Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich einige Mitteilungen zu machen.
Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 18. Januar 1967 an Stelle der Frau Abgeordneten Strobel, die ihr Mandat im Europäischen Parlament niedergelegt hat, den Abgeordneten Behrendt als Mitglied des Europäischen Parlaments benannt. — Das Haus ist damit einverstanden. Damit ist der Abgeordnete Behrendt als Mitglied des Europäischen Parlaments gewählt.
Mit Schreiben vom 20. Januar 1967 hat die Fraktion der SPD an Stelle der aus der Beratenden Versammlung des Europarates ausscheidenden Abgeordneten Dr. Schmid und Paul als ordentliche Mitglieder die Abgeordneten Herold und Schmidt (Würgendorf) benannt. — Das Haus ist damit einverstanden. Damit sind der Abgeordnete Herold — bisher stellvertretendes Mitglied — und der Abgeordnete Schmidt (Würgendorf) als ordentliche Mitglieder der Beratenden Versammlung des Europarates gewählt.
Gemäß § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung soll der Bericht der Wahlkreiskommission für die 5. Wahlperiode des Deutschen Bundestages — Drucksache V/1174 — an den Innenausschuß überwiesen werden. Erhebt sich dagegen Widerspruch? — Das ist nicht der Fall; es ist so beschlossen.
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesminister für Verkehr hat am 20. Januar 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Schmidt , Bading, Mertes und Genossen betr. Verseuchung des Meerwassers —Drucksache V/1267 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/1318 verteilt.
Der Bundesminister für Wirtschaft hat am 23. Januar 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Kurlbaum, Dr. Schmidt und der Fraktion der SPD betr. Mühlenkonvention — Drucksache V/1103 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache V/1327 verteilt.
Der Bundesminister für Wirtschaft hat am 24. Januar 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Geldner, Schmidt , Dr. Haas, Kubitza, Dr. Staratzke und Genossen betr. Situation in der Mühlenwirtschaft und Versorgung der Verbraucher -Drucksache V/1230 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache V/1328 verteilt.
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehende Vorlage überwiesen:
Verordnung Nr. 2/67/ EWG des Rates vom 12. Januar 1967 zur Festsetzung des Grundpreises und des Ankaufspreises für Blumenkohl
Verordnung Nr. 3/67/ EWG des Rates vom 12. Januar 1967 zur Festsetzung des Grundpreises und des Ankaufspreises für Apfelsinen
Verordnung Nr. 4/67/ EWG des Rates vom 12. Januar 1967 zur Festsetzung des Grundpreises und des Ankaufspreises für Mandarinen
Verordnung Nr. 5/67/ EWG des Rates vom 12. Januar 1967 zur Festsetzung des Grundpreises und des Ankaufspreises für Zitronen
Verordnung Nr. 6/67/ EWG des Rates vom 12. Januar 1967 zur Festsetzung des Grundpreises und des Ankaufspreises für Äpfel
Verordnung Nr. 7/67/ EWG des Rates vom 12. Januar 1967 zur Festsetzung des Grundpreises und des Ankaufspreises für Birnen
an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Berichterstattung innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen die Verordnungen erhoben werden.
Zu den in der Fragestunde der 84. Sitzung des Deutschen Bundestages am 18. Januar 1967 gestellten Fragen des Abgeordneten Prochazka, Drucksache V/1290 Nr. VII/4 und VII/5 *), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. Dr. Heinemann vom 19. Januar 1967 eingegangen:
Der Herr Bundespräsident hat auf meinen Vorschlag dem früheren Bundestagsabgeordneten Alfred Frenzel, der durch Urteil des Bundesgerichtshofes vom 28. April 1961 wegen Landesverrats zu fünfzehn Jahren Zuchthaus verurteilt worden ist und sich seit dem 28. Oktober 1960 — also rund sechs Jahre und zwei Monate — in Haft befunden hatte, durch Entscheidung vom
.21. Dezember 1966 den am 23. Dezember 1966 noch nicht verbüßten Teil der Strafe erlassen. Frenzel, dessen Gesundheitszustand angegriffen ist, wurde am 23. Dezember 1966 in Herleshausen/ Wartha freigelassen. Er hat auch die deutsche Staatsangehörigkeit verloren. Im Zusammenhang mit seiner Freilassung sind aus dem anderen Teil Deutschlands drei Häftlinge, die dort unter dem Vorwurf politischer Delikte zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt worden waren und die sich bereits sieben Jahre und drei Monate bzw. vier Jahre und vier Monate bzw. drei Jahre und zwei Monate in Strafhaft befunden hatten, freigelassen worden. Ferner haben die sowjetrussischen Behörden die Journalistin Martina Kischke, die in der UdSSR unter dem Vorwurf der Spionage inhaftiert worden war, freigegeben.
Dieser Häftlingsaustausch ist nicht isoliert zu beurteilen. Ich bin der Auffassung, daß Einzelheiten auf diesem Wege nicht näher dargelegt werden sollten. Ich darf Ihnen jedoch versichern, daß trotz der gegen die vorzeitige Begnadigung eines Landesverräters grundsätzlich bestehenden Bedenken hier gewichtige Gründe dazu geführt haben, dem Herrn Bundespräsidenten eine Begnadigung Frenzels vorzuschlagen.
Wir treten in die Tagesordnung ein. Punkt 1 der Tagesordnung:
Fragestunde
— Drucksachen V/1316 —
Ich rufe zunächst die Frage aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen, gestellt von dem Abgeordneten Dr. Hofmann , auf:
Würde es die Bundesregierung im Rahmen ihrer gesamtdeutschen Politik begrüßen, wenn westdeutsche Großstädte mit Großstädten Mitteldeutschlands Freundschaftsverhältnisse auf kommunaler Ebene begründen würden?
*) Siehe 84. Sitzung, Seite 3910 B
4006 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, -den 25. Januar 1967
Vizepräsident Schoettle
Herr Bundesminister, wollen Sie bitte antworten.
Herr Kollege Hofmann, die Bundesregierung begrüßt es, wenn neben Verwaltungskontakten zwischen kommunalen Behörden kulturelle Verbindungen und Begegnungen zum Meinungs- und Erfahrungsaustausch zwischen Gemeinden und Gemeindevertretern ermöglicht werden. Sie läßt sich dabei von der in der Regierungserklärung vom 13. Dezember ausgesprochenen Absicht leiten, Gräben zu überwinden und nicht zu vertiefen. Es muß dahingestellt bleiben, ob der Begriff „Freundschaftsverhältnisse auf kommunaler Ebene ebenso wie der Begriff Patenschaften, der in einem anderen Teil Ihrer Frage auftaucht, auf den der Herr Bundesminister des Auswärtigen antworten wird, unter den gegenwärtigen politischen Bedingungen eine positive und praktische Gestalt gewinnen kann, besonders im Hinblick auf die unterschiedliche Verwendung dieser Begriffe durch verschiedene Seiten.
Durch Richtlinien, die die Vorgängerin dieser Bundesregierung am 16. August des vergangenen Jahres im Bundesanzeiger veröffentlicht hat, ist versucht worden, den Meinungs- und Erfahrungsaustausch zwischen Gemeinden in den beiden Teilen Deutschlands zu fördern. Die Bundesregierung wird prüfen, welche Möglichkeiten es über den seinerzeit — im Zusammenhang mit den soeben genannten Richtlinien — ins Auge gefaßten Verkehr in Verwaltungsangelegenheiten hinaus gibt, Städte und Gemeinden in fruchtbare Beziehungen zueinander zu bringen.
Keine Zusatzfrage.
Dann kommen wir zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für wissenschaftliche Forschung.
Ich rufe zunächst die FrageV/1 des Abgeordneten Kulawig auf:
Sind Pressemeldungen zutreffend, die im Gegensatz zu der Stellungnahme der Bundesregierung in der 81. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 14. Dezember 1966, betreffend die Standortwahl für das Projekt eines europäischen Großbeschleunigers, stehen, wonach der saarländische Standort Neuforweiler aus geologischen Gründen für den Bau des Beschleunigers nicht in Frage kommt?
Bitte, Herr Bundesminister, wollen Sie antworten!
Ich möchte, Herr Präsident, die beiden ersten Fragen des Abgeordneten Kulawig im Zusammenhang beantworten.
Sind Sie einverstanden, Herr Abgeordneter Kulawig? — Dann rufe ich auch die Frage V/2 des Abgeordneten Kulawig auf:
Ist die Bundesregierung angesichts der Tatsache, daß die Diskussion über den mutmaßlichen Standort des in Frage V/1 erwähnten Projekts längst in die Öffentlichkeit verlagert ist, nicht doch bereit, ihre Auffassung über den geeignetsten Standort in der Bundesrepublik dem Bundestag bekanntzugeben?
Herr Staatssekretär von Heppe hat bereits in der Fragestunde des Bundestages am 14. Dezember auf die Fragen des Herrn Abgeordneten Kulawig nach den deutschen Standortangeboten für einen europäischen Großbeschleuniger erwidert, daß die Bundesregierung ein wissenschaftliches Gutachten von qualifizierten deutschen Fachleuten über die Eignung der von drei deutschen Landesregierungen angebotenen Gelände angefordert hat. Die Ergebnisse dieses Gutachtens, das jetzt vorliegt, sind mit den Landesregierungen erörtert worden. Doch ist diese Aussprache noch nicht abgeschlossen. Die Bundesregierung sieht noch einer Äußerung der beteiligten Landesregierungen zu bestimmten Einzelfragen entgegen. Sobald diese Beratungen zu Ende geführt sind, was in Kürze der Fall sein wird, wird der Bundestag und die Öffentlichkeit sofort unterrichtet werden, welches Gelände bei CERN als möglicher Standort für einen eventuellen Großbeschleuniger von deutscher Seite benannt werden wird.
Zusatzfragen? — Bitte, Herr Abgeordneter Kulawig!
Herr Minister, wie sind auf Grund Ihrer Erfahrungen über die interne Zusammenarbeit bei CERN die Aussichten der Bundesrepublik zu veranschlagen ,den Zuschlag für die Standortwahl zu bekommen?
Diese Frage kann im gegenwärtigen Zeitpunkt überhaupt noch nicht beurteilt werden, weil die Benennung möglicher Standorte durch die verschiedenen interessierten Mitgliedstaaten eine Voraussetzung für den Vergleich ist. Dieser Vergleich steht noch aus. Erst wenn er vorliegt, wird ein endgültiges Votum erarbeitet werden können.
Ich möchte hinzufügen, daß mit der Vorklärung der Standortfrage noch keineswegs die Entscheidung getroffen ist, ob in absehbarer Zeit überhaupt dieses Großprojekt, dessen Investitionskosten auf eineinhalb bis zwei Milliarden Mark zu veranschlagen sind, verwirklicht werden kann. Diese Entscheidung wird dann noch von den Regierungen und Parlamenten getroffen werden.
Noch eine Zusatzfrage.
Ich habe Sie richtig verstanden, Herr Minister, daß Sie in Kürze, wenn Sie das Gutachten ausgewertet und mit den betreffenden Landesregierungen verhandelt haben, den Bundestag über das Ergebnis informieren werden?
Ja.
Frage V/3 des Abgeordneten Kulawig:Welche Bemühungen hat die Bundesregierung bisher unternommen, um mit der französischen Regierung über den Bau einer deutsch-französischen Gemeinschaftslage für das in Frage V/1 erwähnte Projekt zu verhandeln?
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1967 4007
Über das deutsch-französische Projekt eines Höchstfluß-Reaktors hinausgehend, dessen Bau in Grenoble vor einigen Tagen mit der französischen Regierung endgültig vereinbart wurde, werden derzeit noch keine konkreten Verhandlungen mit der französischen Regierung über vergleichbare deutsch-französische Gemeinschaftsanlagen geführt. Es ist jedoch das vorbereitende Studium bestimmter Probleme der internationalen und beiderseitigen Zusammenarbeit durch Arbeitsgruppen vor einigen Monaten eingeleitet worden. Die Bundesregierung würde es begrüßen. wenn diesem ersten Gemeinschaftswerk bald weitere folgten.
Herr Kulawig!
Haben Sie irgendwelche Ansatzpunkte, Herr Minister, um in dem konkreten Fall, über den wir hier sprechen, eine Möglichkeit zu sehen, mit der französischen Regierung zu verhandeln? Ich meine also nicht allgemein in der Frage der technologischen Zusammenarbeit, sondern in diesem konkreten Fall des Großbeschleunigers.
Auch die Fragen der Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Hochenergiephysik spielen in diesen Verhandlungen, die wir mit der französischen Regierung führen, eine wichtige Rolle.
Abgeordneter Kulawik!
Werden Sie auch zu gegebener Zeit den Bundestag über das Ergebnis ihrer Gespräche informieren?
Sehr gern, obwohl hier die Meinungsbildung noch eine längere Zeit in Anspruch nehmen wird.
Ich rufe die Frage V/4 des Abgeordneten Dr. Martin auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Möglichkeit, mit den Ländern zu einem neuen Verwaltungsabkommen über die Förderung von Wissenschaft und Forschung zu kommen?
Bitte, Herr Minister!
Die Bundesregierung ist überzeugt, daß es zu einer Verlängerung und Neufassung des Abkommens zur Förderung von Wissenschaft und Forschung kommen wird. Die Länder haben im März 1966 selbst durch ein Schreiben des Vorsitzenden der Konferenz der Ministerpräsidenten eine derartige Verlängerung vorgeschlagen. Die Bundesregierung hat sich daraufhin mit Schreiben des Herrn Bundeskanzlers vom 21. Juni 1966 ebenfalls bereit erklärt, das Abkommen zu verlängern. Gleichzeitig sind einige Änderungen und Verbesserungen vorgeschlagen worden, um Schwierigkeiten und Mißverständnisse, die sich während der Laufzeit des Abkommens gezeigt haben, zu beseitigen. Eine Antwort auf dieses Schreiben vom 21. Juni ist bisher noch nicht eingegangen. Soweit wir unterrichtet sind, haben die Konferenzen der Finanz- und Kultusminister der Länder inzwischen Stellungnahmen zu dieser Frage der Neufassung des Abkommens erarbeitet, die Anfang Februar von der Konferenz der Ministerpräsidenten behandelt werden sollen. Die Bundesregierung hofft, daß es dann sehr schnell zu abschließenden Verhandlungen kommen kann.
Herr Dr. Martin!
Herr Minister, wollen Sie nach den jüngsten Erfahrungen weiter von einer Beteiligung in Höhe von je 50 % ausgehen?
Der Vertragsentwurf, den die Bundesregierung im Sommer übersandt hat, geht davon aus, daß die Investitionskosten zu je 50 % getragen werden, bei den Kliniken zu einem Drittel vom Bund. Dies entspricht auch den Vorschlägen der Finanzkommission in ihren Darlegungen über die zukünftige Regelung der Wissenschaftsfinanzierung.
Herr Dr. Martin!
Haben nicht die Wissenschaftsorganisationen andere Vorstellungen, die auf eine flexiblere Lösung zwischen beiden Partnern hinauslaufen?
Es sind in den regelmäßigen Gesprächen, die ich mit den Präsidenten der Wissenschaftsorganisationen führe, im Zusammenhang mit der Finanzierung der Max-Planck-Gesellschaft und der Deutschen Forschungsgemeinschaft von seiten der Wissenschaftsorganisationen Überlegungen vorgetragen worden, die ein Abweichen von der 50-Prozent-Klausel ermöglichen. Ob derartige Überlegungen verwirklicht werden können, muß man sowohl den weiteren Verhandlungen über das Gutachten der Finanzkommission wie den Verhandlungen über dieses Verwaltungsabkommen überlassen.
Herr Dr. Lohmar!
Herr Bundesminister, haben Sie die Absicht, bei den Gesprächen, die sich wahrscheinlich anläßlich der Ministerpräsidentenkonferenz hier in Bonn ergeben werden, auch die Frage des ergänzenden Abkommens über die gemeinsame Finanzierung neuer Hochschulen zur Sprache zu bringen?
Wir haben unseren Wunsch zum Ausdruck gebracht, daß die von Herrn Ministerpräsident Goppel in einem Schreiben vom De-
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4008 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1967
Bundesminister Dr. Stoltenbergzember 1965 angekündigte Übersendung eines Vertragsentwurfs zu dieser Frage bald folgt. Wir warten auf einen solchen Entwurf, um weitere Verhandlungen führen zu können. Allerdings haben die Ministerpräsidenten in diesem Zusammenhang zu einer wichtigen Frage eine Stellungnahme des Wissenschaftsrats erbeten, die jetzt in Kürze abgegeben werden soll.
Herr Dr. Lohmar!
Herr Bundesminister, sind Sie in Ihrer Stellungnahme zu Form und Inhalt eines solchen ergänzenden Abkommens mit den Präsidenten der Wissenschaftsorganisationen einer Auffassung, daß man verschiedene Möglichkeiten der gemeinsamen Finanzierung — multilaterale und bilaterale Formen — in die Erwägung einbeziehen könnte?
Ich habe diesen Komplex sehr eingehend mit den Präsidenten der Wissenschaftsorganisationen besprochen. Es fällt mir etwas schwer, auf die etwas abstrakten Begriffe multilateral und „bilateral zu antworten. Vorläufig haben wir zweiseitige Vereinbarungen über die Finanzierung einzelner medizinischer Hochschulen, medizinischer Akademien, wo wir bereits Zuschüsse geben. Das ist eine bilaterale Vereinbarung. Daneben wird erwogen — aber das müssen die bevorstehenden Verhandlungen ergeben —, zu einer gemeinsamen Regelung für die Länder insgesamt und den Bund zu kommen. Das wäre im Sinne Ihrer Frage eine multilaterale Lösung.
Herr Dr. Rau!
Darf ich noch einmal auf den Ausbau der bestehenden Hochschulen zurückkommen. Sind Sie, Herr Minister, jetzt der Auffassung — die Sie damals abgestritten haben —, daß das Beteiligungsverhältnis zwischen Bund und Ländern 1 : 1 sein soll? Sie erinnern sich, daß dieser Standpunkt bei den Haushaltsberatungen 1966 von Ihnen abgelehnt wurde.
Ich habe darauf hingewiesen, daß es bisher keine rechtliche Verpflichtung des Bundes gibt, wie von einigen Kritikern der Bundesregierung behauptet wurde, automatisch zu einem Verhältnis von 1 : 1 zu kommen. Die Wirklichkeit hat sich allerdings in den letzten Monaten verändert. Heute ist das Problem dank der gesteigerten Bundesleistung nicht mehr so sehr, daß der Bund die 50% erreicht. Heute stellt sich die Frage, ob alle Länder ihrerseits in der Lage sind, bei den gesteigerten Bundesleistungen einen Anteil von 50 % zu erbringen. Die Voraussetzung für diese Diskussion hat sich also völlig verändert.
Herr Dr. Rau!
Herr Minister, dann ist Ihnen bekannt, daß in dem den Beratungen für den Haushalt 1966 und 1967 vorausgegangenen Jahr 1965 die Beteiligung von Ländern und Bund im Verhältnis 5 : 1 stand, also in einem ganz besonders weit auseinandergehenden Verhältnis.
Dieses Verhältnis kann man wohl nur errechnen, wenn man alle Leistungen der Länder einbezieht — Grundbeschaffung, Aufschließungskosten, Finanzierung der neuen Hochschulen, kleinere Umbauten und Reparaturen —, für die der Bund kleine Rechtsverpflichtung hat. Nach meiner Überzeugung kann man hier nur diejenigen Dinge in eine Relation setzen, die Bund und Länder gemeinsam finanzieren. Dann würde sich für 1965 auch ein etwas günstigeres Verhältnis für den Bund ergeben.
Herr Moersch!
Welche Möglichkeiten sehen Sie, bei der Erneuerung des Verwaltungsabkommens auch solche Institute mit einzubeziehen und damit dauerhaft zu sichern wie etwa die Deutsche Bibliothek in Frankfurt am Main oder das Deutsche Literaturarchiv in Marbach am Neckar?
In den bisherigen Regelungen des Verwaltungsabkommens von 1964 und in den beiderseitigen Vorüberlegungen für das neue Verwaltungsabkommen hat man sich auf die Finanzierung des Ausbaus der Hochschulen und die großen Forschungsorganisationen sowie die Frage der Studienförderung beschränkt. Ich räume gern ein, daß man parallel dazu — vielleicht abgetrennt — Verhandlungen über die Finanzierung einer Reihe von kleineren Institutionen führen muß. Die Vorschläge der Finanzkommission bieten dafür einen Anhaltspunkt. Wir haben uns in der Frage der Finanzträgerschaft einiger kleinerer wissenschaftlicher Organisationen auch bereits an die Länder gewandt, um hier zu einer Regelung zu kommen.
Herr Moersch!
Herr Minister, darf ich aus Ihrer Antwort schließen, daß die Bundesregierung bereit ist, in den Verhandlungen mit den Ministerpräsidenten der Länder und vielleicht auch innerhalb der Kultusministerkonferenz besondere Sorge dafür zu tragen, daß eben diese Institutionen, die keiner der im Abkommen bisher genannten Organisationsformen angehören, wegen ihrer überregionalen, nationalen Bedeutung für die gesamte wissenschaftliche Forschung in Deutschland gesichert werden?
Ich bejahe die Notwendigkeit einer Sicherung. Dies schließt allerdings nicht aus, daß das eine oder andere kleine Forschungsvorhaben, das bisher gemeinsam finanziert wurde, in Zu-
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Bundesminister Dr. Stoltenbergkunft nur von einem Finanzträger getragen wird, d. h. entweder nur von den Ländern oder nur vom Bund. Ich glaube allerdings nicht, daß wir die Klärung der Finanzierung einer sehr großen Zahl kleiner Forschungsinstitutionen schon in den nächsten Monaten erreichen können. Wir werden bei der Dringlichkeit der Neufassung des Verwaltungsabkommens und seiner Verlängerung diese Verhandlungen gesondert führen müssen.
Frau Geisendörfer!
Herr Minister, Sie haben vorhin angedeutet, daß die Länder sich eventuell nicht in der Lage sehen, die 50 % zu leisten. Würde das automatisch bedeuten müssen, daß der Bund dann auch nicht die volle Summe seiner 50 % leisten könnte, und würde das nicht eine sehr fühlbare und schmerzliche Beschränkung der schon lange vorausgeplanten Arbeiten der betroffenen Organisationen bedeuten?
Diese Schwierigkeiten bestehen wohl nicht für die Länder insgesamt, sondern nur für einzelne Länder. Die Situation ist sehr unterschiedlich. Die Frage der Sicherung und der Größenordnung der beiderseitigen Leistungen in den nächsten Jahren wird eine große Rolle bei den bevorstehenden Verhandlungen spielen müssen. Wir können aber, was den Ausbau der Hochschulen betrifft, die Empfehlungen der Finanzkommission nicht völlig außer acht lassen, und diese gehen bei dieser Gemeinschaftsaufgabe von einer schlüsselmäßig aufgegliederten Finanzierung der Investitionen zu je 50 % aus.
Frau Geisendörfer!
Herr Minister, ich möchte meine Frage noch einmal präzisieren. Ich meinte die Leistungen an die Deutsche Forschungsgemeinschaft. Wie ist da die Lage?
Ich habe schon bei einer vorhergehenden Frage angedeutet, daß es im Kreis der Wissenschaftsorganisationen Überlegungen über eine etwas flexiblere Finanzierungsreform gibt, aber ich kann hier der abschließenden Meinungsbildung der Bundesregierung und den Verhandlungen mit den Ländern im Ergebnis nicht vorgreifen.
Herr Abgeordneter Dr. Martin, Sie haben eigentlich keine Zusatzfrage mehr.
Danke schön, Herr Präsident! In diesem Zusammenhang, Herr Minister: Wie entwickelt sich denn die Last der Länder bei den neuen Investitionen? Können Sie sagen, wie das Verhältnis. der laufenden Kosten zu den Investitionskosten ist?
Es kann gar kein Zweifel daran bestehen, daß die Länder auf Grund der großen Investitionen der letzten fünf, sechs Jahre eine außerordentlich starke Mehrbelastung durch die laufenden Kosten haben. Ich habe jetzt nicht die absoluten Zahlen im Gedächtnis, sondern eine Verhältniszahl. Die Ausgaben der Länder für die laufenden Kosten der wissenschaftlichen Hochschulen, also die Kosten ohne Investitionen, haben sich in fünf Jahren verdreifacht. Man muß auch diese Leistung würdigen, wenn man die Schwierigkeiten der Länder bei den neuen Investitionen sieht.
Damit sind die Fragen aus diesem Geschäftsbereich erledigt.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr. Ich rufe die Frage II/1 der Frau Abgeordneten Funcke auf:
Welche Hindernisse stehen einer bundeseinheitlichen und zuverlässigen Methode bei der Berechnung der Entfernungskilometer auf Autobahnschildern entgegen?
Bitte, Herr Minister!
Herr Präsident, einer bundeseinheitlichen Berechnung der Entfernungen auf Fernzielschildern der Bundesautobahnen stehen keine Hindernisse entgegen. Die angegebene Entfernung gilt vom Standort des betreffenden Schildes bis zur Ortsmitte.
Frau Funcke!
Herr Minister, wie erklären Sie sich denn, daß diese Angaben auf den Autobahnschildern von Ort zu Ort nicht mehr mit dem Kilometerzähler übereinstimmen, sondern teilweise 5 bis 10 km vorwärts und rückwärts differieren?
Das ist natürlich immer die direkte, die gerade Linie zwischen zwei Punkten. Das ist immer gemessen vom Standort des Schildes bis zur Ortsmitte. Es kommt oft darauf an, welche Abfahrt man benutzt. Ich gebe zu, daß sich bei Baumaßnahmen vorübergehend einmal kleine Veränderungen ergeben können, die dann nachträglich sobald wie möglich immer ausgeglichen werden. Im übrigen bin ich mir nicht sicher, ob der Kilometerzähler in jedem Auto mit dem Bandmaß übereinstimmt, mit dem die Strecke abgemessen worden ist.
Frau Funcke!
Herr Bundesminister, sind Sie bereit, eines Tages einmal mit mir in meinem Wagen von Bonn nach Hagen zu fahren,
und zwar nach vorheriger Kontrolle meines Kilometerzählers, um das einmal zu studieren?
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4010 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1967
Ich bin gerne bereit mitzufahren.
Vizepräsident Schoettle: Herr Ollesch!
Herr Minister, da gerade von Schildern an der Autobahn die Rede ist: Wäre es nicht in unserem Bestreben, die Verbindung mit Berlin in der Bevölkerung etwas deutlicher zu machen, sinnvoll, an der Autobahn Ruhrgebiet—Berlin unter dem Richtungsschild Hannover auch noch Berlin hinzuzufügen?
Ich bin ganz Ihrer Auffassung. Ich werde eine entsprechende Anregung geben.
Ich rufe die Fragen 1I/2 und I1/3 des Abgeordneten Hübner auf:
Zu welchem Ergebnis hat die Einschaltung der Europäischen Konferenz der Verkehrsminister zu dem Vorhaben Rhein-Maas Kanal, insbesondere im Hinblick auf die Linienführung, geführt?
Kann inzwischen, folgernd aus der schriftlichen Antwort des Bundesverkehrsministers vom 5. August 1965 auf meine Mündliche Anfrage, den betroffenen Gebietskörperschaften ein Hinweis für ihre Planungen gegeben werden?
Herr Minister, bitte!
Die Europäische Konferenz der Verkehrsminister hat im Jahre 1953 das Projekt der Rhein-Maas-Verbindung auf ihre Liste gesetzt. Diese Liste enthält zwölf Wasserstraßenvorhaben von europäischem Interesse. Sie hat im Jahre 1956 eine deutsch-belgisch-niederländische Sachverständigengruppe mit der Untersuchung dieses Projektes beauftragt.
Die Sachverständigengruppe hat der Konferenz im Jahre 1962 den ersten Teil ihres Gutachtens vorgelegt. Dieser erste Teil enthält die technische Beurteilung von vier möglichen Trassen.
Der verkehrswirtschaftliche Teil des Gutachtens ist noch in Arbeit, er ist noch nicht fertiggestellt. Erst das Gesamtgutachten wird es der Europäischen Konferenz der Verkehrsminister ermöglichen, eine Empfehlung über die weitere Behandlung des Vorhabens, insbesondere auch über die Wahl der Linienführung, zu geben.
Herr Abgeordneter Hübner!
Herr Minister, wäre es im Hinblick darauf, daß die betroffenen Gemeinden im Sinne der Landesentwicklung meist Industrieerwartungsland haben, möglich, eine wenigstens negative Auslegung unter den Trassen beschleunigt voranzutreiben, damit die Gemeinden wieder Handlungsfreiheit hinsichtlich ihrer Planung bekommen?
Das ist erst dann möglich, wenn die abschließende Beurteilung nach Vorliegen des verkehrswirtschaftlichen Gutachtens vorliegt. Im übrigen ist das nicht allein von den Überlegungen der Bundesregierung abhängig, sondern hat im Einvernehmen mit den beteiligten Regierungen von Belgien und Holland zu geschehen. Dazu darf ich Ihnen sagen, daß nach meinem persönlichen Eindruck und dem meines Hauses die Neigung bei diesen beiden Ländern nicht allzu groß ist, das Kanalbauvorhaben zu forcieren. Unsere Neigung ist im wesentlichen vom Umfang der vorhandenen finanziellen Mittel abhängig, deren Größenordnung Ihnen aber auch bekannt ist.
Herr Abgeordneter Hübner!
Können Sie etwa angeben, wann mit ersten Ergebnissen gerechnet werden kann?
Ich bitte um Entschuldigung, ich habe im Augenblick keinen Überblick, wann das Gutachten vorliegen kann. Ich gebe Ihnen aber gern einen schriftlichen Bescheid.
Herr Brück!
Herr Bundesverkehrsminister, darf ich Sie im Zusammenhang mit dem Bau eines Rhein-Maas-Kanals fragen, ob es, nachdem die wesentlichen Hauptstrecken des linken Niederrheins wie auch die Strecke Köln—Aachen elektrifiziert sind, aus verkehrspolitischen wie aber auch aus wirtschaftlichen Gründen jetzt noch zu vertreten ist, dieses Kanalprojekt bei unserer nicht sehr einfachen Finanzsituation durchzuführen.
Herr Kollege, das habe ich auch gemeint, als ich vom Vorliegen der verkehrswirtschaftlichen Gutachten gesprochen habe. Erst dann hat man definitive Zahlen und Fakten vor sich und kann zu einem abschließenden Urteil kommen, das auf ermittelten Tatbeständen beruht.
Herr Brück!
Darf ich Sie noch fragen, ob Ihnen bekannt ist, daß beim deutschbelgischen Parlamentariertreffen, das in bestimmten Abständen immer wieder stattfindet, diese Frage stets eine Rolle gespielt hat, daß aber die aus unserem Nachbarland Belgien vertretenen Herren über die Linienführung sehr verschiedener Auffassung waren.
Ich habe schon angedeutet, daß der Drang auf belgischer und holländischer Seite nicht so groß ist. Das hängt wahrscheinlich auch mit der nicht vorhandenen Übereinstimmung über die Trassenführung zusammen.
Damit sind die Fragen beantwortet. Wir kommen jetzt zur Frage I1/4 des Herrn Abgeordneten Fellermaier:Ist die Bundesregierung bereit, gemeinsam mit den Bundesländern die Vereinheitlichung der Rechtsvorschriften für den Sehtest von Führerscheinbewerbern herzustellen, da die Feststellung der Sehschärfe und die fachärztlichen Untersuchungen bisher in den einzelnen Bundesländern verschiedenartig gehandhabt werden?
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1967 4011
Die Durchführung des Sehtestes für Führerscheinbewerber ist von den Bundesländern im wesentlichen nach einheitlichen Gesichtspunkten durch Richtlinien geregelt worden. Abweichungen bestehen lediglich in den Ländern Hessen und Rheinland-Pfalz hinsichtlich des Grenzwertes der Sehschärfe, unterhalb dessen ein Proband angehalten und einem Augenarzt zugeführt werden muß. Da zu dieser Frage die Auffassungen auch in ärztlichen Kreisen auseinandergehen, ist auf meine Anregung hin im Zusammenwirken mit dem Bundesgesundheitsministerium eine Sachverständigenkommission beim Bundesgesundheitsamt gegenwärtig damit befaßt, die noch unerforschten Zusammenhänge zwischen Sehvermögen und Fahrtüchtigkeit zu klären. Es ist damit zu rechnen, daß durch diese Kommissionsarbeit die Grundlagen für eine Vereinheitlichung des Sehtestes und der fachärztlichen Untersuchungen in allen Bundesländern geschaffen werden. Mit dem Abschluß der Kommissionsarbeit ist in Kürze zu rechnen.
Herr Fellermaier!
Herr Minister, darf ich Sie zusätzlich fragen, ob in diese Untersuchungen auch das Problem mit eingeschlossen worden ist, daß periodische Untersuchungen vor allem bei älteren Führerscheinbewerbern im Interesse der Verkehrssicherheit notwendig sind.
In die von mir eben erwähnten Untersuchungen nicht. Hier geht es nur darum, wie die Untersuchung durchgeführt werden soll und bei welcher Sehschärfe sie einzuführen ist.
Herr Fellermaier!
Herr Minister, darf ich Sie fragen, ob Sie bereit wären, diese Anregung aufzugreifen und die Untersuchung auch auf diesen Komplex ausdehnen zu lassen.
Ich bin gern bereit, die Frage zu prüfen. Die Durchführung stößt auf erhebliche psychologische Probleme, weil ja nicht jeder in der Bevölkerung bereit ist, sich serienmäßig zur Untersuchung zu stellen.
Herr Abgeordneter Felder!
Herr Minister, würden Sie angesichts der Tatsache, daß gegenwärtig 2,5 Millionen Kraftfahrer ihr Fahrzeug mit schlechten Augen ohne Brille steuern, nicht wenigstens in dieser Kommission darauf hinwirken, daß die über 65 Jahre alten Kraftfahrer einem Sehtest unterworfen werden?
Im Zusammenhang mit Überlegungen, die die Verkehrssicherheit betreffen, spielt die Frage, die auch der Herr
Kollege vorhin schon angeschnitten hat, bei uns eine Rolle. Ich möchte nur um Verständnis bitten, daß ich hier nicht einen einzigen Punkt vorziehen möchte; ich möchte vielmehr im ganzen, im Rahmen der Straßenverkehrsordnung und zusätzlicher Maßnahmen auf dem Gebiet der Sicherheit, auch dieses Problem mit hineinnehmen.
Herr Abgeordneter Felder!
Sind Sie mit mir der Meinung, Herr Minister, daß die Bundesrepublik nach den Feststellungen des Berufsverbandes der Augenärzte, das einzige bekannte zivilisierte Land ist, das keine gesetzlichen Bestimmungen über die Sehleistungsanforderungen an Kraftfahrer hat?
Das ist eine Angelegenheit, die in erster Linie aus Gesichtspunkten der Verkehrssicherheit und nicht nach den Bedürfnissen der Augenärzte behandelt werden muß.
Ich rufe die Frage II/5 des Abgeordneten Lemmrich auf:
Trifft die Behauptung des Oberbürgermeisters der Stadt München zu, daß München die volle Baulast für die Ortsdurchfahrten von Bundesstraßen allein zu tragen habe, und er dabei den Eindruck erweckt, München müsse die damit verbundenen Kosten alleine aufbringen?
Hier handelt es sich wahrscheinlich um Zusatzfragen zu einer bereits schriftlich gegebenen Antwort.
Herr Präsident, ich bin in Straßburg gewesen und habe daher die Antwort leider nicht erhalten.
Ich bin gern bereit, die Frage zu beantworten, Herr Präsident.
Gemäß § 5 Abs. 2 des Bundesfernstraßengesetzes ist die Stadt München Träger der Straßenbaulast für die Ortsdurchfahrten im Zuge der Bundesstraßen. Es trifft aber nicht zu, daß die Stadt die mit der Baulast verbundenen Kosten allein zu tragen hat. Vielmehr gewährt der Bund der Stadt München nach Maßgabe der geltenden Richtlinien für Bundeszuwendungen Zuschüsse zum Ausbau der Ortsdurchfahrten von Bundesstraßen und zum Ausbau des mittleren Ringes, was auch von dem Herrn Oberbürgermeister der Stadt München wiederholt bestätigt worden ist.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Lemmrich.
Herr Minister, wie groß ist der Beteiligungsprozentsatz des Bundes für diese Bundesstraßen, die sich in der Baulast der Städte — hier München — befinden?
Ich habe eine Aufstellung hier, die für die Jahre von 1957 bis 1966 in absoluten Zahlen die Leistungen des
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4012 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1967
Bundesminister LeberBundes darstellt. Ich kann sie hier vorlesen. Vielleicht ist das aber für das ganze Haus nicht so interessant. Ich bin gern bereit, sie Ihnen zu übergeben.
Darum würde ich dann bitten.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Lemmrich.
Glauben Sie, daß diese gewährten Zuschüsse ausreichen, die auf den Bund entfallenden Aufgaben dieser Straßen finanziell abzudecken?
Ich bin davon überzeugt, daß über die Zuschüsse hinaus, die der Bund leistet, auf die Stadt München eine sehr erhebliche Belastung zukommt. Ich hoffe, daß wir nach den abschließenden Erörterungen über Haushaltsmaßnahmen und mögliche Mittel, die aus einem eventuellen neuen Haushaltstitel kommen können, in die Lage versetzt werden, zu prüfen, ob nicht eine höhere Beteiligung des Bundes möglich ist.
Keine weitere Zusatzfrage. — Ich rufe dann die Frage II/6 des Abgeordneten Sänger auf:
Ist die Bundesregierung bereit, den ständig laufenden öffentlichen Omnibusverkehr vor allem in solchen Gebieten, in denen er bisher betriebene Bundesbahnlinien zu ersetzen hat, und in den Gebieten des Zonenrandes vor den neuen Kostenlasten zu bewahren, die durch Erhöhung der Mineralölsteuer für diese öffentlichen Verkehrsmittel entstanden sind?
Herr Präsident, die Frage wurde schriftlich beantwortet. Ich bin aber gern bereit, die Antwort noch einmal mündlich vorzutragen.
