Protokoll:
5087

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 5

  • date_rangeSitzungsnummer: 87

  • date_rangeDatum: 25. Januar 1967

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 14:32 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 20:03 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 87. Sitzung Bonn, den 25. Januar 1967 Inhalt: Wahl des Abg. Behrendt als Mitglied des Europäischen Parlaments 4005 A Wahl der Abg. Herold und Schmidt (Würgendorf) als ordentliche Mitglieder des Europarates 4005 A Wahl des Abg. Richter als stellvertretendes Mitglied des Europarates 4055 D Überweisung des Berichts der Wahlkreiskommission für die 5. Wahlperiode an den Innenausschuß . . . . . . . . 4005 B Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . 4005 B Fragestunde (Drucksache V/1316) Frage des Abg. Dr. Hofmann (Mainz) : Begründung von Freundschaftsverhältnissen zwischen Großstädten West-und Mitteldeutschlands Wehner, Bundesminister 4006 A Fragen des Abg. Kulawig: Standortwahl für das Projekt eines europäischen Großbeschleunigers Dr. Stoltenberg, Bundesminister . 4006 B Kulawig (SPD) 4006 C Frage des Abg. Kulawig: Bau einer deutsch-französischen Gemeinschaftsanlage für dieses Projekt Dr. Stoltenberg, Bundesminister . 4007 A Kulawig (SPD) . . . . . . . . 4007 A Frage des Abg. Dr. Martin: Verwaltungsabkommen mit den Ländern über die Förderung von Wissenschaft und Forschung Dr. Stoltenberg, Bundesminister . . 4007 B Dr. Martin (CDU/CSU) 4007 C, 4009 B Dr. Lohmar (SPD) 4007 D Dr. Rau (SPD) . . . . . . . . 4008 B Moersch (FDP) . . . . . . . 4008 C Frau Geisendörfer (CDU/CSU) . . 4009 A Frage der Abg. Frau Funcke: Berechnung der Entfernungskilometer auf Autobahnschildern Leber, Bundesminister . . . . . 4009 C Frau Funcke (FDP) . . . . . . . 4009 D Ollesch (FDP) . . . . . . . . . 4010 A II Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1967 Fragen des Abg. Hübner: Projekt der Rhein-Maas-Verbindung Leber, Bundesminister 4010 A Hübner (SPD) . . . . . . . 4010 B Brück (Köln) (CDU/CSU) 4010 C Frage des Abg. Fellermaier: . Rechtsvorschriften für den Sehtest von Führerscheinbewerbern Leber, Bundesminister 4011 A Fellermaier (SPD) 4011 A Felder (SPD) 4011 B Frage des Abg. Lemmrich: Baulast der Stadt München für die Ortsdurchfahrten im Zuge der Bundesstraßen Lemmrich (CDU/CSU) 4011 D Leber, Bundesminister 4011 D Frage des Abg. Sänger: Bewahrung des öffentlichen Omnibusverkehrs vor den durch Erhöhung der Mineralölsteuer entstandenen Kostenlasten Leber, Bundesminister . . . . . 4012 B Sänger (SPD) . . . . . . . . . 4012 B Schmidt (Offenbach) (SPD) . . . . 4012 D Raffert (SPD) . . . . . . . . . 4013 A Ott (CDU/CSU) . . . . . . . . 4013 B Frage der Abg. Frau Freyh: Zebrastreifen — Unfallhäufigkeit Leber, Bundesminister . . . . . 4013 C Frau Freyh (SPD) . . . . . . . 4013 D Frage der Abg. Frau Freyh: Verzicht auf Zebrastreifen an signalgeregelten Kreuzungen Leber, Bundesminister . . . . . 4014 A Frau Freyh (SPD) 4014 B Mattick (SPD) . . . . . . 4014 C Haage (München) (SPD) . . . . . 4014 D Fragen des Abg. Schultz (Gau-Bischofsheim) : Beanstandung deutscher Briefmarken durch die polnische Verwaltung Dr. Steinmetz, Staatssekretär . . 4015 A Borm (FDP) . . . . . . . . 4015 C Fragen des Abg. Felder: Aktion Pünktlicher Weihnachtsmann Dr. Steinmetz, Staatssekretär . . 4015 D Felder (SPD) 4016 A Frage der Abg. Frau Funcke: Kosten und Erlöse der einzelnen Zweige des Post- und Fernmeldewesens Dr. Steinmetz, Staatssekretär . . . 4016 B Frage des Abg. Faller: Verlegung von Dienststellen des Postamtes Weil am Rhein zum Postamt Lörrach 4016 B Fragen des Abg. Moersch: Elitäre Jugendgruppen Dr. Heck, Bundesminister . . . 4016 C Moersch (FDP) 4016 D Frage des Abg. Kubitza: Errichtung einer Zentralstelle für internationale Jugendarbeit Dr. Heck, Bundesminister . . . 4017 A Kubitza (FDP) 4017 B Josten (CDU/CSU) 4017 C Westphal (SPD) 4017 D Moersch (FDP) 4018 B Fragen des Abg. Rollmann: Futtermittel mit thyreostatischer Wirkung — Umgehung des Lebensmittelgesetzes Frau Strobel, Bundesminister . . 4018 C Rollmann (CDU/CSU) 4018 D Frage des Abg. Rollmann: Import von im Ausland mit in Deutschland verbotenen Futtermitteln und Wirkstoffen gefütterten Tieren Frau Strobel, Bundesminister . . 4019 B Rollmann (CDU/CSU) 4019 B Frage des Abg. Dr. Rinderspacher: Moderne Abwasserbeseitigung Frau Strobel, Bundesminister . . . 4019 D Dr. Kübler (SPD) 4020 A Hofmann (Kronach) (SPD) . . . 4020 B Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1967 III Bericht des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung betr. Bericht der Bundesregierung über die Situation der Frauen in Beruf, Familie und Gesellschaft (Drucksache V/909) Kattenstroth, Staatssekretär . . . 4020 C Frau Schroeder (Detmold) (CDU/CSU) 4023 A Frau Schanzenbach (SPD) . . . . 4027 B . Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) . . 4030 D Dr. Mommer, Vizepräsident . . .4034 C, 4036 C Häussler (CDU/CSU) . . . . . . 4035 A Frau Kurlbaum-Beyer (SPD) . . . 4036 C Spitzmüller (FDP) . . . . . . . 4039 A Frau Dr. Wolf (CDU/CSU) . . . . 4040 B Dr. Müller (München) (SPD) . . . . 4042 B Frau Funcke (FDP) . . . . . . . 4043 C Dr. Geißler (CDU/CSU) 4045 A Frau Freyh (SPD) . . . . . . 4047 B Geldner (FDP) 4049 D Frau Kalinke (CDU/CSU) 4050 C Frau Dr. Probst, Vizepräsident 4053 B Ehnes (CDU/CSU) . . . . . . 4053 B Frau Dr. Hubert (SPD) 4053 A Nächste Sitzung 4055 D Anlagen 4057 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1967 4005 87. Sitzung Bonn, den 25. Januar 1967 Stenographischer Bericht Beginn: 14.32 Uhr
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    *) Siehe Anlage 2 Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Bartsch 25. 1. Bauer (Würzburg) * 28. 1. Berkhan * 28. 1. Blachstein 18. 2. Blumenfeld * 28. 1. Burgemeister 4. 2. Corterier * 28. 1. Cramer 28. 1. Dr. Dahlgrün 3. 2. Draeger * 28. 1. Erler 31. 1. F] ämig * 28. 1. Dr. Freiwald 28. 1. Dr. Frey 27. 1. Dr. Friderichs 25. 1. Frieler 4. 2. Dr. Furler * 28. 1. Dr. Götz 12. 2. Dr. Hellige * 28. 1. Frau Herklotz * 28. 1. Herold * 28. 1. Hilbert * 28. 1. Hösl * 28. 1. Kahn-Ackermann * 28. 1. Dr. Kempfler * 25. 1. Kiep 25. 1. Frau Klee * 28. 1. Dr. Kliesing (Honnef) * 28. 1. Könen (Düsseldorf) 28. 1. Dr. Kopf * 28. 1. Lemmer 3. 2. Lemmrich * 28. 1. Lenze (Attendorn) * 28. 1. Liehr 28. 1. Mauk 25. 1. Frau Dr. Maxsein * 28. 1. Dr. von Merkatz * 28. 1. Missbach 27. 1. Paul * 28. 1. Petersen 28. 1. Frau Pitz-Savelsberg 15. 2. Pöhler * 28. 1. Dr. Rinderspacher * 28. 1. Dr. Rutschke * 28. 1. Dr. Schulz (Berlin) * 28. 1. Schultz (Gau-Bischofsheim) 25. 1. Dr.-Ing. Seebohm 24.2. Dr. Serres * 28.1. Dr. Sinn 27. 1. Struve 31.3. Dr. Freiherr von Vittinghoff-Schell * 28. 1. Vogt * 28. 1. Dr. Wahl * 28. 1. Für die Teilnahme an einer Tagung der Beratenden Versammlung des Europarats Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Weigl 28. 2. Wiefel 25. 1. Wienand 28. 1. Baron von Wrangel 4. 2. Zink 25. 1. b) Urlaubsanträge Frau Albertz 28. 2. Dr. Czaja 10.2. Eisenmann 21. 4. Frau Korspeter 4. 3. Freiherr von Kühlmann-Stumm 25. 2. Peters (Poppenbüll) 21.4. Anlage 2 Umdruck 123 Entschließungsantrag der Fraktion der FDP zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Situation der Frauen im Beruf; Familie und Gesellschaft - Drucksache V/909 Der Bundestag wolle beschließen: 1. Die Bundesregierung wird aufgefordert, einen Bericht über die Bedeutung der Frauenerwerbsarbeit in der deutschen Volkswirtschaft vorzulegen. 2. Die Bundesregierung wird aufgefordert, unverzüglich eine Kurzfassung des Berichts der Bundesregierung über die Situation der Frauen in Beruf, Familie und Gesellschaft vorzulegen. 3. Die Bundesregierung wird aufgefordert, Bericht zu erstatten über: a) die Forschungsvorhaben, die notwendig sind, um die in der Enquete vorhandenen Lücken (siehe Vorwort Seite XVIII Absatz 4) auszufüllen; insbesondere über Möglichkeiten wissenschaftlicher Studien, die Vergleiche auf internationaler Grundlage erlauben. Diese Studien sollen insbesondere eine Untersusuchung über Tagesschulen in der Bundesrepublik und in anderen Industriestaaten enthalten; b) die bereits von ihr eingeleiteten Untersuchungen zur Ergänzung des vorliegenden Berichtes. 4. Die Bundesregierung wird aufgefordert, dahin zu wirken, daß alle staatlichen Examina und Berechtigungen im ganzen Bundesgebiet anerkannt werden. Bonn, den 25. Januar 1967 Mischnick und Fraktion 4058 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1967 Anlage 3 Schriftliche Erklärung der Abgeordneten Frau Blohm (CDU/CSU) zu Punkt 2 der Tagesordnung. Es ist heute nachmittag schon vieles über die Frauen ausgesagt worden, über die Frau in der Familie, im Beruf, mit und ohne Kinder und über die Alleinstehende. Durch die ganze Enquete zieht sich wie ein roter Faden auch die Gesundheit der Frau. Daher ist auch der Abschnitt „Gesundheit" verhältnismäßig kurz. Der Bericht beschränkt sich auf die heutige Situation und auf die Maßnahmen, die eingeleitet worden sind. Es liegen keine gesicherten wissenschaftlichen Unterlagen über die Zusammenhänge zwischen der Gesundheit der Frau in den verschiedenen Lebensabschnitten und den wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und allgemeinen Lebensverhältnissen vor. Man muß sich also in der gegenwärtigen Situation auf allgemeine Daten beschränken. Die durchschnittliche Lebenserwartung der Bevölkerung hat sich in den letzten 100 Jahren wesentlich erhöht. Bei den Männern ist sie von 60 auf 67 Jahre angestiegen, bei den Frauen von 63 auf 72 Jahre und 5 Monate. Die Sterblichkeitsentwicklung ist also bei den Frauen sehr viel günstiger als bei den Männern. Ihre Lebenserwartung hat sich in allen Altersstufen erhöht. Am stärksten ist die Sterblichkeit der Frauen unter 40 Jahren, insbesondere bei den 25- bis 35jährigen zurückgegangen. Besonders hoch ist der Rückgang der Säuglingssterblichkeit. Von 1000 Lebendgeborenen starben 1946 97,1, 1961 32,0, 1963 27,0 und 1964 25,3 Säuglinge im ersten Lebensjahr. Die Tatsache der höheren Lebenserwartung der Frau sagt noch nichts Entscheidendes darüber aus, ob die Frau generell gesünder ist als der Mann. Nach der Todesursachenstatistik starben an Erkrankungen der Herzkranzgefäße 1964 22 500 Frauen gegenüber 43 700 Männern. Während diese Todesursache bei den Männern nach dem 50. Lebensjahr etwa dreimal so häufig ist wie bei den Frauen, ändert sich dieses Bild bei den Frauen nach dem 55. Lebensjahr. Bei bösartigen Neubildungen nahm die Sterblichkeit bei den Frauen in den Jahren von 1952 bis 1964 um rund 7 % ab, während sie bei den Männern um 10 % zunahm. Besonders wertvoll ist, daß die Müttersterblichkeit stetig zurückgeht. 1929 lag die Sterblichkeit der Mütter auf 100 000 Lebendgeborene bei 553. Seither ist die Kurve ständig im Absinken und zeigt für 1965 68,9 Sterbefälle bei 100 000 Lebendgeborenen. Insgesamt betrug die Müttersterblichkeit 1965 719 Fälle. Bei der Sterblichkeit an Tuberkulose der Atmungsorgane sind bei Männern und Frauen erhebliche Unterschiede zu verzeichnen. 1946/48 starben 83 Männer und 43 Frauen auf 100 000 Einwohner, 1964 waren es 19,0 bzw. 5,3 auf 100 000. Trotz der längeren Lebenserwartung spielt die Frühinvalidität der Frau eine besondere Rolle. Es scheidet aus dem Berufsleben immer noch ein sehr großer Teil nach dem 45. Lebensjahr aus. Ob daraus allerdings Schlüsse hinsichtlich des allgemeinen Gesundheitszustands der Frauen gezogen werden können, ist fraglich. Es ist eine Vermutung, daß die doppelte Belastung der Frau durch Haushalt und Erwerbstätigkeit eine Rolle spielt. Ebenso können aber auch nichtmedizinische Umstände eine Rolle spielen. Hier zeigt sich wieder die Problematik der Aussagekraft der Statistik. Um eine bessere Ubersicht über den Gesundheitszustand der Frau zu bekommen, sind da die Faktoren ihrer Umwelt in sozialer, wirtschaftlicher Hinsicht so verschieden sind, folgende Maßnahmen ergriffen worden: 1. Eine Zusammenstellung der bereits vorhandenen Literatur des In- und Auslandes. 2. Befragungen über Erkrankungen und Unfälle sowie über Art, Ursache, Umfang körperlicher und geistiger Behinderung einschließlich Frühinvalidität. 3. Untersuchungen über den Gesundheitszustand der Mütter getrennt nach Wohnsitzgruppen, d. h. Großstadt, Kleinstadt und Landbezirk. Diese Untersuchungen und ihre Auswertung werden sicher noch zwei Jahre beanspruchen. 4. Die Deutsche Zentrale für Volksgesundheitspflege beschäftigt sich mit den biologischen Aspekten des modernen Arbeitslebens, insbesondere mit der Situation der erwerbstätigen älteren Frau. 5. Bei der Vordringlichkeit der Fragen, die mit dem Wiedereintritt der Frau in das Berufsleben (dritte Phase) zusammenhängen, hat das Bundesministerium für Gesundheitswesen ein Sachverständigengutachten angefordert, um die Fragen nach dem Gesundheitszustand und der Leistungsfähigkeit der Frau zwischen 40 und 60 Jahren zu klären. Maßnahmen zur Wiederherstellung, Erhaltung und Förderung der Gesundheit der Frau. Vorrang vor jeder staatlicher Förderung der Gesundheitserhaltung hat die Eigenverantwortung des einzelnen Bürgers. Dazu bedarf es allerdings großer Aufklärungsarbeit der einzelnen Organisationen, die sich die Pflege der Gesundheit der Bevölkerung zur Aufgabe gestellt haben und selbstverständlich vom Staat gefördert werden müssen. Viele Maßnahmen, die von Bund und Ländern bereits getroffen worden sind, beziehen sich nicht nur auf die Frau speziell, sondern auf die allgemeine Bevölkerung überhaupt, also auch auf die Frau, z. B. Krankenversicherungs- und Sozialversicherungsgesetzgebung, Maßnahmen der Seuchenhygiene, Suchtbekämpfung, Lebensmittelhygiene, das Erholungswesen, Förderung des Sports. Gesunde Arbeitsbedingungen, gesunde Wohnungen, Bekämpfung des Lärms sowie der Verunreinigung des Wassers und der Luft und der Radioaktivität. Maßnahmen, die der Bund im einzelnen bereits getroffen hat sind u. a.: Arbeitsschutz, der sich auf den gesundheitlichen Schutz der Frau an ihrem Arbeitsplatz bezieht, und Mutterschutz. Vorbeu- Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1967 4059 gende gesundheitliche Maßnahmen sind bereits geregelt durch das Krankenversicherungsrecht und das Bundessozialhilfegesetz. Die Gesundheitsämter sind mit der Aufgabe der Mütterberatung, der Fürsorge für Tuberkulose, für Geschlechtskranke, Sieche und Süchtige betraut. Leider wird von diesen Beratungsstellen nicht so viel Gebrauch gemacht, wie es notwendig wäre, um rechtzeitige Hilfe zu gewährleisten. Hier kann nur weitere Aufklärungsarbeit nützlich sein, wie es z. B. das Deutsche Zentralinstitut für Gesundheitspflege in den vergangenen Jahren getan hat durch Seminare, Veröffentlichungen, Ausstellungen. Außerdem werden Modelleinrichtungen, wie z. B. das Deutsche Krebsinstitut in Heidelberg und die Multiple-Sklerose-Klinik in Asbach, finanziell gefördert. Hinzu kommt die Förderung der Neuroseklinik in Stuttgart. Geplant ist ein Altenkrankenhaus zur medizinischen Rehabilitation alter Menschen in Nordrhein-Westfalen. Weitere Mittel wurden bereitgestellt zur Förderung von Organisationen, die mit der Bekämpfung bestimmter Volkskrankheiten, wie z. B. Krebs oder Tuberkulose, befaßt sind. Besondere Aufmerksamkeit gilt den Fragen der Gesundheitserziehung und Aufklärung. Es wurden im Haushalt nicht unerhebliche Mittel für die Organisationen, die sich mit diesen Fragen befassen, bereitgestellt, z. B. für das Deutsche Gesundheitsmuseum und die Deutsche Gesellschaft für Ernährung. Gesundheitserziehung sollte aber in der Familie beginnen, und hier kommt der Frau natürlich eine besondere Bedeutung zu. Alle Maßnahmen, die bis jetzt getroffen worden sind, werden in den nächsten Jahren ausgewertet werden müssen, um daraus die Konsequenzen zu ziehen. Die Gesundheit ist die Vorbedingung für die Schaffenskraft im Beruf und in der Familie. Es sollte mit aller Sorgfalt geprüft werden, welche Schritte noch getan werden können, um diese Gesundheit zu erhalten. Anlage 4 Schriftliche Erklärung der Abgeordneten Frau Geisendörfer (CDU/CSU) zu Punkt 2 der Tagesordnung. Selten war die Einmütigkeit bei einer Debatte in diesem Hohen Hause so groß wie heute, und es bleibt mir am Schlusse der Diskussion nur übrig, einige wenige Punkte zu akzentuieren und noch einmal zu unterstreichen. Wir werden ja dann in den zahlreichen Ausschüssen, die gutachtlich gehört werden, mit größerer Gründlichkeit und Präzision unsere heutigen Überlegungen fortsetzen und vertiefen und die konkreten Folgerungen ziehen können. Es werden dann auch erst die differenzierten Meinungen zum Ausdruck kommen und abgeklärt werden müssen. Lassen Sie mich darum nur noch ein kurzes Wort zu dem Abschnitt Bildung in der Frauenenquete sagen: Bildung im weitesten Sinn ist eine der wichtigsten Grundlagen, die die Situation der Frau in Beruf, Familie und Gesellschaft entscheidend bestimmen und sie ist auch eine der Hauptvoraussetzungen für die Stellung der Frau in der Gesellschaft und für ihre Fähigkeit, einen Platz als Partnerin des Mannes in allen Bereichen des heutigen Lebens einzunehmen, gemäß dem Urverständnis des Miteinander von Mann und Frau, des Einander-Gehilfensein. Das Verständnis dessen aber, wie dies jeweils aussehen soll und praktiziert wird, wechselt. Im Jahre 1872 erklärten die Mädchenschulpädagogen in Weimar: „Es gilt dem Weibe eine der Geistesbildung des Mannes ... ebenbürtige Bildung zu ermöglichen, damit der deutsche Mann nicht durch die geistige Kurzsichtigkeit und Engherzigkeit seiner Frau am häuslichen Herde gelangweilt und in seiner Hingabe an höhere Interessen gelähmt werde, daß ihm vielmehr das Weib mit Verständnis dieser Interessen und der Wärme des Gefühls für dieselben zur Seite stehe." Sie lächeln jetzt, — aber vielleicht ist diese Feststellung, in die Sprache unserer nüchterner gewordenen Zeit übersetzt, in ihrem Kern auch Leute noch zutreffend und zwar gerade dann, wenn davon die Rede ist, ob eine Berufsausbildung bei einer Eheschließung umsonst war. Der Deutsche Ausschuß für das Bildungs- und Erziehungswesen hat das mit folgenden Worten ausgedrückt wenn er im Hinblick auf die Bewältigung der heutigen technischen Welt sagt: „Die technische Welt wird in dem Maße eine menschliche Welt sein, wie sie von Menschen, und das heißt, von Männern und Frauen gemeinsam gemeistert wird." Deshalb erkennen wir die Bemühungen an, in der Frauenenquete den Versuch zu machen, einen Überblick über das Gebiet „Bildungsstand und Bildungsmöglichkeiten" der Frauen zu geben. Ich betone, daß dieses Kapitel ein Versuch und ein Anfang ist — wir sind dankbar dafür, aber es kommt jetzt darauf an, das Material auszuwerten, weiterzufragen und Folgerungen zu ziehen. Es wurde seinerzeit gefordert und erreicht, daß Mädchen und Frauen Zugang zu allen Bildungsmöglichkeiten haben, aber es muß ebenso zugegeben werden, daß der weibliche Anteil an weiterführenden Schulen, an Aufbauzügen usw. gering ist, allerdings sehr verschieden in verschiedenen Bundesländern. Die Gründe sind aus der Statistik — so wie sie jetzt angelegt ist — nicht vollständig zu ersehen. An dieser Stelle muß weitergeforscht werden, um unausgeschöpfte Begabtenreserven zu finden — nicht um etwa nur immer mehr Akademikerinnen heranzubilden, sondern um alle Frauen auf die bestmögliche Art für die Aufgaben, wie sie der Deutsche Ausschuß formuliert hat, vorzubereiten. An einer Stelle wird der Statistik entnommen, daß „ein nicht unerheblicher Teil der Schülerinnen das Gymnasium wegen unzureichender Leistungen vorzeitig verlassen muß". Das scheint mir eine ganz unzulässige Vereinfachung der Tatsache zu sein, 4060 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1967 daß es in den Entwicklungsphasen der Mädchen einen Zeitpunkt gibt, wo eine gewisse Schulmüdigkeit eintritt, aber durchaus nicht immer deshalb, weil mangelnde Begabung oder fehlende Intelligenz vorliegen, sondern weil der junge Mensch so mit sich selbst beschäftigt ist und vielleicht auch sein muß, daß eben die Schule zu kurz kommt. Wieviele Mädchen und Frauen haben mir schon gesagt, wie sehr sie es bedauerten, in dieser Phase die Schule verlassen und „aufgegeben" zu haben. Hier müßte nicht nur das jeweilige Lehrerkollegium, sondern eine neutrale Beratungsstelle eintreten zur Aussprache, Beratung für beide Seiten, Lehrer und Schüler. Es ist in der Enquete die Frage aufgeworfen worden, ob eine qualifizierte Berufsausbildung für Mädchen eine Fehlinvestition sei für die Eltern. Man kann diese Frage durchaus ernsthaft stellen und vom Staat, von den Kommunen aus, wie es auch in Ausschüssen dieses Hauses geschehen ist: Was kostet jeder Studienplatz dem Steuerzahler? Zahlen sich diese Investitionen dann auch aus für die Allgemeinheit dadurch, daß nun diese mit großen finanziellen Mitteln vorgebildeten Frauen ihre Plätze in der Berufswelt ausfüllen? Die Richtung, in der die Antwort gesucht werden muß, gibt eine Untersuchung der UNO, zitiert bei Pierre Bertrand: Die Mutation der Menschheit, die feststellt: Das Entwicklungstempo einer Menschengruppe ist durch das Entwicklungstempo seines weiblichen Elements bedingt — der den Jungen erteilte Unterricht ist wie der Kalkanstrich auf einer Mauer, der dauernd erneuert werden muß. Die Kultur der Frauen färbt die Masse des Menschenmaterials." Diese Erkenntnisse fußen auf Erfahrungen bei den Entwicklungsvölkern, wo es verhältnismäßig leicht ist, durch den Unterricht von Jungen innerhalb von 10 Jahren eine Generation von Schullehrern, Beamten, Ärzten, Abgeordneten, Ministern und Diplomaten zu züchten. Wenn dies aber auf Kosten des Unterrichts von Mädchen geschehen würde, müßte man bei jeder Generation wieder von vorn anfangen. Sinngemäß gilt dies Gesetz auch für unsere Generation, für die Bundesrepublik. Die Frau und Mutter, die beruflich ausgebildet ist, auf welcher Stufe auch immer, bedeutet in der 2. Phase ihres Lebens nicht ein totes Kapital im volkswirtschaftlichen Sinn, sondern ihre Ausbildung trägt nachweisbare Zinsen im Hinblick auf die Erziehung ihrer Kinder. Damit dieses Kapital aber nicht schwindet und sozusagen eine Wertminderung eintritt, ist ein gewisses ständiges Training während der Zeit, in der die Berufsausübung ruht, nötig. Die Enquete berichtet über „Einrichtungen der Fortbildung" : Aus den Erfahrungen damit müßten konkrete Folgerungen gezogen werden in der Richtung, daß diese Angebote inhaltlich und zeitlich so gestaltet sind, daß sie sich nach den Möglichkeiten der Nachfragenden richten. Frau Dr. Wolff hat hier schon Anregungen gegeben, die geprüft werden sollten. Die Bundesregierung hat auf Grund des Leistungsförderungsgesetzes besondere Maßnahmen ergriffen, um Frauen, die keine abgeschlossene Berufsausbildung und Berufserfahrung haben, durch Teilnahme an Lehrgängen eine 'bessere berufliche Qualifikation zu 'ermöglichen. Auch diese Erfahrungen müssen abgewartet und ausgewertet werden. Erstaunlich sind die Aussagen über den regen Gebrauch der „Bildungsmöglichkeiten durch Presse, Film und Rundfunk" und zwar „Bildungs-" nicht Unterhaltungs-Möglichkeiten. Es ist da noch ein weites Gebiet für die Überlegungen und Planungen unserer Presse, der Tages- wie auch der Illustriertenpresse und der Rundfunkanstalten. Eine Anerkennung möchte ich hier auch zollen den Bemühungen der Kundenzeitschriften, die von Frauen — aber auch von Männern — gelesen werden. Sie verstehen es oft ausgezeichnet, wichtige hauswirtschaftliche Fragen im Zusammenhang mit politischen Entscheidungen darzustellen und daneben auch das zu vermitteln, was wir unter „staatsbürgerlicher Bildung" verstehen. — Auf jeden Fall sollte die Enquete aber einer ständigen „Fortschreibung" unterzogen werden und nicht nur heute Gegenstand der Debatte, sondern ständige Grundlage unserer künftigen Beratungen in diesem Hause sein. Anlage 5 Schriftliche Erklärung der Abgeordneten Frau Griesinger (CDU/CSU) zu Punkt 2 der Tagesordnung. 1. Der Deutsche Bundestag hat gut daran getan, im Rahmen der Frauenenquete einen gesonderten Bericht über die Situation der Frau in der Landwirtschaft von der Bundesregierung zu erbitten, weil sich viele Bereiche nicht ohne weiteres mit denen in der übrigen Wirtschaft vergleichen lassen. So zeigt der Bericht der Bundesregierung in klarer und knapper Form die spezifischen Probleme im landwirtschaftlichen Bereich auf. Er sagt aber ebenso offen, daß eine umfassende Darstellung nicht möglich ist, weil wesentliche Forschungsergebnisse und statistische Erhebungen noch fehlen oder leider noch nicht in Auftrag gegeben werden konnten. Wichtig wäre hierbei besonders die Untersuchung des Zusammenhangs von ländlichem Haushalt und landwirtschaftlichem Betrieb, der mehr und mehr als eine sozial-ökonomische Einheit gesehen wird. Mehr als bisher muß das Interesse dem engeren Arbeitsbereich der Frau, dem Wohnhaus und dem gesamten Haushalt gewidmet werden, um eindeutige Aussagen machen zu können über die Doppelaufgabe der Landfrau. Auch in der Bundesrepublik Deutschland ist die Landwirtschaft dem harten Gesetz der Umstrukturierung unterworfen, die eine. Folge jedes wachsenden Industriestaates ist. Unsere bäuerliche Bevölkerung beträgt nur noch 7% der Gesamtbevölkerung, und die Zahl der in der Landwirtschaft Erwerbstätigen beträgt nur noch 1/10 (knapp 11 %). Es ist aber in unserem Land zu wenig bekannt, daß dieser so stark reduzierte Berufsstand (inner- Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1967 4061 halb von 15 Jahren gab er 40% seiner Arbeitskräfte ab), daß dieses 1/10 mehr als 3/4 unserer Bevölkerung mit eigenen Nahrungsmitteln ernährt. Die Arbeitsproduktion ist um 200 % seit 1950 in der Landwirtschaft gestiegen, und die übrigen wiederum 80 °/o. An dieser erstaunlichen Produktivitätssteigerung, die durch staatliche Maßnahmen bei uns sehr gefördert wurde, die aber nicht ohne den vollen Einsatz der bäuerlichen Familie möglich gewesen wäre, an dieser Produktionssteigerung ist die Fr au in der Landwirtschaft in erheblichem Umfang beteiligt. Zwei Zahlen machen dies deutlich. Der Anteil der weiblichen Erwerbstätigen in der Landwirtschaft beträgt an der Gesamtzahl aller weiblichen Erwerbstätigen nicht nur 11, sondern 17,5 %. Die Zahlen sind nicht immer vergleichbar, weil sie zu anderen Zeiten erhoben wurden, aber doch zeigen sie den Trend auf. An der Gesamtzahl aller in der Landwirtschaft Erwerbstätigen sind die Frauen mit 53,5 % beteiligt, sie stellen also mehr als die Hälfte der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte. Hier wird bereits die Verschiedenheit zu den anderen Wirtschaftsbereichen deutlich: 1. In der Landwirtschaft herrschen die Selbständigen und die mithelfenden Familienangehörigen vor, sie stellen ca. 90 % aller Erwerbstätigen im Gegensatz zur übrigen Wirtschaft, wo der Anteil beider nur insgesamt 13 % beträgt und den Hauptteil der weiblichen Erwerbstätigen die Arbeiterinnen, Angestellten und Beamtinnen stellen. Also das umgekehrte Verhältnis! Es herrscht in der Landwirtschaft die Familienarbeitsverfassung vor, die sich sehr bewährt hat und in Not- und Krankheitszeiten eines Familienmitgliedes die einzige Überbrückungsmöglichkeit ist, die aber auch ihre Risiken hat besonders im Blick auf die soziale Sicherung. Die soziale Sicherung ist hier in die Entscheidungsfreiheit des Bauern gestellt. Er sollte gerade im Blick auf seine Familie die vorhandenen Sicherungsmöglichkeiten noch stärker als bisher nutzen. Die Debatten werden immer lebhafter darüber, inwieweit er zu Versicherungsleistungen verpflichtet werden soll. 2. Die weiblichen Erwerbstätigen in der Landwirtschaft rekrutieren sich mehr und mehr aus den Ehefrauen der Betriebsinhaber, sie betragen ca. 3/4 aller in der Landwirtschaft erwerbstätigen Frauen. Die Fremdarbeitskräfte sind entweder zu teuer oder nicht zu bekommen, die Töchter wandern frühzeitig ab, die ledigen Verwandten gibt es heute nicht mehr. Der Bericht macht deutlich, wie stark die Frauen im Betrieb, vor allem dort, wo die Technisierung nicht in vollem Umfang möglich ist, mit eingespannt sind, besonders hoch ist ihr Arbeitsanteil in der Veredlungswirtschaft. Je nach Größe des Hofes schwankt ihr Beitrag am Gesamtarbeitsaufwand zwischen 35 und 50 %. Wie eine umfangreiche Befragung von ca. 800 Bäuerinnen ergab, ist ihre Arbeitsbelastung in den Betrieben zwischen 5-20 ha am größten. Sie wünschen sich alle am sehnlichsten eine körperliche Entlastung und mehr Zeit für die Familie. Sie wollen gerne am Betriebsgeschehen teilnehmen, sie wollen mitplanen, mitsparen, damit der Betrieb konkurrenzfähig bzw. existenzfähig werden oder bleiben kann. Sie wollen voll und ganz Partnerin ihres Mannes sein. Besonders bei den jungen Bäuerinnen ist zu beobachten, wie eifrig sie die Buchführungskurse besuchen, um damit zum Betriebserfolg beizutragen. Es wäre sehr zu begrüßen, wenn diese Realitäten stärker gesehen würden bei der Berechnung der Arbeitskräfte in einem landwirtschaftlichen Betrieb. Es ist unser fester Wunsch und muß unser aller Ziel sein, der ländlichen Mutter Entlastung vom Außenbetrieb zu gewähren. Solange dieses Ziel aber noch nicht erreicht ist, muß ihre Arbeitsleistung, die sie neben ihrer großen Familie für den Betrieb erbringt, voll und ganz anerkannt und angerechnet werden. Eine zweite Folgerung müssen wir aus diesem vorliegenden Bericht entnehmen. Die Landfrau sollte einen höheren Schutz ihrer Gesundheit erhalten. Erfreulich ist, daß in der Novellierung des Altershilfegesetzes auch Erhaltungskuren für die Landfrau ermöglicht wurden. Durch die Unentbehrlichkeit der Bäuerin auf dem Hof hat sie aber kaum eine Möglichkeit des Ausspannens. 85 % aller Bäuerinnen haben noch nie Ferien gemacht. Was für sie eine Müttererholung bedeutet, können die ermessen, die mit diesen Frauen einmal dort zusammen waren. Wie fröhlich sie plötzlich nach einigen Tagen des Ausruhens und vor allem des Aussprechens wurden, und wie aufgeschlossen sie allen Problemen unserer Zeit gegenüberstehen! Da die Bäuerin im allgemeinen aber nur wegkann, wenn ein Ersatz für sie da ist, ist es dringend nötig, daß mehr Hilfskräfte hierfür bereit stehen. Hier ist der neue Beruf der Dorfhelferin eine große Hilfe. Gleich dem Betriebshelfer, der den Unternehmer zu ersetzen hat, hat sie den vollen Pflichtenkreis der Bäuerin zu übernehmen. Da dieser Pflichtenkreis heute sehr viel anspruchsvoller und differenzierter geworden ist, gehört dieser Beruf der Dorfhelferin eindeutig zu den sozialpflegerischen Berufen und ist als solcher auch entsprechend zu vergüten. Er sollte so bald als möglich in den Berufsgruppenkatalog für Angestellte aufgenommen werden. Die 3. Folgerung, die wir aus dem Bericht zu ziehen haben, ist die Verbesserung der Wohnsituation der bäuerlichen Familie. Hierzu kommen auch auf dem Land die vermehrte Errichtung von Kindergärten, die vordringlich jedoch Aufgabe der Länder ist. Wir wissen heute, wie eng Betrieb und Wohnung im Familienbetrieb zusammengehören. Wir wissen aber auch, wie überaltert der Wohnbestand auf dem Lande ist. Wenn wir hören, daß der größte Teil der bäuerlichen Wohnhäuser noch aus der Zeit vor 1900 stammt, daß sowohl die sanitären Einrichtungen wie vor allem auch die Möglichkeit, rasch und genügend warmes Wasser zu haben oder eine Sammelheizung zu besitzen, um eine warme Wohnung zu haben, noch zu den Seltenheiten gehören, was in unseren neuen Häu- 4062 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1967 Bern bereits schon zur Selbstverständlichkeit geworden ist, dann wird uns deutlich, wie groß hier der Nachholbedarf im Bauernhaus noch ist. Im Grünen Plan wurde deshalb im Rahmen der Agrarstrukturverbesserung auch von Seiten der Bundesregierung ein erfolgreiches Sanierungsprogramm geschaffen, das sog. Bäuerinnenprogramm, das mit einem minimalen Zuschußbetrag doch die ersehnte Starthilfe gibt, wärmehygienische und sani-tare Verbesserungen im Wohnhaus vorzunehmen, ohne dadurch in zu hohe Schulden zu geraten. 137 000 Bauernhäuser konnten auf diese Weise in den letzten 3 Jahren mit Hilfe geringer Staatsmittel saniert werden, 700 000 bedürfen noch dieser Maßnahme. Gerade heute, wo wir gezwungen sind, gewissenhaft alle Posten zu durchforsten, ob die staatl. Gelder auch sinnvoll verwendet werden, scheint mir diese Maßnahme ein Musterbeispiel dafür zu sein, wie durch einen dringend nötigen, aber klein gehaltenen Beitrag echte Hilfe zur Selbsthilfe gewährt werden kann, die nicht nur einzelnen Personen oder Personengruppen, sondern unserer gesamten Gesellschaft indirekt zugute kommen, ist sie doch zugleich eine Möglichkeit, die soziale Disparität im Dorf und zwischen Land und Stadt zu verringern. Die vierte Folgerung, die wir aus dem Bericht vordringlich zu ziehen haben, ist die Frage der Bildung. Erstens: Es kann sich der moderne landwirtschaftliche Betrieb in Zukunft nur noch behaupten, wenn seine Besitzer bereit sind, alle Anstrengungen zu unternehmen, um Schritt zu halten mit unserer Zeit. Das betrifft Mann und Frau. Auch wenn ihr die körperliche Entlastung zuteil wird, sollte sie die Probleme kennen und mit ihrem Mann beraten können Auch das Wissen ist heute dem Verbrauch unterworfen und muß ständig erneuert und verbessert werden. Zweitens muß das Bildungsgefälle, das zwischen Stadt und Land heute noch vorhanden ist, weil die Einrichtungen bisher fehlten — und vielleicht auch manchmal die Bereitschaft, sie zu nutzen —, beseitigt werden. Vor allem ist es heute auch für die Mädchen wichtig, einen Beruf zu erlernen. Eine gute Ausbildung ist heute die beste Aussteuer, die die Eltern ihren Kindern in die Welt von morgen mitgeben können. Erfreulich ist, daß der Bericht aufzeigt, daß mehr und mehr wieder die sozialen, die pädagogischen und die pflegerischen Berufe von den Landmädchen bevorzugt werden. Es wäre hier vieles dazu zu sagen. Besonders auch im Blick auf die hauswirtschaftliche Ausbildung, die heute wieder neue Bedeutung hat. In der Erwachsenenbildung auf dem Lande leisten die Landwirtschaftsschulen mit ihren ländlichen hauswirtschaftlichen Beratungsstellen seit langem Vorbildliches. Besonders erwähnen möchte ich hierbei auch den Musterdienst „Wohnen und Haushalten", der durch Ausstellungen und Beratung sowohl den Landfrauen als auch den Stadtfrauen eine unentbehrliche und sehr sinnvolle Hilfe in bezug auf eine moderne Haushaltsführung geworden ist. Zuletzt soll jedoch hingewiesen werden auf die Eigeninitiative der Landfrauen selbst. Der Deutsche Landfrauenverband, der mit zu den größten Frauenverbänden der Bundesrepublik Deutschland gehört, sowie die evangelischen und katholischen Landfrauenvereine leisten seit Jahrzehnten eine vorbildliche Arbeit. Die Landfrau bejaht die Doppelaufgabe in Haushalt und Betrieb, die nie ganz zu umgehen sein wird. Gerade deshalb ist es aber auch unsere Aufgabe als Politiker, ihr dort, wo ihre Kraft überfordert wird, Hilfestellung zu geben. Ihre Hauptrolle sollte sie immer in der Familie haben können, ihre Mitwirkung im Betrieb in ihrer eigenen Entscheidung stehen. Neue Möglichkeiten bieten die Bildungsprogramme des Fernsehens, dessen individuell orientierte Programme auch für die Landfrau wichtig wären. Auch hier gilt letztlich der Grundsatz der Union, die Entscheidungsfreiheit des einzelnen Menschen voll zu gewährleisten. Bis dahin gilt jedoch unser uneingeschränkter Dank der hohen Pflichterfüllung und Leistung, die unsere Landfrauen als unentbehrliche Helfer an der Seite ihrer Männer vollbrachten und weiter vollbringen. Die Verbesserung des Einkommens der Landwirtschaft würde so gesehen nicht nur den harten Einsatz erleichtern helfen, sondern auch gleichzeitig die psychologische Last von den Landfrauen nehmen, daß sie trotz allen Fleißes auf Subventionen angewiesen sind, obwohl diese Subventionen in erster Linie zur Entlastung des Verbrauchers geschaffen sind. Hier warten noch viele Aufgaben einer gerechten Lösung. Um ihnen gerecht zu werden, bedarf es noch besonders im Blick auf die Frauensituation in der Landwirtschaft gründlicher Untersuchungen, wie im Bericht auch angedeutet ist; sie sollten baldmöglichst erfolgen. Ich möchte deshalb das Hohe Haus um Zustimmung bitten, daß der Ernährungsausschuß des Deutschen Bundestages gutachtlich im Blick auf die Situation der Frau in der Landwirtschaft bei der Weiterbehandlung der Frauenenquete gehört wird. Anlage 6 Schriftliche Erklärung der Abgeordneten Frau Kalinke (CDU/CSU) zu Punkt 2 der Tagesordnung. Die Frauenenquete gibt ein Darstellung der Situation in allen Zweigen der Sozialversicherung, insbesondere der Kranken-, Renten- und Unfallversicherung, der Sozialhilfe, der Kriegsopferversorgung und der Sonderversorgungen jeder Art. Die Text-Tabellen zeigen in welchem Maße die Leistungen der ergänzenden Sozialhilfe aufgegliedert sind und in welchem Umfang Hilfen für Gefährdete, für Alte, für Kranke, für Behinderte, für werdende Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1967 4063 Mütter und Wöchnerinnen, kurzum, für fast alle Lebenslagen gegeben werden. Die Frauenenquete stellt ferner gründlich dar, inwieweit „Frauen im Beruf" und „Frauen im Haushalt ohne Beruf" umfassende Möglichkeiten der sozialen Sicherung in der Bundesrepublik haben. Sie zeigt auch die Probleme auf, die durch den vermehrten Frauenarbeitseinsatz, durch die Doppelrolle der Frau und durch ihre Belastung zu Sonderlösungen geführt haben. Schließlich ist dargestellt, in welchen Bereichen die Frau als Arbeitskraft in der Volkswirtschaft dem Bedarf des Arbeitsmarktes, auch durch Teilzeitarbeit, entspricht und wieweit im Sozialrecht diese Tatsache berücksichtigt ist. In der Frauenenquete wurde ferner deutlich — obwohl eine Koordinierung mit der Sozialenquete aus Gründen des unterschiedlichen Auftrags nicht möglich war —, daß die sozialrechtlichen Vorschriften des Grundgesetzes und die verfassungsrechtlichen Entscheidungen, die die Rechtsstellung der Frau, den Schutz der Ehe und Familie, die Gleichstellung unehelicher Kinder — um nur einige Punkte zu nennen — in der Sozialgesetzgebung des Bundes gewährleisten, verwirklicht sind. Wozu die Frauenenquete nicht Stellung nimmt — und nach dem ersten Auftrag auch noch nicht Stellung nehmen konnte —, ist das Spannungsverhältnis, das sich aus dem Rechts- und Sozialstaatsprinzip ergibt und das die Frage aufwirft, wo die Grenzen der dem Staat gegebenen Aufgaben gezogen sind. Dieser Problemkreis ist sofort angesprochen, wenn es um die Frage der Einbeziehung der selbständigen Frauen, der Angehörigen der freien Berufe in die Sozialversicherungspflicht geht. Er ist ferner angesprochen, wenn es um die Prinzipien der Wahlfreiheit und der Selbstbestimmung der Bürger geht, über den Umfang ihres Versicherungsschutzes von einer gewissen Einkommenshöhe an selbst über Form, Inhalt und Maß der Sicherung zu entscheiden. Die Frauenenquete weist zu dem Thema „Kreis der Versicherten" darauf hin, daß der Versicherungsschutz sich nicht nur auf die pflichtversicherten weiblichen Arbeitnehmer, sondern auch auf freiwillig weiterversicherte Ehefrauen wie auf versicherte selbständige Personen bezieht, deren Einkommen in der Krankenversicherung die zur Zeit gültige jährliche Versicherungspflichtgrenze von 10 800 DM nicht übersteigt. In diesem Zusammenhang muß darauf hingewiesen werden, daß bei manchen oberflächlichen Betrachtungen der sozialen Sicherheit der nicht oder nur zeitweise berufstätigen Frauen übersehen wird, daß die bisherige Sozialgesetzgebung diese Möglichkeit in großem Maße erschließt. Schließlich ist aus dem Bericht erkennbar, in welch großem Umfang in den letzten Jahren die Ausweitung der Personenkreise erfolgt ist, die der Sozialversicherung freiwillig beitreten können. Dazu gehören in der Krankenversicherung die Familienangehörigen des Arbeitgebers, z. B. Ehefrauen oder Töchter eines Gewerbetreibenden, oder selbständige Landwirte, selbständige Gewerbetreibende oder andere Betriebsunternehmen, wenn sie regelmäßig keine oder höchstens zwei Versicherungspflichtige beschäftigen, z. B. selbständige Schneiderinnen, Friseusen, Geschäftsfrauen sowie landwirtschaftliche Betriebsinhaberinnen. Schließlich sind alle Frauen, auch die nicht mehr berufstätigen Hausfrauen, wenn sie eine Rente beziehen, in der Krankenversicherung der Rentner versichert, ohne Rücksicht auf Rente und Gesamteinkommen. Ein großer Teil der Hausfrauen, die Kriegerwitwen sind, haben Anspruch auf Krankenbehandlung als versorgungsberechtigte Hinterbliebene. Leider gibt es keine statistischen Angaben über die Zahl der Witwen, die von diesem Anspruch auf Krankenbehandlung Gebrauch macht. Zu dem kleinen Kreis von Selbständigen, die den Arbeitnehmern gleichgestellt sind, gehören z. B. die Hausgewerbetreibenden, die niedergelassenen Hebammen sowie die in der Kranken-, Wochen-, Säuglings- und Kinderpflege selbständig tätigen Personen. Schließlich ist in keinem Land der Welt die kostenlose Familienhilfe so großzügig fortentwickelt wie in der Bundesrepublik Deutschland. Der Versicherungsschutz der mitversicherten Familienangehörigen erstreckt sich auf die unterhaltsberechtigten Ehegatten und die unterhaltsberechtigten Kinder. Dieser Personenkreis ist durch Satzung der Kassen oft so weit ausgeweitet, daß Verwandte und verschwägerte Familienangehörige, die den Haushalt der verhinderten Ehefrau führen, Mütter, Schwestern und Schwiegereltern als Mitversicherte erfaßt sind. Auch die unterhaltsberechtigten Familienangehörigen von Soldaten, die zum Grundwehrdienst oder zur Wehrübung einberufen sind, können mitversichert werden. So umfassend auch der Versicherungsschutz in der Bundesrepublik geregelt ist, so wäre es ein Versäumnis, nicht auf einige heiße Eisen hinzuweisen, die die Frauenenquete nur zum Teil andeutet, die jedoch die Sozialenquete deutlicher anspricht. Hierzu gehören Fragen, die die Verwirklichung der Gleichberechtigung betreffen, z. B. das Thema der Witwenrente. Eine Ehefrau erhält nach dem Tode ihres versicherten Ehemannes eine Witwenrente. Sie beträgt 60 v. H. der für den Zeitpunkt des Todes berechneten (fiktiven) Berufsunfähigkeitsrente des Ehemannes oder — wenn die Witwe 45 Jahre alt oder berufsunfähig oder erwerbsunfähig ist oder mindestens ein waisenberechtigtes Kind erzieht —60 v. H. der (höheren) Erwerbsunfähigkeitsrente des Ehemannes. Im Gegensatz zur Witwerrente, die nur zu zahlen ist, wenn die verstorbene Ehefrau den Unterhalt ihrer Familie überwiegend bestritten hat, ist bei der Witwenrente kein Unterhaltsnachweis zu führen. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Juli 1963 ist diese Regelung im Rahmen der Verfassung möglich. In Zukunft wird zu prüfen sein, wieweit sie der sozialen Wirklichkeit entspricht und in welchem Umfang Frauen Ehemänner und sonstige Familienangehörige überwiegend unterhalten. Ich glaube, daß das gar nicht so selten ist. Wir sollten mehr darüber wissen. Ein anderes heißes Eisen ist seit der Rentenreform von 1957 nicht beseitigt. Es ist das leider durch das Fehlen nur weniger Stimmen nicht gelöste sozialpolitische Problem des Rechtsanspruchs auf Eltern- und Hinterbliebenenrente von alleinstehenden Versicherten, die Elternteile freiwillig und oft vollstän- 4064 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1967 dig mitunterhalten haben. Es handelt sich hier vor allem um Frauen, ledige, verwitwete und geschiedene alleinstehende Frauen, die mit freiwillig übernommenen Familienpflichten oft ungewöhnlich belastet und daher auch immobil sind. Sie werden in ihren Aufstiegschancen und in ihrer Weiterbildung gehindert. Diese Situation muß unbedingt gründlich untersucht werden. Der Hinweis auf vorübergehende finanzielle Engpässe darf dabei nicht hinderlich sein. Im Rahmen der Elternversorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz werden die wirtschaftlichen Nachteile, die durch den Tod von Kindern eingetreten sind, ausgeglichen. Damit wird auch den Belangen der Kriegermütter Rechnung getragen. Eine Sondererhebung vom 28. 2. 1965 gibt Auskunft über die Zahl der Elternteil- und ElternpaarRenten, die in die Elternversorgung des BVG einbezogen sind. Demgegenüber kennt die Sozialversicherung diesen Rechtsanspruch bei berufstätigen Frauen, die ein Leben lang für Angehörige gesorgt haben, noch nicht. Das Arbeitsministerium war auch nicht in der Lage, weder bei der Diskussion dieses Themas 1956/57 noch bei der Härte-Novelle vor zwei Jahren, Auskunft zu erteilen. Wir müssen darüber Bescheid wissen und werden das Problem erneut im Ausschuß zur Diskussion stellen müssen. Zu der Versorgung der Frau als Kriegerwitwe gehört auch das wichtige Thema der Kapitalabfindung und der Heiratsabfindung. Hier wäre es nützlich, zu wissen, welche Erfahrungen mit der Kapitalabfindung im Zusammenhang mit der Eigentumsbildung als soziale Sicherheit und mit der Heiratsabfindung im Zusammenhang mit dem Verlust des Ernährers in der zweiten Ehe gemacht worden sind, ehe im Zusammenhang mit der Frage des Wiederauflebens der Rente weitere Initiativen zu ergreifen sind. So wichtig wie die Auskunft über die Heirats- und Kapitalabfindung in der Kriegsopferversorgung ist, so notwendig ist auch das Wissen um die Probleme der Beitragserstattung bei Verheiratung in den Rentenversicherungen und die notwendige Aufklärung über die Konsequenzen des Verlangens nach solcher Beitragsrückgewähr für die Frauen, die für eine bestimmte Zeit aus dem Beruf ausgeschieden sind, um ihn dann wieder aufzunehmen. Das Arbeitsministerium hat Erhebungen angekündigt, aus denen die Auswirkungen der verbesserten Leistung für Frauen, vor allem die Sonderregelungen für schwerbeschädigte Hausfrauen im Rahmen des Berufsschadensausgleichs und die Sonderregelungen für beschädigte Hausfrauen beim Einkommensausgleich erkennbar sein sollen. Wir begrüßen diese Absicht; denn nur nach Kenntnis der Untersuchungsergebnisse können Schlüsse für eine sachgerechte Fortentwicklung des Versorgungsrechts gezogen werden. Diese wenigen Hinweise zeigen, daß mit einer Fülle von Gesetzgebungsakten und Verordnungen, zuletzt durch die Härte-Novelle, vor allem für die mit freier Station in der Haus- und Landwirtschaft Beschäftigten der veränderten Situation der Frauen Rechnung getragen worden ist. Manche Sonderlösungen im Arbeitsrecht, so z. B. der Hausfrauentag, sind durch die Verkürzung der Arbeitszeit weitgehend überholt. Sonderlösungen im Steuerrecht ergänzen die Sozialpolitik. Andere Sonderlösungen sind z. B. für die Frauen in den Gesundheitsberufen, für Krankenschwestern, für medizinisch-technische Assistentinnen, für Krankengymnastinnen und dergleichen, die noch kaum eine verkürzte Arbeitszeit kennen, dringend notwendig. Auch von der großen Leistung der Frauen, die als selbständige Unternehmerinnen Verantwortung tragen, sowie der der mitarbeitenden Ehefrauen ist in der Enquete wenig gesagt. Aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 26. 11. 1964 hat der Bundestag die Beschäftigung von Ehefrauen der freiberuflich Tätigen, die bisher versicherungsfrei waren, in die Versicherungspflicht der Rentenversicherung miteinbezogen, so daß damit dem Verlangen solcher selbständig tätigen Ehefrauen, die ein Arbeitnehmerverhältnis haben, Rechnung getragen wurde. Aber auch dieser Personenkreis ist bisher schon durch Sparverträge in der privaten Rentenversicherung in großem Maße selbstverantwortlich gesichert. So zeigt die Zusammensetzung des Neuzugangs in der Lebensversicherung, in welchem Maße Frauen als Unternehmerinnen, als Angehörige der freien Berufe, als Inhaberinnen von gewerblichen Unternehmen und als Handwerksmeisterinnen wie als mitarbeitende Ehefrauen allein oder in Gemeinschaft mit ihren Ehemännern Vorsorge getroffen haben. Leider sagt die Frauenenquete darüber nichts aus. Es müßte durch weitere Untersuchungen festgestellt werden, wie hoch der Prozentsatz derjenigen ist, die sich selbstverantwortlich individuell versichert haben. An einigen Stellen, so z. B. bei der Unfallversicherung, weist die Enquete darauf hin, in welchem Maße die private Unfallversicherung ihr Teil zur sozialen Sicherheit auch der Hausfrauen beiträgt. Es fehlt der Hinweis auf den Anteil, den die private Kranken- und Rentenversicherung im System unserer sozialen Sicherheit hat. Die Sozialgesetzgebung kann das durch Erziehung in Haus und Schule noch nicht ausreichend geförderte neue Verständnis der Ehe als Partnerschaft und der Rolle, die Mann und Frau in Zukunft darzustellen haben, nicht allein lösen. Aber es muß, um auch die heißen Eisen offen anzusprechen, vor Illusionen gewarnt werden. Die Gesellschafts- und die moderne Familienpolitik können nicht — ohne Schaden anzurichten — einfach revolutionäre Sprünge machen, wie sie z. B. im Zusammenhang mit Frauenenquete und Sozialenquete erwartet werden, wenn von einer Ablösung der Familienleistung und einer neuen Form der Hausfrauenrente die Rede ist. Die CDU wird dieses Problem ganz besonders beachten und die Fragen der Hausfrauenrente gründlich prüfen. Zu der neuen Rolle des Ehemannes der berufstätigen Frau gehört das Verständnis für die Notwendigkeit der Weiterversicherung in der Sozialversicherung oder einer individuellen Sicherung auch für die nicht berufstätige Ehefrau und für die junge Frau, die nach kürzerer oder längerer Berufs- Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1967 4065 tätigkeit aus dem Beruf ausscheiden muß, weil die Familie ihre ganze Kraft in Anspruch nimmt. Wer neue Wege ohne präzise Vorschläge zu ihrer Verwirklichung fordert und wer trotz der Verbesserung der Witwenversorgung in der Sozialversicherung wie im Kriegsopferrecht meint, neues Recht für nicht berufstätige Hausfrauen zu schaffen, muß sich der Diskussion stellen und sich darüber klar sein, daß die Einführung von Hausfrauenrenten für nicht berufstätige Hausfrauen das Gebäude der Familienpolitik im Rahmen der Sozialversicherung erschüttert, wie es die Sozialenquete-Professoren auch andeuten, und damit den Rechtsanspruch auf Witwenrenten in Gefahr bringt. Die großzügige Hinterbliebenenversorgung in der Versicherung und Versorgung unserer Sozialgesetze, aber auch im Beamtenrecht, wirft zwei Fragen auf, erstens ob denen, die nach einer eigenen Hausfrauenversorgung rufen, dieses System überholt erscheint, und zweitens, ob diejenigen, die eigene Versicherungsansprüche für Ehefrauen im Rahmen der Sozialversicherung wünschen, bereit sind, entsprechende Beiträge für diesen Versicherungsanspruch zu leisten. Hier sind die Ehemänner angesprochen! Ohne erhebliche Beiträge für die Sicherung der Hausfrau kann es keine ausreichende Rente aus eigener Versicherung geben. Die Erfahrungen des Deutschen Hausfrauen-Bundes und seine anerkennenswerten Bemühungen um Aufklärung und Selbsthilfe mit dem „Hausfrauen-Rentenversicherungsdienst" haben gezeigt, daß die jüngeren Hausfrauen, die durch relativ. geringe Monatsbeiträge angemessene Renten in der privaten Rentenversicherung erwerben könnten, noch zu wenig aufgeschlossen für solche selbstveranwortliche Sicherung sind. Wahrscheinlich sind es die Ehemänner in noch geringerem Maße. Die Erfahrungen zeigen aber auch, daß vor allem die älteren Hausfrauen, die schon in der Nähe des Rentenalters sind, das Nichtvorhandensein einer ausreichenden Altersversorgung bedauern und eigene Renten anstreben. Die für solche Renten geleisteten Beiträge sind allerdings in der Regel viel zu gering und die Beitragszeiten bei einem späteren Eintritt in ein Versicherungsverhältnis viel zu kurz, um noch ausreichende Monatsrenten zustande zu bringen. Mit weiteren Bagatell- oder Kleinstrenten kann aber niemand gedient sein, der dieses Problem sozialpolitisch ausreichend lösen möchte. Hier muß die Öffentlichkeit wissen, daß die überholten Vorstellungen aus der Zeit vor der Währungs- und Rentenreform revidiert werden müssen und daß niemand für einen geringen Beitrag eine hohe Altersrente, die — wie die Lebenserwartung der Frauen zeigt — durch Jahrzehnte gezahlt werden muß, erhalten kann. Eine solche Altersrente, wie sie auch Professor Achinger in der Sozialenquete angesprochen hat und für die er keine praktikablen Lösungen aufzeigt, könnte in der Individualversicherung wahrscheinlich leichter als in der gesetzlichen Rentenversicherung gelöst werden, weil für die Rentenversicherung der Arbeitnehmer bei unserer Rentenformel der Individualfaktor und die allgemeine Bemessungsgrundlage — auf die Hausfrauen angewandt — bedeuten, daß man ein Arbeitnehmerverhältnis und ein dem Gehalt oder Lohn ähnliches Einkommen für Hausfrauen voraussetzen muß. Ich unterstelle, daß bei aller Unterschiedlichkeit der Vorbildung, der Fähigkeiten und der Leistung der Hausfrauen das Gehalt einer Hauswirtschaftsleiterin und vielleicht noch das Teilgehalt einer Erzieherin zur Grundlage genommen werden könnte. Ich unterstelle, daß eine 4%ige Lohn- und Gehaltsentwicklung in die Zukunft hinein vorausgesetzt werden kann; dann würden in der Sozialversicherung nicht mehr Beitragssätze, wie sie vor 1948 galten, nämlich 5,6 % des Einkommens, sondern Beitragssätze, wie sie morgen und übermorgen gelten werden, nämlich 15, 16 oder 18 % des Einkommens, entrichtet werden müssen. Das würde bedeuten, daß bei einem Einkommen von 1000 DM, wie es in der Literatur eine Rolle spielt, 150 bis 180 DM monatlich an Beiträgen aufzubringen wären, vergleichbar dem durchschnittlichen Versicherungsleben einer Arbeitnehmerin für 30 bis 35 Jahre, um eine entsprechende Rente zu erhalten. Selbst bei einem Beitrag von monatlich 150 DM würde die Rente nach zehn Jahren nur etwa 140 DM ausmachen. Sie bliebe also immer unter oder in der Nähe des Fürsorgerichtsatzes. Das von Professor Achinger angestrebte Ziel ist also nicht ohne einen entsprechenden Preis zu erreichen. Wer nun die Vorstellung hat, er könne bei einer Öffnung der Rentenversicherung an Stelle der vor 1948 in der Arbeiterrentenversicherung geleisteten freiwilligen 3 DM oder 4,50 DM Beiträge oder in der Angestelltenversicherung gezahlten 50 DM für die freiwillige Versicherung nun ab -1. Januar 1968 beispielsweise 14 DM in der Klasse A oder 56 DM in der Klasse D als freiwilligen Beitrag zu einer Versicherung für Hausfrauen in der gesetzlichen Rentenversicherung leisten, würde unter der Voraussetzung, daß die Löhne ab 1968 gleich bleiben und die Wartezeit für diesen Zweck sogar auf zehn Jahre herabgesetzt würde, die Rente bei einem Monatsbeitrag von 14 DM nach 10 Versicherungsjahren monatlich 15 DM, nach 20 Versicherungsjahren monatlich 30 DM, nach 40 Versicherungsjahren 60 DM betragen. Zahlt die Betreffende das Vierfache, also 56 DM monatlich, würde die Rente nach 10 Versicherungsjahren monatlich 60 DM, nach 20 Versicherungsjahren monatlich 120 DM, nach 40 Versicherungsjahren monatlich 240 DM ausmachen. Vorausgesetzt, daß die Lohnerhöhung ab 1968 regelmäßig 4 % ausmacht und die Rentenformel nicht geändert wird, würde sich für die Versicherte folgende Rentenberechnung ergeben: Bei einem Monatsbeitrag von 14 DM nach 10 Versicherungsjahren monatlich ca. 17 DM, nach 20 Versicherungsjahren monatlich ca. 41 DM, nach 40 Versicherungsjahren monatlich ca. 132 DM; bei einem Monatsbeitrag von 56 DM nach 10 Versicherungsjahren monatlich ca. 67 DM, nach 20 Versicherungsjahren monatlich ca. 165 DM, nach 40 Versicherungsjahren monatlich ca. 527 DM betragen. In der privaten Rentenversicherung würde sich das Beispiel wie folgt darstellen: Bei einem Monatsbeitrag von 15 DM, geleistet mit 45 Jahren, beträgt die Rente beim 60. Lebensjahr monatlich 4066 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1967 17 DM, beim 65. Lebensjahr monatlich 30 DM, bei einem Monatsbeitrag von 50 DM geleistet mit 45 Jahren, beträgt die Rente beim 60. Lebensjahr monatlich 57 DM, und beim 65. Lebensjahr monatlich 96 DM. Hier ist also auch eine 15- bzw. 20jährige Beitragszahlung vorausgesetzt. Erfolgt der Eintritt in die Versicherung erst mit dem 50. Lebensjahr, ist die Chance entsprechend geringer. Man kann mit 60 Jahren bei einer monatlichen Beitragszahlung von 15 DM einen Rentenanspruch von 11 DM bzw. mit 65 Jahren einen solchen von 20 DM erwerben, bei einer monatlichen Beitragszahlung von 50 DM bei Vollendung des 60. Lebensjahres einen Rentenanspruch von 35 DM bzw. des 65. Lebensjahres einen solchen von 67 DM erwerben. Diese Vergleiche sind sehr theoretisch, weil man die Dynamisierung in der Rentenversicherung, die Lohnbezogenheit der augenblicklichen Rentenformel sowie die Einkommensverhältnisse nicht mit Sicherheit in der Sozialversicherung für die nächsten Jahrzehnte voraussagen kann. Ich bin sicher, daß eine solch nüchterne Betrachtungsweise enttäuschend und desillusionierend ist. Aber auf Wahrheit und Klarheit kommt es an, nicht auf sozialpolitische Versprechen, die weder praktizierbar noch realisierbar sind. Hier sollten Untersuchungen darüber angestellt werden, inwieweit nichtberufstätige Hausfrauen durch eine Familienversicherung oder -versorgung geschützt sind und inwieweit berufstätig gewesene oder wieder berufstätig werdende Hausfrauen selbstverantwortlich gehandelt haben. Schließlich hat eine durch zwei Jahrzehnte hindurch erfolgreiche Wirtschaftspolitik und Wohlstandsmehrung, die man trotz aller vorübergehenden Krisengespräche — die auch gemacht werden können — nicht übersehen darf, gesteigerte Sicherheitsbedürfnisse und erhöhte Ansprüche zur Folge, denen Rechnung getragen werden kann, wenn man den Preis der Befriedigung der Ansprüche ehrlich nennt. Ein heißes Eisen, über das wir ebenfalls zu wenig Zuverlässiges wissen, betrifft die Unfälle im häuslichen Bereich und die Behauptung der unzulänglichen Sicherung der Ehefrauen gegen solche Unfälle. Soweit Hausfrauen in zunehmendem Maße berufstätig sind, ist die gesetzliche Unfallversicherung sowohl für die Berufs- als auch für die Wegeunfälle zuständig. Die berufstätige Hausfrau genießt aber keinen Schutz im privaten oder häuslichen Bereich, in dem bedauerlicherweise weit mehr Unfälle möglich sind als bei der Berufsausübung berufstätiger Frauen. Die Zahl der Hausunfälle ohne tödliche Folge wird auf jährlich 3 Millionen geschätzt. Im Rahmen der verschiedenen Aktionen gegen den Unfall, die in vielen Ländern durchgeführt wurden, sind zwar die Unfallursachen festgestellt, völlig unvollkommen scheint die Kenntnis des möglichen Unfallschutzes auch im Haushalt durch preiswerte private Unfallversicherungen, auf die auch das Arbeitsministerium im Zusamenhang mit der Forderung der Einbeziehung der Hausfrauen in den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung hingewiesen hat. Dieses Thema hat auch bei den Beratungen zum Unfall-Neuregelungsgesetz eine Rolle gespielt. Aufklärung tut hier offenbar besonders not. Gegen die Einbeziehung der Hausfrauen in den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung spricht deren System als Haftpflichtversicherung für alle in einem Unternehmen Tätigen. Da sicher niemand unsere Hausfrauen als Arbeitnehmerinnen im Haushalt des Ehemannes zu Beiträgen nach unterschiedlichen und schwer festzustellendem Einkommen— je nach Leistung und Fähigkeit — beurteilen möchte, da auch niemand technische Aufsichtsbeamte in den Haushalt schicken kann, um die private häusliche Intimssphäre zu kontrollieren, würden sich große Schwierigkeiten bei einer gesetzlichen Unfallversicherung für die Hausfrau ergeben. Ministerialdirigent Dr. Haase hat in einem Aufsatz in der „Ersatzkasse" festgestellt, daß man die gesetzliche Unfallversicherung mit diesem Risiko nicht belasten kann, zumal die Prämien der privaten und individuellen Unfallversicherer sich von den Beiträgen der gesetzlichen Unfallversicherung nicht wesentlich unterscheiden würden, und es jeder im Haushalt tätigen Frau grundsätzlich selbst überlassen bleiben muß, ob und in welcher Art sie für den Fall eines häuslichen Unfalls Vorsorge treffen will. Viele der in der Frauenenquete angesprochenen Themen können nur im Zusammenhang mit der Sozialenquete und der in der letzten Legislaturperiode beantragten Altenenquete gesehen werden. Viele Probleme der sozialen Sicherheit sind bedingt durch die längere Lebenserwartung von Frauen und durch die wachsende Zahl der älteren Mitbürger. Hierdurch werden wieder vorwiegend Probleme der Frauen ausgelöst. Durch die Frühehe entstehen weitere psychologische, gesellschaftspolitische und soziale Schwierigkeiten. Es ist dringend notwendig, diese Situation gut zu durchdenken und mehr Material auszuwerten, um zu erkennen, wo hier die Ansatzpunkte sowohl auf dem Gebiet der Vorsorge als auch auf dem Gebiet der Aufklärung gegeben sind, um uns vor künftigen Schäden, aber auch vor Fehlentscheidungen und Illusionen zu bewahren. Die ältere Frauengeneration hat sich in den Jahren nach und während zweier Kriege und in den Jahren der Vertreibung und der Not besonders bewährt, aber diese Bewährung auch mit einem ho- hen Einsatz an physischem und psychischem Kräfteverlust bezahlen müssen. Hier gewinnen die Fragen der vorgezogenen Altersgrenze für berufstätige Frauen eine neue Aktualität. Wie weit die sogenannte Frühinvalidität mit dieser Altersgrenze zusammenhängt, zeigen interessante Untersuchungen aus der Angestelltenversicherung. Es wäre notwendig, weitere Erhebungen anzustellen, die im weiten Bereich der Arbeiterinnen, der weiblichen Angestellten und Beamtinnen — aber auch der Selbständigen — diese Zusammenhänge aufspüren, damit künftige Ansätze in der Vorsorge und Rehabilitation richtig gesteuert werden können. Die Auswirkungen der Frühehen, der wachsenden Scheidungsziffern bei Frühehen angesichts oft un- Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1967 4067 zureichender und nicht abgeschlossener Ausbildung, die Versorgung aus eigener Versicherung oder aus der des geschiedenen Mannes sind in diesem Zusammenhang zu überprüfen. Auch hier sollten wir mehr wissen, um rechtzeitig Entwicklungen vorzubeugen, die morgen auf die Sozialpolitik zukommen. Soziologen, Psychologen, Pädagogen und Mediziner werden nicht müde, auf das veränderte Bild der Frau und die besonderen Belastungen hinzuweisen, die sich für die jungen Frauen heute und morgen ergeben. Hier fehlt noch viel zuverlässiges Wissen, um sozialpolitische Schlußfolgerungen zu ziehen. Sicher ist, daß alle Strukturprobleme der Industriegesellschaft die Frauen am härtesten treffen, daß alle Konjunkturschwankungen auf dem Arbeitsmarkt in der Lohnbewegung sich natürlich auch in der sozialen Sicherung, deren Beiträge lohngebunden sind, auswirken und daß niedrige Löhne der Frauen auch niedrigere Renten zur Folge haben. Fehler der Sozial- und Gesellschaftspolitik sollten nicht immer von den Frauen allein bezahlt werden, die ohnehin für die Fehler der Politik schwer genug einstehen müssen. Eine Untersuchung über Kleinstrenten zeigt, daß in 85 % aller Fälle Frauen betroffen waren. Es wurde ferner festgestellt, daß diese Frauen, sofern sie Kleinstrenten beziehen, zum überwiegenden Teil verheiratet sind und zuletzt freiwillig versichert waren. Hier entstehen besondere Aspekte auch bei der Annahme gering bezahlter Stellungen oder bei der Teilzeitarbeit. Das Problem der Versicherungsfreiheit bei Teilzeitarbeit ist versicherungspflichtig nicht umstritten. Hier muß auch festgestellt werden, daß die sehr viel kürzere Versicherungsdauer der weiblichen Versicherten, die geringe Beitragszahlung, die Unterbrechung des Berufs oder die Übung, bei Heirat von der Beitragsrückerstattung Gebrauch zu machen, eine unregelmäßige Berufstätigkeit und schließlich Heimarbeit Ursachen für Kleinstrenten in relativ vielen Fällen sind. Damit ist nicht ausgesagt, daß die Empfänger dieser Kleinstrenten auch wirklich arme Leute sind. Es wäre notwendig, mit den Tabus zu brechen, Rentenempfänger als eine homogene Gruppe „armer Leute" darzustellen. Nach der Rentenreform .haben alle diejenigen Frauen, die ein Leben lang berufstätig gewesen sind und ausreichende Beiträge gezahlt haben, an erheblichen Rentenerhöhungen teilgehabt. Sofern Frauen bestimmter Berufsgruppen in der Hauswirtschaft, in der Land- und Forstwirtschaft, in der Krankenpflege durch eine zu geringe Bewertung der Sachbezüge besonders niedrige Renten bezogen haben, hat die Härtenovelle auch hier wesentliche Verbesserungen gebracht. Bei all diesen Zusammenhängen muß darauf hingewiesen werden, daß bei Kurz- und Teilzeitbeschäftigung, bei geringer Bildung und Ausbildung und demzufolge niedrigen Frauen-Einkommen auch niedrige Renten die Konsequenz unserer Rentengesetzgebung sein müssen. Es darf dabei das persönlicher Verhalten der Versicherten und die eigenverantwortliche Gestaltung des Versicherungsschutzes, die ein Teil des Rechts auf Selbstbestimmung nach dem Grundgesetz ist, nicht übersehen werden. Auf dem Gebiete der Vorsorge sollten vor weiteren Novellen, die in der Kranken- und Rentenversicherung bevorstehen, sehr gründlich untersucht werden, wieweit die Maßnahmen der einzelnen Träger koordiniert, die Kosten überschaubar gemacht und gespart werden können und wie durch eine bessere Aufklärung und modernere Form der Hilfe für alleinstehende und verheiratete Frauen auch die Frauen mehr Gelegenheit bekommen, von den Möglichkeiten solcher Vorsorgemaßnahmen Gebrauch zu machen. Für den Mann ist es in der Regel viel einfacher, sein Heilverfahren in jedem Jahr — sei es von der Krankenkasse, vom Rentenversicherungsträger, vom Versorgungsamt, über die Beihilfe oder durch die Steuer finanzieren zu lassen. Für das ältere Ehepaar ohne Kinder ist auch die gemeinsame Badekur — oft mit Hilfe der Steuer — finanzierbar. Für die große Zahl der Mütter und der alleinstehenden Frauen mit Unterhaltsverpflichtungen ist eine Badekur nicht realisierbar und die Sanatoriumskur oder der Aufenthalt im Müttergenesungsheim nur unter großen Schwierigkeiten durchzuführen. Hier müssen nicht nur wir ansetzen, sondern hier sind Länder, Gemeinden, Selbstverwaltungsorgane und alle Institutionen angesprochen. Notwendig ist eine Auswertung der Ergebnisse der Badekuren, Sanatoriumskuren und der sonstigen Rehabilitationsmaßnahmen, für die erhebliche Mittel zur Verfügung gestellt werden. Wir brauchen eine Koordinierung der Heilverfahrensmaßnahmen hinsichtlich der Kranken-, Renten-, Unfallversicherung und Kriegsopferversorgung, ferner einen Austausch der Akten untereinander. Das Hin- und Herschieben der Versicherten von einem Träger zum anderen, die Möglichkeit für die einen, jedes Jahr eine Kur zu haben, und die Unmöglichkeit für viele Frauen, nicht einmal eine Möglichkeit zu nutzen. Solange die Öffentlichkeit, und zwar Männer und Frauen, kritisiert, daß die Frau zwei Rollen haben muß und der Mann nur eine haben kann, bleibt die wirkliche Gleichstellung eine Illusion. In der Sozialpolitik wissen wir über die Folgen der Doppelbelastung der Frauen keineswegs genug. Wir kennen sie weder bei der Morbidität noch bei der frühzeitigen Berufsunfähigkeit. Wir wissen zwar, daß die Erholungsbedürftigkeit der Mütter besonders groß und ihre Verwirklichung nur in ganz seltenen Fällen möglich ist. Weil es sich hier um wichtige gesellschafts- und sozialpolitische Probleme handelt, brauchen wir tiefschürfendes Material, um daraus Konsequenzen zu ziehen. Ich wehre mich gegen die vereinfachende Vorstellung von der Frau als Arbeitskraftreserve. Hier müssen wir besonders im Hinblick auf die verheiratete Frau mit kleinen Kindern sehr viel mehr differenzieren. Eltern, Schulen und Arbeitsämtern erwachsen hier neue Aufgaben, für die uns auch die Soziologie Forschungsergebnisse liefern muß. Dem Staat sind hier Grenzen gesetzt. Ohne Einsicht und Neuverteilung der Arbeitsaufgaben innerhalb der Familie und der Geschlechter wird sich die Frau 4068 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1967 weder auf dem Arbeitsmarkt noch in der Gesellschaft behaupten können. Nichts wäre gefährlicher, als die Veränderungen in der Welt, in der wir leben, und die Gefahren, die uns morgen durch strukturelle Veränderungen drohen, zu übersehen und neue Probleme opportunistisch lösen zu wollen, ehe wir die Grundlagen gründlich erforscht haben. Wir müssen auch in der Sozialpolitik in die Rechnung setzen, daß steigende Ansprüche wachsende Kosten verursachen, daß das Umverteilungssystem heute eine veränderte Wirkung hat, daß die vielen „Töpfe" in der Familienpolitik nicht nur im Rahmen der Sozialversicherung und Versorgung, sondern auch im Steuer- und Beihilfenrecht koordiniert und überschaubarer gemacht werden müssen, um gezielt denen zu helfen, die auch heute noch die Hilfe der Gemeinschaft brauchen. Das gelingt nicht, ohne die moralisch-ethischen Werte, die sich im Willen zur Selbsthilfe und in der Bereitschaft zur Selbstverantwortung ausdrücken, aufzuwerten. Wer so denkt — und ich hoffe, daß das noch eine große Mehrheit in unserem Volke ist — erkennt auch die Grenzen der staatlichen Sozialpolitik, die nicht nur von der Wirtschaft und Finanzkraft her gezogen sind. Es geht darum, unsere Gesellschaftspolitik in die soziale Wirklichkeit recht einzuordnen und die Synthese zwischen der Leistungskraft des einzelnen und seiner Familie und den Hilfen der Gemeinschaft, der Steuer- und Beitragszahler, in der Sozialpolitik von morgen zu finden. Hierzu werden Frauenenquete und Sozialenquete viele Anregungen zum Nachdenken geben. Für die Frauen aber gilt, daß sie mehr als bisher über die Möglichkeiten der erfolgreichen und ihnen zugute kommenden Leistungen aufgeklärt werden, damit sie wissen, wie sie die Möglichkeiten, die der soziale Rechtsstaat den Frauen gegeben hat, auch in dem gesellschaftlichen Umwandlungsprozeß genügend nutzen können. Anlage 7 Schriftliche Erklärung der Abgeordneten Frau Renger (SPD) zu Punkt 2 der Tagesordnung. Es geht um ein Thema, das zu unseren Pflichtübungen gehört: Frau in Staat und Gesellschaft, also in der Politik. Leider sind es fast ständig die gleichen Leute, die redeten und die gleichen, die zuhörten, nämlich Frauen. Das in aller Breite behandelte Thema geht nicht nur die Frauen, sondern uns alle an. Obwohl es die an die Frauenenquete gestellte Aufgabe war, die neue Rollenvorstellung der Frau in der Industriegesellschaft zu entwickeln und möglichst auch zu formulieren und dadurch die Grundlagen für die notwendige Vereinbarkeit zwischen der gesellschaftlichen und familiären Rolle vorzubereiten, wurde in der Frauenenquete weitgehend an traditionellen und nicht mehr zeitgemäßen Vorstellungen festgehalten, die der Frau- und Mutterrolle den absoluten Vorrang gegenüber allen anderen Lebensbereichen der Frau einräumen. Eine Einteilung der Frauen nach ”Hausmuttertyp” und einem familienentfremdeten ”Berufsfrauentyp” ist absolut fehl am Platze. Erschwerend tritt hinzu, daß nach dem Bericht der verheirateten Frau ein größeres Prestige eingeräumt wird als der ledigen Frau. Das führt zu der Konsequenz, daß die Menschen nach ihrem Personenstand, nicht aber nach ihrer Leistung beurteilt und bewertet werden. Durch diese Einstellung wird gerade die Politik zu einem isolierten Bereich, der der eigentlichen Aufgabe der Frau diametral entgegengesetzt zu sein scheint. Das mag sogar der Auffassung einer großen Anzahl von Frauen entgegenkommen und die Wahlbeteiligung besonders der jungen Generation bis zum 25. Lebensjahr, die die geringste der weiblichen Wahlbeteiligung war, stimmt einen traurig. Hinnehmen können wir das aber nicht. Im Gegenteil! Man muß der auf dem CDU-Parteitag geäußerten Auffassung widersprechen, „daß es die Aufgabe der Frau sei, sich vom Krampf der modernen Lebensform zu lösen und im Haus für Familie und Kinder zu sorgen. Wenn wir die Zeichen der Zeit richtig verstehen, geht die Tendenz ja eben gerade dahin, Beruf oder gesellschaftliche Mitwirkung mit der uns nicht abzunehmenden und gern geübten Rolle als Frau und Mutter in Übereinstimmung zu bringen. Hier lag ja auch das Schwergewicht des von meiner Partei eingebrachten Antrags zur Erstellung einer Enquete. Kirchliche Institutionen, Gewerkschaften, Parteien und der Gesetzgeber sollten die Frauen im Gegentei ermuntern, ihre Doppelrolle in der Gesellschaft zu spielen — die umgekehrt auch vom Mann gegenüber der Familie verlangt werden muß — und sich ausreichende Kenntnisse über die Zusammenhänge von Gesellschaft, Wirtschaft und Politik zu erwerben, um selbst entscheidungsfähig und entscheidungswillig sein zu können. Die Voraussetzungen dafür sollten in den Schulen beginnen, indem der Gemeinschaftskundeunterricht oder die Soziologie als Lehrfach besser ausgestattet oder überhaupt erst eingeführt werden. Nicht einfach ist es für den Staatsbürger, insbesondere für die Frauen, daß außerordentliche komplexe und in ungeheurer Schnelligkeit wechselnde politische Geschehen zu erfassen. Deshalb ist es die besondere Aufgabe dieses Parlaments, die Zusammenhänge durchsichtig zu machen — und es ist die Verpflichtung der Regierung, den Staatsbürger umfassend und wahrheitsgemäß zu unterrichten. Das Vertrauen zwischen Regierten und Regierenden ist weitgehend von einem solchen Regierungsstil ab- hängig. Ein solches Vertrauensverhältnis entzieht denjenigen extremen politischen Gruppierungen von rechts oder links, die sich das Ziel gesetzt haben, die Demokratie und ihre parlamentarischen Einrichtungen verächtlich zu machen, jeglichen Boden. Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1967 4069 Weiter wird die bei den Frauen besonders vorherrschende Organisationsscheu noch dadurch verstärkt, daß es schon zum guten Ton gehört — auch von Zeitungen und Zeitschriften mit Niveau —, Parteien und besonders ihre Funktionäre negativ darzustellen. Die gesellschaftlichen Leistungen der vielen ehrenamtlichen Funktionäre, die die Demokratie von unten überhaupt ermöglichen, sollte mit Hilfe des Parlaments besser herausgestellt werden. Auch dieses Parlament könnte im eigenen Interesse eine bessere Öffentlichkeitsarbeit machen. Ein weiterer Grund für die Zurückhaltung der Frauen bei der Teilnahme am politischen Leben wurde von Prof. Pöggeler auf einer Frauentagung zutreffend gekennzeichnet: „Vor der Wahl buhlt man um möglichst viele Frauenstimmen, nach der Wahl erfolgt aber eine grobe Vernachlässigung des fraulichen Mitspracherechts. — Der Kampf um den einen Ministerposten nahm regelmäßig nach den Bundestagswahlen peinliche Formen an und stand in krassem Widerspruch zu den Reden mancher Politiker." Die Frage scheint also berechtigt, ob denn die Parteien sich genug um die Mitarbeit der Frauen bemühen und ob sie sich auch Mühe geben, besonders auf der lokalen Ebene, attraktiv genug zu sein. Dem wird immer entgegengehalten — auch die Untersuchung stellt das fest —, Frauenkandidatinnen würden eben nicht gewählt, besonders nicht von den Frauen selbst. Dabei ist einwandfrei festzustellen, daß die Frauen in für ihre Partei guten Wahlkreisen selbstverständlich genauso gewählt wurden wie die Männer. Wo sie nicht gewählt wurden, waren die Chancen für ihre Partei so schlecht, daß auch Männer nicht gewählt worden wären. Daß die vorgenannte Auffassung höchst fragwürdig ist,. zeigt die Tatsache, daß auch in anderen Gremien, Beratungsgremien beim Bund, Richterinnen, Schöffinnen, in der Sozialgerichtsbarkeit oder in Rundfunk, Fernsehen, Presse, bei den Behörden von Bund, Land und anderen Gebietskörperschaften, Selbstverwaltungskörperschaften, also auch da, wo delegiert wird, Frauen gar nicht oder nur in geringem Umfange anzutreffen sind. Der erste Bericht der früheren Bundesregierung bringt auch hier allseits Bekanntes. Leider fehlen weitgehend wissenschaftliche Untersuchungen, Motivforschung bei Männern und Frauen; deshalb fehlen schlüssige Beweise. In einer unabhängigen Sachverständigenkommission geschähe das besser als in einem Ministerium. Den wirklichen „Integrationsprozeß der Frau ins Menschliche" kann man nur zu einem Teil durch gesetzliche und andere Maßnahmen fördern. Die entscheidende Voraussetzung ist, daß man in den Hirnen der Menschen Vorurteile ausräumt und den geistigen Prozeß den bereits vorhandenen Tatbeständen anpaßt. Dieser Bericht hat seine Schwächen und Unvollkommenheiten, und das ist zu beklagen. Seine positive Seite ist: die Aufforderung zum Handeln. Anlage 8 Schriftliche Erklärung der Abgeordneten Frau Stommel (CDU/CSU) zu Punkt 2 der Tagesordnung. Wenn an der Frauenenquete hier und da schon einmal Kritik geübt wird, so auch daran, daß der Teil „Familie und Haushalt" vorangestellt worden ist. Man sagt, es sei zunächst ein Bericht über die Situation der Frau im Beruf verlangt worden. Nun, diese Voranstellung ist durchaus gerechtfertigt, weil über 9,6 Millionen Frauen ihre Erfüllung im Beruf einer Hausfrau sehen. Nach wie vor bilden von allen Frauengruppen die verheirateten, nicht erwerbstätigen Frauen die. stärkste Gruppe, Von 14,4 Millionen verheirateten Frauen waren im April 1964 9,6 Millionen nicht erwerbstätig. Von 12,9 Millionen verheirateten Frauen zwischen 15 und 65 Jahren waren 8,3 Millionen nicht erwerbstätig. Alle diese Frauen waren also Nur-Hausfrauen. Lassen Sie mich zu den Nur-Hausfrauen einige Sätze sagen. Sich selbst hoch genug einzuschätzen und für eine unbezahlbare Kraft zu halten, genügt nicht, den materiellen Arbeitswert einer NurHausfrau und „Nur-Familienmutter" einzustufen und als feste Größe zu respektieren. Hier müssen wir auch einmal fragen: Wieviel ist eine Hausfrau wert? Von Bundesrichter Scheffler wurde ein Gutachten erstellt, in dem es heißt, daß die Familienmutter eines durchschnittlichen Vierpersonenhaushaltes den eigenen Wert mit bestem Recht als eine schon „fast tausend Mark werte Kraft" feststellen kann. Das Ergebnis kann nur den überraschen, der nicht bedenkt, daß die Arbeitszeit der Hausfrau und Mutter im Vierpersonenhaushalt mit 70 Wochenstunden fast um die Hälfte höher liegt als die Arbeitszeit eines Arbeiters oder Angestellten. Man mag über die Notwendigkeit einer solchen Bewertung ruhig streiten. Es ist aber einfach undiskutabel, den Wert der von einer Frau geleisteten Hausarbeit nach der Höhe des Einkommens des Mannes einzustufen. Einer Ehefrau, deren Mann ein hohes Einkommen hat, werden in der Regel mehr zeit- und arbeitssparende Hauswirtschaftsgeräte zur Verfügung stehen als einer Frau, deren Mann wenig verdient. Bei einer Darstellung der Versuche, zu brauchbaren Meßmethoden für die Arbeitsleistung der Hausfrau zu kommen, verdienen auch die Arbeitsergebnisse des Max-Planck-Instituts für Arbeitsphysiologie Erwähnung. Diese Untersuchungen haben ergeben, daß der tägliche Arbeitskalorienbedarf einer Hausfrau etwa dem eines Schwerarbeiters entspricht. Im einzelnen wurde dabei festgestellt, daß an Tagen mit vermehrter Putzarbeit der Kalorienverbrauch 10 bis 20% über dem normalen Verbrauch liegt und daß an einem durchschnittlichen Arbeitstag im Zwei-Personen-Haushalt der Energieverbrauch um 10% niedriger liegt als bei gleichartiger Tätigkeit in einem Fünf-PersonenHaushalt. 4070 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1967 Trotzdem kann die Arbeit in den einzelnen Haushalts- und Familientypen nicht einheitlich bewertet werden. So wird z. B. ein Haushalt mit größeren Repräsentationsverpflichtungen höhere Anforderungen an die Kenntnisse und geistigen Kräfte der Hausfrau und damit an ihre dispositiven und kalkulatorischen Fähigkeiten stellen. Auch wird die hauswirtschaftliche Tätigkeit in einer sogenannten „Aufbaufamilie" — Familie mit noch nicht erwachsenen Kindern — einen höheren Arbeitwert aufweisen als in Familien, deren Kinder das Elternhaus bereits verlassen haben. Weder im Einzelfall, noch wenn es darum geht, die Leistungen aller Frauen in den' Familien und Haushaltungen quantitativ zu erfassen und zu bewerten, kann man einen Maßstab gewinnen und ihn verwerten. Neben der rein hauswirtschaftlichen Arbeit der Nur-Hausfrau kommt vor allem die erzieherische Leistung der Mütter hinzu. Hier bedarf die Mutter häufig einer nachhaltigen Unterstützung durch außerhäusliche Erziehungsträger. Die Fülle von pädagogischen Ratschlägen, Aufforderungen und Hinweisen, die den Müttern von allen Seiten gegeben werden, beeinträchtigt zwar nicht unmittelbar das soziale Ansehen der Mutter, ist aber doch auf die allgemeine Wertschätzung ihrer Erziehungsleistung nicht ohne Einfluß geblieben. Die Mutter gilt heute nicht mehr ohne weiteres als die beste Erzieherin ihrer Kinder, sondern sie muß sich diesen Ruf besonders erringen. Diese Notwendigkeit kann ihr Selbstwertgefühl beeinträchtigen oder aber — sofern sie ihrer Erziehungsaufgabe gerecht wird — erheblich steigern. Dem muß mehr Rechnung getragen werden, z. B. dadurch, daß nicht nur der Mutter als Aufgabe aufgeladen wird, was dem Vater zumindest mitaufgetragen ist. Eine solche Hilfe und Aufwertung würde gewiß auch mit dazu beitragen, das Ansehen der Hausfrau und Mutter in der Öffentlichkeit zu heben. Wenn immer wieder in leicht abfälligem Ton von der „Nur-Hausfrau" gesprochen wird, so macht dies nur allzu deutlich, wie wenig der Funktionskreis der Hausfrau und Mutter und die Bedeutung ihrer Tätigkeit für das gesamte soziale Leben erkannt werden. Die daher von vielen Seiten erhobene Forderung, dieses verzerrte Bild zu korrigieren und das Verhalten der Gesellschaft gegenüber der Hausfrau und Mutter zu ändern, ist unabweisbar geworden. Einen wertvollen Beitrag zu einer neuen Sicht und Einstellung hat ja der Bundestag durch die Einführung eines gesetzlichen Güterstandes und der Zugewinngemeinschaft geleistet, die ebenso wie die Neuregelung der Unterhaltspflicht von Mann und Frau von der Vorstellung der grundsätzlichen Gleichwertigkeit hausfraulicher Leistung und außerhäuslichen Erwerbstätigkeit des Mannes ausgeht. Trotz allem bleibt es schwierig, die von der Mutter und Hausfrau erbrachte Leistung objektiv zu würdigen. Man spricht von 52 Milliarden Arbeitsstunden, die von 'Frauen jährlich im Haushalt geleistet werden. Vergleicht man diese Zahl mit den in den Wirtschaftsbereichen geleisteten Arbeitsstunden von insgesamt 60-65 Milliarden pro Jahr, so läßt sich trotz aller notwendigen Vorbehalte die große Bedeutung erkennen, die einer wirtschaftlichen Betrachtung der Hausarbeit beizumessen ist. Bisher liegen nur Erhebungen über die Arbeitszeit in den landwirtschaftlichen Haushalten vor. Für den Stadthaushalt ist man weitgehend auf Schätzungen angewiesen. Hier sollten Forschungsaufträge uns zu weiteren Ergebnissen verhelfen, wie groß der Arbeitsaufwand in den Stadthaushalten ist. Eine nähere Prüfung dieser Arbeitsstudien würde die Situation und den Arbeitsanfall auch in den Stadthaushalten klären. Um so berechtigter aber erscheint auch die Forderung, wie sie in dieser Frauenenquete mit Nachdruck erhoben worden ist, den Hausfrauen und Müttern die ihnen gebührende Achtung zu bezeugen und ihrer Arbeitsleistung mehr Beachtung zu schenken. Anlage 9 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Franzen (CDU/CSU) zu Punkt 2 der Tagesordnung. Im Rahmen dieser Aussprache über die Situation der Frau in Beruf, Familie und Gesellschaft, möchte ich das Hohe Haus und die Öffentlichkeit nur ganz kurz auf einen wichtigen Bereich hinweisen, der leider sehr oft wenig Beachtung findet. Das Arbeitsrecht im allgemeinen und der Arbeitsschutz im besonderen sind für das Berufsleben der Frau von ganz besonderer Bedeutung. Die Nichtachtung dieser Vorschriften hat sehr oft schon zu bedauerlichen Konsequenzen geführt. Beim kollektiven Arbeitsrecht handelt es sich um einen Ordnungsbereich, der die soziale und rechtliche Stellung der Arbeitnehmer in der gewerblichen Arbeitswelt regelt. In jahrzehntelanger gesetzgeberischer Arbeit ist bei uns das Arbeitsrecht gewachsen. Man darf sagen, daß wir wohl an der Spitze der europäischen Länder stehen. Die Arbeitsschutzbestimmungen haben ihren Anfang genommen mit dem Verbot der Kinderarbeit in der Gewerbeordnung von 1869. 1891 wurde die Nachtarbeit für Frauen grundsätzlich verboten. In Ergänzung dieser Vorschriften sind eine Vielzahl von Bestimmungen erlassen worden, im besonderen auch zugunsten der berufstätigen Frauen. Im Mutterschutzgesetz von 1952 z. B., ein Arbeitsschutzgesetz, sind ganz spezielle Vorschriften zum Schutze der im Erwerbsleben stehenden werdenden Mütter gegeben worden. Der Bericht der Bundesregierung gibt zur arbeitsrechtlichen Stellung der berufstätigen Frau eine ausführliche Darstellung des geltenden Rechts. Erfreulicherweise können wir feststellen, daß das geltende Arbeitsrecht in seiner Differenzierung, seiner Nuancierung und seinem Umfang viel stärker auf die Eigenarten der Frau abgestellt und ausgerichtet ist, als dies in der Bevölkerung bekannt zu sein scheint. Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1967 4071 Mehr als ein Drittel aller Erwerbstätigen sind gegenwärtig. bereits Frauen und Mädchen. Die Frauenarbeit hat in den letzten 15 Jahren um rund 75 % zugenommen und ist wohl kaum noch aus dem Erwerbsleben wegzudenken. Mir scheint aber, daß die rechte Einschätzung der Frauenarbeit hinter ihrer zahlenmäßigen Entwicklung weit zurückgeblieben ist, ihre Bedeutung und ihre Notwendigkeit nicht die rechte Würdigung erfährt. Von daher sollten wir unsere Öffentlichkeitsarbeit sehen. Die Frau in ihrer Doppelrolle als Hausfrau und Mutter einerseits und als berufstätige Frau andererseits darf nicht übersehen werden. In dem vorliegenden Bericht finden sich aufschlußreiche Hinweise und Prognosen zu diesem Thema. Im Arbeitsrecht sind die Besonderheiten der Frau, ihre biologische Beschaffenheit und ihre biologische Funktion weitgehend zu berücksichtigen. Die Schwere der Arbeit, das Arbeitstempo, der Arbeitseinsatz nach Tageszeiten, die Art der Arbeit, sowie die Ruhepausen spielen dabei eine besondere Rolle. Im zweiten Teil des `Berichtes der Bundesregierung über die Situation der Frau im Beruf — 2. Abschnitt, Arbeitsrecht, Arbeitsmedizin, Seite 96 — findet sich eine umfassende Sachdarstellung der arbeitsrechtlichen Vorschriften und des Frauenarbeitsschutzes. Eine Grundsatzreform unseres Arbeitsrechts brauchen wir demnach nicht, es bleibt aber trotzdem noch eine Reihe von Aufgaben und Problemen zu lösen. Die Erkenntnisse, die wir aus den Jahresberichten der Gewerbeaufsicht sammeln konnten, zeigen uns, in welcher Richtung noch gearbeitet und wo der Hebel angesetzt werden muß, um Arbeitsschutz und Arbeitsrecht für die berusftätige Frau wirksamer auszuwerten. Auch hierüber finden sich in dem Bericht der Bundesregierung die entsprechenden Hinweise z. B. auf Seite 108 ff. des Berichtes: „Erkenntnisse aus den Berichten der Gewerbeaufsicht". Arbeitszeitüberschreitungen sind weitgehend zurückgegangen, ebenso die Sonn- und Feiertagsarbeit. Diese Entwicklung wurde zum Teil durch die Abwanderung der Frau aus den Arbeitsbereichen des Dienstleistungsgewerbes, wo die Arbeitszeitvorschrift am meisten unbeachtet blieb, in die Industrie- und Gewerbebetriebe begünstigt, in Betriebe also mit günstigen Arbeitszeiten, verlängerten Wochenenden, geregelter Freizeit und der Ruhepause. Bedauerlich ist dabei allerdings, daß von diesem Trend insbesondere unsere Heime und unsere Krankenhäuser, die Haus- und Landwirtschaft betroffen sind. Hier stellt sich uns und der gesamten Öffentlichkeit eine große und dankbare Aufgabe, die im Interesse der Frau, aber auch zum besten unserer Krankenhäuser und Heime gelöst werden muß. Es ist doch unverständlich, daß wir für ausgesprochene Frauenarbeit und Frauenberufe einen Mangel an weiblichen Arbeitnehmern und Fachkräften haben. Dies gilt sicherlich nicht für alle Frauenberufe. Für diejenigen, wo es gilt, muß etwas geschehen; denn diese sind meines Erachtens von der Aufgabe her mit die wertvollsten Frauenberufe. Z. B. müßte der Schwestern- und Pflegeberuf attraktiver gestaltet, deren Arbeits- und Freizeit dem modernen Arbeitsrecht angepaßt und deren Einsatz an Sonn- und Feiertagen in einem tragbaren, zufriedenstellenden Rhythmus geregelt werden. Dies ist kein neues, aber auch kein Einzel-Beispiel. Es ist nicht meine Aufgabe, bestimmte Einzelprobleme hier zu vertiefen. Bei den Beratungen in den Ausschüssen werden wir dazu noch reichlich Gelegenheit haben. Auf zwei Entwicklungen in der Arbeitswelt der Frauen möchte ich noch hinweisen, auf den Strukturwandel auf dem Arbeitsmarkt und das Bestreben älterer Frauen, in das Berufsleben und ihren Beruf zurückzukehren. In der Zukunft werden sich die Arbeitsmöglichkeiten für die Frauen wandeln. Während mehr qualifizierte Fachkräfte benötigt werden, wird der Bedarf an. ungelernten Kräften zurückgehen. Arbeiten, die bislang von Männern gemacht wurden, werden infolge der fortschreitenden Automation besser von Frauen ausgeführt, weil sie an und für sich wendiger sind. Der Bedarf an weiblichen Arbeitskräften wird also eher steigen, als sich verringern. Daraus ergibt sich naturgemäß eine erhöhte Wachsamkeit auf dem Gebiete des Gesundheits- und Unfallschutzes. Bei der Doppelfunktion der Frau liegt es nahe, daß die junge Frau bei der Gründung einer Familie aus dem Berufsleben ausscheidet und später, wenn die Kinder erwachsen sind und der besonderen Pflege der Mutter nicht mehr bedürfen, als ältere Frau wieder in das Berufsleben zurückkehrt. Möglicherweise wird sich der Trend zur Rückkehr in das Berufsleben bei den Frauen erhöhen, weil das Heiratsalter der Frau sinkt. Sie erreicht damit früher den Lebensabschnitt, in dem ihre Beanspruchung durch Familienpflichten nachläßt und sie wieder Zeit für eine Berufstätigkeit hat. Diese Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt im Ablauf des Arbeits- bzw. Berufslebens der Frau fordern nicht nur seitens der Arbeitsschutzbehörden erhöhte Aufmerksamkeit, Anpassung und Wendigkeit, sondern auch seitens der Arbeitsverwaltung in der Frage der Berufswahl und Berufsberatung, seitens der Wirtschaft in der Frage der Berufsausbildung eine kluge Voraussicht und Menschenführung. Lehrberuf, Ausbildung und Berufsweg sind für die soziale Entwicklung und die Gesundheit eines Menschen ebenso wie für seine Formung zur Persönlichkeit von eminenter Bedeutung. Anlage 10 Schriftliche Erklärung des Abgeordnetem Frehsee (SPD) zu Punkt 2 der Tagesordnung. Auch für den fünften Teil der Frauen-Enquete, der sich mit der Situation der Frauen in der Landwirtschaft befaßt, gilt, was von meinen Vorrednern bzw. Vorrednerinnen schon wiederholt gesagt worden ist: er hat nur in geringem Maße den Charakter einer Enquete, sondern stellt vielmehr eine zweifellos 4072 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1967 recht fleißige Zusammenstellung der wenigen verfügbaren Daten dar. Das vorhandene Material war offensichtlich unzureichend. Deshalb kann man nicht davon ausgehen, daß dieser Bericht über die Lage der Frauen in der Landwirtschaft als repräsentativ angesehen werden könnte. Beim Studium dieses fünften Teils drängt sich auch die Frage auf, ob es richtig war, der Landwirtschaft ein besonderes Kapitel zu widmen. Wir wollen sie doch eigentlich voll in unsere Volkswirtschaft und in unser modernes Gesellschaftssystem integrieren. Wir wollen die Besonderheiten der landwirtschaftlichen Gesellschaftsordnung und besonders der Arbeits- und Lebensbedingungen in der Landwirtschaft und damit auch die der Bäuerinnen und sonstigen in der Landwirtschaft tätigen weiblichen Personen abbauen. Sie sind ja doch meist negativer Natur. Eine Gleichstellung der in der Landwirtschaft tätigen Frauen mit denen der gewerblichen Wirtschaft ist gleichbedeutend mit einer Verbesserung der Arbeits-und Lebensbedingungen und der sozialen Sicherheit, von einigen wenigen Ausnahmen abgeshen. Auf der anderen Seite ist das Problem der Verbindung von Beruf und Familie bzw. Betrieb und Hauswirtschaft nicht auf die Landwirtschaft beschränkt, es gilt in gleichem Maße für weite Bereiche des Nahrungsmittelgewerbes, beispielsweise der Fleischereien, der Bäckereien und auch für die Familienbetriebe im Einzelhandel. Deshalb sollte in einer künftigen neuen Untersuchung der Situation der Frauen, der Situation der im Betrieb mitarbeitenden weiblichen Familienangehörigen ein besonderes Kapitel gewidmet sein. Auch für diesen fünften Teil der Enquete muß ge- sagt werden, daß aus der differenzierten Darstellung der Situation — was hätte geschehen müssen, auch wenn sie nicht als repräsentativ anzusehen ist — keine Folgerungen für notwendige Maßnahmen gezogen worden sind. Deshalb ist es die Aufgabe des Parlaments, diese Schlußfolgerungen zu ziehen. Das gilt auch für die gesetzlichen Maßnahmen, die zwar aufgezählt sind, deren Wirksamkeit jedoch nicht beurteilt wird. Der Anteil der Frauen an der Gesamtzahl der landwirtschaftlich Erwerbstätigen ist besonders hoch, er beträgt 53 %. Die in der Landwirtschaft tätigen Frauen machen 17,5 %, der Gesamtzahl der erwerbstätigen Frauen in der Bundesrepublik aus. Eine der wesentlichen Besonderheiten der Situation der Frauen in der Landwirtschaft ist auch, daß etwa 90 °/o selbständige oder mithelfende Familienangehörige sind, auf die die arbeits- und sozialrechtlichen Bestimmungen nur sehr begrenzt Anwendung finden. Aber das gilt, wie schon gesagt, nicht nur für die Landwirtschaft. Auf die große Lücke in unserem System der sozialen Sicherung, die soziale Sicherung der Mithelfenden, wird überhaupt nicht hingewiesen. Was die Landwirtschaft betrifft, so haben wir uns mit den dortigen Mithelfenden in diesem Hohen Hause wiederholt befaßt, wenn wir die landwirtschaftliche Altershilfe ausgebaut und verbessert haben. Seit der 3. Novelle gibt es die Beitrittsmöglichkeit für die älteren mithelfenden Familienangehörigen. Von dieser Möglichkeit ist bisher nur in geringem Maße Gebrauch gemacht worden. Die Enquete hätte die Gründe dafür darlegen sollen. Aber sie hat die Frage offengelassen, und deshalb wird 'sie auf andre Weise untersucht werden müssen. Das wesentliche Ergebnis der Untersuchung der Situation der Frauen in der Landwirtschaft ist wohl die wieder einmal mehr bestätigte bekannte große Arbeitsüberlastung der Frauen. Sie hat. ernste gesundheitliche Folgen. Daraus sind meines Erachtens u. a. folgende Schlußfolgerungen zu ziehen: 1. Die Einführung der medizinischen Rehabilitation für selbständige und mithelfende Familienangehörige in der Landwirtschaft durch das 3. Änderüngsgesetz zum landwirtschaftlichen Altershilfegesetz, ,das wir hier 1965 beschlossen haben, d. h. die Einführung von Heilbehandlungsmaßnahmen und Heilkuren für Ehefrauen und mithelfende Familienangehörige, entsprach einer 'dringenden Notwendigkeit. Das Ausmaß der medizinischen Rehabilitation ist jedoch in letzter Zeit durch die prekäre Finanzlage bestimmt worden. Sie wird naturgemäß eingeschränkt werden müssen, wenn die dafür erforderlichen Mittel nicht im notwendigen Ausmaß bereitgestellt werden können. Weit mehr als beim landwirtschaftlichen Altersgeld an sich ist die medizinische Rehabilitation und damit die Verbesserung des Gesundheitszustandes der in der Landwirtschaft 'tätigen weiblichen Mithelfenden eine Frage der Finanzierung der landwirtschaftlichen Alterskassen. 2. Eine zweite zwingende Schlußfolgerung ist die Einführung einer Pflichtkrankenversicherung für die Selbständigen und Mithelfenden der Landwirtschaft. Aus ersten Ergebnissen einer noch laufenden Untersuchung der Agrarsozialen Gesellschaft ist zu erkennen, daß der Krankheitsschutz, wie wir das hier schon wiederholt auf Grund unserer praktischen Kenntnis der Verhältnisse in der Landwirtschaft konstatiert haben, völlig unzureichend ist. Wie in der Altershilfe und in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung so müßte zu den Leistungen der landwirtschaftlichen Pflichtkrankenversicherung auch die Stellung von Ersatzkräften, Dorfhelferinnen, Familienpflegerinnen usw. gehören. 3. Die Einführung des von den Sozialdemokraten seit langem, besonders aber seit Verkündung des landwirtschaftlichen Sozialplanes der SPD am 9. 2. 1963 geforderten landwirtschaftlichen Sozialwerks und die Zusammenfassung der bestehenden Träger der sozialen Sicherung mit dem für die Krankenversicherung neu zu schaffenden Träger und damit auch die Koordinierung des Betriebs- bzw. Dorfhelferinnen- und Familienpflegerinnen-Einsatzes würde auch die Beseitigung der noch gültigen Ausnahmebestimmungen im Mutterschutz ermöglichen. 4. Auch eine Entlastung der Tätigkeit der Bäuerin in der Familie und für die Familie ist erforderlich. Dazu gehört in erster Linie das Einrichten von Kindergärten auch in den kleineren Landgemeinden. Diese Landgemeinden sind in der Regel nicht in der Lage, die Kosten für die Kindergärten allein 'aufzubringen. Hier wird die enge Beziehung dieser speziellen Problematik mit der Finanzverfassungsreform deutlich. Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1967 4073 5. Der zunehmende Übergang zur überbetrieblichen Nutzung von Maschinen und technischen Hilfsmitteln ist geeignet, auf die Mithilfe der Frauen mehr und mehr zu verzichten. Besonders sind sie in den nebenberuflich geführten landwirtschaftlichen Kleinbetrieben belastet. Hier entfällt auf sie mehr als 50 % der zu leistenden Arbeit. Auch in dieser Beziehung ergibt sich die Notwendigkeit der staatlichen Förderung und insbesondere der Förderung der landwirtschaftlichen Beratung. Die fehlenden Kenntnisse für die richtige Umstellung auf eine Organisation für Nebenerwerbsbetriebe hindert wahrscheinlich viele Kleinbauern, sich um einen außerlandwirtschaftlichen Arbeitsplatz zu bemühen, weil die verbleibende Arbeit für ihre Frauen zu groß ist. Mit der vermehrten Förderung der überbetrieblichen Nutzung technischer Hilfsmittel würde auch ,ein allgemein erwünschter agrarpolitischer Effekt erzielt. 6. Aus der Feststellung der Enquete, daß sowohl die Allgemein- wie die Fachausbildung der Landfrauen schlechter seien als diejenigen der in der gewerblichen Wirtschaft tätigen Frauen, ist die Schlußfolgerung zu ziehen, daß das Bildungswesen und die Bildungsmöglichkeiten für den weiblichen Nachwuchs der Landwirtschaft verbessert werden müssen. Besser gebildete Frauen werden vermutlich eher Wege zur Verbesserung ihrer Situation aus eigener Kraft finden. Die Verbesserung des Schul- und Ausbildungswesens auf dem Lande ist insofern eine Maßnahme zur Verbesserung der Situation der Frauen in der Landwirtschaft. Anlage 11 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Porten (CDU/CSU) zu Punkt 2 der Tagesordnung. Die Teilzeitarbeit wird in der Frauenenquete an mehreren Stellen erwähnt und lobend hervorgehoben. Sie gilt als eine ideale Möglichkeit, Berufstätigkeit und häusliche Verpflichtungen bei der Frau in einer idealen Weise zu kombinieren, ohne daß es hierbei zu einer Überbeanspruchung wie bei einer Vollzeitbeschäftigung kommt. Die Frauenenquete unterscheidet begriffsmäßig einmal die Teilzeit- und zum anderen die Aushilfstätigkeit. Exakte Erhebungen über das Ausmaß der Teilzeitarbeit bei Frauen liegen nicht vor. Die Möglichkeit und Zweckmäßigkeit der Teilzeitarbeit hängt von einer Reihe äußerer Umstände ab. Die Teilzeitarbeit und Aushilfstätigkeit wurde in den letzten Jahren sowohl auf steuerlichem als auch auf sozialversicherungsrechtlichem Gebiet begünstigt. Im Sozialversicherungsbereich wurden ebenfalls wesentliche Erleichterungen geschaffen, insbesondere durch das Rentenversicherungs-Änderungsgesetz. Das Bundesarbeitsministerium hat auf Anregung von Mitgliedern der CDU-Fraktion dankenswerterweise eine Bestandsaufnahme über die vielseitigen Bestimmungen der Teilzeitarbeit erstellt. Ich hoffe, daß diese Bestandsaufnahme bald der Öffentlichkeit bekanntgegeben wird. Mir scheint es notwendig zu sein, daß Parlament und Regierung prüfen, in welcher Art und Weise die vielschichtigen Bestimmungen für die Teilzeitarbeit harmonisiert werden können. Im Bereich der Teilzeitarbeit liegt die echte Möglichkeit der Frau, in ihrer Umwelt eine gute und vielseitige Tätigkeit auszuüben. Diese Aufgabe stellt sich sofort. Einfach und verständnisvoll sollten die Bestimmungen sein, damit die Möglichkeit zur rechten Mitarbeit der Frau in diesem Bereich möglich ist. Anlage 12 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Reichmann (FDP) zu Punkt 2 der Tagesordnung. Wie die Landwirtschaft selbst, so nimmt auch die „Frau in der Landwirtschaft" gegenüber den anderen Lebens- und Wirtschaftsbereichen eine eigene Stellung ein. Unter diesem besonderen Aspekt darf ich dazu Stellung nehmen. Fast alle Landwirtschaftsbetriebe in der Bundesrepublik sind Familienbetriebe. In diesen sind 78,8 % Frauen als mithelfende Familienangehörige tätig. Aus diesem Verhältnis ergeben sich die vorrangige Stellung der Frau in der Landwirtschaft und damit ihr hervorragender Anteil an den Leistungen derselben, aber auch ihre großen Belastungen und Verpflichtungen. Um die Situation der Frau in der Landwirtschaft beurteilen zu können, ist nicht nur eine Bestandsaufnahme mit viel Statistik erforderlich, sondern zudem eine gründliche Betrachtung aller tatsächlichen Verhältnisse mit dem Ziel, daraus Lehren für Maßnahmen zur Verbesserung der schwierigen Situation der Frauen in der Landwirtschaft abzuleiten und nach ihnen zu handeln. Wie die Verhältnisse in der Landwirtschaft sich im Verlauf der Zeit änderten, so wandelten sich auch die Lebens- und Wirkungsverhältnisse der Frauen in der Landwirtschaft. Die Frau ist heute nicht nur Mutter und Hausfrau, sondern Mithelferin, Mitarbeiterin und Partnerin im Familienbetrieb, der eine Lebens- und Arbeitsgemeinschaft geblieben ist und nach Meinung der FDP bleiben soll! Die Großfamilie auf dem Land ist zwar heute nicht mehr typisch. Gleichwohl haben die Bauernfamilien noch die meisten Kinder in unserer Gesellschaft. Der zeitbedingte Strukturwandel führt zum Zuerwerb und zu Arbeitskräftemangel in den Vollerwerbsbetrieben. Mit diesem Wandlungsprozeß ändert sich auch die Situation der Frau in der Landwirtschaft. Die Zahl der mithelfenden Familienangehörigen verringert sich. Fremdarbeitskräfte werden kaum noch beschäftigt. Die Kinder müssen früher und länger in die Ausbildung. Nur die Kinder, die in der Landwirtschaft Aussicht auf spätere 4074 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1967 Selbständigkeit haben, verbleiben im Betrieb. Eine nun kleine Mannschaft muß alle Arbeit bewältigen, die trotz aller Technik in Haus und Hof nach wie vor erledigt werden muß. Diese wenigen Arbeitskräfte werden durch die betriebs- und hauswirtschaftlichen Erfordernisse aufs höchste beansprucht. bei den tierhaltenden Betrieben — und das sind fast alle — leisteten die befragten Bäuerinnen durchschnittlich jährlich 3500 Arbeitsstunden. Auch an Sonn- und Feiertagen müssen dringende Arbeiten verrichtet werden. Freizeit und Urlaub sind kaum möglich. Von den nach der Sozial-Enquete befragten Bäuerinnen waren 83 °/o noch nie in Urlaub. Welche soziale Disparität angesichts der Ausgaben von 6 Milliarden DM jährlich im Auslandsurlaub! Infolge der unzureichenden Einkommensverhältnisse in Klein- und Mittelbetrieben gehen vielfach die männlichen Arbeitskräfte in den Zuerwerb, so daß die Frauen einen Großanteil der landwirtschaftlichen Arbeiten allein verrichten müssen. Eine schnellere Entscheidung zur Einschränkung oder Aufgabe des Betriebes — bevor die Gesundheit der Frau angeschlagen ist — wäre vielfach nötig. Aber man hängt zu sehr an seinem Feld als einem Stück Heimat, einer gewissen Sicherheit gegenüber allen Risiken. Das ist menschlich durchaus verständlich. Die Töchter erleben die Überbeanspruchung der Landfrau mit. Sie sind selbst mit einbezogen. Sie ziehen Vergleiche mit den erwerbstätigen Frauen in anderen Bereichen. Sie stellen fest, maß man dort nicht so lange und hart arbeiten muß — und trotzdem besser zu leben vermag. Deshalb streben sie verständlicherweise zu einer Betätigung in anderen Bereichen, die bessere Lebenschancen und Lebensmöglichkeiten bieten. Deshalb ist es heute schon ein schwieriges Problem für stattliche und tüchtige Jungbauern, in guten Betrieben eine gleichwertige Partnerin zu finden. Alle genannten Verhältnisse und die tiefgreifenden Zusammenhänge muß man kennen und berücksichtigen, wenn man die schwierige Situation der Frauen in der Landwirtschaft in der gebotenen und erforderlichen Weise verbessern will! Die Wechselbeziehungen im landwirtschaftlichen Betrieb — menschlich, arbeitsmäßig, wirtschaftlich — sind so eng, daß sie sich gegenseitig im Guten und Schlechten bedingen. Je besser die betriebswirtschaftlichen und Einkommensverhältnisse sind, um so günstiger ist auch die Situation der Frau in der Landwirtschaft und umgekehrt! Die Tatsache ist für alle Verantwortlichen eine Mahnung und Verpflichtung, die Lebensverhältnisse in der Landwirtschaft nicht noch mehr zu verschlechtern, sondern die wirtschaftlichen und sozialen Disparitäten im Verhältnis zu anderen Lebensbereichen zu verringern oder zu beseitigen. Deshalb ist es widersprüchlich, wenn Bundeslandwirtschaftsminister Höcherl im Vorwort des Heftes Nr. 144 des AID zur ländlichen Hauswirtschaft „einen großen Nachholbedarf für die Frau in der Landwirtschaft auf allen Gebieten" feststellt und jetzt, in diesen Tagen, erhebliche Verschlechterungen durch Kürzungen der Förderungsmaßnahmen durch die Bundesregierung erfolgen sollen, unabhängig von der Einkommensverschlechterung einer halben Milliarde DM infolge der EWG-Maßnahmen! Diese beabsichtigte einseitige Verschlechterung der Lebens- und Einkommensverhältnisse der Landwirtschaft und damit der in ihr lebenden Frauen bedarf nach Auffassung der FDP einer eingehenden Überprüfung. In dieser Situation helfen nicht schöne Worte, sondern die Tat. Die Situation der Frauen in der Landwirtschaft ist so, daß niemand mit ihnen tauschen möchte! Deshalb dürfen ihre Lebens- und Arbeitsverhältnisse nicht noch mehr verschlechtert, sondern sie müssen verbessert werden. Dazu sind erforderlich: I. Ermöglichung angemessener landwirtschaftlicher Einkommensverhältnisse bei ordnungsmäßiger Bewirtschaftung, damit auch die Technisierung des Betriebs, die Entlastung der Frau in der Außenwirtschaft erreicht und zudem moderne hauswirtschaftliche und häusliche Einrichtungen geschaffen werden können, um die Situation der Frau in der Landwirtschaft erträglicher zu gestalten. 2. Gesundheitsfürsorge, Mutterschutz, Erholungsmöglichkeiten, Kindergärten und verstärkter Einsatz von Dorfhelferinnen müssen die soziale Lage der Landfrauen verbessern. Zu begrüßen ist die geschaffene Möglichkeit zur Durchführung von Heilverfahren mit Hilfe des Altershilfegesetzes. Zudem hat dieses gute Gesetz den Generationenübergang, aber auch das Zusammenleben und Zusammenarbeiten sehr erleichtert und gefördert. 3. Verbesserung der Anteilnahme der Landfrau am kulturellen Leben. Dazu sind bessere Bildungsmöglichkeiten und gute Beratung der Landfrau erforderlich. Auch sollte eine bessere Beteiligung der Landfrau am öffentlichen und gemeinschaftlichen Leben erreicht werden. Gute Fernsehsendungen sind schon eine allen zugängliche Möglichkeit. Aber was nutzt die beste Sendung, wenn die Übermüdung der Landfrau zu groß ist? Abschließend darf ich feststellen: Unser aller Aufgabe muß es sein, die Situation der Frau in der Landwirtschaft zu bessern, weil davon die Erhaltung einer gesunden, leistungsfähigen Landwirtschaft und unserer Gesellschaft abhängt. Die Leistungen und Opfer der Frau in der Landwirtschaft für unser Volk — menschlich, gesellschafts- und wirtschaftspolitisch — sind so groß und vielfältig, daß sie unser aller Anerkennung und Dank verdienen. Anlage 13 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Dr. Schellenberg (SPD) zu Punkt 2 der Tagesordnung. In der heutigen Debatte wurde von der Notwendigkeit weiterer gründlicher Erhebungen gesprochen. Sie sind wertvoller, in vieler Hinsicht sogar unentbehrlich. Aber dort, wo wir wissen, was getan werden kann, um die Situation der Frauen zu ver- Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1967 4035 bessern, dürfen wir nicht länger warten. Es müssen bald praktische Maßnahmen durchgeführt werden. Neben dem, was nach dem Grundgesetz in dieser Hinsicht dem Bund überlassen ist, bedarf es auch politischer Anstrengungen der Länder und Gemeinden, der Aktivität der Gewerkschaften, des Verständnisses der Arbeitgeber, der Mithilfe aller gesellschaftlichen Organisationen, der Familie, nicht zuletzt jedes Mannes, jeder einzelnen Frau. Der Bundestag kann nach Auffassung meiner Fraktion die Situation der Frauen in Beruf, Familie und Gesellschaft u. a. auf folgende Weise verbessern: 1. Gerade im Interesse der Frauen sollten wir endlich zu einer allgemeinen und gezielten Ausbildungsförderung kommen. Nicht nur unzureichendes Familieneinkommen, sondern auf Vorurteile der Eltern stehen häufig einer qualifizierten Ausbildung der Mädchen entgegen. Fast alle Familien lassen ihre Söhne besser ausbilden als ihre Töchter. Infolgedessen wird die gezielte Förderung — vor allem des Besuches weiterbildender Schulen — in besonderem Maße den Mädchen zugute kommen und ihnen neue Bildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten eröffnen. Deshalb fordern wir die Bundesregierung auch heute auf, entsprechend dem Antrag des Plenums vom 24. November 1966 bald Vorschläge zur Vereinheitlichung und Verbesserung einer gezielten Ausbildungsförderung vorzulegen. 2. Die Rolle der Frau in der Arbeitswelt von morgen wird wesentlich von der Berufsberatung beeinflußt, die sich auf systematische Erforschung des Arbeitsmarktes gründen muß. Nur dann ist die Berufsberatung imstande, den meist traditionellen Berufswünschen der jungen Mädchen und ihrer Eltern die Vielfalt der zukunftweisenden Berufe gegenüberzustellen. Deshalb wollen wir der Berufsberatung durch unseren Entwurf eines Arbeitsmarkt-Anpassungsgesetzes zur größeren Wirksamkeit verhelfen. Unser Arbeitsmarkt-Anpassungsgesetz will ferner die Berufsausbildung straffen und modernisieren sowie die Berufsfortbildung aktivieren. Das wird die Stellung vieler Frauen und Mädchen im Berufsleben verbessern. Der Frau muß ihre Rückkehr in das Erwerbsleben erleichtert werden. Die berufsfördernden Maßnahmen — die wir zu beschließen haben — sind auf die Bedürfnisse der Frauen abzustellen, die nach längerer Unterbrechung wieder eine Erwerbstätigkeit aufnehmen wollen. 3. Auch der Gesetzgeber sollte dazu beitragen, daß Mütter von Kleinkindern nicht aus wirtschaftlichem Zwang ganztägig außerhäuslich erwerbstätig sein müssen. In der Enquete ist zu lesen: „die Bundesregierung prüft, inwieweit bei einer Fortentwicklung des Familienlastenausgleiches eine Erleichterung der Situation von Müttern mit kleinen Kindern erreicht werden kann." Wir fordern die Bundesregierung auf, diese Prüfungen zu intensivieren und dem Hause in absehbarer Zeit entsprechende Vorschläge zu unterbreiten. 4. Die Krankenversicherung muß Vorsorgeuntersuchungen gewähren. Das wird viele Frauen vor gesundheitlichen Schäden bewahren. In den Leistungskatalog der Krankenversicherung sollte ferner ein Rechtsanspruch auf Hauspflege auch im Rahmen der Nachbarschaftshilfe aufgenommen werden. 5. Auch die soziale Rentenversicherung kann mitwirken, um die Lage der Frau in der Gesellschaft zu verbessern. Die Beitragserstattung bei Eheschließung in der gegenwärtigen Form führt dazu, daß Frauen oft wertvolle Versicherungszeiten verlieren. Sie müssen dann bei späterer Rückkehr in das Erwerbsleben ihre Rentenansprüche von Grund auf neu aufbauen. Deshalb sollten in den Ausschußberatungen neue Wege zur Beitragserstattung bei Eheschließung erörtert werden. 6. Auch hinsichtlich der Rechtsstellung der Frau ist noch manches zu veranlassen. Für eine Reihe von Flüchtlingen gilt das alte Bürgerliche Recht ohne die Gleichstellungsgesetze weiter. Dadurch sind diese Frauen im Güter- und Erbrecht, zum Teil auch im Steuerrecht, diskriminiert. Das ist ein unmöglicher Zustand. Deshalb fordern wir die Bundesregierung auf, baldmöglichst einen Gesetzentwurf vorzulegen, der diesen Frauen den gleichen Rechtsstatus wie den übrigen Frauen in ,der Bundesrepublik gewährt. 7. In der Enquete wird an keiner Stelle etwas über die Situation der Frauen im anderen Teil Deutschlands gesagt. Das ist politisch ein schwerer Mangel. Der tatsächliche und rechtliche Lebensrahmen der Frau hat sich drüben anders entwickelt als in der Bundesrepublik. Parlament und Öffentlichkeit darüber zu informieren, wäre eine wichtige gesamtdeutsche Aufgabe gewesen. Leider wurde sie nicht genutzt. Im übrigen vertieft ein weiteres Auseinanderklaffen der Rechtsstellung der Frau in beiden Teilen Deutschlands die Spaltung. Deshalb sollte geprüft werden, ob und inwieweit unter Wahrung des Grundsatzes von Freiheit und Recht versucht werden kann, das unterschiedliche Familien- und Güterrecht hier und drüben möglichst aufeinander abzustimmen. 8. Die Forderung des Grundgesetzes, unehelichen Kindern die gleichen Bedingungen für ihre Entwicklung zu schaffen wie den ehelichen Kindern, muß endlich verwirklicht werden. Neben der Sicherung der Rechte des unehelichen Kindes sind dabei auch die Rechte der unehelichen Mutter neu zu gestalten. Nach unserer Auffassung sollte diese volljährige Mutter mit der Geburt des Kindes kraft Gesetzes die elterliche Gewalt erhalten, wobei das Jugendamt beratende Aufgaben erhalten würde. In der Enquete wird von -dem Referentenentwurf eines Gesetzes über die Rechtsstellung der unehelichen Kinder gesprochen. Die Zeit ist überreif, daß nunmehr dem Hause hierzu ein Regierungsentwurf vorgelegt wird. 9. Hinsichtlich der Anrede lediger Frauen sollte überlegt werden, ob sinnvollere Regelungen möglich sind. In einem Runderlaß des Bundesministers des Innern von 1955 heißt es u. a.: „Gegenüber einer unverheirateten weiblichen Person ist die Anrede Frau zu verwenden, wenn dieser Wunsch erkennbar geäußert wird. Eine solche Regelung ist lebensfremd. Ich möchte mir hierzu eine persönliche Anregung erlauben. Nach meiner Auffassung sollte grundsätzlich jede 4076 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1967 Frau mit 'Eintritt in das Erwachsenenalter, also von der Volljährigkeit an, mit Frau angeredet werden; es sei denn, um mit den Runderlaß zu sprechen, sie äußert erkennbar den Wunsch, „Fräulein" genannt zu werden. Nach unserem Grundgesetz sind Männer und Frauen gleichberechtigt. Dieser Auftrag muß täglich von neuem verwirklicht werden, von allen Männern, von allen Frauen, vor allem aber von diesem Hause. Anlage 14 . Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Spitzmüller (FDP) zu Punkt 2 der Tagesordnung. Die Enquete beschränkt sich im wesentlichen auf die Darstellung von Fakten und die Interpretation von Unterlagen, soweit diese vorhanden sind. Sie verzichtet auf konkrete politische Programme, was ihren Wert keineswegs mindert, sondern ihrem Zweck entspricht. Aufgabe dieses Hauses ist es, a) die politischen Konsequenzen aus diesen Fakten und Erkenntnissen zu ziehen und b) dort wo ausreichende Unterlagen nicht vorhanden sind, dafür zu sorgen, daß durch entsprechende Untersuchungen die nötige Klarheit gewonnen wird. Von welcher Situation müssen wir dabei ausgehen? Das Grundgesetz erkennt den Gleichheitsgrundsatz auch im Hinblick auf die Geschlechter an. Diese zunächst formale Anerkennung hat bisher kein Leitbild von der Rolle der Frau im Beruf, in der Familie und in der Gesellschaft so entscheidend geprägt, als daß man heute schon von einer faktischen Anerkennung des Gleichheitsgrundsatzes in diesen Bereiches sprechen könnte. Die tatsächliche Situation ist richtiger vielfach mit der Hinnahme (Duldung) der Gleichberechtigung umschrieben. Im Grunde handelt es sich dabei um zwei Probleme. a) Die rechtliche Gleichstellung von Mann und Frau in ihren rechtlichen, sozialen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aspekten und b) um die Gleichstellung der Frauen untereinander. Hier scheint das Kernproblem zu liegen. Hier müssen wir zunächst fragen, inwieweit überkommene Vorstellungen und Wertungen, die ausschließlich die Frauen betreffen, dieser Verwirklichung des Gleichheitsgrundsatzes erschwerend entgegenstehen; nicht zuletzt im Hinblick auf die Erwerbstätigkeit. Wertungen, die in geradezu moralisch qualifizierender oder disqualifizierender Form gegenüber Frauen vorgenommen werden, je nachdem ob sie alleinstehend, ledig, verwitwet oder geschieden sind oder ob es sich um verheiratete Frauen mit oder ohne Kinder, mit vielen oder wenigen Kindern handelt. Angesichts unserer verfassungsrechtlichen Normen und ihrer Realisierung, der derzeitigen und künftigen soziologischen Struktur, der Arbeitsteiligkeit unserer Wirtschaft, ist ein klares Ja zur Erwerbstätigkeit der Frau aus sozialen, sozialpsychologischen, rechtlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gründen einfach erforderlich. Um Mißverständnisse zu vermeiden: Dieses Ja zur Erwerbstätigkeit bedeutet in keiner Weise eine Disqualifizierung der Hausfrauentätigkeit, keinen Versuch der Vermännlichung des weiblichen Geschlechts, wie er in totalitären Staaten festzustellen ist, keinen Versuch, den Frauen generell eine Doppelbelastung zuzumuten, die sich aus dem familiären Aufgabenkreis und einer gleichzeitigen Erwerbstätigkeit ergibt. Es handelt sich auch um keine Betrachtungsweise, die in den Frauen eine bloße und möglicherweise noch billige Arbeitsreserve bei generellem oder strukturellem männlichen Arbeitskräftemangel sieht. Die Verwirklichung des Gleichheitsprinzips bedeutet müchtern und unsentimental gesehen die Anerkennung der Partnerschaft auf allen Ebenen — auch im Beruf und der Partnerschaft des Mannes in der Familie. Vielleicht scheint es zweckmäßig, im Zusammenhang mit der Diskussion um die mehrfache Arbeitsbelastung der Frau auch auf die Entwicklung der tariflichen Arbeitszeit einzugehen. Hier können wir feststellen, daß zumindest für unselbständig Beschäftigte in den letzten Jahren eine kontinuierliche Verkürzung der Arbeitszeit .zu registrieren ist, soweit nicht die Schwarzarbeit hierdurch mehr und mehr in Schwange kam und zu einer typisch deutschen Art der Freizeitgestaltung aus den verschiedensten Motiven wurde. Theodor Heuss nahm bei einer Veranstaltung des Stiftungsrates des Deutschen Müttergenesungswerkes 1961 zu diesem Problem wie folgt Stellung: „Bei dem Kampf um die verkürzte Arbeitszeit denke ich immer, sein letzter ethischer Sinn ist, wenn er nicht dem Sportplatz oder sonstigen schönen Dingen zugute kommt, so der Frau und den Kindern. Beim Durchlesen dieser Rede zu dem Thema „Gewandelte Stellung der Frau und Mutter" kam mir die Erinnerung eines Aufrufs des Deutschen Gewerschaftsbundes zu einem 1. Mai in den fünfziger Jahren „Samstags gehört Vati mir". In einem modernen Staat, in dem die Partnerschaft in der Ehe Realität ist oder werden soll, wird es vieles an gegenseitiger Entlastung gegen und geben müssen, was heute vielleicht noch vielfach als typische Männer- oder Frauensache angesehen wird. Das moderne Leitbild muß die berufliche qualifizierte Ausbildung, die tatsächliche oder eventuelle Berufstätigkeit im Lebensplan der Frau heute als Selbstverständlichkeit mit enthalten. Eine ausschließliche Ausrichtung auf eine Heim- und Herdidylle wird den Erfordernissen des Lebens vielfach nicht mehr gerecht. Abgesehen davon, daß es sowieso problematisch erscheint, die Heirat und Ehe als ein Versorgungsproblem für die Frau zu Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1967 4077 sehen oder unter Mitgiftaspekten als ein Versorgungsproblem des Mannes, ist nach Angaben der Enquete zu erwarten, daß 8 bis 9 % keine Heiratsaussichten haben bzw. keine Ehe eingehen. Es ist ferner zu berücksichtigen, daß heute 10 % der Ehen durch gerichtliches Urteil gelöst werden. Der Krieg und die Nachkriegszeit haben ferner dazu beigetragen, daß viele Frauen die Rolle des Ernährers der Familie mitübernehmen mußten, bzw. nicht heiraten konnten. Aber selbst wenn man von diesen kriegs- und kriegsfolgebedingten Umständen absieht, wird anhand anderer Fakten deutlich, welch enorme Bedeutung die berufliche Ausbildung und Erwerbstätigkeit bzw. die Fähigkeit zur Ausübung eines Berufes haben können. Neben diesen mehr oder weniger schicksalsbedingten Aspekten der Erwerbstätigkeit ist ein weiterer Gesichtspunkt zu sehen. Die qualifizierte Ausbildung, die Erwerbstätigkeit oder zumindest die Fähigkeit zur Ausübung eines bestimmten Berufes sind ein entscheidender Bestandteil für die persönliche und materielle Unabhängigkeit der Frauen und damit nicht zuletzt ein Beitrag zur Persönlichkeitsbildung. Wir wissen, daß die Motive zur Erwerbstätigkeit bei den Frauen sehr unterschiedlicher Natur sind. Es erscheint uns als eine Unsitte, weiterhin zu betreiben, was vielfach geschieht, die Erwerbsarbeit der Frauen moralisch zu qualifizieren. Viel entscheidender ist ein Eingehen auf die Erfordernisse, die sich aus der physischen und psychischen Konstitution der Frau und aus ihren familiären Verpflichtungen ergeben. Dies gilt im Hinblick auf die Arbeit, die Arbeitszeit und die Dauer der Arbeitszeit ebenso wie auf die Schaffung von Kinderhorten, Kindergärten und Tagesheimen, in denen berufstätige Mütter ihre Kinder unterbringen können und gut versorgt wissen. Ich betone dies besonders, weil in der jüngsten Zeit, ausgehend von den USA und skandinavischen Ländern, im wesentlichen zwei Modelle für ein Leitbild diskutiert werden. 1. Ein Modell das von einer Drei-Phasen-Betrachtungsweise ausgeht, a) der Phase der schulischen und beruflichen Ausbildung und der Erwerbstätigkeit bis zu einem Aussetzen aus familiären Gründen. b) einer Phase, in der wegen der Verpflichtungen im Haushalt und gegenüber der Familie c) eine Berufstätigkeit nicht ausgeübt werden kann oder sollte, soweit wirtschaftliche Gründe sie nicht erzwingen. c) einer Phase, in der die familiären Verpflichtungen geringer werden oder nicht mehr vorhanden sind, so daß eine Berufstätigkeit aus den verschiedensten Motiven voll oder teilweise wieder möglich wird. Wenn wir uns auf ein solches Leitbild konzentrieren wollen, muß berücksichtigt werden, daß die Frauen in der Phase, wo sie nicht berufstätig sind oder unmittelbar danach die Chance erhalten, sich entsprechend den neuen beruflichen Erkenntnissen und Erfordernissen weiterzubilden. Gerade dort, wo die Erwerbstätigkeit nicht wegen einer wirtschaftlichen Notsituation wiederaufgenommen wird, sondern die Berufstätigkeit auch eine gewisse innere Befriedigung erreichen soll, sind entsprechende Fortbildungskurse von entscheidender Bedeutung. Wo das Gefühl, vollwertige Arbeit nicht mehr zu leisten oder nicht mehr leisten zu können, nicht vorhanden ist, wird der nötige psychologische Effekt nicht erzielt und möglicherweise ins Gegenteil umgekehrt. Pressemitteilungen zufolge hat die DAG erfolgreiche Versuche zur Fortbildung unternommen, die wir nur begrüßen können. Hierin liegt aber auch eine besondere politische Aufgabe. 2. Diese politische Aufgabe ist jedoch in noch größerem Umfange gestellt, wenn ein anderes Leitbild verfolgt wird, das die Erwerbstätigkeit der Frau als eine Selbstverständlichkeit oder zumindest als nichts Außergewöhnliches in die erwähnte zweite Phase, die Zeit besonderer familiärer Verpflichtungen mit einbezieht. Hier müssen deutlich die Gefahren gesehen werden, die sich einmal im Hinblick auf die Doppelbelastung auf die Frau und im Hinblick auf die Erziehung der Kinder ergeben können. Es haben zwar einige negative Klischeevorstellungen eingehenden wissenschaftlichen Untersuchungen nicht standgehalten, aber gerade diese Erkenntnis sollte uns veranlassen, die Probleme der Erwerbstätigkeit der Frau unter Berücksichtigung aller Aspekte in den Ausschüssen eingehend und nüchtern zu beraten und die Vorschläge und Maßnahmen zur Durchführung zu empfehlen, die die Erwerbstätigkeit der Frau in gesellschaftspolitisch wertvoller und sinnvoller Weise unterstützen! Anlage 15 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Carstens vom 23. Januar 1967 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Prochazka (Drucksache V/1290, Frage XI/19) : Welche Sofortmaßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, um den sich in letzter Zeit häufenden tödlichen Unfällen, hervorgerufen durch unsachliches und leichtfertiges Hantieren mit Feuerwaffen in den Bundesewehrkasernen, Einhalt zu gebieten? Das Bundesministerium der Verteidigung ist bestrebt, durch Dienstvorschriften, Befehle, Erlasse und strenge Dienstaufsicht .die Zahl der Unfälle im Dienst der Bundeswehr auf ein Minimum zu beschränken. Periodische Ausbildungsbefehle tragen besonderen Ausbildungsbedingungen, wie z. B. extremer Hitze und Kälte, Rechnung. Die Frage, ob sich gleichartige Unfälle häufen, wird von meinem Hause besonders kritisch beobachtet, damit sofort durch entsprechende Maßnahmen eingegriffen werden kann. Um eine solche Unfallhäufigkeit handelt es 4078 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1967 sich bei den beiden bedauerlichen Unfällen, die sich kürzlich ereigneten, nicht. Es waren die einzigen Unfälle dieser Art im letzten Halbjahr 1966. Der Tod des Gefr. Grzemski am 18. Dezember 1966 und des Gefr. Hilski am 31. Dezember 1966 sind zur Zeit noch Gegenstand gerichtlicher und dienstlicher Untersuchungen, deren Ergebnis abgewartet werden muß. Über den Umgang mit Waffen und scharfer Munition bestehen ausreichende Dienstvorschriften, Erlasse und Befehle. Darüber hinaus werden die Soldaten vor jedem Wachdienst hierüber besonders belehrt.
Gesamtes Protokol
Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508700000
Die Sitzung ist eröffnet.
Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich einige Mitteilungen zu machen.
Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 18. Januar 1967 an Stelle der Frau Abgeordneten Strobel, die ihr Mandat im Europäischen Parlament niedergelegt hat, den Abgeordneten Behrendt als Mitglied des Europäischen Parlaments benannt. — Das Haus ist damit einverstanden. Damit ist der Abgeordnete Behrendt als Mitglied des Europäischen Parlaments gewählt.
Mit Schreiben vom 20. Januar 1967 hat die Fraktion der SPD an Stelle der aus der Beratenden Versammlung des Europarates ausscheidenden Abgeordneten Dr. Schmid (Frankfurt) und Paul als ordentliche Mitglieder die Abgeordneten Herold und Schmidt (Würgendorf) benannt. — Das Haus ist damit einverstanden. Damit sind der Abgeordnete Herold — bisher stellvertretendes Mitglied — und der Abgeordnete Schmidt (Würgendorf) als ordentliche Mitglieder der Beratenden Versammlung des Europarates gewählt.
Gemäß § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung soll der Bericht der Wahlkreiskommission für die 5. Wahlperiode des Deutschen Bundestages — Drucksache V/1174 — an den Innenausschuß überwiesen werden. Erhebt sich dagegen Widerspruch? — Das ist nicht der Fall; es ist so beschlossen.
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesminister für Verkehr hat am 20. Januar 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Schmidt (Wuppertal), Bading, Mertes und Genossen betr. Verseuchung des Meerwassers —Drucksache V/1267 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/1318 verteilt.
Der Bundesminister für Wirtschaft hat am 23. Januar 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Kurlbaum, Dr. Schmidt (Gellersen) und der Fraktion der SPD betr. Mühlenkonvention — Drucksache V/1103 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache V/1327 verteilt.
Der Bundesminister für Wirtschaft hat am 24. Januar 1967 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Geldner, Schmidt (Kempten), Dr. Haas, Kubitza, Dr. Staratzke und Genossen betr. Situation in der Mühlenwirtschaft und Versorgung der Verbraucher -Drucksache V/1230 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache V/1328 verteilt.
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehende Vorlage überwiesen:
Verordnung Nr. 2/67/ EWG des Rates vom 12. Januar 1967 zur Festsetzung des Grundpreises und des Ankaufspreises für Blumenkohl
Verordnung Nr. 3/67/ EWG des Rates vom 12. Januar 1967 zur Festsetzung des Grundpreises und des Ankaufspreises für Apfelsinen
Verordnung Nr. 4/67/ EWG des Rates vom 12. Januar 1967 zur Festsetzung des Grundpreises und des Ankaufspreises für Mandarinen
Verordnung Nr. 5/67/ EWG des Rates vom 12. Januar 1967 zur Festsetzung des Grundpreises und des Ankaufspreises für Zitronen
Verordnung Nr. 6/67/ EWG des Rates vom 12. Januar 1967 zur Festsetzung des Grundpreises und des Ankaufspreises für Äpfel
Verordnung Nr. 7/67/ EWG des Rates vom 12. Januar 1967 zur Festsetzung des Grundpreises und des Ankaufspreises für Birnen
an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Berichterstattung innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen die Verordnungen erhoben werden.
Zu den in der Fragestunde der 84. Sitzung des Deutschen Bundestages am 18. Januar 1967 gestellten Fragen des Abgeordneten Prochazka, Drucksache V/1290 Nr. VII/4 und VII/5 *), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. Dr. Heinemann vom 19. Januar 1967 eingegangen:
Der Herr Bundespräsident hat auf meinen Vorschlag dem früheren Bundestagsabgeordneten Alfred Frenzel, der durch Urteil des Bundesgerichtshofes vom 28. April 1961 wegen Landesverrats zu fünfzehn Jahren Zuchthaus verurteilt worden ist und sich seit dem 28. Oktober 1960 — also rund sechs Jahre und zwei Monate — in Haft befunden hatte, durch Entscheidung vom
.21. Dezember 1966 den am 23. Dezember 1966 noch nicht verbüßten Teil der Strafe erlassen. Frenzel, dessen Gesundheitszustand angegriffen ist, wurde am 23. Dezember 1966 in Herleshausen/ Wartha freigelassen. Er hat auch die deutsche Staatsangehörigkeit verloren. Im Zusammenhang mit seiner Freilassung sind aus dem anderen Teil Deutschlands drei Häftlinge, die dort unter dem Vorwurf politischer Delikte zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt worden waren und die sich bereits sieben Jahre und drei Monate bzw. vier Jahre und vier Monate bzw. drei Jahre und zwei Monate in Strafhaft befunden hatten, freigelassen worden. Ferner haben die sowjetrussischen Behörden die Journalistin Martina Kischke, die in der UdSSR unter dem Vorwurf der Spionage inhaftiert worden war, freigegeben.
Dieser Häftlingsaustausch ist nicht isoliert zu beurteilen. Ich bin der Auffassung, daß Einzelheiten auf diesem Wege nicht näher dargelegt werden sollten. Ich darf Ihnen jedoch versichern, daß trotz der gegen die vorzeitige Begnadigung eines Landesverräters grundsätzlich bestehenden Bedenken hier gewichtige Gründe dazu geführt haben, dem Herrn Bundespräsidenten eine Begnadigung Frenzels vorzuschlagen.
Wir treten in die Tagesordnung ein. Punkt 1 der Tagesordnung:
Fragestunde
— Drucksachen V/1316 —
Ich rufe zunächst die Frage aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen, gestellt von dem Abgeordneten Dr. Hofmann (Mainz), auf:
Würde es die Bundesregierung im Rahmen ihrer gesamtdeutschen Politik begrüßen, wenn westdeutsche Großstädte mit Großstädten Mitteldeutschlands Freundschaftsverhältnisse auf kommunaler Ebene begründen würden?
*) Siehe 84. Sitzung, Seite 3910 B
4006 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, -den 25. Januar 1967
Vizepräsident Schoettle
Herr Bundesminister, wollen Sie bitte antworten.

Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0508700100
Herr Kollege Hofmann, die Bundesregierung begrüßt es, wenn neben Verwaltungskontakten zwischen kommunalen Behörden kulturelle Verbindungen und Begegnungen zum Meinungs- und Erfahrungsaustausch zwischen Gemeinden und Gemeindevertretern ermöglicht werden. Sie läßt sich dabei von der in der Regierungserklärung vom 13. Dezember ausgesprochenen Absicht leiten, Gräben zu überwinden und nicht zu vertiefen. Es muß dahingestellt bleiben, ob der Begriff „Freundschaftsverhältnisse auf kommunaler Ebene ebenso wie der Begriff Patenschaften, der in einem anderen Teil Ihrer Frage auftaucht, auf den der Herr Bundesminister des Auswärtigen antworten wird, unter den gegenwärtigen politischen Bedingungen eine positive und praktische Gestalt gewinnen kann, besonders im Hinblick auf die unterschiedliche Verwendung dieser Begriffe durch verschiedene Seiten.
Durch Richtlinien, die die Vorgängerin dieser Bundesregierung am 16. August des vergangenen Jahres im Bundesanzeiger veröffentlicht hat, ist versucht worden, den Meinungs- und Erfahrungsaustausch zwischen Gemeinden in den beiden Teilen Deutschlands zu fördern. Die Bundesregierung wird prüfen, welche Möglichkeiten es über den seinerzeit — im Zusammenhang mit den soeben genannten Richtlinien — ins Auge gefaßten Verkehr in Verwaltungsangelegenheiten hinaus gibt, Städte und Gemeinden in fruchtbare Beziehungen zueinander zu bringen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508700200
Keine Zusatzfrage.
Dann kommen wir zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für wissenschaftliche Forschung.
Ich rufe zunächst die FrageV/1 des Abgeordneten Kulawig auf:
Sind Pressemeldungen zutreffend, die im Gegensatz zu der Stellungnahme der Bundesregierung in der 81. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 14. Dezember 1966, betreffend die Standortwahl für das Projekt eines europäischen Großbeschleunigers, stehen, wonach der saarländische Standort Neuforweiler aus geologischen Gründen für den Bau des Beschleunigers nicht in Frage kommt?
Bitte, Herr Bundesminister, wollen Sie antworten!

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0508700300
Ich möchte, Herr Präsident, die beiden ersten Fragen des Abgeordneten Kulawig im Zusammenhang beantworten.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508700400
Sind Sie einverstanden, Herr Abgeordneter Kulawig? — Dann rufe ich auch die Frage V/2 des Abgeordneten Kulawig auf:
Ist die Bundesregierung angesichts der Tatsache, daß die Diskussion über den mutmaßlichen Standort des in Frage V/1 erwähnten Projekts längst in die Öffentlichkeit verlagert ist, nicht doch bereit, ihre Auffassung über den geeignetsten Standort in der Bundesrepublik dem Bundestag bekanntzugeben?

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0508700500
Herr Staatssekretär von Heppe hat bereits in der Fragestunde des Bundestages am 14. Dezember auf die Fragen des Herrn Abgeordneten Kulawig nach den deutschen Standortangeboten für einen europäischen Großbeschleuniger erwidert, daß die Bundesregierung ein wissenschaftliches Gutachten von qualifizierten deutschen Fachleuten über die Eignung der von drei deutschen Landesregierungen angebotenen Gelände angefordert hat. Die Ergebnisse dieses Gutachtens, das jetzt vorliegt, sind mit den Landesregierungen erörtert worden. Doch ist diese Aussprache noch nicht abgeschlossen. Die Bundesregierung sieht noch einer Äußerung der beteiligten Landesregierungen zu bestimmten Einzelfragen entgegen. Sobald diese Beratungen zu Ende geführt sind, was in Kürze der Fall sein wird, wird der Bundestag und die Öffentlichkeit sofort unterrichtet werden, welches Gelände bei CERN als möglicher Standort für einen eventuellen Großbeschleuniger von deutscher Seite benannt werden wird.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508700600
Zusatzfragen? — Bitte, Herr Abgeordneter Kulawig!

Alwin Kulawig (SPD):
Rede ID: ID0508700700
Herr Minister, wie sind auf Grund Ihrer Erfahrungen über die interne Zusammenarbeit bei CERN die Aussichten der Bundesrepublik zu veranschlagen ,den Zuschlag für die Standortwahl zu bekommen?

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0508700800
Diese Frage kann im gegenwärtigen Zeitpunkt überhaupt noch nicht beurteilt werden, weil die Benennung möglicher Standorte durch die verschiedenen interessierten Mitgliedstaaten eine Voraussetzung für den Vergleich ist. Dieser Vergleich steht noch aus. Erst wenn er vorliegt, wird ein endgültiges Votum erarbeitet werden können.
Ich möchte hinzufügen, daß mit der Vorklärung der Standortfrage noch keineswegs die Entscheidung getroffen ist, ob in absehbarer Zeit überhaupt dieses Großprojekt, dessen Investitionskosten auf eineinhalb bis zwei Milliarden Mark zu veranschlagen sind, verwirklicht werden kann. Diese Entscheidung wird dann noch von den Regierungen und Parlamenten getroffen werden.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508700900
Noch eine Zusatzfrage.

Alwin Kulawig (SPD):
Rede ID: ID0508701000
Ich habe Sie richtig verstanden, Herr Minister, daß Sie in Kürze, wenn Sie das Gutachten ausgewertet und mit den betreffenden Landesregierungen verhandelt haben, den Bundestag über das Ergebnis informieren werden?

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0508701100
Ja.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508701200
Frage V/3 des Abgeordneten Kulawig:
Welche Bemühungen hat die Bundesregierung bisher unternommen, um mit der französischen Regierung über den Bau einer deutsch-französischen Gemeinschaftslage für das in Frage V/1 erwähnte Projekt zu verhandeln?




Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0508701300
Über das deutsch-französische Projekt eines Höchstfluß-Reaktors hinausgehend, dessen Bau in Grenoble vor einigen Tagen mit der französischen Regierung endgültig vereinbart wurde, werden derzeit noch keine konkreten Verhandlungen mit der französischen Regierung über vergleichbare deutsch-französische Gemeinschaftsanlagen geführt. Es ist jedoch das vorbereitende Studium bestimmter Probleme der internationalen und beiderseitigen Zusammenarbeit durch Arbeitsgruppen vor einigen Monaten eingeleitet worden. Die Bundesregierung würde es begrüßen. wenn diesem ersten Gemeinschaftswerk bald weitere folgten.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508701400
Herr Kulawig!

Alwin Kulawig (SPD):
Rede ID: ID0508701500
Haben Sie irgendwelche Ansatzpunkte, Herr Minister, um in dem konkreten Fall, über den wir hier sprechen, eine Möglichkeit zu sehen, mit der französischen Regierung zu verhandeln? Ich meine also nicht allgemein in der Frage der technologischen Zusammenarbeit, sondern in diesem konkreten Fall des Großbeschleunigers.

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0508701600
Auch die Fragen der Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Hochenergiephysik spielen in diesen Verhandlungen, die wir mit der französischen Regierung führen, eine wichtige Rolle.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508701700
Abgeordneter Kulawik!

Alwin Kulawig (SPD):
Rede ID: ID0508701800
Werden Sie auch zu gegebener Zeit den Bundestag über das Ergebnis ihrer Gespräche informieren?

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0508701900
Sehr gern, obwohl hier die Meinungsbildung noch eine längere Zeit in Anspruch nehmen wird.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508702000
Ich rufe die Frage V/4 des Abgeordneten Dr. Martin auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Möglichkeit, mit den Ländern zu einem neuen Verwaltungsabkommen über die Förderung von Wissenschaft und Forschung zu kommen?
Bitte, Herr Minister!

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0508702100
Die Bundesregierung ist überzeugt, daß es zu einer Verlängerung und Neufassung des Abkommens zur Förderung von Wissenschaft und Forschung kommen wird. Die Länder haben im März 1966 selbst durch ein Schreiben des Vorsitzenden der Konferenz der Ministerpräsidenten eine derartige Verlängerung vorgeschlagen. Die Bundesregierung hat sich daraufhin mit Schreiben des Herrn Bundeskanzlers vom 21. Juni 1966 ebenfalls bereit erklärt, das Abkommen zu verlängern. Gleichzeitig sind einige Änderungen und Verbesserungen vorgeschlagen worden, um Schwierigkeiten und Mißverständnisse, die sich während der Laufzeit des Abkommens gezeigt haben, zu beseitigen. Eine Antwort auf dieses Schreiben vom 21. Juni ist bisher noch nicht eingegangen. Soweit wir unterrichtet sind, haben die Konferenzen der Finanz- und Kultusminister der Länder inzwischen Stellungnahmen zu dieser Frage der Neufassung des Abkommens erarbeitet, die Anfang Februar von der Konferenz der Ministerpräsidenten behandelt werden sollen. Die Bundesregierung hofft, daß es dann sehr schnell zu abschließenden Verhandlungen kommen kann.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508702200
Herr Dr. Martin!

Dr. Berthold Martin (CDU):
Rede ID: ID0508702300
Herr Minister, wollen Sie nach den jüngsten Erfahrungen weiter von einer Beteiligung in Höhe von je 50 % ausgehen?

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0508702400
Der Vertragsentwurf, den die Bundesregierung im Sommer übersandt hat, geht davon aus, daß die Investitionskosten zu je 50 % getragen werden, bei den Kliniken zu einem Drittel vom Bund. Dies entspricht auch den Vorschlägen der Finanzkommission in ihren Darlegungen über die zukünftige Regelung der Wissenschaftsfinanzierung.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508702500
Herr Dr. Martin!

Dr. Berthold Martin (CDU):
Rede ID: ID0508702600
Haben nicht die Wissenschaftsorganisationen andere Vorstellungen, die auf eine flexiblere Lösung zwischen beiden Partnern hinauslaufen?

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0508702700
Es sind in den regelmäßigen Gesprächen, die ich mit den Präsidenten der Wissenschaftsorganisationen führe, im Zusammenhang mit der Finanzierung der Max-Planck-Gesellschaft und der Deutschen Forschungsgemeinschaft von seiten der Wissenschaftsorganisationen Überlegungen vorgetragen worden, die ein Abweichen von der 50-Prozent-Klausel ermöglichen. Ob derartige Überlegungen verwirklicht werden können, muß man sowohl den weiteren Verhandlungen über das Gutachten der Finanzkommission wie den Verhandlungen über dieses Verwaltungsabkommen überlassen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508702800
Herr Dr. Lohmar!

Dr. Ulrich Lohmar (SPD):
Rede ID: ID0508702900
Herr Bundesminister, haben Sie die Absicht, bei den Gesprächen, die sich wahrscheinlich anläßlich der Ministerpräsidentenkonferenz hier in Bonn ergeben werden, auch die Frage des ergänzenden Abkommens über die gemeinsame Finanzierung neuer Hochschulen zur Sprache zu bringen?

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0508703000
Wir haben unseren Wunsch zum Ausdruck gebracht, daß die von Herrn Ministerpräsident Goppel in einem Schreiben vom De-



Bundesminister Dr. Stoltenberg
zember 1965 angekündigte Übersendung eines Vertragsentwurfs zu dieser Frage bald folgt. Wir warten auf einen solchen Entwurf, um weitere Verhandlungen führen zu können. Allerdings haben die Ministerpräsidenten in diesem Zusammenhang zu einer wichtigen Frage eine Stellungnahme des Wissenschaftsrats erbeten, die jetzt in Kürze abgegeben werden soll.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508703100
Herr Dr. Lohmar!

Dr. Ulrich Lohmar (SPD):
Rede ID: ID0508703200
Herr Bundesminister, sind Sie in Ihrer Stellungnahme zu Form und Inhalt eines solchen ergänzenden Abkommens mit den Präsidenten der Wissenschaftsorganisationen einer Auffassung, daß man verschiedene Möglichkeiten der gemeinsamen Finanzierung — multilaterale und bilaterale Formen — in die Erwägung einbeziehen könnte?

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0508703300
Ich habe diesen Komplex sehr eingehend mit den Präsidenten der Wissenschaftsorganisationen besprochen. Es fällt mir etwas schwer, auf die etwas abstrakten Begriffe multilateral und „bilateral zu antworten. Vorläufig haben wir zweiseitige Vereinbarungen über die Finanzierung einzelner medizinischer Hochschulen, medizinischer Akademien, wo wir bereits Zuschüsse geben. Das ist eine bilaterale Vereinbarung. Daneben wird erwogen — aber das müssen die bevorstehenden Verhandlungen ergeben —, zu einer gemeinsamen Regelung für die Länder insgesamt und den Bund zu kommen. Das wäre im Sinne Ihrer Frage eine multilaterale Lösung.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508703400
Herr Dr. Rau!

Dr. Friedrich Rau (SPD):
Rede ID: ID0508703500
Darf ich noch einmal auf den Ausbau der bestehenden Hochschulen zurückkommen. Sind Sie, Herr Minister, jetzt der Auffassung — die Sie damals abgestritten haben —, daß das Beteiligungsverhältnis zwischen Bund und Ländern 1 : 1 sein soll? Sie erinnern sich, daß dieser Standpunkt bei den Haushaltsberatungen 1966 von Ihnen abgelehnt wurde.

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0508703600
Ich habe darauf hingewiesen, daß es bisher keine rechtliche Verpflichtung des Bundes gibt, wie von einigen Kritikern der Bundesregierung behauptet wurde, automatisch zu einem Verhältnis von 1 : 1 zu kommen. Die Wirklichkeit hat sich allerdings in den letzten Monaten verändert. Heute ist das Problem dank der gesteigerten Bundesleistung nicht mehr so sehr, daß der Bund die 50% erreicht. Heute stellt sich die Frage, ob alle Länder ihrerseits in der Lage sind, bei den gesteigerten Bundesleistungen einen Anteil von 50 % zu erbringen. Die Voraussetzung für diese Diskussion hat sich also völlig verändert.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508703700
Herr Dr. Rau!

Dr. Friedrich Rau (SPD):
Rede ID: ID0508703800
Herr Minister, dann ist Ihnen bekannt, daß in dem den Beratungen für den Haushalt 1966 und 1967 vorausgegangenen Jahr 1965 die Beteiligung von Ländern und Bund im Verhältnis 5 : 1 stand, also in einem ganz besonders weit auseinandergehenden Verhältnis.

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0508703900
Dieses Verhältnis kann man wohl nur errechnen, wenn man alle Leistungen der Länder einbezieht — Grundbeschaffung, Aufschließungskosten, Finanzierung der neuen Hochschulen, kleinere Umbauten und Reparaturen —, für die der Bund kleine Rechtsverpflichtung hat. Nach meiner Überzeugung kann man hier nur diejenigen Dinge in eine Relation setzen, die Bund und Länder gemeinsam finanzieren. Dann würde sich für 1965 auch ein etwas günstigeres Verhältnis für den Bund ergeben.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508704000
Herr Moersch!

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0508704100
Welche Möglichkeiten sehen Sie, bei der Erneuerung des Verwaltungsabkommens auch solche Institute mit einzubeziehen und damit dauerhaft zu sichern wie etwa die Deutsche Bibliothek in Frankfurt am Main oder das Deutsche Literaturarchiv in Marbach am Neckar?

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0508704200
In den bisherigen Regelungen des Verwaltungsabkommens von 1964 und in den beiderseitigen Vorüberlegungen für das neue Verwaltungsabkommen hat man sich auf die Finanzierung des Ausbaus der Hochschulen und die großen Forschungsorganisationen sowie die Frage der Studienförderung beschränkt. Ich räume gern ein, daß man parallel dazu — vielleicht abgetrennt — Verhandlungen über die Finanzierung einer Reihe von kleineren Institutionen führen muß. Die Vorschläge der Finanzkommission bieten dafür einen Anhaltspunkt. Wir haben uns in der Frage der Finanzträgerschaft einiger kleinerer wissenschaftlicher Organisationen auch bereits an die Länder gewandt, um hier zu einer Regelung zu kommen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508704300
Herr Moersch!

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0508704400
Herr Minister, darf ich aus Ihrer Antwort schließen, daß die Bundesregierung bereit ist, in den Verhandlungen mit den Ministerpräsidenten der Länder und vielleicht auch innerhalb der Kultusministerkonferenz besondere Sorge dafür zu tragen, daß eben diese Institutionen, die keiner der im Abkommen bisher genannten Organisationsformen angehören, wegen ihrer überregionalen, nationalen Bedeutung für die gesamte wissenschaftliche Forschung in Deutschland gesichert werden?

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0508704500
Ich bejahe die Notwendigkeit einer Sicherung. Dies schließt allerdings nicht aus, daß das eine oder andere kleine Forschungsvorhaben, das bisher gemeinsam finanziert wurde, in Zu-



Bundesminister Dr. Stoltenberg
kunft nur von einem Finanzträger getragen wird, d. h. entweder nur von den Ländern oder nur vom Bund. Ich glaube allerdings nicht, daß wir die Klärung der Finanzierung einer sehr großen Zahl kleiner Forschungsinstitutionen schon in den nächsten Monaten erreichen können. Wir werden bei der Dringlichkeit der Neufassung des Verwaltungsabkommens und seiner Verlängerung diese Verhandlungen gesondert führen müssen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508704600
Frau Geisendörfer!

Ingeborg Geisendörfer (CSU):
Rede ID: ID0508704700
Herr Minister, Sie haben vorhin angedeutet, daß die Länder sich eventuell nicht in der Lage sehen, die 50 % zu leisten. Würde das automatisch bedeuten müssen, daß der Bund dann auch nicht die volle Summe seiner 50 % leisten könnte, und würde das nicht eine sehr fühlbare und schmerzliche Beschränkung der schon lange vorausgeplanten Arbeiten der betroffenen Organisationen bedeuten?

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0508704800
Diese Schwierigkeiten bestehen wohl nicht für die Länder insgesamt, sondern nur für einzelne Länder. Die Situation ist sehr unterschiedlich. Die Frage der Sicherung und der Größenordnung der beiderseitigen Leistungen in den nächsten Jahren wird eine große Rolle bei den bevorstehenden Verhandlungen spielen müssen. Wir können aber, was den Ausbau der Hochschulen betrifft, die Empfehlungen der Finanzkommission nicht völlig außer acht lassen, und diese gehen bei dieser Gemeinschaftsaufgabe von einer schlüsselmäßig aufgegliederten Finanzierung der Investitionen zu je 50 % aus.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508704900
Frau Geisendörfer!

Ingeborg Geisendörfer (CSU):
Rede ID: ID0508705000
Herr Minister, ich möchte meine Frage noch einmal präzisieren. Ich meinte die Leistungen an die Deutsche Forschungsgemeinschaft. Wie ist da die Lage?

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0508705100
Ich habe schon bei einer vorhergehenden Frage angedeutet, daß es im Kreis der Wissenschaftsorganisationen Überlegungen über eine etwas flexiblere Finanzierungsreform gibt, aber ich kann hier der abschließenden Meinungsbildung der Bundesregierung und den Verhandlungen mit den Ländern im Ergebnis nicht vorgreifen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508705200
Herr Abgeordneter Dr. Martin, Sie haben eigentlich keine Zusatzfrage mehr.

Dr. Berthold Martin (CDU):
Rede ID: ID0508705300
Danke schön, Herr Präsident! In diesem Zusammenhang, Herr Minister: Wie entwickelt sich denn die Last der Länder bei den neuen Investitionen? Können Sie sagen, wie das Verhältnis. der laufenden Kosten zu den Investitionskosten ist?

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID0508705400
Es kann gar kein Zweifel daran bestehen, daß die Länder auf Grund der großen Investitionen der letzten fünf, sechs Jahre eine außerordentlich starke Mehrbelastung durch die laufenden Kosten haben. Ich habe jetzt nicht die absoluten Zahlen im Gedächtnis, sondern eine Verhältniszahl. Die Ausgaben der Länder für die laufenden Kosten der wissenschaftlichen Hochschulen, also die Kosten ohne Investitionen, haben sich in fünf Jahren verdreifacht. Man muß auch diese Leistung würdigen, wenn man die Schwierigkeiten der Länder bei den neuen Investitionen sieht.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508705500
Damit sind die Fragen aus diesem Geschäftsbereich erledigt.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr. Ich rufe die Frage II/1 der Frau Abgeordneten Funcke auf:
Welche Hindernisse stehen einer bundeseinheitlichen und zuverlässigen Methode bei der Berechnung der Entfernungskilometer auf Autobahnschildern (bis Autobahnabfahrt oder bis Ortsmitte) entgegen?
Bitte, Herr Minister!

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0508705600
Herr Präsident, einer bundeseinheitlichen Berechnung der Entfernungen auf Fernzielschildern der Bundesautobahnen stehen keine Hindernisse entgegen. Die angegebene Entfernung gilt vom Standort des betreffenden Schildes bis zur Ortsmitte.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508705700
Frau Funcke!

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0508705800
Herr Minister, wie erklären Sie sich denn, daß diese Angaben auf den Autobahnschildern von Ort zu Ort nicht mehr mit dem Kilometerzähler übereinstimmen, sondern teilweise 5 bis 10 km vorwärts und rückwärts differieren?

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0508705900
Das ist natürlich immer die direkte, die gerade Linie zwischen zwei Punkten. Das ist immer gemessen vom Standort des Schildes bis zur Ortsmitte. Es kommt oft darauf an, welche Abfahrt man benutzt. Ich gebe zu, daß sich bei Baumaßnahmen vorübergehend einmal kleine Veränderungen ergeben können, die dann nachträglich sobald wie möglich immer ausgeglichen werden. Im übrigen bin ich mir nicht sicher, ob der Kilometerzähler in jedem Auto mit dem Bandmaß übereinstimmt, mit dem die Strecke abgemessen worden ist.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508706000
Frau Funcke!

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0508706100
Herr Bundesminister, sind Sie bereit, eines Tages einmal mit mir in meinem Wagen von Bonn nach Hagen zu fahren,

(Heiterkeit)

und zwar nach vorheriger Kontrolle meines Kilometerzählers, um das einmal zu studieren?




Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0508706200
Ich bin gerne bereit mitzufahren.

(Erneute Heiterkeit.) Vizepräsident Schoettle: Herr Ollesch!


Alfred Ollesch (FDP):
Rede ID: ID0508706300
Herr Minister, da gerade von Schildern an der Autobahn die Rede ist: Wäre es nicht in unserem Bestreben, die Verbindung mit Berlin in der Bevölkerung etwas deutlicher zu machen, sinnvoll, an der Autobahn Ruhrgebiet—Berlin unter dem Richtungsschild Hannover auch noch Berlin hinzuzufügen?

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0508706400
Ich bin ganz Ihrer Auffassung. Ich werde eine entsprechende Anregung geben.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508706500
Ich rufe die Fragen 1I/2 und I1/3 des Abgeordneten Hübner auf:
Zu welchem Ergebnis hat die Einschaltung der Europäischen Konferenz der Verkehrsminister zu dem Vorhaben Rhein-Maas Kanal, insbesondere im Hinblick auf die Linienführung, geführt?
Kann inzwischen, folgernd aus der schriftlichen Antwort des Bundesverkehrsministers vom 5. August 1965 auf meine Mündliche Anfrage, den betroffenen Gebietskörperschaften ein Hinweis für ihre Planungen gegeben werden?
Herr Minister, bitte!

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0508706600
Die Europäische Konferenz der Verkehrsminister hat im Jahre 1953 das Projekt der Rhein-Maas-Verbindung auf ihre Liste gesetzt. Diese Liste enthält zwölf Wasserstraßenvorhaben von europäischem Interesse. Sie hat im Jahre 1956 eine deutsch-belgisch-niederländische Sachverständigengruppe mit der Untersuchung dieses Projektes beauftragt.
Die Sachverständigengruppe hat der Konferenz im Jahre 1962 den ersten Teil ihres Gutachtens vorgelegt. Dieser erste Teil enthält die technische Beurteilung von vier möglichen Trassen.
Der verkehrswirtschaftliche Teil des Gutachtens ist noch in Arbeit, er ist noch nicht fertiggestellt. Erst das Gesamtgutachten wird es der Europäischen Konferenz der Verkehrsminister ermöglichen, eine Empfehlung über die weitere Behandlung des Vorhabens, insbesondere auch über die Wahl der Linienführung, zu geben.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508706700
Herr Abgeordneter Hübner!

Klaus Hübner (SPD):
Rede ID: ID0508706800
Herr Minister, wäre es im Hinblick darauf, daß die betroffenen Gemeinden im Sinne der Landesentwicklung meist Industrieerwartungsland haben, möglich, eine wenigstens negative Auslegung unter den Trassen beschleunigt voranzutreiben, damit die Gemeinden wieder Handlungsfreiheit hinsichtlich ihrer Planung bekommen?

