jederzeit zu einem deutsch-polnischen Gespräch über die künftige- Gestaltung der Beziehungen zwischen unseren Völkern und Staaten bereit.
Die Bundesregierung ist sich der Tatsache bewußt, daß unsere Bemühungen, die deutsch-polnischen Beziehungen zu verbessern, bisher keinen sichtbaren Erfolg gehabt haben. Wir werden jedoch nicht nachlassen, unseren Willen zu Frieden, Verständigung und Versöhnung immer wieder kundzutun. Da auch das polnische Volk den Frieden will, muß es nach unserer Überzeugung eines Tages zur Verständigung kommen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514804100
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ertl.

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0514804200
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß der polnische Außenminister Rapacki in seiner jüngsten Erklärung gefordert hat, die Bundesregierung müsse, um ihren guten Willen sichtbar zu machen, die Existenz zweier deutscher Staaten und die bestehenden Grenzen anerkennen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514804300
Es ist richtig, daß der polnische Außenminister eine Reihe von Vorbedingungen gesetzt hat. Nur, Herr Kollege Ertl, wir haben immer wieder erklärt — und wir bleiben dabei —, nach unserer Auffassung sollte es möglich sein, über die zwischen den beiden Ländern bestehenden Fragen ein offenes Gespräch zu führen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514804400
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ertl.

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0514804500
Darf ich aus dieser Antwort und auch aus Ihrer ersten Antwort schließen, daß die Bundesregierung ,es nicht wegen Grenzfragen zu Schwierigkeiten kommen lassen würde?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514804600
Das ist eine sehr mißverständliche Frage, Herr Kollege Ertl. Was heißt „daß die Bundesregierung es nicht wegen Grenzfragen zu Schwierigkeiten kommen lassen
würde"? Die Bundesregierung hat ihre Bereitschaft erklärt, über alle zwischen den beiden Ländern bestehenden Fragen mit Polen zu sprechen. Da kann sich die Bundesregierung nicht anders verhalten, als sie es bisher getan hat, nämlich zusagen: Wir führen dieses Gespräch ohne Vorbedingungen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514804700
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Weigl.

Franz Weigl (CSU):
Rede ID: ID0514804800
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß deutsche Reisegruppen in letzter Zeit fast in keinem Falle mehr eine Einreisegenehmigung nach Polen erhalten haben, und sehen Sie in dieser Tatsache eine Verhärtung des Standpunktes der polnischen Regierung?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514804900
Herr Kollege, ich kann im Augenblick nicht sagen, ob diese Verallgemeinerung zutreffend ist. Schwierigkeiten sind immer aufgetreten und können immer auftreten. Ob das aber zu der Schlußfolgerung berechtigt, die Sie gezogen haben, vermag ich im Augenblick nicht zu sagen. Ich glaube aber, man sollte generell nicht sagen, daß eine besondere, auffallende Verhärtung gerade in der letzten Zeit eingetreten sei. Die Auseinandersetzung mit Polen und die Bemühungen, mit der polnischen Regierung in ein Gespräch zu kommen, sind im Rahmen der Bemühungen der Bundesregierung um bessere Verbindungen zu den osteuropäischen Ländern immer besonders schwierig gewesen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514805000
Herr Abgeordneter Weigl, ich halte es zumindest für zweifelhaft, ob Ihre Frage überhaupt noch eine Zusatzfrage ist oder ob sie nicht als selbständige Frage hätte eingebracht werden können, was übrigens immer noch geschehen kann.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Marx.

Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0514805100
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß die von Herrn Kollegen Ertl genannten Bedingungen nicht gerade die geeignete Methode sind, die von der Bundesregierung gewünschte vorurteilslose Diskussion mit der polnischen Regierung führen zu können?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514805200
Vorbedingungen sind überhaupt keine Erleichterung für ein Gespräch, Herr Kollege Marx.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514805300
Damit komme ich zur Frage 22 des Abgeordneten Ertl:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß „jeder intelligente Politiker weiß: Keine Regierung Europas kann und will deutsche Ansprüche auf die Gebiete jenseits von Oder und Neiße vertreten"?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514805400
Die Bundesregie-
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode 148. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1968 7627
Parlamentarischer Staatssekretär Jahn
rung verkennt nicht, daß die Ansprüche Polens auf die Gebiete jenseits von Oder und Neiße in der Öffentlichkeit verschiedener Länder auf zunehmendes Verständnis stoßen. Andererseits wird im befreundeten Ausland auch anerkannt, daß im Rahmen der Potsdamer Abmachungen von 1945 die Regierungschefs der Sowjetunion, Großbritanniens und der Vereinigten Staaten förmlich ihre Auffassung bekräftigt haben, daß die endgültige Festlegung der Westgrenze Polens bis zu der Friedenskonferenz zurückgestellt werden soll. Dieser Standpunkt ist von den Verbündeten und Mitgliedstaaten der NATO in den Pariser Verträgen und in entsprechenden Beschlüssen des Nordatlantikrats von 1954 förmlich bestätigt worden.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514805500
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ertl.

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0514805600
Herr Staatssekretär, darf ich aus Ihrer Antwort entnehmen, daß Sie meine Frage in der Form: „jeder intelligente Politiker weiß: Keine Regierung Europas kann und will deutsche Ansprüche auf die Gebiete jenseits von Oder und Neiße vertreten" für die Bundesregierung ablehnen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514805700
Am liebsten interpretiere ich mich selber, Herr Kollege Ertl.

(Heiterkeit.)

Ich würde sagen: die Bundesregierung hat ihre Auffassung, so wie ich das jetzt hier vorgetragen habe, zu wiederholten Malen dargelegt und hält an dieser Auffassung fest. Ich glaube, das ist der einfachste Weg, sich Klarheit über die Auffassung der Bundesregierung zu verschaffen, und er ist sicherlich klarer als der Versuch, sie in Beziehungen zu anderen Auffassungen zu setzen, die gelegentlich geäußert werden.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514805800
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ertl.

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0514805900
Darf ich, Herr Staatssekretär, nochmals in der Form fragen: Ist die von Ihnen vorgetragene Auffassung eine einheitliche Auffassung der Bundesregierung und natürlich auch der sie tragenden Parteien?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514806000
Ja, das ist sie.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514806100
Wir kommen zur Frage 23 des Abgeordneten Ertl:
Ist auch die Bundesregierung der Auffassung, daß „die DDR ein Staat ist, mit dessen ungeliebter Regierung wir gleichwohl geordnete Verbindungen herstellen müssen, auch wenn wir die DDR nicht völkerrechtlich als Ausland anerkennen können oder wollen"?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514806200
Auch zu dieser Frage ist der Standpunkt der Bundesregierung am 13. Oktober letzten Jahres vor dem Deutschen Bundestag erneut dargelegt worden. Ich zitiere aus dieser Erklärung: „Die völkerrechtliche Anerkennung der DDR kommt für uns nicht in Frage. Sie ist kein Verhandlungs- und Gesprächsgegenstand." Die Bundesregierung hat ebenso deutlich erklärt, daß sie bereit ist, mit den zuständigen Stellen im anderen Teil Deutschlands die innerdeutschen Beziehungen zu verbessern und jene Hindernisse abzubauen, die sich dem menschlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Austausch heute entgegenstellen. Wenn wir über diese Dinge mit Ostberlin sprechen wollen, so bedeutet das nicht die vom SED-Regime geforderte völkerrechtliche Anerkennung. Vielmehr handelt es sich um einen innerdeutschen Vorgang. Die DDR ist nach Auffassung der Bundesregierung kein souveräner Staat und somit kein Staat im völkerrechtlichen Sinne. Unsere Bemühungen um innerdeutsche Entspannung haben gerade das Ziel, die Teilung unseres Landes zu überwinden. Wir müssen daher jede Handlung unterlassen, die diese Teilung vertiefen oder gar völkerrechtlich besiegeln würde.

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0514806300
Herr Staatssekretär, sind Sie in der Lage, mir hier zu erklären, in welcher Form Sie Möglichkeiten sehen, mit dem anderen Teil Deutschlands Verhandlungen zu führen, wenn dieser die völkerrechtliche Anerkennung zur Vorbedingung macht, und wenn ja, wie glauben Sie, daß sich das vollziehen läßt?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514806400
Herr Kollege Ertl, ich habe soeben in anderem Zusammenhang schon einmal gesagt: die Bundesregierung betrachtet in der Tat Vorbedingungen, gerade auch, wenn sie von der anderen Seite, mit der man in Verhandlungen kommen möchte, gestellt werden, nicht als eine Hilfe, nicht als eine Erleichterung. Die Bundesregierung kann deswegen ihre Auffassung nicht ändern. Sie wird daran festhalten und ihre Bereitschaft, ohne Vorbedingungen in der Sache zu sprechen, aufrechterhalten.

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0514806500
Herr Staatssekretär, darf ich Sie in diesem Zusammenhang vielleicht auch um Ihre Meinung fragen, ob im jetzigen Augenblick sich eher eine Verhärtung oder eine mögliche Verhandlungsbereitschaft abzeichnet.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514806600
Im Augenblick läßt sich eine Verhandlungsbereitschaft nicht unmittelbar erkennen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514806700
Ich komme zur Frage 24 des Abgeordneten Dr. Marx (Kaiserslautern) :
Wie beurteilt die Bundesregierung die in der Sowjetunion 15,2 %, in der Volksrepublik Polen 10 % und in der sowjetischen Besatzungszone 61 % betragende Erhöhung der erkennbaren militärischen Ausgaben auch im Hinblick auf die Notwendigkeit einer Entspannung in Europa?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514806800
Die Verteidigungsausgaben verschiedener Mitglieder des War-



Parlamentarischer Staatssekretär Jahn
schauer Paktes haben schon seit geraumer Zeit steigende Tendenz. Diese setzt sich in diesem Jahr mit weiteren Erhöhungen der Verteidigungshaushalte fort. Dabei wirken jedoch auch Faktoren mit, die nicht zu einer Erhöhung der Kampfkraft der Warschauer-Pakt-Staaten beitragen, wie z. B. Preiserhöhungen und die Übernahme bisher unter anderen Titeln verdeckter Ausgaben in den Verteidigungshaushalt. Gleichwohl ist eine nicht unerhebliche Erhöhung des tatsächlichen Rüstungsaufwandes festzustellen, Die Kampfkraft der Streitkräfte des Warschauer Pakts wird seit geraumer Zeit verstärkt. Die Bundesregierung beobachtet diese Entwicklung und muß sie in ihrer eigenen Verteidigungsplanung berücksichtigen. Ihre Politik der Aussöhnung mit den osteuropäischen Staaten und des Abbaues der militärischen Konfrontation in Europa setzt sie jedoch unbeirrt fort.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514806900
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Marx.

Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0514807000
Herr Staatssekretär, darf ich den ersten Teil Ihrer Antwort so verstehen, daß in einer Reihe von Warschauer-Pakt-Staaten eine Reihe bisher versteckte Titel, die in einer Reihe von Etattiteln untergebracht waren, auf den Haushalt des jeweiligen Verteidigungsministeriums übertragen und dadurch erkennbarer und kalkulierbarer geworden sind?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514807100
So ist es.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514807200
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Marx.

Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0514807300
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß ein Teil der erhöhten Ausgaben vor allen Dingen zur Modernisierung und zur Steigerung der Schlagkraft neuer operativer Einheiten verwendet wird, wie das etwa bei Marineinfanterie und Luftlandetruppen der Fall sein mag?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514807400
Ich bin nicht in der Lage, Herr Kollege Marx, im einzelnen Ihre Überlegungen so detailliert zu bestätigen, wie sie in Ihrer Frage zum Ausdruck kommen. Aber daß im Prinzip ein wesentlicher Teil der Ausgaben auch auf Umrüstungen entfällt, kann ich bestätigen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514807500
Ich komme zur Frage 25 des Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen:
Ist inzwischen geklärt, ob die abstoßenden Szenen von der Enthäutung lebender junger Robben, die im Fernsehen gezeigt worden sind, auf Fälschungen beruhen oder tatsächlich Gegebenheiten entsprechen?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514807600
Es handelt sich um eine von Professor Dr. Bernhard Grzimek veranstaltete Sendung im Ersten Deutschen Fernsehen vom
8. Dezember 1965. Herr Prof. Grzimek hat dem Auswärtigen Amt mit Schreiben vom 3. November 1967 mitgeteilt, daß die von ihm gezeigten Szenen nicht absichtlich gestellt waren, sondern in jeder Hinsicht korrekt gefilmt worden sind. Es besteht keine Veranlassung, an diesen Erklärungen zu zweifeln.

(Abg. Schmitt-Vockenhausen: Danke schön!)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514807700
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Schwabe.

Wolfgang Schwabe (SPD):
Rede ID: ID0514807800
Herr Staatssekretär, halten Sie es für einen normalen Vorgang, daß in Unterhaltungssendungen des Deutschen Fernsehens und dann im deutschen Parlament Fragen des Tierschutzes in Kanada erörtert werden, zumal ja wohl nachgewiesen ist, daß es sich nicht um deutsche Robben handelt.

(Heiterkeit.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514807900
Herr Kollege Schwabe, ich weiß nicht, ob in irgendwelcher Weise die Nationalität der Robben hat festgestellt werden können. Aber selbst unterstellt, es wären keine Robben deutscher Nationalität gewesen, würde ich meinen, wenn es ein berechtigtes Interesse gibt — und das ist in diesem Falle doch glaubhaft dargetan worden —, ist es eine legitime Sache, daß in diesem Parlament und daß auch in der Öffentlichkeit darüber gesprochen wird.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514808000
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schwabe.

Wolfgang Schwabe (SPD):
Rede ID: ID0514808100
Würden Sie es als ebenso selbstverständlich betrachten, Herr Staatssekretär, wenn sich das kanadische Parlament mit der grausamen und bis jetzt noch durch keine gesetzliche Auflage verbesserten Aufzucht der Schlachtkälber in Deutschland befassen würde?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514808200
Ich kann das natürlich nicht ausschließen, obwohl ich — da bitte ich mir aber nachzusehen, daß ich auf diesem Gebiet nur über begrenzte Fachkenntnisse verfüge — mir nicht ganz im klaren bin, ob es sich hier um einen vergleichbaren Tatbestand handelt.

(Abg. Schmitt-Vockenhausen meldet sich zu einer Zusatzfrage.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514808300
Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen, Ihre Zusatzfragen sind schon verfallen.

(Abg. Schmitt-Vockenhausen: Ich habe überhaupt keine gestellt.)

— Ja, damit sind sie verfallen. Das ist die Übung des Präsidiums des Hauses.
Wir kommen nun zu der Frage 32 des Abgeordneten Ollesch:
Sind der Bundesregierung arabische Behauptungen bekanntgeworden, wonach aus der Bundesrepublik Deutschland noch



Vizepräsident Dr. Jaeger
nach dem israelisch-arabischen Krieg im Sommer zweimal 50 Leopard-Panzer von Niederlande Israel geliefert worden sein sollen?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514808400
Die Antwort lautet: Nein, Herr Kollege, diese nicht. Verschiedene andere Stimmen in dieser Richtung, allerdings auch nur vereinzelt, hat die Bundesregierung in der letzten Zeit zur Kenntnis bekommen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514808500
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Ollesch.

Alfred Ollesch (FDP):
Rede ID: ID0514808600
Herr Staatssekretär, Sie können ausdrücklich bestätigen, daß diese Stimmen des Hintergrundes entbehren?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514808700
Daß diese Stimmen der Begründung entbehren, wollen Sie sagen?

(Abg. Ollesch: Ja!)

Ich bin dankbar für die Gelegenheit, hier in aller Form sagen zu können, daß es keinerlei Lieferungen von Waffen irgendwelcher Art nach Israel seit der bekannten Einstellung solcher Lieferungen durch die Bundesregierung gegeben hat.

(Abg. Ollesch: Danke schön! Keine weiteren Fragen!)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514808800
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich komme zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft.
Zunächst die Frage 59 des Abgeordneten Schlager. — Da Herr Abgeordneter Schlager nicht im Saal ist, wird die Frage schriftlich beantwortet.
Wir kommen zur Frage 60 des Abg. Dr. Imle:
Gilt die vom Bundeswirtschaftsminister vor der Industrie- und Handelskammer Hagen ausgesprochene entschiedene Ablehnung neuer Steuererhöhungen im Jahre 19G8 auch für den Bereich der Verkehrspolitik?
Wer beantwortet die Frage? — Bitte, Herr Bundeswirtschaftsminister!

Dr. Karl Schiller (SPD):
Rede ID: ID0514808900
Ich darf die Frage des Herrn Abgeordneten Imle wie folgt beantworten.
Ich habe in Hagen bei der Industrie- und Handelskammer wörtlich gesagt: „Auf keinen Fall darf es zu einer weiteren Erhöhung der Steuerbelastungsquote kommen". Damit habe ich einen früheren Beschluß der Bundesregierung wiedergegeben, der später bei der Verabschiedung der verkehrspolitischen Vorlagen berücksichtigt wurde. Es soll nämlich — so Beschluß der Bundesregierung — bis zum Inkrafttreten einer aus ordnungspolitischen Gründen notwendigen Besteuerung des Straßengüterverkehrs geprüft werden, welche gleichwertigen, kostenwirksamen Entlastungen sich im Interesse des Preisstabilität für die Wirtschaft ermöglichen lassen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514809000
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Imle.

Dr. Wolfgang Imle (FDP):
Rede ID: ID0514809100
Herr Minister, würde das bedeuten — wenn ich es richtig verstanden habe —, daß auf die Wirtschaft und auf die Verbraucher keine höheren Belastungen zukommen würden?

Dr. Karl Schiller (SPD):
Rede ID: ID0514809200
Diese Absichtserklärung der Bundesregierung bedeutet, daß geprüft werden soll, wie Entlastungen an anderer Stelle erfolgen können, so daß die Steuerbelastungsquote im ganzen für die Gesamtwirtschaft und die Bevölkerung möglichst gleichbleibt.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514809300
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Peters.

Walter Peters (FDP):
Rede ID: ID0514809400
Herr Minister, würden diese Entlastungen im Verkehrsbereich liegen, oder würden sie in völlig anderen Bereichen erfolgen?

Dr. Karl Schiller (SPD):
Rede ID: ID0514809500
Sie wären natürlich verkehrsneutral, da ,sie die ordnungspolitische Funktion einer Verkehrsteuer nicht stören sollten, wenn diese beschlossen würde.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514809600
Frau Abgeordnete Funcke zu einer Zusatzfrage.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0514809700
Herr Minister, können Sie uns etwa sagen, in welchem Zeitpunkt die Wirtschaft mit umrißmäßigen Vorstellungen über diese Entlastung rechnen kann?

Dr. Karl Schiller (SPD):
Rede ID: ID0514809800
In der Absichtserklärung der Bundesregierung steht: bis zum Inkrafttreten einer ordnungspolitisch notwendigen Besteuerung des Straßengüterverkehrs.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514809900
Eine zweite Zusatzfrage.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0514810000
Herr Minister, ich habe Ihre Rede gehört. Sie liegt nun bald schon mehr als einen Monat zurück. Da die Verkehrsteuer nach der Vorstellung der Regierung in absehbarer Zeit in Kraft treten und, das heißt doch, von diesem Haus beschlossen werden soll, wäre es da nicht gut, wenn das Haus allmählich erführe, in welche Richtung die Überlegungen der Regierung zu einem Kostenausgleich gehen, da ja auch sie vom Bundestag beschlossen werden müssen?

Dr. Karl Schiller (SPD):
Rede ID: ID0514810100
Sie haben völlig recht, Frau Abgeordnete. Demnächst wird hier das verkehrspolitische Gesamtprogramm dargelegt werden. Im Anschluß daran werden sich sicherlich auch die Fragen der Kompensation in anderen Bereichen, um die eis hier geht, ergeben.
7630 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode 148. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1968

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514810200
Ich komme zur Frage 61 des Abgeordneten Varelmann:
Stehen die Preise für Erdgas in den wirtschaftlich schwachen Vorkommensbezirken (Bundesaufbaugebiete) in Einklang mit den Gewinnungskosten?
Bitte sehr, Herr Minister!

Dr. Karl Schiller (SPD):
Rede ID: ID0514810300
Ich darf die erste Frage des Herrn Abgeordneten Varelmann wie folgt beantworten. Seit 1959 gibt es für Erdgas keine staatliche Preisbindung mehr. Die Preise bilden sich ani Markt, d. h. sie können nicht höher sein, als ;die Konkurrenz dies zuläßt. Sie brauchen aber auch nicht niedriger zu sein. Das Zahlenbild der Erdgaspreise zeigt für das Jahr 1966, das letzte Jahr, für das zusammenfassende Daten verfügbar sind, daß sie nach den abgenommenen Mengen und nach den Absatzgebieten differieren. Sie waren in Niedersachsen für Sonderabnehmer und Tarifabnehmer, also für alle Letztverbraucher, niedriger als in jedem anderen Bundesland.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514810400
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Varelmann.

Franz Varelmann (CDU):
Rede ID: ID0514810500
Wurden die Ferngasleitungen von den Erdölgesellschaften oder von den Großstädten in den Ballungsräumen finanziert?

Dr. Karl Schiller (SPD):
Rede ID: ID0514810600
Ist es erlaubt, Herr Präsident und Herr Abgeordneter, daß ich gleich die Antworten zu der zweiten und der dritten Frage gebe? Damit ist das auch beantwortet.

Franz Varelmann (CDU):
Rede ID: ID0514810700
Einverstanden.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514810800
Dann rufe ich auch die Fragen 62 und 63 des Herrn Abgeordneten Varelmann auf:
Ist es der Bundesregierung bekannt, daß das Erdgas in den weit von den Erzeugungspunkten entfernt liegenden industriellen Ballungsorten preisgleich oder sogar billiger angeboten wird als in den Gewinnungsgebieten?
Haben die Wirtschaft und zugleich die Haushalte in den Erdgasvorkommensräumen den Preis für die Ferngasleitungen mitfinanziert?

Dr. Karl Schiller (SPD):
Rede ID: ID0514810900
Wie schon erwähnt, sind die Preise für die Letztverbraucher in Niedersachsen am niedrigsten. Das schließt nicht aus, daß für Wiederverkäufer Kommunen, Ferngasgesellschaften — die Bezugspreise für Erdgas bei großen Abnahmemengen gelegentlich unter den Bezugspreisen im Gewinnungsland Niedersachsen liegen.
Ich darf die dritte Frage wie folgt beantworten. Die statistischen Unterlagen geben keinen Anlaß zu einem derartigen Urteil. Im Gewinnungsland Niedersachsen sind die Verbraucherpreise jedenfalls niedriger als in den anderen Bundesländern.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514811000
Eine Zusatzfrage.

Franz Varelmann (CDU):
Rede ID: ID0514811100
Von welcher Stelle wurden die Ferngasleitungen finanziert, von den Abnehmerstellen in den Großstädten, oder haben Verbraucher in den Gewinnungsgebieten mit dazu beigetragen?

Dr. Karl Schiller (SPD):
Rede ID: ID0514811200
Darüber kann ich Ihnen, Herr Abgeordneter, jetzt im einzelnen keine Auskunft geben. Aber ich bin selbstverständlich bereit, Ihnen so schnell wie möglich die Frage im einzelnen zu beantworten.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514811300
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Varelmann.

Franz Varelmann (CDU):
Rede ID: ID0514811400
Ist die Bundesregierung bereit, auf die Erölgesellschaften in dem Sinne einzuwirken, daß in den Gewinnungsgebieten, die ja im allgemeinen im Bereich der regionalen Wirtschaftsförderung liegen, das Erdgas zu Preisen ohne jede Nebenbelastungen, die durch den Bau von Ferngasleitungen entstehen, abgegeben wird?

Dr. Karl Schiller (SPD):
Rede ID: ID0514811500
Wie ich schon andeutete, herrscht in diesem Bereich der Markt, und die Bundesregierung ist in der bestehenden Ordnung unserer Marktwirtschaft nicht in der Lage, unmittelbar preispolitisch einzuwirken. Ich darf hinzufügen, daß sich für das Erdgas aus Niedersachsen möglicherweise eine Differenzierung der Preise etwa für Großabnehmer in weiter entfernten Gebieten durch die Konkurrenz von Gasprodukten dieser Gebiete - etwa an der Ruhr - ergeben kann. Das ist unter Umständen auch ein Ergebnis des marktwirtschaftlichen Prozesses.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514811600
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Varelmann.

Franz Varelmann (CDU):
Rede ID: ID0514811700
Ist die Bundesregierung darüber informiert, in welchem Umfang Unternehmer davon abgehalten wurden, sich in Gebieten mit Erdgasvorkommen anzusiedeln, als ihnen bekanntwurde, daß sie in diesen Räumen keine bevorzugten Preise genießen würden?

Dr. Karl Schiller (SPD):
Rede ID: ID0514811800
Uns sind derartige Vorgänge nicht bekannt.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514811900
Herr Abgeordneter Wächter zu einer Zusatzfrage.

Gerold Wächter (FDP):
Rede ID: ID0514812000
Herr Bundesminister, kann ich aus Ihren bisherigen Antworten schließen, daß sich der Preis für Erdgas frei auf dem Markt entwickelt, und darf ich auf Grund dieser Feststellung jetzt an Sie die Frage richten: Gibt es denn eine echte Konkurrenz zwischen den einzelnen Erdgaslieferanten?

Dr. Karl Schiller (SPD):
Rede ID: ID0514812100
Vielleicht ist noch keine vollkommene Konkurrenz da, aber die Konkurrenz wird im Laufe der Ent-



Bundesminister Dr. Schiller
wicklung mit der Steigerung des Angebots in diesem Markt von Jahr zu Jahr vollkommener.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514812200
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Erhard.

Benno Erhard (CDU):
Rede ID: ID0514812300
Herr Minister, habe ich Sie richtig verstanden, daß Sie der Meinung sind, in den Bereichen der Erdgasenergieversorgung würde dort, wo das Erdgas an den Verbraucher kommt, eine irgendwie geartete Marktsituation vorliegen?

Dr. Karl Schiller (SPD):
Rede ID: ID0514812400
Ja, natürlich.

Benno Erhard (CDU):
Rede ID: ID0514812500
Sind Sie nicht der Meinung, daß es sich, mindestens auf örtlicher Ebene, um reine Oligopole oder sogar Monopole handelt?

Dr. Karl Schiller (SPD):
Rede ID: ID0514812600
Selbst wenn es sich um Oligopole handelt — ich habe ja gesagt, eine vollkommene Konkurrenz haben wir nicht —, ist immer noch die Nachfrage in der Lage, den Preis zu beeinflussen.

(Bad Schwalbach Auch bei Monopolen. Im übrigen ist doch immer noch eine Konkurrenz durch andere Produkte gegeben. Es gibt doch Substitutionsprodukte. Diese Konkurrenz ist nicht ausgeschaltet. Ich rufe die Frage 64 des Abgeordneten Mertes auf: Welche Wirkungen auf die Bundesrepublik Deutschland sind von den neuen Sparplänen der US-Regierung zu erwarten? Herr Abgeordneter, die Wirkungen des neuen Programms der US-Regierung auf die Bundesrepublik Deutschland lassen sich im Augenblick noch nicht voll überschauen. Von den Maßnahmen im außenwirtschaftlichen Bereich sind zunächst nur die Beschränkungen der Direktinvestitionen im Ausland, die Vorschriften über den Gewinntransfer sowie die Kürzung der Auslandskredite der Banken und anderer Finanzierungsinstitute sofort in Kraft getreten. Weitere Pläne zur Einsparung von Devisenausgaben bei Auslandsreisen, zur Verbesserung der amerikanischen Handelsbilanz und zur Einsparung bzw. Neutralisierung von Devisenausgaben der US-Regierung im militärischen und im zivilen Bereich sind für eine abschließende Beurteilung noch nicht genügend konkretisiert. Sie bedürfen zumeist der Zustimmung des Kongresses und teilweise naturgemäß der Abstimmung mit den Regierungen der Partnerländer. Die Bundesregierung begrüßt die Bemühungen der amerikanischen Regierung, das Ungleichgewicht der Zahlungsbilanz zu bekämpfen. Die amerikanische Regierung entspricht damit wiederholten Empfehlungen ihrer Partnerländer. Bei der Bedeutung der amerikanischen Währung für die Weltwirtschaft müssen die Partnerländer hierfür Verständnis aufbringen, auch wenn sie in dem einen oder anderen Fall die Maßnahmen vielleicht kritisch betrachten. Die Maßnahmen der US-Regierung im Bereich des Kapitalverkehrs werden unmittelbare Wirkungen auf die deutsche Zahlungsbilanz haben. Sie werden den Zufluß kurzund langfristigen US-Kapitals beträchtlich reduzieren. Die deutschen Töchter amerikanischer Unternehmen werden für ihre Investitionen nicht mehr auf Kapital aus den Vereinigten Staaten zurückgreifen können. Soweit sich die Pläne im Bereich der amerikanischen Handelsund Reiseverkehrsbilanz noch im laufenden Jahr auswirken, wird sich der Devisenausfall für uns in weit engeren Grenzen halten als im Kapitalbereich. Insgesamt könnte sich die Minderung des Devisenzuflusses für die Bundesrepublik schätzungsweise in der Größenordnung von etwa 11/2 bis 2 Milliarden DM bewegen. Unter dem Aspekt der Zahlungsbilanz wird die Bundesrepublik Deutschland dadurch nicht in Schwierigkeiten geraten. Für die konjunkturelle Entwicklung in der Bundesrepublik sind dagegen die Zahlungsbilanzmaßnahmen der USA ein dämpfender Faktor. Das gilt vor allem für den daraus folgenden Nachfrageausfall in der Bundesrepublik. Weiter bedeuten diese Maßnahmen der US-Regierung, daß die Bundesregierung und die Bundesbank ihre Politik, den Zinsfuß niedrig zu halten, verstärkt fortsetzen müssen, um möglichen Zinsauftriebstendenzen entgegenzuwirken. Im übrigen — auch darauf muß ich noch hinweisen — würde der in Aussicht genommene verstärkte Rücktransfer von Dollars — z. B. aus Gewinnen von US-Töchtern in Europa — auch eine Verminderung der Weltliquidität bedeuten und damit in der künftigen Entwicklung des Welthandels eine Rolle spielen. Soweit sich die US-Maßnahmen bisher übersehen lassen, dürften sich die direkten Auswirkungen — nicht die indirekten über die Weltliquidität — auf den im Jahre 1968 erwarteten Außenbeitrag der deutschen Volkswirtschaft in einer Größenordnung von schätzungsweise 1/2 Milliarde DM bewegen. Das ist also das Minus für den Außenbeitrag der Bundesrepublik. Aber, sehr verehrter Herr Kollege, außerdem muß noch bedacht werden, daß die Abwertung des Pfundes vom 18. November und die ihr folgenden Devalvationen den Außenbeitrag der Bundesrepublik im Jahre 1968 um weitere 2 Milliarden DM verkürzen werden. Einmal ist es also 1/2 Milliarde, und dann sind es 2 Milliarden DM. In diesen Schätzungen sind die möglichen Folgen steuerlicher Maßnahmen der Vereinigten Staaten zur Belastung der Einfuhr und zur Entlastung der Ausfuhr, die von der US-Regierung erwogen werden, nicht enthalten. Für die Expansion der internen Nachfrage in Deutschland wird es sich ebenfalls hemmend ausBundesminister Dr. Schiller wirken, wenn die Verminderung des Dollarangebots in Deutschland und auf den internationalen Geldund Kapitalmärkten ein weiteres Absinken der Zinsen erschwert. Sowohl der Nachfrageausfall als auch die Zinsprobleme wären für uns — so darf ich zusammenfassen — in der gegenwärtigen konjunkturellen Situation nicht förderlich. Das unterstreicht die Bedeutung der in Gang befindlichen Prüfung der Frage, ob die sich abzeichnende konjunkturelle Belebung in der Bundesrepublik als ausreichend abgestützt angesehen werden kann. Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Mertes. Darf ich nach diesem Referat, Herr Minister, fragen, ob Sie der Meinung sind, daß ein Hauptgrund für die amerikanischen Schwierigkeiten darin zu sehen ist, daß amerikanische Unternehmungen zuviel im Ausland investiert haben? Herr Kollege Mertes, es ist für uns sehr problematisch, nun in eine öffentliche Erörterung der Gründe der amerikanischen Zahlungsbilanzschwierigkeiten einzutreten. Auf jeden Fall kann man wohl, um es abgewogen zu beurteilen, so sagen: die amerikanische Wirtschaft insgesamt ist gesund, aber durch die drei Riesenanforderungen — ein teurer Krieg, Entwicklungsund Militärhilfe sowie Kapitalinvestitionen im Ausland — ist wohl die obere Grenze der Möglichkeiten für die US-Außenbilanz überschritten worden. Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Mertes. Herr Minister, habe ich Sie richtig verstanden, daß eine Beschränkung der amerikanischen Investitionen in der Bundesrepublik keine besondere Besorgnis auszulösen braucht, wenn es gelingt, anstelle dieser amerikanischen Investitionen nun mehr deutsche private Investitionen anzuregen? Auf jeden Fall würde es zu einer Kompensation führen, wenn investitionsbereites Kapital jetzt an die Stelle des ausfallenden amerikanischen Kapitals tritt. (Abg. Mertes meldet sich zu einer weiteren Zusatzfrage.)

