Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet,
Folgende amtliche Mitteilung wird ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Vorsitzende des Ausschusses für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik hat am 17. Januar 1967 mitgeteilt, daß der Ausschuß gegen die
Verordnung zur Änderung des Artikels 95 des Statuts der Beamten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft und die
Verordnung zur Änderung der Regelung der Bezüge und der sozialen Sicherheit der Atomanlagenbediensteten der Gemeinsamen Kernforschungsstelle, die in der Bundesrepublik Deutschland dienstlich verwendet werden
keine Bedenken erhoben hat.
Wir beginnen mit der
Fragestunde
— Drucksachen V/ 1290,V/ 1292 —
Ist der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten anwesend? — Er ist nicht da, — aber die Frau Gesundheitsministerin. Dann rufe ich die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheitswesen auf, zunächst die Frage XV/1 des Herrn Abgeordneten Geldner:
Welche Feststellung hat die Bundesregierung hinsichtlich der Durchführung des Gesetzes über Detergentien in Wasch- und Reinigungsmitteln aus dem Jahre 1961 getroffen?
Bitte, Frau Ministerin!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Die Antwort lautet, daß die einschlägige Industrie nach dem Erlaß des Gesetzes am 5. September 1961 neue, biologisch leicht abbaubare Detergentien entwickelt und die Produktion entsprechend umgestellt hat. Seit dem Inkrafttreten der Rechtsverordnung zum Detergentiengesetz am 1. Oktober 1964 werden in der Bundesrepublik Deutschland nur noch Wasch- und Reinigungsmittel mit neuen Detergentien in den Verkehr gebracht. Die zu diesem Zeitpunkt im Verkehr befindlichen Restbestände alter Zusammensetzung sind inzwischen aufgebraucht.
Die Bundesländer haben in eigener Zuständigkeit acht Prüfstellen zur Überwachung dieser gesetzlichen Bestimmungen im Bundesgebiet eingerichtet. Ferner hat die Bundesregierung ein umfassendes Gutachten über alle wesentlichen Fragen auf diesem Gebiet anfertigen lassen, das Ende 1966 fertiggestellt wurde und in Kürze veröffentlicht werden soll.
Darf ich auch gleich auf die Frage 2 anworten?
Bitte schön! — Dann rufe ich auch die Frage XV/2 des Herrn Abgeordneten Geldner auf:
Sind Pressemeldungen zutreffend, wonach ein 80%iger Abbau der neuen waschaktiven Substanzen in Flüssen und Abwässerreinigungsanlagen erfolgt?
Die Frage 2 wird eindeutig mit Ja beantwortet. Untersuchungen an biologischen Kläranlagen ließen erkennen, daß der Abbau sogar bis zu 90 % betragen kann. Ohne Zwischenschaltung biologischer Kläranlagen allerdings ist der Abbaueffekt naturgemäß geringer. Die Überprüfung von Fließgewässern ergab jedoch einen Rückgang des Detergentiengehalts um 50 bis 80 %.
Darf ich auch die nächste Frage gleich beantworten?
Frage XV/3 des Herrn Abgeordneten Geldner lautet:
Hält die Bundesregierung die bisher festzustellenden Ergebnisse über den Abbau von Detergentien für befriedigend?
Die Antwort auf die dritte Frage lautet ebenfalls Ja. In Übereinstimmung mit dem Hauptausschuß „Detergentien und Wasser" ist die Bundesregierung jedoch der Meinung, daß die Situation auf diesem Gebiet auch weiterhin überprüft werden muß.
Zusatzfragen, Abgeordneter Geldner? — Nein.Dann rufe ich die Fragen XV/4 und XV/5 des Abgeordneten Ollesch auf:Wie hoch schätzt die Bundesregierung z. Z. den Schwesternmangel in Deutschland?Wieviel Krankenstationen sind schätzungsweise aus Mangel an Pflegepersonal geschlossen?Bitte, Frau Ministerin!
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3982 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 86. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Januar 1967
Herr Präsident, ich bitte, die beiden Fragen, wenn der Herr Kollege damit einverstanden ist, zusammen beantworten zu dürfen.
