Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, darf ich zunächst dem Herrn Abgeordneten Logemann zu seinem 60. Geburtstag die Glückwünsche des Hauses aussprechen.
Gemäß § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung soll der Jahresbericht 1966 des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages — Drucksache V/1825 — an den Verteidigungsausschuß überwiesen werden. Erhebt sich dagegen Widerspruch? — Das ist nicht der Fall; damit ist die Überweisung beschlossen.
Folgende amtliche Mitteilung wird ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Staatssekretär im Bundesministerium des Innern hat am 8. Juni 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Moersch, Dorn, Jung, Frau Funcke, Dr. Mühlhan, Frau Dr. Diemer-Nicolaus und der Fraktion der FDP betr. Ferienkurse für Studenten — Drucksache V/1376 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache V/1844 verteilt.
Die Tagesordnung soll ergänzt werden um die in der Ihnen vorliegenden Liste bezeichneten Vorlagen. — Das Haus ist damit einverstanden. Die Erweiterung der Tagesordnung ist beschlossen.
Wir kommen zu Punkt I der Tagesordnung: Fragestunde
— Drucksachen V/1818, zu V1818 —
Ich rufe die aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern noch übriggebliebenen Fragen auf, zunächst die Fragen 93, 94 und 95 des Abgeordneten Spillecke:
Waren die umfangreichen Autobahnsperrungen in der Zeit vom 27. bis 30. Mai 1967 wegen des Besuches des iranischen Kaiserpaares in der Bundesrepublik, so wie sie in der Presse am 25. Mai 1967 angekündigt wurden, unbedingt erforderlich?
Ist es nach Ansicht der Bundesregierung im Hinblick auf die Sicherheit hoher ausländischer Gäste möglich, ohne einschneidende Maßnahmen, die den regionalen und überregionalen Verkehr sehr empfindlich stören, auszukommen?
Hat die Bundesregierung bedacht, daß solche in Frage 94 erwähnten einschneidenden Sperrungen auf den Bundesautobahnen, insbesondere auf diesen schwer belasteten Strecken, die Freude der Bevölkerung über den Besuch erheblich trüben können?
Diese Fragen werden im Einverständnis mit dem Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antwort des Staatssekretärs Gumbel vom 7. Juni 1967 lautet:
Nach den Erkenntnissen bei den Dienststellen des Bundes und der Länder war beim Besuch des iranischen Kaiserpaares mit einem Attentat zu rechnen.
Nach vertraulichen Informationen bestanden Pläne, Sprengstoffpakete zu versenden, während des Staatsbesuchs Zeitbomben zu legen und ein Pistolenattentat zu verüben. Tatsächlich sind am 16. Mai 1967 bei iranischen Staatsangehörigen in der Bundesrepublik zwei Sprengstoffpakete mit scharfen Zündern eingegangen. Ein weiteres Paket — ohne Zünder — war an das Auswärtige Amt gerichtet. Ein nicht vollständig fertiggestelltes Sprengstoffpaket wurde bei der Durchsuchung eines Arbeitsplatzes eines iranischen Staatsangehörigen gefunden.
Dem an das Auswärtige Amt übersandten Sprengstoffpaket lag ein Brief mit der Aufforderung bei, den Staatsbesuch abzusagen. Wenn das iranische Staatsoberhaupt dennoch nach Deutschland komme, würde es um „das Ganze" gehen. Auch andere anonyme Attentatsdrohungen lagen in einem bisher nicht gekannten Umfang vor.
Es war ferner bekannt, daß iranische Staatsangehörige sich in Nachbarländern der Bundesrepublik Sprengstoff und zahlreiche Pistolen beschafft hatten.
Während des Staatsbesuches in Berlin mißlang ein Versuch, einen ferngesteuerten Personenwagen auf den Wagen des iranischen Staatsoberhauptes zu lenken.
Aus den Berichten der Innenminister der Länder war schließlich bekannt, daß umfangreiche Demonstrationspläne iranischer Studenten bestanden, die von Deutschen, besonders von Mitgliedern des Sozialistischen Studentenbundes, unterstützt wurden.
Bei dieser Sachlage mußten die Polizeien der Länder, die für die Sicherheit der Staatsgäste verantwortlich waren, umfassende Sicherheitsvorkehrungen treffen. Hierzu gehörte auch die zeitweilige Sperrung der Autobahn.
Bei künftigen Staatsbesuchen wird es — wie in aller Regel schon bisher — im allgemeinen möglich sein, ohne diese einschneidenden Verkehrsbeschränkungen auszukommen. Im übrigen werden die jetzt vorliegenden Erfahrungen bei der Gestaltung des Programms künftiger Staatsbesuche ihren Niederschlag finden. Der Bundesminister des Innern hat zu diesem Zweck einen Erfahrungsaustausch mit dem Auswärtigen Amt und den Innenministern der Länder in die Wege geleitet.
Ich rufe die Frage 96 des Abgeordneten Biechele auf:
Besteht nach Überzeugung der Bundesregierung auf dem Hintergrund der Brandkatastrophe des Warenhauses „A l'Innovation" in Brüssel die Notwendigkeit, die entsprechenden Sicherheitsbestimmungen bei uns zu überprüfen?
Bitte, Herr Staatssekretär zur Beantwortung!
Herr Kollege Biechele, die Bundesregierung ist nicht in der Lage, abschließend zu beurteilen, ob die Brandkatastrophe in Brüssel es erforderlich macht, die bestehenden Sicherheitsbestimmungen zu überprüfen. Bei diesen Bestimmungen handelt es sich nämlich überwiegend um Rechts- oder Verwaltungsvorschriften der Länder. Die Bundesregierung wird sich aber wegen einer Überprüfung der Vorschriften mit den Bundesländern in Verbindung setzen.
Herr Biechele zu einer Zusatzfrage.
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5482 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juni 1967
Können Sie bestätigen, sehr geehrter Herr Staatssekretär, daß die Landesbauordnungen die Möglichkeit geben, die Sicherheitsbestimmungen vor allem für den Brandschutz in Warenhäusern so zu gestalten, wie es den neuesten Erfahrungen und dem neuesten Stand der Bautechnik entspricht, und können Sie bestätigen, daß dies auch geschieht?
Mir ist ein Teil dieser Bauordnungen selbstverständlich bekannt, Herr Kollege Biechele. Soweit es sich von hier aus übersehen läßt, entsprechen diese Ordnungen in der Tat den erforderlichen Sicherheitsvorschriften. Ob sie in der Praxis überall so durchgeführt werden, wie es die Rechtsvorschriften vorsehen, kann ich von hier aus natürlich nicht im einzelnen beurteilen.
Herr Biechele zu einer zweiten Zusatzfrage.
Ist, nachdem Bayern und Berlin Verordnungen über Waren- und Geschäftshäuser mit einem umfassenden Katalog von Sicherheitsbestimmungen erlassen haben — und BadenWürttemberg erwägt, dies zu tun —, nach Ihrer Kenntnis damit zu rechnen, daß dies auch die übrigen Bundesländer tun werden?
Ich kann nicht sagen, daß damit zu rechnen ist. Aber es besteht eine gute Aussicht dafür. Der Inhalt der Bauordnungen, auf die Sie sich beziehen, und der übrigen Bestimmungen ist bekannt. Ich glaube, sie sind ein gutes Vorbild für Regelungen in anderen Bundesländern.
Keine Zusatzfrage mehr.
Ich rufe die Frage 97 des Abgeordneten Dr. Müller auf:
Wie hoch schätzt die Bundesregierung die volkswirtschaftlichen Verluste, die durch die Sicherungsmaßnahmen beim Staatsbesuch des iranischen Herrschers in der Bundesrepublik Deutschland entstanden sind?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege Dr. Müller, die Bundesregierung ist nicht in der Lage, die Höhe eines etwaigen volkswirtschaftlichen Verlustes, der sich aus den Maßnahmen aus Anlaß des Schah-Besuchs ergibt, abzuschätzen.
Herr Dr. Müller zu einer Zusatzfrage.
Ist die Bundesregierung eventuell bereit, Schäden zu ersetzen, die einer Gemeinde etwa dadurch entstanden sind, daß sie eine U-Bahn-Baustelle mit einer Betondecke schließen mußte, die nach dem Schah-Besuch wieder weggerissen wurde?
Dies ist keine Ermessensfrage, sondern eine Rechtsfrage, Herr Kollege Dr. Müller. Wenn es wegen solcher Umstände einen Ersatzanspruch geben sollte, dann ist es Sache des Betroffenen, sich mit den hierfür zuständigen Behörden, die nach meiner Schätzung keine Bundesbehörden sein dürften, in Verbindung zu setzen.
Herr Dr. Müller zu einer weiteren Zusatzfrage.
Ist die Bundesregierung bereit, bei Staatsbesuchen in Zukunft eine bessere Planung vorzulegen, in der nicht etwa vorgesehen wird, daß ein solcher Staatsbesuch zur Hauptverkehrszeit in einer Millionenstadt eintrifft und damit den ganzen Verkehr zum Erliegen bringt?
Dies ist ein sehr weites Feld, Herr Kollege Dr. Müller. Ich werde aus Anlaß der Fragen des Herrn Kollegen Spillecke, die schriftlich beantwortet werden, sehr eingehend die sicherheitspolizeilichen Aspekte, die dabei eine Rolle spielen und die auch für die Beantwortung Ihrer Frage von Bedeutung sind, vortragen. Ich würde vorschlagen, daß Sie vielleicht diese schriftliche Beantwortung abwarten — eine mündliche ist mir heute nicht möglich — und sich dann eventuell noch einmal wegen dieser Frage mit uns in Verbindung setzen.
Ich rufe die Frage 98 des Herrn Abgeordneten Dr. Müller auf:
Ist es nach Ansicht der Bundesregierung mit dem Grundrecht der Unverletzlichkeit der Person und dem Grundrecht der freien Meinungsäußerung (Artikel 5 des Grundgesetzes) zu vereinbaren, daß staatliche Organe vor und während des Besuchs des iranischen Herrschers auch dort gegen Schaulustige und Demonstranten vorgingen, wo eine Gefährdung der persönlichen Sicherheit der Besucher von vornherein ausgeschlossen war?
Die Grundrechte des Art. 2 Abs. 2 des Grundgesetzes und des Art. 5 des Grundgesetzes gelten nicht unbeschränkt, sondern unterliegen dem Vorbehalt der Gesetze. Zu den allgemeinen Gesetzen gehören auch die Polizeigesetze. Die Polizei ist bei ihrem Einschreiten gegen Störer zu Eingriffen in deren Grundrechtssphäre nicht nur dann ermächtigt, wenn von der Störung eine Gefahr für die Sicherheit von Personen ausgeht, sondern sie hat auch Störungen der öffentlichen Ordnung abzuwehren. Im Einzelfall ist also zu prüfen und zu entscheiden, ob die Demonstration eine Störung der öffentlichen Ordnung darstellt oder nicht. Dies kann z. B. dann der Fall sein, wenn die Demonstration eine Beleidigung eines sich im Inland zu einem Staatsbesuch aufhaltenden ausländischen Staatsoberhauptes darstellt. Das ist nämlich nach § 103 des Strafgesetzbuchs eine strafbare Handlung, gegen die von Amts wegen einzuschreiten ist.Im übrigen kann eine derartige Demonstration .etwa dann eine Störung der öffentlichen Ordnung
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juni 1967 5483
Parlamentarischer Staatssekretär Bendasein, wenn sie, wie vor kurzem bei dem Staatsbesuch, im Zusammenhang mit einer Totenehrung an einem Ehrenmal geschieht.Ich möchte nur noch darauf hinweisen, daß die Polizei bei ihrem Vorgehen allerdings den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit des Mittels zu beachten hat, insbesondere dann, wenn die Grundrechte eines Störers berührt werden. Für das rechtlich gebotene Maß beim Einsatz körperlichen Zwangs wird — abgesehen vom Übermaßverbot — bedeutsam sein, ob die Störer einer angemessenen Aufforderung, die Störung zu unterlassen, Folge geleistet haben oder nicht und ob sie gegen die Polizei etwa tätlich vorgegangen sind.
Herr Dr. Müller zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, hält es die Bundesregierung mit der Verhältnismäßigkeit der Mittel für vereinbar, daß man z. B. 107 Staatsangehörigen des Iran eine Ausweisung aus Oberbayern für die Zeit von drei Tagen auferlegt, ohne daß sie über entsprechende Mittel verfügen, wobei diese Maßnahme gar nicht besonders sinnvoll sein kann, wenn zu gleicher Zeit aus anderen Städten der Bundesrepublik iranische Staatsangehörige dann dorthin reisen? Weiter: hält es die Bundesregierung mit der Verhältnismäßigkeit der Mittel für vereinbar, daß man einem iranischen Arzt die Verfügung, daß er sich zweimal täglich bei der Polizei zu melden hat, im Beisein seiner Kollegen vorliest?
Herr Kollege, im Zusammenhang mit dem Schah-Besuch sind soviel Einzelvorgänge, die unser Thema betreffen, angefallen, daß es ungewöhnlich schwer wäre, hier jeden Einzelfall zu beurteilen. Dies ist von hier aus auch deswegen nicht möglich, weil es in diesen Fällen wie in allen anderen sehr auf die Umstände des Einzelfalls ankommt. Für die Vorgänge, von denen Sie sprechen, gelten die Grundsätze, die ich schon skizziert habe. Ob sie im Einzelfall richtig angewandt worden sind oder nicht, läßt sich ohne eine sorgfältige Prüfung des Einzelfalls unmöglich von hier aus entscheiden.
Herr Dr. Müller!
Beabsichtigt die Bundesregierung eine Gesamtprüfung der Umstände vor und während des Staatsbesuchs, und beabsichtigt die Bundesregierung, dem Parlament die Erfahrungen mitzuteilen?
Herr Kollege Dr. Müller, wenn Sie im Augenblick meine mehr persönliche Meinung hören wollen, so möchte ich sagen, daß im Zusammenhang mit dem Schah-Besuch und dem, was sich hinterher an Begleiterscheinungen abgespielt hat, soviel Vorgänge angefallen sind, daß es allen Beteiligten — ich betone: allen Beteiligten — gut anstände, eine Pause der Besinnung und Selbstbesinnung einzuschalten.
Wenn diese Pause verstrichen ist, wird es wahrscheinlich zweckmäßig sein, sich einmal in diesem Hohen Hause über die Konsequenzen dieses Vorgangs zu unterhalten.
Herr Schlager!
Sehr verehrter Herr Staatssekretär, muß man im Zusammenhang mit dem Schah-Besuch und im Zusammenhang mit der Frage des verehrten Herrn Kollegen Müller nicht eher die Besorgnis weiter Teile der Bevölkerung über einen zunehmenden Mißbrauch des Gastrechtes durch Ausländer verschiedener Nationalität und politischer Richtung teilen, die offenbar in zunehmendem Maße ihre politischen Auseinandersetzungen auf dem Boden der Bundesrepublik austragen wollen?
Es besteht ein gewisser Anlaß zu der Befürchtung, daß eine Reihe von Ausländern, die sich in der Bundesrepublik aufhalten, bei dieser oder ähnlichen Gelegenheiten glauben, ihre innenpolitischen Auffassungen — bezogen auf ihr Heimatland — hier in der Bundesrepublik kundtun zu können. Dies ist ein Vorgang, der uns nicht mit Freude erfüllt und der, wenn er den Rahmen der Gesetze überschreitet, auch nicht geduldet werden kann.
Herr Schlager!
Ist Ihnen — zur Illustration — z. B. bekannt, daß beim Schah-Besuch in München Studenten aus Ägypten nicht etwa gegen den Schah demonstriert haben, sondern den Schah-Besuch zum Anlaß genommen haben, im Zusammenhang mit dem Konflik Israel—Ägypten zu demonstrieren?
Mir ist dieser Vorgang bekannt.
Herr Dr. Becher!
Herr Staatssekretär, wäre die Bundesregierung bereit, bei einer solchen vorgesehenen Generaluntersuchung auch die Frage zu prüfen, ob nicht harte Agentenkerne hinter diesen Demonstrationen stecken, die diese Demonstrationen nur zu politischen Aktionen der Art, wie sie eben mein Kollege Schlager angedeutet hat, mißbraucht haben — sowohl in Berlin als auch in München als auch in Übersee und überall?
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5484 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juni 1967
Ich möchte mich auch in der Beantwortung dieser Frage, Herr Kollege, auf die schriftliche Beantwortung der Fragen des Herrn Abgeordneten Spillecke beziehen. In der Beantwortung dieser Fragen wird auf den Vorgang, den Sie hier zur Diskussion stellen, mit eingegangen werden.
Herr Schulze-Vorberg!
Herr Staatssekretär, hat man sich in der Bundesregierung darüber Gedanken gemacht, daß es durch die moderne Technik heute verhältnismäßig kleinen Gruppen oder sogar sehr kleinen Gruppen möglich ist, weit über ihre Bedeutung hinaus bei solchen Anlässen Wirbel zu machen, Dinge zu entfachen, die in keinem Verhältnis zur Ursache stehen?
Wenn uns die Vorgänge nichts anderes gebracht hätten als neue Erkenntnisse auf dem Gebiet der polizeilichen Taktik bei der Behandlung solcher Vorgänge —, ich glaube, diese Erkenntnisse haben wir bekommen.
Herr Schulze-Vorberg!
Herr Staatssekretär, mir ging es jetzt nicht so sehr um die Polizei, sondern vielmehr — ich bitte, diese Frage noch einmal stellen zu dürfen — um die psychologische Behandlung z. B. auch in bezug auf die Massenmedien Rundfunk und vor allen Dingen Fernsehen.
Ich kann bestätigen, daß Ihre Beurteilung wohl zutreffen wird.
Herr Hofmann !
Herr Staatssekretär, sieht die Bundesregierung vor, auch künftig Staatsbesuche in diesem Ausmaß zu planen und durchzuführen?
Herr Kollege, ich bitte Sie, die Antwort auf die Fragen des Herrn Kollegen Spillecke abzuwarten. Ich werde dort auch auf diese Vorgänge eingehen; dort sind die Fragen, die sich aus dem erwähnten Besuch ergeben, ausführlich erörtert worden.
Keine weitere Frage.
Ich rufe die Frage 99 des Herrn Abgeordneten Müller auf:
Unterstützt die Bundesregierung die Bemühungen von Geldinstituten, sich gegen Raubüberfälle zu sichern?
Die Bundesregierung begrüßt und unterstützt selbstverständlich alle geeigneten Sicherungsmaßnahmen, die von den Banken und Kassen zur Verhinderung von Raubüberfällen getroffen werden. Die Bundesregierung hat sich schon mehrfach zu den damit zusammenhängenden Fragen geäußert, zuletzt in der Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP vom 28. Februar dieses Jahres, Bundestagsdrucksache V/1504. Sie sind sicher damit einverstanden, Herr Abgeordneter, wenn ich mich heute auf diese sehr ausführliche Antwort beziehe.
Herr Dr. Müller!
Herr Staatssekreträr, ist Ihr Ministerium bereit, den Bundespostminister darauf aufmerksam zu machen, daß nach einer Vorschrift im Bundesanzeiger Nr. 12 vom 19. 1. 1966 unter § 7 Abs. 5 der Unfallverhütungsvorschrift der Verwaltungsgenossenschaft folgender Satz steht:
Gesicherte Arbeitsplätze sowie Räume, in denen ein Angriff mit Gefahr für Leben und Gesundheit angezeigt wird, sind mit Fernsprechanschluß auszurüsten. An diesem ist die Rufnummer der Polizei und eines Arztes dauerhaft und deutlich anzugeben.
Der Herr Bundespostminister hat nämlich in einem konkreten Fall mitgeteilt, daß eine Bank — ich will sie nicht nennen, um nicht direkt zu Überfällen aufzureizen — innerhalb des nächsten Jahres keinen Telefonanschluß bekommen kann.
Ich bin sicher, daß das Bundespostministerium erstens den Bundesanzeiger, auf jeden Fall aber die Stenographischen Berichte dieses Hohen Hauses liest. Auf diesem Wege wird also eine Unterrichtung über den Vorgang, auf den Sie sich beziehen, an sich schon sichergestellt sein. Ich bin aber gerne bereit, das noch einmal zu vermitteln.
Ich darf nun die zwei Fragen des Herrn Abgeordneten Dr. Stecker aus der Drucksache zu V/1818 aufrufen:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß am Fronleichnamstage, der in Niedersachsen kein Feiertag ist, Lastkraftwagen bei einer kurzen Durchfahrt durch westfälische Landesteile angehalten und längere Zeit von der Polizei sistiert worden sind?
Wird die Bundesregierung die in Frage 135 erwähnten — in der Presse als Feiertagsföderalismus gekennzeichneten — Vorgang zum Anlaß nehmen zu versuchen, zu einer einheitlichen Regelung der gesetzlichen Feiertage zu kommen?
Können die beiden Fragen zusammen beantwortet werden?
Ja, wenn Herr Kollege Dr. Stecker damit einverstanden ist.Herr Kollege Dr. Stecker, der von Ihnen geschilderte Vorgang ist der Bundesregierung nicht bekannt. Wenn er sich so zugetragen haben sollte,
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juni 1967 5485
Parlamentarischer Staatssekretär Bendawie Sie ihn darstellen, dann hat er seine Ursache darin, daß ein Fahrverbot für Lkws am Fronleichnamstage in den Bundesländern besteht, in denen dieser Tag gesetzlicher Feiertag ist, in den anderen dagegen nicht.Die Bundesregierung bemüht sich seit Jahren, eine für alle Bundesländer einheitliche Regelung des Fahrverbots an Feiertagen zu erreichen. Die Innenministerkonferenz hat sich deshalb mit dem Problem bereits mehrfach befaßt, eine für alle Länder einheitliche Lösung bisher aber leider nicht erreichen können.Im vergangenen Monat hat sie aber in diesem Zusammenhang beschlossen, eine umfassende Überprüfung des unterschiedlichen Feiertagsrechts, das ja Landesrecht ist, vorzunehmen. Die Bundesregierung erhofft sich hiervon auch die Beseitigung des zur Zeit unterschiedlichen Fahrverbots für den Schwerlastverkehr. Wenn die Bemühungen der Innenminister der Länder zum Erfolg führen, was wir hoffen, dann würde das, was Sie mit vollem Recht wünschen, Herr Kollege Dr. Stecker, im Endergebnis verwirklicht werden können.
Keine Zusatzfrage.
Damit kommen wir zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz.
Zur Frage 100 des Herrn Abgeordneten Strohmayr ist zu bemerken, daß sie vom Bundesminister für Verkehr beantwortet wird — sofern der Abgeordnete dann anwesend ist.
Dann rufe ich die Frage 101 des Herrn Abgeordneten Bauer auf:
Aus welchen Gründen hat die Bundesregierung nicht zugleich mit dem Zusatzprotokoll Nr. 4 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten auch die noch nicht ratifizierten Zusatzprotokolle Nr. 2, 3 und 5 dem Bundestag zur Zustimmung zugeleitet?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Bundesministers Dr. Dr. Heinemann vom 6. Juni 1967 lautet:
Die Bundesregierung hat das Protokoll Nr. 4 zum Gegenstand eines besonderen Gesetzentwurfs gemacht, weil dieses Protokoll den Kreis der durch die Konvention und durch das erste Zusatzprotokoll geschützten materiellen Rechte erweitert. In Abschnitt I der Denkschrift zum Protokoll Nr. 4 ist bereits bemerkt worden, daß die Protokolle Nr. 2, 3 und 5 im Gegensatz zum Protokoll Nr. 4 'ausschließlich verfahrensrechtlichen Inhalt haben und deswegen in dem Entwurf eines besonderen, einheitlichen Vertragsgesetzes zusammengefaßt werden sollen. Eine solche Vereinigung der Verfahrensprotokolle erscheint auch geboten, um eine mehrmalige Befassung der gesetzgebenden Körperschaften mit sehr speziellen Einzelfragen des Verfahrens zu vermeiden.
Das Protokoll Nr. 5 ist erst am 20. Januar 1966 zur Unterzeichnung aufgelegt und für die Bundesrepublik am 3. März 1966 unterzeichnet worden. Da die Vorbereitung des Entwurfs eines Vertragsgesetzes zu den drei Verfahrensprotokollen noch interner Überlegungen bedurfte und da auch die amtliche deutsche Übersetzung zum Protokoll Nr. 5 noch abgestimmt werden mußte, hielt es die Bundesregierung für geboten, die Einbringung des Gesetzentwurfs zu dem rechtlich und politisch bedeutsamen Protokoll Nr. 4 vorwegzunehmen.
Die Vorbereitungsarbeiten sind auch in bezug auf das Protokoll Nr. 5 jetzt abgeschlossen. Der Gesetzentwurf zu den drei verfahrensrechtlichen Protokollen wird nunmehr beschleunigt eingebracht werden.
Ich rufe die Fragen 102 und 103 des Herrn Abgeordneten Dr. Becher auf:
Trifft es auf Grund der Ergebnisse des Stuttgarter Schwurgerichtsprozesses gegen den Gastarbeiter Franjo Goreta zu, daß Angehörige des jugoslawischen Konsulardienstes Mordaufträge gegen in der Bundesrepublik Deutschland lebende Personen erteilt und mit Geld honoriert haben?
Was gedenkt die Bundesregierung bei Bejahung der Frage 102 zu tun, um gegen diesen Mißbrauch konsularischer Funktionen und die damit verbundene Verletzung deutscher Souveränitätsrechte einzuschreiten?
Bitte, Herr Minister!
Herr Dr. Becher, das Urteil des Schwurgerichts, auf das Sie sich beziehen, liegt den Justizbehörden bisher nicht schriftlich vor. Infolgedessen kann Ihre Frage im Augenblick nicht zuverlässig beantwortet werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Becher.
Herr Minister, hat die Bundesregierung unabhängig von der schriftlichen Vorlage des Urteils des Stuttgarter Schwurgerichts die Angaben überprüft, die der dort verurteilte Gastarbeiter Franjo Goreta machte, er habe sich bei der deutschen Polizei gemeldet und dort angegeben, daß er von jugoslawischen Konsularstellen mit Waffen ausgerüstet worden sei — mit Pistolen — und daß ihm 20 000 DM für den Fall der Durchführung von Morden an bestimmten Persönlichkeiten in der Bundesrepublik versprochen worden seien?
Herr Dr. Becher, ich muß wiederholen, daß ich zur Beantwortung dieser Ihrer Fragen keine zuverlässigen Unterlagen habe. Wollen Sie bitte bedenken, daß es sich um einen Schwurgerichtsprozeß in Stuttgart handelt, also das Bundesjustizministerium auf Mitteilungen vom Justizministerium von Baden-Württemberg angewiesen ist. Dieses Justizministerium hat bisher mitgeteilt, daß es mangels schriftlicher Urteilsausfertigung ebenfalls keine ausreichende Basis für Einzelheiten in der Beantwortung hat.
Herr Dr. Becher!
Herr Minister, würden Sie die Meinung vertreten, daß unter der Voraussetzung, daß sich die Angaben des Verurteilten Goreta als richtig erweisen, ein entschiedener Protest gegen derartige Methoden die Voraussetzung u. a. auch für die Normalisierung unserer Verhältnisse zu Staaten ist, von denen derartige Methoden in der Bundesrepublik veranlaßt werden?
Herr Dr. Becher, damit kommen Sie auf Ihre zweite Frage. Natürlich wird die Bundesregierung Konsequenzen ziehen, wenn sich bewahrheitet, daß sich ein Bediensteter eines ausländischen Konsulats in
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5486 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juni 1967
Bundesminister Dr. Dr. Heinemanndieser Weise verhalten hat, wie Ihre Fragen es vermuten lassen. Aber auch darüber kann die Bundesregierung mangels präziser Unterlagen zunächst nichts sagen.
Ist Ihre zweite Frage damit beantwortet, Herr Dr. Becher? — Dann kommen wir zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr. Ich rufe die Frage 44 des Herrn Abgeordneten Dr. Lenz auf:
Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, zur Erleichterung der Grenzformalitäten im Kraftfahrzeugverkehr darauf hinzuwirken, daß die „Grüne Versicherungskarte" abgeschafft wird?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Präsident, ich bitte, die beiden Fragen des Herrn Kollegen Dr. Lenz gemeinsam beantworten zu dürfen, wenn der Herr Kollege damit einverstanden ist.
Einverstanden; dann rufe ich auch die Frage 45 des Herrn Abgeordneten Dr. Lenz auf:
Ist die Bundesregierung bereit, Bemühungen zur Abschaffung der „Grünen Versicherungskarte" in internationalen Organisationen, z. B. der EWG oder dem Europarat, nachdrücklich zu fördern?
Die Bundesregierung hat die Möglichkeit, durch Rechtsverordnung für einreisende ausländische Kraftfahrzeuge auf die Grüne Versicherungskarte zu verzichten. Voraussetzung ist, daß ein inländischer Versicherer oder ein Verband solcher Versicherer die Deckung übernimmt, wie sie bei Vorlage der Grünen Karte bestehen würde. Der Verband der Haftpflicht-, Unfall- und Kraftverkehrs-Versicherer e. V., HUK-Verband genannt, in Hamburg hat bereits auf Grund eines Garantievertrages mit der Ungarischen Staatsversicherung für einreisende ungarische Kraftfahrzeuge die Deckung übernommen, so daß diese durch Verordnung vom 10. August 1966 von der Verpflichtung, eine Grüne Karte zu besitzen, befreit werden konnten. Dieser Verband wird voraussichtlich noch in diesem Jahr weitere Verträge mit ausländischen Versichererverbänden abschließen und entsprechende Deckungen übernehmen.
Die Bundesregierung ist der Ansicht, daß das erstrebte Ziel, der Wegfall der Grünen Karte, schneller und einfacher durch zweiseitige Verträge der Versicherer erreicht werden kann als durch Einschaltung von internationalen Organisationen. Denn auch diese sind auf die Bereitschaft der Versicherer angewiesen, die Geschädigten so zu behandeln, als habe eine Grüne Karte vorgelegen, damit für die Verkehrsopfer durch den Wegfall der Grünen Karte keine Verschlechterung eintritt.
Zusatzfrage? — Bitte!
Darf ich der Antwort des Herrn Staatssekretärs entnehmen, daß die Bundesregierung die Abschaffung der Grünen Karte zur Erleichterung der Grenzformalitäten für wünschenswert hält?
Das ist richtig. Aber wir müssen uns im Moment auf die Möglichkeiten beschränken, die sich aus der Rechtslage ergeben.
Ist die Bundesregierung in jedem Falle bereit, zu prüfen, ob die Voraussetzungen für bilaterale Abkommen zwischen den Versicherungsunternehmen vorliegen?
Dazu ist die Bundesregierung bereit, Herr Kollege.
Ist der Bundesregierung auch bekannt, ob z. B. im Verkehr mit den Niederlanden diese Voraussetzungen schon vorliegen?
Das will ich gern prüfen lassen, Herr Kollege. Ich darf darauf hinweisen, daß zur Zeit mit Frankreich, der Schweiz und den Benelux-Staaten Verhandlungen über diesen Komplex im Gange sind.
Ist die Bundesregierung bereit, den deutschen Versicherungsunternehmen nahezulegen, mit der Prämienzahlung automatisch die Grüne Versicherungskarte an deutsche Versicherte zu übersenden?
Dazu ist die Bundesregierung bereit.
Ich rufe die Fragen 46 und 47 des Abgeordneten Josten auf:In welcher Weise wird von seiten der Bundesregierung der wachsende Flugtourismus kontrolliert?Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, daß bei sogenannten billigen Flügen im Charterverkehr keine Fluggesellschaft an den Sicherheitsvorschriften, z. B. an der technischen Wartung, spart?Die Fragen werden im Einverständnis mit dem Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antwort des Bundesministers Leber vom 1. Juni 1967 lautet:Allen deutschen Luftfahrtunternehmen wurde bei Genehmigungserteilung auferlegt, die Technik und den Flugbetrieb nach den von meinem Hause erlassenen Richtlinien zu gestalten. Ihre Einhaltung wird ebenfalls seitens meines Hauses beaufsichtigt. Hierzu bedienen wir uns des Luftfahrt-Bundesamtes in Braunschweig. Dem Amt stehen als Fachkräfte Ingenieure und Flugbetriebsprüfer zur Verfügung, welche turnusmäßig und bei besonderer Veranlassung die Überwachung ausüben. Der wachsende Luftverkehr erfordert eine Verstärkung dieses Personals, die von mir haushaltsmäßig in die Wege geleitet wurde.Beim Luftfahrt-Bundesamt befindet sich ferner ein Betriebswirt, der jeweils vor Genehmigungserteilung und danach mindestens einmal jährlich die wirtschaftlichen Grundlagen der Luftfahrtunternehmen überprüft. Ergeben sich hierbei in Verbindung
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juni 1967 5487
Vizepräsident Schoettlemit der übrigen Überwachung Anzeichen einer Vernachlässigung der Sicherheitsbelange, wird die Aufsicht über das Unternehmen entsprechend verstärkt. Als Maßnahme kommt neben der Verhängung von Ordnungsstrafen als stärkstes Mittel der Widerruf der Genehmigung in Betracht.Auf die Gestaltung sogennannter billiger Flüge haben die Luftfahrtunternehmen kaum Einfluß, da der von ihnen dem Reiseveranstalter berechnete Flugpreis grundsätzlich gleich ist. Die recht erheblichen Preisunterschiede im Pauschalflugreiseverkehr sind vielmehr im wesentlichen bedingt durch die sehr verschiedene Qualität der Unterkunft, Verpflegung und sonstigen Leistungen.Was die Kontrolle der ausländischen Luftverkehrsgesellschaften betrifft, darf ich auf meine schriftliche Antwort zur entsprechenden Anfrage des Herrn Kollegen Schmitt-Vockenhausen in der 110. Sitzung vom 12. 5. 1967 Bezug nehmen.Ich rufe die Frage 48 der Frau Abgeordneten Jacobi auf:Stimmen die Pressemeldungen über den beabsichtigten Weiterbau der Bundesbahnstrecke Gelsenkirchen-Buer-Nord—Marl-Haltern in diesem Jahr?
Herr Präsident, ich wäre dankbar, wenn ich die beiden Fragen zusammen beantworten könnte, vorausgesetzt, daß die Frau Kollegin einverstanden ist.
Sie ist einverstanden.
Ich rufe dann auch die Frage 49 der Frau Abgeordneten Jacobi auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, das in Frage 48 erwähnte Projekt aus Mitteln des Kreditfinanzierungsplanes zu fördern?
Frau Kollegin, die Pressemeldungen sind zutreffend. Die Bahnstrecke wird in einfacherer Weise, als ursprünglich geplant, und mit einem möglichst geringen Aufwand fertiggestellt. Für die in diesem Jahr durchzuführenden Arbeiten wird das Projekt mit 5 Millionen DM aus dem Sonderinvestitionsprogramm gefördert.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß die Bundesbahndirektion Essen jedenfalls bis vor kurzem der Auffassung war, daß diese Strecke keineswegs rentabel werden wird?
Frau Kollegin, Sie wissen, daß es um die Durchführung dieser Arbeiten sehr lange Diskussionen gegeben hat. Die Bundesregierung teilt aber die Ansicht, daß diese Strecke im Rahmen strukturpolitischer Überlegungen wichtig ist.
Noch eine Frage, Frau Jacobi.
Sollte bei der Vergabe dieser Kredite nicht gerade die Überlegung maßgebend sein, nicht nur im Augenblick Arbeitsplätze zu schaffen, sondern die Mittel mit einem möglichst großen wirtschaftlichen Effekt auch für die Zukunft zu vergeben?
Sehr verehrte Frau Kollegin, das ist ein Problem, das Sie in diesem besonderen Fall zweifellos auf dem Hintergrund der Tatsache sehen müssen, daß der Schienenverkehr in den Verdichtungsräumen, z. B. im Ruhrgebiet, auf Grund besonderer verkehrspolitischer Notwendigkeiten in der Zukunft eine größere Bedeutung haben wird als in der Vergangenheit.
Im Zusammenhang mit dieser Überlegung muß
auch der Ausbau dieser Strecken gesehen werden.
Keine weitere Zusatzfrage.
Die Fragen 50, 51 und 52 des Abgeordneten Kubitza werden schriftlich beantwortet, da der Abgeordnete nicht anwesend ist.
Die Fragen 53 und 54 des Abgeordneten Strohmayr:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß das Fehlen der Zwangshaftpflichtversicherung in so stark frequentierten Reiseländern wie beispielsweise in Italien, Spanien, in der Türkei und in Griechenland zur Folge hat, daß Touristen in solchen Ländern ihre Ersatzansprüche aus schuldlos erlittenen Verkehrsunfällen nicht durchsetzen können?
Ist die Bundesregierung deshalb bereit, sich im Rahmen der Konferenz der europäischen Verkehrsminister dafür einzusetzen, daß die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeuge in allen Ländern Europas eingeführt wird?
werden im Einverständnis mit dem Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antwort des Bundesministers Leber vom 9. Juni 1967 lautet:
Der Bundesregierung ist kein solcher Fall aus der Praxis bekannt. Theoretisch besteht jedoch die Möglichkeit, daß in Ländern ohne gesetzliche Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung ein Schadenersatzanspruch nicht durchgesetzt werden kann, wenn der Schädiger vermögenslos und nicht freiwillig versichert ist. Die Bundesregierung hat sich schon seit Jahren um die Verbesserung dieser Rechtslage bemüht und deshalb auch das im Europarat erarbeitete „Europäische Übereinkommen über die obligatorische Haftpflichtversicherung für Kraftfahrzeuge vom 20. April 1959 ratifiziert. Das Übereinkommen ist noch nicht in Kraft getreten, da noch nicht genügend Staaten ratifiziert haben. Mit einem Inkrafttreten ist jedoch in absehbarer Zeit zu rechnen. Die Bundesregierung hat sich im Europarat stets für die Einführung der Pflichtversicherung in allen europäischen Ländern eingesetzt und ist auch bereit, auf eine entsprechende Entschließung der Konferenz der europäischen Verkehrsminister hinzuwirken.
Im übrigen hat der Bundesminister für Verkehr in Zusammenarbeit mit den Automobilklubs den deutschen Kraftfahrern empfohlen, sich durch den Abschluß einer Reiseversicherung selbst abzusichern, wenn sie in Länder ohne gesetzliche Haftpflichtversicherung fahren wollen.
Ist die Bundesregierung bereit, für Arbeitnehmer, deren Betriebe zur Kurzarbeit übergehen, eine Arbeiterwochenfahrkarte einzuführen, deren Benutzung und Preis sich auf die tatsächlich geleisteten Arbeitstage beschränkt?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Präsident, ich wäre auch in diesem Falle dankbar, wenn ich die Fragen im Zusammenhang beantworten könnte, vorausgesetzt, daß Herr Kollege Riegel damit einverstanden ist.
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5488 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juni 1967
Er ist einverstanden. Ich rufe also noch die Frage 56 des Abgeordneten Riegel auf:
Ist die Bundesregierung bereit zu prüfen, ob für Arbeitnehmer nicht eine Tagesfahrkarte eingeführt werden kann?
Herr Kollege, das Problem der Einführung einer Arbeiterwochenkarte für Kurzarbeiter ist der Bundesregierung bekannt. In Anbetracht der derzeitigen wirtschaftlichen Situation wird diese Frage von meinem Hause bereits geprüft. Sie werden sicher Verständnis dafür haben, daß zunächst Gespräche mit der Deutschen Bundesbahn erforderlich sind, da nach den Verkehrsgesetzen von 1961 die Tarifinitiative bei der Deutschen Bundesbahn liegt. Darüber hinaus sind Besprechungen mit dem Bundesfinanzminister und dem Bundesarbeitsminister notwendig, weil bei Tarifermäßigungen wegen eventueller Einnahmeausfälle, die durch Mehrverkehr nicht ausgeglichen werden, die Frage der Erstattung an die Deutsche Bundesbahn auftritt.
Der Bundesverkehrsminister ist bereit, diesen Fragenkomplex beschleunigt mit den beteiligten Stellen zu erörtern. Ich werde Sie gern über das Ergebnis dieser Besprechungen unterrichten.
Herr Riegel!
Herr Staatssekretär, darf ich davon ausgehen, daß Ihr Haus die Berechtigung der Forderung auf Anpassung der Arbeiterwochenkarte an die tatsächlich geleisteten Arbeitstage anerkennt?
Ja, davon dürfen Sie ausgehen.
Keine weitere Zusatzfrage.
Die Frage 57 des Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen ist vom Fragesteller zurückgezogen.
Ich rufe die Frage 58 des Abgeordneten Cramer auf:
Wann wird die Bundesstraße 210 zwischen Jever und Wittmund mit einem Radfahrweg versehen?
Die Frage wird vom Abgeordneten Büttner übernommen. Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Präsident, ein Termin kann leider noch nicht genannt werden. Im Zusammenhang mit der geplanten Ortsumgehung Wittmund ist die niedersächsische Auftragsverwaltung im Februar 1967 mit der Untersuchung beauftragt worden, ob im Hinblick auf den künftigen Ausbau der besonders stark belasteten Strecke zwischen Wittmund und der Bundesstraße 69 bei Roffhausen die vorhandene Bundesstraße 210 ausgebaut werden kann oder ob wegen Bebauung und Landwirtschaft eine teilweise oder völlige Verlegung wirtschaftlicher und zweckmäßiger ist. Hierbei wird auch geprüft werden, wie der Radverkehr, der nach der Straßenverkehrszählung 1965 allerdings nur schwach ist, geführt werden kann.
Herr Abgeordneter Büttner!
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß diese Strecke — es handelt sich um etwa 8 km — doch stärker von Schülern benutzt zu werden scheint, die sowohl zu Fuß als auch mit dem Fahrrad diesen Weg zur und von der Schule benutzen müssen, weil ungünstige Zugverbindungen bestehen?
Herr Kollege, das ist bekannt. Nur, Sie kennen ja die Lage des Straßenbauhaushalts, und bevor wir uns hier zu der endgültigen Trassenführung äußern können, müssen die Untersuchunsergebnisse der Auftragsverwaltung in Niedersachsen abgewartet werden. Ich will aber gerne Ihr Argument der Auftragsverwaltung noch bekanntgeben; ich nehme allerdings an, daß dieses Argument bereits in die bisherigen Überlegungen einbezogen worden ist.
Herr Büttner!
Darf ich fragen, Herr Staatssekretär, wann Sie mit dem Abschluß der Prüfung rechnen?
Ich hoffe zuversichtlich, daß es im Laufe dieses Jahres gelingen wird, die planerischen Überlegungen zu Ende zu führen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ramms.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß der Radwegebau bei der Planung unserer Bundesfernstraßen generell dringend notwendig ist?
Herr Kollege, das ist richtig, nur sind die Bedürfnisse für Radfahrwege sehr unterschiedlich. Im Flachland wird in der Regel mehr Radverkehr sein als im Mittelgebirge. Wir müssen also von Fall zu Fall prüfen, ob nach der Verkehrssituation in dem betreffenden Gebiet der Radwegebau im Rahmen der Gesamtkosten verantwortet werden kann.
Ich rufe die Frage 59 der Abgeordneten Frau Schanzenbach auf:Bis wann kann mit dem Bau des vom Bund zu errichtenden Streckenabschnitts des Zubringers Lahr gerechnet werden, nachdem der jüngste Absturz eines kanadischen Düsenjägers eindringlich die Notwendigkeit eines baldigen Baubeginns aus Sicherheitsgründen gezeigt hat?
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juni 1967 5489
Vizepräsident SchoettleDie Fragestellerin hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Bundesministers Leber vom 7. Juni 1967 lautet:Der Neubau des Zubringers Lahr ist eine gemeinschaftliche Baumaßnahme des Bundes und des Landes Baden-Württemberg, bei welcher der Bund für die Teilstrecke westlich der Bundesstraße 3, das Land Baden-Württemberg für den Abschnitt östlich der Bundesstraße 3 Baulastträger ist. Da die neue Straßenverbindung erst dann ihren vollen Verkehrswert erhält, wenn beide Teilstrecken fertiggestellt sein werden, ist eine genaue zeitliche Abstimmung der Arbeiten unerläßlich. Verbindliche Angaben über Glas Anlaufen des Bauvorhabens können jedoch erst dann gemacht werden, wenn die Schwierigkeiten bei der Durchführung des Grunderwerbs auf der in der Baulast des Landes stehenden Teilstrecke ausgeräumt sind.Wir kommen zu den Fragen 60 und 61 des Abgeordneten Weigl: .Welche Teilstrecken der Schnellstraße B 15 zwischen Weiden und Regensburg können als baureif bezeichnet werden?Ist vorgesehen, daß die baureifen Teilstrecken der Schnellstraße B 15 bei der eventuellen Neuauflage eines Investitionshaushaltes im Herbst dieses Jahres berücksichtigt werden?Auch hier hat sich der Fragesteller mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Bundesministers Leber vom 7. Juni 1967 lautet:Zu Frage Nr. 60Von der geplanten neuen Bundesstraße 15 zwischen Regensburg und Weiden könnte — abgesehen von der in Bau befindlichen Teilstrecke Nabburg—Pfreimd — lediglich die Teilstrecke Schwarzenfeld—Nabburg als baureif angesehen werden. Für die restlichen Strecken sind noch Vorarbeiten rechtlicher und technischer Art zu tätigen.Zu Frage Nr. 61Für den Fall eines weiteren Eventual-Haushaltes für den Bundesfernstraßenbau ist ein entsprechender Vorschlag im Entwurf vorbereitet. Dabei sollen aber nur Deckenbauarbeiten an Bundesstraßen und Bundesautobahnen berücksichtigt werden, weil die Mittel eines solchen Planes für kurzfristig abwickelbare Maßnahmen verwendet werden müssen und nicht langjährige Bauvorhaben, die in den kommenden Jahren einen hohen Mitteleinsatz erfordern würden, begonnen werden können.Im Straßenbauplan 1967 wurden ohnehin die Mittel für den Neubau der B 15 von ursprünglich 2,75 Mio DM auf 4,38 Mio DM aufgestockt. Sofern zusätzliche Mittel für den Bundesfernstraßenbau bereitgestellt werden, ist beabsichtigt, weitere 0,8 Mio DM im Rahmen der gegenseitigen Deckungsfähigkeit für die B 15 vor-, zusehen.Die Fragen 62, 63 und 64 des Abgeordneten Dr. Schmidt werden schriftlich beantwortet, da der Herr Abgeordnete nicht anwesend ist.Frage 65 stellt der Abgeordnete Fellermaier:Kann die Bundesregierung mitteilen, bis zu welchem Zeitpunkt die Deutsche Bundesbahn bekanntgibt, welche Direktionen und Dienststellen im Rahmen ihrer organisatorischen Neugliederung aufgelöst oder zusammengefaßt werden, damit die infolge zahlreicher Äußerungen maßgeblicher Beamter der Deutschen Bundesbahn sowohl bei den Bediensteten der Deutschen Bundesbahn als auch in der Offentlichkeit entstandene Unruhe beseitigt werden kann?Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege, wie Sie aus mehreren Antworten in der Fragestunde des Deutschen Bundestages entnehmen konnten und sicherlich auch aus Pressemeldungen wissen, erarbeitet die bei der Deutschen Bundesbahn eingesetzte Organisationskommission zur Zeit ihre Vorschläge für eine Reorganisation. Mit der Vorlage des Berichtes, der die Ergebnisse hinsichtlich der Ersparnisse, Kosten und notwendigen sozialen Maßnahmen enthält, rechne ich für Ende Juni dieses Jahres.
Ich wäre sehr dankbar, wenn Erwägungen über Pläne, die noch nicht vorliegen und die noch nicht fertiggestellt sind, bis zu diesem Zeitpunkt zurückgestellt werden könnten.
Herr Fellermaier!
Herr Staatssekretär, bis wann, rechnen Sie, wird die Bundesregierung die Vorlage des Vorstandes der Deutschen Bundesbahn so weit und so endgültig geprüft haben, daß daraus politische Konsequenzen, die sicher in diesem Hohen Hause notwendig sein werden, gezogen werden können?
Herr Kollege, der Herr Bundesminister für Verkehr hat die Absicht, diesen wichtigen Fragenkomplex der Neuordnung der Deutschen Bundesbahn mit in seine gesamtverkehrspolitischen Überlegungen einzubeziehen, die im Herbst dieses Jahres sicher zu erheblichen Entscheidungen der Bundesregierung, aber auch dieses Hohen Hauses führen werden.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mit mir darin überein, daß bis zu diesem Zeitpunkt der Vorstand der Bundesbahn, die Präsidenten der Direktionen und sonstige hohe Beamte sich ein größeres Maß an Zurückhaltung in Äußerungen hinsichtlich .der Organisationsänderung, der Verlegung von Direktionen oder der Zusammenfassung von Dienststellen auferlegen sollten, und wären Sie bzw. Ihr Haus bereit, in dieser Hinsicht unmißverständlich auf die Deutsche Bundesbahn einzuwirken?
Herr Kollege, ich stimme mit Ihnen voll überein, denn die Lösung dieser Fragen wird durch das Vorziehen von Detaildiskussionen aus örtlicher Sicht keinesfalls erleichtert.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Fritsch.
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung sich bemühen, dabei die besonderen Belange des Zonenrand- und -grenzgebiets zu berücksichtigen, nachdem auch in diesen Gebieten schon über Pläne von Stillegungen und Zusammenlegungen im Rahmen der Neugliederung gesprochen worden ist?
Herr Kollege, diese Frage ist in der Vergangenheit von der Bundesregierung immer mit einem glatten Ja beantwortet worden. Ich habe keinen Anlaß, daran zu zweifeln, daß sie auch zukünftig in genau der 'gleichen Weise in die Überlegungen des Herrn Bundesverkehrsministers einfließt. Ich darf aber darauf hinweisen, daß sich sowohl der Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen als auch der Verkehrsausschuß mit den besonderen Aspekten dieses Problems schon beschäftigt haben.