Dr. Karl Schiller (SPD):
Rede ID: ID0514812700
Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514812800
Dr. Karl Schiller (SPD):
Rede ID: ID0514812900




(Hört! Hört! bei der FDP.)

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514813000
Dr. Werner Mertes (FDP):
Rede ID: ID0514813100
Dr. Karl Schiller (SPD):
Rede ID: ID0514813200
Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514813300
Dr. Werner Mertes (FDP):
Rede ID: ID0514813400
Dr. Karl Schiller (SPD):
Rede ID: ID0514813500

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514813600
Herr Abgeordneter Mertes, Sie haben schon zwei Zusatzfragen gestellt. — Herr Abgeordneter Opitz zu einer Zusatzfrage.

Rudolf Opitz (FDP):
Rede ID: ID0514813700
Herr Minister, strebt die Bundesregierung in all diesen Fragen eine echte enge Zusammenarbeit mit ihren EWG-Partnern an?

Dr. Karl Schiller (SPD):
Rede ID: ID0514813800
Ja, selbstverständlich.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514813900
Ich rufe die Frage 65 des Herrn Abgeordneten Mertes auf:
Was ist der Bundesregierung im einzelnen über die angekündigten wirtschaftspolitischen Gegenmaßnahmen der USA gegen den Gemeinsamen Markt bekanntgeworden?

Dr. Karl Schiller (SPD):
Rede ID: ID0514814000
Ich darf die zweite Frage des Herrn Abgeordneten Mertes wie folgt beantworten: Soweit der Bundesregierung bekannt ist, hat die amerikanische Regierung wirtschaftspolitisch im allgemeinen keine Maßnahmen beabsichtigt, die sich speziell gegen den Gemeinsamen Markt richten.

Dr. Werner Mertes (FDP):
Rede ID: ID0514814100
Sind Ihnen nicht Informationen aus Brüssel bekannt, Herr Minister, nach denen die amerikanische Regierung erwägt, eine Einfuhrbelastung in Höhe von 2,5 % vorzunehmen als Ausgleich für die nach der Ansicht der amerikanischen Regierung schädliche Wirkung der Einführung der Mehrwertsteuer im EWG-Raum?

Dr. Karl Schiller (SPD):
Rede ID: ID0514814200
Diese fehlerhafte Beurteilung der Wirkung der Mehrwertsteuer ist uns bekannt; aber die Maßnahmen, die die amerikanische Regierung hier plant, richten sich nicht speziell gegen die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, sondern gegen alle Handelspartner.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514814300
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Mertes.

Dr. Werner Mertes (FDP):
Rede ID: ID0514814400
Wird die Bundesregierung — da die Mehrwertsteuer doch wiederholt als Grund für derartige Überlegungen hinsichtlich der Einfuhrbelastung und auch einer höheren Einfuhrrückvergütung angeführt wurde — die Gelegenheit nutzen, im Zusammenhang mit den EWG-Partnern derartige, wie Sie sagen, Herr Minister, falsche Vorstellungen in den USA zu korrigieren?

Dr. Karl Schiller (SPD):
Rede ID: ID0514814500
Die Bundesregierung hat schon mit den EWG-Partnern mehrfach Beratungen über die Auswirkung der neuen Mehrwertsteuer gehabt. Sie hat zum zweiten in der vorletzten Sitzung beschlossen, der US-Regierung z. B. das neue Gutachten des Sachverständigenrats über die gesamtwirtschaftliche Entwicklung zugänglich zu machen. In diesem Gutachten ist ein weitaus niedrigerer Effekt dieser Mehrwertsteuer in bezug auf die deutsche Außenwirtschaft angegeben; er kommt im übrigen nach den dortigen Darlegungen erst im Laufe einer längeren Entwicklung zur Auswirkung.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514814600
Zu einer Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kiep.

Dr. Walther Leisler Kiep (CDU):
Rede ID: ID0514814700
Herr Minister, würden Sie mir zustimmen, wenn ich sage, daß zu den Schwierigkeiten, die zu den soeben diskutierten Maßnahmen



Kiep
der amerikanischen Regierung geführt haben, auch Spekulationen gegen den Dollar — zum Teil auch aus dem EWG-Raum heraus — sehr wesentlich beigetragen haben?

(Lachen bei der FDP. — Zuruf von der FDP: Sehr vorsichtigt ausgedrückt!)


Dr. Karl Schiller (SPD):
Rede ID: ID0514814800
Zu dieser Problematik, Herr Kollege, darf ich Ihnen folgendes sagen: Die Bundesrepublik Deutschland, in diesem Fall vertreten durch die Deutsche Bundesbank, ist in der ganzen Zeit an vorderster Front in Goldpool aktiv gewesen, um jene schädlichen Goldpreisspekulationen einzudämmen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514814900
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Kiep.

Dr. Walther Leisler Kiep (CDU):
Rede ID: ID0514815000
Würden Sie mir auch zustimmen, Herr Minister, wenn ich sage, daß die Bundesregierung und die Bundesrepublik Deutschland ein Interesse daran haben, eine Situation entstehen zu sehen, die derartige Spekulation in Zukunft unmöglich macht?

Dr. Karl Schiller (SPD):
Rede ID: ID0514815100
Wir halten solche Spekulationen natürlich nicht für förderlich und würden alles begrüßen, was sie verhindert.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514815200
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Moersch.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0514815300
Herr Minister, glauben Sie, daß eine ausländische Regierung von einem Hinweis auf unsere Sachverständigengutachten besonders überzeugt werden kann, wenn diese Sachverständigengutachten von der eigenen Bundesregierung nicht in allen Teilen so gewürdigt werden, wie es die Sachverständigen selber wohl erwartet haben?

Dr. Karl Schiller (SPD):
Rede ID: ID0514815400
Herr Kollege Moersch, da wissen Sie mehr als ich, der ich zur Zeit Mitglied der Bundesregierung bin, denn die Stellungnahme der Bundesregierung zum Jahresgutachten wird erst Ende dieses Monats formuliert und dann sofort dem Hohen Haus übergeben. Es liegt noch keine Stellungnahme der Bundesregierung vor.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0514815500
Darf ich, Herr Minister, fragen, ob mit Ihrer Erklärung hier die partiellen Äußerungen aus Kreisen der Bundesregierung über das Sachverständigengutachten hinfällig geworden sind.

Dr. Karl Schiller (SPD):
Rede ID: ID0514815600
Ich kann Ihnen nochmals ganz korrekt sagen: bis heute gibt es noch keine Stellungnahme der Bundesregierung. Sie wird Ende Januar formuliert und Ihnen sofort übergeben.

(Abg. Moersch: Das waren dann sektorale Äußerungen?)

— Oder regionale.

(Heiterkeit.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514815700
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Emde.

Dr. Hans Georg Emde (FDP):
Rede ID: ID0514815800
Herr Minister, halten Sie den Hinweis auf dieses Gutachten in den Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten für ausreichend, oder ist die Bundesregierung gewillt, noch weitere Argumente in die Aussprache einzuführen?

Dr. Karl Schiller (SPD):
Rede ID: ID0514815900
Aber selbstverständlich! Ich habe das nur als Beispiel genannt, weil wir gerade eine ganz präzise Berechnung von einem autonomen Gremium bekommen haben, das nicht der Weisungsbefugnis der Bundesregierung untersteht und das mit einer Ziffer kommt, die, sagen wir einmal, die amerikanischen Vorstellungen erheblich reduzieren würde.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514816000
Wir kommen zur Frage 66 des Herrn Abgeordneten Mertes:
Wie wird sich die beabsichtigte Beschränkung des Reiseverkehrs aus den USA voraussichtlich auf die Entwicklung des Tourismus in der Bundesrepublik Deutschland auswirken?

Dr. Karl Schiller (SPD):
Rede ID: ID0514816100
Herr Kollege Mertes, ich darf Ihre Frage wie folgt beantworten: Nach der Fremdenverkehrsstatistik 1966 entfallen nur 1,3 % der Fremdübernachtungen in Beherbergungsbetrieben auf Reisende aus den USA; darunter befindet sich ein hoher Anteil Geschäftsreisender, die von den Kürzungen kaum betroffen werden dürften.
Die von der amerikanischen Regierung angestrebte Reduzierung der Devisenausgaben für Auslandsreisen dürfte für die deutsche Fremdenverkehrswirtschaft insgesamt keine ernsthaften Schwierigkeiten mit sich bringen. Falls die beabsichtigten Maßnahmen zu einer linearen Kürzung der bisherigen Devisenausgaben führen, könnten sich die Deviseneinnahmen aus dem Reiseverkehr, die in der deutschen Zahlungsbilanz 1966 mit insgesamt 3,2 Milliarden DM ausgewiesen wurden, um etwa 100 Millionen DM verringern. Es ist nicht ganz auszuschließen, daß einzelne Beherbergungsbetriebe und einzelne Fremdenverkehrsorte, die bisher einen weit überdurchschnittlichen amerikanischen Gästebesuch hatten, die Ausgabenreduzierung einschneidender, als der Durchschnitt es vermuten läßt, zu spüren bekommen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514816200
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Mertes.

Dr. Werner Mertes (FDP):
Rede ID: ID0514816300
Würde zu den Fremdenverkehrsstädten, die einschneidend unter den Schwierigkeiten zu leiden hätten, auch Berlin gehören?




Dr. Karl Schiller (SPD):
Rede ID: ID0514816400
Ich möchte annehmen, daß Berlin sicherlich in bezug auf den Reiseverkehr bei den vielen, erfreulich vielen amerikanischen Investitionen in Berlin wenig leiden wird.
Es ist wohl bekannt, daß Berlin durch die Plafondierung der Direktinvestitionen — für Kontinentaleuropa auf 0 %, für England auf 65 %, für die Entwicklungsländer auf einen höheren Prozentsatz, und zwar 110 — in eine besondere Situation gebracht werden würde. Deswegen ist sofort nach Bekanntwerden dieser Maßnahme speziell in der Angelegenheit Berlin mit der US-Regierung Verbindung aufgenommen worden.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514816500
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Mertes.

Dr. Werner Mertes (FDP):
Rede ID: ID0514816600
Wären Sie bereit, Herr Minister, meine Meinung zu teilen, daß die Auswirkungen einer Beschränkung des amerikanischen Reiseverkehrs zumindest zu einem Teil dadurch abgeschwächt werden könnten, daß die amerikanischen Paß- und Impfbestimmungen liberalisiert würden, um somit einen größeren Touristenstrom auch in die Vereinigten Staaten zu bringen?

Dr. Karl Schiller (SPD):
Rede ID: ID0514816700
Ich stimme Ihnen zu, so, wie ich generell sage: Ich muß von meinem ganzen wirtschaftspolitischen Konzept her jede Liberalisierung, wo auch immer sie eintritt, begrüßen.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514816800
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schwabe.

Wolfgang Schwabe (SPD):
Rede ID: ID0514816900
Herr Minister, unter Würdigung der Tatsache, daß das eben angesprochene Problem in verschiedenen Häusern ressortiert, möchte ich fragen, ob das Problem des Reiseverkehrs, der menschlichen Beziehungen, für die wir von Deutschland aus so viel Geld und Mühe eingesetzt haben, nicht eine besondere Beachtung und vielleicht auch Behandlung verdient?

Dr. Karl Schiller (SPD):
Rede ID: ID0514817000
Ich stimme Ihnen völlig zu. Wie Sie, glaube ich, aus meiner Antwort erkennen, bemühen wir uns auch hier, in bestimmten schwierigen Situationen zu helfen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514817100
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schwabe.

Wolfgang Schwabe (SPD):
Rede ID: ID0514817200
Sind Sie mit mir der Ansicht, daß es möglich sein müßte, dann, wenn man den zuständigen amerikanischen Stellen die besonderen Argumente der deutsch-amerikanischen menschlichen Beziehungen darlegt, hier bei den zu erwartenden Maßnahmen noch eine Modifizierung zu erreichen, die auch unseren Gesichtspunkten näher kommt?

Dr. Karl Schiller (SPD):
Rede ID: ID0514817300
Herr Kollege, ich glaube, wir müssen die amerikanischen Kürzungs- und Sparmaßnahmen als Ganzes sehen. Es ist für uns sehr schwer, einen relativ kleinen Teil aus diesen Maßnahmen herauszunehmen und ihn zum Gegenstand einer besonders spitzen Debatte zu machen.
Was uns beschwert, ist, wie ich sagte, nicht zahlungsbilanzpolitisch, sondern konjunkturpolitisch bedingt. Dabei spielt der von Ihnen angeführte Wirtschaftszweig eine Rolle. Es liegt an uns, ob wir durch Steigerung der inländischen Nachfrage das kompensieren, was durch die ausländische Nachfrage ausgefallen ist.

(Sehr richtig! bei der FDP.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514817400
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Berlin.

August Berlin (SPD):
Rede ID: ID0514817500
Herr Minister, sind Sie nicht der Meinung, daß sich unter Berücksichtigung des Sinnes dieser Fragestunde die jetzt von Ihnen behandelte Thematik eigentlich mehr für eine Kleine Anfrage als für eine Behandlung hier in der Fragestunde eignet?

(Nein! bei der FDP.)


Dr. Karl Schiller (SPD):
Rede ID: ID0514817600
Herr Kollege, ich möchte folgendes sagen: Als Abgeordneter bin ich Ihrer Meinung; als Mitglied des Kabinetts habe ich dem Hause zu gehorchen und komme selbstverständlich gern und ausführlich dieser Fragestellung nach.

(Beifall bei der CDU/CSU und FDP.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514817700
Herr Abgeordneter Schmidt (Braunschweig) zu einer Zusatzfrage.

Walter Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0514817800
Herr Minister, Sehen Sie nicht doch irgendwelche geeignete Maßnahmen, die es den mehreren Millionen Menschen, die aus verschiedenen Gründen in den zurückliegenden Jahren von Deutschland nach Amerika ausgewandert sind, gestatten würden, ihre Absicht, Deutschland zu besuchen, trotz der angekündigten Devisenbeschränkung durchzuführen?

Dr. Karl Schiller (SPD):
Rede ID: ID0514817900
Herr Abgeordneter, ich darf noch einmal darauf hinweisen, daß ein großer Teil der Maßnahmen der amerikanischen Regierung noch der Verhandlung mit den Partnerländern bedarf. Wir werden das Paket im ganzen selbstverständlich weiter mit unseren amerikanischen Freunden besprechen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514818000
Frage 67 ist vom Fragesteller zurückgezogen worden.
Wir kommen zur Frage 68 des Herrn Abgeordneten Genscher:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Funktion der Immobilien-Fonds als Finanzierungsinstrument für den privaten Wohnungsbau?
Bitte sehr, Herr Bundesminister!


Dr. Karl Schiller (SPD):
Rede ID: ID0514818100
Ich darf die Frage des Herrn Abgeordneten Genscher wie folgt beantworten. Bei cien ImmobilienFonds gibt es zwei Formen, einmal die ImmobilienInvestmentfonds, die ähnlich wie die Wertpapierfonds nach dem Grundsatz der Risikomischung Grundstücke erwerben, und zum anderen diejenigen Immobilien-Fonds, die Anlegern ein Recht an einem Grundstück vermitteln. Im ersten Fall besitzen die Anleger im Gegensatz zum zweiten Typ jedoch kein unmittelbares Redit an den Grundstücken und können deshalb Abschreibungen auf die Gebäude für sich selbst nicht geltend machen.
Die Immobilien-Fonds liefern einen steigenden Beitrag zur Finanzierung unseres Wohnungsbaus. Dabei stellen sie im Gegensatz zur traditionellen, an der Wohnungsbaufinanzierung beteiligten Kapitalsammelstelle die Masse ihrer Mittel in Form von Eigenkapital zur Verfügung und tragen so zur Überwindeng der auf diesem Gebiete bestehenden Knappheit bei. Insgesamt beträgt das bisherige Aufkommen der Immobilien-Fonds ca. 1,1 bis 1,2 Milliarden DM.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514818200
Dann kommen wir zur Frage 69 des Abgeordneten Genscher:
Beabsichtigt die Bundesregierung für die Immobilien-Fonds -
ähnlich wie für die Kapitalanlagegesellschaften im Gesetz vom 14. April 1957 geschehen — eine Rechtsgrundlage zu schaften?

Dr. Karl Schiller (SPD):
Rede ID: ID0514818300
Ja, dies Ist beabsichtigt. Über die notwendige Form der Rechtsgrundlage wird noch beraten.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514818400
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Genscher.

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0514818500
Wann kann damit gerechnet werden, dab die Bundesregierung ein solches Gesetzgebungswerk vorlegt?

Dr. Karl Schiller (SPD):
Rede ID: ID0514818600
In - ich würde sagen — ein bis zwei Monaten.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514818700
Ich rufe nun die Fragen 70, 71 und 72 des Herrn Abgeordneten Dr. Kempfler auf :
Ist der Bundesregierung bekannt, daß in verschiedenen niederbayerischen, außerhalb des Zonenrandgebietes gelegenen Landkreisen die Arbeitslosenzahl von Ende Dezember die des Vorjahrs erheblich übertrifft und bei ca. 10 % liegt?
Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung für die betroffenen - in Frage 70 erwähnten Landkreise zu ergreifen, insbesondere in bezug auf Vergebung öffentlicher Aufträge aus den Investitionsprogrammen?
Hält es die Bundesregierung für richtig, daß für die in Frage 70 erwähnten, im Bundesausgebiet gelegenen Landkreise im Gegensatz zu den im Zonenrandgebiet liegenden keinerlei Vorteile bei der Bewerbung um Aufträge der öffentlichen Hand (Eintrittsrecht, Toleranzklausel bis zu 5 % etc.) vorgesehen sind?
Der Fragesteller hat sich mit. schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Herrn Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Arndt vom 17. Januar 1968 lautet:
Diese Frage muß mit. „Ja" beantwortet werden. Es handelt sich insbesondere um die Landkreise Vilshofen (Arbeitslosenquote 18,3 %), Landau (12,8 %), Eggenfelden (12,3 %) und Griesbach (10,9 %), die sämtlich zu den Bundesausbaugebieten gehören.
Die Bundesregierung ist ständig darum bemüht, das Regionale Förderungsprogramm an veränderte Verhältnisse anzupassen und die Wirksamkeit der einzelnen Maßnahmen zu verbessern: So können ab 1968 anstelle der gewerblichen Investitionskredite auch Investitionszuschüsse gewährt werden. Da die genannten Kredite bis zu 50 % der Investitionskosten ausmachen, die gleichwertigen Investitionszuschüsse jedoch nur 15 % der Investitionskasten betragen, werden dadurch haushaltsmittel eingespart, die für zusätzliche Förderungsfälle zur Verfügung stehen. Ferner wird die Zahl der Bundesausbauorte, die eine Sonderförderung genießen, um weitere 18 Orte erhöht.
Die Auftragsvergabe im Rahmen der heilen Investitionshaushalte der Bundesregierung ist bereits abgeschlossen; dabei sind die strukturschwachen Gebiete besonders berücksichtigt worden. Ein weiteres Investitionsprogramm ist von der Bundesregierung nicht beabsichtigt. Im Rahmen des Zweiten Programms für besondere konjunktur- und strukturpolitische Maßnahmen 1967/68 wurde unter anderem das Regionale Förderungsprogramm um 50 Mio DM aufgestockt. Mit diesen Mitteln wurden in den niederbayerischen, außerhalb der Zonenrandgebiete gelegenen Landkreisen kommunale Infrastrukturmaßnahmen mil einem Investitionsvolumen von 16 Mio DM gefordert. Dieses Gebiet hat damit einen Anteil an den verfügbaren Zuschüssen erhalten, der fast das Doppelte seines Bevölkerungsanteils an der Bevölkerung alter begünstigten Gebiete erreicht.
Die von der Bundesregierung beschlossenen Richtlinien für die bevorzugte Berücksichtigung bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen vom 31. März 1954 begünstigen Bewerber aus Berlin und dem Zonenrandgebiet.
Der Bundestagsausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen hat in seinem einstimmig vom Bundestag angenommenen Bericht vorn 25. Juni 1965 — BT-Drucksache IV/1668 eine noch stärkere Bevorzugung des Zonenrandgebietes angeregt und darauf hingewiesen, daß die Förderung_ des Zonenrandgebietes vorrangig als politische Aufgabe und Beitrag zur Wiedervereinigung Deutschlands betrachtet werden müsse.
Eine Erweiterung des Kreises der bevorzugten Bewerber könnte nicht auf bestimmte Teile der Bundesausbaugebiete beschränkt werden. Würde man aber die Bundesausbaugebiete insgesamt in die für das Zonenrandgebiet geltenden Bevorzugungsrichtlinien einbeziehen, müßten die bei der öffentlichen Auftragsvergabe zu bevorzugenden Gebiete flächenmäßig auf mehr als das Doppelte anwachsen. Das würde die bisherige Vorzugsstellung des Zonenrandgebietes sehr beeinträchtigen, also das Gegenteil von dem bewirken, was Bundestag und Bundesregierung wiederholt als ihr Ziel erklärt haben.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514818800
Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern, zuerst zur Frage 33 des Abgeordneten Mischnick:
Hält es die Bundesregierung mit den Grundsätzen einer parlamentarischen Demokratie und der politischen Fairness film vereinbar, daß in den vom Bundesinnenminister herausgegebenen Beiträgen zur Diskussion über die Wahlrechtsreform (Schwarz auf Weiß, 2/67) ausführliche Stellungnahmen der CDU/CSU und SPD in acht Beiträgen erschienen sind, während die Auffassung der FDP lediglich mit einem Drei-Zeilen-Zitat wiedergegeben wurde?
Bitte sehr, herr Staatssekretär!

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0514818900
Die von Ihnen zitierte Veröffentlichung ist eine von vielen Publikationen, die das Bundesministerium des Innern bisher zur Frage der Wahlrechtsreform herausgegeben bzw. gefördert hat. Alle diese Schriften dienen der sachlichen Information und verdeutlichen zugleich die Auffassung der Bundesregierung und der Fachressorts. Eben dies ist die Aufgabe von Publikationen der Bundesregierung und der Bundesministerien.
Ein Blick in die von Ihnen erwähnte Publikation zeigt, daß beide Anliegen berücksichtigt worden sind. Wörtlich sind aus der ebenfalls vom Bundesinnenministerium geförderten Schrift des Berliner Politologen Joachim Raschke über das Wahlrecht „Wie wählen wir morgen?" die Gegenüberstellungen der Vor- und Nachteile des gegenwärtigen Wahlsystems und des Mehrheitswahlrechts übernommen worden. In dieser Aufstellung sind alle be-



Parlamentarischer Staatssekretär Benda
kannten Argumente der Gegner einer Wahlrechtsreform enthalten. Die von der Freien Demokratischen Partei vorgetragenen Gegenargumente sind zudem sehr ausführlich in der Publikation des Bundesinnenministeriums „Tatsachen und Meinungen", 1/1967, enthalten.
Schließlich darf ich noch erwähnen, daß Ihnen, Herr Kollege Mischnick, in der von der Bundeszentrale für Politische Bildung herausgegebenen Wahlrechtsillustrierten als Vertreter der FDP der gleiche Raum, und zwar an erster Stelle, eingeräumt worden ist wie den Vertretern der SPD und der CDU/CSU. Ich sehe daher in der Öffentlichkeitsarbeit des Bundesministeriums des Innern weder einen Verstoß gegen die Grundsätze einer parlamentarischen Demokratie noch einen Verstoß gegen die politische Fairneß.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514819000
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Moersch.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0514819100
Herr Staatssekretär, wäre es nicht der Öffentlichkeit gegenüber korrekter, wenn Sie künftig bei Publikationen Ihres Hauses, die in dieser Art erfolgen — wobei ich selbstverständlich Ihre Auffassung über die Objektivität nicht teilen kann —, vielleicht den Vermerk machten: „Beiträge zur einseitigen Unterrichtung der Öffentlichkeit"?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0514819200
Herr Kollege, wir haben offenbar sehr unterschiedliche Auffassungen über die Aufgabe einer Publikation der Bundesregierung oder eines Bundesressorts. Ich wiederhole, daß es die Aufgabe einer Publikation eines Bundesressorts ist, in objektiver und sachlicher Weise darzustellen, was die Bundesregierung bzw. das Ressort will und warum sie es will. Dieser Aufgabe kommt die Publikation in vollem Umfang nach. Ich glaube, Ihre Charakterisierung ist daher unzutreffend.

(Sehr gut! in der Mitte.)


Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0514819300
Herr Staatssekretär, glauben Sie, daß die Bundesregierung, die in dieser Frage Partei ist, oder daß ihr Ressort überhaupt in der Lage ist, sich selbst Objektivität zu bescheinigen?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0514819400
Herr Kollege, ich weiß nicht, in welchem Sinne Sie das Wort „Partei" in diesem Zusammenhang gebrauchen. Ich persönlich würde vor einer Bundesregierung, die in einer so wichtigen Frage wie der Wahlrechtsreform nicht weiß, was sie will und warum sie es will, wenig Respekt haben können.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514819500
Eine Zusatzfrage.

Dr. Wendelin Enders (SPD):
Rede ID: ID0514819600
Herr Staatssekretär, die bisher zugeteilten Publikationen befassen sich mit den
Grundlagen der beiden Wahlsysteme. Aber für die Beurteilung und Stellungnahme - —

(Zurufe: Frage!)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514819700
Ich bitte, eine Frage zu stellen.

Dr. Wendelin Enders (SPD):
Rede ID: ID0514819800
Die Frage ist die: Es ist für die Abgeordneten erforderlich, die Grundlagen für die 500 Wahlkreise, die geplant sind, in die Hand zu bekommen. Wann ist Ihr Ministerium bereit, diese Unterlagen den Abgeordneten zuzustellen?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0514819900
Nun, das ist ein etwas anderes Thema, als das, das der ursprünglichen Frage zugrunde liegt.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514820000
Sie brauchen nicht zu antworten, Herr Staatssekretär.

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0514820100
Wenn der Herr Präsident gestattet, will ich gern antworten.
Die Bundesregierung wird sich voraussichtlich im Lauf der nächsten Monate, etwa um die Zeit bis Ostern, mit dem vom Bundesinnenministerium vorzulegenden Regierungsentwurf beschäftigen, ihn, wie ich annehme und hoffe, verabschieden und dann selbstverständlich alsbald den gesetzgebenden Körperschaften zuleiten. Dazu gehört auch die Wahlkreiseinteilung.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514820200
Herr Abgeordneter Borm zu einer Zusatzfrage.

Dr. William Borm (FDP):
Rede ID: ID0514820300
Herr Staatssekretär, können Sie Auskunft geben, aus welchem Fonds die Publikationen bezahlt werden?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0514820400
Die Publikationen des Bundesinnenministeriums werden selbstverständlich aus dem Haushalt des Bundesinnenministeriums finanziert.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514820500
Eine zweite Zusatzfrage.

Dr. William Borm (FDP):
Rede ID: ID0514820600
Sind Sie bereit, Auskunft über die angefallenen Kosten zu geben?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0514820700
Ich nehme an, daß es möglich ist, diese Auskunft zu geben. Allerdings bin ich nicht in der Lage, jetzt an Ort und Stelle die entsprechenden Kosten mitzuteilen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514820800
Herr Abgeordneter Jung zu einer Zusatzfrage.




Kurt Jung (FDP):
Rede ID: ID0514820900
Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, in einer der nächsten Ausgaben der laufend erscheinenden Hefte „Schwarz auf Weiß" auch die objektive Stellungnahme der FDP zu diesem Problem zu veröffentlichen?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0514821000
Herr Kollege, ich habe bereits einmal gesagt, daß in den verschiedenen Veröffentlichungen — ich habe eine zitiert, nämlich „Tatsachen und Meinungen" 1/67 — die FDP sehr ausführlich zu Wort gekommen ist. Ich darf nochmals auf diese Wahlrechtsillustrierte hinweisen. Ich nehme an, daß Sie den Herrn Kollegen, der dort mit einem ganzseitigen Bild veröffentlicht ist, erkennen. Das ist Ihr Kollege Mischnick, der hier sehr ausführlich mit seinen eigenen Worten seine Meinung äußern konnte.

Kurt Jung (FDP):
Rede ID: ID0514821100
Ich habe mich auf die Hefte „Schwarz auf Weiß" bezogen.

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0514821200
Ich glaube nicht, daß es sinnvoll ist, die Detailfrage, ob „Schwarz auf Weiß" oder „Tatsachen und Meinungen" nun der richtige Ort ist, zu erörtern. Aber dort, wo das Thema behandelt wird, gelten die Grundsätze, die ich hier schon mehrfach dargestellt habe.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514821300
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jung.

Kurt Jung (FDP):
Rede ID: ID0514821400
Herr Staatssekretär, Sie sind also nicht bereit, in den Heften „Schwarz auf Weiß" die objektive Stellungnahme der FDP demnächst zu veröffentlichen?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0514821500
Herr Kollege Jung, ich habe nur sagen wollen, daß wir die notwendige Redaktionskonferenz hier im Augenblick nicht vornehmen können. Aber im übrigen gelten die Grundsätze, die ich dargestellt habe, selbstverständlich für alle Veröffentlichungen, auch für die, die Sie nennen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514821600
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Könen.

Willy Könen (SPD):
Rede ID: ID0514821700
Herr Staatssekretär, sind Sie überhaupt in der Lage, den Fragestellern eine Zusage in dieser Richtung zu machen, nachdem von den Fragestellern eben selbst festgestellt worden ist, daß derjenige, der Partei ist — da war die Bundesregierung gemeint —, nicht objektiv sein könne, so daß damit zu rechnen wäre, daß die FDP, die auch Partei ist, ebenfalls keinen objektiven Beitrag leisten könnte?

(Heiterkeit bei den Regierungsparteien.)


Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0514821800
Herr Kollege Könen, man muß im Einzelfall prüfen — und das ist von dem betreffenden Bundesministerium und seinem Minister politisch vor diesem Hohen Hause zu verantworten —, ob eine Darstellung einer Meinung einer politischen Partei sinnvoll ist oder nicht. Dieser Verantwortung wird sich der Bundesminister des Innern durchaus nicht entziehen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514821900
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schoettle.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0514822000
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, anzuerkennen, daß in den von Ihnen erwähnten Publikationen keine Partei eine Parteimeinung geäußert hat, sondern daß es sich zunächst um Meinungen von Individuen handelt, die keine Partei in vollem Umfang für sich in Anspruch nehmen können?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0514822100
Herr Kollege Schoettle, die Persönlichkeiten insbesondere aus dem Bereich dieses Hohen Hauses, die gebeten worden sind, ihre Meinung darzustellen, sind nicht wegen ihrer Parteizugehörigkeit darum gebeten worden, sondern weil sie wichtige und auf die Sache bezogene Funktionen haben. Ich nenne beispielsweise den Herrn Vorsitzenden des Innnenausschusscs, Herrn Kollegen Schmitt-Vockenhausen, und unseren bisherigen Kollegen und jetzigen Staatssekretär Dr. Schäfer. Selbstverständlich haben diese Herren — ich unterstelle das jedenfalls — ihre persönliche Auffassung, um die sie gebeten worden sind, dargestellt und haben den Entscheidungen, die von ihren Parteien und Fraktionen zu treffen sind, nicht vorgreifen wollen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514822200
Eine Zusatzfrage, Abgeordneter Schultz.
Schultz (Gau-Bischofsheim) (FDP): Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, einzuräumen und meine Meinung zu teilen, daß Sie in unzulässiger Weise die Publikationen des Innenministeriums, nämlich „Schwarz-Weiß", und die Publikationen der Bundeszentrale für politische Bildung vermengt haben, daß das zwei ganz verschiedene Dinge sind und wir uns darüber zu beschweren haben, daß in „SchwarzWeiß" der Standpunkt der FDP nicht richtig zur Geltung gekommen ist?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0514822300
Ich glaube nicht, Herr Kollege Schultz, daß ich die Dinge vermengt habe. Ich habe im Gegenteil jeweils die Publikationen des Bundesinnenministeriums mit ihrem Titel bezeichnet und daneben die Publikationen der Bundeszentrale für politische Bildung. Wenn ein Mißverständnis bestehen sollte, kann das, meine ich, nicht an mir liegen.




Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514822400
Eine zweite Zusatzfrage, Abgeordneter Schultz.
Schultz (Gau-Bischofsheim) (FDP): Herr Staatssekretär, geht es Ihnen nicht, ich möchte sagen, unter die Haut, daß wir uns in der Frage, die wir hier gestellt haben, in erster Linie an das Innenministerium, also en Ihr Ressort, und nicht an die Bundeszentrale für politische Bildung gewandt haben, daß das beides ein Unterschied ist und daß wir die Fairneß heim Innenministerium vermissen?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0514822500
Ich weiß nicht, was sich hinter der Bezeichnung „unter die Haut gehen" verbirgt. Selbstverständlich höre ich Ihre Frage mit großem Interesse und versuche, sie so gut, wie ich es kann, zu beantworten.

(Abg. Schultz [Gau-Bischofsheim]: Es genügt mir das Spüren!)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514822600
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Funcke.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0514822700
Herr Staatssekretär, wird das Bundesinnenministerium bei der Fortsetzung dieser gezielten Informationen auch das Ergebnis der Umfrage erkennbar machen, in der die Bevölkerung gefragt wurde, ob sie das Zweiparteiensystem oder das Mehrparteiensystem für besser hält?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0514822800
Es gibt darüber eine Reihe von Veröffentlichungen in der Tagespresse, und die Öffentlichkeit hat — mit Recht — ein großes Interesse daran. Wir werden von Fall zu Fall prüfen und entscheiden, ob die Aufnahme solcher Informationen in die von uns herausgegebenen Publikationen sinnvoll ist.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514822900
Eine zweite Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Funcke.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0514823000
Herr Staatssekretär, Sie werden aber zugeben, daß eine solche Veröffentlichung nicht eine parteipolitische, sondern eine objektive sein würde, weil sie sich auf klare Zahlen stützt.

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0514823100
Frau Kollegin Funcke, ich habe schon einmal — ich glaube, auf eine Frage des Kollegen Moersch — gesagt: Ich bin der Meinung, daß der Bundesminister und das Bundesministerium in einer solchen Frage nicht nur Partei nehmen dürfen, sondern Partei nehmen müssen. Nur bedeutet „Partei" in diesem Falle die Stellungnahme zu einer Sache, nicht eine enge parteipolitische Sicht. Das ist ein sehr großer Unterschied, und ich würde vorschlagen, das dabei zu berücksichtigen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514823200
Meine Damen und Herren, ein Blick auf die Uhr zeigt, daß wir die Zeit der Fragestunde überschritten haben. Ich darf sie damit schließen und bekanntgeben, daß aus der Drucksache V/2464 die Fragen 87, 88, 100, 108, 109 und 110 zurückgezogen sind, ebenso aus der Drucksache zu Drucksache V/2464 die Fragen 151, 152, 154 und 155.
Wir fahren fort in der heute vormittag begonnenen Diskussion zu Punkt 4 der Tagesordnung:
Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU
betr. sektorale und regionale Strukturpolitik.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft.

Dr. Karl Schiller (SPD):
Rede ID: ID0514823300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Debatte von heute vormittig hat sich, glaube ich, in den Fragen der Strukturpolitik im Grundsätzlichen, aber auch in vielen Einzelheiten weitgehend Übereinstimmung gezeigt. Ich will jetzt nur in aller Kürze auf einige wenige spezielle Fragen, die etwas streitig waren, eine präzise Antwort geben.
Herr Kollege Staratzke hat bei sonst weitgehender Übereinstimmung, was die Fragen der marktwirtschaftlichen Strukturpolitik betrifft, beanstandet oder gemahnt, daß die Worte „Mittelstand" und „Mittelstandspolitik" in dem schmalen Vokabularium des Bundeswirtschaftsministers bisher nicht oft genug erschienen seien. Herr Kollege Staratzke, wir sind uns doch darin einig: nicht Wort sind wichtig, sondern Taten. Was die Worte betrifft, so kann ich darauf hinweisen, daß in der Neufassung der Grundsätze der sektoralen Strukturpolitik — —

(Anhaltende Unruhe.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514823400
Meine Damen und Herren, ich bitte doch um etwas mehr Aufmerksamkeit für den Herrn Bundesminister.

(Zuruf von der SPD: Die Regierungsbank! — Abg. Könen [Düsseldorf]: Meine Zwischenfrage hat sich dadurch erledigt, Herr Präsident!)

- Es wäre vielleicht gut, wenn die. Herren Abgeordneten die Herren Minister und Staatssekretäre nicht ausgerechnet während einer wichtigen Ministerrede attackierten.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Karl Schiller (SPD):
Rede ID: ID0514823500
Ich darf fortfahren, Herr Präsident!
Ich darf darauf hinweisen, daß in den neu formulierten Grundsätzen der sektoralen Strukturpolitik an zwei Stellen speziell auf die Mittelstandspolitik und die Förderung der mittleren und kleinen Betriebe hingewiesen ist. Zu den Taten, Herr Kollege Staratzke, möchte ich hier nur drei Fakten erwähnen.
Erstens. Beide Konjunkturprogramme haben nach unserer Beurteilung in besonderem Maße den klei-



Bundesminister Dr. Schiller
nen und mittleren Betrieben geholfen. Wir alle haben doch festgestellt, daß sich in der Zeit der Rezession Großbetriebe relativ wohlfühlten und, wenn auch nicht in allen Branchen, stärker daran dachten, sich auf der Talsohle anzusiedeln, um ihre Marktanteile bei sinkender Gesamtnachfrage auf Kosten der kleinen und mittleren Betriebe zu erweitern. Es ist typisch, daß das Unbehagen in der Rezession gerade in den Mittelschichten und in den freien Berufen sowie in den Mittel- und Kleinbetrieben gestiegen ist. Beide Konjunkturprogramme bringen deswegen eine Erleichterung speziell für die mittelständische Wirtschaft.
Zweitens. Die Zinsfreigabe hat den Wettbewerb der Banken und des Kreditgewerbes insgesamt jetzt auch um den kleinen Kreditnehmer animiert und entfacht. Die Banken sind gehalten, jetzt mit Farbe zu werben und auch gegenüber dem kleinen Kreditnehmer Farbe zu bekennen. Auch das ist, glaube ich, eine mittelstandspolitische Maßnahme.
Drittens. Soweit mich die Erinnerung nicht trügt, ist die Mehrwertsteuer als wettbewerbsneutrale Steuer auch mit der Absicht eingeführt worden, den selbständigen Kleinbetrieben umsatzsteuerpolitisch in etwa die gleiche Chance zu geben wie einem durchkonzernierten, sich vertikal über mehrere Stufen erstreckenden Großunternehmen. Die Mehrwertsteuer soll doch auch in dieser Beziehung helfen.
Ich glaube, damit habe ich Ihnen ein paar Beispiele dafür gegeben, daß wir in der Frage der Mittelstandspolitik bei aller Sorge um die Gesamtkonjunktur keineswegs müßig gewesen sind.
Ich stimme Ihnen darin zu, daß wir im Bereich der EWG noch sehr viel in Richtung auf einen Abbau von nationalen Wettbewerbsverzerrungen tun müssen. Wir in Deutschland — ga gebe ich Ihnen mit allem Nachdruck recht — sind bei der weiteren Integration des Gemeinsamen Marktes ja geographisch und geoökonomisch Randgebiet und damit also, besonders hinsichtlich unserer Zonenrandgebiete, in einer peripheren Situation. Jede regionale Diskriminierung ist dann für uns von Nachteil.
Herr Kollege Gewandt hat zu meiner Freude gesagt, daß Strukturpolitik ein politisches Instrumentarium darstellt, aber keine neue Heilslehre. Ich freue mich, daß auch bei Ihnen die Entideologisierung der Wirtschaftspolitik nunmehr gewisse Fortschritte macht.

(Abg. Gewandt: Das ist schon immer so gewesen!)

— Nun, eine Zeitlang war die Strukturpolitik doch so eine Art eschatologische Angelegenheit.
Ich stimme Ihnen auch darin zu, daß der autonome Prozeß im Verteilungssystem uns im Handel — im Groß- und vor allem im Kleinhandel — in vieler Hinsicht einen positiven Strukturwandel und einen Vorsprung vor anderen Ländern beschert hat. Gerade unser westliches großes Nachbarland ist, was den Verteilungsapparat, den Handelsapparat bis zur letzten Stufe betrifft, ein Beispiel dafür, wohin man kommt, wenn man eine ziemlich poujadistische, ziemlich zünftlerisch verkrustete Branchenpolitik für
einen bestimmten Zweig betreibt. Der Distributionsapparat in Frankreich ist sicherlich nicht so gut wie unserer.

(A bg. Gewandt: Einverstanden!)

Herr Kollege Gewandt, nicht ganz stimme ich Ihnen zu, wenn Sie meinen, ich spräche mich schlechthin für größere Wirtschaftseinheiten aus. Davon kann keine Rede sein. Nur geht es immer darum: Was steht in diesem Fall zur Wahl? Und wenn etwa auf einem bestimmten Markt zur Wahl steht: Kartell oder Fusion zu optimalen Unternehmenseinheiten, wie etwa in der Stahlindustrie, dann sage ich immer: die Fusionen bringen uns immer noch einen höheren Grad von Wettbewerb, als wenn der Markt durch Kartellierung geschlossen wird. So sehe ich ja auch die vier Stahlkontore als ein Trainingszentrum für die Herausbildung optimaler Unternehmenseinheiten an und nicht als eine permanente Syndikalisierung der deutschen Stahlwirtschaft. Das ist nur so ein Beispiel.
Es tut mir leid, daß Sie neben Ihren ebenso gewandten wie geschickten Ausführungen über Strukturpolitik dann auf ganz aktuelle Fragen der Konjunkturpolitik,

(Abg. Gewandt: Das hängt ja zusammen!)

und zwar sehr punktuell eingegangen sind. Ich kann Sie nur versichern: Für Steuerpolitik ist und bleibt der zuständige Minister zuständig.

(Abg. Gewandt: Das ist sehr beruhigend!)

Das entspricht ja auch wohl den Äußerungen, die in den letzten Wochen eben im Rahmen der gegebenen Zuständigkeiten geschehen sind.
Was die Verschuldungszahlen betrifft, so möchte ich nur drauf hinweisen, daß nach der Statistik der Deutschen Bundesbank, die Herrn Staatssekretär Leicht und mir gestern im Zentralbankrat gegeben wurde, die Netto-Kreditaufnahme für den Bund für 1968 mit 7,7 Milliarden DM und für 1967 mit 7,9 Milliarden DM angegeben wurde. Ich möchte das nur erwähnen, weil Ihre Zahl, die sich sehr umfassend auf alles bezog, vielleicht im Raum stehend etwas sehr dramatisch wirkte.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514823600
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Gewandt?

(Bundesminister Dr. Schiller: Bitte!)


Heinrich Gewandt (CDU):
Rede ID: ID0514823700
Herr Bundesminister, es ist ja sicherlich bei Ihrem Gespräch in Frankfurt nicht nur auf die Verschuldung des Bundes und der Länder, sondern auch der Bundesbahn, der Bundespost und der Gemeinden bezug genommen worden, und wenn Sie das Volumen nehmen und dann auch die Nettozahlen angeben, sind das doch immerhin beachtliche Größen, die nach meiner Auffassung deshalb nicht unbedenklich sind, weil wir doch wohl in Übereinstimmung hoffen, daß sich eines Tages bei einem Aufschwung auch die Privatwirtschaft wieder des Kapitalmarktes bedienen soll, und ich will nicht hoffen, daß die öffentliche Hand ihn dann deroutiert hat.




Dr. Karl Schiller (SPD):
Rede ID: ID0514823800
Keineswegs, Herr Kollege Gewandt! Ich bin der Meinung — und ich glaube, in voller Übereinstimmung auch mit dem Herrn Bundesfinanzminister —, daß diese Schuldenlast zu bewältigen ist und daß wir dann, wenn wir wirklich die nötigen Steuermehreinnahmen aus einem realen Wachstum unseres Sozialprodukts bekommen und wenn die Margen der mittelfristigen Finanzplanung überschritten werden, im Sinne des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes an die Tilgung oder an andere Dinge heranzugehen haben, Ich glaube, darüber sind wir uns völlig einig.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Im übrigen muß ich sagen, Herr Kollege Gewandt, mich hat Ihre Kritik an dem Entschließungsantrag, zu dem Herr Kollege Junghans Stellung genommen hat, nicht ganz überzeugt. Sie selber haben doch, wenn mich nicht alles trügt, einen eigenen Entschließungsantrag zur Strukturpolitik eingebracht und haben darin auch gesagt:
Insbesondere soll sie — die Bundesregierung —
sich darüber äußern, in welcher Weise die Finanzierung der entsprechenden Projekte durch gemeinsame Anstrengungen von Bund und Ländern ermöglicht werden kann.
Unter „gemeinsame Anstrengungen" verstehe ich,
daß in Moneten, in Zahlen etwas getan wird, und
I das meinen Sie doch auch. Sie meinen doch nicht nur Sitzungen und Reden.

(Beifall bei der SPD. — Zuruf von der CDU/ CSU: Aber nicht mehr Schulden!)

— Was heißt „nicht mehr Schulden"? Da komme ich wieder darauf zurück, daß unter dem, was hier so schlechthin als Schulden bezeichnet wird, auch der ganz normale langfristige öffentliche Kredit gemeint ist. Der ist doch auch in diesen Zahlen enthalten; das ist doch nicht alles kurzfristige Verschuldung, Kreditschöpfung, Kassenobligationen, U-Schätze oder so etwas. Wir wollen doch alle gemeinsam durch unsere Arbeit das Vertrauen in den Staatskredit und in das Staatspapier stärken. Wir wollen Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand — ich glaube, Sie auch — vielleicht auch mit solchen Mitteln. Dazu brauchen wir eine Mehrausgabe von Staatspapieren an die Bevölkerung, wir brauchen eine Erschließung neuer Gläubigerschichten. Das alles dient dann doch den Gemeinschaftsaufgaben — in diesem Falle sind es nämlich auch Gemeinschaftsaufgaben —: Finanzierung von Infrastrukturmaßnahmen und anderen Investitionen an der Ruhr und an der Saar.
Im übrigen darf ich hinzufügen, daß der privatwirtschaftliche Plan, der Rheinstahlplan, auf den ich gleich noch ein paar Sätze verwenden werde, seinerseits vorsieht, daß, wenn es zu einem positiven Verhandlungsergebnis kommt, 1,8 Milliarden DM, die an sich in 20 Jahren anfallen und den Eigenkapitalanteil der Altgesellschaften darstellen, auf zwei Jahre, nämlich dieses Jahr und 1969, durch eine Großbank oder mehrere Großbanken vorfinanziert werden, um neuen Investitionen zugeführt zu werden. Das vollzieht sich dann mehr im privaten Rahmen; aber es ist doch gesamtwirtschaftlich — ich glaube, Herr Gewandt, darüber sind wir uns einig — genauso zu beurteilen wie der andere Vorgang, daß es via Staat gemacht wird. Der Vorgang via Staat ist doch, was Geldwertstabilität, Preisstabilität, Stabilität unseres Wachstums betrifft, nicht schlechter als der andere Vorgang. In beiden Fällen ist es eine Mobilisierung — etwa durch Vorfinanzierung, wenn es nötig und wenn es möglich ist — von neuen Mitteln für ein Strukturprogramm an der Ruhr und an der Saar. Insofern, glaube ich, sollten Sie von Ihrem eigenen Antrag aus den Antrag der SPD-Fraktion wohlwollend, tolerant und kollegial betrachten.
Ich darf zum Rheinstahlplan, weil er von mehreren Rednern angesprochen wurde, noch folgendes sagen. Ich selber habe den Herren Vertretern der Eigentümerseite gesagt: Es ist völlig unmöglich, daß wir einen Ausschuß des Deutschen Bundestages, der an einem wichtigen Gesetz arbeitet, ständig in einem bestimmten Punkt seine Arbeit über einen bestimmten Zeitpunkt hinaus prolongieren lassen. Die Eigentümer wissen — und ich habe das auch dem Vorsitzenden und auch dem stellvertretenden Vorsitzenden des Wirtschaftsausschusses gesagt —, daß sie sich Ende Januar bzw. Anfang Februar zu einem Kompromiß oder zu einer klaren abschließenden Äußerung durchringen müssen. Ich muß hinzufügen, soweit Schwierigkeiten zwischen der Eigentümerseite und der Industriegewerkschaft Bergbau und Energie bestehen, geht es in der RheinstahlplanDebatte um zwei Fragen, Herr Kollege Ravens: um die Frage der Mitbestimmung und die Frage der Wohnungswirtschaft. Ich persönlich bin der Meinung, an diesen beiden Fragen dürfte das Projekt nicht scheitern. Wenn das Projekt scheitern sollte, dann vielleicht an dem geldlichen Volumen, weil die Bürgschaftsvorstellungen zwischen dem Finanzminister und dem Wirtschaftsminister auf der einen Seite, die ja eine gemeinsame Vorstellung über die Plafondierung haben, und den Petenten, den Eigentümern, auf der anderen Seite sehr weit auseinanderklaffen. Das ist eine wichtige Frage. Aber die beiden anderen Punkte, die zwischen der Gewerkschaft und der Unternehmensseite in der Diskussion sind, sollten eigentlich schiedlich-friedlich geregelt werden. Beide Seiten wissen auch, daß ich persönlich jederzeit bereit bin, bei beiden Punkten — Mitbestimmung in einer Gesamtgesellschaft bis zu einer bestimmten Größe herunter und Wohnungswirtschaft — als Dritter zu vermitteln.
Herr Kollege Gewandt, Sie sollten anerkennen — und Sie wissen das ja auch —, daß ich nicht für eine grenzenlose Staatsverschuldung eintrete. Ich bin doch derjenige gewesen, der hier nach Absprache mit der gesamten Bundesregierung erklärt hat, die Gesamtbürgschaft von 7,2 Milliarden DM als eine Verpflichtung des Staates wäre sehr hoch. Ich habe hier eine Plafondierung genannt, um die öffentlichen Finanzen nicht völlig ins Obligo zu bringen und dem Eigenrisiko der Unternehmer selber auch einen beträchtlichen Anteil zu geben.


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514823900
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Ravens?

Karl Ravens (SPD):
Rede ID: ID0514824000
Herr Bundesminister, darf ich auf Ihre Äußerung hinsichtlich der Verhandlungen zwischen der IG Bergbau und Energie und dem sogenannten Rheinstahlkreis zurückkommen. Würden Sie es mit mir zusammen nicht auch für besser halten, wenn, solange die Verhandlungen laufen, keine Briefe von einer Seite geschrieben würden, in denen versucht wird, wesentliche Verhandlungsobjekte durch eine abschließende Stellungnahme aus der Verhandlung herauszulösen?

Dr. Karl Schiller (SPD):
Rede ID: ID0514824100
Ich bin mit Ihnen völlig einig, Herr Kollege Ravens. Ich glaube, Sie meinen in diesem Falle nicht den Eigentümerkreis, sondern den Unternehmensverband Ruhrbergbau, der einen Brief geschrieben hat. Aber ich glaube, ,es ist unsere Aufgabe, die Relation zwischen Unternehmensverband und der entsprechenden Gewerkschaft — im Interesse der Autonomie beider Gruppen — hier nicht allzusehr zu debattieren. Das ist wohl deren unmittelbares Verhältnis. Ich möchte nur klarstellen, daß der Brief vom Unternehmensverband und nicht von Eigentümerkreis kam. Ich stimme Ihnen in der Sache völlig zu.
Im übrigen muß ich noch hinzufügen, daß das Gutachten über die Wirtschaftlichkeitsrechnung bei der Treuarbeit seit dem 8. November, als hier über die Gesamtgesellschaft debattiert wurde, in Arbeit ist und daß dieses Gutachten natürlich noch etwas Zeit braucht. Das ist eine sehr komplizierte Rechenmaterie. Das Gutachten ist meines Erachtens- für eine endgültige Entscheidung sowohl der Eigentümer wie des Staates, der hier ein Obligo übernehmen soll, sehr wichtig.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514824200
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Illerhaus?

Joseph Illerhaus (CDU):
Rede ID: ID0514824300
Herr Bundesminister, Sie sprechen mit Recht — und wir alle — von den Sorgen und schweren Problemen beim deutschen Kohlenbergbau. Sind Sie sich klar darüber, wenn Sie dort Zusagen finanzieller Art machen, 'daß andere Wirtschaftszweige, z. B. die deutsche Textilindustrie, dann mit gleichem Recht an Sie herantreten, und was würden Sie denen dann antworten?

Dr. Karl Schiller (SPD):
Rede ID: ID0514824400
Herr Kollege Illerhaus, wir haben am 8. November eine sehr ausführliche Energiedebatte gehabt. In ihr haben alle Seiten des Hauses die außergewöhnlich prekäre Strukturkrisensituation des deutschen Steinkohlenbergbaus geschildert und bewertet. Alle Seiten des Hauses, glaube ich, haben die Linie der Bundesregierung gebilligt, daß hier eind Strukturbereinigung nicht gegen den Markt, sondern mit dem Markt und im Sinne des Fortschritts stattfinden muß und daß diese Maßnahmen eine Umwandlung der Unternehmensstruktur erfordert. Auch ,das ist
hier allgemeine Meinung gewesen, daß wir die privatwirtschaftliche Umwandlung, also die privatwirtschaftlich freiwillige Lösung vorziehen würden. Es hat sich nur herausgestellt, daß ein Teil des Risikos dem Staat angeboten wird. Wir verhandeln jetzt über einen gemeinsamen Vorschlag — das möchte ich nochmals sagen — des Bundesfinanzministers und des Bundeswirtschaftsministers. Wir sind in dieser Beziehung völlig d'accord, Ich glaube nicht, daß man die schwere soziale Situation an der Ruhr und an der Saar, die dort durch die lange verschleppte Strukturkrise bedingt ist, in ihrer sozialen Intensität, in ihrer Spannung, mit den Schwierigkeiten irgendeines anderen Wirtschaftszweiges in der Bundesrepublik vergleichen kann.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514824500
Eine zweite Zwischenfrage des Abgeordneten Illerhaus.

Joseph Illerhaus (CDU):
Rede ID: ID0514824600
Herr Bundesminister, ich bin mit Ihnen im Grundsatz einig. Aber glauben Sie nicht, daß man auch in der Textilindustrie, wenn man nicht bald etwas tut — nicht im Hinblick auf Subventionen und Beihilfen oder so etwas, sondern in bezug auf die Infrastruktur und die Harmonisierung der Steuern im EWG-Bereich, auf das Verhältnis von direkten und indirekten Steuern —, zu einer strukturellen Krise kommen kann?

Dr. Karl Schiller (SPD):
Rede ID: ID0514824700
Natürlich haben wir strukturelle Schwierigkeiten in der deutschen Textilindustrie, Herr Illerhaus. Das gebe ich Ihnen freimütig zu. Das ist eigentlich gar nicht zuzugeben, das i s t einfach der Fall. Aber erstens möchte ich sagen, in der Qualität — was sozusagen die „gesellschaftliche Sprengladung" angeht — ist die Sache bei der Kohle bei weitem schwerwiegender als in der Textilindustrie. Zweitens: Ich habe zu meiner Freude festgestellt, daß im Wirtschaftsministerium vor längerer Zeit schon -und wir wollen das jetzt wieder aufnehmen — ein Sanierungs- und Strukturbereinigungsplan für die deutsche Textilindustrie vorbereitet und angeboten worden war, der dann nicht akzepiert worden ist. Das ist Vergangenheit. Wir wollen hier nicht weiter über die Vergangenheit reden. Wir selber überlegen uns, ob wir so etwas für die Textilwirtschaft nicht einmal neu machen sollten. Daß in der Textilindustrie eine Selektion zu den guten Betrieben hin gefördert werden muß — und Gott sei Dank gibt es ganz fortschrittliche Unternehmen in der Textilwirtschaft — ist uns, glaube ich, klar. Das ist keine bloße Konservierung, Herr Illerhaus.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das wären meine kurzen Zwischenantworten zu den, soweit ich sehe, noch kritischen Fragen. Im übrigen betone ich noch einmal, ich bin für die vielen Anregungen hier besonders dankbar und freue mich, daß Strukturpolitik hier nicht als eine Summe von Schutzmaßnahmen innerwirtschaftlicher und außerwirtschaftlicher Protektionismus dargelegt und interpretiert wurde, sondern eben als eine Angelegenheit, die dem Markte entgegenkommt und nicht gegen die fortschrittliche Entwicklung unserer Wirt-
7642 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode 148. Sitzung. Bonn, Freitag, den -19. Januar 1968
Bundesminister Dr. Schiller
schaft gerichtet ist. Ich darf mich für diese Übereinstimmung besonders bedanken. Sie wird unsere Arbeit in der kommenden Zeit besonders befruchten; denn wenn die Globalsteuerung im Laufe dieses Jahres ihre vollen Erfolge zeitigt, werden natürlich Einzelprobleme in Einzelbranchen für unsere Arbeit von besonderer Bedeutung werden, und dazu gehört eben die Strukturpolitik in sektoraler und in regionaler Hinsicht.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514824800
Meine Damen und Herren, wir haben eine sehr lange Rednerliste. Der Abgeordnete Weigl hat mir zur Verkürzung des Verfahrens seine Rede schriftlich gegeben. Ich nehme an, Sie sind einverstanden, daß sie zu Protokoll gegeben wird.
Es spricht nunmehr der Abgeordnete Porsch.

Werner Porsch (FDP):
Rede ID: ID0514824900
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Herr Professor Schiller hat eben ein großes Wort gelassen ausgesprochen, das ich meinem Beitrag zu den Problemen der Zonenrandgebiete vorausschicken möchte. Wir Freien Demokraten schließen uns seiner Meinung an: Nicht Worte, sondern Taten sind notwendig.
Wenn allerdings die vielen tausend Arbeitslosen etwa des bayerischen Grenzlandes die bisherige heutige Debatte erlebt hätten, würden sie für die Dinge, auf die sie dringend warten, nicht gerade von echter Hoffnung erfüllt sein.
Die Struktur mag in manchen Gebieten mehr oder weniger verschieden von der verkehrs-, der agrar- und der wirtschaftspolitischen Entwicklung beherrscht sein. Im Zonenrandgebiet einschließlich des ostbayerischen Grenzlandes ist Strukturpolitik eine gesamtpolitische Aufgabe. Die bisherige staatliche Hilfe für die Zonenrandgebiete, sei es in Frachthilfe, sei es in Sonderabschreibungen oder anderen Sonderleistungen, war für die dortige Wirtschaft ganz klar eine echte Unterstützung und sollte natürlich beibehalten werden.
Aber in den letzten Monaten und Jahren hat sich gerade im Zonenrandgebiet und im bayerischen Grenzland gezeigt, daß dort das konjunkturempfindlichste Gebiet ist. Wir sollten doch einmal an das vor einigen Jahren ausgesprochene Wort denken, daß das Zonenrandgebiet der Vorgarten der freien Welt sein und nicht zum Hinterhof werden sollte.
Ich darf Ihnen nachher Zahlen aus dem bayerischen Grenzgebiet nennen. Über sie werden Sie vielleicht einigermaßen erstaunt sein. Wichtig und entscheidend für die Entwicklung ist, daß dort ständige Arbeitsplätze geschaffen werden. Die Zeit eilt, weil es nach unserer Meinung in den 50er Jahren versäumt worden ist, dort ständige Arbeitsplätze zu schaffen. Es kommt nicht darauf an, daß, wenn Arbeitskräfte in der Bundesrepublik gerade einmal Mangelware sind, dort in Kinosälen und in Gasthaussälen plötzlich Betriebe entstehen, die, wie wir im letzten Jahr gesehen haben, genauso schnell verschwinden, wie sie gekommen sind. Nach unserer
Meinung ist es notwendig, mit Hilfe des Bundes alles zu tun, damit sich dort eine Industrie ansiedelt, die bereit ist zu investieren, der allerdings Bund, Länder und auch Gemeinden dieses Investieren interessant machen müssen.
Zur Zeit besteht in diesem bayerischen Grenzland eine neue Sorge, vor allem im oberpfälzischen und im niederbayerischen Raum. Es ist die Sorge, ob tatsächlich Nebenbahnen aufgelassen werden; denn sie sind ja die wichtigsten Verkehrsverbindungen für eine Industrie, die dort schon seßhaft ist oder seßhaft gemacht werden soll.
Dazu kommt noch die gesamte Unklarheit mit den Begrenzungen für den Kraftwagenverkehr, was ja für das Grenzland wiederum von besonderer Bedeutung ist.
Herr Professor Schiller, ich würde Sie sehr gern einmal einladen, etwa den Raum von Vohenstrauß bis Wegscheid in der Zeit zu besuchen, in der — gerade jetzt - dort die langen Kolonnen von Arbeitslosen stehen und unerhört hohe Zahlen von Arbeitslosen zu verzeichnen sind.
Ich darf dazu mit Genehmigung des Herrn Präsidenten ein paar Beispiele nennen. Es handelt sich um Vergleichszahlen, die uns, wie ich glaube, beweisen, daß sich die Talfahrt, die im vorigen Frühjahr beendet sein sollte, in diesem Winter leider wiederholt hat, ja, erneut begonnen hat.
Im Landkreis Oberviechtach hatten wir im Februar 1967 30,4 %, im September 1967 9,8 % und im Dezember 1967 — also praktisch zur Zeit — 34 % Arbeitslose. Ein anderes Beispiel: Im Landkreis Waldmünchen waren im Februar 1967 24,9 %, im September 9,1 % und im Dezember vorigen Jahres 24,7 % Arbeitslose zu verzeichnen. Bayern im Gesamtdurchschnitt: 5,3 %, 1,8 % und 3,8 %. Die Zahlen lassen sich durch Angaben über andere Landkreise dieses Gebiets noch wesentlich ergänzen. Ich möchte mir das wegen der Kürze der Zeit ersparen. Aber daraus ist doch zu ersehen, daß dieses Problem der Grenzlandgebiete viel ernster zu nehmen ist, als das an mancher Stelle geschieht. Natürlich: wenn bei uns 30 % arbeitlos sind, wird nicht gleich im Fernsehen über die Arbeitslosenschlangen berichtet, die an unseren Rathäusern bzw. vor den Arbeitsämtern stehen. Es ist aber an der Zeit, daß nun dort im Rahmen einer guten Raumordnung Arbeitsplätze geschaffen werden und daß sich diese Schlangen nicht jährlich wiederholen. Letzten Endes hat die Bevölkerung in diesem Gebiet ein Recht auf ihren Arbeitsplatz. Der Familienvater hat auch ein Recht darauf, ,seinen Feierabend im Kreise seiner Familie verbringen zu können. Auch das muß gesehen werden. Zu einem großen Teil gibt es dort seit vielen Jahren noch den Fernpendler. Es wäre so einfach gewesen, im Lande Bayern einen Teil der Industrie anzusiedeln, die :in den Ballungsräumen täglich neue Probleme schafft. Ich denke etwa an den Großraum München — selbst wenn ich damit erneut Widerspruch herauslocke — oder auch an den Großraum Nürnberg. Bund und Land müßten gemeinsam versuchen, neue Industrien dort anzusiedeln, wo sich



Porsch
die Arbeitskräfte befinden, damit diese Arbeitskräfte nicht am Sonntagabend oder in der Nacht vom Sonntag zum Montag wegfahren müssen, in Baracken kampieren und am Freitag zurückfahren müssen, bis sie eines Tages, wie ich neulich schon sagte, die Wohnungsprobleme in München oder in Nürnberg vermehren.