Es ging ja wohl in der Hauptsache darum, daß die Fragesteller noch Zusatzfragen stellen können.
Ich habe eine Zusatzfrage, Herr Präsident.
Bitte, Herr Abgeordneter Sanger!
Darf ich den Herrn Bundesminister fragen, ob nicht auch in Deutschland die Erfahrung gemacht worden ist, daß der Omnibusverkehr der beweglichste und damit für den Bundesverkehr der wichtigste Verkehrsfaktor ist, dem wir alle Entwicklungsmöglichkeiten schaffen müssen.
Ich bin mit Ihnen der Auffassung, daß der Omnibusverkehr ein sehr beweglicher Verkehr ist, sicher beweglicher als der Schienenverkehr.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Sanger.
Glauben Sie nicht, Herr Bundesminister, daß in den Bezirken, vor allem in den Zonenrandgebieten, in denen der Omnibusverkehr jetzt den Eisenbahnverkehr zu ersetzen hat, dem Omnibusverkehr die Chancen gegeben werden müssen, die früher der Eisenbahn zur Verfügung standen?
Ich bin mit Ihnen der Auffassung, daß das so sein sollte. Es ist nur die Frage, ob die Belastungen, die von den 3 Pf ausgehen, Herr Kollege Sänger, einen solchen speziellen Ausgleich nötig machen. Wenn ich hier kurz einmal darstellen darf, wie sich das Problem für mich darbietet, dann ergibt sich folgende Rechnung. Die Mineralölsteuer macht im Durchschnitt etwa 9 % der Gesamtkosten aus. Die 3 Pf verhalten sich wie 1 : 10 bezogen auf die gesamte Mineralölsteuerbelastung. Es müßte sich im Durchschnitt durch die 3 Pf bei einem Omnibus, der mit Dieselkraftstoff fährt, von den Kosten her eine Veränderung um etwa 1 % ergeben. Im Augenblick ist überhaupt nicht zu übersehen, wie die 3 Pf wirken. Ich habe soeben eine Meldung auf den Tisch bekommen, nach der drei große Mineralölgesellschaften die Preise um bis zu 4 Pf gesenkt haben. Es besteht im Augenblick also auch von der tatsächlichen Preisentwicklung her keine Veranlassung, daß der Bund diese Mehrbelastung auf irgendeine andere Weise ausgleicht.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmidt .
Herr Minister, wären Sie im Hinblick auf ausländische Praktiken — wie beispielsweise in den USA oder in der Schweiz oder auch in England — bereit, Ihren Standpunkt nochmals zu überprüfen, zumal es den Kommunen sehr schwerfallen dürfte, aus der Defizitentwicklung in den Verkehrsbetrieben herauszukommen, ohne eine deutliche Preiserhöhung durchzuführen?
Herr Kollege Schmidt, die Kommunen sind die einzigen Nutznießer dieses 3-Pf-Aufkommens. Ich kann mir also den Kreis nicht geschlossen vorstellen, wenn nun die Mittel, die den Kommunen zufließen sollen, auf der anderen Seite wieder als Ersatzleistungen und Ausgleichszahlungen an diejenigen Verkehrsteilnehmer beschränkt werden sollen, die sie aufbringen. Es sind ja Leistungen, die im Interesse auch der Omnibusbetriebe auf dem Gebiet des Verkehrsbaues vor allem in den Gemeinden vollbracht werden sollen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmidt.
Herr Minister, haben Sie, nachdem vor einiger Zeit von den Länderverkehrsministern Pläne angedeutet wurden, daß unter Umständen in dieser Weise verfahren werden
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1967 4013
Dr. Schmidt
könnte, inzwischen in Erfahrung gebracht, ob diese Pläne von seiten der Länderfinanzminister verwirklicht werden?
Ich weiß nicht, welche Pläne Sie im Konkreten meinen.
In bezug auf die Befreiung städtischer Verkehrsbetriebe von der Mineralölsteuer.
Hier liegen keine konkreten Vorstellungen vor.
Eine weitere Zusatzfrage Herr Abgeordneter Raffert.
Herr Minister, ich darf Sie an die Reaktion der Bundesregierung auf das Sachverständigengutachten über den innergemeindlichen Verkehr erinnern. In dieser Reaktion — sie stammt aus dem Juni 1965 — ist gesagt worden, die Bundesregierung wird der in diesem Zusammenhang gegebenen Empfehlung folgen und weitere Untersuchungen veranlassen, die in die Richtung der vollständigen Befreiung aller Straßenfahrzeuge des öffentlichen Personennahverkehrs von der KfzSteuer usw. gehen. Dort seien Untersuchungen im Gange. Wie weit sind diese Untersuchungen?
Ich kann über den Stand der Untersuchungen nichts sagen. Ich kann Ihnen nur sagen, daß derartige Absichten bei der Bundesregierung gegenwärtig nicht bestehen. Wir sind der Auffassung, daß die aufkommenden 3 Pf in vollem Umfang den Gemeinden für die Lösung von Verkehrsaufgaben zur Verfügung gestellt werden müßten.
Eine weitere Zusatzfrage Herr Abgeordneter Ott.
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß im Lande Bayern die Frage des Kraftfahrzeugsteuererlasses ohne Bedeutung ist, weil in Bayern die Gemeinden die Kraftfahrzeugsteuer sowieso vom Land bekommen?
Das ist mir bekannt. Ich weiß aber, es wird in anderen Ländern ähnlich gehandhabt.
Eine weitere Zusatzfrage Herr Abgeordneter Ott.
Herr Minister, wären Sie bereit, in anderen Ländern Ihren Einfluß dahin gehend auszuüben, daß dort in gleicher Weise verfahren wird?
Ich bin für das Steueraufkommen nur sekundär zuständig. Ich werde dem Herrn Kollegen Strauß gern eine entsprechende Anregung geben.
Ich rufe die Frage II/7 der Abgeordneten Frau Freyh auf:
Wie hat sich im Jahre 1966 im Vergleich zum Vorjahr die Unfallhäufigkeit an Zebrastreifen in Großstädten entwickelt?
Bitte, Herr Minister!
Herr Präsident, gestatten Sie, daß ich mich, wenn die Frau Kollegin Freyh einverstanden ist, zur Beantwortung dieser Frage auf die Antwort in der Fragestunde vom 20. Januar 1967 an den Herrn Kollegen Ramms beziehe; es ist die gleiche Frage gewesen. Dort wurde dargestellt, eine exakte Zählung der Fußgängerunfälle, die sich ausschließlich auf Zebrastreifen ereignet haben, liegt bis jetzt nicht vor. Daher ist es noch nicht möglich, die Auswirkungen der Zebrastreifenverordnung aus der Bundesstatistik abzulesen. Auf meinen Wunsch hin haben die Bundesländer aber diese Angaben im Laufe des Jahres 1965 in die Unfallanzeige der Polizei aufgenommen. Damit ist das Statistische Bundesamt künftig in der Lage, besonders auch für das Jahr 1966, eine Sonderaufbereitung über alle Arten von Fußgängerunfällen, auch der Unfälle auf Zebrastreifen, durchzuführen. Diese ersten Ergebnisse für das Jahr 1966 werden Ende 1967 vorliegen.
Die Entwicklung der Fußgängerunfälle insgesamt, in denen die Unfälle der Fußgänger auf Zebrastreifen u. a. mitenthalten sind, zeigt folgendes Bild. Nachdem sich die Neuregelung der Zebrastreifenverordnung eingespielt hatte, konnte in den Monaten Juli bis September 1964 ein deutlicher Rückgang der tödlichen Fußgängerunfälle in den Städten und Gemeinden festgestellt werden. Es wurden 54 Personen weniger getötet und 607 weniger verletzt als im gleichen Zeitraum des Vorjahres vor dem Inkrafttreten der Zebrastreifenverordnung.
Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Freyh.
Herr Minister, unter der Voraussetzung, daß mir die Antwort der letzten Fragestunde bekannt war, möchte ich Sie aber trotzdem fragen, ob es denn nicht möglich ist, wie z. B. aus Meldungen der Polizei der Stadt Frankfurt für das Jahr 1966 hervorging, die Unfallhäufigkeit an Zebrastreifen in Großstädten bereits jetzt zu messen, um sie zum Ausgangspunkt für weitere Überlegungen hinsichtlich der Zebrastreifen zu machen.
Ich will gern diesen gemeindlichen Untersuchungsergebnissen nachgehen und versuchen, in meinem Hause eine entsprechende Aufbereitung vorzunehmen.
Frau Freyh!
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4014 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1967
Würden Sie mit mir übereinstimmen, Herr Minister, daß die Beunruhigung über das Problem der Zebrastreifenunfälle doch dazu Veranlassung geben müßte, statistische Untersuchungen über die Entwicklung dieser Unfälle nicht erst wie z. B. auf Grund dieser von Ihnen erwähnten statistischen Untersuchung am Ende des Jahres 1967 für den Ablauf des Jahres 1965 zu haben, sondern daß man solche Untersuchungen doch tatsächlich beschleunigen müßte?
Verehrte Frau Kollegin, die Auswertung dieser Untersuchung, die sich über die ganze Bundesgebiet erstreckt, wird nach modernen Lochkartenmethoden vorgenommen. Es ist ein außerordentlich schwieriger und auch aufwendiger Vorgang, einzelne Untersuchungsergebnisse vorweg, vor allen anderen Ergebnissen, herausziehen zu wollen. Ich will aber gern prüfen lassen, ob so etwas möglich ist.
Ich rufe jetzt die Frage I1/8 der Abgeordneten Frau Freyh auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung Vorschläge, an signalgeregelten Kreuzungen auf das Markieren von Zebrastreifen zu verzichten, um auf diese Weise das häufig bei Fußgängern festzustellende Mißverständnis auszuschließen, sie seien auf markierten Überwegen grundsätzlich bevorrechtet?
Derartige Vorschläge sind sachgerecht. Dementsprechend sieht der Entwurf einer Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur neuen Straßenverkehrsordnung, der mit den für den Straßenverkehr zuständigen obersten Landesbehörden bereits beraten ist, folgendes vor — ich verlese den Text des Entwurfs —:
Wo der Fußgängerverkehr durch Lichtzeichen geregelt ist, sollten Fußgängerüberwege nicht angelegt werden. Ist das doch der Fall, so soll die Lichtzeichenanlage Tag und Nacht in Betrieb sein, und es muß dafür gesorgt werden, daß, falls ein Rotlicht für Fußgänger ausfällt, kein Zweifel darüber entstehen kann, ob der Fußgänger oder das Fahrzeug auf dem Fußgängerüberweg Vorrang hat. Dies kann erreicht werden durch Verwendung doppelter Rotlichter für Fußgänger oder durch automatische Abschaltung der gesamten Lichtzeichenanlage. Es ist nur dann zu verantworten, die Lichtzeichenanlage gelegentlich auszuschalten, wenn die Fußgänger durch weitere Maßnahmen besonders gesichert sind.
Das ist der Entwurf für eine entsprechende Rechtsgrundlage, die allerdings noch mit den Ländern bzw. mit den üblichen Stellen abzustimmen ist, bevor sie in Kraft treten kann.
Frau Freyh!
Darf ich Sie fragen, Herr Minister, bis wann mit einer solchen Abstimmung und mit dem Erlaß derartiger Verordnungen zu rechnen sein dürfte.
Das wird in Verbindung mit der Neufassung der Straßenverkehrsordnung zu erwarten sein. Bei der Neufassung der Straßenverkehrsordnung muß man aber Rücksicht nehmen auf die Gewöhnung aller Verkehrsteilnehmer an die Ordnung im Verkehr. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß man solche Veränderungen nicht kurzfristig und nicht zu häufig vornehmen darf, weil damit Verwirrung in die Verkehrsteilnehmer getragen wird.
In diesem konkreten Fall geht es dabei noch um einen besonderen Punkt: Anfang des Jahres 1968 wird auf Einladung der Vereinten Nationen eine Weltkonferenz stattfinden, die den Versuch machen soll, die wesentlichsten Verkehrsvorschriften für alle Länder, die den Vereinten Nationen angeschlossen sind, zu vereinheitlichen. Wir sind der Auffassung, daß man das Ergebnis dieser Konferenz abwarten sollte, um im Anschluß- daran das deutsche Straßenverkehrsrecht auf der Basis dieses Übereinkommens neu zu regeln, und dann hoffentlich für einen längeren Zeitabschnitt.
Herr Mattick!
Herr Minister, würden Sie es nicht für richtig halten, daß Zebrastreifenübergänge, die sonst keine Ampelregelung haben, generell bei Eintritt der Dunkelheit beleuchtet werden?
Das ist eine Angelegenheit, die in erster Linie die zuständigen Polizeiorgane der Gemeinden angeht. Aber ich will gern einmal nachprüfen, welche Möglichkeiten wir haben, einen entsprechenden Hinweis zu geben.
Herr Haage!
Herr Minister, habe ich Sie richtig verstanden, daß Sie damit zum Ausdruck bringen wollten, daß unsere Bestimmungen den europäischen und, wenn es möglich ist, den Weltbestimmungen angepaßt werden sollen?
Wir wollen nach Möglichkeit ein Straßenverkehrsrecht, das so ist, daß der Fahrer, wenn er die Grenzen überfährt, nicht überlegen muß, in welchen Fällen sich nun die nationalen Straßenverkehrsordnungen voneinander unterscheiden, sondern daß nach Möglichkeit hier eine Harmonisierung erreicht wird.
Herr Haage!
Herr Minister, dann sind Sie mit mir der Meinung, wenn ich Sie richtig verstanden habe, daß es nicht sehr sinnvoll ist, daß man aus der natonalen Sicht oder gar aus der Gemeindesicht Anträge stellt, die dann wieder der europäischen Einigung widerstreben?
Das könnte sein.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1967 4015
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen.
Zunächst rufe ich die Frage III/1 des Abgeordneten Schultz auf:
In welchem Umfang hat die polnische Verwaltung bisher deutsche Briefmarken beanstandet?
Die Frage wird vom Abgeordneten Borm übernommen.
Herr Präsident, darf ich die drei Fragen des Abgeordneten Schultz im Zusammenhang beantworten?
Der Fragesteller ist einverstanden. Ich rufe auch die Fragen III/2 und 3 des Abgeordneten Schultz auf:
Welche Folgen hatten die in Frage III/1 erwähnten Beanstandungen?
Beabsichtigt die Bundesregierung, in Erwiderung der entsprechenden polnischen Maßnahmen Sendungen aus dem polnischen Bereich zu beanstanden, die Briefmarken mit Abbildungen von Städten in den Oder-Neiße-Gebieten mit polnischer Bezeichnung enthalten?
Die polnische Verwaltung hat beanstandet: a) die Sondermarke „Zwanzig Jahre Vertreibung 1945-1965, b) aus der Dauerserie „Deutsche Bauwerke aus zwölf Jahrhunderten die Werte 5 Pf Stettin/ Pommern, 90 Pf Königsberg/ Preußen und 2 DM „Löwenberg/ Schlesien".
Die polnische Verwaltung hat die Sendungen, die mit den beanstandeten Marken freigemacht sind, unterschiedlich behandelt.
Sendungen, die mit der Sondermarke „Zwanzig Jahre Vertreibung 1945-1965" freigemacht waren, wurden bis zum 30. August 1965 an die Absender zurückgesandt. Die mit diesem Sonderpostwertzeichen freigemachten Sendungen, die nach dem 30. August 1965 in Polen eingingen, wurden von den polnischen Behörden beschlagnahmt.
Gegen die Herausgabe der Werte 5 Pf „Stettin/ Pommern" und 2 DM „Löwenberg/ Schlesien" hatte die polnische Verwaltung bereits bei der Ankündigung der Dauerserie „Deutsche Bauwerke aus zwölf Jahrhunderten" im Amtsblatt des Bundespostministeriums und in der Presse protestiert und erklärt, daß sie sich die ihr notwendig erscheinenden Maßnahmen vorbehalte.
Die dann bei Erscheinen der Werte 5 Pf „Stettin/ Pommern" und 90 Pf Königberg/ Preußen von der polnischen Verwaltung ergriffenen Maßnahmen bestanden darin, daß Sendungen, die mit solchen Wertzeichen freigemacht waren, an die Absender zurückgesandt wurden. Die Sendungen wurden von den polnischen Postdienststellen mit einem Stempel versehen, der in Übersetzung lautet: „Zurück — Unzulässig — Artikel 28 § 1 d) des Weltpostvertrages — revanchistische Propaganda auf Postwertzeichen".
Die polnische Verwaltung hat auf die mit Rundschreiben des Weltpostvereins allen Mitgliedern dieses Vereins bekanntgemachten Erklärungen der Deutschen Bundespost nicht reagiert und wendet die diskriminierenden Maßnahmen nach wie vor an.
Die Deutsche Bundespost beabsichtigt nicht, Maßnahmen, wie sie in der dritten Frage angesprochen sind, zu treffen. Es wäre eines Rechtsstaates unwürdig, rechtswidrigen Maßnahmen rechtswidrig zu begegnen.
Herr Borm!
Sind der Bundesregierung Unterlagen bekannt, wonach ein gleiches Verfahren auch in Mitteldeutschland durchgeführt wird dergestalt, daß Sendungen nicht befördert werden, wenn sie Wertzeichen mit Motiven aus mitteldeutschen Städten tragen, etwa die 1-DM-Marke mit einem Motiv aus Wittenberg?
Ich antworte mit Ja.
Gedenkt die Bundesregierung dagegen etwas zu unternehmen?
Für diese Fälle trifft genau das zu, was ich soeben im Hinblick auf das polnische Verhalten gesagt habe.
Es wird keine Frage mehr gestellt.
Ich rufe die Frage III/4 des Abgeordneten Felder auf:
Ist der Bundespostminister in der Lage, über einen Erfolg bei der Aktion „Pünktlicher Weihnachtsmann" zu berichten?
Darf ich auch die Fragen des Abgeordneten Felder im Zusammenhang beantworten?
Einverstanden. Ich rufe auch die Fragen III/5 und 6 des Abgeordneten Felder auf:
Standen die für die in Frage III/4 erwähnte Aktion eingesetzten Mittel im Verhältnis zu dem angestrebten Zweck, größere Verkehrsspitzen beim Paketversand kurz vor Weihnachten zu vermeiden?
Ist eine Wiederholung der Aktion Pünktlicher Weihnachtsmann Ende 1967 geplant?
Die Aktion „Pünktlicher Weihnachtsmann" war erfolgreich, weil das Hauptziel — „pünktliche Einlieferung der Weihnachtssendungen" — voll erreicht wurde Über 6 Millionen zur Auslosung abgegebene Teilnahmeabschnitte beweisen darüber hinaus Anteilnahme und Verständnis unserer Postkunden für diese Aktion, die zugleich Interessen der Post wie auch Interessen der Postkunden erfolgreich vereinte.
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4016 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1967
Staatssekretär Dr. SteinmetzDie eingesetzten Mittel, nämlich 250 000 DM für das Preisausschreiben, standen durchaus in einem zu dem angestrebten Zweck angemessenen Verhältnis. Der Verkehrsanfall gestaltete sich diesmal bei den Paketen und Päckchen gleichmäßiger als in den Jahren vorher. Auch die Verkehrsspitzen lagen in vielen Fällen betriebsgünstiger als früher. In welchem Umfang und mit welchen Mitteln, insbesondere ob mit oder ohne Preisausschreiben, Ende 1967 geworben wird, läßt sich heute noch nicht sagen.
Herr Felder!
Herr Staatssekretär, würden Sie, da es sich hier offensichtlich um einen Erfolg handelt, bei der Wiederholung vielleicht daran denken, die Preise etwas zu erhöhen? Damit könnte der Erfolg noch gesteigert werden.
Herr Abgeordneter, wir werden auch diese Frage mit in unsere Prüfung einbeziehen.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Frage III/7 der Abgeordneten Frau Funcke: —
Trifft es zu, daß die Deutsche Bundespost eine Gegenüberstellung der Kosten und Erlöse für die einzelnen Zweige des Post-und Fernmeldewesens nicht erstellt oder erstellen kann?
— Die Frage wird von Herrn Abgeordneten Walter übernommen.
In der schriftlichen Antwort auf Ihre Anfrage, Herr Abgeordneter Walter, nach den Einnahmen und Ausgaben im Fernsprechdienst, die im Protokoll über die 86. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 20. Januar 1967 nachzulesen ist, wurde dargelegt, daß die Deutsche Bundespost in ihrer betriebswirtschaftlichen Ergebnisrechnung Kosten und Leistungen gegenüberstellt. Sie befindet sich damit in Übereinstimmung mit den allgemein gültigen Grundsätzen der Betriebswirtschaft. Im Sinne Ihrer Anfrage sind Leistungen und Erlöse als identisch anzusehen. Zur Zeit erstreckt sich die Gegenüberstellung der Kosten und Leistungen auf sieben Dienstzweige, die in weitere 17 Teilbereiche aufgegliedert sind. Die Ergebnisse werden u. a. im Geschäftsbericht der Deutschen Bundespost, der allen Bundestagsabgeordneten zugeleitet wird, veröffentlicht.
Ich rufe die Frage III/8 des Abgeordneten Faller auf:
Hält es der Bundespostminister für sinnvoll und für wirtschaftlich vertretbar, daß die internen Dienststellen des Postamtes Weil am Rhein fast zu gleicher Zeit zum Postamt Lörrach verlegt wurden, da die Bundespost in Weil nach jahrelangen Bemühungen endlich einen Postamtsneubau errrichtet hat?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Staatssekretärs Dr. Steinmetz vom 25. Januar 1967 lautet:
Bei allen Betriebsbauten der Deutschen Bundespost bleiben stets postbetriebliche Erfordernisse und die Notwendigkeit entscheidend, ausreichende Einrichtungen für die Bedienung der
Postbenutzer zu schaffen. Dies trifft auch für das Postamt Weil am Rhein zu. Interne ämterorganisatorische Maßnahmen zur Zusammenfassung von Aufgaben des Verwaltungsdienstes berühren nicht die Güte des Kundendienstes und hatten auch bei dem Neubau keine Bedeutung. Die aus Gründen der Rationalisierung durchgeführte Verlegung der Verwaltungsdienste des Postamts Weil zum Postamt Lörrach dient einer wirtschaftlicheren Gestaltung der Verwaltungsdienste und entspricht zudem den vom Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit und der Sachverständigen-Kommission für die Deutsche Bundespost gegebenen Empfehlungen. Die nur in unbedeutendem Umfang hierdurch freiwerdenden Räume werden zugunsten postbetrieblicher Erfordernisse genutzt.
Die Errichtung des Postamtsneubaues in Weil am Rhein und die Verlegung der Verwaltungsaufgaben zum Postamt Lörrach stehen daher nicht in Widerspruch zueinander und sind auch in wirtschaftlicher Hinsicht durchaus sinnvoll.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Familie und Jugend. Frage IV/1 des Abgeordneten Moersch:
Welche Jugendlichen und Jugendorganisationen gehören nach Ansicht der Bundesregierung nicht zu den „elitären" Jugendgruppen, die der Bundeskanzler nach seiner Paris-Reise im deutschfranzösischen Jugendaustauschwerk stärker zu fördern versprochen hat?
Herr Kollege Moersch, es ist vielleicht besser, wenn ich Ihre Frage so beantworte, daß der Wortlaut der Antwort des Herrn Bundeskanzlers berücksichtigt wird. Es ist nämlich leichter zu sagen, was wir unter elitären Jugendlichen und unter elitären Jugendgruppen meinen, als auf Ihre negative Formulierung zu antworten.
Elitäre Jugendliche, Herr Kollege, gibt es in allen Organisationen und Gruppierungen der jungen Generation. Wir verstehen darunter junge Menschen, die durch Leistung und Haltung diese Organisationen und Gruppierungen oder die junge Generation überhaupt vorbildhaft repräsentieren. Dann gibt es quer durch die junge Generation elitäre Gruppen. Darunter verstehen wir beispielsweise die Studenten, Referendare, Assessoren, Führungskräfte der Gewerkschaften, junge Unternehmer usw., aber auch Teilnehmer an freiwilligen sozialen Diensten oder etwa Sieger bei Auswahlwettbewerben.
Bei dieser Charakterisierung dessen, was wir unter elitären Jugendlichen und unter elitären Jugendgruppen verstehen, ergibt es sich von selber, daß darüber eine Bundesregierung keinen Katalog anlegen kann.
Herr Abgeordneter Moersch!
Herr Bundesminister, sind Sie mit mir der Meinung, daß die von der Bundesregierung gepflegte Ausdrucksweise nicht nur wegen der Fremdwörter, sondern auch wegen gewisser Erinnerungen an vergangene Zeiten durchaus mißverständlich sein kann, und sind Sie bereit, diese Ausdrucksweise vielleicht mal ins gute Deutsch zu übersetzen?
Herr Kollege Moersch, ich bin zwar von Haus aus Schulmeister, und ich werde des öfteren auch von der Presse entsprechend apostrophiert; aber mein Verhältnis zum Herrn Bundeskanzler ist völlig anderer Art.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1967 4017
Ist damit auch die Frage IV/2 erledigt?
Ist die Bundesregierung bereit, dem Deutschen Bundestag einen Katalog der ihrer Ansicht nach elitären Jugendgruppen zur Prüfung vorzulegen?
Die Frage ist mit beantwortet.
Frage IV/3 des Abgeordneten Kubitza:
Welche Schlußfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Entschließung der 33. Vollversammlung des Deutschen Bundesjugendringes zur Frage der Errichtung einer Zentralstelle für internationale Jugendarbeit?
Herr Kollege Kubitza, die Entschließung der 33. Vollversammlung des Bundesjugendringes stellt in ihrem Punkt 2 fest, daß der Bundesjugendring der Errichtung einer Zentralstelle für Internationale Jugendarbeit nur zustimme, wenn sie in Übereinstimmung mit den Vorstellungen der freien Träger geplant und errichtet werden könne. Wir sind nicht in der Lage, dem Bundesjugendring so weitgehende Zugeständnisse zu machen. Im übrigen enthält die Entschließung der 33. Vollversammlung des Deutschen Bundesjugendringes nur Aussagen darüber, was der Bundesjugendring nicht will. Konkrete positive Vorschläge fehlen.
Wir haben aber ungeachtet dessen — um den Wünschen des Bundesjugendringes und der Dachorganisationen der freien Jugendarbeit, soweit wir sie für berechtigt halten, zu entsprechen — vorgeschlagen, daß wir für diese Zentralstelle ein Kuratorium einrichten, in das Vertreter des Bundesjugendringes und der übrigen Dachorganisationen der freien Jugendarbeit, aber auch Vertreter der obersten Landesjugendbehörden berufen werden sollen. Dieses Kuratorium hätte dann die Aufgabe, sowohl die Bundesregierung wie auch die Zentralstelle selbst bei ihrer Arbeit zu beraten und dafür zu sorgen, daß die Arbeit der Zentralstelle — es handelt sich ja in erster Linie um die Betreuung von Besuchergruppen, um den Besucherdienst — reibungslos im Einvernehmen mit den Organisationen des Bundesjugendringes und der übrigen Dachorganisationen erfolgt.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Kubitza.
Herr Minister, wann werden Sie ein Gespräch mit den Vertretern der Trägerverbände der freien Jugendhilfe führen, nach dem ja immerhin die Frage der Errichtung dieser Zentralstelle schon ein Dreivierteljahr ansteht und die Entschließung des Deutschen Bundesjugendringes zweieinhalb Monate alt ist?
Wir haben- diese Vorschläge über ein Kuratorium, u. a, den Deutschen Bundesjugendring an der Sache zu beteiligen, dem Bundesjugendring wie den übrigen Organisationen am 3. November 1966 zugestellt. Bis heute ist eine Stellungnahme von diesen Gruppen bei uns nicht eingegangen. Sobald die Stellungnahme vorliegt, werden wir Vertreter des Bundesjugendringes wie Vertreter der übrigen Dachorganisationen zu einer Aussprache bitten.
Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Kubitza.
Herr Minister, sind Sie nicht auch der Meinung, daß Sie in der Frage der Errichtung der Zentralstelle zu sehr den Herrn-im-HauseStandpunkt hervorgekehrt haben?
Mit Sicherheit nicht. Sonst hätten wir uns anders verhalten, Herr Kollege.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Josten.
Herr Minister, wie ist die Zusammenarbeit zwischen Ihrem Hause und dem Deutschen Bundesjugendring zu bewerten?
Ich möchte sagen, bei dieser Zusammenarbeit handelt es sich um eine konstruktive Spannung, die manchmal stärker ist und sich nicht immer in volle Harmonien auflöst. Ich glaube aber, daß das eine ganz natürliche Sache ist.
Herr Abgeordneter Josten zu einer zweiten Zusatzfrage.
Herr Minister, werden in Ihrem Ministerium für Familie und Jugend die Entschließungen der Vollversammlungen des Deutschen Bundesjugendringes immer ausgewertet?
Wenn die Entschließungen des Deutschen Bundesjugendringes uns ordnungsgemäß zugestellt werden, selbstverständlich! Über diese Frage gab es ja in einer der letzten Fragestunden einen Dialog zwischen dem Kollegen Kubitza und mir.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Westphal.
Herr Minister, berücksichtigen Ihre offensichtlich neuen Überlegungen zur Konstruktion der Zentralstelle für internationalen Jugendaustausch auch die Stellungnahme, die Ihnen von der Konferenz der obersten Jugendbehörden der Länder zugeleitet worden ist?
Bei der Planung sind natürlich von vornherein sämtliche Stellungnahmen von Gruppen und Dienststellen, die Erfahrungen in der Sache haben und etwas aussagen können, berücksichtigt worden. Es ist nur so, Herr Kollege, daß wir nicht immer Stellungnahmen in der Weise berücksichtigen kön-
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4018 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1967
Bundesminister Dr. Hecknen, daß wir grundsätzlich das tun, was andere planen und wollen.
Herr Abgeordneter Westphal zu einer zweiten Zusatzfrage.
Herr Minister, da Sie vorhin sagten, daß Sie in der Entschließung des Deutschen Bundesjugendringes, die Anlaß zu dieser Frage gewesen ist, keine neuen Vorschläge gesehen haben, sondern nur das, was der Bundesjugendring in Beziehung auf die Zentralstelle nicht möchte: würden Sie mir dann bestätigen, daß zu einem früheren Zeitpunkt der Bundesjugendring selbst Vorschläge zur Konstruktion der Zentralstelle gemacht hat und die Absicht hatte, sie Ihnen vorzutragen?
Herr Kollege, Ihnen ist wohl bekannt, daß ich angeordnet habe, daß der Abteilungsleiter in meinem Hause die Vertreter des Bundesjugendrings empfangen möge, um diese ihre Vorschläge entgegenzunehmen und ihre Vorstellungen anzuhören, und daß die Vertreter des Bundesjugendrings — im übrigen auch die Vertreter der anderen Dachorganisationen — es abgelehnt haben, ihre Vorstellungen vor dem Abteilungsleiter meines Hauses darzulegen.
Herr Abgeordneter Moersch!
Herr Minister, was hat die Bundesregierung veranlaßt, das nach dem Jugendwohlfahrtsgesetz zur Beratung der Bundesregierung berufene Bundesjugendkuratorium nicht ausreichend über die Pläne zur Errichtung einer Zentralstelle zu unterrichten?
Nach dem Gesetz ist es die Aufgabe des Bundesjugendkuratoriums, die Bundesregierung in allen wesentlichen Fragen der Jugendpolitik zu beraten. Ich halte eine organisatorische Maßnahme nicht für eine wesentliche Frage der Jugendpolitik.
Herr Moersch!
Unbeschadet Ihrer Antwort: Hat das Bundesjugendkuratorium Ihnen eine Empfehlung zu dieser Frage gegeben?
Dem Bundesjugendkuratorium sind zur Information die Vorstellungen des Hauses vorgetragen worden. Dabei sind von seiten des Kuratoriums Einwendungen nicht erhoben worden. Erst zu einem späteren Zeitpunkt sind im Rahmen des Kuratoriums kritische Stimmen laut geworden. Aber wir haben eine Stellungnahme des Kuratoriums zu dieser Frage nicht eingeholt.
Damit sind die Fragen aus diesem Bereich beantwortet.
Ich rufe nun noch die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheitswesen auf. Die erste Frage, also die Frage VI/1, stellt der Abgeordnete Rollmann:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß in der Rinderzucht Futtermittel mit thyreostatischer Wirkung, deren Verabfolgung an lebende Tiere nach dem § 4 b Nr. 2 des Lebensmittelgesetzes verboten ist, als Tierarzneimittel deklariert und in großen Mengen vertrieben und verabfolgt werden, um das Lebensmittelgesetz zu umgehen?
Frau Minister, wollen Sie antworten.
Herr Präsident, wenn der Herr Kollege damit einverstanden ist, möchte ich die Fragen 1 und 2 in meiner Antwort gern zusammenziehen.
Sind Sie einverstanden? — Das ist der Fall. Dann rufe ich zusätzlich die Frage VI/2 des Abgeordneten Rollmann auf:
Was hat die Bundesregierung getan, um die in Frage VI/1 erwähnte Umgehung des Lebensmittelgesetzes zu unterbinden?
Bitte, Frau Minister!
Es ist so, daß Mittel mit thyreostatischer Wirkung beim Bundesgesundheitsamt als Arzneispezialitäten registriert sind. Es besteht allerdings Anlaß zu der Vermutung, daß solche Mittel entgegen den lebensmittel- und arzneimittelrechtlichen Vorschriften in den Verkehr gebracht werden, um den Fleisch- und Fettansatz bei Tieren zu beeinflussen.
Das Bundesgesundheitsamt ist deswegen angewiesen worden, zu prüfen, ob die Eintragung dieser Mittel im Spezialitätenregister gelöscht werden muß. Soweit der Bundesregierung Rechtsverstöße bekanntgeworden sind, sind die Länder, die die Einhaltung der lebensmittel- und arzneimittelrechtlichen Vorschriften zu überwachen haben, von uns entsprechend unterrichtet und auf die Auffassung der Bundesregierung über die Rechtslage hingewiesen worden.
Herr Rollmann!
Frau Minister, ist Ihnen nicht das Votum des Bundesgesundheitsrates vom 7. Juli 1961 bekannt, worin festgestellt worden ist, daß die Verwendung von Stoffen mit östrogener und thyreostatischer Wirkung als Zusatz zu Futtermitteln für nichttherapeutische Zwecke nicht geduldet werden sollte, da gesundheitsschädigende Spätwirkungen durch den Verzehr des Fleisches der damit gefütterten Tiere nach dem derzeitigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht mit Sicherheit auszuschließen sind, und ist es notwendig, neue Erhebungen zu dieser Frage anzustellen?
Das Votum des Bundesgesundheitsrates ist natürlich bekannt. Aber das Bundesgesundheitsamt ist bei der Eintragung in das Spezialitätenregister
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1967 4019
Bundesminister Frau Strobeldavon ausgegangen, daß Thyreostatika rezeptpflichtige Arzneimittel sind. Das Verbot der Verfütterung nach § 4 b Nr. 2 des Lebensmittelgesetzes ist erst nach der Registrierung in Kraft getreten. Ich sagte schon, daß das Bundesgesundheitsamt angewiesen worden ist, die als Arzneimittel aufgemachten Masthilfsmittel im Spezialitätenregister zur Löschung zu bringen. Dieser Löschung steht aber zur Zeit noch die Tatsache entgegen, daß die Hersteller diesen Mitteln Arzneimittelwirkung beilegen. Deshalb ist das Bundesgesundheitsamt von uns aufgefordert worden, für diese behaupteten Wirkungen Unterlagen beizubringen.
Herr Rollmann!
Ist es nicht so, Frau Minister, daß diese sogenannten Masthilfsmittel in Wirklichkeit eine Täuschung der Verbraucher bedeuten, da durch sie das Fleisch nur künstlich aufgeschwemmt wird?
Herr Rollmann, Sie haben völlig recht. Eine solche Frage ist vom Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hier in diesem Hause vor Jahren schon in der Richtung, die Sie jetzt angedeutet haben, beantwortet worden. Es ist mir auch bekannt, daß die behauptete Beruhigungswirkung dieser thyreostatischen Mittel nur theoretisch besteht.
Dann rufe ich die Frage VI/3 des Abgeordneten Rollmann auf:
Ist es richtig, daß Tiere, die im Ausland mit in Deutschland verbotenen Futtermitteln und Wirkstoffen gefüttert werden, nach Deutschland importiert und die aus ihnen gewonnenen Fleischerzeugnisse hier verkauft werden können?
Nach § 21 Abs. 1 des Lebensmittelgesetzes müssen Lebensmittel — und hierzu gehören in diesem Fall auch Schlachttiere —, die in den Geltungsbereich dieses Gesetzes verbracht werden, den deutschen lebensmittelrechtlichen Vorschriften entsprechen. Verantwortlich für die Einhaltung dieser Vorschriften ist der Importeur. Die Feststellung, ob der Fleisch- und Fettansatz bei importierten Tieren durch Wirkstoffe beeeinflußt ist, ist jedoch bekanntlich äußerst schwierig. Die Bundesregierung strebt daher für die Verwendung von Wirkstoffen bei Tieren supranationale Regelungen an.
Herr Rollmann!
Ist, Frau Minister, wenigstens in einem einzigen Fall in den vergangenen Jahren der Import von Tieren oder Fleisch oder Fleischerzeugnissen nach Deutschland deshalb untersagt worden, weil festgestellt worden ist, daß diese Tiere im Ausland mit Futtermitteln und Wirkstoffen gefüttert worden sind, die in Deutschland verboten sind?
Mir ist ein solcher Fall nicht bekannt, Herr Kollege Rollmann; aber mir ist bekannt, daß innerhalb der EWG die Vorarbeiten für eine Richtlinie, die thyreostatische Stoffe zu Futterzwecken verbietet, weit gediehen sind. Nicht zuletzt macht die Bundesregierung ihren Einfluß dahin geltend, dieses Verbot auf EWG-Ebene wirksam zu machen.
Herr Rollmann!
