Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren, ich eröffne die Sitzung.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, gebe ich dem Hause bekannt, daß mich die CDU/CSU-Fraktion gebeten hat, Verständnis dafür zu haben, daß sie eine Fraktionssitzung, die um 14 Uhr begonnen hat, noch nicht abschließen konnte. Sie hofft, möglichst bald hier im Saale zu sein.
In Anbetracht dessen möchte ich zwei Würdigungen um 15.30 Uhr hier vor dem Hause sprechen. Sie sind damit einverstanden, daß wir erst nachher, nach der Fragestunde, ehe ich das Wort dem Herrn Bundeskanzler gebe, die beiden Würdigungen anschließen und deshalb jetzt unverweilt zur Fragestunde kommen.
Punkt 1 der Tagesordnung: Fragestunde.
— Drucksache V/1618 —
Zunächst Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr. Frage V/1 des Herrn Abgeordneten Dr. Hammans:
Kann nach Fertigstellung des neuen Gleises auf der Bundesbahnstrecke Dülken—Kaldenkirchen das alte Gleis nicht erhalten bleiben?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister für Verkehr.
Herr Präsident, wenn der Kollege Dr. Hammans einverstanden ist, möchte ich seine beiden Fragen wegen des Sachzusammenhangs zusammen beantworten.
Der Fragesteller ist einverstanden. Ich rufe auch Frage V/2 auf:
Könnte durch die Erhaltung der alten Gleise die Bundesbahnstrecke Dülken—Kaldenkirchen, gerade für den grenzüberschreitenden Verkehr, nicht bedeutend leistungsfähiger werden?
Bitte sehr, Herr Bundesminister!
Wie mir die Deutsche Bundesbahn mitteilt, werden zur Zeit auf der Strecke Dülken–Kaldenkirchen dringend erforderliche Gleiserneuerungsarbeiten durchgeführt. Um dabei den Betrieb möglichst ungestört abwickeln zu können, wird das neue Gleis, soweit es die Platzverhältnisse zulassen, zunächst neben dem vorhandenen errichtet. Erst nach Fertigstellung wird es dann mit den Gleisanlagen der Bahnhöfe verbunden.
Eine zusätzliche Beibehaltung des jetzigen Betriebsgleises würde bedingen, daß auch dieses Gleis völlig erneuert werden müßte. Bei der bekannt schwierigen Finanzlage der Deutschen Bundesbahn kann eine solche Maßnahme, die keine Rendite erwarten läßt, nicht von ihr in Erwägung gezogen werden, zumal auch die Leistungsfähigkeit der eingleisigen Strecke noch ausreicht.
Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, wird die Bedeutung dieser Strecke nicht dadurch noch erhöht, daß in absehbarer Zeit die Kurve der Strecke zwischen Krefeld und Kaldenkirchen bei Viersen ausgebaut und damit möglicherweise für die Zukunft der schnelle Personenverkehr mit Rotterdam über Venlo über diese Strecke gehen könnte?
Für den Fall, daß sich diese Entwicklung ergibt, besteht dann immer noch die Möglichkeit, die Frage in der Richtung zu beantworten, wie Sie sie eigentlich beantwortet haben möchten.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, ist die Gewähr gegeben, daß auch in Zukunft der Ausbau der zweiten Strecke möglich ist, auch wenn sie jetzt vorläufig liegenbleiben muß?
Das kann ich im Augenblick nicht übersehen. Zunächst ist es so, daß bei der gegebenen Situation die zweite Strecke nicht ausgebaut wird. Die Bundesbahn hat mir auch nicht mitgeteilt, daß sie gedenkt, sie abzureißen. Für den Fall, daß sich eine solche Verkehrsentwicklung ergibt, würde ich der Meinung sein, daß die Frage erneut geprüft werden sollte.
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4670 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 101. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. April 1967
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, könnten Sie mir die Frage nicht schriftlich beantworten, ob dafür wirklich Sorge getragen werden kann, daß jetzt keine Maßnahmen getroffen werden, die einer späteren Entwicklung möglicherweise entgegenstehen?
Ich will Sie gern über die Überlegungen der Bundesbahn informieren, auch mit dem Blick auf Ihre Frage.
Ich rufe dann die Frage V/3 des Abgeordneten Jung auf:
In welcher Weise können die Hubschrauber der Bundeswehr und des Bundesgrenzschutzes in ein System der VerkehrsunfallHilfe für Autobahnen und Fernstraßen sinnvoll eingeordnet werden?
Die Frage wird von dem Abgeordneten Schultz übernommen.
Bitte, Herr Minister!
Herr Präsident! In Beantwortung der Frage möchte ich folgendes ausführen:
1. Hubschrauber können bei der Erstversorgung von Unfallverletzten im Straßenverkehr in begrenztem Umfang eingesetzt werden, insbesondere dem
Transport bereits versorgter Schwerverletzter dienen, die auf andere Weise nicht rasch genug in eine ärztliche Spezialbehandlung gelangen können.
2. In dieser Weise werden Hubschrauber der Bundeswehr und des Bundesgrenzschutzes bereits im Rahmen des Möglichen mit gutem Erfolg eingesetzt.
3. Auf allen Hubschrauberflugplätzen der Bundeswehr und des Bundesgrenzschutzes sind Hubschrauber für den Transport von Unfallverletzten und Kranken in dringenden Notfällen schnell abrufbereit.
4. Eine planmäßige Beteiligung der Bundeswehr an der Erstversorgung von Unfallverletzten des Straßenverkehrs wird allerdings noch dadurch behindert, daß die in der 196. Sitzung des 4. Deutschen Bundestages vom Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung angekündigten Sanitätshubschrauberstaffeln, wie mir das Bundesverteidigungsministerium mitteilt, inzwischen noch nicht aufgestellt werden konnten.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schultz.
Schultz (FDP) : Herr Minister, wenn ich Sie recht verstanden habe, ist also der Einsatz von Hubschraubern für den genannten Zweck möglich. Wie werden die Hubschrauber abgerufen, welche verwaltungsmäßigen Bestimmungen gibt es darüber, und dergleichen mehr, so daß das in der Praxis funktioniert?
Ich bin gern bereit, Ihnen darüber schriftliche Auskunft zu geben.
Ich rufe dann die Frage V/4 des Abgeordneten Dorn auf:
In welcher Form ist in der Bundesrepublik Deutschland Vorsorge getroffen, um im Falle von Schiffskollisionen und Tankerkatastrophen eine Ölverseuchung unserer Küsten zu verhindern, wie sie jetzt in .Großbritannien droht?
Herr Abg. Dorn ist nicht im Saal. Wird die Frage übernommen?
— Die Frage wird von Herrn Abgeordneten Schultz übernommen.
Bitte, Herr Minister!
Herr Präsident! Die Bundesregierung kann auf ihre Erfahrungen der Bergung des am 20. Februar 1966 in der Nordsee havarierten norwegischen Tankers „Anne Mildred Brøvig" zurückgreifen. Die Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes hat seinerzeit mit ihren Fahrzeugen das ausgetretene Öl durch chemische Emulgatoren bekämpft. 52 770 Liter dieser Bekämpfungsmittel lagern zur Zeit noch beim Wasser- und Schiffahrtsamt Cuxhaven und sind jederzeit verfügbar.
Die Bundesregierung bemüht sich darum, mit den Küstenländern zu einer Vereinbarung über die gemeinsam zum Schutz der deutschen Küsten vor Ölverschmutzung zu treffenden Maßnahmen und die Kostentragung hierfür zu gelangen.
Wichtiger als nachträgliche Bekämpfungsmaßnahmen ist es jedoch, die Kollisionsgefahren für Tanker von vornherein weitgehend herabzusetzen. Hierzu gehört z. B. die Schaffung von Kollisionsschutzwegen für tiefgehende Schiffe. Große Tanker könnten dann auf diesen betonnten Schiffahrtswegen, die aus zwei „Fahrbahnen" mit einem mittleren Sicherheitsstreifen bestehen, die Ölhäfen ansteuern. Entsprechende Vorschläge für die Schaffung solcher Kollisionsschutzwege in der Nordsee und im Englischen Kanal wurden auf deutsche Initiative hin bereits von den Navigationsinstituten der Bundesrepublik Deutschland, Großbritanniens und Frankreichs ausgearbeitet und der IMCO zur Annahme vorgelegt.
Keine Zusatzfragen.
Ich rufe dann die Frage V/5 des Abgeordneten Geldner auf:
Welche Rolle spielt der von der Arbeitsgemeinschaft Fränkischer Wirtschaftsraum vorgeschlagene umfassende Ausbau der Verkehrsverbindungen in Mittelfranken in den kurz- und mittelfristigen verkehrspolitischen Überlegungen der Bundesregierung?
Bitte, Herr Minister!
Herr Präsident, Unterlagen über einen von der Arbeitsge-
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 101. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. April 1967 4671
Bundesminister Lebermeinschaft Fränkischer Wirtschaftsraum erarbeiteten Verkehrsplan liegen mir nicht vor. Es ist mir deshalb nicht möglich, hierzu eine Stellungnahme abzugeben.
Keine Zusatzfrage. Frage V/6 des Abgeordneten Röhner:
Welche Zeitziele hat die Bundesregierung für die Schließung der Baulücke beim Neubau der B 505 zwischen Bamberger Kreuz und Fesselsdorf?
Herr Präsident, ich bitte, die drei Fragen des Herrn Kollegen Röhner gemeinsam beantworten zu dürfen, da sie in einem sachlichen Zusammenhang stehen.
Einverstanden. Fragen V/7 und V/8 des Abgeordneten Röhner:
Kann mit der Fertigstellung der auf der in Frage V/6. erwähnten Strecke in Bau befindlichen großen Hangbrücke am Würgauer Berg im Jahre 1968 mit Sicherheit gerechnet werden?
Ist durch die rechtzeitige Ausschreibung weiterer Bauabschnitte zu beiden Seiten der Hangbrücke am Würgauer Berg gewährleistet, daß diese Brücke nach Fertigstellung sofort verkehrswirksam werden kann?
Mit der Fertigstellung der großen Hangbrücke am Würgauer Berg im Zuge des Neubaues der Bundesstraße 505 ist im Jahre 1968 zu rechnen. Die Baulose beiderseits der Hangbrücke werden so rechtzeitig ausgeschrieben, daß bald nach Fertigstellung der Brücke der gesamte Abschnitt zwischen Scheßlitz und Roßdorf dem Verkehr übergeben werden kann. Damit wird dann der im Zuge der alten Bundesstraße 22 liegende Würgauer Berg ausgeschaltet. Als nächstes Teilstück wird der Abschnitt zwischen dem Bamberger Kreuz und Scheßlitz fertiggestellt werden. Erst im Anschluß daran erfolgt der Lückenschluß zwischen Roßdarf und Fesselsdorf, da zwischen diesen beiden Endpunkten vorläufig eine Verbindung über die Staatsstraße 2190 besteht.
Zusatzfrage.
Herr Minister, können Sie einen etwaigen Zeitpunkt für die Fertigstellung der Arbeiten an dem Los nördlich der Brücke am Würgauer Berg bis nach Roßdorf — das wäre dann der Anschluß zur Staatsstraße 2190 — nennen?
Ich will mich gern danach erkundigen, denn für die Fertigstellung ist immer der Fortgang der Arbeiten entscheidend. Ich werde Ihnen das schriftlich mitteilen.
Ich rufe die Fragen V/9 und V/10 des Abgeordneten Faller auf:
Wie beurteilt das Bundesverkehrsministerium den Vorschlag des Rates der schweizerischen Gemeinde Riehen , die Wiesentalbahn zwischen dem Badischen Bahnhof Basel und Lörrach stillzulegen und den Verkehr Basel BB—Lörrach über Weil am Rhein zu leiten?
Haben über das in Frage V/9 erwähnte Projekt bereits offizielle Verhandlungen zwischen der Deutschen Bundesbahn und den schweizerischen Behörden stattgefunden?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Bundesministers Leber vom 5. April 1967 lautet:
Wie mir die Deutsche Bundesbahn mitteilt, hat der Rat der Gemeinde Riehen sich mit einem Schreiben im März dieses Jahres mit der Bitte an sie gewandt, zu prüfen, unter welchen Bedingungen eine Verlegung der Wiesentalbahn aus dem Ort Riehen möglich wäre. Offizielle Verhandlungen zwischen der Deutschen Bundesbahn und den zuständigen schweizerischen Behörden haben noch nicht stattgefunden. Da die hier aufgeworfene Frage zunächst eingehender Untersuchungen bedarf, ist eine Beurteilung zum augenblicklichen Zeitpunkt leider noch nicht möglich.
Frage V/11 des Abgeordneten Ertl:
Wird die Bundesregierung bei den künftigen Straßenbaumaßnahmen ganz besonders berücksichtigen, daß nach der Statistik der Bayerischen Landpolizei für 1966 Oberbayerns Straßen am gefährlichsten sind?
Herr Präsident, bei der Festlegung der Prioritäten für den Ausbau des Bundesfernstraßennetzes wird neben einer ganzen Reihe anderer Faktoren auch die Unfallhäufigkeit berücksichtigt. In Oberbayern weisen vor allem die nach München zielenden Straßen höhere Unfallquoten im Vergleich mit anderen Bundesstraßen auf, da sie auch eine höhere Verkehrsbelastung haben. In den kommenden Jahren werden für den Ausbau der Bundesstraßen im Vorfeld von München erhebliche Mittel bereitgestellt werden, wobei zur Verbesserung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs vorwiegend zweibahnige Straßenquerschnitte Verwendung finden werden.
Zusatzfrage.
Herr Minister, darf ich Ihre Antwort so verstehen, daß gerade jene Straßen südlich von München, die nach der Statistik die höchsten Unfallzahlen aufweisen — ich denke beispielsweise an die B 318 — nun zweibahnig ausgebaut werden?
Herr Kollege Ertl, wir sind dabei, den ganzen Fragenkomplex der Verkehrsführung in München und um München gründlich zu prüfen. Wir haben auch Vorstellungen, die im Bereich der Verwirklichung liegen. Ich bitte um Verständnis dafür, daß ich mich im Augenbilck auf eine bestimmte Auskunft nicht festlegen kann.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Minister, sind Sie mit mir der Auffassung, daß angesichts der Planung des Standortes für einen Großflughafen in München-Hofolding — also wiederum südlich von München — der dortige Raum bei der Verkehrsplanung ganz besonders in Betracht gezogen werden muß, damit das Chaos auf ,den Straßen nicht noch größer wird?
Mir ist bis jetzt nicht bekannt, Herr Kollege Ertl, daß die Entscheidung darüber, ob der Flughafen nach Hofolding kommt oder nicht, schon gefallen ist. Ich warte da noch auf eine Information der Bayerischen Staatsregierung und der Stadt München.
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4672 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 101. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. April 1967
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Fellermaier.
Herr Bundesminister, darf ich aus Ihrer Antwort schließen, daß die Bundesregierung bei ihren Überlegungen hinsichtlich des Ausbaus der Straßen im Großwirtschaftsraum München ihr besonderes Augenmerk auch darauf richten wird, daß die Leistungsfähigkeit dieser Straßen zur Bewältigung des internationalen Verkehrs bei der Olympiade in jedem Fall hergestellt wird?
Im dritten Vierjahresplan sind im Vorfeld von München auf den Bundesstraßen 2, 1,1, 12, 304 und 388 eine Reihe von Maßnahmen vorgesehen. Zur Entlastung der Bundesstraßen 2 und 11 wird der Abschnitt zwischen Schäftlarn und Penzberg der Bundesautobahn München—Lindau gebaut. Daneben sind bis 1972 — dem Zeitpunkt der Olympischen Spiele — weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse im Raum München geplant.
Frage V/12 des Abgeordneten Hübner:
Können im Hinblick darauf, daß die Südbrücke zwischen Düsseldorf und Neuß, die im Zuge der Bundesstraße 1 über den Rhein führt, in Zeiten des Berufsverkehrs regelmäßig völlig verstopft ist und kilometerlange Stauungen verursacht, bestehende Pläne zur Errichtung einer weiteren Straßenbrücke über den Rhein südlich der Südbrücke forciert und bald verwirklicht werden?
Herr Präsident! Um den Ost-West-Verkehr über den Rhein zu verbessern, baut die Stadt Düsseldorf mit namhaften Zuschüssen des Landes Nordrhein-Westfalen die Kniebrücke. Sie wird bis Ende 1969 für 'den Verkehr verfügbar sein.
Bei der in der Frage angesprochenen weiteren Rheinbrücke südlich Düsseldorf handelt es sich um eine weit vorausschauende Planung. Nach einer beim Land Nordrhein-Westfalen gehaltenen Rückfrage wird diesem Rheinübergang zur Zeit noch keine besondere Dringlichkeit beigemessen, da er wegen seiner Nord-Süd-Lage den starken regionalen Spitzenverkehr quer über den Rhein auf der bestehenden Südbrücke nicht nennenswert zu beeinflussen vermag.
Zusatzfrage!
Herr Bundesminister, würden Sie es der Mühe Wert erachten, diese Angaben des Landes Nordrhein-Westfalen — die nicht mit meiner Beurteilung übereinstimmen — durch eigene Beobachtungen zu überprüfen?
Herr Kollege Hübner, wir haben sehr viel Bedarf an Straßenbauten und Brückenbauten, und die vorhandenen Mittel reichen bei weitem nicht aus, um die Projekte durchzuführen, deren Dringlichkeit eindeutig nachgewiesen ist. Ich bitte Sie um Verständnis dafür: wenn das Land Nordrhein-Westfalen von der Notwendigkeit der Errichtung einer Brücke nicht überzeugt ist,
können wir nicht durch neue Untersuchungen — ob wir da nicht vielleicht noch eine Brücke bauen können — darauf drängen.
Frage V/13 des Herrn Abgeordneten Weigl:
Wie viele Eisenbahner müßten im Fall der Auflösung der Bundesbahndirektion Regensburg mit einer Versetzung bzw. Entlassung rechnen?
Zur Beantwortung hat der Herr Bundesverkehrsminister das Wort.
Herr Präsident! Die Untersuchungen zur Neugliederung der Mittelinstanz der Deutschen Bundesbahn sind noch nicht abgeschlossen. Die Organisationskommission der Deutschen Bundesbahn erarbeitet zur Zeit zu ihren Vorschlägen Vollzugspläne, denen Wirtschaftlichkeitsberechnungen und Sozialpläne beigefügt sind. Erst auf Grund dieser Ergebnisse wird sich der Vorstand der Deutschen Bundesbahn für eine bestimmte Lösung entscheiden und das nach dem Bundesbahngesetz vorgesehene formelle Verfahren einleiten.
Zu den personellen Auswirkungen einer eventuellen Auflösung der Bundesbahndirektion Regensburg läßt sich in diesem Stadium daher heute nur feststellen, daß keine Entlassungen vorgenommen werden. Der Umfang sonst notwendiger personeller Einzeldispositionen, z. B. Versetzungen, läßt sich gegenwärtig noch nicht annähernd erfassen.
Zusatzfrage!
Herr Minister, können Sie mir einen Zeitpunkt nennen, bis wann diese Fragen geklärt sind?
Ich habe in der vergangenen Woche das Bundesbahn-Anpassungsgesetz im Kabinett zurückgezogen, d. h. beantragt, daß es nicht weiter behandelt wird. Ich habe aber eine Zusage des Vorstandes der Deutschen Bundesbahn, daß er mir zum 30. Juni seine Vorschläge für die Reorganisation der Deutschen Bundesbahn vorlegt. Vorher sind alle Überlegungen Mutmaßungen und Spekulationen. Ich möchte bitten, daß wir gemeinsam warten, bis wir die Vorschläge der Bundesbahn kennen, und dann auch hier im Parlament darüber diskutieren.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schmidt .
Herr Minister, darf ich aus Ihrer Antwort entnehmen, daß die ursprünglichen Rationalisierungsvorstellungen inzwischen weitgehend überprüft worden sind und daß man wahrscheinlich zu anderen Ergebnissen kommen wird, als es vor anderthalb Jahren der Fall war?
Diese negative Antwort wäre auch im umgekehrten Sinne eine
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 101. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. April 1967 4673
Bundesminister Leberpositive. Ich kann sie Ihnen nicht geben. Ich warteab und warte auf das, was da kommt, Herr Kollege.
Ich rufe die Fragen V/14 und V/15 des Herrn Abgeordneten Dr. Bechert auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, eine internationale Vereinbarung anzustreben, welche für jede Art von Transport großer Ölmengen die Gefährdungshaftung vorsieht?
Gibt es internationale Zusammenarbeit in der Bekämpfung von Ölunfällen auf See und in internationalen Gewässern, welche dazu helfen kann, die biologischen und wirtschaftlichen Schäden solcher Unfälle zu verringern?
Zur Beantwortung der Herr Bundesverkehrsminister!
Herr Präsident, darf ich die Fragen des Herrn Abgeordneten Dr. Bechert wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantworten?
Einverstanden.
Wegen der schon im nationalen Verkehr der einzelnen Staaten unterschiedlich geregelten Gefährdungshaftung der Verkehrsträger wird eine generelle internationale Vereinbarung auf große Schwierigkeiten stoßen. Die Haftungsfrage wird aber auf den zwei bevorstehenden internationalen Besprechungen mit den Nordsee-Anliegerstaaten und bei der Zwischenstaatlichen Beratenden Schiffahrtsorganisation der UNO — beide im Mai dieses Jahres — eingehend erörtert und geprüft werden.
Eine organisierte internationale Zusammenarbeit gibt es zur Zeit noch nicht. Allerdings könnten auf der Grundlage des schon bestehenden - internationalen Übereinkommens zur Verhütung der Verschmutzung der See durch Öl, das am 26. Juli 1958 in Kraft getreten ist, die internationale Zusammenarbeit in der Bekämpfung von Ölunfällen auf See und internationalen Gewässern verstärkt und die biologischen und gesellschaftlichen Schäden solcher Unfälle auf ein Mindestmaß beschränkt werden.
Zusatzfrage.
Dr. Bechert (SPD) : Herr Minister, darf ich Ihre Antwort so verstehen, daß es auch auf dem Rhein keine solche internationale Zusammenarbeit für die Bekämpfung von Ölunfällen gibt?
Auf dem Rhein gibt es eine internationale Zusammenarbeit, da nach der Mannheimer Akte die Zusammenarbeit der Binnenschiffahrtsträger auf dem Rhein geregelt ist.
Eine weitere Zusatzfrage.
Dr. Bechert (SPD) : Gibt es für die Unfälle auf See nicht wenigstens die Möglichkeit, bald eine wissenschaftliche Zusammenarbeit, die zur Bekämpfung von solchen großen Olunfällen nützlich wäre, zu schaffen?
Ich halte die wissenschaftliche Zusammenarbeit mindestens für eher möglich als die praktische Zusammenarbeit der Länder bei der Bekämpfung oder Behebung eingetretener Schäden.
Dritte Zusatzfrage.
Dr. Bechert (SPD) : Wie beurteilt die Bundesregierung die Gefährdung durch den kürzlich geschehenen Ölunfall des Tankers „Torrey Canyon" für die Lebewesen in der Nordsee, wie Austern, sonstige Muscheln, Fische, Krabben und Meeres- und Strandvögel?
Wir haben noch keinen Überblick über den Umfang der Schäden. Ich hoffe aber, daß diese Untersuchungen angestellt werden. Ich hoffe auch sehr — ohne daß ich jetzt falsch gedeutet werden möchte —, daß dieser schreckliche Unfall, der da passiert ist, die Staaten noch einmal ermuntern wird, sich zusammenzusetzen und alles zu tun, um für die Zukunft solche Unglücksfälle zu vermeiden.
Ich rufe die Frage V/16 des Herrn Abgeordneten Leicht auf:
Ist die Bundesregierung bereit, falls bis zum 1. Mai 1967 eine Einigung über die Richtlinien zur Verteilung der 660 Millionen DM für Verkehrszwecke in den Gemeinden nicht erzielt wird, dem Deutschen Bundestag einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die sofortige Verwendung dieser 660 Millionen DM in 1967 für den Bundesfernstraßenbau möglich macht?
Ich sehe den Herrn Abgeordneten Leicht nicht im Saale. Die Frage wird schriftlich beantwortet.
Dann rufe ich die Frage V/17 des Herrn Abgeordneten Schmitt auf:
Fühlt sich die Bundesregierung nach wie vor an ihren Beschluß vom 13. März 1965 gebunden, mit dem sie den Bau des SaarPfalz-Kanals nur deswegen zurückgestellt hat, weil die Deutsche Bundesbahn den Landesregierungen von Rheinland-Pfalz und dem Saarland Tarife eingeräumt hatte, die im wirtschaftlichen Ergebnis die gleiche Wirkung haben wie der Bau des Kanals?
Zur Beantwortung der Herr Minister.
Herr Präsident, ich bitte um Ihr Einverständnis, daß ich die drei Fragen des Kollegen Schmitt wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantworte, wenn der Kollege Schmitt einverstanden ist.
Einverstanden? — Dann rufe ich auch die Fragen V/18 und V/19- des Herrn Abgeordneten Schmitt auf:Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß die aus jüngsten Presseverlautbarungen ersichtlichen Kompromißvorschläge zur Frage der Als-ob-Tarife für das Saarland das gleiche wirtschaftliche Ergebnis haben werden wie Wettbewerbstarife oder eine Wasserverbindung?Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die im Beschluß vom 17. März 1965 bestätigte Absicht zur Beseitigung der Stand-
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4674 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 101. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. April 1967
Präsident D. Dr. Gerstenmaierortbenachteiligung des Saarlandes zu verwirklichen, nach dem kanalgleiche Wettbewerbstarife von den supranationalen Institutionen abgelehnt werden?
Die Bundesregierung hält an ihrem Beschluß vom 17. März 1965 nach wie vor fest.
Die Verhandlungen mit der Hohen Behörde der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl über die Durchführung ihrer Entscheidung vom 20. Juli 1966 über die Tarife für Montangüter haben nunmehr zu einer Einigung geführt. Die Bundesregierung hat in der Vereinbarung ihren Rechtsstandpunkt, daß es sich bei den Tarifen um Wettbewerbstarife handelt, ausdrücklich aufrechterhalten. Mithin werden die Verfrachter bei den von der Vereinbarung umfaßten Tarifen nach wie vor so gestellt, als ob die Güter auf einem Saar-Pfalz-Kanal befördert würden.
Wegen der Tarife für die EWG-Güter ist zunächst ein Gespräch mit der EWG-Kommission in Aussicht genommen.
Eine Zusatzfrage? — Keine Zusatzfragen.
Ich rufe die Fragen V/20, V/21 und V/22 des Herrn Abgeordneten Baier auf:
Treffen Informationen zu, wonach die Deutsche Bundesbahn die Schließung der Bahnstrecke Aglasterhausen/Obrigheim für Mai 1968 vorsieht, die Gleise sofort nach Schließung abbauen will und bereits Fahrpläne für den Ersatz-Omnibusverkehr aufstellt?
Warum werden, falls die in Frage V/20 erwähnte Information zutrifft, die zuständigen Behörden nicht offiziell von der Schließungsabsicht in Kenntnis gesetzt?
Wird die Bundesregierung im Einvernehmen mit der Landesregierung Baden-Württemberg darauf hinwirken, daß über Abbaupläne der Deutschen Bundesbahn im Förderkreis Mosbach erst dann verhandelt wird, wenn die geplanten Straßenbaumaßnahmen im Elz-Mündungsraum abgeschlossen sind und der Ersatzverkehr ohne verkehrsmäßige Schwierigkeiten und strukturelle Nachteile für das Fördergebiet aufgenommen werden kann?
Die Fragen werden im Einvernehmen mit dem Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Fragen V/23 und V/24 des Herrn Abgeordneten Dr. Klepsch:
Welche Planungen der Deutschen Bundesbahn bestehen hinsichtlich des zwischen dem Bahnhofsgebäude Koblenz und dem Postamtsgebäude befindlichen und bis heute unbebauten bahneigenen Grundstücks?
Falls die Deutsche Bundesbahn das in Frage V/23 erwähnte Grundstück in absehbarer Zeit nicht für eigene Zwecke bebaut, wäre sie dann bereit, dieses Grundstück der Deutschen Bundespost zur Erweiterung des angrenzenden Postamtsgebäudes zu übereignen, um dadurch die bauliche Gestaltung des Bahnhofsplatzes zu fördern?
Wie mir die Deutsche Bundesbahn mitteilt, beabsichtigt sie nicht, das zur Zeit unbebaute Grundstück zwischen dem Bahnhofsgebäude Koblenz und dem Postamtsgebäude abzugeben. Sie hat es in .die Planungen für die Erneuerung des Empfangsgebäudes Koblenz bereits mit einbezogen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, wann ist damit zu rechnen, daß diese Planungen bekanntwerden und daß sie realisiert werden?
Ich bin im Augenblick nicht sattelfest. Ich weiß nicht, wie die Planung der Bundesbahn für jedes Bahnhofsgebäude aussieht. Aber sie hat mir gesagt, sie wolle das Grundstück selbst bebauen.
Zweite Zusatzfrage.
Haben Kontaktaufnahmen zwischen der Post und der Bahr in dieser Frage stattgefunden?
Das halte ich durchaus für möglich. Es sind ja zwei benachbarte Institutionen.
Aber mir hat die Bundesbahn mitgeteilt, sie habe es in ihre eigenen Planungen einbezogen und wolle ihren eigenen Bahnhof mit dem Empfangsgebäude darin erweitern. Das wird wahrscheinlich auch eine Geldfrage sein.
Dritte Zusatzfrage.
Herr Minister, der Presse entnehme ich, daß Sie demnächst die Stadt Koblenz besuchen werden. Würden Sie so freundlich sein, bei dieser Gelegenheit dieses Gelände mit zu besichtigen und dann vielleicht den Gesichtspunkt zu prüfen, ob nicht doch, wenn die Finanzlage so schlecht ist, eine Übereinkunft mit der Post die geeignetste Lösungsmöglichkeit wäre?
Ich will das gern noch einmal zu ergründen versuchen. Aber zunächst bleibt es dabei, daß die Bundesbahn das Gelände selbst bebauen will.
Ich rufe die Fragen V/25, V/26 und V/27 des Herrn Abgeordneten Riegel auf:
Kann die Bundesregierung über die Entwicklung der in den letzten Jahren erfolgten Verkehrsunfälle von Straßentankwagen, die zur Beförderung brennbarer Stoffe verwendet werden, berichten?
Hält die Bundesregierung die zur Zeit geltenden Sicherheitsbestimmungen für den Transport brennbarer Stoffe durch Straßentankwagen und die technische Überwachung derselben unter Berücksichtigung der verschiedenen Gefahrenklassen für ausreichend?
Ist die Bundesnegierung bereit, zu prüfen, ob die geltenden Verkehrsbestimmungen beim Transport brennbarer Stoffe auf der Straße, insbesondere in bewohnten Gebieten, eine Änderung erfahren sollen, um Unfälle weitestgehend zu vermeiden?
Die Länder haben in den letzten Jahren die Verkehrsunfälle, an denen Straßentankfahrzeuge bei der Beförderung gefährlicher Stoffe beteiligt waren, statistisch erfaßt. Da eine bundeseinheitliche Regelung nicht besteht, geschah die Erfassung und Auswertung dieser Unfälle nach unterschiedlichen Merkmalen, so daß
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 101. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. April 1967 4675
Bundesminister Leberrepräsentative Schlüsse nur mit Vorbehalt gezogen werden können.Die Erfassung und Auswertung dieser Unfälle deutet darauf hin, daß trotz steigender Fahrleistungen der Straßentankfahrzeuge die Unfallbeteiligung dieser Fahrzeuge eine sinkende Tendenz aufweist.Bund und Länder haben in den letzten Jahren auf dem Gebiet des Baues und Betriebs von Straßentankfahrzeugen für brennbare Stoffe eine Reihe von weiteren Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Ich erwähne den Erlaß der technischen Verordnung über brennbare Flüssigkeiten vom 10. September 1964, die Herausgabe eines Merkblattes über das Verhalten des Fahrpersonals von Tankfahrzeugen bei Unfällen, die Einführung eines Hinweiszeichens für Wasserschutzgebiete und die mit Erfolg auf freiwilliger Basis durchgeführten Sonderausbildungen für Fahrer von Tankfahrzeugen.Die Bundesregierung ist daher der Auffassung, daß sich die für den Transport brennbarer Flüssigkeiten und die technische Überwachung der Fahrzeuge erlassenen Vorschriften und die getroffenen Maßnahmen — wie die Praxis zeigt — bewährt haben.Nach dem Beitritt zum Europäischen Übereinkommen vom 30. September 1957 über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße — voraussichtlich Ende dieses Jahres — wird wegen des Erlasses einer Rechtsverordnung für die Beförderung aller gefährlichen Güter auf der Straße auch die von Ihnen, Herr Kollege, angeschnittene Frageder Verkehrsbeschränkung bei der Benutzung auf Straßen in geschlossenen Ortschaften erneut überprüft werden.
Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, wollen Sie die von Ihnen zitierte Verordnung nicht dahin gehend überprüfen lassen, ob Tankfahrzeuge, die brennbares Material befördern, nicht stärker bewandet oder doppelt bewandet sein müssen?
Ich will die Frage gern noch einmal prüfen lassen.
Keine weiteren Zusatzfragen. Damit, meine Damen und Herren, sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr beantwortet.
Ist die Bundesregierung bereit, zur Förderung des Philharmonischen Orchesters der Pfalz im Etat des gesamtdeutschen Ministeriums weiterhin Mittel bereitzustellen?
Bitte, Herr Minister!
Herr Kollege, die Haushaltslage erlaubt es dem Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen in diesem Jahr nicht, Mittel zur Förderung des Philharmonischen Orchesters der Pfalz zur Verfügung zu stellen.
Keine Zusatzfrage.
Der Abgeordneten Frau Funcke sage ich, daß ihre Frage von dem Herrn Staatssekretär im Bundeskanzleramt und Chef des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung morgen beantwortet werden wird. Der Herr Staatssekretär ist durch zwingende dienstliche Verpflichtungen davon abgehalten, heute hier zu antworten.
Ich rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungswesen und Städtebau auf. Zunächst die Frage IV/1 des Herrn Abgeordneten Weigl:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß Anträge von Bewerbern im sozialen Wohnungsbau mit fünf und mehr Kindern aus dem ostbayerischen Zonenrandgebiet unberücksichtigt bleiben sollen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nach Ihrer Frage handelt es sich um Bewilligung öffentlicher Mittel zum Bau von Familienheimen. Wie die oberste Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern auf Anfrage mitgeteilt hat, ist eine Weisung, wonach derartige Anträge von Bewerbern auf Familienheimbauten abzulehnen sind, nicht ergangen. Die Behörde ist im Gegenteil bemüht, die vorliegenden Anträge nach Dringlichkeit im Rahmen der zur Verfügung stehenden Mittel zu berücksichtigen. Dennoch wird es sich bei der Vielzahl von Anträgen kinderreicher Familien, die gerade in diesem Gebiet zu verzeichnen sind, leider nicht immer vermeiden lassen, daß in Einzelfällen auch Anträge Kinderreicher derzeit infolge Fehlens ausreichender Landesförderungsmittel abgelehnt werden.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Weigl.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß bereits im vergangenen Jahr ein Landkreis im Zonenrandgebiet, nämlich der Landkreis Tirschenreuth, trotz seiner ungünstigen Finanzlage aus eigenen Mitteln den sozialen Wohnungsbau gefördert hat, um einfach die Antragsteller im sozialen Wohnungsbau befriedigen zu können?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe damals mit dieser Aufgabe noch nicht unmittelbar zu tun gehabt und kenne deswegen aus eigener Erfahrung den Sachverhalt nicht.
Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, wären Sie eventuell bereit, mit der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung in Nürnberg in Verbindung zu treten, damit wenigstens von dort aus wieder ein Sonderprogramm für
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4676 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 101. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. April 1967
WeiglFacharbeiter und Pendler im Zonenrandgebiet aufgelegt wird?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich will alle Möglichkeiten nach dieser Richtung gern prüfen.