Ja.
Statistische Angaben über den Mangel an Schwestern und über die Zahl ,der infolge dieses Mangels geschlossenen Krankenstationen liegen weder dem Bund noch den Ländern vor. Ich habe mich deshalb an die Deutsche Krankenhausgesellschaft gewandt, den Dachverband aller deutschen Krankenhausträger. Der Mangel an ausgebildetem Pflegepersonal wird von ihr auf rund 25 000 bis 30 000 Personen geschätzt, von denen etwa 70 % Krankenschwestern und -pfleger sein werden. Über die Zahl der geschlossenen Krankenstationen vermag auch die Krankenhausgesellschaft leider nicht Verbindliches zu sagen.
Im übrigen scheint mir die Frage der Schließung der Krankenstationen auch ein Strukturproblem zu sein. Bei einer nach wie vor großen, ja steigenden Nachfrage bevorzugt auch das Krankenpflegepersonal verständlicherweise Stellen, die bessere Arbeits- und Lebensbedingungen versprechen, z. B. neue moderne Häuser, die Nähe von Städten usw.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ollesch.
Frau . Minister, der Mangel an Pflegepersonal ist allgemein bekannt. Die Länder helfen sich zum Teil damit, daß sie Pflegevorschulen einrichten, in die die Mädchen mit 14 Jahren eintreten können. Wäre es nicht sehr sinnvoll, das Alter für den Eintritt in die Schwesternausbildung, das heute bei 18 Jahren liegt, herabzusetzen, um einen Anschluß zu finden zwischen der Zeit als Schwesternvorschülerin und Schwesternschülerin? Die Ausbildung als Schwesternvorschülerin beginnt mit 14 Jahren und endet mit 16 Jahren. Dann kommen zwei Jahre, bis das Mädchen die Ausbildung als eigentliche Schwester beginnen kann. Dieser Zeitraum scheint mir zu lang zu sein. Es besteht die Gefahr, daß die Vorschülerin dann doch nicht den angestrebten Beruf ergreift und irgendwo anders hin abwandert. Kann man nicht das Eintrittsalter herabsetzen, vielleicht auf 17 Jahre? Die jungen Menschen sind ja heute etwas früher reif, als das früher der Fall war.
Wollen wir jetzt das Fragezeichen setzen, Herr Ollesch.
Herr Präsident, ich bitte um Entschuldigung. Die Frage bedurfte einer etwas längeren Erläuterung.
Herr Kollege, es ist bekannt, daß diese
Frage bei der Änderung des Krankenpflegegesetzes im Jahre 1965 in diesem Haus eine große Rolle gespielt hat. Nun ist zur Zeit noch nicht ganz deutlich, inwieweit das von diesem Haus geänderte Krankenpflegegesetz auf den Nachwuchsmangel einwirken wird. Man muß da noch etwas abwarten. Immerhin ist nach den Angaben der Deutschen Krankenhausgesellschaft sowohl die Zahl der Schulen als auch die der Schüler in der Kranken- und Kinderpflege sowie in der Krankenpflegehilfe im letzten Jahr zum Teil sehr stark gestiegen. Tatsächlich haben wir absolut gesehen — allerdings nicht am Bedarf gemessen — niemals so viel ausgebildetes Krankenpflegepersonal gehabt wie zur Zeit.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Ollesch.
Frau Minister, mir wurde mitgeteilt, daß einige Arbeitsämter den Schwesternberuf nicht als Lehrberuf oder Anlernberuf anerkennen. Können Sie diese Auffassung bestätigen, oder sind Sie der Meinung, daß auch der Schwesternberuf als Lehrberuf bezeichnet werden kann?
Das ist keine Frage der Meinung, sondern eine Sache der gesetzlichen Bestimmungen. Die Bundesregierung kann darauf nur im Wege der Berufszulassung Einfluß nehmen.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Ollesch.