(Zustimmung hei der FDP.)

Unser Kollege Ravens hat heute erwähnt, daß das Problem zu lösen sei, wenn der Rhein-Main-Donau-Kanal ausgebaut werde. Dazu möchte ich ein Wort sagen. Es ist zu überlegen, ob die 2,2 Milliarden DM, die der weitere Ausbau kostete, wenn es schnell gehen soll - das wird ja auch noch 10 Jahre dauern , nicht besser angelegt wären, wenn man die Arbeiten zunächst einmal etwas länger streckte und dafür sogrte, daß im Grenzland Industrien angesiedelt werden. Ich bin der Überzeugung, daß die Bahnstrecke zwischen Regensburg und Nürnberg bei weitem nicht ausgelastet ist. Das kann sogar von der Bundesbahn nachgewiesen werden. Man sollte solch entscheidende Projekte nicht allein davon ableiten, daß sich irgendwo eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens darauf freut, die Kapitänsmütze aufzusetzen, wenn die Einweihung des neuen Hafens heransteht, sondern man sollte überlegen, ob das Geld nicht nutzbringender für eine schnelle Hilfe zur Industrieansiedlung verwendet werden kann. Wenn wir dennoch die heutige Debatte in diesem Hause wieder einmal als eine Angelegenheit. schöner Reden betrachten und nicht Taten folgen lassen, können die Ballungsräume eines Tages zu einem Problem werden. Wir hätten es in der Hand — gerade Ihre Regierung; denn Ihre Parteien stellen alle Landesregierungen in den Ländern, deren östliche Grenzgebiete gleichzeitig Zonenrandgebiet sind —, diese Probleme endlich einmal anzufassen. Die Ballungsräume werden eines Tages nicht nur zum gesellschaftspolitischen Problem — lesen Sie recht gut nach, was heute über Bremen in den Zeitungen steht; das tangiert uns heute noch nicht, aber vielleicht in einigen Jahren —, sie können auch zum echten politischen Problem für diesen Staat werden.
Lassen Sie mich mit der Bitte an die Parteien und Fraktionen dieses Hauses wie auch an die Bundesregierung schließen, alles für die Menschen in den Zonenrandgebieten, aber vor allem auch im bayerischen Grenzland zu tun, die bei aller Enttäuschung, die sie erleben mußten, bis jetzt — vielleicht war das ihr Fehler - in völliger Ruhe ihr nicht ganz einfaches Schicksal ertragen haben. Wir sind aufgerufen, einen gesunden, wirtschaftlich und kulturell gut erschlossenen Lebensraum entlang der Ostgrenze des einen Teiles unseres geteilten Tandes zu schaffen; fürwahr nach unserer Meinung eine gesamtdeutsche Aufgabe, bei der wir als Opposition gern eine praktische Hilfe leisten.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514825000
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wohnungswesen und Städtebau.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514825100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit gutem Recht ist in der heutigen strukturpolitischen Debatte auf die Bedeutung des Wohnungs- und Städtebaus hingewiesen worden. Ich brauche in diesem Zusammenhang dem Hohen Hause nicht zu erläutern versuchen, welche Schlüsselstellung die Bauwirtschaft für unsere Gesamtwirtschaft hat. Wenn ich darauf aufmerksam machen darf, daß der Wohnungsbau am gesamten Hochbau etwa einen Anteil von 60 % und am gesamten Baugewerbe von über 40 % ausmacht, dann, glaube ich, wird in diesen beiden Zahlen schon deutlich, welche entscheidende konjunktur- und strukturpolitische Bedeutung dem Wohnungsbau zukommt. Um die Problematik zu beleuchten, lassen Sie mich ein paar Zahlen hinzufügen. Wir haben im Jahre 1966 ein Fertigstellungsergebnis von 605 000 Wohnungen gehabt. Wir rechnen damit, daß wir im vergangenen Jahr etwa 570 000 Wohnungen in der Bundesrepublik gebaut haben. Wenn wir den bestehenden Überhang und die bisher erteilten Baugenehmigungen in Betracht ziehen, können wir vielleicht damit rechnen, daß im Laufe des Jahres etwa 550 000 Wohnungen hergestellt werden.
Alle langfristigen Prognosen, ob sie nun von deutschen Instituten, von den Bauverwaltungen der Länder oder z. B. vom Prognos-Report in Basel angestellt worden sind, sprechen davon, daß langfristig mindestens 400 000 Wohnungen jährlich gebaut werden müssen. Einige Prognosen gehen etwas höher. Aber wenn Sie sich einmal diese Zahlenreihen vergegenwärtigen, wird Ihnen eine Entwicklung sichtbar, die deutlich macht, daß hier struktur-
und konjunkturpolitische Aufgaben auf uns zukommen, die unter Umständen nicht ganz ungefährlich sind, wenn es uns nicht gelingt, eine allmähliche und elastische Anpassung der einmal großen Wohnungsbauvolumen an ein langfristiges Volumen von etwa 400 000 im Jahr zu erreichen.
Hier wird es darauf ankommen, sich zu überlegen, wie man eine solche Entwicklung auffängt und welcher Ersatz vielleicht konjunktur- und strukturpolitisch für die deutsche Bauwirtschaft gefunden werden kann. Ich glaube, daß sich ein solcher Ersatz aus zwei Bereichen anbietet. Ich sehe eine große Reserve für die Bauwirtschaft nach wie vor in dem erheblichen Instandsetzungsbedarf des Althausbesitzes und in dem großen Sanierungsbedarf unserer Städte und Dörfer.
Wie groß der Instandsetzungsbedarf des Althausbesitzes insgesamt ist, wissen wir nicht genau. Heute morgen ist schon auf die Notwendigkeit hingewiesen worden, das Wohnungszählungsgesetz zu verabschieden, das das Hohe Haus schon wiederholt beschäftigt hat. Mit Recht ist bedauert worden, daß es bisher noch nicht gelungen ist, für dieses Gesetz die Zustimmung des Bundesrates zu finden. Der Vermittlungsausschuß wird sich Anfang Februar erneut — zum dritten Male — mit diesem Gesetzentwurf befassen. Ich hoffe, daß es dann gelingt, auch die Zustimmung der Länder zu finden. Ich halte dieses Gesetz für unbedingt notwendig, um einen exakten Überblick nicht nur über den tatsächlichen Woh-



Bundesminister Dr. Lauritzen
nungsbedarf, sondern auch über den Instandsetzungsbedarf des Althausbesitzes und den Sanierungsbedarf unserer Städte zu gewinnen. Es gibt eine repräsentative Erhebung der vergangenen Jahre, die zu dem Ergebnis gekommen ist, daß im Wohnungsbestand der Bundesrepublik etwa eine Million Wohnungen nicht anders saniert werden können als dadurch, daß sie abgebrochen und durch neue ersetzt werden. Etwa sechs bis sieben Millionen Wohnungen sind sanierungsbedürftig.
Welche Bedeutung in dem Instandsetzungsbedarf des Althausbesitzes steckt, ist, glaube ich, bei unserem Zweiten Konjunkturprogramm deutlich geworden; hier ist mit Zinszuschüssen und Darlehen der Länder ein Programm zur Instandsetzung von etwa 250 000 Vorhaben in Gang gebracht worden, und zwar mit einem Gesamtbauvolumen von 1,5 Milliarden DM. Gerade diese Maßnahme des Zweiten Konjunkturprogramms hat einen großen Anklang gefunden; es ist, wenn ich richtig unterrichtet bin, dasjenige Programm des Zweiten Konjunkturhaushalts, das zuerst abgewickelt worden ist. Ich glaube, daß hier eine Aufgabe vor uns liegt, der wir auch in Zukunft unsere besondere Aufmerksamkeit zuwenden sollten. Es sollten Mittel und Wege gefunden werden, auch vom Bund her weitere Hilfen zur Verfügung zu stellen.
Der Sanierungsbedarf der Städte und Dörfer ist bisher auch nicht exakt ermittelt worden. Er geht in die Milliarden. Wenn es gelingt, hierfür Finanzierungsmöglichkeiten zu finden, kann — strukturell gesehen — langfristig auch für die deutsche Bauwirtschaft hier ein Aufgabenvolumen mobilisiert werden, dem eine große wirtschaftliche Bedeutung zukommt. Ich sehe aber hierin nicht nur eine konjunktur- und strukturpolitische Bedeutung, sondern ich glaube, daß ,es sich bei dem Sanierungsbedarf unserer Städte und Dörfer um eine Aufgabe handelt, die kommunalpolitisch und gesellschaftspolitisch ein ganz besonderes Gewicht hat. Dieser Aufgabe sollte größere Aufmerksamkeit zugewendet werden als bisher. Hier ist ein baldiges Handeln notwendig, wenn wir uns nicht schwerwiegende Versäumnisse zuschulden kommen lassen wollen. Um etwas Entscheidendes zu tun, brauchen wir nach meiner Meinung ein Bundesgesetz, in dem eine Reihe von bodenrechtlichen Problemen, die Frage der Trägerschaft solcher Sanierungsvorhaben, aber auch eine finanzielle Beteiligung des Bundes an diesen Vorhaben geregelt werden.
Ich habe mit Befriedigung festgestellt, daß sowohl in der öffentlichen Diskussion als auch in der Debatte des heutigen Tages immer wieder auf die Notwendigkeit eines solchen Städtebauförderungsgesetzes hingewiesen worden ist. Ich hoffe, daß es gelingt, bei den Verhandlungen mit den Ländern über die Finanzreform auch dieses Problem so zu lösen, daß damit für ein Städtebauförderungsgesetz des Bundes die Bahn frei wird. Ich hoffe, daß es möglich ist, noch in diesem Jahr einen solchen Gesetzentwurf den parlamentarischen Körperschaften vorzulegen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0514825200
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidhuber.

Peter M. Schmidhuber (CSU):
Rede ID: ID0514825300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie der Kollege Porsch möchte ich mich mit einigen Fragen der regionalen Strukturpolitik beschäftigen. Es ist heute schon wiederholt darauf hingewiesen worden, daß unsere Volkswirtschaft in einem raschen Wandlungsprozeß begriffen ist, und es gibt viele Anzeichen dafür, daß sich dieser Wandlungsprozeß in den nächsten Jahren noch beschleunigen wird.
Ein Kennzeichen dieser Wandlung ist das Zurückfallen der Bedeutung der Urproduktion für die Erwirtschaftung des Sozialprodukts. Dies gilt sowohl für die Landwirtschaft als auch für den Bergbau. Für die Beteiligten, d. h. für die Erwerbspersonen in Landwirtschaft und Bergbau, hat diese Entwicklung große Veränderungen und auch eine Reihe bitterer Konsequenzen mit sich gebracht. Diese sozialen Umschichtungen sind die Kehrseite des technischen Fortschritts, der Preis für die industrielle Wohlstandsgesellschaft, ein Preis, der nicht allein von den unmittelbar Betroffenen gezahlt werden kann und darf.
Im Gegensatz zum Bergbau ist dieser Umschichtungsprozeß in der deutschen Landwirtschaft schon wesentlich länger im Gange und hat weit größere Dimensionen, was man angesichts der politischen Nebenerscheinungen in den Bergbaugebieten manchmal vergessen könnte. Die Stärkung der Wirtschaftskraft der überwiegend agrarisch orientierten Gebiete, die Synchronisation der Freisetzung der in der Landwirtschaft tätigen Erwerbspersonen mit der Schaffung neuer gewerblicher Arbeitsplätze sind aber deswegen kein geringeres wirtschaftspolitisches Problem. Die Existenzangst des einzelnen ist im Bayerischen Wald ebenso groß wie in Gelsenkirchen oder Recklinghausen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Als spezielle Aufgabenstellung der Regionalpolitik ist die Förderung des Zonenrandgebietes hervorzuheben. Hier haben wir einen der wenigen praktischen Ansatzpunkte, um der Herausforderung der Spaltung unseres Vaterlandes zu begegnen, indem wir verhindern, daß sich an der Zonengrenze eine soziale und wirtschaftliche Erosion breitmacht. Gerade dort müssen wir den Beweis für die Leistungskraft der sozialen Marktwirtschaft antreten.
Diese politischen Gesichtspunkte müssen bei der Ausgestaltung der Hilfen entsprechend berücksichtigt werden. Ich möchte nicht in den Fehler verfallen, die Regionalpolitik isoliert zu betrachten. Sie ist selbstverständlich nur ein Instrument im großen Werkzeugkasten der Wirtschaftspolitik. Sie muß eingesetzt werden für die allgemeinen Ziele unserer Wirtschaftspolitik, nämlich Stabilität und Wachstum. Dazu gehört auch die Zielvorstellung von der Gleichheit der Lebensbedingungen, die es mit Hilfe der Regionalpolitik in den strukturschwachen Gebieten durchzusetzen gilt. Dazu gehört auch, daß gleiche Tatbestände oder, besser gesagt, Notstände mit den gleichen Mitteln und mit gleicher Intensität



Schmidhuber
behandelt werden. Die Lautstärke, mit der die Forderungen vorgetragen werden, ist da nicht immer der richtige Maßstab.
Ein gewisser, wenn auch nicht völlig unanfechtbarer Gradmesser sind die Arbeitslosenzahlen, die heute schon öfters hier eine Rolle gespielt haben. Aus ihnen geht hervor, daß die Beschäftigungssituation in den ostbayerischen Notstandsgebieten mindestens ebenso kritisch ist wie im •Ruhrgebiet. Während am 31. Januar 1967 in den Arbeitsamtsbereichen Gelsenkirchen 5,2 %, Essen 3,8 % und Aachen 3,7 % der Erwerbstätigen arbeitslos waren, lauteten die Zahlen für die Arbeitsamtsbezirke Passau 19,5 %, Deggendorf 16,0 % und Schwandorf 13,7 N. Die Zahlen für diesen Winter dürften sich in der Relation kaum günstiger entwickeln als im Vorjahr.
Warum trage ich Ihnen diese Zahlen vor? Weil wir große Sorge haben, daß im Vergleich zu der Sanierung der Steinkohlenbergbaugebiete, die wir selbstverständlich bejahen, die Förderung der wirtschaftsschwachen Gebiete, d. h. des Zonenrandgebiets und der Bundesausbaugebiete, ins Hintertreffen kommen könnte. Diese Befürchtung hegen wir insbesondere seit Vorlage des Steinkohlenanpassungsgesetzes.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Nach § 26 dieses Gesetzentwurfs soll eine Investitionsprämie von 10% als spezieller Investitionsanreiz für die Steinkohlenbergbaugebiete gewährt werden. Weiter soll den ausscheidenden Bergarbeitern von der öffentlichen Hand ein Abfindungsgeld — ein völliges Novum in der deutschen Sozialgeschichte — gewährt werden. Die Auszahlung dieser Gelder wird die marktwirksame Nachfrage in den Steinkohlenbergbaugebieten stützen bzw. beleben und ist somit unmittelbar auch als eine strukturpolitische Maßnahme anzusehen. Man wird dem freigesetzten Landarbeiter und dem Textilarbeiter, der seinen Arbeitsplatz wegen der Schrumpfung dieser Branche verloren hat, schwer klarmachen können, warum er nicht in den Genuß einer solchen Vergünstigung kommt.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wir begrüßen es, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister in der Antwort auf die Kleine Anfrage der Kollegen Schlager, Burgemeister, Hösl, Niederalt und Genossen erklärt hat, ab 1. Januar 1968 könnten Investitionszuschüsse bis zu 15 % für Projekte im Zonenrandgebiet und in den Bundesausbaugebieten gewährt werden. Dies bedeutet aber nur eine formelle Gleichstellung; denn an der Höhe der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel, die überdies durch Sonderprogramme stark in Anspruch genommen sind, hat sich damit noch nichts geändert. Das Investitionsvolumen, das begünstigt werden kann, steht also in keinem Verhältnis zu dem, was durch die Anwendung des vorgesehenen § 26 des Steinkohlenanpassungsgesetzes vermutlich in Bewegung gesetzt werden wird.
Ich darf in diesem Zusammenhang noch eine andere Frage anschneiden. Es ist beabsichtigt, die Regionalpolitik als Gemeinschaftsaufgabe von Bund
und Ländern im Grundgesetz zu verankern. Dies erscheint mir aber nur dann als eine sinnvolle Maßnahme, wenn die für diesen Zweck zur Verfügung stehenden Mittel erheblich aufgestockt werden. Bei dem gegenwärtigen Umfang der Mittel lohnt sich hier die Erklärung zur Gemeinschaftsaufgabe nicht.
Die Befürchtung, daß es zu einer Benachteiligung der strukturschwachen Gebiete kommen könnte, ist durch den Bericht des Bundeswirtschaftsministers über die Strukturmaßnahmen für Ruhr und Saar an den Wirtschaftsausschuß des Deutschen Bundestages vom 16. Januar 1968 noch verstärkt worden. Der Bundeswirtschaftsminister geht hier von einem notwendigen Investitionsvolumen von 3 Milliarden DM für 60 000 Arbeitsplätze, die in den nächsten zwei bis drei Jahren geschaffen werden sollen, aus. Daneben sollen Infrastrukturinvestitionen in einer Größenordnung von etwa 5 Milliarden DM im Ruhrgebiet, allerdings im Rahmen eines langfristigen Plans, vorgenommen werden. Ich kann mich hier nicht mit der Frage befassen, ob die diesen Vorstellungen zugrunde liegenden Annahmen richtig sind. Ich will auch nicht die Notwendigkeit der vorgeschlagenen Maßnahmen in Zweifel ziehen. Ich möchte nur in aller Bescheidenheit darauf hinweisen, daß in Ostbayern, in den strukturschwachen Gebieten Niederbayerns, der Oberpfalz und Oberfrankens und auch in den Industrieräumen München und Nürnberg äußerst dringliche Infrastrukturmaßnahmen auf die hoffentlich ebenso großzügige Hilfe des Bundes warten.
Nur als Anmerkung darf ich darauf verweisen, daß Niederbayern der einzige Regierungsbezirk in der Bundesrepublik ist, der bis heute und wahrscheinlich auch in den nächsten Jahren noch nicht über einen Meter Autobahn verfügt. Ich hoffe, daß das Ostbayern-Programm, das von der bayerischen Staatsregierung demnächst verabschiedet wird, beim Bundeswirtschaftsminister die gleiche freundliche Aufnahme findet wie die Pläne des Landes Nordrhein-Westfalen.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Stammberger: Es wird Zeit, daß das kommt!)

In diesem Zusammenhang darf ich auch noch einen Hinweis auf die Bedeutung des Rhein-MainDonau-Kanals machen. Ich bin da allerdings nicht der Meinung des Kollegen Porsch, dem es nach seinen Äußerungen wohl in erster Linie auf die damit verbundenen Einweihungsfeiern ankommt. Der Rhein-Main-Donau-Kanal hat eine überragende verkehrs- und allgemein wirtschaftspolitische Bedeutung als eine Verbindung der beiden Großschifffahrtsstraßen Rhein und Donau. Er wird einmal den Anschluß Südosteuropas an die zentralen Wirtschaftsräume Mitteleuropas bewirken und damit eine fruchtbare Wirkung haben, die weit über Bayern hinausgehen wird.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang ein kurzes Wort zum Leber-Plan sagen. Die verkehrspolitischen Vorschläge der Bundesregierung werden genau daraufhin zu überprüfen sein, welche Auswirkungen sie für die wirtschaftsschwachen Gebiete
7646 Deutscher Bundestag — S. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1968
Schmidhuber
haben werden. Wir haben die Sorge, daß diese Vorschläge in einigen Punkten mit den regionalpolitischen Erfordernissen nicht übereinstimmen. Wir wollen zu gegebener Zeit auf diesen Punkt ausführlich zurückkommen.
Der Kollege Ravens hat sich heute morgen mit dem Entschließungsantrag der CSU-Landesgruppe kurz befaßt. Ich möchte hier noch einmal unseren Standpunkt verdeutlichen. Unsere Forderung nach Verstärkung der Förderungsmittel ist als eine langîristige Umschichtungsmaßnahme zu verstehen. Wir möchten uns nicht dem Verdacht aussetzen, daß wir eine Politik des leichten Geldes im Gewand der Strukturpolitik treiben wollen.

(Beifall in der Mitte.)

Für uns ist die Regionalpolitik eine die Konjunkturphasen überlappende Daueraufgabe.
Lassen Sie mich noch einen anderen Fragenkreis anschneiden. Das Jahresgutachten 1967 des Sachverständigenrates weist mit Recht auf den Zusammenhang zwischen Beschäftigungsgrad der Volkswirtschaft und den Anpassungschancen strukturschwacher Regionen hin: von einem steigenden und hohen Beschäftigungsgrad gehen dezentralisierende Wirkungen aus, während eine Rezession die Tendenzen zur räumlichen Konzentration verstärkt. Daraus folgt, daß die strukturschwachen Gebiete durch die rezessive Phase der Konjunktur, die wir eben durchlaufen haben, härter getroffen worden sind als andere Teile des Bundesgebiets. Es sollten daher Überlegungen angestellt werden, wie dieser Effekt ausgeglichen werden könnte. Ohne Zweifel hat der zweite Konjunkturhaushalt — was den Bereich der Infrastruktur anlangt — in diese Richtung gewirkt. Aber es hat Rückschläge bei den neu angesiedelten Betrieben gegeben. Mancher Zweigbetrieb in den strukturschwachen Gebieten oder im Zonenrandgebiet, der oft mit großer Mühe hergeholt worden war, mußte geschlossen werden.
Es erhebt sich die Frage, ob nicht dieser Tendenz mit speziellen steuerlichen Hilfen entgegengewirkt werden könnte. Ich denke dabei an die Gewährung des vollen Sofortabzugs der Mehrwertsteuer für Investitionen im Zonenrandgebiet, also den Wegfall der sogenannten Investitionssteuer. Man könnte diese steuerliche Vergünstigung dadurch in erträglichen finanziellen Grenzen halten, daß man sie davon abhängig macht, daß die Landesregierung die volkswirtschaftliche Förderungswürdigkeit der Investitionen bescheinigt, wie dies auch in § 26 des Kohleanpassungsgesetzes oder in § 6 b Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes vorgesehen ist. Mit einer derartigen Maßnahme würden die strukturschwachen Gebiete eher in den vollen Genuß des Konjunkturaufschwungs kommen. Da die sogenannte Investitionsteuer ohnehin einem stufenweisen Abbau unterliegt, wäre gleichzeitig auch für einen zeitgerechten Abbau dieser konjunkturpolitisch motivierten Hilfe gesorgt.
Abschließend möchte ich noch auf einen gewissen Zielkonflikt zwischen der Regionalpolitik und unserem Bestreben, den Interzonen- und den Osthandel auszuweiten, zu sprechen kommen. Wir bringen uns
selbst um den Erfolg unserer regionalwirtschaftlichen Bemühungen, wenn wir die Importkontingente für Güter, die von Wirtschaftszweigen, die im Zonerandgebiet ansässig sind und mit sektoralen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, hergestellt werden - wie die keramische Industrie, die Textilindustrie und die Industrie der Steine und Erden im besonderen -, im Zuge der im übrigen zu begrüßenden Ausweitungstendenzen erhöhen. Diese Importe belasten die betreffenden Industriezweige enorm. Wir haben hier gerade in letzter Zeit einige unerfreuliche Beispiele erlebt.

(Vorsitz: Vizepräsident Scheel.)

Meine Damen und Herren, ich darf zusammenfassen. Auf dem Gebiet der Strukturpolitik - das hat der bisherige Verlauf der Debatte gezeigt - sind eine Fülle von Aufgaben zu bewältigen. Es werden hier gewisse Prioritäten gesetzt werden müssen, weil unsere Mittel nicht ausreichen, alles zu gleicher Zeit und mit gleicher Intensität zu tun. Vergleichbare Tatbestände müssen aber gleichbehandelt werden.
Ich versuchte, Ihnen darzulegen, warum wir den strukturschwachen Gebieten die gleiche Dringlichkeit einräumen wie der Sanierung der Steinkohlenbergbaugebiete. Dieser gleichen Dringlichkeit muß eine gleiche Ausgestaltung der Förderungsbedingungen entsprechen, wobei der zusätzliche Standortnachteil der peripheren Gebiete entsprechend ausgeglichen werden muß.
In der Zonenrandförderung müssen die politischen Zielsetzungen gegenüber den rein ökonomischen nach wie vor den Vorrang haben. Deshalb halten wir auch Maßnahmen für gerechtfertigt, gegen die wir sonst ordnungspolitische Bedenken hätten. Wir begrüßen es daher, daß die Bundesregierung z. B. bereit ist, auch in Zukunft Rationalisierungsmaßnahmen im Grenzgebiet zu fördern. Wenn wir diese Politik konsequent weiter verfolgen, werden wir unserem Ziel einer ausgewogenen Wirtschaftsstruktur — was nicht bedeutet eine uniforme Wirtschaftsstruktur - in einer angemessenen und erträglichen Zeit näher kommen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514825400
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Stammberger.

Dr. Wolfgang Stammberger (SPD):
Rede ID: ID0514825500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es war sehr interessant, soeben der Tendenz der Ausführungen des Kollegen Schmidhuber zu folgen. Herr Kollege Schmidhuber, damit wir uns jetzt nicht falsch verstehen: ich komme ebenfalls aus Bayern. Aber Sie haben hier ganz bewußt versucht, bayerische Belange gegen nordrhein-westfälische auszuspielen.

(Widerspruch bei der CDU CSU.)

Sie haben mit einer deutlichen Spitze gesagt, man hoffe, daß die Pläne, die jetzt von Bayern kommen, die gleich günstige Aufnahme fänden wie die von Nordrhein-Westfalen.

(Abg. Schmidhuber: Sicher!)




Dr. Stammberger
Herr Kollege Schmidhuber, das ist ein Bumerang. Wir müssen nämlich fragen: Warum kommen diese Pläne erst jetzt?
Sie haben mehrfach auf die Kleine Anfrage Bezug genommen, die Kollege Schlager und andere zum Ende des vergangenen Jahres gestellt haben, offensichtlich - wie sich jetzt deutlich zeigt - in Vorbereitung auf die Debatte, die wir heute haben. Die Antwort der Bundesregierung darauf ist am 21. Dezember gegeben worden. Darin befindet sich allerdings ein Satz, der auf eine sehr schlechte Vorausschau schließen läßt. Das möchte ich hier ganz offen sagen. Es wird dort nämlich gesagt, daß in den Gebieten mit überdurchschnittlicher Arbeitslosigkeit eine spürbare Verbesserung eingetreten sei. Meine Damen und Herren, daß das nicht der Fall ist, haben wir ja heute bereits mehrfach gehört, und auch die Zahlen des Landesarbeitsamtes Nordbayern sind uns ja bekannt. Man wird uns zwar entgegenhalten, daß die Höhe dieser Zahlen, die in manchen Landkreisen bereits 20 und 30 % übersteigen, nur konjunkturell zu betrachten seien.

(Zuruf von der CDU/CSU: Saisonal!)

Aber, meine Damen und Herren, strukturell steigt es eben leider auch.
Dann aber ist in Ihrer Anfrage eine Kritik enthalten, der ich nicht folgen kann und die ebenfalls wieder zurückwirkt. Es wird dort nämlich gefragt, wie denn die etwas unterschiedliche Aufassung, die in verschiedenen Äußerungen der Bundesregierung zum Ausdruck komme, zu verstehen sei; ob man denn nun diese Zonen- oder Gebietshilfe, diese regionale Hilfe nach Möglichkeit noch steigern oder ob man dieses regionale Förderungsprogramm nur in seiner Effizienz ständig verbessern wolle. Beide Erklärungen hatte die Bundesregierung einmal abgegeben.
Meine Damen und Herren, ich glaube, beides ist notwendig, vor allen Dingen aber das zweite, wenn das Geld sinnvoll angelegt werden soll. Deshalb ist es eben erforderlich — was bisher in Bayern sträflich vernachlässigt wurde — daß man endlich dazu übergeht, Raumordnungspläne und Strukturverbesserungspläne vorzulegen, die, wie Herr Minister Schiller heute früh sehr richtig gesagt hat, nicht vorsehen dürfen, daß überholte Strukturen mit irgendwelchen Subventionen aufrechterhalten werden, sondern die es ermöglichen, zu modernen Neuordnungen zu kommen. Ich glaube, gerade das ist ein Gebiet, wo man von einer wirklichen Gemeinschaftsaufgabe in Form eines sinnvollen Föderalismus sprechen kann.
Es ist sehr interessant, einmal das Protokoll der Debatte durchzulesen, die am 28. November 1967, also erst vor wenigen Wochen, im Bayerischen Landtag stattgefunden hat und in der sich jetzt plötzlich eine Änderung der Haltung der bayerischen Landesregierung zeigte, welche bisher alle diese Pläne nach dem bewährten Vorbild des früheren Bundeskanzlers Erhard abgelehnt hatte, weil sie dahinter Planwirtschaft gerochen hat. Und jetzt überstürzt sie sich geradezu in dem Verlangen nach Plänen, in der Entwicklung von Plänen, die nun nach Möglichkeit aus
den leeren Kassen von Bonn finanziert werden sollen. Daß die Kassen, die die jetzige Regierung von der früheren Regierung übernommen hat, leer sind, das hat ja vorgestern der Herr Bundesernährungsminister Höcherl hier sehr deutlich zu verstehen gegeben.

(Zuruf von der CDU/CSU: Und Sie verlangen jetzt angesichts dieser leeren Kassen heute 1 Milliarde DM mehr?)

— Selbstverständlich. Wir machen aber im Gegensatz zu Ihnen auch Vorschläge, wie das aufzubringen ist. Ich bitte Sie, sich das durchzulesen.

(Abg. Haase [Kassel] : Neue Schulden machen! Das zu sagen, ist doch keine Kunst!)


Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514825600
Herr Kollege Stammberger, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Ertl?

Dr. Wolfgang Stammberger (SPD):
Rede ID: ID0514825700
Ja, bitte!

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0514825800
Herr Kollege Stammberger, haben Sie nicht zur Politik der leeren Kassen beigetragen, als Sie noch Minister waren, allerdings noch als Mitglied der Fraktion, die Sie dann später verlassen haben?

Dr. Wolfgang Stammberger (SPD):
Rede ID: ID0514825900
Herr Kollege, gerade weil ich diese Politik für falsch hielt, bin ich ja zur SPD übergegangen, und ich habe das nicht bereut.

(Beifall bei der SPD. — Lachen bei der FDP und der CDU/CSU. — Abg. Haase [Kassel] : Und dort drüben dann doppelt so viel gefordert!)


Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514826000
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Wolfgang Stammberger (SPD):
Rede ID: ID0514826100
Ich würde sagen, bevor sich die Herren so aufregen, sollen sie sich lieber wieder „zur Gesellschaft formieren". Ich gestatte keine Zwischenfrage.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514826200
Es ist jetzt ein anderer Frager; aber es liegt an Ihnen, ob Sie eine Zwischenfrage zulassen wollen.

Dr. Wolfgang Stammberger (SPD):
Rede ID: ID0514826300
Ich beantworte keine Zwischenfragen. Ich spreche erst fertig; hinterher können Sie Fragen an mich stellen.
Das einzige, was bisher von der bayerischen Staatsregierung vorgelegt worden ist, ist der RhönPlan, ist der Plan für den Bayerischen Wald, sind einige weitere, die jetzt kommen sollen. Dazu möchte ich einiges sagen. Es hat gar keinen Zweck, wenn man immer sagt: wir müssen neue Betriebe ansiedeln, wir haben dazu die Möglichkeit, die Gelände sind vorhanden, und dergleichen mehr. Ebenso notwendig wie die Ansiedlung neuer Betriebe ist die Erhaltung der bisherigen Betriebe. Wenn Sie nämlich die uns gegebenen Unterlagen durchlesen, werden Sie mit Erschrecken feststellen, daß viel mehr Be-



Dr. Stammberger
triebe, viel mehr Arbeitsplätze weggehen als neue kommen.

(Lebhafte Zurufe von der CDU/CSU.)

— Warum schreien Sie so, meine Herren, warum sind Sie so erregt über die von Ihnen gestellte Staatsregierung? Ich kann das allerdings verstehen. — Dazu gehört natürlich auch die Verbesserung der Verkehrsverhältnisse und gehört auch die Verbesserung der kulturellen Verhältnisse. Sie werden Führungskräfte aus der Wirtschaft in diese Gebiete nur bekommen, wenn sie die Gewähr haben, daß ihre schulpflichtigen Kinder in geordnete Schulen gehen können. Wie es da bei uns in Bayern aussieht, darüber brauchen wir in der augenblicklichen Auseinandersetzung wohl nichts zu sagen, darüber sind wir uns wohl klar.
Sehr erfreut bin ich über das, was Herr Minister Schiller vorhin gesagt hat. Er hat nämlich darauf hingewiesen, daß für die Textilindustrie dringend etwas getan werden muß. Wir haben gerade bei uns in Oberfranken — aber so wie bei uns in Oberfranken ist es ja überall in der Bundesrepublik — erhebliche Auseinandersetzungen über die Frage, wie die Textilindustrie weiterarbeiten soll. Was Herr Minister Schiller dazu gesagt hat, war sehr interessant. Er hat nämlich gesagt, daß er in seinem Hause einen Plan vorgefunden habe, der bereits früher erstellt, aber abgelehnt worden sei. Er hat zwar nicht gesagt, warum er abgelehnt wurde. Er hat gesagt, man wolle nicht in der Vergangenheit suchen. Aber das war ja schon eine deutliche Begründung dafür, warum er abgelehnt worden ist. Es ist dringend notwendig, daß das geschieht, was Professor Schiller gesagt hat, daß man sich nämlich gerade mit diesem Plan nun an die Arbeit macht.
Die Bundesregierung hat uns mit Zustimmung des Bundesrates jetzt die Grundsätze für die regionale Wirtschaftspolitik vorgelegt, und sie hat mit Recht gesagt, daß man in Zukunft davon Abstand nehmen will, Dauersubventionen auszuschütten, die lediglich gewisse Wirtschaftsschwächen zudecken sollen. Das ist die Wirtschaftspolitik in den vergangenen Jahren gewesen. Nun hat man das Geld für die Subventionen nicht mehr, und so kommt es nun überall zu Krisen. Das ist ganz klar, darüber dürfte wohl kein Streit mehr bestehen. Aber es gibt nun — und es ist sehr erfreulich, daß wir das am Schluß dieser Grundsätze für die sektorale und regionale Wirtschaftspolitik sehr deutlich sehen — politisch bedingte Sondersituationen in Berlin und im Zonenrandgebiet, wozu wir in Bayern nun einmal auch die Grenze zur Tschechoslowakei rechnen müssen, die auch eine Abweichung von diesen Grundsätzen mit sich bringen können. Es ist eine Geldfrage, meine Damen und Herren, darüber müssen wir uns völlig klar sein.

(Zuruf von der CDU/CSU: Nicht nur!)

— Nein, nicht nur. In erster Linie muß man wissen, wozu man das Geld haben will. Aber ich glaube, das ist eher zu beantworten als die Frage, woher wir dann das Geld nehmen. Hier möchte ich aber noch einmal auf das verweisen, was Herr Kollege Müller-Hermann heute vormittag mit Recht gesagt
hat. Er hat gesagt, daß gerade in diesen Gebieten eine gewisse Staatsverdrossenheit besteht, daß gerade in diesen Gebieten aus dieser Staatsverdrossenheit eine gewisse Radikalisierung entstehen kann und daß wir aus diesem Grunde auch bereit sein müssen, die finanziellen Opfer zu bringen, um hier zu gesunden wirtschaftlichen Verhältnissen zu kommen.

(Beifall bei der SPD.)


Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514826400
Das Wort hat jetzt Herr Abgeordneter Dr. Ritz.

Dr. Burkhard Ritz (CDU):
Rede ID: ID0514826500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In dieser Debatte über sektorale und regionale Strukturpolitik ist wiederholt auch, wenn auch am Rande — manchmal zentral —, auf die Probleme der Landwirtschaft hingewiesen worden. Ich glaube, es ist gut, wenn man hier einmal in einem kurzen Beitrag die spezifischen regionalen und sektoralen Probleme der Landwirtschaft zusammenfaßt.
In der Tat haben wir es bei dem Strukturprozeß innerhalb der Landwirtschaft sowohl mit einem sektoralen als auch einem regionalen Problem zu tun. Sektoral geht es darum, den notwendigen und auferlegten Anpassungsprozeß zu vollziehen; regional ergibt sich daraus die Aufgabe, die freigewordenen Arbeitskräfte sinnvoll in den Wirtschaftsprozeß einzugliedern.
Meine Damen und Herren, ich glaube, es lohnt, sich einmal kurz anhand der Statistik zu fragen, was sich hier in den vergangenen Jahren und dem vergangenen Jahrzehnt vollzogen hat. Man hört nämlich immer wieder draußen und wo auch immer die Meinung, die Landwirtschaft sei zu statisch, zu unbeweglich, zu wenig anpassungsfähig, und was immer dort an Vorwürfen in dieser Richtung gesagt wird. Wenn Herr Minister Schiller vorhin gesagt hat, daß die Probleme des Kohlenbergbaus die gravierendsten Strukturprobleme sind, so will ich nicht darüber streiten, weil es sich hier in der Tat punktuell um ein sehr schwieriges Problem handelt.
Ich glaube aber, wenn wir uns einmal den Strukturwandel der Landwirtschaft quantitativ anschauen, werden wir feststellen, daß wir es hier mit enormen Dimensionen zu tun haben. Die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe hat sich seit 1949 um rund 500 000 verringert, aber die Zahl der Vollerwerbsbetriebe ist von insgesamt 1,4 Millionen auf heute 538 000 gesunken.
Was die Menschen anlangt, so verstecken sich dahinter folgende Zahlen. Von 4,4 Millionen familieneigenen Arbeitskräften in der Landwirtschaft sind im Jahre 1967 2,2 Millionen verblieben. Das ist also genau eine Halbierung. Auch was die familienfremden Arbeitskräfte angeht, müssen wir einen starken Abgang verzeichnen, so daß wir im Durchschnitt der letzten 16 Jahre mit einem jährlichen Abgang von 165 000 Menschen aus der Landwirtschaft zu rechnen haben.
Ich glaube, es verdient auch in diesem Hause einmal anerkannt zu werden, daß sich dieser Prozeß

Dr. Ritz
ohne große Sonderprogramme vollzogen hat, daß sich diese Menschen jene Arbeitsplätze gesucht haben, die frei geworden sind, und daß sie heute weithin in den ländlichen Räumen zu einem festen und guten Bestand der Betriebe geworden sind. Wenn es auch richtig ist, Herr Kollege Ravens, daß natürlich bei vorübergehender Arbeitslosigkeit viele Arbeitslose gerade ungelernte landwirtschaftliche Arbeitskräfte sind, so bleibt doch die Tatsache bestehen, daß es gerade in den ländlichen Regionen die früher in der Landwirtschaft tätigen Arbeitskräfte gewesen sind, die heute den soliden Block und Stamm der Belegschaft stellen. Ich glaube, daß es genug Zeugnisse von Unternehmern gäbe, um darzustellen, welchen Wert diese Arbeitskräfte für den gesamten Strukturanpassungsprozeß im ländlichen Lebensraum gehabt haben.
Nun kann man fragen, ob dieser Prozeß abgeschlossen ist. Ich glaube, 'es ist niemand hier in diesem Hohen Haus, der der Meinung ist, es sei so. Ich glaube, daß sich dieser Prozeß in der Tat noch im Gang befindet. Es ist sicher schwer, das zahlenmäßig abzugrenzen. Das Prognos-Gutachten, das im Auftrag des Niedersächsischen Wirtschafts- und Verkehrsministeriums erstellt worden ist, geht für das Land Niedersachsen davon aus, daß sich die Zahl der in der Landwirtschaft Beschäftigten von heute 440 000 auf 330 000 im Jahre 1980, d. h. also in den nächsten 13 Jahren, verringern wird. Das bedeutet eine Abwanderung von noch einmal rund einem Drittel. Wir wissen nicht, ob diese Zahl stimmt, aber wir haben auf jeden Fall davon auszugehen, daß sich dieser Prozeß fortentwickelt.
Ich glaube, man wird sagen müssen, daß sich dieser Anpassungsprozeß, der hier sektoral von der Landwirtschaft gefordert wird, nur in dem Maße erfolgreich vollziehen kann, in dem es gelingt, regional jene Arbeitsplätze in zumutbarer, erreichbarer Pendlerentfernung zu beschaffen, die erforderlich sind, um den Gesamtprozeß sektoral und regional — hier zeigt sich eine unmittelbare Verknüpfung der Probleme — in der rechten Weise-zu bewältigen. Denn, meine Damen und Herren, man kann keinem Landwirt zumuten, im Zuge einer passiven Sanierung, wie das ja wohl die Wirtschaftswissenschaft nennt, irgendwo in wirtschaftsfernen Räumen seinen Arbeitsplatz zu suchen. Dann wird er eher bereit sein, sich mit einem ständig sich vermindernden Einkommen zufrieden zu geben. Damit aber wird das Mengenproblem in der Agrarproduktion nicht etwa ausgeräumt, sondern vergrößert. Er wird nur dann bereit sein, seinen Betrieb in einen Nebenerwerbsbetrieb umzuformen, wenn er diesen Arbeitsplatz in einer zumutbaren Entfernung von seinem früheren Hof und seiner Heimstatt finden kann. Hierüber ist an anderer Stelle schon sehr viel gesagt worden. Ich kann mir das insgesamt ersparen.
Es ist auch gesagt worden — Herr Kollege Dr. Stammberger hat es ebenfalls gerade gesagt, wenn ich es recht in Erinnerung habe —, daß es sehr schwer, fast unmöglich ist, in jedem Fall neue Industrien anzusiedeln. Aus der Erfahrung wird man ihm weitgehend recht geben müssen. Um so mehr werden wir zu fragen haben, welche alternierenden Möglichkeiten wir schaffen können. Denn so weit wollen wir alle nicht kommen wie die Vereinigten Staaten, die heute eine ihrer wichtigsten Aufgaben bis an 'das Jahr 2000 darin sehen, wieder zu gesunden Dörfern sowie kleineren und mittleren Städten zu kommen. Das geht sowohl aus ieiner Rede hervor, die der amerikanische Landwirtschaftsminister Freeman Anfang Dezember vergangenen Jahres gehalten hat, als auch aus Vorschlägen, die das Nationale Beratende Komitee für Ernährung und Fasererzeugung in den USA kürzlich erstellt hat. Wir haben insgesamt — insgesamt, mit all den Abstrichen — noch gesunde ländliche Räume. Es gilt jetzt, alles zu tun, um die Strukturen nicht nur zu halten, sondern auszubauen.
Lassen Sie mich einige konkrete, aus der Praxis geborene und gewachsene Fragen und Anregungen vortragen. Reicht die Koordinierung zwischen Bund und Ländern im Bereich der regionalen Wirtschaftsförderung aus? Das ist eine Frage, die wir uns stellen müssen, wenn wir beobachten, daß gerade finanzschwache und damit besonders strukturarme Länder einen besonders niedrigen Betrag pro Kopf der Bevölkerung für wirtschaftsfördernde Maßnahmen ausgeben. Bei geringer Höhe der Mittel für die regionale Wirtschaftsförderung wird natürlich die Strukturschwäche und Wirtschaftsschwäche des Landes nicht etwa vermindert, sondern erhöht. Ich weiß nicht, ob es bis zum Vollzug der Finanzverfassungsreform, die diese Aufgaben zu Gemeinschaftsaufgaben machen wird, schon notwendig ist, eine Standing Group oder etwas Ähnliches zwischen Bund und Ländern zu schaffen, um diese Aufgaben besser und sinnvoller zu koordinieren.
Zu fragen wäre auch, ob die Koordinierung zwischen den Ressorts auf Bundes- und Landesebene ausreicht. Ich war heute morgen geneigt, zu sagen — ich sage es auch jetzt —, daß das Bild, das die Regierungsbank heute morgen bot und auch jetzt noch bietet, hoffentlich nicht ein Spiegelbild für die Koordination zwischen den Ressorts ist.

(Abg. Unertl: Und die andere Seite!)

— Ich weiß, Herr Kollege Unertl, es wäre gut, wenn auch auf der anderen Seite heute sichtbar wäre, daß die Koordination besser ist. Aber ich glaube, es ist zwingend notwendig — und das müssen wir erreichen —, daß auch das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten stärker noch als in der Vergangenheit an diesen Maßnahmen der regionalen Wirtschaftsförderung beteiligt wird, um selbst zu einer besseren Koordinierung seiner speziellen Agrarstrukturmaßnahmen zu kommen, auf die ich heute nicht eingehen möchte.
Eine andere Frage möchte ich noch kurz stellen und hier unmittelbar an das anknüpfen, was auch Herr Dr. Stammberger sagte. Wir tun uns schwer bei der Neuansiedlung von Betrieben. Aus meiner nordwestdeutschen Perspektive sehe ich ganz nüchtern, daß es gerade angesichts der erhöhten Anstrengungen, im Ruhrgebiet möglichst viele Betriebe neu anzusiedeln, im gleichen Maße in den

Dr. Ritz
ländlichen Regionen schwerer wird, Industriebetriebe dort hinzuziehen.
Weiter ist zu fragen, ob die Richtlinien zur Förderung vorhandener Betriebe ausreichen, um zügig und möglichst unbürokratisch vorzugehen. Ich persönlich habe die Erfahrung gemacht — ich darf das hier einmal ganz offen sagen —, daß es Unternehmern, die einen neuen Betrieb ansiedeln wollten, relativ leicht war, auch in dem bürokratischen Weg leicht war, die dafür notwendigen Mitteln zu erhalten, daß es aber Betriebe, die vorhanden waren, die eine gewisse Ausdehnung, eine gewisse Umstrukturierung vornehmen wollten, bei dieser Aufgabe sehr viel schwerer hatten.
Ich glaube, es muß auch gesagt werden, daß auch jene Unternehmer, die schon einen leistungsfähigen Betrieb haben und sich möglicherweise ein zweites Bein schaffen wollen, in den Genuß dieser Mittel kommen müßten; denn sie haben ja bewiesen, daß sie leistungsstark sind, daß sie die Struktur dieses Raumes verbessern können. Ich glaube, man sollte wirklich überlegen, ob wir nicht Möglichkeiten haben, gerade in der Förderung vorhandener und im Ausbau befindlicher Betriebe schneller und wirkungsvoller zu arbeiten, als das in der Vergangenheit möglich war.
In bezug auf das verkehrspolitische Programm der Bundesregierung ist schon einiges gesagt worden. Ich meine auch, wir werden sehr nüchtern zu prüfen haben, ob nicht etwa die Beförderungsteuer nach Tonnenkilometern in Verbindung mit den Streckenstillegungen gerade diesen unseren Bemühungen, von denen wir jetzt sprechen, entgegenwirken. Das sollte man ohne Tabu in aller Nüchternheit und aller Klarheit in den Beratungen überlegen, und man sollte nach der richtigen Lösung suchen.
Meine Damen und Herren, ein Letztes, nur zur Abrundung. Es scheint mir selbstverständlich zu sein, daß auch ein landwirtschaftlicher Sozialplan notwendig ist, der sicherstellt, daß die jüngeren Betriebsinhaber die entsprechenden Möglichkeiten der Umschulung erhalten, wenn sie bereit sind, umzuschulen. Hier bietet ja auch das Arbeitsförderungsprogramm der Bundesregierung einen guten Ansatzpunkt. Aber ich glaube, es geht auch darum, daß man den Älteren, die nicht mehr umschulen können, die nicht mehr woanders arbeiten können, wenn sie es wollen, bei langfristiger Verpachtung oder bei Verkauf die Möglichkeit gibt, etwa eine Rente zu beziehen. Nur mit der gegenwärtigen Altersgeldregelung allein ist diesem Problem nicht beizukommen.
Meine Damen und Herren, ich wollte nur einmal die vielen Gedanken, die hier im Zusammenhang mit der Landwirtschaft aufgekommen sind, ein wenig bündeln und sie in diese wirtschaftspolitische Debatte hineinstellen. Ich bin der festen Überzeugung, daß es nur in dem Maße, in dem es der Wirtschaftspolitik vor allem mit den Mitteln der regionalen Wirtschaftsförderung gelingt, die industriell-gewerbliche Wirtschaftskraft des flachen Landes zu verbessern, auch der Landwirtschaft möglich sein wird, den Umstrukturierungs- und Anpassungsprozeß zu vollziehen, vor den sie sich heute gestellt sieht und dem
sie oft nur unter größten Anstrengungen gewachsen ist.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514826600
Das Wort hat Frau Abgeordnete Funcke.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0514826700
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich stelle fest, daß seit beinahe einer Stunde kein Minister mehr auf der Ministerbank sitzt. Ich stelle fest, daß die Regierung bereits 13/4 Stunde der verfügbaren Redezeit in Anspruch genomen hat, während sich die Parlamentarier aller Fraktionen bemüht haben, sich in ihrer eigenen Redezeit zu begrenzen. Ich stelle fest, daß die Minister, die überhaupt da waren, nach der Methode der Haydnschen Abschiedssinfonie jeweils von hinnen gegangen sind, nachdem sie die letzte Note geblasen hatten. Ich überlasse es Ihnen, meine Herren und Damen von den Regierungsfraktionen, sich darüber Ihre eigenen Gedanken zu machen. Die Opposition hat sich ihre Meinung über diese Art der Achtung der Regierung vor dem Parlament inzwischen gebildet.

(Beifall bei der FDP.)

Und sagen Sie mir nicht, meine Herren dort oben, daß heute Herr Schiller dies und Herr Lauritzen jenes zu tun hatten. Wir haben nach meiner Zählung mindestens 20 Minister, und abgesehen von dem Postminister und der Gesundheitsministerin, von denen ich annehme, daß sie bei diesem Thema nicht dringend angesprochen sind, dürften ziemlich alle sonstigen Minister von diesem Problem mit berührt sein.

(Beifall bei der FDP. — Zurufe von den Regierungsparteien.)

In dem Subventionsbericht der Bundesregierung lesen wir unter der Überschrift „Strukturpolitik" einen sehr beachtenswerten Satz, der lautet: „Grundsätzlich ist es Aufgabe der Unternehmer, die erforderlichen Strukturanpassungen in eigener Verantwortung vorzunehmen." Ich nehme an, es gibt in diesem Saal wohl kaum jemand, der diesen Satz nicht unterstreichen und bei allen Festtagsreden in Mittelstands- und in Wirtschaftsausschüssen auch fleißig zitieren würde.
Meine Herren und Damen, das ist sicherlich richtig. Nur müßten wir uns dann gleichzeitig einige Gedanken darüber machen, welche Notwendigkeiten hinter diesem Satz stehen. Herr Kollege Gewandt hat heute richtig gesagt, daß zu der Tätigkeit und der Wirksamkeit des Unternehmers Initiative, Kenntnisse und Mut gehören. Wir sollten darüber aber nicht die Augen davor verschließen, daß zu den notwendigen Anpassungen im unternehmerischen Bereich auch Kapital erforderlich ist.
Herr Minister Schiller hatte heute morgen gesagt, ihm und der Regierung liege daran, die Anpassungsfähigkeit der Betriebe zu erhöhen. Im krassen Widerspruch zu dieser sicherlich sehr richtigen Feststellung der Regierung stehen allerdings die Beschlüsse der Regierung und der Mehrheit dieses Hauses über die permanente Erhöhung der Steuern.

Frau Funcke
Wenn wir überall die Bewegungsfreiheit der Unternehmer im Finanziellen so einschränken, wie es durch Ihre Steuerbeschlüsse des letzten Jahres geschehen ist, werden wir uns nicht wundern müssen, daß wir dann in diesem Hause alle Vierteljahre und in verstärktem Maße Strukturdebatten haben werden.
Es klangen schon einige Bereiche an: Bergbau und Zonenrandgebiete. In diesen beiden Bereichen sind es ja außer- oder nur teilwirtschaftliche Gründe, z. B. politische Gründe, die zu der Notwendigkeit schneller Umstrukturierungen besonderen Anlaß geben, Hier ist in der Tat nach unserer Vorstellung ein besonderer Grund für die Regierung gegeben, aktive Strukturpolitik zu betreiben.
Aber, meine Herren und Damen, wir sollten nicht die Augen davor verschließen, daß die Notwendigkeit laufender Anpassung in der Breite unserer gesamten Wirtschaft gegeben ist. Neue Arbeitsverfahren, neue Rohstoffe, neue Artikel, neue Vertriebswege, neue Verkaufsmethoden - in der ganzen Breite unseres Wirtschaftslebens stehen wir vor der Notwendigkeit, anzupassen, um den internationalen Stand zu erhalten und durch Einstellung auf die Ergebnisse von Forschung und Wirtschaft unsere Wirtschaft leistungs- und konkurrenzfähig zu machen.
Wir wir schon aus früheren Berechnungen, mögen sie auch branchenmäßig ein bißchen verschieden sein, wissen, kostet die Einrichtung eines neuen Arbeitsplatzes mindestens 50 000 DM. Das mag uns ein Maßstab dafür sein, welches Kapital auch schon die laufende Anpassung an neue Arbeitsverfahren, Rohstoffe und Entwicklungen erfordert.
Aus diesem Grund bin ich besonders bedrückt und erstaunt, daß wir hier vom Finanzministerium den ganzen Tag bis jetzt eben, wo Herr Staatssekretär Leicht gekommen ist, nichts gesehen und nichts gehört haben.
Es ist ja kein Zufall, meine Herren und Damen von der CDU, daß man in Ihrem umfangreichen Fragenkatalog sehr sorgfältig um ein Kernproblem herumgeschifft ist und eine Frage zu der finanziellen, kapitalmäßigen Leistungsfähigkeit der Unternehmungen vorsichtshalber nicht gestellt hat. Denn Sie hätten sich die Antwort auf diese Frage in eigener Verantwortung negativ geben müssen. Sie selbst waren es ja, die die Umstellungsmöglichkeiten der Wirtschaft durch Ihre Stuererhöhungsbeschlüsse behindern. Auch Herr Minister Schiller hat diesen wichtigen Faktor in der strukturellen Wirtschaftsentwicklung ausgelassen. Aber so leicht können wir es uns eben nicht machen. Wir können nicht bezüglich des Finanzbedarfs an Wunder oder an Sterntaler glauben. Wenn wir dem Unternehmer weiterhin die Verantwortung und die Initiative für die weitgehende Umstrukturierung in der Wirtschaft zumuten wollen — und das ist ja bisher von niemandem bestritten -, müssen wir uns allerdings auch die Gretchenfrage stellen: woraus soll er das denn eigentlich finanzieren?
Nach meiner Kenntnis gibt es im wesentlichen vier Möglichkeiten der Finanzierung. Die erste und
eigentlich für eine freie Wirtschaftsordnung normale ist die Finanzierung aus dem Eigenkapital. Aber wie sieht es damit aus, und zwar insbesondere im Mittelstand und in der mittelständischen Industrie, die eben nicht wie manche andere Betriebe mit Schillers Bürgschaft

(Heiterkeit bei der FDP)

oder ähnlichem rechnen können? Überlegen Sie einmal, was von den Gewinnen abgeführt wird: Einkommensteuer, Kirchensteuer, Vermögensteuer, gelegentlich Erbschaftsteuer und auch die Vermögensabgabe, die wir zweifelsohne hinsichtlich ihrer Entstehung und ihrer Notwendigkeit unter einem besonderen Gesichtspunkt betrachten — das ist unbestritten —, die aber — auch das wird niemand bestreiten können einen Ausgabencharakter in Hinsicht auf die Liquidität und Eigenkapitalbildung der Betriebe hat und in den nächsten elf Jahren noch haben wird. Wenn der Unternehmer alles das abgeführt hat und nun auch noch von dem Geld seinen Lebensstandard finanziert, bleibt eben für eine Investition, die ja bekanntlich aus dem Versteuerten geht, kaum etwas übrig. Hier sind wir an die Grenze gestoßen und haben sie überschritten, zumal wir uns außerdem noch weniger Abschreibungsmöglichkeiten leisten als unsere Konkurrenzländer. Denn wir alle wissen, daß die Abschreibungsmöglichkeiten für Investitionen bei uns am schlechtesten geregelt sind. Und wenn dann gleichzeitig darüber diskutiert wird, auch noch die Degression abzuschaffen, — ja, meine Herren und Damen, dann müssen Sie uns in der Tat die Frage beantworten, wie die Strukturanpassung finanziert werden soll. Herr Ravens hat sie mit Recht gestellt. Man kann um das Geld nicht herumreden. Nur, Herr Ravens: wir haben eine ganz andere Vorstellung von der Frage, wie das Geld aufgebracht werden soll.
Die zweite Möglichkeit, sich Geld zu beschaffen, ist der Weg des Kredits. Davon hat Minister Schiller schon gesprochen. Nur glauben wir auch da nicht an Wunder. Die Möglichkeit, Kredit zu bekommen, ist immer auch eine Frage der wirtschaftlichen Struktur und der rechten Seite der Bilanz, d. h. der Eigenkapitalbildung. Auch wenn die Regierung sich mühen sollte, die Banken zu veranlassen, Kredite ohne reale Sicherheiten zu geben, so werden Sie doch nicht ausschließen können, daß Banken nach ihren erfahrungsbedingten Grundsätzen sich sehr sorgfältig um Sicherheiten bemühen. Ohne irgendeine Sicherheit, allein auf die Hoffnung hin, daß neue Investitionen mit neuen Krediten auch neue Rentabilität bringen, wird gerade der mittelständische Bereich keine hinreichenden Mittel bekommen. Zudem haben Kredite nun einmal die unangenehme Eigenschaft, daß man sie gelegentlich zurückzahlen muß. Das ist etwas, was uns in den nächsten Jahren ja die Regierung auch in ihrem Bereich verklaren muß. ln der Wirtschaft ist es halt nicht anders. Uferlose Kredite bekommt man nicht und kann man auch nicht verantworten, wenn man sie nicht eines Tages aus den versteuerten Restbeständen der Gewinne zurückzahlen kann.
Die dritte Möglichkeit, Kapital zu bekommen, ist die, sich von den Amerikanern das Geld geben bzw.



Frau Funcke
die Wirtschaft aufkaufen zu lassen. Ich bin nicht sicher, ob hier eine Meinung besteht, daß das ein günstiger und erstrebenswerter Weg ist, auf den wir unsere Wirtschaft bringen sollten.
Noch ein Wort zu den Krediten. Kredite sind nicht zuletzt auch abhängig von der Größe und der Gesellschaftsform der Unternehmen. Eine große Aktiengesellschaft kann eben Obligationen ausgeben, ein Einzelhändler nicht; das ist eine bekannte Tatsache. Wir begrüßen darum, daß die Regierung vorhat, schneller, als es anklang, ein Umgründungs-
oder Umwandlungsgesetz vorzulegen. Nur für die Größenordnungen, für die ich hier spreche, meine Herren von der Regierung, hilft das natürlich auch nicht weiter. Das Entscheidende nämlich, was für diese Größenordnungen durchschlägt, um eine Umgründung möglich zu machen, ist die Beseitigung der Grunderwerbsteuer. Aber genau zu diesem Punkte werden Sie in Ihrem Gesetz keine Antwort geben können, weil hier die Bundesregierung nicht zuständig ist. Das ist aber der entscheidende Punkt, nachdem die Frage der Umsatzsteuer durch Einführung der Mehrwertsteuer praktisch gegenstandslos geworden ist.
Der vierte Weg — davon ist heute am meisten geredet worden — ist der, daß der Staat dann einspringt und das notwendige Kapitel in dieser oder jener Weise zur Verfügung stellt. Täuschen wir uns nicht: dieser Weg der Finanzierung durch den Staat ist der teuerste, den wir gehen können. Wenn wir erst einmal anfangen, unsere Wirtschaft, der wir vorher das Geld weggenommen haben, auf den Weg zu verweisen, sich im Einzelverfahren das Geld für die notwendigen Investitionen wiedergeben zu lassen, dann wird das das Teuerste sein, was wir uns je geleistet haben, denn dann wird keiner ausbleiben. Wir werden dann in diesem Hause die Strukturdebatten nicht mehr von der Tagesordnung bekommen. Heute sind es Bergbau und Textil, und morgen sind es Eisen und übermorgen Papier oder was immer Sie wollen. Strukturprobleme gibt es überall, und sie werden mit der Schnellebigkeit der Zeit und mit der schnellen Entwicklung unserer Technik, der Wirtschaft und der Warenströme in besonderem Maße auf uns zukommen. Keine Industrie und kein Gewerbe wird auf die Dauer in der Lage sein, bei diesen Steuersätzen und bei diesen Abschreibungssätzen die notwendigen Kapitalien aus eigener Kraft aufzubringen.
Deshalb müssen wir uns an dieser Stelle entscheiden. Es geht um die Kernfrage, ob wir die zukünftigen wirtschaftlichen Probleme vorrangig über den Staat oder vorrangig über die freien Kräfte der Wirtschaft lösen wollen. Meine Herren und Damen der CDU, um die Frage kommen Sie nicht herum, auch wenn Sie in Ihren unterschiedlichen Ausschüssen, die Sie jeweils mit unterschiedlichen Rednern beschicken, einmal so und einmal so reden.
Es geht um die Kernfrage, ob unsere Wirtschaft wirklich und entscheidend in die Abhängigkeit von staatlichen Entscheidungen hineingebracht werden soll oder ob sie weiterhin auf der freien Entscheidung unserer Unternehmer fußen soll. Das ist keine absolute Grundsatzfrage; meine Herren und Damen,
bitte jetzt keine Polemik im Klassenkampf. Wir überschneiden uns in unseren Auffassungen zweifellos von rechts bis links in weiten Strecken. Aber dort, wo wir uns unterscheiden, da werden die Weichen für die letzte Entscheidung gestellt, ob die Entwicklung in Richtung Staatswirtschaft und damit in Richtung Staatsregime geht oder nicht. Wer nämlich Anträge auf Unterstützung an die Regierung stellen muß, der ist in Gefahr, daß die Regierung ja oder nein sagt, je nachdem, welche Auffassung die jeweilige Regierung von der Notwendigkeit des einen oder anderen Zweiges hat.
Die von uns angestrebte Steuersenkung ist nicht eine Frage der sozialen Symmetrie. Ich glaube, wir müssen einmal aus dieser Diskussion die törichte und doch immer noch vorhandene Vorstellung herausbringen, als seien Konsumkapital und Investitionskapital — was ja gemeinsam versteuert wird — in ihrer volkswirtschaftlichen Wertigkeit absolut gleich. Die soziale Symmetrie, von der hier immer gesprochen wird, ist keine formelle rechnerische Größe und schon gar nicht eine Größe, die auf den gegenwärtigen Augenblick — etwa den Zeitpunkt einer Hochkonjunktur — bezogen ist. Symmetrie im recht verstandenen Sinne muß funktional verstanden werden, und zwar mit dem Blick auf Dauer.
Wer also, meine Damen und Herren — und ich meine beide Regierungsfraktionen —, die Verantwortlichkeit in der Wirtschaft erhalten will und wer den entscheidenden Wert auf die unternehmerische Initiative legt — und wer wollte das nicht angesichts der Erfolge der freien Marktwirtschaft in den letzten zwanzig Jahren —, der muß allerdings auch die Voraussetzungen für eine verantwortliche Wirtschaft wollen. Das bedeutet: er muß die Kapitalbildung in der Wirtschaft wollen.