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5490 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juni 1967
Ich rufe die Frage 100 des Abgeordneten Strohmayr auf, die ursprünglich vom Bundesjustizministerium beantwortet werden sollte.Was hält die Bundesregierung von dem Vorschlag des hannoverschen Verkehrsrichters Berlit, einen besonderen „PromillePaß" für Kraftfahrer einzuführen, in dem die Alkoholverträglichkeit ,auf Grund von Tests eingetragen wird?Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Bundesministers Leber vom 9. Juni 1967 lautet:Die Bundesregierung hält nichts von dem Vorschlag, einen besonderen Promille-Paß für Kraftfahrer einzuführen. Die Alkoholverträglichkeit ist nur zum Teil konstitutionell bedingt, zu einem wesentlichen Teil aber von veränderlichen Umständen abhängig, z. B. Übermüdung, Aufregung, leerem Magen. Eine feste Alkoholverträglichkeitsgrenze kann deshalb nicht festgelegt werden.Das gilt auch für die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungswesen und Städtebau, und zwar zunächst für die Frage 66 des Abgeordneten Baron von Wrangel:Welche andere Maßnahmen außer den in Frage 69 angesprochenen gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, um den Facharbeiterwohnungsbau im Zonenrandgebiet zu fördern?Die Antwort des Bundesministers Dr. Lauritzen vom 1. Juni 1967 lautet:Zur Förderung des Wohnungsbaues für Facharbeiter und Schlüsselkräfte im Zonenrandgebiet stellt der Bund seit Jahren Bundesmittel bereit. Für diesen Zweck sind im Jahr 1967 14 Mio DM im Haushalt des Bundesministers für Wohnungswesen und Städtebau vorgesehen, die Ende des vergangenen Jahres auf die Länder bereits verteilt wurden.Von den 14 Mio DM haben das Land Bayern rd. 4,7 Mio DM, Hessen rd. 1,9 Mio DM, Niedersachsen rd. 4,1 Mio DM, Schleswig-Holstein rd. 3,3 Mio DM erhalten. Die Vergabe dieser Mittel im Einzelfall obliegt den Ländern und ihren Behörden.Im Rahmen des Anteils meines Ministeriums am Investitionshaushalt sind nach den Grundsätzen des Kreditfinanzierungsgesetzes den vorerwähnten Ländern ebenfalls Mittel zur Verfügung gestellt worden, die im Zonenrandgebiet, insbesondere zur Deckung des Wohnungsbedarfs der gewerblichen Fachkräfte dienen sollen. Ich habe am 26. April 1967 die Länderressorts gebeten mitzuteilen, wieviele Wohnungsprojekte auf das Zonenrandgebietentfallen. Nach Eingang der Antworten darf ich insoweit auf Ihre Anfrage zurückkommen.Die Fragen 1 und 2 Ihrer Mündlichen Anfrage werden vom Herrn Bundesschatzminister beantwortet.Auch der Abgeordnete Dr. Apel hat sich mit schriftlicher Beantwortung seiner Fragen 67 und 68Wie beurteilt die Bundesregierung die von einzelnen Spekulanten eingeleitete Aktion, um Altbaumietwohnungen zu Wucherpreisen als Eigentumswohnungen zu verkaufen?Welche gesetzlichen Regelungen hält die Bundesregierung für möglich, um den Praktiken beim Verkauf von Altbaumietwohnungen als Eigentumswohnungen zu Wucherpreisen entgegenzutreten?einverstanden erklärt. Die Antwort des Bundesministers Dr. Lauritzen vom 7. Juni 1967 lautet:Zu 1.Wie ich Ihnen bereits auf Ihre Frage in der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 15./17. März 1967 und auf Ihre weiteren Anfragen am 1. April und 19. April 1967 schriftlich mitteilte, verfolgt die Bundesregierung mit Aufmerksamkeit und Sorge die Entwicklung. Der Herr Bausenator der Freien und Hansestadt Hamburg hat mir jetzt mitgeteilt, daß in Hamburg seit Herbst vorigen Jahres etwa 1000 Mietwohnungen als Eigentumswohnungen verkauft oder Interessenten zum Kauf angeboten worden sind. Bei den Wohnungen handelt es sich meist um nicht mehr bewirtschaftete Altbauwohnungen, die keinerlei Komfort aufweisen und sich teilweise in schlechtem Zustand befinden. Ältere Sozialwohnungen werden ebenfalls zum Kauf angeboten. Der Kaufpreis dieser Wohnungen entspricht nach Auffassung des Bausenators keineswegs dem Wert der Objekte.Um über den Umfang ähnlicher Aktionen einen Überblick zu erlangen, habe ich eine schriftliche Umfrage bei den Ländern veranstaltet.Nach der derzeitigen Rechtslage bestehen für den Verkauf von Mietwohnungen als Eigentumswohnungen, gleichgültig, ob freifinanziert oder ob Sozialwohnungen, weder öffentlich-rechtliche Beschränkungen noch Preisbindungen. Bei Sozialwohnungen kann die öffentliche Hand als Darlehnsgeber Mißbräuche beim Verkauf dadurch erschweren, daß sie der Aufteilung der Hypothek des Landes auf die einzelnen Wohnungen nicht zustimmt.Wenn auch keine Preisbindungen bestehen, so könnte in besonders gelagerten Fällen der Tatbestand des § 2 a Abs. 1 Nr. 1 des Wirtschaftsstrafgesetzes erfüllt sein, da es sich bei Wohnraum um einen Gegenstand des lebenswichtigen Bedarfs handelt. Es könnte u. U. sogar der Tatbestand des Sachwuchers nach § 302 e StGB gegeben sein. Dies kann im Einzelfall jedoch nur die Preisbehörde bzw. das Gericht entscheiden.Ferner darf ich darauf hinweisen, daß nach geltendem Recht auch beim Verkauf von Sozialwohnungen für die Dauer der Bindung nur die Kostenmiete zulässig ist, die bei vorzeitiger Rückzahlung des öffentlichen Baudarlehens weitere 5 Jahre nach der Rückzahlung verbindlich bleibt.Der Erwerber einer Sozialwohnung muß, wenn er nicht selbst Mieter der Wohnung ist und sie beziehen will, wohnberechtigt im Sinne von § 25 des II. WoBauG sein. Gegen eine Kündigung genießt der Wohnungsinhaber in schwarzen Kreisen weiterhin die Rechte des Mieterschutzgesetzes. In weißen Kreisen kann er unter den Voraussetzungen des § 556 a des BGB der Kündigung widersprechen. Um den Schutz des Mieters von Wohnraum in den „weißen Kreisen" zu verstärken, hat die Bundesregierung u. a. auch eine Änderung des § 556 a BGB vorgeschlagen .Zu 2.Sollte die bei den Ländern veranstaltete Umfrage ergeben, daß der Verkauf von Altmietwohnungen unter Umwandlung zu Eigentumswohnungen einen größeren Umfang annimmt, daß von den Mietern Wucherpreise für die Übernahme gefordert werden und im Weigerungsfalle diesen eine Kündigung angedroht wird, wird die Bundesregierung nicht zögern, solchen Mißbräuchen durch geeignete gesetzgeberische Maßnahmen entgegenzutreten. Von meinem Hause werden zur Zeit schon gemeinsam mit dem für das Wohnungseigentumsgesetz federführend zuständigen Ministerium für Justiz vorsorgliche Überlegungen angestellt, welche Änderungen des Wohnungseigentumsgesetzes erforderlichenfalls in Betracht zu ziehen wären. Hierbei sollen auch etwaige Erfahrungen und gesetzliche Regelungen in ausländischen Staaten, in denen die Rechtsform des Wohnungseigentums schon länger besteht und weiter verbreitet ist als in der Bundesrepublik, herangezogen werden.Dasselbe gilt für die Fragen 69 und 70 aus dem Geschäftsbereich des Bundesschatzministers, die der Abgeordnete Baron von Wrangel gestellt hat:Ist die Bundesregierung bereit, über die Preisgestaltung den Wohnungsbau im Zonenrandgebiet dadurch zu fordern, indem sie die Bundesvermögensverwaltung veranlaßt, billiges Bauland zur Verfügung zu stellen?Trifft es zu, daß bei der Vergabe von Bauland in der Regel die Preise für Bundesbauland wesentlich höher liegen als die Preise bei Ländern und Gemeinden?Die Antwort des Bundesministers Schmücker vom 5. Juni 1967 lautet:Zu Frage 1:Die Bundesregierung trägt seit Jahren dazu bei, den Wohnungsbau im Zonenrandgebiet durch Veräußerung von Bauland zu verbilligten Preisen zu fördern.Die Bundesvermögensverwaltung ist durch besondere Richtlinien vom 27. Juni 1961 ermächtigt, Abschläge vom Verkehrswert bis 30 v. H. zu gewähren. Auf dieser Grundlage hat der Bund im Zonenrandgebiet seit Juli 1961 rd. 460 000 qm Bauland zu einem Gesamtkaufpreis von 2,9 Mio DM, mit einem Preisnachlaß von 600 000 DM, veräußert.Die Bundesregierung wird diese Förderungsmaßnahmen fortsetzen.Zu Frage 2:Diese Frage kann ich aus zweifacher Sicht verneinen:Alle Gebietskörperschaften gehen bei Grundstücksverkäufen grundsätzlich vom Verkehrswert aus, der nach gleichen Vorschriften zu ermitteln ist. Die Länder des Bundesgebietes haben sich zudem den Richtlinien des Bundes vom 27. Juni 1961 über den verbilligten Baulandverkauf weitgehend angeschlossen, so daß bei der Preisgestaltung auf dem Baulandsektor nach wesentlich gleichen Maßstäben verfahren wird.Meine eben abgeschlossenen Erhebungen bei den Oberfinanzdirektionen haben keine Fälle ergeben, in denen der Bund mit seinen Preisen über denen der Länder und Gemeinden liegt. Lassen Sie mich dazu noch anmerken, daß der Durchschnittspreis für das vom Bund verkaufte Bauland im Jahre 1966 unter Berücksichtigung des eingeräumten Bonus 9,80 DM, im Zonenrandgebiet sogar nur 5,— DM beträgt. Dieser Hinweis mag Ihnen zeigen, daß die Preisforderungen des Bundes für Bauland auch allgemein nicht .als überhöht bezeichnet werden können.Ihre dritte Frage wegen weiterer Maßnahmen zur Förderung des Facharbeiterwohnungsbaues im Zonenrandgebiet wird zuständigkeitshalber der Herr Bundesminister für Wohnungswesen und Städtebau beantworten.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juni 1967 5491
Vizepräsident SchoettleEbenso werden die Fragen 71-73 aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit, die der Abgeordnete Dr. Rinderspacher gestellt hat, im Einverständnis mit dem Fragesteller schriftlich beantwortet.Sind der Bundesregierung die Meldungen bekannt, wonach in Pakistan 40 000 Menschen, in der Hauptsache jugendliche Arbeiter, von Privatfirmen, die Regierungsprojekte ausführen, in unmenschlicher Weise ausgebeutet werden?Kann die Bundesregierung versichern, daß die in Frage 71 erwähnten Methoden nicht angewandt werden bei Entwicklungshilfeprojekten in Pakistan, die von der Bundesrepublik Deutschland finanziert oder mitfinanziert wurden und noch finanziert werden?Kann für die Zukunft sichergestellt werden, daß bei allen Projekten in allen Entwicklungshilfeländern, die von der Bundesrepublik Deutschland finanziert oder mitfinanziert werden, nur solche Arbeitsmethoden zur Anwendung gelangen, die unserer Auffassung von der Menschenwürde entsprechen, auch bei Berücksichtigung der Besonderheiten eines Landes, dessen Wirtschaftssystem und Entwicklungsstufe sich von den unsrigen stark unterscheiden?Die Antwort des Bundesministers Wischnewski vom 7. Juni 1967 lautet:Zu 1.: Die Bundesregierung hat durch Meldungen der pakistanischen und der deutschen Presse davon Kenntnis erhalten, daß in Pakistan Arbeiter von Privatfirmen, die Regierungsprojekte ausführen, gegen ihren Willen in Lagern gehalten werden und unter nicht vertretbaren Bedingungen arbeiten müssen. Nach den Nachforschungen, die die Bundesregierung angestellt hat, dürfte allerdings die Zahl der unter solchen Bedingungen in Pakistan arbeitenden Personen weit unter der genannten Zahl von 40 000 liegen.Die pakistanische Regierung hat nach Aufdeckung der Mißstände sofort energische Maßnahmen zu ihrer Beseitigung eingeleitet. Besondere Polizeieinheiten mit Sondervollmachten sind zur Aufklärung und Beseitigung der Mißstände gebildet worden. Der pakistanische Staatspräsident Ayub läßt sich täglich über die Fortschritte der Aktion berichten.Zu 2.: Die Bundesregierung kann versichern, daß sich Vorkommnisse der erwähnten Art bei Entwicklungshilfeprojekten in Pakistan, die von der Bundesrepublik Deutschland finanziert oder mitfinanziert wurden oder noch finanziert werden, nicht zugetragen haben. Diese Projekte sind entsprechend den Vergaberichtlinien der deutschen Entwicklungshilfe einer ständigen Kontrolle unterworfen, die sicherstellt, daß nach menschlichem Ermessen derartige Mißstände ausgeschlossen sind.Zu 3.: Die Bundesregierung stellt durch eine umfassende Vorprüfung und laufende Kontrollen der Projekte sicher, daß bei allen Entwicklungsprojekten, die von der Bundesrepublik Deutschland finanziert oder mitfinanziert werden, nur solche Arbeitsmethoden zur Anwendung gelangen, die unserer Auffassung von der Menschenwürde entsprechen. Die Besonderheiten des jeweiligen Landes, sein besonderes Wirtschaftssystem und seine Entwicklungsstufe werden bei der Auswahl und Ausgestaltung der Projekte entsprechend berücksichtigt.
Herr Präsident, ich bitte um Entschuldigung: es sind noch drei Fragen auf Drucksache zu V/1818 nicht beantwortet.
Ich rufe Frage 143 auf:
Inwieweit 'ist die unter deutscher Flagge fahrende Tankerflotte in der Lage, den deutschen Rohölbedarf in Häfen der Bundesrepublik Deutschland zu transportieren?
Die Frage wird von dem Abgeordneten Petersen übernommen. Bitte, Herr Staatssekretär!
Die unter deutscher Flagge fahrende Tankertonnage ist nicht in der Lage, den gesamten deutschen Rohölbedarf nach Häfen der Bundesrepublik Deutschland zu transportieren. Wieweit dies möglich ist, hängt von dem Ursprungsland des Rohöls ab, weil sich die Entfernung zwischen Lade- und Löschhäfen auf die
Anzahl der möglichen Reisen auswirkt. Selbst wenn die deutsche Tonnage alles benötigte Ö1 transportieren könnte, wäre die Abnahme in deutschen Löschhäfen nur teilweise möglich, weil für die Versorgung der deutschen Verarbeitungsbetriebe auch vorhandene Pipeline-Systeme mit Ausgangspunkt in Frankreich, Italien und den Niederlanden herangezogen werden müssen.
Keine Zusatzfrage!
Dann kommen wir zu der Frage 144 des Abgeordneten Kiep:
Welcher Teil der deutschen Rohölimporte kann durch Schiffe transportiert werden, die sich im Besitz deutscher Tochtergesellschaften ausländischer Ölkonzerne sowie im Besitz deutscher Reeder und Gesellschaften befinden und im Inland disponiert werden?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Ende 1966 waren unter deutscher Flagge registriert: a) Tanker deutscher Tochtergesellschaften ausländischer Reedereien 24 Schiffe mit 586 000 BRT und b) Tanker unabhängiger deutscher Reeder 93 Schiffe mit 503 000 BRT. Zur möglichen Transportleistung dieser Schiffe gelten die Ausführungen, die ich soeben zur Frage 143 machen durfte.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter van Delden.
Herr Staatssekretär, ist bekannt, wie viele Tanker unter ausländischer Flagge fahren, sich aber im Besitz deutscher Gesellschaften befinden?
Herr Kollege, ich bin gern bereit, Ihnen diese Detailangabe schriftlich nachzureichen. Sie ist zur Zeit nicht in meinen Unterlagen vorhanden.
Dann die Frage 145 des Abgeordneten Kiep:
Ist der Bundesregierung bekannt, wieweit der Einsatz der unter deutscher Flagge fahrenden Tanker von Stellen bestimmt wird, die sich im Ausland befinden?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege, ich darf darauf hinweisen, daß das der Bundesregierung unbekannt ist, da die Ölgesellschaften nicht verpflichtet sind, über den Inhalt ihrer internen Absprachen Auskunft zu geben Oder Meldungen zu erstatten.
Dann kommen wir zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen. Zunächst die Frage 74 des Abgeordneten Schlager:Sieht der Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen eine Möglichkeit, gegebenenfalls durch eine einmalige Finanzhilfe aus seiner Hausreserve, die Bemühungen der Stadt Hof zu unterstützen, das von heimatvertriebenen Sudetendeutschen gegründete und für das bayerische Zonenrandgebiet kulturell so bedeutsame
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5492 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juni 1967
Vizepräsident SchoettleOrchester Hofer Symphoniker, das den gesamten Zonenrand und Grenzraum von Bad Kissingen bis Weiden sowie das Städtebundtheater Hof betreut, wieder auf eine wirtschaftlich gesicherte Grundlage zu stellen? Bitte, Herr Bundesminister!
Herr Kollege, die finanziellen Schwierigkeiten, in die das Orchester geraten ist, sind mir bekannt. Ich habe auch noch in dieser Nacht ein Schreiben des Herrn Oberbürgermeisters der Stadt Hof zugeleitet bekommen. Ich bin also auf dem laufenden.
Das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen steht zur Zeit mit dem Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus in Verhandlungen, um die Existenz der „Hofer Symphoniker" zu sichern. Die Verhandlungen konnten leider noch nicht abgeschlossen werden. Ich hoffe, daß es den gemeinsamen Bemühungen aller Beteiligten gelingen wird, die drohende Auflösung des Orchesters zu verhindern.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schlager.
Sehr geehrter Herr Bundesminister, liegt darin schon ein Hoffnungsschimmer für das Orchester, seinen Dirigenten und für uns, daß auch Sie aus Ihrem Fonds ein Scherflein zur Deckung des Defizits beitragen können?
Sehr gern! Wenn Sie mich aber so fragen, dann muß ich Ihnen sagen: Das liegt nicht an mir, liegt auch nicht am Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen. Ich habe hier einen Vermerk, datiert vom 1. Juni, vorliegen, in dem steht, daß die Sache im zuständigen Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus noch zur Unterschrift beim Minister liege, daß man aber nicht wisse, wann die Unterschrift erteilt werden könne. Das heißt, wir sind hier in einem Gespräch, und insofern gibt es sicher von der Seite der Bayerischen Staatsregierung ebenso wie von der Seite des Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen das Bemühen, diese Sache mit den Anteilen, die jeder aufbringen kann, positiv zu lösen.
Die Frage 75 stellt der Abgeordnete Dr. Tamblé.
Ich möchte gern, falls der Herr Abgeordnete einverstanden ist, seine beiden Fragen zusammen beantworten.
Ich nehme an, Sie sind einverstanden, Herr Kollege Tamblé. — Dann rufe ich die Fragen 75 und 76 des Abgeordneten Dr. Tamblé zusammen auf:
Was gedenkt die Bundesregierung gegen das von der SED im Ostberliner „Staatsverlag" herausgegebene „Graubuch" zu unternehmen?
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Verantwortlichen im anderen Teil Deutschlands das Graubuch auch in fremde Sprachen übersetzen ließen, um es zu einer weltweiten Hetzkampagne gegen die Bundesrepublik verwenden zu können?
Bitte, Herr Bundesminister!
Die Bundesregierung beobachtet die propagandistische Aktivität der Regierung im sowjetisch kontrollierten Teil Deutschlands und ihre Wirkung sehr genau. Das „Graubuch", von dem hier die Rede ist, entspricht dem „Weißbuch" von 1959 und dem Braunbuch des Jahres 1965. Die Bundesregierung setzt dieser Propaganda aus der sowjetischen Zone, die ideologisch begründet ist, eine Politik entgegen, die vom Willen zur Entspannung und zur Entkrampfung auch im gespaltenen Deutschland getragen ist und eine Regelung der praktischen Probleme, durch die die Not der Spaltung für die Menschen gelindert werden könnte, sucht. Die Bundesregierung hält es für wirkungsvoller, diese positiven Ziele ihrer Politik darzustellen, beharrlich zu vertreten und beharrlich nach Ansatzpunkten für sie zu suchen. Sie vertraut • darauf, daß auch die deutsche Publizistik geeignete Gelegenheiten wahrnimmt, um in sachlichen Darstellungen die Realitäten der Bundesrepublik und die friedlichen Ziele ihrer Politik zu schildern und darzulegen, die von Bundestag und Bundesregierung angestrebt werden.
Der Bundesregierung ist bekannt, daß das „Graubuch" in mehrere Fremdsprachen übersetzt worden ist. Sie erwartet, daß es, wie auch frühere Bücher derselben Gattung, in der Auslandspropaganda gegen die Bundesrepublik eingesetzt wird. Die Bundesregierung wird ihrerseits mit den ihr zur Verfügung stehenden Informationsmitteln Organe der öffentlichen Meinung im Ausland über die positiven Ziele ihrer Politik weiterhin nachhaltig und sachlich orientieren.
Keine weitere Frage mehr.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts. Frage 77 des Abgeordneten Lenders:
Ist es der Bundesregierung möglich, Feststellungen daruber zu treffen, ob die von den griechischen Konsulaten schon in der Vergangenheit geübte Praxis der Paßentziehung gegenüber in der Bundesrepublik Deutschland lebenden griechischen Staatsangehörigen nach den jüngsten politischen Veränderungen in Griechenland zugenommen hat?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die griechische Botschaft hat dem Auswärtigen Amt noch vor der Änderung der politischen Verhältnisse in Griechenland zugesagt, es von allen Entziehungen griechischer Pässe durch griechische Vertretungen in der Bundesrepublik Deutschland zu unterrichten. Seit diesem Zeitpunkt ist dem Auswärtigen Amt keine Mitteilung über Paßentziehungen gegenüber griechischen Staatsangehörigen zugegangen.
Herr Abgeordneter Lenders!
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juni 1967 5493
Herr Staatssekretär, sind Sie der Auffassung, daß die Veränderung der politischen Verhältnisse in Griechenland keinerlei negative Rückwirkungen auf die Zusage der griechischen Botschaft hat, die vor dieser Veränderung gegeben worden ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine entsprechende Feststellung kann ich nicht treffen.
Herr Abgeordneter Lenders !
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß es Beschwerden griechischer Gastarbeiter gibt, die darauf hinweisen, daß die gegenwärtige Regierung in Griechenland von Vertrauensleuten in der Bundesrepublik Listen anfertigen läßt, auf denen griechische Staatsangehörige festgehalten werden sollen, die sich hier in der Bundesrepublik gegen die griechische Militärregierung engagiert haben, um diese griechischen Staatsangehörigen bei einer eventuellen Rückkehr nach Griechenland zur Rechenschaft ziehen zu können?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Dem Auswärtigen Amt ist davon nichts bekannt. Wenn es mit Ihrer Hilfe möglicherweise entsprechende Hinweise bekommen kann, ist es gern bereit, diese Frage näher zu untersuchen.
Herr Abgeordneter Dorn!
Herr Staatssekretär, sollte dem Auswärtigen Amt entgangen sein, daß eine Reihe von Berichten über das, was der Kollege Ihrer Fraktion gerade hier vorgetragen hat, bereits in der deutschen Presse veröffentlicht worden ist, und ist das Auswärtige Amt deswegen nicht bereits verpflichtet, aktiv zu werden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Mir ist nicht bekannt, Herr Kollege Dorn, auf welche Presseberichte Sie Bezug nehmen. Mir sind Presseberichte, die solcher Art gewesen sind, daß sie eine eigene Tätigkeit des Auswärtigen Amts erforderlich gemacht hätten, nicht bekannt. Ich bin bereit, das noch einmal nachzuprüfen. Aber Presseberichte, die ein unmittelbares Tätigwerden des Amtes sinnvoll und vor allen Dingen gerechtfertigt erscheinen lassen, kenne ich nicht.
Herr Abgeordneter Dorn!
Herr Staatssekretär, hat das Auswärtige Amt seit Umgestaltung der politischen Verhältnisse in Griechenland von sich aus mit der griechischen Botschaft Fühlung aufgenommen, um zu prüfen, ob die Zusage, die vor der Umgestaltung der politischen Verhältnisse gegeben worden ist, auch heute noch gilt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Dazu bestand kein Anlaß, Herr Kollege Dorn.
Wir kommen zur Frage 78 des Abgeordneten Lenders:
Ist die Bundesregierung bereit, darauf hinzuwirken, daß Anträge von griechischen Staatsangehörigen auf Asyl oder Ausstellung eines Fremdenpasses von den zuständigen deutschen Stellen unter Berücksichtigung der politisch veränderten Situation in Griechenland entschieden werden?
Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Im Einvernehmen mit dem Bundesminister des Innern beantworte ich die Frage wie folgt: Das in der Bundesrepublik für Asylfragen zuständige Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in Zirndorf berücksichtigt bei seinen Entscheidungen über Asylanträge in jedem Fall die jeweilige politische Lage und Entwicklung in den Heimatstaaten der Antragsteller. Dementsprechend wird es auch bei Asylanträgen griechischer Staatsangehöriger verfahren.
Die Entscheidungenüber die Ausstellung von Fremdenpässen an griechische Staatsangehörige hängen in sehr wesentlichem Maße davon ab, ob durch Maßnahmen Griechenlands gegenüber seinen Staatsangehörigen in der Bundesrepublik paßrechtliche oder andere Schwierigkeiten geschaffen werden. Die nach dein Ausländergesetz für die Ausstellung von Fremdenpässen zuständigen Länderbehörden werden von der Bundesregierung über die weitere Entwicklung laufend unterrichtet.
Frage 79 des Abgeordneten Schlager:
Wie beurteilt die Bundesregierung die durch den Fraktionsgeschäftsführer der SPD im nordrhein-westfälischen Landtag, Dr. Nehrling, im Zusammenhang mit dem Besuch des iranischen Kaiserpaares am Protokoll sowie an den Vollzugsorganen seines Landes öffentlich geübte Kritik, wonach u. a. der Aufwand und die Beachtung durch öffentliche Stellen eine unerträgliche Überbewertung der Bedeutung des Besuches des iranischen Kaiserpaares sei und das Programm für das iranische Kaiserpaar über das vertretbare Maß der Angemessenheit, der Gleichbehandlung bei Besuchen von Staatsoberhäuptern anderer Länder und der Selbstachtung des deutschen Volkes weit hinausgehe?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Programm für den Staatsbesuch des iranischen Kaiserpaares vom 27. Mai bis 4. Juni 1967 hielt sich in dem für Staatsbesuche in der Bundesrepublik Deutschland üblichen Rahmen. Das gilt für Umfang und Art der Veranstaltungen ebenso wie für die Stärke der Delegation, die Dauer des Besuchs und die Reiseroute in Deutschland.Während des Aufenthaltes in Bonn waren für den Besuch ides iranischen Kaiserpaares die gleichen Veranstaltungen vorgesehen wie etwa bei dem Besuch des Staatspräsidenten der Republik Tschad, des Präsidenten der Tunesischen Republik, des Präsiden-
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5494 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juni 1967
Parlamentarischer Staatssekretär Jahnten der Republik Chile und des Königs von Marokko. Die Gleichbehandlung fremder Staatsoberhäupter als Staatsgäste ist demnach gewährleistet. Der Aufwand für den Staatsbesuch des iranischen Kaiserpaares war im protokollarischen Rahmen üblich und angemessen. Er hat in dieser Hinsicht keine Ausnahme gebildet.Weder der Aufwand noch das . Programm des Staatsbesuches rechtfertigen den Vorwurf, das vertretbare Maß der Angemessenheit sei, überschritten worden. Das Auswärtige Amt wird jedoch darauf hinwirken, daß erforderliche Sicherheitsmaßnahmen zukünftig nach Möglichkeit so getroffen werden, daß Beeinträchtigungen der Bevölkerung insbesondere im Verkehr auf ein unumgängliches Maß begrenzt werden.Im übrigen hat der Herr Bundesminister des Innern zur Frage der Gewährleistung der Sicherheit der Staatsgäste hier schon in seiner Antwort auf die Frage der Abgeordneten Spillecke und Dr. Milller Stellung genommen.
Frage 111 des Herrn Abgeordneten Dröscher, die ursprünglich vom Bundesminister der Finanzen beantwortet werden sollte:
Hat das Bekanntwerden des bevorstehenden Abzugs eines Teils der alliierten Streitkräfte die Verhandlungen über die Angleichung der Arbeitsbedingungen der deutschen Arbeitnehmer bei den alliierten Streitkräften beeinflußt?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Antwort lautet: Nein. Die Verhandlungen werden unverändert fortgesetzt. Wegen des Standes der Verhandlungen darf ich auf die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Marx und Genossen auf Drucksache V/1294 verweisen.
Noch eine Frage, Herr Abgeordneter Dröscher?
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Meinung, .daß, nachdem die von Ihnen herangezogene Antwort auf die Kleine Anfrage schon einige Zeit zurückliegt und insbesondere vor dem Bekannntwerden des Abzugs von Teilen der alliierten Streitkräfte gegeben worden ist, angesichts der neuen Situation Verhandlungen noch dringlicher geworden sind als vorher?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe bereits darauf hingewiesen, Herr Kollege, daß die Verhandlungen fortgesetzt werden. Selbstverständlich bemühen wir uns darum, sie so schnell wie möglich fortzusetzen.
Herr Dröscher!
Herr Staatssekretär, treffen Behauptungen zu, daß nicht die alliierten Arbeitgeber die Gleichstellung des Arbeitsverhältnisses mit dem öffentlichen Dienst in den Verhandlungen ablehnen, sondern Schwierigkeiten vielmehr von unserem Bundesinnenminnisterium gemacht werden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Davon ist mir nichts bekannt. Ich bin aber gerne bereit, Herr Kollege Dröscher, dieser Frage noch einmal nachzugehen.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers ,der Finanzen, und zwar zunächst zu den Fragen 104, 105 und 106 des Abgeordneten Wurbs:Wie hoch ist. der Betrag, der aus den Mitteln des Eventualhaushaltes in das Zonenrandgebiet vergeben wurde?Wieviel der Mittel des Eventualhaushalts flossen davon in das nordhessische Zonenrandgebiet?Wie schlüsseln sich die in Frage 104 bezeichneten Beträge auf die wichtigsten Wirtschaftszweige, wie Bahn, Post und Privatwirtschaft, auf?Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Bundesministers Strauß vom 29. Mai 1967 lautet:Von den Mitteln des zusätzlichen Investitionshaushalts sind bis zum 20. d. M. knapp 1,6 Mrd. DM in Aufträge umgesetzt worden. Inwieweit diese Mittel tatsächlich ins Zonenrandgebiet und insbesondere ins hessische Zonenrandgebiet geflossen sind und wie sie sich auf die wichtigsten Wirtschaftszweige aufteilen, läßt sich vorläufig auch nicht annähernd sagen. Die darüber beim Bundesminister für Wirtschaft und in meinem Hause eingehenden 'Unterlagen sind so umfangreich, daß ihre Auswertung noch längere Zeit in Anspruch nehmen wird.Die zuständigen Ressorts sind jedoch gebeten worden, bei der regionalen Verteilung der Mittel und Aufträge die vom Bund besonders geförderten Gebiete und Gebiete mit überdurchschnittlicher Arbeitslosigkeit bevorzugt zu berücksichtigen. Die Ressorts haben entsprechendes Karten- und Zahlenmaterial erhalten. Es ist zu erwarten, daß das Zonenrandgebiet dadurch fühlbar an dem konjunkturbelebenden Effekt des Eventualhaushaltes teilhaben wird.Ich rufe die Fragen 107 und 108 der Abgeordneten Frau Schanzenbach auf:Trifft es zu, daß das Bundesfinanzministerium im März in einem Schreiben an das Finanzministerium von Baden-Württemberg angedeutet hat, es sei mit einer Vergrößerung des NATO-Flugplatzes Lahr-Langenwinkel zu rechnen?Was ist der Bundesregierung über Notwendigkeit und Umfang einer geplanten Flugplatzerweiterung des NATO-Flugplatzes Lahr-Langenwinkel bekannt?Die Fragestellerin hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Bundesministers Strauß vom 7. Juni 1967 lautet:1. Wegen der Verlegung einer Schule der Gemeinde Schuttern am Rande des Flugplatzes Lahr-Langenwinkel und der Schallsicherung dieser Schule, zu welcher eine Finanzhilfe des Bundes erbeten worden war, stand das Bundesministerium der Finanzen bereits seit längerer Zeit in Unterhandlungen mit dem Finanzministerium Baden-Württemberg. Mitte März 1967 wurde das Bundesministerium der Finanzen von einer örtlichen Stelle darauf hingewiesen, daß im Zusammenhang mit der Übernahme des bisher von der französischen Luftwaffe betriebenen Flugplatzes durch die kanadischen Luftstreitkräfte eine Verstärkung der Schallintensität und eine Änderung der Einflugrichtung eintreten könnten. Angedeutet wurde auch, daß eine Erweiterung des Flugplatzes nicht ausgeschlossen sei. Um bei dieser noch ungeklärten Lage zu vermeiden, daß hinsichtlich der Schule der Gemeinde Schuttern vollendete Tatsachen geschaffen würden, die sich später als unzweckmäßig herausstellen kannten, hat das Bundesministerium der Finanzen mit Schreiben vom 16. März 1967 das Finanzministerium Baden-Württemberg auf die möglichen Veränderungen der militärischen Verhältnisse auf dem Flugplatz Lahr vorsorglich hingewiesen und in diesem Zusammenhang auch zum Ausdruck gebracht, daß „eine Vergrößerung des Flugplatzes nicht ausgeschlossen sein soll".2. Wie sich inzwischen herausgestellt hat, bestehen nur gewisse Umbauabsichten ,auf dem Flugplatz, nicht aber die Absicht, das Gelände zu erweitern.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juni 1967 5495
Vizepräsident SchoettleIch rufe die Frage 109 des Abgeordneten Dr. Abelein auf — Herr Abelein ist anwesend —:Ist der Bundesregierung die besondere Belastung der Garnisonsgemeinden bekannt, die daraus entspringt, daß die nicht meldepflichtigen Wehrpflichtigen keinen entsprechenden Finanzausgleich zur Folge haben?Herr Staatssekretär, bitte!
Ich darf vielleicht, Herr Präsident, mit Einverständnis des Herrn Fragestellers seine beiden Fragen gemeinsam beantworten.
Herr Dr. Abelein nickt zustimmend.
Dann rufe ich auch die Frage 110 des Abgeordneten Dr. Abelein auf:
Welche Möglichkeit sieht die Bundesregierung den Garnisonsgemeinden für die zusätzlich von ihnen zu tragenden Lasten einen entsprechenden Finanzausgleich zu gewähren, der sie anderen Gemeinden gleichstellt?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege Abelein, in der Fragestunde am 15. Juni 1966 hat der Kollege Wienand bereits ähnliche Fragen gestellt. Das seinerzeit Gesagte gilt auch heute noch.
Es ist bekannt, daß die nicht meldepflichtigen wehrpflichtigen Soldaten der Bundeswehr am Ort ihrer jeweiligen Dienststelle den Gemeinden Aufwendungen verursachen. Diesen stehen aber Vorteile gegenüber, die bei Feststellung der Belastung nach den allgemeinen Grundsätzen des Vorteilsausgleiches mit zu berücksichtigen wären.
Zur zweiten Frage darf ich folgendes feststellen. Die Bundesregierung hat keine Möglichkeit. Die Regelung des Finanzausgleichs zugunsten der Gemeinden ist ausschließlich Angelegenheit der Länder. Die Entscheidung darüber, ob und inwieweit die kasernierten wehrpflichtigen Soldaten der Bundeswehr bei der Berechnung der Schlüsselzuweisung der Länder an die Gemeinden zu berücksichtigen sind, obliegt deshalb allein dem Landesgesetzgeber.
Auf Grund der Fragen des Abgeordneten Wienand in der Fragestunde am 15. Juni 1966 hat sich Herr Staatssekretär Grund seinerzeit mit dem Herrn Bundesminister der Verteidigung in Verbindung gesetzt, um eine Berücksichtigung der Zahl der Wehrpflichtigen zu ermöglichen. Der Herr Bundesminister der Verteidigung hat daraufhin die Wehrbereichskommandos angewiesen, auf Anforderung der zuständigen Landes- und Gemeindedienststellen die erforderlichen Auskünfte über die Anzahl der in den einzelnen Standorten stationierten wehrpflichtigen Soldaten und die sich durch geplante Umstationierung und Neuaufstellungen ergebenden Änderungen dieser Zahl so früh wie nur möglich. zu geben. Von dieser Maßnahme hat der Bundesminister der Finanzen die Finanzminister bzw. Finanzsenatoren der Länder durch Schreiben vom 14. September 1966 bereits unterrichtet.
Haben Sie noch eine Frage, Herr Abelein? — Bitte.
Wird erwogen, die Meldeordnung dahin gehend zu ändern, daß Soldaten ebenfalls — ähnlich wie Studenten — ihren Hauptwohnsitz in den Garnisonstädten haben? Das wäre die Voraussetzung dafür, daß sie in den Finanzausgleich der Länder voll einbezogen werden.
Ich kann diese Frage prüfen lassen,. Herr Kollege Abelein. Ich bitte um Verständnis, ich werde sie schriftlich beantworten.
Eine zweite Frage. Mich würde interessieren, worin die Bundesregierung die besonderen Vorteile der Garnisonstädte sieht. Insbesondere möchte ich fragen, ob der Bundesregierung bewußt ist, daß die angeblichen wirtschaftlichen Vorteile weitgehend dadurch aufgehoben werden, daß ein Handel innerhalb der Garnisonstädte — ähnlich dem Handel in großen Betrieben — diese wirtschaftlichen Vorteile für die örtliche Industrie, das örtliche Gewerbe, nahezu völlig aufhebt.
Daß es auch Vorteile gibt, liegt auf der Hand, Herr Kollege Abelein.
Ich greife jetzt auf meine Erfahrungen aus den Beratungen des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages zurück. Es entstehen für Verpflegung, Bekleidung und was weiß ich, was alles in Frage kommt, in einem Standort hohe Ausgabebeträge. Beispielsweise ist mir die Zahl von 800 000 DM allein für Verpflegung für ein Bataillon innerhalb eines Standorts noch in Erinnerung..
Daß natürlich auch Dinge eine Rolle spielen, die Sie angeschnitten haben, gebe ich zu. Sie wissen, daß in diesem Hause über die Frage des Kantinenhandels in den Standorten, in den Garnisonen — wie auch bei Behörden —, sehr oft Debatten geführt worden sind.
Herr Dröscher!
Herr Staatssekretär, wenn ich mich recht erinnere, sind Sie als früherer rheinland-pfälzischer Bundestagsabgeordneter an den Vorarbeiten zu dem Gesetz beteiligt gewesen, das sich mit den Nachteilen der Garnisongemeinden durch die Nichtzahlung von Gewerbesteuer für Verteidigungsbetriebe usw. befaßt. Wie stehen Sie heute zu der Frage, die doch damit im Zusammenhang steht?
Ich darf feststellen: ich war nicht nur früher rheinland-pfälzischer Abgeordneter, ich bin es auch heute noch. Die Frage ist an mich in meiner Eigenschaft als Abgeordneter natürlich schon sehr oft — wie wahrscheinlich auch an Sie —
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5496 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juni 1967
Parlamentarischer Staatssekretär Leichtvon den Gemeinden, die von diesen Fragen besonders betroffen sind, herangetragen worden. Meine Meinung hat sich gegenüber früher nicht geändert. Der Bundesminister der Finanzen wie überhaupt die Bundesregierung wird bemüht sein, die Frage innerhalb der Gesetzgebung über die Finanzreform — nur dort kann das geschehen — eingehend zu behandeln und zu prüfen, ob in dieser Frage etwas zu erreichen ist.
Herr Dröscher!
Herr Staatssekretär, wie erklären Sie es sich dann, daß der betreffende Gesetzentwurf jetzt schon, ich glaube, sechs Jahre, zwischen Ministerium und Bundestag hin- und herläuft und nicht weiterkommt?
Ich habe mir bereits erlaubt, zu sagen, Herr Kollege Dröscher, daß diese Frage nur innerhalb der Finanzreform gelöst werden kann, und ich gebe die Erklärung ab — die auch in der Drucksache V/832 enthalten ist —, daß die Bundesregierung weiterhin bereit ist, die Frage der Verwaltungskostenzuschüsse im Zusammenhang mit Ihren Vorschlägen zur Finanzreform erneut zu überprüfen.
Damit sind die Fragen aus diesem Geschäftsbereich beantwortet.
Wir kommen zu den Fragen auf der Drucksache zu V/1818. Die Frage 137 des Abgeordneten Dröscher ist zurückgezogen. Aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung rufe ich die Frage 138 des Abgeordneten Glombig auf:
Stimmt die Bundesregierung mit der Auffassung der Geschäftsleitung der Hamburger Flugzeugbau GmbH überein, der zufolge die in Aussicht genommene Kürzung des deutschen „Transall"- Programms um 50 Maschinen nur ein Einsparung von günstigenfalls 193,4 Millionen DM erbringen würde?
Bitte, Herr Staatssekretär Adorno!
Herr Kollege, ich würde Ihre beiden Fragen — mit Genehmigung des Herrn Präsidenten — gern zusammen beantworten.
Der Fragesteller ist einverstanden. Ich rufe also auch die Frage 139 auf:
Stimmt die Bundesregierung ferner mit der Auffassung der Geschäftsleitung der Hamburger Flugzeugbau GmbH überein, wonach einer solchen in Frage 138 erwähnten Minderausgabe Einnahmemöglichkeiten von 400 bis 500 Millionen DM gegenüberstehen, wenn die für die Bundesrepublik Deutschland vorgesehene Zahl von 110 Maschinen produziert und 50 Maschinen des deutschen Transall-Programms an befreundete Länder verkauft werden würden?
Herr Kollege, ich erlaube mir, auf meine Antwort zu den Fragen des Herrn Abgeordneten Wächter in der Fragestunde vom 7. Juni zu verweisen. Danach ist die Kürzung des Transall-Programms bisher noch nicht beschlossen. Eine konkrete Antwort auf die Fragen ist deshalb noch nicht möglich.
Zu einer Zusatzfrage Herr Glombig.
Herr Staatssekretär, ist es Ihrer Aufmerksamkeit entgangen, daß ich nicht behauptet habe, daß eine Kürzung des deutschen TransallProgramms bereits beschlossen sei, sondern daß ich davon spreche, daß eine solche Kürzung in Aussicht genommen sei?
Herr Kollege, das ist meiner Aufmerksamkeit nicht entgangen. Aber da die Untersuchungen, die zu einer möglichen Entscheidung führen, bisher noch nicht abgeschlossen sind, können auch Ihre Fragen einstweilen noch nicht konkret beantwortet werden.
Herr Glombig!
Stimmt es, Herr Staatssekretär, daß bei den Beratungen über eine mögliche Kürzung des Transall-Programms im Verteidigungsausschuß dem Ausschuß über den Rahmen der Einsparungsmöglichkeiten und der Möglikeiten eines Absatzes im Ausland von seiten des Verteidigungsministeriums keine Aufklärung gegeben worden ist?
Der Verteidigungsausschuß ist zweimal informiert worden. Ehe eine endgültige Entscheidung getroffen wird, wird der Verteidigungsausschuß umfassend unterrichtet werden.
Herr Glombig!
Ist dem Bundesverteidigungsministerium bekannt, Herr Staatssekretär, daß eine eventuelle Kürzung des deutschen Transall-Programms den Anschluß an das Airbus-Programm und damit auch die Beschäftigung von Arbeitnehmern in den betreffenden Werken gefährden würde und daß damit vielleicht die letzte Chance vergeben werden würde, von seiten der deutschen Luftfahrtindustrie den Anschluß an das europäische Luftfahrtgeschäft zu bekommen?
Herr Kollege, ich darf Ihnen versichern, daß alle Elemente, die bei einer Entscheidung berücksichtigt werden müssen, untersucht und gewürdigt werden.
Keine weiteren Fragen.Wir kommen dann zu den Fragen des Herrn Abgeordneten Dr. Gleissner. Ich rufe die Frage 140 auf:Ist die Bundesregierung in der Lage, nähere Angaben über das ausgedehnte WIFO-Gelände im Kreuzlinger Forst/ Landkreis Starnberg zu machen?Bitte, Herr Staatssekretär!
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juni 1967 5497
Herr Abgeordneter, das ehemalige WIFO-Gelände umfaßt rund 375 ha. Davon entfallen rund 250 ha auf das Tanklager. Die Industrieverwaltungsgesellschaft betreibt auf etwa einem Drittel der Lagerfläche im Auftrag der Bundeswehr ein Treibstofflager. Etwa zwei Drittel der Lagerfläche befinden sich im Besitz der US-Streitkräfte. Auf dem restlichen Gelände, also auf den 125 ha, befinden sich die Unterkünfte für Pioniereinheiten mit dem erforderlichen Übungsgelände. Darüber hinausgehende Flächen, die weder von amerikanischen noch von Bundeswehreinheiten beansprucht werden, sind nicht vorhanden.
Herr Dr. Gleissner zu einer Zusatzfrage.
Ist beabsichtigt, Herr Staatssekretär, rein militärische Einrichtungen im Bereich des WIFO-Geländes einzuschränken oder abzubauen?
Das ist nicht beabsichtigt.
Ich rufe die Frage 141 des Abgeordneten Dr. Gleissner auf:
Entsprechen die im WIFO-Gelände im Kreuzlinger Forst/ Landkreis Starnberg vorhandenen ausgedehnten Treibstoffgroßlager — die bereits seit etwa 30 Jahren eingebaut und im zweiten Weltkrieg Luftangriffen ausgesetzt waren — den heutigen Sicherheitsbestimmungen, insbesondere auch der Lagerverordnung für wassergefährdende Flüssigkeiten vom 23. Juli 1965?
Diese Frage, Herr Abgeordneter, kann ich zur Zeit nicht bejahen. Ich darf Ihnen jedoch zum besseren Verständnis vielleicht gleich die nächste Frage beantworten.
Ich rufe die Frage 142 des Abgeordneten Dr. Gleissner auf:
Welche Maßnahmen sind vorgesehen, um das in Frage 141 erwähnte Treibstofflager abzusichern und den heutigen Sicherheitsbestimmungen entsprechend umzustellen und umzubauen?
Entsprechend den Auflagen des Wasserwirtschaftsamts München sind die Instandsetzung des gesamten Rohrleitungsnetzes sowie die Sanierung der Lagertankinnenflächen mit einem Kostenaufwand von rund 9 Millionen DM vorgesehen. Wegen des US-Tanklagers verhandelt zur Zeit die Wehrbereichsverwaltung VI mit der zuständigen US-Dienststelle mit dem Ziel, diese ihrerseits zu veranlassen, Instandsetzungsmaßnahmen einzuleiten. Die abschließende Besprechung hat noch nicht stattgefunden.
Herr Dr. Gleissner zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist im Hinblick auf ,die Kosten und auf andere Überlegungen beabsichtigt, das Tanklager in diesem Gelände unter Umständen zu verlegen?
Das ist nicht beabsichtigt.
Damit sind diese Fragen erledigt.
Wir kommen zur einzigen Frage aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheitswesen, der Frage 146 .des Abgeordneten Dr. Stekker:
Kann die Bundesregierung die unzureichende ärztliche Versorgung auf dem flachen Lande, insbesondere in den Grenzgebieten, dadurch verbessern, daß sie die im Ausland approbierten Ärzte, z. B. Niederländer, in den Grenzgebieten zur Praxis zuläßt?
Die Frage wird von Herrn Abgeordneten Schlager übernommen. Bitte, Frau Gesundheitsministerin!
Herr Kollege, einer Verbesserung unzureichender ärztlicher Versorgung auf dem flachen Land durch die Zulassung von im Ausland approbierten Ärzten stehen die Vorschriften .der Bundesärzteordnung grundsätzlich nicht entgegen. Der Arzt, der sich in der Bundesrepublik in freier Praxis niederlassen will, bedarf hierzu der Bestallung als Arzt. Auch ausländischen Ärzten kann bei gleichwertiger abgeschlossener Ausbildung in Einzelfällen, insbesondere in Härtefällen, oder aus Gründen 'des öffentlichen Gesundheitsinteresses eine Bestallung erteilt werden. Unter Umständen wird ein ausländischer Antragsteller aus Gründen des öffentlichen Gesundheitsinteresses eine Bestallung erhalten können, wenn er beabsichtigt, sich in einem Gebiet niederzulassen, in dem in bezug auf .die ärztliche Versorgung ein Notstand herrscht. Die Erteilung der Bestallung setzt aber voraus, daß der Antragsteller seine Praxis im Ausland aufgibt.Die Bestallung an ausländische Staatsangehörige wird durch die zuständigen Landesbehörden erteilt. Der Bundesminister für Gesundheitswesen wirkt dabei nur in der Form des Benehmens mit.Die Ausübung des ärztlichen Berufs in bestimmten Grenzgebieten durch Ärzte des Nachbarstaats ist auf Grund zwischenstaatlicher Vereinbarungen möglich. Der ausländische Arzt, der die Heilkunde in diesen Grenzgebieten ausüben will, bedarf hierzu nicht der deutschen Bestallung als Arzt. Eine Niederlassung in der Bundesrepublik ist allerdings auf Grund solcher Verträge nicht möglich. Entsprechende zwischenstaatliche Vereinbarungen bestehen u. a. mit Osterreich, Belgien, der Schweiz, auch den Niederlanden und Luxemburg. Obwohl eine ausdrückliche Wiederinkraftsetzung des Abkommens zwischen dem Deutschen Reich und den Niederlanden von 1873 nach dem zweiten Weltkrieg nicht erfolgt ist, wird die Übereinkunft von der Bundesregierung als weiter in Kraft befindlich angesehen, weil sie nicht zu dein politischen Vorkriegsverträgen gehört, die durch den Kriegsausbruch erloschen sind.
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5498 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juni 1967
Bundesminister Frau StrobelAllerdings ist zweifelhaft, ob die Übereinkunft in der Praxis auch wirklich angewendet wird. Da die Haltung der niederländischen Regierung insoweit unklar ist, sind offenbar auch die zuständigen deutschen Länderbehörden in dieser Sache zurückhaltend.
Damit ist die Fragestunde beendet und der nicht ganz häufige Fall eingetreten, daß wir die Fragestunde ohne Reste von Fragen abschließen.
Wir kommen nun wieder zurück zur
Fortsetzung der
zweiten Beratung des Bundeshaushalts 1967.