Würden Sie nicht der Meinung sein, daß eine Änderung dahin gehend erfolgen sollte, den Schwesternberuf als Lehrberuf anzuerkennen, damit die Schülerinnen in den Genuß der Ausbildungshilfe kommen können?
Herr Kollege, ich bin gern bereit, das gründlich zu überprüfen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Schmidt .
Frau Minister, nachdem Sie in einer der vorhergehenden Antworten auf die möglicherweise mangelnde Anziehungskraft des Schwesternberufes wegen des Vorhandenseins älterer oder veralteter Krankenhäuser hingewiesen haben, möchte ich Sie fragen, ob Sie uns etwas über das Verhältnis zwischen modernen Krankenhäusern und veralteten Krankenhäusern in der Bundesrepublik sagen können.
Herr Kollege Schmidt, ich bin der Meinung, daß der Arbeitsplatz — das kam bereits in meiner
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 86. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Januar 1967 3983
Bundesminister Frau Strobelersten Frage zum Ausdruck — natürlich einen Einfluß darauf ausübt, ob mehr Menschen bereit sind, den Pflegeberuf zu ergreifen. Es ist leider so, daß sich etwa 160 000 Krankenhausbetten von etwa 620 000 Betten — also rund ein Fünftel — in Häusern befinden, die älter als 50 Jahre sind. Man muß daraus schließen, daß die überalterten Krankenhäuser bezüglich der Rationalisierung und der Modernisierung ganz besonders dringend der Hilfe bedürfen. Das wirkt sich natürlich auch auf die Frage aus, ob sie mehr Pflegepersonal finden oder nicht.Leider können diese Aufgaben vorläufig im allgemeinen nur von den Ländern unterstützt werden. Dabei ist das Personalproblem natürlich eng mit der wirtschaftlichen Sicherung verzahnt, und die Lösung des einen Problems hängt weitgehend davon ab, ob es gelingt, für das andere eine befriedigende Dauerregelung zu finden.
Ich rufe die Frage XV/6 des Abgeordneten Dr. Rutschke, übernommen vom Herrn Abgeordneten Moersch, auf:
Was beabsichtigt die Bundesregierung zu tun, um die schätzungsweise 1,2 Millionen Zuckerkranken in Deutschland, die wohl nicht wissen, daß sie Diabetiker sind, zu Erkennungsuntersuchungen zu bewegen?
Bitte, Frau Minister!
Herr Kollege, es handelt sich hier um die Diabetes-Frage. Darauf darf ich antworten, daß die Zuckerkrankheit in den Jahren nach dem Kriege mit zunehmendem Konsum, vor allem als Folge veränderter Ernährungsgewohnheiten, und mit steigender Lebenserwartung häufiger geworden ist.
Systematische Reihenuntersuchungen, die in den letzten Jahren sowohl im Inland wie im Ausland durchgeführt wurden, haben ergeben, daß auch Personen, die sich gesund fühlten, von der Diabetes ergriffen waren. Es kam auf einen bereits vorhandenen Zuckerkranken mindestens ein weiterer Kranker, der bis dahin von seiner Erkrankung nichts wußte. Die Zahl von 1,2 Millionen Zuckerkranken stellt demnach die geschätzte Gesamtzahl für die Bundesrepublik dar. Insbesondere leichte Fälle der Erkrankung bleiben oft lange" Zeit unerkannt und werden nur zufällig, dann aber meist zu spät, entdeckt.
In der Diabetes-Früherkennungsaktion der deutschen Ärzteschaft im Jahre 1964 wurden, wie zu erwarten war, rund 27 000 bis dahin unerkannte Fälle von Zuckerkrankheit diagnostiziert. Der beste Weg zur Früherkennung und Frühbehandlung der Zuckerkranken sind mithin breit angelegte Untersuchungsaktionen. Zwei Bundesländer wollen nach vorhergehenden Modellversuchen die Röntgenreihenuntersuchungen dazu benutzen, gleichzeitig eine Diabetes-probe vornehmen zu lassen. In einer Landeshauptstadt sind jedem Haushalt Teststreifen durch Postwurfsendungen zugestellt worden mit der Aufforderung, bei einem verdächtigen Befund alsbald den Hausarzt aufzusuchen. Es hat sich herausgestellt, daß sich die Bevölkerung sehr lebhaft an der Aktion beteiligt hat.