Ist es nicht so, Frau Minister, daß die deutschen Tierhalter benachteiligt werden, wenn sie hier in Deutschland die strengen Fütterungsvorschriften zu berücksichtigen haben, im Ausland aber nach anderen Methoden gemästet werden kann und die Tiere dann bei uns eingeführt werden?
Herr Kollege Rollmann, ich möchte Ihre Frage nicht so verstehen, daß Sie etwa der Meinung sind, wir sollten aus Wettbewerbsgründen die Verfütterung thyreostatischer Mittel zulassen. — Sie haben, wie Sie durch Kopfschütteln andeuten, diese Auffassung nicht. Es ist unsere Aufgabe, erstens Methoden zu entwickeln, die uns in die Lage versetzen, bei der Einfuhrkontrolle nachzuweisen, ob solche Mittel verwendet worden sind, und darüber hinaus unsere Lieferanten aus den EWG- und Drittländern auf unsere Vorschriften und auf die Einhaltung dieser Vorschriften aufmerksam zu machen.
Ich rufe die Frage VI/4 des Abgeordneten Dr. Rinderspacher auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung baden-württembergischer Fachleute aus Wissenschaft und Wirtschaft, daß in den letzten Jahren die Bemühungen um eine moderne Abwasserbeseitigung „stark nachgelassen" habe, daß sogar begonnene Projekte nicht fertiggestellt worden seien?
Sie wird übernommen vom Abgeordneten Kübler. Bitte, Frau Minister!
Im Bereich der Gemeinden und Abwasserverbände sind die Investitionen für den Bau von Kanalisationen und Kläranlagen von Jahr zu Jahr gestiegen. In' den letzten drei Jahren betrugen sie fast 5 Milliarden DM. In diesen Kläranlagen wird das Abwasser in immer größerem Umfang nach modernen Verfahren vollbiologisch gereinigt. Die Auffassung, daß in den letzten Jahren die Bemühungen um eine moderne Abwasserbeseitigung stark nachgelassen hätten, trifft somit für den Bereich des öffentlichen Abwsserwesens weder in finanzieller noch in fachtechnischer Hinsicht zu. Soweit im Bereich der Industrie das Abwasser nicht -in städtische oder Verbandskanalisationen, sondern direkt in Flüsse und Bäche eingeleitet wird, sind die Verhältnisse hinsichtlich der für Kläranlagen aufgewandten Kosten, der unternommenen Anstrengungen und der erzielten Erfolge nicht so ohne weiteres überschaubar. Aber der in der Frage vertretenen Auffassung, daß in diesem Bereich die Bemühungen um eine moderne Abwasserbeseitigung
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4020 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1967
Bundesminister Frau Strobelin den letzten Jahren stark nachgelassen hätten, kann ich mich nicht anschließen. Ich erinnere z. B. daran, daß gerade in diesen Tagen eine hochmoderne biologische Abwasserreinigungsanlage der Industrie in Darmstadt fertiggestellt worden ist, die als vorbildlich gilt. Ich muß allerdings sagen, Herr Kollege, daß die unvermeidlichen Ausgabenkürzungen im Bundeshaushalt auch eine starke Einschränkung der zinsgünstigen ERP-Kredite für den Bau von Kläranlagen vorsehen und daß auch in den Haushalten der Länder die Mittel für Zuschüsse für den Bau von Abwasseranlagen verringert worden sind.
Herr Dr. Kübler!
Frau Minister, ist Ihnen der Vorwurf von Fachleuten aus Baden-Württemberg bekannt, daß wegen zu hoher Anforderungen an diese Kläranlagen und Investitionen für diese Kläranlagen mittelgroße Industriebetriebe sich gern vor dieser Ausgabe drücken?
Herr Kollege, mir ist dieser Vorwurf bekannt, und mir sind andere derartige Einstellungen bekannt. Aber ich kann mich natürlich dieser Auffassung nicht anschließen. Ich weiß allerdings — das ist ja auch dem Hohen Hause bekannt —, daß ein Gesetzentwurf zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes, der für die Einleitung von Abwässern Mindestbedingungen für den Bau von Kläranlagen und Fristen für den anzustrebenden Zustand der Gewässer vorsah und der vor eineinhalb Jahren in diesem Hause einstimmig angenommen wurde, vom Bundesrat zurückgewiesen wurde und daß damit eine Verbesserung des Wasserhaushaltsgesetzes zunächst nicht erreicht war. Ich bin der Meinung, daß in Gesprächen mit den Ländern versucht werden muß, die rechtlichen Voraussetzungen für eine solche Verbesserung zu klären.
Herr Hofmann!
Frau Ministerin, ist Ihnen bekannt, daß fast alle größeren Kläranlagen in den meisten deutschen Städten kaum eine echte biologische Reinigung vollziehen?
Herr Kollege, ich muß sagen, das ist mir nicht bekannt. Es gibt die verschiedensten Möglichkeiten, solche Kläranlagen zu erstellen. Wir sind natürlich nicht in der Lage, absolute technische Vorschriften für diese Kläranlagen zu geben. Das geschieht ja weitgehend auf dem Verwaltungsweg.
Sind Sie bereit, diese Frage einmal etwas näher zu prüfen?
Selbstverständlich, gerne.
Damit ist die Fragestunde abgeschlossen.
Ich rufe nun den Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Beratung des Berichts des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung
betr. Bericht der Bundesregierung über die Situation der Frauen in Beruf, Familie und Gesellschaft
— Drucksache V/909 —
Das Wort zur Eröffnung der Debatte hat der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Herr Kattenstroth.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie Sie vielleicht schon gehört haben, ist Herr Bundesminister Katzer plötzlich an Grippe erkrankt. Er kann Ihnen deshalb nicht, wie er es vorgehabt hatte, heute selbst einführende Worte zum Bericht der Bundesregierung über die Situation der Frauen in Beruf, Familie und Gesellschaft vortragen. Er hatte sich sehr auf die Debatte gefreut. Er hat mich gebeten, hier an seiner Stelle einige einleitende Ausführungen zu machen.Vor zwei Jahren hat der Deutsche Bundestag die Bundesregierung ersucht, über die Situation der Frauen in Beruf, Familie und Gesellschaft umfassend zu berichten. Dabei sollten im wesentlichen das vorhandene Material ausgewertet und die bisherigen Maßnahmen und Leistungen dargestellt werden, durch die der besonderen Situation der Frauen schon heute Rechnung getragen wird.Die Bundesregierung hat den Bericht am 14. September vorigen Jahres vorgelegt. Er ist weithin beachtet worden, hat Kritik ausgelöst, aber auch Zustimmung gefunden. Bevor ich auf einige Anmerkungen und Wertungen eingehe, möchte ich einige grundsätzliche Feststellungen treffen:In diesem Bericht spiegelt sich die geistige, soziale und wirtschaftliche Situation nicht nur der Frauen, sondern darüber hinaus auch der Familie und der Gesellschaft wider. Es gibt heute keine isolierten Frauenprobleme mehr, wie es sie vielleicht einmal in der bäuerlichen Gesellschaft früherer Jahrhunderte und in der bürgerlichen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts gegeben haben mag. Alle Fragen sind vielmehr unlösbar verknüpft mit den Fragen des Zusammenlebens in unserer Gesellschaft und den sozialen, technischen und wirtschaftlichen Wandlungen, denen wir uns ständig stellen müssen.Viele traditionelle Vorstellungen und Überlieferungen sind für uns heute ins Wanken geraten. Wir leben in einer Gesellschaft, in der jeder einzelne frei und selbstverantwortlich sein Leben gestaltet. Mann und Frau treten in ein partnerschaftliches Verhältnis zueinander. An die Frau, gleich ob sie alleinstehend, beruflich tätig ist oder in der Familie wirkt, werden hohe geistige und soziale Anforderungen gestellt. Ungleich stärker als in früheren Zeiten ist der Bildungs- und Erziehungsauftrag der Familie ausgeprägt. Man darf auch nicht vergessen, daß die Frau von heute ebenso wie der
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1967 4021
Staatssekretär KattenstrothMann eine wesentlich höhere Lebenserwartung hat als in früheren Zeiten.Unsere Gesellschaft wünscht das volle Teilhaben der Frauen an allen wichtigen sozialen, kulturellen und politischen Vorgängen. Sie braucht lebensnotwendig ihre Stimme und ihr Urteil.Man spricht heute vielfach von den drei Phasen im Leben der Frau, und zwar von der Ausbildung und dem Eintritt in den Beruf, von den Aufgaben innerhalb der Familie und von der erneuten Aufnahme eines Berufes. Ich glaube, daß in allen drei Phasen hohe Anforderungen an die Bildung, die Urteilskraft und an das gesellschaftliche Mitwirken der Frau gestellt sind. Die Frau, gleich ob in der Ausbildung oder als Mutter oder als Berufstätige, soll sich in allen Phasen als vollberechtigtes Glied in unsere Gesamtgesellschaft einfügen.Nun müssen wir ehrlich zugeben, daß wir in einem gesellschaftlichen Entwicklungsprozeß stehen, der noch keineswegs voll übersehbar ist. Die veränderte Stellung der Frau ist uns dabei vielleicht noch nicht genügend zum Bewußtsein gekommen. Sicherlich gibt es erhebliche Unklarheiten und auch Meinungsverschiedenheiten über neue Leitbilder und Verbesserungen der Stellung der Frau. Es ist klar, daß bei solchen Schwierigkeiten ein Bericht über die Situation der Frauen nicht letzte Antworten, nicht einmal in wichtigen Punkten eine Wertung, geben kann. Dieser Bericht ist im wesentlichen eine Bestandsaufnahme, bewußt sehr nüchtern gefaßt. Er beschränkt sich also weithin auf die Klärung von Tatbeständen. Es mag sein, daß manche Klärung auf Anhieb noch nicht ganz gelungen ist, vielleicht haben auch einige Ausführungen mehr den Charakter einer Fleißarbeit. Ein Teil der Darlegungen ist sicherlich nicht viel mehr als Rohmaterial für die weitere Diskussion.Dennoch kann man wohl sagen, daß hier erstmalig der Versuch gemacht wird, in der ganzen Breite der Problematik die Einordnung, die Funktion und die Mitwirkung der Frau in unserer modernen Gesellschaft darzustellen. Diese Tatsache an sich ist schon bezeichnend dafür, in welchem geistigen Prozeß wir heute stehen. Vieles ist nicht mehr traditionellselbstverständlich, sondern muß völlig neu durchdacht werden. Es stellt sich uns heute als Problem, auf das wir eine Antwort finden müssen.Bei dieser Sicht kann man von dem vorliegenden Bericht nur in sehr beschränktem Maße Wertungen, Lösungen und Leitbilder erwarten. Der Bericht sollte vielmehr in erster Linie die Unterlagen für eine sachgerechte Diskussion liefern, die hier im Deutschen Bundestag und in der gesamten Gesellschaft geführt werden muß und die uns bei der Beurteilung wie auch bei einzelnen Maßnahmen und Hilfen weiterführen soll.Meine Damen und Herren, ich glaube, vor diesem Hintergrund dürften sich einige Mißverständnisse ausräumen lassen. Es ist gesagt worden, daß bei der Berichterstattung der Erfolg in keinem Verhältnis zu dem Aufwand stehe. Die Bundesregierung teilt diese Ansicht nicht. Sie ist vielmehr der Auffassung, daß es für die weitere Diskussion notwendig ist, ein umfassendes Bild von der heutigen Situation der Frauen in der modernen Gesellschaft zu gewinnen. Ich muß einschränkend hinzufügen, daß es sich gewissermaßen um eine Momentaufnahme der zur Zeit erreichbaren Unterlagen handelt. Den anspruchsvollen Begriff Enquete sollte man vielleicht weniger verwenden. Die Bundesregierung war nicht aufgefordért, eine umfassende wissenschaftliche Untersuchung vorzulegen, sondern einen ersten Bericht, der auf Grund des bereits vorhandenen Materials erstattet werden sollte.
Eine weitere Stufe und gleichzeitig ein wesentliches Ergebnis der parlamentarischen Beratung wird sein, festzustellen, wo der Bericht unvollkommen und lückenhaft geblieben ist und auf welche Weise etwaige Lücken geschlossen werden sollen und können.Der Bericht ist vielleicht etwas umfangreich, und ich gebe gern zu, daß es nicht leicht ist, den ganzen Bericht zu lesen. Ich glaube aber, daß es notwendig war, zunächst einmal alle erreichbaren Daten zusammenzustellen und die enge Verzahnung der vielfältigen Lebensverhältnisse, in der sich Millionen Frauen befinden, sichtbar zu machen. Entsprechend dem Bedürfnis nach einer kurzen, konzentrierten Übersicht hat der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung inzwischen eine Kurzfassung veranlaßt, die Ihnen in den nächsten Tagen zur Verfügung stehen wird.Meine Damen und Herren, lassen Sie mich nun kurz einige wichtige Probleme und Aufgaben umreißen:Erstens. Intensiver als in der Vergangenheit müssen die jungen Mädchen auf ihre zukünftige Stellung als Hausfrau und Mutter vorbereitet werden. Auch andere Hilfen für Hausfrauen und Mütter — wie etwa Kindertagesstätten, Beratungsdienste und Einrichtungen der Erholung — sollen im Rahmen des finanziell Möglichen stärker als bisher gefördert werden.Die Stellung der Frau als Hausfrau und Mutter ist nach wie vor für eine intakte Gesellschaft von höchster Bedeutung, und es bleibt eine Tatsache, daß die Berufstätigkeit der Mutter für die Erziehung der Kinder Schwierigkeiten in sich birgt. Im Interesse unserer Familien ist deshalb jede nur denkbare Hilfe hier notwendig.Zweitens. Damit soll nicht, wenn ich das so ausdrücken darf, einer „Heimchen-am-Herd-Romantik" das Wort geredet werden; denn es ist nicht zu übersehen, daß die Frau heute in zunehmendem Maße ein Bewußtsein für den Eigenwert der Arbeit entwickelt. Ihre Berufstätigkeit ist nicht nur auf den Gelderwerb gerichtet. Vielmehr sieht sie in zunehmendem Maße in einer möglichst verantwortungsvollen Tätigkeit einen Weg zur Entfaltung ihrer eigenen Persönlichkeit. Darüber hinaus bleibt festzustellen: Ohne die Mitarbeit von Millionen Frauen wäre der rasche wirtschaftliche Wiederaufstieg in der Bundesrepublik nicht möglich gewesen,
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Staatssekretär Kattenstrothund es ist eine Tatsache, daß auch unser heutiges Wirtschaftsleben ohne die Mitarbeit von Millionen Frauen gar nicht vorstellbar wäre.
Wir müssen also in allem nach Wegen suchen, die beiden wesentlichen Zielen gerecht werden.Drittens. Dazu gehört die Verbesserung der Stellung der Frau im Arbeitsleben. Daß die meisten von ihnen in einfachen oder mittleren Stellen arbeiten und daß dem beruflichen Aufstieg noch manche Hindernisse entgegenstehen, entspricht nicht den Leistungen, die die Frauen für unsere Volkswirtschaft erbringen bzw. erbringen könnten.
Diese Probleme mögen zum Teil in der besonderen Situation dieser Frauen begründet sein, hier ist aber auch noch manches Vorurteil zu beseitigen.
Auf die Hilfen, die in verstärktem Maße zur beruflichen Fortbildung gerade der Frauen gegeben werden sollen, werde ich noch zu sprechen kommen.Viertens. Ein weiteres Problem ist, daß den Frauen heute infolge der durchschnittlich früheren Eheschließung, der geringeren Kinderzahl und der bestehenden Lebenserwartung nach Erfüllung ihrer Aufgabe als Mütter ein erheblicher Abschnitt des Lebens bleibt, in dem sie sich anderen Wirkungsmöglichkeiten zuwenden können. Soweit sie in das Arbeitsleben zurückkehren wollen, sollte ihnen hierzu die erforderliche Hilfe bei der Vorbereitung zuteil werden. Mit den Maßnahmen des Leistungsförderungsgesetzes hat die Bundesregierung bereits vor Jahren einen Anfang gemacht.Fünftens. Das wird um so leichter sein, wenn bereits das junge Mädchen die gebotenen Möglichkeiten einer qualifizierten Berufsausbildung voll ausschöpft. Leider ist das heute nicht in ausreichendem Maße der Fall. Manches junge Mädchen übersieht zu wenig vorausschauend sein Leben; es wird auch von seiner verantwortlichen Umwelt zu wenig auf die Bewältigung der doppelten Aufgabe in Beruf und Familie vorbereitet. So werden schon früh für die Frau, die im Berufsleben bleibt, Möglichkeiten des Aufstiegs verbaut, so ist es für diese Frauen später sehr viel schwieriger, in das Berufsleben zurückzukehren. Die von der Bundesregierung getroffenen Maßnahmen zur Förderung der beruflichen Bildung, die noch ausgebaut werden sollen, sollten deshalb gerade von jungen Mädchen ernsthaft genutzt werden.Spezielle bildungspolitische Aufgaben ergeben sich aus der Notwendigkeit, die Mädchen auf ihre veränderten und sicher nicht leichter gewordenen Aufgaben in Ehe und Familie, insbesondere auf ihre Erziehungsaufgaben vorzubereiten. Sehr viel stärker wird auch noch bei der Verbesserung unseres Bildungswesens überhaupt der Notwendigkeit einer zeitweisen Entlastung der Mütter Rechnung getragen werden müssen. Hierbei werden sicher manche Vorurteile und liebgewordene Vorstellungen überprüft werden müssen. So müssen wir beispielsweise die Forderung nach verstärkter Einrichtung von Kindertagesstätten und Ganztagsschulen auf die gesellschaftspolitischen Erfordernisse hin überprüfen. Aufgabe aller Beteiligten wird es jedoch sein, die Wege zu finden, die eingeschlagen werden müssen und können, um zu vernünftigen Lösungen zu gelangen. Das wird nicht immer leicht sein. Der Bericht der Bundesregierung wäre auch überfordert, wenn er zu allen Fragen fertige Lösungsvorschläge bieten müßte.Nun noch ein Wort zu den von mir vorgetragenen Problemen und Aufgaben:Dort, wo der Bericht besonders große Lücken gelassen hat, sind bereits die ersten Forschungsvorhaben eingeleitet worden. So ist.' z. B. ein Forschungsauftrag über besondere gesellschaftliche Probleme der alleinstehenden Frauen vergeben worden, eine Frage also, auf die das Hohe Haus besonders Wert gelegt hat. Ein weiterer Forschungsauftrag betrifft Fragen der beruflichen Fortbildung der Frauen, ein Gebiet, auf dem ja schon während der Arbeit an diesem Bericht neue Maßnahmen ergriffen worden sind.Wie Sie wissen, sind die Richtlinien zur Durchführung des Leistungsförderungsgesetzes dahin geändert worden, daß nunmehr auch Beihilfen für die Teilnahme an Lehrgängen gewährt werden können, die auf eine bessere Qualifizierung weiblicher Arbeitnehmer ausgerichtet sind, ohne daß eine abgeschlossene Berufsausbildung vorausgesetzt wird, wie es bisher verlangt wurde. Ebenso kann jetzt die Teilnahme an Lehrgängen gefördert werden, die auf den Wiedereintritt weiblicher Arbeitnehmer in das Berufsleben ausgerichtet sind. Wir werden überlegen, ob und wie solche Maßnahmen bei der beabsichtigten Novellierung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung vielleicht in geeigneter Weise weiterentwickelt werden können. Auch die Tatsache, daß das jüngst verabschiedete Dritte Neuordnungsgesetz zur Kriegsopferversorgung mehr als die Hälfte seiner Verbesserungen für die Versorgung der Kriegerwitwen bestimmt, muß in diesem Zusammenhang gesehen werden.Lassen Sie mich abschließend folgendes sagen. Mit staatlicher Maßnahmen allein ist es in allen diesen Fragen nicht getan. Hier haben auch der einzelne und die gesellschaftlichen Gruppen besondere Wirkungsmöglichkeiten, aber auch besondere Verantwortung.Die gesellschaftliche Entwicklung hat den Frauen viele neue Möglichkeiten zur Entfaltung ihrer Persönlichkeit, zur verantwortlichen Mitwirkung, aber auch neue Aufgaben und neue Probleme gebracht. Gerade die Mitarbeit und Mitverantwortung im öffentlichen Leben sollte von den Frauen selbst 'dabei mehr als bisher genutzt werden. Der Bericht der Bundesregierung kommt hier zu der Feststellung, daß die Beteiligung der Frauen nicht der grundgesetzlich garantierten Gleichberechtigung entspricht. In 'der Ausgestaltung unseres demokratischen Gemeinwesens können wir auf die aktive und verantwortliche Mitarbeit von mehr als der Hälfte unserer Mitbürger nicht verzichten. Um so mehr ist deshalb das Wirken aller der Frauen zu
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Staatssekretär Kattenstrothbegrüßen und zu würdigen, die in den Parteien, den Kirchen, den Frauenverbänden, in den Frauengruppen der Gewerkschaften und in vielen anderen Organisationen mitarbeiten und so aktiv ihren Beitrag zur Gestaltung unseres öffentlichen Lebens leisten. Sie alle haben wesentlich zu den Leistungen und Maßnahmen beigetragen, die in den letzten Jahrzehnten erzielt und getroffen worden sind. Es ist, glaube ich, an dieser Stelle Anlaß, für die vielfältigen und tatkräftigen Beweise eines aktiven Gemeinsinns zu danken.
Der von der Bundesregierung vorgelegte Bericht appelliert an ein modernes gesellschaftliches Bewußtsein. Kein Problem geht einen oder eine Gruppe allein an. Die Probleme der Frau sind Probleme, 'die uns gleichermaßen berühren und von uns allen gemeinsame Antworten verlangen.
Wir treten in die Aussprache ein. Das Wort hat Frau Abgeordnete Schroeder.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich im Namen meiner Fraktion der Bundesregierung für die Vorlage dieses Berichtes aufrichtigen Dank sagen.
Wer sich in der letzten Zeit mit diesem Thema etwas eingehender befaßt hat, der hat einen Eindruck davon bekommen, welche Fülle von Material, welche Vielzahl und Vielschichtigkeit von Problemen und in welchem Maße auch divergierende Stellungnahmen auf diesem Gebiet vorhanden sind. Man kann dann das Maß von Arbeit einschätzen, dieses alles zu einem übersichtlichen Bericht von 300 Seiten Text, wie er uns jetzt vorliegt, zusammenzufassen.
Unser Dank gilt auch all den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Ministerien, die an der Erstellung dieses Berichtes beteiligt gewesen sind.
Wir wissen deren Arbeit sehr wohl zu würdigen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Hat sich der Bericht gelohnt? Auch ich möchte dazu ein wirklich aufrichtiges Ja sagen. Gewiß, wer Patentlösungen für die schwebenden Probleme erwartet hat, der wird enttäuscht sein. Wer sich aber den Auftrag noch einmal ins Gedächtnis zurückruft, wie ihn dieses Hohe Haus einstimmig an die Bundesregierung gegeben hat, der muß bestätigen, daß man diesen Auftrag als erfüllt ansehen muß. Die mit dieser Materie befaßten Ausschüsse hatten seinerzeit bewußt davon abgesehen, eine einzige umfassende Untersuchung vorzuschlagen. Dies ist also tatsächlich nicht eigentlich d i e Frauenenquete. Es sollte zunächst ein erster Bericht über alles vorhandene Material, über alle bereits bestehenden Leistungen erstellt werden. Es ist also eine Bestandsaufnahme, die uns hier vorliegt.Sie weist selbstverständlich Lücken auf, aber wir haben jetzt eine klare Ubersicht darüber, wo diese Lücken sind, und wir können sie deshalb leichter füllen. Wir werden uns in Zukunft auf die Untersuchung einzelner Probleme beschränken können. Die Bundesregierung hat ja schon im Bericht auf mehrere weitere Forschungsaufträge hingewiesen, die bereits in Arbeit sind. Ich begrüße das durchaus. Dies entspricht genau unserem Auftrag, dem Auftrag dieses Parlaments.
In dieser Ubersicht, die wir nun vor uns haben, liegt zunächst einmal der Wert des Berichtes, auch in der Ubersicht über die erbrachten Leistungen. Ich meine, daß der Bericht sehr deutlich zeigt, daß die Bundesregierung auch in den vergangenen Jahren nicht an den Problemen vorbeigegangen ist. Die rechtliche Gleichstellung ist durchgeführt. Die Frau ist eingeordnet in unser System der sozialen Sicherung, des Arbeitsrechts und des Arbeitsschutzes. Der Abschnitt über die Familie zeigt die Leistungen für diesen Bereich auf, und ich hoffe, daß der in Kürze zu erwartende Bericht über die Familie uns hier noch weitere eingehende Darstellungen bringen wird. Das Kapitel über die Gesundheit zeigt uns, welche gesundheitspolitischen Maßnahmen bereits bestehen. Selbstverständlich ist überall noch vieles zu tun.Einen weiteren Wert des Berichtes sehe ich in der Wirkung auf die öffentliche Meinung. Meines Erachtens liegt dieser Wert entscheidend darin, daß unsere Gesellschaft erst einmal auf die starke Wandlung in der Situation der Frau in genügender Weise aufmerksam gemacht wird, daß ihr der Unterschied zwischen den noch vielfach vorhandenen Vorstellungen und unserer Wirklichkeit vor Augen geführt wird, daß ihr ein realeres Bild der Frau von heute gezeigt wird. Ich glaube, daß allein durch solche Darstellung die Öffentlichkeit in ihrem Urteil so beeinflußt werden könnte, daß sie zu einer richtigeren Haltung und Wertung gebracht werden könnte und daß schon dadurch manches Problem erleichtert wird.
Es hat mich doch sehr beeindruckt, in wieviel wichtigen Fragen der Bericht darauf hinweisen muß, daß allein Vorurteile, überholte Vorstellungen, falsche Einschätzungen eine gute Entwicklung hemmen.
Ich darf einige Beispiele anführen, um dies deutlich zu machen. Wir kennen die eindrucksvollen Zahlen über die Berufstätigkeit der Frau. Es sind ungefähr 9,5 Millionen, d. h. jede zweite Frau im erwerbsfähigen Alter steht im Beruf; jeder dritte Berufstätige überhaupt ist eine Frau, jeder sechste eine verheiratete Frau. Trotz dieser Tatsachen hat eine Meinungsumfrage ergeben, daß 68% aller Frauen und 72 % aller Männer geantwortet haben, daß sie Frauenberufsarbeit als etwas nicht Normales, als einen Ausnahmezustand, als etwas Vorübergehendes bezeichnen. Dies zeigt doch einen geradezu
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Frau Schroeder
beunruhigenden Unterschied zwischen Vorstellung und Wirklichkeit.
Es zeigt die ganze Unsicherheit im Urteil unserer Gesellschaft über die Berufstätigkeit der Frau.Ein zweites Beispiel. Ähnlich ist es mit den Wertvorstellungen über die Arbeit der Hausfrau. Auch unsere Hausfrauen sehen sich vor einer gewandelten Situation. Das wird viel zu wenig erkannt. Sie empfinden ihre Arbeit als zu gering bewertet. Von daher sind sie weitgehend zu einer Unsicherheit im Selbstverständnis gebracht. Die Achtung vor dieser Arbeit, von der ich überzeugt bin, daß sie im Grunde in weiten Kreisen in hohem Maße vorhanden ist, sollte wieder stärker sichtbar gemacht werden.
Ein drittes Beispiel. Was . mich beim Lesen des Berichts nun wirklich erschüttert hat, sind die Ausführungen darüber, daß in unserer Gesellschaft das soziale und gesellschaftliche Ansehen der Frau in weiten Kreisen immer noch vom Familienstand abhängig gemacht wird, und zwar mit der Rangordnung: Ehefrau, Witwe, geschiedene Frau und zum Schluß die ledige alleinstehende Frau. Wenn es die Diskussion in der Öffentlichkeit erreicht, daß unsere heutige Gesellschaft wenigstens darüber nachdenkt, wie unsinnig eine solche Bewertung ist, anstatt den Wertmaßstab allein an den Menschen, seine Haltung, seine Leistung, gleich, ob sie in der Familie oder im Beruf erbracht wird, zu setzen, ist bereits ein guter Schritt auf das Ziel der Frauenenquete getan.
Aus all diesen Gründe begrüße ich jedes Echo in Presse, Rundfunk, Fernsehen und allen anderen Publikationsmitteln, auch wenn Kritik geäußert wird. Wir brauchen die Mitarbeit der Publikationsmittel. Ich danke ihnen dafür, daß sie diesen Bericht mit so großem Interesse aufgenommen haben. Ich begrüße in diesem Zusammenhang auch sehr, daß nun bald eine Kurzfassung des Ministeriums vorliegen wird, weil dadurch ein größerer Kreis von dem Bericht Kenntnis bekommt.Besonders erfreulich erscheint es mir, daß sich unzählige Tagungen und Versammlungen bereits jetzt mit dem Thema befassen und es vertiefen. Frauenverbände, soziale Verbände, Kirchen und Gewerkschaften haben die Diskussion aufgegriffen. Wenn von hier aus der Anstoß zu einer besseren Entwicklung gegeben würde, wäre viel erreicht. Der Bericht hat uns deutlich gemacht, daß ein Großteil der Probleme nicht vom Staat, nicht vom Gesetzgeber, sondern allein durch die Gesellschaft gelöst werden kann.
In diesem Zusammenhang ist immer wieder davon die Rede gewesen, daß uns heute das rechte Leitbild der Frau noch fehle. Soll man das eigentlich so sehr bedauern? Hat nicht gerade das Festhalten an einem einseitigen Leitbild, bis es längst überholt war, zu manchen Fehlurteilen geführt? Es gibt eben nicht d i e Frau, es gibt nur die vielen Frauen, die sich in ganz verschiedenen Lebenssituationen bewähren müssen, die sich genau wie der Mann immer wieder einer gewandelten Umwelt anpassen müssen.Die wichtigste Frage für uns, für das Parlament ist es jedoch, zu prüfen: Hat sich unsere Gesetzgebung auf die gewandelte Stellung der Frau genügend eingestellt? Hat sie in genügender Weise neben der Gleichberechtigung auch die Andersartigkeit berücksichtigt und die Tatsache, daß eben die Frau vor einem anderen Lebensrhythmus steht?Dies gilt genauso für die Maßnahmen der Länder, es gilt genauso für die Maßnahmen der Wirtschaft. Dies ist das eigentliche Thema der Enquete. Es zieht sich wie 'ein roter Faden durch den ganzen Bericht. Es berührt .die Stellung der Frau in der Arbeitswelt wie in der Familie, in der sozialen Sicherung, ihre Bildung und Bildungsmöglichkeiten und ihre Mitarbeit im öffentlichen Leben. Es gilt für die Landfrauen wie für die mithelfenden Familienangehörigen.Ich sehe .den Wert des Berichts vor allem darin, daß wir bei der künftigen Gesetzgebung laufend an Hand dieser Enquete prüfen können, ob unsere Gesetze auch passen, ob wir nicht an der Wirklichkeit vorbeiplanen und vorbeiorganisieren.Das schließt sicher nicht aus, daß wir in einigen Punkten sofort oder zumindest sobald wie möglich ansetzen sollten. Die Bundesregierung hat bewußt, wie es in der Einleitung steht, von konkreten Vorschlägen wegen der Vielschichtigkeit der Probleme abgesehen. Ich halte das nicht für schlecht. Ich meine, daß jetzt das Parlament am Zuge ist.Wir sollten den Beratungen in den Ausschüssen nicht vorgreifen und sie zunächst sehr gründlich führen, bevor wir zu konkreten Vorschlägen kommen.Alle, die sich mit dem Bericht eingehend befaßt haben, werden Ansatzpunkte zu neuen Maßnahmen sehr deutlich erkannt haben. Lassen Sie mich nur auf einige dieser Ansatzpunkte und Schwerpunkte zurückkommen.Das eine, was immer wieder als Schwerpunkt dieses Berichts anklingt, als Schwerpunkt des ganzen Problems, ist die Doppelaufgabe, vor die sich eine zunehmende Zahl von Frauen gestellt sieht: die Aufgabe in Beruf und Familie. Schon heute ist die Zahl der erwerbstätigen verheirateten Frauen größer als die der ledigen, und zwar mit 4,9 Millionen verheirateten gegenüber 3,7 Millionen ledigen. Die Zahlen über den Trend aber, und das ist ja das Wichtige, in den letzten Jahren gerade bei den jüngeren verheirateten Frauen zur Berufsarbeit sprechen eine sehr deutliche Sprache.Diese Entwicklung wird sich dadurch verstärken, daß in wenigen Jahren das Zahlenverhältnis zwischen Männern und Frauen immer ausgewogener sein wird. Nun ist es doch eine schlichte Tatsache, daß die Mitarbeit der Frauen aus unserer Volkswirtschaft nicht mehr fortzudenken ist. Lassen Sie mich nur als vielleicht zahlenmäßig gar nicht einmal so gravierendes Beispiel einige Berufe herausgreifen, in denen die Frauen nun wirklich unbedingt ge-
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Frau Schroeder
braucht werden. Wir werden uns daran gewöhnen müssen, daß es in Zukunft noch mehr verheiratete Lehrerinnen, Krankenschwestern, ,Pflegerinnen, Sozialarbeiterinnen usw. geben muß, oder der Mangel in diesen Berufen wird eben immer noch größer werden.Hier scheint es doch wirklich die höchste Zeit zu sein, Wege aufzuzeigen, wie die Frau diese Doppelaufgabe Familie und Beruf sinnvoll bewältigen kann. Dieses Problem erwächst aus der Spannung zwischen dem verfassungsmäßigen Recht jedes Menschen auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit — der Herr Staatssekretär hat es eben schon gesagt —, auf freie Berufswahl und Ausbildung — was doch auch für die Frau gilt — und die Bindung an die Aufgabe in der Familie, die ja auch von der Frau selbst bejaht wird. 82% aller Frauen haben die Sorge für Familie, Mann und Kinder als ihren ersten Lebensinhalt bezeichnet. Dies zur Beruhigung für die Herren!Ich finde es sehr gut, daß in dem Bericht mit aller Deutlichkeit gesagt wird, daß es kaum einen einheitlichen Maßstab gibt, wann eine Frau neben ihrer Familienaufgabe erwerbstätig sein darf, sein sollte oder tunlichst nicht sein sollte. Man wird sich_ darüber einig sein, daß wirtschaftliche Not Mütter nicht zwingen sollte, zusätzlich einem Erwerb nachzugehen. Aber auch hier wird der Maßstab, den die Frau an den gewünschten Lebensstandard legt, außerordentlich verschieden sein. Wir sollten uns allerdings vor dem oft sehr vorschnellen Urteil hüten, daß sich Frauen wegen einer Überbewertung gewisser materieller Dinge unberechtigt in die Berufsarbeit treiben ließen und ihre Familie darüber vernachlässigten. In dem Bericht wird das „Aufbaumotiv" als eines der häufigsten für die Berufstätigkeit der Familienmutter genannt. Das ist ein durchaus legitimes Motiv. Aufbau des Haushalts, der Wohnung, Ausbildung der Kinder können hier mitsprechen. Sicher hätten unsere Bemühungen, Familien zu einem Eigenheim zu verhelfen, nicht so häufig von Erfolg gekrönt sein können ohne die Mitarbeit der Frau.