Ich rufe Punkt 6 und damit verbunden Punkt 30 auf:
Einzelplan 06
Geschäftsbereich des Bundesministers
des Innern
— Drucksachen V/1756, zu V/1756 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Althammer
Einzelplan 36 Zivile Verteidigung
— Drucksache V/1780 — Berichterstatter: Abgeordneter Wellmann
Wünschen die Herren Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall. Dann erteile ich das Wort dem Herrn Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Diskussion über den Einzelplan 06 ist am späten Mittwochabend unterbrochen worden. Ich darf dem Hohen Hause dafür danken, daß die Debatte erst heute fortgeführt wird und mir so die Möglichkeit gegeben wurde, an der wichtigen Tagung des Rates der Gemeinden Europas in Berlin teilzunehmen.Bevor wir in die Einzelberatungen eintreten, möchte ich als der für die Verfassung und für die innere Sicherheit zuständige Minister einiges sagen, weil ich glaube, daß dadurch die Aussprache erleichtert werden kann. Ich will dabei nicht auf die parteipolitischen Argumente eingehen, die im Verlauf der bisherigen Debatte sehr im Vordergrund gestanden haben, sondern vielmehr den Versuch unternehmen, die staatspolitische Bedeutung der Aufgaben hervorzuheben, die sich der Bundesminister des Innern stellen muß und die wir uns stellen müssen, wenn die Große Koalition als Voraussetzung zur Verwirklichung der großen Konzeption ihren Auftrag mit Erfolg erfüllen soll. Hier sind wir alle aufgerufen. Hier ist vor allem unser Volk aufgerufen. Wer mit offenen Augen durch unser Land fährt und die Sorgen unserer Bürger hört, der weiß, daß man jetzt wenig Verständnis für parteipolitische Auseinandersetzungen hat, die nicht der Sache, sondern einer durchschaubaren Taktik dienen. Unsere Bürger wollen eine freiheitliche, demokratisch gesicherte Ordnung. Sie haben ein Recht auf diese Ordnung, die der Stabilisierung unserer Demokratie und damit der Sicherung unserer staatlichen Existenz dient. Zu diesen Aufgaben der Stabilisierung unserer Demokratie zähle ich aus der Sicht meines Ressorts1. die Aktivierung einer modernen politischen Bildungsarbeit mit einer möglichst großen Breitenwirkung,2. Schutz vor politischer Radikalisierung, ganz gleich, ob sie von rechts oder von links kommt,3. Schaffung eines Wahlrechts, das eine klare regierungsfähige Mehrheit
und eine starke funktionsfähige Opposition sichert,4. eine praktikable deutsche Notstandsverfassung als Vorsorge für unser Volk, für unseren Staat für die Stunde der Not,5. den Aufbau einer optimalen Zivilverteidigung in dem von der Haushaltslage bestimmten Rahmen,6. Durchsetzung der raumordnungspolitischen Zielsetzungen der Bundesregierung und schließlich7. die Durchführung eines Stufenplans zur Besoldungsneuordnung und Weiterentwicklung einer zukunftsweisenden Beamtenpolitik.Das sind die staatspolitischen Aufgaben, die nicht nur ein verantwortungsvolles, sondern vor allem auch ein möglichst gemeinsames Handeln erfordern.Zu Punkt 1: Im Hohen Hause werde ich von allen Seiten Unterstützung bei der Aktivierung der politischen Bildungsarbeit erwarten dürfen. Ihr gilt meine besondere Sorge. Hier müssen nicht nur neue Wege beschritten werden, hier erwarten wir von allen berufenen Stellen neue Impulse. Politische Bildungsarbeit, wie ich sie verstehe, sollte zu den Wurzeln unserer Demokratie vordringen. Sie muß vor allem auf eine breite Basis gestellt werden. Hier kommt es entscheidend darauf an, unsere Jugend für diesen unseren Staat zu engagieren. Das ist eine der wichtigsten staatspolitischen Aufgaben unserer Zeit. Der tiefste und wesentlichste Gehalt des Staatsbewußtseins ist Staatsvertrauen, das Vertrauen darauf, daß der Bürger im Staat entsprechend seinen Vorstellungen geborgen ist und daß für diese Geborgenheit dauernd, ausreichend und mit aller Kraft der Verantwortlichen gesorgt wird. Zu diesem Staatsbewußtsein gehört in unserer heutigen Gesellschaft das Bewußtsein, einer freiheitlichen Ordnung zu dienen, einer Ordnung, die sich am Gemeinwohl orientiert.In meinem Ministerium werden über die neuen Wege zur Erreichung dieses Zieles der politischen Bildungsarbeit konkrete Pläne vorbereitet. Ich hoffe, daß sich hier in diesem Hohen Hause, wie es überlegt worden ist, bald Gelegenheit bieten wird, uns über dieses verpflichtende Thema in einer besonderen Debatte gründlich auszusprechen.Ich darf bei dieser Gelegenheit dankbar feststellen, daß der Haushaltsausschuß die Ausbringung des neuen Tit. 658 im Kap. 06 02 beschlossen hat. Hier ist ein erster Schritt in dieser Richtung getan
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juni 1967 5499
Bundesminister Lückeworden. Durch die veranschlagten Mittel in Höhe von 9 Millionen DM sollen die den demokratischen Parteien nahestehenden Bildungseinrichtungen in die Lage versetzt werden, ihre staatspolitische Bildungsarbeit zu erweitern und zu intensivieren.Als Punkt 2 habe ich den Schutz vor politischer Radikalisierung genannt. Zwischen der politischen Bildungsarbeit und den Versuchen, der politischen Radikalisierung — ganz gleich, ob von links oder von rechts — entgegenzutreten, besteht ein enger Kausalzusammenhang. Meine Damen und Herren! Nur in der Masse politisch Unmündiger kann die Saat politischer Demagogen aufgehen. Deshalb bedarf es so sehr einer Verstärkung aller Einrichtungen der politischen Bildung.Von vielen Seiten, auch von namhaften Organisationen, wurde ich nach den Erfolgen der NPD bei ihren Wahlen in den Landtagen gedrängt, dem Kabinett einen Antrag auf Verbot dieser Partei vorzulegen. Ich habe einen solchen Antrag nicht eingebracht. Ein Verbot wäre nur das letzte Mittel. Es muß vielmehr mit den Mitteln der politischen Bildungsarbeit versucht werden, die Vorurteile und, wie ich meine, die Irrlehren abzubauen, die derartigen Parteien und Gruppierungen — ich denke hier auch an die Gefahr des Linksradikalismus — eine Wählerreserve verschaffen können.Bereits im Herbst vergangenen Jahres habe ich die innenpolitischen Auseinandersetzungen innerhalb der NPD vorausgesagt. Sie sind offen zum Ausbruch gekommen. Zahlreiche maßgebliche Mitglieder haben sich von dieser Partei getrennt. Es spricht vieles dafür, daß diese innere Auseinandersetzung auch in Zukunft noch andauern wird.Wesentlich zur Beruhigung und zur Klärung der Lage auf dem Gebiete des politischen Radikalismus haben die nüchternen Berichte beigetragen, die unser Ministerium alljährlich veröffentlicht. Ich weiß, daß diese Berichte über die antidemokratischen Strömungen von links und rechts im In-und Ausland außerordentlich begrüßt werden. Als einziger Staat der Welt legen wir solche Berichte vor. Eine solche jedem Bürger zugängliche Diagnose, die auch Gefahren und Schattenseiten nicht verschweigt, ist der erste Schritt zur Therapie.Unter Punkt 3 habe ich die Wahlrechtsreform angesprochen; ein entscheidender Punkt, wenn es um das Thema der Stabilisierung unserer Demokratie auf die Dauer geht, eine staatspolitische Aufgabe, weil wir ein Wahlrecht schaffen wollen, das dem Staate gibt, was er braucht: eine regierungsfähige Mehrheit und eine starke, funktionsfähige Opposition. Die Bundesregierung hat dazu am 13. 12. 1966 in ihrer Regierungserklärung folgendes ausgeführt:Die stärkste Absicherung gegen einen möglichen Mißbrauch der Macht ist der feste Wille der Partner der Großen Koalition, diese nur auf Zeit, also bis zum Ende dieser Legislaturperiode fortzuführen. Während dieser Zusammenarbeit soll nach Auffassung der Bundesregierung .ein neues Wahlrecht grundgesetzlich verankert werden, das für künftige Wahlen zum Deutschen Bundestag nach 1969 klare Mehrheiten ermöglicht. Dadurch wird ein institutioneller Zwang zur Beendigung der Großen Koalition und eine institutionelle Abwehr der Notwendigkeit zur Bildung von Koalitionen überhaupt geschaffen. Die Möglichkeit für ein Übergangswahlrecht für die Bundestagswahl 1969 wird von der Regierung geprüft.Meine Damen und Herren, wer den Proporz ablehnt, wer berechtigte Zweifel an der Funktionsfähigkeit einer zahlenmäßig zu kleinen Opposition ausspricht, muß folgerichtig ein mehrheitsbildendes Wahlrecht bejahen. Ich habe einen wissenschaftlichen Beirat berufen, der unter Leitung des uns allen bekannten Professors Eschenburg arbeitet. Mit anerkannten Sachkennern auf verfasungsrechtIichem, politischem und sozialem Gebiet arbeitet dieser unabhängige Beirat Empfehlungen für ein Bundeswahlrecht aus. Sein Auftrag lautet, ein Bundeswahlrecht zu schaffen, das den Anforderungen des parlamentarischen Regierungssystems mit dem Ziel der Bildung klarer Mehrheiten und der Stärkung der demokratischen Verantwortung bei realen Chancen eines Mehrheitswechsels besser als das bisherige Wahlrecht entspricht. Es ist beabsichtigt, noch in diesem Jahre die entsprechenden Gesetzentwürfe vorzulegen. Sie werden Verständnis dafür haben, wenn ich die Ergebnisse der Arbeit des Beirats, aber auch die Ergebnisse der Beratungen der Parteien, die ebenfalls in Kommissionen und Beiräten dabei sind, diese schwierige Frage zu beraten, abwarte, bevor ich auf Einzelheiten des neuen Wahlrechts eingehe. Ich begrüße es dankbar, daß die breit angelegte, überwiegend sachlich geführte Diskussion eine für unseren Staat und für die Zukunft unseres Staates so wichtige Frage behandelt.Unter Punkt 4 habe ich eine Aufgabe von besonderer staatspolitischer Bedeutung genannt, nämlich die Verabschiedung der Notstandsverfassung. Es geht hier darum, die rechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß unser Staatswesen und unsere freiheitliche demokratische Grundordnung auch in Zeiten der Not Bestand hat. Daß die weltpolitischen Ereignisse auch ohne unser Zutun zu solchen Überlegungen leider Anlaß geben, haben die letzten Tage sehr eindringlich gezeigt. Sosehr uns alle diese Frage beschäftigt, glaube ich doch, darauf in dieser Stunde nicht näher eingehen zu müssen. Der neue Entwurf der Notstandsverfassung wird im Hohen Hause noch vor der parlamentarischen Sommerpause in erster Lesung beraten. Es wird dann Gelegenheit sein, ausführlich zu diesem Thema Stellung zu nehmen.Das Thema der Vorsorge für die Stunde der Not durch die zivile Verteidigung hat gerade in den letzten Tagen unser Volk stark beschäftigt. Das Bundeskabinett war gezwungen, von dem im Regierungsentwurf vorgesehenen Betrag von 610 Millionen DM für die gesamte zivile Verteidigung 110 Millionen DM zu streichen, um den Haushalt auszugleichen. Dieser Betrag ist in den Beratungen des Haushaltsausschusses noch einmal geringfügig auf 494 Millionen DM gekürzt worden. An der Tatsache ,daß eine militärische Verteidigung ohne einen Schutz der Zivilbevölkerung sinnlos wäre, hat sich durch die
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5500 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juni 1967
Bundesminister LückeHaushaltslage nichts geändert. Man kann auch mit einem Plafond von 500 Millionen DM jährlich, den der Bundesminister der Finanzen zugestehen konnte, etwas Wirksames zum Schutz der Zivilbevölkerung im Falle eines äußeren Notstandes tun. Ich will jetzt nicht auf Einzelheiten eingehen. Die Bundesregierung ist ohnehin beauftragt, dem Hohen Hause möglichst bald eine Darstellung der Gesamtkonzeption der zivilen Verteidigung mit allen finanziellen Konsequenzen vorzulegen. Bei dieser Gelegenheit werden wir also auf diese Frage zurückkommen können.Meine Damen und Herren, diese Schwerpunkte sind als ein in sich abgewogenes Programm zu verstehen, erwachsen aus dem Bestreben, für unser Volk Vorsorge für den Fall von Natur- oder technischen Katastrophen wie für den möglichen Verteidigungsfall zu treffen.Der nächste Punkt, dem ich und dem wir alle, glaube ich, große Bedeutung zumessen, ist die Raumordnung. Gestern habe ich in Berlin vor dem Europäischen Gemeindetag zu diesem Thema gesprochen. Es ist eine sicherlich sehr moderne, aber zukunftweisende Aufgabe. Sie ist zugleich eine europäische Aufgabe. Dem Bund steht hierfür eine Rahmenkompetenz zu. Ich erinnere an den von meinem Haus vorgelegten Raumordnungsbericht, der die Diskussion um diese Zukunftsaufgabe erneut aktiviert hat. Zur Verwirklichung einer modernen Raumordnung bedarf es der gemeinsamen Lösung der großen Gemeinschaftsaufgaben, von der Steuer- und Finanzverfassungsreform bis hin zu einem neuen Bodenrecht. Ein Verwaltungsabkommen über die gemeinsame Beratung zwischen der Bundesregierung und den Landesregierungen nach § 8 des Raumordnungsgesetzes wurde verabschiedet. Das Verwaltungsabkommen tritt am 15. Juni 1967 in Kraft. Die erste Sitzung der Ministerkonferenz ist einberufen. Meine Damen und Herren, wir müssen auf lange Sicht und zugleich schnell handeln, wenn wir eine moderne Raumordnung in unserem Lande und in Europa verwirklichen wollen. Als verheißungsvollen Auftakt nenne ich die konstituierende Sitzung der deutsch-niederländischen Raumordnungskommission in der kommenden Woche.Ein moderner Staat braucht eine moderne Verwaltung. Ein gesunder Staat braucht ein gesundes, am Staatswohl ausgerichtetes Beamtentum. Deshalb habe ich bei der Aufzählung der staatspolitischen Aufgaben mit Vorrang die Beamtenpolitik angeführt. Auf diesem Gebiet stehen zwei wichtige Gesetze zur Neuregelung vor der endgültigen Verabschiedung, einmal das Disziplinarrecht, zum anderen die Besoldungsreform. Damit werden nicht nur Verbesserungen für die Beamtenschaft erreicht, sondern es handelt sich auch um Beiträge zur Konsolidierung unseres Staatswesens und zur Befriedung innerhalb der Beamtenschaft. Insbesondere sollte das Erste Besoldungs-Neuregelungsgesetz in seiner Bedeutung nicht unterschätzt werden. Trotz der wirtschaftlich und finanziell recht bedrängten Lage ist es gelungen, die stufenweise Neuregelung wie vorgesehen in Gang zu bringen. Wir würden diesen Vorgang zu unvollkommen beurteilen, meine Damen und Herren, wenn wir diese erste Stufe der Neuregelung nur als Anpasung an besseres Landesrecht abtun wollten. Mit der Einrichtung neuer Spitzenämter und der Modernisierung des Gehaltssystems gehen wir durchaus neue Wege. Ich halte es für einen großen Fortschritt, daß hiermit das Leistungsprinzip, das durch die Entwicklung der letzten Jahre zu kurz gekommen war, wieder gestärkt wird.Ein Wort zur Anrufung des Vermittlungsausschusses durch den Bundesrat zu den beiden Gesetzen über das Disziplinarrecht und das Besoldungsrecht. Die Streitpunkte betreffen keine grundsätzlichen Fragen und beeinträchtigen hinsichtlich der Besoldung das Inkrafttreten der Verbesserungen für die Bundesbeamten nicht. Die Sitzung des Vermittlungsausschusses ist für den 23. Juni vorgesehen. Ich werde mich dafür einsetzen, daß die Gesetze vor der Sommerpause wie vorgesehen endgültig verabschiedet werden können.Ich bin mir klar darüber, daß das Erste Besoldungs- Neuregelungsgesetz eine neue Phase erst einleitet. Ich weiß, daß bis zur Erreichung der nächsten Ziele noch viel zu tun übrigbleibt. Selbstverständlich richte ich mein Augenmerk auch sehr darauf, daß die Beamtenschaft im Vergleich zur allgemeinen Einkommensentwicklung nicht ins Hintertreffen gerät. Insgesamt wird die Besoldungsplanung und ihr Erfolg allein davon abhängen, daß so schnell wie möglich durch die Maßnahmen zur Wiederbelebung der. Konjunktur und zur Gesundung der öffentlichen Finanzen die Voraussetzungen hierfür geschaffen werden.Meine Damen und Herren, die Aufgabe des Bundesministers des Innern ist im wesentlichen, für die Sicherheit nach innen zu sorgen. Das ist gewiß keine leichte Aufgabe, und sie stellt eine große Bürde staatspolitischer Verantwortung dar, weil sie in vielen Fragen auch über die Parteigrenzen hinausgeht. Mein Wille ist, diese Stabilisierungsphase unserer Demokratie, von der für die Zukunft unseres Staates so viel abhängt, nur einem einzigen Interesse zu unterstellen, nämlich dem Staatswohl. Die Große Koalition hat sich im Interesse unseres Staates die Aufgabe gestellt, diese große Konzeption zu verwirklichen.Ich bitte um Zustimmung zu meinem Haushalt.
Damit ist die allgemeine Aussprache eröffnet. — Das Wort hat der Abgeordnete Dorn.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Bundesminister des Innern hat in Ergänzung zu den Ausführungen, die bereits vorgestern hier zu seinem Haushalt gemacht wurden, noch einmal seine „große Konzeption" entwickelt. Er sprach zu Beginn davon, daß diese Große Koalition den Auftrag der Wähler hätte und in diesem Sinne arbeiten werde. Das ist eine völlig neue Nuance in der Begründung dieser Großen Koalition; denn, meine Damen und Herren, wer im Jahre 1965 noch Ohren hatte, zu hören, und Augen, zu sehen, der konnte sich eigentlich davon
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juni 1967 5501
Dornüberzeugen, daß Christliche und Freie Demokraten der Meinung waren, sie würden diese Koalition fortsetzen. Ich bezweifle natürlich nicht, meine Damen und Herren, daß der Herr Minister allerdings auch damals schon den Wunsch hatte, den Auftrag der Wähler in dem Sinne auszulegen, daß die Große Koalition ein sinnvolles und erreichbares Ziel sei.
— Natürlich, Herr Rasner, er hat uns vieles voraus. Ich werde im Laufe meiner Ausführungen darauf noch zu sprechen kommen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg?
Bitte schön!
Herr Kollege Dorn, würden Sie, gerade nach Ihren jetzigen Ausführungen, mit mir der Meinung sein, daß es zweckmäßig wäre, ein Wahlgesetz zu schaffen, das solche Manipulationen des Wählerwillens unmöglich macht, so daß am Abend des Wahltages klar ist, wer in der Regierung und wer in der Opposition ist? Würden Sie nicht wünschen, daß es in Zukunft unmöglich sein sollte, den Wählerwillen hinterher durch Parteiführer zu manipulieren?
Herr Kollege Schulze-Vorberg, Sie dürfen ganz beruhigt sein: ich werde im Laufe meiner Ausführungen mit Sicherheit auf Ihr und des Ministers Hobby, das neue Wahlrecht, zu sprechen kommen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Genscher?
Bitte schön!
Herr Kollege Dorn, würden Sie die Freundlichkeit haben, für das Protokoll noch einmal festzuhalten, daß Herr Kollege Schulze-Vorberg die Bildung dieser Regierung als eine Manipulation des Wählerwillens bezeichnet hat?
Das Protokoll wird das sicher festhalten. Aber, meine Damen und Herren, ich möchte jetzt das vortragen, was ich für meine Fraktion zum Haushalt dieses Ministeriums zu sagen habe. Ich glaube nicht, daß es sehr sinnvoll ist, wenn wir durch ein Frage- und Antwortspiel — die Fragestunde ist ja inzwischen vorüber — die weiteren Haushaltsberatungen aufhalten.Wenn wir auf das zu sprechen kommen, was der Bundesinnenminister ansonsten vorhin hier als seine „große Konzeption" vertreten hat, dann müssen wir sagen, daß vieles von dem, was er heute in Aussicht gestellt hat, auch uns vor ungefähr anderthalb oder zwei Jahren, also zu Beginn seinerTätigkeit, damals in Aussicht gestellt wurde. Ich denke nur an die politische Bildungsarbeit. Heute sagt er genau wie damals, in seinem Hause würden die Pläne ausgearbeitet. Viel weiter ist man also anscheinend noch nicht gekommen.Das gleiche gilt für die Frage einer Neuregelung der Beamten- und Besoldungspolitik. Auch darüber ist nichts Neues gesagt worden, vielmehr hat der Minister nur das wiederholt, was er uns vor anderthalb Jahren auch versprochen hat.Er hat sich dann mit wenigen Worten mit der Frage der Auseinandersetzung mit radikalen Kräften in unserem Volk befaßt. Eine Delegation von Mitgliedern des Innenausschusses und des Rechtsausschusses war in der vergangenen Woche in Amerika. Herr Minister, etwa vier oder fünf Tage vor der Landtagswahl in Niedersachsen hat Ihr Hausdie letzte Presseveröffentlichung über die NPD und ihren großartigen Mitgliederzuwachs und all die Dinge, die damit zusammenhingen, der Öffentlichkeit übergeben. Wir alle, die wir damals in New York über die Deutsche Botschaft diese Information im Rahmen der Pressedienste erhielten, waren uns darüber klar, daß es ein besonderes „taktisches Geschick" war, wenige Tage vor der Landtagswahl auf diesem Wege noch einmal den Aufwärtstrend der NPD trotz aller innerer Auseinandersetzungen in dieser Partei in die deutsche Öffentlichkeit zu tragen. Wir fragen uns bei den Veröffentlichungen Ihrer Pressestelle manchmal, ob es nichts anderes zu tun gibt, als ausgerechnet immer — genauso war es vor den Wahlen in Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz — diese Partei, der ja eine innere Zerrissenheit in immer größerem Umfange drohte und auch heute noch droht, dadurch wieder zusammenzuschweißen und ihr neue Wähler in der Optik nachher zuzutreiben, daß man ihr Standing kurz vor den Wahlen noch einmal in die Erinnerung zurückruft.Ich sage hier, obwohl meine Parteifreunde in Nürnberg daran beteiligt waren, daß der NPD dort kein Saal für den Bundesparteitag zur Verfügung gestellt wurde, sehr offen, daß dieser Weg von Nürnberg nicht geht.
Meine Damen und Herren, wenn man sich mit den politischen Phrasen und Hohlheiten dieser Partei auseinandersetzen will, dann muß man das in aller Öffentlichkeit tun; und wenn man die Chance hatte, daß diese Partei ihre innere Zerrissenheit auch noch auf einem Parteitag hätte dokumentieren müssen — wie das in Nürnberg der Fall gewesen wäre —, dann hätte man der deutschen Öffentlichkeit diese Chance geben sollen, um der Bevölkerung in aller Eindringlichkeit klarzumachen, was sich mit diesen politischen Wirrnissen und Hitzköpfen in Wirklichkeit abspielt.
Das ist nach meiner Auffassung, Herr Kollege Rasner, ein besserer Weg der Auseinandersetzung mit
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Dornder NPD als die Pressepolitik des Hauses dieses Innenministers.
— Aber Herr Kollege Rasner, wir wollen hier ja nicht nur über dieses Haus in seiner augenblicklichen Tätigkeit und über die Aussage, die der Minister hier heute gemacht hat, sprechen, sondern uns über die politische Wirksamkeit dieses Hauses in der politischen Bildungsarbeit — die er selber angesprochen hat — unterhalten.In diesem Sinne wäre es auch gut, wenn das deutsche Fernsehen sich etwas klüger und psychologisch reifer mit der NPD auseinandersetzte, als Herr Gaus das in seinen bisherigen Sendungen getan hat.Angesichts dessen, was hier gestern und vorgestern an Argumenten für diese politische große Konzeption, Koalition und konzertierte Aktion vorgetragen worden ist, muß ich im Namen meiner politischen Freunde an dieser Stelle einmal mit einer Legende aufräumen, die Kollegen der SPD- und der CDU/CSU-Fraktion hier in den letzten Tagen immer wieder zu nähren versucht haben, nämlich mit der Legende, daß eigentlich wir Freien Demokraten im Herbst des vergangenen Jahres die Schuld daran gehabt hätten, daß wir alle uns zur Zeit in einem Tief befinden. Ich bewundere, mit welcher Großzügigkeit mancher Kollege sein Gedächtnis für die Zeit der Regierungskrise im Herbst des vergangenen Jahres beurlaubt hat.
Wenn man heute manche Redner von der CDU/CSU und der SPD hört — ich denke z. B. auch an die von mir sehr geschätzte Frau Kollegin Renger am vorgestrigen Abend —, dann muß man eigentlich den Eindruck haben, als ob wir Freien Demokraten im Herbst des Jahres 1966 hier in diesem Hause die absolute Mehrheit gehabt hätten und als ob wir den Bundeskanzler gestellt hätten, der die Richtlinien der Politik bestimmte. Dabei läßt sich eindeutig beweisen, daß gerade wir und die Kabinettsmitglieder meiner Partei zu den Warnern und Mahnern vor der Entwicklung, die im Herbst des vergangenen Jahres eingetreten ist, gehörten.
— Nein, Herr Althammer, so billig, wie Sie es sich in den letzten Tagen gemacht haben, mache ich es mir nicht, sondern ich werde für das, was ich hier sage, — daran müssen Sie sich gewöhnen — auch immer gleich den Beweis antreten. Mit dieser Beweisführung beginne ich jetzt. Dabei spielen Sie selbst, Herr Kollege Althammer, eine sehr große Rolle.
Der damalige Bundesfinanzminister Rolf Dahlgrün hat am 15. Juni 1965 an den damaligen Bundeskanzler Ludwig Erhard einen Brief geschrieben, aus dem ich nur einen Satz zitieren will. Nachdem er die Schwierigkeiten geschildert hat, die kommenwürden, wenn nicht radikal gespart werde, schreibt : Rolf Dahlgrün:Diese Gesamtentwicklung— die er vorher geschildert hat —trägt den Keim einer schweren Finanzkrise in sich, wenn nicht mit aller Entschiedenheit wirksame Gegenmaßnahmen ergriffen werden.
— Meine Damen und Herren, Sie müssen etwas Geduld haben, es kommt alles zu seiner Zeit.Aber wie dachten damals die Partner von heute übereinander und über ihre damalige Situation? Dr. Möller erklärte am 23. November 1966 hier im Plenum:Am 20. Dezember 1965 ist das Haushaltssicherungsgesetz im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden. Spätestens an diesem Tage hätten der Bundeskanzler und der Bundesverteidigungsminister . . . wissen müssen, wie die Haushaltswirtschaft des Bundes aussieht. Trotzdem haben sie nach Verabschiedung des Haushaltssicherungsgesetzes ein Devisenausgleichsabkommen in Höhe von 5,4 Milliarden DM mit den USA abgeschlossen, . . .Darf ich Sie daran erinnern, meine Damen und Herren, daß weder der Bundeskanzler noch der Bundesminister der Verteidigung der Freien Demokratischen Partei angehörten.Am gleichen Tage erklärte der Kollege Dr. Althammer ebenfalls hier im Plenum:
Gesetzentwürfe und kostenwirksamen Anträge der SPD-Fraktion sind von mir in einer Liste zusammengestellt worden ... und mit Angabe der Hunderte von Millionen, die sie kosten würden verzeichnet. Die Abschlußsumme beträgt 9,2 Milliarden DM.
Herr Dr. Althammer fuhr fort:Dann ist ein Programm der Opposition — also der SPD — verkündet worden. Die Zahlen, die das kostet, schwankten zwischen einem Betrag von 25 Milliarden als Maximum und 18 Milliarden als Minimum. Projizieren Sie diese damaligen Vorschläge auf unsere heutige Situation und dann überlegen Sie sich, ob die Opposition berechtigt ist, in dieser Weise Vorwürfe zu erheben, wie das geschehen ist.Das Spiel ging natürlich weiter sehr interessant hin und her. Der Herr Kollege Wehner erklärte in seiner Antwort in der gleichen Plenarsitzung:Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, mit uns können Sie nicht ein Spiel treiben, wie Sie es bisher mit Koalitonspartnern getrieben haben. Sie müssen den politischen Konkurs, den Sie erlitten haben, und seine Begleiterscheinungen selbst verantworten.Und am 8. November 1966 erklärte der gleiche Kollege Wehner hier im Plenum, an die CDU gerichtet:
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DornBeenden Sie bitte das Spiel mit der Kulissenschieberei! Hören Sie auf, in Interviews aufeinander einzureden und aufeinander einzuschießen! . . . In Wahrheit geht es doch, meine Damen und Herren, um die Liquidation einer gescheiterten Politik. . . . Herr Dr. Barzel, Sie haben als Vorsitzender der Fraktion der CDU/ CSU die Last Ihrer politischen Krise auf unseren Staat gewälzt.Meine Damen und Herren, das sind Argumente, die nicht wir vorgetragen haben, sondern das haben Sie sich in der damaligen Situation gegenseitig vorgerechnet.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage? — Bitte, Herr Abgeordneter Wehner!
Darf ich Sie fragen, Herr Kollege, ob Sie sich darüber klar sind, daß Sie die Mitträger dieser Politik waren, die ich in diesen hier zitierten Reden gegeißelt habe.
Herr Kollege Wehner, Sie haben in Ihrer Rede bei den Zitaten, die ich vorgelesen habe, ausdrücklich die CDU als Partei angesprochen.
— Herr Kollege Wehner, Sie dürfen unbesorgt sein, auf die Mitwirkung der FDP in der Verantwortung komme ich genauso zu sprechen wir auf Ihre Mitwirkung in der Verantwortung in dieser Koalition.
Herr Kollege Brandt hat dann am 17. Dezember 1966 erklärt: „Eine gescheiterte Politik ist abgelöst worden." Herr Wehner sagte am 8. Dezember 1966: „Die CDU/CSU, die 17 Jahre so getan hat, als habe sie diesen Staat in Erbpacht, war im Begriff, ihre Krise auf den Staat zu übertragen. Meine Damen und Herren, das war die Argumentation der heutigen Koalitionspartner bezüglich ihrer damaligen gegensätzlichen parteipolitischen Standpunkte.Wenn wir die politischen Vorgänge aus der damaligen zeit recht werten wollen, ist es wichtig, sich auch über die finanzielle, die wirtschaftspolitische Situation der damaligen Zeit zu unterhalten; denn nur dann kann man zu einem abgerundeten Bild kommen. Ich darf als Zeugen einen Mann anrufen, der damals in seiner Fraktion an einer entscheidenden Stelle saß und auch heute in seiner Fraktion, aber auch als Parlamentarischer Staatssekretär in einem Ministerium an einer entscheidenden Stelle sitzt, nämlich der Kollege Leicht, der am 9. Dezember 1965 im Plenum des Deutschen Bundestages erklärte:Der Finanzminister der vorigen Legislaturperiode,— auch von uns gestellt —Kollegen in diesem Hause, insbesondere Kollegen, die sich immer mit Haushalts- und Finanzfragen beschäftigen mußten, haben schonseit längerer Zeit warnend ihre Stimme erhoben. Sie warnten immer wieder davor, neue Ausgaben zu beschließen ...Es ist also eindeutig klar, daß wir immer zu denen gehört haben, die ,immer gesagt haben, es muß endlich Schluß sein mit einer Politik der Erhöhung der Ausgaben, wir müssen ganz radikal dazu übergehen, daß in diesem Staat eingespart wird, um die Stabilität der Währung zu garantieren.
— Meine Damen und Herren, ich möchte jetzt keine Zwischenfragen beantworten. Sie haben nachher Gelegenheit, Herr Kollege Wehner, hier das, was Sie fragen oder sagen wollen, in aller Offenheit vorzutragen.
Letztlich — und damit schließe ich die Zitate in dieser Richtung ab — hat der Kollege Müller-Hermann von der CDU-Fraktion in einem Artikel unter der Überschrift „Quo vadis CDU?" recht interessante Ausführungen gemacht, in denen u. a. hieß: „Ein besonderes Beispiel für die Haltung der CDU vor der Bundestagswahl des Jahres 1965 waren die Ausgabenbeschlüsse, mit denen die CDU die SPD einzuholen versuchte."
Meine Damen und Herren, ich glaube, das sind alles sehr unverdächtige Zeugen, mit deren Hilfe wir uns einmal vor unserem geistigen Auge vorstellen können, wie die Lage damals wirklich war.
— Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, ich weiß, daß Sie jetzt mit unserem Antrag zum 131 er-Gesetz kommen wollen.
- Aber, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, diese3- bis 400 Millionen
— Millionen, meine Damen und Herren — hätten wir mit Leichtigkeit
z. B. im Verteidigungshaushalt einsparen können.
-- Ich wußte, daß Sie darüber lachen würden. Aber es war doch Ihr Fraktionskollege Wienand, der in Übereinstimmung mit uns u. a. erklärt hat, daß man in diesem Haushalt allein 1,8 Milliarden DM einsparen könnte.
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DornSo einfach sollten Sie es sich nicht machen.
Herr Dorn hat erklärt, daß er keine Zwischenfragen mehr zulassen wolle.
Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, Sie sprechen nachher mit Sicherheit dazu,
und Sie werden schon als Erfüllungsgehilfe dieses Ministers hier Ihre Rede halten.
Meine Damen und Herren, wie sieht es nun aber in der augenblicklichen Situation in dieser Koalition aus? Der Fraktionsvorsitzende der Christlich-Demokratischen Union, Herr Barzel, sagte am 18. Dezember vergangenen Jahres:
Auch in einer Koalition mit der SPD wird die CDU an den Prinzipien festhalten, die sie bisher in der deutschen Politik vertreten hat.
Herr Blumenfeld ergänzte das mit dem hervorragenden Zitat:
Die CDU wird eher in die Opposition gehen als die Grundsätze ihrer Politik aufgeben.
Das, meine Damen und Herren, ist natürlich aus der Sicht der CDU/CSU-Fraktion völlig logisch. Das geht bis zur Rede des CSU-Parteivorsitzenden in Hannover, der erklärte:
Die Sozialdemokratie hat inzwischen eingesehen, daß unsere Politik richtig ist, und sie hat unsere Politik übernommen.
Meine Damen und Herren, Sie haben in den letzten Tagen mehrfach erklärt, wie glücklich Sie darüber seien, miteinander in dieser Koalition zu sitzen. Bei einem spürt man das ganz besonders, daß er mit der Regierungsbildung Kiesinger-Brandt erst so richtig auflebt: das ist der Innenminister dieser Regierungskoalition. Ein altes Anliegen von ihm konnte endlich realisiert werden. Wenn man seine Reden und Interviews, die ja sehr zahlreich sind, liest, kommt man zu der Überzeugung, daß es für ihn auch ein inneres Bedürfnis war, sich endlich zu dieser Koalition bekennen zu können.
Die Öffentlichkeitsarbeit für bestimmte Bereiche ist überhaupt ein großes Anliegen der Pressestelle seines Hauses und dieses Ministers. Die Pressestelle dieses Ministeriums arbeitet ohne Zweifel unter dem Leitsatz: Alles, was von der FDP geäußert wird, ist schlecht und muß verketzert werden. Dafür gibt es eine Fülle von Beispielen. In der letzten Plenarwoche vor den Pfingstferien haben die Kollegen Sänger, Schulze-Vorberg und ich erhebliche
Vorwürfe gegen die Arbeit dieses Ministers erhoben, als es um die Frage der Einrichtung der Pressekommission ging. In der Diktion waren sogar die Vorwürfe, die der Herr Kollege Schulze-Vorberg erhoben hat, noch härter als die, die ich hier erhoben habe. Antwort der Pressestelle des Bundesinnenministeriums: „Die ungerechtfertigten Angriffe des FDP-Abgeordneten Dorn werden auf das schärfste zurückgewiesen."
Die Äußerungen der beiden anderen wurden natürlich — des Sängers Höflichkeit! — verschwiegen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
„Dorns Kritik wird zurückgewiesen; sie enthält absurde Behauptungen und falsche Darstellungen in Fragen der Menschenrechtskonvention."Inzwischen hat sich, was diese Frage betrifft, nicht nur die Wissenschaftliche Abteilung in diesem Hohen Hause in einer juristischen Dokumentation eindeutig dazu geäußert, sondern auch der Bundesrat hat die Bedenken, die ich damals für meine politischen Freunde erhoben habe, durch seine Vertreter genauso geäußert. — Schweigen der Pressestelle dieses Hauses.Zum letztenmal ein Beispiel zu diesem Problem, das eine Auseinandersetzung betrifft, die in der Öffentlichkeit eine große Rolle gespielt hat. Ich meine die Auseinandersetzung über das Vorhandensein der Schubladengesetze. Die Diskussion wurde, wie wir uns alle noch erinnern, durch eine Veröffentlichung in Ostberlin ausgelöst. — Pressestelle Bundesinnenministerium und Bundesinnenminister selbst: Es gibt keine Schubladengesetze.Dann hat die SPD in der Fragestunde des Deutschen Bundestages versucht, diese Frage zu klären. Es wurde eine sogenannte Zwölferkommission eingesetzt, und der Inhalt der Unterlagen aus den Schubladen im Bundesinnenministerium wurde uns dann vorgetragen. Während dieser Beratung erklärte auch der Bundesinnenminister, daß das, was in Ostberlin veröffentlicht worden sei, tatsächlich zu einem großen Teil mit dem Inhalt seiner Schubladen übereinstimme. Das komme aber nur daher, daß ein Amtsbote seines Ministeriums diese Unterlagen fotografiert oder fotokopiert und sie dann im Wege des Landesverrats an Ostberlin weitergegeben habe; dieser Mann sei inzwischen zu, ich glaube, zehn Jahren Zuchthaus verurteilt worden.
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DornDann kam die Fallex-Übung. Nachher erklärten viele Teilnehmer — ich denke noch an die Kollegen Jahn und Benda und andere —, daß nun endlich Schluß mit der Geheimniskrämerei sein müsse und die Schubladengesetze auf den Tisch kommen sollten. „dpa" veröffentlichte am 21. Oktober — an dem Tag, an dem wir den Bunker wieder verließen —: Die Abgeordneten Jahn , Even (CDU) und Dorn (FDP) setzten sich vor der Bonner Presse dafür ein, wesentliche Teile der Schubladengesetze bereits (in normalen Zeiten vor dem Parlament zu verhandeln.dpa am 26. Oktober: Der Bundesinnenminister setzte sich übereinstimmend mit den Sprechern der Fraktionen dafür ein, bis auf wenige Ausnahmen die Schubladengesetze öffentlich erörtern zu lassen.Dann habe ich In einem Presseinterview erklärt, daß wir Freien Demokraten der Verabschiedung der Notstandsgesetzgebung nur dann unsere Zustimmung geben könnten, wenn die Schubladengesetze vorher auf den Beratungstisch des Deutschen Bundestages kämen. — Antwort des Bundesinnenministers: Es gibt gar keine Schubladengesetze,
Dorns Behauptungen sind falsch und unwahr. Und der Pressesprecher, Herr Lunke, erklärte: „Die Behauptung des FDP-Abgeordneten ist eine glatte Verleumdung."Wenn zwei dasselbe tun, ist es halt immer noch lange nicht dasselbe. So verurteilt und verketzert man uns, wenn wir uns zu Fragen äußern, die dieses Haus betreffen und die von allen Fraktionen bisher gleichwertig behandelt und gleichrangig beurteilt worden sind.Es ist nicht uninteressant, zu erfahren, was wohl der Bundesinnenminister sagen wird, wenn er hört, daß sein Kabinettskollege Minister Leber° am 8. April 1967 in Mainz erklärte: „Alles, was es an Schubladengesetzen gibt, wird auf den Tisch des Parlaments kommen." — Der Unterschied zu meiner Formulierung ist hier fast nur noch in Nuancen zu erkennen.Sogar der Kollege Schmitt-Vockenhausen hat einmal eine andere Meinung als Minister Lücke vertretreten,
als er am 24. Oktober 1966 gegenüber der „Frankfurter Rundschau" erklärte: Die SPD wird Lückes Vorstellung „erst Notstandsverfassung, dann Schubladengesetze" nicht folgen. — Alle, meine Damen und Herren, reden also von Schubladengesetzen, — nur wir dürfen es nicht.Aber es ist immerhin interessant, einmal zu erfahren, was dieser Bundesinnenminister selbst über diese Gesetze sagt. Auch dafür gibt es ein konkretes Beispiel. Interviewfreudig, wie er ist, hat er am 3. Mai 1966 der „Bildzeitung" ein Interview gegeben. Lassen Sie mich nur zwei Fragen und zwei Antworten daraus vorlesen:Bild: Gibt es geheime Gesetze für den Fall, daß die Alliierten von einem Tag auf den anderen wieder die Macht übernehmen?Lücke: Wenn nicht die Gewalt ganz an die Alliierten gehen soll, müssen wir die geheimen Schubladen öffnen.
Wir müssen längst vorbereitete einschränkende Gesetze mit Ermächtigung der Alliierten in Kraft setzen. Wir sind auf den Tag X vorbereitet. Hier im Innenministerium wird es keine Verlegenheitspause geben. Alles kann planmäßig im Rahmen der alliierten Vorbehalte für Notstandszeiten funktionieren.
Bild: Sind diese geheimen Vorlagen wirklich so einschneidend, daß Sie um den Bestand unserer Demokratie fürchten müssen?Lücke: Ich kann im einzelnen nicht darüber sprechen. Diejenigen, die diese Gesetze gesehen haben, waren etwas bleich.Nun, meine Damen und Herren, wenn wir so etwas sagen, ist das falsch, unwahr, und dann sind das Verleumdungen. Wenn der Minister das gleiche sagt, ist es natürlich die Stimme der Regierung. Oder wenn die anderen Minister etwas Ähnliches sagen, schweigt dieser Minister und schweigt seine Pressestelle. Wir fragen: Wie weit will dieser Minister eigentlich in der Verketzerung und in seinem blinden Haß gegen die Freien Demokraten noch gehen?
Und, meine Damen und Herren, wir sagen das sehr deutlich: Hier wird ein Geist spürbar, der Furchtbares ahnen läßt für den Fall,
daß er frei und in alleiniger Verantwortung in diesem Staate wirken könnte.Ja, das Problem ist noch viel tiefer, meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU, wie deutlich wird, wenn wir an die letzte Sitzung dieses Hauses vor den Pfingstferien denken, in der ich dem Innenminister vorgeworfen habe, daß er vor diesem Hause eine wahrheitswidrige Aussage gemacht hat. Der Innenminister hat das bestritten. Ich werde den Beweis für meine Behauptung führen:Bei der Beratung der Besoldungsgesetze des Jahres 1963 hat die FDP durch mich im Innenausschuß Herrn Ministerialrat Clemens aus dem Innenministerium nach Beendigung der letzten Ausschußsitzung vor der zweiten Lesung am 28. Juni 1963 gebeten, uns Formulierungshilfe für unseren Antrag über die Technikerzulage zu leisten. Ministerialrat Clemens sagte zu, mit ,dem Innenminister — damals Herrn Höcherl — zu sprechen, und teilte am 27. Juni mit, daß der Innenminister ihm nicht erlaubt habe, uns Formulierungshilfe zu geben. Wir haben daraufhin einen eigenen Entwurf angefertigt. Am 27. Juni, am gleichen Tage, an dem ich diese Informa-
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Dorntion bekam, habe ich mich dann mit dem Kollegen Gscheidle in Verbindung gesetzt, der in der Sache das gleiche beantragen und uns 'im Innenausschuß unterstützen wollte. Ich habe dem Kollegen Gscheidle die Situation vorgetragen, in der wir uns befanden. Wir beide haben dann gemeinsam den von uns erstellten Entwurf durchgesehen und kamen beide zu dem Ergebnis, daß unser Antrag in gewisser Hinsicht nicht die letzte gesetzestechnische Feinheit beinhaltete. Der Kollege Gscheidle sagte mir, daß er in Anbetracht dieser Situation seiner Fraktion am nächsten Tage leider nicht empfehlen könne, unserem Antrag zuzustimmen. Ich habe daraufhin mit dem Vorsitzenden meiner Fraktion gesprochen, und dieser versuchte am 28. Juni, am Tage der zweiten Lesung dieses Gesetzes, den Innenminister zu erreichen, um noch in letzter Stunde die Formulierungshilfe für eine Fraktion dieses Hauses zu erlangen. Der Innenminister war in seinem Hause nicht zu erreichen. Daraufhin habe ich noch einmal mit Ministerialrat Clemens Verbindung aufgenommen und bekam die gleiche Antwort.Am 28. Juni 1963 fand dann im Plenum die Diskussion darüber statt. Ich hatte hier die Auffassung vertreten, daß das Innenministerium doch eigentlich verpflichtet sein müßte, einer Fraktion oder einer Gruppe von Abgeordneten Formulierungshilfe zu leisten, und erhielt dafür laut Protokoll, nachdem die SPD mehrfach „Hört! Hört!" gerufen hatte, Beifall auf allen Seiten dieses Hauses.Der Innenminister Höcherl hat dann erklärt:Aber man sollte von Haus aus nicht behaupten, so 'etwas sei außergewöhnlich, daß wir nicht dazu beitragen, sozusagen unsere eigene Vorlage kaputtzumachen. — Das finde ich ganz und gar nicht außergewöhnlich, sondern menschlich und verständlich.Meine Damen und Herren, das ist seine Meinung. Aber ich habe mich in Gesprächen mit den Kollegen Gscheidle, Miessner und anderen Abgeordneten, bevor ich hier heute die Frage noch einmal aufwerfe, davon überzeugt, daß der Zeitablauf so und nicht anders gewesen ist und daß das, was der Innenminister hier in der letzten Sitzung noch vorgetragen hat, nicht mit der Wahrheit übereinstimmt.So sind wir also bei der Beraung der Probleme dieses Haushalts in einer schwierigen Lage, weil wir zwischen den Dingen, die dringend gelöst werden müßten und wo wir die notwendige Initiative dieses Ministers vermissen, und den Dingen, die in seinem Hause offenbar mit Verve bearbeitet werden, die aber nach unserer Meinung absolut nicht dringlich sind, unterscheiden müssen.Der Innenminister widmet sich fast ausschließlich seinem Hobby. Mir liegen 72 Erklärungen oder Interviews über das Wahlrecht vor. In einer Erklärung hat der Minister vorhin die Raumordnung als so dringend bezeichnet. Aber, meine Damen und Herren, es ist nicht uninteressant, auch einmal die Frage zu prüfen, ob die Raumordnungsabteilung unbedingt in diesem Hause sein muß, ob der Minister durch die Vielfalt der Aufgaben, die er sich da angesammelt hat, nicht einfach überfordert ist.Der Minister war, solange er Wohnungsbauminister war, völlig anderer Meinung. Da hatte er natürlich die Auffassung, daß diese Abteilung in sein Ressort, das Wohnungsbauministerium, gehörte. Als er dann das Innenministerium übernahm, konnte er sich davon aber nicht frei machen.
— Das kann ich im Moment nicht sagen.
— Das mag ja sein; denn in einem Land sind die Dinge im Rahmen der Kommunalverfassung und der kommunalen Gesetzgebung völlig anders strukturiert als die Raumordnungsfragen, die der Bund hat. Diese Aufgaben können Sie in dem Zusammenhang gar nicht miteinander vergleichen.
Wie ist nun die große Konzeption dieses Innenministers zur Raumordnung? Nach der Durchsicht seines Raumordnungsberichts läßt sich über vieles reden. Darin sind viele gute Ideen, nach unserer Auffassung auch manche schlechte Ideen. Aber uns interessiert natürlich seine Konzeption zur Raumordnung. Diese Konzeption hat er vor wenigen Wochen einmal sehr deutlich gemacht, als er eine Reise in eine Reihe von Gemeinden im Bergischen Land unternommen hatte. Dort hat er zur — wörtlich — Revolte gegen die Wichtigtuer und Irrlehrer in der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen, die sich mit Raumordnungsplänen befaßten, aufgerufen. Dieser Innenminister erklärte u. a.: „Man kann nicht einfach ganze Gemeinden auslöschen, nur weil ein paar Wichtigtuer mit Plänen daherkommen.
Er sagte: Ich verstehe etwas von der Sache, und ich bin nicht mit allen Maßnahmen von Düsseldorf einverstanden. Meine Damen und Herren, wer ist das? Von den Betroffenen sind viele damit nicht einverstanden. Aber es kommt doch darauf an, jetzt eine neue Konzeption über Jahre hinaus zu entwickeln, die lebensfähige Gemeinden und Städte in unserem Lande schafft und die Region neu ordnet. Aber was will dieser Minister? „Man darf nicht Strukturen ändern," so sagt er, „die in Jahrhunderten gewachsen sind. Das ist eine unglaubliche Sache, die mit Demokratie nichts zu tun hat. Daß eine Großgemeinde billiger zu verwalten sei, ist die größte Irrlehre."
— Nun, meine Damen und Herren, da gehen ja die Erfahrungen Gott sei Dank auseinander. Ich habe mir bis zum heutigen Tage immer noch meine kommunale Mitarbeit dadurch erhalten, daß ich auch einem Kreistag angehöre.Aber dieser Minister meinte dann zum Schluß zu der Bevölkerung, um sie erneut aufzumuntern, jetzt müsse endlich Bergisch gesprochen werden. — Ich habe mich bei vielen Parteifreunden aus dem Bergi-
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Dornschen Land erkundigt, was das eigentlich für eine Sprache sei. Einer sagte mir — und das war völlig neu für mich —: Das ist die Sprache, die Herrn Dufhues und die westfälische CDU veranlaßte, einen Gegenkandidaten in Braunschweig gegen ihn zu benennen.
Nun, vielleicht hängt es damit zusammen. Ich kann das nicht beurteilen, da ich nicht aus dem Bergischen Land komme. Er ist also weiterhin für die Kleinstgemeinde und für die dörfliche Abgeschiedenheit.
— Natürlich, Herr Kollege Brese, ich verstehe, daß Sie ihn in dieser Konzeption unterstützen.
Eine andere Frage, die er dringend lösen müßte, wäre die Erledigung des Verfassungsauftrags, das Bundesgebiet neu zu gliedern, damit endlich dieser Verfassungsbefehl des Art. 29 des Grundgesetzes verwirklicht wird und Bundesländer geschaffen werden, die unter Berücksichtigung der geschichtlichen und kulturellen Zusammenhänge, allerdings auch nach Größe und Leistungsfähigkeit, die ihnen obliegenden Aufgaben wirksam erfüllen können. Ich frage den Minister: Was geschieht hier? Sie, meine Damen und Herren, werden mit mir antworten: Leider nichts.Was ist mit dem Bund-Länder-Verhältnis auf dem. Gebiet der Bildungspolitik? Der Minister hat hier einige Ausführungen zur Notwendigkeit der Bildungspolitik gemacht. Nicht einmal in seinem eigenen Hause schafft er eine vernünftige Koordinierung. Aber dann sagt er — ein neues Problem auf den Beratungstisch bringend —: Das Staatskirchenrecht soll neu geordnet werden. Wir fragen ihn: Was soll das? Will er neue verfassungsrechtliche Konstruktionen schaffen?Wir fragen ihn: Wie hält er es eigentlich überhaupt mit dieser Verfassung? Dieser Verfassungsminister will mehr als 80 Verfassungsänderungen. Es gehe jetzt darum, so sagt er, unserem Grundgesetz, das sich noch im Taufkleid befinde, einen Maßanzug zu- schneidern. Nun, meine Damen und Herren, einen Maßanzug für diese Koalition? Einen Maßanzug für wen eigentlich? Weiß er nicht, daß ein Maßanzug ein Bekleidungsstück ist, in dem die Bewegungsfreiheit doch sehr, sehr eingeengt ist?
— Ich trage keinen Maßanzug.
— Nein, ich bin Gott sei Dank noch in der Lage, mir auch Anzüge von der Stange zu leisten.