Aufklärende Maßnahmen, mit denen die Bevölkerung zur Mitwirkung aufgerufen wird, müssen sachlich und zeitlich genau auf die Besonderheiten der jeweiligen Aktion abgestimmt und deshalb von den gleichen Stellen eingeleitet und gelenkt werden, die für die Abwicklung der betreffenden Aktion verantwortlich sind.
Die Bundesregierung ihrerseit ist zur Zeit darum bemüht, durch Einschaltung der Massenmedien die Bevölkerung von der Notwendigkeit und dem Wert all gemeiner und gezielter Vorsorgeuntersuchungen zu überzeugen. Ich habe außerdem das Zentralinstitut für Gesundheitserziehung in Köln beauftragt, die Entwicklung von Aufklärungsmaterial zur Vorbereitung und Förderung von Diabetes-Früherkennungsaktionen unverzüglich in sein Arbeitsprogramm für 1967 aufzunehmen.
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die von dem Herrn Abgeordneten Dichgans gestellten und von der Abgeordneten Frau Jacobi übernommenen Fragen XV/7 und XV/8 auf:
Wie rechtfertigt es die Bundesregierung angesichts "der Erklärungen, die die Bundesgesundheitsministerin am 9. Dezember 1966 in der Fragestunde zu den schädlichen Folgen des Fluglärms abgegeben hat, daß die Bundespost erstmals zu Weihnachten 1966 eine Durchbrechung des Nachtstartverbots für Strahlflugzeuge in Lohausen, das jahrelang zum Schutze der Bevölkerung streng durchgehalten worden war, betrieben und erreicht hat?
Ist die Bundesregierung bereit zu erklären, daß die Bundesverwaltungen in Zukunft den Schutz der Bürger vor den sogenannten technischen Fortschritt stellen werden, soweit dieser zu Lasten der menschlichen Gesundheit geht?
Bitte, Frau Minister!
Frau Kollegin, dem Herrn Kollegen Dichgans ist bekannt — ich hatte um die Weihnachtszeit mit ihm verschiedene Fernschreiben deswegen gewechselt —, daß die beanstandeten Nachtflüge vom Verkehrsminister des Landes Nordrhein-Westfalen auf Antrag des Bundespostministers genehmigt worden sind. Die Flüge beschränkten sich auf insgesamt vier Starts und Landungen in der Zeit vom 21. bis 24. Dezember 1966. Sie dienten der Beförderung der vor Weihnachten angefallenen Berlin-Post.Mit den sonst im Nachtverkehr verwendeten Kolbenmaschinen konnte der Weihnachtspostanfall nicht bewältigt werden. Ohne den Einsatz eines Düsenflugzeuges hätte sich die Zustellung der Berlinpost um 24 Stunden verzögert. Die Zustellung der am Abend des 23. Dezember angelieferten Post wäre sogar erst am 27. Dezember möglich gewesen.Der Bundespostminister, der hier zuständig ist, glaubte, diese Verzögerungen der postalischen Versorgung Berlins gerade an Weihnachten nicht verantworten zu können. Er sieht jedoch in vorweihnachtlichen Nachtflügen für Zwecke der Bundespost eine einmalige Durchbrechung des für den Flughafen Düsseldorf-Lohausen angeordneten generellen Nachtstartverbots.Darf ich noch folgendes hinzufügen. Ich stehe selbstverständlich nach wie vor zu meiner in der Fragestunde vor vier Wochen erteilten Antwort,
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3984 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 86. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Januar 1967
Bundesminister Frau Strobeldaß Fluglärm je nach Lautstärke, Lästigkeit und Einwirkungsdauer zu Gesundheitsschäden führen kann und daß gegen diese Gefahren angegangen werden muß. Ich meine, daß Gelegenheit dazu die im Ausschuß für Gesundheitswesen des Deutschen Bundestages angelaufenen Erörterungen über das gesamte Fluglärmproblem im Zusammenhang mit den Beratungen über den Entwurf eines Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm in der Umgebung von Flughäfen geben können. Der Ausschuß für Gesundheitswesen hat sich bekanntlich dafür von Sachverständigen beraten lassen und in diesen Tagen abschließend auch die Vertreter von Interessenverbänden für die Bekämpfung des Fluglärms gehört.Ich bin sicher, Frau Kollegin, daß in diesen Beratungen dem Schutz der Nachtruhe vor Lärmeinwirkungen besondere Bedeutung eingeräumt wird. Damit habe ich also beide Fragen im wesentlichen beantwortet. Es ist im Grundsatz richtig, daß dem technischen Fortschritt nicht einseitig der Vorzug gegeben werden darf, wenn Gesundheitsgefahren für Menschen zu besorgen sind. Für mein Haus darf ich sagen, daß es dies bei einer Fülle von Aufgaben immer beachten wird.