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0508706900
Das ist erst dann möglich, wenn die abschließende Beurteilung nach Vorliegen des verkehrswirtschaftlichen Gutachtens vorliegt. Im übrigen ist das nicht allein von den Überlegungen der Bundesregierung abhängig, sondern hat im Einvernehmen mit den beteiligten Regierungen von Belgien und Holland zu geschehen. Dazu darf ich Ihnen sagen, daß nach meinem persönlichen Eindruck und dem meines Hauses die Neigung bei diesen beiden Ländern nicht allzu groß ist, das Kanalbauvorhaben zu forcieren. Unsere Neigung ist im wesentlichen vom Umfang der vorhandenen finanziellen Mittel abhängig, deren Größenordnung Ihnen aber auch bekannt ist.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508707000
Herr Abgeordneter Hübner!

Klaus Hübner (SPD):
Rede ID: ID0508707100
Können Sie etwa angeben, wann mit ersten Ergebnissen gerechnet werden kann?

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0508707200
Ich bitte um Entschuldigung, ich habe im Augenblick keinen Überblick, wann das Gutachten vorliegen kann. Ich gebe Ihnen aber gern einen schriftlichen Bescheid.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508707300
Herr Brück!

Valentin Brück (CDU):
Rede ID: ID0508707400
Herr Bundesverkehrsminister, darf ich Sie im Zusammenhang mit dem Bau eines Rhein-Maas-Kanals fragen, ob es, nachdem die wesentlichen Hauptstrecken des linken Niederrheins wie auch die Strecke Köln—Aachen elektrifiziert sind, aus verkehrspolitischen wie aber auch aus wirtschaftlichen Gründen jetzt noch zu vertreten ist, dieses Kanalprojekt bei unserer nicht sehr einfachen Finanzsituation durchzuführen.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0508707500
Herr Kollege, das habe ich auch gemeint, als ich vom Vorliegen der verkehrswirtschaftlichen Gutachten gesprochen habe. Erst dann hat man definitive Zahlen und Fakten vor sich und kann zu einem abschließenden Urteil kommen, das auf ermittelten Tatbeständen beruht.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508707600
Herr Brück!

Valentin Brück (CDU):
Rede ID: ID0508707700
Darf ich Sie noch fragen, ob Ihnen bekannt ist, daß beim deutschbelgischen Parlamentariertreffen, das in bestimmten Abständen immer wieder stattfindet, diese Frage stets eine Rolle gespielt hat, daß aber die aus unserem Nachbarland Belgien vertretenen Herren über die Linienführung sehr verschiedener Auffassung waren.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0508707800
Ich habe schon angedeutet, daß der Drang auf belgischer und holländischer Seite nicht so groß ist. Das hängt wahrscheinlich auch mit der nicht vorhandenen Übereinstimmung über die Trassenführung zusammen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508707900
Damit sind die Fragen beantwortet. Wir kommen jetzt zur Frage I1/4 des Herrn Abgeordneten Fellermaier:
Ist die Bundesregierung bereit, gemeinsam mit den Bundesländern die Vereinheitlichung der Rechtsvorschriften für den Sehtest von Führerscheinbewerbern herzustellen, da die Feststellung der Sehschärfe und die fachärztlichen Untersuchungen bisher in den einzelnen Bundesländern verschiedenartig gehandhabt werden?




Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0508708000
Die Durchführung des Sehtestes für Führerscheinbewerber ist von den Bundesländern im wesentlichen nach einheitlichen Gesichtspunkten durch Richtlinien geregelt worden. Abweichungen bestehen lediglich in den Ländern Hessen und Rheinland-Pfalz hinsichtlich des Grenzwertes der Sehschärfe, unterhalb dessen ein Proband angehalten und einem Augenarzt zugeführt werden muß. Da zu dieser Frage die Auffassungen auch in ärztlichen Kreisen auseinandergehen, ist auf meine Anregung hin im Zusammenwirken mit dem Bundesgesundheitsministerium eine Sachverständigenkommission beim Bundesgesundheitsamt gegenwärtig damit befaßt, die noch unerforschten Zusammenhänge zwischen Sehvermögen und Fahrtüchtigkeit zu klären. Es ist damit zu rechnen, daß durch diese Kommissionsarbeit die Grundlagen für eine Vereinheitlichung des Sehtestes und der fachärztlichen Untersuchungen in allen Bundesländern geschaffen werden. Mit dem Abschluß der Kommissionsarbeit ist in Kürze zu rechnen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508708100
Herr Fellermaier!

Ludwig Fellermaier (SPD):
Rede ID: ID0508708200
Herr Minister, darf ich Sie zusätzlich fragen, ob in diese Untersuchungen auch das Problem mit eingeschlossen worden ist, daß periodische Untersuchungen vor allem bei älteren Führerscheinbewerbern im Interesse der Verkehrssicherheit notwendig sind.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0508708300
In die von mir eben erwähnten Untersuchungen nicht. Hier geht es nur darum, wie die Untersuchung durchgeführt werden soll und bei welcher Sehschärfe sie einzuführen ist.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508708400
Herr Fellermaier!

Ludwig Fellermaier (SPD):
Rede ID: ID0508708500
Herr Minister, darf ich Sie fragen, ob Sie bereit wären, diese Anregung aufzugreifen und die Untersuchung auch auf diesen Komplex ausdehnen zu lassen.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0508708600
Ich bin gern bereit, die Frage zu prüfen. Die Durchführung stößt auf erhebliche psychologische Probleme, weil ja nicht jeder in der Bevölkerung bereit ist, sich serienmäßig zur Untersuchung zu stellen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508708700
Herr Abgeordneter Felder!

Josef Felder (SPD):
Rede ID: ID0508708800
Herr Minister, würden Sie angesichts der Tatsache, daß gegenwärtig 2,5 Millionen Kraftfahrer ihr Fahrzeug mit schlechten Augen ohne Brille steuern, nicht wenigstens in dieser Kommission darauf hinwirken, daß die über 65 Jahre alten Kraftfahrer einem Sehtest unterworfen werden?

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0508708900
Im Zusammenhang mit Überlegungen, die die Verkehrssicherheit betreffen, spielt die Frage, die auch der Herr
Kollege vorhin schon angeschnitten hat, bei uns eine Rolle. Ich möchte nur um Verständnis bitten, daß ich hier nicht einen einzigen Punkt vorziehen möchte; ich möchte vielmehr im ganzen, im Rahmen der Straßenverkehrsordnung und zusätzlicher Maßnahmen auf dem Gebiet der Sicherheit, auch dieses Problem mit hineinnehmen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508709000
Herr Abgeordneter Felder!

Josef Felder (SPD):
Rede ID: ID0508709100
Sind Sie mit mir der Meinung, Herr Minister, daß die Bundesrepublik nach den Feststellungen des Berufsverbandes der Augenärzte, das einzige bekannte zivilisierte Land ist, das keine gesetzlichen Bestimmungen über die Sehleistungsanforderungen an Kraftfahrer hat?

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0508709200
Das ist eine Angelegenheit, die in erster Linie aus Gesichtspunkten der Verkehrssicherheit und nicht nach den Bedürfnissen der Augenärzte behandelt werden muß.

(Beifall.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508709300
Ich rufe die Frage II/5 des Abgeordneten Lemmrich auf:
Trifft die Behauptung des Oberbürgermeisters der Stadt München zu, daß München die volle Baulast für die Ortsdurchfahrten von Bundesstraßen allein zu tragen habe, und er dabei den Eindruck erweckt, München müsse die damit verbundenen Kosten alleine aufbringen?
Hier handelt es sich wahrscheinlich um Zusatzfragen zu einer bereits schriftlich gegebenen Antwort.

Karl Heinz Lemmrich (CSU):
Rede ID: ID0508709400
Herr Präsident, ich bin in Straßburg gewesen und habe daher die Antwort leider nicht erhalten.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0508709500
Ich bin gern bereit, die Frage zu beantworten, Herr Präsident.
Gemäß § 5 Abs. 2 des Bundesfernstraßengesetzes ist die Stadt München Träger der Straßenbaulast für die Ortsdurchfahrten im Zuge der Bundesstraßen. Es trifft aber nicht zu, daß die Stadt die mit der Baulast verbundenen Kosten allein zu tragen hat. Vielmehr gewährt der Bund der Stadt München nach Maßgabe der geltenden Richtlinien für Bundeszuwendungen Zuschüsse zum Ausbau der Ortsdurchfahrten von Bundesstraßen und zum Ausbau des mittleren Ringes, was auch von dem Herrn Oberbürgermeister der Stadt München wiederholt bestätigt worden ist.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508709600
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Lemmrich.

Karl Heinz Lemmrich (CSU):
Rede ID: ID0508709700
Herr Minister, wie groß ist der Beteiligungsprozentsatz des Bundes für diese Bundesstraßen, die sich in der Baulast der Städte — hier München — befinden?

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0508709800
Ich habe eine Aufstellung hier, die für die Jahre von 1957 bis 1966 in absoluten Zahlen die Leistungen des



Bundesminister Leber
Bundes darstellt. Ich kann sie hier vorlesen. Vielleicht ist das aber für das ganze Haus nicht so interessant. Ich bin gern bereit, sie Ihnen zu übergeben.

Karl Heinz Lemmrich (CSU):
Rede ID: ID0508709900
Darum würde ich dann bitten.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508710000
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Lemmrich.

Karl Heinz Lemmrich (CSU):
Rede ID: ID0508710100
Glauben Sie, daß diese gewährten Zuschüsse ausreichen, die auf den Bund entfallenden Aufgaben dieser Straßen finanziell abzudecken?

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0508710200
Ich bin davon überzeugt, daß über die Zuschüsse hinaus, die der Bund leistet, auf die Stadt München eine sehr erhebliche Belastung zukommt. Ich hoffe, daß wir nach den abschließenden Erörterungen über Haushaltsmaßnahmen und mögliche Mittel, die aus einem eventuellen neuen Haushaltstitel kommen können, in die Lage versetzt werden, zu prüfen, ob nicht eine höhere Beteiligung des Bundes möglich ist.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508710300
Keine weitere Zusatzfrage. — Ich rufe dann die Frage II/6 des Abgeordneten Sänger auf:
Ist die Bundesregierung bereit, den ständig laufenden öffentlichen Omnibusverkehr vor allem in solchen Gebieten, in denen er bisher betriebene Bundesbahnlinien zu ersetzen hat, und in den Gebieten des Zonenrandes vor den neuen Kostenlasten zu bewahren, die durch Erhöhung der Mineralölsteuer für diese öffentlichen Verkehrsmittel entstanden sind?

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0508710400
Herr Präsident, die Frage wurde schriftlich beantwortet. Ich bin aber gern bereit, die Antwort noch einmal mündlich vorzutragen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508710500
Es ging ja wohl in der Hauptsache darum, daß die Fragesteller noch Zusatzfragen stellen können.

Fritz Sänger (SPD):
Rede ID: ID0508710600
Ich habe eine Zusatzfrage, Herr Präsident.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508710700
Bitte, Herr Abgeordneter Sanger!

Fritz Sänger (SPD):
Rede ID: ID0508710800
Darf ich den Herrn Bundesminister fragen, ob nicht auch in Deutschland die Erfahrung gemacht worden ist, daß der Omnibusverkehr der beweglichste und damit für den Bundesverkehr der wichtigste Verkehrsfaktor ist, dem wir alle Entwicklungsmöglichkeiten schaffen müssen.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0508710900
Ich bin mit Ihnen der Auffassung, daß der Omnibusverkehr ein sehr beweglicher Verkehr ist, sicher beweglicher als der Schienenverkehr.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508711000
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Sanger.

Fritz Sänger (SPD):
Rede ID: ID0508711100
Glauben Sie nicht, Herr Bundesminister, daß in den Bezirken, vor allem in den Zonenrandgebieten, in denen der Omnibusverkehr jetzt den Eisenbahnverkehr zu ersetzen hat, dem Omnibusverkehr die Chancen gegeben werden müssen, die früher der Eisenbahn zur Verfügung standen?

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0508711200
Ich bin mit Ihnen der Auffassung, daß das so sein sollte. Es ist nur die Frage, ob die Belastungen, die von den 3 Pf ausgehen, Herr Kollege Sänger, einen solchen speziellen Ausgleich nötig machen. Wenn ich hier kurz einmal darstellen darf, wie sich das Problem für mich darbietet, dann ergibt sich folgende Rechnung. Die Mineralölsteuer macht im Durchschnitt etwa 9 % der Gesamtkosten aus. Die 3 Pf verhalten sich wie 1 : 10 bezogen auf die gesamte Mineralölsteuerbelastung. Es müßte sich im Durchschnitt durch die 3 Pf bei einem Omnibus, der mit Dieselkraftstoff fährt, von den Kosten her eine Veränderung um etwa 1 % ergeben. Im Augenblick ist überhaupt nicht zu übersehen, wie die 3 Pf wirken. Ich habe soeben eine Meldung auf den Tisch bekommen, nach der drei große Mineralölgesellschaften die Preise um bis zu 4 Pf gesenkt haben. Es besteht im Augenblick also auch von der tatsächlichen Preisentwicklung her keine Veranlassung, daß der Bund diese Mehrbelastung auf irgendeine andere Weise ausgleicht.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508711300
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmidt (Offenbach).

Dr. Horst Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0508711400
Herr Minister, wären Sie im Hinblick auf ausländische Praktiken — wie beispielsweise in den USA oder in der Schweiz oder auch in England — bereit, Ihren Standpunkt nochmals zu überprüfen, zumal es den Kommunen sehr schwerfallen dürfte, aus der Defizitentwicklung in den Verkehrsbetrieben herauszukommen, ohne eine deutliche Preiserhöhung durchzuführen?

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0508711500
Herr Kollege Schmidt, die Kommunen sind die einzigen Nutznießer dieses 3-Pf-Aufkommens. Ich kann mir also den Kreis nicht geschlossen vorstellen, wenn nun die Mittel, die den Kommunen zufließen sollen, auf der anderen Seite wieder als Ersatzleistungen und Ausgleichszahlungen an diejenigen Verkehrsteilnehmer beschränkt werden sollen, die sie aufbringen. Es sind ja Leistungen, die im Interesse auch der Omnibusbetriebe auf dem Gebiet des Verkehrsbaues vor allem in den Gemeinden vollbracht werden sollen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508711600
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmidt.

Dr. Horst Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0508711700
Herr Minister, haben Sie, nachdem vor einiger Zeit von den Länderverkehrsministern Pläne angedeutet wurden, daß unter Umständen in dieser Weise verfahren werden



Dr. Schmidt (Offenbach)

könnte, inzwischen in Erfahrung gebracht, ob diese Pläne von seiten der Länderfinanzminister verwirklicht werden?

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0508711800
Ich weiß nicht, welche Pläne Sie im Konkreten meinen.

Dr. Horst Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0508711900
In bezug auf die Befreiung städtischer Verkehrsbetriebe von der Mineralölsteuer.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0508712000
Hier liegen keine konkreten Vorstellungen vor.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508712100
Eine weitere Zusatzfrage Herr Abgeordneter Raffert.

Joachim Raffert (SPD):
Rede ID: ID0508712200
Herr Minister, ich darf Sie an die Reaktion der Bundesregierung auf das Sachverständigengutachten über den innergemeindlichen Verkehr erinnern. In dieser Reaktion — sie stammt aus dem Juni 1965 — ist gesagt worden, die Bundesregierung wird der in diesem Zusammenhang gegebenen Empfehlung folgen und weitere Untersuchungen veranlassen, die in die Richtung der vollständigen Befreiung aller Straßenfahrzeuge des öffentlichen Personennahverkehrs von der KfzSteuer usw. gehen. Dort seien Untersuchungen im Gange. Wie weit sind diese Untersuchungen?

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0508712300
Ich kann über den Stand der Untersuchungen nichts sagen. Ich kann Ihnen nur sagen, daß derartige Absichten bei der Bundesregierung gegenwärtig nicht bestehen. Wir sind der Auffassung, daß die aufkommenden 3 Pf in vollem Umfang den Gemeinden für die Lösung von Verkehrsaufgaben zur Verfügung gestellt werden müßten.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508712400
Eine weitere Zusatzfrage Herr Abgeordneter Ott.

Anton Ott (CSU):
Rede ID: ID0508712500
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß im Lande Bayern die Frage des Kraftfahrzeugsteuererlasses ohne Bedeutung ist, weil in Bayern die Gemeinden die Kraftfahrzeugsteuer sowieso vom Land bekommen?

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0508712600
Das ist mir bekannt. Ich weiß aber, es wird in anderen Ländern ähnlich gehandhabt.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508712700
Eine weitere Zusatzfrage Herr Abgeordneter Ott.

Anton Ott (CSU):
Rede ID: ID0508712800
Herr Minister, wären Sie bereit, in anderen Ländern Ihren Einfluß dahin gehend auszuüben, daß dort in gleicher Weise verfahren wird?

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0508712900
Ich bin für das Steueraufkommen nur sekundär zuständig. Ich werde dem Herrn Kollegen Strauß gern eine entsprechende Anregung geben.

(Beifall bei der SPD.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508713000
Ich rufe die Frage II/7 der Abgeordneten Frau Freyh auf:
Wie hat sich im Jahre 1966 im Vergleich zum Vorjahr die Unfallhäufigkeit an Zebrastreifen in Großstädten entwickelt?
Bitte, Herr Minister!

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0508713100
Herr Präsident, gestatten Sie, daß ich mich, wenn die Frau Kollegin Freyh einverstanden ist, zur Beantwortung dieser Frage auf die Antwort in der Fragestunde vom 20. Januar 1967 an den Herrn Kollegen Ramms beziehe; es ist die gleiche Frage gewesen. Dort wurde dargestellt, eine exakte Zählung der Fußgängerunfälle, die sich ausschließlich auf Zebrastreifen ereignet haben, liegt bis jetzt nicht vor. Daher ist es noch nicht möglich, die Auswirkungen der Zebrastreifenverordnung aus der Bundesstatistik abzulesen. Auf meinen Wunsch hin haben die Bundesländer aber diese Angaben im Laufe des Jahres 1965 in die Unfallanzeige der Polizei aufgenommen. Damit ist das Statistische Bundesamt künftig in der Lage, besonders auch für das Jahr 1966, eine Sonderaufbereitung über alle Arten von Fußgängerunfällen, auch der Unfälle auf Zebrastreifen, durchzuführen. Diese ersten Ergebnisse für das Jahr 1966 werden Ende 1967 vorliegen.
Die Entwicklung der Fußgängerunfälle insgesamt, in denen die Unfälle der Fußgänger auf Zebrastreifen u. a. mitenthalten sind, zeigt folgendes Bild. Nachdem sich die Neuregelung der Zebrastreifenverordnung eingespielt hatte, konnte in den Monaten Juli bis September 1964 ein deutlicher Rückgang der tödlichen Fußgängerunfälle in den Städten und Gemeinden festgestellt werden. Es wurden 54 Personen weniger getötet und 607 weniger verletzt als im gleichen Zeitraum des Vorjahres vor dem Inkrafttreten der Zebrastreifenverordnung.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508713200
Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Freyh.

Brigitte Freyh (SPD):
Rede ID: ID0508713300
Herr Minister, unter der Voraussetzung, daß mir die Antwort der letzten Fragestunde bekannt war, möchte ich Sie aber trotzdem fragen, ob es denn nicht möglich ist, wie z. B. aus Meldungen der Polizei der Stadt Frankfurt für das Jahr 1966 hervorging, die Unfallhäufigkeit an Zebrastreifen in Großstädten bereits jetzt zu messen, um sie zum Ausgangspunkt für weitere Überlegungen hinsichtlich der Zebrastreifen zu machen.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0508713400
Ich will gern diesen gemeindlichen Untersuchungsergebnissen nachgehen und versuchen, in meinem Hause eine entsprechende Aufbereitung vorzunehmen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508713500
Frau Freyh!




Brigitte Freyh (SPD):
Rede ID: ID0508713600
Würden Sie mit mir übereinstimmen, Herr Minister, daß die Beunruhigung über das Problem der Zebrastreifenunfälle doch dazu Veranlassung geben müßte, statistische Untersuchungen über die Entwicklung dieser Unfälle nicht erst wie z. B. auf Grund dieser von Ihnen erwähnten statistischen Untersuchung am Ende des Jahres 1967 für den Ablauf des Jahres 1965 zu haben, sondern daß man solche Untersuchungen doch tatsächlich beschleunigen müßte?

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0508713700
Verehrte Frau Kollegin, die Auswertung dieser Untersuchung, die sich über die ganze Bundesgebiet erstreckt, wird nach modernen Lochkartenmethoden vorgenommen. Es ist ein außerordentlich schwieriger und auch aufwendiger Vorgang, einzelne Untersuchungsergebnisse vorweg, vor allen anderen Ergebnissen, herausziehen zu wollen. Ich will aber gern prüfen lassen, ob so etwas möglich ist.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508713800
Ich rufe jetzt die Frage I1/8 der Abgeordneten Frau Freyh auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung Vorschläge, an signalgeregelten Kreuzungen auf das Markieren von Zebrastreifen zu verzichten, um auf diese Weise das häufig bei Fußgängern festzustellende Mißverständnis auszuschließen, sie seien auf markierten Überwegen grundsätzlich bevorrechtet?

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0508713900
Derartige Vorschläge sind sachgerecht. Dementsprechend sieht der Entwurf einer Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur neuen Straßenverkehrsordnung, der mit den für den Straßenverkehr zuständigen obersten Landesbehörden bereits beraten ist, folgendes vor — ich verlese den Text des Entwurfs —:
Wo der Fußgängerverkehr durch Lichtzeichen geregelt ist, sollten Fußgängerüberwege nicht angelegt werden. Ist das doch der Fall, so soll die Lichtzeichenanlage Tag und Nacht in Betrieb sein, und es muß dafür gesorgt werden, daß, falls ein Rotlicht für Fußgänger ausfällt, kein Zweifel darüber entstehen kann, ob der Fußgänger oder das Fahrzeug auf dem Fußgängerüberweg Vorrang hat. Dies kann erreicht werden durch Verwendung doppelter Rotlichter für Fußgänger oder durch automatische Abschaltung der gesamten Lichtzeichenanlage. Es ist nur dann zu verantworten, die Lichtzeichenanlage gelegentlich auszuschalten, wenn die Fußgänger durch weitere Maßnahmen besonders gesichert sind.
Das ist der Entwurf für eine entsprechende Rechtsgrundlage, die allerdings noch mit den Ländern bzw. mit den üblichen Stellen abzustimmen ist, bevor sie in Kraft treten kann.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508714000
Frau Freyh!

Brigitte Freyh (SPD):
Rede ID: ID0508714100
Darf ich Sie fragen, Herr Minister, bis wann mit einer solchen Abstimmung und mit dem Erlaß derartiger Verordnungen zu rechnen sein dürfte.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0508714200
Das wird in Verbindung mit der Neufassung der Straßenverkehrsordnung zu erwarten sein. Bei der Neufassung der Straßenverkehrsordnung muß man aber Rücksicht nehmen auf die Gewöhnung aller Verkehrsteilnehmer an die Ordnung im Verkehr. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß man solche Veränderungen nicht kurzfristig und nicht zu häufig vornehmen darf, weil damit Verwirrung in die Verkehrsteilnehmer getragen wird.
In diesem konkreten Fall geht es dabei noch um einen besonderen Punkt: Anfang des Jahres 1968 wird auf Einladung der Vereinten Nationen eine Weltkonferenz stattfinden, die den Versuch machen soll, die wesentlichsten Verkehrsvorschriften für alle Länder, die den Vereinten Nationen angeschlossen sind, zu vereinheitlichen. Wir sind der Auffassung, daß man das Ergebnis dieser Konferenz abwarten sollte, um im Anschluß- daran das deutsche Straßenverkehrsrecht auf der Basis dieses Übereinkommens neu zu regeln, und dann hoffentlich für einen längeren Zeitabschnitt.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508714300
Herr Mattick!

Kurt Mattick (SPD):
Rede ID: ID0508714400
Herr Minister, würden Sie es nicht für richtig halten, daß Zebrastreifenübergänge, die sonst keine Ampelregelung haben, generell bei Eintritt der Dunkelheit beleuchtet werden?

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0508714500
Das ist eine Angelegenheit, die in erster Linie die zuständigen Polizeiorgane der Gemeinden angeht. Aber ich will gern einmal nachprüfen, welche Möglichkeiten wir haben, einen entsprechenden Hinweis zu geben.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508714600
Herr Haage!

Hermann Haage (SPD):
Rede ID: ID0508714700
Herr Minister, habe ich Sie richtig verstanden, daß Sie damit zum Ausdruck bringen wollten, daß unsere Bestimmungen den europäischen und, wenn es möglich ist, den Weltbestimmungen angepaßt werden sollen?

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0508714800
Wir wollen nach Möglichkeit ein Straßenverkehrsrecht, das so ist, daß der Fahrer, wenn er die Grenzen überfährt, nicht überlegen muß, in welchen Fällen sich nun die nationalen Straßenverkehrsordnungen voneinander unterscheiden, sondern daß nach Möglichkeit hier eine Harmonisierung erreicht wird.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508714900
Herr Haage!

Hermann Haage (SPD):
Rede ID: ID0508715000
Herr Minister, dann sind Sie mit mir der Meinung, wenn ich Sie richtig verstanden habe, daß es nicht sehr sinnvoll ist, daß man aus der natonalen Sicht oder gar aus der Gemeindesicht Anträge stellt, die dann wieder der europäischen Einigung widerstreben?

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0508715100
Das könnte sein.




Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508715200
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen.
Zunächst rufe ich die Frage III/1 des Abgeordneten Schultz (Gau-Bischofsheim) auf:
In welchem Umfang hat die polnische Verwaltung bisher deutsche Briefmarken beanstandet?
Die Frage wird vom Abgeordneten Borm übernommen.

Dr. Willy Steinmetz (CDU):
Rede ID: ID0508715300
Herr Präsident, darf ich die drei Fragen des Abgeordneten Schultz im Zusammenhang beantworten?

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508715400
Der Fragesteller ist einverstanden. Ich rufe auch die Fragen III/2 und 3 des Abgeordneten Schultz (Gau-Bischofsheim) auf:
Welche Folgen hatten die in Frage III/1 erwähnten Beanstandungen?
Beabsichtigt die Bundesregierung, in Erwiderung der entsprechenden polnischen Maßnahmen Sendungen aus dem polnischen Bereich zu beanstanden, die Briefmarken mit Abbildungen von Städten in den Oder-Neiße-Gebieten mit polnischer Bezeichnung enthalten?

Dr. Willy Steinmetz (CDU):
Rede ID: ID0508715500
Die polnische Verwaltung hat beanstandet: a) die Sondermarke „Zwanzig Jahre Vertreibung 1945-1965, b) aus der Dauerserie „Deutsche Bauwerke aus zwölf Jahrhunderten die Werte 5 Pf Stettin/ Pommern, 90 Pf Königsberg/ Preußen und 2 DM „Löwenberg/ Schlesien".
Die polnische Verwaltung hat die Sendungen, die mit den beanstandeten Marken freigemacht sind, unterschiedlich behandelt.
Sendungen, die mit der Sondermarke „Zwanzig Jahre Vertreibung 1945-1965" freigemacht waren, wurden bis zum 30. August 1965 an die Absender zurückgesandt. Die mit diesem Sonderpostwertzeichen freigemachten Sendungen, die nach dem 30. August 1965 in Polen eingingen, wurden von den polnischen Behörden beschlagnahmt.
Gegen die Herausgabe der Werte 5 Pf „Stettin/ Pommern" und 2 DM „Löwenberg/ Schlesien" hatte die polnische Verwaltung bereits bei der Ankündigung der Dauerserie „Deutsche Bauwerke aus zwölf Jahrhunderten" im Amtsblatt des Bundespostministeriums und in der Presse protestiert und erklärt, daß sie sich die ihr notwendig erscheinenden Maßnahmen vorbehalte.
Die dann bei Erscheinen der Werte 5 Pf „Stettin/ Pommern" und 90 Pf Königberg/ Preußen von der polnischen Verwaltung ergriffenen Maßnahmen bestanden darin, daß Sendungen, die mit solchen Wertzeichen freigemacht waren, an die Absender zurückgesandt wurden. Die Sendungen wurden von den polnischen Postdienststellen mit einem Stempel versehen, der in Übersetzung lautet: „Zurück — Unzulässig — Artikel 28 § 1 d) des Weltpostvertrages — revanchistische Propaganda auf Postwertzeichen".
Die polnische Verwaltung hat auf die mit Rundschreiben des Weltpostvereins allen Mitgliedern dieses Vereins bekanntgemachten Erklärungen der Deutschen Bundespost nicht reagiert und wendet die diskriminierenden Maßnahmen nach wie vor an.
Die Deutsche Bundespost beabsichtigt nicht, Maßnahmen, wie sie in der dritten Frage angesprochen sind, zu treffen. Es wäre eines Rechtsstaates unwürdig, rechtswidrigen Maßnahmen rechtswidrig zu begegnen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508715600
Herr Borm!

Dr. William Borm (FDP):
Rede ID: ID0508715700
Sind der Bundesregierung Unterlagen bekannt, wonach ein gleiches Verfahren auch in Mitteldeutschland durchgeführt wird dergestalt, daß Sendungen nicht befördert werden, wenn sie Wertzeichen mit Motiven aus mitteldeutschen Städten tragen, etwa die 1-DM-Marke mit einem Motiv aus Wittenberg?

Dr. Willy Steinmetz (CDU):
Rede ID: ID0508715800
Ich antworte mit Ja.

Dr. William Borm (FDP):
Rede ID: ID0508715900
Gedenkt die Bundesregierung dagegen etwas zu unternehmen?

Dr. Willy Steinmetz (CDU):
Rede ID: ID0508716000
Für diese Fälle trifft genau das zu, was ich soeben im Hinblick auf das polnische Verhalten gesagt habe.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508716100
Es wird keine Frage mehr gestellt.
Ich rufe die Frage III/4 des Abgeordneten Felder auf:
Ist der Bundespostminister in der Lage, über einen Erfolg bei der Aktion „Pünktlicher Weihnachtsmann" zu berichten?

Dr. Willy Steinmetz (CDU):
Rede ID: ID0508716200
Darf ich auch die Fragen des Abgeordneten Felder im Zusammenhang beantworten?

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508716300
Einverstanden. Ich rufe auch die Fragen III/5 und 6 des Abgeordneten Felder auf:
Standen die für die in Frage III/4 erwähnte Aktion eingesetzten Mittel im Verhältnis zu dem angestrebten Zweck, größere Verkehrsspitzen beim Paketversand kurz vor Weihnachten zu vermeiden?
Ist eine Wiederholung der Aktion Pünktlicher Weihnachtsmann Ende 1967 geplant?

Dr. Willy Steinmetz (CDU):
Rede ID: ID0508716400
Die Aktion „Pünktlicher Weihnachtsmann" war erfolgreich, weil das Hauptziel — „pünktliche Einlieferung der Weihnachtssendungen" — voll erreicht wurde Über 6 Millionen zur Auslosung abgegebene Teilnahmeabschnitte beweisen darüber hinaus Anteilnahme und Verständnis unserer Postkunden für diese Aktion, die zugleich Interessen der Post wie auch Interessen der Postkunden erfolgreich vereinte.



Staatssekretär Dr. Steinmetz
Die eingesetzten Mittel, nämlich 250 000 DM für das Preisausschreiben, standen durchaus in einem zu dem angestrebten Zweck angemessenen Verhältnis. Der Verkehrsanfall gestaltete sich diesmal bei den Paketen und Päckchen gleichmäßiger als in den Jahren vorher. Auch die Verkehrsspitzen lagen in vielen Fällen betriebsgünstiger als früher. In welchem Umfang und mit welchen Mitteln, insbesondere ob mit oder ohne Preisausschreiben, Ende 1967 geworben wird, läßt sich heute noch nicht sagen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508716500
Herr Felder!

Josef Felder (SPD):
Rede ID: ID0508716600
Herr Staatssekretär, würden Sie, da es sich hier offensichtlich um einen Erfolg handelt, bei der Wiederholung vielleicht daran denken, die Preise etwas zu erhöhen? Damit könnte der Erfolg noch gesteigert werden.

Dr. Willy Steinmetz (CDU):
Rede ID: ID0508716700
Herr Abgeordneter, wir werden auch diese Frage mit in unsere Prüfung einbeziehen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508716800
Keine weiteren Zusatzfragen.
Frage III/7 der Abgeordneten Frau Funcke: —
Trifft es zu, daß die Deutsche Bundespost eine Gegenüberstellung der Kosten und Erlöse für die einzelnen Zweige des Post-und Fernmeldewesens nicht erstellt oder erstellen kann?
— Die Frage wird von Herrn Abgeordneten Walter übernommen.

Dr. Willy Steinmetz (CDU):
Rede ID: ID0508716900
In der schriftlichen Antwort auf Ihre Anfrage, Herr Abgeordneter Walter, nach den Einnahmen und Ausgaben im Fernsprechdienst, die im Protokoll über die 86. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 20. Januar 1967 nachzulesen ist, wurde dargelegt, daß die Deutsche Bundespost in ihrer betriebswirtschaftlichen Ergebnisrechnung Kosten und Leistungen gegenüberstellt. Sie befindet sich damit in Übereinstimmung mit den allgemein gültigen Grundsätzen der Betriebswirtschaft. Im Sinne Ihrer Anfrage sind Leistungen und Erlöse als identisch anzusehen. Zur Zeit erstreckt sich die Gegenüberstellung der Kosten und Leistungen auf sieben Dienstzweige, die in weitere 17 Teilbereiche aufgegliedert sind. Die Ergebnisse werden u. a. im Geschäftsbericht der Deutschen Bundespost, der allen Bundestagsabgeordneten zugeleitet wird, veröffentlicht.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508717000
Ich rufe die Frage III/8 des Abgeordneten Faller auf:
Hält es der Bundespostminister für sinnvoll und für wirtschaftlich vertretbar, daß die internen Dienststellen des Postamtes Weil am Rhein fast zu gleicher Zeit zum Postamt Lörrach verlegt wurden, da die Bundespost in Weil nach jahrelangen Bemühungen endlich einen Postamtsneubau errrichtet hat?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Staatssekretärs Dr. Steinmetz vom 25. Januar 1967 lautet:
Bei allen Betriebsbauten der Deutschen Bundespost bleiben stets postbetriebliche Erfordernisse und die Notwendigkeit entscheidend, ausreichende Einrichtungen für die Bedienung der
Postbenutzer zu schaffen. Dies trifft auch für das Postamt Weil am Rhein zu. Interne ämterorganisatorische Maßnahmen zur Zusammenfassung von Aufgaben des Verwaltungsdienstes berühren nicht die Güte des Kundendienstes und hatten auch bei dem Neubau keine Bedeutung. Die aus Gründen der Rationalisierung durchgeführte Verlegung der Verwaltungsdienste des Postamts Weil zum Postamt Lörrach dient einer wirtschaftlicheren Gestaltung der Verwaltungsdienste und entspricht zudem den vom Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit und der Sachverständigen-Kommission für die Deutsche Bundespost gegebenen Empfehlungen. Die nur in unbedeutendem Umfang hierdurch freiwerdenden Räume werden zugunsten postbetrieblicher Erfordernisse genutzt.
Die Errichtung des Postamtsneubaues in Weil am Rhein und die Verlegung der Verwaltungsaufgaben zum Postamt Lörrach stehen daher nicht in Widerspruch zueinander und sind auch in wirtschaftlicher Hinsicht durchaus sinnvoll.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Familie und Jugend. Frage IV/1 des Abgeordneten Moersch:
Welche Jugendlichen und Jugendorganisationen gehören nach Ansicht der Bundesregierung nicht zu den „elitären" Jugendgruppen, die der Bundeskanzler nach seiner Paris-Reise im deutschfranzösischen Jugendaustauschwerk stärker zu fördern versprochen hat?

Dr. Bruno Heck (CDU):
Rede ID: ID0508717100
Herr Kollege Moersch, es ist vielleicht besser, wenn ich Ihre Frage so beantworte, daß der Wortlaut der Antwort des Herrn Bundeskanzlers berücksichtigt wird. Es ist nämlich leichter zu sagen, was wir unter elitären Jugendlichen und unter elitären Jugendgruppen meinen, als auf Ihre negative Formulierung zu antworten.
Elitäre Jugendliche, Herr Kollege, gibt es in allen Organisationen und Gruppierungen der jungen Generation. Wir verstehen darunter junge Menschen, die durch Leistung und Haltung diese Organisationen und Gruppierungen oder die junge Generation überhaupt vorbildhaft repräsentieren. Dann gibt es quer durch die junge Generation elitäre Gruppen. Darunter verstehen wir beispielsweise die Studenten, Referendare, Assessoren, Führungskräfte der Gewerkschaften, junge Unternehmer usw., aber auch Teilnehmer an freiwilligen sozialen Diensten oder etwa Sieger bei Auswahlwettbewerben.
Bei dieser Charakterisierung dessen, was wir unter elitären Jugendlichen und unter elitären Jugendgruppen verstehen, ergibt es sich von selber, daß darüber eine Bundesregierung keinen Katalog anlegen kann.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508717200
Herr Abgeordneter Moersch!

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0508717300
Herr Bundesminister, sind Sie mit mir der Meinung, daß die von der Bundesregierung gepflegte Ausdrucksweise nicht nur wegen der Fremdwörter, sondern auch wegen gewisser Erinnerungen an vergangene Zeiten durchaus mißverständlich sein kann, und sind Sie bereit, diese Ausdrucksweise vielleicht mal ins gute Deutsch zu übersetzen?

Dr. Bruno Heck (CDU):
Rede ID: ID0508717400
Herr Kollege Moersch, ich bin zwar von Haus aus Schulmeister, und ich werde des öfteren auch von der Presse entsprechend apostrophiert; aber mein Verhältnis zum Herrn Bundeskanzler ist völlig anderer Art.

(Heiterkeit und Beifall.)





Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508717500
Ist damit auch die Frage IV/2 erledigt?
Ist die Bundesregierung bereit, dem Deutschen Bundestag einen Katalog der ihrer Ansicht nach elitären Jugendgruppen zur Prüfung vorzulegen?

Dr. Bruno Heck (CDU):
Rede ID: ID0508717600
Die Frage ist mit beantwortet.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508717700
Frage IV/3 des Abgeordneten Kubitza:
Welche Schlußfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Entschließung der 33. Vollversammlung des Deutschen Bundesjugendringes zur Frage der Errichtung einer Zentralstelle für internationale Jugendarbeit?

Dr. Bruno Heck (CDU):
Rede ID: ID0508717800
Herr Kollege Kubitza, die Entschließung der 33. Vollversammlung des Bundesjugendringes stellt in ihrem Punkt 2 fest, daß der Bundesjugendring der Errichtung einer Zentralstelle für Internationale Jugendarbeit nur zustimme, wenn sie in Übereinstimmung mit den Vorstellungen der freien Träger geplant und errichtet werden könne. Wir sind nicht in der Lage, dem Bundesjugendring so weitgehende Zugeständnisse zu machen. Im übrigen enthält die Entschließung der 33. Vollversammlung des Deutschen Bundesjugendringes nur Aussagen darüber, was der Bundesjugendring nicht will. Konkrete positive Vorschläge fehlen.
Wir haben aber ungeachtet dessen — um den Wünschen des Bundesjugendringes und der Dachorganisationen der freien Jugendarbeit, soweit wir sie für berechtigt halten, zu entsprechen — vorgeschlagen, daß wir für diese Zentralstelle ein Kuratorium einrichten, in das Vertreter des Bundesjugendringes und der übrigen Dachorganisationen der freien Jugendarbeit, aber auch Vertreter der obersten Landesjugendbehörden berufen werden sollen. Dieses Kuratorium hätte dann die Aufgabe, sowohl die Bundesregierung wie auch die Zentralstelle selbst bei ihrer Arbeit zu beraten und dafür zu sorgen, daß die Arbeit der Zentralstelle — es handelt sich ja in erster Linie um die Betreuung von Besuchergruppen, um den Besucherdienst — reibungslos im Einvernehmen mit den Organisationen des Bundesjugendringes und der übrigen Dachorganisationen erfolgt.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508717900
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Kubitza.

Werner Kubitza (FDP):
Rede ID: ID0508718000
Herr Minister, wann werden Sie ein Gespräch mit den Vertretern der Trägerverbände der freien Jugendhilfe führen, nach dem ja immerhin die Frage der Errichtung dieser Zentralstelle schon ein Dreivierteljahr ansteht und die Entschließung des Deutschen Bundesjugendringes zweieinhalb Monate alt ist?

Dr. Bruno Heck (CDU):
Rede ID: ID0508718100
Wir haben- diese Vorschläge über ein Kuratorium, u. a, den Deutschen Bundesjugendring an der Sache zu beteiligen, dem Bundesjugendring wie den übrigen Organisationen am 3. November 1966 zugestellt. Bis heute ist eine Stellungnahme von diesen Gruppen bei uns nicht eingegangen. Sobald die Stellungnahme vorliegt, werden wir Vertreter des Bundesjugendringes wie Vertreter der übrigen Dachorganisationen zu einer Aussprache bitten.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508718200
Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Kubitza.

Werner Kubitza (FDP):
Rede ID: ID0508718300
Herr Minister, sind Sie nicht auch der Meinung, daß Sie in der Frage der Errichtung der Zentralstelle zu sehr den Herrn-im-HauseStandpunkt hervorgekehrt haben?

Dr. Bruno Heck (CDU):
Rede ID: ID0508718400
Mit Sicherheit nicht. Sonst hätten wir uns anders verhalten, Herr Kollege.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508718500
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Josten.

Johann Peter Josten (CDU):
Rede ID: ID0508718600
Herr Minister, wie ist die Zusammenarbeit zwischen Ihrem Hause und dem Deutschen Bundesjugendring zu bewerten?

Dr. Bruno Heck (CDU):
Rede ID: ID0508718700
Ich möchte sagen, bei dieser Zusammenarbeit handelt es sich um eine konstruktive Spannung, die manchmal stärker ist und sich nicht immer in volle Harmonien auflöst. Ich glaube aber, daß das eine ganz natürliche Sache ist.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508718800
Herr Abgeordneter Josten zu einer zweiten Zusatzfrage.

Johann Peter Josten (CDU):
Rede ID: ID0508718900
Herr Minister, werden in Ihrem Ministerium für Familie und Jugend die Entschließungen der Vollversammlungen des Deutschen Bundesjugendringes immer ausgewertet?

Dr. Bruno Heck (CDU):
Rede ID: ID0508719000
Wenn die Entschließungen des Deutschen Bundesjugendringes uns ordnungsgemäß zugestellt werden, selbstverständlich! Über diese Frage gab es ja in einer der letzten Fragestunden einen Dialog zwischen dem Kollegen Kubitza und mir.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508719100
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Westphal.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0508719200
Herr Minister, berücksichtigen Ihre offensichtlich neuen Überlegungen zur Konstruktion der Zentralstelle für internationalen Jugendaustausch auch die Stellungnahme, die Ihnen von der Konferenz der obersten Jugendbehörden der Länder zugeleitet worden ist?

Dr. Bruno Heck (CDU):
Rede ID: ID0508719300
Bei der Planung sind natürlich von vornherein sämtliche Stellungnahmen von Gruppen und Dienststellen, die Erfahrungen in der Sache haben und etwas aussagen können, berücksichtigt worden. Es ist nur so, Herr Kollege, daß wir nicht immer Stellungnahmen in der Weise berücksichtigen kön-



Bundesminister Dr. Heck
nen, daß wir grundsätzlich das tun, was andere planen und wollen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508719400
Herr Abgeordneter Westphal zu einer zweiten Zusatzfrage.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0508719500
Herr Minister, da Sie vorhin sagten, daß Sie in der Entschließung des Deutschen Bundesjugendringes, die Anlaß zu dieser Frage gewesen ist, keine neuen Vorschläge gesehen haben, sondern nur das, was der Bundesjugendring in Beziehung auf die Zentralstelle nicht möchte: würden Sie mir dann bestätigen, daß zu einem früheren Zeitpunkt der Bundesjugendring selbst Vorschläge zur Konstruktion der Zentralstelle gemacht hat und die Absicht hatte, sie Ihnen vorzutragen?

Dr. Bruno Heck (CDU):
Rede ID: ID0508719600
Herr Kollege, Ihnen ist wohl bekannt, daß ich angeordnet habe, daß der Abteilungsleiter in meinem Hause die Vertreter des Bundesjugendrings empfangen möge, um diese ihre Vorschläge entgegenzunehmen und ihre Vorstellungen anzuhören, und daß die Vertreter des Bundesjugendrings — im übrigen auch die Vertreter der anderen Dachorganisationen — es abgelehnt haben, ihre Vorstellungen vor dem Abteilungsleiter meines Hauses darzulegen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508719700
Herr Abgeordneter Moersch!

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0508719800
Herr Minister, was hat die Bundesregierung veranlaßt, das nach dem Jugendwohlfahrtsgesetz zur Beratung der Bundesregierung berufene Bundesjugendkuratorium nicht ausreichend über die Pläne zur Errichtung einer Zentralstelle zu unterrichten?

Dr. Bruno Heck (CDU):
Rede ID: ID0508719900
Nach dem Gesetz ist es die Aufgabe des Bundesjugendkuratoriums, die Bundesregierung in allen wesentlichen Fragen der Jugendpolitik zu beraten. Ich halte eine organisatorische Maßnahme nicht für eine wesentliche Frage der Jugendpolitik.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508720000
Herr Moersch!

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0508720100
Unbeschadet Ihrer Antwort: Hat das Bundesjugendkuratorium Ihnen eine Empfehlung zu dieser Frage gegeben?

Dr. Bruno Heck (CDU):
Rede ID: ID0508720200
Dem Bundesjugendkuratorium sind zur Information die Vorstellungen des Hauses vorgetragen worden. Dabei sind von seiten des Kuratoriums Einwendungen nicht erhoben worden. Erst zu einem späteren Zeitpunkt sind im Rahmen des Kuratoriums kritische Stimmen laut geworden. Aber wir haben eine Stellungnahme des Kuratoriums zu dieser Frage nicht eingeholt.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508720300
Damit sind die Fragen aus diesem Bereich beantwortet.
Ich rufe nun noch die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheitswesen auf. Die erste Frage, also die Frage VI/1, stellt der Abgeordnete Rollmann:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß in der Rinderzucht Futtermittel mit thyreostatischer Wirkung, deren Verabfolgung an lebende Tiere nach dem § 4 b Nr. 2 des Lebensmittelgesetzes verboten ist, als Tierarzneimittel deklariert und in großen Mengen vertrieben und verabfolgt werden, um das Lebensmittelgesetz zu umgehen?
Frau Minister, wollen Sie antworten.

Käte Strobel (SPD):
Rede ID: ID0508720400
Herr Präsident, wenn der Herr Kollege damit einverstanden ist, möchte ich die Fragen 1 und 2 in meiner Antwort gern zusammenziehen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508720500
Sind Sie einverstanden? — Das ist der Fall. Dann rufe ich zusätzlich die Frage VI/2 des Abgeordneten Rollmann auf:
Was hat die Bundesregierung getan, um die in Frage VI/1 erwähnte Umgehung des Lebensmittelgesetzes zu unterbinden?
Bitte, Frau Minister!

Käte Strobel (SPD):
Rede ID: ID0508720600
Es ist so, daß Mittel mit thyreostatischer Wirkung beim Bundesgesundheitsamt als Arzneispezialitäten registriert sind. Es besteht allerdings Anlaß zu der Vermutung, daß solche Mittel entgegen den lebensmittel- und arzneimittelrechtlichen Vorschriften in den Verkehr gebracht werden, um den Fleisch- und Fettansatz bei Tieren zu beeinflussen.
Das Bundesgesundheitsamt ist deswegen angewiesen worden, zu prüfen, ob die Eintragung dieser Mittel im Spezialitätenregister gelöscht werden muß. Soweit der Bundesregierung Rechtsverstöße bekanntgeworden sind, sind die Länder, die die Einhaltung der lebensmittel- und arzneimittelrechtlichen Vorschriften zu überwachen haben, von uns entsprechend unterrichtet und auf die Auffassung der Bundesregierung über die Rechtslage hingewiesen worden.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508720700
Herr Rollmann!

Dietrich-Wilhelm Rollmann (CDU):
Rede ID: ID0508720800
Frau Minister, ist Ihnen nicht das Votum des Bundesgesundheitsrates vom 7. Juli 1961 bekannt, worin festgestellt worden ist, daß die Verwendung von Stoffen mit östrogener und thyreostatischer Wirkung als Zusatz zu Futtermitteln für nichttherapeutische Zwecke nicht geduldet werden sollte, da gesundheitsschädigende Spätwirkungen durch den Verzehr des Fleisches der damit gefütterten Tiere nach dem derzeitigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht mit Sicherheit auszuschließen sind, und ist es notwendig, neue Erhebungen zu dieser Frage anzustellen?

Käte Strobel (SPD):
Rede ID: ID0508720900
Das Votum des Bundesgesundheitsrates ist natürlich bekannt. Aber das Bundesgesundheitsamt ist bei der Eintragung in das Spezialitätenregister



Bundesminister Frau Strobel
davon ausgegangen, daß Thyreostatika rezeptpflichtige Arzneimittel sind. Das Verbot der Verfütterung nach § 4 b Nr. 2 des Lebensmittelgesetzes ist erst nach der Registrierung in Kraft getreten. Ich sagte schon, daß das Bundesgesundheitsamt angewiesen worden ist, die als Arzneimittel aufgemachten Masthilfsmittel im Spezialitätenregister zur Löschung zu bringen. Dieser Löschung steht aber zur Zeit noch die Tatsache entgegen, daß die Hersteller diesen Mitteln Arzneimittelwirkung beilegen. Deshalb ist das Bundesgesundheitsamt von uns aufgefordert worden, für diese behaupteten Wirkungen Unterlagen beizubringen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508721000
Herr Rollmann!

Dietrich-Wilhelm Rollmann (CDU):
Rede ID: ID0508721100
Ist es nicht so, Frau Minister, daß diese sogenannten Masthilfsmittel in Wirklichkeit eine Täuschung der Verbraucher bedeuten, da durch sie das Fleisch nur künstlich aufgeschwemmt wird?

Käte Strobel (SPD):
Rede ID: ID0508721200
Herr Rollmann, Sie haben völlig recht. Eine solche Frage ist vom Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hier in diesem Hause vor Jahren schon in der Richtung, die Sie jetzt angedeutet haben, beantwortet worden. Es ist mir auch bekannt, daß die behauptete Beruhigungswirkung dieser thyreostatischen Mittel nur theoretisch besteht.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508721300
Dann rufe ich die Frage VI/3 des Abgeordneten Rollmann auf:
Ist es richtig, daß Tiere, die im Ausland mit in Deutschland verbotenen Futtermitteln und Wirkstoffen gefüttert werden, nach Deutschland importiert und die aus ihnen gewonnenen Fleischerzeugnisse hier verkauft werden können?

Käte Strobel (SPD):
Rede ID: ID0508721400
Nach § 21 Abs. 1 des Lebensmittelgesetzes müssen Lebensmittel — und hierzu gehören in diesem Fall auch Schlachttiere —, die in den Geltungsbereich dieses Gesetzes verbracht werden, den deutschen lebensmittelrechtlichen Vorschriften entsprechen. Verantwortlich für die Einhaltung dieser Vorschriften ist der Importeur. Die Feststellung, ob der Fleisch- und Fettansatz bei importierten Tieren durch Wirkstoffe beeeinflußt ist, ist jedoch bekanntlich äußerst schwierig. Die Bundesregierung strebt daher für die Verwendung von Wirkstoffen bei Tieren supranationale Regelungen an.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508721500
Herr Rollmann!

Dietrich-Wilhelm Rollmann (CDU):
Rede ID: ID0508721600
Ist, Frau Minister, wenigstens in einem einzigen Fall in den vergangenen Jahren der Import von Tieren oder Fleisch oder Fleischerzeugnissen nach Deutschland deshalb untersagt worden, weil festgestellt worden ist, daß diese Tiere im Ausland mit Futtermitteln und Wirkstoffen gefüttert worden sind, die in Deutschland verboten sind?

Käte Strobel (SPD):
Rede ID: ID0508721700
Mir ist ein solcher Fall nicht bekannt, Herr Kollege Rollmann; aber mir ist bekannt, daß innerhalb der EWG die Vorarbeiten für eine Richtlinie, die thyreostatische Stoffe zu Futterzwecken verbietet, weit gediehen sind. Nicht zuletzt macht die Bundesregierung ihren Einfluß dahin geltend, dieses Verbot auf EWG-Ebene wirksam zu machen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508721800
Herr Rollmann!

Dietrich-Wilhelm Rollmann (CDU):
Rede ID: ID0508721900
Ist es nicht so, Frau Minister, daß die deutschen Tierhalter benachteiligt werden, wenn sie hier in Deutschland die strengen Fütterungsvorschriften zu berücksichtigen haben, im Ausland aber nach anderen Methoden gemästet werden kann und die Tiere dann bei uns eingeführt werden?

Käte Strobel (SPD):
Rede ID: ID0508722000
Herr Kollege Rollmann, ich möchte Ihre Frage nicht so verstehen, daß Sie etwa der Meinung sind, wir sollten aus Wettbewerbsgründen die Verfütterung thyreostatischer Mittel zulassen. — Sie haben, wie Sie durch Kopfschütteln andeuten, diese Auffassung nicht. Es ist unsere Aufgabe, erstens Methoden zu entwickeln, die uns in die Lage versetzen, bei der Einfuhrkontrolle nachzuweisen, ob solche Mittel verwendet worden sind, und darüber hinaus unsere Lieferanten aus den EWG- und Drittländern auf unsere Vorschriften und auf die Einhaltung dieser Vorschriften aufmerksam zu machen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508722100
Ich rufe die Frage VI/4 des Abgeordneten Dr. Rinderspacher auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung baden-württembergischer Fachleute aus Wissenschaft und Wirtschaft, daß in den letzten Jahren die Bemühungen um eine moderne Abwasserbeseitigung „stark nachgelassen" habe, daß sogar begonnene Projekte nicht fertiggestellt worden seien?
Sie wird übernommen vom Abgeordneten Kübler. Bitte, Frau Minister!

Käte Strobel (SPD):
Rede ID: ID0508722200
Im Bereich der Gemeinden und Abwasserverbände sind die Investitionen für den Bau von Kanalisationen und Kläranlagen von Jahr zu Jahr gestiegen. In' den letzten drei Jahren betrugen sie fast 5 Milliarden DM. In diesen Kläranlagen wird das Abwasser in immer größerem Umfang nach modernen Verfahren vollbiologisch gereinigt. Die Auffassung, daß in den letzten Jahren die Bemühungen um eine moderne Abwasserbeseitigung stark nachgelassen hätten, trifft somit für den Bereich des öffentlichen Abwsserwesens weder in finanzieller noch in fachtechnischer Hinsicht zu. Soweit im Bereich der Industrie das Abwasser nicht -in städtische oder Verbandskanalisationen, sondern direkt in Flüsse und Bäche eingeleitet wird, sind die Verhältnisse hinsichtlich der für Kläranlagen aufgewandten Kosten, der unternommenen Anstrengungen und der erzielten Erfolge nicht so ohne weiteres überschaubar. Aber der in der Frage vertretenen Auffassung, daß in diesem Bereich die Bemühungen um eine moderne Abwasserbeseitigung



Bundesminister Frau Strobel
in den letzten Jahren stark nachgelassen hätten, kann ich mich nicht anschließen. Ich erinnere z. B. daran, daß gerade in diesen Tagen eine hochmoderne biologische Abwasserreinigungsanlage der Industrie in Darmstadt fertiggestellt worden ist, die als vorbildlich gilt. Ich muß allerdings sagen, Herr Kollege, daß die unvermeidlichen Ausgabenkürzungen im Bundeshaushalt auch eine starke Einschränkung der zinsgünstigen ERP-Kredite für den Bau von Kläranlagen vorsehen und daß auch in den Haushalten der Länder die Mittel für Zuschüsse für den Bau von Abwasseranlagen verringert worden sind.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508722300
Herr Dr. Kübler!

Dr. Paul Kübler (SPD):
Rede ID: ID0508722400
Frau Minister, ist Ihnen der Vorwurf von Fachleuten aus Baden-Württemberg bekannt, daß wegen zu hoher Anforderungen an diese Kläranlagen und Investitionen für diese Kläranlagen mittelgroße Industriebetriebe sich gern vor dieser Ausgabe drücken?

Käte Strobel (SPD):
Rede ID: ID0508722500
Herr Kollege, mir ist dieser Vorwurf bekannt, und mir sind andere derartige Einstellungen bekannt. Aber ich kann mich natürlich dieser Auffassung nicht anschließen. Ich weiß allerdings — das ist ja auch dem Hohen Hause bekannt —, daß ein Gesetzentwurf zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes, der für die Einleitung von Abwässern Mindestbedingungen für den Bau von Kläranlagen und Fristen für den anzustrebenden Zustand der Gewässer vorsah und der vor eineinhalb Jahren in diesem Hause einstimmig angenommen wurde, vom Bundesrat zurückgewiesen wurde und daß damit eine Verbesserung des Wasserhaushaltsgesetzes zunächst nicht erreicht war. Ich bin der Meinung, daß in Gesprächen mit den Ländern versucht werden muß, die rechtlichen Voraussetzungen für eine solche Verbesserung zu klären.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508722600
Herr Hofmann!