Wir fragen uns: Was will er denn mit den Änderungswünschen zu der Verfassung? Da ist es ja nicht uninteressant, daß wir hier nicht nur sehr skeptisch sind, daß uns ein unangenehmes Gefühl beschleicht, wenn dieser Verfassungsminister dauernd von der Notwendigkeit einer vielfachen Änderung der Verfassung spricht.Meine Damen und Herren, auch der Bundesrat hat in einer seiner letzten Sitzungen in einer Entschließung u. a. folgendes erklärt:Gegenwärtig befindet sich eine Vielzahl von Änderungen und Ergänzungen des Grundgesetzes in der parlamentarischen und öffentlichen Erörterung. Die Rücksichtnahme auf den hohen Rang des Grundgesetzes verbietet es jedoch nach Auffassung des Bundesrates, das Grundgesetz allzu häufig zu ändern oder zu ergänzen. Außerdem ist darauf hinzuweisen, daß jede derartige gesetzgeberische Maßnahme die vom Grundgesetzgeber gewollte Ausgewogenheit des Verhältnisses zwischen dem Bund und den Ländern sowie zwischen den einzelnen Bundesorganen beeinträchtigt. Bevor in Zukunft dem Bundesrat Gesetze vorgelegt werden, die eine Änderung des Grundgesetzes zum Inhalt haben, soll von der Bundesregierung dem Bundesrat zunächst eine Gesamtkonzeption über die künftige Gestaltung des Grundgesetzes zugeleitet werden.Meine Damen und Herren, dem können wir nur zustimmen!
Und dabei hätte dieser Bundesinnenminister gute Gründe, mit den Ländervertretern andere Probleme dringend zu regeln, z. B. das der Regelung des Föderalismus oder das der Verbrechensbekämpfung. Nach Art. 73 Nr. 10 des Grundgesetzes hat der Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz über „die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in der Kriminalpolizei und in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes, die Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes sowie die internationale Verbrechensbekämpfung.Wer den Wirrwarr in der Verbrechensbekämpfung beklagt, darf dafür nicht in erster Linie den überspitzten Föderalismus, der natürlich mit schuldig ist, haftbar machen, sondern er muß auch danach fragen, was der Bundesminister des Innern mit den Möglichkeiten getan bzw. nicht getan hat, die das Grundgesetz dem Bund immerhin einräumt.
Im Bulletin der Bundesregierung liest man von Minister Lücke u. a.:Vor der Verwendung moderner datenverarbeitender Maschinen für spezifisch kriminalpolizeiliche Zwecke sind noch umfangreiche Grundlagenarbeiten zu leisten. Kurzfristige Erfolge können daher nicht erwartet werden. Dieser notwendige Vorbehalt ändert nichts daran, daß in enger Zusammenarbeit mit den Ländern intensive Bemühungen unternommen werden, um die Verwendung der Elektronik im Bereich der Kriminalpolizei zu ermöglichen.Dazu kann ich nur sagen, meine Damen und Herren,daß gerade das, was wir uns in der vergangenenWoche beim FBI und anderen Behörden in Amerika
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Dornangesehen haben, doch diametral entgegengesetzt zu dem steht, was bisher der Präsident des Bundeskriminalamtes in dieser Richtung von sich gegeben hat. Es läßt sich auch beim besten Willen bei einer solchen Einstellung nicht die Initiative erkennen, die erforderlich wäre, um unter Führung des Bundes mit den Ländern und Gemeinden neue Wege zur erfolgreichen Verbrechensbekämpfung zu gehen.Ein anderes Problem. Es wäre dringend notwendigund das ist heute morgen ja von Kollegen der SPD- und der CDU/CSU-Fraktion mehrfach angesprochen worden —, eine sinnvolle Regelung mit dem Auswärtigen Amt für die Planung bei Staatsbesuchen mit hohem Gefährdungsgrad der Besucher zu erreichen. Das stundenlange Sperren von Autobahnen und Stadtzentren ist volkswirtschaftlich einfach nicht vertretbar.
Ich kann mir vorstellen, daß es z. B. ohne Schwierigkeiten möglich wäre, auch die Staatsgäste mit Sonderzügen oder Flugzeugen oder Hubschraubern oder wie auch immer zu befördern, ohne daß stundenlange Sperrungen eintreten müssen. Bei dem Besuch des Schahs in Düsseldorf z. B. wäre es doch weiß Gott kein protokollwidriges Verhalten gewesen, wenn das Goldene Buch mit zum Empfang in das Schloß Benrath genommen worden wäre und der Schah sich dort eingetragen hätte,
anstatt die Innenstadt stundenlang zu blockieren. — Herr Kollege, mein Parteifreund Weyer hat darauf hingewiesen. Leider ist er mit seinen Vorstellungen beim Innenministerium des Bundes und beim Auswärtigen Amt nicht durchgedrungen. Das Protokoll hat anders entschieden. Daß es dann natürlich die Pflicht des Landesinnenministers ist, organisatorisch die polizeilichen Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen, das ist doch eine Frage, die mit der Sache und dem Anliegen, das ich hier vertrete, absolut nichts zu tun hat.
Ich will darauf verzichten, ein anderes Beispiel zu nennen, das noch makabrer ist. Aber ein Beispiel für eine besonders unsinnige Entscheidung in diesem Staat hat sich erst vor wenigen Wochen ereignet, als es um die Einrichtung der Pressekommission ging. Wir haben uns vor wenigen Wochen hier im Plenum darüber unterhalten, daß am 8. März das Kabinett die Einsetzung einer 15 er-Kommission in Berlin beschlossen hatte. Dann wurde monatelang nichts getan, obwohl die Michel-Kommission seit 1964 arbeitet und der deutsche Presserat 1966 eine eigene Kommission eingesetzt hatte. Es wurde dann in der Öffentlichkeit die Auffassung vertreten, daß hier eine völlig falsche Entscheidung getroffen worden sei. Diese Auffassung ist von fast allen Journalisten und von fast allen Presseorganen geteilt worden.Um so erfreulicher, meine Damen und Herren, war es für mich — und wir haben dem Kollegen Sänger damals in der Sitzung auch ein Kompliment gesagt —, daß die Minister der SPD in der darauf folgenden Kabinettssitzung diese Entscheidung des Bundesinnenministers durch eine andere Entscheidung rückgängig machten. Wir haben der SPD dafür gratuliert. Herr Sänger, leider kann ich diese Gratulation nicht aufrechterhalten. Denn in der nächsten Sitzung sind Ihre Mitglieder in der Regierung umgefallen und haben den anderen Beschluß wieder hergestellt.
Wir bedauern das außerordentlich.Auch in einem anderen Punkt ist hier in diesem Hause keine Klarheit geschaffen worden, obwohl sich die Sozialdemokraten und ein Kollege der CDU sehr darum bemüht haben, Klarheit zu bekommen, nämlich darüber, was dieser Innenminister eigentlich unternommen hatte, um ¡bei befreundeten Nationen Auskunft darüber zu erhalten, wie er in Krisenzeiten unliebsame Elemente in Lagern unterbringen könnte und ob in anderen Ländern darüber Bestimmungen vorhanden sind. Diese Frage ist trotz intensiver Bemühungen der beiden Fraktionen bis heute nicht völlig geklärt worden.
Zum Notstand wollen wir heute keine großen Ausführungen machen; denn wir werden uns in drei Wochen über diese Frage in diesem Hause ausführlich unterhalten. Mein Kollege Genscher und auch mein Fraktionsvorsitzender haben bereits darauf hingewiesen, daß die gesamte vorgelegte Gesetzeskonzeption trotz verschiedener Verbesserungen — allerdings auch mit entscheidenden Verschlechterungen — leider nicht den Geist einer freiheitlichen Regelung atmet.Für uns ist die Klärung einer anderen Frage wichtig, durch die nicht nur der Innenminister dieser Regierung, sondern leider auch sein Parlamentarischer Staatssekretär betroffen ist. Nach Abschluß der Übung Fallex 66 wurde ein Fraktionskollege von mir, der seinerzeit als Reservemajor eine Übung bei der Bundeswehr ableistete, in der Truppe von vorgesetzten Offizieren darauf angesprochen, warum die Parlamentarier eigentlich vor dem großen Eklat den Bunker verlassen hätten. Das veranlaßte ihn, diese Frage an mich weiterzugeben.Ich habe dann am 7. Dezember des vergangenen Jahres an den Herrn Innenminister einen Brief geschrieben, den ich ungefähr 6 Wochen später vom Verteidigungsminister auch beantwortet bekam. Der Brief hatte folgenden Wortlaut:Da die Teilnahme des Gemeinsamen Ausschusses bereits nach der ersten Phase der Stabsrahmenübung Fallex 66 beendet war, haben die Mitglieder dieses Ausschusses nichts mehr über den weiteren Verlauf der Übung erfahren. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir eine Darstellung über den Ablauf der weiteren Phasen dieser Übung geben könnten. Ich habe mir erlaubt, eine Bleichlautende Bitte an den Herrn Bundesminister der Verteidigung zu richten.Mit freundlichem Gruß
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juni 1967 5509
DornDa nach sechs Wochen noch keine Antwort bei uns vorlag, meine Damen und Herren, die Dinge aber inzwischen in der Öffentlichkeit diskutiert wurden, habe ich in einem Interview diese Frage erneut aufgegriffen. Daraufhin erklärte der Kollege Benda am 18. Januar 1967 im Plenum:Herr Kollege Dorn war an den Vorbesprechungen und an der ganzen Übung beteiligt. Er weiß — und ich sage das als Übungsvorsitzender des Gemeinsamen Ausschusses —, daß die Mitglieder der Bundesregierung vor der Übung erklärt haben und daß wir selber es alle erfahren haben: Der Gemeinsame Ausschuß nimmt vom Anfang bis zum Ende in vollem Umfang an dieser NATO-Übung teil. Wir haben praktisch als letzte den Bunker verlassen, und zu diesem Zeitpunkt war die NATO-Übung nicht nur für die Bundesrepublik, sondern innerhalb der NATO beendet. Das weiß der Kollege Dorn, und alle Vermutungen darüber, was hinterher geschehen ist, sind — ich ringe nach einem parlamentarischen Ausdruck — irrig und falsch. Ich behaupte, sie sind wider das bessere Wissen des Kollegen Dorn, der dabei war, falsch aufgestellt.Meine Damen und Herren, immerhin eine sehr klare und unmißverständliche Aussage.Allerdings erklärte der Bundesinnenminister am 21. Oktober, also sieben Tage vor Beendigung der Übung, als wir den Bunker verlassen hatten:Heute mittag um 11 Uhr endete ein wichtiger Abschnitt der Stabsrahmenübung Fallex 66 der NATO.Er sprach nicht vom Ende der Übung, sondern von einem wichtigen Abschnitt. Dann fuhr er fort:Die gesamte Übung findet, wie Sie wissen, inder Zeit vom 12. bis zum 28. Oktober statt.Also noch sieben Tage nach dem Auszug der Parlamentarier, meine Damen und Herren!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Übung Fallex 66 bestand aus drei Teilübungen, an deren erster Phase Sie als Angehöriger des Gemeinsamen Ausschusses teilgenommen haben.Meine Damen und Herren, wir fragen diesen Minister und seinen Parlamentarischen Staatssekretär, was sie eigentlich von einer solchen Information des Parlaments halten.
Um das Durcheinander der Meinungen zu diesem Komplex vollständig zu machen, gaben zwei Minister, die damals und heute dem Kabinett angehören, zwei völlig entgegengesetzte Erklärungen in der Sache ab. Bundesverteidigungsminister Kai-Uwe von Hassel wies darauf hin, daß die deutsche Seite auf das gesamte Drehbuch für den Übungsablauf keinen Einfluß gehabt habe. Die Übungslage sei ausschließlich von der NATO gegeben worden. Soweit der frühere Verteidigungsminister.Meine sehr verehrten Damen und Herren, was sagt der heutige Verteidigungsminister dazu? In seinem Brief vom 16. Januar an mich:Der erste Übungsteil— an dem die Parlamentarier teilnahmen —endete, einem Vorschlag der Bundesregierung entsprechend, mit einem Abwehrerfolg der NATO.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie lange will man eigentlich diesem Parlament in einer so entscheidenden Frage solch widersprechende Äußerungen zumuten und gleichzeitig für sich in Anspruch nehmen, eine neue Notstandsgesetzgebung, mit den Erfahrungen von Fallex ausgestattet, könnte hier beraten werden, ohne daß das Parlament über das informiert wird, was sich im Anschluß an unseren Auszug aus dem Bunker ereignet hat?
Lassen Sie mich nun zu dem Hobby dieses Innenministers kommen.
— Sehr viel angenehmere, Herr Kollege. Die haben nämlich etwas mit Musik und Literatur zu tun.
— Auch für moderne Musik, Herr Kollege Mengelkamp!
— Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, wir wissen ja, daß Sie einen besonderen Auftrag haben,
nämlich den Auftrag, Hilfestellung für diesen Minister zu geben. Wir beneiden Sie um diese Aufgabe wirklich nicht.
Nun, dieser Minister hat am 27. Dezember im Deutschland-Union-Dienst erklärt:Eine der wichtigsten Aufgaben der neuen Bundesregierung wird die Schaffung eines Wahlrechts sein, das klare parlamentarische Mehrheiten schafft.Auch heute hat er, allerdings schon sehr viel vorsichtiger — vielleicht hat er sich an die Beschlüsse der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden der Länderparlamente erinnert, die sich erst vor wenigen Tagen eindeutig gegen ein neues Wahlrecht für 1969 ausgesprochen haben —, die Frage des Übergangswahlrechts für das Jahr 1969 angesprochen. Und es ist immerhin ein nettes Aperçu, wenn wir daran denken, daß der Innenminister in dieser Frage völlig anderer Auffassung ist als sein Parlamentarischer
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5510 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juni 1967
Dorn Staatssekretär, der im Februar dieses Jahres vor der Evangelischen Akademie in Mülheim u. a. erklärte, daß er — —
— Ach, Herr Kollege Rasner, diese Frage ist doch zu billig. Wir kennen uns doch viel zu lange, um nicht zu wissen, was wir voneinander zu halten haben.
Herr Kollege Benda hat also in Mülheim erklärt, daß er für ein Übergangswahlrecht für das Jahr 1969 bei der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts absolut keine Chance sehe.Nun klang auch heute morgen wieder bei Herrn Innenminister Lücke der Gedanke an, daß der Wählerwille durch das Verhältniswahlrecht, durch den Zwang zur Bildung von Koalition verfälscht werden könnte. Kollege Schulze-Vorberg — er ist leider nicht mehr da — hat mir ja eine entsprechende Frage gestellt. Ich will sie auch beantworten.Es wurde gesagt, bei einem Mehrheitswahlrecht sei es nicht mehr nötig, Koalitionen zu bilden. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem man bis zum Jahre 1956 und dann wieder seit dem Jahre 1961 in diesem Hause mit Koalitionen regiert hat, ist es nicht uninteressant, daß man heute eine Koalition so als etwas Unanständiges oder in einer parlamentarischen Demokratie nicht Wünschenswertes hinstellt. Frage, meine Damen und Herren: War eigentlich die Zeit, in der die Christlich-Demokratische Union in diesem Hause die absolute Mehrheit hatte, das Idealbild einer parlamentarischen Demokratie?
Herr Abgeordneter Dorn, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Nein, Herr Präsident. Ich möchte jetzt zum Schluß kommen.
Ich frage, meine Damen und Herren: Wie ist das eigentlich mit dem Aufbau in diesem Staate gewesen? War es nicht ein glückliches Zusammengehen von Koalitionen, ganz gleich welcher parteilichen Zusammensetzung, in den Bundesländern und im Deutschen Bundestag, daß wir gemeinsam in Koalitionen diesen Staat demokratisch neu aufbauen und verfassungsrechtlich neu ordnen konnten?
War das etwas Schlechtes, daß wir Koalitionen gehabt haben?Ich meine, der Wählerwille des Jahres 1961 — und damit beantworte ich die Frage des Kollegen Schulze-Vorberg — war ja auch eine Antwort auf die bis dahin in diesem Hause vorhandene absolute Mehrheit der Christlich-Demokratischen Union. Die Menschen wollten kein absolute Mehrheit. Das war doch eindeutig das Ergebnis dieser Wahl.
Da kann man nicht nachher hingehen und sagen, das sei eine Verfälschung des Wählerwillens.Lassen Sie mich an dieser Stelle eines, das hintergründig immer eine Rolle spielt, auch sehr offen ansprechen. Es wird dann immer gesprochen und gemunkelt: Ja, aber der Einfluß des Koalitionspartners ist zu groß, er muß gemindert werden in der Personenzahl, in der Ressortzuständigkeit — und all die Fragen, die dann eine Rolle spielen. Nun, sowohl die CDU als auch die Sozialdemokraten sind, wenn sie die Freien Demokraten für eine Koalition gebrauchen konnten oder benötigten, selber im Angebot für eine Regierungsbeteiligung nicht immer so gewesen, daß sie heute sagen könnten: Das, was die FDP gefordert hat, war zu viel oder war maßlos.Der Innenminister und der Kollege Schmitt-Vockenhausen haben mehrfach von dem persönlichkeitsbildenden Wahlrecht" gesprochen, das sie brauchten. Ich habe bisher nicht gewußt, daß man Persönlichkeiten durch Wahlrecht bilden kann. Aber vielleicht gehört das — —
— Nein, nein, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, — —
— Nein, ich denke gar nicht an das Protokoll — —
— Herr Kollege-Schmitt- Vockenhausen, bisher habe ich mich immer bemüht, das, was ich gesagt habe, auch zu belegen.
Ich erinnere Sie jetzt nicht an die Friedrich-Naumann-Stiftung — das Protokoll kenne ich gar nicht —, sondern an unserer Beratung im Innenausschuß vor einigen Monaten, wo wir über die Frage der Änderung des Wahlrechts, die Frage der Nachwahlen und ähnliches gesprochen haben und Sie ausführten — in einer Rüge an die Vertreter des Innenministeriums —, Sie seien mit dem Innenminister der Meinung, daß das persönlichkeitsbildende Wahlrecht — —
— nein: persönlichkeitsbildende Wahlrecht — —
eigentlich andere Gründe hätte. — Meine Damen und Herren, auf das mehrheitsbildende Wahlrecht komme ich auch gleich zu sprechen. Sie müssen nur etwas Geduld mit mir haben.
— Mit mir natürlich! — Sie kommen, Herr Kollege Rasner, nicht daran vorbei, daß wir uns mit diesem Minister und seiner Konzeption politisch auseinandersetzen.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juni 1967 5511
DornZu der Vertretung des persönlichkeitsbildenden Wahlrechts hätten wir natürlich einen sehr konkreten Vorschlag zu machen. Wir würden dem Kollegen Schmitt-Vockenhausen vorschlagen, dann in Paderborn — oder, wenn das Schwierigkeiten mit Herrn Barzel bringt, in Vechta-Cloppenburg — zu kandidieren, und Herrn Lücke, in Gelsenkirchen zu kandidieren. Dann hätten nämlich beide vier Jahre Zeit, über den Wert dieses persönlichkeitsbildenden Wahlrechts nachzudenken.
Jetzt, meine sehr verehrten Damen und Herren, spricht man immer über das mehrheitsbildende Wahlrecht. Nun ist die Frage des mehrheitsbildenden Wahlrechts ja eine Frage der Betrachtung. Bei dem Wahlrecht, das wir zur Zeit — mit etwas Veränderung seit 1949 — haben, haben die Regierungsparteien in diesem Hause folgende Mehrheiten errungen: 1949 44 Mandate, 1953 129 Mandate, 1957 73 Mandate, 1961 116 Mandate, 1965 92 Mandate, und jetzt, meine Damen und Herren, haben Sie eine Mehrheit von 450 Mandaten. Ich frage Sie: wollen Sie uns wirklich noch erzählen, es ginge um ein mehrheitsbildendes Wahlrecht?Oder darf ich Sie daran erinnern, daß wir in den Bundesländern ungefähr ein gleiches Wahlrecht wie im Bund haben und daß bei diesem Verhältniswahlrecht in Bayern die CSU zweimal, in Nordrhein-Westfalen die CDU einmal, in Rheinland-Pfalz die CDU zweimal die absolute Mehrheit errungen hat und daß in Hamburg der Hamburg-Block 1953, in Bremen die Sozialdemokraten 1955, 1959, 1963, in Hamburg die Sozialdemokraten 1946, 1949, 1957, 1961, 1966 die absolute Mehrheit errungen haben, ebenso in Hessen, in Berlin — ich könnte das noch erheblich erweitern.Auch bei diesem Wahlrecht gibt es also genügend Möglichkeit — quod erat demonstrandum —, absolute Mehrheiten zu erreichen, wenn der Wählerwille so ausschlägt.
Nun wird gesagt — und das ist die Kehrseite —, das Mehrheitswahlrecht schaffe klare parlamentarische Mehrheiten. Das ist ein Zitat, das auch durch mehrmaliges Wiederholen nicht an Wahrheitsgehalt gewinnen kann. Denn Sie wissen doch alle, daß in England beim Mehrheitswahlrecht — die Labour Party hat ja lange darum zittern müssen — die Regierung eine Mehrheit von drei Mandaten hat, daß in Kanada trotz des Mehrheitswahlrechts jahrelang eine Minderheitsregierung regiert hat, daß in Frankreich bei einem verstärkten Mehrheitswahlrecht — nämlich mit der absoluten Mehrheit im ersten Wahlgang — eine Mehrheit von zwei Mandaten für die Regierungsparteien der Assemblée Nationale erreicht wurde.Was soll also dieses Gerede vom Mehrheitswahlrecht? Darum geht es auch gar nicht. Carlo Schmid hat einmal gesagt:Ein Wahlrecht hat ein Parlament zu produzieren. Dieses Parlament ist ein Instrument derPolitik. Es hat eine Regierung aus sich hervorzubringen. Diese Regierung muß sehen, wie sie mit dem Parlament, unter Umständen auch gegen das Parlament, wenn es sich unsinnig zeigen sollte, regieren kann.Man muß allerdings regieren wollen und regieren können, das ist das Entscheidende, und dabei ist es nicht so wichtig, welche Art von Wahlsystem man angewandt hat.
— .Ja, vorhin, als es darauf ankam, waren Sie nicht da, Herr Schulze-Vorberg. Friedrich Naumann hat zu dieser Frage auch in unserem Sinne eine sehr eindeutige Erklärung abgegeben. Wenn Sie Wert darauf legen, wird sie einer meiner Fraktionskollegen nachher expressis verbis vorlesen.
Der Innenminister dieser Regierung hat dann erklärt: Wenn die innenpolitische Stabilität auf lange Sicht und auf die Dauer nur dadurch zu erreichen ist, daß wir ein vernünftiges Wahlrecht einführen, das klare Mehrheiten schafft, so ist das wichtiger als die Pflege einer kleinen Partei, die sich nicht immer staatserhaltend verhalten hat. — Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieser Vorwurf kann nur einem negativen und geistlosen Urteilsvermögen entstammen,
das nicht in der Lage ist, die schöpferischen und dynamischen Kräfte des politischen Liberalismus zu begreifen.
Wir weisen diesen Vorwurf als in der Sache zu Unrecht erhoben zurück. Denn wir Freien Demokraten haben in diesem Staate den Beweis geliefert, daß wir damals mit die besten Vertreter in die Versammlung geschickt haben, um die Verfassung dieses Staates entscheidend mitzugestalten. Ich brauche nur drei Namen zu nennen: Theodor Heuß, Höpker-Aschoff und Thomas Dehler. Der Geist der Liberalen steckt mit in dieser Verfassung. Deswegen wehren wir uns so sehr dagegen, daß man hier so in dieser negativen Art vom Taufkleid, das überflüssig sei, und von der Notwendigkeit spricht, einen Maßanzug zu schneidern, von dem man nicht den Beweis erbringen kann, daß er auf das deutsche Volk maßgeschneidert sein wird.
Wir Freien Demokraten haben einen großen Anteil am Aufbau dieses Staates; ich habe das vorhin gesagt. Unsere Opposition gegen diese Regierung wird nicht die der Umarmung sein. Wir haben in diesen Tage klare Alternativen zur Regierungspolitik aufgezeigt.
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5512 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juni 1967
Dorn— Sie kommen doch nicht daran vorbei, ernsthaftgespürt zu haben, daß hier erstmals wieder eineparlamentarische Opposition wirksam geworden ist,
wie wir sie in den letzten sechs Jahren nicht mehr gekannt haben.
Herr Kollege Dorn, gestatten Sie eine Bemerkung des Präsidenten. Sie sprechen jetzt 75 Minuten. Der § 39 der Geschäftsordnung sagt: - Der einzelne Redner soll nicht länger als eine Stunde sprechen. Darf ich Sie bitten, bald zu schließen.
Ich bin in drei Minuten fertig, Herr Präsident.
Wir Freien Demokraten werden keine bequemen Mahner sein. Aber wir bekennen uns eindeutig zur politischen Erneuerung in unserem Volk. Was wir brauchen — da stimme ich mit Adolf Arndt voll überein —, ist nicht in erster Linie das Staatsbewußtsein, das Innenminister Lücke vorhin wiederum herausgestellt hat, sondern das Verfassungsbewußtsein der Bürger in diesem Staate.
Das Parlament muß die Stätte der Freiheit und ihre Garantie zugleich sein.
Es hat die politischen Grundauffassungen unseres Volkes zu repräsentieren. Wir Freien Demokraten sind zur parlamentarischen Auseinandersetzung bereit, um den besten Weg für unser Volk in eine friedvolle Zukunft mit suchen zu helfen.
Aber, meine Damen und Herren, bei diesem Minister der Regierung Kiesinger-Brandt kommt für uns mehr an Belastungen zusammen, als freiheitliche Menschen verkraften können.
Er will in mehr als 80 Fällen das Grundgesetz ändern. Er will die Notstandsverfassung verabschiedet haben und dann erst einen Teil der Schubladen öffnen. Er will wissen, ob bei anderen Nationen gesetzliche Bestimmungen bestehen über die Einrichtung von Lagern für Unzuverlässige im Notstandsfall. Er will das Wahlrecht manipulieren, und er will damit die parlamentarische Vernichtung der Liberalen als sein politisches Endziel erreichen.
Dieser Minister besitzt nicht unser Vertrauen. Wir lehnen seinen Haushalt ab.
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Aus
Ihrer Rede, Herr Kollege Dorn, klang die nackte Existenzangst.
Ihre Argumente bewegten sich so sehr zwischen Wahrheit und Unwahrheit, daß es mir schwerfällt, unter Wahrung des parlamentarischen Stils Ihnen die gebührende Antwort zu geben.
Sie können einen Minister in der Sache kritisieren. Das ist Ihre Aufgabe und Pflicht als Opposition; aber berufen Sie doch nicht große Demokraten wie Theodor Heuss und Herrn Wildermuth als Zeugen für eine Opposition, die sich dieses Namens geschämt hätten, wenn sie in diesem Zusammenhang genannt worden wären.
Herr Kollege Dorn, Sie haben kein Wort dafür gefunden, daß es bei der Frage des Wahlrechtes nicht um die Frage einer Partei geht,
sondern um das Wohl des Staates,
und Ihre unqualifizierten Angriffe gegen den Innenminister zeigen mir, wie sehr Sie sich fürchten, wie sehr Ihnen die Interessen Ihrer Partei am Herzen liegen und wie sehr Sie gewillt sind, weiterhin die Interessen Ihrer Partei vor das Wohl des Staates zu stellen.
Herr Abgeordneter Dorn, Sie haben wiederholt die Unwahrheit gesagt.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Keine Fragen! — Sie haben wiederholt die Unwahrheit gesagt, so daß ich aus meiner Antwort, die ich damals im Bundestag auf Ihre ungeheuerliche Behauptung gegeben habe, folgendes zitieren will:Sie haben damals behauptet, der Bundesminister des Innern habe sich damals geweigert, Formulierungshilfe zu geben. Ich bedaure, daß Sie diese Erklärung hier abgegeben haben. Ich weise sie mit Entschiedenheit zurück. Damals, also zur Zeit meines verehrten Vorgängers, hat sich folgender Vorgang abgespielt. Einen Tag vor den Beratungen oder — das kann ich hier im Moment nicht feststellen — während der Beratungen zur zweiten und dritten Lesung ist eine solche Formulierungshilfe von Ihnen gewünscht worden. Sie konnte wegen der Kürze der Zeit nicht erfolgen.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juni 1967 5513
Bundesminister Lücke Das ist der Tatbestand,
und diesen Tatbestand halte ich aufrecht.
Ihre erneuerte Feststellung, daß ich die Unwahrheit gesagt hätte, weise ich als eine bewußte Verleumdung zurück.
Meine Damen und Herren, mein Parlamentarischer Staatssekretär wird in seiner damaligen Eigenschaft als Präsident des Bundestages bei der Übung Fallex oder in seiner heutigen Eigenschaft als Parlamentarischer Staatssekretär zu den schwierigen Fragen, die Herr Kollege Dorn hier angeschnitten hat, im einzelnen Stellung nehmen. Was ich bedaure, ist, daß die gemeinsam veranstaltete Übung Fallex 1966 in dieser Form vor dem Hohen Hause diskutiert wird.
Hier sind Sicherheitsfragen ersten Ranges angesprochen; das weiß jedes Kind in Deutschland. Sie waren Mitglied der Kommission, Herr Dorn; Sie waren Mitglied des Zwölferrates. Sie wissen über alles Bescheid und haben dennoch die Sache in dieser Form hier angesprochen. Ich bedaure das außerordentlich.
Herr Kollege Dorn hat wiederum die Geschichte mit den Schubladengesetzen angeschnitten. Ich wiederhole, es gab keine „Schubladengesetze".
Es hat sie nie gegeben. Es hat immer nur Entwürfe gegeben.
— Verzeihen Sie, das ist doch, wenn Sie alle Protokolle über Ihre eigenen Behauptungen nachlesen, sonnenklar.
Daß aber nun wenige Tage vor der ersten Lesung der Notstandsverfassung, in der die Gesetze hier vorgelegt werden, diese Behauptungen wieder aufgestellt werden und man sich dabei auf Herrn Norden als den Mann bezieht, der die Informationen liefert, spricht für sich.Ich bedaure auch, daß Sie hier wiederum Verwirrung dadurch stiften, daß Sie jenen bedauerlichen Vorfall aus der Zeit meines verehrten Amtsvorgängers Dr. Schröder, nämlich den bedauerlichen Spionagevorfall, angeführt haben. Es erschien doch so, als ob dies unter der Ministerschaft Lückes geschehen sei. Bei jenem Vorfall, der fast zehn Jahre zurückliegt, hat ein Amtsbote Photokopien angefertigt und sie der Zone ausgeliefert. Er wurde wegen Spionage zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt. Aus diesen Photokopien hat Herr Norden eine Reihe der Angriffe gegen uns gestartet. Ich wiederhole das und bedaure, daß Sie den Fall trotz aller Klarstellungen und Richtigstellungen, die in der Zwischenzeit erfolgt sind, heute wieder frisch aufgewärmt haben.Herr Kollege Dorn, es ist Ihr gutes Recht, die Pressestelle eines Ministeriums anzugreifen. Nicht so ganz in Ordnung finde ich, daß Sie meinen verehrten Leiter der Pressestelle namentlich angreifen. Ein Beamter kann sich nicht wehren. Wir sollten diese Übung nicht zur Regel werden lassen.
Wenn Sie etwas kritisieren wollen, — hier steht der Minister, der ist dafür verantwortlich. Im übrigen kann ich Ihnen sagen, daß ich meiner Pressestelle und meinen Mitarbeitern besonders dankbar dafür bin, daß sie Tag und Nacht bemüht sind, unsere Politik so zu verkaufen, daß sie jedermann versteht.
Sie haben eine Geschichte aus meinem Wahlkreis angesprochen — auch das ist Ihr gutes Recht —, und Sie haben sich dabei auf das schwierige Gebiet der Raumordnung begeben. Ich bin leider gezwungen — Herr Präsident, ich bitte um Entschuldigung —, wegen der Bedeutung dieser Frage einige erläuternde Bemerkungen zu machen. Vielleicht lese ich Ihnen die Richtigstellung auf einen polemischen Artikel in einer Lokalzeitung vor, der das beinhaltet, was geschehen ist: Reform mit dem Bürger. Ich habe in dieser Versammlung an einem Sonntagmorgen ausgeführt:Zunächst geht nicht der „Innenminister über die Dörfer" — wie Sie sich in Ihrer reißerischen Schlagzeile in Ihrer Ausgabe vom 9. Mai 1967 auszudrücken belieben —, die Kleinen zur Revolte aufzuhetzen, sondern der Bundestagsabgeordnete Lücke hält Versammlungen in seinem Wahlkreis ab. Das ist seine Pflicht, das geschieht regelmäßig seit 18 Jahren. Daß dabei Fragen, die die Bürger und Wähler interessieren, angesprochen werden, ist selbstverständlich. Nichts anderes ist in den Versammlungen der letzten Wochen in Wipperfeld, Hohkeppel, Bergisch Gladbach, Porz, Odenthal, Bensberg und Wipperfürth geschehen. Wenn die Berichterstatterin diese Versammlungen besucht und meine Arbeit auf dem Gebiete der Raumordnung, Gemeindefinanzreform, Verwaltungs- und Gebietsreform besser kennen würde, hätte sie diesem Bericht und dieser Glosse eine andere Überschrift gegeben.Was will ich?1. Daß derartige grundlegende Fragen mit den Bürgern eingehend und gründlich diskutiert werden, bevor entschieden und verordnet wird. Darum meine auch in Wipperfeld wiederholte Ankündigung, daß die wichtige Frage der Verwaltungs- und Gebietsreform in der Kommunalpolitischen Vereinigung der ChristlichDemokratischen Union ...
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5514 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juni 1967
Bundesminister Lückeim einzelnen zu besprechen seien.Ich habe erklärt, daß solche Reformen dem Wohl des Bürgers, seiner Familie dienen müßten, daß dies die Leitlinie dieser Politik sein müsse.Nun haben Sie vorhin gerufen, Herr Kollege Weyer verstehe von der Sache mehr. Ich darf Ihnen einen Brief des Herrn Innenministers, meines verehrten Kollegen Weyer, verlesen — einen Teil jedenfalls —, den er mir von sich aus am 31. Mai 1967 auf Grund dieser üblen Glosse und der entstellten Darstellung in dieser Versammlung schrieb. Er schreibt:Sehr geehrter Herr Kollege!Ihr Leserbrief im „Kölner Stadtanzeiger" vom 10. Mai 1967, mit dem Sie einer recht polemischen Darstellung der Zeitung vom 9. Mai zur kommunalen Neugliederung im Land Nordrhein-Westfalen entgegentreten, veranlaßt mich zu einigen ergänzenden Bemerkungen.Zunächst freue ich mich, daß Sie den Gedanken einer kommunalen Gebietsreform unter der Bevölkerung des rheinisch-bergischen Kreises— das ist mein Wahlkreis und meine Heimat —in Ihren Wählerversammlungen mit, wie mir scheint, wachsendem Erfolg verbreiten. In der Tat ist eine eingehende Unterrichtung der Gemeindeeinwohner und eine intensive und gründliche Diskussion mit den Bürgern am ehesten geeignet, die vielfach noch bestehenden Vorbehalte gegen eine Veränderung kommunaler Grenzen nach und nach abzubauen.
Ich stimme Ihnen auch zu, daß alle Verwaltungsreformmaßnahmen dem Wohle des Bürgers und seiner Bedürfnisse zu dienen haben. Es trifft nicht zu ...Dann kommen eine Reihe anderer Erläuterungen, mit denen der Herr Kollege Weyer in völliger Übereinstimmung mit der von mir vertretenen Politik die Sache zurechtrückt, weil der Kollege Weyer auf diesem Gebiet wirklich ein Fachmann ist. Er wird sich für Ihre heutige Unterstützung sicherlich nicht sehr bedanken, wenn er davon erfährt.Meine Damen und Herren, für den weiteren Verlauf der Beratungen bitte ich, meinen Parlamentarischen Staatssekretär zu hören, der die massiven Angriffe des Kollegen Dorn richtigstellen wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Mende.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Wesen des Parlamentarismus ist die harte geistige Auseinandersetzung von Argument und Gegenargument mit dem Ziel, die relativ richtige Lösung für die demokratisch-politische Ordnung zu finden. Der Herr Bundesinnenminister hat zwei schwere Vorwürfe erhoben. Der erste Vorwurf gipfelt in der Feststellung, daß der Abgeordnete der Freien Demokraten Dorn hier wider besseres Wissen verleumderische Behauptungen aufgestellt habe. Wie schwer dieser Vorwurf ist, ergibt sich schon. aus Art. 46 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes, wonach verleumderische Beleidigungen ausdrücklich vom Schutz der Immunität und Indemnität ausgenommen sind. Ich glaube, daß es der Würde und Ordnung dieses Hauses, aber auch dem Klima politisch-parlamentarischer Auseinandersetzungen mit der Opposition entsprechen würde, wenn der Herr Präsident und der Ältestenrat die wechselseitig erhobenen Vorwürfe überprüften. Ich stelle hiermit den Antrag, zu prüfen, ob die Behauptung des Innenministers zutrifft, daß der Abgeordnete Dorn hier in diesem Hause verleumderische Feststellungen getroffen habe.
Es liegt mir, Herr Bundesinnenminister, wie Sie wissen, sehr daran, auch bei scharfen sachlichen Gegensätzen zwischen der parlamentarischen Opposition einerseits und der Regierung Kiesinger-Brandt und der sie tragenden Koalition andererseits jenes Klima zu erhalten, das allein geeignet ist, die parlamentarische Demokratie in Deutschland auf lange Sicht lebensfähig zu erhalten. Wenn das nämlich nicht geschieht, arbeiten wir Kräften in die Hand, die wir nicht gern in diesem Haus — auf dem einen oder anderen Flügel — sehen möchten.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Nein, ich darf noch den zweiten Punkt vortragen. Dann können Sie sprechen, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen.Die zweite Feststellung, die ich hier im Namen der Freien Demokratischen Partei treffen muß, ist, Herr Bundesinnenminister, daß die Wertung, der Sprecher der Freien Demokratischen Partei habe die Partei über den Staat gestellt, einer näheren Prüfung unter dem Gesichtspunkt bedarf, was das Wesen des demokratischen Rechtsstaates und die Funktion der Parteien in unserem demokratischen Rechtsstaat ist.
Wir, die wir uns eine parlamentarische Ordnung und ein Grundgesetz gegeben haben — die Freien Demokraten haben daran sehr verantwortungsbewußt mitgearbeitet —, verstehen diesen Staat nicht abstrakt, sondern wir sehen den konkreten Inhalt dieses Staates, wie er in unserer verfassungsrechtlichen Ordnung statuiert ist. Staat ist auch in Griechenland vorhanden, wo man in einer Nacht Mitglieder von Parlament, Parteien und Gewerkschaften in die berüchtigte Schutzhaft abgeführt hat.
Für uns ist der Staat, für den wir hier zu arbeitenverpflichtet sind, identisch mit dem demokratischenRechtsstaat, und in ihm haben gemäß Art. 21 des
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juni 1967 5515
Dr. MendeGrundgesetzes die politischen Parteien eine bestimmte Funktion. Herr Bundesinnenminister, Sie sollten eine Partei, die aus ihrer Überzeugung heraus Wahlrechtsmanipulationen entgegentritt, nicht in die Nähe staatsgefährdender Institutionen bringen. Ich verwahre mich gegen die Einschätzung meiner Partei durch diese Feststellung im Deutschen Bundestag.
Meine Damen und Herren, die Reden, die wir in den letzten Stunden gehört haben, waren eine harte Auseinandersetzung. Herr Dr. Mende hat eine Äußerung des Innenministers als außerhalb des parlamentarisch Zulässigen beanstandet. Ich werde an Hand des Protokolls prüfen, ob der Präsident einzuschreiten Grund hatte.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Benda.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Mende hat sich in seinen Ausführungen eben für das Prinzip einer harten geistigen Auseinandersetzung ausgesprochen. Ich bin sehr dafür, Herr Kollege Dr. Mende. Ich bin in der Lage, zu dem Thema, das Sie hier in bezug auf die Person des Herrn Bundesinnenminister Lücke behandelt haben, eine Variation zu liefern, die sich auf meine Person bezieht, nicht weil ich meine Person in diesem Zusammenhang für so wichtig halte, sondern weil es Herr Kollege Dorn für richtig gehalten hat, mich persönlich in einer Reihe von Eigenschaften, in denen ich tätig gewesen bin und mich geäußert habe. in einer Form anzugreifen — Herr Kollege Mende, Sie haben es ja wohl mitverfolgt —, von der ich glaube, um es' einmal mit Ihren Worten auszudrücken, daß die Auseinandersetzung eher hart als geistig war.
Ich möchte darauf verzichten, mich nun gegen persönliche Vorwürfe zu verwahren, und möchte von mir aus überhaupt nicht darauf eingehen, wie das, was Herr Kollege Dorn hier ausgeführt hat, zu bewerten ist, sondern mich darauf beschränken, zu sagen, wie die Fakten sind, und die Fakten dem gegenüberstellen, was Herr Kollege Dorn hier gesagt hat.
Herr Kollege Dorn hat im ersten Teil seiner Ausführungen etwas gesagt, wozu ich eine Bemerkung machen muß. Ich erwähne es nicht deshalb, weil es sich auf mich bezieht. Es bezog sich auf eine angebliche Äußerung des Herrn Minister Lücke, aber sie betrifft die gleiche Materie, mit der ich mich in anderem Zusammenhang zu beschäftigen habe.
Herr Kollege Dorn hat aus der Aktuellen Stunde dieses Hohen Hauses vom 18. Januar 1967 zitiert, wonach seine Behauptung hinsichtlich des von der Sowjetzone veröffentlichten Materials über die sogenannten Schubladengesetze angeblich durch den Herrn Bundesminister Lücke bestätigt worden sei. Ich darf mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten aus dem Protokoll der Sitzung belegen, daß Herr Minister Lücke in dieser Sitzung das genaue Gegenteil von dem gesagt hat, was Herr Kollege Dorn heute vorgetragen hat. Herr Minister Lücke hat gesagt — das steht auf Seite 3933 des Stenographischen Berichts; dabei hat er Sie, Herr Kollege Dorn, noch persönlich angesprochen —:
Herr Kollege Dorn, Sie wissen aus den Vorgesprächen genau, daß es sich hier um Material handelt, das ein Spion, ein ehemaliger Angestellter des Innenministeriums, Knipp, an die Sowjetzone verkauft hat. Er hat dafür zehn Jahre Zuchthaus bekommen.
— Darf ich einmal in Ruhe ausreden? Wir werden es sofort vergleichen können. — Jetzt kommt der Satz:
Dieses Material hat mit den sogenannten Schubladengesetzen nicht nur nicht das geringste zu tun; in den Schubladen existieren nur Entwürfe, die sich im Rahmen der Notstandsverfassung halten, soweit sie der Rechtsausschuß bisher diskutiert hat.
Was darin steht, Herr Kollege Dorn, wissen Sie; denn wir haben dieses Material im Bunker bei Fallex gehabt. Das wissen Sie ganz genau.
Ich bin recht erstaunt — diese Wertung sei mir erlaubt —, daß Sie hier Vermutungen über den Inhalt der Entwürfe anstellen, obwohl Sie ganz genau wissen, daß etwas ganz anderes darin steht, jedenfalls nicht das, was die Sowjetzone propagandistisch verbreitet.
Sie haben dann in anderem Zusammenhang, Herr Kollege Dorn — —
Herr Fellermaier möchte eine Zwischenfrage stellen.
Bitte schön!
Herr Kollege Benda, darf ich Sie in Ihrer Eigenschaft als seinerzeitiger Vorsitzender des Übungs-Ausschusses fragen, ob Ihnen in Erinnerung ist, daß in der Vorbesprechung im Bundeshaus oder nachher im Bunker der Kollege Dorn in irgendeiner Art und Weise sein Mißfallen gegen die Entwürfe ausgedrückt hat, die dann Gegenstand der Tätigkeit des Gemeinsamen Ausschusses im Bunker waren.
Na ja, ich weiß nicht. Sie waren heute ein bißchen deutlicher, Herr Dorn. Ich würde Ihnen aber sagen, Herr Kollege, die Frage mag im Augenblick auf sich beruhen; denn wir sind im Verlauf dieser Übung an sich davon ausgegangen, daß wir die Diskussion über Inhalt und mögliche Problematik einzelner Bestimmungen der Entwürfe nicht an dieser Stelle führen wollten. Das ist also nicht so ganz unser Thema, das uns damals bewegt hat. Insofern würde ich für meine Person aus
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5516 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juni 1967
BendaAusführungen oder aus einem Schweigen des Kollegen Dorn von damals keine besonderen Folgerungen für unsere heutige Diskussion ziehen. Lassen wir es im Augenblick einmal dabei! Ich glaube nicht, daß uns die Behandlung dieses Punktes jetzt wesentlich weiterbringt in Erkenntnis dessen, was nun wirklich war.Nun aber ein anderer Punkt. Herr Kollege Dorn hat wieder diese bekannten Pressenachrichten vorgebracht, nach denen bestimmte Stellen der Bundesregierung sich bei befreundeten Regierungen nach den dort vorgesehenen Maßnahmen zur Einrichtung von Internierungs- oder Konzentrationslagern im Bedarfsfall erkundigt haben sollen. Sie haben Ihrem Erstaunen darüber Ausdruck gegeben, daß dieser Punkt offengeblieben ist, daß man trotz vielfacher Bemühungen noch nicht wisse, was damit geschehen sei. Ich darf insoweit das amtliche Protokoll dieses Hauses vom 19. Januar 1967 zitieren. An dem Tag ist nämlich in der Fragestunde dieses Hauses diese Frage nicht nur gestellt, sondern auch beantwortet worden, und zwar sehr ausführlich durch den Herrn Staatssekretär Professor Dr. Ernst im Bundesinnenministerium. Ich nehme an, daß ich das jetzt nicht alles verlesen muß. Ihnen stehen natürlich die Berichte zur Verfügung. Notfalls stehen sie Ihnen hier sofort zur Verfügung. Aus dem Protokoll ergibt sich ganz klar, wie die Dinge gewesen sind. Nachdem Sie die Materie angesprochen haben, darf ich doch den wesentlichen Inhalt hier noch einmal zitieren, damit der von Ihnen verbreitete Eindruck von der Sache hier nicht hängenbleibt.Es ist damals vom Bundesministerium des Innern als der zuständigen Stelle innerhalb der Bundesregierung bei den anderen Ressorts darum gebeten worden, sich nach vergleichbaren Regelungen zur Gesamtproblematik der Notstandsverfassung in anderen Ländern zu erkundigen. Es gibt ja rechtsvergleichendes Material, und Sie wissen, daß dieses rechtsvergleichende Material Erkenntnisse liefern kann. Es ist von vornherein weder sinnlos noch verboten, sich nach den Regeln in anderen Ländern zu erkundigen.
Dann hat eine bestimmte Stelle das zum Anlaß genommen, sich bei anderen Ländern nach dieser Spezialfrage neben anderen Fragen zu erkundigen, aber doch nicht, Herr Kollege Dorn — darüber sind wir uns doch hoffentlich einig —, weil man einen irgendwie begründeten Verdacht haben könnte, daß wir uns etwa Vorbilder in anderen Ländern für eine derartige Regelung suchen sollen, sondern um doch im Gegenteil zu zeigen, wieviel einschneidendere und wieviel unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten problematischere Regelungen eine Reihe von anderen Ländern im Vergleich zu dem haben, was uns in Entwürfen vorliegt.
Daß dann mit einem gewissen Augenzwinkern der Bundesregierung bestimmte Absichten unterstellt werden, ist eine Sache, deren Bewertung ich hier nicht vornehmen, sondern der Beurteilung durch das Hohe Haus überlassen möchte.Herr Kollege Dorn, Sie haben weiterhin mich persönlich in einer recht massiven Form angesprochen und angegriffen in der Frage: Wann ist die Übung Fallex zu Ende gegangen, und was ist hinterher gewesen? Ich darf zunächst einmal folgendes sagen. — Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie jetzt zuhören würden, Herr Kollege Dorn; denn ich nehme an, daß Sie meine Stellungnahme zu Ihren Vorwürfen interessiert.
Da Sie offenbar bereit- sind, auf diesem Punkt zu insistieren, scheint dies ein wichtiger Punkt zu sein. Ich hoffe, daß es nun endlich einmal gelingt, ihn zu klären. Allerdings — das muß ich in diesem Zusammenhang sagen — haben Sie, Herr Kollege Dorn, im Januar dieses Jahres einen Brief vom Bundesinnenministerium bekommen, versehen mit der Unterschrift des Herrn Ministers. Sie haben damit schon die Aufklärung in vollem Umfang erhalten. Ich bin sehr erstaunt, daß Sie heute hier erneut gegenteilige Behauptungen aufstellen.
Ich habe die Abschrift hier, Herr Kollege Dorn. Wenn Sie sagen, Sie hätten den Brief nicht bekommen, so bin ich gern bereit, in anderer Eigenschaft als in der, in der ich jetzt spreche, nachzuprüfen, wie das damit ist.
— Darüber können wir uns nachher gern unterhalten. Ich habe also die Unterlagen des Innenministeriums hier, aus denen sich ergibt, daß und wann der Brief an Sie abgeschickt worden ist. Hoffentlich ist nachher nicht der Herr Bundespostminister schuld; aber das kann ich mir eigentlich kaum vorstellen.Nun wiederhole ich folgendes, Herr Kollege Dorn, wobei ich aber darauf hinweisen muß, daß alles, was ich jetzt sage, schon einmal den Mitgliedern des Gemeinsamen Ausschusses im Verlauf der Übung Fallex, in der sogenannten Vorübung, mitgeteilt worden ist. Das geschah in Ihrer Anwesenheit, Herr Kollege Dorn. Ich bin deshalb mehr als erstaunt darüber, daß Sie offenbar immer noch nicht wissen, daß in der Zeit vom 17. bis 21. Oktober eine Übung unter dem Stichwort „Top Gear" stattgefunden hat, an der der Gemeinsame Ausschuß teilgenommen hat. Vorher war die bekannte Vorübung hier im Bundeshaus, zu der auch die Besprechung der Ausgangslage und all die anderen Dinge gehörten, die ich soeben schon genannt habe. Wir haben — ich wiederhole das, was ich vor diesem Hohen Hause in der von Ihnen vorhin zutreffend zitierten Weise gesagt habe — mit als letzte die Übung am 21. Oktober im Bunker verlassen. Die Übung war damit beendet. In der Zeit vom 21. bis zum 23. Oktober hat unter dem Stichwort „Jolly Roger" eine Übung stattgefunden, die in der Ausgangslage und hinsichtlich der Zahl der Teilnehmer ganz anders angelegt war. Ihr Erstaunen, Herr Kollege Dorn, das Sie jetzt demonstrieren, ist für mich höchst verwunderlich; denn das ist Ihnen bekannt gewesen, das haben wir alles — ich wiederhole es — in der Vorübung vor
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Bendaversammelter Mannschaft in Ihrer Gegenwart vorgetragen.