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Jacobi.
Muß die Bevölkerung in dem Großraum Düsseldorf damit rechnen, daß in Zukunft vor hohen Festtagen eine ähnliche Situation eintritt und daß der Bundespostminister dann die Ankunft der Post in Berlin vor die Nachtruhe der Bevölkerung stellen wird?
Frau Kollegin Jacobi, ich habe die Antwort, die mir der Herr Bundespostminister gegeben hat — da ich ja die Antwort auf die Frage mit ihm zusammen vorbereiten mußte —, so verstanden, daß dies eine einmalige Ausnahme war. Ich wäre auch selber gern bereit, bei ihm dahin zu wirken, daß es sich nicht wiederholt bzw. daß andere Möglichkeiten gefunden werden. — Wie Sie sehen, ist Herr Kollege Dollinger nicht der Meinung, daß es im Weihnachtsverkehr absolut unvermeidlich ist.
Herr Abgeordneter Moersch zu einer Zusatzfrage.
Frau Ministerin, halten Sie es für denkbar, daß sich die Findigkeit der Bundespost bei ähnlichen Gelegenheiten vielleicht dadurch auszeichnen könnte, daß man für Nachttransporte auf einen Flughafen in der Nähe ausweicht, der nicht so dicht bei Wohngebieten liegt wie Düsseldorf-Lohausen, z. B. nach Köln-Wahn?
Herr Kollege Moersch, ich hatte es für denkbar gehalten und hatte diese Frage aus diesem Grunde dem Bundespostministerium gestellt. Aber anscheinend hat sich diese Möglichkeit nicht ergeben. Ich bin jedoch davon überzeugt, daß Herr Kollege Dollinger das versucht hat, nachdem mein Haus mit ihm gesprochen hatte.
Frau Abgeordnete Jacobi, noch eine Zusatzfrage.
Könnte der Herr Bundespostminister, der zufällig anwesend ist, uns vielleicht mitteilen, ob er durch besondere Propagandamaßnahmen den verstärkten Postverkehr in den Tagen vor den Festtagen etwas vorverlegen könnte?
Wenn der Herr Minister eine Antwort geben will, bitte sehr!
Mit Vergnügen, Herr Präsident! Sehr verehrte gnädige Frau, die Sache verhält sich so: Die Nachtluftpost ist darauf abgestellt, die Briefe möglichst schnell zu befördern. Deshalb Luftpost! Nach Berlin haben wir von Düsseldorf aus den gesamten Bereich des Ruhrgebiets einbezogen.
Nun haben die normalen Maschinen eine wesentlich geringere Ladefähigkeit als Düsenapparate. Die Folge der Beförderung mit normalen Maschinen war im Anfang und wäre es auch jetzt gewesen, daß wir bis zu 150 000 Briefe einfach nicht hätten befördern können. Wenn die Düsenmaschinen mit der erhöhten Kapazität nicht eingesetzt worden wären, hätte das zur Folge gehabt, daß eine ganze Reihe von Briefen — ich bitte, die Dinge nicht so zu sehen, daß es vielleicht nur um formelle Glückwunschkarten gegangen sei — in Berlin einfach erst zwischen Weihnachten und Neujahr zugestellt worden wäre. Aus diesem Grunde war man der Auffassung, daß man, um auch für Berlin eine rasche Zustellung der für die Feiertage bestimmten Post zu erreichen, ausnahmsweise Düsenmaschinen einsetzen sollte.