(Beifall bei der FDP.)

Denn nur mit einer hinreichenden Kapitalbasis können die Unternehmer sowohl die konjunkturellen wie auch die strukturellen Schwankungen und Krisen abfangen bzw. überwinden ohne die sonst unvermeidlichen Anforderungen an die Staatskasse und an die Staatsverwaltung.
Darum haben wir seitens der FDP vor allen steuerlichen Experimenten des letzten Jahres gewarnt. Wir sind sehr froh, daß die Zahl der Stimmen wächst, die sich kritisch gegenüber den Steuerentscheidungen des letzten Jahres äußern. Es geht in der Tat um die Sozialpolitik, und es geht auch um die Finanzpolitik des Staates. Denn die beste und auf die Dauer einzige Garantie für den sozialen Wohlstand aller ist nun einmal die gesunde und anpassungsfähige Wirtschaft. Das sollten wir doch alle aus den leidvollen Erfahrungen des letzten Jahres gelernt haben. Und in Richtung auf den Herrn Finanzminister möchte ich hinzufügen: die beste und auf die Dauer einzige Garantie für die Leistungsfähigkeit unserer Staatsfinanzen ist ebenfalls eine gesunde Wirtschaft. Man kann auf die Dauer nicht auf Pump leben! Um diese relativ einfachen, aber, wie mir scheint, doch wichtigen Erkenntnisse kommen' wir nun einmal nicht herum. Deswegen können und müssen wir die Einkommens- und



Frau Funcke
Steuerpolitik dieser Regierung und dieser Koalitionsparteien erneut und gerade im Hinblick auf die Strukturpolitik in Frage stellen.

(Beifall bei der FDP.)


Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514826800
Das Wort hat der Herr Staatssekretär im Bundesfinanzministerium.

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0514826900
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Funcke veranlaßte mich durch ihre Ausführungen, wenigstens einige Sätze hier zu sagen. Im Augenblick tagt unter Vorsitz des Herrn Bundeskanzlers immer noch das Wirtschaftskabinett, Frau Kollegin, dem immerhin neun Minister angehören, darunter auch die Minister, die sicherlich gerade — trotz der Wichtigkeit der Frage, die hier behandelt wird — sehr dringend dort gebraucht werden, nämlich der Wirtschaftsminister, der Finanzminister, auch der Landwirtschaftsminister — auch seine Abwesenheit wurde kritisiert —, und zwar im Auftrage dieses Parlaments, weil über den Jahreswirtschaftsbericht zu beraten ist. Dieses Parlament will ja bis zum 30. Januar die Stellungnahme der Bundesregierung haben.

(Zurufe von der FDP.)

— Herr Zoglmann, ich weiß, was kommt. — Das soll keine Entschuldigung dafür sein, daß gar kein Minister da ist. Aber es darf immerhin dazu beitragen, den Tatbestand insoweit klarzurücken.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514827000
Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage? — Zunächst Herr Abgeordneter Moersch!

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0514827100
Ja, bitte schön!

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0514827200
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Meinung, daß in einer parlamentarischen Demokratie die parlamentarische Beratung Vorrang vor der Beratung der Regierung hat?

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0514827300
Herr Kollege Moersch, ich würde sagen: selbstverständlich hat diese Beratung hier im Parlament große Bedeutung. Aber gerade Sie sind es doch immer wieder, die die Regierung angreifen,

(Zustimmung bei den Regierungsparteien)

weil sie gewisse Dinge nicht tut, die Sie verlangt haben. Das Parlament hat es verlangt, und die Regierung muß beraten.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der FDP.)


Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514827400
Gestatten Sie eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Zoglmann?

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0514827500
Bitte schön!

Siegfried Zoglmann (CSU):
Rede ID: ID0514827600
Herr Staatssekretär, würden Sie mir beipflichten, wenn ich unterstelle, daß die Bundesregierung — im Ältestenrat des Bundestages durch ein Kabinettsmitglied vertreten — an der Festlegung der Tagesordnung des Plenums dieses Hauses beteiligt ist und daß es daher kein besonders gutes Zeichen von Kooperation ist, wenn eine solche Sitzung, von der Sie hier sprechen, zur gleichen Stunde wie die Diskussion in diesem Hause angesetzt wird?

(Beifall bei der FDP.)


Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0514827700
Ich möchte das nicht unbedingt verneinen, Herr Kollege Zoglmann. Lassen Sie mich aber noch einen Grund anführen. In den letzten Wochen — auch das sollte man ganz nüchtern feststellen — war die Bundesregierung mit Großen Anfragen sehr stark in Anspruch genommen. Wenn man das richtig und nüchtern betrachtet und auch noch dazunimmt, daß neben den Großen Anfragen große Gesetzgebungswerke hier behandelt worden sind, wird man erkennen, wie stark die Regierung, wie stark auch die Beamtenschaft in diesen Wochen strapaziert waren. Das sollten Sie ebenfalls berücksichtigen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514827800
Gestatten Sie eine Zusatzfrage von Herrn Zoglmann?

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0514827900
Selbstverständlich!

Siegfried Zoglmann (CSU):
Rede ID: ID0514828000
Herr Staatssekretär, würden Sie mir recht geben, wenn ich sage, daß, da das Plenum dieses Hauses nach einer vierwöchigen Pause in dieser Woche zum erstenmal wieder tätig ist, in der Zwischenzeit sehr wohl die Möglichkeit bestanden hätte, all diese Dinge zu koordinieren, von denen Sie hier sprechen?

(Beifall bei der FDP. — Zurufe von der CDU/CSU.)


Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0514828100
Dazu möchte ich jetzt doch einmal feststellen, daß heute vormittag — insofern hatten Sie, Frau Kollegin Funcke, mich ja auch angesprochen — auf der Regierungsbank eine ganze Reihe von Ministern zumindest zeitweise gesessen hat, was ich selbst festgestellt habe.

(Zurufe von der FDP.)

Zweitens darf ich feststellen, daß auch ich bereits heute vormittag und heute nachmittag seit 14 Uhr da oben gesessen habe, ausgenommen die Zeit, in der ich da unten mit Kollegen sprechen mußte.
Drittens eine weitere Feststellung: die Einrichtung der Parlamentarischen Staatssekretäre ist zu dem Zweck erfolgt, eine politische Entlastung der Minister zu erreichen. Wenn hier Parlamentarische Staatssekretäre sitzen, zählt das soviel, wie wenn der Minister da säße.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)





Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514828200
Herr Staatssekretär, gestatten Sie ein Frage von Herrn Abgeordneten Frehsee?

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0514828300
Selbstverständlich!

Heinz Frehsee (SPD):
Rede ID: ID0514828400
Herr Staatssekretär, würden Sie den Kollegen Zoglmann darauf aufmerksam machen wollen, daß der Ältestenrat bei der Festlegung der Tagesordnung dieser Plenarsitzung nicht davon ausgegangen ist, daß sie so lange andauern würde, und daß der Präsident und die Mitglieder des Ältestenrates den anwesenden Vertreter der Bundesregierung nicht darauf aufmerksam gemacht haben, daß diese Plenarsitzung möglicherweise noch während der Sitzung des Wirtschaftskabinetts, die da schon bekannt war, andauern würde?

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0514828500
Ich bin dankbar, Herr Kollege Frehsee, daß Sie mich darauf hinweisen. Ich selbst habe dieser Sitzung nicht beigewohnt. Es war nicht meine Aufgabe.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514828600
Gestatten Sie eine weitere Frage von Herrn Abgeordneten Zoglmann?

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0514828700
Bitte sehr!

Siegfried Zoglmann (CSU):
Rede ID: ID0514828800
Herr Staatssekretär, würden Sie mir beipflichten — ich darf auf das abheben, was die Frau Kollegin Funcke vorhin gesagt hat; Sie waren offenbar mit ihr einer Meinung —, wenn ich sage, daß sich ein Minister, wenn er von der Diskussionszeit allein fast eineinhalb Stunden in Anspruch nimmt, nachher nicht dadurch beschwert fühlen darf, daß dieses Haus mit der Diskussion nicht schnell genug vorankommt?

(Beifall bei der FDP.)


Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0514828900
Ich teile diese Meinung nicht. Lassen Sie mich das aber zum Anlaß nehmen, Herr Kollege Zoglmann, wenigstens noch einige wenige Sätze zum sachlichen Inhalt dessen zu sagen, was Frau Kollegin Funcke hier vorgetragen hat.
Ich teile Ihre Meinung, Frau Kollegin Funcke, daß Kapital dazu gehört, wenn man in der Wirtschaft arbeiten will. Auf der anderen Seite muß ich aber auch die Frage stellen: Gehört dann nicht auch Kapital dazu, wenn der Staat arbeiten will? Wir können heute keine Steuerdebatte führen. Das haben Sie wahrscheinlich auch nicht gewollt. Das ist Ihr Stekkenpferd; das kommt immer wieder. Wir werden sicherlich ausgiebig Gelegenheit haben, uns im Rahmen der Beratung über den Jahreswirtschaftsbericht eingehend auch über diese Fragen — dann allerdings nicht allein und getrennt und nur aus der Sicht der Steuern und der Steuersenkung oder anderer Maßnahmen, die nur diesen eng umgrenzten
Bereich betreffen — zu unterhalten, sondern hineingestellt in den 'Gesamtjahreswirtschaftsbericht und auch in den Gesamtablauf der Wirtschaft, wie wir ihn in der Prognose für das Jahr 1968 vor uns sehen.
Ich gebe Ihnen auch recht, wenn Sie sagen, daß es das teuerste Geld sei, das man im Wege der Anleihe, das man für hohe Zinsen nehmen muß. Dasselbe trifft aber auch für den Staat zu, der gerade im Augenblick — im vergangenen Jahr und in diesem Jahr — .sehr stark in die Verschuldung, also den Weg der Anleihe gehen muß.
Schließlich gebe ich Ihnen auch recht, was die Frage der Grunderwerbsteuer betrifft. Auch dazu nur eine kurze Antwort. Ich glaube, Sie selbst waren es, die in der Fragestunde diese Frage angeschnitten hatten; oder es war ein anderer Kollege. Ich habe ,damals schon gesagt, und ich sage es heute wieder: auch hier wird die Bundesregierung versuchen — Sie selbst sagten, die Zuständigkeit hat sie nicht; das ist richtig —, im Zusammenwirken mit den Ländern oder, wenn Sie wollen, durch Einwirken auf die Länder nach Möglichkeit eine Änderung zu erreichen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514829000
Das Wort hat Herr Abgeordneter Zebisch.

Franz Josef Zebisch (SPD):
Rede ID: ID0514829100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Ausführungen meines Kollegen Dr. Stammberger haben etwas Unruhe in dieses Haus gebracht, als er über das Land Bayern sprach. Vielleicht kann ich jetzt mit einigen kalten, nüchternen Zahlen seine Ausführungen untermalen.
Ich spreche nicht das große Land Bayern an; denn dazu habe ich keine Zeit. Mein Fraktionsgeschäftsführer hat mir acht Minuten Zeit gegeben.

(Heiterkeit.)

Ich darf aus Bayern die Oberpfalz herausnehmen, die zugleich meine Heimat ist. Da muß ich feststellen, daß die Schuld an der Situation der Oberpfalz nicht die heutige Regierung trägt, sondern daß man bei der Frage nach der Schuld wahrscheinlich schon Jahrzehnte zurückgehen muß..
Ich darf vielleicht einige Beispiele anziehen. Während wir in der 'Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1965 auf 1000 Einwohner einen Industriebesatz von 147 messen konnten, hatten wir im Land Bayern 135, in der Oberpfalz 107. In Niederbayern ging der Industriebesatz sogar auf 91 zurück. Diese Zahl sinkt in bestimmten Landkreisen der Oberpfalz, und zwar im südlichen Teil, bis unter 60. Diese Zahlengegenüberstellung zeigt, daß die seit Generationen bestehenden Strukturschwächen im Regierungsbezirk Oberpfalz weiter fortbestehen und daß diese Situation nach meiner Meinung auf Grund der extremen Randlage dieses Gebietes durch den Vollzug ,der Römischen Verträge nicht besser, sondern wahrscheinlich noch schlechter werden würde.

(Abg. Schlager: Und durch die Importpolitik!)




Zebisch
Ich darf vielleicht .ein weiteres Beispiel anführen. Hier sind viele Zahlen, teilweise falsche, teilweise richtige, über die Arbeitslosenquote in 'der Oberpfalz genannt worden. Im Telegrammstil: Die Oberpfalz, in der 20 % der nordbayerischen Bevölkerung leben, stellt zur Zeit 35 % der Arbeitslosen dieses Raumes. Das sind insgesamt 26 000 betroffene Menschen. Mehr als 76 % dieser Arbeitslosen sind leider Männer.
Hier wurde unter anderem der Situationsbericht des Landesarbeitsamts Nordbayern zitiert. Ich kann dem Herrn Kollegen Porsch von der FDP nicht zustimmen. Seine Zahlen stimmen nicht. Wir haben Gott sei Dank in diesem Zeitraum noch nicht 'die Quoten erreicht, die auf der Talsohle in unserem Gebiet zu verzeichnen waren. Wir verzeichnen z. B. zur Zeit im Bezirk 'des Arbeitsamts Schwandorf 12,1 % Arbeitslose; im Februar 1967 waren ,es dort 16%. In Weiden haben wir zur Zeit 9,9 %, im Februar 1967 hatten wir 12,9 %.
Bedrohlicher sehe ich die Entwicklung im Raum Amberg, und zwar in den letzten sechs Jahren. Die industrielle Arbeitsplätze in diesem Gebiet sind um 18,6% zurückgegangen. Der Rückgang wird sich im Sommer 1968 auf Grund der Entlassungen bei der Luitpold-Hütte noch auf 24,2 % steigern. Diese Erscheinung ist leider Gottes symptomatisch für die gesamte Oberpfalz.
Nun lassen Sie mich die Auswirkungen dieser von mir angegebenen Tatsachen ansprechen. Ich darf das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf des Jahres 1964 zum Vergleich heranziehen. Dieses betrug in der Oberpfalz im Durchschnitt 5250 DM; in verschiedenen Bereichen lag es unter 4000 DM. Der Bundesdurchschnitt dagegen lag ungefähr bei 7150 DM. Für 1967 wird sich angesichts der Entwicklung der Arbeitslosenquoten und der Industriedichte der Abstand wahrscheinlich noch wesentlich vergrößert haben.
Hinter diesen kalten Zahlen 'stehen menschliche Schicksale. Wir 'stellen fest, ,daß die Menschen in der Oberpfalz nicht nur während des Erwerbslebens, sondern vor allem auch später, wenn sie Rentenbezieher sind, bedeutend schlechter gestellt sind als die im übrigen Bundesgebiet. Ich darf Ihnen in meiner Eigenschaft als Vorsitzender der Vertreterversammlung der Landesversicherungsanstalten nur einige Beispiele anführen. Wir zahlen bei der Landesversicherungsanstalt Oberpfalz zur Zeit eine durchschnittliche Berufsunfähigkeitsrente von 108,00 DM; auf Bundesebene beträgt 'der Durchschnitt 136,70 DM. Die durchschnittliche Höhe der Erwerbsumfähigkeitsrente, die die Menschen in unserem Raum bekommen, 'beträgt 171,56 DM, auf Bundesebene 197,13 DM. Noch drastischer ist der Unterschied bei der Altersrente, die vom 65. Lebensjahr an gezahlt wird. Hier bekommen unsere Menschen in Niederbayern/Oberpfalz im Durchschnitt 203,99 DM, auf Bundesebene 260,82 DM. Ich könnte diese Beispiele fortsetzen über die Witwenrente bis herunter zur Waisenrente.
Einen weiteren Nachteil für die von mir angesprochene Oberpfalz kann ich an Hand von zwei Betrieben ansprechen. An erster Stelle darf ich die
Gesellschaft Eisenwerke Maximilianshütte nennen, die Zweigbetriebe in der gesamten Oberpfalz hat und sich einem völlig verzerrten Wettbewerb gegenübersieht. Während z. B. den Saar-Betrieben von der Bundesbahn für Transporte ihrer Güter Tarife eingeräumt werden, die der Höhe der Transportkosten entsprechen, die entstünden, wenn es einen Saar-Pfalz-Kanal gäbe, steht eine solche Vergünstigung den marktfernen Betrieben der Maximilianshütte nicht zur Verfügung. Diese Nichteinräumung der Alsobtarife bedeutet pro Jahr für dieses Unternehmen allein eine Mehrbelastung von 4,5 Millionen DM. Ich habe mich gefreut, daß in einem Gespräch, das in der Zwischenzeit zwischen dem Vorstand dieses Unternehmens und Verkehrsminister Leber bzw. seinen Experten stattgefunden hat, festgestellt wurde, daß diese Zahlen richtig sind und daß 'der Bundesverkehrsminister in einem Schreiben an den Herrn Bundeswirtschaftsminister die Durchführung struktureller wirtschaftspolitischer Maßnahmen angeregt hat. — Mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten darf ich weitere Angaben über die Maximilianshütte schriftlich zu Protokoll geben.
Ein weiteres Beispiel bietet die Luitpoldhütte in Amberg. Dort wird die Beschäftigtenzahl, die im Jahre 1966 noch 2300 Menschen betrug, Mitte dieses Jahres auf 1000 zurückgehen.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514829200
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage 'des Abgeordneten Porsch?

Franz Josef Zebisch (SPD):
Rede ID: ID0514829300
Bitte sehr!

Werner Porsch (FDP):
Rede ID: ID0514829400
Herr Kollege Zebisch, Sie haben vorhin die Behauptung aufgestellt, ich hätte falsche Zahlen angegeben. Ich habe diese Zahlen aber von der Regierung der Oberpfalz gestern bekommen. Woher sind Ihre Zahlen?

Franz Josef Zebisch (SPD):
Rede ID: ID0514829500
Meine Unterlagen stammen vom Landesarbeitsamt Nordbayern in Nürnberg und datieren vom 5. Januar 1968.

(Abg. Porsch: Ich habe die Zahlen vom Arbeitsamt Weiden!)

— Darf ich fortfahren, Herr Präsident? —
Nennenswerte neue Arbeitsplätze für dieses Gebiet in der Oberpfalz in der Region Amberg stehen zur Zeit nicht zur Verfügung. Wenn in der Region Amberg nichts unternommen wird, bedeutet das allein für das ' Gebiet Amberg einen Kaufkraftschwund von rund 10 bis 12 Millionen DM, der wiederum Auswirkungen auf den Beschäftigtenstand und vor allem auf die Finanzen der Stadt Amberg haben wird.
Diese von mir angesprochene Region hat auf der anderen Seite den größten Geburtenanstieg Bayerns zu verzeichnen.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514829600
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Moersch?


Franz Josef Zebisch (SPD):
Rede ID: ID0514829700
Bitte!

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0514829800
Herr Kollege, ist Ihnen eben bei der Zwischenfrage meines Kollegen Porsch nicht klar geworden, daß seine Zahlen die neuesten Regionalzahlen der Oberpfalz sind und Ihre offensichtlich etwas älter sind und sich auf ganz Nordbayern beziehen?

Franz Josef Zebisch (SPD):
Rede ID: ID0514829900
Herr Kollege Moersch, das ist mir leider nicht bekanntgeworden. Ich weiß nicht, von wann das Schreiben der Regierung Oberpfalz ist; ich kenne dieses Schreiben nicht. Aber ich habe die letzten Zahlen des Landesarbeitsamtes für Nordbayern zur Verfügung, und ich bin gern bereit, dem Kollegen Porsch meine Zahlen zu geben.

(Abg. Moersch: Nützt nichts, weil sie alt sind! — Zuruf von der FDP: Weiterlesen! — Zuruf von der CDU/CSU: Das ist doch ein Streit um des Kaisers Bart! In jedem Landkreis sind die Zahlen unterschiedlich! — Zuruf von der SPD: Lassen Sie sich nicht nervös machen!)

— Wir Bayern lassen uns nicht aus der Ruhe bringen.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514830000
Wenn ich Ihnen jetzt sage, daß Ihre Redezeit abgelaufen ist, werden Sie vielleicht doch aus der Ruhe kommen.

Franz Josef Zebisch (SPD):
Rede ID: ID0514830100
Dann muß ich mich beeilen, Herr Präsident.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514830200
Ich gebe Ihnen eine Frist von einer Minute.

Franz Josef Zebisch (SPD):
Rede ID: ID0514830300
Zusammenfassend darf ich also für das von mir angesprochene Gebiet der Oberpfalz folgendes feststellen. Im Vergleich mit den übrigen Regierungsbezirken des Landes Bayern zeigt dieser Bereich nach wie vor erhebliche strukturelle Schwächen im Wirtschaftsaufbau. Die jährlich wiederkehrenden saisonalen Schwankungen der Arbeitslosigkeit geben in den Wintermonaten zu ernster Sorge Anlaß. Sie dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß saisonale Schwankungen letzten Endes einer seit geraumer Zeit bestehenden strukturellen Arbeitslosigkeit vorgelagert sind. Deshalb ist die Anhebung des Industriebesatzes durch gezielte Strukturverbesserungen sektoraler und regionaler Art durch die öffentliche Hand vordringlich. Die von seiten des Bundes geplante Kürzung der Mittel und die beabsichtigte Veränderung der Modalitäten des regionalen Förderungsprogrammes können möglicherweise ungünstige Auswirkungen in diesem Zonenrand- und Grenzgebiet zeitigen. Künftig sollten die Strukturverbesserungsmaßnahmen der öffentlichen Hand über die Kreditprogramme des Bundes und des Landes gezielt und schwerpunktartig in dieses Gebiet mit seiner großen Arbeitslosigkeit und seinem schwachen Industriebesatz gelenkt werden.
Ich darf mich bei dem Herrn Präsidenten bedanken.

(Beifall bei der SPD.)


Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514830400
Exakt eine Minute. — Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Niederalt.

Alois Niederalt (CSU):
Rede ID: ID0514830500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man diese Debatte und auch andere Debatten aus früherer Zeit über regionale und sektorale Wirtschaftsfragen aufmerksam verfolgt, wird man feststellen müssen, daß in der Sache nicht viel Neues gesagt wird, daß sich aber von Mal zu Mal immer mehr Kollegen zu Wort melden und zu diesem Thema sprechen. Ich freue mich darüber, und zwar deshalb, weil die allgemeine Unruhe offensichtlich doch immer größer wird, die allmählich in unsere Reihen des Deutschen Bundestages eindringt, die Unruhe über die Unausgeglichenheit der Wirtschaftsstruktur in der Bundesrepublik, die nach wie vor groß ist. Das Ziel der regionalen Wirtschaftsförderung ist doch gerade die Ausgeglichenheit der Wirtschaftsstruktur. Von diesem Ziel sind wir noch weit entfernt.
Ich brauche mich nicht in den Zahlenstreit zwischen Herrn Porsch und Herrn Zebisch einzumischen. Die Zahlen sind katastrophal, meine Damen und Herren! Es gibt Landkreise, mehr als ein Dutzend, mit 30 bis 35 % Arbeitslosen. Da streite ich nicht lange um 0,1 % mehr oder weniger herum; mir genügen die Zahlen auch so.

(Zustimmung bei der CDU/CSU und der FDP.)

Meine Damen und Herren! Wir fragen nach den Ursachen. Wenn wir das tun, dann tun wir es — wenn uns das Problem wirklich ernst ist - ohne Rücksicht darauf, ob der Sprecher von der SPD, von der CSU oder von der FDP kommt.

(Beifall bei der FDP.)

Wir fragen also wieder: Auf welche Ursachen ist diese Entwicklung zurückzuführen? Ein Teil der Ursachen ist heute am Rande genannt worden. Ein Kollege von der SPD hat richtig gesagt: In den letzten Jahren haben wir 2 Millionen Menschen, im wesentlichen aus der Landwirtschaft, entlassen, aber nicht genügend vorgesorgt für ihre Ausbildung. Diese Menschen sind in der Regel die ersten, die arbeitslos werden. Das ist richtig.
Ein zweiter Grund ist die allgemeine Konjunkturlage. Natürlich sind verkehrsschwache und revierferne Gebiete immer die ersten, die von einer Rezession betroffen werden. Deshalb ist richtig, was in der Antwort des Bundeswirtschaftsministers gesagt wurde, daß sowohl sektorale wie regionale Strukturfragen auf die Dauer nur gebessert werden können, wenn die allgemeine Konjunkturlage gebessert wird, und darin müssen wir ihn unterstützen. Aber — und jetzt kommt das große Aber — nach meiner Überzeugung kommen eben auch noch spezielle Gründe dazu. Meine Damen und Herren, wenn wir nicht mit den Problemen der regionalen Wirtschaftspolitik einmal ernst machen, dann wer-



Niederalt
den wir in fünf oder zehn Jahren — sofern wir dann noch hier sind — über das gleiche Thema mit den gleichen Zahlen operieren müssen.
Der Hauptgrund für diese überaus große Unterschiedlichkeit in der Wirtschaftsstruktur liegt einfach in den natürlichen Standortnachteilen der revierfernen Gebiete. Wenn wir nicht damit ernst machen, diese Standortnachteile durch Anreize steuerlicher Art zu mildern oder vielleicht auszugleichen, dann ist alles sinnlos. Meine Damen und Herren, ich bin Anhänger einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung, das möchte ich ausdrücklich sagen. Aber diesen Ausgleich zu schaffen, ist Aufgabe des Staates, da ist die Wirtschaft für sich allein überfordert. Die Wirtschaft ist angetreten unter den strengen Gesetzen der harten Kalkulation. Wenn ich als Wirtschaftsunternehmer vor der Frage stehe, ob ich einen Betrieb im Bayerischen Wald errichten soll oder im Raum Schweinfurt oder im Rhein-MainGebiet oder im Ruhrgebiet, dann gehe ich natürlich in das Rhein-Main-Gebiet oder das Ruhrgebiet. Zufuhr der Rohstoffe, Absatz der Fertigprodukte — alles liegt vor der Tür. Das ist die beste Grundlage für die Kalkulation.
Meine Damen und Herren, der Staat hat ein legitimes Interesse an einer gesunden Raumordnung. Wir müssen von ihm verlangen, daß er dafür sorgt, daß die Ballungsräume nicht weiter wachsen und daß die ländlichen Gebiete nicht völlig entleert werden.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wenn der Staat dieses Interesse hat oder haben muß, dann muß er auch durch steuerliche Anreize dafür sorgen, daß in dieser Richtung etwas geschieht. Deshalb unser Antrag. Ich möchte nicht im einzelnen auf ihn eingehen. Ich möchte nur noch einmal drei Punkte herausgreifen. — Einer steht nicht einmal im Antrag.
Wir müssen unbedingt bei der Investitionsprämie mit dem Ruhrgebiet gleichziehen. Der Kollege Stammberger hat gemeint, wir von der CSU hätten da eine Rivalität mit dem Ruhrgebiet und spielten da ein wenig Bayern gegen Ruhrgebiet aus, Herr Kollege Stammberger, das liegt uns völlig fern. Aber für mich ist Arbeitsloser gleich Arbeitsloser. Wenn ich feststelle — und ich bitte, das noch einmal zur Kenntnis zu nehmen, meine Damen und Herren -, daß an -keinem einzigen Tage des Jahres 1967 die prozentuale Arbeitslosenziffer von Nordrhein-Westfalen größer war als die Arbeitslosenziffer des Landesarbeitsamtes Nürnberg, sondern im Gegenteil an jedem Tage des Jahres 1967 die prozentuale Arbeitslosenziffer des Landesarbeitsamtes Nürnberg erheblich über der von Nordrhein-Westfalen lag, -
ja, haben wir dann nicht das Recht, haben wir dann nicht die Pflicht, uns zu rühren und zu sagen: auch wenn dort im Bayerischen Wald nicht das Gesetz der großen Zahl Platz greift, so sind das doch auch Menschen, und Arbeitslose sind Arbeitslose?

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514830600
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Mick? —

Josef Mick (CDU):
Rede ID: ID0514830700
Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, daß wir in Nordrhein-Westfalen z. B. in Gelsenkirchen eine Arbeitslosenquote von über 5 % haben?

Alois Niederalt (CSU):
Rede ID: ID0514830800
Lieber Herr Kollege Mick, fassen Sie doch meine Ausführungen nicht falsch auf. Natürlich ist mir das bekannt. Ich kann Ihnen dazu aber auch sagen, daß wir das ganze Jahr 1967 über in Bayern mehr als ein Dutzend Landkreise hatten, in denen die Arbeitslosigkeit nicht unter 8,8 % gesunken ist.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514830900
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Mick? -

Josef Mick (CDU):
Rede ID: ID0514831000
Ist Ihnen bekannt, Herr Kollege Niederalt, daß z. B. das Land Bayern von der Bundesanstalt mehr Mittel zur regionalen Strukturförderung erhalten hat, als die bayerische Wirtschaft, die bayerischen Arbeitnehmer je in die Bundesanstalt eingezahlt haben?

Alois Niederalt (CSU):
Rede ID: ID0514831100
Diese Tatsache ist mir im Augenblick nicht bekannt, Herr Kollege Mick;

(Abg. Schlager: Sie ist erfreulich!)

aber sie geht ja am Thema vorbei. Mir geht es darum, hier ganz klipp und klar zu sagen: Wir wollen keine kleinkarierte Rivalität, sondern wir wollen gesunde Grundsätze; Arbeitslosigkeit ist Arbeitslosigkeit; sie muß, gleichgültig, wo sie auftritt, bekämpft werden.

(Beifall in der Mitte.)

Als zweites möchte ich folgendes feststellen. Wir werden bei der Erhaltung der Betriebe und der Frage von neuen Niederlassungen - ganz gleich, ob sie sich in Baden-Württemberg befinden, auch dort gibt es einige solcher Landstriche, oder oben in Niedersachsen oder im Bayerischen Wald — auf die Dauer nur dann Erfolg haben — wenn wir ein gewisses Prä, ein gewisses Plus zum Ausgleich der natürlichen Standortnachteile geben. Dieses Prä und dieses Plus können nach meiner Meinung — ich bitte Sie ernsthaft, bei Anlaß der Überweisung des Antrages an den Ausschuß darüber zu beraten; das ist mein Vorschlag — nur in einer Art von verstärkten Sonderabschreibungen bestehen, wie sie beispielsweise im Berlinhilfegesetz gegeben werden.

(Abg. Schlager: Und in der Frachthilfe!)