Diese dreitägige Übung, die mit der Übung, von der ich eben gesprochen habe und an der Sie das Vergnügen oder die Last hatten teilzunehmen, nicht das geringste zu tun hatte, hatte die Aufgabe, das Funktionieren bestimmter militärischer und ziviler Meldezentralen und einiger Luftschutzwarnämter zu erproben. Sie mußte dafür natürlich von einer bestimmten übungsmäßig vorgegebenen Lage ausgehen. Das war also eine Erprobung des Alarmnetzes des Luftschutzes im zivilen und militärischen Bereich, eine Sache, die mit unserer eigentlichen Übung, ich wiederhole es, überhaupt nichts zu tun hat.In der Zeit vom 25. bis 28. 10. schließlich hat unter dem Stichwort Full Moon eine weitere Einzelübung stattgefunden — auch das kann Ihnen nicht neu sein, Herr Kollege Dorn, auch das ist bekannt —, die nur von den logistischen Dienststellen der Bundeswehr zur Erprobung ihrer logistischen Möglichkeiten und ihrer Mittel durchgeführt worden ist. Ich wiederhole also, Herr Kollege Dorn, daß das, was Sie in der Öffentlichkeit und hier heute erneut behauptet haben, nicht mit den Tatsachen übereinstimmt. Ich wiederhole, daß vielmehr das, was ich damals in der Aktuellen Stunde hier gesagt habe, in vollem Umfange zutreffend ist. Das zu diesem Punkt.Nun ein ganz anderer Punkt, Herr Kollege Dorn. Sie haben die Freundlichkeit gehabt, mich im Zusammenhang mit der Mülheimer Tagung über das Wahlrecht zu zitieren. Ich erwähne diesen Punkt nur deswegen, weil Sie auch meine damaligen Ausführungen, die ich als Diskussionsbeitrag gemacht habe, nicht zutreffend zitiert haben. Ich habe mich in der Diskussion über die Frage des Übergangswahlrechtes — ich habe das Protokoll nicht hier, aber ich kann es Ihnen notfalls in wenigen Minuten zur Verfügung stellen — in der Tat konkret mit einem bestimmten Modell des Übergangswahlrechts, das im Stadium der Überlegung ist, beschäftigt, nämlich mit der Überlegung, die einmal angestellt worden ist, das geltende Wahlgesetz dahin gehend zu verändern, daß man zusätzlich zu der 5 %-Klausel bestimmte Direktmandate fordert. Ich habe lin der Tat gesagt, daß diese — und ich unterstreiche das Wort diese — Form des Übergangswahlrechts mir aus zwei Gründen problematisch zu sein scheint, nämlich erstens, weil ich glaube, daß verfassungsrechtliche Bedenken bestehen könnten, und zweitens weil ich glaube, daß man diese Form des Übergangswahlrechtes nicht wählen sollte, weil dann die von mir für richtig und notwendig gehaltene Wahlrechtsreform insgesamt möglicherweise unterbleiben könnte, weil manche Leute sagen: Dann haben wir im Grunde das, was wir haben wollen. Das wäre eine Verkennung der Problematik der Wahlrechtsreform. Dies ist etwas ganz anderes, Herr Kollege Dorn, als das, was Sie heute hier ausgeführt haben.Ich beschränke mich auf diese Ausführungen, die an Ihre persönliche Adresse gerichtet sind, Herr Kollege Dorn. Insgesamt wiederhole ich — ich möchte sonst keine Bewertung vornehmen —: dieAuseinandersetzung mag hart gewesen sein, sehr geistig war sie nicht oder jedenfalls nicht in allen Punkten.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt-Vockenhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Mende hat hier gefragt, ob die Diskussion auch dem Klima des Hauses gedient hat. Herr Kollege Mende, Sie können ja einmal in camera caritatis Herrn Dorn in der Fraktionssitzung fragen, ob sein heutiger Beitrag dem Klima des Hauses gedient hat. Ich kann nur sagen: wie er hier aufgetreten ist, das war entwicklungsgeschichtlich die „Steinzeit" der parlamentarischen Opposition.
Meine Damen und Herren, mit der Art — und das sage ich an Ihre Adresse, Herr Kollege Dorn —, wie Sie hier auftreten, brauchen Sie auf ein mehrheitsbildendes Wahlrecht nicht zu warten. Sie kommen schon durch ihre eigenen Methoden unter die 5 %-Klausel.
Und da Sie am Schluß niemand gelobt hat und da Sie sonst in der deutschen Presse niemand für Ihre Arbeit der letzten Tage gelobt hat, haben Sie sich wenigstens selbst gelobt. Wenn Sie damit zufrieden sind — mir soll es recht sein.Nun einige ernste Bemerkungen. Herr Kollege Dorn, wozu denn diese Pose hier heute morgen? Wozu diese Dramatisierung? Wozu diese bengalische Beleuchtung, unter der Sie heute hier aufgetreten sind? Das kann doch nicht der Versachlichung der Diskussion um die Probleme dienen.
— Nein, ich weine gar nicht, Herr Kollege. So ernst nehme ich Sie nun auch wieder nicht, daß ich auch noch weine.
Wenn Ihnen etwas an der Versachlichung der Probleme liegt, — niemand braucht das Licht der Öffentlichkeit in der Diskussion um die Notstandsverfassung zu scheuen.
Der Herr Kollege Wehner hat am 26. Mai des vergangenen Jahres hier die freie Diskussion angekündigt, und dabei bleiben wir. Meine Damen und Herren, diese Diskussion wird in drei Wochen hier beginnen, und das deutsche Volk wird die Möglichkeit haben, an dieser Diskussion teilzunehmen. Sie können sich auch nicht nachträglich von dem absetzen, was Sie etwa beim Höcherl-Papier früher selbst gemacht haben. Dazu werden wir noch einiges zu sagen haben.
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Schmitt-VockenhausenMeine Damen und Herren, ich weiß nicht, warum Sie Herrn Minister Lücke einen Vorwurf daraus machen, daß er von vornherein ein vertrauensvolles Gespräch zur damaligen Opposition in dieser für unser Land wichtigen Frage gesucht hat.
Ich habe das sehr begrüßt. — Sie haben ihm vorgeworfen, daß er das Gespräch mit uns gesucht habe!
Meine Damen und Herren, wenn ich das alles unter dem Strich einmal abziehe, was Sie hier an Sachproblemen vorgetragen haben, bleibt doch im Grunde nur übrig, daß Sie den Minister angegriffen haben, weil Sie ihn als den Mann ansehen, der in der Frage der Wahlrechtsänderung Ihre unmittelbaren politischen Interessen tangiert. Das ist Ihr gutes Recht. Aber, meine Damen und Herren, dazu sollten Sie doch nicht eine solche Attacke hier vornehmen und so, man muß schon sagen, sehr, sehr weit hergeholte Argumente bringen.Meine Damen und Herren, ich will nun, weil wir in drei Wochen diese Debatte haben werden, nicht im einzelnen eine Debatte über die Frage der Notstandsverfassung führen. Ich will Ihnen, Herr Kollege Dorn, nur zu der Frage der Gemeinden folgendes sagen. Wir wissen, daß heute die Gemeinden, vor allem viele kleinere Gemeinden, ihre Verwaltungen in einem größeren Zusammenhang ordnen müssen. Wir alle müssen aber dafür sorgen, daß wir die Chance, daß Hunderttausende von Bürgern in den Gemeinden Verantwortung tragen und in der Demokratie mitarbeiten können, nicht selbst zerstören. Das ist ein ganz wesentliches Element der parlamentarischen Demokratie:
die Erziehung der Menschen in den Gemeinden zum Staatsbürger. Ich würde es sehr bedauern, wenn durch schematische Richtwerte, die gelegentlich vorgetragen werden, mit festen Größenklassen usw., diese wichtige Chance der Menschen, Mitverantwortung zu tragen, geschmälert würde.Der Herr Kollege Benda hat in der Sache schon einige Fragen beantwortet. Ich will jetzt nur noch einige allgemeine Bemerkungen machen.Bei einer Debatte über den Haushalt des Innenministeriums im Bundeshaushalt 1967 — und das hat der Herr Minister heute deutlich gemacht — können wir natürlich nicht verkennen, daß die harte Notwendigkeit der Kürzungen, die die Folge der Haushaltspolitik vergangener Jahre ist, auch hier zwingt, manche Aufgaben zurückzustellen. Viele Ansätze wurden verringert; manches mußte ganz gestrichen werden. Wir haben uns nicht durch neue Wunschlisten und Versprechungen schadlos gehalten. Denn wir wissen alle: solange die mittelfristige Finanzplanung nicht vorliegt, wäre es falsch, zusätzliche Wünsche und Hoffnungen zu wecken. Wir werden ohnehin vor der schwierigen Aufgabe stehen, Herr Minister, die Prioritäten zu erstellen. Das ist bei dem Haushalt des Bundesministeriums des Innern nicht schwer. Wenn auch die Zuständigkeiten im wesentlichen bei den Ländern liegen, leistet Ihr Haus doch einen entscheidenden Beitrag für die Sicherheit unserer Staatsbürger und unseres Landes durch das Bundeskriminalamt, das Bundesamt für Verfassungsschutz und den Bundesgrenzschutz.Das Bundeskriminalamt war in den letzten Jahren in seiner personellen, materiellen und technischen Ausstattung etwas in Rückstand geraten. Wir haben uns hier in diesem Haus mit dieser Frage zuletzt am 10. Mai beschäftigt, und, Herr Kollege Dorn, das muß man doch sagen: Wir haben noch nie so ausführliche und klare Auskünfte vom Innenministerium bekommen wie gerade in der Frage des Bundeskriminalamts. Das .muß ich hier einmal ausdrücklich sagen. Das kann jeder in den Drucksachen des Deutschen Bundestages nachlesen und — ich irre mich hier gar nicht — das haben Sie auch damals in der Debatte im Ausschuß anerkannt. Es ist zu hoffen, daß uns die Ansätze dieses Jahres ein gutes Stück weiterbringen und daß wir vor allem das große Problem des Einsatzes elektronischer Datenverarbeitungsanlagen, die bei der Verbrechensbekämpfung helfen sollen, gemeinsam mit den Ländern lösen können. Meine Damen und Herren, von seiten des Bundes ist bisher nichts versäumt worden. Am 27. Januar 1967 hat FBI ein zentrales System begonnen. Wir können die amerikanischen Erfahrungen mit auswerten. Die Länder haben ihre Bereitschaft erklärt, mitzuarbeiten.Der Bundestag, Herr Minister, wird Sie bei diesen Bemühungen weiter unterstützen. — Herr Kollege Althammer!
Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, ist Ihnen bekannt, daß der Haushaltsausschuß in Abweichung von seinem Grundsatzbeschluß, keine neuen Stellen zu bewilligen, ausdrücklich für die Datenverarbeitung eine Reihe neuer Stellen bewilligt hat, so daß diese Leute jetzt die vorhandene Apparatur bedienen können?
Ich danke Ihnen sehr, Herr Kollege Althammer, daß Sie mich noch auf diesen zusätzlichen Aspekt hinweisen, der deutlich macht, daß hier — entschuldigen Sie — in den Krümeln gesucht worden ist, um etwas gegen den Minister zu finden.Bundesverfassungsschutz und Bundesgrenzschutz sind wichtige Säulen unserer öffentlichen Sicherheit. Auch dort sind viele Wünsche zurückgestellt worden. Aber jede Verwaltung muß und wird verstehen, daß die Wiedergesundung unserer Bundesfinanzen und der Wirtschaft im Augenblick gegenüber vielen anderen Fragen Vorrang hat.Zu den Aufgaben, die in den letzten Jahren etwas im Schatten gestanden haben, die aber nach meiner Meinung auch ohne großen finanziellen Aufwand vor allem durch Planung, Beratung und Zusammenarbeit gelöst werden können, gehört die Rationalisierung in der Verwaltung und darüber hinaus die Frage der Verwaltungsreform. Innenausschuß, Haushaltsausschuß und Kommunalpolitischer
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Schmitt-VockenhausenAusschuß sehen auch hier die Bedeutung des Einsatzes von elektronischen Datenverarbeitungsanlagen. Ich hoffe, daß wir in Kürze eine gemeinsame Entschließung der beteiligten Ausschüsse dem Hohen Hause vorlegen können.Wir müssen uns alle darüber im klaren sein, meine Damen und Herren —, daß bei den gegebenen Verhältnissen der Kampf um die Anpassung der Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst an die Wirtschaft auch davon beeinflußt wird, ob es gelingt, im öffentlichen Dienst in vielen Bereichen die Produktivität laufend zu erhöhen. Die großen Bundesverwaltungen, z. B. die Bundespost, haben immer wieder deutlich gemacht; daß das durchaus möglich ist.Damit kommen wir zum wichtigen Problem der Besoldung im öffentlichen Dienst. Wir haben die erste Stufe der Besoldungsneuregelung Anfang Mai hier verabschiedet. Es kann kein Zweifel bestehen, daß Bundesregierung und Bundestag alles getan haben, was bei der augenblicklichen Finanzlage in ihren Kräften stand. Eine befriedigende Gesamtlösung streben wir weiter an. Wir wollen die Bundesregierung dabei nicht zuletzt durch Schaffung entsprechender Unterlagen unterstützen. Der von den Mitgliedern aller Fraktionen eingebrachte Gesetzentwurf zur Personalstatistik ist sicher dazu eine große Hilfe. Von Ihnen, Herr Minister, erwarten wir jetzt die Vorschläge für die weiteren Stufen der Harmonisierung.Auch ich bedaure für die SPD-Fraktion, daß der Bundesrat den Vermittlungsausschuß wegen der Besoldungsnovelle und der Bundesdisziplinarordnung angerufen hat. Es würde große Unruhe hervorrufen, wenn begrüßenswerte Fortschritte auf dem Gebiet des Besoldungs- und Disziplinarrechts im Vermittlungsausschuß für die Bundesbeamten abgeschwächt würden. Wir werden uns dafür einsetzen, daß die für die Bundesbeamten errungenen Fortschritte nicht wieder rückgängig gemacht werden!Die verehrte Frau Kollegin Renger hat zu den Fragen der Sportförderung für unsere Fraktion bei der Debatte vorgestern abend deutlich gemacht, um was es geht, und Herr Kollege Hansing hatte sich sehr eingehend vorbereitet, um hier gegebenenfalls zu den Fragen des zivilen Bevölkerungsschutzes sprechen zu können. Falls noch Fragen offen sind, könnte er das in der dritten Lesung tun. Aber ich glaube, wir sind auch im Zivilschutz in der gleichen Situation wie auf vielen anderen Gebieten: Der Rotstift hat in diesem Jahr leider — aber ich will das nicht wieder aufgreifen — regiert. Ich bitte Sie allerdings darum, Herr Minister, daß bei der mittelfristigen Finanzplanung wenigstens das durchgeführt wird, was wir als Minimalprogramm vorgeschlagen haben, und daß nicht auch noch das ins Wanken gerät. Mit einer gewissen Mindestanstrengung steht und fällt unsere Glaubwürdigkeit auf diesem Gebiet.Sie wissen, daß wir die Reduzierung des Schutzraumbaus vorgesehen haben und daß wir eine Vereinfachung und Straffung im Aufbau des Selbstschutzes und des Zivilschutzes wünschen; wir werden dabei stärker als bisher das Prinzip der Freiwilligkeit betonen. Ein langsamer Aufbau des Zivilschutzkorps wird uns einen entsprechenden Rahmen geben. Ich denke, Herr Minister, daß wir nach der Sommerpause über diese Fragen sprechen können.Über die Frage der Pressekonzentration ist ja hier mehrfach ausdrücklich gesprochen worden. Wir brauchen darüber heute keine erneute Debatte zu führen. Die SPD würde sich freuen, wenn die eingesetzte Kommission einen ersten Bericht über Vorschläge und Hilfsmaßnahmen im Oktober dieses Jahres vorlegen könnte, über den wir hier dann beraten könnten.Lassen Sie mich als letzten Schwerpunkt noch einmal kurz die politische Bildung ansprechen. Herr Minister, wir freuen uns, daß auch Sie die Bedeutung der politischen Bildung klar erkannt haben. Gerade die politische Entwicklung der letzten Jahre hat uns gezeigt, daß hier gar nicht genug getan werden kann. Die Erörterungen im Kuratorium der Bundeszentrale werden, so hoffe ich, zu einer guten Ausgangsgrundlage für eine zeitgerechte und wirkungsvolle politische Bildungsarbeit führen, die auch eine entsprechende Breitenwirkung hat. Sie können auch in dieser Frage auf die Unterstützung der Sozialdemokratischen Partei rechnen.Herr Minister, lassen Sie mich Ihnen im Namen meiner Fraktion für die gute Zusammenarbeit in dem letzten Jahr danken, die es uns ermöglicht hat, anstehende schwierige Probleme trotz der finanziellen Enge erfolgreich in Angriff zu nehmen.
Ich bin sicher, daß wir in den nächsten Jahren vieles von dem werden erfüllen können, was wir heute noch auf der Wunschliste stehen haben.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Even.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach den Ausführungen der letzten Vorredner kann ich mich auf einige wenige Bemerkungen beschränken. Es hat sich klar herausgestellt, daß der groß angelegte Versuch des Kollegen Dorn, die Position des Bundesinnenministers zu erschüttern, zusammengebrochen ist.
Übrig geblieben sind erstens das FDP-Trauma des selbstverschuldeten Verlustes ihrer Regierungsposition vom vergangenen Herbst,
zweitens ein selbstgefälliger Versuch, eine Legende über die Unschuld, die Unfehlbarkeit und die Unentbehrlichkeit der FDP zu schaffen,
drittens das, allerdings üble, Unterfangen, HerrnBundesinnenminister Lücke zu verketzern und als
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Dr. EvenSchreckgespenst der deutschen Innenpolitik darzustellen.Ich stelle mich hiermit im Namen der CDU/CSU- Fraktion nachdrücklich hinter Herrn Minister Lücke
und weise, Herr Kollege Dorn, Ihre Verunglimpfungen und Verdächtigungen auf das schärfste zurück.
Die demokratische Integrität von Herrn Minister Lücke ist unantastbar, und Sie, Herr Dorn, sollten sich bei ihm entschuldigen für die Verunglimpfungen und Verdächtigungen, die Sie hier in diesem Hause ausgesprochen haben.
Herr Kollege Dorn, Ihre lange, politische, zu 99 % nicht zu dem Haushaltsgegenstand gehörende Rede sollte offensichtlich darüber hinwegtäuschen, daß es der FDP-Fraktion nicht gelungen ist, eine Alternative zu der Haushaltskonzeption der Regierungsparteien zu entwickeln.Lassen Sie mich nur auf zwei Legendenbildungen eingehen.Woran ist in Wahrheit die sogenannte Kleine Koalition im letzten Herbst gescheitert?
Sie ist an den Freien Demokraten gescheitert, und zwar erstens an ihrer inneren Zerrissenheit
und zweitens an ihrem Versuch, gleichzeitig Regierung und Opposition zu spielen, und somit drittens an ihrer politischen Unzuverlässigkeit. Das ist in wachsendem Umfang offensichtlich auch die Auffassung ihrer eigenen bisherigen Wähler, denn anders ist der quälende, ständige Wählerschwund bei der FDP überhaupt nicht zu erklären.
Ein paar Bemerkungen zur Wahlrechtsreform. Herr Kollege Dorn, ich hatte geglaubt, Sie würden heute gegenüber der Debatte, die wir im Dezember des vorigen Jahres hier geführt haben, einige neue Argumente vorgetragen können. Leider haben Sie die alten Argumente wiederholt,
und da ich persönlich nicht in den gleichen Fehler verfallen möchte, verweise ich schlicht und einfach auf das Protokoll der Aussprache über die Regierungserklärung, wo Sie unsere Argumente vorfinden. Nur eines möchte ich noch einmal klarstellen. Ich habe insoweit ein gewisses Verständnis dafür, daß sich die FDP gegen eine Änderung des gegenwärtigen Wahlrechts stemmt, weil nämlich das bisherige Wahlrecht in der Tat die FOP einseitig begünstigt hat.
Diesese Wahlrecht hat es Ihnen ermöglicht, überviele Jahre hinweg ,als das Zünglein an der Waagein der Bundesrepublik sowohl im Bund wie in den Ländern einen politischen Einfluß auszuüben, der Ihnen auf Grund Ihrer Wählerstimmen überhaupt nicht zustand.
Herr Dr. Even, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Ertl?
Nein, ich möchte zum Abschluß kommen.
Wir alle wissen, daß eine Wahlrechtsreform, wie immer sie aussehen möge, Risiken für alle beteiligten Parteien in sich schließt. Man sollte aber endlich damit aufhören, dies mit leichter Hand nur unter parteitaktischen Gesichtspunkten zu sehen. Ich glaube, es wäre ,die Pflicht dieses Hauses, sich gemeinsam Gedanken darüber zu machen, wie man auf weite Sicht — ich sage bewußt: auf weite Sicht — und ohne Bezugnahme auf irgendwelche politischen Tagesereignisse für stabile demokratische Verhältnisse in unserem Lande sorgen kann. Das allein ist die Aufgabe der Diskussionen — die ja noch in vollem Gange sind — über eine Verbesserung unseres gegenwärtigen Wahlrechts.
Abschließend möchte ich sagen, daß wir uns durch die zum Teil wirklich kleinkarierten Beckmessereien des Kollegen Dorn nicht darüber hinwegtäuschen lassen dürfen, daß der Haushalt des Bundesinnenministeriums unter den gegebenen Möglichkeiten ausgewogen und daß er in diesem heutigen Augenblick nicht verbesserungsfähig ist.
Wir werden daher diesem Haushalt zustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Mischnick.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Schmitt-Vockenhausen sagte, es sei hier mit bengalischer Beleuchtung und ähnlichen Dingen gearbeitet worden. Er hat dabei offensichtlich völlig übersehen, daß seine Ausführungen und auch die Antwort des Herrn Bundesinnenministers und des Herrn Parlamentarischen Staatssekretärs weiter nichts waren als der Versuch, sich selber einzunebeln
und zu keiner Sachfrage Stellung zu nehmen.
Herr Abgeordneter Mischnick, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Schmitt-Vockenhausen?
Bitte!
Herr Kollege Mischnick, ist Ihnen völlig entgangen, daß Herr Kollege Benda beispielsweise in zwei ganz konkreten Punkten an Hand der Protokolle des Deutschen Bundestages das widerlegt hat, was Herr Kollege Dorn hier gesagt hat?
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Im ersten Satz konnte ich das nicht alles sagen, was noch kommt, Herr Kollege Schmitt. Ein bißchen Geduld sollten Sie haben. Sie sind doch aufgeregt, nicht wir,
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Herr Bundesinnenminister hat auf die Sachfragen, die Kollege Dorn hier angeschnitten hat, nur in ganz wenigen Einzelfällen überhaupt geantwortet.
— Da haben Sie nicht zugehört! Wenn Sie es nachlesen, werden Sie es merken.
Herr Bundesinnenminister, ich bedauere, daß Sie die detaillierten Angaben über Entwicklungen und Abläufe hier nicht mit der Deutlichkeit klargestellt haben, wie es erforderlich gewesen wäre. Ich will auf den Punkt, der im Ältestenrat behandelt werden soll, nicht mehr eingehen. Aber es ist doch sowohl aus Ihrer Erklärung wie aus der des Kollegen Benda klargeworden, daß die Erklärung, die hier in diesem Hause laut Protokoll — Januar 1967, Seite 3933, wie zitiert — abgegeben wurde, von einem Abschluß der Übung sprach, während der Brief des Herrn Verteidigungsministers an den Kollegen Dorn von einer ersten Phase sprach.
Um diesen Punkt geht es. Sie haben nicht ausräumen können, daß hier „Abschluß" gesagt worden ist, sondern Sie haben bestätigt, daß zwei Phasen danach noch stattgefunden haben. — Das war die Kritik, die hier geübt worden ist.
Zweiter Punkt! Herr Bundesinnenminister, Sie haben zu der Frage Raumordnung zitiert, was Ihnen der Landesinnenminister von Nordrhein-Westfalen geschrieben hat. Das hat Herr Kollege Dorn nicht in Zweifel gesetzt. Er hat nur zum Ausdruck gebracht, daß er es bedauerlich findet, daß ein Bundesinnenminister, der für die Raumordnung zuständig ist, nicht nur die Einzelfragen — die sachlich durchaus unterschiedlich beurteilt werden können — zur Debatte stellt, sondern offensichtlich stimmungsmäßig gegen die Absicht, hier etwas zu tun, vorgegangen ist. Sie haben in dem Leserbrief die Dinge klarzustellen versucht. Ich kann mir nur nicht vorstellen, daß so völlig aus der Luft gegriffen war, daß hier Stimmung gegen die Raumordnung gemacht werden solle, und das ist ein Widerspruch zwischen Innenminister und Abgeordnetem. Ich kann mir durchaus vorstellen, daß das für den Abgeordneten in seinem Wahlkreis manchmal etwas anders aussieht als für den Bundesinnenminister. Aber ich meine, wenn Sie so sehr betonen, daß der Staat das Entscheidende sei, dann müßte in diesem Falle auch der Bundesinnenminister etwas stärker in Ihnen zum Ausdruck gekommen sein als der Abgeordnete, der nur an die Wiederwahl gedacht hat.
Der Kollege Benda hat hier versucht, einige Punkte klarzustellen. In dem einen Punkt — das habe ich schon zum Ausdruck gebracht — hat er nur bestätigt, was wir gesagt haben. Daß wir heute keine Notstandsdiskussion führen wollten, hat Kollege Dorn zum Ausdruck gebracht. Aber auch Sie, Herr Kollege Benda, haben zu meinem großen Bedauern nicht klarstellen können, was wir gern durch die Fragen des Kollegen Dorn hier klargestellt wissen wollten.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Benda? — Bitte, Herr Benda!
Herr Kollege Mischnick, ich bin zu spät hier heruntergekommen und konnte vorher leider keine Zwischenfrage stellen. Aber Ihre erneute Bemerkung veranlaßt mich zu der Frage, ob Sie eigentlich die Ausführungen kennen, die Herr Kollege Dorn schon vor geraumer Zeit zu dem ersten Komplex, den Sie behandelt und soeben noch einmal erwähnt haben, in. der Presse gemacht hat. Falls Sie sie kennen, wie kommen Sie dann zu der völlig unwahrscheinlichen Behauptung, daß die Ausführungen des Kollegen Dorn durch meine heutigen Ausführungen bestätigt worden seien?
Herr Kollege Benda, ist das denn so schwer zu begreifen? Herr Kollege Dorn hat davon gesprochen, daß an dem Tage, an dem Sie gemeinsam den Bunker verlassen haben, diese Gesamtübung nicht beendet gewesen sei — das hat er hier gesagt —, und er hat darauf hingewiesen, daß in der Debatte im Januar behauptet worden ist, sie sei beendet. Das weist der Wortlaut des Protokolls aus. Er hat darauf hingewiesen, daß er einen Brief bekommen hat, daß der Verteidigungsminister von einer ersten Phase gesprochen hat, und Sie haben davon gesprochen, vom 21. bis 23. Oktober sei die zweite Phase und vom 25. bis 28. Oktober die dritte Phase gewesen. Ich frage mich: wieso ist nicht zu verstehen, daß das eine Bestätigung dessen ist, was Kollege Dorn gesagt hat, daß nach dem 21. noch weitere Übungen waren? Das ist der Tatbestand, das können Sie nicht wegleugnen.
Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen hat versucht, hier mit ein paar Sätzen die Verteidigung vorzunehmen, die er offensichtlich für richtig und notwendig hielt. Daß es nur ein paar Sätze waren, macht mir deutlich, daß auch Sie, Herr Kollege Schmitt-Vokkenhausen, nicht in der Lage waren, das, was Kollege Dorn hier vorgetragen hat, zu entkräften. Denn die paar Bemerkungen, die Sie gemacht haben, waren so oberflächlich an der Sache vorbei, wie ich es von Ihnen gar nicht gewohnt bin.
Herr Kollege Mischnick, darf ich Sie fragen: Wenn zur Sache nicht gesprochen worden ist, wie soll ich dann zur Sache viel sagen?
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Wenn Sie als Vorsitzender des Innenausschusses das, was Kollege Dorn hier — wie vom Herrn Präsidenten festgestellt worden ist — in 75 Minuten gesagt hat, nicht als zur Sache gehörig betrachten, dann frage ich mich: Was machen Sie im Innenausschuß? Das ist doch alles vom Innenausschuß gewesen.
— Lieber Herr Kollege Even, wenn Sie meinen, das gehöre nicht zum Haushalt, dann wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie einmal die Haushaltsreden der vergangenen Jahre darauf nachlesen wollten, was zum Haushalt an politischen Argumenten gebracht worden ist, und wenn Sie z. B. einmal lesen wollten, was Ihre Freunde im Augenblick in Nordrhein-Westfalen zum Haushalt eines Ministers an politischen Bemerkungen sagen. Das gehört einfach dazu.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schmidt ?
Ich möchte zwei Fragen stellen. Darf ich?
Meine erste Frage: Könnten Sie bejahen, daß dieses Haus im Verlaufe dieser Haushaltsberatung in jeder Weise, was die Prozedur und was die Verfügbarmachung von Redezeit angeht, den Wünschen der Opposition zu hundert Prozent Rechnung getragen hat?
Wir sind dankbar, feststellen zu können, daß der Versuch, die ganze zweite und dritte Lesung in einer Woche stattfinden zu lassen, nicht gelungen ist und daß wir damit die Möglichkeit haben, die zweite Lesung wirklich so durchzuführen, wie wir es für berechtigt halten.
Darf ich die zweite Frage stellen? Sind Sie sich darüber klar, Herr Kollege, daß die verschiedenen Filibusterreden, die wir im Laufe dieser Tage von Ihrer Fraktion gehört haben, unsere Geduld in diesem Punkte heute an diesem Tag noch so erschöpfen könnten, daß wir uns vielleicht veranlaßt sehen könnten, -die bisherige Prozedur zu ändern?
Sehr geehrter Herr Kollege Schmidt, ich habe volles Verständnis dafür, daß Sie genauso wie wir der Meinung sind, die Haushaltsberatung sollte zu dem Zeitpunkt abgeschlossen werden, damit die Fristsetzung gegenüber dem Bundesrat erfüllt werden kann. Ich darf Sie aber, Kollege Schmidt, darauf aufmerksam machen — was Sie vielleicht nicht wissen —, daß am Mittwoch abend Gelegenheit war, eine Reihe Einzelpläne hier zu behandeln. Wir haben das vorgeschlagen. Die
Fraktionsgeschäftsführer der beiden Koalitionsfraktionen bestanden aber darauf, daß am Mittwoch abend um jeden Preis der Innenetat begonnen werden müsse. Wir haben dagegen gesprochen. Sie wollten es, daß dieser Abend so ausgefüllt worden ist, wie das geschehen ist. Hätten Sie dafür gesorgt, daß die kleinen Etats behandelt worden wären, dann hätten wir anderthalb Stunden Zeit gewinnen können. Das war Ihre eigene Taktik, und da sind Sie in Ihre eigenen Messer gelaufen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Genscher?
Herr Kollege Mischnick, würden Sie mit mir darin übereinstimmen, daß die unbehinderte Diskussion eines Haushalts nicht ein Geschenk der Regierungsparteien an die Opposition, sondern ein Bestandteil der parlamentarischen Demokratie ist?
Selbstverständlich, Herr Kollege Genscher. Ich stehe aber nicht an, zu sagen, daß es in der Vergangenheit — ich denke an die Zeit der absoluten Mehrheit der CDU/CSU — manchmal für beide Oppositionsparteien schwierig war, genügend Zeit für die Diskussion des Haushalts zu bekommen. Das ist heute erfreulicherweise anders.Meine sehr verehrten Damen und Herren, nur noch ein paar Bemerkungen zum Kollegen Even. Es war mir natürlich klar, daß, als die Wahlrechtsfrage angesprochen wurde, Sie dazu Stellung nehmen würden. Sie haben den Vorwurf erhoben, der Kollege Dorn habe keine neuen Argumente gebracht. Wir haben uns die neuen Argumente aufgehoben, bis Sie endlich mal neue Argumente bringen. Sie haben immer noch die alten falschen Argumente, die Sie hier vortragen.
— Das ist gar nicht billig, sondern nur die Feststellung, daß Ihnen bis zur Stunde nichts anderes eingefallen ist als die Überlegung, mit der Vokabel „mehrheitsbildendes Wahlrecht" zu versuchen, mit einer Wählerminderheit die absolute Mehrheit der Sitze in diesem Hause zu erreichen. Das ist die Absicht, und gegen diese Absicht wehren wir uns.
Von Ihnen ist hier zum Ausdruck gebracht worden, das sei eine Art FDP-Trauma. Absolut nicht! Wenn es ein FDP-Trauma wäre, dann wäre es ja völlig unverständlich, daß in Ihren eigenen Reihen und in den Reihen der SPD Überlegungen angestellt werden, ob man diesen Weg überhaupt gehen könne. Es war doch erstaunlich, daß in der deutschen Öffentlichkeit nach den Kommunalwahlen in England nur die Sitzzahlen in London zu lesen waren, aber nicht die Stimmenzahlen, die Prozentzahlen, die zu diesen Sitzzahlen geführt haben. Offensichtlich wollte man verheimlichen, daß sich zwar die Stimmenzahlen verhältnismäßig wenig verändert hatten, daß aber die Auswirkungen auf die
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juni 1967 5523
MischnickSitzzahlen so waren, daß plötzlich Zweidrittel- oder Dreiviertelmehrheiten zustande kamen. Das könnte, wenn wir das gleiche Wahlrecht bei uns in Bund, Ländern und Gemeinden einführen wollten, zu sehr negativen Erscheinungen führen. Diese Argumente sollten Sie sich einmal vor Augen halten, ehe Sie hier immer wieder die mehrheitsbildenden Wirkungen darlegen.Sie haben davon gesprochen, das Scheitern der Kleinen Koalition sei ausschließlich auf die Freien Demokraten zurückzuführen. Dabei haben Sie drei Punkte aufgezählt. Daß Sie sich verteidigen, verstehe ich; daß Sie sich immer mit den falschen Argumenten verteidigen, verstehe ich nicht. Ihr hockgeschätzter Generalsekretär hat nämlich selber bei der letzten Wahlsendung zugegeben: Gott sei Dank, daß es uns gelungen ist, nach unserer Parteikrise im vergangenen Herbst jetzt wieder Tritt zu fassen. Er hat damit bestätigt, was wir gesagt haben: die Krise der CDU/CSU war es, die die Koalitionskrise herbeigeführt hat, nicht die Krise der FDP.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Even?
Herr Kollege Mischnick, ist Ihnen denn wirklich aus dem Gesichtskreis entschwunden, daß die Regierungskrise durch den Rück-
) tritt der FDP-Minister ausgelöst wurde und nicht der CDU/CSU-Minister?
Herr Kollege Dr. Even, soll ich Sie wieder daran erinnern, was laut Protokoll Ihre eigenen Kollegen mir am Mittwoch zugerufen haben: daß der Termin eines Geburtstages z. B. bei Ihnen eine große Rolle spielte, einen Regierungswechsel durchzuführen, daß man bei uns anfragte, welchen neuen Kanzler wir unterstützen würden? Haben Sie das alles vergessen, oder ist Ihre Fraktion nicht unterrichtet worden, was damals alles an Gesprächen geführt worden ist? Ich vermute allerdings, daß das der Hauptgrund sein wird, weshalb Sie hier immer wieder so falsche Behauptungen aufstellen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Althammer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Mischnick hat soeben versucht, das Debakel der FDP, das durch die über einstündige Rede des Herrn Kollegen Dorn entstanden war, noch einigermaßen zu beschönigen. Ich glaube, Herr Kollege Mischnick, das ist Ihnen nicht gelungen. Da wir nun schon dabei sind, einige Gedanken über die Art, wie die Debatte zur zweiten Lesung verlaufen ist, zu äußern, kann man nur mit Bedauern feststellen, daß der Aufwand an Zeit, den wir hier erbracht haben, in keinem Verhältnis zu dem sachlichen Ertrag dieser Debatte steht.
Meine Damen und Herren, Sie haben wohl bemerkt, daß sich die Kolleginnen und Kollegen aus dem Haushaltsausschuß bei dieser Debatte über den Haushalt 1967 auf das äußerste zurückgehalten haben. Ich habe auch, Herr Kollege Mischnick, sehr viel Verständnis dafür, daß man bei der Lesung des Haushalts allgemeinpolitische Ausführungen macht. Ich habe aber kein Verständnis dafür, daß wir durch untergeordnete Dokumentationen darüber, ob der eine das da oder dort oder so gesagt haben soll, stundenlang aufgehalten werden.
Hier ist nun gesagt worden ,auf wesentliche Sachfragen sei nicht geantwortet worden. Dazu muß ich aber doch folgendes sagen: Wenn Herr Staatssekretär Benda hier ganz klare dokumentarische Ausführungen macht und damit eindeutig das widerlegt, was an Klitterei hier vorgetragen worden ist, muß man das, meine sehr verehrten Damen und Herren von der FDP, bitte auch zur Kenntnis nehmen wollen. Das, was hier besonders auch zum Ablauf der Fallex-Übung gesagt worden ist, ist — wie auch andere Dinge — eindeutig klargestellt worden.Ich will noch einen weiteren Punkt herausgreifen. Von dieser Stelle aus ist der Versuch gemacht worden, unserem Bundesinnenminister zu unterstellen, er habe kein Verständnis für die Raumordnung oder wolle Raumordnungsbestrebungen sabotieren, weil er etwa selber einen Wahlkreis als Abgeordneter zu vertreten habe. Dazu kann ich nur sagen: das entbehrt jeder echten Diskussionsbasis. Denn jedem in diesem Hause muß doch bekannt sein, daß sich gerade dieser Minister schon während der Zeit, als er noch ein anderes Ministerium innehatte, mit großer Intensität um das Gebiet der Raumordnung bemüht hat.
Sehr viel ist auch über das Problem einer beabsichtigten Wahlrechtsreform gesagt worden. Ich habe auch dafür Verständnis, daß die Damen und Herren von der FDP einer solchen Diskussion mit großer Sorge entgegensehen. Wenn Ihr Parteivorsitzender aber schon zur Fairneß bei der Diskussion im Parlament aufgerufen hat, sollten Sie, meine Damen und Herren, auch fair sein und nicht immer wieder unterstellen, daß solche Überlegungen angestellt würden, um die eine oder andere Partei aus dem Parlament zu verdrängen.
Man hat auch schon gesagt und Argumente dazu vorgetragen, daß wir uns darum bemühen wollten, die NPD von hier fernzuhalten. Ich möchte deshalb ausdrücklich betonen, daß das nicht das Problem der Wahlrechtsreform ist.
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5524 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juni 1967
Dr. Althammer— Ich möchte zu Ende kommen und möchte deshalb die Debatte nicht durch die Zulassung von Zwischenfragen verlängern.Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie sollten bitte zur Kenntnis nehmen daß wir uns sehr genau und gründlich überlegen, welche Entwicklungen sich in unserem parlamentarischen und demokratischen Leben abzeichnen. Analysieren Sie bitte einmal das Wahlergebnis von Niedersachsen. Es muß doch ein Anlaß zur Besorgnis sein, wenn sich da oder dort allmählich das Bild eines gewissen Immobilismus in der Frage der noch vorhandenen Alternativen bei einer Regierungsbildung abzeichnet. Das muß man sehen, und ich meine, es ist sehr verantwortungsvoll, wenn man frühzeitig versucht, solche möglichen Gefahren zu analysieren und daraus noch zeitig genug Konsequenzen zu ziehen.Nun noch ein Letztes, weil das in dieser Debatte heute vormittag eine so große Rolle gespielt hat: das Problem der Regierungsumbildung im Herbst des vergangenen Jahres. Ich möchte Ihnen dazu nur sagen, welche Gefühle wir dabei hatten, wenn man jetzt immer wieder auf die Vorgänge von damals zurückkommt. Es scheint ja große Mode zu sein, daß vorgelesen wird, was bei den Verhandlungen von der einen Seite und was von der anderen Seite gesagt worden ist. Wir nehmen das immer mit Interesse zur Kenntnis. Aber wenn wir in der heutigen Position diesen Schnee vom vergangenen Jahr immer wieder vorgesetzt bekommen, dann möchte ich sagen: gerade wir von der CDU/ CSU können nur mit großer Erleichterung diese rückschauende Debatte verfolgen, Erleichterung deshalb, weil wir uns ganz klar bewußt sind, daß diese CDU/CSU Gott sei Dank eine Linie aufzuweisen hat, die für die Zukunft keine Befürchtungen aufkommen läßt. Ich habe schon in einer Zwischenbemerkung gesagt: man soll, wenn man im Glashaus sitzt, nicht so heftig mit Steinen werfen.
Ich will jetzt hier keine Zitate bringen. Aber ich erinnere Sie an Zeitungsmeldungen, in denen zu lesen ist, wann denn nun ein Vorsitzwechsel bei der FDP eintritt und wer eventuell Vorsitzender werden könnte und was da so an Verlautbarungen da ist. Ich glaube, wir sollten dieses Spiel mit den Dingen, die in der Vergangenheit geschehen sind, eines Tages zu einem Abschluß bringen.Aber noch in einer zweiten Richtung sind wir erleichtert — das möchte ich ganz deutlich sagen —, nämlich wenn wir vergleichen, was wir in den letzten Jahren und auch in den letzten Monaten an Erfahrungen und Erlebnissen mit unserem damaligen Koalitionspartner gehabt haben und wie sich die neue Koalition in der Zwischenzeit entwickelt hat. Da kann man wirklich erleichtert sein. Auch in der Öffentlichkeit ist immer wieder festgestellt worden: das Klima in der neuen Koalition hat sich in Beständigkeit und Stabilität angelassen, und das zeigen schließlich auch die Reaktionen des Wählers auf die Neugruppierung in diesem Hause.
Das Wort hat der Abgeordnete Jung.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Art, wie Herr Benda versucht, seine Aussagen in der Aktuellen Stunde vom 18. Januar dieses Jahres zu verharmlosen, um ihnen nachträglich noch zu einer Art von Halbwahrheiten zu verhelfen, veranlaßt mich, dazu kurz Stellung zu nehmen. Denn es wird ja nicht verborgen bleiben, daß ich es war, der des öfteren — und manchmal recht ironisch — in der von Herrn Dorn erwähnten Weise von Offizieren zu diesem Thema angesprochen wurde.
In der Tat war die NATO-Übung Fallex 66 in drei Teile geteilt, aber ganz gewiß nicht so, wie Herr Benda es heute darzustellen versuchte, daß nämlich keiner dieser Teile auch nur irgend etwas mit dem anderen zu tun gehabt habe. Allein schon der Brief des Verteidigungsministers Schröder beweist das Gegenteil. Er spricht nämlich eindeutig vom „ersten Übungsteil".
Lassen Sie mich noch einmal wörtlich zitieren, was Herr Benda am 18. Januar gesagt hat:
Der Gemeinsame Ausschuß nimmt von Anfang bis zum Ende in vollem. Umfang an dieser NATO-Übung teil. Wir haben praktisch als letzte .den Bunker verlassen, und zu diesem Zeitpunkt war die NATO-Übung nicht nur für ,die Bundesrepublik, sondern innerhalb der NATO beendet. Das weiß der Kollege Dorn, und alle Vermutungen darüber, was hinterher geschehen ist, sind — ich ringe nach einem parlamentarischen Ausdruck — irrig und falsch. Ich behaupte, sie sind wider das bessere Wissen des Kollegen Dorn, der dabei war, falsch aufgestellt.
Ich mußte das noch einmal zitieren, denn nach meiner Kenntnis der Dinge war und ist das objektiv falsch. Sie sollten es deshalb unterlassen, hier und heute den Anschein zu erwecken, als ob das hohe „C" gleichbedeutend sei mit dem Ausweis der Unfehlbarkeit.
Meine Damen und Herren, wir müssen gleich in die Mittagspause eintreten. Vorher möchte ich mitteilen, daß der Herr Abgeordnete Dr. Huys so freundlich ist, die Ausführungen, die er machen wollte, zu Protokoll zu geben.
Dann muß ich auf den Antrag zurückkommen, den Herr Dr. Mende hier gestellt hat und der sich auf eine Äußerung bezog, die der Herr Bundesinnenminister gemacht haben soll. Ich habe inzwischen die stenographische Niederschrift. Danach hat der Bundesinnenminister nicht gesagt: Herr Dorn, Sie haben bewußt die Unwahrheit gesagt!, sondern: „Herr Abgeordneter Dorn, Sie haben wiederholt die Unwahrheit gesagt." An einer anderen Stelle
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juni 1967 5525
Vizepräsident Dr. Mommerder Rede des Herrn Ministers heißt es: „Ihre erneuerte Feststellung, daß ich" — also der Minister—„die Unwahrheit gesagt hätte, weise ich als eine bewußte Verleumdung zurück." Darauf kam ein Zwischenruf von Herrn Dorn: Wir haben Zeugen, Herr Minister, Sie nicht!Meine Damen und Herren, ich habe schon vorhin zu diesem Fall gesagt: die Debatte war hart. Sie ging deswegen auch manchmal an den Rand dessen, was in diesem Hause erlaubt ist. Ich kann aber nicht feststellen, daß der Herr Bundesinnenminister diesen Rand wirklich überschritten hat. Ich kann daher auch keine Maßnahme nach § 40 der Geschäftsordnung ergreifen.Ich schlage vor, daß wir in die Mittagspause eintreten und um 14.30 Uhr mit den Beratungen fortfahren.
Die Sitzung ist wieder eröffnet. Wir fahren in der Beratung des Einzelplans 06 fort.
Der Änderungsantrag Umdruck 241 *) ist begründet. Wird dazu weiter das Wort gewünscht? — Keine Wortmeldungen.
Wir stimmen über den Änderungsantrag Umdruck 241 der Abgeordneten Eckerland, Westphal, Raffert, von Eckardt und Genossen ab. In diesem Antrag geht es darum, ,daß der Zuschuß an das Orchester Philharmonia Hungarica nicht letztmalig veranschlagt werden soll. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Wird zur Abstimmung über den Einzelplan 06 — Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern — das Wort gewünscht? — Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Benda.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube nicht, daß der Herr amtierende Präsident vor Eintritt in die Mittagspause die Aussprache über den Einzelplan 06 abgeschlossen hatte. Ich hatte mir erlaubt, mich eben noch in der Aussprache zu melden, allerdings nicht zu dem Änderungsantrag, über den soeben abgestimmt wurde. Ich wäre dankbar für die Feststellung, daß die Aussprache noch nicht abgeschlossen ist, da ich den Wunsch habe, mich dann zur Sache zu Wort zu melden.
Sie wollen noch zu Einzelplan 06 sprechen? Herr Kollege, Sie haben jederzeit die Möglichkeit, das Wort zu nehmen, solange nicht abgestimmt ist. Wenn Sie jetzt dazu sprechen wollen, so können Sie das tun. Wollen Sie dazu das Wort nehmen? — Das Wort
hat Herr Abgeordneter Benda.
*) Siehe 111. Sitzung, Anlage 4
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe den Wunsch, mich noch einmal kurz zu den Ausführungen der Herren Kollegen Dorn, Mischnick und Jung von der Fraktion der Freien Demokratischen Partei zu äußern.Der Umstand, daß nach meinen Ausführungen in der Kontroverse, die ich mit Herrn Kollegen Dorn gehabt habe, zwei andere Kollegen, nämlich die Herren Mischnick und Jung, diesen Vorgang zum Anlaß genommen haben, sich noch einmal mit der Sache zu beschäftigen und mir erneut vorzuwerfen, daß ich dem Hause unzutreffende Ausführungen gemacht hätte, veranlaßt mich, noch einmal zu der Sache Stellung zu nehmen, dies um so mehr, als ich aus den Ausführungen der Herren Kollegen Mischnick und Jung den Eindruck habe, daß sie in Wirklichkeit gar nicht wissen, worum es bei der Kontroverse eigentlich geht.
— Ich gebe gern dem Herrn Kollegen Rutschke Gelegenheit, sich zu beruhigen. Dann sind Sie vielleicht so freundlich, mir zuzuhören. Es ist ein bißchen schwer, gegen die bei Ihnen bestehende Unruhe anzureden.Der Ausgangspunkt unserer Kontroverse — ich werde mich erneut bemühen, dies sehr ruhig und sachlich darzustellen — sind in der Öffentlichkeit aufgestellte Behauptungen des Herrn Abgeordneten Dorn, deren Inhalt ich aus der Stuttgarter Zeitung vom 14. Januar 1967 zitieren darf. Mir liegen drei andere Zeitungsausschnitte vor, die in der Sache dasselbe ergeben. Der Bericht in der „Stuttgarter Zeitung" ist der verhältnismäßig ausführlichste zu dem Punkt, der uns hier interessiert. Herr Dorn hat damals gesagt — ich zitiere die erwähnte Zeitung —:Es müsse ohnehin bezweifelt werden, ob das Notparlament überhaupt so funktionsfähig sei, wie man es nach der Fallex-Übung dargestellt habe. Immer mehr verstärke sich der Eindruck, als ob die Abgeordneten nur während der „militärischen Schönwetterperiode" der 'im vergangenen Herbst abgehaltenen Fallex-Übung an dem Planspiel teilgenommen hätten.Ein paar Sätze weiter wiederholt er seine Befürchtung, daß das, was in militärischen Kreisen diskutiert werde, richtig sei, nämlich daß nach dem Auszug der Parlamentarer aus dem Bunker die militärische und zivile Verteidigung völlig zusammengebrochen sei.Dies sind die Ausführungen von Herrn Dorn, mit denen ich mich hier zu beschäftigen habe, und diese Ausführungen, Herr Dorn — ich wiederhole das, was ich in der Debatte vor einer Reihe von Monaten hier gesagt habe —, sind unrichtig. Das ist oder müßte Ihnen jedenfalls bekannt sein. Wenn Sie das immer noch nicht kapiert haben, fordere ich Sie nunmehr auf, einmal darzustellen, warum diese Behauptung richtig sein soll. Dafür gibt es auch nach dem Gang der heutigen Debatte überhaupt keine Anhaltspunkte. Im Gegenteil, das ist durch den Inhalt des Briefes des Bundesverteidigungsministe-
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5526 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juni 1967
Bendariums, dessen Eingang Sie bestätigt haben, widerlegt. Der Brief des Herrn Bundesministers des Innern, dessen Abgang ich Ihnen nachgewiesen habe und von dem Sie sagen, daß Sie ihn nicht erhalten hätten — das nehme ich zur Kenntnis —, enthält inhaltlich das gleiche. Es handelt sich um den gleichen Vorgang und um die gleichen Aussagen.Es geht darum — und das ist der entscheidende Punkt —, daß die Mitglieder des Gemeinsamen Ausschusses an der Übung im Bunker wie an der Vorübung von Anfang bis Ende teilgenommen haben und daß diese Übung beim Auszug der Parlamentarier aus dem Bunker beendet war. Das, was hinterher kam — ich habe es vorhin im einzelnen dargestellt und brauche es nicht zu wiederholen —, betrifft — nunmehr zitiere ich den Brief des Bundesministeriums der Verteidigung, den Sie erhalten haben — zwei voneinander unabhängige Teilübungen, an deren erster Phase Sie, Herr Kollege Dorn, als Angehöriger des Gemeinsamen Ausschusses teilgenommen haben. An anderer Stelle heißt es: „Die beiden restlichen Übungsteile, die nach Ausgangslage und Verlauf in keinem Zusammenhang mit der ersten Phase standen, hatten ...", und nun folgen die Namen und das, was ich vorhin angegeben habe. Wenn es zwischen diesen Phasen oder, wie immer Sie es nennen wollen, zwischen diesen Einzelübungen überhaupt einen Zusammenhang gab, dann war es ein rein zeitlicher; einen anderen Zusammenhang gab es nicht.Jetzt darf ich noch kurz ein politisches Wort dazu sagen, warum ich diese ganzen Dinge hier aufwerfe und erneut diskutiere. Mir geht es, Herr Kollege Dorn und die anderen Damen und Herren von der Fraktion der Freien Demokratischen Partei, nicht sosehr um die gegen mich persönlich vorgetragenen Behauptungen oder Angriffe, so kränkend ich sie auch empfinde, mir geht es darum, daß mit der Darstellung, die Herr Kollege Dorn vor der Öffentlichkeit gegeben und an die er bestimmte politische Folgerungen geknüpft hat, der Eindruck erweckt worden ist und wohl auch erweckt werden sollte, als ob der Gemeinsame Ausschuß, um dessen Funktionsfähigkeit es im Zusammenhang mit der Übung in erster Linie ging, in Wirklichkeit nicht so funktioniert habe, wie es hier — übrigens auch von Ihnen selber in den Pressekonferenzen — dargestellt worden sei.Damit berühren Sie erstens ein Kernstück der Notstandsverfassung, über deren materiellen Inhalt wir in wenigen Wochen in diesem Hause diskutieren werden, und damit tun Sie ein Zweites, und das ist viel schlimmer. Sie gefährden und versuchen zu zerstören das in der Öffentlichkeit für die Behandlung einer für das Leben unseres Staates so entscheidend wichtigen Materie notwendige Vertrauen,
indem Sie den Eindruck erwecken, um es etwas burschikos auszudrücken, als ob die Mitglieder des Gemeinsamen Ausschusses solche Leute gewesen seien, die sich einen Türken bauen ließen, und als ob es andere staatliche Stellen gebe, die bereit und willens gewesen seien, so etwas zu tun. Damit tunSie über den Bereich der persönlichen Kränkung hinaus, die ich als bedauerlich empfinde, etwas, was ich für eine sachliche Diskussion der Materie für entscheidend gefährlich halte: Sie zerstören das Vertrauen in die Sachgrundlagen der Dinge, über die wir uns in der Sache unterscheiden mögen und über die wir uns sachlich meinethalben hart auseinandersetzen können; das werden wir vielleicht demnächst noch zu tun haben. Wenn Sie daran gehen, dieses Vertrauen zu zerstören, gefährden und zerstören Sie eine unabweislich notwendige Grundlage einer sachlichen Diskussion über die Materie überhaupt in diesem Hause. Das ist das, was ich an der Kontroverse über das Persönliche hinaus am tiefsten bedauere.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dorn.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begreife eigentlich nicht, daß man sich über klare Aussagen so differenziert unterhalten kann und zu völlig anderen Auffassungen kommen kann, Herr Kollege Benda. Ich habe sehr klar Wortzitate dieses Ministers des Innern und Wortzitate des jetzigen Verteidigungsministers und seines Vorgängers dargelegt. Die Aussagen standen im diametralen Gegensatz zueinander. Die politischen Konsequenzen oder Folgerungen daraus muß dieses Haus und jede Fraktion für sich selbst ziehen. Wir haben einfach nicht begreifen können, daß sich die Aussagen der Minister so klar als widersprechend herausgestellt haben.Nun greifen Sie zurück auf einen Presseartikel, auf ein Presseinterview, das in der „Stuttgarter Zeitung" gestanden hat. Schauen _Sie, Herr Kollege Benda, natürlich haben wir uns die Frage gestellt — vor allen Dingen nachdem der jetzige Bundesverteidigungsminister im völligen Widerspruch zur Äußerung seines Amtsvorgängers erklärt hat, daß die Phase der Fallex-Übung auf Wunsch der Bundesregierung mit einem Sieg der NATO-Truppen endete, worauf wir nach Beendigung der ersten Phase ausgezogen sind —: Was ist denn dann hinterher geschehen? Und mein Kollege Jung, der ja damals seine Wehrübung ableistete, ist bei der Bundeswehr gefragt worden, als das eingetreten ist, was ich vorhin hier geschildert habe: Warum sind eigentlich die Parlamentarier gegangen?