Wir sollten uns dabei aber auch klarmachen, daß der Unterschied zwischen dem Lebensstandard der Familie ohne Kinder, in der es die Frau verhältnismäßig leicht hat, berufstätig zu sein, und der Familie mit Kindern, die die Frau an den Haushalt binden, durch diese Tatsache noch größer wird. Ich will damit nicht sagen, daß man etwa diese Differenz völlig ausgleichen könnte. Ich möchte nur auf die Bedeutung des Familienlastenausgleichs auch unter diesem Aspekt gerade für die junge Familie hinweisen, wenn man die Mutter kleiner Kinder ermutigen will, ganz bei ihren Kindern zu Hause zu bleiben.Doch sind es gewiß nicht nur wirtschaftliche Motive, die die Frauen veranlassen, neben ihrer Aufgabe in der Familie ihren Beruf weiterzuführen. Die Bindung an den Beruf wird ebenfalls eine Rolle spielen. Je mehr Mädchen durch eine Berufsausbildung gehen — und erfreulicherweise nimmt die Zahl in jedem Jahr zu —, um so stärker wird diese Bindung an den Beruf werden. Beruf ist auch für dieFrau nicht nur Broterwerb; sie liebt ihren Beruf, und auch von hier aus wird die Entscheidung für sie nicht immer ganz einfach sein.Ich bejahe es sehr, daß in dem Bericht ,der Bundesregierung nun sehr deutlich und sehr ehrlich gesagt wird, daß die Entscheidung bei jeder einzelnen Frau allein liegt. Niemand kann sie ihr abnehmen, jeder Fall wird individuell verschieden liegen. Nur, ihre Aufgabe in der Familie ist eine Realität, wir können sie nicht wegdiskutieren und sollen sie auch um Gottes Willen nicht bagatellisieren.In dem Bericht wird der Satz von Frau Nopitsch zitiert, daß auch heute noch die Frau die zentrale Figur ist, von der ,die Harmonie des Familienlebens abhängt. Nun ist sie dies sicherlich nicht allein, und es ist damit auch nicht gesagt, daß diese Forderung nicht auch durch eine Frau, die berufstätig ist, erfüllt werden könnte. Aber vielleicht sollte jede Frau hier einen gewissen Maßstab für ihre Entscheidung finden: Hat sie neben dem Beruf noch die seelische Kraft, die Nervenkraft, Mittelpunkt ihrer Familie zu sein, der das Familienleben prägt und 'die Familie zusammenhält? Wir brauchen das heute nötiger denn je.Der Staat kann hier nur in etwa die Möglichkeit schaffen, der Frau ein Nebeneinander von Beruf und Familie erträglich zu machen und vielleicht als Sinnvollstes ein Nacheinander beider Pflichten zu erleichtern, wenn sie dies wünscht. Wenn wir die Erkenntnisse in Rechnung setzen, daß das kleine Kind der Zuwendung der Mutter bedarf, wird sich eben der Lebensrhythmus vieler Frauen so gestalten, daß sie eine längere Zeit aus dem Beruf ausscheiden müssen. Aber dieser Lebensrhythmus verläuft heute sicher etwas anders als früher. Durch die früheren Eheschließungen, die geringere Zahl der Kinder und die technischen Erleichterungen eines Haushalts wird es der Frau leichter ermöglicht, in der sogenannten dritten Lebensphase wieder in den Beruf zurückzukehren. Hier müßten wir einsetzen. Dieser Wiedereingliederung in den Beruf ist überall die größte Bedeutung beigelegt. Es ist sehr gut, daß der Bericht diese Aufgabe so eingehend behandelt und hier ja auch ganz konkrete Vorschläge macht.Wir sollten gerade bei den Gesetzgebungswerken, die jetzt vor uns stehen, diese Erkenntnise beachten. Das gilt sowohl für die Novellierung des Arbeitsvermittlungs- und Arbeitsversicherungsgesetzes wie für die Entwürfe zum Berufsausbildungsgesetz. Wir müssen darauf achten, daß nicht durch falsche Altersgrenzen die besondere Lage der Frau verkannt wird. Wir müssen darauf achten, daß bessere Möglichkeiten auch für eine stufenweise Ausbildung, wie das schon im Bericht vorgeschlagen wird, eingebaut werden. Dabei sollten wir nicht nur von der Generation der heute 40- bis 45jährigen Frau, die wieder eingegliedert werden möchte, ausgehen, sondern wir müssen hier auch in die Zukunft planen.Ich habe schon erwähnt: in einiger Zukunft werden sehr viel mehr Frauen durch eine Berufsausbildung gegangen sein. Das wird die Situation verändern. Auch für die Frauen, die jetzt aus ihrem Beruf auszuscheiden wünschen, während ihre Kinder
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Frau Schroeder
noch klein sind, müssen die Weichen gestellt werden. Wir müssen ihnen jetzt die Möglichkeiten schaffen, daß sie während ihres Aussetzens Kontakt mit ihrem Beruf behalten, damit sie in zehn bis fünfzehn Jahren nicht vor den gleichen Schwierigkeiten stehen wie die heutige Generation der 40-bis 50jährigen, nämlich vor der Schwierigkeit, nur eine Tätigkeit als ungelernte Hilfsarbeiterin aufnehmen zu können, weil sie ihren Beruf verlernt haben.Der Bericht weist auf die große Bedeutung solcher Kontaktmöglichkeiten hin. Sicher wird einiges davon in die Kompetenzen der Länder fallen. Wir sollten aber nicht verfehlen, Anregungen dazu zu geben.Ebenso werden wir alle Möglichkeiten der Teilzeitarbeit als bestes Mittel, den besonderen Lebensrhythmus der Frau zu berücksichtigen, sehr genau prüfen müssen. Heute sind nur 11,5 % der erwerbstätigen Frauen in Teilzeitarbeit beschäftigt. Hier sollten wir wirklich alle Möglichkeiten ausschöpfen, auch wenn man die Grenzen dieser Teilzeitarbeiten sieht.Ich verweise in diesem Zusammenhang auch auf die Empfehlung Nr. 123 der Internationalen Arbeitskonferenz, abgedruckt in diesem Bericht, die wir uns, wie ich meine, sehr gründlich vornehmen sollten.Aber dies ist nur e i n Problem: die Doppelaufgabe. Lassen Sie mich noch auf ein weiteres kommen: die Stellung der Frau in der Arbeitswelt von heute. Hier sollte nun wirklich als erstes von der Leistung der Frau gesprochen werden. Im Auftrag an die Bundesregierung war nach der Auswirkung auf die Volkswirtschaft gefragt. Sie ist im Bericht, wie ich zugeben muß, recht kurz weggekommen. Es ist gesagt, daß es hierüber wenig Material gebe, daß der Anteil der Frauenlöhne — geschätzt wurde er auf 24 % — nicht der Beteiligung an der Erarbeitung des Sozialprodukts entspreche. Es ist auch wieder sehr deutlich gesagt, daß ohne die Mitwirkung der Frau der wirtschaftliche Wiederaufbau nicht möglich gewesen wäre. Es ist aber auch — und das sollten wir sehr deutlich sehen — gesagt worden, daß es bei dem Altersaufbau unserer Bevölkerung in Zukunft nicht möglich sein wird, die Last der Altersversorgung durch diese Generation ohne die Mitarbeit der Frau zu tragen.Es erscheint mir hier auch bedeutungsvoll, wie stark sich gerade in der Berufsarbeit der Frau die Entwicklung vom sogenannten primären zum tertiären Sektor, d, h. von der Produktion zum Dienstleistungsgewerbe, spiegelt, die vielleicht auch in folgendem zum Ausdruck kommt. Es gibt unter den erwerbstätigen Frauen ebensoviel Beamte und Angestellte wie Arbeiterinnen — eine völlig andere Situation als beim Mann.Wie ist nun aber die Position der Frau in dieser Arbeitswelt? Sie wird gekennzeichnet durch die Sätze:Wenn auch den Frauen theoretisch fast alleTätigkeiten offenstehen, so ist ihre Stellungim Arbeitsleben im Vergleich zu ihrer großenZahl noch wenig befriedigend. Die meisten Frauen arbeiten in einfachen und mittleren Stellen.Nun werden wir sicher nicht verkennen können, das die Familienbindungen den Berufsweg vieler Frauen stark beeinflussen und sie nicht zur Ausschöpfung aller Möglichkeiten kommen lassen. Das dürfte jedoch für eine große Zahl voll zur Verfügung stehender und voll ausgebildeter Frauen nicht zutreffen.Ich begrüße es sehr, daß in dem Bericht in großer Offenheit und Objektivität den tieferen Gründen nachgegangen wird, die tatsächlich vielfach in traditionellen Vorstellungen zu suchen sind, in Urteilen, die unserer Wirklichkeit längst nicht mehr entsprechen. Hier gerade wirkt sich eine falsche öffentliche Meinung außerordentlich negativ aus. Das kommt schon bei der Vernachlässigung der Bedeutung der guten Ausbildung für ein Mädchen zum Ausdruck; diese Vernachlässigung hat später das Schicksal mancher Frau sehr unglücklich beeinflußt. Hier muß bei den Eltern eingesetzt werden. Es kommt weiter zum Ausdruck bei den Chancen, die man der Frau zur Weiterbildung und zum Aufstieg gibt. Der Bericht weist darauf hin, daß nur durch eine gründliche Meinungsbildung Abhilfe geschaffen werden kann.Eigentlich sollte man nun glauben, daß der Staat selbst, der sich das Grundgesetz geschaffen hat, in der Verwirklichung dieser Grundgesetzforderung der Gleichberechtigung von Mann und Frau mit sehr gutem Beispiel vorangeht. Wenn ich mir jedoch die Zahlen, die der Bericht über den öffentlichen Dienst angibt, vergegenwärtige, so muß ich sagen — wenn ich auch einige gute Ansätze voll anerkennen will —, daß der Staat von der Möglichkeit des guten Beispiels hier nicht übertrieben viel Gebrauch gemacht hat. Ich habe darum eben mit großer Aufmerksamkeit den Satz gehört, daß die Bundesregierung im Bereich des öffentlichen Dienstes selbst alles tun wird, was sie tun kann. Herr Staatssekretär, wir werden mit großer Freude auch die diesen Worten folgenden Taten beobachten.
Aber hier ist auch die Wirtschaft angesprochen. Der Bericht weist darauf hin, daß es gerade in unserer Industrie nicht nur um die Aufstiegschancen geht, sondern daß die Frau hier noch viel zu oft als „Mann-Ersatz" betrachtet wird, daß man sich auf ihre besondere Art nicht genügend eingestellt hat und deshalb auch ihre Leistungsmöglichkeiten nicht voll ausgeschöpft werden können.Im Grunde lautet die Frage für uns doch genauso, wie sie am Schluß des amerikanischen Reports steht: Können wir es uns eigentlich leisten, ein Begabungsreservoir so schlecht auszuschöpfen und so unzweckmäßig einzusetzen?
Es hilft natürlich nichts, diesen Zustand nur zu beklagen, die Frauen selbst müssen das ihrige dazu tun. Der Angelpunkt wird immer wieder in Bildung und Ausbildung liegen. Mit aller Nüchtern-
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1967 4027
Frau Schroeder
heit sollten wir sehen, wie häufig es an den Frauen selbst liegt, die vor der Übernahme einer verantwortungsvolleren Tätigkeit zurückschrecken. Sie sollten ermutigt werden, ihre Chancen besser zu nutzen.Ich möchte zum Schluß in diesem Zusammenhang noch ein Wort zu dem Kapitel der alleinstehenden Frauen sagen. Die Zahlen über diesen Personenkreis haben mich wirklich sehr beeindruckt. Allein in den Jahrgängen über 35 haben wir in der Bundesrepublik 6,3 Millionen alleinstehende Frauen. Das sind 11,5% unserer gesamten Bevölkerung. Im erwerbsfähigen Alter zwischen 35 und 65 Jahren sind es 3,7 Millionen. Wir müssen uns hier wirklich fragen, ob wir diesem Personenkreis immer gerecht geworden sind — ich erinnere Sie an die Wertskala, die ich eingangs genannt habe — in bezug auf Wohnungsversorgung, in bezug auf ihren sozialen Status. Ich meine, daß dieser Personenkreis bei allen Maßnahmen sehr viel mehr als bisher in das Blickfeld gerückt werden müßte. Deshalb ist es sehr gut, daß die Bundesregierung gerade zu diesem Thema bereits einen Forschungsauftrag gegeben hat. Meine Damen und Herren, in den genannten Zahlen spiegelt sich doch ein Teil des Schicksals unseres Volkes und seiner Opfer in den zwei Kriegen. Ich denke dabei auch an die große Zahl der Kriegswitwen, ihre große Leistung nicht nur im Beruf, auch auf dem Gebiet der Erziehung. Es ist eindeutig festgestellt, daß die Kinder der Kriegerwitwen in ihrem Erziehungserfolg über dem Durchschnitt liegen. Das muß immer wieder einmal gesagt werden.
Viele von ihnen haben unter Beweis stellen müssenund unter Beweis gestellt, daß die Frau sehr wohlBeruf und Erziehung der Kinder vereinbaren kann.Meine Damen und Herren, ich habe hier nur einige Linien dieses Berichts aufzeigen können. Heute nachmittag wird in der Debatte noch von manchen anderen Schwerpunkten die Rede sein.Es ist davon gesprochen worden, daß dieser Bericht an uns alle appelliere. Aber es genügt nicht, daß wir diesen Ruf hören. Ich möchte Sie alle darum bitten, daß wir auch bei den praktischen Konsequenzen aufgeschlossen sind und uns etwas elastisch der neuen Wirklichkeit gegenüber zeigen. Nur so werden wir, wie es in dem Auftrag dieses Hohen Hauses an die Bundesregierung hieß, der Frau helfen, den ihrer Eigenart gemäßen Platz im Leben unseres Volkes auszufüllen zu ihrer und unser aller Nutz und Frommen.
Vizepräsident Dr. Mommer: Das Wort hat Frau Abgeordnete Schanzenbach.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands bemüht sich seit ihrer Existenz, also seit mehr als hundert Jahren, um die Gleichberechtigung der Frau. August Bebel hat als erster im kaiserlichen Reichstag das Wahlrecht für dieFrauen gefordert. Die sozialistische Regierung gab 1918 den Frauen das aktive und passive Wahlrecht. In der Weimarer Zeit wurden von der SPD viele Anträge auf den verschiedenen Ebenen der Gesetzgebung im Reichstag eingebracht, die zur Gleichberechtigung hinführen sollten. Das Grundgesetz brachte dann 1949 die volle Gleichberechtigung der Geschlechter. Wir sind den Vätern und Müttern des Grundgesetzes dankbar, daß sie allen konservativen Vorstellungen zum Trotz diesen Schritt in die neue Zeit gewagt haben.Wenn auch die rechtliche und politische Gleichstellung von Mann und Frau dem Gesetz nach gegeben ist, so ist sie im gesellschaftlichen Leben noch keineswegs eine Selbstverständlichkeit. Überall treten uns in dieser modernen Industriegesellschaft Verhaltensvorstellungen entgegen, die einer längst vergangenen Epoche angehören. Die moderne Zeit muß auch im Verhalten der Menschen zueinander und in der veränderten Gestalt gesellschaftlicher Einrichtungen ihren Ausdruck finden. So haben sich diese Gruppen in unserem Lande, aber auch sonst überall in der Welt — es handelt sich keineswegs nur um eine deutsche Angelegenheit — darum bemüht, Lebensformen und Einstellungen zu finden, die unserer Zeit und der nahen Zukunft entsprechen. Es handelt sich hierbei um Fragen, die nicht nur die Frau angehen. Von der Gleichberechtigung und ihren Folgen sind die Männer gleichermaßen betroffen. Auch für sie bedeuten die neuen Regelungen des Zusammenlebens ein neues Begreifen, ein neues Einordnen und bisherige Rechte Abgeben oder Teilen.
Um die Gleichberechtigung in Familie, Beruf und Gesellschaft sinnvoll zu erreichen, sind Bestandsaufnahmen notwendig, die uns zeigen, wo wir heute stehen. Deshalb hat die Bundesfrauenkonferenz der SPD 1961 in Oberhausen den Beschluß gefaßt, die Bundesregierung aufzufordern, dem Bundestag eine Untersuchung über die Stellung der Frau in Beruf, Familie und Gesellschaft vorzulegen. Dieser Beschluß fand seinen Niederschlag in einem Antrag der SPD-Fraktion dieses Hauses, der am 11. Dezember 1962 eingebracht wurde. Darin wird eine umfassende Untersuchung des oben angeführten Themas gefordert. Gleichzeitig soll festgestellt werden, welche Maßnahmen erforderlich sind, um der Frau zu helfen, den an sie gestellten Anforderungen gerecht zu werden. Dieser Antrag, der von den anderen Parteien ergänzt und unterstützt wurde, hat in weiten Kreisen der Öffentlichkeit großen Anklang gefunden,Mit der Drucksache V/909 legt die Regierung auf 643 Druckseiten dem Hohen Hause einen ersten Bericht vor. Für die Fachleute, meine Damen und Herren, bringt dieser Bericht nichts Neues. Trotzdem begrüßen wir ihn, denn er kann als eine gute, fleißige Materialsammlung angesehen werden. Dem Antrag der SPD ist aber damit nicht Genüge getan; denn aus diesem Bericht ist nicht abzuleiten, ob und welche Maßnahmen eingeleitet werden sollen, die der Frau helfen, den an sie gestellten Anforderungen gerecht zu werden.
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4028 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1967
Frau SchanzenbachSo werden auf diesen ersten Bericht hin Einzeluntersuchungen erfolgen müssen, die dem Parlament die sichere Grundlage zu• gesetzgeberischen Maßnahmen ermöglichen. Mit dem Ergebnis solcher Untersuchungen und dem vorliegenden Bericht kann viel Aufklärung über die Situation der Frau in Familie, Beruf und Gesellschaft in unser Volk gebracht werden, und manches wird daraufhin anders beurteilt werden als heute.Wie sehr sich die Stellung der Frau in Familie und Beruf auch in der Vergangenheit von Zeit zu Zeit verändert hat, kann man dem ersten Teil des Berichts der Bundesregierung entnehmen. Schon immer hängt die Stellung der Frau in Familie und Haushalt mit dem Aufbau der Familie und des Haushalts zusammen. So ist die heutige Stellung der Frau in der Familie nur aus den früheren Aufgabenstellungen heraus zu begreifen. Aber auch die Veränderungen, die Industrie und Wirtschaft in den letzten Jahrzehnten mit sich brachten, sowie die Veränderungen im menschlichen Zusammensein drücken sich in der heutigen Stellung der Frau aus. Wenn Orientierungshilfen gegeben werden sollen, die es der Frau ermöglichen, die Gleichberechtigung in Anspruch zu nehmen und ihre Aufgaben besser zu erkennen und besser mit ihnen fertigzuwerden, dann ist die laufende Beobachtung gesellschaftlicher Tatbestände notwendig.Wir sind der Bundesregierung dankbar für das vorgelegte Zahlenmaterial, aus dem die zahlenmäßig große Rolle der Frau in unserem Volk erkennbar ist. Bedauerlich ist allerdings nur, daß auf Statistiken von 1961 zurückgegriffen werden mußte und damit keine exakte Aussage für die Gegenwart vorliegt. Nach der Volkszählung vom 6. Juni 1961 lebten im Bundesgebiet 56,176 Millionen Personen. Davon waren 29,7 Millionen Frauen und 26,4 Millionen Männer. Der Frauenüberschuß von rund 3,3 Millionen ist bei den älteren Jahrgängen, also bei den über 35 Jahre alten Frauen, zu finden. Ab 35 Jahre haben wir einen Frauenüberschuß von etwa 1,2 Millionen lediger Frauen, von denen viele durch die Kriegsverluste nicht heiraten konnten. Der Bericht bringt sehr interessante Zahlen über die Lebenserwartung, das Heiratsalter und die Heiratsaussichten.Interessant ist in dem Bericht auch die Aussage über die Haushaltungsvorstände. In diesen Zahlen ist der Wandel deutlich erkennbar, den die Familie und der Haushalt in unserer Industriegesellschaft durchgemacht haben. Merkmale dieser Veränderung sind z. B. erstens die Verkleinerung der Kinderzahl, zweitens der Wandel der Stellung der Frau in Gesellschaft und Wirtschaft, drittens der Übergang von der Groß- zur Kleinfamilie und viertens, daß in den Einzelhaushalten die Frauen als Haushaltungsvorstände überwiegen. Von den 14,1 Millionen Mehrpersonen-Haushalten im Bund — ohne Berlin — haben 1,848 Millionen einen weiblichen Haushaltungsvorstand. Die Statistik über die Gliederung der Einpersonen-Haushalte weist nach, daß ältere Frauen häufig allein leben.Viele Probleme sind durch die Statistik und durch diese Ausführungen der Enquete deutlich sichtbar geworden; aber ehe wir an die Planung sachgerechter Maßnahmen gehen können, sind weitere genaue Untersuchungen erforderlich. Die zuständigen Bundestagsausschüsse werden sich nun damit zu befassen haben.Ein Abschnitt des Berichts beschäftigt sich mit der sozialen Stellung und dem sozialen Ansehen der Hausfrau und Mutter. Die soziale Stellung der Frau in der Familie und im Haushalt kann nur gesehen werden im Zusammenhang mit der Veränderung der Familienstruktur. Eine besonders tiefgreifende Veränderung hat die Industrialisierung ausgelöst: aus der Großfamilie wurde die Kleinfamilie, die die Normalfamilie in unserer Zeit ist. Diese grundlegenden Wandlungen der wirtschaftlichen, sozialen und gesellschaftlichen Verhältnisse haben auch die Stellung der Frau in der Familie ganz entschieden beeinflußt. Vor der Industrialisierung war die Frau eine verantwortliche Partnerin des Mannes im Familienbetrieb in einer allerdings patriarchalischen Gesellschaftsform. Nach der Industrialisierung fiel dem Mann die außerhäusliche Tätigkeit zu, und die Frau wurde auf die rein hauswirtschaftlichen und mütterlichen Aufgaben verwiesen, wobei nicht übersehen werden soll, daß viele Arbeiterfrauen auch schon in der frühen Zeit der Industrialisierung aus ihrer wirtschaftlichen Notsituation heraus erwerbstätig sein mußten. Aber Erwerbstätigkeit der Frau war nach dem bürgerlichen Familienmodell nicht gesellschaftsfähig. Auch Arbeiter wollten eben aus sozialem Prestige nicht, daß ihre Frauen einer Erwerbsarbeit nachgehen. Diese Auffassung trifft man zum Teil auch noch in der heutigen Zeit.Bei der sozialen Bewertung der Frau hat die Mutterschaft immer eine große Rolle gespielt. Das Leitbild der Frau wurde stets entscheidend durch die Erwartung geprägt, welche die Gesellschaft an sie stellt. Nach dieser Auffassung ist das Bild der Frau im mütterlichen Bereich festgelegt, aber im übrigen Wandlungen unterworfen. Lange galten als Leitbild ,der deutschen Frau die drei K's, also Kinder, Küche und Kirche. In unserer Zeit zeigen sich aber deutliche Ansätze zu einem anderen Leitbild. Andere Länder, z. B. Nordamerika und Skandinavien, haben hier einen Einfluß ausgeübt. Wir haben heute die Vorstellung von einer Frau, die nach ihren Fähigkeiten einen Lebensplan aufstellt und sich auf ihre Aufgaben in Beruf und Familie vorbereitet. Vielfältige Veränderungen im Wirtschafts- und Gesellschaftsgefüge lassen es möglich erscheinen, daß die Frau in allen Lebensphasen gleichberechtigt und in sozialer Mitverantwortung neben dem Mann treten kann, um mit ihm zusammen das Familien-, das Erwerbs- und das öffentliche Leben zu gestalten. Es ist gut, daß ,der Bericht gerade in dieser Frage eine so deutliche Aussage macht und damit von dem Ideal der sogenannten Nur-Hausfrau Abstand nimmt.Wenn die Stellung und Leistung der Frau in der Familie untersucht werden soll, dann spielt die Wertung der Tätigkeit der Hausfrau eine wichtige Rolle. Frau Schroeder hat vorhin schon darauf hingewiesen. Diese Wertung ist aber sehr verschieden. Leider gibt es in der Bundesrepublik noch keine repräsentative wissenschaftliche Untersuchung über
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Frau Schanzenbachden Arbeitszeitaufwand der Hausfrau. Es wird allerdings angenommen, daß die Führung eines VierPersonen-Haushalts mehr Zeit erfordert, als die Arbeitszeit in einem Arbeitnehmerberuf ausmacht. In Anbetracht der vielfältigen Leistungen und Belastungen der Hausfrau erscheint es selbstverständlich, wenn demoskopische Untersuchungen heute noch ergeben, daß auch heute noch die Mehrzahl aller Frauen ihre Tätigkeit in Haushalt und Familie als Lebensaufgabe und Berufung verstehen.Von einem neuen Leitbild haben viele Frauen leider noch keine Vorstellung. Die Nur-Hausfrau fühlt sich oft gegenüber der erwerbstätigen Frau benachteiligt. Besonders die intellektuell- anspruchsvolle Frau findet die sich immer wiederholende Hausarbeit als bedrückend. Sie leidet aber noch viel mehr unter dem Mangel an geistiger Anregung und menschlichem Kontakt. Während die berufstätige Frau sich durch ihre Arbeit Anerkennung und Sozialprestige verschafft, ist das soziale Ansehen, das die Hausfrau hat, von der sozialen Position ihres Ehemannes abhängig. Es wird eben immer wieder deutlich, daß der Funktionskreis der Hausfrau und Mutter und die Bedeutung ihrer Tätigkeit für das gesamte soziale Leben viel zu wenig anerkannt werden. Hier müssen uns wissenschaftliche Untersuchungen helfen, die hausfrauliche Tätigkeit so zu erfassen, daß sie der außerhäuslichen Tätigkeit des Ehemannes vergleichbar wird und daß Hausarbeit der Berufsarbeit gleichgesetzt wird.Meine Damen und Herren, in den letzten hundert Jahren hat die Bedeutung der Mutterschaft im Leben der Frau einen bemerkenswerten Wandel erfahren. Während die Frau in der vorindustriellen Epoche fast ein ganzes Leben lang für Kinder zu sorgen hatte, nimmt die Mutterschaft heute eine verhältnismäßig kurze Zeit in Anspruch. Man rechnet durchschnittlich mit etwa 15 Jahren. Damit ist die soenannte Durchschnittsfrau vom 40. Lebensjahre an von den dringendsten Mutterpflichten befreit. Sie kann nach der heutigen Lebenserwartung mit 30 weiteren Lebensjahren rechnen. Sie ist damit frei für die Übernahme neuer Verpflichtungen, wenn sie es will. Da die Erziehung der Jugend heute ganz allgemein höhere Anforderungen stellt als früher, sind der Mutter neue Aufgaben zugewachsen. Es ist eine allgemein bekannte Tatsache, daß die Erziehungsfunktion ,des Vaters in der Familie gegenüber früher wesentlich schwächer geworden ist und die Mutter diesen Mangel auszugleichen hat. Die Mütter sind aber für diese Aufgabe leider nicht vorbereitet; sie stehen ihrer Erziehungsaufgabe oft hilflos gegenüber. Früher bedeutete eine große Kinderschar Ansehen der Mutter. Das hat sich insofern geändert, als heute das Ansehen einer Mutter mit dem Erfolg der Erziehung ihrer Kinder verknüpft ist. Die Zahl der Kinder spielt keine Rolle mehr. Die Leistungen der Mütter bedürfen aber ,der nachhaltigen Unterstützung 'durch außerhäusliche Erziehungsträger.Im Familienrecht ist die Gleichberechtigung vollzogen. ,Ob in der Praxis danach gelebt wird, ist eine völlig andere Sache. Hier herrschen noch weitgehend patriarchalische Vorstellungen. Es ist aber anzunehmen, daß die junge Frauengeneration, die eine bessere Ausbildungs- und Berufsmöglichkeit hat, das ihr zur Verfügung stehende Recht mehr in Anspruch nimmt als die älteren Generationen.Die Rechtslage der unehelichen Mutter und die Schlechterstellung des unehelichen Kindes gegenüber dem ehelichen muß als diskriminierend empfunden werden. Wir können nur hoffen, daß die Gesetzesvorlage zur Reform des Unehelichenrechts baldmöglichst dem Bundestag zugeleitet wird und dann ein Recht entsteht, das unserem Grundgesetz entspricht.Der Bericht bringt eine ausführliche Darlegung der Auswirkungen ,der außerhäuslichen Erwerbstätigkeit von Müttern auf die Betreuung und Entwicklung der Kinder. Dieser Teil wird hoffentlich dazu beitragen, Vorurteile gegenüber erwerbstätigen Müttern abzubauen. Jahrelang wurde in der Bundesrepublik behauptet, es gebe 3 Millionen Schlüsselkinder. Heute wissen wir genau, daß diese Zahl weit übertrieben ist. Wenn in der Öffentlichkeit die Probleme der erwerbstätigen Frau 'diskutiert werden, so sind damit meistens die Frauen gemeint, die eine dreifache Belastung zu tragen haben, nämlich die Betreuung der Kinder, die Haushaltsführung und die Erwerbstätigkeit. Diesen Frauen muß auch im Rahmen ,der Frauenenquete und der sich daraus ergebenden Folgerungen besondere Bedeutung beigemessen werden.Die Zahl der Mütter, die außerhalb der Landwirtschaft in abhängiger Stellung erwerbstätig sind und für Kinder unter 14 Jahren zu sorgen haben, ist von 417 000 im Jahre 1950 auf 1,3 Millionen im Jahre 1962 gestiegen. Wir haben es hier also mit einer Verdreifachung zu tun. Nach einer Untersuchung von 1962 haben 1,5 Millionen erwerbstätiger Mütter 2,2 Millionen Kinder unter 14 Jahren. 1,9 Millionen dieser Kinder waren den ganzen Tag ohne mütterliche Aufsicht; d. h. also nicht ohne Aufsicht, sondern ohne mütterliche Aufsicht. Bei 278 000 Kindern war die Mutter nur einen halben Tag abwesend. Von den fast 2 Millionen Kindern, deren Mütter im Oktober 1962 den ganzen Tag erwerbstätig waren, wurden rund 1,8 Millionen — das sind 91 % — ganztägig betreut. 8000 Kinder waren ganztägig unbetreut. Von den Kindern unter 6 Jahren waren 99 % den ganzen Tag über betreut. Bei den Kindern unter 6 Jahren spielen die Großmütter nach wie vor in der Frage der Erziehung und Betreuung eine große Rolle. 50 °/o dieser Kinder werden von Großmüttern betreut.Erwerbstätige Mütter haben kaum Zeit, sich mit ihren Kindern zu beschäftigen. Ihre Kinder werden früh an selbständiges Handeln gewöhnt. Eingehende Untersuchungen haben ergeben, daß die Erwerbsarbeit der Mütter aber nicht zu Fehlhaltungen ihrer Kinder führt. Die Erwerbstätigkeit der Mutter wird aber immer problematisch bleiben, solange die Kinder der besonderen mütterlichen Fürsorge bedürfen, also im Kleinkinderalter. Wir meinen, es muß alles getan werden, damit die Kinder, besonders die Kleinkinder, nicht die Opfer unserer Wohlstandsgesellschaft werden.Interessant ist auch die Feststellung, daß Kinder aus vaterlosen Familien — vor allem, wenn die Mutter Witwe ist — trotz Erwerbstätigkeit der Mutter
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4030 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1967
Frau Schanzenbachund ungünstiger finanzieller Lage meistens einen besseren Allgemeinzustand sowie einen höheren Leistungsdurchschnitt in der Schule aufweisen und seltener in den Akten der Strafjustiz escheinen als Kinder aus vollständigen oder zerrütteten Familien. Lassen Sie mich auch, meine Damen und Herren, gerade in diesem Zusammenhang ein Wort des Dankes an alle Kriegshinterbliebenen sagen, die durch die Erziehung ihrer Kinder eine großartige gesellschaftspolitische Leistung vollbracht werden.
Soziologen sind der Meinung, daß noch viel Beobachtung und Forschung nötig ist, ehe den Müttern gültige Richtlinien für ihr Verhalten in bezug auf ihre Erwerbstätigkeit gegeben werden können.Nach der freiheitlichen Ordnung unseres Staates gilt die freie Wahl des Berufes und des Arbeitsplatzes auch für die Frau. Der Staat ist nicht berechtigt, Verbote oder Gebote für die Erwerbsarbeit von Müttern zu erlassen. Ob sie eine Tätigkeit aufnehmen will oder nicht, bleibt der verantwortungsbewußten Entscheidung jeder Mutter überlassen.Alle Familienpolitiker — und das kann ich sicher auch für uns alle hier im Hause sagen, die wir uns mit dieser Frage beschäftigen — sind sich einig, .daß Mütter von kleinen Kindern nicht aus wirtschaftlicher Not gezwungen sein sollten, einer Erwerbsarbeit nachzugehen. Hier muß der Familienlastenausgleich weiterentwickelt werden, und zwar so schnell wie möglich.Es ist für eine Frau eine große Belastung, Mutter, Hausfrau und Erwerbstätige zu sein. Sie kann diese Leistung ohne Überforderung nur dann vollbringen, wenn die Gesellschaft ausreichend familienergänzende Einrichtungen zur Verfügung stellt und wenn der Mann in höherem Maße als bisher der Frau bei der Bewältigung der Hausarbeit und der Kindererziehung hilft. Das bedeutet auch für den Mann ein Umdenken und Anpassen an die neue Zeit.Der Bericht nimmt ausführlich zu den Einrichtungen und Diensten Stellung, die der Familie helfen sollen, ihre Betreuungs- und Erziehungsarbeit zu erfüllen. Diese Einrichtungen sollen die Familie aber nicht ersetzen, sondern sie lediglich ergänzen. Eine Untersuchung des Soziographischen Instituts der Universität Frankfurt ergibt, daß diese Einrichtungen um ein Drittel ihres Bestandes vermehrt werden müßten, wenn allen pädagogischen und sozialen Anforderungen entsprochen werden sollte. Die Schaffung weiterer Einrichtungen ist nicht nur eine Frage der Finanzierung, sondern noch viel mehr eine Frage der Gewinnung und Heranbildung von Fachkräften. Die Stärkung der Erziehungskraft der Familie ist eine vordringliche Aufgabe unserer Gesellschaftspolitik.Der Bericht der Bundesregierung behandelt im Zusammenhang mit den Einrichtungen und Diensten für die Hausfrau und Mutter auch die Erziehungsberatung, die Eheberatung, Hauspflege und die Müttergenesungsheime. Das alles sind Einrichtungen und Dienste, die sinnvoll sind und weiter entwickelt werden müssen.Der Bericht bringt, wie ich schon sagte, in diesem ersten Teil eine Zusammenfassung bisher schon bekannten Materials. Es lassen sich vielerlei Mängel ablesen. Daraus ergeben sich Anregungen für die Fortentwicklung auf den einzelnen Teilgebieten. Weitere Berichte der Bundesregierung müssen aber diesem ersten Bericht folgen.Wir halten weitere Untersuchungen und Maßnahmen für erforderlich. So sind z. B. notwendig erstens Untersuchung über die Doppelbelastung der Mutter und die Situation der alleinstehenden Mutter mit Kindern; zweitens Untersuchungen über die Situation der alleinstehenden älteren Frau, insbesondere der Kriegshinterbliebenen; drittens eine Ergänzung der Haushalts- und Familienstatistik; viertens Einzeluntersuchungen, die zeigen, wie die einzelne Gruppe, insbesondere die alleinstehende Frau, die erwerbstätige Frau, lebt. Wir halten ferner für notwendig die Schaffung eines Familienlastenausgleichs, der verhindert, daß Mütter mit kleinen Kindern einer Erwerbsarbeit nachgehen müssen, eine Verbesserung der Berufsberatung; eine Verbesserung der Verbraucherberatung; eine Untersuchung über den Wert der Hausarbeit. Wir brauchen mehr Kindertagesstätten; mehr Hilfen für die Familie in Form von Beratungsstellen, Hauspflege und Familienerholung.Der Bericht wird nun den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden. Dort wird eingehend beraten. Ich denke, daß die interessierten Verbände und Einrichtungen gehört werden.Die SPD-Fraktion hofft, daß nun der Weg frei gemacht wird, der zu der im Grundgesetz verankerten Gleichberechtigung führt, und daß Wege gefunden werden, die es der Frau ermöglichen, die an sie gestellten Anforderungen auf allen Ebenen besser zu erfüllen als bisher, ohne daß sie dabei überlastet wird, und daß neue Formen und Verhaltensweisen gefunden werden, die ihr auch die gesellschaftliche Gleichberechtigung auf allen Ebenen bringt.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Diemer-Nicolaus.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kollegen und Kolleginnen! Über diesen ersten Bericht der Bundesregierung wurden heute schon sehr kluge Worte gesagt. Vom Parlament wird immer verlangt, daß Auseinandersetzungen, Debatten über streitige Fragen stattfinden. Ich habe auf Grund der Ausführungen meiner beiden Vorrednerinnen allerdings keinen Anlaß, ihren Feststellungen oder Forderungen in irgendeiner Weise zu widersprechen. Ich bin vielmehr der Meinung, daß schon eine sehr gute Darstellung über den Inhalt des Berichts gegeben worden ist.Aber ich möchte von uns, den Freien Demokraten aus, auch noch einmal ganz besonders all den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen an diesem Bericht danken. Dies an die Spitze meiner Ausführungen zu
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Frau Dr. Diemer-Nicolausstellen halte ich deshalb für notwendig, weil dieser Bericht doch nicht überall so einmütig, so gut aufgenommen worden ist, wie man das aus den Darlegungen meiner Vorrednerinnen vielleicht schließen könnte.Es ist Kritik geübt worden, erhebliche Kritik. Ich habe die Kritik insoweit nicht für berechtigt gehalten, als sie an dem Umfang des Berichts geübt wurde. Wenn man ein so eingehendes Tatsachenmaterial haben will, das fundiert sein soll, kann man in unserer heutigen Zeit natürlich nicht auf Statistiken verzichten; denn diese Statistiken und die Ausführungen dazu sind ja das Material für die weiteren Beratungen.Bei Durchsicht des Berichts habe ich festgestellt, daß die Beiträge, die von den einzelnen Ministerien geleistet wurden, nicht ganz einheitlich sind. An manchen Stellen hatte ich den Eindruck: Daran wurde mit großer Liebe und Freude gearbeitet, und es werden sehr vernünftige Folgerungen in einem modernen Sinn gezogen. An anderen Stellen glaubte ich eine etwas konservativere Einstellung feststellen zu müssen. Ich habe aber die Hoffnung, daß das Denken nach modernen Gesichtspunkten bei der Einzelberatung überwiegen wird.Eines hat sich ganz klar gezeigt — das kommt vor allen Dingen in der ausgezeichneten Einleitung zu dem Bericht zum Ausdruck, wo es in aller Deutlichkeit gesagt wird —: daß erst bei der Anfertigung des Berichts, als man sich das erste Mal systematisch mit den Frauen der Stellung der Frau 3) in der heutigen Gesellschaft beschäftigte, festgestellt wurde, was noch alles an statistischem Material und an Untersuchungen fehlt, um die gestellten Aufgaben auch tatsächlich lösen zu können. Daß diese Lücken ganz klar aufgezeigt wurden, halte ich für ein Positivum.Ich halte es auch für ein Positivum, daß in dem Bericht später bei den einzelnen Kapiteln ebenfalls gesagt wurde: Hier fehlt noch etwas, hier sind Untersuchungen eingeleitet, dort sind sie noch notwendig.Jetzt kommt bei der Kritik natürlich das Aber. In manchen Punkten ist die Kritik nicht ganz unberechtigt. Ich habe aus den Ausführungen des Herrn Staatssekretärs zu meiner Freude gehört, daß einer Forderung, die wir Freien Demokraten in unserem Entschließungsantrag *) gestellt haben, nämlich eine Kurzfassung des Berichts vorzulegen, von der Bundesregierung in Kürze nachgekommen werden soll. Daher hoffe ich, daß Ziffer 2 unseres Antrags sofort angenommen wird, ohne überhaupt in einen Ausschuß verwiesen werden zu müssen. Sinn dieser Forderung nach einer Kurzfassung, die es auch bei der amerikanischen Frauenenquete gibt, ist, die praktische Arbeit zu erleichtern.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Über die in dem Bericht aufgezeigten Lücken, über die noch einzuleitenden Untersuchun-*) siehe Anlage 2 gen müssen systematische Aufstellungen vorgelegt werden. Das ist eine Aufgabe, die man meiner Meinung nach nicht den einzelnen Ausschüssen überlassen kann, sondern die von der Bundesregierung noch erfüllt werden muß.Das ist der Inhalt unseres Entschließungsantrages unter Ziffer 3. Ich hoffe, daß die Bundesregierung genauso bereit ist, diesem jetzt vorgetragenen Wunsch nachzukommen, wie sie unseren Wunsch in Ziffer 2 schon, bevor er ausgesprochen wurde, zu erfüllen bereit war.Die Kritik an diesem Bericht, die erfolgt ist, und die Tatsache, daß man sich in den vergangenen Monaten schon sehr eingehend mit ihm befaßt hat, hat dazu geführt, daß in den Zeitungen, die darüber schrieben, manchmal etwas überraschende Formulierungen und Überschriften auftauchten. Ich habe nur einige davon gesammelt. —Eine Überschrift heißt: „Die Frau — ein Forschungsthema".