Ich rufe die Frage IV/2 des Abgeordneten Wurbs auf:Wie hoch ist der Anteil der in Einzeleigentum befindlichen Wohnungen in der Bundesrepublik Deutschland im Vergleich zu den in Gesellschafts-, Genossenschafts- oder öffentlichem Eigentum befindlichen Wohnungen?Ist der Abgeordnete Wurbs im Saal? — Nein. Wird die Frage übernommen? — Auch nicht. Dann wird die Frage schriftlich beantwortet.Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich ,des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen. Ich rufe die Fragen VI/1 bis 3 des Abgeordneten Schlüter auf:Wieviel Unkosten entstehen den Telefonkunden im Landkreis Fallingbostel jährlich dadurch, daß der Landkreis trotz seiner überdurchschnittlichen gewerblichen und industriellen Entwicklung noch nicht an das Selbstwählsystem angeschlossen ist?Welches sind die Gründe, die die bisherige Verzögerung des in Frage VI/1 erwähnten Anschlusses verursacht haben?Wann ist mit der Einbeziehung des Landkreises Fallingbostel in das Selbstwählsystem zu rechnen?Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Bundesministers Dr. Dollinger vom 5. April 1967 lautet:Zu 1.:In Ihrer Fragestellung gehen Sie ganz allgemein davon aus, daß den Fernsprechkunden im Landkreis Fallingbostel jährlich jetzt höhere Unkosten dadurch entstehen, daß der abgehende Fernverkehr dieses Landkreises noch nicht voll automatisiert wurde. Dies ist aber nicht der Fall. Abgesehen davon, daß dort bereits 81,1 v. H. des Fernverkehrs automatisiert sind, würden wahrscheinlich — insgesamt betrachtet — nach einer Vollautomatisierung die Gesamtfernsprechausgaben der Teilnehmer höher als heute liegen. Dies erklärt sich daraus, daß die im Selbstwählferndienst gegenüber dem Handdienst gebotenen Gebührenvorteile im Endergebnis durch die größera „Sprechfreudigkeit" mehr als ausgeglichen werden. Darüber hinaus ist noch zu bemerken, daß handvermittelte Gespräche von mehr als 3 Minuten Dauer billiger sind als gleichlange Gespräche im Selbstwählferndienst in der vollbezahlten Tageszeit.Hinsichtlich des dortigen Standes der Automatisierung darf ich noch darauf hinweisen, daß sich der Landkreis Fallingbostel etwa mit dem Bereich der Knotenvermittlungsstelle Walsrode deckt. Für den Bereich dieser Knotenvermittlungsstelle wurden im Dezember 1966 gezählt25 152 handvermittelte Ferngespräche und107 872 Selbstwählferngespräche mit 521 702 Gebühreneinheiten.Das heißt also, daß — wie bereits gesagt — 81,1 v. H. des Fernverkehrs dort automatisiert sind.Zu 2.:Die uneingeschränkte Landesfernwahl kann im Bereich der Knotenvermittlungsstelle Walsrode erst eingeführt werden, wenn die für den Aufbau der technischen Einrichtungen benötigten neuen Räume erstellt worden sind. Die räumlichen Verhältnisse in dem vorhandenen Dienstgebäude in Walsrode gestatteten nur eine Teilautomatisierung des Fernverkehrs. Nach Aufhebung des Fernamts im Februar 1966 und Aufbau weiterer technischer Einrichtungen in den durch das Fernamt frei gemachten Räumen wurde erreicht, daß 81,1 v. H. aller Ferngespräche von den Teilnehmern selbst gewählt werden können .Die Teilnehmer aus dem Bereich der Knotenvermittlungsstelle Walsrode können z. Z. in Selbstwahl herstellen:Die Ferngespräche in die Bereiche der benachbarten Knotenvermittlungsstellen Schwarmstedt, Soltau, Celle, Verden und Rotenburg/Hannover sowie zu den Ortznetzen des Bereichs von Walsrode selbst; außerdem zu den Ortsnetzen Hamburg, Hannover und Bremen.Ankommend sind alle Teilnehmer des Bereichs der Knotenvermittlungsstelle Walsrode im Selbstwählferndienst zu erreichen.Nach Überprüfung der sich bietenden räumlichen Möglichkeiten im alten Dienstgebäude ist im Rahmen des Planungsprogramms 1967 vorgesehen, im geringen Umfang noch einige technische Einrichtungen aufzubauen, die es gestatten, die Ferngespräche in die Bereiche der Hauptvermittlungsstellen Hamburg, Bremen, Hannover und Braunschweig automatisch abzuwickeln. Dadurch wird es möglich, den Grad der Automatisierung des Fernverkehrs auf etwa 90 v. H. zu erhöhen. Darüber hinaus ist allerdings ein weiterer Ausbau des Selbstwählferndienstes vor Errichtung eines neuen Gebäudes nicht mehr möglich.Zu 3.:Mit den Arbeiten für den Neubau, in dem die Knotenvermittlungsstelle mit ihren Einrichtungen für die Landesfernwahl untergebracht werden soll, ist bereits im Oktober 1966 begonnen worden. Unter der Voraussetzung, daß die Hochbauarbeiten zügig voranschreiten und die neuen Räume im April 1968 bezugsfertig sind, kann die neue Knotenvermittlungsstelle, die den Teilnehmern im Bereich Walsrode die uneingeschränkte Landesfernwahl bringt, Anfang 1969 in Betrieb genommen werden.Ich rufe die Fragen VI/4 bis 6 des Herrn Abgeordneten Wagner auf:Wann kann der Deutsche Bundestag mit der Vorlage der bereits von der Bundesregierung am 10'. März 1966 angekündigten Ergänzung der Stellungnahme zum Gutachten zur Sachverständigen-Kommission für die Deutsche Bundespost — insbesondere zu den im II. Teil Buchstabe D. Organisation gemachten Vorschlägen des Gutachtens — rechnen?Billigt die Bundesregierung den nur auf Grund eines Mehrheitsbeschlusses der in Frage VI/4 erwähnten Kommission in das Gutachten aufgenommenen Vorschlag zur Aufspaltung des ' Post- und Fernmeldesektors in der Mittelinstanz mit den im Gutachten selbst angeführten organisatorischen, personalpolitischen und gebührentechnischen Konsequenzen?Ist die Bundesregierung bereit, die auch von der in Frage VI/4 erwähnten Gutachtenkommission als dringend notwendig anerkannte Reorganisation der Mittelinstanz unter Heranziehung des im Auftrag des Bundespostministeriums nach den Richtlinien des BWV-Gutachtens 1956 seit langem erstellten umfassenden Organisationsplans der Wiesemeyer-Fachkommission jetzt ohne jeden weiteren Aufschub in die Wege zu leiten?Ist der Fragesteller im Saal? — Wenn sich kein Geistesgegenwärtiger findet, meine Herren Kollegen, der die Fragen übernimmt, dann geht es jetzt ohne mündliche Antwort weiter; diese Fragen werden schriftlich beantwortet.Ich rufe die Fragen VI/7 bis 9 des Abgeordneten Burger auf:Sind die Fernsprechgebühren der Deutschen Bundespost für Teilnehmer, die außerhalb des angeschlossenen Fernmeldenetzes den Handvermittlungsdienst in Anspruch nehmen müssen und die für Gespräche nach 18 Uhr ein Mehrfaches betragen, was die an voll ausgebauten Ämtern angeschlossenen Teilnehmer zu zahlen haben , noch gerechtfertigt?Ist die Höhe der alten Handvermittlungsgebührensätze der Deutschen Bundespost noch berechtigt, obwohl die Handvermittlung gegenüber früher wesentlich vereinfacht ist, da die Vermittlungsämter durchwählen können?Könnte nicht wenigstens als Übergangslösung die für die ausnahmsweise Herstellung von handvermittelten Ferngesprächen vorgesehenen Gebühren zugrunde gelegt werden, die immerhin „nur" das Doppelte der Gebühren im Selbstwählferndienst betragen?Diese Fragen werden im Einvernehmen mit dem Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen erledigt.Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Familie und Jugend.Ich rufe die Fragen VII/1 bis 3 des Abgeordneten Wolf auf:
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 101. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. April 1967 4677
Präsident D. Dr. GerstenmaierWelche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, der segensreichen Tätigkeit der „Aktion Sühnezeichen" ire Rahmen der Völkerverständigung Unterstützung zukommen zu lassen?Ist die Bundesregierung bereit, den anerkannten Kriegsdienstverweigerern, die sich freiwillig zum Einsatz durch die „Aktion Sühnezeichen" bereitgefunden haben, diese Zeit auf den zivilen Ersatzdienst anzurechnen?Wie groß ist die Zahl der Personen, aufgegliedert nach Altersstufen, die durch die „Aktion Sühnezeichen" bisher im Ausland eingesetzt wurden?Ist der Abgeordnete Wolf im Saal? — Nein. Die Fragen werden deshalb auch nicht mündlich, sondern schriftlich beantwortet.Es kommen die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für wissenschaftliche Forschung.Ich rufe die Frage VIII/1 des Abgeordneten Dr. Vogel auf:Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, darauf hinzuwirken, daß eine zentrale Bewerbungsstelle für das Studium der Pharmazie an deutschen Hochschulen erreicht wird?
— Die Frage wird übernommen. Zur Beantwortung hat der Herr Bundesminister des Wort.
Für die Einrichtung zentraler Registrierstellen für Studienbewerber sind die wissenschaftlichen Hochschulen und die Kultusminister der Länder zuständig. Die Bundesregierung kann deshalb hierzu lediglich Vorschläge machen.
Wie ich in meiner Antwort vom 22. Dezember 1966 an den Herrn Kollegen Dröscher bereits ausgeführt habe, ist dies schon geschehen. Daraufhin haben die Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder und die Westdeutsche Rektorenkonferenz mitgeteilt, daß wegen der übergroßen Zahl von Bewerbern im Fach Pharmazie eine zentrale Registrierstelle keine Verbesserung der Verhältnisse erwarten lasse. Eine Registrierstelle wird ferner zur Zeit aus dem Grund nicht für aktuell gehalten, weil die Ausbildung der Pharmazeuten gesetzlich auf neue Grundlagen gestellt wird.
Der Entwurf einer neuen Bundesapothekerordnung liegt dem Hohen Hause zur Beratung und Beschlußfassung vor. Der Entwurf eines Gesetzes über den Beruf des pharmazeutisch-technischen Assistenten wird demnächst eingebracht.
Es ist zu erwarten, daß diese Gesetze die Studienmotivationen und damit auch den Andrang zum Studium der Pharmazie entscheidend beeinflussen werden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, ist Ihnen bekannt, daß die medizinischen Fakultäten der Universitäten und Akademien eine solche Stelle in Hamburg eingerichtet haben? Glauben Sie nicht, daß allein die Portogebühren, die die Anwärter für das Studium der Pharmazie in jedem Semester in Höhe von 150 DM aufzubringen haben, um
von jeder Universität eine Antwort zu bekommen, ausreichen, die Einrichtung einer solchen Stelle zu verantworten?
Man kann nach den Erfahrungen der von Ihnen genannten Registrierstelle im Bereich der Medizin leider nicht davon ausgehen, daß bereits das Vorhandensein einer solchen Stelle Mehrfachbewerbungen ausschließt. Ich glaube auch, dieser Sachverhalt wäre anders zu beurteilen, wenn sich nicht durch Gesetzesentscheidungen, die in Kürze bevorstehen, die Voraussetzungen für die Bewerbungen wesentlich verändern würden.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Bundesmininister, glauben Sie nicht, daß man durch eine solche Stelle erreichen könnte, daß gerade in der Übergangszeit, die für das neue Gesetz geschaffen werden muß, die Studenten und die Anwärter für das Pharmaziestudium besser über ihre nächsten Jahre disponieren könnten?
Ich muß leider bezweifeln, daß der ungewöhnlich hohe Andrang, der gegenwärtig gegeben ist, durch derartige administrative Maßnahmen zugunsten der Bewerber entscheidend beeinflußt werden kann. Ich glaube, daß die Lösung dieser Frage in der Tat in den gesetzlichen Neuregelungen liegt, die zu einer wesentlichen Verbesserung führen können.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich rufe die Frage VIII/2 des Abgeordneten Dr. Wörner auf:
Ist, die Bundesregierung willens, die erforderlichen Mittel bereitzustellen, um die an 12 Wissenschaftler des Instituts für Kernenergetik an der Technischen Hochschule Stuttgart ergangene Kündigung rückgängig machen zu können und damit den Abschluß weit fortgeschrittener und international beachteter wissenschaftlicher Forschungsvorhaben sicherzustellen?
Zur Beantwortung hat der Herr Bundesminister das Wort.
Das Institut für Kernenergetik der Technischen Hochschule Stuttgart hatte Ende 1966 insgesamt 41 Personalstellen zur Verfügung, davon 19 aus dem Personaletat des zuständigen Landes Baden-Wüttemberg und 22 zusätzlich durch Sonderbewilligungen des Bundesministeriums für wissenschaftliche Forschung. 1967 konnte mein Ministerium dem Institut zunächst nur 17 zusätzliche Stellen mit einem Finanzbedarf von 378 000 DM bewilligen. Damit ist dieses Institut eines der am stärksten aus dem Sonderprogramm des Bundes geförderten Hochschulinstitute.Da sich das Land nicht in der Lage sah, über die vorhandenen 19 Planstellen hinaus neue zu schaffen, fehlten die Mittel für fünf Mitarbeiter. In Verhandlungen meines Ministeriums mit dem Land ist mittlerweile festgestellt worden, daß von diesen fünf
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4678 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 101. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. April 1967
Bundesminister Dr. StoltenbergMitarbeitern ohnehin drei das Institut in Kürze verlassen werden. Für sie und die dann verbleibenden zwei in ihrer Arbeit nicht gesicherten Mitarbeiter habe ich nochmals 50 000 DM für Vergütungszahlungen zur Verfügung gestellt, die ursprünglich für Investitions- und Sachausgaben bestimmt waren. Damit ist für 1967 eine Kündigung von Mitarbeitern des Instituts aus finanziellen Gründen nicht notwendig. Ich habe die Landesregierung Baden-Württemberg wie schon vor zwei Jahren mein Amtsvorgänger, Minister a. D. Lenz, schriftlich darauf hingewiesen, daß es erforderlich ist, weitere Stellen für dieses Institut zu schaffen, da die Bundesregierung nicht für alle Zukunft eine Förderung in dem zunächst gewährten Umfang garantieren kann.
Zusatzfrage.
Eine Antwort auf Ihr Schreiben ist noch nicht eingegangen?
Eine endgültige Antwort noch nicht, Herr Kollege Wörner.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Moersch.
Herr Minister, ist denkbar, daß manche Verwirrung dadurch entstanden ist, daß etwa das Bundesministerium für wissenschaftliche Forschung dem Institut in Stuttgart höhere Bundesmittel in Aussicht gestellt hatte, als nachher bewilligt wurden?
Das kann man nach dem Studium der Bewilligungsbescheide des Vorjahres nicht sagen. Es ist sowohl dem Institut wie auch der Landesregierung in den beiden vergangenen Jahren durch Schreiben meines Amtsvorgängers und Schreiben der zuständigen Referenten mehrfach nachdrücklich mitgeteilt worden, daß es leider nicht möglich sein wird, die Förderung im vollen in den Vorjahren gewährten Umfang weiterzuführen, und daß deshalb die Etatisierung weiterer Planstellen in dem Etat des zuständigen Landes dringend geboten ist.
Noch eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Moersch.
Herr Minister, wie erklären sich dann die Differenzen zwischen der Darstellung des Institutsdirektors und den Darstellungen der amtlichen Stellen über diesen Punkt?
Ich kann hier nicht die Darstellung des Institutsdirektors und sein Verhalten im einzelnen bewerten. Ich kann nur sagen, daß die Akten des Bundesministeriums für wissenschaftliche Forschung aus den letzten Jahren ein völlig eindeutiges Bild ergeben, das ich hier kurz wiedergebe.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Hammans.
Herr Minister Stoltenberg, trifft es zu, daß etwa die jetzt im Bau befindlichen und fertigen Kernforschungsanlagen im Augenblick und auch für die nächsten zehn Jahre ausreichen, um die notwendigen Forschungsunterlagen zu bieten, zumal wenn mehrere Universitäten zusammenarbeiten, um diese Anlagen voll auszunutzen?
Ich glaube, wir haben durch die Investitionen der letzten zehn Jahre aus Mitteln der Länder, aber vor allem auch aus Mitteln des Bundes in den Kernforschungszentren und an den Universitäten die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Forschungstätigkeit geschaffen. Das schließt nicht aus, daß durch den Fortgang der Wissenschaft selbst neue Erfordernisse, neue wissenschaftliche Aufgabenstellungen sich ergeben und gewisse zusätzliche Investitionen auch in Zukunft nötig sein werden.
Zweite Zusatzfrage.
Sind Sie bereit, Herr Minister, darauf zu achten, daß diese Koordination der Zusammenarbeit in der Zukunft noch mehr als bisher gewährleistet wird?
Wir sind bestrebt, das zu erreichen. Wir haben eine, wie ich glaube, wirkungsvolle Beratung dadurch, daß jeder Förderungsantrag, der von meinem Ministerium beraten wird, durch die zuständigen wissenschaftlichen Arbeitskreise der deutschen Atomkommission begutachtet wird. Wir haben zur Beurteilung bedeutender Investitionsvorhaben wie der zukünftigen Entwicklung der Kernforschungszentren Karlsruhe und Jülich gemeinsame Kommissionen mit den betreffenden Ländern eingesetzt, deren Arbeitsberichte vorliegen.
Ich rufe die Frage VIII/3 des Abgeordneten Moersch auf:
Ist die Einstellung eines Forschungsprojektes auf dem Gebiet der nuklearen und röntgenographischen Festkörperphysik auf Grund eines Votums der Atomkommission oder eines anderen wissenschaftlichen Gutachtergremiums verfügt worden?
Bei den Forschungsvorhaben handelt es sich um die experimentellen Arbeiten eines einzelnen Physikers an einem Max-PlanckInstitut. Diesem Physiker wurde von der MaxPlanck-Gesellschaft zum 1. Oktober 1966 gekündigt, weil der Leiter des Instituts sich mit den wissenschaftlichen Arbeiten nicht zufrieden erklärte und von sich aus dem Physiker bereits seit längerer Zeit nahegelegt hatte, auszuscheiden. Die Bundesregie-
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 101. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. April 1967 4679
Bundesminister Dr. Stoltenbergrung kann bei diesem Sachverhalt nicht im einzelnen zu diesen Streitfragen, die zwischen einem Institut und seinem Mitarbeiter bestanden, wertend Stellung nehmen. Mein Ministerium hatte die Erstellung einer Versuchsapparatur für das Forschungsvorhaben dem Max-Planck-Institut finanziert. Die spätere Nutzung oblag der Max-Planck-Gesellschaft. Die Durchführung des Forschungsvorhabens war daher weder Gegenstand einer Förderung durch das Ministerium noch der Beratung eines Gremiums der Deutschen Atomkommission oder eines anderen wissenschaftlichen Gutachtergremiums.
Ich rufe die Frage VIII/4 des Herrn Abgeordneten Moersch auf:
Welche Gründe sind dafür maßgebend, daß das Bundesministerium für wissenschaftliche Forschung wissenschaftliche Projekte von natürlichen Personen nicht fördert?
Sofern ein wissenschaftliches Projekt aus fachlicher Sicht und im Hinblick auf die Zuverlässigkeit und die Fachkunde der dahinterstehenden Wissenschaftler geeignet ist, ist grundsätzlich eine Förderung durch das Bundesministerium möglich. Der Fall, daß ein Vorhaben eines einzelnen Wissenschaftlers, der weder einem Hochschulinstitut noch einem hochschulfreien Institut oder einem Zentrum angehört, gefördert wird, ist allerdings selten. Die Ursache dafür liegt vor allem darin, daß die Vorhaben der vom Bundesministerium unmittelbar geförderten Fachgebiete der Kernforschung und Weltraumforschung so umfangreich sind, daß ein einzelner Wissenschaftler ohne die technischen Hilfsmittel eines Instituts nicht in der Lage ist, sie erfolgversprechend durchzuführen.
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß in dem hier vorliegenden Fall inzwischen, ich glaube, 16 ordentliche Professoren sich für die Weiterführung der Forschungsarbeiten eingesetzt haben? Wie erklären Sie sich die Diskrepanz in der Darstellung, die offensichtlich von dem Leiter des Max-Planck-Instituts kommt?
Mir ist die Zahl 16 nicht bekannt, obwohl auch ich selbst wie wahrscheinlich Sie in dieser Sache von den Betroffenen verschiedentlich angeschrieben wurde. Ohne diese Zahl 16 zu kennen, möchte ich aber meiner Überzeugung Ausdruck geben, daß dann zumindest einer dieser Institutsleiter in der Lage sein müßte, im Rahmen seines normalen Etats die Voraussetzungen dafür zu schaffen.
Eine Zusatzfrage.
Sind Sie wegen der hohen Kosten, die die apparative Ausstattung erfordert hat, und wegen des Zusammenhangs der Arbeiten mit den künftigen Arbeiten beim Höchstflußreaktor in Grenoble bereit, die Atomkommission noch einmal gutachtlich für die ganze Arbeit heranzuziehen?
Ich glaube, daß sich der zuständige Arbeitskreis der Atomkommission zu der Sachfrage der Wahrnehmung dieses Forschungsgebiets und Forschungsvorhabens äußern kann. Ich glaube nicht, daß ein Arbeitskreis der Atomkommission zu den hier entstandenen persönlichen Differenzen eine Wertung angeben kann.
Darf ich aus Ihrer Antwort schließen, daß Sie bereit sind, den wissenschaftlichen Wert der Arbeiten von einem solchen unabhängigen Gutachtergremium auf Grund anderer Gegebenheiten, die Sie soeben genannt haben, noch einmal überprüfen zu lassen?
Die wissenschaftlichen Probleme dieses Forschungsgebiets — ja, aber nicht in einer Bewertung der hier von den betreffenden Wissenschaftlern persönlich geleisteten Arbeiten; das würde die Möglichkeiten, die wir haben, übersteigen.
Ich rufe die Frage VIII/5 des Herrn Abgeordneten Moersch auf:
Welche Möglichkeiten hat das Bundesministerium für wissenschaftliche Forschung, die Arbeiten eines Wissenschaftlers auf einem Grenzgebiet der Kernforschung zu fördern, der keinen kompetenten Institutsleiter in Deutschland findet?
Auch für Grenzgebiete der Kernforschung und anderer wissenschaftlicher Disziplinen läßt sich nach meiner Überzeugung bei dem jetzigen Stand der Kernforschung in der Bundesrepublik Deutschland stets ein kompetenter Institutsleiter finden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, aus welchen Quellen schöpfen Sie diese Überzeugung?
Aus vielen Gesprächen mit den verantwortlichen Wissenschaftlern auf diesem Gebiet und der ungefähren Kenntnis unserer Forschungskapazitäten, die wir in der Bundesrepublik aufgebaut haben. Ich darf mich insoweit auf meine Antwort auf die Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Hammans beziehen.
Herr Minister, sind Ihnen keine Fälle bekannt, daß sich ein solcher Wissenschaftler tatsächlich nicht habilitieren konnte, weil er keinen geeigneten Ordinarius dafür gefunden hat?
Diesen Fall wird es sicher geben. Aber auch ein nicht habilitierter Wissenschaftler hat in der Regel die Chance, bei wirklich bedeutenden und interessanten Forschungsvorhaben im
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4680 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 101. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. April 1967
Bundesminister Dr. StoltenbergRahmen eines der Zentren oder eines Hochschulinstituts zum Zuge zu kommen. Dieser Regelfall schließt seltene Ausnahmen, die sich aus besonderen persönlichen Konstellationen ergeben können, natürlich nicht aus. Eine solche Einschränkung muß ich bei dieser allgemeinen Aussage machen.
Herr Minister, — —
Ihre Zusatzfragen sind erschöpft.
Ich hatte bei der ersten Frage verzichtet, weil ich die Zusatzfragen im Zusammenhang stellen wollte.
Ja, dieser Kapitalismus geht hier im Hause nicht. Wir wollen es doch nicht übertreiben. Die erste Frage ist beantwortet worden. Dazu hätten Sie zwei Zusatzfragen stellen können. Das haben Sie nicht getan. Zur zweiten Frage haben Sie dafür drei gestellt, und die sind von mir auch noch honoriert worden. Ich hätte die dritte gar nicht zulassen dürfen.
— Eben, Sie können sich noch für meine Großzügigkeit bedanken, denn Sie hatten noch eine Zusatzfrage mehr, als Sie eigentlich .beanspruchen konnten.
Jetzt kommen die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesschatzministers, denn, Herr Kollege Moersch, die anderen müssen ja auch noch drankommen. Ich rufe die Frage IX/1 des Herrn Abgeordneten Dr. Emde auf:
Welche Maßnahmen sind für den Umbau des Bungalows des Bundeskanzlers im einzelnen vorgesehen?
Zur Beantwortung der Herr Bundesschatzminister!
Schmücker, Bundesschatzminister: Herr Präsident, darf ich beide Fragen zusammen beantworten?
Bitte sehr! Dann rufe ich noch die Frage IX/2 des Herrn, Abgeordneten Dr. Emde auf:
Wie hoch werden die durch den in Frage IX/1 erwähnten Umbau entstehenden gesamten Kosten veranschlagt?
Schmücker, Bundesschatzminister: Herr Kollege Dr. Emde, es wäre sicherlich besser gewesen, von vornherein die Amtswohnung des Herrn Bundeskanzlers so einzurichten, daß nicht nur eine Kleinstfamilie darin eine angemessene Unterkunft findet. Dies ist nicht möglich gewesen, weil die bereitgestellten Mittel seinerzeit für die anfängliche Planung nicht ausreichten. Jetzt mußte die Amtswohnung aus Anlaß des Einzugs des jetzigen Herrn Bundeskanzlers erneuert und instand gesetzt werden.
In Verbindung mit diesen Arbeiten wurde zur Verbesserung der Wohnverhältnisse der private Teil des Hauses dadurch vergrößert, daß eines der drei Gästezimmer in den Wohnteil einbezogen
wurde. Die Außenanlagen wurden ergänzt durch das Verlegen von Schrittwegplatten zur Hubschrauberlandefläche im Park und durch einzelne Pflanzungen innerhalb der Wohnhöfe. Die Kosten für die Überholungs-, Instandsetzungs- und Ergänzungsarbeiten wurden mit 46 000 DM veranschlagt. Mit Einsparungen in Höhe von etwa 6000 DM ist zu rechnen.
Darüber hinaus möchte ich, obwohl Sie, Herr Abgeordneter, nicht danach gefragt haben, noch darauf hinweisen, daß neben den notwendigen baulichen Maßnahmen auch die entsprechenden Ausstattungsgegenstände beschafft werden mußten. Bei der Einrichtung der Amtswohnung standen nämlich für die Ausstattung nur begrenzte Mittel zur Verfügung, so daß die Ergänzung der Ausstattung in Verbindung mit der Vergrößerung des privaten Wohnteils notwendig wurde. Für die Ergänzung der Ausstattung hat der Bundesminister der Finanzen 50 000 DM zur Verfügung gestellt. Der Herr Bundeskanzler wünscht jedoch eine mindestens 30%ige Einsparung. Zur Zeit sind für Einrichtungsgegenstände 31 000 DM ausgegeben. Ich darf jedoch bemerken, daß nach meinen Nachprüfungen die Ausgaben keinesfalls über 35 000 DM hinausgehen werden.
Zusatzfrage.
Herr Minister, da es sich hier um eine überplanmäßige Ausgabe handelt: Wäre es nicht sinnvoller gewesen, diesen Vorgang erst dem Haushaltsausschuß zuzuleiten, ehe die Maßnahmen begonnen wurden?
Schmücker, Bundesschatzminister: Herr Kollege, die Haushaltsüberschreitung, zu der die Maßnahmen führen, bedurfte nach Art. 112 des Grundgesetzes und § 33 Abs. 1 der Reichshaushaltsordnung der vorherigen Zustimmung des Bundesfinanzministers. Entsprechend diesen Vorschriften ist die Zustimmung des Bundesfinanzministers am 10. 2. 1967 erbeten und vom Bundesfinanzminister am 16. 2. 1967 erteilt worden. Wenn auch eine vorherige Unterrichtung des Haushaltsausschusses im Gesetz nicht vorgeschrieben ist, so stimme ich Ihnen doch darin zu: Es wäre durchaus zweckmäßig gewesen, so zu verfahren, und ich werde den Herrn Bundesfinanzminister bitten, das raschestens nachzuholen.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Minister, können Sie mir sagen, warum der Chef des Bundespresseamtes, als er von der Öffentlichkeit gefragt wurde, was der Umbau kosten sollte, ursprünglich keine Antwort gegeben hat und die Antwort erst erteilt wurde, nachdem meine schriftliche Frage eingebracht worden war?Schmücker, Bundesschatzminister: Nein, das kann ich Ihnen' nicht beantworten. Aber möglicher-
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 101. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. April 1967 4681
Bundesminister Schmückerweise hat er die Zahlen nicht zur Hand gehabt, und er brauchte einige Zeit, um sie zu bekommen, und das traf dann zufällig mit Ihren Terminen zusammen. Ich kann es aber nicht exakt sagen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Könen.
Herr Minister, in welchem Verhältnis stehen die Umbaukosten zu den ursprünglichen Gesamtbaukosten des Bungalows für den damaligen Bundeskanzler der CDU/CSU-FDP-
Regierung?
Schmücker, Bundesschatzminister: Es wird sich nicht einmal um 2 % handeln.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Minister, ist der Umbau vielleicht auch mit dadurch notwendig geworden, daß die seinerzeit sicherlich vorhandenen FDP-Sparvorschläge berücksichtigt worden sind?
Schmücker, Bundesschatzminister: Herr Abgeordneter, ich habe vorhin gesagt, ich hätte es für zweckmäßiger gehalten, eine solche Amtswohnung nicht auf den Familienstand des jeweiligen Bundeskanzlers auszurichten.
Man muß doch damit rechnen, daß ein Bundeskanzler auch einmal eine größere Familie hat, und
die kann man schlecht vor dem Hause stehen lassen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Mertes.
Herr Minister, sind Sie nicht auch der Meinung, daß man mit demselben Geld, das damals für den Bau des Bungalows aufgewandt wurde, durch eine andere Planung eine Lösung hätte finden können, die die familiengerechte Unterbringung auch eines anderen Bundeskanzlers ermöglicht hätte?
Schmücker, Bundesschatzminister: Herr Kollege, wenn es sich lediglich um die Wohnung gehandelt hätte, ja. Aber ein Bundeskanzler hat ja auch gewisse repräsentative Verpflichtungen, und dafür müssen wir auch die Gelegenheiten schaffen. Wenn sich Ihre Frage also nur auf die Wohnung bezogen hätte, würde ich sie bejahen; aber darum geht es ja nicht allein, Herr Kollege Mertes.
Herr Abgeordneter Dr. Emde, Sie bekommen keine Zusatzfrage mehr. Vier Zusatzfragen bei zwei Fragen! Ich verstehe, daß Sie noch eine Bemerkung machen möchten, ich kann das aber jetzt in der Fragestunde nicht zulassen. Vielleicht sagt einer Ihrer Freunde das, was Sie jetzt zu sagen beabsichtigten. Das lasse ich gern zu. — Herr Abgeordneter Schmidt zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, ist Ihnen aus den damaligen Beratungen über den Bau des bisherigen Amtssitzes des Bundeskanzlers bekannt, daß seitens der FDP die Frage gestellt wurde, ob man nicht eine etwas zweckmäßigere und auch für spätere Bundeskanzler mit größerer Familie brauchbare Behausung schaffen könne?
Schmücker, Bundesschatzminister: Herr Kollege, das ist mir nicht bekannt. Wenn ich damals geahnt hätte, daß mir heute diese Frage offiziell gestellt wird, hätte ich sicherlich besser aufgepaßt. Ich habe mich aber damals in diesen Streit — den ich für sehr wirkungsvoll halte — nicht eingemischt. Ich kann mich dessen also nicht entsinnen.
Wir kommen zur Frage IX/3 des Herrn Abgeordneten Weigl:
Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, über den verstärkten Einsatz von ERP-Mitteln Investitionsanreize in den von Arbeitslosigkeit heimgesuchten ostbayerischen Zonenrand- und Bundesausbaugebieten zu schaffen?
Schmücker, Bundesschatzminister: Für die Finanzierung von Investitionsvorhaben im Zonenrandgebiet und in den Bundesausbaugebieten sind im ERP-Wirtschaftsplan 1967, der zur Zeit von den Ausschüssen beraten wird, 134 Millionen DM vorgesehen. Zusätzlich wurden 35 Millionen DM aus dem Regionalen Förderungsprogramm des Bundeshaushalts auf das ERP-Sondervermögen übernommen, so daß das ERP-Sondervermögen 169 Millionen DM, d. h. 39 Millionen DM mehr als im Jahre 1966, für regionale Förderungsmaßnahmen im Zonenrandgebiet und in den Bundesausbaugebieten zur Verfügung stellt.
Da fast ganz Ostbayern entweder im Zonenrandgebiet liegt oder aber als Bundesausbaugebiet ausgewiesen ist, können nahezu sämtliche Unternehmen im ostbayerischen Wirtschaftsraum ERP-Mittel beantragen. Den besonderen Verhältnissen des ostbayerischen Zonenrandgebietes wird dadurch Rechnung getragen, daß die ERP-Kredite mit nur 5 % gegenüber 6 % im übrigen Bundesgebiet zu verzinsen sind. Den in diesem Gebiet ansässigen Unternehmen wird damit eine Zinspräferenz gegenüber den übrigen Bundesförderungsgebieten eingeräumt.
Darüber hinaus wird sichergestellt, daß ,die ERP-Mittel vorzugsweise in solche Gebiete fließen, in denen die Arbeitslosigkeit überdurchschnittlich hoch ist.
Keine Zusatzfrage.
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4682 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 101. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. April 1967
Präsident D. Dr. GerstenmaierWir kommen zur Frage IX/4 des Herrn Abgeordneten Dr. Müller :Entsprechen Pressemeldungen der Tatsache, daß das Volkswagenwerk dem in Brasilien festgenommenen ehemaligen Konzentrationslagerkommandanten Stangl einen Rechtsanwalt zur Verfügung gestellt hat?Schmücker, Bundesschatzminister: Herr Präsident, darf ich beide Fragen zusammenfassen? Ich werde sie aber einzeln beantworten.
Einverstanden. Ich rufe dann noch die Frage IX/5 des Herrn Abgeordneten Dr. Müller auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, in der in Frage IX/4 erwähnten Angelegenheit auf das Volkswagenwerk einzuwirken?
Schmücker, Bundesschatzminister: Die Pressemeldungen entsprechen nach von mir eingeholten Auskünften der Volkswagenwerk AG nicht den Tatsachen. Weder die Volkswagenwerk AG in Wolfsburg noch deren Tochtergesellschaft, die Volkswagen do Brasil S. A. in Sao Bernardo do Campo, Brasilien, hat für Stangl einen Rechtsanwalt bestellt oder bezahlt oder irgendwelche im Zusammenhang mit seiner Verhaftung und einem zu erwartenden Verfahren stehende Kosten übernommen. Es ist auch nicht beabsichtigt, dergleichen künftig zu veranlassen oder zu übernehmen.
Stangl war 1958 bei der Volkswagen do Brasil mit ordnungsgemäßen Papieren unter seinem richtigen Namen eingestellt worden. Er übte eine untergeordnete Tätigkeit aus. Seitens der brasilianischen Behörden lag nichts gegen ihn vor. Der Personalabteilung der Volkswagen do Brasil ist nichts über Stangls Vergangenheit bekannt gewesen.
Angesichts des in der Beantwortung der ersten Frage geschilderten Sachverhalts erübrigt sich meines Erachtens eine Einwirkung auf die Volkswagenwerk AG.
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, hat das Volkswagenwerk ein Dementi dieser Falschmeldung, wie Sie sagten, gebracht?
Schmücker, Bundesschatzminister: Das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich kann Ihnen nur sagen, daß ich meine Erkundigungen eingezogen habe und Ihnen diese mitteile. Ich weiß nicht, welche Verlautbarung das Volkswagenwerk sonst herausgegeben hat.
Eine weitere Zusatzfrage.
Würde die Bundesregierung eventuell auf das Volkswagenwerk einwirken, das zu dementieren, was in den Zeitungen gestanden hat?
Schmücker: Bundesschatzminister: Ja, das will ich wohl tun. Aber, Herr Kollege, ich habe das
Volkswagenwerk gefragt und gebe diese Mitteilung hier bekannt. Ich glaube, diese Mitteilung hat den gleichen Wert wie ein zusätzliches Dementi. Aber wenn Sie es für besonders wirkungsvoll halten, will ich diese Anregung gern weitergeben.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Meine Damen und Herren, der Herr Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit hat mich gebeten, seine Fragen morgen aufzurufen, da er heute nachmittag durch ausländischen Staatsbesuch dienstlich zwingend in Anspruch genommen ist und hier deshalb nicht erscheinen kann.
Ich werde dieser Bitte folgen und rufe deshalb nunmehr die Fragen aus 'dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts auf, und zwar zunächst die Frage XII/1 des Herrn Abgeordneten Kiep:
Erfolgten kürzlich veröffentlichte Äußerungen hoher Beamter des Auswärtigen Amtes zu Fragen des Atomsperrvertrages im Einverständnis mit der Bundesregierung?
Ist der Herr Abgeordnete Kiep im Saal? — Er ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet.
Dann rufe ich die Frage XII/2 des Herrn Abgeordneten Kahn-Ackermann auf:
Auf welche Weise gedenkt die Bundesregierung künftig eine kontinuierliche Belieferung der deutschen Kulturinstitute im Ausland mit Fachzeitschriften, Tageszeitungen und Büchern sicherzustellen?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amts.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Die im Rahmen der vorläufigen Haushaltsführung zur Verfügung stehenden Mittel für das Buchwesen sind nur für die Erfüllung rechtlicher Verpflichtungen ausreichend gewesen. Leider mußte darunter auch die Versorgung der Bibliotheken einer Reihe von deutschen Kulturinstituten leiden. Sobald der Haushalt des Kulturfonds verabschiedet worden ist, was, wie ich hoffe, in diesen Tagen geschieht, wird die Belieferung der deutschen Kulturinstitute im Ausland mit Büchern wiederaufgenommen werden. Was die dringend benötigten Zeitschriften betrifft, bei denen ein besonderer Notstand eingetreten war, so ist inzwischen für diese Institute eine neue Regelung getroffen worden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, beinhaltet diese neue Regelung, daß in Zukunft bei globalen Haushaltskürzungen ein so wichtiges Element in diesem Bereich nicht einfach stur wegen Mangels an Mitteln von der Versendung ausgenommen wird, sondern daß, wenn beim nächsten Mal Haushaltskürzungen in diesem Bereich notwendig werden, man sich darüber einigt, welche Prioritäten es gibt, und daß also die Versorgung der Institute mit Zeitschriften dann als letztes vor deren Schließung eingestellt wird?
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 101. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. April 1967 4683
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ihre Frage nimmt meine Antwort vorweg. Selbstverständlich werden wir den Versuch machen, auf diesem etwas schwierigen Gebiet der finanziellen Versorgung beweglicher zu werden. In diesem Punkte blieb uns im Augenblick zu unserem Bedauern kein anderer Ausweg. Wir haben aber versucht, die eingetretenen Mißstände im Rahmen unserer Mittel und Möglichkeiten sofort abzustellen. Wir werden versuchen, auf diesem Gebiet, soweit es möglich ist, noch beweglicher zu werden.
Herr Abgeordneter Hermsdorf, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, glauben Sie, daß alle Zeitschriften für diese Institute als besonders wertvoll bezeichnet werden können?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, da möchte ich nicht auf Einzelheiten eingehen. Sicher gibt es ein paar Zeitschriften, bei denen wir beide uns gar nicht darüber streiten würden daß sie aus dem Programm ausfallen könnten. Ich glaube, darüber sollte man sich lieber individuell mit den Herren unterhalten.
Ich rufe dann die Fragen XII/3 und XII/4 des Herrn Abgeordneten Leicht auf:
Welche Möglichkeit sieht das Auswärtige Amt — nach Presseberichten hat der Bundesaußenminister vor wenigen Wochen südpfälzischen Politikern gewisse Hoffnungen gemacht —, den Mundatwald dem deutschen Hoheitsgebiet zu erhalten und gleichzeitig die Rückgabe des für die Landwirtschaft existenznotwendigen sogenannten Sequesterlandes zu erreichen?
Sieht der Bundesaußenminister überhaupt noch eine Möglichkeit, das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Regelung verschiedener Grenzfragen — vom französischen Parlament bereits ratifiziert — zu ändern?
Die Fragen werden vom Herrn Abgeordneten Becker übernommen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die französischen Verpflichtungen zur Rückgabe des in Frankreich gelegenen grenznahen Grundbesitzes an die früheren deutschen Eigentümer und die deutsche Anerkennung des seit April 1949 bestehenden Grenzverlaufs an der pfälzischen Grenze sind Bestandteil ein und desselben Vertrages. Bei einer Ablehnung der Ratifizierung des 1962 unterzeichneten Abkommens besteht deshalb die Gefahr, daß die in ihm der Bundesrepublik Deutschland gewährten Vorteile hinfällig werden würden. Bei einer weiteren Verzögerung des Vertrages kann auch damit gerechnet werden, daß ein Teil des ehemaligen deutschen Grundbesitzes nicht mehr zurückgegeben werden kann.
Keine Zusatzfragen. Fragen XII/5 und XII/6 des Abgeordneten Müller :
Trifft die Pressemeldung zu, wonach einem Angehörigen einer Schwimmerauswahl des deutschen Schwimmverbandes, die eingeladen war, am 6. April 1967 in Leningrad zu starten, nur deshalb von der sowjetischen Behörde das Einreisevisum versagt wurde, weil dieser seinen Wohnsitz in West-Berlin hat?
Wie lange gedenkt die Bundesregierung stillschweigend hinzunehmen, daß ein Staat, mit dem wir diplomatische Beziehungen haben, einem Deutschen, der mit einer Auswahlmannschaft eines deutschen Sportverbandes oder auch mit einer sonstigen geschlossenen Gruppe auf Einladung an einer Veranstaltung in dem betreffenden Gastland teilnehmen will, nur deshalb kein Einreisevisum erteilt, weil er in West-Berlin wohnt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Pressemeldungen treffen in dieser Form nicht zu, Herr Abgeordneten. Richtig ist, daß einem Berliner Mitglied der Mannschaft des Deutschen Schwimmverbandes ein Einreisesichtvermerk in die Sowjetunion nicht erteilt wurde. Eine Begründung dieser Ablehnung wurde jedoch gemäß internationalem Brauch von der sowjetischen Botschaft nicht gegeben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist es richtig, daß die Einreise in die Sowjetunion für einen in West-Berlin wohnenden Deutschen nach dem Konsularvertrag von 1955 in West-Berlin beantragt werden muß?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das ist nicht die Auffassung. Die Einreise wird, wie Sie, wissen, von der sowjetischen Botschaft unterschiedlich gehandhabt.