— Ich lasse jetzt keine Zwischenfrage zu.Herr Kollege Benda, ich habe am 7. Dezember einen Brief an den Innenminister wie an den Verteidigungsminister geschrieben, sie möchten uns darüber aufklären, was sich nach unserem Auszug aus dem Bunker ereignet hat. Der Verteidigungsminister hat mit dem Brief geantwortet, aus dem ich hier heute einige Stellen zitiert habe. Sie haben mir vorhin die Durchschrift eines Briefes gezeigt, den mir der Innenmnister ungefähr im gleichen Wortlaut
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Dorn— so habe ich es vom kurzen Überfliegen noch. in Erinnerung — im Februar geschickt haben will.
— Im Februar! Entschuldigen Sie, schauen Sie bitte einmal selber nach. Sie werden feststellen, daß der Brief des Innenministers, wenn ich mich recht erinnere, vom 13. Februar datiert ist, also vier Wochen nach dem Brief des Verteidigungsministers und acht Wochen nach dem Brief, den ich an den Innenminister geschrieben habe. Können wir das vielleicht klären?
— 8. Februar, sehen Sie!Ich will damit nur sagen: Was sich hinterher abgespielt hat, weiß heute kein Mensch von uns. Die Behauptung, daß die zivile Verteidigung wie die militärische Verteidigung zusammengebrochen sei, ist nicht von uns aufgestellt worden, sondern ist an uns herangetragen worden. Wir haben diese Fragen gestellt. Sie sind uns bis heute in der Sache leider nicht beantwortet worden. Auch der Verteidigungsminister ist auf die Sachfrage gar nicht eingegangen, sondern hat uns nur den weiteren terminierten Ablauf der Fallex-Übung mit diesen englischen Bezeichnungen geschildert.Es bleibt also für uns übrig, daß bis heute die Beantwortung der Fragen, die wir gestellt haben, nicht gegeben ist. Wir können nur sagen: Wenn wir dem heutigen Verteidigungsminister glauben müssen, hat uns der frühere Verteidigungsminister falsch informiert, oder umgekehrt; oder der Innenminister hat uns falsch informiert, oder der heutige Verteidigungsminister hat uns falsch informiert. Diese Frage, meine Herren von der Regierung, können wir nicht klären. Diesen Widerspruch müssen Sie schon selbst klären. Wir sind dazu nicht in der Lage.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Moersch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute morgen ist hier die Frage aufgetaucht, ob man nicht die Diskussion, die die Opposition ausgelöst hat, sozusagen gewaltsam verkürzen könne.
— Na ja, was man so gewaltsam nennt.
— Herr Kollege Fellermaier, ich würde vorsichtig sein mit Zurufen. Ich möchte jetzt gerade ein Zitat bringen. Das Zitat heißt:Die Opposition wird alle parlamentarischen Möglichkeiten haben, ihre Auffassung zur Darstellung und zur Geltung zu bringen.Das ist die Erklärung Ihrer Regierung durch den Mund des Bundeskanzlers; damit wir da keinerlei Zweifel haben, was 'das bedeutet.Was die Länge von Reden betrifft, so sollten Sie einmal im Protokoll nachschlagen, wie oft Ihre Redner ermahnt worden sind, nicht mehr als eine Stunde zu sprechen. Das steht in keinem Verhältnis zu Ermahnungen, die anderen Fraktionen gegenüber ausgesprochen worden sind.Das Thema, um das es hier bei dieser Gelegenheit geht, ist ein wenig der Stil des Hauses. Ich sehe mich leider gezwungen, hier eine Anmerkung zu einer Debatte zu machen, die wir vorgestern geführt haben.Es hat sich in der Zeit, in der wir heute morgen hier saßen und debattierten, etwas sehr Merkwürdiges in diesem Hause ereignet. Der Herr stellvertretende Leiter des Bundespresse- und Informationsamts hat, nachdem die Regierungsvertreter am Mittwoch in der Etatdebatte keine Antwort gegeben hatten, vor der Bundespressekonferenz meine Ausführungen angegriffen, die ich in diesem Hause gemacht habe. Ich habe nichts gegen eine Kritik an diesen Ausführungen. Ich habe aber alles gegen die Methode, daß, wenn wir hier eine Haushaltsdebatte führen, ein Beamter oder Angestellter des Bundes gleichzeitig vor einem Forum, zu dem wir keinen Zugang haben, zu dieser Debatte in dieser Weise Stellung nimmt, wenn die verantwortlichen Herren der Regierung dazu geschwiegen haben. Sie hatten Gelegenheit zu sprechen, und sie haben sie nach wie vor. Ich halte das für einen ungewöhnlichen Vorgang, den wir nicht hinnehmen können.
Zur Sache selbst wird hoffentlich in der dritten Lesung von der Regierung ein Wort gesagt werden. Das möchte ich dazu hier nur anmerken. Damit Sie sich einmal daran gewöhnen, was eigentlich politischer Stil zu sein hat, glaube ich, muß dieser Bundestag, nicht allein die Opposition, darauf bestehen, daß derartige Praktiken hier nicht üblich werden.Ich muß hinzufügen, wir erwarten auch nach wie vor, daß die politisch Verantwortlichen zu diesen Angriffen etwas sagen. Das ist einmal der Bundeskanzler, und das 'ist — Sie haben dieses Instrument geschaffen — der Parlamentarische Staatssekretär, der hier mit in der Verantwortung steht und der durchaus Gelegenheit gehabt hätte, hierauf zu antworten.Ein weiteres. Es ist mir der Vorwurf gemacht worden, es sei unfair gewesen, am Nachmittag hierzu zu sprechen. Ich möchte hier ausdrücklich erklären, daß die beiden anderen Fraktionen wußten, daß wir auf dieses Kapitel noch einmal zurückkommen werden, wenn die politische Debatte abgeschlossen ist. Es kann nicht unsere Aufgabe sein, Behörden über das zu informieren, was hier im Bundestag geschehen soll. Diese Informationen müssen sie sich dann schon selbst beschaffen. Das nur zur Klarstellung.Ich verwahre mich jedenfalls gegen die Methode, außerhalb des Parlaments Erklärungen gegen Parlamentsreden und Parlamentsdebatten abzugeben,
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5528 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juni 1967
Moerschwenn gleichzeitig Gelegenheit ist, in diesem Hause, an diesem Ort zu sprechen. Das sollte sich der Bundestag künftig nicht mehr bieten lassen, was zur Sache auch sonst zu sagen sei.Es wäre noch ein Wort zu sagen zur politischen Bildung und zur Pressekommission. Ich will Ihre Geduld nicht strapazieren. Herr Dr. Huys hat seinen Beitrag zu Protokoll gegeben. Einverstanden! Es ist einiges zu der Vorstellung zu sagen, welchem Ziel die politische Bildung zu dienen hat. Ich meine, diese Vorstellungen unterscheiden sich in diesem Hause in fundamentalen Fragen, wenn ich gewisse Äußerungen des Herrn Innenministers und des Herrn Staatssekretärs Professor Ernst, die heute oder bei früheren Gelegenheiten gefallen sind, zum Maßstab nehme. Im Gegensatz zu diesen präzisen Vorstellungen, die ich nicht teile, bestehen auf dem Gebiet etwa der Sicherung der Presse- und Informationsfreiheit leider sehr unpräzise Vorstellungen, wenn überhaupt solche bestehen.Herr Bundesinnenminister, Sie werden .es mir nicht verübeln, wenn ich 'sage, daß die Pressekommission, die Sie berufen haben, bisher kein positives Echo gefunden hat und wohl auch nicht finden konnte, weil ihre Zusammensetzung nach Meinung sehr vieler Beteiligter und Betroffener nicht den Wünschen und Ansprüchen gerecht werden kann, die an eine solche Untersuchung gestellt werden müssen.
Vor allem glaube ich, daß Sie eine schlechte politische Entscheidung getroffen haben. Herr Minister, als Sie dem Kabinett vorschlugen, den Präsidenten des Bundeskartellamts mit dieser Aufgabe zu betrauen. Das ist ein unabhängiger Beamter, der zu prüfen hat, ob Gesetze eingehalten werden. Aber ihn mit einer hochpolitischen Aufgabe zu betrauen heißt, diesen Mann überfordern und ihn in eine Verantwortung stellen, der er nicht gerecht werden kann, weil er sich z. B. in diesem Haus nicht wehren kann, wenn wir an dieser Kommission Kritik üben.Es hätte Ihnen sehr wohl angestanden, Herr Bundesinnenminister, den Vorsitz einer solchen Kommission, die an die Grundfragen unserer demokratischen Freiheit rührt oder rühren muß, selbst zu übernehmen, wenn Sie der Verfassungsminister in diesem Hause sein müssen und sind. Oder es hätte Ihnen gut angestanden, einen Ihrer Staatssekretäre — Sie haben ja immerhin schon drei — mit dieser Aufgabe zu betrauen. Aber auszuweichen vor der Verantwortung und einen Mann zu beauftragen, der ganz andere Aufgaben wahrzunehmen hat, der ein ganz anderes Amt besitzt, das ist in Anbetracht der Fehlbesetzung der Kommission selbst, die ja viel zu groß ist, eine Fehlentscheidung, die Sie einfach korrigieren sollten. Es wird Ihnen niemand daraus einen Vorwurf machen, daß Sie aus einer besseren Erkenntnis die nötigen Konsequenzen ziehen. Der ganze Weg zu dieser Kommission war ein Irrweg, verbunden mit undeutlichen Informationen gegenüber diesem Haus, verbunden auch mit der Tatsache, daß Sie z. B. — und das ist ein bedenkliches Zeichen für den Stand der Information in derRegierung — bis heute nicht in der Lage gewesen sind, eine Kleine Anfrage unserer Fraktion, die seit Wochen vorliegt, zu beantworten.Sie sollten schleunigst für ein Instrumentarium in Ihrem Hause sorgen, das diese Grundfragen einmal klärt. Sie sollten dafür sorgen, daß Sie eine aktionsfähige Pressekommission bekommen. Sie sollten den Vorsitz in dieser Kommission möglichst selbst übernehmen, damit Sie einmal Mut zur politischen Verantwortung an der richtigen Stelle zeigen und nicht bei Wahlrechtsfragen und an anderen Stellen.
Keine weiteren Wortmeldungen.
Meine Damen und Herren, ehe wir zur Abstimmung kommen, zwei Bemerkungen von Amts wegen.
Ich halte die Kritik an einer Auseinandersetzung, die hier im Parlament stattgefunden hat, durch Persönlichkeiten, die das verfassungsmäßige oder geschäftsordnungsmäßige Recht haben, hier das Wort zu nehmen, außerhalb des Parlaments und in engem zeitlichem Zusammenhang für in der Tat nicht korrekt. Insofern stimme ich der Kritik des Abgeordneten Moersch von Amts wegen zu.
Das andere aber: Herr Abgeordneter, ich hoffe, Sie wollten nicht den Eindruck erwecken, daß während dieser Beratung der zweiten Lesung des Bundeshaushalts der Opposition nicht jede Möglichkeit gegeben ist, das Wort zu nehmen.
— Ich wollte das nur klarstellen, damit hier kein Mißverständnis besteht. Ich würde das bedauern; denn wir haben uns, obwohl wir unter großem Zeitdruck stehen, bemüht, jedem einzelnen Abgeordneten die Möglichkeit zu geben, Änderungsanträge einzubringen und sie selber zu begründen. Wir wollen die Debatte in keiner Weise manipulieren. Wir kommen dadurch allerdings — ich muß das Haus darauf aufmerksam machen — in große zeitliche Schwierigkeiten, auch heute und in der nächsten Woche. Das muß ich anfügen; denn wir befinden uns auch jetzt zeitlich wieder weit außerhalb dessen, was wir gestern im Ältestenrat kalkuliert haben, obwohl wir gestern abend unseren Zeitplan erfüllt haben. Wir sind aber jetzt schon wieder weit hinter diesem Zeitplan. — Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Barzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht vor, schon jetzt viel zum Stil dieser Debatte zu sagen. Ich möchte nur auf Grund der Einwendungen des Herrn Kollegen Moersch und auf Grund dessen, was wir sonst hier gehört haben, einige kritische Worte zu dem sagen, was er hier erklärt hat. Wir haben über Mittag die Minuten der einzelnen Reden zusammengerechnet. Das Ergebnis ist interessant.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juni 1967 5529
Dr. BarzelDie Debatte begann am Mittwoch, dem 7. Juni. CDU/CSU: 14 Redner, 146 Minuten; SPD: 7 Redner, 82 Minuten; FDP: 12 Redner, 177 Minuten. Nicht eingerechnet sind hier die Herren der Regierung mit insgesamt 92 Minuten. Gestern, am Donnerstag, zeigte sich schon eine gewisse Eskalation, die wir auch langsam erkennen müssen. CDU/CSU: 16 Redner, 136 Minuten; SPD: 13 Redner, 142 Minuten; FDP: 20 Redner, 234 Minuten; Bundesregierung: 189 Minuten, dabei allein zwei Reden mit über 100 Minuten. Die Zahlen heute morgen: CDU/CSU: 2 Redner, 13 Minuten; SPD: 1 Redner, 13 Minuten; FDP: 4 Redner, 100 Minuten. Sie werden mir zugeben, daß hier auch in der Redezeit eine gewisse Eskalation zu verzeichnen ist.Meine Damen und Herren, wir haben nichts dagegen, daß alle Fragen hier im Hause wirklich besprochen werden. Aber ich möchte an uns alle miteinander vielleicht diese Bitte richten — Sie wissen, daß ich mich immer für kurze Reden ausspreche —: vielleicht könnten wir eine größere Kraft in die Aussage als in die Länge der Rede legen!
Mir persönlich — damit meine Rede ganz kurz ist, nur noch eine einzige Bemerkung — wäre allerdings eine Opposition noch lieber, die ihre alternativen Positionen durch konkrete und präzise Anträge, sei es im Ausschuß, sei es hier, dartäte und weniger lange und allgemeine Reden hielte.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Genscher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Zahlenangaben, die Herr Kollege Dr. Barzel hier vorgetragen hat, sind sicher richtig. Wir haben uns der Mühe einer solchen Ausrechnung nicht unterzogen. Aber die Würdigung, die er diesen Zahlen gegeben hat, stimmt mit unserer Würdigung nicht überein. Ich halte die Tendenz, die sich aus den angeführten Zahlen ergibt, für positiv, nicht nur für die Opposition, sondern auch für dieses Hohe Haus.
Es geht hier darum, daß die freie demokratische Opposition zwei anderen Fraktionen gegenübersteht und sich außerdem noch mit den Vertretern der Regierung — und das ist ja der Hauptgegenstand dieser Debatte — auseinanderzusetzen hat. Es wäre falsch, wenn man hier sozusagen eine Wägung nach der Zahl der Minuten vornähme.
Meine Damen und Herren, wir haben diese Debatte mit dem Versuch geführt, die Schwerpunkte dort zu bilden, wo es richtig ist.
Wir haben eine Reihe von Ressorts, wo solche Schwerpunkte in dieser Zeit nicht vorhanden waren, aus der breiten Diskussion ausgespart. Aber bitte, beteiligen Sie sich doch ebenso rege an der Diskussion! Ich habe manchmal das Gefühl gehabt,
daß z. B. die Regierung in entscheidenden Fragen viel ausführlicher und gründlicher hätte antworten sollen, als sie es getan hat.
Meine Damen und Herren, diese Debatte ist jetzt einstweilen aus. Wir stimmen jetzt über den Einzelplan 06 ab. — Keine Wortmeldungen dazu.
Abstimmung über Einzelplan 06 in der durch den angenommenen Änderungsantrag auf Umdruck 241 *) geänderten Fassung! Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einer Reihe von Enthaltungen ist Einzelplan 06 angenommen.
Mit ihm verbunden wird der Einzelplan 36 — zivile Verteidigung —. Ich frage, ob dazu das Wort gewünscht wird. — Das Wort wird nicht gewünscht.
— Ich muß doch bitten, sich rechtzeitig zu Wort zu melden. Wenn gesagt ist: Die Aussprache ist geschlossen. Abstimmung!, ist es parlamentarisch völlig unüblich, daß dann noch das Wort erteilt wird. Muß es sein, Herr Abgeordneter Dorn?
— Danke vielmals.
Wir kommen zur Abstimmung über Einzelplan 36
— zivile Verteidigung —. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einer Anzahl von Gegenstimmen ist auch der Einzelplan 36 angenommen.
Wir kommen zu Einzelplan 11
Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung
— Drucksachen V/1761, zu V/1761 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Götz
Ich frage den Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. — Als Berichterstatter hat das Wort der Herr Abgeordnete Götz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß zu meinem Bedauern zwei Korrekturen zum Mündlichen Bericht zu Einzelplan 11 — Drucksache V/1761 — zu Protokoll geben. Zu Ihrer Orientierung verweise ich auf den Umdruck mit der Bezeichnung: Berichtigung zu den Mündlichen und Schriftlichen Berichten des Haushaltsausschusses."Es muß im Mündlichen Bericht Drucksache V/1761 auf Seite 8 bei Kap. 11 10 — Kriegsopferversorgung und gleichartige Leistungen — in der linken Spalte die Bemerkung zum Dispositiv bei Tit. 300 gestrichen werden. Außerdem muß der Ansatz in 5 250 882 000 DM geändert werden.1 Siehe 111. Sitzung, Anlage 4
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5530 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juni 1967
Dr. GötzDie zweite Korrektur betrifft Kap. 11 13 — Sozialversicherung — Tit. 602. Bei diesem Titel ist der Ansatz in der linken Spalte zu ändern, und zwar muß er richtig heißen: 2 730 000 000 DM.Ich hatte an sich die Absicht, meinem schriftlichen Bericht, der Ihnen vorliegt, noch einen mündlichen Bericht hinzuzufügen. Der schriftliche Bericht enthält noch einmal einen zahlenmäßigen Überblick über die in diesem Einzelplan veranschlagten Ausgaben. Ich habe die wichtigsten Veränderungen gegenüber dem Vorjahr angeführt und einige Erläuterungen zu den wichtigsten Ausgabepositionen gegeben. Trotzdem hielt ich es im Hinblick auf die Bedeutung des Sozialhaushalts im Rahmen des Gesamthaushalts für zweckmäßig, noch in einem mündlichen Bericht auf einige Schwerpunkte des Sozialhaushalts hinzuweisen. Denn dieser Einzelplan steht ja mit seinen 14,5 Milliarden DM immerhin an zweiter Stelle aller Einzelhaushalte nach dem Verteidigungshaushalt. Aber nicht allein die Größenordnung des Sozialhaushalts, sondern vielmehr sein Rang und seine Bedeutung hatten mich ursprünglich zu der Absicht veranlaßt, hier noch einen ergänzenden mündlichen Bericht zu geben, zumal das Volumen dieses Einzelhaushalts ja in der Offentlichkeit, aber auch innerhalb dieses Hauses unter verschiedenen Aspekten unter die Lupe genommen und diskutiert wird. Ich meine, daß vom Standpunkt des Haushalts dazu einiges zu sagen gewesen wäre. Ich werde das hier und heute nicht tun; nicht — wie gestern ein Kollege meinte — aus Protest gegen die zeitliche Dispositionen für den Ablauf dieser zweiten Lesung, sondern weil ich der Meinung bin, daß der Sozialhaushalt heute nicht mehr die Würdigung findet, die ihm eigentlich zukommt. Ich würde aber bitten, daraus keine Schlüsse in bezug auf die Bewertung des Ranges und der Bedeutung des Sozialhaushalts zu ziehen. Wir werden in der nächsten Zeit noch hinteichend Gelegenheit haben, Probleme des Sozialhaushalt in Verbindung mit den Finanzschwierigkeiten des Bundes zu erörtern.Ich verzichte darauf, einen mündlichen Bericht zu geben aus Einsicht, aus Rücksichtnahme ,auf die knappe Zeit und die ohnehin sehr strapazierten Kollegen und in der Erwartung, daß ich dadurch vielleicht erreiche, daß derjenige, der an diesen Fragen besonders interessiert ist, der Lektüre meines zu Protokoll gegebenen Mündlichen Berichts besondere Aufmerksamkeit schenkt. Ich glaube, das ist für die Sache von größerem Nutzen als unwillige und verärgerte Zuhörer. Ich möchte darauf Rücksicht nehmen und den Herrn Präsidenten bitten, meinen Mündlichen Bericht zu Protokoll geben zu dürfen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich eröffnet die Aussprache zu diesem Einzelplan. Wird das Wort gewünscht? — Bitte, Herr Abgeordneter Schellenberg!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Sprecher der FDP haben vorgestern und gestern, beginnend mit Herrn vonKühlmann-Stumm über Herrn Zoglmann, Herrn Scheel usw., ihr warmes Herz für die Sozialpolitik bekundet.
- Das freut uns sehr; aber in dieser Massierung istes uns ein wenig ungewohnt und vielleicht sogarverdächtig. Denn bisher saß meistens — nicht immer— die FDP doch im Bremserhäuschen der sozialpolitischen Entwicklung.Die Sprecher der FDP haben in ihren Darlegungen immer wieder behauptet, es bestehe zwischen den Koalitionspartnern keinerlei Übereinstimmung in der Sozialpolitik. Meine Damen und Herren von der FDP, Sie haben wohl ein wenig das Gezerre und Gezeter vergessen, das die alte Koalition, man kann doch wohl sagen, Woche für Woche in der Sozialpolitik zu veranstalten pflegte. Wie stünde es wohl heute um die soziale Sicherheit in unserem Lande, wenn diese alte Koalition weitergemacht hätte! Dann hätten sich doch sicher die Kräfte durchgesetzt, für die, wie es vor anderhaltb Jahren in einer Regierungserklärung hieß, die Sozialpolitik zur Hypothek für die Leistungsfähigkeit und Konkurrenzfähigkeit unserer Wirtschaft wird. Eine solche Politik hätte im Zeichen der Rezession zwangsläufig zu besonderen Belastungen für die Arbeitnehmer und auch die Rentner geführt: von der Kürzung des Arbeitnehmerfreibetrages über Kostenbeteiligungen in der Krankenversicherung bis zu Maßnahmen hinsichtlich der lohndynamischen Rente. Überall in der Sozialpolitik wäre dann sicherlich nach der Parole einer sehr einflußreichen Gruppe verfahren worden: jetzt oder nie!Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat die Verantwortung in der Bundesregierung auch deshalb übernommen, um die soziale Sicherheit unbedingt zu gewährleisten. Unter den politischen Gegebenheiten in diesem Hause bietet die Große Koalition die Gewähr dafür, daß zur Sicherung des sozialen Leistungsstandes das Erforderliche und zum Ausbau der Gesellschaftspolitik das Mögliche getan wird.
Selbstverständlich müssen dabei Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik sinnvoll aufeinander abgestimmt werden, aber niemals so, daß die Sozialpolitik gewissermaßen untergebuttert wird.Die Sprecher der FDP haben in verschiedenen Nuancen immer wieder erklärt, die Große Koalition habe im sozialen Bereich nichts aufzuweisen. Ich möchte Ihr Gedächtnis ein wenig auffrischen.Erstens. In der Mitbestimmung hat die Koalition die Initiative ergriffen und in kurzer Zeit die Aushöhlung der Mitbestimmung verhindert. Gewiß gab es und gibt es in dieser Frage — das ist kein Geheimnis — bei unserem Koalitionspartner unterschiedliche Auffassungen. Aber politisch entscheidend ist: das Mitbestimmungsänderungsgesetz wurde zügig beraten und verabschiedet.
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Dr. Schellenberg— Die Mitbestimmung ist ein wesentlicher Teil der Gesellschaftspolitik, Herr Kollege Ollesch; das sollten Sie doch aus Ihrer früheren Mitarbeit im Sozialpolitischen Ausschuß wissen.Gesellschaftspolitisch genügt das mit dem Mitbestimmungsänderungsgesetz Erreichte. Die Zeit ist reif, daß die in der Regierungserklärung zugesagte unabhängige Sachverständigenkommission nunmehr berufen wird. Zusammen mit unserem Koalitionspartner legen wir deshalb einen Entschließungsantrag vor, der die Bundesregierung ersucht, diese Kommission alsbald einzusetzen. Wir Sozialdemokraten wünschen, daß in der Kommission Vertreter der Wissenschaft, der Gewerkschaften und der Arbeitgeber zusammenarbeiten. Wir erwarten, daß die Bundesregierung alles tut, um der Kommission die Arbeitsvoraussetzungen zu schaffen, die eine gründliche und zügige Tätigkeit ermöglichen. Die Mitbestimmungsfrage als gesellschaftspolitische Aufgabe darf — das ist unsere Auffassung — nicht auf Eis gelegt werden, sondern sie muß endlich vorangebracht werden.Zweitens. Sie, meine Damen und Herren von der FDP, haben von der Frage des Arbeitslosengeldes gesprochen und haben das Erreichte unter den Tisch wischen wollen. Das Arbeitslosengeld wurde schnell und wirksam erhöht. Zwar gab es Meinungsverschiedenheiten über Zeitpunkt und Ausmaß der Erhöhung; der zustande gekommene Kompromiß gewährleistet, daß — einschließlich des Familienzuschlages — für die meisten Arbeitslosen eine Erhöhung von 20 %, erreicht wurde. Das liegt in der Größenordnung, die wir durch unsere Initiative erstrebten. Diese Erhöhung hat für die Betroffenen große Bedeutung, bis sie wieder Arbeit haben.Dazu hat die Sozialpolitik auch durch eine sinnvolle Beschäftigungspolitik beizutragen. Die SPD- Fraktion hat ihre Vorstellungen im Entwurf eines Arbeitsmarktanpassungsgesetzes unterbreitet. Wir erwarten, daß die Bundesregierung den angekündigten Entwurf eines Arbeitsförderungsgesetzes bald vorlegt; denn die vielen Menschen, die sich Sorgen um ihren Arbeitsplatz machen, haben ein Recht darauf, daß der Gesetzgeber bald handelt.Drittens. Die Leistungen für die Kriegsopfer sind ungeachtet aller Schwierigkeiten erhöht worden. Alte Pläne, an der Grundrente zu manipulieren, sind vereitelt worden. Das ist politisch bei der gegenwärtigen Haushaltssituation ein großer Erfolg. Wir Sozialdemokraten werden dafür sorgen und hoffen auf Unterstützung des ganzen Hauses, daß solche Pläne in Zukunft keinerlei Chancen haben.
Im übrigen begrüßen wir es, daß es bei den Beratungen im Haushaltsausschuß gelungen ist, die Mittel für die Kapitalabfindung gegenüber der Regierungsvorlage so zu erhöhen, daß die Kapitalabfindung uneingeschränkt weiter durchgeführt werden kann.Viertens. Die soziale Sicherung hat noch keineswegs ihr Optimum an Effektivität erreicht. Die Aufgaben der Versicherungsträger müssen rationeller erfüllt werden. Vor allen Dingen müssen dieLeistungen für die Versicherten überschaubarer gemacht werden. Schließlich dürfen den Versicherten und den Arbeitgebern keine Nachteile dadurch entstehen, daß die Finanzkraft der einzelnen Versicherungsträger unterschiedlich ist.Meine Damen und Herren, wir sind uns darüber im klaren, daß das ein gewaltiges Programm ist. Es kann nicht von heute auf morgen erfüllt werden. Aber wir müssen im Rahmen der gegliederten Sozialversicherung damit anfangen. Auch darauf haben die Versicherten ein Recht.Fünftens zur Rentenversicherung. Die Sprecher der FDP haben sie wiederholt angesprochen, und sicher wird auch Herr Kollege Spitzmüller dazu noch einiges sagen. Die Gegner der lohnbezogenen Rente nehmen die Sorgen mit dem Bundeshaushalt und mit unserer Wirtschaft zum Anlaß, die Rentenreform, die 1957 gemeinsam von uns und der CDU getragen wurde, zu diskreditieren.
Das muß ich auch leider in Richtung auf die FDP sagen.
Manche Leute tun so, als stünde die Rentenversicherung unmittelbar vor einer finanziellen Katastrophe. Ein solches Gerede ist bei einem Vermögen von 27 Milliarden DM nicht zu verantworten. Das Vermögen der Rentenversicherung ist kein Selbstzweck. Es wurde angesammelt, auch um die Leistungen in schwierigen Zeiten zu sichern.
Niemand wird sich einbilden, die SPD sei Regierungspartei geworden, um die lohnbezogene Rente verschlechtern zu helfen. Wir werden an der lohnbezogenen Rente unbedingt festhalten; wir werden — damit es kein Mißverständnis gibt — an der bruttolohnbezogenen Rente unbedingt festhalten.
Für uns ist dies Ausdruck der Solidarität zwischen den Jungen und Alten. Das ist für uns eine sittliche Grundlage unseres politischen Handelns. Darüber hinaus muß jeder Bürger gerade in schwierigen Zeiten wissen: auf die soziale Sicherung ist unbedingt Verlaß. Ich habe die Gewißheit, daß die Große Koalition dafür sorgen wird.Natürlich ergeben sich aus dem Altersaufbau unseres Volkes finanzielle Probleme für die Rentenversicherung. Die haben wir bereits im Jahre 1957 gekannt. Die notwendigen gesetzgeberischen Entscheidungen werden bei dem im Ausschuß liegenden Gesetzentwurf getroffen. Dabei geht es nicht nur um die Höhe des Beitragssatzes, sondern um das gesamte Finanzierungssystem der Rentenversicherung und noch um einiges mehr.Die hohen Rücklagen der Rentenversicherung geben uns die Möglichkeit, die Dinge so sorgfältig zu beraten, wie es die Sache erfordert; denn wir wollen im Interesse der Solidität unserer Rentenversicherung eine langfristige Ordnung der Dinge.
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Dr. SchellenbergWir würden als Parlament wenig pflichtbewußt handeln, wenn wir uns von der Nervosität mancher Leute anstecken ließen und im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Abschwächung die Beiträge gewissermaßen Hals über Kopf erhöhen würden. Das muß gerade in Zeiten, in denen durch die Wirtschaftslage die Löhne und Gehälter stark abgeschwächt sind, zu besonderen Belastungen der versicherten Bevölkerung führen. Wir treffen im Zusammenhang mit dem Altersaufbau auch hinsichtlich der Beitragserhöhungen die notwendigen Entscheidungen. Zu gegebener Zeit und in der gebotenen Höhe werden sie nach sorgfältigen Beratungen in unserem Ausschuß dem Hause vorgeschlagen. Wir sind sicher, daß wir dann hierfür das Verständnis auch der versicherten Bevölkerung finden werden.Diese grundsätzlichen finanziellen Entscheidungen dürfen aber nicht durch punktuelle Eingriffe in die Rentenversicherung präjudiziert werden. Die vorgesehene Kürzung des allgemeinen Bundeszuschusses wäre ein solcher Präzedenzfall.Selbstverständlich gibt es kein von der wirtschaftlichen Entwicklung und von der Finanzsituation des Bundes isoliertes Gebilde „Gesetzliche Rentenversicherung". Manche Leute meinen auch heute noch eine solche Vorstellung pflegen zu müssen; sie verkennen das Primat der Politik.
Im Hinblick auf gewisse Äußerungen noch ein deutliches Wort: die Rolle der Finanzdirektoren der Rentenversicherung als Superbankiers ist ausgespielt. Dafür haben wir gegebenenfalls auch durch Änderung der gesetzlichen Vorschriften zu sorgen.Andererseits darf der Bund seine Haushaltsschwierigkeiten auch nicht auf die Rentenversicherung verlagern. Gemeinsam mit Kollegen der anderen Fraktionen haben wir im Herbst vergangenen Jahres verhindert, daß 700 Millionen DM Mittel der Rentenversicherung für bestimmte Transaktionen des Devisenausgleichs herangezogen wurden.Aber es geht auch nicht an, Haushaltslücken dieses Jahres dadurch schließen zu wollen, daß ein Betrag in einer, ich muß sagen, völlig willkürlichen Höhe von 200 Millionen DM an den allgemeinen Bundeszuschüssen gekürzt wird. Wir haben es hingenommen, Sonderzuschüsse und sonstige Erstattungen des Bundes fortfallen oder kürzen zu lassen. Aber bei der vorgesehenen Kürzung des allgemeinen Bundeszuschusses zur Rentenversicherung geht es um prinzipielle Fragen des Verhältnisses vom Staat zur Rentenversicherung.Bei der Regelung der grundsätzlichen Probleme der Finanzgestaltung der Rentenversicherung, die im Ausschuß ansteht, werden wir auch über Höhe und Funktion der Bundeszuschüsse zu entscheiden haben. Nur im Zusammenhang mit der langfristigen Finanzierung der Rentenversicherung, mit der Änderung des Deckungsverfahrens sollte die schwerwiegende Entscheidung über den Bundeszuschuß zur Rentenversicherung getroffen werden und nicht jetzt für dieses Jahr bei Kap. 11 13 Tit. 600 des Haushalts.Deshalb bitte ich für die Unterzeichner um Annahme des Antrags Umdruck 256. Im Zusammenhang mit der 10. Verordnung zur Änderung der Bezugsgrößen hat sich die Regierungsvorlage in zwei Positionen geringfügig geändert. Eine entsprechende Änderung des Antrags ist veranlaßt. Ich darf dem Herrn Präsidenten den Wortlaut überreichen.Zum Schluß erkläre ich für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion: Die soziale Sicherung wird uneingeschränkt aufrechterhalten. Sie wird sogar weiter ausgebaut, ungeachtet aller Schwierigkeiten. Das Vertrauen aller Bürger in die soziale Sicherheit ist gerade in Zeiten wirtschaftlicher und finanzieller Probleme wichtiger denn je. Das ist für uns nach den bitteren Erfahrungen der Zeit von Weimar entscheidender Teil unserer sozialpolitischen Konzeption.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Götz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur zu dem Änderungsantrag einer Gruppe von Abgeordneten der sozialdemokratischen Fraktion Stellung nehmen, und zwar ausschließlich aus der Sicht des Haushaltsausschusses 'und aus der Sicht unserer haushaltsmäßigen Schwierigkeiten. Auf die grundsätzlichen Fragen des Bundeszuschusses und all das, was mit der Finanzierung der Rentenversicherung zusammenhängt, möchte ich jetzt nicht eingehen, zumal ich das zum Teil in meinem Mündlichen Bericht getan habe, der zu Protokoll gegeben ist.Herr Kollege Professor Schellenberg, es ist sicher unbestritten, daß uns gemeinsam ist die Sorge um die künftige Entwicklung der Alterssicherung, von der wir meinen, daß sie das Rückgrat unseres sozialen Sicherungssystems bildet. Uns ist aber auch gemeinsam — das möchte ich betonen, nachdem Sie den da und dort anzutreffenden Pessimismus zurückgewiesen haben — die Zuversicht, daß es uns gelingen wird, die finanziellen Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß das mit der Rentenreform 1957 anvisierte Ziel auch in Zukunft beibehalten werden kann. Das wollte ich vorausschicken, da es mir angesichts des Verständnisses für die Einstellung meiner Kollegen aus dein Sozialpolitischen Ausschuß nicht ganz leicht fällt; vom Haushaltsausschuß her gegen Ihren Antrag zu sprechen.Der Beschluß des Haushaltsausschusses, den Bundeszuschuß um 200 Millionen DM zu kürzen, geht auf die Vorschläge der Bundesregierung vom 19. Januar 1967 zurück. Diese Vorschläge hat sich der Haushaltsausschuß zu eigen gemacht.Es trifft ohne Zweifel zu, daß sich die Finanzlage der Rentenversicherungsträger seitdem verschlechtert hat. Aus der jetzigen Sicht beträgt das Liquiditätsdefizit 1967 voraussichtlich etwa 3,4 Milliarden DM; es muß aus dem Vermögen gedeckt werden. Die Gründe für diese Entwidckung sind den Kennern der Materie bekannt: Rückgang der Bei-
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Dr. Götztragseinnahmen infolge Konjunkturabswächung, steigende Zahl der Rentner, Mindereinnahmen der Rentenversicherungen auf Grund der Kürzungen des Bundeszuschusses durch das Finanzplanungsgesetz.Dem Haushaltsausschuß war diese Entwicklung sehr wohl bekannt, und Herr Staatssekretär Kattenstroth hat ja bei der Beratung des Einzelplans 11 im Haushaltsausschuß auf die Ursachen der verschlechterten Finanzlage ausdrücklich hingewiesen.Sie könnten die Frage stellen, warum der Haushaltsausschuß trotzdem die Vorschläge der Bundesregierung übernommen hat. Dies ist auf folgende Überlegungen zurückzuführen.Einmal ist zu bedenken, daß der unvermeidliche Beitrag des Sozialhaushalts zum Ausgleich des Bundeshaushalts natürlich bei den Ausgabepositionen gesucht werden mußte, bei denen der Bund finanziell am stärksten engagiert ist. Das ist nun einmal der in Kap. 11 13 — Sozialversicherung — veranschlagte Ausgabenblock von rund 9 Milliarden DM, die die Rentenversicherung einschließlich der knappschaftlichen Rentenversicherung vom Bund erhält.Die zweite Überlegung ist diese: Wir müssen sehen, daß sich durch den Wegfall der Kürzung und die Aufstockung der Bundeszuschüsse — ich glaube, das ist ein entscheidender Gesichtspunkt, Herr Professor Schellenberg — an der prekären Liquiditätslage der Rentenversicherungen an sich nichts ändert. Der Betrag von 200 Millionen DM bleibt zur Zeit als Liquidität den Versicherungsträgern auch dann entzogen, wenn wir ihnen dafür höhere Schuldbuchforderungen geben.Der dritte Gesichtspunkt: Mit der Umwandlung des Betrages von 200 Millionen DM von Kürzungen in Schuldbuchforderungen werden die Finanzierungsschwierigkeiten in den Rentenversicherungen, die keineswegs bagatellisiert werden, nicht beseitigt. Ich glaube, sie werden auch nicht einmal wesentlich gemindert. Dieser Problematik — Herr Professor Schellenberg hat es schon angeschnitten — ist der Entwurf des dritten RentenversicherungsÄnderungsgesetzes gewidmet, der dem hohen Hause bereits vorliegt; die erste Lesung hat stattgefunden.Bei der Diskussion über diesen Entwurf wird uns das gesamte Finanzierungssystem der Rentenversicherung beschäftigen. Wir werden dabei ohnehin, wie es auch der Entwurf vorsieht, an Beitragserhöhungen nicht vorbeikommen. Herr Professor Schellenberg war der Auffassung, daß wir damit einen Präzedenzfall schaffen. Herr Professor Schellenberg, ich möchte hier für den Haushaltsausschuß ausdrücklich betonen, daß mit dem Kürzungsvorschlag der Bundesregierung, den wir im Haushaltsausschuß übernommen haben, jedenfalls nach unserer Auffassung keine Präjudizierung geschaffen werden soll und, wie ich meine, auch keine geschaffen wird.Der Haushaltsausschuß muß natürlich auch noch ein letztes bedenken, daß nämlich mit der Zuteilung der Schuldbuchforderungen und ihrer nun vorgesehenen Erhöhung um 200 Millionen DM — dieser Gesichtspunkt ist für den Haushaltsausschuß ausschlaggebend — die langfristige Verschuldung desBundes erhöht wird. Der Bund muß ja die Schuldbuchforderungen mit 6,75 % verzinsen und mit 4 % zusätzlich ersparter Zinsen tilgen. Durch die Erhöhung der Schuldbuchforderungen würde natürlich diese langfristige Verschuldung nicht unwesentlich erhöht.
— Richtig.Ich darf zum Abschluß, um beide Gesichtspunkte zu erwähnen, folgendes herausstellen. Die Beschlüsse und die Kürzung und die Zuteilung der Schuldbuchforderungen — das möchte ich mit Betonung sagen — sind dem Haushaltsausschuß keineswegs leichtgefallen. Er glaubt aber aus all den Erwägungen, die ich hier kurz zu skizzieren versuchte, daß seine Entscheidung einen Kompromiß darstellt. Es ist ein ausgewogener zumutbarer Kompromiß zwischen den Haushaltsschwierigkeiten des Bundes, die wir hier und heute zu bewältigen haben, .und den berechtigten Belangen der Rentenversicherung, deren Schwierigkeiten nur langfristig — nicht jetzt, sondern im Rahmen der Beratung des dritten Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes — gelöst werden sollen und müssen. -Vor allem aus diesem letzten Grund bitte ich, es bei den Beschlüssen des Haushaltsausschusses zu belassen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Spitzmüller.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich darf vielleicht noch auf einige Bemerkungen, die heute morgen gefallen sind, zurückkommen und ausführen: Es ist doch selbstverständlich, daß ein Haushaltsplan, der dem Bundestag vorgelegt wird, eine Regierungserklärung oder ein Regierungsprogramm in Zahlen darstellt und, wenn er aus dem Haushaltsausschuß wieder an das Plenum zurückkommt, noch verstärkt ein Programm der Regierung und der sie tragenden Parteien darstellt. Es ist deshalb selbstverständlich, daß man zu den einzelnen Haushalten auch eine gewisse politische Wertung vorzunehmen hat. Das gehört einfach zum Stil ,des Parlaments. Es ist die Aufgabe der die Regierung tragenden Parteien, nun den Scheinwerfer auf die Dinge zu lenken, von denen sie glauben, daß sie besonders gut gelungen sind, und es ist die Aufgabe, ja die verdammte Pflicht und Schuldigkeit der Opposition, nun eben kritisch den Scheinwerfer auf die Punkte zu lenken, von denen sie glaubt, daß sie falsch im Ansatz sind oder daß .die Entwicklung in eine falsche Richtung gehen könnte oder daß die Entwicklung angehalten oder vorwärtsgetrieben werden sollte. So ist das in diesem Hause doch immer gehalten worden, und ich glaube, wir sollten uns über diese Grundsatzfrage einig sein.Ein weiteres möchte ich eingangs noch erwähnen. Herr Kollege Schmidt von der Sozialdemokratischen Partei hat vorgestern bei den drei Feststellungen in den Schlußsätzen zum Thema „Warum Große Koalition?" einen Satz ausgesprochen, den er sicherlich
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Spitzmüllernicht so gemeint hat, wie er verstanden werden kann. Er hat gesagt: Jeder andere Versuch einer Regierung wäre zu Lasten des kleinen Mannes gegangen. Das ist unsere Überzeugung." Meine Damen und Herren, Herr Kollege Schmidt hat sicherlich nicht das gemeint, was man herauslesen kann. Aber es ist wohl notwendig, hier dem erweckten Eindruck entgegenzutreten, als ob es in diesem Hause nur eine einzige Partei gäbe, die der Anwalt des kleinen Mannes wäre, während alle übrigen Parteien für die Sorgen und Nöte des kleinen Mannes nichts übrig hätten. Das mußte, wie ich glaube, klargestellt werden, damit diese mißverständliche Möglichkeit nicht im Raume stehenbleibt.Der Herr Berichterstatter Dr. Götz hat schon einige Bemerkungen zu diesem Einzelplan gemacht. Ich möchte Herrn Dr. Götz namens der Opposition für den ausführlichen und instruktiven Bericht, den er schriftlich abgegeben hat, ausdrücklich danken. Aus diesem Bericht geht eigentlich alles Wesentliche hervor, was der Politiker, der draußen einmal über Sozialpolitik zu sprechen hat, ohne sich im Detail mit den Fragen befaßt zu haben, wissen muß, gerade bezüglich der Entwicklung unserer Rentenversicherungen und bezüglich der Tatsache, daß dieser Haushalt nach wie vor den zweitgrößten Ausgabeposten im Gesamtetat darstellt.Eine neue Situation ist aber insofern eingetreten, als der allgemeine Etat nun weit über 10 % ansteigt, während der Sozialetat nur eine 6%ige Steigerung aufweist. Der Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokratischen Partei im Deutschen Bundestag hat im Februar 1964 die Behauptung aufgestellt: Es fehlt an Führung; in der Sozialpolitik geht es zu, als hätten wir keinen Bundeskanzler. Meine Damen und Herren, wenn diese Erklärung damals gestimmt hat, dann weiß ich eigentlich nicht, wie ich den gegenwärtigen Zustand bezeichnen soll. Denn Sie, Herr Schellenberg, haben zwar den Eindruck erweckt, als ob alles in bester Ordnung sei, aber Sie haben hier in Ihrer Rede den Beweis geliefert, daß die Dinge in dieser Koalition keineswegs abgeklärt und ausgegoren sind. So kann man wirklich feststellen, daß das Jahr 1967 zum Jahr der großen sozialpolitischen Unsicherheit geworden ist. Ich will Ihnen auch sagen warum: weil niemand erkennen kann, wohin die Reise eigentlich gehen soll.
— Natürlich, Herr Kollege Killat, aber nachdem Sie, als Sie in der Opposition waren, die geringsten Dinge zum Anlaß genommen und breit ausgewalzt haben, werden Sie mir doch nun gestatten, daß ich angesichts der Fülle von Anlässen, die bei diesem Haushalt zur Debatte stehen, wenigstens einige Bemerkungen mache.
Dafür haben Sie letztlich doch Verständnis.
Ich habe einiges zu sagen, das in den Ohren der Koalition nicht ganz schön und gut klingt; aber ich habe mir einmal überlegt, was die CDU/CSU heute eigentlich zu erdulden hätte, wäre sie nicht in der unwahrscheinlich glücklichen Lage, zu wissen, daß Herr Professor Schellenberg mit ihr auf demselben Dampfer fährt.