Karl Hofmann (SPD):
Rede ID: ID0508722700
Frau Ministerin, ist Ihnen bekannt, daß fast alle größeren Kläranlagen in den meisten deutschen Städten kaum eine echte biologische Reinigung vollziehen?

Käte Strobel (SPD):
Rede ID: ID0508722800
Herr Kollege, ich muß sagen, das ist mir nicht bekannt. Es gibt die verschiedensten Möglichkeiten, solche Kläranlagen zu erstellen. Wir sind natürlich nicht in der Lage, absolute technische Vorschriften für diese Kläranlagen zu geben. Das geschieht ja weitgehend auf dem Verwaltungsweg.

Karl Hofmann (SPD):
Rede ID: ID0508722900
Sind Sie bereit, diese Frage einmal etwas näher zu prüfen?

Käte Strobel (SPD):
Rede ID: ID0508723000
Selbstverständlich, gerne.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508723100
Damit ist die Fragestunde abgeschlossen.
Ich rufe nun den Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Beratung des Berichts des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung
betr. Bericht der Bundesregierung über die Situation der Frauen in Beruf, Familie und Gesellschaft
— Drucksache V/909 —
Das Wort zur Eröffnung der Debatte hat der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Herr Kattenstroth.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0508723200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie Sie vielleicht schon gehört haben, ist Herr Bundesminister Katzer plötzlich an Grippe erkrankt. Er kann Ihnen deshalb nicht, wie er es vorgehabt hatte, heute selbst einführende Worte zum Bericht der Bundesregierung über die Situation der Frauen in Beruf, Familie und Gesellschaft vortragen. Er hatte sich sehr auf die Debatte gefreut. Er hat mich gebeten, hier an seiner Stelle einige einleitende Ausführungen zu machen.
Vor zwei Jahren hat der Deutsche Bundestag die Bundesregierung ersucht, über die Situation der Frauen in Beruf, Familie und Gesellschaft umfassend zu berichten. Dabei sollten im wesentlichen das vorhandene Material ausgewertet und die bisherigen Maßnahmen und Leistungen dargestellt werden, durch die der besonderen Situation der Frauen schon heute Rechnung getragen wird.
Die Bundesregierung hat den Bericht am 14. September vorigen Jahres vorgelegt. Er ist weithin beachtet worden, hat Kritik ausgelöst, aber auch Zustimmung gefunden. Bevor ich auf einige Anmerkungen und Wertungen eingehe, möchte ich einige grundsätzliche Feststellungen treffen:
In diesem Bericht spiegelt sich die geistige, soziale und wirtschaftliche Situation nicht nur der Frauen, sondern darüber hinaus auch der Familie und der Gesellschaft wider. Es gibt heute keine isolierten Frauenprobleme mehr, wie es sie vielleicht einmal in der bäuerlichen Gesellschaft früherer Jahrhunderte und in der bürgerlichen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts gegeben haben mag. Alle Fragen sind vielmehr unlösbar verknüpft mit den Fragen des Zusammenlebens in unserer Gesellschaft und den sozialen, technischen und wirtschaftlichen Wandlungen, denen wir uns ständig stellen müssen.
Viele traditionelle Vorstellungen und Überlieferungen sind für uns heute ins Wanken geraten. Wir leben in einer Gesellschaft, in der jeder einzelne frei und selbstverantwortlich sein Leben gestaltet. Mann und Frau treten in ein partnerschaftliches Verhältnis zueinander. An die Frau, gleich ob sie alleinstehend, beruflich tätig ist oder in der Familie wirkt, werden hohe geistige und soziale Anforderungen gestellt. Ungleich stärker als in früheren Zeiten ist der Bildungs- und Erziehungsauftrag der Familie ausgeprägt. Man darf auch nicht vergessen, daß die Frau von heute ebenso wie der



Staatssekretär Kattenstroth
Mann eine wesentlich höhere Lebenserwartung hat als in früheren Zeiten.
Unsere Gesellschaft wünscht das volle Teilhaben der Frauen an allen wichtigen sozialen, kulturellen und politischen Vorgängen. Sie braucht lebensnotwendig ihre Stimme und ihr Urteil.
Man spricht heute vielfach von den drei Phasen im Leben der Frau, und zwar von der Ausbildung und dem Eintritt in den Beruf, von den Aufgaben innerhalb der Familie und von der erneuten Aufnahme eines Berufes. Ich glaube, daß in allen drei Phasen hohe Anforderungen an die Bildung, die Urteilskraft und an das gesellschaftliche Mitwirken der Frau gestellt sind. Die Frau, gleich ob in der Ausbildung oder als Mutter oder als Berufstätige, soll sich in allen Phasen als vollberechtigtes Glied in unsere Gesamtgesellschaft einfügen.
Nun müssen wir ehrlich zugeben, daß wir in einem gesellschaftlichen Entwicklungsprozeß stehen, der noch keineswegs voll übersehbar ist. Die veränderte Stellung der Frau ist uns dabei vielleicht noch nicht genügend zum Bewußtsein gekommen. Sicherlich gibt es erhebliche Unklarheiten und auch Meinungsverschiedenheiten über neue Leitbilder und Verbesserungen der Stellung der Frau. Es ist klar, daß bei solchen Schwierigkeiten ein Bericht über die Situation der Frauen nicht letzte Antworten, nicht einmal in wichtigen Punkten eine Wertung, geben kann. Dieser Bericht ist im wesentlichen eine Bestandsaufnahme, bewußt sehr nüchtern gefaßt. Er beschränkt sich also weithin auf die Klärung von Tatbeständen. Es mag sein, daß manche Klärung auf Anhieb noch nicht ganz gelungen ist, vielleicht haben auch einige Ausführungen mehr den Charakter einer Fleißarbeit. Ein Teil der Darlegungen ist sicherlich nicht viel mehr als Rohmaterial für die weitere Diskussion.
Dennoch kann man wohl sagen, daß hier erstmalig der Versuch gemacht wird, in der ganzen Breite der Problematik die Einordnung, die Funktion und die Mitwirkung der Frau in unserer modernen Gesellschaft darzustellen. Diese Tatsache an sich ist schon bezeichnend dafür, in welchem geistigen Prozeß wir heute stehen. Vieles ist nicht mehr traditionellselbstverständlich, sondern muß völlig neu durchdacht werden. Es stellt sich uns heute als Problem, auf das wir eine Antwort finden müssen.
Bei dieser Sicht kann man von dem vorliegenden Bericht nur in sehr beschränktem Maße Wertungen, Lösungen und Leitbilder erwarten. Der Bericht sollte vielmehr in erster Linie die Unterlagen für eine sachgerechte Diskussion liefern, die hier im Deutschen Bundestag und in der gesamten Gesellschaft geführt werden muß und die uns bei der Beurteilung wie auch bei einzelnen Maßnahmen und Hilfen weiterführen soll.
Meine Damen und Herren, ich glaube, vor diesem Hintergrund dürften sich einige Mißverständnisse ausräumen lassen. Es ist gesagt worden, daß bei der Berichterstattung der Erfolg in keinem Verhältnis zu dem Aufwand stehe. Die Bundesregierung teilt diese Ansicht nicht. Sie ist vielmehr der Auffassung, daß es für die weitere Diskussion notwendig ist, ein umfassendes Bild von der heutigen Situation der Frauen in der modernen Gesellschaft zu gewinnen. Ich muß einschränkend hinzufügen, daß es sich gewissermaßen um eine Momentaufnahme der zur Zeit erreichbaren Unterlagen handelt. Den anspruchsvollen Begriff Enquete sollte man vielleicht weniger verwenden. Die Bundesregierung war nicht aufgefordért, eine umfassende wissenschaftliche Untersuchung vorzulegen, sondern einen ersten Bericht, der auf Grund des bereits vorhandenen Materials erstattet werden sollte.

(Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)

Eine weitere Stufe und gleichzeitig ein wesentliches Ergebnis der parlamentarischen Beratung wird sein, festzustellen, wo der Bericht unvollkommen und lückenhaft geblieben ist und auf welche Weise etwaige Lücken geschlossen werden sollen und können.
Der Bericht ist vielleicht etwas umfangreich, und ich gebe gern zu, daß es nicht leicht ist, den ganzen Bericht zu lesen. Ich glaube aber, daß es notwendig war, zunächst einmal alle erreichbaren Daten zusammenzustellen und die enge Verzahnung der vielfältigen Lebensverhältnisse, in der sich Millionen Frauen befinden, sichtbar zu machen. Entsprechend dem Bedürfnis nach einer kurzen, konzentrierten Übersicht hat der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung inzwischen eine Kurzfassung veranlaßt, die Ihnen in den nächsten Tagen zur Verfügung stehen wird.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich nun kurz einige wichtige Probleme und Aufgaben umreißen:
Erstens. Intensiver als in der Vergangenheit müssen die jungen Mädchen auf ihre zukünftige Stellung als Hausfrau und Mutter vorbereitet werden. Auch andere Hilfen für Hausfrauen und Mütter — wie etwa Kindertagesstätten, Beratungsdienste und Einrichtungen der Erholung — sollen im Rahmen des finanziell Möglichen stärker als bisher gefördert werden.
Die Stellung der Frau als Hausfrau und Mutter ist nach wie vor für eine intakte Gesellschaft von höchster Bedeutung, und es bleibt eine Tatsache, daß die Berufstätigkeit der Mutter für die Erziehung der Kinder Schwierigkeiten in sich birgt. Im Interesse unserer Familien ist deshalb jede nur denkbare Hilfe hier notwendig.
Zweitens. Damit soll nicht, wenn ich das so ausdrücken darf, einer „Heimchen-am-Herd-Romantik" das Wort geredet werden; denn es ist nicht zu übersehen, daß die Frau heute in zunehmendem Maße ein Bewußtsein für den Eigenwert der Arbeit entwickelt. Ihre Berufstätigkeit ist nicht nur auf den Gelderwerb gerichtet. Vielmehr sieht sie in zunehmendem Maße in einer möglichst verantwortungsvollen Tätigkeit einen Weg zur Entfaltung ihrer eigenen Persönlichkeit. Darüber hinaus bleibt festzustellen: Ohne die Mitarbeit von Millionen Frauen wäre der rasche wirtschaftliche Wiederaufstieg in der Bundesrepublik nicht möglich gewesen,



Staatssekretär Kattenstroth
und es ist eine Tatsache, daß auch unser heutiges Wirtschaftsleben ohne die Mitarbeit von Millionen Frauen gar nicht vorstellbar wäre.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Wir müssen also in allem nach Wegen suchen, die beiden wesentlichen Zielen gerecht werden.
Drittens. Dazu gehört die Verbesserung der Stellung der Frau im Arbeitsleben. Daß die meisten von ihnen in einfachen oder mittleren Stellen arbeiten und daß dem beruflichen Aufstieg noch manche Hindernisse entgegenstehen, entspricht nicht den Leistungen, die die Frauen für unsere Volkswirtschaft erbringen bzw. erbringen könnten.

(Zurufe bei den Regierungsparteien: Sehr richtig!)

Diese Probleme mögen zum Teil in der besonderen Situation dieser Frauen begründet sein, hier ist aber auch noch manches Vorurteil zu beseitigen.

(Abg. Barzel: Sehr wahr!)

Auf die Hilfen, die in verstärktem Maße zur beruflichen Fortbildung gerade der Frauen gegeben werden sollen, werde ich noch zu sprechen kommen.
Viertens. Ein weiteres Problem ist, daß den Frauen heute infolge der durchschnittlich früheren Eheschließung, der geringeren Kinderzahl und der bestehenden Lebenserwartung nach Erfüllung ihrer Aufgabe als Mütter ein erheblicher Abschnitt des Lebens bleibt, in dem sie sich anderen Wirkungsmöglichkeiten zuwenden können. Soweit sie in das Arbeitsleben zurückkehren wollen, sollte ihnen hierzu die erforderliche Hilfe bei der Vorbereitung zuteil werden. Mit den Maßnahmen des Leistungsförderungsgesetzes hat die Bundesregierung bereits vor Jahren einen Anfang gemacht.
Fünftens. Das wird um so leichter sein, wenn bereits das junge Mädchen die gebotenen Möglichkeiten einer qualifizierten Berufsausbildung voll ausschöpft. Leider ist das heute nicht in ausreichendem Maße der Fall. Manches junge Mädchen übersieht zu wenig vorausschauend sein Leben; es wird auch von seiner verantwortlichen Umwelt zu wenig auf die Bewältigung der doppelten Aufgabe in Beruf und Familie vorbereitet. So werden schon früh für die Frau, die im Berufsleben bleibt, Möglichkeiten des Aufstiegs verbaut, so ist es für diese Frauen später sehr viel schwieriger, in das Berufsleben zurückzukehren. Die von der Bundesregierung getroffenen Maßnahmen zur Förderung der beruflichen Bildung, die noch ausgebaut werden sollen, sollten deshalb gerade von jungen Mädchen ernsthaft genutzt werden.
Spezielle bildungspolitische Aufgaben ergeben sich aus der Notwendigkeit, die Mädchen auf ihre veränderten und sicher nicht leichter gewordenen Aufgaben in Ehe und Familie, insbesondere auf ihre Erziehungsaufgaben vorzubereiten. Sehr viel stärker wird auch noch bei der Verbesserung unseres Bildungswesens überhaupt der Notwendigkeit einer zeitweisen Entlastung der Mütter Rechnung getragen werden müssen. Hierbei werden sicher manche Vorurteile und liebgewordene Vorstellungen überprüft werden müssen. So müssen wir beispielsweise die Forderung nach verstärkter Einrichtung von Kindertagesstätten und Ganztagsschulen auf die gesellschaftspolitischen Erfordernisse hin überprüfen. Aufgabe aller Beteiligten wird es jedoch sein, die Wege zu finden, die eingeschlagen werden müssen und können, um zu vernünftigen Lösungen zu gelangen. Das wird nicht immer leicht sein. Der Bericht der Bundesregierung wäre auch überfordert, wenn er zu allen Fragen fertige Lösungsvorschläge bieten müßte.
Nun noch ein Wort zu den von mir vorgetragenen Problemen und Aufgaben:
Dort, wo der Bericht besonders große Lücken gelassen hat, sind bereits die ersten Forschungsvorhaben eingeleitet worden. So ist.' z. B. ein Forschungsauftrag über besondere gesellschaftliche Probleme der alleinstehenden Frauen vergeben worden, eine Frage also, auf die das Hohe Haus besonders Wert gelegt hat. Ein weiterer Forschungsauftrag betrifft Fragen der beruflichen Fortbildung der Frauen, ein Gebiet, auf dem ja schon während der Arbeit an diesem Bericht neue Maßnahmen ergriffen worden sind.
Wie Sie wissen, sind die Richtlinien zur Durchführung des Leistungsförderungsgesetzes dahin geändert worden, daß nunmehr auch Beihilfen für die Teilnahme an Lehrgängen gewährt werden können, die auf eine bessere Qualifizierung weiblicher Arbeitnehmer ausgerichtet sind, ohne daß eine abgeschlossene Berufsausbildung vorausgesetzt wird, wie es bisher verlangt wurde. Ebenso kann jetzt die Teilnahme an Lehrgängen gefördert werden, die auf den Wiedereintritt weiblicher Arbeitnehmer in das Berufsleben ausgerichtet sind. Wir werden überlegen, ob und wie solche Maßnahmen bei der beabsichtigten Novellierung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung vielleicht in geeigneter Weise weiterentwickelt werden können. Auch die Tatsache, daß das jüngst verabschiedete Dritte Neuordnungsgesetz zur Kriegsopferversorgung mehr als die Hälfte seiner Verbesserungen für die Versorgung der Kriegerwitwen bestimmt, muß in diesem Zusammenhang gesehen werden.
Lassen Sie mich abschließend folgendes sagen. Mit staatlicher Maßnahmen allein ist es in allen diesen Fragen nicht getan. Hier haben auch der einzelne und die gesellschaftlichen Gruppen besondere Wirkungsmöglichkeiten, aber auch besondere Verantwortung.
Die gesellschaftliche Entwicklung hat den Frauen viele neue Möglichkeiten zur Entfaltung ihrer Persönlichkeit, zur verantwortlichen Mitwirkung, aber auch neue Aufgaben und neue Probleme gebracht. Gerade die Mitarbeit und Mitverantwortung im öffentlichen Leben sollte von den Frauen selbst 'dabei mehr als bisher genutzt werden. Der Bericht der Bundesregierung kommt hier zu der Feststellung, daß die Beteiligung der Frauen nicht der grundgesetzlich garantierten Gleichberechtigung entspricht. In 'der Ausgestaltung unseres demokratischen Gemeinwesens können wir auf die aktive und verantwortliche Mitarbeit von mehr als der Hälfte unserer Mitbürger nicht verzichten. Um so mehr ist deshalb das Wirken aller der Frauen zu

' 4023

Staatssekretär Kattenstroth
begrüßen und zu würdigen, die in den Parteien, den Kirchen, den Frauenverbänden, in den Frauengruppen der Gewerkschaften und in vielen anderen Organisationen mitarbeiten und so aktiv ihren Beitrag zur Gestaltung unseres öffentlichen Lebens leisten. Sie alle haben wesentlich zu den Leistungen und Maßnahmen beigetragen, die in den letzten Jahrzehnten erzielt und getroffen worden sind. Es ist, glaube ich, an dieser Stelle Anlaß, für die vielfältigen und tatkräftigen Beweise eines aktiven Gemeinsinns zu danken.

(Allgemeiner Beifall.)

Der von der Bundesregierung vorgelegte Bericht appelliert an ein modernes gesellschaftliches Bewußtsein. Kein Problem geht einen oder eine Gruppe allein an. Die Probleme der Frau sind Probleme, 'die uns gleichermaßen berühren und von uns allen gemeinsame Antworten verlangen.

(Allgemeiner Beifall.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0508723300
Wir treten in die Aussprache ein. Das Wort hat Frau Abgeordnete Schroeder.

Christa Schroeder (CDU):
Rede ID: ID0508723400
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich im Namen meiner Fraktion der Bundesregierung für die Vorlage dieses Berichtes aufrichtigen Dank sagen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Wer sich in der letzten Zeit mit diesem Thema etwas eingehender befaßt hat, der hat einen Eindruck davon bekommen, welche Fülle von Material, welche Vielzahl und Vielschichtigkeit von Problemen und in welchem Maße auch divergierende Stellungnahmen auf diesem Gebiet vorhanden sind. Man kann dann das Maß von Arbeit einschätzen, dieses alles zu einem übersichtlichen Bericht von 300 Seiten Text, wie er uns jetzt vorliegt, zusammenzufassen.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Unser Dank gilt auch all den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Ministerien, die an der Erstellung dieses Berichtes beteiligt gewesen sind.

(Allgemeiner Beifall.)

Wir wissen deren Arbeit sehr wohl zu würdigen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0508723500
Hat sich der Bericht gelohnt? Auch ich möchte dazu ein wirklich aufrichtiges Ja sagen. Gewiß, wer Patentlösungen für die schwebenden Probleme erwartet hat, der wird enttäuscht sein. Wer sich aber den Auftrag noch einmal ins Gedächtnis zurückruft, wie ihn dieses Hohe Haus einstimmig an die Bundesregierung gegeben hat, der muß bestätigen, daß man diesen Auftrag als erfüllt ansehen muß. Die mit dieser Materie befaßten Ausschüsse hatten seinerzeit bewußt davon abgesehen, eine einzige umfassende Untersuchung vorzuschlagen. Dies ist also tatsächlich nicht eigentlich d i e Frauenenquete. Es sollte zunächst ein erster Bericht über alles vorhandene Material, über alle bereits bestehenden Leistungen erstellt werden. Es ist also eine Bestandsaufnahme, die uns hier vorliegt.
Sie weist selbstverständlich Lücken auf, aber wir haben jetzt eine klare Ubersicht darüber, wo diese Lücken sind, und wir können sie deshalb leichter füllen. Wir werden uns in Zukunft auf die Untersuchung einzelner Probleme beschränken können. Die Bundesregierung hat ja schon im Bericht auf mehrere weitere Forschungsaufträge hingewiesen, die bereits in Arbeit sind. Ich begrüße das durchaus. Dies entspricht genau unserem Auftrag, dem Auftrag dieses Parlaments.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

In dieser Ubersicht, die wir nun vor uns haben, liegt zunächst einmal der Wert des Berichtes, auch in der Ubersicht über die erbrachten Leistungen. Ich meine, daß der Bericht sehr deutlich zeigt, daß die Bundesregierung auch in den vergangenen Jahren nicht an den Problemen vorbeigegangen ist. Die rechtliche Gleichstellung ist durchgeführt. Die Frau ist eingeordnet in unser System der sozialen Sicherung, des Arbeitsrechts und des Arbeitsschutzes. Der Abschnitt über die Familie zeigt die Leistungen für diesen Bereich auf, und ich hoffe, daß der in Kürze zu erwartende Bericht über die Familie uns hier noch weitere eingehende Darstellungen bringen wird. Das Kapitel über die Gesundheit zeigt uns, welche gesundheitspolitischen Maßnahmen bereits bestehen. Selbstverständlich ist überall noch vieles zu tun.
Einen weiteren Wert des Berichtes sehe ich in der Wirkung auf die öffentliche Meinung. Meines Erachtens liegt dieser Wert entscheidend darin, daß unsere Gesellschaft erst einmal auf die starke Wandlung in der Situation der Frau in genügender Weise aufmerksam gemacht wird, daß ihr der Unterschied zwischen den noch vielfach vorhandenen Vorstellungen und unserer Wirklichkeit vor Augen geführt wird, daß ihr ein realeres Bild der Frau von heute gezeigt wird. Ich glaube, daß allein durch solche Darstellung die Öffentlichkeit in ihrem Urteil so beeinflußt werden könnte, daß sie zu einer richtigeren Haltung und Wertung gebracht werden könnte und daß schon dadurch manches Problem erleichtert wird.

(Allgemeiner Beifall.)

Es hat mich doch sehr beeindruckt, in wieviel wichtigen Fragen der Bericht darauf hinweisen muß, daß allein Vorurteile, überholte Vorstellungen, falsche Einschätzungen eine gute Entwicklung hemmen.

(Zustimmung in der Mitte.)

Ich darf einige Beispiele anführen, um dies deutlich zu machen. Wir kennen die eindrucksvollen Zahlen über die Berufstätigkeit der Frau. Es sind ungefähr 9,5 Millionen, d. h. jede zweite Frau im erwerbsfähigen Alter steht im Beruf; jeder dritte Berufstätige überhaupt ist eine Frau, jeder sechste eine verheiratete Frau. Trotz dieser Tatsachen hat eine Meinungsumfrage ergeben, daß 68% aller Frauen und 72 % aller Männer geantwortet haben, daß sie Frauenberufsarbeit als etwas nicht Normales, als einen Ausnahmezustand, als etwas Vorübergehendes bezeichnen. Dies zeigt doch einen geradezu

'

Frau Schroeder (Detmold)

beunruhigenden Unterschied zwischen Vorstellung und Wirklichkeit.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Es zeigt die ganze Unsicherheit im Urteil unserer Gesellschaft über die Berufstätigkeit der Frau.
Ein zweites Beispiel. Ähnlich ist es mit den Wertvorstellungen über die Arbeit der Hausfrau. Auch unsere Hausfrauen sehen sich vor einer gewandelten Situation. Das wird viel zu wenig erkannt. Sie empfinden ihre Arbeit als zu gering bewertet. Von daher sind sie weitgehend zu einer Unsicherheit im Selbstverständnis gebracht. Die Achtung vor dieser Arbeit, von der ich überzeugt bin, daß sie im Grunde in weiten Kreisen in hohem Maße vorhanden ist, sollte wieder stärker sichtbar gemacht werden.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ein drittes Beispiel. Was . mich beim Lesen des Berichts nun wirklich erschüttert hat, sind die Ausführungen darüber, daß in unserer Gesellschaft das soziale und gesellschaftliche Ansehen der Frau in weiten Kreisen immer noch vom Familienstand abhängig gemacht wird, und zwar mit der Rangordnung: Ehefrau, Witwe, geschiedene Frau und zum Schluß die ledige alleinstehende Frau. Wenn es die Diskussion in der Öffentlichkeit erreicht, daß unsere heutige Gesellschaft wenigstens darüber nachdenkt, wie unsinnig eine solche Bewertung ist, anstatt den Wertmaßstab allein an den Menschen, seine Haltung, seine Leistung, gleich, ob sie in der Familie oder im Beruf erbracht wird, zu setzen, ist bereits ein guter Schritt auf das Ziel der Frauenenquete getan.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Aus all diesen Gründe begrüße ich jedes Echo in Presse, Rundfunk, Fernsehen und allen anderen Publikationsmitteln, auch wenn Kritik geäußert wird. Wir brauchen die Mitarbeit der Publikationsmittel. Ich danke ihnen dafür, daß sie diesen Bericht mit so großem Interesse aufgenommen haben. Ich begrüße in diesem Zusammenhang auch sehr, daß nun bald eine Kurzfassung des Ministeriums vorliegen wird, weil dadurch ein größerer Kreis von dem Bericht Kenntnis bekommt.
Besonders erfreulich erscheint es mir, daß sich unzählige Tagungen und Versammlungen bereits jetzt mit dem Thema befassen und es vertiefen. Frauenverbände, soziale Verbände, Kirchen und Gewerkschaften haben die Diskussion aufgegriffen. Wenn von hier aus der Anstoß zu einer besseren Entwicklung gegeben würde, wäre viel erreicht. Der Bericht hat uns deutlich gemacht, daß ein Großteil der Probleme nicht vom Staat, nicht vom Gesetzgeber, sondern allein durch die Gesellschaft gelöst werden kann.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

In diesem Zusammenhang ist immer wieder davon die Rede gewesen, daß uns heute das rechte Leitbild der Frau noch fehle. Soll man das eigentlich so sehr bedauern? Hat nicht gerade das Festhalten an einem einseitigen Leitbild, bis es längst überholt war, zu manchen Fehlurteilen geführt? Es gibt eben nicht d i e Frau, es gibt nur die vielen Frauen, die sich in ganz verschiedenen Lebenssituationen bewähren müssen, die sich genau wie der Mann immer wieder einer gewandelten Umwelt anpassen müssen.
Die wichtigste Frage für uns, für das Parlament ist es jedoch, zu prüfen: Hat sich unsere Gesetzgebung auf die gewandelte Stellung der Frau genügend eingestellt? Hat sie in genügender Weise neben der Gleichberechtigung auch die Andersartigkeit berücksichtigt und die Tatsache, daß eben die Frau vor einem anderen Lebensrhythmus steht?
Dies gilt genauso für die Maßnahmen der Länder, es gilt genauso für die Maßnahmen der Wirtschaft. Dies ist das eigentliche Thema der Enquete. Es zieht sich wie 'ein roter Faden durch den ganzen Bericht. Es berührt .die Stellung der Frau in der Arbeitswelt wie in der Familie, in der sozialen Sicherung, ihre Bildung und Bildungsmöglichkeiten und ihre Mitarbeit im öffentlichen Leben. Es gilt für die Landfrauen wie für die mithelfenden Familienangehörigen.
Ich sehe .den Wert des Berichts vor allem darin, daß wir bei der künftigen Gesetzgebung laufend an Hand dieser Enquete prüfen können, ob unsere Gesetze auch passen, ob wir nicht an der Wirklichkeit vorbeiplanen und vorbeiorganisieren.
Das schließt sicher nicht aus, daß wir in einigen Punkten sofort oder zumindest sobald wie möglich ansetzen sollten. Die Bundesregierung hat bewußt, wie es in der Einleitung steht, von konkreten Vorschlägen wegen der Vielschichtigkeit der Probleme abgesehen. Ich halte das nicht für schlecht. Ich meine, daß jetzt das Parlament am Zuge ist.
Wir sollten den Beratungen in den Ausschüssen nicht vorgreifen und sie zunächst sehr gründlich führen, bevor wir zu konkreten Vorschlägen kommen.
Alle, die sich mit dem Bericht eingehend befaßt haben, werden Ansatzpunkte zu neuen Maßnahmen sehr deutlich erkannt haben. Lassen Sie mich nur auf einige dieser Ansatzpunkte und Schwerpunkte zurückkommen.
Das eine, was immer wieder als Schwerpunkt dieses Berichts anklingt, als Schwerpunkt des ganzen Problems, ist die Doppelaufgabe, vor die sich eine zunehmende Zahl von Frauen gestellt sieht: die Aufgabe in Beruf und Familie. Schon heute ist die Zahl der erwerbstätigen verheirateten Frauen größer als die der ledigen, und zwar mit 4,9 Millionen verheirateten gegenüber 3,7 Millionen ledigen. Die Zahlen über den Trend aber, und das ist ja das Wichtige, in den letzten Jahren gerade bei den jüngeren verheirateten Frauen zur Berufsarbeit sprechen eine sehr deutliche Sprache.
Diese Entwicklung wird sich dadurch verstärken, daß in wenigen Jahren das Zahlenverhältnis zwischen Männern und Frauen immer ausgewogener sein wird. Nun ist es doch eine schlichte Tatsache, daß die Mitarbeit der Frauen aus unserer Volkswirtschaft nicht mehr fortzudenken ist. Lassen Sie mich nur als vielleicht zahlenmäßig gar nicht einmal so gravierendes Beispiel einige Berufe herausgreifen, in denen die Frauen nun wirklich unbedingt ge-



Frau Schroeder (Detmold)

braucht werden. Wir werden uns daran gewöhnen müssen, daß es in Zukunft noch mehr verheiratete Lehrerinnen, Krankenschwestern, ,Pflegerinnen, Sozialarbeiterinnen usw. geben muß, oder der Mangel in diesen Berufen wird eben immer noch größer werden.
Hier scheint es doch wirklich die höchste Zeit zu sein, Wege aufzuzeigen, wie die Frau diese Doppelaufgabe Familie und Beruf sinnvoll bewältigen kann. Dieses Problem erwächst aus der Spannung zwischen dem verfassungsmäßigen Recht jedes Menschen auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit — der Herr Staatssekretär hat es eben schon gesagt —, auf freie Berufswahl und Ausbildung — was doch auch für die Frau gilt — und die Bindung an die Aufgabe in der Familie, die ja auch von der Frau selbst bejaht wird. 82% aller Frauen haben die Sorge für Familie, Mann und Kinder als ihren ersten Lebensinhalt bezeichnet. Dies zur Beruhigung für die Herren!
Ich finde es sehr gut, daß in dem Bericht mit aller Deutlichkeit gesagt wird, daß es kaum einen einheitlichen Maßstab gibt, wann eine Frau neben ihrer Familienaufgabe erwerbstätig sein darf, sein sollte oder tunlichst nicht sein sollte. Man wird sich
_ darüber einig sein, daß wirtschaftliche Not Mütter nicht zwingen sollte, zusätzlich einem Erwerb nachzugehen. Aber auch hier wird der Maßstab, den die Frau an den gewünschten Lebensstandard legt, außerordentlich verschieden sein. Wir sollten uns allerdings vor dem oft sehr vorschnellen Urteil hüten, daß sich Frauen wegen einer Überbewertung gewisser materieller Dinge unberechtigt in die Berufsarbeit treiben ließen und ihre Familie darüber vernachlässigten. In dem Bericht wird das „Aufbaumotiv" als eines der häufigsten für die Berufstätigkeit der Familienmutter genannt. Das ist ein durchaus legitimes Motiv. Aufbau des Haushalts, der Wohnung, Ausbildung der Kinder können hier mitsprechen. Sicher hätten unsere Bemühungen, Familien zu einem Eigenheim zu verhelfen, nicht so häufig von Erfolg gekrönt sein können ohne die Mitarbeit der Frau.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Wir sollten uns dabei aber auch klarmachen, daß der Unterschied zwischen dem Lebensstandard der Familie ohne Kinder, in der es die Frau verhältnismäßig leicht hat, berufstätig zu sein, und der Familie mit Kindern, die die Frau an den Haushalt binden, durch diese Tatsache noch größer wird. Ich will damit nicht sagen, daß man etwa diese Differenz völlig ausgleichen könnte. Ich möchte nur auf die Bedeutung des Familienlastenausgleichs auch unter diesem Aspekt gerade für die junge Familie hinweisen, wenn man die Mutter kleiner Kinder ermutigen will, ganz bei ihren Kindern zu Hause zu bleiben.
Doch sind es gewiß nicht nur wirtschaftliche Motive, die die Frauen veranlassen, neben ihrer Aufgabe in der Familie ihren Beruf weiterzuführen. Die Bindung an den Beruf wird ebenfalls eine Rolle spielen. Je mehr Mädchen durch eine Berufsausbildung gehen — und erfreulicherweise nimmt die Zahl in jedem Jahr zu —, um so stärker wird diese Bindung an den Beruf werden. Beruf ist auch für die
Frau nicht nur Broterwerb; sie liebt ihren Beruf, und auch von hier aus wird die Entscheidung für sie nicht immer ganz einfach sein.
Ich bejahe es sehr, daß in dem Bericht ,der Bundesregierung nun sehr deutlich und sehr ehrlich gesagt wird, daß die Entscheidung bei jeder einzelnen Frau allein liegt. Niemand kann sie ihr abnehmen, jeder Fall wird individuell verschieden liegen. Nur, ihre Aufgabe in der Familie ist eine Realität, wir können sie nicht wegdiskutieren und sollen sie auch um Gottes Willen nicht bagatellisieren.
In dem Bericht wird der Satz von Frau Nopitsch zitiert, daß auch heute noch die Frau die zentrale Figur ist, von der ,die Harmonie des Familienlebens abhängt. Nun ist sie dies sicherlich nicht allein, und es ist damit auch nicht gesagt, daß diese Forderung nicht auch durch eine Frau, die berufstätig ist, erfüllt werden könnte. Aber vielleicht sollte jede Frau hier einen gewissen Maßstab für ihre Entscheidung finden: Hat sie neben dem Beruf noch die seelische Kraft, die Nervenkraft, Mittelpunkt ihrer Familie zu sein, der das Familienleben prägt und 'die Familie zusammenhält? Wir brauchen das heute nötiger denn je.
Der Staat kann hier nur in etwa die Möglichkeit schaffen, der Frau ein Nebeneinander von Beruf und Familie erträglich zu machen und vielleicht als Sinnvollstes ein Nacheinander beider Pflichten zu erleichtern, wenn sie dies wünscht. Wenn wir die Erkenntnisse in Rechnung setzen, daß das kleine Kind der Zuwendung der Mutter bedarf, wird sich eben der Lebensrhythmus vieler Frauen so gestalten, daß sie eine längere Zeit aus dem Beruf ausscheiden müssen. Aber dieser Lebensrhythmus verläuft heute sicher etwas anders als früher. Durch die früheren Eheschließungen, die geringere Zahl der Kinder und die technischen Erleichterungen eines Haushalts wird es der Frau leichter ermöglicht, in der sogenannten dritten Lebensphase wieder in den Beruf zurückzukehren. Hier müßten wir einsetzen. Dieser Wiedereingliederung in den Beruf ist überall die größte Bedeutung beigelegt. Es ist sehr gut, daß der Bericht diese Aufgabe so eingehend behandelt und hier ja auch ganz konkrete Vorschläge macht.
Wir sollten gerade bei den Gesetzgebungswerken, die jetzt vor uns stehen, diese Erkenntnise beachten. Das gilt sowohl für die Novellierung des Arbeitsvermittlungs- und Arbeitsversicherungsgesetzes wie für die Entwürfe zum Berufsausbildungsgesetz. Wir müssen darauf achten, daß nicht durch falsche Altersgrenzen die besondere Lage der Frau verkannt wird. Wir müssen darauf achten, daß bessere Möglichkeiten auch für eine stufenweise Ausbildung, wie das schon im Bericht vorgeschlagen wird, eingebaut werden. Dabei sollten wir nicht nur von der Generation der heute 40- bis 45jährigen Frau, die wieder eingegliedert werden möchte, ausgehen, sondern wir müssen hier auch in die Zukunft planen.
Ich habe schon erwähnt: in einiger Zukunft werden sehr viel mehr Frauen durch eine Berufsausbildung gegangen sein. Das wird die Situation verändern. Auch für die Frauen, die jetzt aus ihrem Beruf auszuscheiden wünschen, während ihre Kinder



Frau Schroeder (Detmold)

noch klein sind, müssen die Weichen gestellt werden. Wir müssen ihnen jetzt die Möglichkeiten schaffen, daß sie während ihres Aussetzens Kontakt mit ihrem Beruf behalten, damit sie in zehn bis fünfzehn Jahren nicht vor den gleichen Schwierigkeiten stehen wie die heutige Generation der 40-bis 50jährigen, nämlich vor der Schwierigkeit, nur eine Tätigkeit als ungelernte Hilfsarbeiterin aufnehmen zu können, weil sie ihren Beruf verlernt haben.
Der Bericht weist auf die große Bedeutung solcher Kontaktmöglichkeiten hin. Sicher wird einiges davon in die Kompetenzen der Länder fallen. Wir sollten aber nicht verfehlen, Anregungen dazu zu geben.
Ebenso werden wir alle Möglichkeiten der Teilzeitarbeit als bestes Mittel, den besonderen Lebensrhythmus der Frau zu berücksichtigen, sehr genau prüfen müssen. Heute sind nur 11,5 % der erwerbstätigen Frauen in Teilzeitarbeit beschäftigt. Hier sollten wir wirklich alle Möglichkeiten ausschöpfen, auch wenn man die Grenzen dieser Teilzeitarbeiten sieht.
Ich verweise in diesem Zusammenhang auch auf die Empfehlung Nr. 123 der Internationalen Arbeitskonferenz, abgedruckt in diesem Bericht, die wir uns, wie ich meine, sehr gründlich vornehmen sollten.
Aber dies ist nur e i n Problem: die Doppelaufgabe. Lassen Sie mich noch auf ein weiteres kommen: die Stellung der Frau in der Arbeitswelt von heute. Hier sollte nun wirklich als erstes von der Leistung der Frau gesprochen werden. Im Auftrag an die Bundesregierung war nach der Auswirkung auf die Volkswirtschaft gefragt. Sie ist im Bericht, wie ich zugeben muß, recht kurz weggekommen. Es ist gesagt, daß es hierüber wenig Material gebe, daß der Anteil der Frauenlöhne — geschätzt wurde er auf 24 % — nicht der Beteiligung an der Erarbeitung des Sozialprodukts entspreche. Es ist auch wieder sehr deutlich gesagt, daß ohne die Mitwirkung der Frau der wirtschaftliche Wiederaufbau nicht möglich gewesen wäre. Es ist aber auch — und das sollten wir sehr deutlich sehen — gesagt worden, daß es bei dem Altersaufbau unserer Bevölkerung in Zukunft nicht möglich sein wird, die Last der Altersversorgung durch diese Generation ohne die Mitarbeit der Frau zu tragen.
Es erscheint mir hier auch bedeutungsvoll, wie stark sich gerade in der Berufsarbeit der Frau die Entwicklung vom sogenannten primären zum tertiären Sektor, d, h. von der Produktion zum Dienstleistungsgewerbe, spiegelt, die vielleicht auch in folgendem zum Ausdruck kommt. Es gibt unter den erwerbstätigen Frauen ebensoviel Beamte und Angestellte wie Arbeiterinnen — eine völlig andere Situation als beim Mann.
Wie ist nun aber die Position der Frau in dieser Arbeitswelt? Sie wird gekennzeichnet durch die Sätze:
Wenn auch den Frauen theoretisch fast alle
Tätigkeiten offenstehen, so ist ihre Stellung
im Arbeitsleben im Vergleich zu ihrer großen
Zahl noch wenig befriedigend. Die meisten Frauen arbeiten in einfachen und mittleren Stellen.
Nun werden wir sicher nicht verkennen können, das die Familienbindungen den Berufsweg vieler Frauen stark beeinflussen und sie nicht zur Ausschöpfung aller Möglichkeiten kommen lassen. Das dürfte jedoch für eine große Zahl voll zur Verfügung stehender und voll ausgebildeter Frauen nicht zutreffen.
Ich begrüße es sehr, daß in dem Bericht in großer Offenheit und Objektivität den tieferen Gründen nachgegangen wird, die tatsächlich vielfach in traditionellen Vorstellungen zu suchen sind, in Urteilen, die unserer Wirklichkeit längst nicht mehr entsprechen. Hier gerade wirkt sich eine falsche öffentliche Meinung außerordentlich negativ aus. Das kommt schon bei der Vernachlässigung der Bedeutung der guten Ausbildung für ein Mädchen zum Ausdruck; diese Vernachlässigung hat später das Schicksal mancher Frau sehr unglücklich beeinflußt. Hier muß bei den Eltern eingesetzt werden. Es kommt weiter zum Ausdruck bei den Chancen, die man der Frau zur Weiterbildung und zum Aufstieg gibt. Der Bericht weist darauf hin, daß nur durch eine gründliche Meinungsbildung Abhilfe geschaffen werden kann.
Eigentlich sollte man nun glauben, daß der Staat selbst, der sich das Grundgesetz geschaffen hat, in der Verwirklichung dieser Grundgesetzforderung der Gleichberechtigung von Mann und Frau mit sehr gutem Beispiel vorangeht. Wenn ich mir jedoch die Zahlen, die der Bericht über den öffentlichen Dienst angibt, vergegenwärtige, so muß ich sagen — wenn ich auch einige gute Ansätze voll anerkennen will —, daß der Staat von der Möglichkeit des guten Beispiels hier nicht übertrieben viel Gebrauch gemacht hat. Ich habe darum eben mit großer Aufmerksamkeit den Satz gehört, daß die Bundesregierung im Bereich des öffentlichen Dienstes selbst alles tun wird, was sie tun kann. Herr Staatssekretär, wir werden mit großer Freude auch die diesen Worten folgenden Taten beobachten.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Aber hier ist auch die Wirtschaft angesprochen. Der Bericht weist darauf hin, daß es gerade in unserer Industrie nicht nur um die Aufstiegschancen geht, sondern daß die Frau hier noch viel zu oft als „Mann-Ersatz" betrachtet wird, daß man sich auf ihre besondere Art nicht genügend eingestellt hat und deshalb auch ihre Leistungsmöglichkeiten nicht voll ausgeschöpft werden können.
Im Grunde lautet die Frage für uns doch genauso, wie sie am Schluß des amerikanischen Reports steht: Können wir es uns eigentlich leisten, ein Begabungsreservoir so schlecht auszuschöpfen und so unzweckmäßig einzusetzen?

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Es hilft natürlich nichts, diesen Zustand nur zu beklagen, die Frauen selbst müssen das ihrige dazu tun. Der Angelpunkt wird immer wieder in Bildung und Ausbildung liegen. Mit aller Nüchtern-



Frau Schroeder (Detmold)

heit sollten wir sehen, wie häufig es an den Frauen selbst liegt, die vor der Übernahme einer verantwortungsvolleren Tätigkeit zurückschrecken. Sie sollten ermutigt werden, ihre Chancen besser zu nutzen.
Ich möchte zum Schluß in diesem Zusammenhang noch ein Wort zu dem Kapitel der alleinstehenden Frauen sagen. Die Zahlen über diesen Personenkreis haben mich wirklich sehr beeindruckt. Allein in den Jahrgängen über 35 haben wir in der Bundesrepublik 6,3 Millionen alleinstehende Frauen. Das sind 11,5% unserer gesamten Bevölkerung. Im erwerbsfähigen Alter zwischen 35 und 65 Jahren sind es 3,7 Millionen. Wir müssen uns hier wirklich fragen, ob wir diesem Personenkreis immer gerecht geworden sind — ich erinnere Sie an die Wertskala, die ich eingangs genannt habe — in bezug auf Wohnungsversorgung, in bezug auf ihren sozialen Status. Ich meine, daß dieser Personenkreis bei allen Maßnahmen sehr viel mehr als bisher in das Blickfeld gerückt werden müßte. Deshalb ist es sehr gut, daß die Bundesregierung gerade zu diesem Thema bereits einen Forschungsauftrag gegeben hat. Meine Damen und Herren, in den genannten Zahlen spiegelt sich doch ein Teil des Schicksals unseres Volkes und seiner Opfer in den zwei Kriegen. Ich denke dabei auch an die große Zahl der Kriegswitwen, ihre große Leistung nicht nur im Beruf, auch auf dem Gebiet der Erziehung. Es ist eindeutig festgestellt, daß die Kinder der Kriegerwitwen in ihrem Erziehungserfolg über dem Durchschnitt liegen. Das muß immer wieder einmal gesagt werden.

(Beifall in der Mitte.)

Viele von ihnen haben unter Beweis stellen müssen
und unter Beweis gestellt, daß die Frau sehr wohl
Beruf und Erziehung der Kinder vereinbaren kann.
Meine Damen und Herren, ich habe hier nur einige Linien dieses Berichts aufzeigen können. Heute nachmittag wird in der Debatte noch von manchen anderen Schwerpunkten die Rede sein.
Es ist davon gesprochen worden, daß dieser Bericht an uns alle appelliere. Aber es genügt nicht, daß wir diesen Ruf hören. Ich möchte Sie alle darum bitten, daß wir auch bei den praktischen Konsequenzen aufgeschlossen sind und uns etwas elastisch der neuen Wirklichkeit gegenüber zeigen. Nur so werden wir, wie es in dem Auftrag dieses Hohen Hauses an die Bundesregierung hieß, der Frau helfen, den ihrer Eigenart gemäßen Platz im Leben unseres Volkes auszufüllen zu ihrer und unser aller Nutz und Frommen.

(Beifall bei der CDU/CSU.) Vizepräsident Dr. Mommer: Das Wort hat Frau Abgeordnete Schanzenbach.


Marta Schanzenbach (SPD):
Rede ID: ID0508723600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands bemüht sich seit ihrer Existenz, also seit mehr als hundert Jahren, um die Gleichberechtigung der Frau. August Bebel hat als erster im kaiserlichen Reichstag das Wahlrecht für die
Frauen gefordert. Die sozialistische Regierung gab 1918 den Frauen das aktive und passive Wahlrecht. In der Weimarer Zeit wurden von der SPD viele Anträge auf den verschiedenen Ebenen der Gesetzgebung im Reichstag eingebracht, die zur Gleichberechtigung hinführen sollten. Das Grundgesetz brachte dann 1949 die volle Gleichberechtigung der Geschlechter. Wir sind den Vätern und Müttern des Grundgesetzes dankbar, daß sie allen konservativen Vorstellungen zum Trotz diesen Schritt in die neue Zeit gewagt haben.
Wenn auch die rechtliche und politische Gleichstellung von Mann und Frau dem Gesetz nach gegeben ist, so ist sie im gesellschaftlichen Leben noch keineswegs eine Selbstverständlichkeit. Überall treten uns in dieser modernen Industriegesellschaft Verhaltensvorstellungen entgegen, die einer längst vergangenen Epoche angehören. Die moderne Zeit muß auch im Verhalten der Menschen zueinander und in der veränderten Gestalt gesellschaftlicher Einrichtungen ihren Ausdruck finden. So haben sich diese Gruppen in unserem Lande, aber auch sonst überall in der Welt — es handelt sich keineswegs nur um eine deutsche Angelegenheit — darum bemüht, Lebensformen und Einstellungen zu finden, die unserer Zeit und der nahen Zukunft entsprechen. Es handelt sich hierbei um Fragen, die nicht nur die Frau angehen. Von der Gleichberechtigung und ihren Folgen sind die Männer gleichermaßen betroffen. Auch für sie bedeuten die neuen Regelungen des Zusammenlebens ein neues Begreifen, ein neues Einordnen und bisherige Rechte Abgeben oder Teilen.

(Beifall bei der SPD.)

Um die Gleichberechtigung in Familie, Beruf und Gesellschaft sinnvoll zu erreichen, sind Bestandsaufnahmen notwendig, die uns zeigen, wo wir heute stehen. Deshalb hat die Bundesfrauenkonferenz der SPD 1961 in Oberhausen den Beschluß gefaßt, die Bundesregierung aufzufordern, dem Bundestag eine Untersuchung über die Stellung der Frau in Beruf, Familie und Gesellschaft vorzulegen. Dieser Beschluß fand seinen Niederschlag in einem Antrag der SPD-Fraktion dieses Hauses, der am 11. Dezember 1962 eingebracht wurde. Darin wird eine umfassende Untersuchung des oben angeführten Themas gefordert. Gleichzeitig soll festgestellt werden, welche Maßnahmen erforderlich sind, um der Frau zu helfen, den an sie gestellten Anforderungen gerecht zu werden. Dieser Antrag, der von den anderen Parteien ergänzt und unterstützt wurde, hat in weiten Kreisen der Öffentlichkeit großen Anklang gefunden,
Mit der Drucksache V/909 legt die Regierung auf 643 Druckseiten dem Hohen Hause einen ersten Bericht vor. Für die Fachleute, meine Damen und Herren, bringt dieser Bericht nichts Neues. Trotzdem begrüßen wir ihn, denn er kann als eine gute, fleißige Materialsammlung angesehen werden. Dem Antrag der SPD ist aber damit nicht Genüge getan; denn aus diesem Bericht ist nicht abzuleiten, ob und welche Maßnahmen eingeleitet werden sollen, die der Frau helfen, den an sie gestellten Anforderungen gerecht zu werden.

(Sehr richtig! bei der SPD.)




Frau Schanzenbach
So werden auf diesen ersten Bericht hin Einzeluntersuchungen erfolgen müssen, die dem Parlament die sichere Grundlage zu• gesetzgeberischen Maßnahmen ermöglichen. Mit dem Ergebnis solcher Untersuchungen und dem vorliegenden Bericht kann viel Aufklärung über die Situation der Frau in Familie, Beruf und Gesellschaft in unser Volk gebracht werden, und manches wird daraufhin anders beurteilt werden als heute.
Wie sehr sich die Stellung der Frau in Familie und Beruf auch in der Vergangenheit von Zeit zu Zeit verändert hat, kann man dem ersten Teil des Berichts der Bundesregierung entnehmen. Schon immer hängt die Stellung der Frau in Familie und Haushalt mit dem Aufbau der Familie und des Haushalts zusammen. So ist die heutige Stellung der Frau in der Familie nur aus den früheren Aufgabenstellungen heraus zu begreifen. Aber auch die Veränderungen, die Industrie und Wirtschaft in den letzten Jahrzehnten mit sich brachten, sowie die Veränderungen im menschlichen Zusammensein drücken sich in der heutigen Stellung der Frau aus. Wenn Orientierungshilfen gegeben werden sollen, die es der Frau ermöglichen, die Gleichberechtigung in Anspruch zu nehmen und ihre Aufgaben besser zu erkennen und besser mit ihnen fertigzuwerden, dann ist die laufende Beobachtung gesellschaftlicher Tatbestände notwendig.
Wir sind der Bundesregierung dankbar für das vorgelegte Zahlenmaterial, aus dem die zahlenmäßig große Rolle der Frau in unserem Volk erkennbar ist. Bedauerlich ist allerdings nur, daß auf Statistiken von 1961 zurückgegriffen werden mußte und damit keine exakte Aussage für die Gegenwart vorliegt. Nach der Volkszählung vom 6. Juni 1961 lebten im Bundesgebiet 56,176 Millionen Personen. Davon waren 29,7 Millionen Frauen und 26,4 Millionen Männer. Der Frauenüberschuß von rund 3,3 Millionen ist bei den älteren Jahrgängen, also bei den über 35 Jahre alten Frauen, zu finden. Ab 35 Jahre haben wir einen Frauenüberschuß von etwa 1,2 Millionen lediger Frauen, von denen viele durch die Kriegsverluste nicht heiraten konnten. Der Bericht bringt sehr interessante Zahlen über die Lebenserwartung, das Heiratsalter und die Heiratsaussichten.
Interessant ist in dem Bericht auch die Aussage über die Haushaltungsvorstände. In diesen Zahlen ist der Wandel deutlich erkennbar, den die Familie und der Haushalt in unserer Industriegesellschaft durchgemacht haben. Merkmale dieser Veränderung sind z. B. erstens die Verkleinerung der Kinderzahl, zweitens der Wandel der Stellung der Frau in Gesellschaft und Wirtschaft, drittens der Übergang von der Groß- zur Kleinfamilie und viertens, daß in den Einzelhaushalten die Frauen als Haushaltungsvorstände überwiegen. Von den 14,1 Millionen Mehrpersonen-Haushalten im Bund — ohne Berlin — haben 1,848 Millionen einen weiblichen Haushaltungsvorstand. Die Statistik über die Gliederung der Einpersonen-Haushalte weist nach, daß ältere Frauen häufig allein leben.
Viele Probleme sind durch die Statistik und durch diese Ausführungen der Enquete deutlich sichtbar geworden; aber ehe wir an die Planung sachgerechter Maßnahmen gehen können, sind weitere genaue Untersuchungen erforderlich. Die zuständigen Bundestagsausschüsse werden sich nun damit zu befassen haben.
Ein Abschnitt des Berichts beschäftigt sich mit der sozialen Stellung und dem sozialen Ansehen der Hausfrau und Mutter. Die soziale Stellung der Frau in der Familie und im Haushalt kann nur gesehen werden im Zusammenhang mit der Veränderung der Familienstruktur. Eine besonders tiefgreifende Veränderung hat die Industrialisierung ausgelöst: aus der Großfamilie wurde die Kleinfamilie, die die Normalfamilie in unserer Zeit ist. Diese grundlegenden Wandlungen der wirtschaftlichen, sozialen und gesellschaftlichen Verhältnisse haben auch die Stellung der Frau in der Familie ganz entschieden beeinflußt. Vor der Industrialisierung war die Frau eine verantwortliche Partnerin des Mannes im Familienbetrieb in einer allerdings patriarchalischen Gesellschaftsform. Nach der Industrialisierung fiel dem Mann die außerhäusliche Tätigkeit zu, und die Frau wurde auf die rein hauswirtschaftlichen und mütterlichen Aufgaben verwiesen, wobei nicht übersehen werden soll, daß viele Arbeiterfrauen auch schon in der frühen Zeit der Industrialisierung aus ihrer wirtschaftlichen Notsituation heraus erwerbstätig sein mußten. Aber Erwerbstätigkeit der Frau war nach dem bürgerlichen Familienmodell nicht gesellschaftsfähig. Auch Arbeiter wollten eben aus sozialem Prestige nicht, daß ihre Frauen einer Erwerbsarbeit nachgehen. Diese Auffassung trifft man zum Teil auch noch in der heutigen Zeit.
Bei der sozialen Bewertung der Frau hat die Mutterschaft immer eine große Rolle gespielt. Das Leitbild der Frau wurde stets entscheidend durch die Erwartung geprägt, welche die Gesellschaft an sie stellt. Nach dieser Auffassung ist das Bild der Frau im mütterlichen Bereich festgelegt, aber im übrigen Wandlungen unterworfen. Lange galten als Leitbild ,der deutschen Frau die drei K's, also Kinder, Küche und Kirche. In unserer Zeit zeigen sich aber deutliche Ansätze zu einem anderen Leitbild. Andere Länder, z. B. Nordamerika und Skandinavien, haben hier einen Einfluß ausgeübt. Wir haben heute die Vorstellung von einer Frau, die nach ihren Fähigkeiten einen Lebensplan aufstellt und sich auf ihre Aufgaben in Beruf und Familie vorbereitet. Vielfältige Veränderungen im Wirtschafts- und Gesellschaftsgefüge lassen es möglich erscheinen, daß die Frau in allen Lebensphasen gleichberechtigt und in sozialer Mitverantwortung neben dem Mann treten kann, um mit ihm zusammen das Familien-, das Erwerbs- und das öffentliche Leben zu gestalten. Es ist gut, daß ,der Bericht gerade in dieser Frage eine so deutliche Aussage macht und damit von dem Ideal der sogenannten Nur-Hausfrau Abstand nimmt.
Wenn die Stellung und Leistung der Frau in der Familie untersucht werden soll, dann spielt die Wertung der Tätigkeit der Hausfrau eine wichtige Rolle. Frau Schroeder hat vorhin schon darauf hingewiesen. Diese Wertung ist aber sehr verschieden. Leider gibt es in der Bundesrepublik noch keine repräsentative wissenschaftliche Untersuchung über



Frau Schanzenbach
den Arbeitszeitaufwand der Hausfrau. Es wird allerdings angenommen, daß die Führung eines VierPersonen-Haushalts mehr Zeit erfordert, als die Arbeitszeit in einem Arbeitnehmerberuf ausmacht. In Anbetracht der vielfältigen Leistungen und Belastungen der Hausfrau erscheint es selbstverständlich, wenn demoskopische Untersuchungen heute noch ergeben, daß auch heute noch die Mehrzahl aller Frauen ihre Tätigkeit in Haushalt und Familie als Lebensaufgabe und Berufung verstehen.
Von einem neuen Leitbild haben viele Frauen leider noch keine Vorstellung. Die Nur-Hausfrau fühlt sich oft gegenüber der erwerbstätigen Frau benachteiligt. Besonders die intellektuell- anspruchsvolle Frau findet die sich immer wiederholende Hausarbeit als bedrückend. Sie leidet aber noch viel mehr unter dem Mangel an geistiger Anregung und menschlichem Kontakt. Während die berufstätige Frau sich durch ihre Arbeit Anerkennung und Sozialprestige verschafft, ist das soziale Ansehen, das die Hausfrau hat, von der sozialen Position ihres Ehemannes abhängig. Es wird eben immer wieder deutlich, daß der Funktionskreis der Hausfrau und Mutter und die Bedeutung ihrer Tätigkeit für das gesamte soziale Leben viel zu wenig anerkannt werden. Hier müssen uns wissenschaftliche Untersuchungen helfen, die hausfrauliche Tätigkeit so zu erfassen, daß sie der außerhäuslichen Tätigkeit des Ehemannes vergleichbar wird und daß Hausarbeit der Berufsarbeit gleichgesetzt wird.
Meine Damen und Herren, in den letzten hundert Jahren hat die Bedeutung der Mutterschaft im Leben der Frau einen bemerkenswerten Wandel erfahren. Während die Frau in der vorindustriellen Epoche fast ein ganzes Leben lang für Kinder zu sorgen hatte, nimmt die Mutterschaft heute eine verhältnismäßig kurze Zeit in Anspruch. Man rechnet durchschnittlich mit etwa 15 Jahren. Damit ist die soenannte Durchschnittsfrau vom 40. Lebensjahre an von den dringendsten Mutterpflichten befreit. Sie kann nach der heutigen Lebenserwartung mit 30 weiteren Lebensjahren rechnen. Sie ist damit frei für die Übernahme neuer Verpflichtungen, wenn sie es will. Da die Erziehung der Jugend heute ganz allgemein höhere Anforderungen stellt als früher, sind der Mutter neue Aufgaben zugewachsen. Es ist eine allgemein bekannte Tatsache, daß die Erziehungsfunktion ,des Vaters in der Familie gegenüber früher wesentlich schwächer geworden ist und die Mutter diesen Mangel auszugleichen hat. Die Mütter sind aber für diese Aufgabe leider nicht vorbereitet; sie stehen ihrer Erziehungsaufgabe oft hilflos gegenüber. Früher bedeutete eine große Kinderschar Ansehen der Mutter. Das hat sich insofern geändert, als heute das Ansehen einer Mutter mit dem Erfolg der Erziehung ihrer Kinder verknüpft ist. Die Zahl der Kinder spielt keine Rolle mehr. Die Leistungen der Mütter bedürfen aber ,der nachhaltigen Unterstützung 'durch außerhäusliche Erziehungsträger.
Im Familienrecht ist die Gleichberechtigung vollzogen. ,Ob in der Praxis danach gelebt wird, ist eine völlig andere Sache. Hier herrschen noch weitgehend patriarchalische Vorstellungen. Es ist aber anzunehmen, daß die junge Frauengeneration, die eine bessere Ausbildungs- und Berufsmöglichkeit hat, das ihr zur Verfügung stehende Recht mehr in Anspruch nimmt als die älteren Generationen.
Die Rechtslage der unehelichen Mutter und die Schlechterstellung des unehelichen Kindes gegenüber dem ehelichen muß als diskriminierend empfunden werden. Wir können nur hoffen, daß die Gesetzesvorlage zur Reform des Unehelichenrechts baldmöglichst dem Bundestag zugeleitet wird und dann ein Recht entsteht, das unserem Grundgesetz entspricht.
Der Bericht bringt eine ausführliche Darlegung der Auswirkungen ,der außerhäuslichen Erwerbstätigkeit von Müttern auf die Betreuung und Entwicklung der Kinder. Dieser Teil wird hoffentlich dazu beitragen, Vorurteile gegenüber erwerbstätigen Müttern abzubauen. Jahrelang wurde in der Bundesrepublik behauptet, es gebe 3 Millionen Schlüsselkinder. Heute wissen wir genau, daß diese Zahl weit übertrieben ist. Wenn in der Öffentlichkeit die Probleme der erwerbstätigen Frau 'diskutiert werden, so sind damit meistens die Frauen gemeint, die eine dreifache Belastung zu tragen haben, nämlich die Betreuung der Kinder, die Haushaltsführung und die Erwerbstätigkeit. Diesen Frauen muß auch im Rahmen ,der Frauenenquete und der sich daraus ergebenden Folgerungen besondere Bedeutung beigemessen werden.
Die Zahl der Mütter, die außerhalb der Landwirtschaft in abhängiger Stellung erwerbstätig sind und für Kinder unter 14 Jahren zu sorgen haben, ist von 417 000 im Jahre 1950 auf 1,3 Millionen im Jahre 1962 gestiegen. Wir haben es hier also mit einer Verdreifachung zu tun. Nach einer Untersuchung von 1962 haben 1,5 Millionen erwerbstätiger Mütter 2,2 Millionen Kinder unter 14 Jahren. 1,9 Millionen dieser Kinder waren den ganzen Tag ohne mütterliche Aufsicht; d. h. also nicht ohne Aufsicht, sondern ohne mütterliche Aufsicht. Bei 278 000 Kindern war die Mutter nur einen halben Tag abwesend. Von den fast 2 Millionen Kindern, deren Mütter im Oktober 1962 den ganzen Tag erwerbstätig waren, wurden rund 1,8 Millionen — das sind 91 % — ganztägig betreut. 8000 Kinder waren ganztägig unbetreut. Von den Kindern unter 6 Jahren waren 99 % den ganzen Tag über betreut. Bei den Kindern unter 6 Jahren spielen die Großmütter nach wie vor in der Frage der Erziehung und Betreuung eine große Rolle. 50 °/o dieser Kinder werden von Großmüttern betreut.
Erwerbstätige Mütter haben kaum Zeit, sich mit ihren Kindern zu beschäftigen. Ihre Kinder werden früh an selbständiges Handeln gewöhnt. Eingehende Untersuchungen haben ergeben, daß die Erwerbsarbeit der Mütter aber nicht zu Fehlhaltungen ihrer Kinder führt. Die Erwerbstätigkeit der Mutter wird aber immer problematisch bleiben, solange die Kinder der besonderen mütterlichen Fürsorge bedürfen, also im Kleinkinderalter. Wir meinen, es muß alles getan werden, damit die Kinder, besonders die Kleinkinder, nicht die Opfer unserer Wohlstandsgesellschaft werden.
Interessant ist auch die Feststellung, daß Kinder aus vaterlosen Familien — vor allem, wenn die Mutter Witwe ist — trotz Erwerbstätigkeit der Mutter



Frau Schanzenbach
und ungünstiger finanzieller Lage meistens einen besseren Allgemeinzustand sowie einen höheren Leistungsdurchschnitt in der Schule aufweisen und seltener in den Akten der Strafjustiz escheinen als Kinder aus vollständigen oder zerrütteten Familien. Lassen Sie mich auch, meine Damen und Herren, gerade in diesem Zusammenhang ein Wort des Dankes an alle Kriegshinterbliebenen sagen, die durch die Erziehung ihrer Kinder eine großartige gesellschaftspolitische Leistung vollbracht werden.