Meine Herren, ich weiß nicht, wieweit Sie mit dieser Formulierung einverstanden sind. Wahrscheinlich aber haben Sie nicht daran gedacht, unter diesem Thema die Frauenenquete zu verstehen, sondern haben an andere Forschungen im Zusammenhang mit der Frau gedacht.
Eine weitere Überschrift in der „Zeit" von Petra Kipphoff in ihrem ersten Bericht ist: „Die restlos ausgewertete Frau." Ich hoffe, das wir Frauen noch nicht „restlos ausgewertet" sind. Petra Kipphoff hat die Neigung zu schlagkräftigen Formulierungen; denn in der letzten Nummer der „Zeit" kam dann — wobei auch nicht zuerst an die Frauenenquete zu denken ist — als Überschrift: „Gedenke nicht der Sünden meiner Jugend." Was ist damit angesprochen, meine Damen und Herren? Damit ist angesprochen, daß in der Enquete nicht die Probleme der unehelichen Mütter ihrer Bedeutung entsprechend behandelt wurden. Sie kritisiert, daß sich nur eine Seite dieses Berichts von über 600 Seiten mit diesen Problemen befaßt. — In der Tat sind diese Probleme in dem Bericht zu kurz gekommen.In der „Welt am Sonntag" erschien ein Artikel: „So ist die Frau von heute nicht." Wenn man natürlich einen Querschnitt nimmt, so wie es hier geschehen ist, kommt man zu etwas abwegigen Darstellungen.Ich bin der Meinung: manches von der Kritik an dem Bericht ist berechtigt, vieles aber ist nicht berechtigt. Das Positive überwiegt. Es ist in dem Bericht ganz klar herausgestellt, daß die Probleme heute weniger bei der Nur-Hausfrau liegen; da liegen die Probleme viel eher darin, ob der Mann ein gutes Verhältnis zu seiner Familie, zu seiner Frau und seinen Kindern hat, da geht es darum, daß er sich seiner Familie widmet und der Frau keinen Kummer macht; dann lassen sich die anderen Probleme — auch Erziehungsprobleme z. B. — sehr leicht meistern. Die Probleme liegen heute vielmehr in der gesellschaftlichen Entwicklung, die von der-
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4032 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1967
Frau Dr. Diemer-Nicolausjenigen Tätigkeit weggeführt hat, die die Frau schon immer gehabt hat. Meine Damen und Herren, so war es doch nicht, daß sie früher nur für Mann und Kinder da gewesen ist, sondern sie hat sehr häufig im Beruf des Mannes mitgeholfen. Denken Sie an die Handwerkerfrau, denken Sie an die Landfrau. Das geht durch die Jahrhunderte hindurch. Und wenn ich heute die wunderbaren Kleider aus der Renaissance, aus dem Barock, aus dem Rokoko sehe und bedenke, daß es damals keine Nähmaschinen gab: Wer hat denn diese Kleider genäht? Das waren doch die Frauen. Die Probleme der erwerbstätigen Frau haben mit der Industrialisierung angefangen. Damals setzte ein, was sich bis heute immer noch fortsetzt, daß nicht mehr ein geschlossener Lebenskreis da ist, in dem Mann und Frau beruflich in einer Verbindung mit dem häuslichen Kreis zusammenarbeiten, sondern daß die außerhäusliche Berufstätigkeit der Frau angefangen hat.Über diese berufstätige Frau ist nun viel gesagt worden. Wenn wir — das ist eine überraschende Feststellung — heute unter den westlichen Staaten mit dem Anteil der erwerbstätigen Frauen mit an der Spitze stehen, so zeigt das mit Eindeutigkeit, daß nicht die Not sowohl nach dem ersten wie auch nach dem zweiten Krieg allein dafür ausschlaggebend sein kann. Wenn das nämlich der Fall wäre, dann hätte, nachdem zunächst die Einrichtung geschaffen, dann das eigene Heim gebaut war, der Anteil gerade der berufstätigen verheirateten Frauen zurückgehen müssen. Das Gegenteil ist eingetreten. Hier liegt eine gesellschaftliche Entwicklung vor, die gar nicht aufzuhalten ist.Mit Recht wurde sowohl in dem Bericht wie auch von meinen Vorrednerinnen darauf hingewiesen, daß diese tatsächlichen Verhältnisse aber doch noch eine erhebliche Diskrepanz zu den Auffassungen von den Aufgaben der verheirateten Frau aufweisen, die eine außerhäusliche berufliche Tätigkeit der Frau noch immer moralisch abschätzig werten. Ich meine, damit werden wir dieser Mitarbeit der Frauen nicht gerecht.Wir haben in unserem Entschließungsantrag auch etwas gefordert, was in dem ursprünglichen Auftrag enthalten war, und zwar haben wir gefordert, daß die Regierung doch noch einen Bericht über die Bedeutung der Erwerbstätigkeit der Frauen in der Volkswirtschaft vorlegt. Wir halten das aus folgendem Grunde für notwendig: Dieser Bericht wird klar und eindeutig zeigen, daß weder heute noch in Zukunft auf die Mitarbeit der Frauen verzichtet werden kann. Man soll nicht sagen: dann soll man etwas vom Lebensstandard heruntergehen, damit die Frau zu Hause bleiben kann. Das ist die persönliche Entscheidung eines jeden. Wenn ich allein daran denke, welche Belastungen aus unseren Sozialgesetzen in Zukunft auf uns zukommen, und wenn ich daran denke, wie hoch die Beiträge sind, die heute von den erwerbstätigen Frauen zu den Sozialversicherungen geleistet werden, dann komme ich zu der eindeutigen Feststellung: Wenn wir diesen sozialen Verpflichtungen, die gerade auch im Interesse der Familie erfolgt sind, nachkommen wollen dann geht das nur unter der Mitarbeit der Frau.Soweit es sich um die Vollfamilie handelt, darf ich darauf hinweisen, daß sich bei uns im Verhältnis zu den Vereinigten Staaten eine etwas andere Entwicklung gezeigt hat. Ich will jetzt nicht auf die berühmten drei Phasen im Lebensrhythmus der Frau eingehen, von denen Frau Kollegin Schroeder eingehend gesprochen hat. In Amerika hat sich gezeigt, daß dort beim ersten Kind die Eheschließung sehr früh erfolgt, daß dann aber die junge Frau gleich aus dem beruflichen Leben ausscheidet bzw. ihre Berufsausbildung abbricht, daß sie jedoch später, wenn das jüngste Kind fünf Jahre alt ist, nach Möglichkeit wieder in den Beruf zurückkehrt. Bei uns wird meistens auch nach der Geburt des ersten Kindes die berufliche Tätigkeit noch nicht aufgegeben, sondern erst nach dem zweiten Kind. Ich weise deshalb darauf hin, weil ich ja in der Fragestunde der letzten Woche das Finanzministerium gefragt habe, welche Möglichkeiten dafür bestehen, daß wenigstens die Aufwendungen, die junge Ehepaare für die Einrichtung ihres Hausstandes machen müssen, in gleicher Weise als außerordentliche Ausgaben im Rahmen des § 33 des Einkommensteuergesetzes berücksichtigt werden, wie das der Fall ist, wenn die Eltern die Ausstattung geben. Zu meinem Bedauern wurde vom Finanzministerium eine ablehnende Antwort gegeben. Aber heute — das konnte ich in der Fragestunde natürlich nicht tun — kann ich nun auf folgendes hinweisen: Warum wird denn bei uns nach dem ersten Kind so häufig weitergearbeitet? Weil bis dahin eben noch nicht die Raten für den Erwerb der Wohnung und die Einrichtung gezahlt sind. Wenn man — dies wurde auch von den Vorrednerinnen betont — erreichen will, daß die Mutter möglichst ganz bei den Kleinkindern ist, wofür ich, weil ich ja selbst kleine Kinder hatte, natürlich sehr viel Verständnis habe, muß man versuchen, zu entsprechenden steuerlichen Erleichterungen zu kommen.Nun etwas über die Wertung der Frau im Berufsleben. Ich kann auch hier an das anknüpfen, was die Vorrednerinnen gesagt haben und was auch in dem Vortrag des Herrn Staatssekretärs zum Ausdruck gekommen ist. Zunächst einmal ist festzustellen, daß von den Eltern sowohl hinsichtlich der Schulausbildung wie hinsichtlich der Berufsausbildung bei den Mädchen vielfach nicht in der gleichen Weise verantwortungsvoll gehandelt wird wie bei den Jungen. Die Mädchen scheiden heute noch in einem weitaus höheren Umfang als die Jungen mit 14 Jahren aus der Schule aus. Vielfach haben sie keine Berufsausbildung, sondern üben eine Tätigkeit als Ungelernte aus.Das hat zur Folge, daß sie im Arbeitsleben heute vielfach in den Tarifverträgen in die untersten Tarifgruppen eingeordnet sind. Ich betrachte es als eine Aufgabe der Tarifpartner — das kann nicht durch Gesetz geschehen —, bei der Bewertung der Arbeitsvorgänge in den Tarifverträgen die heute noch weithin festzustellende Unterbewertung der reinen Frauenarbeit zu beseitigen.Wie steht es nun mit den Aufstiegsmöglichkeiten derjenigen, die eine abgeschlossene Berufsausbildung, gegebenenfalls eine qualifizierte Berufsaus-
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Frau Dr. Diemer-Nicolausbildung erfahren haben? Sie sind nicht so gut wie die ihrer männlichen Kollegen. Vor allen Dingen — ich kann hier nur das unterstreichen, was Frau Kollegin Schroeder gesagt hat — ist der Bund in keiner Weise mit gutem Beispiel vorangegangen. Vielmehr geht aus den Berichten und Statistiken, die wir bekommen haben, hervor, daß der Anteil der Frauen in den gehobenen Stellen sehr gering ist, daß die Frauen unterrepräsentiert sind. Manchmal mag dies darauf zurückzuführen sein, daß nicht entsprechend viele Frauen die notwendige qualifizierte Berufsausbildung haben. Dann ist es natürlich schwer, die hervorgehobenen Stellen mit Frauen zu besetzen. Aber ein richtiger Kern steckt doch in dieser Aussage, und ich meine, es sollte der Bund mit gutem Beispiel vorangehen.In der Wirtschaft bestehen noch vielfach Ressentiments gegen die Frau als Vorgesetzte. Das beruht auf gesellschaftlichen Vorstellungen, die man nicht von einem Tag zum anderen ändern kann. Vielleicht darf ich in diesem Zusammenhang noch auf eine merkwürdige Tatsache hinweisen. Ich sagte, die Frau wird von den Männern vielfach als Vorgesetzte abgelehnt. Der Krieg hat es mit sich gebracht, daß viele Frauen alleinstehend sind. Es wurde schon auf die 3,5 Millionen Frauen hingewiesen, diejenigen, die infolge des Krieges alleinstehend sind oder zu Kriegerwitwen geworden sind. Viele dieser Frauen haben nie daran gedacht, einmal unternehmerisch tätig zu sein, wurden aber durch den Verlust des Mannes in diese Aufgabe gestellt und mußten schon während des Krieges Betriebe übernehmen und führen. Merkwürdigerweise wird die Frau, wenn sie selbst Unternehmerin ist, von den Männern auch absolut als Vorgesetzte akzeptiert. Wir sollten unsererseits aber dazu beitragen, daß die Frauen im. Arbeitsleben grundsätzlich Stellungen einnehmen, die ihrer Qualifikation und ihrer Berufsausbildung entsprechen.Die Quintessenz dieses Berichts: Angesichts der veränderten gesellschaftlichen Verhältnisse ist es heute wichtiger als je, daß Mädchen genau wie Jungen eine gute Schul- und Berufsausbildung erhalten. Weiter ergibt sich aus diesem Bericht, daß sich unsere Politik den gesellschaftlichen Wandlungen anpassen und vorausschauend planen muß. Unsere Aufgabe wird es sein, aus diesen gesellschaftlichen Wandlungen die Konsequenzen zu ziehen. Wir müssen vorausschauend dafür sorgen, daß man der Doppelfunktion der Frauen, die sie nun einmal haben und in Zukunft auch bestimmt weiter haben werden, gerecht wird. Die Frau wird sich als Ehefrau, auch wenn sie berufstätig ist, für den Haushalt und für die Familie sicher in ganz anderem Umfang verantwortlich fühlen als der Mann. Bei aller Liebe zum Beruf geht für sie die Familie immer vor; sie steht an erster Stelle. Beim Mann steht selbstverständlich der Beruf im Vordergrund. Die Frau wird ihre eigenen Wünsche gegebenenfalls im Interesse der Familie zurückstellen.Wenn wir aber zu der Erkenntnis kommen, daß wir es uns einfach nicht leisten können, auf die Mitarbeit der Frau zuverzichten, und wenn wir weiterhin bejahen, daß die Frau genau wie der Mann das Recht hat, ihre ihr von Gott gegebenen Gaben so zu nutzen, wie sie es für richtig hält, so müssen wir sie darin unterstützen und müssen dafür sorgen, daß unter dieser Doppelbelastung ihre Gesundheit nicht Schaden leidet.Wir werden uns ja anschließend deshalb noch mit einem Problem befassen, das wir Freien Demokraten von uns aus aufgegriffen haben. Erstens kamen keine Vorschläge im Zusammenhang mit dem Bericht von der Bundesregierung, und zweitens sind sie nach unserer Auffassung nicht so bald zu erwarten. Wir hielten es aber für vordringlich, daß gerade auch für Beamtinnen die Möglichkeit einer Teilzeitarbeit geschaffen wird. Wir haben diese Teilzeitarbeit für Lehrerinnen in meinem Heimatland Baden-Württemberg und auch in Niedersachsen, und wir brauchen sie auch auf Bundesebene. Nur wenn wir diese Teilzeitarbeit auch für die Beamtinnen einführen, wird es möglich sein, auch den qualifizierten Frauen mit ihrer qualifizierten Berufsausbildung die Möglichkeit zu geben, neben ihren Familienpflichten weiterhin berufstätig zu sein. Weiterhin gehört dazu, daß wir den Frauen, soweit sie aus dem Berufsleben wegen der Pflege der Kinder zunächst einmal ausscheiden, in einem ganz anderen Umfang, als das bisher der Fall war, die Möglichkeit zur permanenten Weiterbildung und Fortbildung schaffen. In dieser Hinsicht ist in Amerika schon außerordentlich Gutes geleistet worden. Die Gesundheit unserer Frauen darf nämlich nicht in Mitleidenschaft gezogen werden. Wir müssen uns aber auf der anderen Seite davor hüten — das sage ich auch . hier in aller Offenheit —, daß wir vor lauter Sorge für die Frauen im Bereich des Arbeitslebens gesetzliche Bestimmungen schaffen, die sich so auswirken, daß die Frauen, wenn mehr Arbeitskräfte als Arbeitsplätze da sind, als erste ausscheiden müssen. Hier gilt es, daß richtige Maß zu halten.Wir halten es für erforderlich, daß die Bundesregierung alsbald ihrerseits Vorschläge macht, wie sie die aus dem Bericht sich ergebenden Probleme lösen will. Die politischen Konsequenzen aus diesem Bericht zu ziehen, ist nämlich nicht nur die Aufgabe der Ausschüsse. Gerade uns Freie Demokraten, die wir jetzt in der Opposition sind, interessiert noch mehr als vorher, wie die Bundesregierung zu den einzelnen Lücken steht und welche Konsequenzen sie nun aus den einzelnen Kapiteln im Bericht zu ziehen beabsichtigt und was sie für notwendig erachtet.
Soweit es sich um die Teilzeitarbeit handelt, ist es vordringlich, daß weitere statistische Erhebungen angestellt werden. Es ist notwendig — das geht alles aus dem Bericht hervor —, daß Untersuchungen über Zahl und Alter von Beamtinnen, die wieder ins Beamtenverhältnis zurückkehren möchten, alsbald angestellt werden. Es ist notwendig zu klären, wie groß die Dauer der Dienstunterbrechung wegen der Wahrnehmung von Familienpflichten ist. Über die Aufstiegsmöglichkeiten der Frauen im öffentlichen Dienst liegen auch nur in Teilbereichen Angaben vor. Es ist notwendig, daß diese Unter-
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Frau Dr. Diemer-Nicolaussuchungen für alle Gebiete des öffentlichen Dienstes durchgeführt werden. Wir fragen die Bundesregierung, ob sie dazu bereit ist. Wir fragen die Bundesregierung ferner: Ist sie bereit, dahin zu wirken, daß von den oberen Altersgrenzen für die Zulassung zu einer Ausbildung abgesehen wird? Das gilt gerade für die Frauen, die eine Zeitlang wegen der Sorge für die Kinder den Beruf unterbrochen haben und wieder ins Berufsleben zurückkehren und gegebenenfalls einen anderen Beruf ergreifen wollen, als sie ihn früher hatten. Diese Ausbildungsaltersgrenzen sind für sie nicht tragbar. Wir fragen weiterhin: Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um den Mangel an Ausbildungsmöglichkeiten für qualifizierte Berufe zu beseitigen? Wir fragen weiterhin die Bundesregierung: Ist sie bereit, auch die Erfahrungen aus Auslandsuntersuchungen hierüber zu berücksichtigen? Das trifft besonders das Kapitel, das in unserem Entschließungsantrag angesprochen ist, nämlich die so wichtige Frage der Ganztagesschulen.Es war eigentlich etwas beschämend, bei einer internationalen Frauentagung im vergangenen Herbst, bei der zehn Länder vertreten waren, zu hören, daß die Bundesrepublik Deutschland das einzige Land ist, wo die Ganztagesschule nicht durchgeführt wird und heute noch auf derartige Schwierigkeiten stößt. Wir sollten dabei die internationalen Erfahrungen nutzen.Meine Damen und Herren, um Ihnen die ganze Spanne und die Schnelligkeit der gesellschaftlichen Entwicklung zu zeigen, möchte ich Ihnen zum Abschluß etwas ins Gedächtnis zurückrufen. Ich weiß nicht, ob es die Herren schon gehört haben. Ich nehme an, daß die meisten der Kolleginnen schon einmal den Ausspruch gehört haben. Das war zu der Zeit der Frauenemanzipation, als unsere sehr verehrte Frau Dr. Lüders, damals eine der ersten, darum gestritten hatte, das Abitur machen zu können, studieren zu können, auf einer Hochschule zu sein. Um die gleiche Zeit, nämlich im Jahre 1902, publizierte Möbius seine damals viel beachtete und sehr ernstgenommene Schrift „Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes". Er glaubte das geringere Gewicht des weiblichen Gehirns nicht nur bewiesen, sondern bezeichnete dies auch für dringend notwendig, und jetzt zitiere ich wörtlich:Wäre das Weib nicht körperlich und geistigschwach, wäre es nicht durch die Umstände un-schädlich gemacht, so wäre es höchst gefährlich.Die „Gefährlichkeit" der Frauen erleben Sie jetzt im öffentlichen Leben und hier im Parlament. Um mögliches Unglück zu verhindern, empfiehlt Möbius, meine Damen und Herren, die Mädchengymnasien samt und sonders niederzureißen!Und dann? 1946, also nur 44 Jahre später, hat eine Frau, und zwar eine unserer qualifiziertesten, Ricarda Huch, die Sie meistens nur als Dichterin und nicht wie in diesem Fall als Politikerin im weiteren Sinne kennen, ein kleines Büchlein über die Urphänomene geschrieben. Eines dieser Kapitel behandelt die Familie. In diesem Kapitel, in dem sie als Frau zu den Problemen der Familie Stellung nimmt, schreibt sie:Wohl kann die Frau durch Erziehung und Beeinflussung der Kinder sowie durch Ausbildung einer Haus- und Gesellschaftskultur eine schöne Aufgabe übernehmen. Aber es fehlt ihr doch das Fundament einer unmittelbaren, nützlichen und ertragreichen Arbeit.Meine Herren, diesmal hat nicht der Mann Möbius recht behalten, sondern Ricarda Huch. Wir können heute, 20 Jahre später, feststellen, daß unsere Frauen und Mädchen vielfach den Beruf auch als eine echte Berufung empfinden, daß sie den Wunsch haben, ihre Kräfte nutzbringend auch im Arbeitsleben zum Tragen zu bringen, daß sie bei aller Liebe zur Familie, zu den Kindern nicht zeit ihres Lebens zu Hause sein möchten, sondern, wenn die Kinder groß sind, vielfach wieder ins Berufsleben zurückkehren möchten.Sie werden diese Entwicklung nicht aufhalten können. Wir sollten sie vielmehr positiv gestalten und sollten das Leben der Frauen erleichtern, wo es uns nur möglich ist.
Meine Damen und Herren, ich darf eine Bemerkung zum Ablauf der Debatte machen. Wir müssen heute um 20 Uhr schließen. Zwischen den Fraktionen ist deshalb eine Vereinbarung über die Verteilung der Redezeit zustande gekommen, und zwar 60 Minuten bei der FDP-Fraktion, 100 Minuten bei der CDU/CSU-Fraktion und 90 Minuten bei der SPD-Fraktion.
— Herr Mende, das ist eine freiwillige Vereinbarung der beteiligten Kollegen aus Ihrer Fraktion und aus den anderen Fraktionen.
Die Vereinbarung hat den einzigen Zweck, Herr Kollege Mende, daß wir die Debatte ordentlich abwickeln und, wenn es geht, heute abend zu Ende kommen, damit wir Freitag nicht dasselbe Thema wieder aufgreifen müssen. 16 Redner sind hier gemeldet. Die bisherigen Rednerinnen haben sich nicht ganz streng an die Redezeit gehalten, die sie gemeldet hatten. Ich mache darauf aufmerksam, daß dann die Gefahr besteht, daß zum Schluß Reden zu Protokoll gegeben werden müssen.
-- Herr Kollege Mende, es gibt nur die freie Rede in diesem Hause, und was die Redezeit angeht, gibt es nur die Beschränkung, die in der Geschäftsordnung steht, wo es heißt, sie soll eine Stunde nicht überschreiten. Wir sind völlig frei darin, und Ihre Fraktion ist völlig frei, so viel und so lange zu reden, wie es für richtig gehalten wird. Ich halte es aber im Interesse des ganzen Hauses und auch Ihrer
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Vizepräsident Dr. MommerFraktion für richtig, wenn für bestimmte Themen Vereinbarungen dieser Art getroffen werden.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Häussler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich habe von meinen Fraktionsfreunden den Auftrag erhalten, das, was unsere Frau Kollegin Schroeder in einem Durchgang durch die Frauen-Enquete festgestellt hat, nun zu ergänzen, und zwar hinsichtlich der Ausführungen zum Abschnitt I — Familie und Haushalt. Ich werde es mir auch zur Aufgabe machen, die vorgeschriebene Redezeit nicht zu überschreiten. Aber ich werde es Ihnen nicht ersparen können, daß ich zu diesem Problem doch einiges mitteile.Wenn wir uns überlegen, was an Konsequenzen aus der heutigen Debatte entstehen soll, so wird der eigentliche Sinn der Frauen-Enquete wohl so zu verstehen sein, daß das als klassisch überkommene Bild der Hausfrau und Mutter ergänzt wird durch ein Bild der erwerbstätigen Frau. Die beeindruckenden Zahlen und Vergleiche des Berichts der Bundesregierung lassen keine letzten Schlüsse zu, ob die Frau sich im Prinzip im Berufsleben wohlfühlt oder ob sie zusätzlich zum Eheleben ein berufliches Leben wünscht oder ob sie es nach wie vor als möglich ansieht, nur im Haus und bei den Kindern zu sein, und dies als ein erfülltes Leben bejahen kann. Sicher ist, daß der Wandel im Lebensbild der Frau nicht total sein soll. Zu wünschen ist, daß eine weit positivere Wertung auch der sogenannten Nur-Hausfrau erfolgen muß.Wir haben hier in diesem Hause die Lösung der grundgesetzmäßig festgelegten Aufgabe erfüllt, nämlich die Gleichberechtigung von Mann und Frau in Ehe und Familie und die gesellschaftliche Stellung der Frau in die rechte Ordnung zu bringen versucht.Übrigens haben wir in diesem Zusammenhang im Jahre 1961 auch die Rechtslage der unehelichen Mutter verbessert. Es ist aber dessenungeachtet doch zu prüfen, ob die Stellung der unehelichen Mutter von ihrer Diskriminierung schon völlig befreit ist.Es wird, wie schon betont, unser aller Aufgabe sein, daran mitzuwirken, daß ungeachtet ihrer Entscheidung zum beruflichen oder hausfraulich betonten Leben die Hausfrau in der Zukunft eine öffentlich und privat geachtete Stellung einnimmt und diese nicht nur von der Geltung des Ehemannes abhängig gemacht wird.
Die These, die unverheiratete Frau solle, die verheiratete Frau dürfe, die Mutter solle nicht berufstätig sein, empfinden wir zwar als Abgrenzung, aber noch nicht als charakteristisches und fortschrittliches Bild von der Frau. Wir müssen uns deshalb die Frage stellen, ob neue Familienmodelle entwickelt werden sollen; denn irgendwie stoßen die verschiedenen Aufgaben der Frau hier eben im Bereich der Familie gegeneinander. Auch werden wir die Mutterund deren Aufgabe nach wie vor in den Mittelpunktstellen müssen und die anderen Berufsprobleme derFrauen in entsprechender Weise einordnen müssen.Wahrscheinlich ist hier auch ein Umdenken von uns Männern erforderlich. Die ängstlich gehüteten und vermeintlichen Vorrechte des Mannes hinsichtlich der Entscheidung im Hause, z. B. in der Frage der Rationalisierung im Haushalt, der Ausbildung der Kinder, der Handhabung des Bankkontos, sind in gemeinsame Rechte umzuwandeln.Dazu bedarf es sicher der Einsicht aller, daß die Hausfrau und Mutter eine umfassende Aufgabe übernommen hat, die bis hin zur Eigentumsbildung eine zwar nicht deutlich zu erkennende, aber weittragende Bedeutung besitzt.Wir begrüßen es aus diesem Grunde, daß die Frauenenquete den Abschnitt Familie und Haus - halt als ersten behandelt und mit positiven Merkmalen versehen hat.
Denn nach wie vor ist es doch sicher eine oberste Aufgabe der Frau, die Persönlichkeit der Kinder und der Jugendlichen zu bilden. Dies wird eben zuerst in der Familie geschehen. Die Familie entscheidet weithin, wie sich der einzelne entwickelt und ob er ein wertvolles Glied der Gesellschaft werden kann.
Wenn man den Darlegungen der Enquete in diesem Abschnitt folgt, so drängt es uns sicherlich, die Leistung der Mütter ins rechte Licht zu rücken, aber auch die Folgerungen für die familienpolitischen Maßnahmen daraus zu ziehen. Mehr noch als beim Mann ist das Lebensschicksal der Frau untrennbar mit dem der Familie verbunden. Wir erkennen nun, daß die Entwicklung der Industriegesellschaft die Familie in einen toten Winkel gedrängt hat und daß sie aus ihm noch nicht endgültig befreit ist. Ich meine, daß es nicht so bleiben kann, daß die Familie und damit in erster Linie die Nur-Hausfrau den wirtschaftlichen Aufstieg an sich vorüberziehen läßt oder gezwungen ist, gewissermaßen mit hängender Zunge hinter dem allgemeinen Lebensstandard herzulaufen.Deswegen meine Feststellung: Familie ist Lebensgemeinschaft, also auch Wirtschaftsgemeinschaft. Deswegen muß die Existenzbasis nicht zuletzt um der Frauen und Mütter willen so bemessen sein, daß sie ein gepflegtes Familienleben ermöglicht. Das bedeutet also für die Hausfrau nicht nur Brot auf den Tisch des Hauses zu bringen, sondern auch den Zugang zu geistigen und kulturellen Bildungsgütern zu schaffen.Von da her sollten also unsere familienpolitischen Forderungen bestimmt sein. Sie sollten auf dieser Linie weiterentwickelt werden, damit das familiengerechte Einkommen, das familiengerechte Wohnen und allgemeine familiengerechte Maßnahmen der Inhalt unserer künftigen Familienpolitik sein können. Dabei sollte die Überlegung uns allen gemeinsam sein, daß die persönliche Leistung des Mannes, aber auch vor allem der Frau für die Familie eine
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Häusslerzusätzliche oder gar eine volle Lebensleistung ist. Das möchte ich allen denen gegenüber betonen, die nur die berufliche Leistung anerkennen und werten wollen. Wir sind weit entfernt von dem Gedanken, daß der Familienlastenausgleich etwa auf der Grundlage der Tarifpolitik unternommen werden soll. Aber der Leistungslohn allein, auch der Leistungslohn des Ernährers, hilft nicht weiter. Deswegen möchte ich auch mit allem Nachdruck sagen, daß sowohl die Wirtschaft wie der Staat an der Familie mit Kindern interessiert sein muß. Wenn die Wirtschaft Investitionen in Gebäude, Maschinen, Absatzmärkte usw. unternimmt, warum soll sie nicht auch in die Arbeitskräfte der Zukunft Investitionen leisten? Meine Frage geht dahin: Können wir achtlos an der Tatsache vorübergehen, daß ein Drittel der Familien in Deutschland zwei Drittel der Kinder und Jugendlichen erziehen? Sind wir uns dessen genügend bewußt, daß gerade die Nur-Hausfrau eine oft überdurchschnittliche Lebensleistung vollbringt, wie es Frau Schanzenbach an ihrem Zahlenbeispiel erläutert hat? Bei dieser Betrachtung ist es auch schwer zu verstehen — erlauben Sie mir in diesem Zusammenhang ein Wort der Kritik gewissermaßen an uns selber —, daß zum drittenmal innerhalb dieser Legislaturperiode in die Substanz des Familienausgleichs eingegriffen werden soll, anstatt die fortgeschrittene Produktivität auch den Kindern und der Hausfrau zugute kommen zu lassen. Wir sollten den Verdacht einer negativen Flurbereinigung in der Familienpolitik vermeiden und das, was wir in der Bundesrepublik erst vor verhältnismäßig kurzer Zeit begonnen haben, nach dem vollen Maß unserer Kräfte weiterführen. Damit werden wir nach meiner Meinung am ehesten die Stellung der sogenannten Nur-Hausfrau mid Mutter auch von da her werten und sichern. Deswegen ein Gedanke, der, glaube ich, der Überlegung wert ist. Mir erscheint es dringend geboten, eine sofortige Überprüfung der steuerlichen Vergünstigungen in ihrem Verhältnis zu den Leistungen auf der Ebene des Familienausgleichs vorzunehmen.Die zaghaften Versuche hinsichtlich des Mutterschaftsgeldes und der Alterssicherung der Hausfrau müssen sicher auch nach dem Bericht weiterentwickelt werden.Wenn die Frauenenquete feststellt, daß die rein manuelle Tätigkeit zugunsten der Bildungsaufgabe und der sogenannten disponierenden Funktion etwas zurückgetreten ist, so ist damit die Anregung für eine erweiterte Vorbereitung der Frau auf ihre Aufgaben in Familie und Haushalt sowie auch zur Familenbildung gegeben. Damit kann das Fehlen geistiger Anregung und der Mangel an menschlichem Kontakt überwunden werden, unter dem gerade die junge nicht berufstätige Mutter und auch die alleinstehende Mutter leidet.Da die Erziehung der Jugendlichen heute schwieriger geworden ist und, wie ich auch feststellen zu können glaube, die Umwelt nicht mehr die positive erzieherische Bedeutung hat wie einst, sind auch hier die Anforderungen vor allem an die Mutter gewachsen. Die häusliche Führung kann durch außerhäusliche Hilfen wie etwa Eheberatung, Erziehungsberatung und Sozialberatung entscheidend gestärkt werden.Glücklicherweise gibt es viele gesellschaftliche Kräfte, die sich gerade in den letzten Jahren intensiv um das Ausbilden, Weiterbilden und Höherbilden von Frau und Familie bemüht und auch durch Familienpflege, Erholung der Familie sowie der Frau und Mutter ein freieres Atmen ermöglicht haben. Ich darf dabei betonen, daß der Staat und die Gemeinden nur einen verhältnismäßig geringen Anteil der Lasten zu übernehmen brauchten. Andererseits wurde durch die Leistung der öffentlichen Hand die grundsätzliche Bedeutung dieser Fragen anerkannt und deren Lösung eher möglich. Trotz aller Haushaltsenge sollte auf diese Leistungen auch in der Zukunft nicht verzichtet werden.Wenn die Frauenenquete nur den Sinn einer Diagnose hätte, dann wäre sie sicher eine zu Dank verpflichtende Arbeit. Sie wird aber erst dann von wirklichem Wert, wenn ein klares Bekenntnis zu den von mir vorgeschlagenen und anderen notwendigen Entschlüssen abgelegt wird.
Meine Damen und Herren, ich muß eine Bemerkung machen. Ich war eben nicht voll unterrichtet über die Art der Gespräche, die es interfraktionell über den Ablauf der Debatte gegeben hat. Es war also wohl keine Vereinbarung, sondern es war im Gespräch, daß man es so und so machen wolle. Ich darf das richtigstellen und noch einmal unterstreichen, daß es in diesem Hause keine andere Beschränkung der Redezeit gibt als die, die in der Geschäftsordnung vorgesehen ist.
Das Wort hat Frau Kurlbaum-Beyer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu dem besonderen Kapitel Frauen und Beruf Stellung nehmen. Wer den vorliegenden Bericht eingehend studiert, der muß den Kritikern recht geben, die sagen, es fehle der weitgespannte Bogen, der notwendig ist, um wirklich ein neues Leitbild zu schaffen, in dem auch die berufstätige Frau ihren besonderen Raum hat. Ich möchte aber anerkennend sagen, daß die einleitenden Ausführungen, die Herr Staatssekretär Kattenstroth hier gemacht hat, wohl den weiteren Bogen bereits erkennen lassen, und ich betrachte das als einen Fortschritt in der Entwicklung der Frauen-Enquete. Die Enquete wurde auch sehr oft an dem amerikanischen Frauenreport gemessen. Meine Damen und Herren, man vergißt, daß diesem Frauenreport auch Berichte vorausgegangen sind, und ich möchte ausdrücklich hier am Beginn meiner Ausführungen feststellen, daß ein solcher Report für uns Ziel der Arbeit sein muß.Eine weitere Vorbemerkung voraus. Beim Lesen der Enquete entsteht der Eindruck, daß die Frauen heute noch überwiegend für den Broterwerb, also aus materieller Not, arbeiten. Sicher werden wir heute und in der Zukunft soziale, familiäre Schicksale haben, die ein Mitarbeiten notwendig machen.
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Frau Kurlbaum-BeyerWir müssen diesen Tatbestand bei unserer zukünftigen Arbeit berücksichtigen. Wir gingen aber fehl, würden wir nicht auch die menschliche und die psychologische Seite bei der Beurteilung des Fragenkomplexes sehen und das Recht der Frau auf die persönliche Gestaltung ihres Lebens außer Betracht lassen. -Es ist auch falsch, wenn es oftmals in der öffentlichen Meinung noch so dargestellt wird, als wenn die Frau immer nur vorübergehend tätig sei. Eine Mikrountersuchung hier im Kölner Raum hat z. B. deutlich gemacht, daß immerhin 70% der Akademikerinnen in ihrem Beruf bleiben. Natürlich wird die längere Erwerbstätigkeit von der richtigen Wahl, der richtigen Auswahl des Berufes abhängig sein.In dem Report der Vereinigten Staaten heißt es — ich möchte das hier gern wiedergeben —: Es ist eine Ironie der Weltgeschichte, daß der Krieg den Frauen die größere Entfaltungsmöglichkeit gab, um sie dann nachher wieder zu vergessen. Diese Feststellung trifft eigentlich auch für uns zu, und sie ist deshalb noch erschwerend, weil bei der Zuteilung der Arbeit in dieser Zeit mehr von einem Zwang und weniger von der Eignung und von Leistungsvoraussetzungen ausgegangen worden ist. Aus diesem Grunde ist es- ganz natürlich, daß sich hieraus eine stärkere Fluktuation ergab und daß die Fauen versuchten, aus diesem Beruf wieder auszuscheiden.Ich darf nun ein paar Zahlen nennen, die aus der Statistik zu entnehmen sind. Im Jahre 1965 hatten wir bei 27 Millionen Erwerbspersonen immerhin 9,8 Millionen Frauen. Das sind 36,3 %. Die soziologische Seite dieses ganzen Problems ist leider in der Statistik etwas überholt. Sie stammt zum größten-Teil aus dem Jahre 1962, und wenn sie auf Tatbestände zurückgreift, geht sie auf noch frühere Jahre zurück. Immerhin sollten wir aber sehen, daß — nach einer Mikrountersuchung des Jahres 1962 — von den erwerbstätigen Frauen 37,9 % ledig und über 50 % verheiratet waren. Wenn wir sie nach Altersgruppen überprüfen, stellen wir fest, daß — jetzt wieder nach Mikrozensus — bis zu 25 Jahren fast 2 781 000 Frauen arbeiten, bis zu 35 Jahren rund 1 800 000, bis zu 55 Jahren noch 1 700 000 und über 55 Jahre noch über 1 400 000 Frauen.Wir sollten uns in diesem Hause daher zu zwei Grundsätzen bekennen. Der erste Grundsatz ist, daß zur Freiheit in der demokratischen Gesellschaft auch die Freiheit der privaten Lebensgestaltung gehört. Das heißt, jeder hat ein Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit.