— Das gehört dazu. Das ist nur in dieser Art möglich; sonst werden wir es nicht schaffen, es sei denn, man will das Problem nicht lösen. Wenn man es lösen will, muß man es s o machen.
Nun ein Drittes, sehr Wichtiges, das ich in diesem Hause seit 1953 immer gesagt habe: Die Gesamtpolitik muß auf eine gesunde raumordnerische Funktion abgestellt sein. Da darf es nicht vorkommen, daß wir auf der einen Seite regionale Förderungsprogramme aufstellen — also etwas geben —, und auf der anderen Seite wieder etwas nehmen, etwa durch Maßnahmen des Verkehrs, der Bundes-



Niederalt
bahn. Das muß in die Gesamtkonzeption hineinpassen; da spielt nicht nur der Verkehr eine Rolle, sondern auch der Außenhandel ist ganz wichtig. Mit anderen Worten: es muß gelingen, dieser Frage endlich einmal die politische Priorität zu geben, die ihr zukommt. Nur wenn das geschieht, werden wir von diesen unerfreulichen Entwicklungen wegkommen.
Natürlich kostet das etwas. Ich bin dankbar, daß heute auch diese Frage mit angeschnitten wurde. Ich zähle nicht zu den oberflächlichen Leuten, die bei Ad-hoc-Debatten, wenn es um die Landwirtschaft geht, sagen: es gibt nur die Landwirtschaft, und, wenn es ums Regionale geht, sagen: es geht nur ums Regionale. Nein, wir müssen all unsere Spezialpolitik in die Gesamtpolitik einbetten. Wir müssen wissen: eine gesunde Konjunkturpolitik können wir nur bei Stabilität der Wirtschaft und bei einer vernünftigen Finanzpolitik betreiben.
Wir müssen auch wissen: wenn wir die relativ geringen finanziellen Mittel jetzt nicht aufbringen, wird uns das in ganz wenigen Jahren schon viel teurer zu stehen kommen, und zwar nicht nur in Mark und Pfennig teurer — weil die Probleme der Ballungsräume, die schon heute finanziell kaum noch zu bewältigen sind, immer teurer werden -, sondern es wird uns allen politisch teuer zu stehen kommen.
Übersehen Sie bitte eines nicht: in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gibt es keine gottgegebene und so hingenommene Arbeitslosigkeit mehr. Wenn Sie hier nicht etwas tun, dann treiben wir die Leute, mögen sie noch so gutmütig sein, allmählich in den Radikalismus.
Deshalb, meine Damen und Herren, bitte ich Sie von Herzen, sowohl unseren Antrag als auch das, was ich zusätzlich gesagt habe, in den Ausschüssen zu beraten, um der Frage einer regionalen Wirtschaftsförderung endlich die Bedeutung zu geben, die ihr nach meiner Auffassung insgesamt zukommt.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514831200
Das Wort hat jetzt Herr Abgeordneter Wurbs.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0514831300
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich im Rahmen der strukturpolitischen Aussprache einige wenige Bemerkungen zur Wohnungsbausituation mache. Ich glaube, man darf von der Tatsache ausgehen, daß sich der Wiederaufbau im wesentlichen vollzogen hat und daß sich die Verhältnisse in allen Bereichen der Wirtschaft zu normalisieren begonnen haben bzw. schon normalisiert haben. Dies trifft insonderheit für den Wohnungsbau zu.
Die wirtschaftliche Rezession, besser gesagt: die Stagnation der letzten Monate ist nicht allein auf konjunkturelle Tatbestände zurückzuführen, vielmehr spielen auch strukturelle Gesichtspunkte hierbei eine entscheidende Rolle. Es ist daher von maßgehender Bedeutung gerade für die künftige Wohnungsbaupolitik, diesen strukturellen Verhältnissen und Gesichtspunkten. Rechnung zu tragen. Es erscheint mir unerläßlich, umfangreiche und ausgiebige Strukturanalysen anzufertigen, um künftig gezielter Wohnungsbau betreiben zu können. Auf jeden Fall muß vermieden werden, nach dem Gießkannenprinzip zu bauen, nur um quantitative Leistungen vorweisen zu können. Meine Damen und Herren, ich selbst komme aus der Bauwirtschaft und hin froh über jeden Auftrag, der der Bauwirtschaft insgesamt zugute kommt. Ich habe aber gewisse Vorbehalte, gerade nach Anlaufen des zweiten Eventualhaushalts, daß zum Teil nur aus konjunkturbelebenden Gesichtspunkten Vorhaben gefördert werden oder wurden, deren Dringlichkeit nicht in jedem Falle gegeben ist. Auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen, möchte ich noch einmal ausdrücklich vor einem Bauen um jeden Preis und vor einem Bauen am Bedarf vorbei warnen.
Ich möchte die Bundesregierung noch einmal eindringlich auffordern, alles zu unternehmen, damit das Wohnungszählungsgesetz zum Zuge kommt. Ich bin erfreut, aus dem Munde des Herrn Wohnungsbauministers vernommen zu haben, daß er sehr zuversichtlich ist, daß in Bälde mit dem Bundesrat eine Einigung erzielt werden kann. Wenn auch die Erkenntnisse dieses Wohnungszählungsgesetzes auf Unterlagen beruhen, die zwei Jahre zurückliegen und nicht den wahren Tatbestand widerspiegeln, ist doch eine zeitverschobene Unterlage immer noch besser als gar keine.
Die Kenntnis von Art, Umfang und regionaler Verteilung des Wohnungsbedarfs ist von besonderer Wichtigkeit sowohl für die Investitionsentscheidungen der gesamten Wohnungswirtschaft als auch für den Einsatz der Mittel des Bundes. Ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten aus den Grundsätzen der sektoralen Strukturpolitik des Bundeswirtschaftsministeriums vom November 1966 zitieren und darf damit gleichzeitig an die Ausführungen meiner Kollegin Frau Funcke anknüpfen. Nach unseren marktwirtschaftlichen Ordnungsvorstellungen hat der Unternehmer seine Entscheidung selbstverantwortlich zu treffen. Grundsätzlich ist es seine Aufgabe, Strukturveränderungen rechtzeitig zu erkennen und sich auf sie einzustellen. Dazu gehört auch, daß die Möglichkeiten zur Kooperation ausgeschöpft werden.
Meine Damen und Herren, was für den Unternehmer Gültigkeit haben soll, muß in jedem Fall auch für den Staat gelten. Es ist unbestritten, daß sozial und wirtschaftlich Schwache nicht immer vom freien Wohnungsmarkt versorgt werden können. Aus diesem Grunde ist es unerläßlich, für diesen Personenkreis künftig in ausreichendem Maße Wohnungen zur Verfügung zu stellen. Es ist zu überlegen, ob man diese Wohnungen mit einer angemessenen Ausstattung nicht über einen gewissen Zeitraum binden sollte. um Fehlbelegungen vorzubeugen. In diesen Komplex sind auch Wohnungen für alte Menschen und die Pflegebedürftigen mit einzubeziehen. Die neuesten Statistiken haben ergeben, daß sich bis zum Jahre 1970 der Anteil der alten Menschen, gemessen an der Gesamtbevölkerung, auf etwa 12 % erhöhen wird. Diesem Umstand muß für die Zukunft Rechnung getragen werden.



Wurbs
Ebenso sind Wohnungen für kinderreiche Familien in diesen Komplex mit einzubeziehen. Auch ist der Mobilität der Arbeitskräfte beim Bau von Wohnungen Rechnung zu tragen.
Nach Deckung des Nachholbedarfs kommt der Verbesserung alter Wohnungen sowie der Strukturverbesserung der Städte und Gemeinden eine besondere Bedeutung zu. Die Strukturverbesserung muß meines Erachtens Priorität vor dem Wohnungsneubau bekommen. Die Modernisierung alter Objekte, die weniger aufwendig ist als die Sanierung, muß vorrangig behandelt werden, zumal in den letzten Jahrzehnten, in den Jahren der Wohnungszwangswirtschaft, die Altbauvorhaben vernachlässigt worden sind. Heute ist dies nicht mehr zu verantworten. Nach meinem Dafürhalten besteht die zwingende Notwendigkeit, die Altbauwohnungen dem derzeitigen Standard anzupassen, damit die Altbauwohnungen bei einem weiteren Wohnungsneubau künftig nicht ins Hintertreffen kommen und brachliegen.
In diesem Zusammenhang erscheint es mir angebracht, zu überlegen, ob nicht seitens des Staates Hilfen gewährt werden können, um den Wohnungseigentümern Anreiz zu geben, alte Wohnungen abzureißen und neue zu erstellen. In den meisten Fällen wird es möglich sein, verhältnismäßig tragbare Mieten zu erzielen, weil teilweise die Kosten der Versorgungsleitungen und Fundamente entfallen oder sehr niedrig angesetzt werden können und somit bei der Mietpreisbildung eine Rolle spielen; das gleiche gilt für die verhältnismäßig niedrigen Grund- und Bodenpreise.
Meine Damen und Herren, ich kann an dieser Stelle nur ein paar grundsätzliche Bemerkungen machen und einige Anregungen gehen. Der zuständige Ausschuß wird sich noch mit der Gesamtmaterie befassen und entsprechende Entscheidungen treffen. Abschließend möchte ich sagen, daß die Wertung der staatlichen Wohnungspolitik nicht allein nach den erzielten Bauleistungen oder gar nach dem Volumen der gewährten öffentlichen Mittel erfolgen wird. Entscheidend dürfte für die Zukunft vielmehr die Wohnungsbaukonzeption sein.

(Beifall bei der FDP.)


Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514831400
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Fritsch.

Walter Fritsch (SPD):
Rede ID: ID0514831500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst bin ich dem Herrn Bundeswirtschaftsminister sehr dankbar dafür, daß er in seiner Antwort auf die Große Anfrage der CDU/CSU betreffend die sektorale und regionale Strukturpolitik mitgeteilt hat, daß die regionale Wirtschaftsförderung nach dem Finanzreformprogramm der Durchführung der Gemeinschaftsaufgaben gleichgestellt werden soll. Warum bin ich dafür sehr dankbar? Weil ich meine, daß gerade die regionale Wirtschaftsförderung jene Gebiete treffen kann, die der Förderung besonders bedürfen. Ich meine damit das Zonenrandgebiet, von dem heute vielfach gesprochen worden ist, und den niederbayerischen Raum, der seit Jahrzehnten unter
wirtschaftlichen Benachteiligungen und unter außergewöhnlichen sozial schwierigen Verhältnissen lebt und in dem die Menschen bei aller Arbeitswilligkeit und bei aller Arbeitsfähigkeit vielfach den ihnen gemäßen Arbeitsplatz nicht finden.
Ergänzend zu den bereits dargelegten Zahlen der derzeitigen arbeitslosen Mitbürger füge ich hinzu, daß es im niederbayerischen Raum rung 13 000 Pendler gibt, Fernpendler, die keine Möglichkeit haben, am Wohnort ihrer Familie oder in der Nähe Arbeit zu finden. Ich füge hinzu, daß etwa die Hälfte der derzeitigen arbeitslosen Mitmenschen ungelernte Arbeitskräfte sind, für die das kommende Arbeitsförderungsgesetz sicher ein weites Anwendungsfeld finden wird. Niederbayern und der ostbayerische Raum leiden aber auch unter erheblichen sektoralen Schwierigkeiten und Schwächen.
lassen Sie mich hierzu ein Wort über die Granitindustrie sagen, die mit ihren 5000 Beschäftigten nur zu 60 % ihrer Kapazität ausgelastet ist, die einen ständigen Rückgang in ihrer Erzeugung durch die Veränderung der Verbrauchergewohnheiten erfährt und die durch die ausländische Konkurrenz besonders bedroht ist.
Ich meine auch ein Wort zur Holzindustrie sagen zu müssen. Es ist eigenartig, in jedem Fall betrüblich, wenn in einem Gebiet wie dem ostbayerischen Grenzraum mit 750 000 ha Wald trotzdem Stillegungen von über 50 % der Sägewerke in den letzten 15 Jahren stattgefunden haben.
Die Glasindustrie, die etwa 3000 Menschen Arbeit und Brot gibt, ist ob ihres ungünstigen Standortes ebenfalls außergewöhnlich krisenanfällig und bedarf der Stützung.
Die regionalen Strukturverhältnisse drücken sich auch darin aus, daß die Verkehrsverhältnisse im ostbayerischen Raum und in Niederbayern besonders ungünstig sind. Ich meine, daß es, wenn wir im Rahmen der regionalen Wirtschaftsförderung Hoffnungen auf die zukünftigen Maßnahmen setzen dürfen, möglich sein muß, dabei weitgehend flexibel vorzugehen und in den Räumen Schwerpunkte zu setzen, die bisher sehr vernachlässigt worden sind und bei denen die Summation der unterbliebenen Effekte die Menschen besonders betroffen hat.
Heute ist bereits ausgeführt worden, daß Niederbayern nicht über einen einzigen Meter Autobahn verfügt und daß nach den Plänen voraussichtlich nicht vor 1970 mit dem Bau der Autobahn Regensburg–Passau als einer lebenswichtigen Verkehrsverbindung begonnen werden kann. Es müßte im Interesse einer flexiblen regionalen Wirtschaftsförderung möglich sein, im Sinne der Austauschbarkeit der eingesetzten Titel wenigstens den Teilausbau dieser Autobahn durchzuführen. Das hat nicht nur Auswirkungen für den Verkehr, sondern auch wirtschaftliche Ergebnisse für die bereits erwähnte Granitindustrie.
Wir meinen, daß im Hinblick auf eine Verbesserung der Struktur und der Infrastruktur der Ausbau der Bundesstraßen als vorrangig betrachtet werden muß. Ich erinnere dabei an die lebenswichtigen Verkehrsverbindungen von Eisenstein nach München,



Fritsch (Deggendorf)

die Bundesstraße 11 bzw. die Bundesstraße 388, die dadurch, daß sie nicht voll funktioniert, einen ganzen Landkreis von jeglicher wirtschaftlicher Entwicklung abschneidet, nämlich den Landkreis Wegscheid. Die Bundesbahn sollte in diesem Raum keine Verdünnung ihrer Fahrpläne vornehmen, sondern sie sollte eine aktive Verkehrspolitik betreiben und dazu beitragen,

(Abg. Unertl: Die Stillegungen vermeiden!)

daß Stillegungen vermieden werden, mindestens dort nicht angekündigt werden, wo sie noch nicht feststehen. Ich meine aber auch, daß der Ausbau des bereits erwähnten Rhein-Main-Donau-Kanals sehr nützlich sein wird und daß er diesem Raum neue und notwendige Impulse vermitteln wird.
Ich habe von der Flexibilität der Maßnahmen und der Hilfen gesprochen. Lassen Sie mich dabei in aller Kürze einige sofort ergreifbare Maßnahmen erwähnen. In diesem Gebiet, das jahrzehntelang vernachlässigt worden ist, sollte keine öffentliche Einrichtung abgezogen werden; im Gegenteil, der Bund sollte es sich zur Aufgabe machen, dort Schulen, Archive, Erholungsstätten und vieles andere mehr zu errichten. Bundeseinrichtungen in diesem Gebiet haben nicht nur einen wirtschaftlichen Effekt, sondern hängen vielleicht irgendwo auch mit der Frage der Glaubwürdigkeit unserer Verteidigungsbereitschaft zusammen. Die flexible Unterstützung sollte insbesondere darin bestehen, die Frachthilfe zu verbessern und die eingeführten Bagatellgrenzen wegfallen zu lassen; denn sie belasten die mittelständische Wirtschaft. Wir sollten dazu übergehen, Bürgschaften für Betriebsmittelkredite zu ermöglichen. Wir sollten aber auch daran denken, daß der Wohnungsbau in diesem Grenzgebiet verstärkt durchgeführt werden muß, um die Wanderungsverluste, die dieses Gebiet in den letzten Jahrzehnten hinnehmen mußte, aufzufangen oder wenn irgend möglich zu verhindern. Neben der Stützung der ansässigen Industrie ist selbstverständlich die Schaffung neuer Arbeitsplätze vordringlich. 13 000 Pendler sind eine überzeugende Zahl dafür, daß alles getan werden muß, um den Menschen Niederbayerns, um den Menschen an der Grenze das Gefühl zu geben, daß sie gleichberechtigte Wirtschafts- und Sozialbürger in unserem Lande sind.

(Beifall bei der SPD.)


Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514831600
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Lampersbach.

Egon Lampersbach (CDU):
Rede ID: ID0514831700
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Wenn ich der Debatte jetzt noch einmal nachgehe, so möchte ich sagen: mit der Anfrage, die von der CDU/CSU zur Strukturpolitik eingebracht worden ist, stellen sich heute zwei Aufgaben. Es geht zunächst einmal um die Ad-hoc-Lösung brennend gewordener Probleme, die sich sowohl im Bergbau als auch in Niederbayern, in den Zonenrandgebieten oder auch in der Textilindustrie stellen. Allerdings meine ich, daß die Frage der Lösung dieser Schwierigkeiten, so interessant sie auch sein mag, in einer
Debatte über regionale und sektorale Strukturpolitik zweitrangig ist. Man sollte diese schwierigen Situationen vielmehr kurzfristig zu lösen versuchen, so wie es auch die Regierung und das Parlament in den letzten Wochen und Monaten getan haben. Sicherlich sind dazu zunächst einmal Finanzspritzen vordringlich vonnöten, wie sie auf Grund der beiden Konjunkturprogramme verabfolgt worden sind.
Ich möchte mich in den kurzen Ausführungen, die mir hier gestattet sind, mehr auf die eigentlichen Grundfragen der regionalen und sektoralen Strukturpolitik beschränken. Lassen Sie mich vorab aber noch einige Worte zu den Ausführungen des Kollegen Ravens sagen, die mich als Mitglied dieses Hauses, aber auch als Abgeordneten, der aus einem bergbaubezogenen Wahlkreis kommt, doch außerordentlich befremden. Ich meine, daß es nicht gut ist, wenn man die ohnehin schwierige Situation, in der sich alle Beteiligten befinden, sowohl die Arbeitnehmer als auch die Unternehmer, noch durch zusätzliche Interpretationen in der Art, wie sie Herr Ravens hier gegeben hat, erschwert. Wir sollten nicht irgendwelche Neidkomplexe, die sicherlich sehr leicht aufkommen, stärken und schüren, sondern wir sollten versuchen, sie abzubauen, um ein gesundes Klima für Verhandlungen in diesem sehr schwierigen Unterfangen zu bekommen.
Es trifft sicher nicht den Kern, wenn Herr Kollege Ravens hier meint, daß die Verhandlungen zwischen Wirtschaftsministerium und Rheinstahlkreis immer wieder bewußt verzögert worden seien, damit es nicht zu einem Ergebnis komme. Herr Kollege Ravens, Sie werden sicherlich dem Herrn Minister Schiller zugestehen, daß er als Mensch Anspruch darauf hat, einmal Urlaub zu machen. Diese drei Wochen Urlaub fallen gerade in die Zeit hinein, in der die Verhandlungen schleppend geworden sind. Man sollte so fair und loyal sein, dem Minister den Urlaub zu gönnen, den er sicher sehr wohl verdient hat.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514831800
Erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Manfred Schulte (SPD):
Rede ID: ID0514831900
Herr Kollege Lampersbach, haben Sie den Eindruck, daß die Verhandlungen durch den Bundesminister Schiller verzögert worden sind? Ist das behauptet worden?

Egon Lampersbach (CDU):
Rede ID: ID0514832000
Ich habe nicht davon gesprochen, daß der Minister Schiller die Verhandlungen verzögert hat, sondern daß einfach die zeitlichen Voraussetzungen zur Fortsetzung der Verhandlungen — sowohl durch Feiertage, als auch durch einen sicher notwendigen Urlaub — weggefallen waren. Das hat also nichts mit Böswilligkeit der einen oder anderen Seite zu tun.
Ich glaube, man sollte hier nicht global unterstellen, daß die Unternehmungen grundsätzlich alle Verbesserungen, die wir für den Bergarbeiter erstreben und die ihm gewährt werden, verhindern wollen. Man könnte nachweisen, daß der Bergbau, also die Unternehmungen, über die arbeitsrecht-
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode —148. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1968 7661
Lampersbach
lichen Verpflichtungen hinaus doch einiges getan hat. Wir sind wohl weitgehend der Meinung, daß hier sicherlich noch mehr getan werden muß. Ich gehöre zu den Leuten, die alle Maßnahmen unterstützen, durch die die Situation der Betroffenen oder der in Zukunft noch Betroffenen verbessert wird.
Mir ist nicht ganz klargeworden, was der Herr Minister Schiller mit den qualitativen Unterschieden bei der Strukturwandlung sowohl im Steinkohlenbergbau als auch bei der Textilindustrie gemeint hat. Qualitative Unterschiede bei den Betroffenen — gleichgültig, ob es nun ein Weber, Spinner, Bleicher oder Bergmann ist — könnte man wohl nicht nennen. Das Schicksal des einzelnen betroffenen Arbeitnehmers, der durch die Strukturwandlung in die Situation kommt, seinen Arbeitsplatz wechseln zu müssen, ist gleichmäßig schwierig. Man sollte auch nicht schon dann von einer verstärkten oder qualitativ noch größeren Not sprechen, wenn massive Demonstrationen mit schwarzen Fahnen durchgeführt werden; so etwas soll man dabei herauslassen.
Die regionale und sektorale Strukturpolitik, wie wir sie sehen, verstehen und interpretiert haben möchten, möchte ich folgendermaßen zusammenfassen. Die Strukturpolitik ist auf mehreren Ebenen zu sehen. Wir müssen diese Strukturpolitik sowohl im nationalen wie auch im übernationalen Rahmen sehen. Wir werden sicher einer Meinung darin sein daß wir bestimmte Sektoren, bestimmte Fabrikationen bei uns schützen müssen, wenn diese Strukturen durch nicht marktkonforme Mittel von außen in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. Darüber hinaus gibt es hier vordringliche Aufgaben der Länder, der Regierungsbezirke und der Gemeinden, die diese Strukturpolitik mit durchzuführen haben.
Die Aufgabe hängt nach meiner Auffassung nur sekundär mit dem Geld zusammen. Primär ist sie durch gesetzliche Regelungen zu lösen. Diese gesetzlichen Regelungen lösen zunächst einmal Nahwirkungen aus. Dadurch werden Länder und Gemeinden dann zu Maßnahmen in der Infrastruktur animiert, die eine bessere Strukturierung der jeweils betroffenen Gebiete ermöglichen. Ich denke auch daran, daß im Rahmen der Finanzverfassungsreform und der Steuerreform, die hoffentlich in Parallele zu der ersteren recht bald kommen wird, die Gemeinden und die Länder in die Lage versetzt werden müssen, den Strukturänderungen besser und schneller als bisher Rechnung zu tragen.
Sicherlich müssen wir uns auch Gedanken über die noch bestehenden Demarkationen machen, z. B. in der Stromversorgung. Hier sind in der Vergangenheit, wie uns vielfach bekanntgeworden ist, Schwierigkeiten bei der Ansiedlung neuer Industriebetriebe aufgetreten. Dazu gehört selbstverständlich auch, daß wir uns im Rahmen der Raumordnung und der Verwaltungsreformen — die nun teilweise überall anlaufen — Gedanken über die Verkehrspolitik machen. Ich meine hier nicht das Konzept, das uns seit einigen Wochen vorliegt, sondern ganz allgemein die Verkehrspolitik, die Ausgestaltung der Verkehrswege. Es darf hier in keinem Fall zu einer
Einengung des Wettbewerbs kommen, weil wir den immer noch für richtig und wirkungsvoller für die Entwicklung halten, als wenn es zu rein diktatorischen Zwangsmaßnahmen des Staates käme. Die Generalverkehrspläne, die allerorten in Angriff genommen worden sind, könnten hier sicherlich gute Leistungen erwarten lassen.
Im Zusammenhang mit dieser Gesetzgebung sollte man auch daran denken, daß das Bundesbaugesetz dringend einer Reformierung bedarf. Das ist schon verschiedentlich angeklungen. Ob ich den Wohnungsbau oder auch die gewerblichen Bauten betrachte, man sollte überlegen, welche Änderungen erforderlich sind, um leichter und griffiger handeln zu können. Die Schwierigkeiten, auf die wir sicherlich stoßen, werden darin liegen, daß wir unter Umständen weitgehend in bestehende Kompetenzen der Länder und Gemeinden eingreifen müßten. Ich halte das nicht für gut. Denn wir sollten die gute Selbstverwaltung, die wir seit vielen Jahren praktizieren, nicht leichtfertig aufgeben.
Man sollte auch nicht ohne weiteres von dem föderativen Charakter unserer Bundesrepublik abgehen. Denn diese Fragen kann man leichter und schneller durch die Stellung von Gemeinschaftsaufgaben lösen, zu der sich alle drei Ebenen — Bund, Länder und Gemeinden — bekennen müßten und könnten.
Bei allen diesen Maßnahmen darf in keinem Fall die regionale oder auch die sektorale Strukturpolitik nur dann möglich sein, wenn permanent eine Subventionswelle über das Land geht. Aus zweierlei Gründen halte ich das für schlecht. Hier würde von vornherein der Leistungswille der einzelnen Unternehmungen, aber unter Umständen auch der der Arbeitnehmer kupiert werden. Das würde bedeuten, daß der Staat permanent für alle die Bereiche, die irgendwie krank werden, in Vorlage zu treten hätte.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514832100
Herr Abgeordneter, darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß Ihre Redezeit abgelaufen ist.

Egon Lampersbach (CDU):
Rede ID: ID0514832200
Ich bin sofort am Ende, Herr Präsident. — Dadurch würde man in die Gefahr geraten, daß die Wirtschaft praktisch zum Subunternehmer des Staates werden könnte.
Die Schwierigkeiten, die sich langfristig für die nächsten Jahre stellen — ohne daß ich so vermessen wäre, das Jahr 2000 zu nennen —, dürften sicherlich in allerkürzester Zeit von den Fachausschüssen eingehend zu beraten sein. Ich bin froh, daß wir heute einmal über diese Dinge, die uns in jeder einzelnen Region besondere Schwierigkeiten machen, ausführlich und eingehend sprechen können.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514832300
Das Wort hat der Abgeordnete Schlee.

Albrecht Schlee (CSU):
Rede ID: ID0514832400
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und meine Herren! Wenn ich wi-



Schlee
der Erwarten an dieser Stelle der Debatte noch die Gelegenheit erhalte, die Aufmerksamkeit des Hauses in Anspruch zu nehmen, muß und werde ich mich selbstverständlich darauf beschränken, nur noch einige wenige Gesichtspunkte hervorzuheben, die mir besonders am Herzen liegen.
Mit Genugtuung müssen wir alle feststellen, daß in der Beantwortung der Großen Anfrage der CDU/ CSU am Schluß von der Regierung klar ausgesprochen worden ist, daß die Bedingungen der politischen Situation des Zonenrandgebiets wie der Stadt Berlin Abweichungen von den allgemeinen Grundsätzen unserer Struktur- und Regionalpolitik notwendig machen.
Ich möchte noch folgendes betonen. Wir alle in diesem Hause, gleich, wo immer unsere Wahlkreise liegen, müssen Verständnis dafür haben und bereit sein, diejenigen Maßnahmen zu ergreifen, die zur Sanierung ,des Ruhrgebiets notwendig sind. Auf der anderen Seite aber wollen wir auch um Verständnis dafür werben, daß die Probleme des Zonenrandgebietes und der Bundesausbaugebiete nicht in den Schatten des Ruhrgebiets geraten. Es darf hier — wie mein Kollege Niederalt gesagt hat - keine Rivalität unter uns entstehen. Beides ist die gemeinsame Aufgabe von uns allen, die wir mit Einsicht und Tatkraft in den nächsten Jahren zu lösen haben. Alle Maßnahmen, die für das Zonenrandgebiet und die Bundesausbaugebiete zu treffen sind, sollten danach trachten, daß diese Gebiete mit der Zeit aus eigener Kraft den wirtschaftlichen Durchschnitt der Bundesrepublik erreichen. Sie sollten auf die Dauer nicht Subventionsempfänger der Bundesrepublik sein und bleiben.
Nun sind das Zonenrandgebiet und die Bundesausbaugebiete unterschiedlich strukturiert. Es gibt Gebiete, in denen reichlich Arbeitsplätze vorhanden sind, und es gibt Gebiete, die weniger gut versehen sind. Es gibt Gebiete, die nach Arbeitsplätzen „schreien". Ich erlaube mir, einen Satz aus der Beantwortung der Großen Anfrage hervorzuheben, wo es heißt, „daß ein befriedigendes Wachstum erst auf Grund verstärkter Beweglichkeit der Arbeitskräfte und des Kapitals zu gewinnen sein wird".
Worum es uns im Zonenrandgebiet und in den Ausbaugebieten geht, ist vor allen Dingen dies, daß das Kapital, das bei uns ansässig ist, daß die Arbeitskraft, ,die bei uns ansässig ist, sich nicht mit örtlicher Beweglichkeit entfernt, sondern bleibt und daß das Zonenrandgebiet eine attraktive Landschaft wird. Ich möchte hervorheben, daß dazu vor allem die Förderung und der Ausbau der Infrastruktur und die Förderung der kulturellen Maßnahmen gehört. Nicht zu Unrecht hat einer meiner Herren Vorredner darauf hingewiesen, daß die Ansiedlung wirtschaftlicher Betriebe und daher also überhaupt die Zweckmäßigkeit der Förderung einer Ansiedlung immer weiter davon abhängen, welche Bedingungen kultureller Art, welche Bedingungen bezüglich der Infrastruktur, hier geboten werden.
Ich weiß, daß ich mich dabei auch im Bereich der Landespolitik bewege, und ich möchte daher die Bundesregierung bitten, bei den Verhandlungen,
von denen in dem Antrag der CDU/CSU die Rede ist, darauf hinzuarbeiten, daß Bund und Länder eine zielbewußte Planung und Abstimmung ihrer Förderungsmaßnahmen vornehmen und daß uns auch Berichte, die hier ebenfalls vorgesehen sind, in Zukunft häufiger vorgelegt werden, damit wir einen laufenden Überblick über den Erfolg der getroffenen und die Notwendigkeit weiterer Maßnahmen haben.
Ich darf einige Bemerkungen an einen zweiten Satz der Antwort auf die Anfrage anschließen. Hier heißt es:
Strukturwandlungen gehören in einer dynamischen Wirtschaft zum gewohnten Bild. Ursachen dieser Strukturwandlungen sind technischer Fortschritt, vor allem die europäische Integration und weltwirtschaftliche Verflechtung.
Meine Damen und Herren, Strukturwandlungen in einer dynamischen Wirtschaft bedeuten Wechsel der Standorte, und Standorte hängen von einer Reihe von Faktoren ab. Standort der industriellen Erzeugung und damit Mittelpunkt des wirtschaftlichen Lebens und des Wohlstandes zu sein, ist 'ein Zusammenspiel von vielen Faktoren. Ich glaube, die Vergangenheit hat gezeigt; daß die Mobilität der Arbeitskraft weitaus größer ist als die Mobilität der Rohstoffe, der Rohstoffbasen und der Energiezuführung.
Hat nicht gerade das Ruhrgebiet diesen Beweis erbracht? Ich glaube, auch die Geschichte der Vereinigten Staaten zeigt, daß die Mobilität der überschüssigen Kräfte innerhalb Deutschlands und in Europa dahin geführt hat, dort dieses große Gebiet aufzubauen. Das heißt, wir könnten es durchaus erleben, daß in den nächsten Jahrzehnten auch Rohstoffbasen, die sich außerhalb Europas befinden, industrielle Standorte und Schwerpunkte bilden und daß Europa verarmt. Wir in der Bundesrepublik haben vor allen Dingen einen Faktor beizusteuern, und das ist die Arbeit. Ich glaube, es ist eine wesentliche Aufgabe unserer Politik, unserer Wirtschafts- und unserer Strukturpolitik, nicht nur die wissenschaftliche, sondern auch die industrielle Forschung zu fördern, damit die deutsche Arbeitskraft durch die Güte und die Vorzüglichkeit der Produkte, die aus der deutschen Arbeitskraft hervorkommen, in der Welt ihren Platz erhalten. Wir müssen das tun, um dafür zu sorgen, daß die Deutschen in ihrem Lande bleiben, wohnen, sich vermehren und ihr Brot verdienen können, auch in Zukunft.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514832500
Das Wort hat jetzt als Vertreter der Bundesregierung Herr Staatssekretär Arndt.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514832600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich erlaube mir, vor den Begründungen der Anträge noch einmal für die Bundesregierung das Wort zu nehmen, um vor allen Dingen für die Bundesregierung der antragstellen-



Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Arndt
den Fraktion und den Antragstellern zu danken, ferner denen zu danken, die uns in der Debatte heute viele Anregungen für die strukturpolitische Akzentuierung der nächsten Zeit gegeben haben.
Wir wissen, daß wir die Grundsätze des Jahres 1966 kaum zu ändern brauchen, weder in der sektoralen noch in der regionalen Strukturpolitik. Das liegt erstens daran, daß die Grundsätze des Jahres 1966 eben nicht diejenigen des Jahres 1950 waren, sondern sich durchaus schon etwas in Zeitnähe befanden, und zweitens daran, daß wir das machen wollten, was das Hohe Haus eigentlich ziemlich einmütig gewünscht hat, nämlich an die Arbeit zu gehen und die Grundsätze in die Realität, in die politische Aktion umzusetzen.
Die ein, zwei Änderungen, die drin sind, sind dennoch wichtig. Wir müssen auch etwas für die zukunftbezogene Industrien tun, die in anderen Ländern mit nennenswerten staatlichen Mitteln aufgezogen und vergrößert worden sind. Das, was in anderen großen Ländern als Beiprodukt militärischer Forschung für kommerzielle Zwecke anfiel, müssen wir hier direkt in einem zivilen Programm zu erreichen versuchen, damit wir auch für die Zukunft wettbewerbsfähig bleiben. Das sind die Änderungen der Strukturgrundsätze von 1966.
Etwas ist, glaube ich, heute hier auch deutlich geworden. Die Diskussion des vergangenen Jahres, ob Konjunkturpolitik oder Strukturpolitik wichtiger ist, ist nicht mehr in dem Maße vorhanden. Tatsächlich gilt in dieser Frage wie in allen Fragen natürlich das Prinzip: alles zu seiner Zeit. Es ist eine Sache der Dimensionen. Wenn die Lebensverhältnisse der großen Masse der Erwerbstätigen im Bundesgebiet durch eine zu heftige oder zu schwache wirtschaftliche Aktivität tangiert werden, sprechen wir von Konjunkturpolitik. Geschieht es nur in einzelnen Branchen oder in einzelnen Regionen, ist die gleiche Aktion eine Aktion der Strukturpolitik. Dieselbe öffentliche Investition, derselbe Straßenbau, derselbe Wohnungsbau hat einmal eine Konjunkturkomponente und einmal eine Strukturkomponente. Das gleiche gilt für Finanzhilfen, für Burgschaften und was es alles an staatlichen Förderungsmaßnahmen gibt. Das Motiv ist in dem einen oder anderen Fall unterschiedlich, weil die wirtschaftliche Problematik bei der Konjunkturpolitik fast alle Erwerbstätigen des Bundesgebiets zu einer gegebenen Zeit betrifft, bei der Strukturpolitik einen Teil; deswegen auch in dem einen Fall Global-, in dem anderen Fall Spezialsteuerung. Die Instrumente der Strukturpolitik müssen feiner sein, müssen sich stärker des Qualitativen bedienen.
Es ist auch versucht worden, diese Doppelwirkung jeder öffentlichen Maßnahme — konjunktur- und strukturpolitische Wirkung — im ersten Eventualhaushalt, im zweiten konjunktur- und strukturpolitischen Programm bis hin zur Entlastung der Altvorräte, die ja auch nicht schematisch gemacht worden ist, zu berücksichtigen und entsprechend vorzugehen. Selbstverständlich sind strukturgefährdete Regionen bevorzugt worden — in den Zinssätzen und in der Dotierung —, und selbstverständlich ist auch so etwas wie das, was Herr Minister
Lauritzen vorhin erwähnt hat: das Wohnungsinstandsetzungsprogramm, die Substanzerhaltung des Althausbesitzes, ein strukturpolitisches Programm im echten und guten Sinne des Wortes. Hier ist etwas gemacht worden, wozu es bis dahin nicht kommen konnte.
Was die sektoralen Fragen anbelangt: Die Textilindustrie kann die Gewißheit haben, daß wir einen Unterschied in der Strukturpolitik für den Textilsektor und für den Kohlebergbau machen. Der Unterschied, Herr Kollege, liegt einfach darin begründet, daß die Textilproduktion in normalen Zeiten — nicht in einer Rezession — in Deutschland gewachsen ist, sogar stärker gewachsen ist als in den übrigen EWG-Ländern, daß dort Rationalisierungsfortschritte in einem ganz anderen Umfang möglich sind als im Bergbau mit seinen geologisch bedingten Mißhelligkeiten. In der Textilindustrie kann und wird in normalen Zeiten der Auftragseingang steigen, während im Kohlebergbau, wie wir wissen, der Auftragseingang auch in normalen Zeiten rückläufig gewesen ist und in einem gewissen Ausmaß auch noch bleiben wird. Das bedingt eine ganz unterschiedliche Qualität der Anpassungsprogramme für diese beiden Bereiche.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514832700
Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schlager?

Manfred Schlager (CSU):
Rede ID: ID0514832800
Herr Staatssekretär, Sie stellten richtig fest, ,daß wir in unserer Strukturpolitik einen Unterschied machen müssen hinsichtlich der Kohlenindustrie einerseits und der Textilindustrie andererseits. Wenn man hier schon einen Vergleich ziehen wollte, müßte er sich auf zwei gleichermaßen Fußkranke beziehen. Sind Sie mit mir der Auffassung, daß es sich bei der Textilindustrie im Gegensatz zum Bergbau eigentlich nicht um eine Strukturkrise handelt, sondern daß wir es hier mit einer uns unangenehmen Verlagerung von Produktion und Absatz von inländischen Unternehmen auf den Import zu tun haben?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514832900
Herr Kollege Schlager, Sie können das Kohleproblem natürlich genauso sehen: Der Energiebedarf wächst selbstverständlich, nur verlagert er sich von der deutschen Steinkohle auf andere und zum großen Teil importierte Energieträger. Darin liegt also wohl nicht der eigentliche Unterschied. Der Unterschied besteht vielmehr darin, daß wir bei der Kohle auf geologische Probleme stoßen, die der Rationalisierung Hemmnisse auferlegen, welche wir im Textilbereich nicht haben. Wir wissen auch, daß der größere Teil der Textilbetriebe bei entsprechender Mechanisierung durchaus konkurrenzfähig ist. Das Problem der Textilindustrie besteht darin — wir hatten das ja in verschiedenen Fragestunden im vergangenen Sommer besprechen können —, daß sich die Einfuhren aus den Drittländern im Rahmen der EWG nicht so einseitig verteilen sollten, wie das bisher der Fall ist, und daß wir die gleiche Politik



Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Arndt
der Harmonisierung gegenüber Osteuropa betreiben sollten.
Im übrigen haben wir — das waren die Probleme des letzten Jahres — auch zu trennen zwischen der strukturpolitischen Komponente und der konjunkturpolitischen Komponente der Lage in der Textilindustrie. Die konjunkturpolitische Komponente war ja auch in sehr starkem Maße Ursache für Produktions- und Auftragsrückgänge, und in den letzten Monaten sind wir in diesem Bereich eigentlich ganz hübsch nach vorn gekommen. Darüber hinaus gilt gerade für diesen Bereich die höhere Entlastung der Altvorräte als strukturpolitisch wichtige Maßnahme.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514833000
Gestatten Sie eine weitere Frage, Herr Staatssekretär?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514833100
Bitte!

Manfred Schlager (CSU):
Rede ID: ID0514833200
Herr Staatssekretär, im Hinblick auf Ihre Ausführungen darf ich Sie fragen, ob Sie wissen, daß sich im nordrhein-westfälischen Landtag bei allen Fraktionen die Besorgnisse über eine sich am Horizont abzeichnende Textilkrise verstärken?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514833300
Für eine solche Textilkrise gibt es keinerlei Indizien.

Manfred Schlager (CSU):
Rede ID: ID0514833400
Herr Staatssekretär, wissen Sie, daß im nordrhein-westflälischen Landtag die Rede davon ist, daß die Kapazität der dortigen Textilindustrie nur zu 70 % ausgelastet ist, daß man sich keine Hoffnungen macht, daß das besser werden könnte, und daß man gerade hier eine Wechselbeziehung zwischen der Importpolitik und der Absatzsituation der Textilindustrie sieht?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514833500
Herr Kollege Schlager, vielleicht ist es ganz gut, daß wir dieses Problem auch an diesem Beispiel erörtern können. Ein Teil der Kapazitäten ist eben einfach nicht wettbewerbsfähig, auch unter normalen Konjunkturumständen nicht, und Strukturpolitik heißt natürlich auch, den Strukturwandel fördern, heißt nicht, den Wettbewerb innerhalb von Branchen ausschalten. Wir müssen uns schon vergewissern, und wir können der Textilindustrie — die es natürlich im übrigen selber weiß — die Information nicht ersparen, daß es auch unrentable Betriebe gibt, die lange nicht investiert haben, daß es auch einige Betriebe gibt, die falsch investiert haben. Diese Kapazitäten werden selbstverständlich nicht auszunutzen sein oder nur durch eine Umstellung des Betriebs durch neue Investitionen oder auf ein neues Textilprodukt wieder reaktiviert werden können. Die konjunkturpolitische Komponente der niedrigen Kapazitätsausnutzung kommt ja nun gerade in diesen Wochen und Monaten wieder in Ordnung, und hoffentlich kommt sie wirklich gut in Ordnung. Aber auf diese
Streitfrage möchte ich hier in dein Schlußwort für die Regierung nicht eingehen.
Weiterhin spielte hier die Verärgerung über die regionale Strukturpolitik eine große Rolle. Es handelte sich in hohem Maße um Anregungen aus dem Lande Bayern und für das Land Bayern. Ich glaube, es ist kein Zufall, daß wir gerade aus diesem Raum so viel gehört haben. Das ist deshalb kein Zufall, weil in Bayern in der Vergangenheit versucht worden ist, Industrieansiedlung durch die Ansiedlung von Industrie in einzelnen kleinen Dörfern zu betreiben. Es hat sich bei den Konkursen und Betriebsschließungen, zu denen es in der Rezession kam, gezeigt, daß viele dieser kleinen Betriebe in den kleinen Dörfern dieser Rezession nicht standgehalten haben. Das erklärt einen erheblichen Teil der dortigen Arbeitslosigkeit.
Das regionale Förderungsprogramm der Bundesregierung geht andere Wege. Es will Industrieansiedlungen in zentraleren Orten — nicht in Ballungsgebieten, aber in zentraleren Orten —, die ein industrielles Gefüge in einer wirtschaftsschwachen Region wenigstens an dieser oder jener Stelle entstehen lassen und damit auch die einzelnen Betriebe und vor allen Dingen die einzelnen Arbeitnehmer untereinander etwas weniger krisenempfindlich oder vielleicht sogar krisenfest machen.
Es ist auch nicht einfach gewesen, in Zeiten der angespannten Arbeitsmarktlage, in Zeiten der Hochkonjunktur, wo also eine Investitionsbereitschaft vorhanden war, neue Ansiedlungen in jeden dieser wirtschaftsschwachen Räume hineinzubringen; denn neue Ansiedlung von Industrie bedeutet ja neue Nachfrage nach Arbeitskräften, und dann ist die Arbeitslosenquote eben nicht so hoch, dann ist sie auch dort niedrig gewesen. Das aber war den Firmen — vielleicht sogar der einen oder anderen Industrie- und Handelskammer —, die dann einer neuen Konkurrenz um die Arbeitskräfte ausgesetzt waren, nicht angenehm. Man kann nur hoffen, daß es der Bundesregierung bei der nächsten Hochkonjunktur in Zusammenarbeit mit den Landesregierungen gelingt, zu erreichen, daß diesem Umstand mehr Rechnung getragen wird.
Selbstverständlich muß man das tun, was Herr Kollege Dr. Ritz anregte und was auch getan wird, wofür es Programme gibt, nämlich die Ermöglichung der Umgestaltung der bereits bestehenden Industrie- und Gewerbezweige in einem wirtschaftsschwachen, einem Strukturgebiet. Das muß sein. Aber man kann und darf die Konkurrenz um die Arbeitskräfte durch die Ansiedlung neuer Gewerbezweige diesem wirtschaftsschwachen Gebiet und den anderen Unternehmen, die dort schon ansässig sind, nicht ersparen; denn sonst bleibt das ein wirtschaftsschwaches Gebiet.
Das gilt ein wenig auch für die Granitindustrie in den dortigen Gebieten. Ich darf sagen, daß wir im Herbst vorigen Jahres an die bayerische Landesregierung geschrieben und um Vorschläge für ein gemeinsames Programm zur Umstellung dieses Zweiges im Sinne einer Strukturwandlung und im Sinne der möglichen Ansiedlung neuer Industrien gebeten



Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Arndt
haben und daß wir die Antwort immer noch erhoffen. Denn wir kommen nicht daran vorbei, daß die Produktion der deutschen, vor allen Dingen auch der bayerischen Granitindustrie nur schwer auf dem gegenwärtigen Stand gehalten werden kann, erstens weil die Nachfrage nach diesem Produkt im Straßenbau fällt — man macht das heute etwas anders — und zweitens weil es sehr viel billiger ist, dieses Produkt aus anderen Ländern zu importieren.
Als letztes ist vorhin von Herrn Kollegen Schmidhuber die Porzellanindustrie als bayerisches Problem genannt worden. Selbstverständlich haben wir im innerdeutschen Handel die Kontingente etwas erhöht, denn wir müssen es der anderen Seite ermöglichen, durch Lieferungen den Saldo auszugleichen. Diese Erhöhung beträgt 4 Millionen Verrechnungseinheiten, ist also — gemessen am Umsatzwert der Porzellanindustrie von 500 Millionen DM — sehr gering. Ich glaube, wir haben genug berücksichtigt, daß dies der Porzellanindustrie weder in Bayern noch in einem anderen Teil der Bundesrepublik Schwierigkeiten machen wird. Es ist eine ganz geringfügige Erhöhung. Auch die Einfuhren aus den anderen Wirtschaftsräumen, bei denen diese Produkte liberalisiert sind, sind nicht so erheblich, daß sie der Zukunft der Porzellanindustrie entgegenstünden. Wir haben es außerdem nicht für 1967, das Jahr der Konjunkturflaute, sondern haben es erst für 1968 gemacht.
Kurzum, das Zonenrandgebiet wird weiter die alte hohe Priorität in der Förderung genießen. Aber man kann aus einem wirtschaftsschwachen Raum keinen gesunden Raum machen, wenn man nicht die Anpassung in dem einen oder anderen Fall auch staatlicherseits erzwingt. Es genügt nicht, Geld zu bieten; hier müssen auch einige Widerstände des Altgewohnten überwunden werden, und da kann regionale Förderungspolitik vom Bund aus nicht heißen, daß man das in erster Linie von Bonn aus überwindet, sondern da muß die Aktivität, gestützt und beraten durch die Bundesregierung, in erster Linie bei dem Land liegen. Das ist der Sinn unserer föderalen Verfassung, und selbstverständlich wird der Bund das gelegentlich sagen müssen, wenn er Kritik dafür bekommt, daß es dort nicht funktioniere.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514833600
Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage von dem Herrn Abgeordneten Schlager?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514833700
Ja, wenn ich die Geduld der Kollegen nicht allzu sehr erschöpfe. Ich bin an sich fertig.

Manfred Schlager (CSU):
Rede ID: ID0514833800
Danke sehr, Herr Staatssekretär! Weil Sie gerade die Feststellung trafen, man müsse vielleicht in dem einen oder anderen Fall die Anpassung erzwingen, darf ich Sie fragen, um als Beispiel gerade die Industrie Steine und Erden herauszunehmen: Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß Sie, wenn Sie eine Anpassung etwa der bayerischen Steinindustrie in der Oberpfalz und in Niederbayern erzwingen wollen, dann den Unternehmern sagen müssen, woran sie sich anpassen sollen? Und ist es nicht so, daß wir, wenn die Unternehmer etwa die Frage an uns stellen, ob sie Chancen hätten, in die Veredlungsindustrie Steine und Erden hineinzugehen, und wir das bejahen, dann zur Antwort bekommen, daß die gegenwärtige Liberalisierungspolitik möglicherweise diesen Umstellungsprozeß nicht mehr ermögliche, so daß wir uns in einem Kreise bewegen?

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514833900
Nach der Geschäftsordnung sollen die Fragen kurz und präzise gestellt werden. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie so liebenswürdig wären, sich in etwa daran zu halten.

Manfred Schlager (CSU):
Rede ID: ID0514834000
Herr Präsident, ich werde mich gern daran halten. Nur sind die Fragen sehr komplex.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0514834100
Herr Kollege Schlager, darf ich mir den Vorschlag erlauben, daß wir nächste Woche direkt erörtern, wie das etwa gemacht werden könnte. Wir können es nur hypothetisch. Das ist eine Sache der Landesregierung. Die Grundgesetzänderung in Richtung auf Gemeinschaftsaufgaben — Sie wissen, regionale Wirtschaftsförderung wird als Gemeinschaftsaufgabe von den Ländern akzeptiert - wird eben nur deshalb akzeptiert, weil wir die Priorität in der Initiative, in der regionalen Initiative, wenn Sie so wollen, das Subsidiaritätsprinzip, akzeptieren und befolgen. Das wollen wir weiter beibehalten.
Und 'schließlich Ruhr und Saar! Ruhr und Saar ist ein Problem, das in der zeitlichen Förderung für die Anpassung dieses Gebiets viel enger begrenzt ist als Zonenrand- oder gar das Grenzgebiet zur CSSR. Es hat im Bundesrat keinen Widerspruch zum Kohlegesundungsgesetz gegeben. Es hat im Bundesrat gerade auch den Einsatz des bayerischen Wirtschaftsministers für dieses Kohlegesundungsgesetz wegen seiner zeitlichen Begrenzung gegeben. Denn die Alternative zur Anpassung der Kapazitäten an den möglichen Absatz, die Alternative zu einem gleichgerichteten und zeitlich simultanen Infrastrukturprogramm, das die Umstellung dieser Gebiete auch ermöglicht und Arbeitslosigkeit verhindert, wäre eben nur — darüber müssen wir uns klar sein — Importschutz für den deutschen Steinkohlenbergbau, Verteuerung unserer Energieerzeugung, alles Dinge, die den wirtschaftsschwachen Gebieten der Bundesrepublik einschließlich Bayerns weit unzuträglicher wären als die zeitlich begrenzte Anpassung im Ruhrgebiet und an der Saar.
So ist ja auch die Bundestagsdebatte am 8. November unter Zustimmung und Beteiligung aller Fraktionen gelaufen, und ich würde Sie doch herzlich bitten, daß wir diesen Aspekt nicht jetzt kurzfristig, kurzzeitig in bezug auf das Kohlegesetz ändern. Es ist gerade auch für die wirtschaftsschwachen Länder der beste Weg, so zu verfahren. Worauf hinzuweisen ist, ist, daß sie in den Förderungsmitteln selbstverständlich darunter nicht zu leiden haben; einer der Anträge der SPD-Fraktion weist



Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Arndt
ja auch ausdrücklich darauf hin, daß für das Zonenrandgebiet die Förderungsmittel verstärkt werden sollten; das alles hat sich in einer Quantität des gesamten Finanzbedarfs der regionalen Strukturpolitik für die nächsten Monate ausgedrückt.
Ich glaube, an einem wird man nicht vorbeikommen: wir brauchen schon Geld, wenn wir das alles tun müssen und tun sollen. Wir brauchen Geld und müssen natürlich immer fragen: Läßt es die Konjunkturlage zu, dementsprechende neue Anstöße und Anreize zu geben? Wir wollen diese strukturpolitischen Maßnahmen nicht aus konjunkturpolitischen Gründen. Wir müssen umgekehrt fragen: Steht die Konjunkturlage einer Strukturpolitik an Zonenrand und Ruhr und Saar entgegen? Da ist die Antwort im Moment tatsächlich: nein. Deswegen ist es also durchaus möglich, wenn man in den Bundestagsausschüssen die Unterlagen über Strukturprogramme des Landes Nordrhein-Westfalen und des Saarlandes angefordert hat. Unterlagen, zu denen das Bundeswirtschaftsministerium nicht Stellung genommen, sondern einfach weitergereicht hat und aus denen sicher ausgewählt wird, die sicher nicht addiert werden, aus denen sicher ausgewählt werden muß, ein Programm gemeinsamer Arbeit der Bundesländer mit der Bundesregierung und innerhalb der Bundesregierung natürlich auch in gemeinsamer Arbeit der Ressorts zustandezubringen, das allen Ansprüchen genügt, was das Anwachsen der Verschuldung betrifft, was die Dosierung in bezug auf die Konjunkturlage betrifft und was schließlich die Strukturierungsbedürfnisse dieser Räume betrifft. Ich hoffe, daß das in den nächsten Wochen auch anläßlich der weiteren Beratungen des Kohlegesundungsgesetzes gelingen wird.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514834200
Meine Damen und Herren, damit ist die Beratung abgeschlossen.
Wir kommen jetzt zur Behandlung der vorliegenden Anträge, zunächst des Antrags der Fraktion der SPD auf Umdruck 350 (neu) *). Der Antrag ist heute vormittag begründet worden.
Vorgeschlagen wird die Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen als federführenden Ausschuß sowie an den Ausschuß für Arbeit und an den Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen und außerdem nach § 96 der Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß. Wer für diese Überweisung ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenstimmen? — Es ist so beschlossen.
Der Antrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 353 **) wird von Frau Funcke begründet.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0514834300
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Zur Konkretisierung dessen, was heute durch viele Fragen und durch zum Teil allgemeinere, zum Teil etwas konkretere Antworten der Regierung zum Ausdruck gekommen ist, bitten wir die Regierung, uns gerade zu diesen uns bedrängenden Fragen einen Bericht vorzulegen. Das
t) Siehe Anlage 2 **) Siehe Anlage 3
zweite Investitionsprogramm der Bundesregierung trägt bekanntlich den Titel „Zweites Programm für besondere konjunktur- und strukturpolitische Maßnahmen 1967 und 1968". Gerade nach der heutigen Debatte scheint es uns nützlich zu sein, daß dieses Haus erfährt, in welcher Verteilung und in welcher Größenordnung die Regierung dieses zweite Konjunkturprogramm nun verwirklicht und welche Ergebnisse, soweit sie sichtbar und zählbar sind, dieses Programm gezeitigt hat. Nachdem Herr Minister Schiller soeben gesagt hat, daß dieses Programm besonders mittelstandsförderlich sei, würde uns zugleich interessieren, wieso und in welcher Richtung sich hier besondere Schwerpunkte gebildet haben. Wir bitten auch um eine Übersicht über die strukturpolitischen Maßnahmen, die im Bundeshaushalt 1968 vorgesehen sind. Nach dieser Debatte wird uns alle wohl interessieren, wie die Zahlen im einzelnen aussehen.
Wir bitten, diesen Antrag dem Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen und zur Mitberatung auch dem Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen zu überweisen.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514834400
Sie haben die Begründung gehört, meine Damen und Herren. Es ist vorgeschlagen, den Antrag dem Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen als federführendem Ausschuß und dem Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen als mitberatendem Ausschuß zu überweisen. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenstimmen? — Keine. Es ist so beschlossen.
Wir kommen zum Antrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 354 ') . Die Begründung wird als durch die Ausführungen des Abgeordneten Porsch erledigt betrachtet.
Es wird vorgeschlagen, den Antrag an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen als mitberatenden Ausschuß zu überweisen. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ihr Handzeichen. — Gegenprobe! — Es ist so beschlossen.
Dann kommen wir zum Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 355 **). Es wird vorgeschlagen, den Antrag an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen als mitberatenden Ausschuß zu überweisen. Wer für diese Überweisung ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Es ist so beschlossen.
Wir kommen zum Antrag der Abgeordneten Stücklen, Bauer und Genossen auf Umdruck 356. Der Antrag hat auf dem vorliegenden Umdruck nur 16 Unterschriften. Weitere Unterschriften liegen mir vor; inzwischen sind es mehr als 30 Unterschriften geworden. Ihnen wird ein Umdruck 356 (neu) ***)
*) Siehe Anlage 4 **) Siehe Anlage 5 ***) Siehe Anlage 6
Deutscher Bundestag 5. Wahlperiode — 148. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1968 7667
Vizepräsident Scheel
zugestellt werden. Der Antrag wird also von 3,0 Mitgliedern des Hauses unterstützt.
Zur Begründung des Antrags hat das Wort der Abgeordnete Unertl.

Franz Xaver Unertl (CSU):
Rede ID: ID0514834500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mir das gute Beispiel der charmanten Kollegin Frau Funcke zu eigen machen und es so kurz sagen, wie es geht.
Der Antrag liegt Ihnen vor. Die Unterschriften sind nun nachgeholt. Wir bringen in dem Antrag zum Ausdruck, daß wir die Schwierigkeiten der deutschen Steinkohlenindustrie anerkennen und sie auf keinen Fall unterbewerten. Wir weisen aber darauf hin, daß infolge des Umstrukturierungsprozesses in der Landwirtschaft gerade in den Gebieten, die heute so oft erwähnt worden sind, ebenfalls Ausfallerscheinungen und soziale Spannungszustände in erschreckendem Maße vorliegen. Ganz besonders sind heute die Sorgen des Zonenrandes, der Ausbaugebiete, der Förderungsgebiete und der Frachthilfegebiete gewürdigt worden. Ich schließe mich dem an, was alle Redner sämtlicher Fraktionen zu diesen Problemen gesagt haben.
Ich darf nur ein paar Hinweise geben. Herr Staatssekretär, Sie haben vorhin mit Recht erwähnt, daß Industrieansiedlung vornehmlich in zentralen Orten gemacht werden soll. Was sagen Sie denn, wenn ich Ihnen gleich dieses Beispiel nenne? Ich will die Beratung damit nicht verlängern. Der zentrale Ort Rotthalmünster ist seit Jahren durch Bahnstillegung ohne Bahnverbindung, und bei dem zentralen Ort Waldkirchen ist die Bahnstillegung angemeldet. Das ist auch ein Widerspruch zu unseren Bestrebungen, und ich glaube, es ist gut, wenn wir alle diese widersprüchlichen Ereignisse der letzten Jahre in den genannten Ausschüssen, wo die Anträge beraten werden, einmal gründlich unter die Lupe nehmen.
Umstrukturierung in der Granitindustrie. Da bekomme ich zur Antwort, Herr Staatssekretär: Die Dinge sind schwierig. Die Menschen unten hängen an ihren Arbeitsplätzen, an ihren herkömmlichen Betrieben. Die kleinen sind sowieso schon auf der Strecke geblieben, die anderen haben Gott sei Dank durch die Maßnahmen der bayerischen Staatsregierung heuer eine bessere Auftragslage zu verzeichnen als im Vorjahr. Und dann kommt das Beispiel: Die Osterreicher haben in ihrem kleinen Land die Steinindustrie en bloc gehalten. Was die können, möchte man eigentlich der größeren Bundesrepublik auch zumuten. Es ist eine Frage, was sich hier tut und was wir noch machen können. Ich gebe unumwunden zu, wenn ich draußen gefragt werde, ob wir das, was wir sagen, noch glauben, muß ich - das geht Ihnen vielleicht nicht besser — oft mit schlechtem Gewissen vor die Öffentlichkeit hintreten, insbesondere dann, wenn wir wissen, daß in den revierfernen Gebieten nun einmal ein Unterschied in den wirtschaftlichen Verhältnissen gegenüber den in den auch hier erwähnten Ballungsräumen vorhanden ist.
Der Herr Bundesminister sagte heute früh, Investitionsanreize müßten gegeben werden. Was heißt denn das? Ansiedlung neuer Betriebe mit Vergabe neuer Kredbite. Ich darf hier kurz sagen: Die Inhaber der kleinen und mittleren Betriebe im Bayerischen Wald, in Bayern und an der ganzen Zonengrenze von Passau bis nach Schleswig-Holstein haben Angst vor einer neuen Verschuldung, und wenn es nicht möglich sein wird, im Rahmen der neuen Absichten, die die Bundesregierung hat, wobei wir sie alle gern unterstützen, dm Rahmen von Zinsverbilligungsaktionen auch ,die Altschulden in tragbare Verhältnisse zu bringen, wird das Erhalten altherkömmlicher Betriebe auch im gesamten Grenzgebiet schwieriger werden.
Ein Wort zur Regionalpolitik. Sie wird — das ist heute oft genug gesagt worden — auch bestimmt durch die Handelspolitik. Es ist heute sehr modern, sich als großer Freund des Osthandels aufzuführen und aufzuspielen. Jeder pflegt freundschaftliche Beziehungen mit dem Osten. Ich habe auch nichts dagegen. Ich bin dier letzte, der hier nicht jede Möglichkeit ausschöpfen möchte. Die regionale Handelspolitik gerade vom Osten her wirkt sich aber dann sehr oft recht nachteilig für die heimische Wirtschaft aus, wenn zu unrechten Zeiten und am unrechten Platz ,die Einfuhrschleusen beispielsweise auf dem Agrar- oder Holz- oder Granitsektor geöffnet werden. Ich möchte auch ,das hier zurückstellen und möchte hoffen, daß wir Gelegenheit haben, auf jeden Fall bei den Beratungen in den Ausschüssen, unis ganz ausführlich über ,das Sorgenkind, das heute mit Recht angesprochen wurde, auszusprechen.
Meine Damen und Herren, abschließend dies: Keine platonischen Liebeserklärungen im Rahmen der Konzertierten Aktion mehr! In Bayern sagt man: Uns ist lieber, wenn die Blechmusik spielt. Gebt uns das in barer Münze! Dabei müssen wir sagen, daß das, was in der Vergangenheit getan wurde, bei uns auch volle Anerkennung findet. Die Menschen sind 'dankbar für jede staatliche Hilfe, aber sie haben sich auch 'selber bemüht, das Ihre dazu beizutragen.
Wenn wir es fertigbringen, ,daß ein neuer Anlauf gemacht wird und daß 'diese Absichten, von denen heute alle sprachen, die vor mir — weil ich der letzte bin, der ,das Wort hat — gesprochen haben, verwirklicht werden, dann gehe ich mit etwas größerem Mut nach Hause. Ich muß wirklich sagen: Ich freue mich auf ,die Beratungen.
Ich bitte, den Antrag, den ich zu begründen hatte, an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen — ,federführend — sowie an den Haushaltsausschuß und an den Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen zur Mitberatung zu überweisen, denn in dem Bereich, um dem es hier geht, und bei unserem Anliegen sind in Wahrheit besonders die gesamtdeutschen Fragen ,angesprochen. Ich bitte um Zustimmung und um Unterstützung des Antrags bei der Beratung in den Ausschüssen.
,(Beifall bei der CDU/CSU.)


Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0514834600
Meine Damen und Herren, es wird also vorgeschlagen, den Antrag an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen —
7668 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode —148. Sitzung. Bonn, Freitag, den 19. Januar 1968
Vizepräsident Scheel
federführend — und an den Gesamtdeutschen Ausschuß — mitberatend — zu überweisen. Wer für die Überweisung ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer ist dagegen? — Die Überweisung ist beschlossen.
Ich rufe den Punkt auf, der heute morgen zusätzlich auf die Tagesordnung gesetzt worden ist:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen (15. Ausschuß) über die von der Bundesregierung beschlossene Dreißigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1967 (Zollkontingent für Sulfat- oder Natronzellstoff — 1968)
— Drucksachen V/2461, V/2485 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Serres
Der Antrag des Ausschusses lautet:
Der Bundestag wolle beschließen, der Verordnung — Drucksache V/2461 — zuzustimmen.
Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer ist gegen den Antrag ,des Ausschusses? — Wer enthält sich der Stimme? — Der Antrag des Ausschusses ist einstimmig angenommen.
Damit ist die Tagesordnung erledigt. Ich berufe die nächste Sitzung auf Dienstag, den 23. Januar 1968, 14.30 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.