(Beifall.)

Soziologen sind der Meinung, daß noch viel Beobachtung und Forschung nötig ist, ehe den Müttern gültige Richtlinien für ihr Verhalten in bezug auf ihre Erwerbstätigkeit gegeben werden können.
Nach der freiheitlichen Ordnung unseres Staates gilt die freie Wahl des Berufes und des Arbeitsplatzes auch für die Frau. Der Staat ist nicht berechtigt, Verbote oder Gebote für die Erwerbsarbeit von Müttern zu erlassen. Ob sie eine Tätigkeit aufnehmen will oder nicht, bleibt der verantwortungsbewußten Entscheidung jeder Mutter überlassen.
Alle Familienpolitiker — und das kann ich sicher auch für uns alle hier im Hause sagen, die wir uns mit dieser Frage beschäftigen — sind sich einig, .daß Mütter von kleinen Kindern nicht aus wirtschaftlicher Not gezwungen sein sollten, einer Erwerbsarbeit nachzugehen. Hier muß der Familienlastenausgleich weiterentwickelt werden, und zwar so schnell wie möglich.
Es ist für eine Frau eine große Belastung, Mutter, Hausfrau und Erwerbstätige zu sein. Sie kann diese Leistung ohne Überforderung nur dann vollbringen, wenn die Gesellschaft ausreichend familienergänzende Einrichtungen zur Verfügung stellt und wenn der Mann in höherem Maße als bisher der Frau bei der Bewältigung der Hausarbeit und der Kindererziehung hilft. Das bedeutet auch für den Mann ein Umdenken und Anpassen an die neue Zeit.
Der Bericht nimmt ausführlich zu den Einrichtungen und Diensten Stellung, die der Familie helfen sollen, ihre Betreuungs- und Erziehungsarbeit zu erfüllen. Diese Einrichtungen sollen die Familie aber nicht ersetzen, sondern sie lediglich ergänzen. Eine Untersuchung des Soziographischen Instituts der Universität Frankfurt ergibt, daß diese Einrichtungen um ein Drittel ihres Bestandes vermehrt werden müßten, wenn allen pädagogischen und sozialen Anforderungen entsprochen werden sollte. Die Schaffung weiterer Einrichtungen ist nicht nur eine Frage der Finanzierung, sondern noch viel mehr eine Frage der Gewinnung und Heranbildung von Fachkräften. Die Stärkung der Erziehungskraft der Familie ist eine vordringliche Aufgabe unserer Gesellschaftspolitik.
Der Bericht der Bundesregierung behandelt im Zusammenhang mit den Einrichtungen und Diensten für die Hausfrau und Mutter auch die Erziehungsberatung, die Eheberatung, Hauspflege und die Müttergenesungsheime. Das alles sind Einrichtungen und Dienste, die sinnvoll sind und weiter entwickelt werden müssen.
Der Bericht bringt, wie ich schon sagte, in diesem ersten Teil eine Zusammenfassung bisher schon bekannten Materials. Es lassen sich vielerlei Mängel ablesen. Daraus ergeben sich Anregungen für die Fortentwicklung auf den einzelnen Teilgebieten. Weitere Berichte der Bundesregierung müssen aber diesem ersten Bericht folgen.
Wir halten weitere Untersuchungen und Maßnahmen für erforderlich. So sind z. B. notwendig erstens Untersuchung über die Doppelbelastung der Mutter und die Situation der alleinstehenden Mutter mit Kindern; zweitens Untersuchungen über die Situation der alleinstehenden älteren Frau, insbesondere der Kriegshinterbliebenen; drittens eine Ergänzung der Haushalts- und Familienstatistik; viertens Einzeluntersuchungen, die zeigen, wie die einzelne Gruppe, insbesondere die alleinstehende Frau, die erwerbstätige Frau, lebt. Wir halten ferner für notwendig die Schaffung eines Familienlastenausgleichs, der verhindert, daß Mütter mit kleinen Kindern einer Erwerbsarbeit nachgehen müssen, eine Verbesserung der Berufsberatung; eine Verbesserung der Verbraucherberatung; eine Untersuchung über den Wert der Hausarbeit. Wir brauchen mehr Kindertagesstätten; mehr Hilfen für die Familie in Form von Beratungsstellen, Hauspflege und Familienerholung.
Der Bericht wird nun den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden. Dort wird eingehend beraten. Ich denke, daß die interessierten Verbände und Einrichtungen gehört werden.
Die SPD-Fraktion hofft, daß nun der Weg frei gemacht wird, der zu der im Grundgesetz verankerten Gleichberechtigung führt, und daß Wege gefunden werden, die es der Frau ermöglichen, die an sie gestellten Anforderungen auf allen Ebenen besser zu erfüllen als bisher, ohne daß sie dabei überlastet wird, und daß neue Formen und Verhaltensweisen gefunden werden, die ihr auch die gesellschaftliche Gleichberechtigung auf allen Ebenen bringt.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0508723700
Das Wort hat Frau Abgeordnete Diemer-Nicolaus.

Dr. Emmy Diemer-Nicolaus (FDP):
Rede ID: ID0508723800
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kollegen und Kolleginnen! Über diesen ersten Bericht der Bundesregierung wurden heute schon sehr kluge Worte gesagt. Vom Parlament wird immer verlangt, daß Auseinandersetzungen, Debatten über streitige Fragen stattfinden. Ich habe auf Grund der Ausführungen meiner beiden Vorrednerinnen allerdings keinen Anlaß, ihren Feststellungen oder Forderungen in irgendeiner Weise zu widersprechen. Ich bin vielmehr der Meinung, daß schon eine sehr gute Darstellung über den Inhalt des Berichts gegeben worden ist.
Aber ich möchte von uns, den Freien Demokraten aus, auch noch einmal ganz besonders all den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen an diesem Bericht danken. Dies an die Spitze meiner Ausführungen zu



Frau Dr. Diemer-Nicolaus
stellen halte ich deshalb für notwendig, weil dieser Bericht doch nicht überall so einmütig, so gut aufgenommen worden ist, wie man das aus den Darlegungen meiner Vorrednerinnen vielleicht schließen könnte.
Es ist Kritik geübt worden, erhebliche Kritik. Ich habe die Kritik insoweit nicht für berechtigt gehalten, als sie an dem Umfang des Berichts geübt wurde. Wenn man ein so eingehendes Tatsachenmaterial haben will, das fundiert sein soll, kann man in unserer heutigen Zeit natürlich nicht auf Statistiken verzichten; denn diese Statistiken und die Ausführungen dazu sind ja das Material für die weiteren Beratungen.
Bei Durchsicht des Berichts habe ich festgestellt, daß die Beiträge, die von den einzelnen Ministerien geleistet wurden, nicht ganz einheitlich sind. An manchen Stellen hatte ich den Eindruck: Daran wurde mit großer Liebe und Freude gearbeitet, und es werden sehr vernünftige Folgerungen in einem modernen Sinn gezogen. An anderen Stellen glaubte ich eine etwas konservativere Einstellung feststellen zu müssen. Ich habe aber die Hoffnung, daß das Denken nach modernen Gesichtspunkten bei der Einzelberatung überwiegen wird.
Eines hat sich ganz klar gezeigt — das kommt vor allen Dingen in der ausgezeichneten Einleitung zu dem Bericht zum Ausdruck, wo es in aller Deutlichkeit gesagt wird —: daß erst bei der Anfertigung des Berichts, als man sich das erste Mal systematisch mit den Frauen der Stellung der Frau 3) in der heutigen Gesellschaft beschäftigte, festgestellt wurde, was noch alles an statistischem Material und an Untersuchungen fehlt, um die gestellten Aufgaben auch tatsächlich lösen zu können. Daß diese Lücken ganz klar aufgezeigt wurden, halte ich für ein Positivum.
Ich halte es auch für ein Positivum, daß in dem Bericht später bei den einzelnen Kapiteln ebenfalls gesagt wurde: Hier fehlt noch etwas, hier sind Untersuchungen eingeleitet, dort sind sie noch notwendig.
Jetzt kommt bei der Kritik natürlich das Aber. In manchen Punkten ist die Kritik nicht ganz unberechtigt. Ich habe aus den Ausführungen des Herrn Staatssekretärs zu meiner Freude gehört, daß einer Forderung, die wir Freien Demokraten in unserem Entschließungsantrag *) gestellt haben, nämlich eine Kurzfassung des Berichts vorzulegen, von der Bundesregierung in Kürze nachgekommen werden soll. Daher hoffe ich, daß Ziffer 2 unseres Antrags sofort angenommen wird, ohne überhaupt in einen Ausschuß verwiesen werden zu müssen. Sinn dieser Forderung nach einer Kurzfassung, die es auch bei der amerikanischen Frauenenquete gibt, ist, die praktische Arbeit zu erleichtern.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0508723900
Über die in dem Bericht aufgezeigten Lücken, über die noch einzuleitenden Untersuchun-
*) siehe Anlage 2 gen müssen systematische Aufstellungen vorgelegt werden. Das ist eine Aufgabe, die man meiner Meinung nach nicht den einzelnen Ausschüssen überlassen kann, sondern die von der Bundesregierung noch erfüllt werden muß.
Das ist der Inhalt unseres Entschließungsantrages unter Ziffer 3. Ich hoffe, daß die Bundesregierung genauso bereit ist, diesem jetzt vorgetragenen Wunsch nachzukommen, wie sie unseren Wunsch in Ziffer 2 schon, bevor er ausgesprochen wurde, zu erfüllen bereit war.
Die Kritik an diesem Bericht, die erfolgt ist, und die Tatsache, daß man sich in den vergangenen Monaten schon sehr eingehend mit ihm befaßt hat, hat dazu geführt, daß in den Zeitungen, die darüber schrieben, manchmal etwas überraschende Formulierungen und Überschriften auftauchten. Ich habe nur einige davon gesammelt. —
Eine Überschrift heißt: „Die Frau — ein Forschungsthema".

(Heiterkeit und Zurufe.)

Meine Herren, ich weiß nicht, wieweit Sie mit dieser Formulierung einverstanden sind. Wahrscheinlich aber haben Sie nicht daran gedacht, unter diesem Thema die Frauenenquete zu verstehen, sondern haben an andere Forschungen im Zusammenhang mit der Frau gedacht.

(Zurufe.)

Eine weitere Überschrift in der „Zeit" von Petra Kipphoff in ihrem ersten Bericht ist: „Die restlos ausgewertete Frau." Ich hoffe, das wir Frauen noch nicht „restlos ausgewertet" sind. Petra Kipphoff hat die Neigung zu schlagkräftigen Formulierungen; denn in der letzten Nummer der „Zeit" kam dann — wobei auch nicht zuerst an die Frauenenquete zu denken ist — als Überschrift: „Gedenke nicht der Sünden meiner Jugend." Was ist damit angesprochen, meine Damen und Herren? Damit ist angesprochen, daß in der Enquete nicht die Probleme der unehelichen Mütter ihrer Bedeutung entsprechend behandelt wurden. Sie kritisiert, daß sich nur eine Seite dieses Berichts von über 600 Seiten mit diesen Problemen befaßt. — In der Tat sind diese Probleme in dem Bericht zu kurz gekommen.
In der „Welt am Sonntag" erschien ein Artikel: „So ist die Frau von heute nicht." Wenn man natürlich einen Querschnitt nimmt, so wie es hier geschehen ist, kommt man zu etwas abwegigen Darstellungen.
Ich bin der Meinung: manches von der Kritik an dem Bericht ist berechtigt, vieles aber ist nicht berechtigt. Das Positive überwiegt. Es ist in dem Bericht ganz klar herausgestellt, daß die Probleme heute weniger bei der Nur-Hausfrau liegen; da liegen die Probleme viel eher darin, ob der Mann ein gutes Verhältnis zu seiner Familie, zu seiner Frau und seinen Kindern hat, da geht es darum, daß er sich seiner Familie widmet und der Frau keinen Kummer macht; dann lassen sich die anderen Probleme — auch Erziehungsprobleme z. B. — sehr leicht meistern. Die Probleme liegen heute vielmehr in der gesellschaftlichen Entwicklung, die von der-



Frau Dr. Diemer-Nicolaus
jenigen Tätigkeit weggeführt hat, die die Frau schon immer gehabt hat. Meine Damen und Herren, so war es doch nicht, daß sie früher nur für Mann und Kinder da gewesen ist, sondern sie hat sehr häufig im Beruf des Mannes mitgeholfen. Denken Sie an die Handwerkerfrau, denken Sie an die Landfrau. Das geht durch die Jahrhunderte hindurch. Und wenn ich heute die wunderbaren Kleider aus der Renaissance, aus dem Barock, aus dem Rokoko sehe und bedenke, daß es damals keine Nähmaschinen gab: Wer hat denn diese Kleider genäht? Das waren doch die Frauen. Die Probleme der erwerbstätigen Frau haben mit der Industrialisierung angefangen. Damals setzte ein, was sich bis heute immer noch fortsetzt, daß nicht mehr ein geschlossener Lebenskreis da ist, in dem Mann und Frau beruflich in einer Verbindung mit dem häuslichen Kreis zusammenarbeiten, sondern daß die außerhäusliche Berufstätigkeit der Frau angefangen hat.
Über diese berufstätige Frau ist nun viel gesagt worden. Wenn wir — das ist eine überraschende Feststellung — heute unter den westlichen Staaten mit dem Anteil der erwerbstätigen Frauen mit an der Spitze stehen, so zeigt das mit Eindeutigkeit, daß nicht die Not sowohl nach dem ersten wie auch nach dem zweiten Krieg allein dafür ausschlaggebend sein kann. Wenn das nämlich der Fall wäre, dann hätte, nachdem zunächst die Einrichtung geschaffen, dann das eigene Heim gebaut war, der Anteil gerade der berufstätigen verheirateten Frauen zurückgehen müssen. Das Gegenteil ist eingetreten. Hier liegt eine gesellschaftliche Entwicklung vor, die gar nicht aufzuhalten ist.
Mit Recht wurde sowohl in dem Bericht wie auch von meinen Vorrednerinnen darauf hingewiesen, daß diese tatsächlichen Verhältnisse aber doch noch eine erhebliche Diskrepanz zu den Auffassungen von den Aufgaben der verheirateten Frau aufweisen, die eine außerhäusliche berufliche Tätigkeit der Frau noch immer moralisch abschätzig werten. Ich meine, damit werden wir dieser Mitarbeit der Frauen nicht gerecht.
Wir haben in unserem Entschließungsantrag auch etwas gefordert, was in dem ursprünglichen Auftrag enthalten war, und zwar haben wir gefordert, daß die Regierung doch noch einen Bericht über die Bedeutung der Erwerbstätigkeit der Frauen in der Volkswirtschaft vorlegt. Wir halten das aus folgendem Grunde für notwendig: Dieser Bericht wird klar und eindeutig zeigen, daß weder heute noch in Zukunft auf die Mitarbeit der Frauen verzichtet werden kann. Man soll nicht sagen: dann soll man etwas vom Lebensstandard heruntergehen, damit die Frau zu Hause bleiben kann. Das ist die persönliche Entscheidung eines jeden. Wenn ich allein daran denke, welche Belastungen aus unseren Sozialgesetzen in Zukunft auf uns zukommen, und wenn ich daran denke, wie hoch die Beiträge sind, die heute von den erwerbstätigen Frauen zu den Sozialversicherungen geleistet werden, dann komme ich zu der eindeutigen Feststellung: Wenn wir diesen sozialen Verpflichtungen, die gerade auch im Interesse der Familie erfolgt sind, nachkommen wollen dann geht das nur unter der Mitarbeit der Frau.
Soweit es sich um die Vollfamilie handelt, darf ich darauf hinweisen, daß sich bei uns im Verhältnis zu den Vereinigten Staaten eine etwas andere Entwicklung gezeigt hat. Ich will jetzt nicht auf die berühmten drei Phasen im Lebensrhythmus der Frau eingehen, von denen Frau Kollegin Schroeder eingehend gesprochen hat. In Amerika hat sich gezeigt, daß dort beim ersten Kind die Eheschließung sehr früh erfolgt, daß dann aber die junge Frau gleich aus dem beruflichen Leben ausscheidet bzw. ihre Berufsausbildung abbricht, daß sie jedoch später, wenn das jüngste Kind fünf Jahre alt ist, nach Möglichkeit wieder in den Beruf zurückkehrt. Bei uns wird meistens auch nach der Geburt des ersten Kindes die berufliche Tätigkeit noch nicht aufgegeben, sondern erst nach dem zweiten Kind. Ich weise deshalb darauf hin, weil ich ja in der Fragestunde der letzten Woche das Finanzministerium gefragt habe, welche Möglichkeiten dafür bestehen, daß wenigstens die Aufwendungen, die junge Ehepaare für die Einrichtung ihres Hausstandes machen müssen, in gleicher Weise als außerordentliche Ausgaben im Rahmen des § 33 des Einkommensteuergesetzes berücksichtigt werden, wie das der Fall ist, wenn die Eltern die Ausstattung geben. Zu meinem Bedauern wurde vom Finanzministerium eine ablehnende Antwort gegeben. Aber heute — das konnte ich in der Fragestunde natürlich nicht tun — kann ich nun auf folgendes hinweisen: Warum wird denn bei uns nach dem ersten Kind so häufig weitergearbeitet? Weil bis dahin eben noch nicht die Raten für den Erwerb der Wohnung und die Einrichtung gezahlt sind. Wenn man — dies wurde auch von den Vorrednerinnen betont — erreichen will, daß die Mutter möglichst ganz bei den Kleinkindern ist, wofür ich, weil ich ja selbst kleine Kinder hatte, natürlich sehr viel Verständnis habe, muß man versuchen, zu entsprechenden steuerlichen Erleichterungen zu kommen.
Nun etwas über die Wertung der Frau im Berufsleben. Ich kann auch hier an das anknüpfen, was die Vorrednerinnen gesagt haben und was auch in dem Vortrag des Herrn Staatssekretärs zum Ausdruck gekommen ist. Zunächst einmal ist festzustellen, daß von den Eltern sowohl hinsichtlich der Schulausbildung wie hinsichtlich der Berufsausbildung bei den Mädchen vielfach nicht in der gleichen Weise verantwortungsvoll gehandelt wird wie bei den Jungen. Die Mädchen scheiden heute noch in einem weitaus höheren Umfang als die Jungen mit 14 Jahren aus der Schule aus. Vielfach haben sie keine Berufsausbildung, sondern üben eine Tätigkeit als Ungelernte aus.
Das hat zur Folge, daß sie im Arbeitsleben heute vielfach in den Tarifverträgen in die untersten Tarifgruppen eingeordnet sind. Ich betrachte es als eine Aufgabe der Tarifpartner — das kann nicht durch Gesetz geschehen —, bei der Bewertung der Arbeitsvorgänge in den Tarifverträgen die heute noch weithin festzustellende Unterbewertung der reinen Frauenarbeit zu beseitigen.
Wie steht es nun mit den Aufstiegsmöglichkeiten derjenigen, die eine abgeschlossene Berufsausbildung, gegebenenfalls eine qualifizierte Berufsaus-



Frau Dr. Diemer-Nicolaus
bildung erfahren haben? Sie sind nicht so gut wie die ihrer männlichen Kollegen. Vor allen Dingen — ich kann hier nur das unterstreichen, was Frau Kollegin Schroeder gesagt hat — ist der Bund in keiner Weise mit gutem Beispiel vorangegangen. Vielmehr geht aus den Berichten und Statistiken, die wir bekommen haben, hervor, daß der Anteil der Frauen in den gehobenen Stellen sehr gering ist, daß die Frauen unterrepräsentiert sind. Manchmal mag dies darauf zurückzuführen sein, daß nicht entsprechend viele Frauen die notwendige qualifizierte Berufsausbildung haben. Dann ist es natürlich schwer, die hervorgehobenen Stellen mit Frauen zu besetzen. Aber ein richtiger Kern steckt doch in dieser Aussage, und ich meine, es sollte der Bund mit gutem Beispiel vorangehen.
In der Wirtschaft bestehen noch vielfach Ressentiments gegen die Frau als Vorgesetzte. Das beruht auf gesellschaftlichen Vorstellungen, die man nicht von einem Tag zum anderen ändern kann.
Vielleicht darf ich in diesem Zusammenhang noch auf eine merkwürdige Tatsache hinweisen. Ich sagte, die Frau wird von den Männern vielfach als Vorgesetzte abgelehnt. Der Krieg hat es mit sich gebracht, daß viele Frauen alleinstehend sind. Es wurde schon auf die 3,5 Millionen Frauen hingewiesen, diejenigen, die infolge des Krieges alleinstehend sind oder zu Kriegerwitwen geworden sind. Viele dieser Frauen haben nie daran gedacht, einmal unternehmerisch tätig zu sein, wurden aber durch den Verlust des Mannes in diese Aufgabe gestellt und mußten schon während des Krieges Betriebe übernehmen und führen. Merkwürdigerweise wird die Frau, wenn sie selbst Unternehmerin ist, von den Männern auch absolut als Vorgesetzte akzeptiert. Wir sollten unsererseits aber dazu beitragen, daß die Frauen im. Arbeitsleben grundsätzlich Stellungen einnehmen, die ihrer Qualifikation und ihrer Berufsausbildung entsprechen.
Die Quintessenz dieses Berichts: Angesichts der veränderten gesellschaftlichen Verhältnisse ist es heute wichtiger als je, daß Mädchen genau wie Jungen eine gute Schul- und Berufsausbildung erhalten. Weiter ergibt sich aus diesem Bericht, daß sich unsere Politik den gesellschaftlichen Wandlungen anpassen und vorausschauend planen muß. Unsere Aufgabe wird es sein, aus diesen gesellschaftlichen Wandlungen die Konsequenzen zu ziehen. Wir müssen vorausschauend dafür sorgen, daß man der Doppelfunktion der Frauen, die sie nun einmal haben und in Zukunft auch bestimmt weiter haben werden, gerecht wird. Die Frau wird sich als Ehefrau, auch wenn sie berufstätig ist, für den Haushalt und für die Familie sicher in ganz anderem Umfang verantwortlich fühlen als der Mann. Bei aller Liebe zum Beruf geht für sie die Familie immer vor; sie steht an erster Stelle. Beim Mann steht selbstverständlich der Beruf im Vordergrund. Die Frau wird ihre eigenen Wünsche gegebenenfalls im Interesse der Familie zurückstellen.
Wenn wir aber zu der Erkenntnis kommen, daß wir es uns einfach nicht leisten können, auf die Mitarbeit der Frau zuverzichten, und wenn wir weiterhin bejahen, daß die Frau genau wie der Mann das Recht hat, ihre ihr von Gott gegebenen Gaben so zu nutzen, wie sie es für richtig hält, so müssen wir sie darin unterstützen und müssen dafür sorgen, daß unter dieser Doppelbelastung ihre Gesundheit nicht Schaden leidet.
Wir werden uns ja anschließend deshalb noch mit einem Problem befassen, das wir Freien Demokraten von uns aus aufgegriffen haben. Erstens kamen keine Vorschläge im Zusammenhang mit dem Bericht von der Bundesregierung, und zweitens sind sie nach unserer Auffassung nicht so bald zu erwarten. Wir hielten es aber für vordringlich, daß gerade auch für Beamtinnen die Möglichkeit einer Teilzeitarbeit geschaffen wird. Wir haben diese Teilzeitarbeit für Lehrerinnen in meinem Heimatland Baden-Württemberg und auch in Niedersachsen, und wir brauchen sie auch auf Bundesebene. Nur wenn wir diese Teilzeitarbeit auch für die Beamtinnen einführen, wird es möglich sein, auch den qualifizierten Frauen mit ihrer qualifizierten Berufsausbildung die Möglichkeit zu geben, neben ihren Familienpflichten weiterhin berufstätig zu sein. Weiterhin gehört dazu, daß wir den Frauen, soweit sie aus dem Berufsleben wegen der Pflege der Kinder zunächst einmal ausscheiden, in einem ganz anderen Umfang, als das bisher der Fall war, die Möglichkeit zur permanenten Weiterbildung und Fortbildung schaffen. In dieser Hinsicht ist in Amerika schon außerordentlich Gutes geleistet worden. Die Gesundheit unserer Frauen darf nämlich nicht in Mitleidenschaft gezogen werden. Wir müssen uns aber auf der anderen Seite davor hüten — das sage ich auch . hier in aller Offenheit —, daß wir vor lauter Sorge für die Frauen im Bereich des Arbeitslebens gesetzliche Bestimmungen schaffen, die sich so auswirken, daß die Frauen, wenn mehr Arbeitskräfte als Arbeitsplätze da sind, als erste ausscheiden müssen. Hier gilt es, daß richtige Maß zu halten.
Wir halten es für erforderlich, daß die Bundesregierung alsbald ihrerseits Vorschläge macht, wie sie die aus dem Bericht sich ergebenden Probleme lösen will. Die politischen Konsequenzen aus diesem Bericht zu ziehen, ist nämlich nicht nur die Aufgabe der Ausschüsse. Gerade uns Freie Demokraten, die wir jetzt in der Opposition sind, interessiert noch mehr als vorher, wie die Bundesregierung zu den einzelnen Lücken steht und welche Konsequenzen sie nun aus den einzelnen Kapiteln im Bericht zu ziehen beabsichtigt und was sie für notwendig erachtet.

(Beifall bei der FDP.)

Soweit es sich um die Teilzeitarbeit handelt, ist es vordringlich, daß weitere statistische Erhebungen angestellt werden. Es ist notwendig — das geht alles aus dem Bericht hervor —, daß Untersuchungen über Zahl und Alter von Beamtinnen, die wieder ins Beamtenverhältnis zurückkehren möchten, alsbald angestellt werden. Es ist notwendig zu klären, wie groß die Dauer der Dienstunterbrechung wegen der Wahrnehmung von Familienpflichten ist. Über die Aufstiegsmöglichkeiten der Frauen im öffentlichen Dienst liegen auch nur in Teilbereichen Angaben vor. Es ist notwendig, daß diese Unter-



Frau Dr. Diemer-Nicolaus
suchungen für alle Gebiete des öffentlichen Dienstes durchgeführt werden. Wir fragen die Bundesregierung, ob sie dazu bereit ist. Wir fragen die Bundesregierung ferner: Ist sie bereit, dahin zu wirken, daß von den oberen Altersgrenzen für die Zulassung zu einer Ausbildung abgesehen wird? Das gilt gerade für die Frauen, die eine Zeitlang wegen der Sorge für die Kinder den Beruf unterbrochen haben und wieder ins Berufsleben zurückkehren und gegebenenfalls einen anderen Beruf ergreifen wollen, als sie ihn früher hatten. Diese Ausbildungsaltersgrenzen sind für sie nicht tragbar. Wir fragen weiterhin: Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um den Mangel an Ausbildungsmöglichkeiten für qualifizierte Berufe zu beseitigen? Wir fragen weiterhin die Bundesregierung: Ist sie bereit, auch die Erfahrungen aus Auslandsuntersuchungen hierüber zu berücksichtigen? Das trifft besonders das Kapitel, das in unserem Entschließungsantrag angesprochen ist, nämlich die so wichtige Frage der Ganztagesschulen.
Es war eigentlich etwas beschämend, bei einer internationalen Frauentagung im vergangenen Herbst, bei der zehn Länder vertreten waren, zu hören, daß die Bundesrepublik Deutschland das einzige Land ist, wo die Ganztagesschule nicht durchgeführt wird und heute noch auf derartige Schwierigkeiten stößt. Wir sollten dabei die internationalen Erfahrungen nutzen.
Meine Damen und Herren, um Ihnen die ganze Spanne und die Schnelligkeit der gesellschaftlichen Entwicklung zu zeigen, möchte ich Ihnen zum Abschluß etwas ins Gedächtnis zurückrufen. Ich weiß nicht, ob es die Herren schon gehört haben. Ich nehme an, daß die meisten der Kolleginnen schon einmal den Ausspruch gehört haben. Das war zu der Zeit der Frauenemanzipation, als unsere sehr verehrte Frau Dr. Lüders, damals eine der ersten, darum gestritten hatte, das Abitur machen zu können, studieren zu können, auf einer Hochschule zu sein. Um die gleiche Zeit, nämlich im Jahre 1902, publizierte Möbius seine damals viel beachtete und sehr ernstgenommene Schrift „Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes". Er glaubte das geringere Gewicht des weiblichen Gehirns nicht nur bewiesen, sondern bezeichnete dies auch für dringend notwendig, und jetzt zitiere ich wörtlich:
Wäre das Weib nicht körperlich und geistig
schwach, wäre es nicht durch die Umstände un-
schädlich gemacht, so wäre es höchst gefährlich.
Die „Gefährlichkeit" der Frauen erleben Sie jetzt im öffentlichen Leben und hier im Parlament. Um mögliches Unglück zu verhindern, empfiehlt Möbius, meine Damen und Herren, die Mädchengymnasien samt und sonders niederzureißen!
Und dann? 1946, also nur 44 Jahre später, hat eine Frau, und zwar eine unserer qualifiziertesten, Ricarda Huch, die Sie meistens nur als Dichterin und nicht wie in diesem Fall als Politikerin im weiteren Sinne kennen, ein kleines Büchlein über die Urphänomene geschrieben. Eines dieser Kapitel behandelt die Familie. In diesem Kapitel, in dem sie als Frau zu den Problemen der Familie Stellung nimmt, schreibt sie:
Wohl kann die Frau durch Erziehung und Beeinflussung der Kinder sowie durch Ausbildung einer Haus- und Gesellschaftskultur eine schöne Aufgabe übernehmen. Aber es fehlt ihr doch das Fundament einer unmittelbaren, nützlichen und ertragreichen Arbeit.
Meine Herren, diesmal hat nicht der Mann Möbius recht behalten, sondern Ricarda Huch. Wir können heute, 20 Jahre später, feststellen, daß unsere Frauen und Mädchen vielfach den Beruf auch als eine echte Berufung empfinden, daß sie den Wunsch haben, ihre Kräfte nutzbringend auch im Arbeitsleben zum Tragen zu bringen, daß sie bei aller Liebe zur Familie, zu den Kindern nicht zeit ihres Lebens zu Hause sein möchten, sondern, wenn die Kinder groß sind, vielfach wieder ins Berufsleben zurückkehren möchten.
Sie werden diese Entwicklung nicht aufhalten können. Wir sollten sie vielmehr positiv gestalten und sollten das Leben der Frauen erleichtern, wo es uns nur möglich ist.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0508724000
Meine Damen und Herren, ich darf eine Bemerkung zum Ablauf der Debatte machen. Wir müssen heute um 20 Uhr schließen. Zwischen den Fraktionen ist deshalb eine Vereinbarung über die Verteilung der Redezeit zustande gekommen, und zwar 60 Minuten bei der FDP-Fraktion, 100 Minuten bei der CDU/CSU-Fraktion und 90 Minuten bei der SPD-Fraktion.

(Abg. Dr. Mende: Ist das schon die neue Kontingentierung der autoritär-demokratischen Form?)

— Herr Mende, das ist eine freiwillige Vereinbarung der beteiligten Kollegen aus Ihrer Fraktion und aus den anderen Fraktionen.

(Heiterkeit bei den Regierungsparteien.)

Die Vereinbarung hat den einzigen Zweck, Herr Kollege Mende, daß wir die Debatte ordentlich abwickeln und, wenn es geht, heute abend zu Ende kommen, damit wir Freitag nicht dasselbe Thema wieder aufgreifen müssen. 16 Redner sind hier gemeldet. Die bisherigen Rednerinnen haben sich nicht ganz streng an die Redezeit gehalten, die sie gemeldet hatten. Ich mache darauf aufmerksam, daß dann die Gefahr besteht, daß zum Schluß Reden zu Protokoll gegeben werden müssen.

(Abg. Dr. Mende: Herr Präsident, das Kontingent der Reden ist aber heute eine Ausnahme, nicht die Regel!)

-- Herr Kollege Mende, es gibt nur die freie Rede in diesem Hause, und was die Redezeit angeht, gibt es nur die Beschränkung, die in der Geschäftsordnung steht, wo es heißt, sie soll eine Stunde nicht überschreiten. Wir sind völlig frei darin, und Ihre Fraktion ist völlig frei, so viel und so lange zu reden, wie es für richtig gehalten wird. Ich halte es aber im Interesse des ganzen Hauses und auch Ihrer



Vizepräsident Dr. Mommer
Fraktion für richtig, wenn für bestimmte Themen Vereinbarungen dieser Art getroffen werden.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Häussler.

Erwin Häussler (CDU):
Rede ID: ID0508724100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich habe von meinen Fraktionsfreunden den Auftrag erhalten, das, was unsere Frau Kollegin Schroeder in einem Durchgang durch die Frauen-Enquete festgestellt hat, nun zu ergänzen, und zwar hinsichtlich der Ausführungen zum Abschnitt I — Familie und Haushalt. Ich werde es mir auch zur Aufgabe machen, die vorgeschriebene Redezeit nicht zu überschreiten. Aber ich werde es Ihnen nicht ersparen können, daß ich zu diesem Problem doch einiges mitteile.
Wenn wir uns überlegen, was an Konsequenzen aus der heutigen Debatte entstehen soll, so wird der eigentliche Sinn der Frauen-Enquete wohl so zu verstehen sein, daß das als klassisch überkommene Bild der Hausfrau und Mutter ergänzt wird durch ein Bild der erwerbstätigen Frau. Die beeindruckenden Zahlen und Vergleiche des Berichts der Bundesregierung lassen keine letzten Schlüsse zu, ob die Frau sich im Prinzip im Berufsleben wohlfühlt oder ob sie zusätzlich zum Eheleben ein berufliches Leben wünscht oder ob sie es nach wie vor als möglich ansieht, nur im Haus und bei den Kindern zu sein, und dies als ein erfülltes Leben bejahen kann. Sicher ist, daß der Wandel im Lebensbild der Frau nicht total sein soll. Zu wünschen ist, daß eine weit positivere Wertung auch der sogenannten Nur-Hausfrau erfolgen muß.
Wir haben hier in diesem Hause die Lösung der grundgesetzmäßig festgelegten Aufgabe erfüllt, nämlich die Gleichberechtigung von Mann und Frau in Ehe und Familie und die gesellschaftliche Stellung der Frau in die rechte Ordnung zu bringen versucht.
Übrigens haben wir in diesem Zusammenhang im Jahre 1961 auch die Rechtslage der unehelichen Mutter verbessert. Es ist aber dessenungeachtet doch zu prüfen, ob die Stellung der unehelichen Mutter von ihrer Diskriminierung schon völlig befreit ist.
Es wird, wie schon betont, unser aller Aufgabe sein, daran mitzuwirken, daß ungeachtet ihrer Entscheidung zum beruflichen oder hausfraulich betonten Leben die Hausfrau in der Zukunft eine öffentlich und privat geachtete Stellung einnimmt und diese nicht nur von der Geltung des Ehemannes abhängig gemacht wird.

(Zustimmung der Abg. Frau Brauksiepe.)

Die These, die unverheiratete Frau solle, die verheiratete Frau dürfe, die Mutter solle nicht berufstätig sein, empfinden wir zwar als Abgrenzung, aber noch nicht als charakteristisches und fortschrittliches Bild von der Frau. Wir müssen uns deshalb die Frage stellen, ob neue Familienmodelle entwickelt werden sollen; denn irgendwie stoßen die verschiedenen Aufgaben der Frau hier eben im Bereich der Familie gegeneinander. Auch werden wir die Mutter
und deren Aufgabe nach wie vor in den Mittelpunkt
stellen müssen und die anderen Berufsprobleme der
Frauen in entsprechender Weise einordnen müssen.
Wahrscheinlich ist hier auch ein Umdenken von uns Männern erforderlich. Die ängstlich gehüteten und vermeintlichen Vorrechte des Mannes hinsichtlich der Entscheidung im Hause, z. B. in der Frage der Rationalisierung im Haushalt, der Ausbildung der Kinder, der Handhabung des Bankkontos, sind in gemeinsame Rechte umzuwandeln.
Dazu bedarf es sicher der Einsicht aller, daß die Hausfrau und Mutter eine umfassende Aufgabe übernommen hat, die bis hin zur Eigentumsbildung eine zwar nicht deutlich zu erkennende, aber weittragende Bedeutung besitzt.
Wir begrüßen es aus diesem Grunde, daß die Frauenenquete den Abschnitt Familie und Haus - halt als ersten behandelt und mit positiven Merkmalen versehen hat.

(Abg. Frau Brauksiepe: Sehr gut!)

Denn nach wie vor ist es doch sicher eine oberste Aufgabe der Frau, die Persönlichkeit der Kinder und der Jugendlichen zu bilden. Dies wird eben zuerst in der Familie geschehen. Die Familie entscheidet weithin, wie sich der einzelne entwickelt und ob er ein wertvolles Glied der Gesellschaft werden kann.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wenn man den Darlegungen der Enquete in diesem Abschnitt folgt, so drängt es uns sicherlich, die Leistung der Mütter ins rechte Licht zu rücken, aber auch die Folgerungen für die familienpolitischen Maßnahmen daraus zu ziehen. Mehr noch als beim Mann ist das Lebensschicksal der Frau untrennbar mit dem der Familie verbunden. Wir erkennen nun, daß die Entwicklung der Industriegesellschaft die Familie in einen toten Winkel gedrängt hat und daß sie aus ihm noch nicht endgültig befreit ist. Ich meine, daß es nicht so bleiben kann, daß die Familie und damit in erster Linie die Nur-Hausfrau den wirtschaftlichen Aufstieg an sich vorüberziehen läßt oder gezwungen ist, gewissermaßen mit hängender Zunge hinter dem allgemeinen Lebensstandard herzulaufen.
Deswegen meine Feststellung: Familie ist Lebensgemeinschaft, also auch Wirtschaftsgemeinschaft. Deswegen muß die Existenzbasis nicht zuletzt um der Frauen und Mütter willen so bemessen sein, daß sie ein gepflegtes Familienleben ermöglicht. Das bedeutet also für die Hausfrau nicht nur Brot auf den Tisch des Hauses zu bringen, sondern auch den Zugang zu geistigen und kulturellen Bildungsgütern zu schaffen.
Von da her sollten also unsere familienpolitischen Forderungen bestimmt sein. Sie sollten auf dieser Linie weiterentwickelt werden, damit das familiengerechte Einkommen, das familiengerechte Wohnen und allgemeine familiengerechte Maßnahmen der Inhalt unserer künftigen Familienpolitik sein können. Dabei sollte die Überlegung uns allen gemeinsam sein, daß die persönliche Leistung des Mannes, aber auch vor allem der Frau für die Familie eine



Häussler
zusätzliche oder gar eine volle Lebensleistung ist. Das möchte ich allen denen gegenüber betonen, die nur die berufliche Leistung anerkennen und werten wollen. Wir sind weit entfernt von dem Gedanken, daß der Familienlastenausgleich etwa auf der Grundlage der Tarifpolitik unternommen werden soll. Aber der Leistungslohn allein, auch der Leistungslohn des Ernährers, hilft nicht weiter. Deswegen möchte ich auch mit allem Nachdruck sagen, daß sowohl die Wirtschaft wie der Staat an der Familie mit Kindern interessiert sein muß. Wenn die Wirtschaft Investitionen in Gebäude, Maschinen, Absatzmärkte usw. unternimmt, warum soll sie nicht auch in die Arbeitskräfte der Zukunft Investitionen leisten? Meine Frage geht dahin: Können wir achtlos an der Tatsache vorübergehen, daß ein Drittel der Familien in Deutschland zwei Drittel der Kinder und Jugendlichen erziehen? Sind wir uns dessen genügend bewußt, daß gerade die Nur-Hausfrau eine oft überdurchschnittliche Lebensleistung vollbringt, wie es Frau Schanzenbach an ihrem Zahlenbeispiel erläutert hat? Bei dieser Betrachtung ist es auch schwer zu verstehen — erlauben Sie mir in diesem Zusammenhang ein Wort der Kritik gewissermaßen an uns selber —, daß zum drittenmal innerhalb dieser Legislaturperiode in die Substanz des Familienausgleichs eingegriffen werden soll, anstatt die fortgeschrittene Produktivität auch den Kindern und der Hausfrau zugute kommen zu lassen. Wir sollten den Verdacht einer negativen Flurbereinigung in der Familienpolitik vermeiden und das, was wir in der Bundesrepublik erst vor verhältnismäßig kurzer Zeit begonnen haben, nach dem vollen Maß unserer Kräfte weiterführen. Damit werden wir nach meiner Meinung am ehesten die Stellung der sogenannten Nur-Hausfrau mid Mutter auch von da her werten und sichern. Deswegen ein Gedanke, der, glaube ich, der Überlegung wert ist. Mir erscheint es dringend geboten, eine sofortige Überprüfung der steuerlichen Vergünstigungen in ihrem Verhältnis zu den Leistungen auf der Ebene des Familienausgleichs vorzunehmen.
Die zaghaften Versuche hinsichtlich des Mutterschaftsgeldes und der Alterssicherung der Hausfrau müssen sicher auch nach dem Bericht weiterentwickelt werden.
Wenn die Frauenenquete feststellt, daß die rein manuelle Tätigkeit zugunsten der Bildungsaufgabe und der sogenannten disponierenden Funktion etwas zurückgetreten ist, so ist damit die Anregung für eine erweiterte Vorbereitung der Frau auf ihre Aufgaben in Familie und Haushalt sowie auch zur Familenbildung gegeben. Damit kann das Fehlen geistiger Anregung und der Mangel an menschlichem Kontakt überwunden werden, unter dem gerade die junge nicht berufstätige Mutter und auch die alleinstehende Mutter leidet.
Da die Erziehung der Jugendlichen heute schwieriger geworden ist und, wie ich auch feststellen zu können glaube, die Umwelt nicht mehr die positive erzieherische Bedeutung hat wie einst, sind auch hier die Anforderungen vor allem an die Mutter gewachsen. Die häusliche Führung kann durch außerhäusliche Hilfen wie etwa Eheberatung, Erziehungsberatung und Sozialberatung entscheidend gestärkt werden.
Glücklicherweise gibt es viele gesellschaftliche Kräfte, die sich gerade in den letzten Jahren intensiv um das Ausbilden, Weiterbilden und Höherbilden von Frau und Familie bemüht und auch durch Familienpflege, Erholung der Familie sowie der Frau und Mutter ein freieres Atmen ermöglicht haben. Ich darf dabei betonen, daß der Staat und die Gemeinden nur einen verhältnismäßig geringen Anteil der Lasten zu übernehmen brauchten. Andererseits wurde durch die Leistung der öffentlichen Hand die grundsätzliche Bedeutung dieser Fragen anerkannt und deren Lösung eher möglich. Trotz aller Haushaltsenge sollte auf diese Leistungen auch in der Zukunft nicht verzichtet werden.
Wenn die Frauenenquete nur den Sinn einer Diagnose hätte, dann wäre sie sicher eine zu Dank verpflichtende Arbeit. Sie wird aber erst dann von wirklichem Wert, wenn ein klares Bekenntnis zu den von mir vorgeschlagenen und anderen notwendigen Entschlüssen abgelegt wird.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0508724200
Meine Damen und Herren, ich muß eine Bemerkung machen. Ich war eben nicht voll unterrichtet über die Art der Gespräche, die es interfraktionell über den Ablauf der Debatte gegeben hat. Es war also wohl keine Vereinbarung, sondern es war im Gespräch, daß man es so und so machen wolle. Ich darf das richtigstellen und noch einmal unterstreichen, daß es in diesem Hause keine andere Beschränkung der Redezeit gibt als die, die in der Geschäftsordnung vorgesehen ist.
Das Wort hat Frau Kurlbaum-Beyer.

Lucie Beyer (SPD):
Rede ID: ID0508724300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu dem besonderen Kapitel Frauen und Beruf Stellung nehmen. Wer den vorliegenden Bericht eingehend studiert, der muß den Kritikern recht geben, die sagen, es fehle der weitgespannte Bogen, der notwendig ist, um wirklich ein neues Leitbild zu schaffen, in dem auch die berufstätige Frau ihren besonderen Raum hat. Ich möchte aber anerkennend sagen, daß die einleitenden Ausführungen, die Herr Staatssekretär Kattenstroth hier gemacht hat, wohl den weiteren Bogen bereits erkennen lassen, und ich betrachte das als einen Fortschritt in der Entwicklung der Frauen-Enquete. Die Enquete wurde auch sehr oft an dem amerikanischen Frauenreport gemessen. Meine Damen und Herren, man vergißt, daß diesem Frauenreport auch Berichte vorausgegangen sind, und ich möchte ausdrücklich hier am Beginn meiner Ausführungen feststellen, daß ein solcher Report für uns Ziel der Arbeit sein muß.
Eine weitere Vorbemerkung voraus. Beim Lesen der Enquete entsteht der Eindruck, daß die Frauen heute noch überwiegend für den Broterwerb, also aus materieller Not, arbeiten. Sicher werden wir heute und in der Zukunft soziale, familiäre Schicksale haben, die ein Mitarbeiten notwendig machen.



Frau Kurlbaum-Beyer
Wir müssen diesen Tatbestand bei unserer zukünftigen Arbeit berücksichtigen. Wir gingen aber fehl, würden wir nicht auch die menschliche und die psychologische Seite bei der Beurteilung des Fragenkomplexes sehen und das Recht der Frau auf die persönliche Gestaltung ihres Lebens außer Betracht lassen. -
Es ist auch falsch, wenn es oftmals in der öffentlichen Meinung noch so dargestellt wird, als wenn die Frau immer nur vorübergehend tätig sei. Eine Mikrountersuchung hier im Kölner Raum hat z. B. deutlich gemacht, daß immerhin 70% der Akademikerinnen in ihrem Beruf bleiben. Natürlich wird die längere Erwerbstätigkeit von der richtigen Wahl, der richtigen Auswahl des Berufes abhängig sein.
In dem Report der Vereinigten Staaten heißt es — ich möchte das hier gern wiedergeben —: Es ist eine Ironie der Weltgeschichte, daß der Krieg den Frauen die größere Entfaltungsmöglichkeit gab, um sie dann nachher wieder zu vergessen. Diese Feststellung trifft eigentlich auch für uns zu, und sie ist deshalb noch erschwerend, weil bei der Zuteilung der Arbeit in dieser Zeit mehr von einem Zwang und weniger von der Eignung und von Leistungsvoraussetzungen ausgegangen worden ist. Aus diesem Grunde ist es- ganz natürlich, daß sich hieraus eine stärkere Fluktuation ergab und daß die Fauen versuchten, aus diesem Beruf wieder auszuscheiden.
Ich darf nun ein paar Zahlen nennen, die aus der Statistik zu entnehmen sind. Im Jahre 1965 hatten wir bei 27 Millionen Erwerbspersonen immerhin 9,8 Millionen Frauen. Das sind 36,3 %. Die soziologische Seite dieses ganzen Problems ist leider in der Statistik etwas überholt. Sie stammt zum größten-Teil aus dem Jahre 1962, und wenn sie auf Tatbestände zurückgreift, geht sie auf noch frühere Jahre zurück. Immerhin sollten wir aber sehen, daß — nach einer Mikrountersuchung des Jahres 1962 — von den erwerbstätigen Frauen 37,9 % ledig und über 50 % verheiratet waren. Wenn wir sie nach Altersgruppen überprüfen, stellen wir fest, daß — jetzt wieder nach Mikrozensus — bis zu 25 Jahren fast 2 781 000 Frauen arbeiten, bis zu 35 Jahren rund 1 800 000, bis zu 55 Jahren noch 1 700 000 und über 55 Jahre noch über 1 400 000 Frauen.
Wir sollten uns in diesem Hause daher zu zwei Grundsätzen bekennen. Der erste Grundsatz ist, daß zur Freiheit in der demokratischen Gesellschaft auch die Freiheit der privaten Lebensgestaltung gehört. Das heißt, jeder hat ein Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Der zweite Grundsatz ist: Die moderne, auf möglichst stetiges Wachstum — darüber sprechen wir im gegenwärtigen Zeitpunkt unabhängig von dem heutigen Thema sehr oft — ausgerichtete Wirtschaft macht die Nutzung aller Kräfte erforderlich, damit natürlich auch der besonderen Fähigkeiten und Fertigkeiten der Frau. Leider sagt die Enquete über diesen zweiten Punkt, die volkswirtschaftliche Bedeutung, sehr wenig. Ich begrüße, daß dies in einer
Entschließung noch einmal angesprochen wurde. Hier müssen wir tatsächlich noch weitere Feststellungen treffen.
Natürlich müssen wir auch das Problem der berufstätigen Mütter besonders betrachten. Hier räumt die Enquete mit einem Vorurteil auf. Es heißt hier u. a.: Die erwerbstätigen Frauen bewältigen ihre Hausarbeit rationeller. Es wird weiter auf Seite 19 dargelegt: Erwerbstätige Frauen lassen ihre kleinen Kinder nicht unversorgt und unbeaufsichtigt, während sie einer außerhäuslichen Beschäftigung nachgehen, obwohl die Gesellschaft ihnen wenig Hilfen in Form von Ganzkindertagesstätten und -schulen
gibt.
Ich darf hier zu dem Entschließungsantrag der FDP sagen: Es gibt einen privaten Verein für Tagesheimschulen, der sehr gute internationale Untersuchungen besitzt. Wir sollten darauf zurückgreifen. Es ist durchaus nicht so, daß nicht auch heute schon Tagesheimschulen vorhanden sind. Sie sind auf privater Initiative aufgebaut. Das sollte von uns noch stärker unterstützt werden.

(Allgemeiner Beifall.)