Der zweite Grundsatz ist: Die moderne, auf möglichst stetiges Wachstum — darüber sprechen wir im gegenwärtigen Zeitpunkt unabhängig von dem heutigen Thema sehr oft — ausgerichtete Wirtschaft macht die Nutzung aller Kräfte erforderlich, damit natürlich auch der besonderen Fähigkeiten und Fertigkeiten der Frau. Leider sagt die Enquete über diesen zweiten Punkt, die volkswirtschaftliche Bedeutung, sehr wenig. Ich begrüße, daß dies in einerEntschließung noch einmal angesprochen wurde. Hier müssen wir tatsächlich noch weitere Feststellungen treffen.Natürlich müssen wir auch das Problem der berufstätigen Mütter besonders betrachten. Hier räumt die Enquete mit einem Vorurteil auf. Es heißt hier u. a.: Die erwerbstätigen Frauen bewältigen ihre Hausarbeit rationeller. Es wird weiter auf Seite 19 dargelegt: Erwerbstätige Frauen lassen ihre kleinen Kinder nicht unversorgt und unbeaufsichtigt, während sie einer außerhäuslichen Beschäftigung nachgehen, obwohl die Gesellschaft ihnen wenig Hilfen in Form von Ganzkindertagesstätten und -schulengibt.Ich darf hier zu dem Entschließungsantrag der FDP sagen: Es gibt einen privaten Verein für Tagesheimschulen, der sehr gute internationale Untersuchungen besitzt. Wir sollten darauf zurückgreifen. Es ist durchaus nicht so, daß nicht auch heute schon Tagesheimschulen vorhanden sind. Sie sind auf privater Initiative aufgebaut. Das sollte von uns noch stärker unterstützt werden.
Meine Damen und Herren, ich möchte mich hier, auch für meine Fraktion, ganz eindeutig zu dem von Herrn Staatssekretär Kattenstroth angesprochenen Problem der Dreiphasentheorie bekennen. Sie bedeutet, daß eine zweite Phase möglich gemacht wird, nämlich eine berufsfreie Zeit, um — ich sage es ganz offen — in dieser Zeit die schönste Aufgabe, die Erziehung der Kinder, erfüllen zu können. Jede Frau, die aus materieller Not arbeiten muß, wird es als einen Mangel empfinden, wenn sie dieser Aufgabe nicht vollauf gerecht werden könnte. Es wird sie bis zum Schluß ihres Lebens belasten. Das wollte ich hier ganz deutlich sagen.
Viele aus diesem Kreise haben ja auch aus allen möglichen Gründen, die Frau Schanzenbach bereits angesprochen hat, mitarbeiten müssen, auch zu einem Zeitpunkt, wo die Kinder noch klein waren. Das bedeutet, daß wir, noch gründlicher zu untersuchen haben, was auf Seite 89 in der Enquete gesagt wird, daß wir nämlich eine Stufenausbildung anstreben müssen. Damit ist an die Möglichkeit der Unterbrechung der Ausbildung gedacht, an die sie später wieder einen Anschluß finden kann. Das sind natürlich Fragen, die mit den Verbänden, mit der Wirtschaft und mit allen gewerkschaftlichen Organisationen besprochen werden müssen.In dem Zusammenhang ist natürlich auch das Teilzeitproblem von Bedeutung. Selbstverständlich sollte es weiter untersucht werden. Frau Kollegin Dr. Diemer-Nicolaus hat es hier angeführt. Ich möchte sagen, daß wir aber alle aufklärend wirken müssen. Denn viele Frauen übersehen, daß eine versicherungsfreie Zeit Nachteile sowohl in der Krankenversicherung als auch später bei der Ermittlung ihrer Rente mit sich bringen kann.Selbstverständlich muß auch das Bundesbeamtengesetz in diesem Sinne ergänzt werden. Wir haben heute alle einen Brief des Juristinnenbundes bekom-4ÓMetadaten/Kopzeile:
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Frau Kurlbaum-Beyermen, in dem uns ein konkreter Vorschlag gemacht wird. Alle diese Fragen bedürfen also einer weiteren gründlichen Prüfung. Nun ist die Enquete, wenn sie von Sachgebieten ausging, in einem Kapitel abgewichen und hat dann den öffentlichen Dienst besonders hervorgehoben. Ich habe zuerst gedacht, daß man hier ein Vorbild herausstellen will. Weit gefehlt, meine Damen und Herren! In der Statistik auf Seite 170 der Enquete ist nachzulesen, daß wir in der Besoldungsgruppe A 16 noch 7 Beamtinnen haben, daß aber eine Ministerialdirigentin oder gar eine Ministerialdirektorin nirgendwo zu finden ist. Das mag unter Umständen richtig gewesen sein. Aber ich frage mich ganz offen und frage alle Kolleginnen in diesem Hause, ob nicht die vorhandenen Frauen — wir kennen ja eine Anzahl — nicht die gleichen Voraussetzungen erbringen wie mancher Mann und ob nicht auch hier noch ein etwas antiquiertes Denken vorhanden ist.
Wenn man sich die Übersicht für die Ministerien ansieht, dann findet man zwar einige weibliche Hilfsreferenten, aber dann ist es auch wieder zu Ende. Alarmierend aber ist, daß es beim Postministerium, das — dies geht aus der Enquete hervor —88 700 weibliche Beschäftigte hat, nur einen einzigen weiblichen Hilfsreferenten gibt. Ich kenne Frauen aus dem Postbereich und ich bin überzeugt: auch hier gibt es Frauen, die eine höhere Position ausfüllen können: Die wären dann auch in der Lage, die besonderen arbeitsrechtlichen Probleme, die sich auch in diesem gesamten Bereich ergeben, besser zu beurteilen.Nun, ich trete nicht dafür ein: „Frauen um jeden Preis!" Aber da, wo gleiche Voraussetzungen vorhanden sind, sollte man auch Frauen berücksichtigen.Ich habe mit Freude vor einigen Tagen in der Bundesanstalt in Nürnberg der Berufung der ersten Vizepräsidentin zustimmen können. Es war eine weitgehend einstimmige Wahl im Verwaltungsrat. Aber es war bezeichnend, daß bei den Beurteilungen — nicht im Verwaltungsrat, aber vorher — Bemerkungen dahingehend gemacht wurden, ob durch diese kluge und sehr aktive Frau nicht unter Umständen Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit mit dem Präsidenten entstehen könnten. — Hier sitzt ein Kollege, der kann das bestätigen; der weiß, worum es geht.Wenn ist das anführe, meine Damen und Herren, so nur, um deutlich zu machen, mit welchem Maßstab man heute noch an diese Aufgabe herangeht.In den letzten Tagen ist uns allen ein Brief einer Gewerkschaft zugegangen, die darauf hinweist, daß man die weiblichen und männlichen Schreibkräfte in der Bundesverwaltung auch heute noch unterschiedlich bewertet und daß man sich nach wie vor dagegen wehrt, sie nach Vergütungsgruppe VII einzubauen, obwohl das bei den Männern selbstverständlich ist. Ich meine, auch das haben wir hier zu sehen.Nun zum arbeitsrechtlichen Teil einige kurze Bemerkungen. In der Enquete ist einleitend zu diesemKapitel gesagt, daß die arbeitsrechtliche Ordnung für Männer und Frauen grundsätzlich gleich ist. Aber, meine Damen und Herren, wir sollten wissen, daß die Frühinvalidität bei Frauen höhere Ziffern aufweist. Das beweist, daß noch einiges nicht in Ordnung ist. Tatsache ist z. B.; daß die Arbeitsplatzgestaltung wie auch die Mindestnormen für Maschinen nach wie vor noch sehr stark nach den Körpermaßen der Männer bemessen sind und daß dadurch Gesundheitsschäden verursacht werden, die sich in der Frühinvaliditätsziffer niederschlagen.Wir anerkennen die biologische Verschiedenheit. Sie macht Schutzgesetze notwendig. Aber es gibt ja Schutzgesetze auch in anderen Bereichen, für andere Gruppen. Nun eine Bemerkung zur Lohnfrage. Der Bericht gibt leider keine Möglichkeit des Vergleichs mit Männerlöhnen, und meine Zeit ist zu begrenzt, um hier einige Zahlen zu nennen; obwohl das verlockend ist, wenn man lange in dieser Arbeit gesteckt hat. Es werden in der Enquete die Konventionen, die wir bezüglich des gleichen Lohnes für gleichwertige Leistungen angenommen haben, aufgeführt, und in einer Bemerkung heißt es dann, daß die Männerlöhne von 1956 bis 1965 um 86,5 % und die Frauenlöhne um 102,4 % gestiegen sind. Da aber die Frauenlöhne 1956 etwa 60 bis 65 % der Männerlöhne ausmachten, ist das in Wirklichkeit eine Verbesserung um 5 % Also liegen sie heute bei etwa 65 bis 70% der Männerlöhne.Frau Professor. Münke hat hierüber eine besondere Untersuchung durchgeführt und kommt zu dem Ergebnis, daß man auch heute noch eine höhere Bewertung sehr stark von der körperlichen Anstrengung abhängig macht. Das ist meiner Auffassung -nach auch eine überholte Einstellung, wenn wir an die veränderten Arbeitsbedingungen denken, die eine stärkere nervliche und damit auch psychische Belastung mit sich bringen. Auch hier sind weitere Untersuchungen notwendig.Ich möchte aber noch eine Bemerkung machen, damit die Männer erkennen, daß wir uns auch um das gleiche Recht der Männer bemühen.
Ich denke hier an die Regelung der Witwerrente. Wir kennen die Witwenrente. Wenn aber Mann und Frau gemeinsam gearbeitet haben, haben beide einen bestimmten Lebensstandard erreicht. Dann kann man nicht, wenn ein Ehegatte stirbt, dem einen die Witwenrente zubilligen, damit sein Lebensstandard in etwa gewahrt bleibt, in dem anderen Falle aber dem Ehepartner dieses Recht verweigern. Das ist überholungsbedürftig. Wir müssen das ganz deutlich sagen.Damit darf ich zum Schluß kommen, in der Hoffnung, daß ich meine Zeit nicht überschritten habe. Die Enquete ist auch für mich und für meine Fraktion eine Bestandsaufnahme. Es gilt nun, weitere Schritte einzuleiten. An uns liegt es jetzt, zu handeln. Ich möchte mit einem Satz schließen, den der verstorbene Präsident Kennedy bei der Einführung der Kommission für den Frauenreport ausgesprochen hat. Er sagte damals wörtlich:
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Frau Kurlbaum-BeyerWir haben keineswegs genug getan, um die Familie zu stärken und gleichzeitig die Frau zu ermutigen, ihren vollen Beitrag als Bürger zu leisten. Es ist zu diesem Zeitpunkt vonnöten, die jüngsten Errungenschaften zu überprüfen und freimütig einzugestehen, daß weitere Maßnahmen ergriffen werden müssen. Das ist die der ganzen Nation gestellte Aufgabe.Ich brauche dem nichts mehr hinzuzufügen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Spitzmüller.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Der Bericht der Bundesregierung zur Situation der Frau macht eines deutlich: Es gibt weder ein allgemein gültiges noch ein einheitliches Leitbild von der Rolle der Frau in Beruf, Familie und Gesellschaft. Besonders schillernd und differenziert ist die Skala der Einstellung zur Berufstätigkeit der Frau. Ich freue mich, daß zu der Frage der Berufstätigkeit der Frau sowohl Frau Schroeder wie Frau Kurlbaum-Beyer hier für ihre Fraktionen positive Einstellungen kundgetan, also ein Ja zur Berufstätigkeit der Frau ausgesprochen und so deutlich herausgestellt haben, daß die Berufstätigkeit der Frau zum Leitbild gehört. Da wir uns ja eine gewisse Selbstbeschränkung auferlegt haben, bis 20 Uhr diese Debatte abzuschließen, werde ich die vorgesehenen Ausführungen über unsere Einstellung zur Berufstätigkeit der Frau zu Protokoll geben und kann gleich zu den Problemen überleiten, die sich ergeben, wenn man eben ein Ja zur Berufstätigkeit der Frau und zur Verwirklichung des Gleichheitsprinzips und damit der Anerkennung der Partnerschaft der Frau in allen Lebensbereichen sagt.
Wenn man das tut, dann erfordert das auch eine kritische Betrachtung, wie es mit dem Gleichheitsgrundsatz im Sozialrecht bestellt ist. Unser Sozialrecht ist in einer Reihe wesentlicher Grundzüge nach wie vor auf soziologische Gesichtspunkte ausgerichtet, die im vergangenen Jahrhundert für Arbeitnehmerhaushalte charakteristisch gewesen sein mögen. Die Verwirklichung des Gleichheitsgrundsatzes in unserem Sozialrecht geht — das muß man feststellen — interessanterweise in zahlreichen Punkten auf die Rechtsprechung und nicht etwa auf Initiativen der Exekutive oder der Legislative zurück. Das Bundesverfassungsgericht hat in Grundsatzentscheidungen, auf die nicht nur in der Frauenenquete, sondern auch in der Sozialenquete verwiesen wird, festgestellt, daß die Arbeit der Frau als Mutter und Hausfrau mit ihrem wirtschaftlichen Wert als „Beitrag zum Unterhalt der Familie" zu betrachten ist.
Der Bundestag wird sich — dieser Überzeugung sind wir Freien Demokraten — überlegen müssen, nach welchen Maßstäben hier eine Bewertung vorzunehmen ist. Die Frauenenquete ist ebenso wie die Sozialenquete hinsichtlich dieser Probleme leider ausgesprochen unergiebig.
Wenn man dem Gedanken, den das Bundesverfassungsgericht in einer Grundsatzentscheidung festgelegt hat, folgt, daß Hausfrauenarbeit Beitrag zum Unterhalt der Familie ist, so muß dies auch Konsequenzen für die Gestaltung des Solidarprinzips wie des Versicherungsprinzips — wenn man von einem solchen überhaupt noch sprechen kann — haben.
Wir Freien Demokraten geben daher folgendes zu bedenken und sind uns durchaus der etwas revolutionären Natur dieses Gedankens, den ich jetzt vorzutragen habe, bewußt. Man muß das aber einmal vortragen. Wir geben zu bedenken, daß dem Gleichheitsgrundsatz zwar im Steuerrecht durch die Einführung des Splitting und im Eherecht durch die Zugewinngemeinschaft, im Sozialrecht aber noch nicht vollinhaltlich Rechnung getragen worden ist. Wäre es daher nicht zu überlegen, der Ehefrau unter Berücksichtigung der Hausfrauenarbeit durch Anwendung eines Splittings einen direkten Anspruch aus der Sozialversicherung zu gewähren, für die der Ehegatte Beiträge geleistet hat? Eine eingehende Prüfung dieses Gedankens würde sicherlich ergeben, daß sich eine Reihe von Sonderproblemen, die im Sozialrecht heute bestehen, von selbst auflösen werden. Die Tätigkeit im Haushalt und für die Familie fände hierdurch eine Anerkennung, und so könnten z. B. auch beitragslose Zeiten bei vorheriger und späterer Berufstätigkeit überbrückt werden. Auch in den Fällen, in denen eine Ehe in die Brüche geht — leider müssen wir ja feststellen, daß rund 10 % unserer Ehen nicht halten; ich meine nicht diejenigen Ehen, die durch den Tod eines Ehepartners beendet werden, sondern diejenigen, die durch Gerichtsurteil aufgelöst werden —, würde sich eine Reihe von Problemen, die es jetzt noch gibt, wahrscheinlich nicht mehr ergeben.
Der Gedanke, für Hausfrauen unabhängig von eigenen Beiträgen oder Beiträgen des Ehegatten eine Altersversorgung zu gewähren, könnte natürlich auch auf den Gedanken der allgemeinen Grundrente oder Sockelrente führen, der gerade im Hinblick auf die Altersversorgung der Hausfrauen einer eingehenden Diskussion bedarf. Dessen sind wir uns bewußt. Aber wir sehen nicht ein, daß man im Steuerrecht das Splitting durchgeführt, sich aber im Sozialrecht noch nicht einmal daran heranwagt, zu prüfen, ob man hier nicht eigene Ansprüche der Frau — nicht nur Witwenansprüche, sondern eigene Ansprüche der Frau — begründen sollte, wie es bei der Zugewinngemeinschaft ja auch der Fall ist.
Mir scheint es hier nötig, auch auf Probleme einzugehen, die sich aus dem Sonderrecht für jungverheiratete Frauen ergeben, nämlich aus dem Sonderrecht, sich innerhalb einer bestimmten Frist nach der Verheiratung die gezahlten Beiträge zu 50 % bei gleichzeitigem Erlöschen aller Ansprüche erstatten zu lassen. Es braucht hier keine gesetzliche Änderung zu erfolgen. Aber wir sind der Überzeugung, daß überall dort, wo bereits eigene Ansprüche der jungverheirateten Frau bestehen, eine zusätzliche einfache oder doppelte Schwelle eingebaut werden sollte, bevor dem Antrag auf Rückerstattung von 50 0/0. der Beiträge stattgegeben wird, etwa in dem
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Spitzmüller
Sinne, daß zunächst eine Beratung der antragstellenden Ehefrau stattfindet und daß dann, wenn sie den Antrag aufrechterhält, eine gemeinsame Beratung der Ehepartner erfolgt, in der ihnen klargemacht wird, welche Konsequenzen sich für sie ergeben, wenn diese Ansprüche durch Auszahlung von 50 % der Beiträge abgegolten werden, und welche teilweise sehr tiefgreifenden Folgen dies für die Frau hat, wenn die Ehe nicht hält oder wenn der Mann kurzfristig nach der Eheschließung stirbt und die Frau damit unter Umständen auf einer kleinen Witwenrente sitzt und neu anfangen muß, sich einen eigenen Rentenanspruch aufzubauen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Versuchung, durch Auszahlung dieses Anteils eine Mitgift in Bargeld in die Ehe einzubringen, scheint uns zu groß, als daß man hier nicht zusätzliche Beratungsstellen einbauen müßte, um die Frauen, die von dieser Möglichkeit Gebrauch machen wollen, auf die schwerwiegenden Konsequenzen, die sie damit in Kauf nehmen, hinzuweisen.
Ich wollte mit diesen wenigen Ausführungen nur andeuten, daß die Frauenenquete im Bereich der Sozialpolitik nicht allzuviel aussagt und daß im Sinne der Verwirklichung des im Grundgesetz verankerten Gleichheitsgrundsatzes eine Reihe von Fragen neu überdacht und geprüft werden muß. Ich weiß, daß die Entscheidung dem Hohen Hause sehr schwerfallen wird, den wir müssen uns dann von einer ganzen Reihe patriarchalischer Vorstellungen, die im Sozialrecht noch bestehen, lösen.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Wolf.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Nachdem meine Vorredner die Situation der Hausfrau und der berufstätigen Frau erörtert haben, will ich versuchen, einige Gedanken zu dem Kapital, das mit „Die Situation der Frau in der Gesellschaft" überschrieben ist, zu sagen. Ich will mich im besonderen mit der Beteiligung der Frau am öffentlichen Leben beschäftigen.
Trotzdem möchte ich mir erlauben, eine kurze Bemerkung zu einer Unterlage, die mich auch erstaunt hat, zu machen, nämlich zu dem Verzeichnis der beratenden Gremien der Bundesministerien. Wir haben ja eben gehört, daß die Beteiligung von Frauen als Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst gering ist. Aber auch in der ehrenamtlichen Tätigkeit finden wir kaum Frauen. So sind z. B. in der Kommission zur Beratung der Bundesregierung in Fragen der politischen Bildung keine Frauen vertreten. Auch in dem Sachverständigenkreis des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung für Fragen der beruflichen Fortbildung werden Frauen zusätzlich zu den 22 Mitgliedern nur bei Beratung spezieller Frauenfragen in entsprechender Weise zugezogen.
Vielleicht ist es möglich, daß auf diesem Gebiet die Bundesregierung vorbildlich ihre bisherige Haltung ändert und, mehr Frauen zuzieht.Ich darf gleich darauf eine Ausnahme, die man vielleicht nicht erwartet hätte, hier anführen, nämlich den Beirat für Innere Führung des Bundesministeriums der Verteidigung, in dem immerhin zwei Frauen tätig sind, und das Bundesministerium für Gesundheitswesen — ich glaube, das verdanken wir dem Einfluß von Frau Schwarzhaupt —, in dem im Bundesgesundheitsrat unter 80 Mitgliedern 10 Frauen mitgewirkt haben. Trotzdem muß das Gesamtergebnis als unbefriedigend für die Stellung der Frau im öffentlichen Leben angesehen werden.Diese Ergebnisse haben mich dazu gebracht, mir einige Überlegungen über unsere Gesellschaft zu machen. Denn es handelt sich ja hier nicht nur um Fragen, die die Frauen allein betreffen, sondern um Fragen, die doch wohl unsere ganze Gesellschaft, Männer und Frauen gemeinsam, angehen. Wir wissen, daß wir in einer Industriegesellschaft leben, die besondere Merkmale hat.. Sie verändert sich schnell entsprechend den technischen Gegeben-
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Frau Dr. Wolfheiten. Sie wird weitgehend durch Leistung und Erfolg des einzelnen bestimmt. Unsere Gesellschaft wird aber auch als eine Konsum- und Freizeitgesellschaft bezeichnet, in der die Stellung des einzelnen und der Familie nach Konsum und Freizeitgestaltung bestimmt sind. Hier wäre es vielleicht notwendig, wie bereits mehrfach angeregt worden ist, die Bedeutung der Frau als Verbraucher deutlicher herauszustellen, weil zweifellos die meisten Güter heute durch Frauen oder unter Mitwirkung der Frauen angeschafft werden. Wir wissen auch von unserer Gesellschaft, daß sie Werte und Maßstäbe festsetzt, die dem einzelnen einen großen Spielraum geben und die das Verhalten des einzelnen einerseits nach seinem eigenen Gewissen, andererseits nach dem Verhalten des anderen bestimmen. Beides sind Merkmale, die man sehen muß.Zu diesem allgemeinen Typ einer Industriegesellschaft gibt es aber dann noch einige deutsche Eigenheiten, die vielleicht das vorher Gesagte etwas erklären. Ich glaube, wir können feststellen, daß noch unter dem Eindruck des verlorenen Krieges bei uns eine Verengung auf das Familienleben stattgefunden hat, die in der ersten Zeit nach dem Krieg sicher richtig war, zu der aber heute festgestellt werden muß, daß die allgemeine Bereitschaft und Verantwortung für die Gestaltung des öffentlichen Lebens zu gering ist, sicher geringer als in anderen Industrieländern.Und ein zweites Merkmal scheint mir erwähnenswert. Man kann oft beobachten, daß unser Bewußtsein den Erfahrungen, den Gegebenheiten des Lebens hinterherläuft, daß wir z. B. noch gar nicht realisiert haben, uns nicht bewußt gemacht haben, wie eng verflochten die Beziehungen zwischen den einzelnen Ländern sind und wie wesentlich Erfahrungen und Tatsachen in anderen Ländern für unsere Gesellschaft geworden sind. Wir sprechen viel von Partnerschaft und Zusammenarbeit und Teamwork — ich glaube, wir haben noch kein rechtes deutsches Wort dafür —, aber wir praktizieren es nach meiner Überzeugung noch nicht genug.Auf diesem Hintergrund erscheint es mir nun nicht so erstaunlich, daß auch das Bild der deutschen Frau uneinheitlich ist, und daß wir immer noch oft sprechen von dem Gegensatz Hausfrau : berufstätige Frau als von zwei Rollen, die sich bestenfalls nacheinander ausüben lassen. Denn wenn man beide gleichzeitig ausüben will, so ist es ein Thema langer Diskussionen. Wir vergessen meines Erachtens dabei, daß jeder Mensch in einer modernen Gesellschaft, wie wir sie haben, mehrere Rollen ausübt, und natürlich auch die Männer täglich mehrere Rollen ausüben: im Beruf, in der Vereinszugehörigkeit und als Familienvater. Ich glaube, daß es z.B. nicht recht hingenommen werden kann, wenn mehrfach gesagt worden ist, daß die Erziehungsfunktion des Vaters schwächer geworden ist und daß wir uns damit abfinden müssen. Meines Erachtens ist die Umgestaltung, die wir bei den Frauen festgestellt haben, genauso wirksam in bezug auf die Männer, und die größere Freizeit, die ja für die meisten Männer ebenfalls gilt, sollte es ihnen auch ermöglichen, ihre Erziehungsfunktion in stärkerem Maße wahrzunehmen.Ich glaube, daß es für die Tätigkeit der Frauen wie auch der Männer darauf ankommt, daß wir uns klarmachen, daß jeder von uns Verantwortung für das öffentliche Leben hat. Wir brauchen dazu die Hilfe von Männern und Frauen zu einem Umdenken, zu einer Neuerziehung, die nach meiner Überzeugung unerläßlich ist für den Bestand der Demokratie.
Ich weiß, daß häufig davon gesprochen wird, daß man in Deutschland nicht erzieht zu den „öffentlichen Tugenden", daß wir in unserer deutschen Erziehung die Werte Pflichtbewußtsein, Arbeitsamkeit, Fleiß an die Spitze stellen und das gemeinsame Leben zurückstellen und nicht genügend beachten. Die öffentlichen Tugenden sind notwendig, und wir werden sie nur erreichen, wenn die Familie sich mehr als bisher für diese Erziehung öffnet und wenn auch die berufstätigen Frauen diesen Wert anerkennen.
Ich glaube, daß ein staatsbürgerlicher Unterricht, so gut er sein mag und so viel Tatsachen von Bedeutung er den Schülern, den jungen Menschen mitgeben kann, diese Lücke nicht allein ausfüllen kann, sondern daß es wirklich darauf ankommt, daß die Haltung in den Familien sich in dieser Richtung ändert, daß sie sich — Männer wie Frauen — öffnen für diese Aufgaben und uns damit zu einer neuen Gestaltung unseres öffentlichen Lebens verhelfen. Dazu scheint mir nun notwendig, daß wir sehr vorsichtig damit sein müssen, von der Nur-Hausfrau zu sprechen.
Ich halte es genauso wie meine Vorrednerin für richtig, daß die jungen Frauen mit Kindern die Möglichkeit haben müssen, in ihrer Familie ihrer Aufgabe allein gerecht zu werden, und nicht gezwungen werden dürfen, im Beruf tätig zu sein. Aber ich glaube, sie sollten ihr Interesse für das behalten, was außerhalb der Familie vor sich geht, und dazu brauchen sie Hilfen von uns.Die eine Tatsache, die hier auch bereits erwähnt worden ist, ist die, daß viele junge Mädchen eine gute Ausbildung vorzeitig abbrechen, weil sie heiraten wollen. Wir können uns das aus volkswirtschaftlichen Gründen nicht leisten. Wir können es uns aber auch aus menschlichen Gründen in bezug auf diese Menschen nicht leisten, weil wir wissen, wie viele von ihnen unbefriedigt sind, wenn sie auf diese abgebrochene Ausbildung blicken. Darum ist es richtig — und ich möchte das unterstreichen —, daß man sich überlegt, wie man mit Zwischenexamen helfen kann, aber auch, wie man neue Angebote an diese jungen Frauen machen kann.Ich kann mir z. B. vorstellen, daß man, wenn man sich den Zeitablauf bei diesen jungen Menschen vergegenwärtigt, in ihrem Tagesablauf Stunden finden kann, in denen sie etwas anderes tun könnten als für ihre kleinen Kinder zu sorgen. Wir sprechen ja so viel von der Rationalisierung im Haushalt, die Zeitersparnis bedeutet. Sollte man nicht einmal prüfen, ob der Schulfunk, der nach unserer Kenntnis4042 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 87. Sitzung.. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1967Frau Dr. Wolfvon unendlich vielen Frauen am Vormittag gehört wird, Sendungen einbauen könnte, die der Bildung von Erwachsenen dienen und gerade diese Funktion ausfüllen? Es könnte sogar Angebote zur Weiterbildung geben, wie sie bereits in Abendstunden von einigen Rundfunk- und Fernsehanstalten heute ausgestrahlt werden.Ich glaube darüber hinaus, daß es auch möglich sein müßte, weitere Hilfen für eine Berufstätigkeit zu geben, und ich meine, daß das Angebot der Teilzeitarbeit noch nicht genügt, sondern ich stelle mir vor, daß man gleichzeitig prüfen könnte, ob diesen Menschen nicht Werkverträge eine Hilfe bedeuten könnten, also Verträge, in denen es ihnen ermöglicht wird, dann eine bestimmte Arbeit zu leisten, wann sie dazu Zeit haben. Zum Beispiel kann die Sekretärin irgendwann in ihrem Tageslauf schreiben. Aber auch die Volkswirtin kann eine der vielen Untersuchungen der Marktforschung, die heute gemacht werden, sicher einmal in ihrem Tageslauf anfertigen, ohne damit gleich eine ganze oder eine halbe Berufsarbeit auszuüben.Meines Erachtens ist es wichtig, daß wir, nachdem wir so eingehend die sogenannte dritte Phase im Leben der Frauen studiert haben, uns nun intensiv dieser zweiten Phase zuwenden, den jungen verheirateten Frauen, deren Kinder die neue Demokratie tragen sollen, deren Erziehung also für das Fortbestehen der Demokratie entscheidend ist. Wir müssen uns überlegen, wie wir diesen Frauen dabei helfen, daß sie ihre Stellung, ihre Aufgabe in der3) Öffentlichkeit besser wahrnehmen können. Wir dürfen dann hoffen, daß uns ein späterer Bericht sehr viel bessere Zahlen zeigt.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Müller .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der umfangreichen, 641 Seiten umfassenden Enquete erfahren wir viel Nützliches über die Stellung der Frau. Details über ihre Vertretung in den Rathäusern gehören ebenso dazu wie eine Untersuchung über die hygienischen Verhältnisse auf dem flachen Lande. Die Vielzahl von Tabellen und Untersuchungen kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß einige Akzente hätten anders gesetzt werden können und daß einiges einfach unter den Tisch gefallen ist.Lassen Sie mich hier nur das Problem der jungen Frau ansprechen. Zum Thema der jungen Familie ist in dem Bericht die lapidare Feststellung zu finden, daß der Wohnraumbedarf junger Familien im wesentlichen nicht erfaßt sei, daß jedoch bekannt sei, daß gerade junge Familien zu den Wohnungsuchenden gehören. Bei der heutigen Wohnungssituation gerade in den Verdichtungsräumen können die Maßnahmen im Rahmen der jungen Familien zum Bau und Erwerb von Familienheimen mit Zinszuschüssen bis zu einer Höhe von 4000 DM nicht ausreichen. Gerade die jungen Familien, die nicht schon jahrelang bei den Wohnungsämtern vorgemerkt sind, brauchen Hilfe, wenn sie eine Wohnung suchen. Hier müßte die Bundesregierung unbedingt mehr tun, wenn sie den wirklich jungen Familien helfen will.Auf einen besonderen Aspekt, der in der Enquete keine Erwähnung findet, will ich noch hinweisen. Ich meine die Studentenehen. Allein an einer Universität in der Bundesrepublik gibt es nach einer Untersuchung des dortigen Studentenwerks 755 verheiratete Studierende. Über 10 % von ihnen müssen aus Raummangel getrennt vom Ehepartner leben. 23% der nicht bei den Eltern Wohnenden müssen über 300 DM Miete zahlen. Nicht nur, daß der Staat wenig oder gar nichts für diese jungen Menschen tut; aus einem noch dem 19. Jahrhundert verhafteten Denken heraus werden sie für diese junge Ehe bestraft. Durch höchstrichterliches Urteil wurde vor kurzem bestätigt, daß zwar die Aufwendungen der Eltern für die Aussteuer von der Steuer absetzbar sind, nicht aber die Eigenleistungen der Jungverheirateten. Da gerade die jungen Ehen ohne Unterstützung aus dem Elternhaus zunehmen, tritt hier eine altväterliche Diskriminierung auf. Die Erwerbstätigkeit der jungen Mütter ist in der Bundesrepublik wesentlich höher als in anderen vergleichbaren Ländern Westeuropas und Nordamerikas. Kein Wunder; die hohen Wohnungsmieten, die Kosten für die Einrichtung eines neuen Heimes zwingen die junge Mutter dazu, mitzuverdienen. In der Begründung des oben zitierten Urteils wirkt es fast wie ein Hohn, daß die steuerlichen Ersparnisse bei dem geringen Einkommen der Betroffenen kaum sehr wesentlich sei. Für meine Generation ist es wenigstens unverständlich, daß zwar der reiche Vater die Aussteuer für die gut untergebrachte Tochter von der Steuer absetzen kann, daß aber junge Eheleute, die sich die Einrichtung gemeinsam erkämpfen müssen, dafür keine Steuererleichterung haben.
Lassen Sie mich an dieser Stelle ein Wort der Anerkennung gerade für die jungen Frauen und Mütter sagen, die neben ihrer Hausarbeit für das Familieneinkommen sorgen. Ich selbst weiß aus eigener Erfahrung, daß ich ohne die Mitarbeit meiner Frau meine Tätigkeit hier als Abgeordneter nicht durchführen könnte.
Um so bedauerlicher ist es, wenn auf Seite 10 der Enquete zu lesen ist, daß es in der Bundesrepublik noch keine repräsentative wissenschaftliche Untersuchung über den Arbeitszeitaufwand der Hausfrau gibt. Der bekannte französische Sozialwissenschaftler Fourastié weist auf Grund einer Untersuchung des Instituts für demographische Studien in Frankreich — bei uns in der Bundesrepublik gibt es leider kein solches Institut — darauf hin, daß in Frankreich die Leistungen der Frauen für Hausarbeit mehr Arbeitsstunden ausmachen, als die gesamte Produktion auf industriellem und landwirtschaftlichem Gebiet und im Dienstleistungsbereich an Arbeitsstunden erfordert. Wir Männer sollten das durchaus einmal zur Kenntnis nehmen. Ich weiß, daß viele von uns unseren Frauen helfen, und ich erkläre mir die
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Dr. Müller
Leere des Hauses jetzt nach 18 Uhr auch aus dem Grunde, daß einige vielleicht zu Hause einspringen müssen.
Aber wir sollten uns diese Zahlen durch den Kopf gehen lassen. Ich kann nur das anregen, was von Vorrednern schon angeschnitten wurde, daß man auch bei uns in der Bundesrepublik eine gründliche Untersuchung dieses Bereiches vornehmen sollte.
Lassen Sie mich schließlich noch zu einem Bereich kommen, der ebenfalls das Denken des 19. Jahrhunderts atmet und der in der Enquete nur auf einer halben Seite abgehandelt wird: die Stellung der ledigen Mutter. Der bindende Auftrag des Grundgesetzes seit 17 JahrenDen unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den. ehelichen Kindernist leider immer noch nicht erfüllt. Ich hoffe, daßder Herr Bundesjustizminister diese Frage in dieserLegislaturperiode zu Ende führen kann. Hier ist inerster Linie an den § 1589 Abs. 2 BGB zu denken,der festlegt, daß das uneheliche Kind mit seinemVater nicht verwandt ist. Dieser Paragraph mit seiner vor allem in den materiellen Bereich gehendenKonsequenz der Nichterbfähigkeit ist ein allzu deutliches Relikt einer bürgerlichen Epoche im schlechtesten Sinne des Wortes. Nicht nur die Schlechterstellung des unehelichen Kindes, sondern vorallem die scheinheilige Diskriminierung der unehelichen Mutter muß verschwinden. Die Enquete selbstliefert an einer anderen Stelle und in anderem Zusammenhang einen schlagenden Gegenbeweis gegen weithin noch bestehende Vorurteile. Ich zitiere:Es wurde festgestellt, daß Kinder aus vaterlosen Familien trotz Erwerbstätigkeit der Mutter und ungünstiger finanzieller Lage meistenseinen besseren Allgemeinzustand sowie einenhöheren Leistungsdurchschnitt in der Schuleaufweisen und seltener in den Akten der Strafjustiz erscheinen als Kinder aus vollständigenoder zerrütteten Familien.Man kann nur wünschen, daß sich unsere Gesetzgebung in dieser Legislaturperiode der Entwicklung des 20. Jahrhunderts anpaßt und den zwingenden Auftrag des Grundgesetzes erfüllt.Zum Abschluß möchte ich meine Wünsche an drei Ministerien wie folgt konkretisieren: Den Herrn Bundesfinanzminister ersuche ich, die Frage der Absetzbarkeit der Aufwendungen bei einer Familiengründung neu zu prüfen und hier den jungen Familien zu helfen. Dem Herrn Bundeswohnungsbauminister lege ich die Wohnungssorgen der jun-. gen Familien — auch der Studentenehen —, vor allem in den Verdichtungsräumen, ans Herz, und den Herrn Bundesjustizminister erinnere ich an den Auftrag des Grundgesetzes bezüglich der Neugestaltung des Unehelichenrechts. Die junge Generation in Deutschland wird mit Sicherheit ihre Taten mit Aufmerksamkeit registrieren.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Funcke.