Ich habe gefragt, ob es richtig ist, daß sie dort beantragt werden muß.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nach unserer Auffassung ist es richtig, daß ein Westberliner Bürger seinen Sichtvermerk auch gerade bei der Botschaft bei der Bundesrepublik Deutschland beantragen soll. Es ist aber richtig, daß in der Regel Sichtvermerke dort für Westberliner nicht erteilt werden.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, es handelt sich hier um eine ganz konkrete Frage: ob es richtig ist, daß nach dem Konsularvertrag von 1955 ein Deutscher, der in West-Berlin wohnt und einen behelfsmäßigen Personalausweis hat, den Antrag in West-Berlin stellen muß.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Reisebüros in West-Berlin sind in der Regel, Herr Abgeordneter, den Bürgern West-Berlins — Sie sind ein Bürger West-Berlins, ich bin ein Bürger West-Berlins — behilflich, bei den Instanzen der Sowjetregierung Sichtvermerke zu bekommen, und in der Regel geschieht das auch. Aber Sie wissen genauso wie die Mitglieder des Hohen Hauses um die Schwierigkeiten auf diesem Gebiet.
Weitere Zusatzfragen? — Keine weiteren Zusatzfragen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zur nächsten Frage: Die Bundesregierung hat es
Metadaten/Kopzeile:
4684 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 101. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. April 1967
Staatssekretär Schützgegenüber der Sowjetregierung und gegenüber der Weltöffentlichkeit in der Berlin-Frage weder an Deutlichkeit noch an Festigkeit in der Vergangenheit und in der Gegenwart fehlen lassen. Ich erinnere daran, daß die Bundesregierung auch das den Sportverkehr regelnde Kulturaustauschabkommen mit der Sowjetunion nicht erneuert und einen vertragslosen Zustand in Kauf genommen hat, weil keine Aussicht auf Einigung in der Berlin-Frage bestanden hat.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist es richtig, daß die Sportmannschaften aus den osteuropäischen Staaten, auch aus der Sowjetunion, bei Teilnahme an Sportveranstaltungen in der Bundesrepublik regelmäßig erst nach ihrer Landung auf dem Flughafen München oder Frankfurt ihr Einreisevisum telefonisch beim Bundesinnenministerium beantragen und es dann auf dem gleichen Wege, nämlich telefonisch, erteilt wird, und warum kann man nicht umgekehrt das gleiche Verfahren bei deutschen Mannschaften anwenden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich halte es nicht für ausgeschlossen, daß ich diese Frage mit Ja beantworten muß. Es ist sicher richtig, daß solche Fälle vorgekommen sind. Die Regel ist aber, daß die Sichtvermerke vorher beantragt werden und dann auch vorher erteilt werden. Aber ich will nicht ausschließen, daß es auch solche Fälle gibt, d. h. Fälle, in denen eilig gehandelt werden mußte.
Die Fragestunde ist beendet.
Ehe ich den nächsten Punkt der Tagesordnung aufrufe,
gedenke ich unseres am 7. April durch die Folgen eines Verkehrsunfalls mitten aus dem blühenden Leben gerissenen Kollegen Helmut Schlüter.
Helmut Schlüter wurde am 25. Juli 1925 in Fallingbostel geboren. -Er wurde Maschinenbauer und war von 1943 bis 1945 Soldat. Als er nach dreijähriger Kriegsgefangenschaft aus Frankreich zurückkehrte, arbeitete er in seinem Beruf in Bomlitz über Walsrode. 1951 legte er die Meisterprüfung ab. Von 1954 bis 1956 besuchte er die Akademie für Wirtschaft und Politik in Hamburg.
Nach dem Krieg schloß sich Helmut Schlüter der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands an. Er nahm insbesondere an der Gestaltung der Betriebsgemeinschaft und an der Kommunalpolitik teil. Von 1951 bis 1965 war er Betriebsratsvorsitzender. Innerhalb der SPD bekleidete er viele Jahre hindurch mehrere Ehrenämter. Seit 1952 war er Gemeinderats- und Kreistagsmitglied. Seit 1961 war er stellvertretender Landrat des Landkreises Fallingbostel. Der Industriegewerkschaft Chemie-Papier-Keramik gehörte er seit 1958 als Mitglied des Hauptvorstandes an.
Dem Deutschen Bundestag gehörte Helmut Schlüter seit September 1964 an. Er war Mitglied des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen sowie des Kuratoriums der Bundeszentrale für politische Bildung.
Ich spreche der Familie unseres früh abberufenen Kollegen Helmut Schlüter und der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands im Deutschen Bundestag die herzliche Teilnahme des ganzen Hauses aus.
Sie haben sich zu Ehren des Verstorbenen erhoben. Ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren, es ist ungewöhnlich, aber hin und wieder geschieht es doch, daß wir in diesem Hause auch Männer gedenken, die nicht mehr aktive Mitglieder des Hauses sind. Ich möchte deshalb in dieser Stunde noch ein Wort des Gedenkens sprechen — für unseren früheren Kollegen, den Bundesminister a. D. Fritz Schäffer.
Fritz Schäffer starb am 29. März. Dem Bundestag gehörte er von 1949 bis 1961 an. Seine Persönlichkeit, sein politisches und staatsmännisches Wirken sind öffentlich gewürdigt worden. Die besondere Achtung des Parlaments und der deutschen Öffentlichkeit hat sich Fritz Schäffer nicht dadurch gewonnen, daß er jederzeit für alle Wünsche zu haben war. Das haben wir in diesem Hause hinreichend erfahren. Aber er hat sich dennoch die besondere Achtung des Parlaments dadurch gewonnen, daß er zäh und beharrlich auf übergeordnete Notwendigkeiten des öffentlichen Wohls bedacht war und daß er dafür, auch wenn es unbequem war, nein zu sagen wußte. Das war kein dankbares Geschäft; aber daraus wurde, wie ich glaube, doch alles in allem eine bemerkenswerte, ja eine große staatspolitische Leistung. Wir könnten heute fragen: Wo sind die Zeiten eines Bundesfinanzministers Fritz Schäffer?
Fritz Schäffer hat seine Anschauungen und seine Politik im Bundestag klug, beharrlich und, wenn es sein mußte, mit Härte, aber alles in allem doch nicht ohne Glanz vertreten. Er gehört zu .dem Kreis der Parlamentarier, die in der Weimarer Zeit schon eine respektable parlamentarische Leistung vollbrachten, die als Widersacher des Nationalsozialismus jahrelang bitter zu leiden hatten und die darnach ohne alle Verbitterung ihre ganze Kraft für den Wiederaufbau eines freiheitlichen Rechtsstaates der Deutschen zur Verfügung stellten.
Wir gedenken Fritz Schäffers in dieser Stunde in Dankbarkeit. Der Herr Bundespräsident hat ihn durch ein Staatsbegräbnis geehrt. Der deutsche Bundestag aber bekundet in dieser Stunde: Fritz Schäffer hat sich um das Vaterland verdient gemacht.
Meine Damen und Herren, ich habe dann noch einige Glückwünsche zu bemerkenswerten Geburtstagen auszusprechen. Am 18. März vollendete Herr Abgeordneten Metzger sein 65. Lebensjahr,
am 29. März Herr Abgeordneter Dr. Effertz sein 60. Lebensjahr
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
und am 8. April Herr Abgeordneter Ahrens sein 65. Lebensjahr.
Ich spreche allen die Glückwünsche des Hauses aus.
Es liegt folgende Liste von Vorlagen vor, die keiner Beschlußfassung bedürfen, sondern gemäß § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung an die zuständigen Ausschüsse überwiesen werden sollen:
Vorlage des Präsidenten der Nordatlantischen Versammlung
Betr.: Entschließungen und Empfehlungen der zwölften Jahreskonferenz vom 14. bis 18. November 1966
- Drucksache V/1589 -
Entschließungen I und II, Empfehlungen I bis IV des Politischen Ausschusses
zuständig: Auswärtiger Ausschuß , Verteidigungsausschuß
Empfehlung des Militärausschusses
zuständig Verteidigungsausschuß
Empfehlungen I bis III des Wirtschaftsausschusses zuständig: Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen
Empfehlungen I bis IV des Ausschusses für Wissenschaft und Technik
zuständig: Ausschuß für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik
Empfehlungen I bis III des Ausschusses für Erziehungswesen, Kultur und Information
zuständig: Auswärtiger Ausschuß , Ausschuß für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik
Empfehlung des Sonderausschusses für die Entwicklung von NATO-Ländern
zuständig: Auswärtiger Ausschuß
Erhebt sich gegen die beabsichtigte Überweisung Widerspruch? - Das ist nicht der Fall; die Überweisung ist beschlossen.
Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 17. März bzw. am 7. April 1967 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht gestellt:
Gesetz zur Bekämpfung der Dasselfliege
Gesetz zu dem -Protokoll vom 4. April 1966 zur erneuten Verlängerung des Internationalen Weizen-Übereinkommens 1962
Viertes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Umstellung der Abgaben auf Mineralöl
Gesetz über eine Geflügelstatistik
Gesetz zu dem Vertrag vom 13. September 1965 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kongo über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen
Neunzehntes Gesetz zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes
Gesetz über die Aufnahme und Bereitstellung von Krediten zur Belebung der Investitionstätigkeit und zur Sicherung eines stetigen Wirtschaftswachstums im Rechnungsjahr 1967
Gesetz zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen, des Gesetzes über das Branntweinmonopol und des Zollgesetzes
Gesetz zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes 1964 Gesetz zur Änderung des Bundespolizeibeamtengesetzes
Gesetz über den Wechsel von Zuständigkeiten im Recht des Jugendschutzes und der Adoptionsvermittlung
Gesetz zu der Erklärung vom 5. März 1964 über den vorläufigen Beitritt Islands zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen und zum Protokoll vom 14. Dezember 1965 zur Verlängerung der Geltungsdauer der Erklärung vom 5. März 1964 über den vorläufigen Beitritt Islands zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen
Gesetz zu dem Zweiten und Dritten Protokoll vom 12. Dezember 1963 und vom 14. Dezember 1965 zur Verlängerung der Geltungsdauer der Erklärung vom 12. November 1959 über den vorläufigen Beitritt Tunesiens zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen
Gesetz zum Protokoll vom 8. Februar 1965 über die Ergänzung des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens durch Einfügung eines Teils IV über Handel und Entwicklung
Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie
Zu den nachfolgenden Gesetzen hat der Bundesrat ferner eine Entschließung gefaßt, die als Anlagen 2-4 diesem Protokoll beigefügt sind:
Neunzehntes Gesetz zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes
Gesetz über die Aufnahme und Bereitstellung von Krediten zur Belebung der Investitionstätigkeit und zur Sicherung eines stetigen Wirtschaftswachstums im Rechnungsjahr 1967
Gesetz zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen, des Gesetzes über das Branntweinmonopol und des Zollgesetzes
Der Bundesminister der Justiz hat am 14. März 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frau Klee, Bauer , Dr. Rutschke und Genossen betr. Ratifizierung europäischer Abkommen - Drucksache V/1485 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/1585 verteilt.
Der Bundesminister der Verteidigung hat am 20. März 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Marx , Rommerskirchen, Dr. Zimmermann, Dr. Schulze-Vorberg, Damm, Petersen, Stahlberg, Dr. Klepsch, Freiherr von und zu Guttenberg und Genossen betr. Sowjetische Waffenlieferungen - Drucksache V/1394 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/1587 verteilt.
Der Bundesminister der Justiz hat am 28. März 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Rollmann, Dr. h. c. Güde und Genossen betr. Strafvollzug - Drucksache V/1520 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/1594 verteilt.
Der Bundesminister für Verkehr, hat am 29. März 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Balkenhol, Wendt und Genossen betr. Rationalisierungsmaßnahmen der Deutschen Bundesbahn auf der oberen Ruhrtalstrecke - Drucksache V/1569 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/1596 verteilt.
Der Staatssekretär im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat am 29. März 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Bewerunge, Dr. Reinhard, Bauer , Bauknecht, Klinker und Genossen betr. Sturmschäden im Walde - Drucksache V/1527 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/1599 verteilt.
Der Bundesminister des Innern hat am 3. April 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Mick, Hirsch, Bartsch, Reichmann und Genossen betr. Vereinigung der Deutschen Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen deutschen Wehrmacht in Berlin und der Zentralnachweisstelle (Außenstelle Kornelimünster) des Bundesarchivs - Drucksache V/1570 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/1605 verteilt.
Der Bundesminister für wissenschaftliche Forschung hat am 3. April 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Moersch, Frau Funcke, Dr. Mühlau, Busse , Frau Dr. DiemerNicolaus und der Fraktion der FDP betr. Rechenkapazität im Bereich der deutschen Wissenschaft - Drucksache V/1584 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/1613 verteilt.
Der Bundesminister für Wohnungswesen und Städtebau hat am 5. April 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Baier, Dr. Hesberg, Biechele, Dr. Geißler, Kühn , Röhner und Genossen betr. öffentlich geförderte Eigentumsmaßnahmen im Wohnungsbau - Drucksache V/1521 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/1617 verteilt.
Der Bundesminister der Finanzen hat am 3. April 1967 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. Erstattung der Straßenbenutzungsgebühren im Berlinverkehr - Drucksache V/1586 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache V/1619 verteilt.
Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat am 11. April 1967 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. Situation der Altersversorgung der Selbständigen und der freien Berufe - Drucksache V/1592 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache V/1621 verteilt.
Der Präsident der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein - hat am 15. März 1967 gemäß §§ 6 und 9 des Gesetzes über das Branntweinmonopol den Geschäftsbericht der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein sowie die Bilanz nebst Gewinn- und Verlustrechnung der Verwertungsstelle für das Geschäftsjahr 1965/66 vorgelegt. Bericht und Bilanz werden als Drucksache V/1591 verteilt.
Der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen hat am 14. März 1967 gemäß § 17 Abs. 5 des Postverwaltungsgesetzes den Voranschlag der Deutschen Bundespost für das Redsnungsjahr 1967 übersandt, der im Archiv zur Einsichtnahme ausliegt.
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Der Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat am 4. April 1967 mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Berichterstattung über den
Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats über die Regelung für Milchpulver für Futterzwecke und zur Änderung verschiedener Bestimmungen der Verordnung Nr. 166/64/EWG betreffend Mischfuttermittel
- Drucksache V/430 -
abgesehen habe, da die Vorlage in der Zwischenzeit vom Ministerrat der EWG verabschiedet worden sei. Gegen die Verordnung werden keine Bedenken erhoben.
Der Präsident des Bundestages hat am 7. April 1967 gemäß § 96 a der Geschäftsordnung die von der Bundesregierung als dringlich bezeichnete
Sechsundneunzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 - - Drucksache V/1606 -
dem Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um fristgemäße Behandlung übersandt.
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 23. Februar 1962 die nachstehenden Vorlagen überwIesen:
Dreiundneunzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 - Drucksache V/1541 -
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 21. Juni 1967
Siebenundneunzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 - Drucksache V/1542 -
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 21. Juni 1967
Neunundneunzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 - Drucksache V/1602 -
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen - federführend - und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - mitberatend - mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 21. Juni 1967
Einhundertunddritte Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1966 - Drucksache V/1608 -
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 21. Juni 1967
Neunundzwanzigste Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste - Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz - Drucksache V/1611 -
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 21. Juni 1967.
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Verordnung des Rates zur Änderung der Liste der Waren, auf die die Verordnung Nr. 160/66/EWG des Rates vom 27. Oktober 1966 über die Einführung einer Handelsregelung für bestimmte landwirtschaftliche Verarbeitungserzeugnisse Anwendung findet
Verordnung des Rates zur Gleichstellung bestimmter landwirtschaftlicher Erzeugnisse, die zur Herstellung von unter die Verordnung Nr. 160/66/EWG des Rates vom 27. Oktober 1966 fallenden Waren verwendet werden, mit Grunderzeugnissen oder deren Verarbeitungserzeugnissen
Verordnung des Rates über die Zurückstellung der Anwendung der Verordnung Nr. 160/66/EWG des Rates vom 27. Oktober 1966 auf Waren der Tarifstellen 35.01 A und 35.01 C
Verordnung des Rates zur Festlegung der Zollspezifikationen für unter die Verordnung Nr. 160/66/EWG des Rates vom 27. Oktober 1966 fallende Erzeugnisse und zur Festsetzung der für diese Waren anwendbaren festen Teilbeträge sowie der Mengen von Grunderzeugnissen, bei denen davon ausgegangen wird, daß sie bei ihrer Herstellung verwendet worden sind
Verordnung des Rates zur vorübergehenden Abweichung bei bestimmten Waren von den Bestimmungen der Verordnung Nr. 160/66/EWG des Rates in bezug auf das Verfahren zur Berechnung der mit dieser Verordnung eingeführten beweglichen Teilbeträge - Drucksache V/1559 -
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - federführend - und an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen - mitberatend - mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dein Plenum am 21. April 1967
Verordnung des Rates betreffend die Sonderabteilung des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft sowie den
Entwurf einer Entschließung des Rates betreffend die Zeitpunkte der Einsetzung der am 15. Dezember 1964 beschlossenen gemeinschaftlichen Ausgleichszahlungen in die Haushaltspläne der EWG - Drucksache V/1604 -
überwiesen an den Haushaltsausschuß - federführend - und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - mitberatend - mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 12. Mai 1967
Verordnung des Rates über Vermarktungsnormen für Eier - Drucksache V/1614 -
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 28. April 1967
Verordnung des Rates über die Regeln der Ableitung der Interventionspreise und die Festsetzung bestimmter Handelsplätze für Getreide - Drucksache V/1615 -
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - federführend - und an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen - mitberatend - mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 28. April 1967
Richtlinie des Rates über die Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs für selbständige Tätigkeiten des Aufsuchens bei der Erdöl- und Erdgasgewinnung (CITI-Hauptgruppe 13) - Drucksache V/1616 -
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 28. Juni 1967
Verordnung Nr. 53/67/EWG des Rates vom 21. März 1967 zur Verlängerung der Verordnung Nr. 111/66/EWG zur Ermächtigung der Französischen Republik, des Königreichs Belgien und der Bundesrepublik Deutschland, besondere Interventionsmaßnahmen bei Rindfleisch zu ergreifen
Verordnung Nr. 57/67/EWG des Rates vom 21. März 1967 zur Verlängerung der in den Verordnungen Nr. 113/66/EWG und Nr. 266/66/EWG vorgesehenen Sonderregelung für die Berechnung des Abschöpfungsbetrags für bestimmte Milchpulversorten, Schmelzkäse und Schmelzkäsezubereitungen und Milch zur Ernährung von Säuglingen sowie zur Änderung von Artikel 1 der Verordnung Nr. 113/66/EWG
Verordnung Nr. 62/67/EWG des Rates vom 21. März 1967 zur nochmaligen Verlängerung der Geltungsdauer der Verordnung Nr. 110/66/EWG zur Ermächtigung der Italienischen Republik, ihre Zollsätze und Abschöpfungen auf Einfuhren aus dritten Ländern von Rindern, lebend, Hausrindern, anderen, mit einem Stückgewicht von höchstens 300 kg, der Tarifnummer ex 01.02 A II, vollständig auszusetzen
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - federführend - und an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen - mitberatend - mit der Bitte um Berichterstattung innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen die Verordnung erhoben werden.
Wir kommen nun zur Tagesordnung. Ich gebe das Wort zu einer
Regierungserklärung
dem Herrn Bundeskanzler.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966 hat die Bundesregierung folgende Leitsätze ihrer Deutschlandpolitik verkündet:Wir wollen, soviel an uns liegt, verhindern, daß die beiden Teile unseres Volkes sich während der Trennung auseinanderleben. Wir wollen entkrampfen und nicht verhärten, Gräben überwinden und nicht vertiefen. Deshalb wollen wir die menschlichen, wirtschaftlichen und geistigen Beziehungen mit unseren Landsleuten im anderen Teil Deutschlands mit allen Kräften fördern.Der VII. Parteitag der SED ist ein Anlaß, auf diese Leitsätze erneut hinzuweisen. Denn mit Sorge müssen wir feststellen, daß sie bei den Verantwortlichen im anderen Teil Deutschlands noch kein Echo gefunden haben, ja, daß die Absichten der Bundesregierung gröblich entstellt werden. Die Führung
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 101. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. April 1967 4687
Bundeskanzler Dr. h. c. Kiesingerder SED behauptet, die Bundesregierung hindere Entspannung und Verständigung in Europa.Diese Behauptung ist falsch. Die Bundesregierung will Entspannung. Das Ziel ihrer Entspannungspolitik ist eine europäische Friedensordnung, die von allen Beteiligten als gerecht und dauerhaft empfunden werden kann. In ihrem Rahmen werden alle europäischen Staaten zum Wohle ihrer Völker zusammenarbeiten können. In dieser Friedensordnung soll auf jede Anwendung von Gewalt verzichtet, Gefahr und Last der Rüstungen abgebaut und Recht und Würde aller Menschen geachtet werden.Die Bundesregierung will Entspannung auch zwischen beiden Teilen Deutschlands. Eine innerdeutsche Entspannung ist Bestandteil und Funktion der europäischen Entspannung. Beides ist unlösbar miteinander verbunden. Wäre denn eine europäische Entspannung denkbar ohne eine Aufhebung der Spannungen innerhalb Deutschlands? Wäre eine innerdeutsche Entspannung denkbar ohne eine Verbesserung der Beziehungen innerhalb Europas?Es ist die Aufgabe aller in Deutschland lebenden und politisch handelnden Menschen zu prüfen: was kann — ungeachtet der zwischen beiden Teilen Deutschlands bestehenden prinzipiellen Gegensätze — praktisch getan werden, um die Not der Spaltung unseres Volkes zu erleichtern und dadurch die Voraussetzungen für eine Entspannung innerhalb Deutschlands zu schaffen?Dafür gibt es viele Möglichkeiten, zum Beispiel:I. Maßnahmen zur Erleichterung des täglichen Lebens für die Menschen in den beiden Teilen Deutschlands, wiea) verbesserte Reisemöglichkeiten vor allem für Verwandte, mit dem Ziel der Entwicklung eines normalen Reiseverkehrs,b) Passierscheinregelungen in Berlin und zwischen den Nachbargebieten beider Teile Deutschlands,c) Erleichterung des Zahlungsverkehrs durch innerdeutsche Verrechnung und beiderseitige Bereitstellung von Reisezahlungsmitteln,d) Erleichterung des Empfangs von Medikamenten und Geschenksendungen,e) Ermöglichung der Familienzusammenführung, insbesondere der Kinderrückführung,II. Maßnahmen zur verstärkten wirtschaftlichen und verkehrspolitischen Zusammenarbeit, wiea) Ausweitung und Erleichterung des innerdeutschen Handels, dazu auch öffentliche Bürgschaften und Einräumung von Kreditlinien,b) Austausch zwischen den beiderseitigen Energiemärkten, Herstellung einer rationellen Elektrizitätsverbundwirtschaft,c) gemeinsamer Ausbau oder Herstellung neuer Verkehrsverbindungen, insbesondere Brücken, Autostraßen, Wasserstraßen, Eisenbahn,d) verbesserte Post- und Telefonverbindungen, insbesondere Wiederherstellung des Telefonverkehrs in ganz Berlin,e) Erörterung wirtschaftlicher und technischer Zweckgemeinschaften,III. Rahmenvereinbarungen für den wissenschaftlichen, technischen und kulturellen Austausch, wiea) entbürokratisierter Verkehr zwischen Hochschulen, Forschungsinstituten und wissenschaftlichen Gesellschaften,b) zeitgemäße Formen der wissenschaftlichen und technischen Zusammenarbeit,c) schrittweise Freigabe des ungehinderten Bezugs von Büchern, Zeitschriften und Zeitungen,d) Besuche von Jugendgruppen und Schulklassen,e) freier innerdeutscher Sportverkehr,f) freier Austausch und Verkehr kultureller Vereine und Institutionen.Die Bundesregierung ist bereit, auch andere Vorschläge zu prüfen. Ihr kommt es darauf an, alles zu tun, um die Spaltung Europas und Deutschlands im Wege der Verständigung zu beenden.
Meine Damen und Herren, ich frage, ob zu der Erklärung der Bundesregierung das Wort gewünscht wird. — Herr Abgeordneter Dr. Barzel unterstützt von mehr als 30 Abgeordneten des Hauses —, bitte sehr!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für unsere Bundestagsfraktion habe ich folgende Erklärung zu der Regierungserklärung abzugeben.1. Die Bundestagsfraktion der CDU/CSU begrüßt die Erklärung der Bundesregierung und stimmt ihr zu. Diese Erklärung ist ein weiterer Beweis für den Willen zur Verständigung und zum Frieden, der das Leitmotiv unserer Politik ist. Zum Frieden gehört, daß Menschen menschenwürdig leben dürfen. Die praktischen Punkte, welche die Erklärung der Bundesregierung angesprochen hat, ließen sich verwirklichen ohne grundlegende politische Veränderungen. Sie setzen nur guten Willen und Bereitschaft zur Humanität voraus. Dieses humanitäre Minimalprogramm zu akzeptieren, stünde den Verantwortlichen in Ostberlin gut an.2. In Moskau wird in diesem Jahr das 50. Jubiläum der Oktoberrevolution als großes Ereignis gefeiert werden. Die kommunistischen Erfolgsbilanzen stehen für alle Europäer im Schatten der Berliner Mauer. Vor dieser Wirklichkeit verblassen die Propagandathesen. Die Erklärung der Bundesregierung eröffnet allen Kommunisten einen Weg, durch praktisches Handeln einen Beitrag zur Humanität zu leisten.3. In der Debatte über die Regierungserklärung Bundeskanzler Kiesingers am 15. Dezember 1966 stellte die Fraktion in der Rede ihres Vorsitzenden einen Sachkatalog menschlicher Erleichterungen auf und betonte: Jede menschliche Erleichterung hat
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4688 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 101. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. April 1967
Dr. Barzeleinen Wert in sich, jeder Fortschritt insoweit ist ein Schritt zum Frieden.Wir wollen Entspannung zunächst für die Menschen. Warum sollen diese unter der Spannung in der Welt leiden? Warum sollen Kinder nicht bei ihren Eltern sein, warum Kranke nicht alle erforderlichen Medikamente empfangen dürfen? Warum sollen Familien nicht einander begegnen? Warum sollen Sportler nicht miteinander auch im ganzen Deutschland Sport treiben können?Was immer sonst zu sagen ist, die Menschen im ganzen Deutschland sollen wissen: wir tun alles, was in unseren Kräften steht, um das Los aller auch im alltagswirksamen Bereich menschlicher werden zu lassen. Dem dient der Schritt der Bundesregierung, allein dem dient dieser Schritt. Wir stimmen zu und danken dafür.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schmidt .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Sozialdemokraten begrüßen die Erklärung der Bundesregierung. Wir erkennen darin mit Befriedigung einen folgerichtigen Fortschritt in der Präzisierung der Deutschlandpolitik, von der wir gemeinsam im Dezember letzten Jahres ausgegangen sind.
Die heutige Erklärung läßt für keinen objektiven Beobachter der deutschen Politik irgendeinen Zweifel offen: Es ist unser gemeinsamer Wille, erstens die Politik der Entspannung unbeirrt und konsequent fortzusetzen und zweitens dabei die deutsche Frage und die innerdeutschen Beziehungen von unserer Entspannungspolitik nicht auszuschließen, sondern sie bewußt einzuschließen.
Es mag durchaus sein, daß im anderen Teil unseres gemeinsamen Vaterlandes die eigentlichen Adressaten dieser Erklärung die Möglichkeiten, die sie eröffnen soll, nicht zu erkennen wünschen oder sie sogar zu bestreiten wünschen. Wir haben dergleichen Reaktionen in den letzten Monaten vielfältig erlebt.
Wir glauben aber nicht, daß es in Ostberlin auf die Dauer bei dieser Haltung bleiben kann. Wir jedenfalls sind besten Willens, unser Angebot zu Entspannung und Normalisierung auch auf deutschem Boden immer wieder neu zu konkretisieren. Wir sind überzeugt: jemand, der weiß, daß er sich nicht auf die Dauer selbst isolieren darf, der kann auf die Dauer auch unserem Angebot nicht ausweichen. Aus dieser Beurteilung der Situation heraus werden wir in unserer Entspannungspolitik beharrlich bleiben.
Wir wissen uns dabei mit der Bundesregierung einig, von zwei grundlegenden Voraussetzungen auszugehen. Zum einen: Die Sicherheit in Europa insgesamt und die Kontinuität friedlicher Entwicklung dieses Kontinents erheischen, daß das Gleichgewicht in Europa erhalten und nicht etwa einseitig gefährdet werde. Zum anderen: Im Verhältnis der beiden deutschen Teile zueinander darf man sich nicht gegenseitig zur Anerkennung unvereinbarer Rechtspositionen zwingen wollen, wenn der Status quo überwunden werden soll.
Die heutige Erklärung der Bundesregierung ist nach Anlaß, nach Inhalt und nach Sprache etwas neues in der deutschen Politik. Wir Sozialdemokraten sind froh, zu diesem Fortschritt beigetragen zu haben. Für uns steht die Einheit von Nation und Vaterland in unserer Rangordnung sittlich-politischer Werte an einer hervorragenden Stelle. Sie wird nur durch den Rang von Freiheit und Menschenrechten überragt. In diesem Bewußtsein erklären wir, Herr Bundeskanzler, unsere Zustimmung und unser Einverständnis mit der von Ihnen für die Bundesregierung abgegebenen Erklärung.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete von Kühlmann-Stumm.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Ich habe die Ehre, namens der Bundestagsfraktion der Freien Demokratischen Partei folgendes hier auszuführen.Die Bundesregierung hat es für richtig gehalten, aus Anlaß des VII. Parteitages der SED vor dem Deutschen Bundestag eine Erklärung abzugeben.Die Bundesregierung kann bei ihrem Bemühen, in Deutschland zu entkrampfen und Gräben zu überwinden, auf die volle Unterstützung der Bundestagsfraktion der Freien Demokratischen Partei rechnen. Die Bundestagsfraktion der Freien Demokratischen Partei unterstützt ferner die Bemühungen der Bundesregierung um Entspannung in Europa, um die Ausschaltung von Gewalt, um den Abbau von Gefahr und Last von Rüstungen und um die Achtung des Rechts und der Würde aller Menschen. Der von dem Herrn Bundeskanzler vorgetragene Katalog ist eine Auswahl aus möglichen Bemühungen zur Erleichterung des Zusammenlebens der Deutschen in den getrennten Teilen unseres Vaterlandes.Es ist Aufgabe der politischen Parteien, in freimütiger und offener Diskussion Möglichkeiten und Wege. unserer Politik ständig zu überprüfen. Dabei muß unverändert das Ziel bleiben, die Menschen in den getrennten Teilen unseres Vaterlandes mit friedlichen Mitteln in Freiheit wieder zusammenzuführen. Die Diskussion über den Weg dorthin muß in Achtung vor ,der Überzeugung und dem Argument aller Parteien, aller Beteiligten, frei von Diffamierungen geführt werden können.
Wir als parlamentarische Opposition wünschen ein Höchstmaß an Gemeinsamkeit der im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien in dieser grundlegenden Frage unserer Politik.Ich wiederhole deshalb vor diesem Hohen Hause unsere Aufforderung an den Herrn Bundeskanzler, die Deutschlandgespräche unter seinem Vorsitz wiederaufzunehmen. In diesen Gesprächen muß versucht werden, Übereinstimmung über die Möglich-
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Freiherr von Kühlmann-Stummkeiten und Wege zur Herbeiführung eines zeitweiligen, geregelten Nebeneinanders der getrennten Teile unseres Vaterlandes zu erzielen. Wir werden bei diesen gesamtdeutschen Gesprächen konkrete Vorschläge entsprechend den Beschlüssen unseres Parteitages in Hannover vorlegen.Verhandlungen mit dem Ziel der Entkrampfung zwischen Bonn und Ostberlin sollten ohne jede personelle oder sachliche Bedingung von beiden Seiten geführt werden. Konzessionen seitens der Bundesrepublik sind dabei nur sinnvoll, wenn ihnen gleichwertige Konzessionen der anderen Seite entsprechen. Einseitige Vorleistungen sind politisch schädlich
und widersprechen den Interessen aller Deutschen.
Das geregelte Nebeneinander wird das Solidaritätsgefühl der Deutschen mehr stärken als das gegenwärtige ungeregelte Gegeneinander.Wir Deutschen sind es der Würde unserer Nation wie dem Weltfrieden, dessen Aufrechterhaltung unsere Lebensinteressen gebieterisch verlangen, schuldig, uns untereinander zu verständigen und zu diesem Zweck in einer, wie schon von der früheren Bundesregierung vorgeschlagen, paritätisch besetzten gesamtdeutschen Kommission über alle Deutschland betreffenden Probleme zu beraten und eine Lösung anzustreben.Wir appellieren dabei aber auch an d i e Mächte, die im Jahre 1945 Verantwortung für Deutschland übernommen haben, der sie sich nicht einseitig entziehen können.Wir wiederholen unsere Überzeugung: Es gibt in Europa keine dauerhafte Friedensordnung ohne die Überwindung der Spaltung unseres Vaterlandes.
Keine weiteren Wortmeldungen zu der Regierungserklärung? — Die Aussprache ist geschlossen.
Ich rufe den Punkt 2 unserer Tagesordnung auf:
Zweite Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP eingebrachten Entwurfs eines Umsatzsteuergesetzes
— Drucksache V/48 —
a) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache V/1582 — Berichterstatter: Abgeordneter Windelen
b) Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses
— Drucksachen V/1581, zu V/1581 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Dr. h. c. Toussaint
— Einen Augenblick, meine Damen und Herren. — Was möchten Sie, Herr Abgeordneter Rasner?
— Erst will ich mal fragen, ob die Herren Berichterstatter dem Haus etwas zu sagen haben.
— Wie lange wird es dauern, bis diese Umdrucke vorliegen?
— Dann rettet's auch nichts, wenn ich Punkte aufrufe, die keine Diskussion einschließen.
Ich unterbreche daher die Sitzung bis 16.45 Uhr.
Wir setzen die unterbrochene Sitzung fort. Der Punkt 2 der Tagesordnung — Zweite Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP eingebrachten Entwurfs eines Umsatzsteuergesetzes — ist schon aufgerufen worden.
Herr Abgeordneter Windelen hat das Wort zur Berichterstattung. — Herr Abgeordneter Windelen ist nicht im Saal. Ich nehme an, daß er auf die Berichterstattung verzichtet. — Das Haus ist damit einverstanden.
Dann hat der Berichterstatter für den Finanzausschuß, Herr Abgeordneter Dr. Toussaint, das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Schriftliche Bericht des Finanzausschusses, aus dem Sie Grundzüge und Einzelheiten des neuen Umsatzsteuersystems ersehen können, liegt Ihnen vor. In Anbetracht der Bedeutung dieses Reformwerks möchte ich jedoch noch einige Bemerkungen machen.Der Deutsche Bundestag hat nicht oft Gelegenheit und die Aufgabe, ein Gesetzeswerk zu verabschieden, das von ähnlicher fiskalischer und wirtschaftlicher Tragweite ist wie die heute zur Diskussion stehende Umsatzsteuer. Es genügt, wenn ich daran erinnere, daß die Umsatzsteuer die Haupteinnahmequelle des Bundes ist und daß sie im Jahre 1968, wenn das neue Gesetz in Kraft treten soll, 30 Milliarden DM erbringen muß. Jeder wird verstehen, welche Verantwortung der Gesetzgeber zu tragen hat, wenn er es unternimmt, eine Steuer zu reformieren, durch die ein Finanzvolumen von 30 Milliarden DM in Bewegung gebracht wird. Jeder Irrtum, jedes Versagen des Gesetzgebers kann bei solchen Größenordnungen beachtliche Auswirkungen haben.Das Gefühl für die Verantwortung, die hier beim Gesetzgeber liegt, hat den Finanzausschuß wesentlich bei seiner Arbeitsweise bestimmt. Der Ausschuß hat in der 4. Wahlperiode in einer längeren Studien-
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Dr. Dr. h. c. Toussaintreise die Erfahrungen, die Frankreich mit dem Mehrwertsteuersystem gemacht hat, studiert. In der 5. Wahlperiode hat er dann nach Abschluß seiner ersten Lesung Wirtschaft, Gewerkschaften und Verbraucher zu den Problemen der Mehrwertsteuer gehört. Er hat, wie Sie erinnern werden, in sieben öffentlichen Informationssitzungen im Juni 1966 92 Wirtschaftsverbände, darunter 26 sogenannte Spitzenverbände, zu den Grundproblemen und zu den Spezialfragen einzelner Wirtschaftszweige gehört. Er hat nicht etwa unverbindliche allgemeine Vorträge entgegengenommen, sondern die Verbände zu dem jeweiligen Thema ins Kreuzverhör genommen, so daß die Stellungnahmen der einzelnen Verbände, abweichende Auffassungen und sich anbahnende Kompromißlösungen klar herausgearbeitet werden konnten. Die Protokolle dieser sogenannten Hearings sind gedruckt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden, da der Ausschuß der Auffassung war, daß jede Gelegenheit und Möglichkeit ergriffen werden sollte, die . Öffentlichkeit über die Probleme der Mehrwertsteuer zu unterrichten und die Stellungnahme der Betroffenen aufzuklären. Diese öffentlichen Informationssitzungen waren — das kann man heute mit Recht feststellen — ein voller Erfolg. Die Mitglieder des Bundestages haben durch teilweise insistierende Fragen die ihnen notwendig erscheinenden Auskünfte von den Verbänden erhalten. Die Verbände ihrerseits zeigten sich diesem Experiment gegenüber sehr aufgeschlossen. Alle waren zu loyaler Mitarbeit bereit, und es war sicher eine wesentliche Erfahrung für die Verbandsvertreter, die Darlegungen ihrer Kollegen von anderen Verbänden mitzuerleben und so die eigene Position an den Problemen der anderen zu messen, ja oft relativieren zu müssen. Ich möchte meine Berner-kungen über den Erfolg, den die Hearings des Finanzausschusses auch unter dem Gesichtspunkt des Ansehens des Parlaments in der Öffentlichkeit gezeitigt haben, mit einem Wort des Dankes an den Vorsitzenden des Finanzausschusses, den Kollegen Dr. Schmidt , schließen.