Das wollte ich doch auch einmal als eine ganz spezielle und bestimmte Aussage, die für 'die Sachkenner genügend enthält, in den Raum gestellt haben.Ich habe gesagt: das Jahr der sozialpolitischen Unsicherheit. Warum? In der Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966 hat der Herr Bundeskanzler darauf hingewiesen, daß man die Bemessung der jährlichen Zuwachsrate der Sozialleistungen und der Bundeszuschüsse ernsthaft überprüfen müsse. Er hat dies auf dem Parteitag der Christlich Demokratischen Union in Braunschweig wiederholt, und er hat das vorgestern hier — Sie können seine Rede nachlesen — noch einmal gesagt. Das heißt, seit einem halben Jahr eine und dieselbe klare Aussage des Herrn Bundeskanzlers. Aber das bedeutet doch, daß der Moment der Überprüfung noch nicht abgeschlossen ist. Daß der Moment der Überprüfung noch nicht abgeschlossen ist, können Sie doch auch daraus entnehmen, daß die Freie Demokratische Partei in drei Kleinen Anfragen — gestützt auf Passagen der Regierungserklärung — nähere Auskunft über die neue Form der Sozialpolitik haben wollte und daß wir erleben mußten, daß in einem Fall sogar zweimal um Fristverlängerung gebeten wurde. Wir gaben diese Fristverlängerung natürlich und dürften erwarten, nun klare Antworten auf klare Fragen zu bekommen.Aber ich muß sagen, Herr Arbeitsminister, wir waren von den Antworten nicht beglückt, denn statt Antworten — so möchte ich sagen — bekamen wir Ausflüchte, mit denen man nicht viel anfangen konnte.Warum ist die Situation so ungeklärt? Weil in der Öffentlichkeit die verschiedenen Äußerungen aus den Regierungslagern natürlich nicht unbekannt geblieben sind. Der Bundeskanzler: Überprüfung. Prominente Sprecher der SPD spinnen immer noch den Gedanken der Expansion des sozialen Leistungssystems weiter, als ob die Haushaltssituation sich gegenüber den fünfziger Jahren oder dem Anfang der sechziger Jahre nicht wesentlich geändert hätte. Und heute hat Herr Kollege Schellenberg selbst wieder davon gesprochen, daß für die SPD eben keine Änderung der Rentengesetze von 1957 in Frage kommt. Ich frage mich: Was prüft der Bundeskanzler eigentlich, wenn Sie eine so klare Erklärung für die sozialdemokratische Fraktion hier abgeben? Dann denke ich an die Meldung in der Welt vom 19. 5. dieses Jahres, in der ausgeführt wurde, daß die Sozialdemokraten in einer Besprechung mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund erklärt haben, eine Änderung der Rentengesetze von 1957, und der darin vorgesehenen Leistungen könne nur gegen die SPD beschlossen werden. Ich würde meinen, Herr Kollege Schellenberg, das ist eine klare Aussage. Aber so klar ist sie wieder nicht, denn sie beinhaltet, daß Sie notfalls bereit sind, es ohne irgendwelche Konsequenzen hinnehmen, wenn Sie über-
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Spitzmüllerstimmt sind. So kann man diese Erklärung, die Sie dort der Presse abgegeben haben, auch auslegen. Sehen Sie, daher hat auch Ihre heutige Aussage nur deutlich gemacht, daß der Bundeskanzler prüft und prüfen läßt, daß es aber eigentlich unsinnig ist, daß er prüfen läßt, weil Sie hier Dinge schon so fixiert haben, daß nichts geändert werden soll.Meine Damen und Herren, ich möchte auf einiges eingehen, was hier im Haushalt konkret angesprochen ist. Es gibt ja nun eine ganze Fülle von Fragen, aus denen erneut hervorgeht, daß es der Koalition noch nicht gelungen ist, sich über den einzuschlagenden Weg in der Sozialpolitik zu einigen, denn bis zur Stunde sind den Ankündigungen des Bundeskanzlers keine Taten gefolgt. Diese gewisse Konzeptionslosigkeit innerhalb der Koalitionsfraktionen ist doch gestern deutlich geworden und wird sich heute erneut beweisen; gestern beim Pennälergehalt und heute bei der Frage des versuchten ersten harten Eingriffs in den allgemeinen Bundeszuschuß. Daraus geht doch hervor, daß Sie eben noch Zeit brauchen, um sich abzuklären, und daß man deshalb ungeniert sagen kann, daß das Jahr 1967 das große Jahr der Unsicherheit in. der Sozialpolitik geworden ist.Meine Damen und Herren, ich möchte gar nicht auf die widersprüchlichen Abstimmungsentscheidungen der Koalitionsfraktionen beim Finanzplanungsgesetz hinweisen, bei denen es, wie Sie sich ja noch dunkel erinnern können, im Deutschen Bundestag in einer Sache bis zu drei unterschiedliche Beschlüsse der Koalition in den Ausschüssen und im Plenum gab. Ich brauche nicht mehr auf die Situation hinzuweisen, wie Sie, Herr Kollege Schellenberg, in der Großen Koalition die sozialpolitisch bessere Lösung der Arbeitslosenversicherung geregelt haben. Hier haben Sie doch einfach den Bundeskanzler durch die Koalitionsfraktionen überfahren und haben deutlich gemacht, daß der Herr Bundeskanzler von zu großen Illusionen ausging, als er in seiner Regierungserklärung sagte, daß in dieser Koalition das Verhältnis zwischen Kabinett und Koalitionsfraktionen besser sei und daß die Führungsaufgabe vom Kanzler im Kabinett und von den Fraktionsvorsitzenden in den Fraktionen wahrgenommen werde. Hier hat sich zum erstenmal schon bewiesen, daß die großen Worte der Regierungserklärung vom 13. Dezember bezüglich der Führungsaufgabe des Bundeskanzlers nicht gehalten haben, was man sich davon versprochen hat.Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, zur Rentenversicherung, die Herr Kollege Schellenberg schon angesprochen hat, und zu den „riesenhaften Vermögen", die dort noch angesammelt sind. Das hört sich wunderbar an, Herr Kollege Schellenberg. Als Sachkenner wissen Sie natürlich auch, daß dieses große Vermögen der Rentenversicherung gar nicht so schnell liquide gemacht werden kann, ohne andererseits wieder bestimmte wirtschaftliche Entwicklungen einzuleiten, die auch Sie nicht gerne haben. Ich darf hier auf den vorzüglichen Bericht des Kollegen Dr. Götz hinweisen, der darauf aufmerksam macht, daß die Rentenversicherungsträger in diesem Jahr nur unter Schwierigkeiten und nicht ohne Veräußerung von Wertpapieren, darunter auchPapieren des Bundes, die Eingriffe werden verkraften können. Damit ergibt sich, daß hier nicht einfach das Vermögen reduziert werden kann und daß viel Zeit nötig ist, um die Dinge zu bereinigen.Herr Kollege Schellenberg, was ist nun eigentlich die neue Sozialpolitik, wie sie sich im Haushaltsgesetz nach den Ausschußberatungen niederschlägt? Ich bitte Sie, einmal die Drucksache V/1800 aufzuschlagen. Da finden Sie nämlich auf der Seite 18 in klarem deutschen Text das, was im Einzelplan 10 an Veränderungen vorgenommen worden ist.Wir haben dazu festzustellen: Neu ist z. B. der § 28 a Abs. 2 nicht. Diese Koalition aus CDU/CSU und SPD ist allenfalls in der Lage, das fortzusetzen, was auch von der früheren Koalition zum Teil praktiziert wurde. Ich denke an die Schuldbuchforderungen. Nur besteht gegenüber damals der Unterschied — und das, meine Damen und Herren von der SPD, muß ich Ihnen ins Stammbuch schreiben —, daß diese Praxis der Schuldbuchforderungen heute von Ihnen gebilligt und unterstützt wird, die Sie damals, als Sie in der Opposition standen und. als die Rentenversicherungsträger noch über flüssige Geldmittel verfügten und keine Papiere verschleudern mußten, um diese Titel unterzubringen, als einen Verstoß gegen Treu und Glauben, als ungeheuerliches Verfahren und als Außerachtlassung demokratischer Spielregeln charakterisiert haben.
Heute stimmen Sie ihnen zu. Sie haben sogar einen Antrag eingebracht, diese Schuldbuchforderungen um 200 Millionen DM zu erhöhen. Das also kann die neue Sozialpolitik der Großen Koalition nicht sein. Denn das hat in beschränkterem Maße und damit sozialpolitisch gedämpfter auch schon die alte Regierung getan.Aber der § 28 a Abs. 1, den Sie jetzt geändert haben wollen, ist der erste Versuch, den allgemeinen Bundeszuschuß zu kürzen, und zwar mit Zustimmung der sozialdemokratischen Minister im Kabinett. Die zeitliche Begrenzung auf ein Jahr ist offensichtlich der Versuch des Bundesfinanzministers, einmal zu testen, inwieweit die Sozialdemokraten bereit sind, ihre „heiligen Kühe" aushungern oder abschlachten zu lassen. Bis gestern konnte man den Eindruck gewinnen, daß es ein gelungener Versuch des Herrn Bundesfinanzministers werden würde; denn bis gestern war dieser Kabinettsbeschluß im Sozialpolitischen Ausschuß und im Haushaltsausschuß von den Sozialdemokraten durchgehalten worden. Erst gestern nachmittag kam ein Änderungsantrag.Zu diesem Vorschlag der Bundesregierung hätte ich eine ganz präzise Frage, Herr Minister. Haben Sie wegen dieser beabsichtigten Kürzung Besprechungen mit den Rentenversicherungsträgern geführt? Haben die Rentenversicherungsträger diesem vorgesehenen Eingriff in den allgemeinen Bundeszuschuß zugestimmt, oder haben sie zu erkennen gegeben, ,daß sie natürlich nicht zustimmen können, aber daß sie .es hinnehmen würden? Hier hätten wir gern eine Antwort von Ihnen, bevor der Kollege
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5536 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juni 1967
SpitzmüllerMischnick unsere Haltung zum Antrag der SPD- Kollegen Shier klar präzisieren kann.
— Ich hätte gerne eine Antwort vom Herrn Minister. Sie verstehen das. Ich möchte da ganz sicher gehen, bevor wir uns endgültig festlegen.Meine sehr verehrten Damen und Herren, der nächste Paragraph, § 28 b ist neue Sozialpolitik. Sie sehen es daran, daß das fett gedruckt ist. Dadurch kommt zum Ausdruck, daß es Änderungen sind, die unter der Federführung dieses Kabinetts im Haushalt eingeplant worden sind. Nachdem der Wanderversicherungsausgleich zwischen Arbeiterrentenversicherung und Angestelltenversicherung im vorvergangenen Jahr von CDU und SPD gemeinsam abgeschafft worden ist, wird hier eine neue Art von Wanderversicherungsausgleich eingeführt, nämlich ein Wanderversicherungsausgleich für die Krankenversicherung ,der Knappschaftsrentner. Diesem Vorschlag folgt man leicht; denn der Bund kann sich hiermit aus sozialen Leistungsverpflichtungen im Betrage von 100 Millionen DM, die er bisher zu erfüllen hatte, hinwegschleichen. Meine Damen und Herren, man bietet den Zweiflern in den eigenen Reihen einen anderen Entscheidungsgrund an, nämlich den, daß der Bundesrechnungshof große Bedenken gegen das bisherige System erhoben habe. Meine Damen und Herren, die Opposition würde es begrüßen, wenn Bedenken des Rechnungshofs in gleicher Weise in allen Bereichen die entsprechenden Konsequenzen nach sich zögen. Das wäre ein sichtbarer positiver Ansatz für eine neue Politik. Weil hier der Bundesrechnungshof angezogen ist, werden wir dieser Änderung selbstverständlich zustimmen.Wenn aus den bisher angeführten Paragraphen nicht eine neue Sozialpolitik zu entnehmen war, dann müssen wir uns noch die nächste Sache ansehen, die auf Seite 19 steht. Auch hier sehen wir eine fragwürdige Regelung. Erstmals nämlich wird auch hier der Bundeszuschuß, d. h. die Rückvergütung des Bundes für Dauerbehandlung bei Tuberkulose entzogen, wenn auch nur für dieses Jahr, während ,der Bundeszuschuß für Dauerbehandlung bei Tuberkulose bei der Sozialhilfe in diesem Jahr noch bleibt. Keine logische Verbindung innerhalb eines Haushaltsgesetzes!Deshalb können wir aus diesen Haushaltsänderungen nur entnehmen, daß der Haushalt mit seinen Änderungen — nun, man kann sagen, die Regierung ist zu kurz im Amt, es sind erst sechs Monate— kein gesamtsozialpolitisches Programm erkennen läßt. Es ist das, was der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung einen Flickenteppich nannte. Sie werden deshalb verstehen, daß wir große Bedenken anzumelden haben.Ich komme zum Schluß. Jahrelang haben die Sprecher der Sozialdemokratischen Partei der jeweiligen Bundesregierung, ob sie von der CDU allein oder von der CDU und anderen Parteien getragen war, mangelndes Verständnis für soziale Fragen vorgeworfen. Ich erinnere daran, daß der KollegeSchellenberg am 21. Oktober 1964 diesem Hause eine sozialdemokratische Erfolgsrechnung aufgemacht hat. Dabei führte Dr. Schellenberg aus — mit Genehmigung des Präsidenten darf ich kurz daran erinnern —:Die Sozialleistungen sind wesentlich durch Initiativen der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion beeinflußt worden.
Nicht selten mußten Leistungsverbesserungen gegen den Widerstand der Bundesregierung durchgesetzt werden. Ich möchte hier nicht untersuchen, wie hoch der Sozialaufwand wäre, wenn nicht die Sozialdemokraten seit Schaffung der Bundesrepublik einen zähen Kampf für die Verbesserung der Sozialleistungen — oft gegen die Bundesregierung — geführt hätten. (Beifall bei der SPD ...)— Wir haben Sie— an CDU und FDP gewandt —durch unsere Initiativen gezwungen, auch gegen Entwürfe der Bundesregierung Verbesserungen vorzunehmen.
Das ist doch der Tatbestand.
Soweit, meine Damen und Herren, die Worte des Kollegen Schellenberg.Die SPD-Opposition hatte mit ihren oft propagandistisch wunderbar mit Schlagworten ausgewalzten Erklärungen auch auf anderen Gebieten Erfolge aufzuweisen.Wir stehen nun also vor einem Scherbenhaufen dieser SPD-Erfolgspolitik, die die Mehrheit dieses Hauses oft, immer wieder, gegen die bessere Einsicht der Bundesregierung zu Beschlüssen getrieben hat, denen die Bundesregierung sehr skeptisch gegenüberstand. Sie hat nämlich erreicht, daß dieses Haus auf allen Gebieten Mehrausgaben, Mehrausgaben und Mehrausgaben beschlossen hat. Heute stehen wir vor dem Scherbenhaufen dieser Mehrausgaben auf den verschiedensten Sektoren.
Meine Damen und Herren, man kann sagen: das ist ein Erfolg für die SPD. Ich sage auch: jawohl, Sie haben sich durchgesetzt; die Mehrheit, die CDU— zeitweise auch die FDP und die CDU gemeinsam— war nicht hart genug, Ihren Sirenenklängen Widerstand entgegenzusetzen.
— O nein. Lassen Sie mich nur weiterreden.
— Ich habe ausdrücklich gesagt: auf diesen und anderen Gebieten haben Sie Erfolgsmeldungen aufzuweisen. Warum aber ist man den Sirenenklängen der Opposition oft gefolgt? Weil man Sorge wegen der gefährlichen, einprägsamen Wort-
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Spitzmüllerschöpfungen der SPD hatte. Denken Sie, meine Damen und Herren, nur an die Wortschöpfung von der sozialen Demontage, die man der alten Koalition bei jeder sich bietenden Gelegenheit anzuhängen versuchte!Und noch ein Weiteres muß ich zum Abschluß sagen. Herr Kollege Schellenberg und die SPD haben bei allen Haushaltsberatungen der zurückliegenden Zeit immer wieder darauf hingewiesen, daß sich dieses mangelnde Verständnis für soziale Fragen auch darin niederschlage, daß der Zuschuß zu den Gesamtausgaben. der Rentenversicherung zwar nominell steige, prozentual aber sinke; das müsse geändert werden. Ich erinnere mich an einige Debatten hier und außerhalb des Hauses, wo gesagt wurde: Der soziale Leistungswille einer Regierung ist abzulesen an dem prozentualen Anteil, den eine Regierung dem Sozialhaushalt im Bundeshaushalt zugesteht.Ich habe hier den Bericht des Kollegen Dr. Götz vor mir liegen. In ihm wird eindeutig festgestellt, daß der Anteil des Sozialhaushalts am Gesamthaushalt von 19,6% im letzten Jahre auf 18,8 % im Jahre 1 der Regierung Kiesinger-Brandt zurückgeht. Weiterhin wird dort festgestellt, daß der Zuschuß für die Rentenversicherungsträger von 20,2 % auf 19 % zurückgeht. Meine Damen und Herren, damit kein Irrtum entsteht: wir haben uns immer gegen eine solche Darstellung gewandt, aber, Herr Kollege Schellenberg, Sie müssen nun die Ergebnisse Ihrer eigenen Argumentation selber tragen.Neulich habe ich diese Zahlen einmal einem sehr verbitterten Mitglied Ihrer Partei — leider war es kein Witzbold — genannt. Dieser Mann kam zu dem bitteren Ergebnis, das sei ja unglaublich, da müsse man doch die Buchstaben „SPD", nachdem jetzt die Sozialdemokratische Partei die Ehre habe, Bundesminister zu stellen, mit "Sozial-Politische Demonteure übersetzen".
Wir wissen, Herr Kollege Schellenberg, daß Sie keine sozialpolitischen Demonteure sind. Aber, Herr Kollege Schellenberg, diese Gedankenverbindung ist eben symptomatisch, und sie ist automatisch hervorgerufen worden durch die Argumentation, die Sie so oft draußen in den Versammlungen verbreitet haben.Wir wissen auch, daß Sie sich auf, diesem Gebiet heute in einer peinlichen Situation befinden, weil Sie die Konsequenzen, die in dem Vollzug des Kabinettsbeschlusses vom 19. Januar liegen, zu ziehen haben, eines Kabinettsbeschlusses, bei dem Ihr altes Schlagwort von der sozialen Demontage sicherlich nicht mehr Pate gestanden hat. Deshalb nicht mehr, weil es in der Zwischenzeit schon durch Ihre großartige, schillernde Wortschöpfung von der sozialen Symmetrie abgelöst war. Ich möchte hinzufügen: Was Sie in diesem Haushalt im Namen der sozialen Symmetrie vollziehen wollen, ist keine Schlangenlinie, ist kein Umfallen, nein, das ist ein sichtbarer Beweis dafür, daß Ihre Minister und Ihre Fraktion als Regierungspartei vom Baume der Erkenntnis gegessen haben.
Nun, meine Damen und Herren, ich hoffe, daß Sie wissen, in welcher Situation sich Adam und Eva befanden, als sie vom Baum der Erkenntnis gegessen hatten.
Wo blieb denn, Herr Kollege Schellenberg, Ihr Protest gegen das unzulässige, weil durch keinersei Gesetz abgedeckte, also außerhalb der Legalität praktizierte Vorgehen des Finanzministers gegenüber den gesetzlichen Rentenversicherungen? Wir haben dazu beim Haushalt des Finanzministers gesprochen. Wir haben nicht erwartet, daß Sie protestieren, daß Sie einen Aufstand machen. Aber wir hätten doch wenigstens erwartet, daß Sie den Finanzminister bitten, in Zukunft mit Kürzungen und Zurückhaltungen von Geldzuweisungen abzuwarten, bis die gesetzliche Grundlage dafür geschaffen ist, und nicht so zu tun, als habe er schon ein Gesetz, auf Grund dessen er so handeln könnte, wie er gehandelt hat, nämlich den Rentenversicherungsträgern ab Juni nicht mehr den Zuschuß zuzuweisen, der ihnen nach dem immer noch gültigen Gesetz, der Reichsversicherungsordnung, zusteht. Das also, muß ich sagen, Herr Kollege Schellenberg, hat uns enttäuscht. Denn das Vorbringen dieser Bitte wäre doch sicherlich nicht als unangemessen von Ihrem Koalitionspartner angesehen worden. Wir haben ein wenig den Eindruck, daß Sie in der Umarmung der CDU — Sie wollten ja zuerst die CDU umarmen; jetzt sind Sie in der Umarmung —
schon so atemlos geworden sind, daß Sie nicht einmal mehr in solchen grundsätzlichen Fragen des Stils hier wenigstens Ihre warnende Stimme erheben. Ich glaube, die Versicherten und die Mitglieder in den Selbstverwaltungsorganen hatten eigentlich damit gerechnet, daß die Sozialdemokraten hier wenigstens ein Wort einlegen. Das haben sie leider nicht getan.Meine Damen und Herren, täuschen wir uns nicht. Mit den hier vorgeschlagenen Änderungen im Gesetz geschieht ein ganz gewaltiger Eingriff in die RVO, was unter der alten Regierung in solchem Rahmen nicht geschah. Mit dem, was das Kabinett am 19. Januar beschlossen hat, ist zum ersten Male ein Beschluß gefaßt worden, in die Reichsversicherungsordnung einzugreifen, ohne diese vom Grundsatz her zu ändern. Das halten wir für ein bedenkliches Verfahren. Wir sind der Meinung: Wenn bestimmte gesetzliche Verpflichtungen nicht mehr durchzuhalten sind, dann muß man das Gesetz ändern und muß der Öffentlichkeit dies mit allen Konsequenzen sagen. Sich aber weiter mit allen möglichen Manipulationen über das Haushaltsjahr hinwegzuretten, halten wir für falsch. Vor sechs Monaten ist diese Koalition angetreten und hat gesagt: „Endlich wird wieder regiert, endlich wird angepackt." Von diesem Regieren, von diesem Anpacken ist bei diesem Haushalt kaum etwas zu merken.
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5538 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juni 1967
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf zunächst dem Herrn Kollegen Spitzmüller auf die konkrete an mich gerichtete Frage antworten, ob Verhandlungen mit den Rentenversicherungsträgern geführt worden sind oder nicht. Die Frage ist zweifach zu beantworten.Erstens. Was die 1250 Millionen DM Schuldbuchforderungen anlangt, sind Verhandlungen geführt worden, und zwar von mir persönlich. Die Rentenversicherungsträger haben sich nicht in der Lage gesehen, einer Schuldbuchforderung in dieser Höhe zuzustimmen. Daraufhin sind sie vom Bundesfinanzminister zugeteilt worden.Zweitens. Was die 200 Millionen DM Kürzungen angeht, konnten keine Verhandlungen stattfinden, weil — Sie wissen das aus eigener Erfahrung, Herr Kollege Mischnick — das ja erst in der Nacht vom 18. zum 19. Januar innerhalb des Kabinetts ausgehandelt werden mußte.Nun lassen Sie mich doch noch ganz wenige Bemerkungen zu dem machen, was Herr Kollege Spitzmüller angesprochen hat. Ich glaube, Herr Kollege Spitzmüller, daß Sie nicht sagen können, das Jahr 1967 sei sozialpolitisch ein Jahr der Unsicherheit. Daß es Unsicherheiten im wirtschaftlichen Feld gibt, wissen Sie so gut wie wir alle in diesem Hause, und daß das naturgemäß Rückwirkungen auf alle Bereiche hat, auch auf den Bereich der Sozialpolitik, das sollte in der Tat selbstverständlich sein.Ich möchte dreierlei sagen.Erstens. Ich habe selbstverständlich Verständnis dafür, daß die Opposition jetzt und in dieser Stunde Entscheidungen über einige sozialpolitische Grundfragen hören möchte. Sie haben die Kleine Anfrage angesprochen. Wir haben sie sorgfältig geprüft. Sie waren mit der Antwort, die wir gegeben haben, nicht zufrieden. Das ist Ihr gutes Recht. Aber ich glaube, Herr Kollege Spitzmüller, Sie machen es sich etwas zu einfach, wenn Sie sagen, die Beantwortung der Kleinen Anfrage habe nichts zum Inhalt gehabt. Verehrter Kollege Spitzmüller, wir haben auf Ihre Anfrage wegen der Neuorientierung der Sozialpolitik geantwortet.In unserem System der Sozialversicherung werden wir am Prinzip der dynamischen Rente festhalten. Bei den Sozialleistungen, die der Lebenssicherung dienen, soll weder der Besitzstand gemindert noch auf die gegenwärtige Höhe festgelegt werden.So steht es in der Regierungserklärung. Wir haben,Herr Kollege Mischnick, auf Ihre Frage geantwortet:Deutlicher als je zuvor— und das werden Sie sicherlich nicht leugnen können —ist in letzter Zeit der enge Zusammenhang zwi-schen Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik zu-tage getreten. Dabei ist sich die Bundesregierung wohl der Bedeutung bewußt, die dem sozialen Fortschritt und dem sozialen Frieden für die weitere Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland zukommt. Eine zentrale innenpolitische Aufgabe sieht die Bundesregierung in einer Gesellschaftspolitik, die der freien Entfaltung des einzelnen dient und nicht zuletzt auch dazu beiträgt, daß der Fortschritt von Wissenschaft und Technik — einschließlich der Medizin — immer weiteren Kreisen der Bevölkerung zugute kommt.In der Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966 hat der Herr Bundeskanzler Neuorientierung der Haushaltspolitik (gesprochen und) eine Reihe von Leitgedanken entwickelt, nach denen auch die Gestaltung der Sozialleistungen überprüft werden soll. Diese Überprüfung-- so antwortete ich namens der Bundesregierung am 10. März dieses Jahres auf Ihre Kleine Anfrage —ist innerhalb der Bundesregierung im Gange.Hier muß ich nun sagen: Sie haben in Ihrer Fraktion doch genügend Kollegen mit Ministerialerfahrung, die in verschiedenen Kabinetten gewirkt haben. Ich glaube, Herr Kollege, es ist einfach nicht vorstellbar, daß über solch schwierige Fragen kurzfristig entschieden werden kann, und ein halbes Jahr ist in der Tat für eine solche große Aufgabe zu kurz.Zweitens möchte ich sagen: Selbstverständlich wissen wir — und das ging aus der Beantwortung der Kleinen Anfrage hervor —, daß die Sozialpolitik eingebettet ist in die mittelfristige Wirtschafts- und Finanzplanung. Sie haben gestern vom Bundesfinanzminister an dieser Stelle gehört: Diese mittelfristige Finanzplanung ist noch nicht abgeschlossen, die Beratungen darüber sind in vollem Gange. Wer dennoch, wissend, daß die Daten der mittelfristigen Wirtschafts- und Finanzplanung zu dieser Stunde noch nicht vorliegen — und ich füge hinzu: auch gar nicht vorliegen können —, jetzt darauf drängt, eine Entscheidung herbeizuführen, der leugnet einfach den Zusammenhang von Wirtschafts-, Sozial- und Finanzpolitik.
Das aus dem Munde eines Freien Demokraten zu hören,
das, Herr Kollege Spitzmüller, überrascht mich bei aller Wertschätzung für Sie in der Tat etwas.Ich füge einen letzten Satz hinzu: Wer im jetzigen Zeitpunkt eine Entscheidung losgelöst von Wirtschafts- und Sozialpolitik herbeiführen möchte, der möchte diese Entscheidung aus rein fiskalischen Erwägungen treffen, d. h. finanzielle Zuschüsse oder besser Erstattungen dann ausschließlich unter dem Gesichtspunkt des Haushalts ansprechen, nicht aber unter dem Gesichtspunkt der Sozialpolitik, die wir in dieser Stunde zu vertreten haben. Das halte ich nicht für möglich. Deshalb muß ich noch einmal nach-
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juni 1967 5539
Bundesminister Katzerdrücklich darauf hinweisen, Herr Kollege Spitzmüller. Wir sollten alle gemeinsam daran interessiert sein, daß wir den Zusammenhang von Wirtschafts-, Sozial- und Finanzpolitik erhalten. Es geht hier nicht nur um den Ausgleich des Haushalts, sondern es geht um wesentliche Bereiche unserer Sozialpolitik.Lassen Sie mich auch das sagen: Wer hier jetzt eine Entscheidung vorwegziehen möchte, ohne den Zusammenhang mit der Finanz- und Wirtschaftspolitik zu sehen und zu suchen, der muß sich allerdings auch die Frage vorlegen lassen, ob es. ihm im Grundsatz — unbeschadet der haushalts- und finanzpolitischen Situation — einfach darauf ankommt, gewachsene Sozialsysteme zu korrigieren. Das ist nicht unsere Auffassung. Deshalb brauchen wir in der Gesamtprüfung alle drei Komponenten, um zu sehen, wie wir unsere Sozialpolitik auch für die Zukunft stabil und solide gestalten.Ich darf Ihnen für diese Koalition versichern, Herr Kollege Spitzmüller: dieses Jahr wird kein Jahr der Unsicherheit sein, sondern wir werden in diesem Jahr Sicherheit schaffen, auch und gerade für unsere Rentenversicherung, denn das sind wir 9 Millionen Rentnern schuldig.
Darauf werden wir drängen. Wir haben das Dritte Rentenversicherungsänderungsgesetz in erster Lesung vor etwa einem Jahr sehr eingehend hier beraten. Es liegt im Sozialpolitischen Ausschuß. Der Ausschußvorsitzende, Herr Kollege Professor Schellenberg, hat vorhin dargetan, daß man selbstverständlich sehr sorgfältig wird prüfen müssen — und das kann ich von mir aus nur unterstützen und unterstreichen —, wie wir in diesem Jahr der Rentenversicherung die finanzielle Stabilität geben können, deren sie bedarf, wenn wir nicht das Vertrauen von Millionen von Menschen erschüttern wollen.Ich möchte zum Schluß kommen und mich nur noch einmal an alle jene wenden, die glauben, die Sozialpolitik sei in diesem Augenblick vielleicht das Exerzierfeld für Dinge, die man früher nicht hat sagen können, die man aber jetzt unter veränderten finanzpolitischen Verhältnissen etwas stärker ansprechen kann. Diese Leute müssen wir enttäuschen. Wir werden uns gemeinsam vor Augen halten müssen, daß wir einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen haben. Wir werden auch gemeinsam für die Sozialpolitik sorgen müssen. Wenn die Zeit nicht so knapp wäre, würde es mich reizen, zu allen jenen Stimmen etwas zu sagen, die hier so tun, als hätte man wahllos Menschen etwas gegeben; das kam ja im Untergrund durch. Bei der Beratung des Dritten Rentenversicherungsänderungsgesetzes wird Gelegenheit sein, einmal von der Höhe der Rente, von den Leistungen auszugehen, von denen die Rentner heute noch leben müssen. Dann werden, glaube ich, jene sehr schnell geheilt werden, die glauben, daß es möglich wäre, auf diesem Feld nennenswerte Umstrukturierungen im Handgalopp zu vollziehen. Dazu ist diese Bundesregierung nicht bereit.
Das Wort hat der Abgeordnete Liehr.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist meine Absicht, mich in aller Kürze zur Arbeitsmarktpolitik zu äußern, die wir Sozialdemokraten als einen Schwerpunkt unserer Politik ansehen. Wir glauben, dazu bereits einen bedeutsamen Sachbeitrag geleistet zu haben, indem wir den Weg einer modernen Arbeitsmarktpolitik in kräftigen Strichen vorgezeichnet haben. Ich möchte auch keinen Zweifel daran lassen: wir legen allergrößten Wert darauf, daß noch in dieser Legislaturperiode sichtbare, spürbare Fortschritte in dieser Sache erzielt werden.
Als in der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion 1964 der erste Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Arbeitsmarktes an die Entwicklung von Wirtschaft und Technik erarbeitet worden ist, der mittlerweile unter der Kurzfassung Arbeitsmarktanpassungsgesetz hinlänglich bekanntgeworden ist, befand sich die Bundesrepublik noch in einer Hochstimmung des sogenannten Wirtschaftswunders. Es war jene Stimmung, deren selbstzufriedene Wogen unsere Initiativen zur Neuordnung der Berufsausbildung als wenig aktuell und notwendig wegzuspülen suchten. Wer damals über das praktizierte Maß hinaus eine Prognose der Zustände gewagt hätte, wie wir sie 1966 vorfanden, wäre als ein hoffnungsloser Querulant abgekanzelt worden.In der Tat war es für viele nur sehr schwer vorstellbar, daß sich die Lage des Arbeitsmarktes so schnell und rigoros in ihr Gegenteil verkehren könnte. Es bleibt das Verdienst meiner Fraktion, damals noch aus der Opposition heraus ein so wegweisendes Gesetz konzipiert zu haben, das auch einer völlig veränderten Wirtschaftslage mit vielfältigen Konsequenzen für den Arbeitnehmer durchaus angemessen ist.Dieser damals aus einem konstruktiven Prozeß gegen jahrelange Versäumnisse der Bundesregierung entstandene Entwurf hätte uns bereits große Dienste leisten und auch Auswüchse verhindern können, wenn man sich zu einer beschleunigten Verabschiedung hätte entschließen können. Eine zügige Beratung dieser Gesetzesmaterie, die durch die Entwicklung der Arbeitsmarktverhältnisse besonderes Gewicht erhalten hat, ist jedenfalls ganz besonders geeignet, die von der Bundesregierung getroffenen wirtschaftspolitischen Maßnahmen in einem für den Arbeitnehmer positiven Sinne zu ergänzen.Meine Damen und Herren, wir stimmen sicher alle darin überein, daß die Erhöhung des Arbeitslosengeldes, so wichtig dies für den einzelnen ist, allein nicht ausreicht, daß wir uns nicht darauf beschränken können, etwa die Arbeitslosigkeit zu verschönern, sondern daß es darauf ankommt, die Arbeitslosigkeit durch die Ankurbelung der Wirtschaft zu beseitigen. Es geht aber auch darum, neben einer gezielten Wettbewerbs- und Konjunkturpolitik so, wie es in der Absicht der Bundesregierung liegt, nunmehr den strukturellen Krisen zu begegnen. Hier
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Liehrkann das Arbeitsmarktanpassungsgesetz, das unsere Fraktion vorgelegt hat, einen wirksamen Beitrag zur sozialen Sicherung und zum beruflichen Aufstieg der Arbeitnehmer leisten.Dazu gehören erstens die Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, nicht zuletzt auch als Grundlage einer wirklichkeitsnahen Berufsaufklärung und Berufsberatung; zweitens ein modernes zukunftsorientiertes Berufsausbildungsrecht, das die Qualität der Ausbildung verbessert und die Mobilität der Arbeitnehmer fördert und drittens berufliche Bildungsangebote, die stärker auf die Fähigkeiten des einzelnen abgestellt sind und jeden bis zum Höchstmaß seiner Leistungsfähigkeit fördern. Zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer gehört aber auch viertens die Verhütung von Arbeitslosigkeit oder unterwertiger Beschäftigung. Dies ist, so meinen wir, neben den entsprechenden wirtschaftspolitischen Maßnahmen nur möglich, wenn die Arbeitsverwaltung in die Lage versetzt wird, vorbeugend tätig zu werden. Vorbeugende Maßnahmen sind, bevor etwa die Arbeitslosigkeit eintritt, aber nur anwendbar, wenn die Arbeitsverwaltung rechtzeitig von den Maßnahmen der Unternehmer Kenntnis erhält.Wir Sozialdemokraten setzen uns deshalb für die Anzeigepflicht der Unternehmer gegenüber der Arbeitsverwaltung ein — wie wir das in unserem Entwurf vorgesehen haben —, damit wir der Arbeitslosigkeit begegnen oder unterwertige Beschäftigung verhindern können. Nur so, glauben wir, ist das möglich. Diese vier herausragenden Punkte unseres Entwurfs möchte ich hier noch einmal in Erinnerung rufen.Meine Damen und Herren, wir sind sehr erfreut darüber, daß wir, unbeschadet der Frage, wo das Ganze letzten Endes gesetzlich zugeordnet werden soll, mit dem Koalitionspartner prinzipiell darin übereinstimmen, daß eine solche Konzeption verwirklicht werden soll.Wir begrüßen es sehr, daß — nach allem, was wir gehört haben — auch der Herr Bundesarbeitsminister Katzer durch das Vorantreiben der großen Novelle zum AVAVG inhaltlich das abzurunden versucht, was in dem CDU/CSU-Entwurf eines Berufsausbildungsgesetzes nicht enthalten ist. Somit beginnt sich auch inhaltlich eine praktische Übereinstimmung mit den Vorstellungen des sozialdemokratisch initiierten Entwurfs abzuzeichnen.Es muß jedenfalls das gemeinsame Ziel sein, Berufsausbildung künftighin als eine das ganze Berufsleben umfassende öffentliche Aufgabe zu verstehen, die immer wieder Bildungs- und Aufstiegschancen auch und gerade für den Arbeitnehmer anzubieten hat. Es spricht alles dafür — abgesehen von der vorwiegend sozialpolitisch orientierten Interessenlage der Arbeitnehmer —, daß die Verantwortung für den Gesamtkomplex Berufsberatung / Ausbildung / Fortbildung / Umschulung / Rehabilitation — um nur die wichtigsten zu nennen — dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung übertragen wird.Für uns — damit möchte ich schließen — ist nicht entscheidend, ob die Gesamtkonzeption, die ich inhaltlich gerafft noch einmal dargestellt habe, unter der Überschrift Arbeitsmarktanpassungsgesetz oder „Arbeitsförderungsgesetz" erreicht wird. Wir legen jedoch allergrößten Wert darauf, daß die Vorlage des Bundesarbeitsministers dem Hause schnellstens vorgelegt wird, damit sie in die Beratungen einbezogen werden kann und das Gesetzeswerk unverzüglich vom Hause verabschiedet wird.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Mischnick.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Schellenberg hat davon gesprochen, das soziale Herz sei bei den Freien Demokraten nicht immer spürbar gewesen. Ich habe manchmal den Eindruck, Kollege Schellenberg, daß Sie den Fehler machen, das soziale Herz nach der Höhe der Ausgabeanträge zu messen. Das scheint mir keine gute Basis zu sein.Die Überlegungen, die der Herr Bundesarbeitsminister hier dargelegt hat, weshalb es längere Zeit dauere, bis man zu genauen Antworten komme, sind durchaus beachtenswert. Aber wir stellen immer wieder fest: es steht im Widerspruch zu dem, was man am 13. Dezember hier gesagt hat, nämlich, alles sei gründlich aufgenommen, alles sei klar. Wenn man dann an die Sachfragen herangeht, braucht man Zeit, um sie zu klären. Wir werfen nicht vor, daß gewisse Dinge eine Zeit brauchen. Wir werfen vor, daß man ständig behauptet, es sei alles klar, man sei vollständig einig, aber -die Entscheidung könne nicht gefällt werden.Herr Bundesarbeitsminister Katzer, wenn ich einen Satz in Ihren Ausführungen richtig verstanden habe, sagten Sie, wir hätten den Zusammenhang von Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik nicht sehen wollen. Den Zusammenhang zwischen Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik haben wir immer gesehen. Ich kann mich aber noch sehr gut an manches Gespräch in den letzten Jahren erinnern, wo wir auf diesen Zusammenhang hingewiesen haben, Ihre Freunde aber leider nicht immer bereit waren, diesen Zusammenhang auch bei der Entscheidung zu sehen.Ich möchte hier über die anderen Fragen im einzelnen nicht noch sprechen, sondern nur ein paar Bemerkungen machen. Zunächst zu Ihrem Hinweis „Sozialpolitik soll kein Exerzierfeld sein"! Wir sind durchaus einverstanden, daß die Sozialpolitik kein Exerzierfeld zur Deckung von Haushaltslücken durch willkürliche Entscheidungen sein soll. Da sind wir völlig einer Meinung.Das ist auch der Grund — damit komme ich zu dem Antrag der SPD-Fraktion —, weshalb die Fraktion der Freien Demokraten dem Antrag Umdruck 256 zustimmen wird. Denn durch diesen Antrag soll gerade verhindert werden, daß ein Exerzierfeld geschaffen wird, indem man den Versicherungen 200 Millionen DM abzieht, ohne die grundsätzliche Frage ausdiskutiert und eine entsprechende
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juni 1967 5541
MischnickGesetzesänderung beschlossen zu haben. Das letztere halten wir für einen falschen Weg. Wir haben das Gefühl, daß man sich mit der Streichung dieser 200 Millionen DM im Haushalt an der tatsächlichen Entscheidung vorbeimogeln will: in diesem Jahr 200 Millionen, im nächsten vielleicht 300 Millionen oder 400 Millionen, unter dem Motto Solange sich niemand darüber aufregt, brauchen wir bei der Reichsversicherungsordnung nicht Farbe zu bekennen.Das wäre allerdings gerade der falscheste Weg. Denn daß wir hier keine Zeit mehr zu verlieren haben, geht eindeutig aus den Äußerungen der Sachverständigen hervor, die anläßlich der öffentlichen Sitzung des Sozialpolitischen Ausschusses in Berlin abgegeben worden sind. Ich empfehle übrigens allen Kollegen, die Protokolle 37 und 38 des Sozialpolitischen Ausschusses nachzulesen. Das ist eine Fundgrube für die Überlegungen, die wir in Zukunft, insbesondere bei der Beratung des Dritten Änderungsgesetzes zur Sozialversicherung, brauchen. Ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren, was Herr Professor Meinhold in diesem öffentlichen Hearing im März gesagt hat:Herr Abgeordneter Spitzmüller hat mich auf Herz und Nieren gefragt, ob ich so verstanden sein will, daß, wenn wir noch länger zögern, uns die Möglichkeit der Entscheidung aus der Hand geschlagen wird. Ich würde das sogar noch etwas zuspitzen und sagen: Es geht heute eigentlich nur noch darum, ob wir die Entscheidung über die Sozialleistungen schon verspielt haben, weil wir zu lange mit der Sicherung der Finanzierung gewartet haben — das ist z. B. der Standpunkt von Herrn Dr. Heubeck — oder ob wir, wie ich glauben würde, gerade noch in der Lage sind, eine Entscheidung zu treffen. Wenn wir weiter warten — darüber sind wir uns wohl alle einig —,— er meinte dabei die Wissenschaftler —dann haben wir die Freiheit zu einer Entscheidung nicht mehr, weil dann der Anstieg des Rentenberges zu steil wird.Wenn man den Weg geht, der hier vorgesehen ist, 200 Millionen DM zu streichen in der Hoffnung, daß das dann so fortgeführt wird, schiebt man eben die Entscheidung vor sich her. Wir brauchen die Entscheidung mit dem Dritten Rentenänderungsgesetz. Ich bin etwas unsicher, ob das noch die Grundlage der Beratung ist oder ob inzwischen vielleicht andere Auffassungen bei der Bundesregierung Platz gegriffen haben. — Herr Bundesminister Katzer schüttelt den Kopf. Ich stelle also fest, daß hier offensichtlich innerhalb der SPD noch nicht ganz Klarheit darüber herrscht, was man machen muß, nachdem in der Regierung offensichtlich Klarheit über das Dritte Rentenänderungsgesetz besteht. Wir sind sehr gespannt, wie Ihre heutige Aussage, die Sie dankenswerterweise sehr detailliert gemacht haben, mit den Entscheidungen, die dort zu fällen sein werden, unter einen Hut. gebracht werden kann.Wir werden dem Antrag der SPD zustimmen in der Überzeugung, daß nur so sichergestellt wird, daß hier in diesem Hause endlich Klarheit darüber geschaffen wird, wie die Finanzierung der Rentenversicherung auf die Dauer aussieht, statt diese Frage von Haushalt zu Haushalt vor sich herzuschieben.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Friderichs.
Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren! Herr Bundesminister Katzer, ich wollte noch eine Frage an Sie stellen. Nach einer Pressemeldung sollen Sie mit einer Organisationsverfügung vom 27. April 1967 ein selbständiges, Ihrem Staatssekretär unterstehendes Referat aufgelöst und dessen Angehörige zusammen mit einem neuen Referenten einer anderen Abteilung sowie einer Planungsgruppe eingegliedert haben, ohne vorher nach § 71 des Personalvertretungsgesetzes den Personalrat Ihres Hauses unterrichtet oder gar angehört zu haben.
— Weil ich es nicht weiß, muß ich den Minister fragen.
Ich darf mir die Frage erlauben — ein Dementi habe ich bis zur Stunde nicht gesehen —, ob dies zutrifft, und wenn ja
— was jetzt kommt, hat sehr wohl mit dem Haushalt zu tun —, ob aus diesem Verhalten zusammen mit dem Ausscheiden des Ministers aus der Kommission „Mitbestimmung" der CDU auf eine veränderte Haltung zu dem Komplex Mitbestimmung geschlossen werden kann.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich nehme an, Herr Kollege Friderichs, Sie nehmen Bezug auf eine Pressemitteilung vom 18. Mai in einer Zeitung, die sich „Industriekurier" nennt. Ich weiß aber nicht, ob es der Kurier der Industrie ist. Ich hatte heute mittag Gäste bei mir, die die Frage verneinten. Ich bin nicht ganz sicher, deshalb muß ich diese Formulierung so wählen.Ich will sagen, worauf Sie sich eigentlich stützen. Es heißt hier: Man könnte versucht sein, nachdem hier eine ganze Version verbreitet wird, im ersten
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5542 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juni 1967
Bundesminister KatzerMoment derartige Reden als üblichen Ministerialklatsch sich zurückgesetzt fühlender Bürokraten zuwerten. Vielleicht sind Sie das auch zu einem Teil.Dann kommt eine lichtvolle Ausführung über die Bedeutung der Mitbestimmung. Ich höre zu meiner großen Freude, daß sich die Freien Demokraten nachdrücklich für die Mitbestimmung einsetzen.
— Ich bin ja so glücklich, daß Sie sich so engagieren.Ich darf Ihnen sagen, was die Zeitung zu berichten vergessen hat: Der Personalrat hat dieser Maßnahme einmütig seine Zustimmung gegeben. Ich nehme an, daß Sie nun ganz beruhigt sind.
— Ich kann das Datum auf den Tag genau nicht nennen. Es wird am 19. oder 20. Mai dieses Jahres gewesen sein. Ich kann Ihnen aber gern, wenn Sie es wollen, das Datum genau mitteilen, damit Sie Ihrerseits die Zeitung berichtigen. Ich weiß nicht, ob sie, die sich in letzter Zeit in besonders liebenswürdiger Weise ständig mit meiner Person befaßt hat, das zum Anlaß einer Berichtigung nehmen wird.Zu Ihrer zweiten Frage, Herr Kollege Friderichs, ob das irgendeinen Sachzusammenhang mit der Tatsache haben könnte, daß ich aus der Mitbestimmungskommission der Bundespartei ausgeschieden bin, kann ich Ihnen schlicht und ergreifend sagen: nicht den geringsten; denn das Ausscheiden war längst geschehen, bevor dieser Artikel das Licht der Öffentlichkeit erblickt hat.
Das Wort hat der Herr Staatssekretär des Bundesfinanzministeriums.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ergänzend zu dem, was der Herr Bundesarbeitsminister gesagt hat, möchte ich zu den haushalts- und finanzpolitischen Fragen, die angeschnitten worden sind, wenige Bemerkungen machen, bevor ich mir erlaube, zu dem Antrag Umdruck 256 Stellung zu nehmen.Viele Redner haben von der sozialen Sicherheit gesprochen. Ich muß betonen, daß auch die Bundesregierung keine vornehmere Aufgabe hat, als sich um diese soziale Sicherheit des Volkes zu sorgen. Darunter versteht die Bundesregierung, um es nur in wenigen Worten zu sagen, Sicherheit des Arbeitsplatzes, für jeden ausreichende und angemessene Lebensverhältnisse und schließlich weitestgehende Einschränkung der Risiken des Lebens. Deshalb ist die Bundesregierung, wie in den letzten beiden Tagen des öfteren ausgeführt worden ist, dabei, sich bei den Überlegungen zur sogenannten mittelfristigen Finanzplanung Gedanken auch darüber zu machen, wie dieses Ziel wirklicher sozialer Sicherheit erreicht werden kann.Einige Kollegen, Herr Spitzmüller und auch Herr Kollege Schellenberg, haben nun von gewissen Erscheinungen gesprochen, die sie nicht ganz befriedigen. Insbesondere Sie, Herr Kollege Spitzmüller, haben das Wort von dem Jahr 1967 als dem Jahr der sozialen Unsicherheit geprägt. Das haben Sie u. a. damit begründet, daß die Steigerung des Sozialhaushalts nicht der des Gesamthaushalts gefolgt ist. Ich meine, das ist kein Argument für eine solche Feststellung. Wir haben eben in diesem Jahr ganz besondere Verhältnisse. Das wissen Sie genausogut wie wir. Wir haben noch gemeinsam die Anfänge der Beruhigung in der Wirtschaft erfahren. Aber wir haben gemeinsam dafür zu sorgen, daß die Unsicherheit im Hinblick auf den Arbeitsplatz verschwindet, und wir haben dafür zu sorgen, daß in unserer Wirtschaft wieder Wachstum und stabile Verhältnisse eintreten.Nun haben Sie und andere Redner auch über die Schuldbuchforderungen gesprochen. Diese Schuldbuchforderungen sind, wie Sie wissen, aus einer gewissen Notwendigkeit heraus von der Bundesregierung vorgesehen worden, um den Haushalt 1967 in Ordnung zu bringen. Der Bundestag hat ihnen durch das Finanzplanungsgesetz schon frühzeitig grundsätzlich zugestimmt. Er hat gebilligt, daß der Bund für einen Teil des Bundeszuschusses Schuldbuchforderungen begibt. Auch der Haushaltsausschuß hat durch die Einfügung des § 28 a im Haushaltsgesetz seine Zustimmung zur Begebung von Schuldbuchforderungen bekräftigt. Der Änderungsantrag Umdruck 256 geht ebenfalls von der Begebung von Schuldbuchforderungen aus mit der Tendenz, sie um 200 Millionen DM zu erhöhen. Ich werde dazu nachher noch etwas sagen müssen.§ 28 a Abs. 2 des Haushaltsgesetzes 1967 sieht für die Begebung der Schuldbuchforderungen vier gleiche Raten in den Monaten Mai, Juni, September und Oktober vor. Die beiden ersten Termine sind bereits verstrichen, so daß nunmehr die Schuldbuchforderungen nur in den restlichen sechs Monaten des Jahres begeben werden können. Das ist aber sowohl für die Versicherungsträger als auch für die Bundeskasse sehr schwierig, für die Bundeskasse insbesondere auch aus Gründen der Erhaltung der Liquidität im Interesse der Wirtschaftsbelebung — ich brauche nur an das Vorziehen der Investitionsmaßnahmen usw. zu erinnern —, letztlich also auch im Interesse der Arbeitnehmer. Für die Versicherungsträger — auch das muß festgestellt werden — ist es aus Liquiditätsgründen leichter, die Schuldbuchforderungen in jeweils möglichst kleinen Beträgen entgegenzunehmen, einfach deshalb, weil sich daraus auch für die Versicherungsträger eine bessere Überschaubarkeit der Finanzlage ergibt.Das Gesetz schreibt für die Zahlung des Bundeszuschusses — jetzt komme ich auf eine Einwendung, die von Herrn Kollegen Spitzmüller und zum Schluß nochmals von Herrn Kollegen Mischnick gemacht worden ist — in § 1389 der Reichsversicherungsordnung keine Termine vor. Der Zuschuß ist im Laufe des Jahres zu zahlen. Nur hat es sich in der Praxis eingebürgert — das sei zugestanden —, den Zuschuß in zwölf monatlichen Teilbeträgen zu entrichten, und zwar ebenfalls wegen der besseren Überschaubarkeit, d. h. genau aus den gleichen Gründen, aus
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Parlamentarischer Staatssekretär Leichtdenen jetzt die Verrechnung von Schuldbuchforderungen in kleineren Teilbeträgen erfolgen soll. Im übrigen wurde die Kürzung der Bundeszuschüsse den Versicherungsträgern jedesmal rechtzeitig mitgeteilt, so daß sie danach ihre Dispositionen treffen konnten.Zahlenmäßig sieht die Sache so aus, daß von der Gesamtschuldbuchforderung von 1250 Millionen DM für Juni und Juli je 286 Millionen DM und der Rest in fünf gleichen Monatsraten von rund 135 Millionen DM begeben wurden bzw. begeben werden.Nun bleibt natürlich festzustellen, daß im Augenblick auch für die Versicherungsträger gewisse Liquiditätsschwierigkeiten bestehen. Das kann nicht durch Beitragserhöhung ausgeglichen werden. Überlegungen darüber sind schon angestellt worden. Aber Sie wissen so gut wie ich, daß es in diesem Jahr nicht mehr möglich ist, eine gesetzliche Regelung zu treffen. So muß eben die Deckung des Defizits durch die Übernahme der Schuldbuchforderungen des Bundes an Stelle der Barzuschüsse, die der Bund zu leisten hatte, durch den Rückgriff auf die Liquiditätsreserven und durch Verkäufe von Rentenwerten aus ihren Vermögensbeständen beschafft werden. Sicherlich ist das nicht einfach.Ich muß aber in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, meine Damen und Herren, daß seit Beginn des Jahres oder — wenn Sie so wollen — seit dem Zeitpunkt der Einbringung des Haushalts auch in diesem Bereich durch die Beruhigung der Konjunktur, der wirtschaftlichen Lage so manches eingetreten ist, was auch dazu beigetragen hat, daß Liquiditätsschwierigkeiten entstehen können. Das wird also nicht verkannt.Ich möchte hier auch sagen, daß mich gerade vor einer halben Stunde ein Brief der Deutschen Bundesbank vom 7. 6. erreicht hat. Die Deutsche Bundesbank macht sich auch mit uns Sorgen und gibt dem Bundesfinanzminister in diesem Schreiben zwei Empfehlungen. Ich kann natürlich nichts über diese Empfehlungen sagen, bevor sie in meinem Hause erörtert und geprüft worden sind. Ich kann also nicht sagen, inwieweit diesen Empfehlungen — vielleicht auch nur einer — gefolgt werden kann. Sie haben dafür sicherlich Verständnis.Nun lassen Sie mich noch ein Wort sagen zu dem Antrag auf Umdruck 256 der Abgeordneten Dr. Schellenberg, Dr. Möller, Rohde und Genossen. Im Vergleich zu den Gesamtausgaben der Rentenversicherungen der Arbeiter und der Angestellten von rund 35 Milliarden DM im Jahre 1967 ist die Kürzung — und das ist zunächst nur einmal eine Feststellung — der Bundeszuschüsse um 200 Millionen DM, nämlich von 6,866 Milliarden DM auf 6,666 Milliarden DM geringfügig. Für den Bundeshaushalt muß die Kürzung in dem größeren Zusammenhang der Bemühungen um eine Umstrukturierung zugunsten der Investitionsausgaben gesehen werden. Es handelt sich also hier bei dieser Maßnahme — das bitte ich zu bedenken, und das muß ich besonders betonen — nicht um eine Maßnahme, die in irgendeiner Form etwas mit der Rentenversicherung selber zu tun hätte, mit der Frage, inwieweit dort bei der Bemessung der Zuschüsse andereGrundlagen gesucht werden. Diese Maßnahme ist nicht ein Fanal für dieses Suchen nach Grundlagen. Es handelt sich in erster Linie vielmehr um ein Haushaltsproblem, nämlich um einen Beitrag zur Deckung des Haushalts. Der Verzicht auf die Kürzung und die zusätzliche Begebung von 200 Millionen DM Schuldbuchforderungen — und das ist in dem Antrag vorgeschlagen worden — würde praktisch die Stundung der Zahlungsverpflichtungen des Bundes für einige Jahre bedeuten — mit der Auswirkung, 15 Jahre lang weitere Zinsen, weitere Tilgungen, pro Jahr rund 20 Millionen DM mehr zu tragen.Da aber, wie die mittelfristige Finanzvorausschau zeigt, in den kommenden Jahren die Schwierigkeiten der Haushaltsdeckung größer sein werden als heute, kann dem Antrag nach der Meinung der Bundesregierung nicht gefolgt werden. Die Bundesregierung — das erkläre ich jetzt ähnlich wie gestern bei einem anderen Antrag — hat aus ihrer Verantwortung für das Gemeinwohl eine Reihe von einschneidenden Maßnahmen in allen Bereichen beschließen müssen. Zu den für die Betroffenen sicherlich sehr schwerwiegenden Maßnahmen gehört auch die Kürzung des Bundeszuschusses an die Träger der Sozialversicherung. Für die Bundesregierung ist auch in dieser Frage nach wie vor der Kabinettsbeschluß vom Januar dieses Jahres maßgebend. Die Bundesregierung ist daher der Meinung, daß es bei diesem im Januar gefaßten Beschluß auch in dieser Frage bleiben müsse. Deshalb bitte ich Sie, den Antrag abzulehnen.