Frau Präsidentin! Meine Herren und Damen! Von den Gymnasiasten in der Bundesrepublik sind 40 % Mädchen und 60% Jungen. Nur 36 % aller Abiturienten sind Mädchen. Da wir aber heute nicht mehr daran zweifeln, daß die Intelligenz der Mädchen nicht unter der der Jungen liegt, stellen wir hier eine Disparität fest, die nicht in der Leistungsfähigkeit begründet sein kann, sondern meines Erachtens in der starken Rollenunsicherheit liegt, die in weiten Kreisen der Eltern und auch der jungen Generation zu beobachten ist. Und hier gibt es, — so meine ich — eine Wechselwirkung: durch die Rollenunsicherheit unzureichendes Bildungsbemühen, und wegen unzureichender Bildung eben auch nur zögernde Überwindung der Unsicherheit.Sicherlich, heute ergreift jedes Mädchen nach der Schule einen Beruf. Dabei können wir feststellen, daß die Unschlüssigkeit über die Berufswahl mit der Dauer der Schulausbildung wächst, daß eine Fünfzehnjährige leichter einen Beruf oder eine Berufsausbildung ergreift als etwa die Abiturientin, die sich meist noch bis nach dem Abitur unschlüssig ist. Es wird eine Berufsausbildung oder ein Beruf ergriffen, aber wir fragen uns, wieweit der Beruf als eine Lebensaufgabe begriffen wird, die, wie immer sich die Frau nach der Eheschließung entscheidet, wirksam bleibt oder als Möglichkeit bestehen bleibt.In dieser allgemeinen Unsicherheit scheint es mir ein gewichtiges Ereignis gewesen zu sein, daß die Evangelische Kirche mit der Denkschrift über die Teilzeitarbeit ein sehr klares und bewußtes Ja zur Doppelaufgabe der Frau gesprochen und damit Mut gemacht hat, nach eigenen, individuellen Verhältnissen die Entscheidung zu treffen, ob auch während der Ehe eine Berufstätigkeit ganz, teilweise oder zeitweilig ausgeübt wird oder nicht. In dem heutigen Leben mit seiner vielfältigen sozialen, wirtschaftlichen und menschlichen Verflechtung weist eben die Aufgabenstellung der Frau über den Familienkreis hinaus; hieraus gilt es Konsequenzen zu ziehen.Ich meine, zunächst einmal müßten wir dafür sorgen, daß das Mädchen wie der Junge eine erweiterte Grundbildung bekommt, und hier, meine Herren und Damen, geht es mir nicht um eine einseitige Betonung der intellektuellen Bildung. Ich meine, es geht um die- Vorbedingungen für eine Lebensbewältigung. Der heutigen jungen Generation wird weit mehr als früheren die Aufgabe gestellt, den Anforderungen einer noch unbekannten Welt zu genügen. Mehr denn je versagt es uns die Dynamik unserer Zeit, die Kinder in eine bekannte Welt hineinzuführen. Wir müssen ihnen vielmehr
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Frau FunckeLebenshilfen und eigene Beurteilungsgrundlagen geben, damit sie in unbekannten und unvorhergesehenen Situationen das Leben bewältigen und meistern.
An dieser Stelle hat auch eine bewußte Erziehung zur Gemeinschaft und zum Engagement ihre Bedeutung. Gerade Frau Kollegin Dr. Wolf hat darauf hingewiesen. Ich meine, wir sollten das sehr ernst nehmen.Unsere derzeitige Schulausbildung ist zu stark und zu einseitig auf das Einarbeiten und Nachvollziehen, das Aufnehmen und das Verarbeiten im intellektuellen Raum ausgerichtet, weniger auf die Bewährung im Umgang mit anderen in der Gemeinschaft und auf das Engagement.
Hier hat, wie Frau Kollegin Kurlbaum-Beyer schonsagte, die Tagesheimschule eine besondere Aufgabe.Wir müssen weiterhin darauf achten, daß die Mädchen den gleichen und ungehinderten Zugang zu allen Berufsausbildungen haben. Das bedeutet in nicht. seltenen Fällen ein bewußtes Ja zur Koedukation; denn nicht überall kann man in gleicher Weise getrennte Schulausbildung haben; ja, ich glaube, man sollte sie auch nicht haben; ein Stück Lebensbewältigung ist nämlich auch die Einübung in die Partnerschaft, die uns im Leben überall aufgegeben ist.Es gilt auch eine bewußte Vorbereitung des Mädchens auf eben die gestellte Doppelrolle, der die Öffentlichkeit heute vielfach noch mit Zweifel und Unverständnis gegenübersteht. Das Mädchen soll wissen, daß seine Entscheidung, wie immer es sich entscheidet, so oder so eine gute Entscheidung ist.Hierher gehört auch unser Bemühen um eine Stufenausbildung, von der eben schon gesprochen worden ist. Das Mädchen steht ja in der Schwierigkeit, nicht zu wissen, zu welchem Zeitpunkt eine Eheschließung erfolgt. Es weiß nicht, ob es mit 20 Jahren noch eine sehr lange Ausbildung anfangen soll, ob sie sie beenden kann. Auch bei allen Hilfen, etwa für die Studentenehe, wird der Frau immer eine größere Schwierigkeit zugemutet, wenn sie das Studium beenden und gleichzeitig die Hausfrauenrolle übernehmen soll. Eine Stufenausbildung, gibt die Möglichkeit, in Etappen zusätzliche Qualifikationen zu erwerben, so daß die Ausbildung oder die Berufsausübung zu jedem Zeitpunkt wieder neu und qualifizierter fortgesetzt werden kann.Eine besondere Schwierigkeit, die die Frauen stärker als die Männer trifft, ist, daß wir in den Ländern der Bundesrepublik vielfach nicht die gleichen Prüfungsberechtigungen haben, d. h. daß ein in einem Land abgelegtes Examen in einem anderen Land nicht anerkannt wird. Im kulturellen Bereich kennen wir zu genau die Schwierigkeiten, die Frauen dann auf sich nehmen, wenn sie von einem Land ins andere hinüberwechseln. Ich hatte vor Jahren im Landtag schon einmal Gelegenheit, den derzeitigen Kultusminister darauf hinzuweisen, daß die Neigung des Herzens eben nicht an den föderativen Grenzen innerhalb unserer Bundesrepublik endet und daß sich von daher zusätzliche Probleme für die verheiratete Frau ergeben. Manche qualifizierte Ausbildung wird im Nachbarland nicht anerkannt.Wir haben Ihnen deswegen einen FDP-Antrag vorgelegt und bitten um Ihre Unterstützung, die Bundesregierung aufzufordern, hier mitzuwirken. Wir kennen die Schwierigkeiten, daß der Bund hier nicht entscheiden kann. Aber er sollte doch mitwirken, daß wir zu einer tragbaren Lösung in der gegenseitigen Anerkennung kommen.
Ich glaube aber auch, daß wir uns in diesem Hause mitverantwortlich fühlen sollten, wo es um die Fortbildung im Beruf geht. Wir sprachen schon einmal über das sogenannte Kontaktstudium. Aber dies ist nicht genau das, was in allen Berufen an systematischer laufender Fortbildung gebraucht wird. Dabei ist es dann unerheblich, ob Fortbildung während der Berufsausübung oder dann gesucht wird, wenn man zeitweilig ausgesetzt hat, um Familienpflichten zu erfüllen. Hier haben der Rundfunk und das Fernsehen ihre Aufgabe, hier ist eine Aufgabe der Fernlehrinstitute, hier ist eine Aufgabe, meine ich, der Fachschulen und Hochschulen in zusätzlichen Kursen, um die wir uns noch sehr intensiv kümmern müßten; wir sollten auch den Herrn Minister für Wissenschaft und Forschung bitten, sein Augenmerk darauf zu richten.Schließlich gilt es auch jene Ausbildung zu intensivieren und zu unterstützen, die der Frau um die Lebensmitte eine neue Aufgabe durch eine neue Ausbildung erschließt. Es gibt Berufe gerade im sozialen Bereich, die den erfahrenen Menschen brauchen, die also gar nicht so leicht und vielleicht gar nicht einmal so gut von einem jungen Menschen nach der ersten Ausbildung ergriffen werden können. Ich denke z. B. an die Altenpflegerin; dazu gehört eben ein Stück Lebenserfahrung und auch Leiderfahrung. Hier wäre es gut, wenn wir Menschen in, wie gesagt, der Lebensmitte — früh verwitwete Frauen oder Frauen, die die Kinder aus dem Hause haben — ermutigten, eine neue Aufgabe zu übernehmen.Meine Damen und Herren, das alles sind Fragen der Ausbildung und der Bildung auf und mit dem Beruf. Aber mir scheint, es geht nicht nur darum, Bildung und Ausbildung in Verbindung mit einer Berufsausbildung zu sehen; mir scheint, daß für die Frau auch von entscheidender Bedeutung ist, Bildung und Ausbildung, Lebenskenntnis und Lebensbewältigung zu haben und zu üben, wenn sie im Hause als Hausfrau und Mutter sich ausschließlich der Familie widmet. Wir wissen heute, welchen Rang Wissenschaft und Bildung, Forschung und Ausbildung für unsere wirtschaftliche Entwicklung haben. Wir wissen auch, welch ungeheure Bedeutung diese Dinge in der politischen Wirklichkeit unserer Tage haben. Gerade deshalb ist das Bewußtsein von der Bedeutung von Bildung und Ausbildung und ihrem Rang so wichtig, und darum ist
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Frau Funckees so wichtig, daß dieses Bewußtsein bereits aus der Familie erwächst. Wir brauchen die einsichtige und verständige Mutter als Begleiterin ihrer Kinder, wir brauchen die verständige und menschlich-sachlich gebildete Staatsbürgerin für all die Aufgaben, die sich neben dem Beruf heute in der Gemeinschaft stellen: im sozialen Bereich, in der kirchlichen Arbeit, im staatsbürgerlichen, im politischen Raum.Es klingt mitunter heute noch die Frage an, ob sich die Kosten und die Zeit für die Ausbildung eines Mädchens überhaupt lohnen. Die Frage wird mitunter von den Eltern gestellt, sie wird aber auch von der Öffentlichkeit gestellt. Wenn es z. B. darum geht, bei einer begrenzten Aufnahme in ein Lehrinstitut einem Mann den Vorzug zu geben. Meine Herren und Damen, ob es sich lohnt, ein Mädchen auszubilden, ist nicht nur eine Frage der künftigen Berufsausübung, schon gar nicht nur die Frage der ersten Jahre bis zur Ehe, sondern mir scheint, das ist eine grundsätzliche Frage nach dem Bildungsstande unseres Volkes überhaupt.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Geißler.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nachdem der Kollege Müller die Männer eben aufgefordert hat, den Frauen abends beim Spülen zu helfen, möchte ich als Gegenbeispiel anführen, daß ich es nicht gewagt habe, hier oben zu diesem Thema Frau zu sprechen, ohne mich vorher bei meiner Frau über das zu vergewissern, was ich in den kommenden Minuten zu sagen habe.
Diese Erkenntnisse habe ich außerdem durch Beratung mit meinen drei Schwestern abgesichert.
Meine Damen und Herren, ich glaube, bei den vielen Einzelheiten, die in den letzten Stunden zu diesem Thema gesagt worden sind, ist es vielleicht ganz gut, wenn wir versuchen, noch einmal auf den Ausgangspunkt der gesamten Debatte zurückzukommen, und uns vergegenwärtigen, warum überhaupt die Frauen-Enquete notwendig geworden ist. Das eigentliche Problem besteht doch darin, daß heute jedermann davon überzeugt ist, daß unser gesamtes gesellschaftliches Leben, daß die Erarbeitung des Bruttosozialprodukts, daß unsere ganze Existenz ohne die aktive Mitwirkung der Frau einfach nicht mehr denkbar wäre, zugleich aber diese Arbeit der Frau sich in einer Situation, in einer Welt vollziehen muß, die in den wesentlichen Strukturen von den Männern vorfabriziert, vorgebildet worden ist.. Zum anderen muß die Frau diese Aufgabe unter völlig anderen Voraussetzungen und Bedingungen erfüllen als die Männer. Das gilt insbesondere für die gesamte Ausbildung, aber auch für die Berufsausübung. Das ist ja in den vorhergehenden Diskussionsbeiträgen auch immer wieder als Mittelpunkt der Problematik herausgestellt worden. Es ist doch so, Frau Schanzenbach, daß heute nicht mehr die Problematik, wie sie etwa Bebel gehabt hat, oder wie sie vielleicht zu Beginn dieses Jahrhunderts auf dem bildungspolitischen Sektor das entscheidende Thema war, die Diskussion beherrscht, sondern es sind Schwierigkeiten, die aus neuartigen Anforderungen an die Frau auf uns zukommen — die selbstverständlich auch im politischen Leben gelöst werden müssen —, weil sich die gesamte gesellschaftliche, industrielle, wirtschaftliche, soziologische Situation geändert hat.Ich möchte aber gleich am Anfang eines deutlich sagen: Ich bin nicht der Auffassung, daß wir an dieses Problem herankommen können, wenn wir in den Fehler, der früher gemacht worden ist, verfallen, irgendeine „Ideologie der Frau" herausarbeiten zu wollen. Ich gestehe ganz offen, mir kommt in dieser Frauenenquete der Begriff „Leitbild der Frau" ein wenig zu oft vor. Es dreht sich gar nicht mehr darum, daß wir hier etwa eine Heimchen-amHerd-Ideologie meinetwegen der Auffassung gegenüberstellen, wie sie in den östlichen Ländern vielleicht noch praktiziert wird, aber inzwischen langsam auch durch die Erfahrung überholt wird: einer völlig undifferenzierten Gleichmacherei auf diesem Gebiet. Das sind Extremvorstellungen, und es sind, glaube ich, Leitbilder in einem falschen Sinne, an denen man sich auch nicht von den Extremen her orientieren sollte. Wir sollten nicht versuchen, neue Leitbilder aufzustellen. Denn wir haben doch die Erfahrung gemacht, daß solche Leitbilder, solche ideologisch vorgefertige Erkenntnisse die Menschen in der Vergangenheit zu lange daran gehindert haben, die richtige Einstellung zur Aufgabe der Frau zu finden.Ich meine, es dreht sich in der Fragestellung um etwas viel Einfacheres, nämlich: Welche Lebensaufgabe hat die Frau zu erfüllen, wie kann sie und soll sie ihr Leben so gestalten, daß sie von sich selber sagen kann, ihr Leben sei sinnvoll und nicht sinnlos? Das scheint mir aber genauso wie beim Mann eine Frage zu sein, die aus der konkreten Situation heraus beantwortet werden muß. Die Antwort auf die Frage wird anders lauten, je nachdem, ob es sich um eine unverheiratete Frau handelt, ob sie verheiratet ist, ob sie kleine Kinder hat, ob sie z. B. 45 Jahre alt ist. Das sind Fragen, die aus der Aktualität, die aus der konkreten Situation beantwortet werden müssen. Allerdings hat der Staat die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß eine ungehinderte Entwicklung der Frau von jungen Jahren an gewährleistet ist und daß insbesondere den jungen Mädchen die Gelegenheit gegeben wird, eine Ausbildung zu erhalten, die sie in die Lage versetzt, alle diese verschiedenen Positionen, die ich gerade angesprochen habe, alle diese verschiedenen Lebenslagen ganzheitlich zu meistern.
Deswegen halte ich es auch nicht für richtig, zu sagen, es gebe eine Alternative: Berufsausübung oder Hausfrau. Das scheint mir nicht der richtige Ausgangspunkt zu sein, wenn wir von der Ausbil-
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Dr. Geißlerdung des jungen Mädchens sprechen. Die Entwicklung ist so weit fortgeschritten, daß wir den jungen Mädchen bei einer gewissen Veränderung unseres Bildungssystems eine Ausbildung auch bis zu einem fortgeschrittenen Stadium geben können, die sie in die Lage versetzt, mit dieser speziell für die Frau gegebenen Problematik fertig zu werden.Genauso würde ich es aber als eine falsche gedankliche Weichenstellung ansehen, wenn jemand sagte, eine gesellschaftliche Gleichstellung der Frau sei erst erreicht, wenn sie zahlenmäßig in allen Berufen genauso stark vertreten sei wie die Männer. Für genauso falsch hielte ich es, wenn jemand die Auffassung verträte, daß es bestimmte Berufe gebe, zu denen die Frau überhaupt keinen Zugang habe. Ich glaube, hier muß man etwas mehr unterscheiden. Meines Erachtens beweist man einen Mangel an Fähigkeit zu differenzieren, wenn man nicht erkennt, daß es in der Ausbildung der Frau doch ganz bestimmte Schwerpunkte gibt, die sich einfach aus den biologischen und psychologischen Unterschieden zwischen Frau und Mann ergeben, und daß bei den Frauen schwerpunktmäßig eben auch ganz andere Berufsziele festzustellen sind als beim Mann. Wenn man diese Realfaktoren nicht berücksichtigt, kommt man, auch nicht zu einer soziologisch richtigen Erkenntnis der gesamten Frage.Im übrigen hat ja auch die Frauenenquete ganz klar festgestellt, daß sich die jungen Frauen und Mädchen hier von selber richtig verhalten, indem sie sich auf die künstlerischen, pflegerischen und kaufmännischen Berufe ausrichten und an den Universitäten die Sprachen, die Medizin, die Pharmazie, die Psychologie und die Pädagogik, sowie die Fächer, die mit dem Lehrberuf zusammenhängen, bevorzugen.Es ist eben nur die Frage, ob unser gesamtes Bildungssystem so ausgerichtet ist, daß es diesen soziologischen Sachverhalt anerkennt und ihm entspricht.Frau Kollegin Funcke hat vorhin von den unterschiedlichen Abiturientenquoten gesprochen. Im Jahre 1963 betrug die Abiturientenquote bei den männlichen Abiturienten 9 und bei den weiblichen Abiturienten nur 5,6 %. Es ist die Frage zu stellen — man müßte von der Kulturpolitik her versuchen, die richtige Lösung zu finden —, ob z. B. unsere Gymnasien, unsere Oberschulen zu stark nach typisch männlichen Berufsbildern ausgerichtet sind, insbesondere was das Schwergewicht der Naturwissenschaften und der technischen Wissenschaften anbelangt. Diese Frage möchte ich hier nur einmal aufwerfen. Es wäre zu prüfen, ob nicht in der Zukunft vielleicht andere Entwicklungen notwendig sind, ob man nicht z. B. für die Mädchengymnasien etwas andere Lehrpläne ausarbeiten und in dem einen oder anderen Gymnasium einmal versuchsweise verschiedene Züge für die Mädchen einrichten sollte. Die Existenz der Frauenoberschulen in verschiedenen Ländern ermutigt doch zu gewissen Weiterentwicklungen.Im übrigen darf ich darauf hinweisen — auch das ist in dieser Untersuchung der Bundesregierung klar herausgestellt worden —, daß auch die gesamte Studienreform, insbesondere was die Studienzeit anbelangt, dazu beitragen kann, daß die jungen Studentinnen eher in die Lage versetzt werden, zu einem Abschluß des Studiums zu kommen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Moersch?
Bitte sehr!
Herr Kollege Geißler, darf ich aus Ihren Ausführungen über die besonderen Ausbildungszüge für Mädchen an höheren Schulen schließen, daß Sie kein Anhänger der Koedukation sind und so der Begründung meiner Kollegin Funcke in diesem Punkt nicht folgen?
Nein, das kann ich natürlich in keiner Weise zugeben. Es kann sich ja hier nur um Züge handeln, die für ganz bestimmte für die Frau typische Berufsbilder und Berufsziele notwendig sind. Selbstverständlich ist eine Koedukation nach wie vor vorhanden, da ja die Jungen und Mädchen in einer Schule zusammen sind. Es ist nicht ausgeschlossen, daß an einem Gymnasium statt nach einem einseitigen Unterrichtsplan vorzugehen, die eine oder andere Sonderregelung für die Mädchen getroffen wird.
Im übrigen möchte ich hierzu folgendes sagen. Wenn man das zum absoluten Prinzip erheben möchte — ich bin überhaupt dagegen, daß man in dieser Frage irgendwelche absoluten Prinzipien aufstellt —,
müßte man auch die Mädchengymnasien abschaffen, weil hier das Prinzip der Koedukation verletzt ist. Ich glaube, wir sollten hier die Dinge nicht so absolut sehen, sondern versuchen, der Differenziertheit des Problems Rechnung zu tragen.
Lassen Sie mich noch ein letztes Wort zu einem anderen Punkt sagen, der meines Erachtens hinsichtlich der Ausbildung der jungen Mädchen eine Rolle spielt. Sicher sind wir uns alle darüber einig, daß die mehr oder weniger vorhandene Minderbewertung des Hausfrauenberufes und alles, was damit zusammenhängt, keine Berechtigung in sich trägt. Aber die Ausbildung, von der ich gesprochen habe, soll eben auch dazu dasein, die sehr schwierigen und sehr differenzierten Aufgaben, die gerade der Hausfrau und Mutter zukommen, mit zu umfassen. Die Frage ist doch berechtigt, ob die Hausfrau und Mutter — und diese Frage ist ja auch in der Untersuchung gestellt worden — immer und überall gerade auf die wichtige Aufgabe der Erziehung besonders der kleinen Kinder richtig vorbereitet ist. Ich kann mich an einen Satz in der Untersuchung erinnern, in dem es heißt, daß langsam daran gezweifelt werde, ob die Mutter tatsächlich noch die beste Erzieherin für die Kinder sein könne. Ich meine, die Lösung eines
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Dr. Geißlersolchen Problems — und ich halte diese Frage für durchaus berechtigt —, das die Erziehung gerade des kleinen Kindes vom ersten bis zum sechsten oder siebenten Lebensjahr umgreift, erfordert, wenn man richtig vorgehen will, genauso viel geistige Investitionen wie eine andere erzieherische Tätigkeit.
Meines Erachtens kann dieses Problem nicht so gelöst werden, daß man versucht, der Mutter diese erzieherische Aufgabe immer mehr wegzunehmen und sie auf andere Institutionen zu verlagern. Man müßte vielmehr danach trachten, die Mutter pädagogisch und psychologisch bei der Ausbildung wieder mehr in die Lage zu versetzen, diesen Anforderungen zu entsprechen.
Ich möchte an einen Punkt erinnern, der in der Untersuchung auch etwas kurz behandelt worden ist, nämlich die sogenannten Erziehungsberatungsstellen. Wir haben viele Institutionen staatlicher Art. Es wäre sicher kein schlechter Vorschlag — und ich glaube, daß er auch von meiner Fraktion begrüßt werden würde —, wenn wir forderten, daß in unserem Land ein dichtes Netz von solchen Erziehungsberatungsstellen eingerichtet wird. Wir verwenden sehr viel Gedankenarbeit auf die Ausrichtung der Universitäten, der Mittelschulen, der Gymnasien, der Volksschulen usw. Ich glaube aber, daß gerade die Ausbildung des Kindes vom ersten bis zum sechsten oder siebten Lebensjahr bisher diese Aufmerksamkeit nicht gefunden hat. Wenn diese Erziehungsberatungsstellen dichter und zahlreicher vorhanden wären, würden sie gerade für die Familie und auch für die berufstätige Frau eine ausreichende Hilfe bieten.Meine Damen und Herren, eine Fülle von Problemen gerade auf dem Bildungssektor sind angesprochen worden. Wir müssen diese Fragen in den zuständigen Ausschüssen klären. Aber sorgen wir dafür, daß wir vom Bundestag aus auf Grund dieser Enquete und auch der zukünftigen Untersuchungen die Konsequenzen ziehen, so daß wir später die Bundesregierung nicht mehr auffordern müssen, eine Untersuchung über die Frau in der heutigen Gesellschaft zu veranlassen, weil dann dieses Problem gegenstandslos geworden ist.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Freyh.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Abschnitt der Enquete, der den Fragen des Bildungsstandes und der Bildungsmöglichkeiten gewidmet ist, ist — und das halte ich für einen Vorzug — im Schwerpunkt offensichtlich den Aufgaben der Vorbereitung der Frauen auf den Beruf und zum Teil auch auf ihre Aufgaben in der Familie gewidmet. Es war sicherlich aufschlußreich, nun gerade meinen Vorredner Herrn Dr. Geissler zu hören und dabei die Gesichtspunkte der Enquete etwas verschoben zu sehen. Ich entsinne mich z. B. des Passus in der Enquete, der davon spricht, daß das junge Mädchen auch auf seine Aufgaben als Frau und Mutter vorbereitet werden sollte. Dort ist sinngemäß davon die Rede, daß diese Vorbereitungen auf die Aufgaben als Hausfrau und Mutter nicht in dem Maße ernst genommen werden, weil die Vorbereitung auf den Beruf offensichtlich heute das junge Mädchen stärker engagiert. Ich meine, es ist richtig, daß die Enquete dazu sagt: Dann sollte man eben diese Aufgaben zu dem Zeitpunkt nachholen, wo auch ein unmittelbares Interesse erwacht ist, nämlich zu dem Zeitpunkt, wo die Familiengründung unmittelbar bevorsteht oder wo Kinder erzogen werden sollen, wo die Aufgaben also einen unmittelbaren Bezug zum Leben der jungen Frau erhalten. So weit eine kurze Vorbemerkung; denn es erschien mir sehr bemerkenswert, daß hier noch einmal ein Standpunkt vorgetragen wurde, der in dieser Einseitigkeit in der Enquete überholt ist.Die Darstellung der Enquete ist bewußt auf eine Reihe von Tatsachen und Entwicklungen im Bildungswesen eingeschränkt, die für Frauen und Mädchen nennenswerte Unterschiede gegenüber manchen Tatbeständen des Bildungsverhaltens der Jungen aufweisen. Sicherlich hat man das Thema einschränken müssen. Aber es ist eine andere Frage, ob man es in dieser Form hat tun müssen; denn die Darstellung ist auf diese Weise sehr isoliert geworden. Ich meine, sie wird dadurch in vieler Hinsicht der Wirklichkeit nicht mehr gerecht. Die gesamte aktuelle Hintergrundproblematik ist ausgeklammert, z. B. die Fragen der strukturellen Reformen des Schulsystems, die die Chancengleichheit verbessern können, oder auch die ganze Problematik, die mit den Schwierigkeiten des Ineinandergreifens von Berufsausbildung und moderner Arbeitswelt zusammenhängt.Die nennenswerten Unterschiede im Bildungsverhalten sind also sozusagen das Thema der Enquete, und sie werden in einer Fülle von Fakten ausgebreitet, auf die ich natürlich an dieser Stelle nicht eingehen kann. Aber ich meine, es ist immerhin bemerkenswert, daß die Enquete daraus das Fazit zieht — ich möchte mit Erlaubnis der Frau Präsidentin zitieren —, daß die den Mädchen und Frauen heute in der Bundesrepublik Deutschland rechtlich und tatsächlich offenstehenden umfassenden Bildungsmöglichkeiten noch nicht in dem Umfang genutzt werden, wie dies nicht nur für die einzelne Frau, sondern auch für die Gesellschaft wünschenswert wäre.Dieses Zitat aus der Enquete, dieses Fazit sozusagen, ist sicherlich nicht neu. Aber es ist in der Absolutheit nicht richtig und kann leicht zu der Annahme verführen, daß im Grunde im Bildungswesen, soweit es das junge Mädchen und die junge Frau betrifft, alles in Ordnung sei und es nur um die Frau gehe, die offensichtlich ihre Chancen nicht genügend nutzt. Sicherlich, aus der Enquete geht hervor, daß die zumindest zeitweise außerhäusliche Erwerbstätigkeit von Mädchen und Frauen eine Selbstverständlichkeit geworden ist. Darauf habe ich ja eben schon verwiesen und auch auf die Bedeutung, die offensichtlich diese Tatsache für die Ein-
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Frau Freyhschätzung der Aufgabenrolle des jungen Mädchens gewonnen hat. Aber trotz dieser deutlichen Hinwendung zum Beruf hat sich in der Einschätzung des Berufs im großen und ganzen für das junge Mädchen und die junge Frau noch nicht sehr viel geändert. Die Ausbildungsziele werden noch immer niedriger gesteckt als bei den Jungen, die Wahr des Ausbildungsziels wird überwiegend noch mit der Vorstellung verbunden, nur einige Jahre, nämlich bis zur Eheschließung, erwerbstätig sein zu wollen. Die Berufstätigkeit spielt eine Nebenrolle im Lebensplan, und entsprechend dieser Einschätzung darf die Ausbildung nicht zu lange dauern. Sie findet auch üblicherweise innerhalb des traditionellen Berufsraumes der Frauen statt, den ich im Gegensatz zu Ihnen, Herr Dr. Geissler, nicht noch zusätzlich betont sehen möchte, sondern von dem ich im Gegenteil annehme, daß es im Interesse einer Weiterentwicklung durchaus wünschenswert wäre, wenn dieser traditionelle Berufsraum ausgeweitet würde.
Aber es hat sich natürlich auch einiges geändert. Die Forderung nach besserer Bildung hat sich auch auf das Bildungsverhalten der Mädchen in den letzten Jahren ausgewirkt. Auch dazu gibt es eine ganze Reihe von Anhaltspunkten in der Enquete — ich kann es nur ganz kurz andeuten —: eine Ausweitung der Zahl der abgeschlossenen Berufsausbildungsverhältnisse, eine verstärkte Abiturientenquote, ein Ansteigen des Hochschulbesuchs und hier und vor allem eine Zunahme der Frauen im Lehrerberuf.Leider ist aber die Enquete absolut unergiebig für die Frage, die sich hier stellt: ob sich denn in dieser Tendenz zu besserer Bildung, die im Grunde gar nicht dem Verhalten bei der Berufswahl entspricht, eine Veränderung anbahnt und welche Antworten es auf eine möglicherweise veränderte Einstellung gegenüber dem Beruf gibt. Nach wie vor halte ich es für eine durchaus legitime Frage, daß die jungen Mädchen und ihre Eltern wissen wollen, ob es sich bei der Berufswahl denn auch tatsächlich lohnt, daß eine kostspielige und zeitraubende Berufsausbildung begonnen wird, wenn doch damit zu rechnen ist, daß die Berufsausbildung über Jahre ausgesetzt oder eingeschränkt wird und durch mangelnde Berufserfahrung an Wert einbüßen könnte. Ist die einzige Antwort, wie es die Enquete andeutet, tatsächlich der Hinweis, daß das nur zu überwinden wäre durch vermehrtes individuelles Bildungsstreben, oder müssen hier nicht gerade die zusätzlichen Anstrengungen beginnen, um bereits in der Berufsausbildung und -fortbildung die Doppelfunktion der Frau zu berücksichtigen?Ich möchte deshalb einige Anmerkungen machen, natürlich in der notwendigen Beschränkung, die inzwischen bei der vorgeschrittenen Zeit gegeben ist, wo es nach meiner Auffassung solcher zusätzlicher Anstrengungen bedarf und wo auch die Information ergänzt und Untersuchungen eingeleitet werden müßten.Zunächst zur Frage der Berücksichtigung der Doppelrolle bereits bei der Berufsausbildung. Da kann ich mich sehr kurz fassen, denn es ist hier schon mehrfach davon gesprochen worden, daß die Ausbildung in Stufen ein solcher möglicher Weg wäre. Aber ich bin eigentlich sehr unzufrieden, daß die Ausbildung in Stufen in der Enquete lediglich angedeutet und daß eigentlich gar nicht klarwird, was darunter konkret zu verstehen ist. Hier müßte für meine Begriffe eine Untersuchung ansetzen, um an konkreten Beispielen zu ermitteln, ob es sinnvoll ist, in dieser Richtung weiterzuarbeiten, eine Untersuchung etwa unter dem Arbeitstitel „Modelle der Stufenausbildung der Frau unter Berücksichtigung ihres spezifischen Lebensrhythmus". Dazu bieten sicherlich eine Reihe der von Frauen bevorzugten Berufe aus dem Bereich des Lehrens, Helfens und Pflegens Ansatzpunkte. Aber ich würde es für falsch halten, wenn sich die Untersuchung nicht auch auf andere Bereiche der Berufstätigkeit erstreckt.Eng verknüpft damit ist natürlich die Frage der beruflichen Fortbildung; doch auch hierzu ist bereits vieles gesagt worden. Aber ich meine, der entscheidende Punkt hinsichtlich der beruflichen Fortbildung für Frauen ist ja auch hierbei die Verknüpfung mit den speziellen Problemen der Erwerbstätigkeit von Frauen. Diesen speziellen Problemen, die durch die Erwerbstätigkeit von Frauen entstehen, ist in den Überlegungen zur beruflichen Fortbildung noch nicht genügend Beachtung geschenkt worden, obwohl es sich ja schließlich nicht um neue Probleme, die erst langsam auf uns zukommen, sondern im Grunde um das alte Thema handelt, ob nämlich die Rückkehr von Frauen in das Erwerbsleben in der Tendenz weiterhin mit beruflichem Abstieg verbunden bleiben sollte. Die Enquete versucht, im einzelnen die Widersprüche aufzuzeigen, die sich aus dem Verhalten der Frauen gegenüber Fortbildungsangeboten ergeben: auf der einen Seite außerordentlich großes Interesse an bestimmten Fortbildungsveranstaltungen, etwa dem Fachschulbesuch, den berufsfördernden Angeboten in der Erwachsenenbildung, den Berufswettkämpfen und Berufsleistungsvergleichen; aber auch auf der anderen Seite kaum Ausnutzung z. B. der aus dem Bundeshaushalt geförderten Aufstiegsförderungsprogramme zur beruflichen Fortbildung.Es genügt meines Erachtens nicht, wie es die Enquete tut, die Gründe dafür nur bei der schlechteren Ausbildung der heute erwerbstätigen Frauen zu suchen, weil die meisten Fortbildungsveranstaltungen für Erwachsene eine abgeschlossene Berufsausbildung voraussetzen. Wenn man sich nämlich das Verzeichnis der förderungsfähigen Einrichtungen ansieht, das die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung herausgegeben hat, kann man feststellen, daß es sich offensichtlich auch um eine Frage des Angebots handelt. Das Angebot für sozialpflegerische und sozialpädagogische Berufe ist durchaus befriedigend, aber z. B. bei kaufmännischen Berufen, bei denen ja auch über eine geringe Beteiligung der Frauen bei der Fortbildung geklagt wird, gibt es nur wenige Angebote. Deswegen meine ich, daß man zusätzlich zu dem, was in der Enquete gesagt worden ist, die Frage vom Angebot her untersuchen sollte.
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Frau FreyhMan sollte sich auch Gedanken darüber machen, wie das ja in Anmerkungen meiner Vorredner bereits geschehen ist, welche neuen Formen der beruflichen Fortbildung es für die Frau geben kann, und zwar solche, die sich vor allem des Problems annehmen, die Berufstüchtigkeit bei vorübergehendem Ausscheiden aus dem Beruf zu erhalten und die Rückkehr in den Beruf nach längerer Unterbrechung zu ermöglichen. Dafür, daß man nicht nur an Kurse und Lehrgänge denken sollte, sondern z. B. auch an Fernlehrbriefe etwa in Verbindung mit bestimmten Fachschulen, spricht ja außerdem daß in einer ganzen Reihe von Berufen ohnehin die systematisch zu vermittelnden Kenntnisse gegenüber dem Können und Wissen aus unmittelbarer Berufserfahrung zunehmen. Man könnte auf diese Weise auch auf bestimmte Prüfungen vorbereiten. Auch Fernsehkollegs — aber das ist bereits erwähnt worden — wären ein Weg, um Kenntnisse aus der Berufsausbildung zu erhalten und zu entwickeln.Es gibt sicher eine Fülle von Möglichkeiten; aber ich möchte auch noch einmal ausdrücklich darauf verweisen, daß es sicher auch lohnt, sich in diesen Fragen der Erfahrungen unserer Nachbarn zu bedienen und ihre Überlegungen mit in das einzubeziehen, was auf diesem Gebiet weiter erarbeitet werden müßte.Aber nun gestatten Sie mir bitte abschließend noch ein paar Bemerkungen zur Einschränkung der Frau auf einen traditionellen Berufsraum, zu der Bevorzugung bestimmter Berufsbereiche, die sich nun schon seit Jahrzehnten kaum verändert haben. Diese Einengung ist sowohl aus Gründen der Begabung wie der Leistungsfähigkeit, über die ich natürlich hier nicht im einzelnen sprechen kann, sicherlich ungerecht. Sie ist darüber hinaus auch in dem Sinne ungerechtfertigt, als es ja offensichtlich so ist, daß die Wirtschaft die Arbeitskraft der Frau braucht und man sich nicht vorstellen kann, warum da nicht auch die Arbeitskraft einer qualifiziert ausgebildeten Frau notwendig wäre. Die Angaben der Enquete zu diesem Problem muß ich voraussetzen. Auch hier ist sicherlich die Selbstbeschränkung der Enquete auf die Interpretation vorhandener Statistik ein Hindernis für eine zusammenhängende und einleuchtende Darstellung gewesen. So wird z. B. über die für Frauen in den letzten neu erschlossenen Berufsmöglichkeiten nur in einer lapidaren Aufzählung berichtet. Man erfährt nichts über das zahlenmäßige Gewicht dieser neuen Berufsmöglichkeiten, über ihre Ausbildungsbedingungen, über ihre Entwicklungstendenzen. Es wäre sehr interessant gewesen, konkrete Informationen über die Ausweitung des Berufsraums der Frau zu erhalten, von der viel gesprochen wird und die sich nach allgemeinen Beobachtungen vor allem in zwei Richtungen vollzieht, nämlich einmal in die von Männern verlassenen, häufig nicht entwicklungsfähigen Erwerbstätigkeiten und auf der anderen Seite eben in neue, aussichtsreiche Berufe im Zusammenhang mit der technischen und wirtschaftlichen Entwicklung.In diesem Zusammenhang wäre es auch wichtig, die Methoden der Berufsberatung entweder deutlicher darzustellen oder, wenn erforderlich, sie in der Praxis zu ergänzen; denn die Unsicherheit in den Berufswünschen, von denen die Enquete berichtet, fordert ja geradezu zu der Frage heraus, ob die Informationen zur Berufswahl genügend entwickelt sind, um die Wahl zu erleichtern und sinnvolle persönliche Überlegungen einzubeziehen.Darüber hinaus bleiben sicher viele Fragen offen, wie z. B.: Welche Informationen verwendet denn die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung selbst, um über die künftige Entwicklung in den von Frauen bevorzugten Berufen Aussagen machen zu können? Wie werden sich hier die Bedarfsstruktur, die Ausbildungsanforderungen, das Ausbildungsangebot voraussichtlich verändern? Wo wird der sogenannte qualitative Arbeitskräftemangel es erforderlich machen, auch Begabungen und besondere Leistungen von Frauen einzubeziehen, um den Bedarf an wissenschaftlich und technisch besonders qualifizierten Kräften decken zu können?Das sind nur einige dieser Fragen. Aber in der Theorie und teilweise auch in den praktischen Ansätzen ist ja inzwischen unbestritten, daß der Strukturwandel in der Arbeitswelt im Bildungs- und Ausbildungswesen vorweggenommen werden müßte. Es ist meiner Auffassung nach außerordentlich wichtig, daß die Bundesregierung den Zusammenhang zwischen der Berufsausbildung der Mädchen und der Frauenerwerbstätigkeit mit ihrer besonderen Struktur nicht als ein Problem betrachtet, das sich ohne Beachtung im Gesamtzusammenhang von allein lösen ließe; denn die Tatsache, daß die Berufswahl der Mädchen bisher nur wenige der zu vermutenden Veränderungen der Arbeitswelt berücksichtigt, scheint ja eng mit der Frage zusammenzuhängen, ob man bewußt und zielstrebig Veränderungen im sozialen Status einer immerhin zahlenmäßig beachtlichen Gruppe von Erwerbstätigen erreichen will, die bisher noch überwiegend das Sonderschicksal zweitklassiger Arbeitskräfte auf sich nehmen mußten.Damit möchte ich diese wenigen Überlegungen abschließen, die ein Beitrag dazu sein sollten, daß die Enquete ihre eigentliche Bedeutung erst durch die Konsequenzen erhalten wird, die aus den zahlreichen Informationen gezogen werden. Gerade bei der Berufsausbildung und -fortbildung der Frauen fallen der Bundesregierung unmittelbare Aufgaben zu, bei denen sie sich nicht darauf verlassen sollte, daß sie sich ohne vorausschauendes, unterstützendes und ausgleichendes Verhalten des Staates lösen lassen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Geldner.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich mich bei der Behandlung des Problems der mitarbeitenden Ehefrauen von Selbständigen etwas kurz fasse, dann nicht deshalb, weil in der Frauenenquete dieses Problem etwas zu kurz gekommen ist, sondern weil
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4050 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1967
Geldnerwir, wie Sie wissen, unter Zeitdruck stehen. Die Trennung des familiären und des beruflichen Wirkungskreises wird vielfach wegen tatsächlicher oder vermuteter negativer Auswirkungen auf das Familienleben bedauert und als eine der negativen Begleiterscheinungen der Industrialisierung dargestellt. Hier scheint ein besonderes Wort über die mitarbeitenden Ehefrauen Selbständiger erforderlich, -weil gerade in vielen Berufen Selbständiger diese Einheit von häuslichem und beruflichem Wirkungskreis nach wie vor vorhanden ist. Denken wir nur an die Landwirtschaft, weite Bereiche des Handwerks, der Gastronomie, an den Einzelhandel, die freien Berufe. Wenn wir von bestimmten romantisierenden Darstellungen hinsichtlich der Vorteile einer solchen Situation ausgehen, so dürfte es für zahlreiche junge Mädchen nichts Erstrebenswerteres als solch einen Wirkungsbereich geben. In der Wirklichkeit sehen die Dinge aber anders aus. Es sind gerade die arbeitsmäßigen Belastungen, der Mangel an Freizeit, die heute vielfach von der Übernahme eines solchen Aufgabenkreises abschrecken. Auch die materiellen Aspekte, eine bessere Einkommens- und Vermögenssituation gegenüber Arbeitnehmerhaushalten, sind heute generell weder zutreffend noch entscheidend. Die relativ größere Unabhängigkeit beruflicher, wirtschaftlicher und sonstiger Art muß vielfach mit dein Preis eines höheren Arbeitseinsatzes und dem Verzicht auf Freizeit und andere Annehmlichkeiten erkauft werden. Dabei hängt von der Mitarbeit der Frau vielfach die grundsätzliche Frage der Existenzfähigkeit des Unternehmens ab und weniger die Frage, ob durch die Mitarbeit ein zusätzliches Einkommen in Höhe dieses oder jenen Betrages wünschenswert, möglich oder notwendig ist.Es gibt für die Ehefrauen Selbständiger im allgemeinen auch nicht die Alternative einer vorübergehenden Mitarbeit, eines Ausscheidens oder Wiedereintretens zu einem bestimmten Zeitpunkt.Die Enquete widmet sich in einem besonderen Fünften Teil der Situation der Frauen in der Landwirtschaft. Es ergeben sich zwar eine Reihe von Berührungspunkten mit der Situation der Frauen in selbständigen und anderen Berufen und der Angehörigen freier Berufe. Wir meinen aber, daß eine differenzierte Darstellung bzw. Untersuchung nicht nur für den Bereich der Landwirtschaft, sondern ebenfalls z. B. für den Bereich des Handwerks, des Hotel- und Gaststättenwesens, des Einzelhandels und der freien Berufe zweckmäßig wäre.Abschließende Aussagen zu besonderen sozialrechtlichen, steuerrechtlichen und sonstigen Problemen, die in den Gesetzgebungsbereich fallen, können erst dann gemacht werden, wenn eine ausreichende Klarheit über die Situation in den jeweiligen Bereichen vorhanden ist. Die Gesetzgebung ist um so wirkungsvoller und dauerhafter, je weniger sie sich an Theorien und je mehr sie sich an den Lebenstatbeständen orientiert.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.