Ohne seine souveräne Verhandlungsführung hätte dieses risikoreiche Unterfangen zweifellos nicht so erfolgreich durchgeführt werden können.Meine Damen und Herren, der Finanzausschuß hat sich bemüht, die Erkenntnisse, die bei dem Anhören der Wirtschaft, Gewerkschaften und Verbraucher gewonnen wurden, zu verwerten, um die Übergangsschwierigkeiten und die mit jeder großen Reform nun einmal zwangsweise verbundenen, nicht voraussehbaren Probleme, Unvollkommenheiten und „Pannen" so gering wie möglich zu halten. Ich glaube sagen zu können, daß der Ausschuß alle verfügbaren Informationsquellen ausgeschöpft hat und daß das Reformwerk, das heute zur Beratung und Abstimmung vorliegt, insofern das Ergebnis einer sehr intensiven Informations- und Beratungsarbeit ist. Selbstverständlich, meine Damen und Herren, konnte der Ausschuß nicht allen Wünschen Rechnung tragen, und selbstverständlich war es nicht möglich, alle derzeitigen Besitzstände zu wahren; denn es mußte die Aufgabe einer wirklichen Reform sein,das neue System unvoreingenommen zu durchdenken und den praktischen Bedürfnissen entsprechend zu gestalten. Wir sind uns im Finanzausschuß darüber im klaren, daß für viele — ich denke dabei insbesondere an kleinere und mittlere Unternehmer — die Umstellung auf das neue System Schwierigkeiten mit sich bringen wird. Es wird einer sehr intensiven Aufklärungsarbeit bedürfen, um die Umstellung zu erleichtern und zunächst einmal die Betroffenen mit dem neuen System vertraut zu machen. Wir möchten deshalb an die Organisationen der Wirtschaft und an die Finanzverwaltung appellieren, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um die nächsten Monate für diese Aufklärungsarbeit zu nutzen, damit auch von der Praxis her die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, daß sich der Übergang zu dem neuen System möglichst reibungslos vollzieht.Im übrigen verweise ich auf meinen Schriftlichen Bericht.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. — Das Wort hat Herr Bundesfinanzminister Dr. Strauß.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir, bei Eintritt in die zweite Lesung dieses großen Gesetzentwurfs einige Worte zu sagen.Ihnen liegt zur Beratung und Entscheidung der Entwurf eines Gesetzes von großer wirtschafts-, finanz- und steuerpolitischer Bedeutung vor. Die mit diesem Gesetzentwurf verbundenen Überlegungen und die durchgeführten Beratungen haben einmal mehr bewiesen, daß es eine wirtschaftsneutrale Finanzpolitik heute noch weniger geben kann als je.Die Reform der Umsatzsteuer, die mit dieser Gesetzesvorlage eingeleitet werden soll, ist notwendig. Ich betone das, weil im Laufe der letzten Wochen und Tage wieder in verstärktem Maße der Ruf zu hören war, man solle die Beratungen aufschieben oder jedenfalls das Inkrafttreten dieses Gesetzes für einen späteren Zeitpunkt vorsehen. Die Behauptung, 'die von einem Verband erhoben worden ist, daß dieser Gesetzentwurf übereilt beraten, sozusagen durchgepeitscht und überstürzt behandelt worden sei, entspricht in keiner Weise den Tatsachen. Schon im letzten Bundestag haben wir uns mit der Frage der Einführung einer Mehrwertsteuer und Ablösung der kumulativen Allphasenumsatzsteuer über eine geraume Zeit hinweg befaßt. Ich möchte fast geneigt sein, zu sagen: Jeder Zeitpunkt, der genannt wird, wird, da eine neue Steuer immer gewisse Befürchtungen auslöst oder ein neues Steuersystem ungute Gefühle weckt, immer wieder als verfrüht bezeichnet werden. Das geltende Umsatzsteuerrecht entspricht nicht mehr den wirtschaftlichen und politischen Erfordernissen unserer Zeit. Es wird den Notwendigkeiten von heute und den Aufgaben von morgen nicht mehr gerecht.Ich brauche Ihnen die Mängel des bisherigen Rechts, die ihm fehlende Neutralität der Besteue-
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Bundesminister Dr. h. c. Straußrung im Innern — ebenso bei der Einfuhr und der Ausfuhr — nicht vor Augen zu halten; sie sind bekannt. Ich bin der Überzeugung, daß in diesem Hohen Hause über die Notwendigkeit der Umsatzsteuerreform keine unterschiedlichen Auffassungen bestehen. Unsere Wirtschaft braucht und unsere Politik verlangt eine neue Umsatzsteuer, deren wesentliches Merkmal die Neutralität im wirtschaftlichen Wettbewerb ist und die im übrigen auch ein wesentliches Stück Harmonisierung des Steuerrechts innerhalb des Gemeinsamen Marktes darstellt. Wir brauchen eine Steuer, die allen Waren und Leistungen ohne Rücksicht darauf, aus wessen Hand sie kommen und wo sie gebraucht werden, grundsätzlich die gleichen umsatzsteuerlichen Wettbewerbsbedingungen ermöglicht. Diese neue Steuer darf der Arbeitsteilung nicht feindlich sein und darf die wirtschaftliche Konzentration steuerlich weder fördern noch behindern.Diese Neutralität der Umsatzsteuer beseitigt auch Ungereimtheiten des gegenwärtigen Systems und ist für die Existenz- und Wettbewerbsfähigkeit unserer kleinen und mittleren Zulieferindustrie von beträchtlicher Bedeutung. Die neue Steuer darf auf dem heimischen Markt keinen Unterschied zwischen Eigenerzeugnissen und Einfuhren machen, und sie muß den Schutz ihrer Neutralität im Wettbewerb den Waren unseres Landes auch bei der Ausfuhr auf fremde Märkte gewähren. Damit wird ein wesentliches Gravamen beseitigt sein.Eine solche Steuer brauchen wir schließlich aberauch als unseren Beitrag zu einer europäischen Gemeinschaftssteuer, die unsere Vorstellungen von einem gemeinsamen Markt in des Wortes echter Bedeutung verwirklichen hilft. Die Steuerharmonisierung, darunter besonders die der Umsatzsteuer, ist ein entscheidendes Element für die Schaffung eines wirklich gemeinsamen Marktes. In diesem Geiste haben wir mit allen Partnerländern nach jahrelangen Verhandlungen in Brüssel im Februar dieses Jahres die Erste und Zweite Richtlinie zur Harmonisierung der Umsatzsteuer und damit die Einführung einer gemeinsamen Mehrwertsteuer spätestens zum 1. Januar 1970 beschlossen. Dieses Hohe Haus ist sich stets der hohen politischen und wirtschaftlichen Bedeutung der Umsatzsteuerharmonisierung im Interesse auch des Gemeinsamen Marktes bewußt gewesen und hat das mehrfach in Entschließungen zum Ausdruck gebracht. Es hat aber auch stets darauf hingewiesen, daß das Endziel .der Umsatzsteuerharmonisierung die Abschaffung der Steuergrenzen sein sollte. Die Verabschiedung des vorliegenden Gesetzentwurfes ist ein weiterer Schritt auf diesem Wege zur Beseitigung der Steuergrenzen auf einem wesentlichen Gebiet. Die Aufhebung dieser Grenzen ist aber nur möglich, wenn die nationalen Mehrwertsteuersysteme der Mitgliedstaaten einander weitgehend angeglichen sind.Ich bitte Sie, mit der Gestaltung unserer eigenen Mehrwertsteuer 'zu diesem Ziel beizutragen, ein Gesetz zu beschließen, dessen klare, einfache und nicht von vielen Sondervorschriften durchlöcherte Form den anderen Mitgliedstaaten, die eine Mehrwertsteuer erst einführen müssen und ,die gleichenDiskussionen, Überlegungen, Schwierigkeiten und Widerstände haben, wie wir sie naturgemäß zu verzeichnen hatten, ein nachahmenswertes Beispiel geben und damit den Weg in die nächste Stufe 'der Harmonisierung ebnen und nicht durch eine Fülle von komplizierten Sondervorschriften und Abweichungen erschweren.Die Mehrwertsteuer mit dem System des Vorsteuerabzugs kann die großen politischen Ziele, die ich in wenigen Worten dargelegt habe, erfüllen, allerdings nur dann, wenn die ihr zugedachte Funktion nicht in entscheidenden Punkten gestört wird. Der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf kann — erlauben Sie mir diese Wertung — noch als befriedigend im Sinne der weit gesteckten politischen Wünsche angesehen werden, die wir mit dieser Reform verbinden müssen. Er enthält Sonderregelungen. Man mag sie bedauern. Sie wecken die Begehrlichkeit nach weiteren Ausnahmen und Vergünstigungen. Aber ich darf feststellen, daß das neue System im Kern damit nicht berührt wird, sondern noch zum Ausdruck kommt.Wenn Sie daran gehen, dieses Gesetz zu beraten und zu beschließen, darf ich noch auf folgende drei Punkte hinweisen und um ihre Beachtung eindringlich bitten.Erstens. Der entscheidende Angelpunkt der politischen Konzeption dieser Gesetzesvorlage ist ein allgemeiner Steuersatz von 10 % sowie ein ermäßigter Steuersatz von 5% für die Lebensmittel, die bei den Ausgaben der Durchschnittsfamilie unseres Volkes und erst recht der sozial schwächeren Schichten den weitaus größten Anteil ausmachen. Diese beiden Steuersätze sind überlegt und ausgewogen, und zwar so, daß nur durch sie der gewiß nicht einfache Übergang vom heutigen System zur Mehrwertsteuer mit seinen ganzen politischen, besonders aber preispolitischen Problemen ohne große Schwierigkeiten möglich zu sein scheint.Es ist dabei auch nicht zu verhehlen, daß der Beschluß, bei 10 und 5 % zu verbleiben und nicht höher zu gehen oder Zwischensätze einzuführen, natürlich auch Nachteile mit sich bringt und Verzichte auf wirtschaftlich oder steuerlich bessere Regelungen erfordert. Ein Steuersatz von 10 v. H. ist bei einer Reform dieser Bedeutung und Zielsetzung auch den Wirtschaftsbereichen zumutbar, die von der ungleichen Wirkung des geltenden Systems durch eine verhältnismäßig niedrige Belastung Nutzen ziehen. Das gilt besonders für gewisse Dienstleistungen. Der ermäßigte Satz von 5 v. H. für die genannten Lebensmittel geht davon aus, daß in diesem preispolitisch so bedeutsamen Konsumbereich die steuerliche Belastung nach heutigem Recht insgesamt gesehen etwas höher ist als bei der einzuführenden Mehrwertsteuer. Wir können uns daher von einem Steuersatz von 5 v. H. auf diesem Gebiet eine günstige preispolitische Wirkung für den Übergang erhoffen.Zweiter Punkt. Die Steuersätze dieser Vorlage enthalten so gut wie keine Reserven mehr für weitere Ausnahmen und Vergünstigungen. Angesichts der großen Zahl von Sonderwünschen, die in den letzten Tagen bei mir und Ihnen eingegangen sind,
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Bundesminister Dr. h. c. Straußbitte ich Sie, daran zu denken, daß weitere Ausnahmen und Vergünstigungen automatisch die Frage des Steuersatzes jetzt oder in einer sehr nahen Zukunft wieder aufwerfen müßten. Das ganze Gerüst der wohlüberlegten Konzeption dieser Vorlage darf jedenfalls nicht in Frage gestellt werden.
Ich bitte Sie, bei Ihren Beschlüssen das Ganze und die Zielsetzung unserer Reform, nicht isolierte Teilbereiche zu sehen.Dritter und letzter Punkt. Ich bitte Sie, gewisse Umstellungshärten in Kauf zu nehmen und beim Termin 1. Januar 1968 zu bleiben.Ein großes Werk ist noch nie ohne Opfer da oder dort vollendbar geworden. Lassen Sie sich bitte bei Ihren Beschlüssen nicht von der Vorstellung leiten, daß die Belastung einer Ware oder Leistung im neuen Recht auf keinen Fall höher sein dürfte als im alten System. Es ist unmöglich, die Vorteile des neuen Systems und gleichzeitig auch die Begünstigungen des alten Systems miteinander zu verbinden. Es ist eben ein Weg der Mitte, der hier gegangen wird. Ein Drittel, kann man sagen, bleibt gleich betroffen, ein Drittel wird etwas stärker belastet werden, ein Drittel wird etwas begünstigt werden. Jedenfalls ist der Ertrag der Mehrwertsteuer nicht als eine geheime Reservekasse zur Deckung der Finanzierungslücken der kommenden Haushalte gedacht, sondern im Volumen so gehalten, daß der Ertrag etwa genauso hoch ist, als wenn das bisherige System beibehalten worden wäre. Dieses Gesetz ist kein Gesetz zur Schließung von Deckungslücken unter dem Vorwand einer steuerlichen Reform. Diese Reform würde aber ihren Sinn verlieren, wenn wir anders handelten. Im übrigen ist es — wie gerade unsere Überlegungen im Zusammenhang mit der Umsatzausgleichsteuer bei der Einfuhr gezeigt haben, auch unsere Gespräche mit den französischen Partnern gezeigt haben — bei vielen Gütern nicht möglich, in einwandfreier Form die wirkliche Umsatzsteuerbelastung nach dem gegenwärtigen kumulativen Allphasensystem zu ermitteln. In vielen Fällen ist sie gerade wegen der Mängel des Systems für ein und dasselbe Gut nicht einheitlich, sondern zum Teil sehr unterschiedlich. Die Mehrwertsteuer wird ihre vollen Vorzüge erst zeigen, wenn sie einmal eingeführt ist und wir die Zeit der Umstellungsschwierigkeiten sowohl für die private Wirtschaft wie für die Steuerverwaltung hinter uns haben.Ich bitte Sie daher, heute und morgen und in der dritten Lesung eine Entscheidung zu treffen, die eines Tages nach meiner festen Überzeugung als eine der großen Reformentscheidungen dieses Bundestages auf wirtschaftlichem und finanzpolitischem Gebiete in die Geschichte der Beratungen dieses Hohen Hauses eingehen wird. Dann wird das neue Gesetz als eine bedeutende politische Leistung dieses Hohen Hauses in die Finanz- und Steuergeschichte unseres Landes eingehen.
Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich rufe nunmehr paragraphenweise den Entwurf eines Umsatzsteuergesetzes in der Fassung der Beschlüsse des 14. Ausschusses auf. Ich rufe auf § 1, — § 2, — § 3. Zu diesen Paragraphen liegen keine Änderungsanträge vor.
Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort begehrt? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache. Wer für die drei aufgerufenen Paragraphen in der Fassung der Beschlüsse des 14. Ausschusses ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer ist dagegen? — Wer enthält sich? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe den § 4 auf. Hierzu liegen Änderungsanträge vor; zunächst auf Umdruck 143 *). Darf ich zur Abkürzung des Verfahrens vorschlagen, daß der Antragsteller gleich alle vier Ziffern des Antrages begründet. Frau Funcke als Antragstellerin, sind Sie mit dem Vorschlag einverstanden, daß Sie gleich alle vier Punkte begründen? — Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Herren und Damen! Wie schon von den beiden Herren Vorrednern gesagt worden ist, gibt es zwei wesentliche Grundlagen dieses Gesetzes, die für unsere Beratungen immer maßgeblich gewesen sind und auch weiterhin maßgeblich bleiben sollten. Das waren der Gesichtspunkt der Wettbewerbsneutralität als eine der Grundvoraussetzungen und eines der Grundziele dieses Gesetzes und der Grundsatz der Netto-Kalkulation, um Preiserhöhungen soweit wie möglich zu vermeiden.Soweit es nun bei den Befreiungen des § 4 um die Befreiung der Deutschen Bundespost geht, ist diesen beiden Anliegen diametral entgegengehandelt.Erstens wird dadurch die Wettbewerbsneutralität verletzt, weil die Deutsche Bundespost ja nicht nur im Bereich des Monopols tätig ist, sondern weil sie auch im Wettbewerb mit verschiedenen anderen gewerblich tätigen Unternehmungen steht. Die Deutsche Bundespost steht einmal im Personennahverkehr im Wettbewerb; dort ist sie ja auch — das ist ausdrücklich festgelegt — steuerpflichtig. Gleichzeitig steht sie aber mit ihrem Sachbeförderungsbetrieb, d. h. mit der Paketpost, im Wettbewerb z. B. mit dem Stückgutverkehr der Deutschen Bundesbahn, und die Deutsche Bundesbahn ist bekanntlich steuerpflichtig. Sie steht weiterhin im Wettbewerb mit den Nebenstellenanschlüssen, die auf gewerblicher Basis zur Verfügung gestellt werden und die — gegenüber einer Steuerfreiheit der Bundespost — dem Steuersatz von 10 % unterliegen. Es war in all unseren Beratungen immer unser Bemühen, solcherlei Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern. Aber bei diesem Gebiet der Deutschen Bundespost ist das bisher nicht gelungen. Wir stellen den Antrag, die Bundespost in die reguläre, normale Besteuerung aller anderen einzubeziehen.Der zweite Grundsatz unserer Beratungen war immer, daß wir in den Preisstellungen zur reinen Nettokalkulation übergehen möchten, Wo immer*) Siehe Anlage 5
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Frau FunckeBetriebe mit in der Kette sind, haben wir so weit wie möglich auf Steuerbefreiung verzichtet. Wo Steuerbefreiungen erfolgt sind, sind sie fast durchgängig — und das ist bei unseren Änderungsanträgen genau beachtet — nur im Bereich vor dem letzten Verbraucher erfolgt, wo also eine kumulative Nachholwirkung nicht mehr erfolgen kann. Aber wo immer innerhalb der Kette Befreiungen ausgesprochen werden — und das haben wir allen möglichen, die erst nicht begriffen, mühsam beigebracht; deshalb ist die Binnenschiffahrt, deshalb sind auch viele andere, die früher für Befreiung plädiert haben, heute nicht mehr unter den Petenten für eine Freistellung, weil man das begriffen hat —, wo immer die Kette unterbrochen ist, geht kumulierte Umsatzsteuer in den Nettopreis der Endstufe ein, und damit werden die Preise erhöht.Die Post mit ihren Leistungen ist nun ein solcher preiserhöhender Faktor in allen Kalkulationen. Es gibt praktisch keinen Betrieb, der nicht Postleistungen in Anspruch nimmt und hier also kumulativ weiterkalkulieren muß.Nun ist eingewandt worden, die Post könne deswegen nicht einbezogen werden, weil das für sie große Schwierigkeiten erbringe. Dazu muß ich ehrlich sagen: Wenn wir jedem Handwerksmeister zumuten, die große Komplikation, die mindestens die Umstellung mit sich bringt, auf sich zu nehmen, dann ist wirklich nicht einzusehen, daß der Staat mit seinem größten Unternehmen erklärt, er sei dazu nicht in der Lage, obwohl die Bundespost doch wirklich über einen reichlichen Stab von ausgebildeten Kräften aller Studienrichtungen verfügt. Ich glaube, es ist ein schlechtes Argument, der Bevölkerung, der man die mühseligen Umstellungen zumutet, gleichzeitig zu sagen, die Bundespost sei dazu nicht in der Lage.Es ist auch deswegen nicht einzusehen, weil die Bundespost ja sehr viel leichtere Bedingungen hat als jeder andere Betrieb. Manche Erschwernisse fallen bei der Bundespost weg. Es gibt bei der Bundespost Einheitspreise und nicht laufend wechselnde Preise wie in sonstigen Produktionsbetrieben, es gibt bei ihr keine Retouren, es gibt bei ihr keine Skonti, es gibt bei ihr Massenumsätze zu gleichen Bedingungen. Das bedeutet, daß es wirklich kein Kunststück ist, an den Postschaltern vorgedruckte Quittungen für eine bestimmte Mindestmenge bereitzustellen. Es geht hier ja nicht darum — das ist ein dummes Argument —, daß jetzt ein Rechtsanwalt für jede Freimarke, die er braucht, die Schwierigkeiten hätte. Leute, die gewerblich tätig sind, werden auch gleich einen halben Block abnehmen können, und dafür kann man vorbereitete Quittungen bereitstellen. Aus diesem Grunde scheint mir das Argument wirklich nicht durchzuschlagenWir sollten daher — und das ist das Ziel unseres Antrages zu Ziffer 1 — die Bundespost einbeziehen, einmal aus Wettbewerbsgründen, zur Erhaltung der Wettbewerbsneutralität gegenüber anderen Betrieben, die steuerpflichtig sind, zum anderen zur Sicherung der Nettokalkulation, die wir ja in der Wirtschaft allgemein einführen und durchsetzen wollen, und zwar im Hinblick auf die Preispolitik, bei der wir uns ja bemühen, daß die Preise nicht nach oben geraten, wozu die Nettokalkulation ein Mittel ist.Wir bitten daher, diesen unseren Antrag anzunehmen.Bei ,dem Änderungsantrag unter Ziffer 2 geht es um die Bausparkassenvertreter. Es gibt in der Kette Lücken, die wir als Bearbeiter dieses Gesetzes sicherlich alle bedauern. Diese Lücken bestehen darin, daß es Steuern gibt, die mit der Umsatzsteuer kollidieren, die aber keine Bundessteuern sind und deswegen nicht wie etwa die Beförderungsteuer aufgehoben werden können. Zu diesen Steuern, die keine Bundessteuern sind, gehört auch die Versicherungsteuer. Deswegen hat der Ausschuß mit Mehrheit beschlossen, daß die Versicherungsvertreter, die in einer Versicherung arbeiten und eine Leistung erbringen, bei der eine Überwälzung nicht möglich ist, von der Steuer befreit werden.Das gleiche trifft nun bei den Bausparkassenvertretern zu. Auch ihre Leistung ist nicht steuerpflichtig, und ,damit ist eine Überwälzung auf denjenigen, für den die Leistung erbracht wird, einfach nicht möglich. Er würde nämlich sagen: Das Vermitteln einer Kreditleistung ist kein steuerpflichtiger Umsatz, und deswegen bin ich auch nicht bereit, für die Vermittlung eine Nettoumsatzsteuer zu bezahlen. Wir bitten also uni Gleichstellung der Bausparkassenvertreter mit den Versicherungsvertretern.Den Änderungsantrag unter Ziffer 3 haben wir eingereicht, weil anscheinend ein kleines Versehen passiert ist. Der Finanzausschuß ist nicht allwissend. Darum konnten wir nicht wissen, daß an dem Liefern von Blutkonserven nicht nur die Blutbanken und die Krankenanstalten beteiligt sind, sondern daß es im Einzelfall auch vorkommt, daß der Arzt in der Praxis eine Blutkonserve braucht. Es kann nicht Sinn unserer Beratungen gewesen sein, daß in diesem Fall der Übergang von Blutkonserven zum Arzt steuerpflichtig sein soll, während alle anderen Übergänge von Blutkonserven steuerfrei sind. Wir bitten deshalb, auch die Lieferungen von Blutkonserven an den Arzt freizustellen; ich glaube, das ist einsichtig.Unser Änderungsantrag unter Ziffer 4 bezieht sich auf das Schulwesen. Es ist nach vielen Bemühungen, die sich auf manche Novelle zum Umsatzsteuerrecht erstreckt haben, gelungen, nun eine Fassung zu finden, nach der die Privatschulen und die öffentlichen Schulen hinsichtlich der Steuerpflicht gleichgestellt werden. Wir haben das begrüßt. Es handelt sich hier um Schulen, die nach Landesrecht entweder genehmigt oder erlaubt sind, oder um Schulen, die auf Grund einer staatlichen Bestätigung nachweisen, daß sie auf einen Beruf oder eine abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten.Bei unseren Beratungen wurde ein wesentlicher Faktor unseres modernen Schulwesens nicht berücksichtigt, nämlich die Fernschulen. Ich möchte sagen, für Menschen, die sich im Bildungswesen auskennen, ist es keine Frage mehr, daß für die zukünftige Entwicklung die Fernschulen eine ungeheure Bedeutung haben werden. Sie haben einmal ihre Bedeu-
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Frau Funcketung für die Fortbildung. Zum anderen haben sie eine wachsende Bedeutung für den zweiten Bildungsweg. Schließlich haben sie, wie gerade in diesen Tagen die Zugänge bei den Fernschulen aus dem Ruhrgebiet beweisen, eine besondere Bedeutung auf dem ungeheuer schwierigen, aber notwendigen Gebiet der Umschulung. Es kann deshalb nicht im Sinne einer modernen Schul- und Bildungspolitik liegen, wenn wir auf die Gebühren der Fernschulen, deren Benutzer keine Schulgeldfreiheit genießen, noch 10 % Steuern draufschlagen.Es ist eingewendet worden, man könnte das nicht übersehen. Natürlich gibt es unter den Fernschulunternehmen solche, die mit sehr großem Ernst und mit großem Erfolg arbeiten, und solche, bei denen es vielleicht an der Seriosität etwas mangelt. Wir haben deswegen diese Fassung gewählt, die auch schon gegenüber den Privatschulen eine Unterscheidung macht. Wir glauben, daß sie ausreichend ist. Wir stellen die Fernschulen einfach unter die gleiche Bedingung wie die Privatschulen, nämlich die, daß sie, wenn sie steuerfrei sein wollen, nachweisen müssen, daß sie für eine Prüfung oder einen Beruf ordnungsgemäß ausbilden. Auf Grund des Wortes „ordnungsgemäß" können die örtlichen Schulbehörden an Hand ihrer Erfahrung selber entscheiden, ob es sich um ein wirksames und seriöses Institut handelt oder nicht.Wir sollten diesen Antrag sehr ernst nehmen, vielleicht gar als einen Beweis dafür, daß sich der Bundestag, obwohl er für Bildungsfragen nicht so zuständig ist und deswegen manchmal nicht die laufende Kenntnis von den neuen Dingen im Schuh und Bildungswesen hat, für eine moderne Bildungspolitik aufgeschlossen zeigt.
Ich danke für die Begründung.
Das Wort hat Herr Schulhoff.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin untröstlich, einer so entzückenden Kollegin wie Frau Funcke widersprechen zu müssen. Aber ich habe die Aufgabe und die Pflicht, ihr zumindest in der Frage der Besteuerung der Post entgegenzutreten. Die Post ist bekanntlich bis jetzt von der Umsatzsteuer befreit. Ihrem inneren Wesen nach ist diese allgemeine Steuerfreiheit der deutschen Bundespost ein Äquivalent für die dem Sondervermögen auferlegte Verpflichtung zur Gemeinwirtschaftlichkeit. Der Gesetzgeber ließ sich damals von der Überlegung leiten, daß sich ein niedriges Gebührenniveau bei gleichzeitiger Beschränkung der Unternehmensdisposition durch die Betriebspflicht, den Annahmezwang und die Tarifgebundenheit auf die Dauer nur dann halten läßt, wenn gleichzeitig auf steuerliche Abgaben verzichtet wird.Zu diesen rechtspolitischen Überlegungen kommen jedoch auch wichtige wirtschaftliche und betriebsorganisatorische Gründe, auf die sich die Befreiung des Post- und Fernmeldewesens von derNettoumsatzsteuer stützt. Ich darf übrigens hier einflechten, daß die Personenbeförderung, bei der die Post tatasächlich in Konkurrenz steht, nicht steuerbefreit ist. Hier zahlt die Post Umsatzsteuer. Beim Güterverkehr zahlt sie zwar nicht, aber da gibt es keine echte Konkurrenz, denn sie hat sich mit der Eisenbahn abgestimmt: die Post liefert die kleinen Stücke, die größeren Stücke liefert die Eisenbahn. Darüber ist völlige Klarheit erzielt.
— Ich habe Ihren Zwischenruf nicht verstanden; sagen Sie es nachher!Die gewerbliche Wirtschaft, besonders die Großwirtschaft, ist zum Teil der Meinung — und das hat Frau Funcke wahrscheinlich auf den Plan gerufen —, daß ihr insofern Nachteile entstünden, als die im Falle der Steuerbefreiung nichtabzugsfähigen Vorsteuern der Deutschen Bundespost Preisbestandteil der Postgebühren würden und auf diese Weise das Gebührenniveau des Post- und Fernmeldewesens um den Betrag der nichtabzugsfähigen Vorsteuern überhöht werde.Dieses Problem wurde bei den Beratungen des Finanzausschusses sehr eingehend diskutiert. Dabei ergab sich, daß im Falle der Steuerbefreiung der Deutschen Bundespost diese nichtabzugsfähigen Vorsteuern infolge der hohen Wertschöpfung der Post auch auf lange Sicht nur etwa 3,2 % des Unisatzes im Post- und Fernmeldewesen betragen würden. Dies bedeutet, daß die in den Postgebühren als Preisbestandteil enthaltene Mehrwertsteuer nicht so groß ist, wie von der gewerblichen Wirtschaft oft angenommen, zumindest behauptet wird. Das gilt um so mehr, als nach den Berechnungen des Ifo-Instituts der Aufwand der gesamten Wirtschaft für Post- und Fernmeldegebühren, in Teilen des Umsatzes gemessen, nur etwa 0,3 % beträgt. Sie können ja alle rechnen. 3,2% von 0,3% des Gesamtumsatzes der gewerblichen Wirtschaft, um die es bei dieser Fragestellung geht, sind doch wohl keine Größenordnung. Auf diese relativ geringe Auswirkung der Vorsteuerbelastung des Post- und Fernmeldewesens wäre es zurückzuführen, daß die Deutsche Bundespost bei einer Mehrwertsteuer von 10 % und sofortigem Vollabzug ihre Gebühren einschließlich Steuererhebungskosten um durchschnittlich etwa 8 % erhöhen müßte, wenn ihr die Steuerbefreiung versagt werden sollte. Diese Erhöhung der Post- und Fernmeldegebühren, die dann nicht zu vermeiden wäre, wäre für den privaten Endverbraucher, der keinen Vorsteuerabzug geltend machen kann, eine echte Verteuerung der postalischen Dienstleistungen. Ich bin der Meinung — ich glaube, mit mir meine Fraktion —, daß diese überaus nachteiligen Auswirkungen auf den privaten Postbenutzer unbedingt vermieden werden müssen und daß diesem Gesichtspunkt Gruppeninteressen unterzuordnen sind.Die wichtigsten Argumente für die im Regierungsentwurf vorgesehene Steuerbefreiung liegen im betrieblich-organisatorischem Bereich. Darüber sind Sie ein bißchen zu schnell hinweggegangen, liebe, gnädige Frau. Der Massenverkehr, der sich
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Schulhoffheute an den Schaltern und an den Annahmestellen der Deutschen Bundespost vollzieht, braucht einfache, unkomplizierte Betriebsformen und -bedingungen. Er baucht das, wenn er schnell, billig und ohne Verkehrsstauungen abgewickelt werden soll. Keiner der Vorschläge, meine lieben Freunde von der FDP, die bisher gemacht worden sind, konnte die betrieblichen Schwierigkeiten sinnvoll lösen. Weder durch den Vorschlag, sogenannte steuerliche Bruttopostgebühren zu bilden, aus denen sich die gewerblichen Postbenutzer mit Hilfe eines Satzes von 9,09% die darin enthaltenen Vorsteuern her-ausrechnen könnten, noch durch einen verminderten Steuersatz in Höhe von 5 % sind die betrieblichorganisatorischen Schwierigkeiten lösbar.Besondere Schwierigkeiten ergeben sich vor allen Dingen dadurch, daß steuerbare und steuerfreie Post- und Fernmeldedienstleistungen nebeneinander und oft sogar in einem Beförderungsvorgang zusammen vollzogen werden müßten. Nicht steuerbar wären z. B. in jedem Falle die Auslandspost- und -fernmeldegebühren sowie die Umsätze des Postscheck- und des Postsparkassendienstes. Der Anteil dieser nicht steuerbaren Post- und Fernmeldeumsätze beträgt etwa 20 % des Gesamtumsatzes. Für die Gebührenentrichtung in diesen nicht steuerbaren Dienstbereichen müßte die Deutsche Bundespost im Falle der Steuerpflicht neben den Bruttopost- und -fernmeldegebühren eine neue Wertzeichengattung, die sogenannten Nettopostwertzeichen, einführen. Ich glaube, es gäbe einen großen Wirrwarr, wenn zur Freimachung von Postsendungen zweierlei Wertzeichensorten verwendet werden müßten.
Eine Differenzierung nach Netto- und Bruttopostwertzeichen würde auch für die gewerbliche Wirtschaft mit erheblichen Nachteilen verbunden sein. Bei dem ständig wachsenden Selbstwählferndienst besteht für die Deutsche Bundespost auf absehbare Zeit auch keine Möglichkeit, die steuerfreien Auslandsfernmeldegebühren von den steuerpflichtigen Inlandsgebühren getrennt zu erfassen. Dies wäre jedoch Voraussetzung, wenn die Umsätze des Post- und Fernmeldewesens systemgerecht in die Nettoumsatzsteuer einbezogen werden sollten.Bei diesen betriebsorganisatorischen Gesichtspunkten ist es auch unerheblich, ob der Mehrwertsteuersatz für die Umsätze im Post- und Fernmeldewesen 10 oder 5 % betragen würde. Die geschilderten betriebsorganisatorischen Schwierigkeiten sind in jedem Falle die gleichen und in ihren kostenwirtschaftlichen Auswirkungen sicherlich erheblich teurer — und darauf kommt es doch an — als die Vorteile, die sich für die Deutsche Bundespost aus der Möglichkeit des Vorsteuerabzugs ergeben würden.Schließlich darf ich noch daran erinnern — das ist nicht unerheblich —, daß auch in Frankreich, sozusagen dem Mutterland der Mehrwertsteuer, aus ähnlichen Überlegungen, wie ich sie hier angestellt habe, die Umsätze des Post- und Fernmeldewesensnicht in die Mehrwertsteuer einbezogen worden sind und daß auch die anderen EWG-Post-und-Fernmeldeverwaltungen keiner Steuerpflicht analoger Art unterworfen sind. Und wir wollen doch harmonisieren!
Im Ergebnis — damit komme ich zum Schluß; ich bitte um Entschuldigung, wenn ich Sie etwas länger aufgehalten habe — ist somit festzustellen, daß die Mehrwertsteuer im Post- und Fernmeldewesen immer ein Betriebshindernis und ein betriebsfremdes Element bleiben würde.In einer Zeit, in der sich die Deutsche Bundespost mehr denn je um eine Vereinfachung und Beschleunigung ihrer Betriebsform bemüht, würde eine Mehrwertbesteuerung des Post- und Fernmeldewesens viele dieser Bestrebungen einfach in Frage stellen, von der finanziellen Belastung der Endverbraucher einmal abgesehen; von der Automatisierung ganz zu schweigen.Ich bin also der Meinung, daß die im Regierungsentwurf für das Sondervermögen des Post- und Fernmeldewesens in § 4 Nr. 7 des Nettoumsatzsteuergesetzes vorgesehene Steuerbefreiung unter Berücksichtigung aller bedeutsamen Umstände für alle Postbenutzer die beste Lösung darstellt.Dann habe ich noch folgendes festzustellen. Wenn wir die Post in die Mehrwertsteuer einbezögen und einen Satz von 5 % zugrunde legten, würde das zu einem Ausfall von 100 Millionen DM führen, und bei einem Satz von 10 % ergäbe sich ein Ausfall von 25 Millionen DM für den Fiskus. Dies müßte letzten Endes unsere Entscheidung erleichtern.
Zu Nr. 1 des Umdrucks 143 hat zunächst der Herr Abgeordnete Dr. Miessner und dann Herr Abgeordneter Dr. Schmidt das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich darf zunächst meine Fraktionskollegin Frau Funcke, wie es in unserer Fraktionssitzung nämlich vereinbart war, dahin ergänzen, daß ein Teil der Fraktion hinsichtlich der Besteuerung der Post anderer Meinung ist. Dazu gehöre auch ich.Herr Kollege Schulhoff hat die Dinge eben sehr eingehend dargelegt, und im Grunde genommen hätte ich dazu auch nichts anderes sagen können. Die Post unterliegt der Verpflichtung zur Gemeinwirtschaftlichkeit. Sie ist mancherlei Betriebsbeschränkungen unterworfen. Sie unterliegt dem Annahmezwang und der Tarifgebundenheit. Sie erinnern sich daran, daß wir jahrelang einen politischen Preis für das Briefporto hatten und daß die Post schließlich kapitalmäßig gerade durch diese Dinge, da sie nicht frei über ihren Betrieb disponieren konnte, leider dahin gekommen ist, daß sie völlig unterkapitalisiert ist.Der Postausschuß des Deutschen Bundestages, der sich jetzt etwa seit zehn Monaten sehr eingehend
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4696 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 101. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. April 1967
Dr. Miessnermit der Frage befaßt, wie die Wirtschaftlichkeit der Bundespost wiederhergestellt werden kann, ist bisher stets davon ausgegangen, daß es bei der bisherigen Steuerfreiheit bleibt. Allerdings — das darf ich als Vorsitzender des Postausschusses hier wohl sagen — waren sich alle drei Fraktionen bei den Beratungen im Ausschuß darin einig, daß als Äquivalent für diese Steuerbefreiung eine gewisse Abführung an den Bund treten müsse. In dieser Hinsicht sind ja auch bereits ganz konkrete Vorstellungen vorhanden. Denn im Postausschuß ist man sich darin einig, daß der beste Maßstab für eine Gebührenabführung die Höhe des Eigenkapitals mit einer entsprechenden Verzinsung ist. Das alles basiert allerdings eben darauf, daß es hinsichtlich der Steuerfreiheit keine Änderung gibt.Ich persönlich werde daher in diesem einen Punkt meiner Fraktion nicht zustimmen.
Zu dem Antrag Umdruck 143 Ziffer 1 hat der Abgeordnete Dr. Schmidt das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Funcke hat die Konkurrenz der Post mit den privaten Nebenstellenanschlußunternehmungen erwähnt. Was sie gesagt hat, sollte nicht un-widerlegt bleiben, weil gerade an diesem Beispiel das System deutlich wird, um das es sich hier handelt. Wenn wir nämlich die Post hinsichtlich Herstellung und Lieferung von Nebenanschlußanlagen befreien, dann ist die Post teurer als die Unternehmungen, die mit Mehrwertsteuer belastet sind und mit der Post konkurrieren; denn bei der Post geht die Vorsteuer unter und in die Kosten ein, und daher erfolgt ihre Preisgestellung an den gewerblichen Abnehmer brutto, während bei den privaten Nebenanschlußherstellern und -lieferanten die Leistung netto erfolgt und die gesamte Steuer an den nächsten Abnehmer abgegeben werden kann.
Wer sich also klarmachen will, worum es sich bei der Mehrwertsteuer eigentlich handelt, kann das am besten an diesem Beispiel studieren. Die Post wird in Zukunft als Konkurrent hinsichtlich der Nebenanschlußstellen teurer sein als der private Unternehmer.
Das Wort zu dem Antrag Umdruck 143 Ziffer 3 hat Herr Eckhardt.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Anregung der Frau Kollegin Funcke zu § 4 Nr. 17 des Entwurfs halten wir für vernünftig. Die entsprechende Fassung ist um die Worte „oder Ärzte" zu ergänzen. Ich bitte Sie, dem zuzustimmen.
Herr Seuffert zu diesem Punkt, bitte!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich darf mir erlauben, kurz zu allen Anträgen Stellung zu nehmen, die Frau Kollegin Funcke soeben begründet hat.
Was den Antrag unter Ziffer 1 anlangt, der die Frage der Besteuerung der Post betrifft, so darf ich auf die sehr treffenden Ausführungen meiner Vorredner, der Herren Schulhoff, Dr. Schmidt und auch Dr. Miessner, Bezug nehmen. Wir haben diese Frage auf Grund ausgezeichneter Sachdarstellungen und auf Grund der Tatsache sehr eingehend geprüft, daß sich gewisse Kreise der Wirtschaft Vorteile glaubten ausrechnen zu können, wenn die Post in die Mehrwertsteuer einbezogen würde. Es hat sich klar und deutlich herausgestellt, daß abgesehen von den organisations- und abrechnungsmäßig kaum zu bewältigenden Schwierigkeiten im ganzen etwas übrigbleibt, was mit der Organisation der Post einfach nicht zu leisten ist, und daß zweitens eine Belastung der privaten Postkunden eintritt, die auch nicht in Kauf genommen werden kann. Wir lehnen diesen Antrag ab.