Meine Damen und Herren, ich möchte mich hier, auch für meine Fraktion, ganz eindeutig zu dem von Herrn Staatssekretär Kattenstroth angesprochenen Problem der Dreiphasentheorie bekennen. Sie bedeutet, daß eine zweite Phase möglich gemacht wird, nämlich eine berufsfreie Zeit, um — ich sage es ganz offen — in dieser Zeit die schönste Aufgabe, die Erziehung der Kinder, erfüllen zu können. Jede Frau, die aus materieller Not arbeiten muß, wird es als einen Mangel empfinden, wenn sie dieser Aufgabe nicht vollauf gerecht werden könnte. Es wird sie bis zum Schluß ihres Lebens belasten. Das wollte ich hier ganz deutlich sagen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Viele aus diesem Kreise haben ja auch aus allen möglichen Gründen, die Frau Schanzenbach bereits angesprochen hat, mitarbeiten müssen, auch zu einem Zeitpunkt, wo die Kinder noch klein waren. Das bedeutet, daß wir, noch gründlicher zu untersuchen haben, was auf Seite 89 in der Enquete gesagt wird, daß wir nämlich eine Stufenausbildung anstreben müssen. Damit ist an die Möglichkeit der Unterbrechung der Ausbildung gedacht, an die sie später wieder einen Anschluß finden kann. Das sind natürlich Fragen, die mit den Verbänden, mit der Wirtschaft und mit allen gewerkschaftlichen Organisationen besprochen werden müssen.
In dem Zusammenhang ist natürlich auch das Teilzeitproblem von Bedeutung. Selbstverständlich sollte es weiter untersucht werden. Frau Kollegin Dr. Diemer-Nicolaus hat es hier angeführt. Ich möchte sagen, daß wir aber alle aufklärend wirken müssen. Denn viele Frauen übersehen, daß eine versicherungsfreie Zeit Nachteile sowohl in der Krankenversicherung als auch später bei der Ermittlung ihrer Rente mit sich bringen kann.
Selbstverständlich muß auch das Bundesbeamtengesetz in diesem Sinne ergänzt werden. Wir haben heute alle einen Brief des Juristinnenbundes bekom-


Frau Kurlbaum-Beyer
men, in dem uns ein konkreter Vorschlag gemacht wird. Alle diese Fragen bedürfen also einer weiteren gründlichen Prüfung.
Nun ist die Enquete, wenn sie von Sachgebieten ausging, in einem Kapitel abgewichen und hat dann den öffentlichen Dienst besonders hervorgehoben. Ich habe zuerst gedacht, daß man hier ein Vorbild herausstellen will. Weit gefehlt, meine Damen und Herren! In der Statistik auf Seite 170 der Enquete ist nachzulesen, daß wir in der Besoldungsgruppe A 16 noch 7 Beamtinnen haben, daß aber eine Ministerialdirigentin oder gar eine Ministerialdirektorin nirgendwo zu finden ist. Das mag unter Umständen richtig gewesen sein. Aber ich frage mich ganz offen und frage alle Kolleginnen in diesem Hause, ob nicht die vorhandenen Frauen — wir kennen ja eine Anzahl — nicht die gleichen Voraussetzungen erbringen wie mancher Mann und ob nicht auch hier noch ein etwas antiquiertes Denken vorhanden ist.

(Beifall.)

Wenn man sich die Übersicht für die Ministerien ansieht, dann findet man zwar einige weibliche Hilfsreferenten, aber dann ist es auch wieder zu Ende. Alarmierend aber ist, daß es beim Postministerium, das — dies geht aus der Enquete hervor —88 700 weibliche Beschäftigte hat, nur einen einzigen weiblichen Hilfsreferenten gibt. Ich kenne Frauen aus dem Postbereich und ich bin überzeugt: auch hier gibt es Frauen, die eine höhere Position ausfüllen können: Die wären dann auch in der Lage, die besonderen arbeitsrechtlichen Probleme, die sich auch in diesem gesamten Bereich ergeben, besser zu beurteilen.
Nun, ich trete nicht dafür ein: „Frauen um jeden Preis!" Aber da, wo gleiche Voraussetzungen vorhanden sind, sollte man auch Frauen berücksichtigen.
Ich habe mit Freude vor einigen Tagen in der Bundesanstalt in Nürnberg der Berufung der ersten Vizepräsidentin zustimmen können. Es war eine weitgehend einstimmige Wahl im Verwaltungsrat. Aber es war bezeichnend, daß bei den Beurteilungen — nicht im Verwaltungsrat, aber vorher — Bemerkungen dahingehend gemacht wurden, ob durch diese kluge und sehr aktive Frau nicht unter Umständen Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit mit dem Präsidenten entstehen könnten. — Hier sitzt ein Kollege, der kann das bestätigen; der weiß, worum es geht.
Wenn ist das anführe, meine Damen und Herren, so nur, um deutlich zu machen, mit welchem Maßstab man heute noch an diese Aufgabe herangeht.
In den letzten Tagen ist uns allen ein Brief einer Gewerkschaft zugegangen, die darauf hinweist, daß man die weiblichen und männlichen Schreibkräfte in der Bundesverwaltung auch heute noch unterschiedlich bewertet und daß man sich nach wie vor dagegen wehrt, sie nach Vergütungsgruppe VII einzubauen, obwohl das bei den Männern selbstverständlich ist. Ich meine, auch das haben wir hier zu sehen.
Nun zum arbeitsrechtlichen Teil einige kurze Bemerkungen. In der Enquete ist einleitend zu diesem
Kapitel gesagt, daß die arbeitsrechtliche Ordnung für Männer und Frauen grundsätzlich gleich ist. Aber, meine Damen und Herren, wir sollten wissen, daß die Frühinvalidität bei Frauen höhere Ziffern aufweist. Das beweist, daß noch einiges nicht in Ordnung ist. Tatsache ist z. B.; daß die Arbeitsplatzgestaltung wie auch die Mindestnormen für Maschinen nach wie vor noch sehr stark nach den Körpermaßen der Männer bemessen sind und daß dadurch Gesundheitsschäden verursacht werden, die sich in der Frühinvaliditätsziffer niederschlagen.
Wir anerkennen die biologische Verschiedenheit. Sie macht Schutzgesetze notwendig. Aber es gibt ja Schutzgesetze auch in anderen Bereichen, für andere Gruppen. Nun eine Bemerkung zur Lohnfrage. Der Bericht gibt leider keine Möglichkeit des Vergleichs mit Männerlöhnen, und meine Zeit ist zu begrenzt, um hier einige Zahlen zu nennen; obwohl das verlockend ist, wenn man lange in dieser Arbeit gesteckt hat. Es werden in der Enquete die Konventionen, die wir bezüglich des gleichen Lohnes für gleichwertige Leistungen angenommen haben, aufgeführt, und in einer Bemerkung heißt es dann, daß die Männerlöhne von 1956 bis 1965 um 86,5 % und die Frauenlöhne um 102,4 % gestiegen sind. Da aber die Frauenlöhne 1956 etwa 60 bis 65 % der Männerlöhne ausmachten, ist das in Wirklichkeit eine Verbesserung um 5 % Also liegen sie heute bei etwa 65 bis 70% der Männerlöhne.
Frau Professor. Münke hat hierüber eine besondere Untersuchung durchgeführt und kommt zu dem Ergebnis, daß man auch heute noch eine höhere Bewertung sehr stark von der körperlichen Anstrengung abhängig macht. Das ist meiner Auffassung -nach auch eine überholte Einstellung, wenn wir an die veränderten Arbeitsbedingungen denken, die eine stärkere nervliche und damit auch psychische Belastung mit sich bringen. Auch hier sind weitere Untersuchungen notwendig.
Ich möchte aber noch eine Bemerkung machen, damit die Männer erkennen, daß wir uns auch um das gleiche Recht der Männer bemühen.

(Hört-Hört-Rufe und Heiterkeit.)

Ich denke hier an die Regelung der Witwerrente. Wir kennen die Witwenrente. Wenn aber Mann und Frau gemeinsam gearbeitet haben, haben beide einen bestimmten Lebensstandard erreicht. Dann kann man nicht, wenn ein Ehegatte stirbt, dem einen die Witwenrente zubilligen, damit sein Lebensstandard in etwa gewahrt bleibt, in dem anderen Falle aber dem Ehepartner dieses Recht verweigern. Das ist überholungsbedürftig. Wir müssen das ganz deutlich sagen.
Damit darf ich zum Schluß kommen, in der Hoffnung, daß ich meine Zeit nicht überschritten habe. Die Enquete ist auch für mich und für meine Fraktion eine Bestandsaufnahme. Es gilt nun, weitere Schritte einzuleiten. An uns liegt es jetzt, zu handeln. Ich möchte mit einem Satz schließen, den der verstorbene Präsident Kennedy bei der Einführung der Kommission für den Frauenreport ausgesprochen hat. Er sagte damals wörtlich:



Frau Kurlbaum-Beyer
Wir haben keineswegs genug getan, um die Familie zu stärken und gleichzeitig die Frau zu ermutigen, ihren vollen Beitrag als Bürger zu leisten. Es ist zu diesem Zeitpunkt vonnöten, die jüngsten Errungenschaften zu überprüfen und freimütig einzugestehen, daß weitere Maßnahmen ergriffen werden müssen. Das ist die der ganzen Nation gestellte Aufgabe.
Ich brauche dem nichts mehr hinzuzufügen. (Allgemeiner Beifall.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0508724400
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Spitzmüller.

Kurt Spitzmüller (FDP):
Rede ID: ID0508724500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Der Bericht der Bundesregierung zur Situation der Frau macht eines deutlich: Es gibt weder ein allgemein gültiges noch ein einheitliches Leitbild von der Rolle der Frau in Beruf, Familie und Gesellschaft. Besonders schillernd und differenziert ist die Skala der Einstellung zur Berufstätigkeit der Frau. Ich freue mich, daß zu der Frage der Berufstätigkeit der Frau sowohl Frau Schroeder wie Frau Kurlbaum-Beyer hier für ihre Fraktionen positive Einstellungen kundgetan, also ein Ja zur Berufstätigkeit der Frau ausgesprochen und so deutlich herausgestellt haben, daß die Berufstätigkeit der Frau zum Leitbild gehört. Da wir uns ja eine gewisse Selbstbeschränkung auferlegt haben, bis 20 Uhr diese Debatte abzuschließen, werde ich die vorgesehenen Ausführungen über unsere Einstellung zur Berufstätigkeit der Frau zu Protokoll geben und kann gleich zu den Problemen überleiten, die sich ergeben, wenn man eben ein Ja zur Berufstätigkeit der Frau und zur Verwirklichung des Gleichheitsprinzips und damit der Anerkennung der Partnerschaft der Frau in allen Lebensbereichen sagt.
Wenn man das tut, dann erfordert das auch eine kritische Betrachtung, wie es mit dem Gleichheitsgrundsatz im Sozialrecht bestellt ist. Unser Sozialrecht ist in einer Reihe wesentlicher Grundzüge nach wie vor auf soziologische Gesichtspunkte ausgerichtet, die im vergangenen Jahrhundert für Arbeitnehmerhaushalte charakteristisch gewesen sein mögen. Die Verwirklichung des Gleichheitsgrundsatzes in unserem Sozialrecht geht — das muß man feststellen — interessanterweise in zahlreichen Punkten auf die Rechtsprechung und nicht etwa auf Initiativen der Exekutive oder der Legislative zurück. Das Bundesverfassungsgericht hat in Grundsatzentscheidungen, auf die nicht nur in der Frauenenquete, sondern auch in der Sozialenquete verwiesen wird, festgestellt, daß die Arbeit der Frau als Mutter und Hausfrau mit ihrem wirtschaftlichen Wert als „Beitrag zum Unterhalt der Familie" zu betrachten ist.
Der Bundestag wird sich — dieser Überzeugung sind wir Freien Demokraten — überlegen müssen, nach welchen Maßstäben hier eine Bewertung vorzunehmen ist. Die Frauenenquete ist ebenso wie die Sozialenquete hinsichtlich dieser Probleme leider ausgesprochen unergiebig.
Wenn man dem Gedanken, den das Bundesverfassungsgericht in einer Grundsatzentscheidung festgelegt hat, folgt, daß Hausfrauenarbeit Beitrag zum Unterhalt der Familie ist, so muß dies auch Konsequenzen für die Gestaltung des Solidarprinzips wie des Versicherungsprinzips — wenn man von einem solchen überhaupt noch sprechen kann — haben.
Wir Freien Demokraten geben daher folgendes zu bedenken und sind uns durchaus der etwas revolutionären Natur dieses Gedankens, den ich jetzt vorzutragen habe, bewußt. Man muß das aber einmal vortragen. Wir geben zu bedenken, daß dem Gleichheitsgrundsatz zwar im Steuerrecht durch die Einführung des Splitting und im Eherecht durch die Zugewinngemeinschaft, im Sozialrecht aber noch nicht vollinhaltlich Rechnung getragen worden ist. Wäre es daher nicht zu überlegen, der Ehefrau unter Berücksichtigung der Hausfrauenarbeit durch Anwendung eines Splittings einen direkten Anspruch aus der Sozialversicherung zu gewähren, für die der Ehegatte Beiträge geleistet hat? Eine eingehende Prüfung dieses Gedankens würde sicherlich ergeben, daß sich eine Reihe von Sonderproblemen, die im Sozialrecht heute bestehen, von selbst auflösen werden. Die Tätigkeit im Haushalt und für die Familie fände hierdurch eine Anerkennung, und so könnten z. B. auch beitragslose Zeiten bei vorheriger und späterer Berufstätigkeit überbrückt werden. Auch in den Fällen, in denen eine Ehe in die Brüche geht — leider müssen wir ja feststellen, daß rund 10 % unserer Ehen nicht halten; ich meine nicht diejenigen Ehen, die durch den Tod eines Ehepartners beendet werden, sondern diejenigen, die durch Gerichtsurteil aufgelöst werden —, würde sich eine Reihe von Problemen, die es jetzt noch gibt, wahrscheinlich nicht mehr ergeben.
Der Gedanke, für Hausfrauen unabhängig von eigenen Beiträgen oder Beiträgen des Ehegatten eine Altersversorgung zu gewähren, könnte natürlich auch auf den Gedanken der allgemeinen Grundrente oder Sockelrente führen, der gerade im Hinblick auf die Altersversorgung der Hausfrauen einer eingehenden Diskussion bedarf. Dessen sind wir uns bewußt. Aber wir sehen nicht ein, daß man im Steuerrecht das Splitting durchgeführt, sich aber im Sozialrecht noch nicht einmal daran heranwagt, zu prüfen, ob man hier nicht eigene Ansprüche der Frau — nicht nur Witwenansprüche, sondern eigene Ansprüche der Frau — begründen sollte, wie es bei der Zugewinngemeinschaft ja auch der Fall ist.

(Beifall bei der FDP.)

Mir scheint es hier nötig, auch auf Probleme einzugehen, die sich aus dem Sonderrecht für jungverheiratete Frauen ergeben, nämlich aus dem Sonderrecht, sich innerhalb einer bestimmten Frist nach der Verheiratung die gezahlten Beiträge zu 50 % bei gleichzeitigem Erlöschen aller Ansprüche erstatten zu lassen. Es braucht hier keine gesetzliche Änderung zu erfolgen. Aber wir sind der Überzeugung, daß überall dort, wo bereits eigene Ansprüche der jungverheirateten Frau bestehen, eine zusätzliche einfache oder doppelte Schwelle eingebaut werden sollte, bevor dem Antrag auf Rückerstattung von 50 0/0. der Beiträge stattgegeben wird, etwa in dem
4040 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 87. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25.. Januar 1967
Spitzmüller
Sinne, daß zunächst eine Beratung der antragstellenden Ehefrau stattfindet und daß dann, wenn sie den Antrag aufrechterhält, eine gemeinsame Beratung der Ehepartner erfolgt, in der ihnen klargemacht wird, welche Konsequenzen sich für sie ergeben, wenn diese Ansprüche durch Auszahlung von 50 % der Beiträge abgegolten werden, und welche teilweise sehr tiefgreifenden Folgen dies für die Frau hat, wenn die Ehe nicht hält oder wenn der Mann kurzfristig nach der Eheschließung stirbt und die Frau damit unter Umständen auf einer kleinen Witwenrente sitzt und neu anfangen muß, sich einen eigenen Rentenanspruch aufzubauen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Versuchung, durch Auszahlung dieses Anteils eine Mitgift in Bargeld in die Ehe einzubringen, scheint uns zu groß, als daß man hier nicht zusätzliche Beratungsstellen einbauen müßte, um die Frauen, die von dieser Möglichkeit Gebrauch machen wollen, auf die schwerwiegenden Konsequenzen, die sie damit in Kauf nehmen, hinzuweisen.
Ich wollte mit diesen wenigen Ausführungen nur andeuten, daß die Frauenenquete im Bereich der Sozialpolitik nicht allzuviel aussagt und daß im Sinne der Verwirklichung des im Grundgesetz verankerten Gleichheitsgrundsatzes eine Reihe von Fragen neu überdacht und geprüft werden muß. Ich weiß, daß die Entscheidung dem Hohen Hause sehr schwerfallen wird, den wir müssen uns dann von einer ganzen Reihe patriarchalischer Vorstellungen, die im Sozialrecht noch bestehen, lösen.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0508724600
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Wolf.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0508724700
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Nachdem meine Vorredner die Situation der Hausfrau und der berufstätigen Frau erörtert haben, will ich versuchen, einige Gedanken zu dem Kapital, das mit „Die Situation der Frau in der Gesellschaft" überschrieben ist, zu sagen. Ich will mich im besonderen mit der Beteiligung der Frau am öffentlichen Leben beschäftigen.

(Abg. Unertl: Bei uns sind es zwei Frauen in einer Gemeinde mit 1100 Einwohnern!)

Trotzdem möchte ich mir erlauben, eine kurze Bemerkung zu einer Unterlage, die mich auch erstaunt hat, zu machen, nämlich zu dem Verzeichnis der beratenden Gremien der Bundesministerien. Wir haben ja eben gehört, daß die Beteiligung von Frauen als Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst gering ist. Aber auch in der ehrenamtlichen Tätigkeit finden wir kaum Frauen. So sind z. B. in der Kommission zur Beratung der Bundesregierung in Fragen der politischen Bildung keine Frauen vertreten. Auch in dem Sachverständigenkreis des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung für Fragen der beruflichen Fortbildung werden Frauen zusätzlich zu den 22 Mitgliedern nur bei Beratung spezieller Frauenfragen in entsprechender Weise zugezogen.

(Hört! Hört! bei den Regierungsparteien.)

Vielleicht ist es möglich, daß auf diesem Gebiet die Bundesregierung vorbildlich ihre bisherige Haltung ändert und, mehr Frauen zuzieht.
Ich darf gleich darauf eine Ausnahme, die man vielleicht nicht erwartet hätte, hier anführen, nämlich den Beirat für Innere Führung des Bundesministeriums der Verteidigung, in dem immerhin zwei Frauen tätig sind, und das Bundesministerium für Gesundheitswesen — ich glaube, das verdanken wir dem Einfluß von Frau Schwarzhaupt —, in dem im Bundesgesundheitsrat unter 80 Mitgliedern 10 Frauen mitgewirkt haben. Trotzdem muß das Gesamtergebnis als unbefriedigend für die Stellung der Frau im öffentlichen Leben angesehen werden.
Diese Ergebnisse haben mich dazu gebracht, mir einige Überlegungen über unsere Gesellschaft zu machen. Denn es handelt sich ja hier nicht nur um Fragen, die die Frauen allein betreffen, sondern um Fragen, die doch wohl unsere ganze Gesellschaft, Männer und Frauen gemeinsam, angehen. Wir wissen, daß wir in einer Industriegesellschaft leben, die besondere Merkmale hat.. Sie verändert sich schnell entsprechend den technischen Gegeben-



Frau Dr. Wolf
heiten. Sie wird weitgehend durch Leistung und Erfolg des einzelnen bestimmt. Unsere Gesellschaft wird aber auch als eine Konsum- und Freizeitgesellschaft bezeichnet, in der die Stellung des einzelnen und der Familie nach Konsum und Freizeitgestaltung bestimmt sind. Hier wäre es vielleicht notwendig, wie bereits mehrfach angeregt worden ist, die Bedeutung der Frau als Verbraucher deutlicher herauszustellen, weil zweifellos die meisten Güter heute durch Frauen oder unter Mitwirkung der Frauen angeschafft werden. Wir wissen auch von unserer Gesellschaft, daß sie Werte und Maßstäbe festsetzt, die dem einzelnen einen großen Spielraum geben und die das Verhalten des einzelnen einerseits nach seinem eigenen Gewissen, andererseits nach dem Verhalten des anderen bestimmen. Beides sind Merkmale, die man sehen muß.
Zu diesem allgemeinen Typ einer Industriegesellschaft gibt es aber dann noch einige deutsche Eigenheiten, die vielleicht das vorher Gesagte etwas erklären. Ich glaube, wir können feststellen, daß noch unter dem Eindruck des verlorenen Krieges bei uns eine Verengung auf das Familienleben stattgefunden hat, die in der ersten Zeit nach dem Krieg sicher richtig war, zu der aber heute festgestellt werden muß, daß die allgemeine Bereitschaft und Verantwortung für die Gestaltung des öffentlichen Lebens zu gering ist, sicher geringer als in anderen Industrieländern.
Und ein zweites Merkmal scheint mir erwähnenswert. Man kann oft beobachten, daß unser Bewußtsein den Erfahrungen, den Gegebenheiten des Lebens hinterherläuft, daß wir z. B. noch gar nicht realisiert haben, uns nicht bewußt gemacht haben, wie eng verflochten die Beziehungen zwischen den einzelnen Ländern sind und wie wesentlich Erfahrungen und Tatsachen in anderen Ländern für unsere Gesellschaft geworden sind. Wir sprechen viel von Partnerschaft und Zusammenarbeit und Teamwork — ich glaube, wir haben noch kein rechtes deutsches Wort dafür —, aber wir praktizieren es nach meiner Überzeugung noch nicht genug.
Auf diesem Hintergrund erscheint es mir nun nicht so erstaunlich, daß auch das Bild der deutschen Frau uneinheitlich ist, und daß wir immer noch oft sprechen von dem Gegensatz Hausfrau : berufstätige Frau als von zwei Rollen, die sich bestenfalls nacheinander ausüben lassen. Denn wenn man beide gleichzeitig ausüben will, so ist es ein Thema langer Diskussionen. Wir vergessen meines Erachtens dabei, daß jeder Mensch in einer modernen Gesellschaft, wie wir sie haben, mehrere Rollen ausübt, und natürlich auch die Männer täglich mehrere Rollen ausüben: im Beruf, in der Vereinszugehörigkeit und als Familienvater. Ich glaube, daß es z.B. nicht recht hingenommen werden kann, wenn mehrfach gesagt worden ist, daß die Erziehungsfunktion des Vaters schwächer geworden ist und daß wir uns damit abfinden müssen. Meines Erachtens ist die Umgestaltung, die wir bei den Frauen festgestellt haben, genauso wirksam in bezug auf die Männer, und die größere Freizeit, die ja für die meisten Männer ebenfalls gilt, sollte es ihnen auch ermöglichen, ihre Erziehungsfunktion in stärkerem Maße wahrzunehmen.
Ich glaube, daß es für die Tätigkeit der Frauen wie auch der Männer darauf ankommt, daß wir uns klarmachen, daß jeder von uns Verantwortung für das öffentliche Leben hat. Wir brauchen dazu die Hilfe von Männern und Frauen zu einem Umdenken, zu einer Neuerziehung, die nach meiner Überzeugung unerläßlich ist für den Bestand der Demokratie.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich weiß, daß häufig davon gesprochen wird, daß man in Deutschland nicht erzieht zu den „öffentlichen Tugenden", daß wir in unserer deutschen Erziehung die Werte Pflichtbewußtsein, Arbeitsamkeit, Fleiß an die Spitze stellen und das gemeinsame Leben zurückstellen und nicht genügend beachten. Die öffentlichen Tugenden sind notwendig, und wir werden sie nur erreichen, wenn die Familie sich mehr als bisher für diese Erziehung öffnet und wenn auch die berufstätigen Frauen diesen Wert anerkennen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich glaube, daß ein staatsbürgerlicher Unterricht, so gut er sein mag und so viel Tatsachen von Bedeutung er den Schülern, den jungen Menschen mitgeben kann, diese Lücke nicht allein ausfüllen kann, sondern daß es wirklich darauf ankommt, daß die Haltung in den Familien sich in dieser Richtung ändert, daß sie sich — Männer wie Frauen — öffnen für diese Aufgaben und uns damit zu einer neuen Gestaltung unseres öffentlichen Lebens verhelfen. Dazu scheint mir nun notwendig, daß wir sehr vorsichtig damit sein müssen, von der Nur-Hausfrau zu sprechen.

(Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)

Ich halte es genauso wie meine Vorrednerin für richtig, daß die jungen Frauen mit Kindern die Möglichkeit haben müssen, in ihrer Familie ihrer Aufgabe allein gerecht zu werden, und nicht gezwungen werden dürfen, im Beruf tätig zu sein. Aber ich glaube, sie sollten ihr Interesse für das behalten, was außerhalb der Familie vor sich geht, und dazu brauchen sie Hilfen von uns.
Die eine Tatsache, die hier auch bereits erwähnt worden ist, ist die, daß viele junge Mädchen eine gute Ausbildung vorzeitig abbrechen, weil sie heiraten wollen. Wir können uns das aus volkswirtschaftlichen Gründen nicht leisten. Wir können es uns aber auch aus menschlichen Gründen in bezug auf diese Menschen nicht leisten, weil wir wissen, wie viele von ihnen unbefriedigt sind, wenn sie auf diese abgebrochene Ausbildung blicken. Darum ist es richtig — und ich möchte das unterstreichen —, daß man sich überlegt, wie man mit Zwischenexamen helfen kann, aber auch, wie man neue Angebote an diese jungen Frauen machen kann.
Ich kann mir z. B. vorstellen, daß man, wenn man sich den Zeitablauf bei diesen jungen Menschen vergegenwärtigt, in ihrem Tagesablauf Stunden finden kann, in denen sie etwas anderes tun könnten als für ihre kleinen Kinder zu sorgen. Wir sprechen ja so viel von der Rationalisierung im Haushalt, die Zeitersparnis bedeutet. Sollte man nicht einmal prüfen, ob der Schulfunk, der nach unserer Kenntnis
4042 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 87. Sitzung.. Bonn, Mittwoch, den 25. Januar 1967
Frau Dr. Wolf
von unendlich vielen Frauen am Vormittag gehört wird, Sendungen einbauen könnte, die der Bildung von Erwachsenen dienen und gerade diese Funktion ausfüllen? Es könnte sogar Angebote zur Weiterbildung geben, wie sie bereits in Abendstunden von einigen Rundfunk- und Fernsehanstalten heute ausgestrahlt werden.
Ich glaube darüber hinaus, daß es auch möglich sein müßte, weitere Hilfen für eine Berufstätigkeit zu geben, und ich meine, daß das Angebot der Teilzeitarbeit noch nicht genügt, sondern ich stelle mir vor, daß man gleichzeitig prüfen könnte, ob diesen Menschen nicht Werkverträge eine Hilfe bedeuten könnten, also Verträge, in denen es ihnen ermöglicht wird, dann eine bestimmte Arbeit zu leisten, wann sie dazu Zeit haben. Zum Beispiel kann die Sekretärin irgendwann in ihrem Tageslauf schreiben. Aber auch die Volkswirtin kann eine der vielen Untersuchungen der Marktforschung, die heute gemacht werden, sicher einmal in ihrem Tageslauf anfertigen, ohne damit gleich eine ganze oder eine halbe Berufsarbeit auszuüben.
Meines Erachtens ist es wichtig, daß wir, nachdem wir so eingehend die sogenannte dritte Phase im Leben der Frauen studiert haben, uns nun intensiv dieser zweiten Phase zuwenden, den jungen verheirateten Frauen, deren Kinder die neue Demokratie tragen sollen, deren Erziehung also für das Fortbestehen der Demokratie entscheidend ist. Wir müssen uns überlegen, wie wir diesen Frauen dabei helfen, daß sie ihre Stellung, ihre Aufgabe in der
3) Öffentlichkeit besser wahrnehmen können. Wir dürfen dann hoffen, daß uns ein späterer Bericht sehr viel bessere Zahlen zeigt.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0508724800
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Müller (München).

Dr. Günther Müller (CSU):
Rede ID: ID0508724900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der umfangreichen, 641 Seiten umfassenden Enquete erfahren wir viel Nützliches über die Stellung der Frau. Details über ihre Vertretung in den Rathäusern gehören ebenso dazu wie eine Untersuchung über die hygienischen Verhältnisse auf dem flachen Lande. Die Vielzahl von Tabellen und Untersuchungen kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß einige Akzente hätten anders gesetzt werden können und daß einiges einfach unter den Tisch gefallen ist.
Lassen Sie mich hier nur das Problem der jungen Frau ansprechen. Zum Thema der jungen Familie ist in dem Bericht die lapidare Feststellung zu finden, daß der Wohnraumbedarf junger Familien im wesentlichen nicht erfaßt sei, daß jedoch bekannt sei, daß gerade junge Familien zu den Wohnungsuchenden gehören. Bei der heutigen Wohnungssituation gerade in den Verdichtungsräumen können die Maßnahmen im Rahmen der jungen Familien zum Bau und Erwerb von Familienheimen mit Zinszuschüssen bis zu einer Höhe von 4000 DM nicht ausreichen. Gerade die jungen Familien, die nicht schon jahrelang bei den Wohnungsämtern vorgemerkt sind, brauchen Hilfe, wenn sie eine Wohnung suchen. Hier müßte die Bundesregierung unbedingt mehr tun, wenn sie den wirklich jungen Familien helfen will.
Auf einen besonderen Aspekt, der in der Enquete keine Erwähnung findet, will ich noch hinweisen. Ich meine die Studentenehen. Allein an einer Universität in der Bundesrepublik gibt es nach einer Untersuchung des dortigen Studentenwerks 755 verheiratete Studierende. Über 10 % von ihnen müssen aus Raummangel getrennt vom Ehepartner leben. 23% der nicht bei den Eltern Wohnenden müssen über 300 DM Miete zahlen. Nicht nur, daß der Staat wenig oder gar nichts für diese jungen Menschen tut; aus einem noch dem 19. Jahrhundert verhafteten Denken heraus werden sie für diese junge Ehe bestraft. Durch höchstrichterliches Urteil wurde vor kurzem bestätigt, daß zwar die Aufwendungen der Eltern für die Aussteuer von der Steuer absetzbar sind, nicht aber die Eigenleistungen der Jungverheirateten. Da gerade die jungen Ehen ohne Unterstützung aus dem Elternhaus zunehmen, tritt hier eine altväterliche Diskriminierung auf. Die Erwerbstätigkeit der jungen Mütter ist in der Bundesrepublik wesentlich höher als in anderen vergleichbaren Ländern Westeuropas und Nordamerikas. Kein Wunder; die hohen Wohnungsmieten, die Kosten für die Einrichtung eines neuen Heimes zwingen die junge Mutter dazu, mitzuverdienen. In der Begründung des oben zitierten Urteils wirkt es fast wie ein Hohn, daß die steuerlichen Ersparnisse bei dem geringen Einkommen der Betroffenen kaum sehr wesentlich sei. Für meine Generation ist es wenigstens unverständlich, daß zwar der reiche Vater die Aussteuer für die gut untergebrachte Tochter von der Steuer absetzen kann, daß aber junge Eheleute, die sich die Einrichtung gemeinsam erkämpfen müssen, dafür keine Steuererleichterung haben.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Lassen Sie mich an dieser Stelle ein Wort der Anerkennung gerade für die jungen Frauen und Mütter sagen, die neben ihrer Hausarbeit für das Familieneinkommen sorgen. Ich selbst weiß aus eigener Erfahrung, daß ich ohne die Mitarbeit meiner Frau meine Tätigkeit hier als Abgeordneter nicht durchführen könnte.

(Beifall und Zurufe.)

Um so bedauerlicher ist es, wenn auf Seite 10 der Enquete zu lesen ist, daß es in der Bundesrepublik noch keine repräsentative wissenschaftliche Untersuchung über den Arbeitszeitaufwand der Hausfrau gibt. Der bekannte französische Sozialwissenschaftler Fourastié weist auf Grund einer Untersuchung des Instituts für demographische Studien in Frankreich — bei uns in der Bundesrepublik gibt es leider kein solches Institut — darauf hin, daß in Frankreich die Leistungen der Frauen für Hausarbeit mehr Arbeitsstunden ausmachen, als die gesamte Produktion auf industriellem und landwirtschaftlichem Gebiet und im Dienstleistungsbereich an Arbeitsstunden erfordert. Wir Männer sollten das durchaus einmal zur Kenntnis nehmen. Ich weiß, daß viele von uns unseren Frauen helfen, und ich erkläre mir die



Dr. Müller (München)

Leere des Hauses jetzt nach 18 Uhr auch aus dem Grunde, daß einige vielleicht zu Hause einspringen müssen.

(Heiterkeit. — Abg. Frau Kalinke: Schön wär's!)

Aber wir sollten uns diese Zahlen durch den Kopf gehen lassen. Ich kann nur das anregen, was von Vorrednern schon angeschnitten wurde, daß man auch bei uns in der Bundesrepublik eine gründliche Untersuchung dieses Bereiches vornehmen sollte.

(Vorsitz: Vizepräsident Frau Dr. Probst.)

Lassen Sie mich schließlich noch zu einem Bereich kommen, der ebenfalls das Denken des 19. Jahrhunderts atmet und der in der Enquete nur auf einer halben Seite abgehandelt wird: die Stellung der ledigen Mutter. Der bindende Auftrag des Grundgesetzes seit 17 Jahren
Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den. ehelichen Kindern
ist leider immer noch nicht erfüllt. Ich hoffe, daß
der Herr Bundesjustizminister diese Frage in dieser
Legislaturperiode zu Ende führen kann. Hier ist in
erster Linie an den § 1589 Abs. 2 BGB zu denken,
der festlegt, daß das uneheliche Kind mit seinem
Vater nicht verwandt ist. Dieser Paragraph mit seiner vor allem in den materiellen Bereich gehenden
Konsequenz der Nichterbfähigkeit ist ein allzu deutliches Relikt einer bürgerlichen Epoche im schlechtesten Sinne des Wortes. Nicht nur die Schlechterstellung des unehelichen Kindes, sondern vor
allem die scheinheilige Diskriminierung der unehelichen Mutter muß verschwinden. Die Enquete selbst
liefert an einer anderen Stelle und in anderem Zusammenhang einen schlagenden Gegenbeweis gegen weithin noch bestehende Vorurteile. Ich zitiere:
Es wurde festgestellt, daß Kinder aus vaterlosen Familien trotz Erwerbstätigkeit der Mutter und ungünstiger finanzieller Lage meistens
einen besseren Allgemeinzustand sowie einen
höheren Leistungsdurchschnitt in der Schule
aufweisen und seltener in den Akten der Strafjustiz erscheinen als Kinder aus vollständigen
oder zerrütteten Familien.
Man kann nur wünschen, daß sich unsere Gesetzgebung in dieser Legislaturperiode der Entwicklung des 20. Jahrhunderts anpaßt und den zwingenden Auftrag des Grundgesetzes erfüllt.
Zum Abschluß möchte ich meine Wünsche an drei Ministerien wie folgt konkretisieren: Den Herrn Bundesfinanzminister ersuche ich, die Frage der Absetzbarkeit der Aufwendungen bei einer Familiengründung neu zu prüfen und hier den jungen Familien zu helfen. Dem Herrn Bundeswohnungsbauminister lege ich die Wohnungssorgen der jun-. gen Familien — auch der Studentenehen —, vor allem in den Verdichtungsräumen, ans Herz, und den Herrn Bundesjustizminister erinnere ich an den Auftrag des Grundgesetzes bezüglich der Neugestaltung des Unehelichenrechts. Die junge Generation in Deutschland wird mit Sicherheit ihre Taten mit Aufmerksamkeit registrieren.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0508725000
Das Wort hat Frau Abgeordnete Funcke.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0508725100
Frau Präsidentin! Meine Herren und Damen! Von den Gymnasiasten in der Bundesrepublik sind 40 % Mädchen und 60% Jungen. Nur 36 % aller Abiturienten sind Mädchen. Da wir aber heute nicht mehr daran zweifeln, daß die Intelligenz der Mädchen nicht unter der der Jungen liegt, stellen wir hier eine Disparität fest, die nicht in der Leistungsfähigkeit begründet sein kann, sondern meines Erachtens in der starken Rollenunsicherheit liegt, die in weiten Kreisen der Eltern und auch der jungen Generation zu beobachten ist. Und hier gibt es, — so meine ich — eine Wechselwirkung: durch die Rollenunsicherheit unzureichendes Bildungsbemühen, und wegen unzureichender Bildung eben auch nur zögernde Überwindung der Unsicherheit.
Sicherlich, heute ergreift jedes Mädchen nach der Schule einen Beruf. Dabei können wir feststellen, daß die Unschlüssigkeit über die Berufswahl mit der Dauer der Schulausbildung wächst, daß eine Fünfzehnjährige leichter einen Beruf oder eine Berufsausbildung ergreift als etwa die Abiturientin, die sich meist noch bis nach dem Abitur unschlüssig ist. Es wird eine Berufsausbildung oder ein Beruf ergriffen, aber wir fragen uns, wieweit der Beruf als eine Lebensaufgabe begriffen wird, die, wie immer sich die Frau nach der Eheschließung entscheidet, wirksam bleibt oder als Möglichkeit bestehen bleibt.
In dieser allgemeinen Unsicherheit scheint es mir ein gewichtiges Ereignis gewesen zu sein, daß die Evangelische Kirche mit der Denkschrift über die Teilzeitarbeit ein sehr klares und bewußtes Ja zur Doppelaufgabe der Frau gesprochen und damit Mut gemacht hat, nach eigenen, individuellen Verhältnissen die Entscheidung zu treffen, ob auch während der Ehe eine Berufstätigkeit ganz, teilweise oder zeitweilig ausgeübt wird oder nicht. In dem heutigen Leben mit seiner vielfältigen sozialen, wirtschaftlichen und menschlichen Verflechtung weist eben die Aufgabenstellung der Frau über den Familienkreis hinaus; hieraus gilt es Konsequenzen zu ziehen.
Ich meine, zunächst einmal müßten wir dafür sorgen, daß das Mädchen wie der Junge eine erweiterte Grundbildung bekommt, und hier, meine Herren und Damen, geht es mir nicht um eine einseitige Betonung der intellektuellen Bildung. Ich meine, es geht um die- Vorbedingungen für eine Lebensbewältigung. Der heutigen jungen Generation wird weit mehr als früheren die Aufgabe gestellt, den Anforderungen einer noch unbekannten Welt zu genügen. Mehr denn je versagt es uns die Dynamik unserer Zeit, die Kinder in eine bekannte Welt hineinzuführen. Wir müssen ihnen vielmehr



Frau Funcke
Lebenshilfen und eigene Beurteilungsgrundlagen geben, damit sie in unbekannten und unvorhergesehenen Situationen das Leben bewältigen und meistern.

(Zustimmung in der Mitte.)

An dieser Stelle hat auch eine bewußte Erziehung zur Gemeinschaft und zum Engagement ihre Bedeutung. Gerade Frau Kollegin Dr. Wolf hat darauf hingewiesen. Ich meine, wir sollten das sehr ernst nehmen.
Unsere derzeitige Schulausbildung ist zu stark und zu einseitig auf das Einarbeiten und Nachvollziehen, das Aufnehmen und das Verarbeiten im intellektuellen Raum ausgerichtet, weniger auf die Bewährung im Umgang mit anderen in der Gemeinschaft und auf das Engagement.

(Beifall bei der FDP.)

Hier hat, wie Frau Kollegin Kurlbaum-Beyer schon
sagte, die Tagesheimschule eine besondere Aufgabe.
Wir müssen weiterhin darauf achten, daß die Mädchen den gleichen und ungehinderten Zugang zu allen Berufsausbildungen haben. Das bedeutet in nicht. seltenen Fällen ein bewußtes Ja zur Koedukation; denn nicht überall kann man in gleicher Weise getrennte Schulausbildung haben; ja, ich glaube, man sollte sie auch nicht haben; ein Stück Lebensbewältigung ist nämlich auch die Einübung in die Partnerschaft, die uns im Leben überall aufgegeben ist.
Es gilt auch eine bewußte Vorbereitung des Mädchens auf eben die gestellte Doppelrolle, der die Öffentlichkeit heute vielfach noch mit Zweifel und Unverständnis gegenübersteht. Das Mädchen soll wissen, daß seine Entscheidung, wie immer es sich entscheidet, so oder so eine gute Entscheidung ist.
Hierher gehört auch unser Bemühen um eine Stufenausbildung, von der eben schon gesprochen worden ist. Das Mädchen steht ja in der Schwierigkeit, nicht zu wissen, zu welchem Zeitpunkt eine Eheschließung erfolgt. Es weiß nicht, ob es mit 20 Jahren noch eine sehr lange Ausbildung anfangen soll, ob sie sie beenden kann. Auch bei allen Hilfen, etwa für die Studentenehe, wird der Frau immer eine größere Schwierigkeit zugemutet, wenn sie das Studium beenden und gleichzeitig die Hausfrauenrolle übernehmen soll. Eine Stufenausbildung, gibt die Möglichkeit, in Etappen zusätzliche Qualifikationen zu erwerben, so daß die Ausbildung oder die Berufsausübung zu jedem Zeitpunkt wieder neu und qualifizierter fortgesetzt werden kann.
Eine besondere Schwierigkeit, die die Frauen stärker als die Männer trifft, ist, daß wir in den Ländern der Bundesrepublik vielfach nicht die gleichen Prüfungsberechtigungen haben, d. h. daß ein in einem Land abgelegtes Examen in einem anderen Land nicht anerkannt wird. Im kulturellen Bereich kennen wir zu genau die Schwierigkeiten, die Frauen dann auf sich nehmen, wenn sie von einem Land ins andere hinüberwechseln. Ich hatte vor Jahren im Landtag schon einmal Gelegenheit, den derzeitigen Kultusminister darauf hinzuweisen, daß die Neigung des Herzens eben nicht an den föderativen Grenzen innerhalb unserer Bundesrepublik endet und daß sich von daher zusätzliche Probleme für die verheiratete Frau ergeben. Manche qualifizierte Ausbildung wird im Nachbarland nicht anerkannt.
Wir haben Ihnen deswegen einen FDP-Antrag vorgelegt und bitten um Ihre Unterstützung, die Bundesregierung aufzufordern, hier mitzuwirken. Wir kennen die Schwierigkeiten, daß der Bund hier nicht entscheiden kann. Aber er sollte doch mitwirken, daß wir zu einer tragbaren Lösung in der gegenseitigen Anerkennung kommen.

(Beifall bei der FDP.)

Ich glaube aber auch, daß wir uns in diesem Hause mitverantwortlich fühlen sollten, wo es um die Fortbildung im Beruf geht. Wir sprachen schon einmal über das sogenannte Kontaktstudium. Aber dies ist nicht genau das, was in allen Berufen an systematischer laufender Fortbildung gebraucht wird. Dabei ist es dann unerheblich, ob Fortbildung während der Berufsausübung oder dann gesucht wird, wenn man zeitweilig ausgesetzt hat, um Familienpflichten zu erfüllen. Hier haben der Rundfunk und das Fernsehen ihre Aufgabe, hier ist eine Aufgabe der Fernlehrinstitute, hier ist eine Aufgabe, meine ich, der Fachschulen und Hochschulen in zusätzlichen Kursen, um die wir uns noch sehr intensiv kümmern müßten; wir sollten auch den Herrn Minister für Wissenschaft und Forschung bitten, sein Augenmerk darauf zu richten.
Schließlich gilt es auch jene Ausbildung zu intensivieren und zu unterstützen, die der Frau um die Lebensmitte eine neue Aufgabe durch eine neue Ausbildung erschließt. Es gibt Berufe gerade im sozialen Bereich, die den erfahrenen Menschen brauchen, die also gar nicht so leicht und vielleicht gar nicht einmal so gut von einem jungen Menschen nach der ersten Ausbildung ergriffen werden können. Ich denke z. B. an die Altenpflegerin; dazu gehört eben ein Stück Lebenserfahrung und auch Leiderfahrung. Hier wäre es gut, wenn wir Menschen in, wie gesagt, der Lebensmitte — früh verwitwete Frauen oder Frauen, die die Kinder aus dem Hause haben — ermutigten, eine neue Aufgabe zu übernehmen.
Meine Damen und Herren, das alles sind Fragen der Ausbildung und der Bildung auf und mit dem Beruf. Aber mir scheint, es geht nicht nur darum, Bildung und Ausbildung in Verbindung mit einer Berufsausbildung zu sehen; mir scheint, daß für die Frau auch von entscheidender Bedeutung ist, Bildung und Ausbildung, Lebenskenntnis und Lebensbewältigung zu haben und zu üben, wenn sie im Hause als Hausfrau und Mutter sich ausschließlich der Familie widmet. Wir wissen heute, welchen Rang Wissenschaft und Bildung, Forschung und Ausbildung für unsere wirtschaftliche Entwicklung haben. Wir wissen auch, welch ungeheure Bedeutung diese Dinge in der politischen Wirklichkeit unserer Tage haben. Gerade deshalb ist das Bewußtsein von der Bedeutung von Bildung und Ausbildung und ihrem Rang so wichtig, und darum ist



Frau Funcke
es so wichtig, daß dieses Bewußtsein bereits aus der Familie erwächst. Wir brauchen die einsichtige und verständige Mutter als Begleiterin ihrer Kinder, wir brauchen die verständige und menschlich-sachlich gebildete Staatsbürgerin für all die Aufgaben, die sich neben dem Beruf heute in der Gemeinschaft stellen: im sozialen Bereich, in der kirchlichen Arbeit, im staatsbürgerlichen, im politischen Raum.
Es klingt mitunter heute noch die Frage an, ob sich die Kosten und die Zeit für die Ausbildung eines Mädchens überhaupt lohnen. Die Frage wird mitunter von den Eltern gestellt, sie wird aber auch von der Öffentlichkeit gestellt. Wenn es z. B. darum geht, bei einer begrenzten Aufnahme in ein Lehrinstitut einem Mann den Vorzug zu geben. Meine Herren und Damen, ob es sich lohnt, ein Mädchen auszubilden, ist nicht nur eine Frage der künftigen Berufsausübung, schon gar nicht nur die Frage der ersten Jahre bis zur Ehe, sondern mir scheint, das ist eine grundsätzliche Frage nach dem Bildungsstande unseres Volkes überhaupt.

(Beifall bei der FDP und den Regierungsparteien.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0508725200
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Geißler.

Dr. Heiner Geißler (CDU):
Rede ID: ID0508725300
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nachdem der Kollege Müller die Männer eben aufgefordert hat, den Frauen abends beim Spülen zu helfen, möchte ich als Gegenbeispiel anführen, daß ich es nicht gewagt habe, hier oben zu diesem Thema Frau zu sprechen, ohne mich vorher bei meiner Frau über das zu vergewissern, was ich in den kommenden Minuten zu sagen habe.

(Heiterkeit und Beifall.)

Diese Erkenntnisse habe ich außerdem durch Beratung mit meinen drei Schwestern abgesichert.

(Heiterkeit.)

Meine Damen und Herren, ich glaube, bei den vielen Einzelheiten, die in den letzten Stunden zu diesem Thema gesagt worden sind, ist es vielleicht ganz gut, wenn wir versuchen, noch einmal auf den Ausgangspunkt der gesamten Debatte zurückzukommen, und uns vergegenwärtigen, warum überhaupt die Frauen-Enquete notwendig geworden ist. Das eigentliche Problem besteht doch darin, daß heute jedermann davon überzeugt ist, daß unser gesamtes gesellschaftliches Leben, daß die Erarbeitung des Bruttosozialprodukts, daß unsere ganze Existenz ohne die aktive Mitwirkung der Frau einfach nicht mehr denkbar wäre, zugleich aber diese Arbeit der Frau sich in einer Situation, in einer Welt vollziehen muß, die in den wesentlichen Strukturen von den Männern vorfabriziert, vorgebildet worden ist.. Zum anderen muß die Frau diese Aufgabe unter völlig anderen Voraussetzungen und Bedingungen erfüllen als die Männer. Das gilt insbesondere für die gesamte Ausbildung, aber auch für die Berufsausübung. Das ist ja in den vorhergehenden Diskussionsbeiträgen auch immer wieder als Mittelpunkt der Problematik herausgestellt worden. Es ist doch so, Frau Schanzenbach, daß heute nicht mehr die Problematik, wie sie etwa Bebel gehabt hat, oder wie sie vielleicht zu Beginn dieses Jahrhunderts auf dem bildungspolitischen Sektor das entscheidende Thema war, die Diskussion beherrscht, sondern es sind Schwierigkeiten, die aus neuartigen Anforderungen an die Frau auf uns zukommen — die selbstverständlich auch im politischen Leben gelöst werden müssen —, weil sich die gesamte gesellschaftliche, industrielle, wirtschaftliche, soziologische Situation geändert hat.
Ich möchte aber gleich am Anfang eines deutlich sagen: Ich bin nicht der Auffassung, daß wir an dieses Problem herankommen können, wenn wir in den Fehler, der früher gemacht worden ist, verfallen, irgendeine „Ideologie der Frau" herausarbeiten zu wollen. Ich gestehe ganz offen, mir kommt in dieser Frauenenquete der Begriff „Leitbild der Frau" ein wenig zu oft vor. Es dreht sich gar nicht mehr darum, daß wir hier etwa eine Heimchen-amHerd-Ideologie meinetwegen der Auffassung gegenüberstellen, wie sie in den östlichen Ländern vielleicht noch praktiziert wird, aber inzwischen langsam auch durch die Erfahrung überholt wird: einer völlig undifferenzierten Gleichmacherei auf diesem Gebiet. Das sind Extremvorstellungen, und es sind, glaube ich, Leitbilder in einem falschen Sinne, an denen man sich auch nicht von den Extremen her orientieren sollte. Wir sollten nicht versuchen, neue Leitbilder aufzustellen. Denn wir haben doch die Erfahrung gemacht, daß solche Leitbilder, solche ideologisch vorgefertige Erkenntnisse die Menschen in der Vergangenheit zu lange daran gehindert haben, die richtige Einstellung zur Aufgabe der Frau zu finden.
Ich meine, es dreht sich in der Fragestellung um etwas viel Einfacheres, nämlich: Welche Lebensaufgabe hat die Frau zu erfüllen, wie kann sie und soll sie ihr Leben so gestalten, daß sie von sich selber sagen kann, ihr Leben sei sinnvoll und nicht sinnlos? Das scheint mir aber genauso wie beim Mann eine Frage zu sein, die aus der konkreten Situation heraus beantwortet werden muß. Die Antwort auf die Frage wird anders lauten, je nachdem, ob es sich um eine unverheiratete Frau handelt, ob sie verheiratet ist, ob sie kleine Kinder hat, ob sie z. B. 45 Jahre alt ist. Das sind Fragen, die aus der Aktualität, die aus der konkreten Situation beantwortet werden müssen. Allerdings hat der Staat die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß eine ungehinderte Entwicklung der Frau von jungen Jahren an gewährleistet ist und daß insbesondere den jungen Mädchen die Gelegenheit gegeben wird, eine Ausbildung zu erhalten, die sie in die Lage versetzt, alle diese verschiedenen Positionen, die ich gerade angesprochen habe, alle diese verschiedenen Lebenslagen ganzheitlich zu meistern.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Deswegen halte ich es auch nicht für richtig, zu sagen, es gebe eine Alternative: Berufsausübung oder Hausfrau. Das scheint mir nicht der richtige Ausgangspunkt zu sein, wenn wir von der Ausbil-



Dr. Geißler
dung des jungen Mädchens sprechen. Die Entwicklung ist so weit fortgeschritten, daß wir den jungen Mädchen bei einer gewissen Veränderung unseres Bildungssystems eine Ausbildung auch bis zu einem fortgeschrittenen Stadium geben können, die sie in die Lage versetzt, mit dieser speziell für die Frau gegebenen Problematik fertig zu werden.
Genauso würde ich es aber als eine falsche gedankliche Weichenstellung ansehen, wenn jemand sagte, eine gesellschaftliche Gleichstellung der Frau sei erst erreicht, wenn sie zahlenmäßig in allen Berufen genauso stark vertreten sei wie die Männer. Für genauso falsch hielte ich es, wenn jemand die Auffassung verträte, daß es bestimmte Berufe gebe, zu denen die Frau überhaupt keinen Zugang habe. Ich glaube, hier muß man etwas mehr unterscheiden. Meines Erachtens beweist man einen Mangel an Fähigkeit zu differenzieren, wenn man nicht erkennt, daß es in der Ausbildung der Frau doch ganz bestimmte Schwerpunkte gibt, die sich einfach aus den biologischen und psychologischen Unterschieden zwischen Frau und Mann ergeben, und daß bei den Frauen schwerpunktmäßig eben auch ganz andere Berufsziele festzustellen sind als beim Mann. Wenn man diese Realfaktoren nicht berücksichtigt, kommt man, auch nicht zu einer soziologisch richtigen Erkenntnis der gesamten Frage.
Im übrigen hat ja auch die Frauenenquete ganz klar festgestellt, daß sich die jungen Frauen und Mädchen hier von selber richtig verhalten, indem sie sich auf die künstlerischen, pflegerischen und kaufmännischen Berufe ausrichten und an den Universitäten die Sprachen, die Medizin, die Pharmazie, die Psychologie und die Pädagogik, sowie die Fächer, die mit dem Lehrberuf zusammenhängen, bevorzugen.
Es ist eben nur die Frage, ob unser gesamtes Bildungssystem so ausgerichtet ist, daß es diesen soziologischen Sachverhalt anerkennt und ihm entspricht.
Frau Kollegin Funcke hat vorhin von den unterschiedlichen Abiturientenquoten gesprochen. Im Jahre 1963 betrug die Abiturientenquote bei den männlichen Abiturienten 9 und bei den weiblichen Abiturienten nur 5,6 %. Es ist die Frage zu stellen — man müßte von der Kulturpolitik her versuchen, die richtige Lösung zu finden —, ob z. B. unsere Gymnasien, unsere Oberschulen zu stark nach typisch männlichen Berufsbildern ausgerichtet sind, insbesondere was das Schwergewicht der Naturwissenschaften und der technischen Wissenschaften anbelangt. Diese Frage möchte ich hier nur einmal aufwerfen. Es wäre zu prüfen, ob nicht in der Zukunft vielleicht andere Entwicklungen notwendig sind, ob man nicht z. B. für die Mädchengymnasien etwas andere Lehrpläne ausarbeiten und in dem einen oder anderen Gymnasium einmal versuchsweise verschiedene Züge für die Mädchen einrichten sollte. Die Existenz der Frauenoberschulen in verschiedenen Ländern ermutigt doch zu gewissen Weiterentwicklungen.
Im übrigen darf ich darauf hinweisen — auch das ist in dieser Untersuchung der Bundesregierung klar herausgestellt worden —, daß auch die gesamte Studienreform, insbesondere was die Studienzeit anbelangt, dazu beitragen kann, daß die jungen Studentinnen eher in die Lage versetzt werden, zu einem Abschluß des Studiums zu kommen.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0508725400
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Moersch?

Dr. Heiner Geißler (CDU):
Rede ID: ID0508725500
Bitte sehr!

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0508725600
Herr Kollege Geißler, darf ich aus Ihren Ausführungen über die besonderen Ausbildungszüge für Mädchen an höheren Schulen schließen, daß Sie kein Anhänger der Koedukation sind und so der Begründung meiner Kollegin Funcke in diesem Punkt nicht folgen?

Dr. Heiner Geißler (CDU):
Rede ID: ID0508725700
Nein, das kann ich natürlich in keiner Weise zugeben. Es kann sich ja hier nur um Züge handeln, die für ganz bestimmte für die Frau typische Berufsbilder und Berufsziele notwendig sind. Selbstverständlich ist eine Koedukation nach wie vor vorhanden, da ja die Jungen und Mädchen in einer Schule zusammen sind. Es ist nicht ausgeschlossen, daß an einem Gymnasium statt nach einem einseitigen Unterrichtsplan vorzugehen, die eine oder andere Sonderregelung für die Mädchen getroffen wird.

(Beifall in der Mitte.)

Im übrigen möchte ich hierzu folgendes sagen. Wenn man das zum absoluten Prinzip erheben möchte — ich bin überhaupt dagegen, daß man in dieser Frage irgendwelche absoluten Prinzipien aufstellt —,

(Beifall in der Mitte)

müßte man auch die Mädchengymnasien abschaffen, weil hier das Prinzip der Koedukation verletzt ist. Ich glaube, wir sollten hier die Dinge nicht so absolut sehen, sondern versuchen, der Differenziertheit des Problems Rechnung zu tragen.

(Beifall in der Mitte.)

Lassen Sie mich noch ein letztes Wort zu einem anderen Punkt sagen, der meines Erachtens hinsichtlich der Ausbildung der jungen Mädchen eine Rolle spielt. Sicher sind wir uns alle darüber einig, daß die mehr oder weniger vorhandene Minderbewertung des Hausfrauenberufes und alles, was damit zusammenhängt, keine Berechtigung in sich trägt. Aber die Ausbildung, von der ich gesprochen habe, soll eben auch dazu dasein, die sehr schwierigen und sehr differenzierten Aufgaben, die gerade der Hausfrau und Mutter zukommen, mit zu umfassen. Die Frage ist doch berechtigt, ob die Hausfrau und Mutter — und diese Frage ist ja auch in der Untersuchung gestellt worden — immer und überall gerade auf die wichtige Aufgabe der Erziehung besonders der kleinen Kinder richtig vorbereitet ist. Ich kann mich an einen Satz in der Untersuchung erinnern, in dem es heißt, daß langsam daran gezweifelt werde, ob die Mutter tatsächlich noch die beste Erzieherin für die Kinder sein könne. Ich meine, die Lösung eines



Dr. Geißler
solchen Problems — und ich halte diese Frage für durchaus berechtigt —, das die Erziehung gerade des kleinen Kindes vom ersten bis zum sechsten oder siebenten Lebensjahr umgreift, erfordert, wenn man richtig vorgehen will, genauso viel geistige Investitionen wie eine andere erzieherische Tätigkeit.