Frau Präsidentin! Meine Herren und meine Damen! Der Abschnitt der Frauenenquete, über den ich sprechen soll, das Kapitel Soziale Sicherung, umfaßt 60 Seiten. Es ist umfassend und beinhaltet eigentlich eine der wesentlichen Fragen, die unser ganzes Volk berührt; denn Stabilität und Sicherung gehören ohne Zweifel zu den wichtigsten Problemen, die nicht nur• die Frauen und die Familie, sondern die Bürger aller Schichten angehen. Lassen Sie mich einige Vorbemerkungen machen. Herr Staatssekretär, Sie sind für ihr Haus überaus bescheiden gewesen; denn was in der Enquete enthalten ist, ist mehr als eine Momentaufnahme! Ich möchte nur wünschen, daß diese ausgezeichnete Zusammenfassung unseres sozialen Sicherungssystems in weiten Kreisen auch der Frauen unseres Landes bekannter wäre, weil dann eine Reihe von Klagen über angebliche Mängel und Lücken wahrscheinlich nicht mehr laut werden würden. Ich meine, daß gerade wegen dieser Zusammenstellung den Referenten und Referentinnen ganz besonderer Dank gezollt werden sollte.
Das große Kapitel der sozialen Sicherung zeigt natürlich, daß dem Namen nach, wie es Manfred Kyber in den Tiergeschichten so schön sagt, Männer und Frauen gleichberechtigt sind und alles in Ordnung ist. Die gewandelte Welt, in der wir leben, die laufend eine Reihe von Anpassungen erfordert, hat in dem weiten Gebiet der sozialen Sicherung erfreulicherweise dazu beigetragen, daß wir, angeregt von den Problemen der sozialen Wirklichkeit, in den letzten zwei Jahrzehnten in diesem Hause viele sozialpolitische Lösungen gefunden haben, mit denen wir auf den verschiedensten Gebieten die Gesetzgebung modernisiert und an die veränderte Welt, in der wir leben, angepaßt haben. Wir haben diese Anpassungen im Sozialversicherungsrecht, im Versorgungsrecht und im Steuerrecht vorgenommen. Ich kann hier wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nur wenige Probleme erwähnen.Dabei ergeben sich eine Reihe von sogenannten. heißen Eisen, die vielleicht auch für die Herren, die sich hier so gut unterhalten, interessant wären, wenn die Frauen, die Sie ja alle wählen sollen, sie nach diesem heißen Eisen vielleicht befragen werden. Um solche heißen Eisen, meine sehr verehrten Herren und Damen, handelt es sich bei den Problemen, mit denen wir uns in Zukunft zu befassen haben werden. Dafür tragen Männer und Frauen gemeinsam Verantwortung; zur Lösung sind wir gemeinsam aufgerufen.Die Frauenenquete gibt eine Darstellung zur Situation des Versicherungsrechts, der Versicherungspflicht und der Versicherungsberechtigung. Sie gibt diese Darstellung auf allen Gebieten der Sozialversicherung, der Versorgung, einschließlich der Sonderversorgungen und der Sozialhilfe. Sie sagt aus, in welchem Umfang Hilfen für Gefährdete, für Alte, für Kranke, für Behinderte, kurzum, für fast alle Lebenslagen gegeben werden.Die Frauenenquete stellt ferner sehr gründlich dar, wieweit „Frauen im Beruf" und „Frauen im
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1967 4051
Frau KalinkeHaushalt ohne Beruf schon heute umfassende Möglichkeiten haben, ihre soziale Sicherung nach ihrem Bedürfnis sowohl in der Sozialversicherung wie im weiten Bereich der Individualversicherung sicherzustellen.Dabei ist auch dargestellt, in welchen Bereichen die Frau als Arbeitskraft in der Volkswirtschaft — gerade in der augenblicklichen . Situation — dem Bedarf des Arbeitsmarkts durch Teilzeitarbeit entspricht und wieweit diese Frage im Sozialversicherungsrecht und in der Steuergesetzgebung berücksichtigt ist. Ich füge gleich hinzu, daß die Frage der Sozialversicherungsfreiheit der Teilzeitarbeit in der Enquete nicht unumstritten ist. Es wird notwendig sein, darüber und über die Konsequenzen noch miteinander zu sprechen und Untersuchungen anzustellen.Zum Schluß muß ein Wort dazu gesagt werden, daß die Koordinierung der Frauenenquete mit der Sozialenquete aus Gründen des unterschiedlichen Auftrags zwar nicht möglich war, daß wir aber im Zuge der Beratungen die Berücksichtigung aller großen verfassungsrechtlichen Fragen, die die Rechtsstellung der Frau, der Schutz der Ehe und der Familie aufwerfen, zu berücksichtigen haben. Dazu gehört auch die Gleichstellung der unehelichen Kinder, über die hier gesprochen wurde und die im Sozialrecht erfreulicherweise schon verwirklicht ist.Wozu die Enquete leider nicht Stellung nimmt, ist eine Untersuchung über das große Spannungsverhältnis, das sich aus dem Sozialrechtsprinzip ergibt. Dabei geht es um die Frage, wo die Grenzen der staatlichen Sozialpolitik gezogen werden sollen oder können und wo weitere Möglichkeiten der Hilfe zur Selbsthilfe auch für unsere Frauengeneration gegeben sind.Die Frage der Einbeziehung der Selbständigen, der Ehefrauen der Angehörigen der freien Berufe in die Sozialversicherungspflicht, ein Problem, das Kollege Spitzmüller bisher als einziger erwähnt hat, ist eines der ganz großen heißen Eisen, über die wir miteinander sehr ernsthaft diskutieren wollen. Selbstverständlich sind wir in der Christlich-Demokratischen Union außerordentlich aufgeschlossen dafür, gerade dieses Problem zu überprüfen, aber auch alle seine Schwierigkeiten offen miteinander zu diskutieren. Die Frauen-Enquete weist zu diesem Thema „Kreis der Versicherten" sehr deutlich darauf hin, wieweit schon Ehefrauen sich weiterversichern können, wieweit sie die Möglichkeit haben, versicherungsberechtigt zu sein; sie zeigt, wieweit Kriegerwitwen und Sondergruppen unseres Volkes in die Versicherungen einbezogen sind.Schließlich hat auch die Gesetzgebung gerade der letzten Jahre dazu beigetragen, die Ausweitung der Personenkreise in die Richtung zu verwirklichen, daß auch die Familienangehörigen des Arbeitgebers, Ehefrauen oder Töchter der selbständigen Landwirte, der Gewerbetreibenden oder anderer Betriebsunternehmen in die Sozialversicherung versicherungsberechtigt oder -pflichtig einbezogen sind.Schließlich muß gesagt werden, daß alle Empfängerinnen von Renten, soweit sie Hausfrauen sind, heute schon einen Krankenversicherungsschutz haben, daß die Kriegerwitwen einen Anspruch auf Krankenhausbehandlung haben und daß der Kreis der Selbständigen, der den Arbeitnehmern gleichgestellt ist, neuerdings auch in der Rentenversicherung das Recht des Versicherungsschutzes hat, wenn es sich um ein Arbeitnehmerverhältnis handelt.Es wäre dringend notwendig, zur Vervollständigung dieses Themas nun einige Darstellungen zu geben, die den Nichtkennern der Materie die Zusammenhänge erläutern. Ich bitte die Frau Präsidentin, ergänzende Unterlagen zu Protokoll geben zu dürfen, und möchte nun zu einigen ungelösten sozialpolitischen Problemen und heißen Eisen übergehen.Eines ist das Thema der Witwerrente. Die Witwe erhält die Rente selbstverständlich; der Witwer erhält sie nur unter bestimmten Bedingungen. Es wird zu prüfen sein, wieweit das der sozialen Wirklichkeit entspricht, in welchem Umfang Frauen heute auch Ehemänner und ihre Familienangehörigen überwiegend unterhalten.Ein anderes heißes Eisen, ein Problem, das bei der Rentenreform 1957 beinahe gelöst worden wäre — es fehlten nur wenige Stimmen —, ist der Rechtsanspruch auf Eltern- und Hinterbliebenenrente, der zwar im Bundesversorgungsgesetz verwirklicht ist, der aber bei alleinstehenden Versicherten in allen Rentenversicherungszweigen damals nicht Wirklichkeit werden konnte. Da es sich hier vor allem um Frauen handelt, um ledige, verwitwete, geschiedene, alleinstehende Frauen, die freiwillig Familienverpflichtungen übernommen haben, die dadurch oft in ihren Aufstiegschancen und in ihrer Weiterbildung, auch in ihrer Mobilität behindert sind, müßte diese Situation gründlich untersucht werden. Finanzielle vorübergehende Engpässe sollten nicht hinderlich sein, hier dem sozialen Fortschritt zu dienen.Eine Sondererhebung gibt Auskunft über die Zahl der Elternteil- und Elternpaar-Renten, die in die Elternversorgung des Bundesversorgungsgesetzes einbezogen sind. Ich kann hier nur bedauern, daß das Bundesministerium für Arbeit auch bei der Diskussion über die Härtenovelle nicht in der Lage gewesen ist, zuverlässig über die Kosten und über den Personenkreis der Betroffenen Auskunft zu geben.Zu der Versorgung der Frauen als Kriegerwitwen gehört noch ein ganz wichtiges Thema, das der Kapitalabfindung und der Heiratsabfindung. Hier wäre es sehr nützlich, die Erfahrungen mit der Kapitalabfindung im Zusammenhang mit der Eigentumsbildung — auf die meine Fraktion ganz besonderen Wert legt — und mit der Heiratsabfindung im Zusammenhang mit dem Verlust des Ernährers oder der gestörten oder gar geschiedenen Ehe zu kennen. Vor einer Diskussion der Forderung nach dem Wiederaufleben der Rente im Falle der Scheidung oder des Verlustes des zweiten Ehemannes müßte über diese Frage weit mehr Kenntnis herrschen.So wichtig wie die Auskunft über die Heirats- und Kapitalabfindung in der Kriegsopferversorgung ist natürlich — das hat der Kollege Spitzmüller bereits
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4052 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1967
Frau Kalinkeerwähnt — die Frage der Beitragsrückerstattung in den Rentenversicherungen. Hier sollten wir in der Tat nach Wegen suchen, wie wir die zeitweilig aus dem Beruf ausgeschiedenen Frauen genügend und rechtzeitig aufklären, um ihnen ihren Rechtsanspruch zu erhalten. Ich weiß, daß die Gewerkschaften und die Frauenverbände auf diesem Gebiet außerordentlich aktiv sind.Das Arbeitsministerium hat dankenswerterweise Erhebungen angekündigt, um die Sonderregelungen für schwerbeschädigte Hausfrauen im Rahmen des Berufsschadensausgleichs und die Sonderregelungen für beschädigte Hausfrauen im Einkommensausgleich zu untersuchen.Diese wenigen Punkte zeigen schon, welche Notwendigkeit besteht, immer wieder die Gesetzgebung an die soziale Wirklichkeit anzupassen. Meine Freunde in der Christlich-Demokratischen Union waren unentwegt bemüht, gerade zuletzt wieder bei der Härtenovelle, für die Frau in Haus- und Landwirtschaft, für die Frau in den Gesundheitsberufen mit freier Station wesentliche Verbesserungen durchzusetzen, die allen denen zugute kommen, die in der Vergangenheit verhältnismäßig geringe Löhne und Gehälter verdient haben.Auf die vorgezogene Altersgrenze für berufstätige Frauen kann ich wegen der begrenzten Zeit nur hinweisen; sie ist auch eine der Lösungen, die seit 1957 sehr viel Segen gestiftet haben.Von den großen Leistungen der Frauen als selbständige Unternehmerinnen, in leitenden Stellen, als mitarbeitende Ehefrauen ist mir in der Enquete zu wenig ausgesagt. Aber hier haben wir ebenfalls gerade in letzter Zeit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts Rechnung getragen und die Beschäftigung von Ehefrauen der freiberuflich Tätigen in die Rentenversicherung einbezogen, soweit sie ein Arbeitnehmerverhältnis haben. Wer die Neuzugänge der Lebensversicherungen überprüft, der sieht, in welch großem Maße gerade Frauen als Unternehmerinnen, als Angehörige der freien Berufe, als Inhaberinnen von gewerblichen Unternehmen, als Handwerksmeisterinnen, aber auch als mitarbeitende Ehefrauen selbst oder in Gemeinschaft mit ihren Ehemännern Vorsorge getroffen haben. Ich glaube, daß dieses Kapitel, daß sich der Ehemann mit seiner Frau über die Versorgung unterhält, wohl wichtiger ist als das von dem jungen Kollegen angesprochene Helfen beim Abwaschen. Ich glaube, daß eine Witwe nicht erst beim Tode ihres Mannes erfährt, ob und wie weit sie versorgt ist, ist eines der wichtigsten Momente der Zusammenarbeit zwischen Mann und Frau und der gemeinsamen Planung für die Sicherheit der Familie.
Es sollte also durch weitere Untersuchungen festgestellt werden, wie groß der Prozentsatz derjenigen ist, die sich selbstverantwortlich gesichert haben. Die Enquete spricht hierüber nur im Zusammenhang mit der Unfallversicherung der Hausfrauen und weist darauf hin, in welch großem Maßeauch die private Unfallversicherung hier ihren Teil zur sozialen Sicherung beiträgt.Ich habe mir vorgenommen, das große Kapitel der Hausfrauenrente sehr gründlich zu untersuchen. Ich will dazu hier nur sagen, daß ich die Modellfälle, die ich errechnet habe, zu Protokoll geben werde, daß ich aber meine, daß die Sozialgesetzgebung das Problem nur lösen kann, wenn sich in Zukunft Mann und Frau bei diesem heißem Eisen darüber klar sind, daß sie die Kosten bezahlen müssen, und weiter darüber, daß hier von einer Ablösung unseres hochentwickelten Systems der Familienleistungen nicht die Rede sein darf, ehe wir neue Sicherungen für die Familie zur Verfügung stellen können. Hier erwächst der neuen Rolle des Ehemannes der berufstätigen Frau die Aufgabe, nicht nur für Weiterversicherung und Individualversicherung der Frau Verständnis zu haben, sondern auch dafür zu sorgen, daß die notwendigen Mittel für solche Sicherungsmaßnahmen zur Verfügung gestellt werden, die, sei es in der Sozialversicherung auf gesetzlichem Wege, sei es in der Privatversicherung, ihren Preis kosten.Die großzügige Hinterbliebenenversorgung, die die Bundesrepublik kennt, ist von keinem Lande der Welt übertroffen. Wer sie aufheben will, müßte sie nicht nur in der Sozialversicherung, sondern auch im Beamtenrecht angreifen, was ich für sehr bedenklich hielte, wenn wir dem nicht wirklich neue und bessere Lösungen entgegensetzen könnten. Ohne ausreichende, ja erhebliche Beiträge kann es keine ausreichende Rente für Hausfrauen geben. Die Erfahrungen des Deutschen Hausfrauenbundes mit seinen anerkennenswerten Bemühungen um Aufklärung und Selbsthilfe mit dem HausfrauenRentendienst haben ja gezeigt, daß die jüngeren Hausfrauen noch wenig und die Ehemänner noch weniger aufgeschlossen für diese so wichtige Aufgabe sind. Die Öffentlichkeit muß wissen, daß es nicht darum geht, neue Illusionen zu wecken, auch nicht darum, soziale Versprechungen zu machen, die nicht verwirklicht werden können, sondern daß es darum geht, deutlich zu machen, was Sicherheit in unserer Zeit in der Bundesrepublik kostet. Zu geringe Renten, Bagatellrenten können niemanden befriedigen. Es kann nur darum gehen, daß wir ausreichende Sicherheit für den Teil der Hausfrauen schaffen, die nicht in der Lage sind und waren, im Beruf und aus eigener Kraft das ihre zu tun.Lassen Sie mich hier noch ganz kurz sagen, daß es äußerst wichtig ist, Frauen-Enquete, AltenEnquete und Sozial-Enquete in den Ausschüssen gemeinsam zu beraten und das Problem der älteren Mitbürger, das ja wieder überwiegend ein Problem der Frauen ist, ebenso ernst zu nehmen wie das Problem der Frühehen mit ihren vielen psychologischen, gesellschaftspolitischen und sozialen Schwierigkeiten.Auch die Vorsorge, die Versorgung, die Rehabilitation sowie die Heilverfahren im Bereich unserer Sozialversicherung und der Versorgung müssen dringend koordiniert werden. Heute kann
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Frau Kalinkezwar jeder Mann in einem Jahr auf Kosten der Krankenversicherung, im nächsten auf Kosten der Rentenversicherung, vielleicht noch nach dem Versorgungsgesetz, im andern Fall mit Hilfe der Beihilfen und der Steuer eine Badekur machen — das gilt oft für den Mann und seine Frau —, die Mutter aber kann kaum die Reise zum Müttergenesungsheim antreten, und auch die berufstätige Frau hat längst nicht dieselben Chancen.Alle Anregungen, aber auch alle Bedenken, die das Arbeitsministerium auf Grund seiner Kenntnis der Zusammenhänge geäußert hat, sollten in den Ausschüssen sehr ernst diskutiert werden. Außerdem sollte eine bessere Ubersicht über die Leistungen geschaffen werden, die heute im Rahmen der Versicherung, der Versorgung, der Beihilfen und der Steuer aus vielen Töpfen gewährt werden. Schließlich sollten wir den Mut haben, unserem Volke, das oft auch unpopuläre Maßnahmen weit mehr zu schätzen weiß, als wir annehmen, den Preis der sozialen Sicherung auch für diejenigen zu nennen, die heute höhere Ansprüche stellen, als es früher üblich war. Wir müssen unsere Gesellschaftspolitik in die soziale Wirklichkeit recht einordnen und dürfen die Leistungskraft des einzelnen und seiner Familie nicht nur nach materiellen Gesichtspunkten bemessen, sondern müssen dabei auch jenen großen sozialethischen Auftrag berücksichtigen, den gerade die Frauen am ehesten verstehen werden.
Meine Damen und Herren, die Abgeordneten Frau Stommel, Frau Griesinger, Spitzmüller, Porten, Franzen, Frau Blohm und Frau Geisendörfer haben ihre Reden zu Protokoll gegeben.
— Frau Renger gibt ihre Rede ebenfalls zu Protokoll. Das Beispiel wirkt. — Auch Herr Frehsee gibt seine Ausführungen zu Protokoll. Nunmehr liegen noch vier Wortmeldungen vor. Ich muß leider Punkt acht Uhr schließen. Jetzt hat das Wort Herr Abgeordneter Ehnes. Dann folgt Frau Dr. Hubert.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Meine politischen Freunde stehen mit mir auf dem Standpunkt, daß es nach Ablauf dieser Debatte am Platze ist, daß ein Mann all denen den Dank ausspricht, die heute diese Debatte herbeigeführt haben, daß der Dank aber gleichzeitig all den Frauen draußen in unserer Gesellschaft gelten soll, ganz gleich, in welchem Bereiche diese Frauen tätig sind. Wenn wir heute über die Frauenenquete sprechen, dürfen und müssen wir feststellen, daß die Frau in der Bundesrepublik Deutschland in diesem Jahrhundert im Verhältnis zu den Frauen anderer Staaten ein unvorstellbares Maß an Opfer und ein unvorstellbares Maß an Leistung vollbracht hat. Das ist durch die Geschichte und durch das Leid bedingt, das wir gemeinsam in zwei Kriegen und nachher durchleben mußten. Das ist aber auch bedingt durch dieUmstellung und durch die Maßnahmen, die in einer modernen Zeit notwendig sind.Wenn in dieser Debatte ein Fazit gezogen werden soll, kann das nur heißen, daß aus dieser Erkenntnis heraus die Bereiche, die angesprochen werden, auch in den Ausschüssen politischen Rückhalt bekommen und daß dann über die Ausschüsse hinaus das wirksam wird, was hier von den einzelnen Rednern und Rednerinnen dargelegt worden ist. Ich möchte ganz besonders einen Bereich ansprechen, möchte aber dazu sagen: Meine politischen Freunde wollen keinen Unterschied in der Einstufung und auch keine zweiteilige Qualifizierung der Leistungen haben. Wir möchten in diesem Bereiche ganz besonders die Landfrau ansprechen, die in bezug auf die Sozialenquete doch in einem ganz besonderen Licht erscheint. Wir glauben, man muß einräumen, daß es etwas bedenklich ist, mit wieviel Arbeitsstunden gerade die Frauen auf dem Lande verzeichnet sind.
Dieses Hohe Haus wird sicherlich mit gutem Willen an diese Probleme herangehen, sei es in dem Bereich, den wir bereits gemeinsam beschritten haben, dem Bereich unserer sozialen Maßnahmen gegenüber den Landfrauen, sei es bezüglich der gegenwärtig mehr als jemals notwendigen Versicherung im Krankheitsfall bei den Selbständigen.Die im Bundesministerium für Gesundheit durchgeführten Untersuchungen über den Gesundheitszustand speziell der Landfrauen werden uns Aufschluß darüber geben, daß sich die enormen Leistungen der Landfrauen allgemein oder der Frauen, die infolge der Vorgänge des Krieges ihren Hof allein in Bewirtschaftung haben, sich meistens auf die Gesundheit ausgewirkt haben. Wir werden uns in den Beratungen des Ausschusses bemühen, in dieser Hinsicht Klarheit zu schaffen.Ich möchte namens meiner politischen Freunde nur wünschen, daß auch alle Anliegen berücksichtigt werden im Bereich der wirtschaftlichen Form, auf die wir zugehen, im Bereich der europäischen Einigung, wo sich gegenwärtig abzeichnet, daß hier noch ganz grobe Unterschiede bestehen und daß auch in dem Bereich, der die Hausfrau betrifft, im Bereich des Lebensmittelrechts, in Europa sehr krasse Unterschiede zu verzeichnen sind. Auch diese Unterschiede müssen im Interesse unserer gesamten Bevölkerung ausgeräumt werden.Die Maßnahmen, die der Landwirtschaft dienen, sind der weitere Ausbau der Maßnahmen, die im Grünen Plan vorgesehen sind, weiterhin die Möglichkeit der Versicherung der Selbständigen und der Familie, endlich aber auch nach unserer Ansicht der weitere Ausbau des Berufs der Dorfhelferin, der Ausbau der sozialen Bereiche und die Unterstützung der Gemeinden sowie der kirchlichen Einrichtungen draußen im Lande. Außerdem geht es darum, der Bäuerin in der Erziehung ihrer Kinder eine gewisse Entlastung zuteil werden zu lassen. Wir wollen nichts anderes, als daß die Frau, die auf dem Lande wohnt, die als Landfrau angesprochen wird, an die Gesellschaft angeschlossen ist, daß sie teilhaben
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Ehneskann an allen Dingen, die die Kultur und unsere Entwicklung uns allen gemeinsam gebracht haben.
Herr Abgeordneter Reichmann hat seine Rede zu Protokoll gegeben. Mir liegen jetzt noch zwei Wortmeldungen vor, die von Frau Dr. Hubert und die des Herrn Abgeordneten Dr. Schellenberg.
Bitte Frau Dr. Hubert!
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte einige Bemerkungen zur gesundheitlichen Situation der Frau machen, kann mich aber leider nicht auf das Kapital über die allgemeinen Bemerkungen zur Gesundheit beschränken, weil die Angaben darüber über verschiedene Kapitel verstreut sind. Das trägt an sich nicht zur Übersichtlichkeit bei, wenn man sich über den gesundheitlichen Zustand orientieren will, und es läßt auch leider einen übergeordneten Gesichtspunkt vermissen.
Eine Enquete, die über die Situation der Frau in Beruf, Familie und Gesellschaft Auskunft geben soll, kann natürlich auch nicht an der Tatsache vorbeigehen, daß die Frau im Hinblick auf die Anforderungen, die die Mutterschaft an sie stellt, anders ist als der Mann. Man wird daher fragen müssen, ob entsprechend der durch das Grundgesetz geforderten Gleichberechtigung und bei einer Gleichbewertung von Mann und Frau auch die Andersartigkeit gebührend berücksichtigt ist. Am körperlich-seelischen Gesundheitszustand der Frau wird man manches ablesen können.
Auf die besondere Konstitution der Frau wird auch nicht im Kapitel „Allgemeines Gesundheitswesen", sondern im Kapitel „Arbeitsrecht" eingegangen. Hier wird nun sehr richtig festgestellt, daß es nicht möglich ist, über den Gesundheitszustand der erwerbstätigen Frau einigermaßen sichere Aussagen zu machen. Dann folgen aber doch einige ganz interessante Angaben, z. B. daß die Arbeitsunfähigkeitsfälle bei den weiblichen Pflichtversicherten geringer sind als die bei den Männern, soweit es sich um Unfälle oder um Krankheiten der Bewegungsorgane und der tieferen Luftwege handelt. Andererseits liegen wieder die Krankenhausfälle bei den weiblichen Pflichtversicherten über denen der männlichen. Die Zahl der Körperbehinderten ist, wenn man alle Kriegsversehrten mitrechnet, bei den Frauen natürlich geringer als bei den Männern.
Ich möchte aber .auf ein Problem hinweisen, nämlich das der körperbehinderten Hausfrauen, das bei uns in der Bundesrepublik noch in keiner Weise gelöst ist, und wo man in anderen Ländern, etwa in England oder Skandinavien, sehr viel weiter ist als bei uns.
Man liest dann u. a., daß nicht exakte Untersuchungen darüber vorliegen, ob es tatsächlich stimmt, daß Frauen das Bücken leichter vertragen als Männer. Andererseits wird die doch auch ganz unbewiesene Behauptung aufgestellt, daß Frauen besser geeignet seien für monotone Arbeiten. Leider müssen sie sehr oft solche monotone Arbeiten verrichten.
Bemerkenswert erscheint mir, daß es keinerlei Bestimmungen gibt, die dafür Sorge tragen, daß der Arbeitsplatz nicht nur die Frau ganz allgemein vor Schäden schützt — das gilt natürlich für Mann und Frau —, sondern auch die Arbeit erleichtern. Hier sollte man einmal seine Überlegungen ansetzen. Erleichterung der Arbeit bedeutet ja Ersparnis von körperlichen Kräften, damit auch Schonung der Gesundheit.
Nichts findet sich leider über die besonderen Probleme ,der Frau in der Landwirtschaft, und zwar sowohl als mithelfende Familienangehörige wie als Arbeitnehmerin. Es gibt Untersuchungen z. B. von Kötter, die zeigen, daß es erhebliche Unterschiede des Gesundheitszustandes gibt zwischen Gruppen, die in der Landwirtschaft arbeiten, und Gruppen in der gewerblichen Wirtschaft. Bei diesen Untersuchungen, die Kötter durchgeführt hat, hat sich gezeigt, daß der Gesundheitszustand bei sonst gleichen Verhältnissen schlechter wurde von der gewerblichen zur landwirtschaftlichen Bevölkerung, von den Jüngeren zu den Älteren — das ist verständlich —, aber auch von den Männern zu den Frauen.
Dann finden gar keinen Niederschlag in der Enquete Untersuchungen, die vom Ministerium selbst angeregt worden sind. Sie sind uns in den letzten Tagen plötzlich in einem gesonderten Buch zugegangen. Wenn die weitverbreitete Annahme, daß der Rhythmus im Leben der Frau ihre Leistungsfähigkeit in einem gewissen Lebensabschnitt beeinträchtigt, falsch ist, wie in diesem Buch gesagt ist, und wenn es nur an unser aller vorgefaßter Meinung liegt, daß über psychische Einwirkung auch Krankheiten entstehen, dann gibt das immerhin höchst interessante Konsequenzen für das Arbeitsleben der Frau im mittleren Alter.
wollen etwas fragen?
Frau Kollegin, haben Sie nicht gelesen, daß diese Untersuchungen in der Enquete und in der Bibliographie erwähnt sind? Es ist auch mitgeteilt, daß Untersuchungen wie diese und noch eine Reihe anderer vorgelegt werden, darunter zwei Untersuchungen, die sich auch mit der Landfrau durch spezielle Angaben über den Wirtschaftsbereich oder die Region, in der die Frauen arbeiten, beschäftigen. Das ist in der Enquete auf den Seiten 278 und 279 erwähnt. Ist Ihnen das entgangen?
Nein, das ist mir ganz und gar nicht entgangen, Frau Kollegin Schwarzhaupt. Ich habe aber gesagt, daß es diese Untersuchung von Kötter aus dem Jahre 1963 gibt. Und das Buch, das wir jetzt bekommen haben, ist so kurz nach der Enquete erschienen, daß man eigent-
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Frau Dr. Hubertlieh gewünscht hätte, daß seine Ergebnisse schon in die Enquete hineingekommen wären. In der Enquete wird auf weitergehende Untersuchungen hingewiesen. Ich bedaure trotzdem, daß in diesem ersten Bericht nicht wenigstens einiges darüber gesagt worden ist, was schon vorgelegen hat. Also wie gesagt: mir sind im Augenblick nur die Kötterschen Untersuchungen bekannt, die aus dem Jahre 1963 stammen.Nun wird im Abschnitt Familie das Müttergenesungswerk erwähnt, und zwar im wesentlichen zunächst als eine Einrichtung, „die allen familiengefährdenden Tendenzen heilende Kräfte entgegensetzen soll und die vor allem „auf dem Gebiet der Frauenbildung einen wertvollen Beitrag leistet. Ich darf hier zitieren, was Frau Heuss-Knapp als den Zweck des Müttergenesungswerks bezeichnet hat. Nachdem sie auf die großen Leistungen der Frau als Mutter vor allem im Krieg hingewiesen hat, hat sie gesagt:Diese Überforderung der Frau rächt sich an ihrer Gesundheit, und zwar an ihrer Gesundheit des Leibes und der Seele. Hier setzt das Müttergenesungswerk ein.1 070 000 Mütter sind in den Heimen zur Erholung und zur Genesung gewesen. An dieser Stelle findet sich auch eine Krankheitsstatistik.Das für die Gesundheit der Frau bedeutungsvolle Problem der wenn auch nicht ganz klar berechenbaren, aber doch sicher hohen Zahl von Schwangerschaftsunterbrechungen, die Problematik der frei willigen Sterilisation werden gar nicht in diesem Bericht berührt. Beides steht nun wieder in Zusammenhang mit der notwendigen Aufklärung über Familienplanung, über die nur im Kapitel „Familie" kurz gesagt wird, es gebe in der Bundesrepublik Eheberatungsstellen und die Gesellschaft Pro familia, die in sieben Großstädten in der Bundesrepublik gleichfalls Beratungsstellen unterhalte. In England gibt es immerhin deren 600. Diese ganze Frage ist nun wirklich ein gesundheitspolitisches Problem.Alles in allem muß man wohl sagen, daß das Fehlen einer Morbiditätsstatistik, also einer Krankheitsstatistik, es natürlich sehr erschwert, exakte Angaben zu machen. Ich glaube aber doch, daß man das hier zusammengetragene Material, das schon an sich nicht so sehr ergiebig ist, einmal ungeachtet aller Ressortzuständigkeiten unter einem allgemeinen Blickwinkel systematisch ordnen muß. Dann, glaube ich, werden sich auch die besonderen Stellen zeigen, wo die Lücken unserer Kenntnisse besonders groß sind. Es ist ja die Aufgabe einer solchen Enquete, diese Lücken zu füllen, und wir erhoffen das von der angekündigten Fortsetzung der Enquete besonders auch hinsichtlich des Gesundheitszustandes der Frau. Denn diese Kenntnis ist ausschlaggebend, um beurteilen zu können, wie weit das heutige Arbeitsleben an sich oder wie weit die Verbindung von außerhäuslicher Arbeit mit den Aufgaben als Mutter die Frau überfordert.
Als nächstes liegt die Wortmeldung von Herrn Abgeordneten Professor Schellenberg vor.
— Ich danke Ihnen. Dann kommen wir zur Abstimmung.
Dem Hohen Hause liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 123 *) vor. Hier liegt eine interfraktionelle Vereinbarung vor, wonach über Ziff. 2 des genannten Antrags sofort abgestimmt werden soll. Der Text liegt Ihnen vor; ich brauche ihn nicht zu verlesen. Es ist vereinbart, daß die Fraktionen diesem Text zustimmen. Wenn sich kein Widerspruch erhebt — und das ist nicht der Fall —, dann ist es so beschlossen.
Die Ziffern 1, 3 und 4 des genannten Antrags der FDP auf Umdruck 123 sollen an den Ausschuß für Familien- und Jugendfragen überwiesen werden. Es erhebt sich kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich komme jetzt zu der Ausschußüberweisung der Vorlage selbst. Der Bericht auf Drucksache V/909 soll nach der Vereinbarung im Ältestenrat an den Ausschuß für Familien- und Jugendfragen überwiesen werden.
— Wobei andere einschlägig befaßte Ausschüsse gutachtlich zu hören sind.
— Selbstverständlich! Dasselbe gilt für den Entschließungsantrag. Ich glaube, jetzt besteht Klarheit. Wenn sich dagegen kein Widerspruch erhebt — das ist nicht der Fall —, dann ist so beschlossen.
Ich habe noch eine Mitteilung zu machen und um eine Abstimmung zu bitten. Im Nachgang zu den heute erfolgten Wahlen soll für den Abgeordneten Herold, der bisher stellvertretendes Mitglied in der Beratenden Versammlung des Europarates war, der Abgeordnete Richter gewählt werden. Es erhebt sich kein Widerspruch. — Das Haus ist einverstanden. Damit ist der Abgeordnete Richter als stellvertretendes Mitglied der Beratenden Versammlung des Europarates gewählt.
Damit sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung auf Donnerstag, den 26. Januar 1967, 14.30 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.