Den Antrag unter Ziffer 2, wo es um die Gleichstellung der Bausparkassenvertreter mit den Versicherungsvertretern und -maklern geht, nehmen wir an, wie Sie aus unserem Antrag Umdruck 163 *) wohl bereits ersehen haben. Auch hier im Hause hat sich nunmehr ganz offenbar die Meinung durchgesetzt, daß irgendwelche haushaltsmäßigen oder sonstigen Bedenken dagegen nicht bestehen.
Wir stimmen ebenfals dem Antrag Umdruck 143 Ziffer 3 zu, der sich auf die Lieferung von Blutkonserven an Ärzte bezieht.
Dem Gedanken des Antrags unter Ziffer 4 stimmen wir ebenfalls zu. Ein Antrag, den wir in dieser Sache gemeinsam mit der CDU/CSU verfaßt haben — er ist noch nicht verteilt worden oder wird vielleicht gerade verteilt —, scheint uns jedoch hierfür eine bessere Fassung vorzusehen. Wir bitten deshalb, diese Fassung, die keine sachliche Änderung bedeutet, vorzuziehen.
Herr Wörner zu Umdruck 143 Ziffer 4!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Da der Umdruck mit dem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen zu § 4 Nr. 21, die Fernschulen betreffend, leider noch nicht vorliegt, möchte ich die Antragsformulierung vorlesen. Ich bitte Sie, dann darüber abzustimmen.In der Sache sind wir mit der FDP einig, wie der Herr Kollege soeben ausgesprochen hat. Es ist klar, daß die Fernschulen, zumindest die seriösen, eine Unterstützung verdienen. Es ist auch klar, daß die Länder entsprechende Richtlinien erarbeiten werden. Unsere Fassung, die allgemeiner, umfassender ist und das Anliegen der FDP ebenfalls deckt, lautet folgendermaßen:die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweckdienenden Leistungen privater Schulen und*) Siehe Anlage 6
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Dr. Wörneranderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen, wenn sie ...Dann folgt die Fassung, wie wir sie im Antrag der FDP und im Text der Vorlage haben.
Damit sind wir am Ende der Wortmeldungen. Die Debatte ist geschlossen.
Meine Damen und Herren, ich darf jetzt einmal etwas von § 4 in die Scheune zu bringen versuchen. Sie werden verstehen, daß ich angesichts dieser Flut von Anträgen allmählich das Bedürfnis dazu habe.
Ich rufe von § 4 die Überschrift, den ersten Satz sowie die Nrn. 1, 2, 3, 4, 5 und 6 auf. Dazu liegen keinerlei Änderungsanträge vor. Wer den aufgerufenen Nummern in der Fassung der Ausschußbeschlüsse zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer ist dagegen? — Wer enthält sich? — § 4 ist bis Nr. 6 einschließlich einstimmig angenommen.
Zu Nr. 7 liegt der Änderungsantrag Umdruck 143 Ziffer 1 vor, der auf Streichung abzielt. Er ist begründet und debattiert. Nach Gewohnheitsrecht dieses Hauses wird über Streichungsanträge dadurch abgestimmt, daß über den materiellen Inhalt des betreffenden Paragraphen abgestimmt wird.
Ich stelle also § 4 Nr. 7 zur Abstimmung. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer ist dagegen? — Wer enthält sich? — Bei einigen Gegenstimmen und Enthaltungen ist Nr. 7 angenommen.
Ich rufe nunmehr Nr. 8, Nr. 9 und Nr. 10 auf. Dazu liegen keine Änderungsanträge vor. Wer diesen Nummern in der Fassung der Beschlüsse des Finanzausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer ist dagegen? — Wer enthält sich? — Einstimmig so beschlossen.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf für eine Gruppe von Kollegen den Antrag auf Umdruck 146 begründen, in § 4 eine neue Nr. 14 a einzufügen. Der Antrag hat folgenden Hintergrund.Zusammen mit einigen Kollegen, die hier unterzeichnet haben, bitte ich — und ich nehme an, daß sich auch noch Kollegen aus anderen Fraktionen, die sich dieser Sache immer schon angenommen haben, meiner Bitte anschließen werden —, die freien Journalisten und Schriftsteller von der Umsatzsteuer ganz zu befreien.Ich weiß, daß der vorliegende Entwurf durchaus manchen Bedenken der freien Journalisten, der freien Mitarbeiter der Zeitungen und auch der Bildberichterstatter Rechnung trägt. Mit der Möglichkeit der Option für das bisher geltende Steuerrecht sind gewisse Vergünstigungen vorgesehen. Dennoch ist zu befürchten, daß eine, wenn auch relativ kleine Gruppe von freien Mitarbeitern der Presse, des Rundfunks und der Buchverlage künftig mehr Umsatzsteuer bezahlen muß als bisher, weil nämlich die Abwälzbarkeit auf die Verlage möglicherweise in bestimmten Fällen Theorie bleibt. Die freien Journalisten bieten ihre Beiträge an. Sie schreiben keine Honorarrechnung aus. Bei der Honoraran-*) Siehe Anlage 7
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4698 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 101. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. April 1967
MoerschWeisung bleibt, auch wenn sie in Honorar und Umsatzsteuer aufgeschlüsselt ist, ganz sicherlich die Vermutung des Honorierten, sein Honorar wäre ohne Steuerbetrag höher ausgefallen, mit anderen Worten: das Gesamthonorar bleibe sich am Ende gleich. Ich weiß, daß es bei diesem Sonderfall, von dem sich die Nichtjournalisten in diesem Hause kaum eine Vorstellung machen können, keine wirklich befriedigende gesetzliche Regelung gibt. Unser Antrag wird jedoch den Betroffenen eher gerecht als die Ausschußvorlage.Sollte sich die Mehrheit anders entscheiden, als es die Antragsteller wünschen, so hätte ich die dringende Bitte, daß dieses Hohe Haus bei der dritten Lesung gegenüber der Bundesregierung eine Vorlage zur Einkommensteuer anregt. Darin sollte ein Ausgleich für die Mehrbelastung der freien Journalisten geschaffen werden. Wir denken dabei vor allem an eine zusätzliche Begünstigung der Altersrücklage.Lassen Sie mich hier gleich noch eine Anmerkung zu der Unklarheit im Gesetz selbst machen. Die Frage, ob beispielsweise eine Übersetzungstätigkeit eine kulturelle Leistung oder eine Dienstleistung ist, die voll besteuert werden müßte, wird bis jetzt von Beamten der Finanzämter noch durchaus offengelassen, Herr Dr. Schmidt. Das ist eine Frage, die unbedingt geklärt werden müßte. Ich halte diese Leistung selbstverständlich nicht für eine Dienstleistung im Sinne der übrigen Dienstleistungen, sondern für eine kulturelle Leistung im Sinne dieses Gesetzes. Aber vielleicht könnte das hier noch geklärt werden, denn das ist eine der Fragen, aus denen sich dann später sehr viele Streitigkeiten vor den Gerichten ergäben. Wir sollten, glaube ich, auch hier bei der Beratung dazu noch ein paar Worte sagen.Ich bitte also um Zustimmung zu unserem Antrag auf Umdruck 146. Es handelt sich um eine kleine Gruppe, die gerade jetzt wieder einmal unter ganz bestimmten wirtschaftlichen Schwierigkeiten am ehesten zu leiden hat, die kaum in der Lage ist, sich eine Altersrücklage zu bilden, wenn sie nunmehr bei der Umsatzsteuer schlechter behandelt wird als vorher.
Jetzt hat Herr Dr. Eckhardt zu Umdruck 146 das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist der Antrag gestellt worden, die Umsätze - aus der Tätigkeit des Journalisten im Sinne des § 18 des Einkommensteuergesetzes von der neuen Nettoumsatzsteuer zu befreien. Wer diesen Antrag gestellt hat, hat — ich muß das leider sagen — das System der neuen Nettoumsatzsteuer noch nicht begriffen,
denn der Journalist ist ein, wenn man so sagen darf, Unternehmer, der in der Kette leistet. Er leistet an einen anderen Unternehmer, und dieser andere Unternehmer wird ihm die in Rechnung gestellte Nettoumsatzsteuer deswegen ohne weiteres abnehmen, weil er sie sofort bei der Finanzkasse vergütet bekommt. Der Verleger hat sogar ein ausgesprochenes Interesse, von dem Journalisten eine Rechnung mit entsprechender Nettoumsatzsteuer in die Hand zu bekommen. Er wird sie dann absetzen.
Was die Frage der Rechnung betrifft, so ist es mir natürlich bekannt, daß Journalisten und Schriftsteller im allgemeinen keine Rechnungen im gewöhnlichen Sinne ausstellen. Es genügt aber vollkommen, wenn eine Gutschriftsanzeige durch den Verleger oder eine Abrechnung durch den Verleger oder etwas dergleichen erfolgt. Das ist bereits im Entwurf des Nettoumsatzsteuergesetzes in der Vorschrift über die Inrechnungstellung vorgesehen, so daß hier eigentlich alles geordnet ist, was sinnvoll geordnet werden kann.
Die Journalisten, die eine Nettoumsatzsteuer nicht in Rechnung stellen, werden im Verhältnis zu den Verlegern künftig sicherlich benachteiligt werden. Es kann nur das ausgesprochene Interesse des Journalisten sein, seine Leistung der Nettoumsatzsteuer zu unterwerfen. Er bekommt sie vom Unternehmer vergütet, und der Unternehmer wiederum bekommt diese Nettoumsatzsteuer aus der Finanzkasse. Ich bitte Sie also, im Interesse der Reinhaltung des Systems und natürlich auch deswegen, weil der Antrag im Rahmen dieses Systems der neuen Nettoumsatzsteuer gar keinen Sinn hat, den Antrag des Herrn Kollegen abzulehnen.
Das Wort hat Frau Kurlbaum.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur noch auf einen Gesichtspunkt hinweisen. Es wäre sicher gut gewesen, wenn der Kollege Moersch sich einmal während des öffentlichen Hearings an der Diskussion beteiligt hätte. Denn bei den Gesprächen mit den Journalisten kam deutlich heraus, daß man sich auch hier über die Wirksamkeit des Systems noch keine Klarheit verschafft hatte.Bei dem Hearing wunde z. B. deutlich, daß die Journalisten sehr unterschiedliche Vorbelastungen haben. Aber der Vertreter der Journalisten machte damals schon deutlich, daß etwa 20 % Vorbelastung auch bei ihnen in Frage kommen, daß es sogar Gruppen geben kann — das ist in den Protokollen nachzulesen —, z. B. Bildreporter usw., die noch eine viel höhere Vorsteuer abzusetzen haben. Schon aus diesem Grunde können also die Auffassungen bei den Journalisten gar nicht einheitlich sein.Das Beispiel, das man uns nun in dem Brief selbst gebracht hat, enthält auch wieder eine Lücke. Bei der Gegenüberstellung von alter Umsatzsteuer und neuer Umsatzsteuer setzt man nämlich bei der neuen Umsatzsteuer die Vorsteuer gar nicht ab und sagt: vorher 4 %, jetzt 10 %. So kommt man bei 70 000 DM Umsatz zu einer Mehrbelastung von 1500 DM.Meine Herren und Damen, wenn ich nur von dem Minimalsatz von 20 % ausgehe, der von Herrn
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 101. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. April 1967 4699
Frau Kurlbaum-BeyerDr. Becker angegeben worden ist, würde sich fol- gerade Rechnung ergeben: 20 % von 70 000 DM macht 1400 DM. Zieht man diese 1400 DM von der Mehrbelastung von 1500 DM ab, bleibt also eine eventuelle Mehrbelastung von 100 DM. Das haben die Journalisten auch eingesehen.Nun 'entsteht meiner Meinung nach nur ein Problem, und deshalb habe ich mich noch zu Wort gemeldet. Es erhebt sich nämlich die Frage, ob man hier nicht von der Regelung des § 23 Gebrauch machen kann, die Vorsteuer zu pauschalieren, wozu ja in § 23 die Ermächtigung gegeben ist. Wir sollten also festlegen, daß das Ministerium die Ermächtigung hat, für diese Gruppe — wenn sich die Journalisten einig sind — einen pauschalierten Vorsteuersatz anzuwenden. Ich finde, damit ist den Journalisten am besten gedient.Ich bitte also auch, den Antrag Moersch abzulehnen.
Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.
Ich stelle jetzt den Antrag auf Einfügung einer neuen Nr. 14 a — Umdruck 146 — zur Abstimmung. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen.
Wer ist dagegen? — Wer enthält sich? — Der Antrag auf Umdruck 146 ist abgelehnt.
Wir kommen zu Nr. 15. Hierzu liegen zwei Änderungsanträge vor, und zwar auf Umdruck 157 *) und Umdruck 169 **).
Zur Begründung des Antrags Umdruck 157 hat Herr Schulhoff 'das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die beiden Anträge decken sich; sie haben denselben Inhalt. Ich will aber nach Gesprächen mit einigen unserer neuen Freunde von der SPD
den Antrag zurückziehen, um ihn in der dritten Lesung wieder einzubringen. Inzwischen haben wir Gelegenheit, noch einige Unebenheiten auszubügeln.
Der Antrag Umdruck 157 ist also zurückgezogen. Es bleibt jetzt noch der Antrag Umdruck 169. Wird zur Begründung das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Ich eröfne die Aussprache. — Herr Seuffert!
Frau Präsidentin! Ich darf zur Abstimmung die Vermutung aussprechen, daß der Kollege Schulhoff die Erklärung, ,daß der Antrag zurückgezogen wird, für seine Fraktion und auch bezüglich des Antrags Umdruck 169 abgeben wollte. Das entspricht doch wohl unserer Verabredung.
*) Siehe Anlage 8 **) Siehe Anlage 9
Das ist aber nicht geschehen. Ich nehme das aber als gewollt. Ich werde nächstens noch Gedanken lesen, meine Damen und Herren.Ich darf also feststellen, daß sowohl der Antrag Umdruck 157 als auch der Antrag Umdruck 169 zurückgezogen ist. Es bleibt also bei der vom Ausschuß beschlossenen Fassung.Ich stelle Nr. 15 zur Abstimmung. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer ist dagegen? — Wer enthält sich? — Das ist einstimmig so beschlossen.Ich komme nun zu Nr. 16. Hierzu liegt bis zur Sekunde noch kein Änderungsantrag vor.Ich stelle Nr. 16 in der Fassung des Ausschußbeschlusses zur Abstimmung. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer ist dagegen? — Wer enthält sich? — Das ist einstimmig so beschlossen.Ich komme nun zu Nr. 17. Dazu liegt der Antrag auf Umdruck 143 Ziffer 3 vor. Er ist bereits begründet und debattiert.Ich stelle diesen Antrag zur Abstimmung. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer 'ist dagegen? — Wer enthält sich? — Ich nehme an, daß sich die linke Seite des Hauses der Stimme enthält.
— Sie sind dafür. Dann ist der Antrag auf Umdruck 143 Ziffer 3 mit überwältigender Mehrheit angenommen.Nach Maßgabe dieses Beschlusses stelle ich nun die Nr. 17 zur Abstimmung. Wer für die geänderte Nr. 17 ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer ist dagegen? — Wer enthält sich? — Das ist einstimmig so beschlossen.Ich rufe nunmehr die Nrn. 18, 19 und 20 auf. Hier liegen keine Änderungsanträge vor. Wer 'diesen drei Nummern in der Fassung der Ausschuß-beschlüsse zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer ist dagegen? — Wer enthält sich? — Das ist einstimmig so beschlossen.Ich rufe nunmehr die Nr. 21 auf. Hier liegt der Antrag Umdruck 143 Ziffer 4 vor, außerdem der Antrag auf Umdruck 170 *) und ein neuer Antrag der Koalition, der noch ohne Nummer ist; ich muß diesen Antrag also verlesen. Es handelt sich um einen Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/ CSU und SPD.§ 4 Nr. 21 erhält folgende Fassung:„21. die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen, wenn siea) als Ersatzschulen ;gemäß Artikel 7 Abs. 4 des Grundgesetzes staatlich ge-*) Siehe Anlage 10
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4700 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 101. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. April 1967
Vizepräsident Frau Dr. Probstnehmigt oder nach Landesrecht erlaubt sind oderb) durch eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde nachweisen, daßsie auf einen Beruf oder eine vor einerjuristischen Person des öffentlichenRechts abzulegende Prüfung ordnunggemäß vorbereiten."Sie haben den Antrag gehört. Zur Begründung Herr Dr. Wörner, bitte!
— Er verzichtet. Dann hat Frau Funcke das Wort.
Soweit wir den Text mündlich mitbekommen haben, können wir unseren Antrag zugunsten dieses gemeinsamen Antrages der CDU/CSU und der SPD zurückziehen.
Demnach steht also jetzt nur noch der zuletzt verlesene Antrag zur Diskussion. Es meldet sich niemand mehr zum Wort dazu? — Ich schließe die Aussprache. Ich stelle diesen Antrag zur Abstimmung. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer ist dagegen? — Eine Stimme dagegen. Wer enthält sich?
— Eine Enthaltung. Der Antrag ist angenommen.
Ich stelle nunmehr die Nr. 21 nach Maßgabe dieses Beschlusses zur Abstimmung. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer ist dagegen?
— Wer enthält sich? — Nr. 21 ist angenommen.
Ich stelle nunmehr die Nrn. 22, 23, 24 und 25 zur Abstimmung. Nr. 26 muß ich ausklammern, weil zu ihr auf den Umdrucken 168 *) und 171 SS) zwei Änderungsanträge vorliegen. Es sind also die Nummern bis 25 einschließlich aufgerufen. Wer ihnen in der Fassung der Ausschußbeschlüsse zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. —Wer ist dagegen? — Wer enthält sich? — Die aufgerufenen Nummern sind angenommen.
Nr. 26! Hierzu liegen Änderungsanträge auf den Umdrucken 168 und 171 vor. Das Wort zur Begründung des Antrags auf Umdruck 171 hat Herr Dr. Schmidt .
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren. Ich habe zwar den Umdruck noch nicht vorliegen, möchte aber annehmen, daß er die Fassung hat, die ich kurz verlesen darf — vergleichen Sie bitte mit Ihrem Text —:
die ehrenamtliche Tätigkeit,
a) wenn sie für juristische Personen des öffentlichen Rechts ausgeübt wird oder
b) wenn das Entgelt für diese Tätigkeit nur in Auslagenersatz und einer angemessenen Entschädigung für Zeitversäumnis besteht.
Diese Fassung ist mit dem Bundesfinanzminister abgestimmt und ich darf sie im Namen der beiden Fraktionen beantragen. Es handelt sich, kurz ge-
*) Siehe Anlage 11 **) Siehe Anlage 12
sagt, darum, daß die Bürgermeister in Nordrhein-Westfalen vom Bundesfinanzhof für selbständig erklärt worden sind und daß ihre Aufwandsentschädigungen naturgemäß in der Regel mehr als 1200 DM jährlich beträgt. Deshalb sollte diese Grenze fallen, und es sollte nun eine Formulierung gefunden werden, die dem allgemeinen Rahmen besser entspricht und auf eine feste Grenze verzichtet.
Ich darf Sie bitten, den Antrag anzunehmen.
Damit ist der Änderungsantrag Umdruck 171 begründet. Wird das Wort zur Begründung des Änderungsantrages Umdruck 168 begehrt? — Frau Funke, bitte!
Meine Herren und Damen, es ist ein bißchen mühsam, über Dinge zu verhandeln — das gilt 'hinüber und herüber —, die man nicht vorliegen hat.
Ich kann mir nicht recht vorstellen, was eigentlich diese komplizierte Fassung bedeuten soll. Wir schlagen vor, unter dien Befreiungen in der Nr. 26 einfach zu sagen: „die ehrenamtliche Tätigkeit". Dann haben wir diese Schwierigkeiten ausgeschaltet. Meine Herren und Damen vom Finanzausschuß, Sie erinnern sich, daß ich sehr hartnäckig immer wieder gefragt habe, ob die Diäten der Bundestagsabgeordneten umsatzsteuerpflichtig sind, und wir haben vom Ministerium keine gültige Antwort bekommen, so daß also auch diese Frage ungeklärt ist. Ich würde wirklich meinen, daß es nicht sinnvoll ist, noch irgendwelche Einschränkungen zu machen. Vielleicht ist es möglich, daß der Staat mit einiger Mühe noch einmal 20 000 DM gewinnen könnte, wenn er überall nachhorcht, ob da vielleicht doch noch irgend etwas zu versteuern ist.
Wir halten es für das Richtigste, die ehrenamtliche Tätigkeit grundsätzlich von der Umsatzsteuer frei zu lassen, nicht zuletzt auch, meine Herren und Damen, weil wir uns ja gerade bemühen, die ehrenamtliche Tätigkeit in unserem Volk etwas anziehender zumachen; und wenn man gleich mit der 'Besteuerung kommt, ist das keine gute Sache. Wir schlagen vor, ehrenamtliche Tätigkeit grundsätzlich von der Umsatzsteuer freizustellen.
Herr Dr. Schmidt !
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bitte doch zu berücksichtigen — bei allem Verständnis für die Ausführungen von Frau Funcke —, daß wir dann dem Mißbrauch und allen möglichen Umgehungen Tür und Tor öffnen. Es ist hier klar abzugrenzen: erstens für juristische Personen des öffentlichen Rechts — das sind die Bürgermeister, die hier speziell angesprochen werden sollten —; im übrigen sollte aber das Entgelt für die Tätigkeit nicht über den Auslagenersatz und eine angemessene Entschädigung für Zeitversäumnis hinausgehen; oder dem Mißbrauch ist eben Tür und Tor geöffnet.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 101. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. April 1967 4701
Vizepräsidennt Frau Dr. Probst: Das Wort wird nicht mehr begehrt. Die Aussprache ist geschlossen.Der weitergehende Antrag ist der Antrag auf Umdruck 168. Ich stelle ihn zur Abstimmung.
— Der Umdruck liegt mir jetzt vor. Vielleicht liegt er Ihnen noch nicht vor.
— Entschuldigen Sie, ich dachte, Sie hätten ihn jetzt auch vorliegen. Er ist vorhin verlesen worden; ich will ihn aber noch einmal verlesen:Der Bundestag wolle beschließen:§ 4 Nr. 26 erhält folgende Fassung: „26. die ehrenamtliche Tätigkeit."Der Änderungsantrag auf Umdruck 171 ist Ihnen ja bekannt. Es ist der von Herrn Dr. Schmidt begründete Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD. Den Inhalt haben Sie vor Augen.
— Sie haben auch diesen Antrag nicht vorliegen? Dann darf ich ihn noch einmal vorlesen:Der Bundestag wolle beschließen:§ 4 Nr. 26 erhält folgende Fassung: „26. die ehrenamtliche Tätigkeit,a) wenn sie für juristische Personen des öffentlichen Rechts ausgeübt wird oderb) wenn das Entgelt für diese Tätigkeit nur in Auslagenersatz und einer angemessenen Entschädigung für Zeitversäumnis besteht."Sie haben damit den Inhalt beider Anträge gehört. Nach der Meinung des Vorstandes ist der Antrag Umdruck 168 der weitergehende. Ich stelle ihn daher zunächst zur Abstimmung. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer ist dagegen? — Wer enthält sich? — Das zweite war die Mehrheit; der Antrag Umdruck 168 ist abgelehnt.Ich stelle nun den Antrag Umdruck 171 zur Abstimmung. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer ist dagegen? — Wer enthält sich? — Der Antrag Umdruck 171 ist angenommen.Mit dieser Änderung stelle ich nun die Nr. 26 zur Abstimmung. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer ist dagegen? — Wer enthält sich? — Nr. 26 ist mit der beschlossenen Änderung angenommen.Ich rufe nunmehr auf § 5, — § 6, — § 7. — Zu diesen drei Paragraphen liegen keine Änderungsanträge vor. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer ist dagegen? — Wer enthält sich? — Die drei Paragraphen sind einstimmig angenommen.Wir kommen zu § 8. Hierzu liegt der Änderungsantrag Umdruck 143 Ziffer 5 vor. Zur Begründung hat das Wort die Frau Abgeordnete Funcke.
Frau Präsidentin! Meine Herren und Damen! Einer der Grundsätze unserer Reform ist, daß die Umsatzsteuer wettbewerbsneutral im Verhältnis zum Ausland sein soll, d. h. daß alle Leistungen im Verhältnis zum Ausland von der Umsatzsteuer befreit sein sollen. Hiervon macht der § 8 eine kleine Ausnahme. In den vorhergehenden Paragraphen sind alle Lieferungen dem Ausland gegenüber freigestellt. Die Leistungen sollen hier aber nur mit Ausnahmen freigestellt werden und nicht alle Leistungen, die gegenüber einem Ausländer und zur Verwertung im Ausland erbracht werden. Hierin sehen wir eine Diskriminierung bestimmter Berufszweige und bestimmter Leistungen, die in das System dieses wettbewerbsneutralen Gesetzes nicht hineinpaßt. Es ist nicht einzusehen, warum z. B. eine technische und wirtschaftliche Beratung, von Deutschen für eine Anlage im Ausland erbracht, steuerfrei sein soll, während eine rechtliche oder steuerliche Beratung für die gleiche Anlage steuerpflichtig sein soll. Man muß uns erklären, wie das mit dem Gleichheitsgrundsatz in Einklang gebracht werden kann. Die Begründung, die immer wieder vom Ministerium gegeben wurde, können wir einfach nicht hinnehmen. Es wurde uns gesagt, in diesen Fällen gebe es keine Konkurrenzverhältnisse, und deswegen könne man den Deutschen ruhig besteuern. Ich glaube, das ist eine ungute Begründung, um es nicht deutlicher zu sagen. Das führt nicht zur Klarheit und Wahrheit des Gesetzes.
Wir bitten deshalb darum, die Leistungen ebenso wie die Lieferungen dann, wenn sie an Ausländer zur Verwertung im Ausland erbracht werden, uneingeschränkt von der Steuerpflicht zu entbinden. Bei den Beratungen haben wir das ja für die Datenverarbeitung und ähnliche Leistungen vorgesehen. Wir bitten also, grundsätzlich die freiberufliche Leistung mit dieser Einschränkung: an Ausländer und zur Verwertung im Ausland freizustellen. Ebenso sollte die beratende Tätigkeit von Gesellschaften steuerlich der wirtschaftlichen und technischen Beratung gleichgestellt werden.
Sie haben die Begründung gehört. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort hat der Herr Abgeordnete Seuffert.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Funcke hat eine charmante Art, einen Antrag zu begründen. Aber es gibt natürlich auch eine charmante Art, die Sache zu verwirren.
Wir haben in § 8 Abs. 1 Nr. 1 ganz bestimmte sachlich qualifizierte Leistungen wegen des Inhalts, des Gehalts und der Aufgabe dieser Leistungen mit den Ausfuhren gleichgestellt. Das widerspricht nicht dem Gleichheitssatz, Frau Kollegin Funcke. Der Gleichheitssatz besagt nicht, daß alles gleichbehandelt werden muß. Der zweite Teil des Gleichheitssatzes heißt vielmehr, daß Ungleiches ungleich behandelt werden muß; das gehört auch zum Gleichheitssatz.
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4702 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 101. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. April 1967
SeuffertWir haben ganz bestimmte ausgewählte Leistungen durch die Gleichstellung mit dem Export begünstigt. In der Nr. 9 haben wir gesagt, daß sonstige Leistungen für ausländische Auftraggeber begünstigt werden, wenn sie im Ausland ausgewertet werden und wenn der Unternehmer nachweist, daß er für diese Leistungen ausländische Umsatzsteuer entrichtet hat.Durch die von Ihnen vorgeschlagene Fassung des Abs. 1 Nr. 1 wollen Sie die freiberuflichen Leistungen aus der Nr. 9 herausnehmen und sie wie andere sachlich genau qualifizierte Leistungen ohne die in Nr. 9 genannte Vorbedingung dem Export gleichstellen. Das ist eine Extrawurst für die freiberuflichen Leistungen, die einfach nicht gerechtfertigt ist. Deswegen lehnen wir den Antrag ab.
Das Wort wird nicht weiter begehrt. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Zunächst stimmen wir über den Änderungsantrag Umdruck 143 Ziffer 5 ab. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer ist dagegen? — Wer enthält sich? — Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den § 8 in der Fassung der Ausschußbeschlüsse. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer ist dagegen? — Wer enthält sich? — Bei einigen Enthaltungen angenommen.
§ 9! Hier liegen keine Änderungsanträge vor. Wer dem § 9 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer ist dagegen? — Wer enthält sich? — Der § 9 ist einstimmig angenommen.
Ich rufe den § 10 auf. Dazu liegen die Änderungsanträge Umdruck 143 Ziffer 6, Umdruck 149 *) und Umdruck 172 **) vor. Die Änderungsanträge auf den Umdrucken 149 und 172 sind identisch. Wer will den Änderungsantrag 149 begründen? — Das Wort zur Begründung hat der Herr Abgeordnete Schlee.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst darauf hinweisen, daß sich sowohl in Umdruck 172 als auch in Umdruck 149 ein Druckfehler befindet. Es handelt sich nicht um § 10 Abs. 1 Satz 2, sondern § 10 Abs. 1 Satz 3, der hier ergänzt werden soll. Lesen Sie bitte in § 10:
Der Umsatz wird bei Lieferungen und sonstigen Leistungen ... nach dem Entgelt bemessen. Entgelt ist alles, was der Empfänger einer Lieferung oder sonstigen Leistung ... aufzuwenden hat, ... Zum Entgelt gehört auch, was ein anderer als der Empfänger dem Unternehmer für die Lieferung oder sonstige Leistung gewährt.
Wer ein Entgelt zu fordern hat, das als Bemessungsgrundlage für seine Umsatzsteuerschuld dient, der
*) Siehe Anlage 13
**) Siehe Anlage 14
hat auch nach diesem System das Recht, seine Steuer über das Entgelt weiterzuwälzen, indem er dem Abnehmer die Steuer in Rechnung stellt.
Das ist aber dann schwierig, wenn das Entgelt teilweise auch aus Zuschüssen öffentlicher Kassen besteht. Ich darf Ihnen das am Beispiel der Frachthilfe erklären, die den Unternehmern im Zonenrandgebiet geleistet wird. Die sogenannte Abgangsfrachthilfe, d. h. die Frachthilfe, die für die Versendung von Leistungen aus dem Zonenrandgebiet gewährt wird, wird mit der Umsatzsteuer belastet. Wie soll nun die Weitergabe an den abnehmenden Unternehmer erfolgen? Eine Möglichkeit wäre, daß der Unternehmer folgende Rechnung anstellt: Während er seine eigene Leistung mit 1100 DM kalkuliert und danach 110 DM als Umsatzsteuer berechnet, erklärt er dem Abnehmer aber, daß er die Leistung nur mit 1000 DM zu bezahlen habe und daß die 100 DM nur pro forma in der Rechnung stünden. Oder er müßte die Rechnung auf den Nettobetrag der Leistung von 1000 DM ausstellen und die Steuer mit 110 DM kalkulieren, in die Rechnung einsetzen und wiederum erklären, hier werde ein Steuerbetrag für ein Entgelt verlangt, das der Abnehmer nicht zu leisten habe. — Darum dieser Antrag, daß die Zuschüsse aus öffentlichen Kassen, die ein Entgelt für eine Leistung ergänzen sollen, nicht in das Entgelt eingerechnet werden sollen.
Ich darf darauf hinweisen, daß das Ganze keine finanzielle Auswirkung hat, und zwar aus dem Grunde, weil die Zuschüsse in aller Regel für Unternehmer geleistet werden, die ihre Steuern als Vorsteuern wieder weitergeben, während der Abnehmer bei seiner eigenen Steuerschuld sie wiederum in Abzug bringen kann. Infolgedessen bleibt es für das finanzielle Aufkommen gleich, ob die Zuschüsse aus öffentlichen Kassen in das Entgelt eingerechnet werden oder nicht.
Ich bitte daher, dem Antrag stattzugeben.
Jetzt kommt Frau Funcke zur Begründung des Antrags Umdruck 143 Ziffer 6.
Frau Präsidentin! Meine Herren und Damen! Bei Ziffer 6 handelt es sich ebenfalls um die Frage, was in die Berechnungsgrundlage für die Steuer eingerechnet wird und was nicht. Schon in früheren Zeiten gab es Diskussionen darüber, ob die Gemeindegetränkesteuer ein Entgelt im Sinne des Umsatzsteuerrechts ist oder nicht. Im Jahr 1927, glaube ich, wurde ein Urteil gefällt, das diese Einberechnung bejaht hat. Zu jener Zeit betrug die Umsatzsteuer 2%. Nach der Ausschußfassung beträgt sie 10 %. Das bedeutet, daß in den Orten, in denen noch Gemeindegetränkesteuer erhoben wird, auf die Getränkesteuer noch 10% Steuer als Umsatzsteuer erhoben wird. Wir sind der Meinung, daß hier. jetzt Klarheit geschaffen werden müßte und daß dies nicht tragbar ist. Deswegen bitten wir, diese zumeist außerhalb der Getränkepreise in Rechnung gestellten Beträge als durchlaufende Kosten für die Gemeinde zu behandeln und aus der Bemessungsgrundlage herauszunehmen.
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Frau FunckeDem Antrag, den Herr Schlee soeben begründet hat, stimmen wir zu.
Wird das Wort zur Aussprache begehrt? — Bitte schön, Herr Stecker!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir bitten, den Antrag abzulehnen. Es handelt sich hier nicht um ein isoliertes Problem. Wir haben auch in anderen Fällen die Steuer von der Steuer, d. h. wir haben eine spezielle Verbrauchsteuer, auf die wir noch die Umsatzsteuer erheben. Wir können die Getränkesteuer nicht als durchlaufenden Posten behandeln, sondern können dieses ganze Problem nur im Zusammenhang sehen. Wir haben im Ausschuß auch schon darüber gesprochen, daß im Zusammenhang mit der Verabschiedung dieses Gesetzes natürlich auch die Bemessung der speziellen Verbrauchsteuern überprüft werden muß. Das heißt, es muß geprüft werden, ob die speziellen Verbrauchsteuern in ihrer Höhe dadurch etwa beeinflußt werden könnten. Aber diesen Antrag hier als isolierten Antrag bitten wir abzulehnen.
Ich danke Herrn Dr. Stecker. Wird das Wort noch begehrt? — Herr Unertl, bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte dafür eintreten, daß dieser Antrag der FDP angenommen wird. Ich bitte deswegen, ihn anzunehmen, weil die Getränkesteuer eine Steuer ist, die zwar vom Gastwirt kassiert, aber von der Gemeinde erhoben wird. Es ist geradezu ein großes Unrecht in der Vergangenheit gewesen, daß diese Getränkesteuer auch noch mit der Umsatzsteuer belegt wurde. Es ist jetzt höchste Zeit, daß diese Ungerechtigkeit auf dem Steuergesetzgebungsweg geändert wird. Ich bitte, den Antrag anzunehmen.
Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.
Die Anträge auf den Umdrucken 172 und 149 sind im Inhalt und in der Wortführung gleich. Ich mache nur darauf aufmerksam, daß der Umdruck 172 ebenfalls korrigiert werden muß. Es muß dort heißen: ,,§ 10 Abs. 1 Satz 3".
Ichstelle die beiden Anträge gemeinsam zur Abstimmung. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer ist dagegen? — Wer enthält sich? — Einstimmig angenommen.
Es folgt jetzt der Antrag Umdruck 143 Ziff. 6. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer ist dagegen? — Wer enthält sich? — Der Antrag ist abgelehnt.
Ich stelle nun den § 10 nach Maßgabe des Beschlusses gemäß den Anträgen auf Umdruck 149 bzw. Umdruck 172 zur Abstimmung. Wer für diese Fassung des § 10 ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer ist dagegen? — Wer enthält sich? — Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe nunmehr den § 11 auf. Zu § 11 liegen keine Änderungsanträge vor. Wer für den § 11 in der Fassung des Ausschusses ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer ist dagegen? — Wer enthält sich? — § 11 ist angenommen.
Wir kommen nunmehr zu § 12. Das wird eine sehr schwierige Sache werden. Ich darf um Ihre intensive gütige Mitarbeit bitten. Ich bitte auch darum, Wortmeldungen hier oben abzugeben.
Ich komme zu dem Antrag auf Umdruck 143 Ziff. 7. Frau Funcke wünscht diesen Antrag zu begründen. Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine Herren und Damen! In der Berliner Sitzung des Finanzausschusses ist in aller Eile der „Sitzgelegenheitenparagraph" in das Gesetz hereingekommen, nach dem eine Ware, sofern man bei ihrem Verzehr sitzt, mit 10 % belastet wird, während die Belastung, wenn man beim Verzehr eines fertigen Gerichtes steht, nur 5 % beträgt.
— Ich weiß, daß die Frage in allen Fraktionen ausreichend diskutiert worden ist. Die Plenarsitzung ist ja dafür da, auch die Öffentlichkeit darüber zu informieren.Es ist seinerzeit und in allen früheren Beratungen zugesichert worden — auch in dem vorhin zitierten Hearing —, daß Gaststätten mit dem Lebensmittelhandel, d. h. mit der Herausgabe von fertigen Gerichten, gleichgestellt und mit 5 °/o besteuert würden. Das ist auch nicht anders möglich, weil heute eine Unterscheidung zwischen fertigen Gerichten in einer Würstchenbude, in einem Restaurant oder beim Fleischer gar nicht möglich ist. Diese Unterscheidung ist erst recht nicht möglich, zwischen einem Stück Kuchen, das man in einer Tüte verpackt über den Ladentisch gibt, und demselben Stück Kuchen, das man gleich daneben auf den Tisch eines Cafés setzt.Es ist also nahezu unmöglich, hier eine Unterscheidung zu finden und diese an das Vorhandensein einer Sitzgelegenheit zu knüpfen. Wir bitten daher, im Sinne der Neutralität im Wettbewerb diesen Paragraphen wieder auf die ursprüngliche Fassung zurückzubringen und damit hinsichtlich der fertigen Lebensmittel die Gaststätten in die gleiche Besteuerungsklasse wie die Lebensmittelläden zu bringen. Sonst könnte es geschehen, daß im Warenhaus die bisherige Restaurationsecke nur einfach dadurch in die niedrige Steuerklasse kommt, daß man .die Stühle wegräumt, die Tische ein bißchen hochschraubt und daraus eine Stehverzehr-Möglichkeit macht. Schon ist die Besteuerung von 10 auf 5 % heruntergezaubert worden. Wir sind uns doch darüber einig, daß es so nicht geht.Es geht auch deswegen nicht — so meinen wir weil eine Frage des deutschen Fremdenverkehrs-
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Frau Funckegewerbes mit angesprochen ist. Wir wissen, daß, nachdem wir keine Steuerermäßigung für lohnintensive Dienstleistung beschlossen haben, im Hotelbereich die Übernachtungen teurer werden müssen. Wir wissen, daß auch die Getränke teurer werden. Wenn nun auch noch die Verpflegung teurer wird, wird sich das in entscheidendem Maße für unsere Bevölkerung beim Urlaub auswirken, und dann werden auch für Ausländer die Reisen in Deutschland teurer werden. Ich glaube, Herr Kollege Schwabe von der SPD-Fraktion, der sich so sehr um das Fremdenverkehrsgewerbe in Deutschland bemüht, wird eine solche Auswirkung sicherlich als besorgniserregend ansehen, nicht zuletzt deshalb, weil Frankreich die Umsatzsteuer für die Übernachtungen im Hotel völlig gestrichen hat. Von daher entsteht schon eine Wettbewerbsverzerrung gegenüber Deutschland.
Lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit noch eines hinzusetzen: Wenn man Anträge stellt, die weniger Steuern bringen, ist die Frage berechtigt, wie man die entstehende Lücke decken will. Diese Frage ist ja auch vorhin bei den Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers angeklungen.Die Anträge, die wir gestellt haben, ergeben nach unserer Berechnung einen Steuerausfall von etwa 300 Millionen DM. Man darf gespannt sein, ob auch die Kollegen der anderen Fraktionen errechnet haben, welchen Betrag die Anträge ausmachen, die sie dem Hohen Hause insgesamt vorgelegt haben. Ich sagte: Bei unseren Anträgen sind es 300 Millionen DM. Der Vorschlag mit der Post ist abgelehnt worden; die können wir wieder abziehen. Bei Besteuerung der Post entsprechend diesem Vorschlag hätten wir eine Mindereinnahme von 25 Millionen DM zu verzeichnen gehabt. Insofern hat der Kollege Dr. Schmidt recht, wenn er sagt, daß Steuerfreiheit nicht immer ein Vorteil für den Steuerpflichtigen und ein Nachteil für den Fiskus ist.Die Anträge mit kleineren Beträgen — Blutkonserven und ähnliches — fallen nicht so ins Gewicht. Ich habe sie insgesamt mit 6 Millionen DM beziffert. Bei der Getränkesteuer haben wir 9 Millionen DM errechnet. Sie ist nach Ihrer Abstimmung auch inzwischen gefallen. Die Gaststätten — das ist der Hauptposten — würden 150 Millionen DM weniger bringen, wenn wir für sie den Steuersatz auf 5 % zurückführen. Dazu kommen die Zeitschriften mit 65 Millionen DM und die Schausteller mit 25 Millionen DM. Diese Berechnungen wollte ich hier nur kurz andeuten.Meine Damen und Herren, wir haben Berechnungen des Ministeriums darüber vorliegen, ob die nach dem Entwurf 1968 zu erwartenden Steuereinnahmen mit den nach dem geltenden Gesetz zu erwartenden Steuereinnahmen übereinstimmen. Denn es war ja ein Grundsatz, daß die neue Steuer den Verbraucher nicht mehr kosten soll als die bisherige Steuer.
Nun hat das Ministerium die früheren Aufbringungen weitergerechnet, um zu ermitteln, was 1968nach altem Recht aufkommen würde; denn nur das kann mit dem, was wir auf Grund des neuen Systems erreichen wollen, in Vergleich gesetzt werden.Ich möchte jetzt nicht berücksichtigen, was durch die derzeitige Wirtschaftslage weniger einkommt. Das wäre unfair. Denn natürlich sinkt auch entsprechend der Umsatz als Berechnungsgrundlage. Bei dieser Übersicht frage ich mich, warum das Ministerium auf 304 Milliarden DM Aufbringungs-Soll für das Jahr 1968 kommt. Das ist immerhin — bei einer nichtprogressiven Steuer — ein Steuerwachstum von 6,75 % im Jahr. Ein solches Steuerwachstum hat es in der Vergangenheit nicht gegeben. Es ist also mehr an Wachstum in das Soll hineingerechnet worden, als in den vergangenen Jahren effektiv da war. Dafür, glaube ich, besteht keine Begründung, und daher dürfte der angestrebte Steuereingang überhöht sein. Es gibt also für Steuersenkungen an bestimmten Stellen eine bestimmte Marge.Außerdem besteht zwischen den Berechnungen des Ministeriums und denen des Ifo-Instituts eine Differenz von einer halben Milliarde DM, eine Differenz, die unsere Anträge nicht einmal ausschöpfen.Es gibt auch sichere Anzeichen dafür, daß das Ifo-Institut mehr recht hat als das Finanzministerium; denn wir haben sehr aufmerksam die Rede gelesen, die der Herr Bundesfinanzminister zur Eröffnung der Frankfurter Messe gehalten hat.
— Entschuldigung, es war Bundeswirtschaftsminister Schiller. Meine Herren und Damen, diese beiden Minister sind sich immer so einig, daß man sie verwechseln kann.Ich darf mit Genehmigung der Frau Präsidentin aus den Ausführungen des Herrn Bundeswirtschaftsministers Schiller auf der Fankfurter Messe einige Sätze verlesen. Dort heißt .es:Heute kann ich in Übereinstimmung mit meinem Kollegen Strauß wiederholen: Wir haben für das Jahr 1967 keine weiteren Steuererhöhungen vor. Vom Jahre 1968 an werden wir hoffentlich in das Regime einer ordnungsgemäßen mittelfristigen Finanzplanung sowie in die Nettoumsatzsteuer eintreten.Meine Herren und Damen, wenn man das einmal übersetzt und dechiffriert liest, kann das doch nur bedeuten: Die Sorgen von 1968 werden vermindert, weil wir die Nettoumsatzsteuer bekommen, also wird die Nettoumsatzsteuer uns mehr bringen und unsere Finanzsorgen lindern helfen. Anders kann man doch diesen Passus nicht verstehen. Deswegen sind wir überzeugt, daß die Nettoumsatzsteuer bei sorgfältiger Berechnung diesen Puffer, auf den sich unsere Änderungsanträge beziehen, enthält.
Herr Stecker, wollen Sie zum Änderungsantrag Umdruck 143 Ziffer 7 sprechen?
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Vizepräsident Frau Dr. Probst— Den Antrag Umdruck 143 Ziffer 8 kann ich erst dann aufrufen, wenn wir wissen, wie über den Antrag Umdruck 143 Ziffer 7 entschieden ist. Der Antrag Umdruck 143 Ziffer 8 wird nämlich gegenstandslos, wenn der Antrag Umdruck 143 Ziffer 7 abgelehnt wird. Ich hätte das Bedürfnis, diese beiden Fragen zunächst zu bereinigen. Aber bitte, Herr Stecker, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß wir zu demselben Thema, nämlich zu § 12 Abs. 2 Nr. 1, auf Umdruck 173 *) einen Koalitionsantrag vorliegen haben.
Das weiß ich. Ich wollte ihn aufrufen. Aber ich habe das Bedürfnis, jetzt einmal diese Geschichte mit dem Antrag Umdruck 143 Ziffer 7 zu klären, wenn Sie erlauben. Ich darf Ihnen dann gleich anschließend das Wort geben.
Ich muß allerdings auf dieses Thema eingehen, weil es hier wesentlich ist. Frau Kollegin Funke hat sich genüßlich zu der Differenzierung nach Speisen mit Stühlen und Speisen ohne Stühle, nach Speisen sitzend und Speisen stehend geäußert. Einen solchen Genuß müßte man eigentlich mit Vergnügungssteuer belegen, wenn das noch zu machen wäre. Auch wir haben diese eben genannte Differenzierung als etwas schwierig empfunden, obwohl die Verwaltung sie aus dem Entwurf des Gaststättengesetzes entnommen hat. Es ist eine unschöne Differenzierung.
Wir haben deshalb in dem Antrag Umdruck 173 eine andere Formulierung gewählt:
Das gilt nicht für die Lieferungen von Speisen
und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle.
Wir haben also die Differenzierung so vorgenommen, daß der Verkauf von Lebensmitteln anders besteuert wird als der Verzehr von Lebensmitteln in einer Gaststätte. Ob ohne Stühle oder mit Stühlen, ist gleichgültig. Aller Verzehr an Ort und Stelle, aller Verkauf zum Verzehr an Ort und Stelle von zubereiteten Speisen ist danach also mit einem Regelsteuersatz von 10 % belegt.
Eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Moersch, bitte!
Wie ist es dann bei fertig zubereiteten Hähnchen, die über die Straße verkauft werden?
Das ist etwas anderes. Da die zubereiteten Speisen in die Liste der mit 5 % zu besteuernden Lebensmittel einbezogen sind, wird der Verkauf für den Verzehr zu Hause „über die Straße" anders behandelt. Wir sind der Mei-
*) Siehe Anlage 15
nung, daß die Kombination von Speisenverkauf und Service, d. h. der Verkauf zum Verzehr an Ort und Stelle, ein Aliud gegenüber dem reinen Verkauf von Lebensmitteln ist. Wir haben eine differenzierte Besteuerung in dieser Gestalt auch heute schon. Wenn Sie Butter kaufen, besteuert man sie anders, als wenn Sie dafür am Ende die Rechnung beim Gastwirt bezahlen. Dann ist die Besteuerung immer 4 %, obwohl bei den Lebensmitteln sehr viele andere Steuersätze gelten.
— Bitte schön!
Herr Kollege Stecker, müßte man dann nicht erst noch eine Bannmeile festlegen, nämlich wo „an Ort und Stelle" anfängt und wo das aufhört?
Frau Kollegin, ich gebe mich nicht der Hoffnung hin, daß ich hier den Stein der Weisen gefunden hätte. Aber ich darf Ihnen eines sagen: die Tatsache, daß wir überhaupt differenzierte Steuersätze für die verschiedenen Konsumarten festgelegt haben, bringt uns an der Grenze immer in Schwierigkeiten. Ich erinnere daran, daß die Gastwirte beim Hearing es als sehr mißlich empfunden hatten, daß wir nach der damaligen Vorlage die verschiedenen Getränkearten unterschiedlich besteuern wollten, und daß sie sehr daran interessiert waren, einen einheitlichen Steuersatz zu bekommen. Diesem Anliegen sind wir hier nachgekommen. Denn wer will das bei den Rechnungen auseinanderdividieren: die Übernachtung, die Getränkearten mit 10 % und dann wieder eine Differenzierung hinsichtlich der Speisen. Da wird das Auseinanderziehen der verschiedenen Steuersätze noch sehr viel schwieriger.
Frau Kollegin, Sie haben gesagt, die Speisen würden teurer. Nun, wir haben nie bestritten, daß es bei der Einführung der Nettoumsatzsteuer zu Verlagerungen hinsichtlich der Preise kommen würde. Das ergibt sich einfach aus der Tatsache, daß wir in gewissen Bereichen Entlastungen bringen und insgesamt nicht mehr Einnahmen erzielen wollen, als wir bei dem heutigen Steuersystem erzielen würden. Ich darf Sie auf Ausführungen des Herrn Finanzministers von vorhin hinweisen und damit auch Ihre dahin zielenden Darlegungen widerlegen: Es ist nicht beabsichtigt, mit der Einführung eines neuen Steuersystems stillschweigend eine Steuererhöhung vorzunehmen. Das erkläre ich hiermit ausdrücklich. — Bitte!
Herr Kollege Stecker, ist Ihnen nicht bekannt, daß die Vertreter des Hotel- und Gaststättengewerbes bei dem von Ihnen erwähnten Hearing davon ausgegangen sind, daß damals die Vorlage der CDU/CSU und der FDP ganz generell eine Besteuerung von 5 % vorsah?
Nein, das ist ein Irrtum, Herr Kollege. Damals war vorgesehen, die Spirituosen mit 10 %, das Bier und den Wein mit
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Dr. Stecker5 % zu besteuern. Das haben wir allerdings vereinheitlicht, und wir sind der Meinung, daß wir der Sachlage am besten dadurch gerecht werden, daß wir einen einheitlichen Steuersatz für die Getränke und Speisen einführen, die zum Verzehr an Ort und Stelle verkauft werden.Ich bitte deshalb, den Antrag Umdruck 143 Ziffer 7 abzulehnen und den Antrag Umdruck 173 der CDU/CSU- und der SPD-Fraktion anzunehmen.
Ich rufe den Antrag Umdruck 155 *) auf. Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Schwabe.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu dem zur Zeit behandelten Fragenkomplex liegen nach meiner Zusammenstellung fünf Anträge vor: Umdruck 143 Ziffer 7 — ein Antrag der FDP-Fraktion —, Umdruck 144 **) — ein Antrag der Abgeordneten Jung und Genossen, der allerdings etwas detailliert von Gemüsen, Küchenkräutern usw. spricht —, Umdruck 155 — ein Antrag, den einige Freunde mit mir zusammen eingebracht haben —, Umdruck 166 ***) — ein Antrag der Abgeordneten Stücklen 'und Genossen — und Umdruck 167 ****) — ein Änderungsantrag der Abgeordneten Burgemeister und Genossen Ich habe das einmal aufgezählt, weil hier doch mehr als bei anderen Punkten im ganzen Hause die Auffassung besteht, daß etwas nicht so ist, wie es sein könnte.
Soeben ist durch eine Zwischenfrage zum Ausdruck gebracht worden, daß es sich um eine Änderung der ursprünglichen Situaion gehandelt habe. Wir wissen, daß diese Änderung sehr rasch, sehr überraschend und für die Betroffenen sehr hart kam. Wie ist denn die Gesamtsachlage? Das muß man doch gerechterweise dabei einmal würdigen. Die Angleichung der Umsatzsteuer an das allgemeine europäische Gefüge soll nach dem Willen aller Beteiligten keine Steuererhöhung und keine Preiserhöhung bedeuten. Der Herr Minister hat schon darauf hingewiesen, daß das nicht überall mit der Goldwaage gemessen werden kann. Auch wir wissen das. Aber wir müssen feststellen, daß der Bereich Urlaub, Erholung und Fremdenverkehr, aber auch dier algenreine Bereich der Gastronomie, auch die Heime, die Anstalten usw. — gerade darauf möchte ich hinweisen, auch auf unsere Kantine, wenn Sie von unserem Restaurant schon nicht reden wollen — betroffen sind, und das ist doch wesentlich.
Allein durch den für die Getränke angehobenen Steuersatz werden nach den Unterlagen, die wir bekommen haben, 700 Millionen DM an Mehreinnahmen erwartet. Das ist bei 30 Milliarden DM insgesamt schon ein ganz hübscher Batzen; das darf festgestellt werden. Dann kommen die Nahrungsmittel, die allein nach dem niedrigen Satz versteuert werden. Schön! Aber für alle Verabreichungen in
*) Siehe Anlage 16 **) Siehe Anlage 17 ***) Siehe Anlage 18 ****) Siehe Anlage 19
Gaststätten ist der höhere Satz vorgesehen. Wir haben festgestellt, daß .es da Ungerechtigkeiten gegenüber den Trinkhallen gibt usw. Meine Damen und Herren, das ist sekundär. Primär ist zunächst einmal, daß man hier vor wenigen Tagen auf 10 % gegangen ist. Dagegen möchte ich zumindest meine Auffassung dargelegt haben, denn das ist doch ein bißchen zu hart. Wenn es jetzt hier aus der Mitte des Hauses heißt: Das ist ausgestanden, wir haben uns geeinigt, so bedeutet das: Wir haben hurtig nach oben nivelliert und haben den Trinkhallenverzehr auch noch angehoben. Schön! Damit ist 'eine Ungleichheit beseitigt, aber das Wie ist nicht befriedigend.
Es ist außerdem darauf 'hinzuweisen — das ist wahrscheinlich auch nicht allen bekannt —, daß in der Tat die Hotelleistungen, die Beherbergungsleistungen - gemessen etwa an der französischen, österreichischen und auch an der Schweizer Lösung — bei uns zu hart herangenommen werden.
Ich erinnere dann an die Weiterberechnung — wir haben es vorhin gehört — etwa der Gemeindegetränkesteuer, aber auch der Telefongebühren. Der Gast telefoniert für 100 DM, der Gastwirt berechnet 120 DM, und er muß von den 120 DM nachher 10 % bezahlen. Mir ist entgegengehalten worden, er berechnet viel mehr. Ich darf Ihnen sagen, daß wir in diesen Dingen ja auch nicht untätig waren. Wir haben die Hotellerie und die Gastwirte darauf hingewiesen, daß sie nicht ad libitum auf die Preise aufschlagen können. Das ist von den ordentlichen Leuten auch beachtet worden.
Ich möchte Ihnen sagen, daß hier eine ganze Reihe von Abgeordneten — nicht einige Lobbyisten; ich bin so wenig einer wie andere auch; ich habe auch kein Hotel, und viele andere, die hier sprechen, haben ebenfalls keins — die Dinge ganz ernsthaft betrachtet. Ich verschließe mich nicht einer demokratischen Entscheidung, aber mir schienen diese Hinweise wichtig.
Meine Damen und Herren, es geht einmal um eine weitere Belastung des Verbrauchers. Das ist die interne Frage; man muß ,sie erkennen. Es geht darüber hinaus aber auch im Fremdenverkehr — das ist gesagt worden, ich möchte es unterstreichen um eine zusätzliche Erschwerung in der Konkurrenz. Wir bemühen uns um die Konkurrenz mit dem Ausland. Wir liegen hinten. Die Progression im Ausland ist sehr viel stärker, und wenn wir Beschlüsse fassen, müssen wir zumindest wissen, welche Konsequenzen sich ergeben können. Das war der Zweck meiner Darlegungen.
Das Wort wird jetzt nicht mehr begehrt. Meine Damen und Herren, ich werde jetzt diese begründeten Anträge zur Abstimmung stellen. Wir haben die Umdrucke 143, 155, 166, 167 und 173 aufgerufen. Herr Unertl möchte zu Umdruck 166 sprechen, Herr Spitzmüller zu Umdruck 173. Das Wort hat jetzt Herr Unertl zu Umdruck 166.
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Frau Präsidentin! Meine Damen und meine Herren! Ich möchte betonen, daß ich im Zusammenhang mit dem jetzt aufgerufenen Antrag Umdruck 166 auch den Antrag Umdruck 167 mit begründen werde. Beide Anträge beinhalten nämlich das gleiche. In dem Umdruck 167 wird von dem gleichen Antragsgegenstand ausgegangen wie in dem Umdruck 166.Die Antragsteller haben den Antrag Umdruck 166 deshalb gestellt, weil sie mit der Regelung des § 12 Abs. 2 Nr. 1 auch jetzt noch nicht einverstanden sind, nachdem auf Grund eines Änderungsantrags die Unterscheidung, ob bei der Abgabe von Speisen und Getränken im Lebensmitteleinzelhandel oder im Lebensmittelhandwerk Sitzgelegenheiten bereitgestellt werden oder nicht, gestrichen worden ist. Auch durch diese Regelung entstünde eine Ungerechtigkeit, eine Ungleichheit und eine Verletzung der Wettbewerbsneutralität. Die Vertreter der Gastronomie und des Fremdenverkehrsgewerbes sind — ich darf auf die Ausführungen von Herrn Kollegen Stecker zurückkommen — bei den Anhörungsgesprächen davon ausgegangen, daß für das gesamte Gaststättengewerbe die Regelung gelten wird, die damals die CDU/CSU-Fraktion zusammen mit der FDP-Fraktion eingebracht hat und die im Ausschuß, bevor man im Finanzausschuß in Berlin die letzte Entscheidung getroffen hat, vorgesehen war.Die Ungleichheit ist von meinen Vorrednern Herrn Kollegen Schwabe und Frau Funcke in einigen Bereichen angesprochen worden. Ich darf diese Ausführungen, ohne Sie länger als notwendig hier zu strapazieren, wie folgt kurz ergänzen. Die Ungleichheit bleibt, wenn auch der Text, wie gesagt, jetzt von der Unterscheidung zwischen Stehen und Sitzen absieht. Das war überhaupt eine wunderbare Unterscheidung; auf eine solche Schnapsidee muß man schon mit Respekt zurückblicken. Man hat sich darauf berufen, diese Idee sei aus Frankreich importiert. Ich gebe gar nichts für diese französischen oder amerikanischen Rezepte. Wir haben uns hier um eine deutsche Umsatzsteuergesetzgebung zu bemühen, und wir sollten uns nach den langen Diskussionen jetzt wenigstens darum bemühen, die Ungerechtigkeiten auf dem Gebiete der Besteuerung von in der Gaststätte verarbeiteten Lebensmitteln zu beseitigen. Der Ihnen vorliegende Antrag sieht vor, daß die Zubereitung von Speisen und Getränken aus den Lebensmitteln, die mit 5 % besteuert sind, in Fremdenverkehrsbetrieben, Gaststätten, Kantinen, Heimen und Krankenanstalten ebenfalls mit einem Steuersatz von 5 % belegt wird.Wenn wir hier von Speisen und Getränken sprechen, so darf ich darauf verweisen, daß wir damit nicht die alkoholischen Getränke meinen und daß wir die Besteuerung der alkoholischen Getränke mit 10 %, wie das auch die Ausschußvorlage beinhaltet, hinnehmen, um die Sache nicht noch mehr zu komplizieren. Mit „Getränken" meinen wir hier nur Kaffee, Tee oder Milch.Ich darf ein Beispiel dafür vortragen, zu welchen Ungerechtigkeiten die jetzt vorgesehene zehnprozentige Besteuerung bei den Gaststätten führt. VieleFamilien holen auf Grund der Tatsache, daß heute die Hausangestellte über das Wochenende frei hat und eine Köchin überhaupt selten noch vorhanden ist, Speisen beim Gastwirt. Das ist eine ganz gute Sache. Der Gastwirt kann diese Speisen, wenn sie aus der Gaststätte weggetragen und mit nach Hause genommen werden, mit 5 % versteuern. Die gleiche Speise aber wird, wenn sie 2 m von der Ausgabestelle entfernt in der Gastwirtschaft verzehrt wird, mit 10 % Steuer belegt.Ein Brathendl — um dieses Beispiel, das Frau Funcke bereits gebracht hat, noch einmal aufzugreifen —, im Handel in die Tüte gegeben, um die Ecke getragen, meinetwegen schon an der Ecke gegessen, kostet 5 % Steuer. Auf das gleiche Brathendl, in der Gaststätte zwei Meter vom Ofen entfernt, wo es gebraten wurde, verzehrt, werden 10 % Steuer erhoben. Auf Tiefkühlgerichten, von der Industrie hergestellt, liegen bei der Abgabe im Einzelhandel ebenfalls 5 %, in der Gaststätte 10 % Steuer. Auf Speiseeis liegen im Handel 5 %, in der Gaststätte 10 % Steuer.Ein nettes Beispiel ist die getrüffelte Gänseleberpastete. Ich kann sie gar nicht vertragen, ich esse keine; aber ich muß das Beispiel anführen.
Sie wird in einem komplizierten Verarbeitungsprozeß hergestellt, und auf ihr liegen 5 % Steuer. Auf dem einfachen Pressack, Leberwurst oder Leberkäse in der Gaststätte liegen 10 % Steuer. Diese Ungerechtigkeiten wären in einer Reihe von Beispielen noch zu ergänzen.
— Herr Kollege Schwabe, Sie haben recht, wenn Sie darauf hinweisen, was uns noch auf dem gesamten Gebiete der Wettbewerbsverzerrungen beim Fremdenverkehr blüht. Vergleiche im Verkehr mit Osterreich, der Schweiz, Griechenland, Jugoslawien, mit den skandinavischen Ländern und all den Ländern, die auch in absehbarer Zeit nicht zur EWG kommen und auch nicht die EWG-konformen Umsatzsteuergesetze verabschieden, halten nicht stand. Auch für den Fall, daß bis zum Jahre 1970 die EWG-Länder solche Umsatzsteuergesetze erhalten werden, darf ich Ihnen abschließend nur ein einziges Zahlenbeispiel vortragen. Auf einen Umsatz aus Verkauf von 200 DM liegen im Lebensmittelbereich 10 DM Umsatzsteuer. Der Verkaufspreis einschließlich 5 % Umsatzsteuer beträgt also 210 DM. Die allgemeine Vorsteuer auf 150 DM Einkauf beläuft sich auf 7,50 DM. Die Umsatzsteuer auf Verkauf in Höhe von 10 DM minus der Vorsteuer auf Einkauf in Höhe von 7,50 DM ergibt also eine Steuerbelastung von 2,50 DM. Jetzt führe ich das an, was im Gaststättengewerbe beim gleichen Satz, jetzt von 10 % auf 200 DM ausgehend, anfällt. Was das am Ende ergibt, bringt die große Ungerechtigkeit beredt zum Ausdruck. Bei 200 DM wird eine Umsatzsteuer von 20 DM erhoben. Das ergibt einen Verkaufspreis einschließlich Steuer in Höhe von 220 DM. Die Gastgewerbevorsteuer auf 100 DM Einkauf beträgt 5 DM. Die Umsatzsteuer auf Verkauf beläuft sich
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4708 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 101. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. April 1967
Unertlauf 20 DM. Wenn man die Vorsteuer auf Einkauf in Höhe von 5 DM abzieht, bleibt ein Betrag von 15 DM gegenüber einer Belastung von allgemein 50/0 in Höhe von 2,50 DM. Das ergibt im Gaststättenbereich eine Mehrbelastung in Höhe von 600%, wenn man nur den Umsatzbetrag von 200 DM zugrunde legt.Meine Damen und Herren, ich möchte Sie wirklich bitten, diese Ungerechtigkeiten zu beseitigen. Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich sage, daß wir gestern nachmittag und abend unser Vorhaben auch mit unserem Bundesminister der Finanzen und seinen -Herren abgesprochen haben. Dem Herrn Bundesfinanzminister sind die Dinge bekannt. Er hat gestern keinen Widerspruch erhoben. Ich möchte bitten, meine Damen und Herren, daß dies heute noch gilt. Auf Grund dessen bitte ich Sie herzlich, dieser Dreieinigkeit jetzt Gehör zu verschaffen.
Wenn die SPD-Abgeordneten, die Abgeordneten der FDP und eine große Anzahl von Abgeordneten der CDU/CSU einen solchen Änderungsantrag stellen, dann bitte ich, diesem Antrag auch die nötige Unterstützung zu geben.
Das Wort hat jetzt der Herr Abgeordnete Spitzmüller zu Umdruck 173.
Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Zum Umdruck 173 möchte ich noch einige Worte verlieren; denn ich darf es als ausgesprochen fortschrittlich bezeichnen, wenn man nun hier in einem gemeinsamen Antrag, der die Unterschrift des Herrn Dr. Barzel und des Herrn Schmidt trägt, immerhin von der getroffenen Sitzmöglichkeit, die ursprünglich im Entwurf stand, abgekommen ist. Sicherlich haben wir diese Erkenntnis der Weltoffenheit der CDU- und SPD-Fraktionsführung zu verdanken, denen sicherlich bekanntgeworden ist, daß die Japaner gar keine Sitzgelegenheit brauchen, weil sie gelegentlich in der Hocke auf ihren eigenen Sitzmöglichkeiten die Speisen einnehmen.
Oder denken wir daran, meine Damen und Herren, daß es in Rom ein Lokal gibt, in dem man in altrömischer Manier auf Liegebetten die Speisen zu sich nehmen kann. Wenn es in Deutschland ein solches Lokal gäbe, wäre es durch die Sitzgelegenheit auch nicht betroffen gewesen. Insofern also ein weltoffener Fortschritt, den wir mit Genugtuung verzeichnen.Aber was heißt eigentlich „zum Verzehr an Ort und Stelle"? Ich stelle mir folgendes Beispiel vor. Da kommt ein Kind in eine Bäckerei, kauft eine Tafel Schokolade. Sie ist mit 5 % Umsatzsteuer belegt. Das Kind fängt an, sie zu essen; dann muß der Ladenbesitzer hinterherspringen und sagen „Halt! Jetzt kostet sie 5 Pfennig mehr, wenn du sie hier verzehrst." Dann unterliegt sie also der höheren Umsatzsteuer, weil „Verzehr an Ort und Stelle".Oder stellen Sie sich einmal die Situation auf einem Schulhof vor. Auf Schulhöfen gibt es oft Stände, wo Lebensmittel verkauft werden. Ist nun der Verzehr auf dem Schulhof ein „Verzehr an Ort und Stelle", oder ist es nur Verzehr am Ort und nicht an der Stelle, weil der Schulhof der Ort und die Stelle der Verkaufsstand ist? Oder stellen Sie sich die Situation auf dem Sportplatz vor.Hier müßten also noch einige Dinge durch die Antragsteller geklärt werden.Aber zurück zum Hotelgewerbe. Es ist geradezu grotesk, daß eine Speise, in der Hotelküche zubereitet, von Kellnern im Gaststättenraum oder in der Hotelhalle serviert, 10 % Umsatzsteuer kostet, dann aber, wenn dieses Hotel in seiner Kühe eine Speise zubereitet und sie, etwa aus Anlaß der Heiligen Kommunion oder der Konfirmation, ins Haus liefert, die Teller, die Gläser, das ganze Service, die Kellner dazu stellt — ein sehr vornehmes Konfirmationsessen, aber zu Hause und nicht in der Gaststätte —, nur mit 5 % Umsatzsteuer belegt ist.Ich glaube, aus diesen wenigen Beispielen entnehmen Sie, daß die Kollegen der FDP, CDU/CSU und SPD, die für den einheitlichen Steuersatz von 5 % plädieren, sich auch etwas bei diesen ihren Anträgen gedacht haben. Meine Damen und Herren, wir haben die Feststellung zu machen, daß hier die Nuancen ganz wenig abweichen. Wir haben einen Antrag von einer CSU-Gruppe, die die Anlage geändert haben will, wir haben den Antrag von Herrn Burgemeister und Genossen von der CDU, den Antrag von Herrn Schwabe und Genossen von der SPD und den allgemeinen Antrag der Freien Demokraten. Alle vier Anträge zielen in eine Richtung, nämlich: Steuersatz von 5 % für Speisen.Nun kommen einige Kollegen und sagen: „Die Gaststätten können das ja gar nicht verkraften, wenn sie einmal 10 % und einmal 5 % berechnen müssen." Meine Damen und Herren, nach dem ursprünglichen Entwurf hätten die Gaststätten und Hotels für Übernachtungen und Spirituosen 10 % und für alles andere 5 % bezahlen müssen. Der Hotel- und Gaststättenverband erklärt: „Das ist zwar ein Problem, aber wir werden mit diesem Problem auch fertig, trotz der vielen ausländischen Kellner." Ich glaube, die Hotellerie und Gastronomie in unserem Lande wird auch mit der nun veränderten Situation — wenn Getränke und Übernachtungen 10 % und die Speisen 5 % kosten — fertig werden.Wir haben im Moment wieder einen Überschuß in der Außenhandelsbilanz. Wir waren aber auch schon einmal im Defizit und haben gehört, wie sehr geklagt wurde, daß die Deutschen zu viel ins Ausland reisen und ein bißchen wenig in Deutschland reisen. Wir haben aber auch die Notwendigkeit ins Auge zu fassen, daß nicht nur Reisen von Deutschen in Deutschland anzustreben ist — die Deutschen sollen ruhig auch ins Ausland gehen —, sondern auch anzustreben ist, daß die Ausländer zu uns kommen. Wir sollten nicht die Wettbewerbssituation
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Spitzmüllerder deutschen Hotellerie noch mehr zugunsten unserer Nachbarstaaten und zuungunsten unserer eigenen Wirtschaft durch dieses Steuergesetz verändern.Ich komme also zu dem Ergebnis, der Antrag Umdruck 173 ist undurchführbar. Denn was heißt „an Ort und Stelle" ? Das müßten die Antragsteller hier zu den Beispielen, die ich angeführt habe, zunächst einmal noch verdeutlichen, bevor man dem Antrag zustimmen könnte, weil man gar nicht weiß, welche Folgen die Zustimmung zu diesem Antrag hat.Ich bitte also dringend, den Antrag Umdruck 173 abzulehnen, da die darin vorgesehene Regelung in der Praxis überhaupt nicht durchführbar sein wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Stecker.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin nicht geneigt, diese Sache hier auf diese sehr leichte Art zu persiflieren; denn ich glaube, sie hat einen etwas ernsteren Hintergrund.
Zunächst einmal handelt es sich um einen Steuerausfall von 150 Millionen DM pro anno, und ich glaube, schon das schafft eine sehr ernste Situation. Zum anderen glaube ich, daß wir, wenn wir diese spitzfindigen Differenzierungen vernehmen, doch einmal sagen müssen: Auch heute, Herr Kollege Unertl, verkaufen Sie das Brötchen mit 4 % Steuer, während Sie es im Laden mit einer Belastung von 1,5 % bekommen. Genauso ist es bei der Butter, genauso ist es beim Zucker. Die Rechnung ist also auch heute differenziert, je nachdem, ob ich die Speisen in der Gaststätte zu mir nehme oder ob ich diese mitnehme. Sie werden mir zugeben, daß die Spitzfindigkeit der Auseinandersetzung, was da und was dort bezahlt wird, genau die gleiche ist, ob ich 3 % oder 5 % Unterschied habe. Jedenfalls ist das kein grundsätzlicher Unterschied.
Ich muß aber noch eins hinzufügen — dabei will ich es nun auch einmal nach der anderen Seite persiflieren —: Sie wollen den Konsum von Spargelspitzen mit Schinken und von Rouladen mit 5 % begünstigen, während Sie die einfachsten Waren für den kleinen Mann — Socken, Strümpfe und Hemden — mit 10 % belasten. Auch diese Gegenüberstellung muß man einmal machen, wenn Sie schon unterscheiden.
Ich darf noch eins sagen: Sie sagen, es sei kein Unterschied, ob Sie die Speisen aus dem Hause verkaufen oder diese im Hause servieren. Die einfachste Dienstleistung des Frisörs besteuern wir mit 10 %, die Miete für die Bereitstellung von gewerblichen Räumen besteuern wir mit 10 %. Nun sagen Sie mir: Was tun Sie anders? Ich glaube, wenn ich gleichzeitig damit erreiche, daß ich einen einheitlichen Steuersatz von 10 % für die gesamten Leistungen des Gaststättengewerbes bekomme, kann mir keiner sagen, daß ich damit etwas Unrechtes täte.
Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat wohl bereits klargemacht, daß sie beabsichtigt, dem Antrag Umdruck 173 zuzustimmen und sonst keinem der hier gestellten Anträge. Ich will nicht so ausführlich auf die verschiedenen mehr oder weniger ernsthaften Ausführungen zu dieser Frage eingehen. Ich bräuchte nicht einmal zu sagen, daß die Liste für die 5 %-Gegenstände eine Liste von Gegenständen ist, ,die nach Zolltarifnummern ausgearbeitet ist. Man sollte sich idarüber klar sein: Wenn ich in eine Gaststätte gehe, um einen Kalbsbraten mit Blumenkohl zu mir zu nehmen, dann tue ich das nicht deswegen, um eine Zubereitung von Fleisch aus Kap. 16 des Zolltarifs, vielleicht verbunden mit einer Gemüsezubereitung, Nrn. 20.01 bis 0.06 des Zolltarifs, geliefert zu erhalten. Das ist denn doch etwas ganz anderes.
Übrigens muß der Antrag Umdruck 166 schon aus dem Grunde abgelehnt werden, weil man in eine Liste von Gegenständen nicht die Zubereitung von Speisen einfügen kann. Das ist nämlich eine Tätigkeit und kein Gegenstand. Das ist also schon einmal eine gänzliche Verkennung der Dinge, um die es sich hier handelt. Denn was das Gericht Kalbsbraten mit Blumenkohl anlangt, so will ich eben nicht nur eine Fleischzubereitung laut Zolltarif haben, sondern ich will auch eine Bedienung, einen gedeckten Tisch, und was sonst noch in einer Gaststätte dazugehört, haben. Das Gaststättengewerbe sollte eigentlich stolz darauf sein, zu betonen, daß es etwas ganz anderes tut, als nur Waren abzuliefern.
Es war sicherlich auch nicht sehr glücklich für die Antragsteller, wenn sie als vorbildlich in der niedrigen Besteuerung des Gaststättengewerbes Länder erwähnt haben, deren Preise offensichtlich weitaus höher sind — zum Ruhme unseres Gaststättengewerbes sei es gesagt — als die Preise hierzulande trotz der angeblich höheren Besteuerung.Ausschlaggebend sollte aber folgendes sein: Im Gaststättengewerbe muß ein einheitlicher Steuersatz angewendet werden. Das ist doch offensichtlich. Im Gaststättengewerbe sind Pauschalrechnungen mehr als sonst üblich. Noch nie hat mir jemand die Frage beantworten können, wie unter dem neuen System die Steuerberechnung bei einer Pensionsrechnung für Übernachtung und Verpflegung in Gestalt von drei Mahlzeiten am Tag aussehen soll. Oder wie sollte die Steuer für ein Menü berechnet werden, in dem eine Hummervorspeise oder sonst etwas enthalten ist?Das Problem ist einfach nicht anders zu lösen, als wir es vorgeschlagen haben. Daraus erklärt sich unsere Stellungnahme. Ich glaube, das Gaststätten-
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SeuffertBewerbe könnte mit irgendeiner anderen Regelung überhaupt nicht fertig werden.
Das Wort hat Frau Funcke.
Frau Präsidentin! Meine Herren und Damen! Es ist hier der leichte Vorwurf erhoben worden, daß das Aufzählen von Beispielen keine ernsthafte Debatte sei. Ich möchte in aller Deutlichkeit sagen, daß es uns um diese Gleichheit der Besteuerung sehr ernst ist. Genau dorthin zielt unser Antrag.
Wir wollen die Abgrenzungsschwierigkeiten vorher ausräumen, damit nicht hinterher das Verfassungsgericht bemüht werden muß. Es ist nicht gut, wenn schon vor der zweiten und dritten Beratung laufend Überlegungen deutlich werden, dieses Gesetz gehöre gleich vor das Bundesverfassungsgericht. Mit Sicherheit wird hier geklagt werden, und ich möchte nicht den Propheten spielen, wie diese Klagen ausgehen; da kann man leicht auf die Nase fallen.
Es geht hier um die Gleichheit mit dem Verkauf fertiger Gerichte in der Dose — dem Blumenkohl und der Roulade — mit allem drum und dran. Die Dose mit Blumenkohl 'und Roulade können Sie fertig im Lebensmittelhandel haben; es fehlt nur noch die Wärme. Das Würstchen können Sie fertig haben, auch warm.
— Entschuldigen Sie, Ihre 10 % Versteuerung gilt auch für die Selbstbedienungsgaststätte, das nehmen Sie doch hoffentlich an.
— Der Lebensmittelhandel doch auch. Wenn Sie im Kaufhof aus der Lebensmittelecke mit einer Tüte herausgehen und Sie gehen bis zur nächsten Etage, dann können Sie dort billig essen. Ich bitte Sie, wir wollen die Dinge wirklich in der ganzen Ernsthaftigkeit sehen.
Uns bedrückt folgendes besonders, Herr Kollege Dr. Schmidt, und das möchte ich ganz deutlich aussprechen. Im Hearing ist eindeutig und mit Ihrer dreifachen Bestätigung dem Hotel- und Gaststättengewerbe gesagt worden: es bleibt bei 5 %. Das ist schriftlich festgehalten worden und nachzulesen.
— Es ist aber den Betroffenen nicht wie allen anderen Gelegenheit gegeben worden — was fair gewesen wäre —, angesichts der veränderten Umstände Bedenken geltend zu machen. Man hat sie während des Hearings in dem Glauben gelassen, ihr Problem sei gelöst, sie blieben bei 5%. Damit sind sie zu den veränderten Umständen nicht zu Wort gekommen.