Keine weiteren Wortmeldungen. Wir stimmen ab über den Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Schellenberg, Dr. Möller und Genossen auf Umdruck 256 . Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Das erste war die Mehrheit; der Änderungsantrag Umdruck 256 (neu) ist angenommen.Wir kommen zur Abstimmung über den so geänderten Einzelplan 11. Wer diesem Einzelplan, Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung, zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einigen Gegenstimmen und zahlreichen Enthaltungen angenommen.Damit rufe ich auf: Einzelplan 12Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr— Drucksachen V/1762, zu V/1762 — Berichterstatter: Abgeordneter HaehserIch frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. — Der Berichterstatter verzichtet.Änderungsanträge liegen nicht vor. Ich frage, ob das Wort in der allgemeinen Aussprache gewünscht wird. — ° Die Reden, die hier abgegeben werden, nehme ich zu Protokoll und bedanke mich. — Keine
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5544 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juni 1967
Präsident D. Dr. GerstenmaierWortmeldungen in der allgemeinen Aussprache? —Die Aussprache ist geschlossen.Wir stimmen ab über den Einzelplan 12, Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einer Reihe von Enthaltungen ist der Einzelplan 12 angenommen.
— Was sollte das sein, Herr Kollege Schwabe?
— Ach, Sie meinen, ein Beifall für den Verkehrsminister?
— Ach, Verzicht auf die Reden; na schön, ausgezeichnet.Ich rufe auf: Einzelplan 13Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen— Drucksache V/1763 —Berichterstatter: Abgeordneter Müller
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. — Der Berichterstatter verzichtet.Es liegen keine Änderungsanträge vor. Wird das Wort zu dem Einzelplan 13 gewünscht? — Keine Wortmeldungen. Wer dem Einzelplan 13 zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einzelplan 13 ist angenommen.Einzelplan 14, Verteidigung, wird einstweilen ausgeklammert.Ich rufe auf: Einzelplan 15 Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheitswesen— Drucksache V/1765 —Berichterstatter: Abgeordnete Dr. TambléWünscht der Herr Berichterstatter das Wort? — Der Berichterstatter verzichtet. Ich bedanke mich.Keine Änderungsanträge. Wird das Wort in der allgemeinen Aussprache gewünscht? — Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Jungmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Anbetracht der Aufbruchstimmung hier im Hause kann ich mich auf wenige Sätze beschränken.
Erstens. Die Ausführungen, die ich zum Einzelplan 15 machen wollte, werde ich zu Protokoll geben.
Zweitens. Die Fraktion der CDU/CSU wird dem Haushaltsplan des Bundesministeriums für Gesundheitswesen zustimmen.
Drittens ein Änderungsantrag *). In Kap. 15 04 Tit. 101 bis 103 mögen die Worte „und Professor" gestrichen werden. Der Ausschuß für Gesundheitswesen hat sich eingehend mit dieser Frage beschäftigt und war einhellig der Auffassung, daß die Dienstbezeichnung „Professor" für diese Beamten nicht erforderlich und auch gar nicht einmal wünschenswert sei. Der derzeitige Leiter dieser Einrichtung ist Professor. Es ist sehr wünschenswert, daß sich die Herren in Zukunft habilitieren und in ihrer wissenschaftlichen Qualifikation bewähren. Das wäre überaus erfreulich und begrüßenswert. Aber die Dienstbezeichnung Professor sollte man für derartige Einrichtungen nicht einführen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Meinecke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch der Abgeordnete der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion wird seine Rede zu Protokoll geben.
Er möchte aber in aller Ernsthaftigkeit und mit großer Intensität hier folgendes sagen. Zum Zeitpunkt der Entscheidung über mittelfristige Finanzplanung und zum Zeitpunkt der Entscheidung über eine Finanzreform müssen bestimmte Gebiete aus dem gesundheitspolitschen Bereich mehr als bisher in den Vordergrund politischer Betrachtung gerückt werden: erstens die dringende Frage der Krankenhausfinanzierung, vor der wir nicht die Augen verschließen sollten, zweitens eine sachliche Diskussion darüber, ob die im Grundgesetz verankerten Kompetenzen uns heute noch in die Lage versetzen, den nächsten 20 Jahren beruhigt in die Augen zu schauen. Drittens handelt es sich um den Stand der Technik, der Technologie und der Wissenschaften überhaupt auf der einen Seite und die daraus resultierende Bedrohung oder Rückwirkung für die Menschheit und die Frage, ob wir in der Gesundheitspolitik in der Lage sind, diesen Rückwirkungen wirksam zu begegnen, auf der anderen Seite.
Ich bitte Sie sehr herzlich, die Rede wenigstens einmal in Ruhe nachzulesen.
Ich danke Ihnen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Spitzmüller.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Sprecher der Opposition will sich dem Vorgehen der Koalitionsparteien anschließen. Ich gebe meine Rede zu Protokoll, darf aber folgendes kurz zusammenfassen.Wir hoffen und wünschen, daß dieses Ministerium, in dem ja nun erfreulicherweise ein Arzt an heraus-*) Siehe Anlage 3
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Spitzmüllergehobener Position- steht, mehr Kompetenz erhält. Wir hoffen, daß Professor Carlo Schmid entsprechend seiner vorzüglichen Rede von gestern abend die Möglichkeit hat, im rechtsfreien Raum der Frau Ministerin behilflich zu sein, viele Reibungsflächen mit den Ländern zu verringern.Wir hoffen und wünschen, daß eine bessere Koordinierung der Aufgaben dieses Ministeriums möglich sein wird und daß durch moderne methodische Aufklärung und Ausbildung eine noch größere, optimale Wirkung der Mittel dieses Ministeriums erreicht wird.
Keine weiteren Wortmeldungen.Abstimmung, zunächst über den Änderungsantrag des Herrn Abgeordneten Dr. Jungmann und Genossen. Ich kann die Unterschriften jetzt in der Eile nicht entziffern. Eine würde in der zweiten Lesung schon genügen, es sind aber zahlreiche. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; der Änderungsantrag ist angenommen.Abstimmung über den Einzelplan 15: Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheitswesen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei Enthaltungen angenommen.Ich rufe auf:Einzelplan 19Bundesverfassungsgericht — Drucksache V/1766 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. TambléIch frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. — Der Berichterstatter verzichtet.Ich eröffne die Aussprache. Änderungsanträge liegen nicht vor. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.Abstimmung. Wer diesem Einzelplan — Bundesverfassungsgericht — zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Einzelplan 19 ist einstimmig angenommen.Ich rufe auf:Einzelplan 20Bundesrechnungshof— Drucksache V/1767 —Berichterstatter: Abgeordneter GierensteinIch frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. — Der Berichterstatter verzichtet.Änderungsanträge liegen nicht vor.Ich eröffne die Aussprache. — Keine Wortmeldung.Abstimmung. Wer dem Einzelplan 20 — Bundesrechnungshof — zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Ich rufe auf: Einzelplan 23Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit— Drucksache V/1768 —Berichterstatter: Abgeordneter GewandtDer Herr Berichterstatter hat mir seinen Bericht zu Protokoll gegeben. Ich frage ihn, ob er noch mündliche Ergänzungen zu machen wünscht. — Der Berichterstatter verzichtet. Ich bedanke mich.Änderungsanträge liegen nicht vor.Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Keine Wortmeldung.Abstimmung. Wer dem Einzelplan 23 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen ist .der Einzelplan 23 — Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit — angenommen.Ich rufe auf:Einzelplan 24Geschäftsbereich des Bundesschatzministers — Drucksache V/ 1769 —Berichterstatter: Abgeordneter WindelenIch frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. — Der Berichterstatter verzichtet. Ich bedanke mich. Änderungsanträge liegen nicht vor. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht.Wer dem Einzelplan 24 — Geschäftsbereich des Bundesschatzministers — zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen ist der Einzelplan 24 angenommen.Ich rufe auf: Einzelplan 25Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungswesen und Städtebau— Drucksache V/1770 —Berichterstatter: Abgeordnete Frau KrappeDie Frau Berichterstatterin verzichtet. Änderungsanträge liegen nicht vor.Allgemeine Aussprache. — Herr Kollege Jacobi, ist das bloß eine Rede? Geben Sie sie her!
Wir waren gerade so schön im Zuge.
— Danke vielmals.
Ich kann Ihnen dafür wirklich nur den tiefempfundenen Dank des Hauses aussprechen. — Was ist,Herr Kollege? Möchten Sie das Wort? — Bitte sehr!
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5546 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juni 1967
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Gegensatz zu meinem Kollegen möchte ich zu diesem besonders wichtigen Punkt, der Wohnungsbaupolitik, meine Rede nicht zu Protokoll geben, sondern sie Ihnen doch vortragen.
Die Wohnungsbaupolitik dieser schwarz-roten Koalitionsregierung scheint mir nämlich ein Spiegelbild ihrer eigenen Widersprüche zu sein. Von der vielgerühmten konzertierten Aktion ist jedenfalls im Wohnungsbau sehr wenig zu spüren. Offensichtlich hat der hier Verantwortliche auf der linken Seite des Orchesters bisher seinen Part nicht ganz im Sinne des Dirigenten gespielt; denn wegen der Mißtöne, die aus dieser Ecke zu vernehmen waren, hat der Kapellmeister, wie man weiß, seinen Taktstock nicht nur einmal drohend erheben müssen. Die Abstimmung der Instrumente vor dem Konzert —im Sprachgebrauch der Großen Koalition als die größte Bestandsaufnahme aller Zeiten bezeichnet —
ist offensichtlich in diesem wichtigen Bereich überhaupt nicht gelungen. Vielleicht hat man sogar die Probleme dieses Ressorts zu sehr am Rande der Bestandsaufnahme behandelt und seitens der CDU/ CSU darauf vertraut, daß z. B. durch den sogenannten Lücke-Plan die Weichen endgültig gestellt seien. Übersehen hat man dabei aber offensichtlich, daß sich rote Minister in „schwarzen Kreisen" am wohlsten fühlen.
Jedenfalls wird derzeit der Weg in die unternehmerische Wohnungswirtschaft, wie ihn die früheren Regierungen im Rahmen der sozialen Marktwirtschaft eingeschlagen haben, seit Bildung dieser Koalition systematisch erschwert. Vom zwangs- und bedarfswirtschaftlichen Denken scheint man sich auf der linken Seite doch nur sehr, sehr schwer lösen zu können. Die Änderung des Wirtschaftsstrafrechts z. B. scheint in der Tat nur ein Umweg zu sein auf dem Wege, der zur Preisbindung und damit zu einer Art Planwirtschaft führt.
Die Wohnungsbaupolitik dieser Regierung ist im Begriff, sich gleichermaßen gegen Mieter und Vermieter zu richten. Der marktwirtschaftlichen Gestaltung der Wohnungswirtschaft ist nicht dadurch gedient, daß für die organisierten Mieter ein Bestandsschutz in Form eines Dauermietrechts gewährt wird, wobei sogar irreführende Zahlenangaben vom Wohnungsbauminister in der Offentlichkeit verwandt wurden, um die angebliche Unwirksamkeit des jetzigen sozialen Mietrechts zu beweisen. Auf der anderen Seite ist es ebenso falsch, sich, aus welchen Gründen immer, gegen eine Vermehrung des Wohnungsangebots zu wehren und. in der Neufassung der Sozialklausel nun partout eine totale Entrechtung des Hausbesitzes zu sehen. Jede kurzsichtige Interessenpolitik behindert eine wirkliche marktwirtschaftliche Lösung.
Lassen Sie mich dies deutlicher sagen. Das Mißtrauen der FDP wird durch die unklare Haltung der Bundesregierung in der Frage des sozialen Mietrechts genährt. Bisher galt doch die eindeutige Konzeption: Freigabe des Wohnungsmarktes, Abbau der Zwangswirtschaft, soziales Mietrecht. Die mit dem sozialen Mietrecht verbundene Einschränkung des Eigentums ist im jetzigen Rechtszustand hinzunehmen. Die Sozialklausel hat sich im wesentlichen bewährt.
Nach unserer Auffassung sollte das BGB nicht zu oft geändert werden. Zwar war die Rechtsprechung zur Sozialklausel anfangs unsicher und örtlich auch verschieden. Aber von unserem Freunde Dr. Bucher wurde seinerzeit vorgeschlagen, dieser ungleichheitlichen Behandlung dadurch abzuhelfen, daß die Oberlandesgerichte als Rechtsmittelinstanzen zuständig sind. Im übrigen hat sich die Rechtsprechung inzwischen eingespielt und ist nicht nur in zwei von hundert Fällen — wie Herr Minister Lauritzen meint —, sondern 1965 schon in 27 von hundert Fällen — und zwar in wirklichen Härtefällen — bereit, den Widerspruch des Mieters durchdringen zu lassen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Jacobi?
Bitte!
Herr Kollege, halten Sie es in diesem Stadium wirklich für fruchtbar, über Gesetzesvorlagen zu sprechen, die demnächst hier anstehen und die im Augenblick von wenigen Mitgliedern des Hauses beurteilt werden können? Wäre es deshalb nicht zweckmäßiger, Sie würden sich dazu verstehen, ein paar allgemeine Bemerkungen zu machen und alles anderen den Diskussionen, die wir im Herbst sowieso haben werden, zu überlassen?
Herr Kollege Jacobi, ich hielt es für richtig, diese kurzen Bemerkungen zu machen — sie sind nicht länger; ich war schon fertig —, um überhaupt die Problematik der Wohnungsbaupolitik dieser Regierung hier herauszustellen.
— Bei Ihnen vielleicht nicht, Herr Kollege Jacobi. Vielleicht sind andere Kollegen hier in diesem Raum, die diesen Tatbestand bisher nicht kannten.Die Ausgleichstheorie des Ministers Lauritzen, die Theorie, daß die Mieter mehrere Erhöhungen hätten hinnehmen müssen und dafür Sicherheit bekommen sollten, ist demgegenüber vollkommen abwegig. Hier werden Äpfel mit Birnen verrechnet! Entweder waren die Mieterhöhungen gerechtfertigt, dann muß sie auch der Minister respektieren. Wenn er sie dagegen nicht für angebracht hält, müßte er dafür sorgen, daß sie rückgängig gemacht werden.
Die Höhe der Miete hat aber nichts damit zu tun,ob man dem Mieter eine Art Sicherheitsgarantie
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Junggeben will, daß er in seiner Wohnung verbleiben kann. Vielleicht kommt nämlich bald die Zeit, wo die Vermieter verlangen, die Sicherheit zu erhalten, daß ihre Wohnungen nicht leer stehen.
Die Probleme können nur in völlig nüchterner Betrachtung — und dazu ist der Minister besonders verpflichtet — in einer Art wirtschaftlicher Partnerschaft zusammen gelöst werden.Wir Freien Demokraten sind der Auffassung, daß die Mittel für den sozialen Wohnungsbau schwerpunktmäßig eingesetzt werden müssen, sowohl aus konjunkturellen Gründen als auch entsprechend der tatsächlichen Wohnungsbausituation: Es kann nicht übersehen werden, daß in manchen Gebieten heute bereits ein Wohnungsüberangebot besteht. Demgegenüber herrscht in Ballungsräumen nach wie vor Wohnraummangel.Auf die Dauer ist sozialer Wohnungsbau nur sinnvoll für ganz bestimmte Personenkreise, z. B. für Alte, Kinderreiche und absolut sozial Schwache. Sonst tritt nämlich weiterhin das Problem der Fehlbelegung auf, und das wird immer ein soziales Ärgernis sein. Wir sind dem Vorgänger des derzeitigen Wohnungsbauministers, unserem Freund Dr. Bucher, sehr dankbar, daß er die einzig richtigen Maßnahmen gegen künftige Fehlbelegungen eingeleitet hat, die unter rechtsstaatlichen Verhältnissen angezeigt waren: nämlich die Entzerrung des Mietgefüges durch Zinsanhebung bis hin zur vollen Verzinsung der öffentlichen Mittel.
— Ich habe betont, daß Dr. Bucher das eingeleitet hat. Ich habe nicht kritisiert, daß das jetzt nicht weitergeführt wird. — Dies bringt auch erhöhte Rückflüsse, die ausschließlich dem Wohnungsbau zugute kommen sollten.Andere Mittel gegen Fehlbelegung wie ein einmal erwogenes Rausschmeißegesetz oder steuerähnliche Abgaben sind rechtlich höchst fragwürdig, und freiwillige Umsetzungsmaßnahmen können natürlich auch nur zu einem ganz geringen Teil Erfolg haben.Lassen Sie mich noch kurz einige Titel des Einzelplans 25 herausgreifen.Die Erhöhung des Tit. 601, Bauforschung, von 500 000 auf 800 000 DM wird von der Fraktion der FDP sehr positiv bewertet. Allerdings, Herr Minister, muß ich Sie als ein im Wohnungs- und Städtebau nicht unerfahrener Architekt dringend darum bitten, daß die gewonnenen Erkenntnisse auch allen — ich wiederhole: allen — Planenden und Bauschaffenden und sogar den Bauinteressenten in verstärktem Maße zugänglich gemacht werden. Sonst würden diese Gelder ohne großen volkswirtschaftlichen Nutzen bleiben. Hier muß das Ministerium in enger Zusammenarbeit mit den Kammern und den Architekten- und Ingenieurverbänden noch viel, viel tun. Das Ministerium sollte auch um eine bessere Koordination mit entsprechenden Institutionen innerhalb der EWG-Länder und darüber hinaus mit allenLändern in West und Ost, besonders aber auch mit entsprechenden Einrichtungen in der DDR bemüht sein. Ein größerer Erfahrungsaustausch und eine bessere Information würden uns manche Fehlinvestition und manchen Ärger ersparen.Um nur ein Beispiel mangelnder Information zu nennen, das zwar keine direkte finanzielle Belastung für den Bund zur Folge hat, dafür aber eine um so größere indirekte und ideelle Belastung darstellt: die recht aktuelle Frage der Architektengesetzgebung. Hier hat Ihr Ministerium es nicht einmal fertig gebracht, den Bundesrat, geschweige denn die anderen EWG-Länder ausreichend zu informieren, und das wäre nach meiner Auffassung die ganz besondere Pflicht des Ministeriums für Wohnungs- und Städtebau gewesen. Die Niederlassungsfreiheit selbständig schaffender Architekten und Ingenieure innerhalb der EWG scheint Ihnen offenbar nicht so sehr am Herzen zu liegen, um sich dafür mit allem Nachdruck zu verwenden. Mißverstehen Sie mich bitte nicht. Ich spreche nicht pro domo, denn ich gehöre nicht zu dem Kreis der Betroffenen. Aber ich kenne den hohen Ausbildungsstand der Absolventen deutscher Ingenieurschulen und hielte es deshalb für richtig, daß dieser Personenkreis in der EWG nicht diskriminiert wird, sondern die gleiche Freizügigkeit genießt wie wir als Absolventen Technischer Hochschulen.Zurück zu einigen Zahlen des Etats, die mir symptomatisch für den nur auf 'dem Papier stehenden Haushaltsausgleich zu sein scheinen!Was soll der Sinn der Verlagerung folgender Positionen in den außerordentlichen Haushalt sein: Tit. 531, Instandsetzung und Modernisierung, 18,8 Millionen DM; 'Tit. 534, Wohnungsbau zugunsten von Evakuierten, 7 Millionen DM; Tit. 582, Wohnungsbau zugunsten von SBZ-Flüchtlingen, 50 Millionen DM; Tit. 585, Mittel nach § 19 a, 65 Millionen DM; Tit. 830, Wohnungsfürsorge, 61,4 Millionen DM? Das sind doch keine Ausgaben, die nur für den Fall einer eventualen besonderen konjunkturellen Situation gemacht werden sollen.Die Einstellung von zusätzlich 150 Millionen DM im Eventualhaushalt sind vom Standpunkt des Wohnungsbaus aus zwar sehr erfreulich; aber es besteht bis jetzt noch keine Klarheit darüber, wie diese 150 Millionen DM verwendet werden sollen. Es wäre höchste Zeit und für die gesamte Bauwirtschaft auch höchst bedeutsam, Näheres darüber zu hören.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage? — Bitte, Herr Abgeordneter Baier!
Herr Kollege, merken Sie nicht, daß Sie offensichtlich ganz auf dem Holzweg sind, wenn Sie beispielsweise darüber streiten, warum bestimmte Wohnungsbaumittel im außerordentlichen Haushalt sind, oder wenn Sie gar sagen, daß die 150 Millionen DM Eventualhaushaltsmittel noch nicht zweckbestimmt verteilt seien?
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Ich sehe nicht, daß der Vorwurf berechtigt wäre, ich würde mich auf dem Holzwege befinden. Ich habe dargelegt, daß die hier eingesetzten Mittel in den ordentlichen Haushalt hineingehörten und nicht nur für den Eventualhaushalt bestimmt sein sollten.
Noch eine Frage, Herr Abgeordneter Baier.
Herr Kollege, ist Ihnen nicht bekannt, daß die Mittel des Eventualhaushaltes für den Wohnungsbau längst an die Länder verteilt und von dort zur Verwendung auch weitergegeben sind, so daß Ihre Behauptung unzutreffend ist?
Ich habe nicht gesagt, daß diese Mittel nicht verwendet würden, sondern ich habe gesagt, daß sie nicht in den Eventualhaushalt hineingehörten, sondern daß es normale Mittel seien.
— Nein, ich habe nicht gesagt, sie seien nicht verteilt, sondern ich habe nur nach dem Sinn gefragt, der darin liegen soll, derartige Mittel in den Eventualhaushalt einzustellen.
Ich habe schon gesagt, daß Wohnungsbau nur im Rahmen einer guten Strukturpolitik sinnvoll ist, die sich aus einer entsprechenden Raumordnung herleitet. Es wäre nach meinem Empfinden problematisch, diese Mittel nur in Gebieten mit höherer Arbeitslosigkeit einzusetzen. Wo viele Arbeitslose sind, ist doch offensichtlich auch etwas faul an der wirtschaftlichen Struktur des Gebietes. Hier müßte die Raumordnung eingreifen. Leider führt die Raumordnung ein Mauerblümchendasein beim Innenministerium, dessen Chef wegen Überbeanspruchung in Wahlrechtsfragen sich in einem gewissen Notstand befindet und sein Hobby nicht mehr so pflegen kann, wie das nach unserer Meinung der Fall sein sollte. Es wäre gut, Herr Minister, wenn Sie hier initiativ werden würden, damit die Raumordnung beim Innenministerium nicht das fünfte Rad am Wagen bleibt.
Bedauerlich ist auch die Tatsache, daß von den 150 Millionen nur 6 Millionen für Instandsetzungen vorgesehen sind. Dies steht im krassen Gegensatz zu den Äußerungen, die der Herr Minister Lauritzen kürzlich in Frankfurt gemacht hat. Der Althausbesitz mußte lange warten, bis er angemessene Mieten bekam. Deshalb sollte jetzt mehr für Instandsetzungen getan werden.
Zum Schluß noch einige Worte zu einem Sektor, der künftig nach unserem Empfinden — hier finde ich sicher die Zustimmung des ganzen Hauses — ein besonderer Schwerpunkt Ihrer Arbeit sein muß, Herr Minister: der Städtebau. Gerade wenn Haushaltsmittel unter konjunkturellen Gesichtspunkten eingesetzt werden, erweist sich der Städtebau besonders geeignet. Hier könnte der Einsatz der Mittel von Jahr zu Jahr beweglich gehalten und damit der allgemeinen wirtschaftlichen Situation besser angepaßt werden.
Die Fraktion der Freien Demokraten sieht in der allgemein betriebenen Wohnungsbaupolitik nicht das, was sie sich erwünscht. Deshalb lehnen wir den Haushalt des Ministeriums für Wohnungsbau ab.
Das Wort hat der Abgeordnete Jacobi.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist wirklich nur eine kurze Bemerkung notwendig, nämlich die, daß der Kollege Jung sich selber und diesem Hause einen Dienst erwiesen hätte, wenn er seine weitumfassende Rede zu Protokoll gegeben hätte; sie kann beim besten Willen heute nicht in ihren Einzelheiten diskutiert werden. Wir haben nicht die Zeit für eine wohnungspolitische Debatte.
Er ist auch schlecht beraten gewesen, eine Reihe von Fragen anzusprechen, mit denen sich das Haus heute wirklich nicht beschäftigen kann, weil dem Hohen Hause die entsprechenden Gesetzesvorlagen noch gar nicht bekannt sein können. Mit Rücksicht darauf, daß wir im Herbst eine Reihe von Gesetzen zu beraten haben werden, die uns die Gelegenheit geben werden, alle die angesprochenen Fragen eingehend zu erörtern, und bei denen wir die genügende Zeit haben werden, das in Ruhe zu tun, möchte ich der Meinung sein, daß wir uns dazu verstehen sollten, im Augenblick auf eine Fortsetzung der Debatte zu verzichten. Ich habe mit den Kollegen der CDU gesprochen, die mit uns der Meinung sind: wir stellen uns den Fragen, die der Herr Kollege Jung vorhin hier berührt hat, aber nicht heute, sondern demnächst, damit wir dann zu einer breiten und fruchtbaren Debatte kommen können.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wohnungswesen und Städtebau.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir eine kurze Berner-kung. Aus Ihren Ausführungen, Herr Abgeordneter Jung, ist mir vieles sehr vertraut und bekannt vorgekommen, wenn ich die Polemik der letzten Wochen und Monate vor meinen Augen Revue passieren lasse. Ich darf dabei feststellen, daß immer nur Argumente aufgenommen worden sind, die von einer Seite kommen. Ich habe als Minister die Belange beider Seiten wahrzunehmen. Ich darf auch hier, wie ich es gelegentlich in der Öffentlichkeit getan habe, ausdrücklich sagen: ich muß Minister für Hausbesitzer und für Mieter sein. Wenn im Zusammenhang mit der Frage, ob die Gesetzgebung über den Abbau der Wohnungszwangswirtschaft in einigen Punkten noch geändert werden soll, von anderen Terminen für eine ganz beschränkte Zahl von Stadt- und Landkreisen gesprochen wird, so bedeutet das lediglich eine Änderung im Tempo des Abbaus. Es gibt keine Erklärung irgendeines Kabi-
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Bundesminister Dr. Lauritzennettsmitgliedes, die Sie, Herr Abgeordneter, dahin verstehen könnten, als sei ernsthaft daran gedacht worden, etwa — wie Sie es formuliert haben — zu der Wohnungszwangswirtschaft zurückzukehren, Dafür gibt es überhaupt keinen Beweis.
Es gibt überhaupt keinen Beweis für eine solche Absicht oder eine solche Meinungsäußerung.Lassen Sie mich noch etwas zu der Frage des Mietrechts sagen. Ich bin auch der Auffassung, daß wir darüber hier über kurz oder lang sehr ausführlich zu sprechen haben werden. Deswegen möchte ich keine Detailfagen erörtern. Eines scheint mir aber doch weitgehend sich als allgemeine Meinung herauszubilden: Die Sozialklausel hat — ich will es etwas vorsichtig formulieren — nicht ganz das gehalten, was man sich seinerzeit davon versprochen hat.
— Da gebe ich Ihnen recht. Das ist sehr vorsichtig ausgedrückt, wenn Sie in Betracht ziehen wollen, daß sich der Deutsche Anwaltsverein vor einigen Wochen auf seiner Bremer Tagung mit dieser Frage befaßt hat. Dort hat man ausdrücklich festgestellt: Die Sozialklausel in der jetzigen Form verdient diesen Namen nicht. Das geht viel weiter als das, was ich eben gesagt habe.Sie kommen an den Feststellungen der Landesjustizverwaltungen nicht vorbei, daß im Jahre 1966 nur 2% der Widerrufsklagen Erfolg gehabt haben. Man versucht, die Statistik dadurch etwas zu verbessern, daß man Prozesse, bei denen die Hauptsache für erledigt erklärt worden ist, in diese Rechnung mit einbezieht. Tatsache ist aber, daß die Widerrufsklausel effektiv nur in 2 % der Fälle Erfolgt gehabt hat.Zum Investitionshaushalt möchte ich folgendes sagen. Meine Damen und Herren, wir alle sollten eigentlich froh sein, daß es gelungen ist, im Investitionshaushalt auch den Wohnungsbau zu berücksichtigen. Das war nämlich von Anfang an gar nicht unumstritten. Die Damen und Herren des Haushaltsausschusses wissen dies ganz genau. Es kam der Einwand, der Wohnungsbau laufe viel zu langsam an; er könne wegen der langen Vorbereitungszeit gar nicht konjunkturwirksam sein. Deswegen begrüße ich es sehr, daß wir die 150 Millionen DM bekommen haben. Davon haben nur 6 Millionen DM für Modernisierung des Althausbesitzes abgezweigt werden können; es kam hier derselbe Einwand: die Konjunkturwirksamkeit solcher Reparaturvorhaben ist nicht sehr groß. Deswegen ist es uns nicht gelungen, im Investitionshaushalt einen höheren Betrag dafür zur Verfügung zu stellen. Im Gesamthaushalt steht aber ein weiterer Betrag in Höhe von 16,5 Millionen DM an Darlehensmitteln zur Verfügung.Ich darf hier wiederholen, was ich auch in der Offentlichkeit gesagt habe: Es wird mehr und mehr unsere Aufgabe sein, uns in der Zukunft gerade um dieses Problem zu kümmern. Wir haben heute in der Bundesrepublik bei einem Wohnungsbestand von fast 20 Millionen Wohnungen 2 Millionen Wohnungen, die älter als 100 Jahre sind. Daraus wird deutlich, welche Aufgabe hier auf uns zukommt. Ich bin fest entschlossen — und darüber sind wir uns sicherlich einig —, meine Bemühungen fortzusetzen, um diese Aufgabe vielleicht noch besser als in der Vergangenheit zu bewältigen.Ich teile Ihre Auffassung, daß es darauf ankommen wird, die andere Aufgabe, nämlich den Städtebau, mehr in den Mittelpunkt unserer Arbeit zu stellen, und zwar in demselben Maße, in dem es darauf ankommt, den Wohnungsbau in die städtebauliche Weiterentwicklung unserer Städte und Dörfer einzubeziehen. Diese Aufgabe wird noch eine Reihe weiterer Grundlagenforschungen notwendig machen.Ich glaube, daß auf diesem Gebiet noch einiges zu tun ist. Wir werden uns bemühen, Gesamtvorstellungen zu entwickeln, wie wir diese städtebauliche Aufgabe, in der ja nicht nur bautechnische, sondern auch soziologische, bodenrechtliche und entscheidende finanzielle Probleme stecken, in ihrer Gesamtheit bewältigen können. Lassen Sie mich das hier nur als Anmerkung anschließen. Wenn es im Rahmen der Finanzreform darum geht, sich über die zukünftige Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern zu unterhalten, wenn es um die Frage der Gemeinschaftsaufgaben geht, dann bitte ich, mich wieder zu Wort melden zu dürfen, um einmal deutlich zu machen, wie wichtig in diesem Zusammenhang die städtebauliche Weiterentwicklung unserer Gemeinden und unserer Städte ist.
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses auf Drucksache V/1770. Wer zustimmt, gebe bitte ein Zeichen. — Gegenprobe! — Bei Enthaltungen angenommen.
Ich rufe nun Ziffer 21 auf: Einzelplan 26
Geschäftsbereich des Bundesministers für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte
— Drucksache V/1771 -Berichterstatter: Abgeordneter Baier
Der Herr Berichterstatter wünscht nicht das Wort. Es liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 2441 vor. Er wird vom Abgeordneten Spitzmüller begründet. Ich gebe ihm das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir wollen mit diesem Antrag erreichen, daß verdeutlich wird, daß dieses Gesetz entsprechend dem einstimmigen Beschluß des Ausschusses nach dem Willen des Hauses auch anläuft und tatsächlich durchgeführt wird. Haushaltsbelastungen sind mit der Annahme dieses Antrages nicht verbunden; denn es handelt sich um*) Siehe Anlage 4
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5550 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juni 1967
Spitzmüllerein Umschieben innerhalb des gleichen Haushalts. Wir wollen, daß durch die Einsetzung eines Betrages deutlich wird, daß das Haus wünscht, daß der im Ausschuß einstimmig beschlossene Gesetzentwurf nicht Makulatur ist, sondern daß die Arbeit bereits in diesem Jahre beginnen kann.Wie Sie festgestellt haben werden, ist das Ministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte das einzige Ministerium, dessen Haushalt eine Kürzung um über 50 % aufweist. Daher drängt sich einem so ein bißchen die Frage auf, ob hier womöglich die Kabinettsreform begonnen werden soll, da dieses Ministerium, wenn man seine Ausgaben so etwa auf die Hälfte kürzt, allmählich überflüssig wird. Ich glaube, es wäre ein gutes Zeichen, wenn das Haus bereit wäre, unserem Antrag nachzukommen, nach dem lediglich dem Willen des Ausschusses mehr Deutlichkeit verliehen werden soll.
Herr Abgeordneter Baier zu dem Änderungsantrag der FDP.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nur wenige Worte! Herr Kollege Spitzmüller, in der Tat sind im Einzelplan 26 erhebliche Kürzungen gegenüber der Regierungsvorlage zu verzeichnen. Sie sind zum Teil darauf zurückzuführen, daß der finanzielle Bedarf in diesem Jahr auf Grund neuerer statistischer Zahlen geringer ist, zum andern darauf, daß Maßnahmen zurückgestellt wurden, um im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung zu prüfen, ob und inwieweit sie durchgeführt werden können. Dazu gehört auch der Währungsausgleich für Reichsmark-Sparguthaben von Deutschen aus der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands.
Um zu dokumentieren, daß diese Frage nicht vom Tisch gewischt wurde, sondern daß wir darüber noch sprechen müssen — wir haben hier im Hause einen Gesetzesantrag vorliegen —, haben wir einen Leertitel in den Haushalt eingesetzt. Dieser Leertitel genügt völlig, um Ihrem und unserem Anliegen nachzukommen, bei den künftigen Beratungen — und das wird im Rahmen der anstehenden mittelfristigen Finanzplanung der Fall sein — zu entscheiden, inwieweit der Währungsausgleich für Reichsmark-Sparguthaben von Deutschen aus der sowjetischen Besatzungszone erfüllt wird.
Ich bitte, diesen Antrag abzulehnen, weil er nicht mehr bezweckt und mit ihm nicht mehr erreicht werden kann, als wir ohnehin getan haben.
Wir können über den Änderungsantrag abstimmen. Wer zustimmt, gebe bitte ein Zeichen. — Gegenprobe! — Der Antrag ist abgelehnt.
Zur allgemeinen Aussprache haben die Frau Abgeordnete Korspeter und der Herr Abgeordnete Spitzmüller ihre Ausführungen zu Protokoll gegeben.
Wird noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Dann können wir über den Antrag des Ausschusses auf Drucksache V/1771 abstimmen. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei Enthaltungen ist der Haushalt angenommen.
Ich rufe Ziffer 22 auf:
Einzelplan 27
Geschäftsbereich des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen
— Drucksache V/1772 —
Berichterstatter: Abgeordneter Hermsdorf
Der Herr Berichterstatter wünscht nicht das Wort. Wird sonst das Wort begehrt? — Bitte!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein Teil der gesamtdeutschen Politik ist die Politik für die Zonenrandgebiete. Wir haben bei der gegenwärtigen Abschwächung der Konjunkturlage erleben müssen, daß die größten Schäden wiederum im Zonenrandgebiet entstanden sind, weil dort die Entwicklung der Wirtschaft um Jahre hinter der der Ballungsräume zurückliegt.
An den Förderungsmaßnahmen für die Zonenrandgebiete sind eine ganze Reihe von Ressorts beteiligt, aber das Ministerium für gesamtdeutsche und Berliner Fragen und der Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen waren so etwas wie Koordinierungsorgane für diese Probleme und werden es hoffentlich auch in Zukunft bleiben.
Ich möchte hier Ihre Aufmerksamkeit nur darauf lenken, daß noch eine ganze Menge von dem zu tun übrigbleibt, was der Gesamtdeutsche Ausschuß nach seiner Bereisung des Zonenrandgebiets in der 4. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages als notwendig festgestellt hatte. Der Deutsche Bundestag hatte diesen Bericht entgegengenommen und den darin enthaltenen Antrag einstimmig gebilligt. Es obliegt also der neuen Bundesregierung, hier verstärkt tätig zu werden, damit die entstandene Not der Zonenrandgebiete gelindert werden kann.
Im übrigen gebe ich meine Ausführungen zu Protokoll. Ich darf bitten, dann im Sitzungsbericht davon Kenntnis zu nehmen.
Ich danke Herrn Abgeordneten Höhmann.
Wird weiter das Wort gewünscht? — Bitte, Herr Abgeordneter Zoglmann!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dies ist der erste Einzelplan, bei dessen Behandlung der zuständige Minister nicht im Hause anwesend ist. Wir sehen im Hinblick auf die fortgeschrittene Zeit davon ab, die Herbeirufung des Herrn Ministers zu verlangen. Wir möchten aber eindeutig feststellen, daß es sich um eine Mißach-
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Zoglmanntung des Hauses handelt, und ich möchte das im Protokoll festgehalten wissen.
Herr Abgeordneter Frehsee, möchten Sie dazu gleich etwas sagen, damit das aufgeklärt wird?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Minister ist auf dem Weg in den Plenarsaal.
Der Herr Parlamentarische Staatssekretär im Finanzministerium, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Damit keine Mißverständnisse entstehen, muß ich sagen, daß sich der Herr Bundesfinanzminister im Verteidigungsrat befindet. Das nur zur Klarstellung, obwohl Sie das wahrscheinlich nicht gemeint haben, Herr Zoglmann. Er befindet sich also im Bundesverteidigungsrat, und sein Parlamentarischer Staatssekretär — dazu sollen diese Staatssekretäre ja da sein —'ist schon den ganzen Nachmittag hier.
Herr Abgeordneter Zoglmann, Sie haben beanstandet, daß der Ressortminister nicht da ist.
An sich ist es richtig, daß der Parlamentarische Staatssekretär die Funktion hat, den Minister zu vertreten, und insoweit natürlich vollen Wert besitzt.
Das Wort wird weiter nicht gewünscht. Herr Bundesminister, Sie wollen sich nicht äußern? — Dann schließe ich die Aussprache.
Wir stimmen über den Antrag des Ausschusses auf Drucksache V/1772 ab. Wer zustimmen will, gebe bitte Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei Enthaltungen der FDP ist der Einzelplan angenommen.
Ich rufe auf:
Einzelplan 32 Bundesschuld — Drucksache V/1777 —
Berichterstatter: Abgeordneter Windelen
Der Berichterstatter wünscht nicht das Wort.
Es liegt der Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf Umdruck 234 *) vor. Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Windelen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag Umdruck 234 sieht die Ausbringung eines Leertitels vor. Das Gesetz zur
*) Siehe Anlage 5 Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft, das vor einigen Wochen verabschiedet wurde, sieht vor, daß bei Abschwächung der allgemeinen Wirtschaftstätigkeit zur Anregung der Konjunktur zusätzliche Ausgaben zu leisten sind, die aus Anleihen aufgebracht werden können. In Vollzug dieser Bestimmung des Gesetzes ist der Leertitel auszubringen. — Ich bitte um Annahme.
Wird das Wort zu diesem Änderungsantrag gewünscht? — Das ist nicht der Fall.Wir können dann über den Änderungsantrag Umdruck 234 abstimmen. Wer zustimmt, gebe Zeichen. — Gegenprobe! — Gegen die Stimmen der FDP angenommen. -In der allgemeinen Aussprache wird das Wort nicht begehrt.Wir stimmen über den Antrag des Ausschusses auf Drucksache V/1333 ab. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei Enthaltungen der FDP angenommen.Dann rufe ich auf:Einzelplan 33Versorgung— Drucksache V/1778 —Berichterstatter: Abgeordneter Hörmann
Das Wort wird vom Berichterstatter nicht gewünscht. Auch sonst wird das Wort nicht begehrt. Wir können dann über den Antrag des Ausschusses auf Drucksache V/1778 abstimmen. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. — Einstimmige Annahme.Ich rufe auf: Einzelplan 35Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte— Drucksache V/1779 —Berichterstatter: Abgeordneter Wellmann Das Wort wird nicht begehrt.Wir können über den Antrag des Ausschusses auf Drucksache V/1779 abstimmen. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. — Ich stelle einstimmige Annahme fest.Das Haushaltsgesetz können wir heute nicht in zweiter Lesung beraten, weil der Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung noch nicht verabschiedet ist.Ich rufe auf:Einzelplan 60Allgemeine Finanzverwaltung— Drucksache V/1781 —Berichterstatter: Abgeordneter Windelen, Abgeordnete Frau Krappe
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Vizepräsident Dr. DehlerHierzu liegen eine Reihe von Änderungsanträgen auf den Umdrucken 258 *), 250 **) und 235 ***) vor.Herr Windelen, Sie wollen zu den Anträgen sprechen, bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei dem Antrag Umdruck 235 handelt es sich um den korrespondierenden Titel des soeben beschlossenen, ebenfalls zum Vollzug des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft. Die Einrichtung dieses Leertitels ist in § 8 Abs. 1 dieses Gesetzes vorgesehen. Ich bitte um Annahme dieses Antrags.
Im Antrag Umdruck 250 ist vorgesehen, in Kap. 60 02 einen Leertitel 965 auszubringen. Hier sollen Ausgaben für Sekretariate ehemaliger Bundeskanzler ausgebracht werden können. Es wird darauf hingewiesen, daß aus idem Ansatz auch Personalausgaben bestritten werden können.
Das Bundeskabinett hat in seiner Sitzung vom 12. April 1967 beschlossen: Einem früheren Bundeskanzler kann ein Sekretariat zur Verfügung gestellt werden. Hierzu können ein persönlicher Referent,
eine Sekretärin, ein Kraftfahrer mit Wagen und Büroraum gehören. Sofern es die Sicherheitslage erfordert, kann zum persönlichen Schutz des früheren Bundeskanzlers ein Beamter der Sicherungsgruppe des Bundeskriminalamtes abgestellt werden. Die erforderlichen Mittel werden im Haushalt des Bundeskanzleramts ausgebracht. Der Bundesminister der Finanzen wird beauftragt, das Weitere im Einvernehmen mit dem Bundesminister des Innern zu veranlassen.
Hier wird nun eine reduzierte Lösung vorgeschlagen, nämlich die Ausbringung eines Leertitels nicht im Haushalt des Bundeskanzlers, sondern im Einzelplan 60 — Allgemeine Finanzverwaltung —. In den Erläuterungen soll es heißen:
Einem früheren Bundeskanzler kann zur Abwicklung seiner früheren Aufgaben ein persönlicher Referent, eine Sektretärin und ein Kraftfahrer zur Verfügung gestellt werden. Diese Regelung ist für höchstens 3 Jahre vorzusehen.
Es ist wohl unzweifelhaft, daß ein Bundeskanzler in Abwicklung seiner Geschäfte für eine gewisse Übergangszeit gewisse Verpflichtungen wahrzunehmen hat. Hier soll die Möglichkeit geschaffen werden, diesem Bedürfnis zu entsprechen. Der Leertitel wird durch einen entsprechenden Ansatz auszufüllen sein, über den im Haushaltsausschuß noch im einzelnen zu beraten wäre.
Ich bitte, beiden Anträgen zuzustimmen.
Wir können die Änderungsanträge gleich behandeln. Der Änderungsantrag Umdruck 258 Ziffer 1 ist schon beim1 Siehe 111. Sitzung, Anlage 6**) Siehe Anlage 6 ***) Siehe Anlage 7Einzelplan 09 angenommen worden. Der Änderungsantrag Umdruck 258 *) Ziffer 2 ist die notwendige Konsequenz. — Das Haus stimmt diesem Antrag zu.Wer dem Änderungsantrag Umdruck 250 **) zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Zeichen. — Einstimmige Annahme.
— Verzeihen Sie; ich habe den Blick zur Seite der Opposition gewandt und gemeint, von dorther käme das Nein. Ich bitte, die Abstimmung zu wiederholen. Wer zuzustimmen wünscht, gebe Zeichen. — Gegenprobe! —
Wir müssen die Abstimmung wiederholen. Wer zustimmt, möge sich erheben. —. Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; der Änderungsantrag ist angenommen.Umdruck 235 ***). Wer diesem Änderungsantrag zustimmt, gebe bitte' Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Änderungsantrag Umdruck 235 ist angenommen.Das Wort zur allgemeinen Aussprache wird nicht gewünscht. Wir können dann über den Antrag des Ausschusses in Drucksache V/1781 abstimmen. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei Enthaltungen der FDP gebilligt.Das Haushaltsgesetz sowie der Einzelplan 14 werden am Dienstag behandelt. Wir verlassen damit den Haushalt 1967.Ich rufe Punkt III .der Tagesordnung auf:Erste Beratung des von den Abgeordneten Bauknecht, Dr. Ritgen, Klinker und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung Nr. 44/67/ EWG
— Drucksache V/1726 —Keine Wortmeldungen. Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — federführend — sowie an den Haushaltsausschuß zur Mitberatung und gemäß § 96 der Geschäftsordnung zu überweisen. — Kein Widerspruch; das Haus stimmt den Überweisungsvorschlägen des Ältestenrats zu.Punkt IV der Tagesordnung:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Siebenten Gesetzes zur Änderung des Milch- und Fettgegesetzes— Drucksache V/1792 —I) Siehe 112. Sitzung, Anlage 6**) Siehe Anlage 6 ***) Siehe Anlage 7
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juni 1967 5553
Vizepräsident Dr. DehlerDer Ältestenrat schlägt Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vor. Erhebt sich Widerspruch? — Die Überweisung ist beschlossen.Punkt V:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung strafrechtlicher Vorschriften der Reichsabgabenordnung und anderer Gesetze
— Drucksache V/1812 —Der Ältestenrat empfiehlt Überweisung an den Finanzausschuß — federführend —, an den Rechtsausschuß — mitberatend — sowie an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung. — Auch hier billigt das Haus den Überweisungsvorschlag des Ältestenrats; die Überweisung ist beschlossen.Punkt VI: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Gebäude- und Wohnungszählung 1968
— Drucksache V/1813 —Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf an den Ausschuß für Kommunalpolitik, Raumordnung, Städtebau und Wohnungswesen — federführend —, an den Innenausschuß — mitberatend — sowie an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung zu überweisen. — Auch hier ist das Haus mit den Überweisungsvorschlägen des Ältestenrats einverstanden.Punkt VII:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den Änderungen vom 21. Mai 1965 des Übereinkommens über ein einheitliches System der Schiffsvermessung— Drucksache V/1819 —Der Ältestenrat schlägt Überweisung an den Verkehrsausschuß vor. — Auch dieser Überweisung wird zugestimmt.Wir kommen zu den Zusatzpunkten. Ich rufe auf:Erste Beratung des von den Fraktionen derCDU/CSU, SPD, FDP eingebrachten Entwurfseines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzeszur Änderung von Vorschriften des Fideikommiss- und Stiftungsrechts— Drucksache V/ 1837 —Diese Vorlage soll an den Rechtsausschuß überwiesen werden. — Das Haus ist einverstanden.Ich rufe ferner auf:Beratung des Schriftlichen Berichts des Verkehrsausschusses über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats über bestimmte Sozialvorschriften im Straßenverkehr— Drucksachen V/860, V/1809 — Berichterstatter: Abgeordneter WendelbornIhnen liegt der Bericht des Herrn Abgeordneten Wendelborn — Drucksache V/1809 — vor. Das Haus soll Kenntnis nehmen. Darf ich feststellen, daß ,das erfolgt ist? — Ich höre keinen Widerspruch.Ich rufe den dritten Zusatzpunkt auf:Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen für Getreide, Schweinefleisch, Eier und Geflügelfleisch
— Drucksache V/1833 —Vorgeschlagen ist Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. — Es ist so beschlossen.Damit sind wir am Ende unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung auf Dienstag, den 13. Juni 1967, 14.30 Uhr, ein.