(Beifall in der Mitte.)

Meines Erachtens kann dieses Problem nicht so gelöst werden, daß man versucht, der Mutter diese erzieherische Aufgabe immer mehr wegzunehmen und sie auf andere Institutionen zu verlagern. Man müßte vielmehr danach trachten, die Mutter pädagogisch und psychologisch bei der Ausbildung wieder mehr in die Lage zu versetzen, diesen Anforderungen zu entsprechen.

(Beifall in der Mitte.)

Ich möchte an einen Punkt erinnern, der in der Untersuchung auch etwas kurz behandelt worden ist, nämlich die sogenannten Erziehungsberatungsstellen. Wir haben viele Institutionen staatlicher Art. Es wäre sicher kein schlechter Vorschlag — und ich glaube, daß er auch von meiner Fraktion begrüßt werden würde —, wenn wir forderten, daß in unserem Land ein dichtes Netz von solchen Erziehungsberatungsstellen eingerichtet wird. Wir verwenden sehr viel Gedankenarbeit auf die Ausrichtung der Universitäten, der Mittelschulen, der Gymnasien, der Volksschulen usw. Ich glaube aber, daß gerade die Ausbildung des Kindes vom ersten bis zum sechsten oder siebten Lebensjahr bisher diese Aufmerksamkeit nicht gefunden hat. Wenn diese Erziehungsberatungsstellen dichter und zahlreicher vorhanden wären, würden sie gerade für die Familie und auch für die berufstätige Frau eine ausreichende Hilfe bieten.
Meine Damen und Herren, eine Fülle von Problemen gerade auf dem Bildungssektor sind angesprochen worden. Wir müssen diese Fragen in den zuständigen Ausschüssen klären. Aber sorgen wir dafür, daß wir vom Bundestag aus auf Grund dieser Enquete und auch der zukünftigen Untersuchungen die Konsequenzen ziehen, so daß wir später die Bundesregierung nicht mehr auffordern müssen, eine Untersuchung über die Frau in der heutigen Gesellschaft zu veranlassen, weil dann dieses Problem gegenstandslos geworden ist.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0508725800
Das Wort hat Frau Abgeordnete Freyh.

Brigitte Freyh (SPD):
Rede ID: ID0508725900
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Abschnitt der Enquete, der den Fragen des Bildungsstandes und der Bildungsmöglichkeiten gewidmet ist, ist — und das halte ich für einen Vorzug — im Schwerpunkt offensichtlich den Aufgaben der Vorbereitung der Frauen auf den Beruf und zum Teil auch auf ihre Aufgaben in der Familie gewidmet. Es war sicherlich aufschlußreich, nun gerade meinen Vorredner Herrn Dr. Geissler zu hören und dabei die Gesichtspunkte der Enquete etwas verschoben zu sehen. Ich entsinne mich z. B. des Passus in der Enquete, der davon spricht, daß das junge Mädchen auch auf seine Aufgaben als Frau und Mutter vorbereitet werden sollte. Dort ist sinngemäß davon die Rede, daß diese Vorbereitungen auf die Aufgaben als Hausfrau und Mutter nicht in dem Maße ernst genommen werden, weil die Vorbereitung auf den Beruf offensichtlich heute das junge Mädchen stärker engagiert. Ich meine, es ist richtig, daß die Enquete dazu sagt: Dann sollte man eben diese Aufgaben zu dem Zeitpunkt nachholen, wo auch ein unmittelbares Interesse erwacht ist, nämlich zu dem Zeitpunkt, wo die Familiengründung unmittelbar bevorsteht oder wo Kinder erzogen werden sollen, wo die Aufgaben also einen unmittelbaren Bezug zum Leben der jungen Frau erhalten. So weit eine kurze Vorbemerkung; denn es erschien mir sehr bemerkenswert, daß hier noch einmal ein Standpunkt vorgetragen wurde, der in dieser Einseitigkeit in der Enquete überholt ist.
Die Darstellung der Enquete ist bewußt auf eine Reihe von Tatsachen und Entwicklungen im Bildungswesen eingeschränkt, die für Frauen und Mädchen nennenswerte Unterschiede gegenüber manchen Tatbeständen des Bildungsverhaltens der Jungen aufweisen. Sicherlich hat man das Thema einschränken müssen. Aber es ist eine andere Frage, ob man es in dieser Form hat tun müssen; denn die Darstellung ist auf diese Weise sehr isoliert geworden. Ich meine, sie wird dadurch in vieler Hinsicht der Wirklichkeit nicht mehr gerecht. Die gesamte aktuelle Hintergrundproblematik ist ausgeklammert, z. B. die Fragen der strukturellen Reformen des Schulsystems, die die Chancengleichheit verbessern können, oder auch die ganze Problematik, die mit den Schwierigkeiten des Ineinandergreifens von Berufsausbildung und moderner Arbeitswelt zusammenhängt.
Die nennenswerten Unterschiede im Bildungsverhalten sind also sozusagen das Thema der Enquete, und sie werden in einer Fülle von Fakten ausgebreitet, auf die ich natürlich an dieser Stelle nicht eingehen kann. Aber ich meine, es ist immerhin bemerkenswert, daß die Enquete daraus das Fazit zieht — ich möchte mit Erlaubnis der Frau Präsidentin zitieren —, daß die den Mädchen und Frauen heute in der Bundesrepublik Deutschland rechtlich und tatsächlich offenstehenden umfassenden Bildungsmöglichkeiten noch nicht in dem Umfang genutzt werden, wie dies nicht nur für die einzelne Frau, sondern auch für die Gesellschaft wünschenswert wäre.
Dieses Zitat aus der Enquete, dieses Fazit sozusagen, ist sicherlich nicht neu. Aber es ist in der Absolutheit nicht richtig und kann leicht zu der Annahme verführen, daß im Grunde im Bildungswesen, soweit es das junge Mädchen und die junge Frau betrifft, alles in Ordnung sei und es nur um die Frau gehe, die offensichtlich ihre Chancen nicht genügend nutzt. Sicherlich, aus der Enquete geht hervor, daß die zumindest zeitweise außerhäusliche Erwerbstätigkeit von Mädchen und Frauen eine Selbstverständlichkeit geworden ist. Darauf habe ich ja eben schon verwiesen und auch auf die Bedeutung, die offensichtlich diese Tatsache für die Ein-



Frau Freyh
schätzung der Aufgabenrolle des jungen Mädchens gewonnen hat. Aber trotz dieser deutlichen Hinwendung zum Beruf hat sich in der Einschätzung des Berufs im großen und ganzen für das junge Mädchen und die junge Frau noch nicht sehr viel geändert. Die Ausbildungsziele werden noch immer niedriger gesteckt als bei den Jungen, die Wahr des Ausbildungsziels wird überwiegend noch mit der Vorstellung verbunden, nur einige Jahre, nämlich bis zur Eheschließung, erwerbstätig sein zu wollen. Die Berufstätigkeit spielt eine Nebenrolle im Lebensplan, und entsprechend dieser Einschätzung darf die Ausbildung nicht zu lange dauern. Sie findet auch üblicherweise innerhalb des traditionellen Berufsraumes der Frauen statt, den ich im Gegensatz zu Ihnen, Herr Dr. Geissler, nicht noch zusätzlich betont sehen möchte, sondern von dem ich im Gegenteil annehme, daß es im Interesse einer Weiterentwicklung durchaus wünschenswert wäre, wenn dieser traditionelle Berufsraum ausgeweitet würde.

(Beifall bei der SPD.)

Aber es hat sich natürlich auch einiges geändert. Die Forderung nach besserer Bildung hat sich auch auf das Bildungsverhalten der Mädchen in den letzten Jahren ausgewirkt. Auch dazu gibt es eine ganze Reihe von Anhaltspunkten in der Enquete — ich kann es nur ganz kurz andeuten —: eine Ausweitung der Zahl der abgeschlossenen Berufsausbildungsverhältnisse, eine verstärkte Abiturientenquote, ein Ansteigen des Hochschulbesuchs und hier und vor allem eine Zunahme der Frauen im Lehrerberuf.
Leider ist aber die Enquete absolut unergiebig für die Frage, die sich hier stellt: ob sich denn in dieser Tendenz zu besserer Bildung, die im Grunde gar nicht dem Verhalten bei der Berufswahl entspricht, eine Veränderung anbahnt und welche Antworten es auf eine möglicherweise veränderte Einstellung gegenüber dem Beruf gibt. Nach wie vor halte ich es für eine durchaus legitime Frage, daß die jungen Mädchen und ihre Eltern wissen wollen, ob es sich bei der Berufswahl denn auch tatsächlich lohnt, daß eine kostspielige und zeitraubende Berufsausbildung begonnen wird, wenn doch damit zu rechnen ist, daß die Berufsausbildung über Jahre ausgesetzt oder eingeschränkt wird und durch mangelnde Berufserfahrung an Wert einbüßen könnte. Ist die einzige Antwort, wie es die Enquete andeutet, tatsächlich der Hinweis, daß das nur zu überwinden wäre durch vermehrtes individuelles Bildungsstreben, oder müssen hier nicht gerade die zusätzlichen Anstrengungen beginnen, um bereits in der Berufsausbildung und -fortbildung die Doppelfunktion der Frau zu berücksichtigen?
Ich möchte deshalb einige Anmerkungen machen, natürlich in der notwendigen Beschränkung, die inzwischen bei der vorgeschrittenen Zeit gegeben ist, wo es nach meiner Auffassung solcher zusätzlicher Anstrengungen bedarf und wo auch die Information ergänzt und Untersuchungen eingeleitet werden müßten.
Zunächst zur Frage der Berücksichtigung der Doppelrolle bereits bei der Berufsausbildung. Da kann ich mich sehr kurz fassen, denn es ist hier schon mehrfach davon gesprochen worden, daß die Ausbildung in Stufen ein solcher möglicher Weg wäre. Aber ich bin eigentlich sehr unzufrieden, daß die Ausbildung in Stufen in der Enquete lediglich angedeutet und daß eigentlich gar nicht klarwird, was darunter konkret zu verstehen ist. Hier müßte für meine Begriffe eine Untersuchung ansetzen, um an konkreten Beispielen zu ermitteln, ob es sinnvoll ist, in dieser Richtung weiterzuarbeiten, eine Untersuchung etwa unter dem Arbeitstitel „Modelle der Stufenausbildung der Frau unter Berücksichtigung ihres spezifischen Lebensrhythmus". Dazu bieten sicherlich eine Reihe der von Frauen bevorzugten Berufe aus dem Bereich des Lehrens, Helfens und Pflegens Ansatzpunkte. Aber ich würde es für falsch halten, wenn sich die Untersuchung nicht auch auf andere Bereiche der Berufstätigkeit erstreckt.
Eng verknüpft damit ist natürlich die Frage der beruflichen Fortbildung; doch auch hierzu ist bereits vieles gesagt worden. Aber ich meine, der entscheidende Punkt hinsichtlich der beruflichen Fortbildung für Frauen ist ja auch hierbei die Verknüpfung mit den speziellen Problemen der Erwerbstätigkeit von Frauen. Diesen speziellen Problemen, die durch die Erwerbstätigkeit von Frauen entstehen, ist in den Überlegungen zur beruflichen Fortbildung noch nicht genügend Beachtung geschenkt worden, obwohl es sich ja schließlich nicht um neue Probleme, die erst langsam auf uns zukommen, sondern im Grunde um das alte Thema handelt, ob nämlich die Rückkehr von Frauen in das Erwerbsleben in der Tendenz weiterhin mit beruflichem Abstieg verbunden bleiben sollte. Die Enquete versucht, im einzelnen die Widersprüche aufzuzeigen, die sich aus dem Verhalten der Frauen gegenüber Fortbildungsangeboten ergeben: auf der einen Seite außerordentlich großes Interesse an bestimmten Fortbildungsveranstaltungen, etwa dem Fachschulbesuch, den berufsfördernden Angeboten in der Erwachsenenbildung, den Berufswettkämpfen und Berufsleistungsvergleichen; aber auch auf der anderen Seite kaum Ausnutzung z. B. der aus dem Bundeshaushalt geförderten Aufstiegsförderungsprogramme zur beruflichen Fortbildung.
Es genügt meines Erachtens nicht, wie es die Enquete tut, die Gründe dafür nur bei der schlechteren Ausbildung der heute erwerbstätigen Frauen zu suchen, weil die meisten Fortbildungsveranstaltungen für Erwachsene eine abgeschlossene Berufsausbildung voraussetzen. Wenn man sich nämlich das Verzeichnis der förderungsfähigen Einrichtungen ansieht, das die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung herausgegeben hat, kann man feststellen, daß es sich offensichtlich auch um eine Frage des Angebots handelt. Das Angebot für sozialpflegerische und sozialpädagogische Berufe ist durchaus befriedigend, aber z. B. bei kaufmännischen Berufen, bei denen ja auch über eine geringe Beteiligung der Frauen bei der Fortbildung geklagt wird, gibt es nur wenige Angebote. Deswegen meine ich, daß man zusätzlich zu dem, was in der Enquete gesagt worden ist, die Frage vom Angebot her untersuchen sollte.



Frau Freyh
Man sollte sich auch Gedanken darüber machen, wie das ja in Anmerkungen meiner Vorredner bereits geschehen ist, welche neuen Formen der beruflichen Fortbildung es für die Frau geben kann, und zwar solche, die sich vor allem des Problems annehmen, die Berufstüchtigkeit bei vorübergehendem Ausscheiden aus dem Beruf zu erhalten und die Rückkehr in den Beruf nach längerer Unterbrechung zu ermöglichen. Dafür, daß man nicht nur an Kurse und Lehrgänge denken sollte, sondern z. B. auch an Fernlehrbriefe etwa in Verbindung mit bestimmten Fachschulen, spricht ja außerdem daß in einer ganzen Reihe von Berufen ohnehin die systematisch zu vermittelnden Kenntnisse gegenüber dem Können und Wissen aus unmittelbarer Berufserfahrung zunehmen. Man könnte auf diese Weise auch auf bestimmte Prüfungen vorbereiten. Auch Fernsehkollegs — aber das ist bereits erwähnt worden — wären ein Weg, um Kenntnisse aus der Berufsausbildung zu erhalten und zu entwickeln.
Es gibt sicher eine Fülle von Möglichkeiten; aber ich möchte auch noch einmal ausdrücklich darauf verweisen, daß es sicher auch lohnt, sich in diesen Fragen der Erfahrungen unserer Nachbarn zu bedienen und ihre Überlegungen mit in das einzubeziehen, was auf diesem Gebiet weiter erarbeitet werden müßte.
Aber nun gestatten Sie mir bitte abschließend noch ein paar Bemerkungen zur Einschränkung der Frau auf einen traditionellen Berufsraum, zu der Bevorzugung bestimmter Berufsbereiche, die sich nun schon seit Jahrzehnten kaum verändert haben. Diese Einengung ist sowohl aus Gründen der Begabung wie der Leistungsfähigkeit, über die ich natürlich hier nicht im einzelnen sprechen kann, sicherlich ungerecht. Sie ist darüber hinaus auch in dem Sinne ungerechtfertigt, als es ja offensichtlich so ist, daß die Wirtschaft die Arbeitskraft der Frau braucht und man sich nicht vorstellen kann, warum da nicht auch die Arbeitskraft einer qualifiziert ausgebildeten Frau notwendig wäre. Die Angaben der Enquete zu diesem Problem muß ich voraussetzen. Auch hier ist sicherlich die Selbstbeschränkung der Enquete auf die Interpretation vorhandener Statistik ein Hindernis für eine zusammenhängende und einleuchtende Darstellung gewesen. So wird z. B. über die für Frauen in den letzten neu erschlossenen Berufsmöglichkeiten nur in einer lapidaren Aufzählung berichtet. Man erfährt nichts über das zahlenmäßige Gewicht dieser neuen Berufsmöglichkeiten, über ihre Ausbildungsbedingungen, über ihre Entwicklungstendenzen. Es wäre sehr interessant gewesen, konkrete Informationen über die Ausweitung des Berufsraums der Frau zu erhalten, von der viel gesprochen wird und die sich nach allgemeinen Beobachtungen vor allem in zwei Richtungen vollzieht, nämlich einmal in die von Männern verlassenen, häufig nicht entwicklungsfähigen Erwerbstätigkeiten und auf der anderen Seite eben in neue, aussichtsreiche Berufe im Zusammenhang mit der technischen und wirtschaftlichen Entwicklung.
In diesem Zusammenhang wäre es auch wichtig, die Methoden der Berufsberatung entweder deutlicher darzustellen oder, wenn erforderlich, sie in der Praxis zu ergänzen; denn die Unsicherheit in den Berufswünschen, von denen die Enquete berichtet, fordert ja geradezu zu der Frage heraus, ob die Informationen zur Berufswahl genügend entwickelt sind, um die Wahl zu erleichtern und sinnvolle persönliche Überlegungen einzubeziehen.
Darüber hinaus bleiben sicher viele Fragen offen, wie z. B.: Welche Informationen verwendet denn die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung selbst, um über die künftige Entwicklung in den von Frauen bevorzugten Berufen Aussagen machen zu können? Wie werden sich hier die Bedarfsstruktur, die Ausbildungsanforderungen, das Ausbildungsangebot voraussichtlich verändern? Wo wird der sogenannte qualitative Arbeitskräftemangel es erforderlich machen, auch Begabungen und besondere Leistungen von Frauen einzubeziehen, um den Bedarf an wissenschaftlich und technisch besonders qualifizierten Kräften decken zu können?
Das sind nur einige dieser Fragen. Aber in der Theorie und teilweise auch in den praktischen Ansätzen ist ja inzwischen unbestritten, daß der Strukturwandel in der Arbeitswelt im Bildungs- und Ausbildungswesen vorweggenommen werden müßte. Es ist meiner Auffassung nach außerordentlich wichtig, daß die Bundesregierung den Zusammenhang zwischen der Berufsausbildung der Mädchen und der Frauenerwerbstätigkeit mit ihrer besonderen Struktur nicht als ein Problem betrachtet, das sich ohne Beachtung im Gesamtzusammenhang von allein lösen ließe; denn die Tatsache, daß die Berufswahl der Mädchen bisher nur wenige der zu vermutenden Veränderungen der Arbeitswelt berücksichtigt, scheint ja eng mit der Frage zusammenzuhängen, ob man bewußt und zielstrebig Veränderungen im sozialen Status einer immerhin zahlenmäßig beachtlichen Gruppe von Erwerbstätigen erreichen will, die bisher noch überwiegend das Sonderschicksal zweitklassiger Arbeitskräfte auf sich nehmen mußten.
Damit möchte ich diese wenigen Überlegungen abschließen, die ein Beitrag dazu sein sollten, daß die Enquete ihre eigentliche Bedeutung erst durch die Konsequenzen erhalten wird, die aus den zahlreichen Informationen gezogen werden. Gerade bei der Berufsausbildung und -fortbildung der Frauen fallen der Bundesregierung unmittelbare Aufgaben zu, bei denen sie sich nicht darauf verlassen sollte, daß sie sich ohne vorausschauendes, unterstützendes und ausgleichendes Verhalten des Staates lösen lassen.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0508726000
Das Wort hat Herr Abgeordneter Geldner.

Karl Geldner (FDP):
Rede ID: ID0508726100
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich mich bei der Behandlung des Problems der mitarbeitenden Ehefrauen von Selbständigen etwas kurz fasse, dann nicht deshalb, weil in der Frauenenquete dieses Problem etwas zu kurz gekommen ist, sondern weil



Geldner
wir, wie Sie wissen, unter Zeitdruck stehen. Die Trennung des familiären und des beruflichen Wirkungskreises wird vielfach wegen tatsächlicher oder vermuteter negativer Auswirkungen auf das Familienleben bedauert und als eine der negativen Begleiterscheinungen der Industrialisierung dargestellt. Hier scheint ein besonderes Wort über die mitarbeitenden Ehefrauen Selbständiger erforderlich, -weil gerade in vielen Berufen Selbständiger diese Einheit von häuslichem und beruflichem Wirkungskreis nach wie vor vorhanden ist. Denken wir nur an die Landwirtschaft, weite Bereiche des Handwerks, der Gastronomie, an den Einzelhandel, die freien Berufe. Wenn wir von bestimmten romantisierenden Darstellungen hinsichtlich der Vorteile einer solchen Situation ausgehen, so dürfte es für zahlreiche junge Mädchen nichts Erstrebenswerteres als solch einen Wirkungsbereich geben. In der Wirklichkeit sehen die Dinge aber anders aus. Es sind gerade die arbeitsmäßigen Belastungen, der Mangel an Freizeit, die heute vielfach von der Übernahme eines solchen Aufgabenkreises abschrecken. Auch die materiellen Aspekte, eine bessere Einkommens- und Vermögenssituation gegenüber Arbeitnehmerhaushalten, sind heute generell weder zutreffend noch entscheidend. Die relativ größere Unabhängigkeit beruflicher, wirtschaftlicher und sonstiger Art muß vielfach mit dein Preis eines höheren Arbeitseinsatzes und dem Verzicht auf Freizeit und andere Annehmlichkeiten erkauft werden. Dabei hängt von der Mitarbeit der Frau vielfach die grundsätzliche Frage der Existenzfähigkeit des Unternehmens ab und weniger die Frage, ob durch die Mitarbeit ein zusätzliches Einkommen in Höhe dieses oder jenen Betrages wünschenswert, möglich oder notwendig ist.
Es gibt für die Ehefrauen Selbständiger im allgemeinen auch nicht die Alternative einer vorübergehenden Mitarbeit, eines Ausscheidens oder Wiedereintretens zu einem bestimmten Zeitpunkt.
Die Enquete widmet sich in einem besonderen Fünften Teil der Situation der Frauen in der Landwirtschaft. Es ergeben sich zwar eine Reihe von Berührungspunkten mit der Situation der Frauen in selbständigen und anderen Berufen und der Angehörigen freier Berufe. Wir meinen aber, daß eine differenzierte Darstellung bzw. Untersuchung nicht nur für den Bereich der Landwirtschaft, sondern ebenfalls z. B. für den Bereich des Handwerks, des Hotel- und Gaststättenwesens, des Einzelhandels und der freien Berufe zweckmäßig wäre.
Abschließende Aussagen zu besonderen sozialrechtlichen, steuerrechtlichen und sonstigen Problemen, die in den Gesetzgebungsbereich fallen, können erst dann gemacht werden, wenn eine ausreichende Klarheit über die Situation in den jeweiligen Bereichen vorhanden ist. Die Gesetzgebung ist um so wirkungsvoller und dauerhafter, je weniger sie sich an Theorien und je mehr sie sich an den Lebenstatbeständen orientiert.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0508726200
Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.

Margot Kalinke (CDU):
Rede ID: ID0508726300
Frau Präsidentin! Meine Herren und meine Damen! Der Abschnitt der Frauenenquete, über den ich sprechen soll, das Kapitel Soziale Sicherung, umfaßt 60 Seiten. Es ist umfassend und beinhaltet eigentlich eine der wesentlichen Fragen, die unser ganzes Volk berührt; denn Stabilität und Sicherung gehören ohne Zweifel zu den wichtigsten Problemen, die nicht nur• die Frauen und die Familie, sondern die Bürger aller Schichten angehen. Lassen Sie mich einige Vorbemerkungen machen. Herr Staatssekretär, Sie sind für ihr Haus überaus bescheiden gewesen; denn was in der Enquete enthalten ist, ist mehr als eine Momentaufnahme! Ich möchte nur wünschen, daß diese ausgezeichnete Zusammenfassung unseres sozialen Sicherungssystems in weiten Kreisen auch der Frauen unseres Landes bekannter wäre, weil dann eine Reihe von Klagen über angebliche Mängel und Lücken wahrscheinlich nicht mehr laut werden würden. Ich meine, daß gerade wegen dieser Zusammenstellung den Referenten und Referentinnen ganz besonderer Dank gezollt werden sollte.

(Zustimmung in der Mitte.)

Das große Kapitel der sozialen Sicherung zeigt natürlich, daß dem Namen nach, wie es Manfred Kyber in den Tiergeschichten so schön sagt, Männer und Frauen gleichberechtigt sind und alles in Ordnung ist. Die gewandelte Welt, in der wir leben, die laufend eine Reihe von Anpassungen erfordert, hat in dem weiten Gebiet der sozialen Sicherung erfreulicherweise dazu beigetragen, daß wir, angeregt von den Problemen der sozialen Wirklichkeit, in den letzten zwei Jahrzehnten in diesem Hause viele sozialpolitische Lösungen gefunden haben, mit denen wir auf den verschiedensten Gebieten die Gesetzgebung modernisiert und an die veränderte Welt, in der wir leben, angepaßt haben. Wir haben diese Anpassungen im Sozialversicherungsrecht, im Versorgungsrecht und im Steuerrecht vorgenommen. Ich kann hier wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nur wenige Probleme erwähnen.
Dabei ergeben sich eine Reihe von sogenannten. heißen Eisen, die vielleicht auch für die Herren, die sich hier so gut unterhalten, interessant wären, wenn die Frauen, die Sie ja alle wählen sollen, sie nach diesem heißen Eisen vielleicht befragen werden. Um solche heißen Eisen, meine sehr verehrten Herren und Damen, handelt es sich bei den Problemen, mit denen wir uns in Zukunft zu befassen haben werden. Dafür tragen Männer und Frauen gemeinsam Verantwortung; zur Lösung sind wir gemeinsam aufgerufen.
Die Frauenenquete gibt eine Darstellung zur Situation des Versicherungsrechts, der Versicherungspflicht und der Versicherungsberechtigung. Sie gibt diese Darstellung auf allen Gebieten der Sozialversicherung, der Versorgung, einschließlich der Sonderversorgungen und der Sozialhilfe. Sie sagt aus, in welchem Umfang Hilfen für Gefährdete, für Alte, für Kranke, für Behinderte, kurzum, für fast alle Lebenslagen gegeben werden.
Die Frauenenquete stellt ferner sehr gründlich dar, wieweit „Frauen im Beruf" und „Frauen im



Frau Kalinke
Haushalt ohne Beruf schon heute umfassende Möglichkeiten haben, ihre soziale Sicherung nach ihrem Bedürfnis sowohl in der Sozialversicherung wie im weiten Bereich der Individualversicherung sicherzustellen.
Dabei ist auch dargestellt, in welchen Bereichen die Frau als Arbeitskraft in der Volkswirtschaft — gerade in der augenblicklichen . Situation — dem Bedarf des Arbeitsmarkts durch Teilzeitarbeit entspricht und wieweit diese Frage im Sozialversicherungsrecht und in der Steuergesetzgebung berücksichtigt ist. Ich füge gleich hinzu, daß die Frage der Sozialversicherungsfreiheit der Teilzeitarbeit in der Enquete nicht unumstritten ist. Es wird notwendig sein, darüber und über die Konsequenzen noch miteinander zu sprechen und Untersuchungen anzustellen.
Zum Schluß muß ein Wort dazu gesagt werden, daß die Koordinierung der Frauenenquete mit der Sozialenquete aus Gründen des unterschiedlichen Auftrags zwar nicht möglich war, daß wir aber im Zuge der Beratungen die Berücksichtigung aller großen verfassungsrechtlichen Fragen, die die Rechtsstellung der Frau, der Schutz der Ehe und der Familie aufwerfen, zu berücksichtigen haben. Dazu gehört auch die Gleichstellung der unehelichen Kinder, über die hier gesprochen wurde und die im Sozialrecht erfreulicherweise schon verwirklicht ist.
Wozu die Enquete leider nicht Stellung nimmt, ist eine Untersuchung über das große Spannungsverhältnis, das sich aus dem Sozialrechtsprinzip ergibt. Dabei geht es um die Frage, wo die Grenzen der staatlichen Sozialpolitik gezogen werden sollen oder können und wo weitere Möglichkeiten der Hilfe zur Selbsthilfe auch für unsere Frauengeneration gegeben sind.
Die Frage der Einbeziehung der Selbständigen, der Ehefrauen der Angehörigen der freien Berufe in die Sozialversicherungspflicht, ein Problem, das Kollege Spitzmüller bisher als einziger erwähnt hat, ist eines der ganz großen heißen Eisen, über die wir miteinander sehr ernsthaft diskutieren wollen. Selbstverständlich sind wir in der Christlich-Demokratischen Union außerordentlich aufgeschlossen dafür, gerade dieses Problem zu überprüfen, aber auch alle seine Schwierigkeiten offen miteinander zu diskutieren. Die Frauen-Enquete weist zu diesem Thema „Kreis der Versicherten" sehr deutlich darauf hin, wieweit schon Ehefrauen sich weiterversichern können, wieweit sie die Möglichkeit haben, versicherungsberechtigt zu sein; sie zeigt, wieweit Kriegerwitwen und Sondergruppen unseres Volkes in die Versicherungen einbezogen sind.
Schließlich hat auch die Gesetzgebung gerade der letzten Jahre dazu beigetragen, die Ausweitung der Personenkreise in die Richtung zu verwirklichen, daß auch die Familienangehörigen des Arbeitgebers, Ehefrauen oder Töchter der selbständigen Landwirte, der Gewerbetreibenden oder anderer Betriebsunternehmen in die Sozialversicherung versicherungsberechtigt oder -pflichtig einbezogen sind.
Schließlich muß gesagt werden, daß alle Empfängerinnen von Renten, soweit sie Hausfrauen sind, heute schon einen Krankenversicherungsschutz haben, daß die Kriegerwitwen einen Anspruch auf Krankenhausbehandlung haben und daß der Kreis der Selbständigen, der den Arbeitnehmern gleichgestellt ist, neuerdings auch in der Rentenversicherung das Recht des Versicherungsschutzes hat, wenn es sich um ein Arbeitnehmerverhältnis handelt.
Es wäre dringend notwendig, zur Vervollständigung dieses Themas nun einige Darstellungen zu geben, die den Nichtkennern der Materie die Zusammenhänge erläutern. Ich bitte die Frau Präsidentin, ergänzende Unterlagen zu Protokoll geben zu dürfen, und möchte nun zu einigen ungelösten sozialpolitischen Problemen und heißen Eisen übergehen.
Eines ist das Thema der Witwerrente. Die Witwe erhält die Rente selbstverständlich; der Witwer erhält sie nur unter bestimmten Bedingungen. Es wird zu prüfen sein, wieweit das der sozialen Wirklichkeit entspricht, in welchem Umfang Frauen heute auch Ehemänner und ihre Familienangehörigen überwiegend unterhalten.
Ein anderes heißes Eisen, ein Problem, das bei der Rentenreform 1957 beinahe gelöst worden wäre — es fehlten nur wenige Stimmen —, ist der Rechtsanspruch auf Eltern- und Hinterbliebenenrente, der zwar im Bundesversorgungsgesetz verwirklicht ist, der aber bei alleinstehenden Versicherten in allen Rentenversicherungszweigen damals nicht Wirklichkeit werden konnte. Da es sich hier vor allem um Frauen handelt, um ledige, verwitwete, geschiedene, alleinstehende Frauen, die freiwillig Familienverpflichtungen übernommen haben, die dadurch oft in ihren Aufstiegschancen und in ihrer Weiterbildung, auch in ihrer Mobilität behindert sind, müßte diese Situation gründlich untersucht werden. Finanzielle vorübergehende Engpässe sollten nicht hinderlich sein, hier dem sozialen Fortschritt zu dienen.
Eine Sondererhebung gibt Auskunft über die Zahl der Elternteil- und Elternpaar-Renten, die in die Elternversorgung des Bundesversorgungsgesetzes einbezogen sind. Ich kann hier nur bedauern, daß das Bundesministerium für Arbeit auch bei der Diskussion über die Härtenovelle nicht in der Lage gewesen ist, zuverlässig über die Kosten und über den Personenkreis der Betroffenen Auskunft zu geben.
Zu der Versorgung der Frauen als Kriegerwitwen gehört noch ein ganz wichtiges Thema, das der Kapitalabfindung und der Heiratsabfindung. Hier wäre es sehr nützlich, die Erfahrungen mit der Kapitalabfindung im Zusammenhang mit der Eigentumsbildung — auf die meine Fraktion ganz besonderen Wert legt — und mit der Heiratsabfindung im Zusammenhang mit dem Verlust des Ernährers oder der gestörten oder gar geschiedenen Ehe zu kennen. Vor einer Diskussion der Forderung nach dem Wiederaufleben der Rente im Falle der Scheidung oder des Verlustes des zweiten Ehemannes müßte über diese Frage weit mehr Kenntnis herrschen.
So wichtig wie die Auskunft über die Heirats- und Kapitalabfindung in der Kriegsopferversorgung ist natürlich — das hat der Kollege Spitzmüller bereits



Frau Kalinke
erwähnt — die Frage der Beitragsrückerstattung in den Rentenversicherungen. Hier sollten wir in der Tat nach Wegen suchen, wie wir die zeitweilig aus dem Beruf ausgeschiedenen Frauen genügend und rechtzeitig aufklären, um ihnen ihren Rechtsanspruch zu erhalten. Ich weiß, daß die Gewerkschaften und die Frauenverbände auf diesem Gebiet außerordentlich aktiv sind.
Das Arbeitsministerium hat dankenswerterweise Erhebungen angekündigt, um die Sonderregelungen für schwerbeschädigte Hausfrauen im Rahmen des Berufsschadensausgleichs und die Sonderregelungen für beschädigte Hausfrauen im Einkommensausgleich zu untersuchen.
Diese wenigen Punkte zeigen schon, welche Notwendigkeit besteht, immer wieder die Gesetzgebung an die soziale Wirklichkeit anzupassen. Meine Freunde in der Christlich-Demokratischen Union waren unentwegt bemüht, gerade zuletzt wieder bei der Härtenovelle, für die Frau in Haus- und Landwirtschaft, für die Frau in den Gesundheitsberufen mit freier Station wesentliche Verbesserungen durchzusetzen, die allen denen zugute kommen, die in der Vergangenheit verhältnismäßig geringe Löhne und Gehälter verdient haben.
Auf die vorgezogene Altersgrenze für berufstätige Frauen kann ich wegen der begrenzten Zeit nur hinweisen; sie ist auch eine der Lösungen, die seit 1957 sehr viel Segen gestiftet haben.
Von den großen Leistungen der Frauen als selbständige Unternehmerinnen, in leitenden Stellen, als mitarbeitende Ehefrauen ist mir in der Enquete zu wenig ausgesagt. Aber hier haben wir ebenfalls gerade in letzter Zeit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts Rechnung getragen und die Beschäftigung von Ehefrauen der freiberuflich Tätigen in die Rentenversicherung einbezogen, soweit sie ein Arbeitnehmerverhältnis haben. Wer die Neuzugänge der Lebensversicherungen überprüft, der sieht, in welch großem Maße gerade Frauen als Unternehmerinnen, als Angehörige der freien Berufe, als Inhaberinnen von gewerblichen Unternehmen, als Handwerksmeisterinnen, aber auch als mitarbeitende Ehefrauen selbst oder in Gemeinschaft mit ihren Ehemännern Vorsorge getroffen haben. Ich glaube, daß dieses Kapitel, daß sich der Ehemann mit seiner Frau über die Versorgung unterhält, wohl wichtiger ist als das von dem jungen Kollegen angesprochene Helfen beim Abwaschen. Ich glaube, daß eine Witwe nicht erst beim Tode ihres Mannes erfährt, ob und wie weit sie versorgt ist, ist eines der wichtigsten Momente der Zusammenarbeit zwischen Mann und Frau und der gemeinsamen Planung für die Sicherheit der Familie.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf: Das eine tun, das andere nicht lassen!)

Es sollte also durch weitere Untersuchungen festgestellt werden, wie groß der Prozentsatz derjenigen ist, die sich selbstverantwortlich gesichert haben. Die Enquete spricht hierüber nur im Zusammenhang mit der Unfallversicherung der Hausfrauen und weist darauf hin, in welch großem Maße
auch die private Unfallversicherung hier ihren Teil zur sozialen Sicherung beiträgt.
Ich habe mir vorgenommen, das große Kapitel der Hausfrauenrente sehr gründlich zu untersuchen. Ich will dazu hier nur sagen, daß ich die Modellfälle, die ich errechnet habe, zu Protokoll geben werde, daß ich aber meine, daß die Sozialgesetzgebung das Problem nur lösen kann, wenn sich in Zukunft Mann und Frau bei diesem heißem Eisen darüber klar sind, daß sie die Kosten bezahlen müssen, und weiter darüber, daß hier von einer Ablösung unseres hochentwickelten Systems der Familienleistungen nicht die Rede sein darf, ehe wir neue Sicherungen für die Familie zur Verfügung stellen können. Hier erwächst der neuen Rolle des Ehemannes der berufstätigen Frau die Aufgabe, nicht nur für Weiterversicherung und Individualversicherung der Frau Verständnis zu haben, sondern auch dafür zu sorgen, daß die notwendigen Mittel für solche Sicherungsmaßnahmen zur Verfügung gestellt werden, die, sei es in der Sozialversicherung auf gesetzlichem Wege, sei es in der Privatversicherung, ihren Preis kosten.
Die großzügige Hinterbliebenenversorgung, die die Bundesrepublik kennt, ist von keinem Lande der Welt übertroffen. Wer sie aufheben will, müßte sie nicht nur in der Sozialversicherung, sondern auch im Beamtenrecht angreifen, was ich für sehr bedenklich hielte, wenn wir dem nicht wirklich neue und bessere Lösungen entgegensetzen könnten. Ohne ausreichende, ja erhebliche Beiträge kann es keine ausreichende Rente für Hausfrauen geben. Die Erfahrungen des Deutschen Hausfrauenbundes mit seinen anerkennenswerten Bemühungen um Aufklärung und Selbsthilfe mit dem HausfrauenRentendienst haben ja gezeigt, daß die jüngeren Hausfrauen noch wenig und die Ehemänner noch weniger aufgeschlossen für diese so wichtige Aufgabe sind. Die Öffentlichkeit muß wissen, daß es nicht darum geht, neue Illusionen zu wecken, auch nicht darum, soziale Versprechungen zu machen, die nicht verwirklicht werden können, sondern daß es darum geht, deutlich zu machen, was Sicherheit in unserer Zeit in der Bundesrepublik kostet. Zu geringe Renten, Bagatellrenten können niemanden befriedigen. Es kann nur darum gehen, daß wir ausreichende Sicherheit für den Teil der Hausfrauen schaffen, die nicht in der Lage sind und waren, im Beruf und aus eigener Kraft das ihre zu tun.
Lassen Sie mich hier noch ganz kurz sagen, daß es äußerst wichtig ist, Frauen-Enquete, AltenEnquete und Sozial-Enquete in den Ausschüssen gemeinsam zu beraten und das Problem der älteren Mitbürger, das ja wieder überwiegend ein Problem der Frauen ist, ebenso ernst zu nehmen wie das Problem der Frühehen mit ihren vielen psychologischen, gesellschaftspolitischen und sozialen Schwierigkeiten.
Auch die Vorsorge, die Versorgung, die Rehabilitation sowie die Heilverfahren im Bereich unserer Sozialversicherung und der Versorgung müssen dringend koordiniert werden. Heute kann



Frau Kalinke
zwar jeder Mann in einem Jahr auf Kosten der Krankenversicherung, im nächsten auf Kosten der Rentenversicherung, vielleicht noch nach dem Versorgungsgesetz, im andern Fall mit Hilfe der Beihilfen und der Steuer eine Badekur machen — das gilt oft für den Mann und seine Frau —, die Mutter aber kann kaum die Reise zum Müttergenesungsheim antreten, und auch die berufstätige Frau hat längst nicht dieselben Chancen.
Alle Anregungen, aber auch alle Bedenken, die das Arbeitsministerium auf Grund seiner Kenntnis der Zusammenhänge geäußert hat, sollten in den Ausschüssen sehr ernst diskutiert werden. Außerdem sollte eine bessere Ubersicht über die Leistungen geschaffen werden, die heute im Rahmen der Versicherung, der Versorgung, der Beihilfen und der Steuer aus vielen Töpfen gewährt werden. Schließlich sollten wir den Mut haben, unserem Volke, das oft auch unpopuläre Maßnahmen weit mehr zu schätzen weiß, als wir annehmen, den Preis der sozialen Sicherung auch für diejenigen zu nennen, die heute höhere Ansprüche stellen, als es früher üblich war. Wir müssen unsere Gesellschaftspolitik in die soziale Wirklichkeit recht einordnen und dürfen die Leistungskraft des einzelnen und seiner Familie nicht nur nach materiellen Gesichtspunkten bemessen, sondern müssen dabei auch jenen großen sozialethischen Auftrag berücksichtigen, den gerade die Frauen am ehesten verstehen werden.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0508726400
Meine Damen und Herren, die Abgeordneten Frau Stommel, Frau Griesinger, Spitzmüller, Porten, Franzen, Frau Blohm und Frau Geisendörfer haben ihre Reden zu Protokoll gegeben.

(Beifall.)

— Frau Renger gibt ihre Rede ebenfalls zu Protokoll. Das Beispiel wirkt. — Auch Herr Frehsee gibt seine Ausführungen zu Protokoll. Nunmehr liegen noch vier Wortmeldungen vor. Ich muß leider Punkt acht Uhr schließen. Jetzt hat das Wort Herr Abgeordneter Ehnes. Dann folgt Frau Dr. Hubert.

Georg Ehnes (CSU):
Rede ID: ID0508726500
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Meine politischen Freunde stehen mit mir auf dem Standpunkt, daß es nach Ablauf dieser Debatte am Platze ist, daß ein Mann all denen den Dank ausspricht, die heute diese Debatte herbeigeführt haben, daß der Dank aber gleichzeitig all den Frauen draußen in unserer Gesellschaft gelten soll, ganz gleich, in welchem Bereiche diese Frauen tätig sind. Wenn wir heute über die Frauenenquete sprechen, dürfen und müssen wir feststellen, daß die Frau in der Bundesrepublik Deutschland in diesem Jahrhundert im Verhältnis zu den Frauen anderer Staaten ein unvorstellbares Maß an Opfer und ein unvorstellbares Maß an Leistung vollbracht hat. Das ist durch die Geschichte und durch das Leid bedingt, das wir gemeinsam in zwei Kriegen und nachher durchleben mußten. Das ist aber auch bedingt durch die
Umstellung und durch die Maßnahmen, die in einer modernen Zeit notwendig sind.
Wenn in dieser Debatte ein Fazit gezogen werden soll, kann das nur heißen, daß aus dieser Erkenntnis heraus die Bereiche, die angesprochen werden, auch in den Ausschüssen politischen Rückhalt bekommen und daß dann über die Ausschüsse hinaus das wirksam wird, was hier von den einzelnen Rednern und Rednerinnen dargelegt worden ist. Ich möchte ganz besonders einen Bereich ansprechen, möchte aber dazu sagen: Meine politischen Freunde wollen keinen Unterschied in der Einstufung und auch keine zweiteilige Qualifizierung der Leistungen haben. Wir möchten in diesem Bereiche ganz besonders die Landfrau ansprechen, die in bezug auf die Sozialenquete doch in einem ganz besonderen Licht erscheint. Wir glauben, man muß einräumen, daß es etwas bedenklich ist, mit wieviel Arbeitsstunden gerade die Frauen auf dem Lande verzeichnet sind.

(Zustimmung in der Mitte.)

Dieses Hohe Haus wird sicherlich mit gutem Willen an diese Probleme herangehen, sei es in dem Bereich, den wir bereits gemeinsam beschritten haben, dem Bereich unserer sozialen Maßnahmen gegenüber den Landfrauen, sei es bezüglich der gegenwärtig mehr als jemals notwendigen Versicherung im Krankheitsfall bei den Selbständigen.
Die im Bundesministerium für Gesundheit durchgeführten Untersuchungen über den Gesundheitszustand speziell der Landfrauen werden uns Aufschluß darüber geben, daß sich die enormen Leistungen der Landfrauen allgemein oder der Frauen, die infolge der Vorgänge des Krieges ihren Hof allein in Bewirtschaftung haben, sich meistens auf die Gesundheit ausgewirkt haben. Wir werden uns in den Beratungen des Ausschusses bemühen, in dieser Hinsicht Klarheit zu schaffen.
Ich möchte namens meiner politischen Freunde nur wünschen, daß auch alle Anliegen berücksichtigt werden im Bereich der wirtschaftlichen Form, auf die wir zugehen, im Bereich der europäischen Einigung, wo sich gegenwärtig abzeichnet, daß hier noch ganz grobe Unterschiede bestehen und daß auch in dem Bereich, der die Hausfrau betrifft, im Bereich des Lebensmittelrechts, in Europa sehr krasse Unterschiede zu verzeichnen sind. Auch diese Unterschiede müssen im Interesse unserer gesamten Bevölkerung ausgeräumt werden.
Die Maßnahmen, die der Landwirtschaft dienen, sind der weitere Ausbau der Maßnahmen, die im Grünen Plan vorgesehen sind, weiterhin die Möglichkeit der Versicherung der Selbständigen und der Familie, endlich aber auch nach unserer Ansicht der weitere Ausbau des Berufs der Dorfhelferin, der Ausbau der sozialen Bereiche und die Unterstützung der Gemeinden sowie der kirchlichen Einrichtungen draußen im Lande. Außerdem geht es darum, der Bäuerin in der Erziehung ihrer Kinder eine gewisse Entlastung zuteil werden zu lassen. Wir wollen nichts anderes, als daß die Frau, die auf dem Lande wohnt, die als Landfrau angesprochen wird, an die Gesellschaft angeschlossen ist, daß sie teilhaben



Ehnes
kann an allen Dingen, die die Kultur und unsere Entwicklung uns allen gemeinsam gebracht haben.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0508726600
Herr Abgeordneter Reichmann hat seine Rede zu Protokoll gegeben. Mir liegen jetzt noch zwei Wortmeldungen vor, die von Frau Dr. Hubert und die des Herrn Abgeordneten Dr. Schellenberg.
Bitte Frau Dr. Hubert!

Dr. Elinor Hubert (SPD):
Rede ID: ID0508726700
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte einige Bemerkungen zur gesundheitlichen Situation der Frau machen, kann mich aber leider nicht auf das Kapital über die allgemeinen Bemerkungen zur Gesundheit beschränken, weil die Angaben darüber über verschiedene Kapitel verstreut sind. Das trägt an sich nicht zur Übersichtlichkeit bei, wenn man sich über den gesundheitlichen Zustand orientieren will, und es läßt auch leider einen übergeordneten Gesichtspunkt vermissen.
Eine Enquete, die über die Situation der Frau in Beruf, Familie und Gesellschaft Auskunft geben soll, kann natürlich auch nicht an der Tatsache vorbeigehen, daß die Frau im Hinblick auf die Anforderungen, die die Mutterschaft an sie stellt, anders ist als der Mann. Man wird daher fragen müssen, ob entsprechend der durch das Grundgesetz geforderten Gleichberechtigung und bei einer Gleichbewertung von Mann und Frau auch die Andersartigkeit gebührend berücksichtigt ist. Am körperlich-seelischen Gesundheitszustand der Frau wird man manches ablesen können.
Auf die besondere Konstitution der Frau wird auch nicht im Kapitel „Allgemeines Gesundheitswesen", sondern im Kapitel „Arbeitsrecht" eingegangen. Hier wird nun sehr richtig festgestellt, daß es nicht möglich ist, über den Gesundheitszustand der erwerbstätigen Frau einigermaßen sichere Aussagen zu machen. Dann folgen aber doch einige ganz interessante Angaben, z. B. daß die Arbeitsunfähigkeitsfälle bei den weiblichen Pflichtversicherten geringer sind als die bei den Männern, soweit es sich um Unfälle oder um Krankheiten der Bewegungsorgane und der tieferen Luftwege handelt. Andererseits liegen wieder die Krankenhausfälle bei den weiblichen Pflichtversicherten über denen der männlichen. Die Zahl der Körperbehinderten ist, wenn man alle Kriegsversehrten mitrechnet, bei den Frauen natürlich geringer als bei den Männern.
Ich möchte aber .auf ein Problem hinweisen, nämlich das der körperbehinderten Hausfrauen, das bei uns in der Bundesrepublik noch in keiner Weise gelöst ist, und wo man in anderen Ländern, etwa in England oder Skandinavien, sehr viel weiter ist als bei uns.
Man liest dann u. a., daß nicht exakte Untersuchungen darüber vorliegen, ob es tatsächlich stimmt, daß Frauen das Bücken leichter vertragen als Männer. Andererseits wird die doch auch ganz unbewiesene Behauptung aufgestellt, daß Frauen besser geeignet seien für monotone Arbeiten. Leider müssen sie sehr oft solche monotone Arbeiten verrichten.
Bemerkenswert erscheint mir, daß es keinerlei Bestimmungen gibt, die dafür Sorge tragen, daß der Arbeitsplatz nicht nur die Frau ganz allgemein vor Schäden schützt — das gilt natürlich für Mann und Frau —, sondern auch die Arbeit erleichtern. Hier sollte man einmal seine Überlegungen ansetzen. Erleichterung der Arbeit bedeutet ja Ersparnis von körperlichen Kräften, damit auch Schonung der Gesundheit.
Nichts findet sich leider über die besonderen Probleme ,der Frau in der Landwirtschaft, und zwar sowohl als mithelfende Familienangehörige wie als Arbeitnehmerin. Es gibt Untersuchungen z. B. von Kötter, die zeigen, daß es erhebliche Unterschiede des Gesundheitszustandes gibt zwischen Gruppen, die in der Landwirtschaft arbeiten, und Gruppen in der gewerblichen Wirtschaft. Bei diesen Untersuchungen, die Kötter durchgeführt hat, hat sich gezeigt, daß der Gesundheitszustand bei sonst gleichen Verhältnissen schlechter wurde von der gewerblichen zur landwirtschaftlichen Bevölkerung, von den Jüngeren zu den Älteren — das ist verständlich —, aber auch von den Männern zu den Frauen.
Dann finden gar keinen Niederschlag in der Enquete Untersuchungen, die vom Ministerium selbst angeregt worden sind. Sie sind uns in den letzten Tagen plötzlich in einem gesonderten Buch zugegangen. Wenn die weitverbreitete Annahme, daß der Rhythmus im Leben der Frau ihre Leistungsfähigkeit in einem gewissen Lebensabschnitt beeinträchtigt, falsch ist, wie in diesem Buch gesagt ist, und wenn es nur an unser aller vorgefaßter Meinung liegt, daß über psychische Einwirkung auch Krankheiten entstehen, dann gibt das immerhin höchst interessante Konsequenzen für das Arbeitsleben der Frau im mittleren Alter.

(Abg. Frau Dr. Schwarzhaupt meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

wollen etwas fragen?

Dr. Elisabeth Schwarzhaupt (CDU):
Rede ID: ID0508726800
Frau Kollegin, haben Sie nicht gelesen, daß diese Untersuchungen in der Enquete und in der Bibliographie erwähnt sind? Es ist auch mitgeteilt, daß Untersuchungen wie diese und noch eine Reihe anderer vorgelegt werden, darunter zwei Untersuchungen, die sich auch mit der Landfrau durch spezielle Angaben über den Wirtschaftsbereich oder die Region, in der die Frauen arbeiten, beschäftigen. Das ist in der Enquete auf den Seiten 278 und 279 erwähnt. Ist Ihnen das entgangen?

Dr. Elinor Hubert (SPD):
Rede ID: ID0508726900
Nein, das ist mir ganz und gar nicht entgangen, Frau Kollegin Schwarzhaupt. Ich habe aber gesagt, daß es diese Untersuchung von Kötter aus dem Jahre 1963 gibt. Und das Buch, das wir jetzt bekommen haben, ist so kurz nach der Enquete erschienen, daß man eigent-



Frau Dr. Hubert
lieh gewünscht hätte, daß seine Ergebnisse schon in die Enquete hineingekommen wären. In der Enquete wird auf weitergehende Untersuchungen hingewiesen. Ich bedaure trotzdem, daß in diesem ersten Bericht nicht wenigstens einiges darüber gesagt worden ist, was schon vorgelegen hat. Also wie gesagt: mir sind im Augenblick nur die Kötterschen Untersuchungen bekannt, die aus dem Jahre 1963 stammen.
Nun wird im Abschnitt Familie das Müttergenesungswerk erwähnt, und zwar im wesentlichen zunächst als eine Einrichtung, „die allen familiengefährdenden Tendenzen heilende Kräfte entgegensetzen soll und die vor allem „auf dem Gebiet der Frauenbildung einen wertvollen Beitrag leistet. Ich darf hier zitieren, was Frau Heuss-Knapp als den Zweck des Müttergenesungswerks bezeichnet hat. Nachdem sie auf die großen Leistungen der Frau als Mutter vor allem im Krieg hingewiesen hat, hat sie gesagt:
Diese Überforderung der Frau rächt sich an ihrer Gesundheit, und zwar an ihrer Gesundheit des Leibes und der Seele. Hier setzt das Müttergenesungswerk ein.
1 070 000 Mütter sind in den Heimen zur Erholung und zur Genesung gewesen. An dieser Stelle findet sich auch eine Krankheitsstatistik.
Das für die Gesundheit der Frau bedeutungsvolle Problem der wenn auch nicht ganz klar berechenbaren, aber doch sicher hohen Zahl von Schwangerschaftsunterbrechungen, die Problematik der frei willigen Sterilisation werden gar nicht in diesem Bericht berührt. Beides steht nun wieder in Zusammenhang mit der notwendigen Aufklärung über Familienplanung, über die nur im Kapitel „Familie" kurz gesagt wird, es gebe in der Bundesrepublik Eheberatungsstellen und die Gesellschaft Pro familia, die in sieben Großstädten in der Bundesrepublik gleichfalls Beratungsstellen unterhalte. In England gibt es immerhin deren 600. Diese ganze Frage ist nun wirklich ein gesundheitspolitisches Problem.
Alles in allem muß man wohl sagen, daß das Fehlen einer Morbiditätsstatistik, also einer Krankheitsstatistik, es natürlich sehr erschwert, exakte Angaben zu machen. Ich glaube aber doch, daß man das hier zusammengetragene Material, das schon an sich nicht so sehr ergiebig ist, einmal ungeachtet aller Ressortzuständigkeiten unter einem allgemeinen Blickwinkel systematisch ordnen muß. Dann, glaube ich, werden sich auch die besonderen Stellen zeigen, wo die Lücken unserer Kenntnisse besonders groß sind. Es ist ja die Aufgabe einer solchen Enquete, diese Lücken zu füllen, und wir erhoffen das von der angekündigten Fortsetzung der Enquete besonders auch hinsichtlich des Gesundheitszustandes der Frau. Denn diese Kenntnis ist ausschlaggebend, um beurteilen zu können, wie weit das heutige Arbeitsleben an sich oder wie weit die Verbindung von außerhäuslicher Arbeit mit den Aufgaben als Mutter die Frau überfordert.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0508727000
Als nächstes liegt die Wortmeldung von Herrn Abgeordneten Professor Schellenberg vor.

(Abg. Dr. Schellenberg: Mein Manuskript gebe ich zu Protokoll, Frau Präsidentin! — Beifall.)

— Ich danke Ihnen. Dann kommen wir zur Abstimmung.
Dem Hohen Hause liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 123 *) vor. Hier liegt eine interfraktionelle Vereinbarung vor, wonach über Ziff. 2 des genannten Antrags sofort abgestimmt werden soll. Der Text liegt Ihnen vor; ich brauche ihn nicht zu verlesen. Es ist vereinbart, daß die Fraktionen diesem Text zustimmen. Wenn sich kein Widerspruch erhebt — und das ist nicht der Fall —, dann ist es so beschlossen.
Die Ziffern 1, 3 und 4 des genannten Antrags der FDP auf Umdruck 123 sollen an den Ausschuß für Familien- und Jugendfragen überwiesen werden. Es erhebt sich kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich komme jetzt zu der Ausschußüberweisung der Vorlage selbst. Der Bericht auf Drucksache V/909 soll nach der Vereinbarung im Ältestenrat an den Ausschuß für Familien- und Jugendfragen überwiesen werden.

(Abg. Dr. Schellenberg: Der gutachtlich andere Ausschüsse hören wird!)

— Wobei andere einschlägig befaßte Ausschüsse gutachtlich zu hören sind.

(Abg. Rösing: Wie bei dem Entschließungsantrag, den wir Ihnen überwiesen haben!)

— Selbstverständlich! Dasselbe gilt für den Entschließungsantrag. Ich glaube, jetzt besteht Klarheit. Wenn sich dagegen kein Widerspruch erhebt — das ist nicht der Fall —, dann ist so beschlossen.
Ich habe noch eine Mitteilung zu machen und um eine Abstimmung zu bitten. Im Nachgang zu den heute erfolgten Wahlen soll für den Abgeordneten Herold, der bisher stellvertretendes Mitglied in der Beratenden Versammlung des Europarates war, der Abgeordnete Richter gewählt werden. Es erhebt sich kein Widerspruch. — Das Haus ist einverstanden. Damit ist der Abgeordnete Richter als stellvertretendes Mitglied der Beratenden Versammlung des Europarates gewählt.
Damit sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung auf Donnerstag, den 26. Januar 1967, 14.30 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.