Es geht nicht an, daß in einer Viertelstunde — wie es in Berlin der Fall war — Entscheidungen gefällt werden, ohne daß wichtige Überlegungen auch nur andiskutiert werden, ohne daß der Vertreter des Wirtschaftsministeriums — er ist genauso überfahren worden — auch nur ein Wort zur wirtschaftlichen Seite sagen konnte.
Herr Kollege Dr. Schmidt, wir haben seit vielen Jahren auf sehr viele Dinge viel Zeit in langen Beratungen verwandt. Angesichts ihrer Tragweite steht diese Entscheidung hier nicht in Einklang mit den sonstigen Beratungen. Wir müssen es uns selber anlasten, wenn Entscheidungen gefällt werden, die nicht durchdacht sind; das ist dann die Schuld des ganzen Parlaments.
Ich bitte deswegen noch einmal die Kollegen aller Fraktionen, die Dinge doch nicht einfach mit dem Hinweis abzutun — —
— Die Abgrenzung ist ungeheuer schwierig.
Was den Pensionspreis betrifft, Herr Kollege Seuffert, so wissen Sie genau, daß wir die Frage durch eine mögliche Pauschalierung schon längst geklärt hatten, nicht zuletzt im Hearing. Es läßt sich im Wege der Pauschalierung durchaus ein Prozentsatz zwischen Verpflegungspreis einerseits — Getränke spielen ja beim Pensionspreis keine Rolle — und Übernachtungspreis andererseits finden. Wir bitten also, die Entscheidung im Sinne einer echten Gleichbehandlung von konkurrierenden Tatbeständen zu treffen.
Herr Abgeordneter Kramig als nächster, — die bis jetzt letzte Wortmeldung zu diesem Komplex.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe den Ausführungen des Herrn Kollegen Seuffert, die ich in vollem Umfange teile, nicht viel hinzuzusetzen. Ich möchte nur auf folgendes hinweisen. Wir haben uns aus Überlegungen, die mehr oder weniger im sozialen Bereich wurzeln, dazu entschlossen, vom normalen Steuersatz von 10 % für Lebensmittel des täglichen Bedarfs abzugehen und sie mit 5 % zu versteuern, um die Haushalte — die Familien — nicht unnötig zu belasten. Und weil wir diese Sünde begangen haben, haben wir jetzt die Berufungsfälle, daß alle Möglichen, die mit diesen Dingen zu tun haben, unter den gleichen Steuersatz kriechen wollen. So geht es nicht.
Ich möchte zum Beweis dessen, was ich eben gesagt habe, auf das Hearing verweisen. Der Vertreter des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes ist im Zusammenhang mit einer fünfprozentigen Steuersatzregelung befragt worden, ob die Dinge dann in den Hotels und Gaststätten praktikabel seien. Er hat auf die Schwierigkeiten hingewiesen und — nun kommt ein entscheidender Punkt — er hat z. B. gesagt: Könnten Sie sich nicht dazu entschließen, den Sekt und den Branntwein aus dem 10 %-Steuerkata-
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Krammiglog herauszunehmen und auch mit 5% zu belasten, dann wäre das Problem für uns einfacher. — Nun, sind Sie denn der Meinung, daß wir zur Vereinfachung der Abrechnung diesen Weg gehen sollen, Branntwein und Sekt in den 5 %-Katalog aufzunehmen? Ich bin der Auffassung, der umgekehrte Weg bietet sich an, daß man die anderen Dinge, die mit dargereicht werden, in den 10 %-Katalog mit aufnimmt.Die Frage des Pensionspreises, die hier so sehr betont und als gelöst bezeichnet wurde, ist von dem Vertreter dieses Verbandes als eine ungelöste Frage bezeichnet worden. Mit Recht hat er darauf hingewiesen, daß in einem Grandhotel mit Bad und allen möglichen Schikanen bei den Zimmern ein dreißigprozentiger Satz für Verpflegung und ein siebzigprozentiger Satz für die Beherbergung, also für den zur Verfügung gestellten Raum, wahrscheinlich nicht zutreffend seien. Das sind Probleme, die in diesem Verband eine Rolle spielen. Alles das hat der Finanzausschuß veranlaßt, zu sagen: Strich unter diese Unannehmlichkeiten, alles 10 %, und damit haben wir die einfachste Lösung und die beste Abrechnung, die überhaupt nur möglich ist.
Frau Kurlbaum!
— Sie verzichten.
Damit sind wir am Ende der langen Rednerliste. Wir kommen nun zu den Abstimmungen, zunächst zu dem Antrag Umdruck 143 Ziffer 7, Antrag der Fraktion der FDP:
§ 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 wird ergänzt um die Worte:
„einschließlich der Abgabe zubereiteter Speisen."
Wer diesem Antrag auf Umdruck 143 Ziffer 7 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen.
— Wer ist dagegen? — Wer enthält sich? — Der Antrag ist abgelehnt.
Da dieser Antrag abgelehnt ist, ist der Antrag Umdruck 143 Ziffer 8 gegenstandslos geworden.
— Das ist die Auffassung des Hauses. Aber bitte, wenn Sie begründen wollen, daß dem nicht so ist, geb ich Ihnen, Frau Funcke, noch einmal das Wort. Ich will entgegenkommend sein. Ich bitte jedoch, sich kurz zu fassen.
Frau Präsidentin, meine Herren und Damen! Der erste Antrag sollte nur klarstellen, daß die Abgabe von fertigen Getränken auch wirklich deutlich sichtbar hier eingeschlossen wird. Auch bei der Ablehnung dieser Klarstellung bleibt unser Antrag, daß der zweite Satz gestrichen werden muß, nämlich die Unterteilung nach Lebensmittelgeschäften und Gaststätten. Wir halten diesen Antrag also aufrecht.
Der Antrag ist dann identisch mit dem Antrag Umdruck 155 Nr. 2: „§ 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 ist zu streichen." Wir werden dann in positiver Form darüber abstimmen, d. h. wir werden über den materiellen Inhalt abstimmen. Daraus ergibt sich dann, ob Streichung oder nicht.Ich komme jetzt zum Antrag Umdruck 155 Nr. 1 des Herrn Abgeordneten Schwabe und Genossen: „§ 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 ist wie folgt zu ergänzen: ,einschließlich der aus Lebensmitteln der Anlage 1 zubereiteten Speisen in Gaststätten, Heimen und Anstalten'." Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer ist dagegen? — Wer enthält sich? — Der Antrag ist abgelehnt.Über den Antrag Ziffer 2 auf Umdruck 155 wird dann mit abgestimmt, wenn wir uns dem materiellen Teil von Abs. 2 Nr. 1 zuwenden.Ich stelle zur Abstimmung den Antrag Umdruck 167, Änderungsantrag des Abgeordneten Burgemeister und Genossen.
— Der Antrag ist zurückgezogen. Ich danke für diese Gedächtnisstütze.Ich stelle also jetzt den Antrag Umdruck 166 Ziffer 1 zur Abstimmung: „§ 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 wird gestrichen." Das ist wieder das gleiche Anliegen, das wir jetzt schon zweimal hatten und das sich dann in der Gesamtabstimmung erledigen wird.Ich komme zu dem Antrag Umdruck 166 Ziffer 2:Anlage 1 zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 wird durch folgende Nummer ergänzt:„47. Zubereitung von Speisen und Getränken aus den vorgenannten Lebensmitteln in Fremdenverkehrsbetrieben, Gaststätten, Kantinen, Heimen und Krankenanstalten."Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer ist dagegen? — Wer enthält sich? — Der Antrag ist abgelehnt.Es bleibt Umdruck 173, Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD:In § 12 Abs. 2 Nr. 1 erhält Satz 2 folgende Fassung:„Das gilt nicht für die Lieferungen von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle."Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer ist dagegen? — Wer enthält sich? — Der Antrag ist angenommen.Meine Damen und Herren, ich stelle jetzt Abs. 2 Nr. 1 zur Abstimmung. — Zur Anlage 1 liegen eine ganze Reihe von Änderungsanträgen vor. Ich weiß nicht, ob ich das jetzt vorwegnehmen kann. Ich schlage dem Hohen Hause vor, daß wir erst die Änderungsanträge zur Anlage 1 erledigen und dann erst über Abs. 2 Nr. 1 abstimmen. Sind Sie damit einverstanden? Wir müssen erst einmal den Inhalt der Anlage 1 kennen, bevor wir dann über den
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Vizepräsident Frau Dr. ProbstGesamttext einschließlich des Hinweises auf die Anlage 1 abstimmen können.Zunächst liegt uns hier der Antrag Umdruck 144 Ziffer 1 vor. Wer wünscht diesen Antrag zu begründen?
— Ich darf sagen, daß die Nummern nicht immer mit der Reihenfolge der Präsentation dieser Anträge übereinstimmen.
— Ich kann hier nicht debattieren. Ich habe- Umdruck 144 Ziffer 1 aufgerufen.Herr Abgeordneter Mauk zur Begründung, bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Bestimmung in Nr. 27 lautet „Zubereitungen von Gemüse, Küchenkräutern, Früchten und anderen Pflanzen oder Pflanzenteilen, ausgenommen Frucht- und Gemüsesäfte". Ich glaube, wer weiß, wie wichtig Frucht- und Gemüsesäfte für die Gesunderhaltung der Menschen sind, versteht diese Bestimmung, die da vom Finanzausschuß hereingenommen ist, nicht. Ich kann wohl auf eine große Begründung verzichten. Wir beantragen, daß das Wort „ausgenommen" gestrichen und dafür das Wort „einschließlich" aufgenommen wird. Ich bitte, diesem Antrag zuzustimmen.
Herr Krammig hat sich gemeldet. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es geht auch bei diesem Antrag um eine grundsätzliche Frage. Mit diesem Antrag wird beabsichtigt, in Ergänzung der bestehenden Nr. 27 Frucht- und Gemüsesäfte in die fünfprozentige Liste einzuführen. Wir haben uns im Finanzausschuß nach langer und eingehender Beratung der Gleichbehandlung aller Getränke wegen dazu entschließen müssen, sie — mit Ausnahme der Milch, und wenn ich so sagen darf, des Leitungswassers — in die zehnprozentige Besteuerung hereinzunehmen. Wenn wir diesen grundsätzlichen Beschluß nicht aushöhlen wollen, dürfen wir hier nicht wieder einen neuen Anfang setzen, indem wir Säfte anders behandeln als die Getränke im allgemeinen. Wir müssen das als eine Einheit bestehen lassen, weil wir sonst ins Schwimmen kommen und zu guter Letzt dann vielleicht das eine oder andere Getränk noch in der zehnprozentigen Besteuerung verbleibt. Das geht einfach nicht, weil hier von der Sache her eine Gleichbehandlung geboten ist.
Die Umsatzsteuer ist nicht dazu da, soziale Tatbestände und andere ihr artfremde Überlegungen zu
berücksichtigen, sondern die Umsatztseuer ist dazu
da, Lieferungen und Leistungen entsprechend zu belasten.
Deswegen schlage ich Ihnen vor, diesen Antrag aus grundsätzlichen Überlegungen abzulehnen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Moersch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Krammig hat eben ein bedeutsames Wort gesprochen, daß nämlich das Umsatzsteuergesetz nicht dazu da sei, soziale Gesichtspunkte oder artfremde Leistungen zu berücksichtigen. Unter diesem Gesichtspunkt, so meine ich, sollte die ganze Liste grundsätzlich überarbeitet werden, und zwar nicht nur im Sinne unseres Antrags.
Ich verweise wegen der Logik der Dinge, Herr Krammig, z. B. auf Nr. 3, wo Sie die Langusten, Hummern, Austern und Schnecken ausnehmen, aber beispielsweise die Froschschenkel nicht dabei haben, obwohl auch diese von manchen Leuten für Luxus gehalten werden. Wenn wir hier solche Tatbestände deklarieren und sozusagen gleichzeitig ein Regulativ vornehmen, was Luxus sei, dann stimmt eben Ihre Begründung gegen unseren Antrag auch nicht. Es stimmt vor allem auch das nicht, was bisher schon leider im Text war, nämlich die Bestimmung bezüglich der jugendgefährdenden Schriften bei den Druckwerken. Es ist eine alte Tatsache, daß diejenigen, die jugendgefährdende Schriften verbreiten, in ihrem Gewerbe an den paar Pfennigen mehr oder weniger nicht scheitern; ihre Ware wird immer bezahlt. In Wahrheit machen Sie mit dieser Ausnahmebestimmung eine unbezahlte Reklame für diejenigen, die solche Schriften verbreiten wollen. Wenn Sie dieses Moralin hier herausnehmen würden, würden Sie der Sache, der Sie dienen wollen, mehr dienen. Ich bitte also um Logik in der ganzen Sache und bitte Herrn Krammig, das, was er eben hier gesagt hat, in der ganzen Liste auch zu beachten.
Zum Änderungsantrag Umdruck 144 Ziffer 1 liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Wir stimmen über diesen Antrag 'ab. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit großer Mehrheit abgelehnt.Dann rufe ich den Antrag Umdruck 144 Ziffer 2 auf. Zur 'Begründung hat Herr Abgeordneter Schultz das Wort.Schultz (FDP) : Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Krammig hat eben von der Gleichbehandlung aller Getränke gesprochen. Herr Kollege Krammig, neben diesem System .gibt es aber noch andere Systeme, und zwar die Gleichbehandlung landwirtschaftlicher Erzeugnisse. Insofern gibt es einen geraden Weg von der frischen Weintraube bis zum Wein. Ich vermag nicht einzusehen, wieso hier eine unterschiedliche Behandlung im Umsatz-
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Schultz
steuerrecht vorgenommen werden soll. Mir scheint, daß hier eine Systematik, die beachtet werden muß, durch den Beschluß verletzt wird, den der Finanzausschuß des Bundestages gefaßt hat. Bei Ziffer 2 geht es den Antragstellern mehr oder weniger nur darum, die Vorlage Drucksache V/48 wiederherzustellen, die, glaube ich, in diesem Punkt zumindest sinnvoll gewesen ist.Nun geht es hier nicht etwa um eine Propagandaaktion der Abgeordneten der FDP im Hinblick auf die bevorstehenden Wahlen in Rheinland-Pfalz; das sage ich hier ganz offen.
Mir geht es vielmehr um die Sache. Da inzwischen die Erörterungen in diesem Hohen Hause dazu geführt haben, daß die Aussicht, den von meinen Freunden und mir gestellten Antrag durchzubringen, sehr viel besser geworden ist, möchte ich auf die Behandlung dieses Antrags heute verzichten und ziehe ihn deswegen zurück. Ich werde ihn in Gemeinschaft mit Kollegen aus den anderen Fraktionen in der. dritten Lesung neu stellen. Vielleicht bringen wir es sogar fertig, daß die drei Fraktionen diesem Anliegen zustimmen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Gibbert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der deutsche Wein unterliegt bis heute in der Produktionsstufe einer Umsatzsteuer von zirka 5 %. Für die Neuregelung durch die Nettoumsatzsteuer war im ersten Entwurf vorgeschlagen, den Wein in die Liste der landwirtschaftlichen Produkte zu übernehmen, ihn mit 5 % zu belasten und mit 5 % Vorsteuerabzug auszustatten, ihn also allen anderen landwirtschaftlichen Produkten gleichzustellen. Im Finanzausschuß hat man nun versucht, den Wein voll steuerpflichtig zu machen, ihn also mit 10 % Steuer zu belasten.
Mit Freunden aus der CDU und aus der SPD habe ich einen Antrag entworfen, der das Ziel hat, die ursprüngliche Fassung des Gesetzes wiederherzustellen. Meine Damen und Herren, 10 % Umsatzsteuer auf den Wein bedeutet in steuerlicher Hinsicht eine Ausklammerung des Weines aus den Erzeugnissen der Landwirtschaft. Dabei ist der Weinbau immer eine Spezialkultur der Landwirtschaft gewesen. 10 % Umsatzsteuer bedeutet steuerliche Gleichstellung des Weines mit gewerblichen Produkten wie Bier oder Branntwein, eine Gleichstellung, die sicherlich niemand gern haben möchte.
— Nein, das ist nicht wahr. Branntwein geht durch einen großen Industrieprozeß.
10 % Umsatzsteuer bedeutet Gleichstellung von ungefähr 90 000 mittleren und kleineren Winzerbetrieben mit wenigen, oft sehr großen Kapitalgesellschaften. 10 % Umsatzsteuer bedeutet schließlich
eine Sonderbesteuerung für den Wein, und zwar eine sehr große Sonderbesteuerung. Die Vorsteuer läge bei 5 %, die Besteuerung soll bei 10 % liegen. Das ist eine glatte Verdoppelung.
Die Folgen wären Erhöhung der Verkaufspreise mit sehr wahrscheinlichen Absatzschwierigkeiten oder aber, wenn eine Preissteigerung bei den Konsumenten nicht möglich ist, eine Rückwälzung der Steuer auf den deutschen Weinbau. Dadurch würde das Bruttoeinkommen des deutschen Weinbaus um rund 10 % gedrosselt, und das in einer Zeit, meine Damen und Herren, in der wir im Weinbau das Nachlassen der Konjunktur schon sehr deutlich spüren.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Seuffert?
Bitte!
Herr Kollege Gibbert, ist es nicht richtig, daß der Wein heute 5 % Steuer zahlt, wozu in der Steuerbelastung — darauf kommt es ja an — noch die Vorsteuern des Winzers treten, so daß der Wein heute bereits eine wesentlich höhere Steuerbelastung als 5 % trägt und die wirkliche Steuerbelastung eher bei 10 % liegen dürfte?
Herr Professor Kalinke aus Geisenheim hat in einer wissenschaftlichen Untersuchung nachgewiesen, daß die heute vorliegende Steuerbelastung des Weines bis zur Flaschenfüllreife bei ungefähr 5 % liegt und nicht höher.
— Professor Kalinke aus Geisenheim, — damit hier keine Verwechslung stattfindet.
Meine Damen und Herren, schon das alles ist nicht schön. Aber unerträglich ist es, daß der Weinbau einerseits mit einer Steuerlast von 10 % dem Gewerbe steuerlich gleichgestellt werden soll, andererseits aber nicht die Vergünstigungen haben soll, die das Gewerbe hat. Er soll von dem Freibetrag von 12 000 DM ausgeschlossen sein und soll auch die anderen Vergünstigungen bis zu einer Umsatzsumme von 60 000 DM nicht haben.
— Man hat darauf hingewiesen, Herr Kollege, daß der Winzer eine Optionsmöglichkeit habe.
Eine solche Optionsmöglichkeit bei 90 000 Mittel- und Kleinbetrieben ist unzumutbar. Jeder, der die Verhältnisse kennt, wird mir das bestätigen.
Meine Damen und Herren, gerade die Anwendung der Vergünstigungen auf den Weinbau muß, da die Meinungen widersprüchlich sind, noch geprüft
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Gibbertund geklärt werden. Das sollte bis zur dritten Lesung geschehen. Ich nehme an, daß die FDP auch aus diesem Grunde bereit war, ihren Antrag zurückzuziehen. Ich werde infolgedessen heute keinen Antrag stellen. Ich kündige ihn nur an, und zwar einen Antrag, den wir wahrscheinlich zusammen mit den beiden anderen Fraktionen einbringen werden.
Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Der Antrag Umdruck 144 Ziffer 2 ist zurückgezogen.
Wir kommen dann zu dem Antrag Umdruck 145 *) der Abgeordneten Ertl, Schmidt , Geldner und Genossen. Zur Begründung Herr Abgeordneter Schmidt (Kempten).
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Schon die vorhergehenden Diskussionen um die Fruchtsaftgetränke und um den Wein haben gezeigt, daß das Problem der Besteuerung der Getränke gar nicht so einfach ist und verschieden gesehen wird. Es wäre sicherlich am günstigsten gewesen, wenn man sich auf eine Besteuerung von 5 % für alle Getränke hätte einigen können.
— Gut, das war nicht möglich. Wir kommen an die Getränke heran, die nun einmal nicht nur gelegentlich getrunken werden. Wir haben das bei den Fruchtsaftgetränken gesehen, und wir haben es beim Wein gesehen. Ich komme aus Bayern, darf aber gleich hinzufügen: ich bin kein großer Biertrinker.
Die Biertrinker spielen aber auch in Nordrhein-Westfalen im täglichen Leben eine gewisse Rolle. Wir müssen uns überlegen, ob sich hier nicht vielleicht Verteuerungen ergeben könnten, die eine sehr negative psychologische Wirkung in breiten Kreisen der Bevölkerung gegenüber dem neuen Steuersystem hätten.
Beim jetzigen Steuersystem ergibt sich beim Endverbraucher im Durchschnitt eine Belastung von 7%, bei den kleineren und mittleren Brauereien im Durchschnitt eine Belastung von 5 %. Es steht fest, daß bei einer Erhöhung auf 10 % dieser Betrag dem Endverbraucher einfach im Preis aufgelastet wird. Das läßt sich nicht aus der Welt diskutieren; denn alle vorherigen Statistiken sind inzwischen korrigiert worden. Ich erinnere an die Beratungen im Finanzausschuß. Wir müssen uns also überlegen: wollen wir das Bier verteuern, das in breitesten Kreisen der Bevölkerung — machen wir uns gar nichts vor — eben mit zum täglichen Getränk gehört?
— Nein, es sind im Schnitt 3% und bei den kleineren und mittleren Brauereien 5 % mehr, Herr Kol-
*) Siehe Anlage 20
lege Schulhoff. Auch Sie haben die neuesten Statistiken bekommen. Das steht nun einmal fest.
Wir, die wir diesen Antrag gestellt haben, sind der Meinung, daß man das Bier in die 5 %-Skala aufnehmen sollte, damit nicht gerade der kleine Mann, der gern sein Bier trinkt, bestraft und eine Verteuerungswelle hervorgerufen wird, die im Norden und im Süden ungünstige psychologische und gesellschaftspolitische Wirkungen im Hinblick auf die Systemänderung im Gefolge haben würde.
Aus all diesen Gründen beantragen wir, „Bier aus Malz hergestellt" in die Skala der Anlage 1 aufzunehmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Stecker.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir bitten, den Antrag abzulehnen.
Die Trinksitten, Herr Kollege, sind in den verschiedenen Gegenden unseres Vaterlandes unterschiedlich.
Ich habe mich eigentlich als Norddeutscher immer schon gefragt, weshalb der Branntwein so exorbitant hoch besteuert ist, obwohl er bei uns ausgesprochen das Getränk des kleinen Mannes ist.
Wir haben die Getränke allgemein in den normalen Steuersatz einbezogen. Damit sind wir, wie ich glaube, einen sehr guten Weg gegangen. Es ist bei Gott kein Grund zu finden, weshalb man ausgerechnet diese Getränke aus dem allgemeinen Steuersatz herausnehmen sollte. Wenn ich dabei sage, daß es sich um ein Steuervolumen von jährlich 500 Millionen DM handelt, wird das wohl am allermeisten einleuchten. Es ist einfach undiskutabel, von dieser Regelung wieder abzugehen.
Ich muß dazu noch sagen, daß das Bier beim Endverbraucher nicht mehr wie bisher, Herr Kollege, mit 7 % besteuert ist; mir liegen Zahlen vor, nach denen die Versteuerung über 8 % liegt. Das heißt also, wenn wir heute einen Steuersatz von 5 % nähmen, kämen wir zu laufenden Steuererstattungen. Wir würden also trotz der schwierigen Finanzverhältnisse der Bundesrepublik die Steuern auf Bier und ähnliches senken. Ich glaube, das entspräche auch nicht der Sachlage. Wir bitten deswegen, den Antrag abzulehnen.
Keine Wortmeldungen mehr. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag auf Umdruck 145 zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit großer Mehrheit abgelehnt.Wir kommen zu dem Änderungsantrag Umdruck 143 Ziffer 9 a).Frau Kollegin Funcke hat das Wort zur Begründung.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 101. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. April 1967 4715
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Wie ich gerade gesehen habe, ist der Antrag, den wir gestellt haben, gleichlautend mit einem Antrag der SPD-Fraktion. Wir freuen uns, hier gemeinsam für eine Sache streiten zu können, um die es sich zu streiten lohnt.
Noch kürzer als über den Antrag bezüglich der Gaststätten ist im Ausschuß über die Frage der Illustrierten und Zeitschriften beraten und abgestimmt worden. Hier sei zur Entlastung des ganzen Hauses gesagt, daß es nicht ein Antrag aus den Reihen der Abgeordneten war, sondern daß hier das Ministerium Geburtshilfe geleistet hat. Da wir niemals auf allen Gebieten sachverständig sein können, wollen wir es auch dem Ministerium nicht übelnehmen, daß es uns hier offensichtlich mit mehr gutem Willen als mit genauer Kenntnis dessen, was zur Diskussion stand, beraten hat. Sonst könnte ich mir nicht denken, warum ich damals mit meiner Ablehnung gegen diesen Antrag ziemlich allein stand.
Meine Herren und Damen, wie Sie wissen, geht es darum, daß die gesamten Druckerzeugnisse dem verbilligten Steuersatz unterliegen sollten. Das war auch im Hearing allen Beteiligten als die Absicht des Ausschusses dargelegt worden, und darum haben sie sich nicht näher zu der Sache geäußert. Die Fassung, die in der letzten Sitzung mit großer Mehrheit beschlossen worden ist, bedeutet, daß von diesen Druckerzeugnissen die Zeitschriften, sofern sie nicht religiöse, wissenschaftliche oder Fachzeitschriften sind, ausgenommen werden sollten.
Und hier fängt's nun an! Ich nehme an, daß die meisten, die diesem Antrag zugestimmt haben, die Vorstellung hatten, es handle sich nur um Illustrierte, für die der 10 %-Satz in Betracht käme. Ich habe seinerzeit als Beispiel auf die meines Erachtens sehr gute Zeitschrift „Mann in der Zeit" hingewiesen, jene katholische Männerzeitschrift, die vor einiger Zeit auf Illustriertenformat übergegangen ist und vor der wir doch wohl alle der Meinung sind — ich weiß nicht, ob Sie das Blatt auch zugeschickt bekommen —, daß es eine gute und lesbare und nützliche Lektüre ist. Daraufhin wurde dann beantragt, man sollte die religiösen Zeitschriften herausnehmen. Nun habe ich einmal die letzte Nummer durchgeblättert; was dort thematisch angesprochen ist, ist nicht anders als das, was in jeder Illustierten steht — das geht von der Politik bis zum Kreuzworträtsel. Sicherlich gibt es Unterschiede in der Qualität; das ist bei allen Druckerzeugnissen der Fall. Aber thematisch handelt es sich hier nicht um eine durch und durch religiöse Zeitschrift wie etwa ein Sonntagsblatt. Es ist vielmehr eine Zeitschrift, die über die Welt mehr berichtet als über das, was wir im engeren Sinn unter „religiös" verstehen. Die Frage ist also: Können wir eine solche wertvolle Zeitschrift noch zu den religiösen Zeitschriften rechnen?
Das gleiche Problem der Abgrenzung gibt es beim Begriff „politisch". Herr Stecker machte den Vorschlag, auch die politischen Zeitschriften mit einzubeziehen. Aber dann würden wir sicherlich eine Reihe von Illustierten von der Begünstigung nicht
mehr ausschließen können, denn die Illustrierten sind ja teilweise sehr stark auf das politische Gleis geraten. Hier würde also — ich will keine Namen nennen — die Abgrenzung schwierig. Darum ist das Wort „politisch" gefallen. Die Klärung der Frage, ob „politisch" unter „wissenschaftlich" zu fassen ist, würde wahrscheinlich eine Doktorarbeit erforderlich machen. Nachdem es „Political Sience" als Studienrichtung gibt, stehen wir also vor der Frage, wie weit die Politik Wissenschaft ist.
Wenn wir einmal einen Blick auf die bunte Palette der Titel unserer Zeitschriften bis hin zu den Titeln der Wochenzeitungen, die als periodische Zeitschriften auch mit 10 % zu versteuern wären, werfen, so erhebt sich für uns die Frage, ob die Abgrenzung mit den Begriffen „religiös", „wissenschaftlich" oder „fachzeitschriftlich" wirklich noch greifbar ist. Das geht doch von den politischen Zeitschriften über die Blätter der Familienverbände — die natürlich weder wissenschaftlich noch religiös sind — bis hin zum Kleingärtnerblatt, bei dem man vor der Frage steht: ist es etwa deshalb fachzeitschriftlich, weil man dort erfährt, wie man den Kohl pflanzen muß, oder ist das noch Unterhaltung? Hier abzugrenzen, ist sagenhaft schwierig und für einen Grossisten oder überhaupt für den Verkäufer von Zeitungen und Zeitschriften geradezu unmöglich.
Meine Herren und Damen, wir wissen alle, wie es heute bei der Presse aussieht. Wenn es auch bei manchen gut situierten Zeitschriften durchaus einmal anders sein kann, so ist die Lage jedenfalls nicht durchgängig so. Wir wissen vor allen Dingen, daß die unterschiedliche Besteuerung mit einer Unterscheidung nach Zeitschriften bestimmter Art wahrlich nicht in unser europäisches Konzept paßt; denn in Europa gibt es in den meisten Staaten keine Besteuerung der Zeitungen und Zeitschriften, und wo man einmal wie in Norwegen auf den Gedanken gekommen 'ist, die Zeitschriften anders zu behandeln, ist man von diesem Verfahren wieder abgewichen.
Der Erfolg dieser mit 65 Millionen DM bezifferten Einnahme des Staates ist — Herr Kollege Dr. Eckhardt wird das als Jurist bestätigen — ein uferloser Streit bei allen Gerichten bis hin zum Bundesverfassungsgericht. Der arme Finanzbeamte der die Sache prüfen muß, muß also laufend die neuesten Urteile auf diesem Gebiet durchblättern, um ja immer die richtige Abgrenzung bei diesen, wie von einem Grossisten gesagt wurde, 600 bis 900 verschiedenen Titeln zu finden.
Darum, meine Herren und Damen, sollten wir uns darüber einig sein, daß dies nun wahrlich nicht der Vereinfachung und der Verbesserung dieses Gesetzes dient. Ich bitte also, unseren Antrag anzunehmen.
Das Wort hat Herr Dr. Eppler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren. Die Sozialdemokraten haben es sich
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4716 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 101. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. April 1967
Dr. Epplerbei Ausnahmewünschen zu diesem Gesetz außerordentlich schwer gemacht. Wir haben in unserer Fraktion eine große Zahl von Anträgen, die in sich plausibel und wichtig waren, nicht durchbringen oder genehmigen können, weil wir das Gesamte erhalten wollten. Um so mehr bitten wir, es ernst zu nehmen, wenn wir sagen, daß das, was Frau Funcke vorgetragen hat, unsere besondere Sympathie hat.Meine Damen und Herren, es ist nicht meine Absicht, in diesem Augenblick all das zu wiederholen, was Frau Funcke gesagt hat. Aber bei dem, was ich jetzt sage, bitte ich Frau Funcke, einmal genau zuzuhören. Verehrte Frau Funcke, wir haben also, wie Sie schon gesagt haben, einen gleichlautenden Antrag eingebracht. Nun scheint es so zu sein, daß in dieser Frage die Meinungsbildung in diesem Hause noch nicht ganz abgeschlossen ist und daß auch einige Kollegen bei uns und anderswo die finanziellen Auswirkungen noch einmal prüfen wollen. Ich glaube also, verehrte Frau Funcke, daß unsere Fraktion, wenn wir jetzt abstimmten, diesem Antrag hier und heute noch nicht zustimmen könnte. Vor allem glaube ich, daß andere das nicht könnten.Meine Bitte wäre also folgende. Obwohl wir bei unserer Meinung bleiben, wollen wir beide um der Sache willen jetzt auf eine Abstimmung über unsere Anträge verzichten, d. h. sie jetzt für diese Lesung zurückstellen mit dem Ziel, sie in der dritten Lesung reibungsloser über den Tisch zu bringen.
Das Wort hat Frau Funcke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Wenn es dem Frieden und der Sache dient, sind wir damit einverstanden, daß über diesen Antrag in dieser Lesung nicht beraten und nicht abgestimmt wird.
Damit sind die Anträge auf Umdruck 162 *) und Umdruck 143 Ziffer 9 litera a zurückgezogen.
Ich rufe dann den Antrag auf Umdruck 143 Ziffer 9 litera b auf. Er betrifft ausgebildete Blindenführhunde. Der Antrag wird nicht begründet? —
— Zustimmung. Der Antrag wird vom Hause angenommen. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Dann rufe ich den Antrag auf Umdruck 164 **) Ziffer 2 auf. Es handelt sich um einen Antrag der Fraktion der SPD:
In Anlage 1 wird Ziffer 29 gestrichen. Bitte, Herr Seuffert!
*) Siehe Anlage 21 **) Siehe Anlage 22
Herr Präsident, dieser Antrag ist ein Folgeantrag zu dem später noch zu entscheidenden Antrag auf Umdruck 164 Ziffer 1, den wir allerdings für diese Lesung nicht stellen. Er kann vor der Abstimmung über Ziffer 1 überhaupt nicht behandelt werden.
Dann stellen wir das zurück.
— Wir kommen gleich zum Umdruck 182. Ich bitte um Nachsicht. Die Anträge werden hier nicht immer in der Reihenfolge der Vorlage aufgerufen. Es war nicht möglich, das einzuhalten. Es geht manchmal in der Reihenfolge, in der sie eingegangen sind.
Ich rufe dann den Antrag auf Umdruck 161 **) auf. Das ist der Änderungsantrag der Abgeordneten Jacobi , Frau Berger-Heise, Dr. Burgbacher, Orgaß und Genossen. Herr Jacobi hat das Wort zur Begründung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag auf Umdruck 161, den ich zu begründen habe, greift eine Eingabe auf, die uns sowohl von der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände als auch von den Fachverbänden — zwar mit unterschiedlichem Wortlaut, aber mit gleichem Inhalt — vorgelegt worden ist. Er bezweckt, die durch die Vorlage des Finanzausschusses hervorgerufene Situation zu verbessern, nämlich zu verhindern, daß Umsatzsteuermehrbelastungen bei Strom, Gas und Wärme eintreten. Es wird hier stets nicht nur gefragt, wie sich die Steuerbelastungen auf den Verbraucher auswirken, sondern zumeist steht die Frage im Vordergrund, wie sich das auf den Haushalt auswirkt.Es geht hier um folgende Größenordnungen. Die Mehrbelastung der Haushalte würde nach der Vorlage des Finanzausschusses bei Strom 158 Millionen DM pro anno und bei Gas 36 Millionen DM pro anno betragen. Das ist eine Mehrbelastung für die Haushalte in Höhe von rund 200 Millionen DM. Wegen eines Anliegens mit demselben Ziel, Mehrbelastungen bei Wasser zu vermeiden, ist soeben schon darauf hingewiesen worden, daß hier ein gesonderter Antrag vorliegt. Die Mehrbelastung, von der ich soeben sprach, beruht auf der Annahme, daß die bisherige kumulative Umsatzsteuer voll zum Ausgleich herangezogen wird. Ich weiß nicht recht, ob das nicht eine zu optimistische Erwartung ist. Aber unterstellen wir einmal, daß das der Fall sein wird. Dann bleibt aber bei diesen lebensnotwendigen Gütern, die nicht substituiert werden können, daß hier eine zusätzliche Belastung für die Haushalte eintritt, die deshalb ernst zu nehmen ist, weil es eine Reihe von Belastungen gibt, die bei Beibehaltung der Vorschläge des Finanzausschusses sich in erheblichen Größenordnungen bewegen. Denken wir nur an die Mieten. Sie werden unabhängig von*) Siehe Anlage 23 **) Siehe Anlage 24
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Jacobi
sonstigen Steigerungen, allein durch die Vorlage — immer unterstellt, daß sie so bleibt, wie der Finanzausschuß sie vorschlägt — ganz erheblich zusätzlich belastet.Es ist unbestritten, daß es sich bei Gas, Strom und Wärme um lebensnotwendige Güter handelt. Es ist ebenso unbestritten, daß mit einer Erhöhung der Beträge, die der einzelne Haushalt hierfür aufzubringen hat, Härten verbunden sind. Das wird selbst in dem Schriftlichen Bericht, den der Kollege Toussaint vorgelegt hat, klar zum Ausdruck gebracht. Nur wird immer wieder erklärt, es sei nicht möglich, hier Verbesserungen einzuführen, weil die Ausfälle für den Bundeshaushalt nicht vertretbar wären.Die Tatsache eines Steuerausfalls kann natürlich nicht bestritten werden; eines Steuerausfalls gemessen an dem, was durch die Vorlage des Finanzausschusses beansprucht wird. Aber während bei vielen Wirtschaftsgütern Ungewißheit über die Umsatzentwicklung der nächsten Jahre besteht, kann und muß von einer weiteren laufenden Steigerung der Abgabe von Strom, Gas, Wärme, und ich darf hinzufügen, auch von Wasser ausgegangen werden. Diese Steigerung wird, wie schon in den zurückliegenden Jahren, beträchtlich über der Umsatzsteigerung anderer Wirtschaftszweige liegen. Als Beispiel sei angeführt, daß in den letzten zehn Jahren allein bei der Stromversorgung der Haushalte als Folge der zunehmenden Elektrifizierung jährliche Zuwachsraten von 10 bis 12 % zu verzeichnen waren. Auch bei Gas und Wärme ist auf die Dauer mit einem steigenden Verbrauch zu rechnen. Der mit dem Antrag verbundene Steuerausfall würde also sehr bald kompensiert werden. Auf der anderen Seite würde sich aber die Mehrbelastung der Haushalte in den nächsten Jahren noch ganz erheblich steigern, wenn dem Antrag nicht entsprochen würde, den ich hier vertrete.Bei den von mir genannten Mehrbelastungen kann nicht davon ausgegangen werden — das sei ganz klar zum Ausdruck gebracht —, daß sie von den Unternehmen aufgefangen werden können. Das gestattet die Kostenlage der Unternehmen nicht, so daß sie zwangsläufig voll den Verbraucher treffen müssen.Ich darf, um Mißverständnisse auch an dieser Stelle klar auszuräumen, ausdrücklich darauf hinweisen, daß mit dem Antrag nicht etwa eine Privilegierung von „öffentlichen" Unternehmen angestrebt wird. Die Vergünstigung würde vielmehr auch den von den privaten und gemischtwirtschaftlichen Unternehmen belieferten Verbrauchern zu; gute kommen.Der Einwand, den wir bei Diskussionen am Rande gehört haben, ein ermäßigter Steuersatz für Strom und Gas würde zu einer ungleichen Behandlung der verschiedenen Energieträger führen, schlägt nicht durch. Eine steuerliche Entlastung kommt ohnehin nur beim Haushaltsverbrauch in Betracht. Hier aber ist in weiten Bereichen, z. B. bei der Beleuchtung und bei der Verwendung von Kraftstrom, eine Substitution mit den nichtleitungsgebundenen Energieträgern nicht gegeben. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß auch bisher Strom und Gas mit einem ermäßigten Satz, und zwar nur in der letzten Stufe, besteuert worden sind. Die Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit einer solchen Ermäßigung ergibt sich auch aus der Erwägung, daß die Förderung des Verbrauchs dieser Energiearten gerade im Interesse auch des Bergbaues liegt, auf den sich die Strom-und Gaserzeugung auch heute noch in sehr erheblichem Umfange stützt. Im übrigen handelt es sich hier auch um einen Komplex, bei dem das Interesse an der Reinhaltung der Luft und dem Grundwasserschutz nicht ganz ohne Bedeutung ist. Dies sind aber Aufgaben, deren sich sowohl die staatliche Gesundheitspolitik als auch die Kommunalpolitik in den kommenden Jahrzehnten besonders annehmen müssen.Es gibt also eine Reihe von Gründen, die erwogen werden müssen, wenn zu dem Antrag, den ich vertrete, Stellung genommen wird.Unabhängig von der dargestellten Problematik bitte ich den Herrn Bundesfinanzminister, schon jetzt dafür Sorge zu tragen, daß in den Rechtsverordnungen, die demnächst erlassen werden, den Versorgungsunternehmen, die mehr 'als andere Wirtschaftsträger Massenrechnungen zum Teil im Wege eines hochmechanisierten Verfahrens aufstellen, Erleichterungen für die Ausweisung der Mehrwertsteuer gewährt werden. Es ist aus technischen Gründen in sehr vielen Fällen unmöglich, ab 1. Januar 1968 sofort die Steuer auf den Rechnungen gesondert auszuweisen, weil eine Umstellung der Maschinen oft nicht möglich ist und neue Maschinen bis dahin nicht beschafft werden können. Für elektronische Datenverarbeitungsanlagen, wie sie hier benötigt werden, bestehen schon jetzt lange Lieferfristen.Zum Schluß, ebenfalls an den Herrn Bundesfinanzminister gerichtet, eine Frage. Mit Verwunderung habe ich in der Anlage 2 folgende Entdeckung gemacht. In der Liste des Vorratsvermögens findet sich dort unter der Nr. 4 auch elektrischer Strom. Ich wäre dankbar, darüber belehrt zu werden, was damit gemeint sein kann. Bis zur Stunde weiß ich nur, daß nach 'den physikalischen Gesetzen das Wesen des elektrischen Stromes darin besteht, daß er nicht als Vorratsvermögen gelagert oder gespeichert werden kann.Ich bitte Sie im übrigen, unserem Antrag zuzustimmen mit Rücksicht auf die vielen Belastungen, die dem Verbraucher nolens volens durch den Gesetzentwurf auch auf anderen Gebieten auferlegt werden, und mit Rücksicht darauf, daß die Beträge, die hier ausfallen, angesichts der weiteren Steigerung des Verbrauchs nicht wesentlich sind.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Stecker.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch in diesem Antrag liegt der Versuch, einen Teil des Konsums als besonders staatlich förderungswürdig zu erklären und damit einem besonders begünstigten Steuer-
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4718 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 101. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. April 1967
Dr. Steckerratz zu unterwerfen. Wenn Sie, Herr Kollege Jacobi, sagen, daß der Strom und das Gas lebensnotwendig seien, so sind sicherlich sehr viele andere Güter —nehmen wir etwa Güter der Bekleidungsbranche — mindestens genauso lebensnotwendig. Sie können einfach nicht nach den Warenarten klassifizieren. Sie können sogar sagen, daß derjenige im Haushalt am meisten Strom verbraucht, der wirtschaftlich am stärksten ist.Wenn Sie weiter sagen, daß der Stromverbrauch in der Vergangenheit erheblich gestiegen ist und auch in der Zukunft noch steigen wird, so ist das, meine ich, gerade ein sehr geeignetes Objekt für die Verbrauchsbesteuerung; denn man soll ja mit Konsumsteuern nicht Waren besteuern, deren Konsum rückläufig ist, sondern gerade die Waren, deren Konsum steigt.Es ist außerdem eine völlig ungleiche Behandlung des Stromes, der im Haushalt unmittelbar verbraucht wird, und des Stromes, der über die Waren vom Verbraucher konsumiert wird. Der Strom, der in den Schuhen verarbeitet ist und sich im Preis niederschlägt, ist am Ende mit 10% versteuert; nur der Strom, der am Herd verbraucht wird, ist privilegiert. Es ist effektiv kein echter Grund einzusehen, weshalb man das tun sollte.Sie sagen dann, der Strom sei nicht substituierbar. Es gibt natürlich Bereiche, wo er nicht substituierbar ist; aber der Verbrauch ist sehr wohl zu steigern. Ich kann viel Strom verbrauchen, ich kann wenig Strom verbrauchen. Ich kann also, wenn ich meinen Konsum einschränken will, das auch in diesem Bereich tun; ich kann ihn auch sehr erheblich, sehr luxuriös ausweiten, wie sich heute an sehr vielen Elektrogeräten zeigen läßt.Ich wehre mich also dagegen, daß dieser Antrag mit sozialen Argumenten begründet wird.
Dann wird als nächster Schritt versucht werden, die Kohle und das Heizöl ebenfalls in die Gruppe der niedrig besteuerten Waren zu drängen.Als letztes, aber nicht als geringstes, möchte ich hier noch den Steuerausfall von 200 Millionen anführen; nach meiner Berechnung sind es sogar 240 Millionen DM im Jahr. Diesen Betrag, Herr Kollege Jacobi, muß dann der gleiche Verbraucher aufbringen. Jede Differenzierung führt hier zu Ungerechtigkeiten. Wir haben es eben in jedem Fall mit einer Verbrauchsteuer zu tun, die wir dem Verbraucher auferlegen müssen.Ich bitte Sie daher, den Antrag abzulehnen.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Kurlbaum-Beyer.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Der Antrag macht deutlich, daß die Fraktion der SPD zu dieser Frage keine einheitliche Stellungnahme bezogen hat. Ich darf dazu folgende Gründe anführen.
Der Herr Kollege Jacobi hat mit Recht auf die verbraucherpolitische Auswirkung hingewiesen. Es besteht tatsächlich die Gefahr — das haben wir alle eingesehen —, daß hier eine Erhöhung um einen Pfennig pro Kilowattstunde eintritt. Wenn wir uns aber die modernen Versorgungsanlagen in den Großstädten heute ansehen, dann wissen wir, daß sehr große Investitionen vorgenommen worden sind. Eine manuelle Tätigkeit wird kaum noch sichtbar.
Dann ist auch das zu berücksichtigen, was der Kollege Dr. Stecker angeführt hat, nämlich die Frage des Ausfalls. Wir sind hier von folgendem ausgegangen. Der Antrag ist zunächst einmal auf Versorgungsbetriebe begrenzt. Das würde eine zusätzliche Wettbewerbsverzerrung zur Kohle bringen. Weiter hätte der Antrag eine unterschiedliche Behandlung von leitungsgebunden und nicht leitungsgebundenen Unternehmen zur Folge. Wenn wir diese Regelung aber auch auf die Kohle ausdehnten, dann würde der Ausfall nicht 200 Millionen, sondern schon 400 Millionen DM betragen. In diesem Falle würden aber sofort die süddeutschen Abnehmer kommen und fragen, warum nur die Kohle und nicht auch das Heizöl eingeschlossen wird, das heute ebenfalls zur Energiebereitung verwendet wird. Dann würde der Ausfall nicht mehr 450 Millionen, sondern 570 Millionen DM betragen. Das sind die Zahlen.
— Herr Kollege Jacobi, hier wird kein Buhmann aufgebaut.
Wir dürfen hier eines nicht vergessen. Sicherlich wird eine jährliche Zuwachsrate des Verbrauchs, die Herr Kollege Jacobi angeführt hat, eintreten. Aber diese Zuwachsrate ist bei den Zahlen für das Steueraufkommen schon berücksichtigt. Wir müsauch an die Haushaltslücken denken. In den letzten Tagen wurde uns in erschreckender Weise vor Augen geführt, vor welcher Situaion wir in den nächsten Jahren noch stehen werden. Deshalb müssen wir uns fragen, wieweit wir weiteren Einschränkungen oder zusätzlichen Belastungen des Haushaltes überhaupt. noch zustimmen können. Wir müssen also an die Haushaltslage denken. Wenn wir die Haushaltslage nicht verschlechtern wollten, kämen wir in die Situation, unter Umständen den Steuersatz erhöhen zu müssen. Eine Erhöhung des Steuersatzes würde aber eine generelle Preiserhöhung bedeuten.
Aus diesen Gründen haben wir uns in der Fraktion mit Mehrheit für leine Ablehnung dieses Antrages entschieden.
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollege Jacobi hat zwei Fragen gestellt. Ich darf mich auf
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Bundesminister Dr. h. c. Straußdie Beantwortung der beiden Fragen — in wenigen Ausführungen — beschränken.Es ist selbstverständlich, daß die Finanzverwaltung, und zwar in Zusammenarbeit zwischen Bundesfinanzministerium und Länderfinanzministerien, diesen Werken — Elektrizitätswerken, Gaswerken — bei der überaus schwierigen und umfangreichen Arbeit der Umstellung ihrer Rechnungen an die Hand gehen wird. Dieses Problem ist vorgemerkt und wird in dem von Ihnen gewünschten Sinne behandelt werden.Zweitens. Ich habe gebeten, zu prüfen, inwiefern es einen Speicherstrom gibt. Ich kann nur zwei Vermutungen äußern, Herr Kollege Jacobi: entweder handelt es sich um die wörtliche Übernahme einer Position aus dem Zolltarif, wobei das Wort „elektrischer Strom" dazugekommen ist, oder es ist hier elektrischer Strom auf Vorrat in Gestalt größerer Akkumulatoren-Trockenbatterien gemeint, der ja ebenfalls als Ware nach dem Zolltarif registriert wird. Aber ganz bin ich dem Problem noch nicht auf den Grund gekommen. Ich darf mir erlauben, Ihnen darüber einen Bericht zu erstatten, wenn das Ergebnis der in wenigen Minuten nicht möglichen Prüfung vorliegt.Ein letztes Wort! Ich habe heute bei meinen einleitenden Bemerkungen gesagt, daß mit der Nettoumsatzsteuer nicht eine Reservekasse für den Bundeshaushalt begründet werden soll, daß dieses Gesetz nicht ein Haushaltssicherungsgesetz ist, unter der Verbrämung einer Steuerreform vorgetragen, sondern daß der Ertrag der Nettoumsatzsteuer im großen und ganzen mit dem Ertrag des kumulativen Allphasen-Umsatzsteuersystems in etwa gleich ist. Die Reserven, die noch darinstecken, betragen nach den Beratungen der Fraktionen rund 120 Millionen DM, Herr Kollege Jacobi.
Wenn das Ergebnis in der Frage „Zeitschriften" etwa im Sinne des FDP-Antrags sein wird, vermindert sich der Betrag um weitere 50 Millionen DM. Dann sind wir noch bei 70 Millionen DM. Wir haben aber auch kleine Unwägbarkeiten darin. Ihr Antrag bedeutet einen Steuerausfall von 240 Millionen DM.
— Wasser sind nur 20 Millionen DM; dann wären es 220 Millionen DM. Aber aus unseren Unterlagen ergibt sich, daß für Gas, elektrischen Strom und Wärme der Ansatz 240 Millionen DM ist. — Aber auch wenn Sie recht haben sollten und man die 20 Millionen DM herausnehmen müßte, dann wären es 220 Millionen DM, und dann erbringt die Nettoumsatzsteuer schon nicht mehr das, was das alte Steuersystem erbracht hat. Das ist angesichts des Problems der mittelfristigen Finanzplanung — um mich sehr zurückhaltend auszudrücken — eine außerordentlich schwierige Angelegenheit. Denn Ihre Vorstellung, daß dann um so mehr Gas, Strom und Wärme verbraucht wird, wenn keine höhere Steuer darauf ist, daß also der Mehrverbrauch daswieder wettmacht, entspricht einer optimistischidealistischen Weltbetrachtung,
hält aber einer experimentellen Nachprüfung nicht stand.Noch wichtiger nehme ich eine andere Frage: wenn hier eine solche Ausnahme gemacht wird, wo ist dann die Grenze? Wie kann man dann Anträge anderer Art, die die Einbeziehung aller Energieträger fordern, mit einem plausiblen Recht abwenden? Und dann sind wir nicht mehr bei 240 Millionen oder 220 Millionen DM, sondern dann sind wir bei 550 Millionen oder 570 Millionen DM, und dann stimmt die Kasse effektiv nicht mehr, Herr Kollege Jacobi.
Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Dann kommen wir zur Abstimmung über den Antrag auf Umdruck 161. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, gebe das Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Der Antrag auf Umdruck 166 Ziffer 2 ist schon früher vom Hause entschieden worden. Wir kommen dann zu dem Antrag auf Umdruck 178.
— Der Antrag Umdruck 178 *) wird zurückgezogen.
Dann haben wir nur noch den Antrag Umdruck 182. Zur Begründung Herr Schmidt .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren. Es handelt sich um eine kleine Neufassung zur übersichtlichen Gestaltung des Textes, die 'im übrigen klarstellen soll, daß hier unter Tee auch Haustee in jeder Form wie etwa Malventee, Lindenblütentee, Fencheltee und dergl. verstanden werden soll. Das ist der Sinn dieses Antrags, der im Einvernehmen mit ,dem Bundesfinanzministerium gestellt worden ist.
Wer dem Antrag auf Umdruck 182 zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Einstimmig *angenommen.Soviel ich sehe, sind wir damit am Ende der Anträge zur Anlage 1. Wir können jetzt über § 12 Abs. 2 Nr. 1 abstimmen. Wenn diese Nr. 1 angenommen wird, erledigen sich damit die Anträge auf Streichung, die früher schon aufgerufen wurden. Wer dieser Nr. 1 zuzustimmen wünscht, gebe das Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einigen Gegenstimmen und wenigen Enthaltungen angenommen.Ich rufe dann auf § 12 Abs. 1 Nr. 2, — Nr. 3, — Nr. 4 und Nr. 5 — Änderungsanträge liegen dazu nicht vor. Wer diesen Nummern zuzustimmen*) Siehe Anlage 25
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4720 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 101. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. April 1967
Vizepräsident Dr. Mommerwünscht, gebe das Zeichen. — Gegenprobe! — Einstimmig angenommen.Dann liegen Ergänzungsanträge zur Einfügung einer Nr. 5 a vor, und zwar auf den Umdrucken 153 *) und 174 **). Werden die Anträge begründet? — Herr Abgeordneter Dr. Eckhardt zur Begründung des Antrags Umdruck 174.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach § 12 Abs. 2 Nr. 5 sind die Lieferungen und sonstigen Leistungen sowie der Eigenverbrauch aus der Tätigkeit als Angehöriger eines freien Berufes im Sinne des § .18 des Einkommensteuergesetzes befreit. Nach einem alten Grundsatz des Umsatzsteuerrechts müssen gleichartige Leistungen gleich behandelt werden. Dieser Grundsatz des Umsatzsteuerrechts stimmt mit dem Verfassungsprinzip des Art. 3 des Grundgesetzes überein. Wenn nun die freiberufliche Tätigkeit in der gleichen Form von einer Gesellschaft erbracht wird, z. B. von einer Wirtschaftsprüfungs-, Buchprüfungs- oder Steuerberatungsgesellschaft, dann muß diese gleichartige Tätigkeit auch der gleichen Besteuerung unterliegen, d. h. dem gleichen ermäßigten Steuersatz.
Selbstverständlich kommt es vor, daß im Rahmen etwa einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft oder einer 'wohnungswirtschaftlichen Betreuungsgesellschaft oder einer ähnlichen Gesellschaft auch Tätigkeiten ausgeübt werden, die nicht mit einer freiberuflichen Tätigkeit gleichartig sind, sondern eine gewerbliche Tätigkeit ,darstellen. Es ist selbstverständlich, daß diese Tätigkeit dann dem Steuersatz von 10 % unterliegen muß, wie etwa der Bau von Wohnungen durch eine Wohnungsbetreuungsgesellschaft; denn eine Wohnungsbetreuungsgesellschaft kann nur mit den Leistungen Steuerermäßigung 'beanspruchen, die der freiberuflichen Tätigkeit gleichartig sind.
Mit Rücksicht auf diesen Grundsatz beantragen wir, hinter der Nr. 5 des Absatzes 2 folgende Nr. 5 a einzufügen:
Dem ermäßigten Steuersatz unterliegen die der freiberuflichen Tätigkeit entsprechenden Leistungen der Steuerberatungs-, Wirtschaftsprüfungs- und Buchprüfungsgesellschaften, der genossenschaftlichen Prüfungsverbände, der genossenschaftlichen Treuhandstellen, der Personenvereinigungen im Sinne des § 107 a Abs. 2 Nr. 8 RAO und Ingenieurgesellschaften sowie der wohnungswirtschaftlichen Betreuungsgesellschaften.
Die Einfügung der Personenvereinigungen im Sinne des § 107 a RAO, die die landwirtschaftlichen Buchstellen betrifft, für die das gleiche gilt, ist im Umdruck versehentlich unterlassen worden.
Ich überreiche Iden Umdruck in der gültigen Fassung und bitte Sie, meinem Vorschlag zuzustimmen.
*) Siehe Anlage 26 **) Siehe Anlage 27
Das Wort zur Begründung des Umdrucks 153 hat Herr Abgeordneter Schmidt .
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf namens der Antragsteller mit Freuden feststellen, daß in dieser Diskussion eine recht gute Zusammenarbeit zwischen den Regierungsparteien und der Opposition möglich war. Wenn heute früh auf dem Tisch dieses Hauses ein Gruppenantrag der Opposition lag, dem nach Prüfung durch das Bundesfinanzministerium ein Antrag der Regierungsparteien folgte, der jetzt sogar in seiner Ergänzung durch den Kollegen Eckhardt noch den § 107 a Abs. 2 Nr. 8 RAO mit beinhaltet, dann ist unser Petitum der Kollegen der FDP-Fraktion — damit erfüllt.
Ich darf namens der Unterzeichneten diesen Antrag zurückziehen und allen empfehlen, dem Antrag der Regierungsparteien zu folgen.
Das Wort zur Begründung des Umdrucks 151 *), der sich auf denselben Punkt bezieht, hat Herr Miessner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der FDP-Fraktion möchte ich noch den Umdruck 151 begründen, der zu derselben Materie gehört.Für die Tätigkeiten von Angehörigen der freien Berufe ist gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 5 der ermäßigte Steuersatz von 5 % vorgesehen. Darunter fällt unter anderem auch die Tätigkeit von Architekten oder selbständigen Statikern.Zwecks Förderung des Einzel- und Kleineigentums hat nun der Gesetzgeber im Zweiten Wohnungsbaugesetz den Begriff „Betreuungsunternehmen" geschaffen und diese Unternehmen — insbesondere auch freie Wohnungsunternehmen — zur Betreuungstätigkeit verpflichtet. Die wohnungswirtschaftliche Betreuungstätigkeit ist der entsprechenden Tätigkeit anderer freier Berufe völlig gleichgelagert. Sie ist übrigens auf Grund gesetzlicher Bestimmungen bei Eigentumswohnungen auch noch nach deren Fertigstellung notwendig. Im Grunde geht es hier — nur eben in speziellerer Form — ebenfalls darum, die gleiche Tätigkeit unabhängig von der Rechtsform auch steuerlich gleich zu behandeln. Die FDP hatte daher beantragt, diese steuerliche Gleichbehandlung in einer besonderen Bestimmung festzulegen. Nachdem aber das Petitum der FDP im Antrag Umdruck 174, der soeben vom Kollegen Eckhardt begründet worden ist, in einer generalisierenden Form faktisch enthalten ist, insbesondere nachdem der Kollege Eckhardt ausgeführt hat, daß eine Tätigkeit, die nicht freiberuflich ist, der Steuerbegünstigung im übrigen nicht im Wege steht, bin ich in der Lage, unseren Antrag nunmehr zugunsten des Antrages der Regierungskoalition zurückzuziehen. Denn unserem Anliegen ist damit voll Rechnung getragen.*) Siehe Anlage 28
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 101. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. April 1967 4721
Das Wort hat Herr Dr. Eckhardt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf Anregung des Bundesfinanzministeriums möchte ich vorschlagen, das Wort „Personenvereinigungen", das in diesem Antrag gebraucht worden ist, durch das umsatzsteuertechnisch bessere Wort „Zusammenschlüsse" zu ersetzen. Ich bitte, dem zuzustimmen. In dem Antrag soll es also statt „Personenvereinigungen" jetzt „Zusammenschlüsse" heißen, damit unter Umständen auch GmbHs erfaßt werden können.
Das Wort wird zu diesem Antrag nicht mehr gewünscht. Dann können wir — ich glaube, darüber bestand Einverständnis — über die jetzt geänderte Fassung abstimmen. Wer dem Antrag Umdruck 174 zuzustimmen wünscht, gebe das Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einigen Gegenstimmen angenommen.
Dann kommen wir zu § 12 Abs. i Nr. 6. Zu den Buchstaben a, b, c liegen keine Anträge vor. Zu Buchstabe d liegt der Umdruck 143 Ziffer 10 vor. Frau Funcke hat das Wort zur Begründung.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ein Blick in das Paket zeigt, daß wir uns in der Frage des allgemeinen Volksvergnügens auf Volksfesten alle einig sind, getreu dem letzten Satz in Goethes „Osterspaziergang". Ich brauche deswegen zur Begründung nichts mehr zu sagen. Wir werden sicherlich die Schausteller in die Gruppe der steuerlich generell Begünstigten einbeziehen.
Wir haben jetzt zwei Anträge zum gleichen Gegenstand vorliegen, die Anträge Umdrucke 175 *) und 143 Ziffer 10. Wir nehmen Antrag Umdruck 175 zur Grundlage der Abstimmung. Besteht Einverständnis darüber? — Keine Wortmeldungen.
Dann stimmen wir darüber ab. Wer Antrag Umdruck 175 — in der Sache gleich mit Antrag Umdruck 143 Ziffer 10 — zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen einige Stimmen angenommen.
Dann kommen wir zum Antrag Umdruck 156**). Es ist der Antrag der Abgeordneten Dr. Besold, Dr. Franz und Genossen auf Anfügung eines Buchstaben e.
Herr Schlee, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Auftrag und mit Vollmacht der Antragsteller habe ich zu erklären, daß der Antrag zurückgezogen wird mit Vorbehalt für die dritte Lesung.
*) Siehe Anlage 29
**) Siehe Anlage 30
Dieser Antrag ist also zurückgezogen.
Dann kommen wir zu Nr. 7 und Nr. 8. Dazu liegen keine Änderungsanträge vor.
Wer den Nrn. 7 und 8 zuzustimmen wünscht, gebe das Zeichen. — Gegenprobe! — Einstimmig angenommen.
Zu Nr. 9 liegen wieder Änderungsanträge vor, und zwar zunächst der Änderungsantrag Umdruck 154 *). Wer begründet den Antrag? — Bitte, Herr Schmidt !
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Nr. 9 des § 12 Abs. 2 sind alle die Verkehrsmittel aufgeführt, die der Personenbeförderung dienen. Für sie ermäßigt sich die Steuer auf 5%, allerdings erstaunlicherweise mit Ausnahme der Bergbahnen. Da man zunächst der Meinung war, man solle den gesamten Personenverkehr gleich besteuern und ihm damit auch gleiche Chancen geben, ist es erstaunlich, daß man nun einen Teil davon ausklammert. Eine Überprüfung dieser Frage hat gezeigt, daß eine Ausklammerung der Berg- und auch der Seilbahnen zu Entwicklungen führen könnte, die wohl niemand in diesem Hause gerne möchte, zumal das Finanzvolumen, das dabei eine Rolle spielt, wahrscheinlich nicht in eine sehr hohe Größenordnung hineinwachsen kann.Nicht nur die Gleichbehandlung, sondern die Wettbewerbssituation dieser Berg- und Seilbahnen im ganzen müssen wir uns ein wenig anschauen. Wegen dieser Wettbewerbssituation sind die Antragsteller und erfreulicherweise auch noch ein Teil der Kollegen von der CDU/CSU für die Wiedereinfügung der Bergbahnen und Seilbahnen in die Nr. 9. Die Berg- und Seilbahnen befinden sich zum größten Teil in den gebirgigen Gegenden der Bundesrepublik und damit in Grenzbereichen. Sie stehen in einem sehr harten Konkurrenzkampf mit den Bergbahnen und Seilbahnen beispielsweise im benachbarten Osterreich. Die Preise der Bergbahnen pro Kilometer auf dem Gebiet der Bundesrepuplik machen bereits heute 23% mehr aus als in Osterreich. Das liegt zum Teil daran, daß Osterreich in der Vergangenheit seinem Fremdenverkehrsraum mehr Aufmerksamkeit durch verbilligte Darlehen usw. gewidmet hat, als das bei uns immer möglich war oder immer geschehen ist. Eine weitere Anhebung der Verkehrspreise pro Kilometer würde für manche Bergbahnen die Existenzfrage stellen. Denken Sie, wenn Sie die örtlichen Verhältnisse etwas kennen, an die Zugspitzbahn, denken Sie an den Bereich Oberstdorf-Kleinwalsertal.
— Entschuldigen Sie, meine Damen und Herren, wir werden ja darüber sprechen können.
— Es geht hier nicht um das Zufußgehen, HerrKollege, sondern es geht darum, ob die Familie mit*) Siehe Anlage 31
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Schmidt
fünf Kindern, die sich vorgenommen hat, im Urlaub einmal im Allgäu oder in Oberstdorf oder in Garmisch auf die Berge zu fahren, die Bahn nimmt, die nur 100 Meter weiter auf österreichischem Gebiet auf denselben Gipfel führt, oder die Bahn auf dem Gebiet der Bundesrepublik nimmt.Meine Damen und Herren, das ist doch eine Frage, die Sie entscheiden können. Ich bin der Meinung, es wäre besser, solche Fälle gleichzubehandeln, vor allem wenn man allen anderen Personenverkehr in dieser Form mit 5 % besteuert. Daß man ausgerechnet diese Ausnahme macht, kann ich nicht verstehen, zumal eine Wettbewerbsverzerrung im Fremdenverkehrsraum Süddeutschlands insbesondere gegenüber Osterreich und der Schweiz bereits vorhanden ist. Wir haben diese Frage vorhin schon in einem anderen Zusammenhang angeschnitten. Auch hier sollte überlegt werden, ob man vom Gleichheitsgrundsatz abgehen soll und einen Teil, die Berg- und Seilbahnen, einfach ausklammern soll oder ob man nicht die Gleichheit herstellen und damit die Wettbewerbssituation dieser Berg- und Seilbahnen den ausländischen Bahnen gegenüber, den über die Grenze 100 Meter weiter liegenden Bahnen gegenüber, erleichtern soll.Die Frage muß hier entschieden werden. Deshalb haben einige Kollegen meiner Fraktion den Antrag gestellt, in Nr. 9 die Worte „mit Ausnahme der Bergbahnen" zu streichen und dafür hinter den Worten „im genehmigten Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen und im" die Worte „Berg- und Seilbahn- und" einzufügen. Damit wäre die Gleichheit des Wettbewerbs, auch die Gleichheit der Chancen hergestellt, die Sie durch diese Umsatzsteuerreform verstärken wollen gegenüber Wettbewerbsverzerrungen von früher. Ich weiß nicht, ob man nun unbedingt neue Wettbewerbsverzerrungen für einen ganz kleinen Bereich wieder einführen sollte oder ob es nicht gerechter wäre, mit gleichen Maßstäben zu messen.
Das gleiche Petitum, das dem Antrag Umdruck 154 zugrunde liegt, finden wir in dem Antrag Umdruck 160 *) der Abgeordneten Dr. Gleissner, Dr. Brenck, Krug und Genossen. Wird von den Antragstellern das Wort gewünscht? — Bitte, Herr Dr. Brenck!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ihnen vorliegende Antrag Umdruck 160 befaßt sich ebenfalls mit der Besteuerung der Bergbahnen. Ich möchte Sie im Namen der Antragsteller bitten, diesem Antrag auf Grund der besonderen Umstände zuzustimmen.
Tatsächlich sind die deutschen Bergbahnen durch Besserstellung von Bahnen in den Nachbarländern schon bisher in einer schwierigen Wettbewerbslage, die durch die neue Besteuerung noch verschlechtert wird. Das hat sich schon bisher nachteilig auf die Fremdenverkehrsentwicklung ausgewirkt; denn die Bergbahnen sind nachweislich ein großes Anzie-
*) Siehe Anlage 32
hungs- und Werbemittel für die Fremdenverkehrsgebiete. Nach meiner Meinung wäre es auch ein Irrtum, anzunehmen, daß solche Kosten bei der Auswahl des Urlaubsortes, zumal bei Familien, überhaupt keine Rolle spielen. Wir sollten in diesem Zusammenhang auch gar nicht allein an die Bergbahnen denken, sondern daran, daß unser Fremdenverkehr nicht beeinträchtigt wird. Die Konkurrenz auf diesem Gebiet nimmt nämlich in der Tat unvorstellbare Formen an. Denken Sie nur an die zahlreichen Werbeaktionen in der ganzen Welt — aus vielen Gründen —, den Ausländerreiseverkehr zu aktivieren. In allen vergleichbaren Ländern werden dafür mehr Mittel als bei uns zur Verfügung gestellt. In diesem Zusammenhang darf ich Sie nur an einen einzigen wichtigen Grund erinnern: das geschieht in vielen Fällen mit Rücksicht auf die Zahlungsbilanz. Wenn wir heute und in der Zukunft auch nur den Stand halten wollen, den wir jetzt haben, müssen wir mehr auf diese Dinge sehen.
Deshalb bitte ich Sie, unserem Antrag zuzustimmen.
Herr Krammig!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe schnell noch einmal die Unterlagen zum Hearing nachgesehen, und ich kann mich erinnern, daß der Vertreter der Seil- und Bergbahnen ein außerordentlich sympathischer Mann war, der sich zu den Vertretern des deutschen Schneiderhandwerks rechnete und die Sache im Hearing ganz ausgezeichnet gemacht hat. Dieser Herr Schmucker — nicht Schmücker — war wirklich ein reizender Vertreter. Nur hatte er das unaussprechliche Pech, daß die Vertreter des zuständigen Ministeriums der Auffassung waren, hier liege kein Grund für eine Begünstigung vor. Dieser Meinung haben wir uns angeschlossen, weil wir glaubten, daß das Haus, das auch diese Sparten des Verkehrs betreut, am besten wissen muß, ob wir einen ermäßigten Steuersatz einzuräumen haben oder nicht.
Deshalb kann ich Ihnen nur empfehlen, dem Beschluß des Finanzausschusses beizutreten und die Ermäßigung des Steuersatzes abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann diejenigen, die fürchten, daß eine Konkurrenz auf österreichischem Gebiet die Berg- und Seilbahnen auf bayerischem Gebiet beeinträchtigen könnte, insofern beruhigen, als wir mit der österreichischen Finanzverwaltung seit Jahren sehr eng zusammenarbeiten. Ein ständiger Vertreter kommt zur Beobachtung unserer Verhandlungen immer wieder nach Bonn. Wenn wir heute etwa die Berg- und Seilbahnen mit Rücksicht auf die österreichische Konkurrenz außer Betracht ließen, würde das nur die Folge haben, daß die
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Schmidt
Österreicher demnächst bei ihren Verhandlungen über ihr Mehrwertsteuergesetz, das sicherlich weitgehend dem unsrigen folgen wird, natürlich auch die Berg- und Seilbahnen ausnehmen werden. Deshalb schlage ich Ihnen vor, daß wir kein schlechtes Beispiel geben.
Frau Diemer-Nicolaus hat das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kollegen und Kolleginnen! Nachdem ich Herrn Krammig und jetzt Sie, Herr Kollege Schmidt, gehört habe, erinnere ich mich natürlich noch sehr gut an die Diskussion aus der 3. Legislaturperiode darüber, welcher Steuersatz bei Bergbahnen berechtigt ist. Herr Kollege Krammig, damals haben wir die Herabsetzung der überhöhten Steuersätze auch gegen .das Ministerium erreicht, und es hat sich absolut als richtig erwiesen. Da kamen nämlich unsere Bergbahnen aus den roten Zahlen wieder heraus und waren auch wieder konkurrenzfähig. Diese Konkurrenzfähigkeit sollten wir jetzt erhalten! Es zeugt nur für den absolut konservativen Geist, der eben in manchen Ministerien zu Hause ist, wenn sie jetzt wieder mit den gleichen Argumenten kommen. Ich bitte Sie, wie in der 3. Legislaturperiode nicht dem Ministerium zu folgen, sondern sich hier für den Fremdenverkehr und für die Bergbahnen zu entscheiden.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Ertl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist sehr merkwürdig, wenn hier von einem. Vertreter des Parlaments gesagt wird, das Parlament macht die Entscheidung von der Meinung des Ministeriums abhängig. Ich bin der Meinung, wir sind dazu da, ,dem Ministerium unsere Meinung zu vermitteln und danach frei zu entscheiden.
Das verstehe ich unter Gewaltenteilung, und insoweit wäre es vielleicht nützlich gewesen, wenn die Kollegen dem charmanten Vertreter der Seilbahnen gefolgt wären.
Aber lassen Sie mich noch etwas zu einigen Bemerkungen sagen. Diese Entscheidung ist eine Entscheidung für oder gegen den Fremdenverkehr und die Förderung des Fremdenverkehrs.
Das ist eine sehr wesentliche Frage. Bitte sehr, Sie können ja mit mir diskutieren, wenn Sie anderer Meinung sind. Ich bin gern bereit, mit Ihnen zu diskutieren. Rein sachlich steht fest, daß der österreichische Staat, der Schweizer Staat, der italienische Staat, der französische Staat die Bergbahnen erheblich subventionieren, zum Teil sogar auf Staatskosten einrichten und so lange unterhalten, bis sie
sich rentieren, und dann erst Privatleuten übergeben. Das sind Fakten. So haben diese Staaten ein großes Potential für den Fremdenverkehr geschaffen.. Und Sie meinen, wir können diese Konkurrenz verkraften! Unsere Bergbahnen haben außerdem — das lassen Sie mich auch sagen — nicht nur die Aufgabe, dem Fremdenverkehr nutzbar zu sein.
— Das mag Ihre Auffassung vom Tourismus sein, Herr Dr. Geißler. Sie haben ja öfters so merkwürdige Auffassungen, beispielsweise über Europa und Saar. Das ist ja bekannt. Ich bin der Meinung, die Menschen, die hinauffahren, wollen sich erholen. Ich dachte, die Große Koalition hätte soviel für die Erholung ,der Menschen übrig, aber das ist offensichtlich bei dieser Regierung auch anders geworden.
Aber es geht auch darum, daß diese Bergbahnen für die Allgemeinheit nutzbar werden, z. B. für den Transport und bei Bergnot. Unsere Bergbahnen sind weiß Gott auf Grund der allgemeinen Investitionssituation und der Lohnsituation in keiner rosigen Konkurrenzlage. Daher bitte ich Sie, dem Antrag meiner Kollegen und dem Antrag von Kollegen der CDU/CSU zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Könen .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt bestimmte Redensarten, die lasse ich niemandem durchgehen, gleichgültig auf welchem Gebiet. Ich spreche von der Redensart: Bist du in einer Detailfrage dagegen, so bist du gegen alles. Diese Redensart hat in der hohen Politik schon zu peinlichen und bösartigen Situationen geführt. Ich weise es zurück, daß ich, wenn ich gegen einen Antrag bezüglich Bergbahnen bin, damit gegen den Fremdenverkehr sei. Ich verbitte mir das.
Herr Krammig hat noch einmal das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich scheine mich in einem Gegensatz zu Herrn Kollegen Ertl von der FDP zu befinden. Ich höre immer auf vernünftige Ratschläge, selbst wenn sie aus einem Ministerium kommen. Herr Ertl scheint aber grundsätzlich der Auffassung zu sein, daß da nichts Vernünftiges herkommt. Solange die FDP in der Koalition war, war sie anderer Auffassung. Heute aber vertritt sie die gegenteilige Meinung. Nun, das muß Herr Ertl mit sich selber ausmachen.Ich darf Ihnen aber zu dem Problem folgendes sagen. Wenn man es richtig betrachten will, muß man sich auch einmal überlegen, welche Wirkung hinsichtlich der Vorsteuern, die Bergbahnen ja auch haben, entstehen kann, wenn wir auf die Fahrpreise nur ein 5%ige Umsatzsteuer legen. Nach dem Protokoll über die Anhörung der Verbände hat der von
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Krammiguns speziell zu dem Problem der Bergbahnen gehörte Sachverständige gesagt, daß ein 10%iger Steuersatz im Hinblick auf die relativ hohe Vorsteuer noch durchaus vertretbar wäre. Das war mit ein entscheidender Grund, warum wir uns damals für die 10%ige Besteuerung ausgesprochen haben. Das wollte ich noch zur Ergänzung hinzugefügt haben.
Meine Damen und Herren, es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Wir haben zwei Texte mit dem gleichen Inhalt. Nach dem sachverständigen Rat, den ich eingeholt habe, ist der Text auf Umdruck 154 der geeignetere. Wenn sich kein Widerspruch erhebt, stimmen wir über diese Fassung ab. Wer dem Antrag Umdruck 154 zuzustimmen wünscht, gebe das Zeichen. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
— Wir machen gleich Schluß. Die Finanzpolitiker sind müde, und das ist nach diesem Tag zu verstehen. Wir wollen aber die Beratung der Nr. 9 noch zu Ende bringen.
Auf Umdruck 1761 liegt ein Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD vor, in § 12 Abs. 2 Nr. 9 Buchstabe b) die Zahl „vierzig" durch die Zahl „fünfzig" zu ersetzen.
Zur Begründung hat der Abgeordnete Feuring das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In § 12 Abs. 2 Nr. 9 Buchstabe b ist die Einschränkung gemacht, daß die Nahverkehrsunternehmen die ermäßigte Steuer von 5 % unter anderem nur dann in Anspruch nehmen können, wenn die Beförderungsstrecke nicht mehr als 40 km beträgt. Die Bestimmung muß dahin verstanden werden, daß die Steuerermäßigung eintritt, sofern die Beförderungsstrecke bei den einzelnen Verkehrsunternehmen bis zu 40 km beträgt und das
*) Siehe Anlage 33
Umsteigen eines Fahrgastes auf Fahrzeuge eines anderen Unternehmens beispielsweise im Gemeinschafts- und Verbundverkehr als eine neue Beförderungsstrecke angesehen wird. Dadurch, meine Damen und Herren, wird gerade das Gegenteil von dem erreicht, was man mit dem Verbundverkehr erreichen will: Es soll vermieden werden, daß ein zweiter Fahrschein gelöst werden muß, und es sollen eine flüssige und schnelle Verkehrsbedienung sowie eine Einsparung von Verwaltungsarbeit erzielt werden. Abhilfe bringt hier die Erhöhung der 40-km-Grenze auf 50 km.
Ich darf deshalb bitten, dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf Umdruck 176 zuzustimmen.
Das war wohl die letzte Rede am heutigen Tage. Es war eine Jungfernrede. Sie war vorbildlich kurz; wir gratulieren.
Es liegen keine Wortmeldungen vor. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag auf Umdruck 176:
In § 12 Abs. 2 Nr. 9 Buchstabe b wird die Zahl „40" durch „50" ersetzt.
Wer zuzustimmen wünscht, gebe das Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei Gegenstimmen mit großer Mehrheit angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über Nr. 9 insgesamt. Wer der Nr. 9 insgesamt mit der eben beschlossenen Änderung zustimmt, gebe das Zeichen. — Die Gegenprobe! — Einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, der Uhrzeiger ist über 21 Uhr hinausgerückt. Morgen um 14.30 Uhr setzen wir die Beratung fort.
Die Sitzung ist geschlossen.