Herr Abgeordneter Schmidt zu einer Zusatzfrage.
Geht denn die Geschwindigkeit der Würde des Menschen vor?
Man kann selbstverständlich von der Würde des Menschen sprechen. Man kann aber auch von der Verbindung mit den Menschen in Berlin sprechen, die sich zu Weihnachten auf einen Gruß von Zuhause freuen.
Ich darf der Frau Ministerin meinen Dank sagen.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 86. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Januar 1967 3985
Vizepräsident Dr. DehlerIch rufe nun die Frage X/1 des Abgeordneten Ertl aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf:Wie lange beabsichtigt die Bundesregierung die Förderungsmittel für die Agrarstrukturverbesserung zu sperren?Bitte, Herr Minister!
Herr Präsident, ich bitte, mir zu gestatten, die drei Fragen dieses Geschäftsbereichs, da sie in einem Sachzusammenhang stehen, gemeinsam beantworten zu dürfen, zumal sie auch von demselben Fragesteller stammen.
Einverstanden. Ich rufe also auch die Fragen X/2 und X/3 des Abgeordneten Ertl auf:
Ist beabsichtigt, durch die verhängte Sperre für Mittel zur Verbesserung der Agrarstruktur die Förderungsmaßnahmen für die Landwirtschaft einzuschränken oder umzustellen?
Wird die Bundesregierung die Verpflichtungen aus dem EWG-Anpassungsgesetz, nachdem der Getreidepreis im Jahre 1967 gesenkt werden soll, erfüllen?
Die erste Frage darf ich wie folgt beantworten. Es handelt sich keineswegs um etwas Außenordentliches, sondern um die Durchführung einer Bestimmung der Haushaltsordnung, die vorschreibt, daß alle gesetzlich nicht gebundenen Ausgaben erst dann geleistet werden dürfen, wenn das Parlament den Haushalt festgestellt hat. Das ist noch nicht der Fall, so daß es bei der Ordnung verbleiben muß, daß nur 75 % des Vorjahresansatzes — bzw. ein Zwölftel je Monat davon — verwendet werden dürfen.
Darüber hinaus hat die Bundesregierung aber in ihren Sitzungen gestern und vorgestern Vorkehrungen dafür getroffen, daß alle Investitionsausgaben — die hier zur Debatte stehenden Ausgaben gehören dazu — so rasch wie möglich wieder freigegeben werden. Sie können damit rechnen, daß das unverzüglich der Fall sein wird.
Mit der Sperre soll — damit komme ich zu Ihrer zweiten Frage — keineswegs eine Veränderung oder Umstrukturierung in diesem Ausgabenblock vorgenommen werden. Natürlich sind fortgesetzt Überlegungen am Platze, um neue Erfahrungen zu verwerten.
Im übrigen hat die Bundesregierung gestern Vorschläge gemacht, die es dem Parlament erleichtern, den Haushalt zügig zu beraten und die Festlegungen auch in diesem Ausgabenbereich dem Umfang und der Qualität nach zu treffen.
Die dritte Frage darf ich dahin beantworten, daß es zu den bevorzugten Aufgaben der Bundesregierung gehört, vom Parlament beschlossene Gesetze auszuführen. Dazu gehört auch das EWG-Anpassungsgesetz. Über die endgültige haushaltsmäßige Behandlung dieser Frage kann aber frühestens Ende 1967 oder 1968 entschieden werden, da ein Teil der in diesem Gesetz genannten Leistungen vorher keine Etatreife wird erreichen können.
Herr Abgeordneter Ertl!
Herr Minister, teilen Sie mit mir die Auffassung, daß die Mittel für den Grünen Plan weitgehend auf Grund des Landwirtschaftsgesetzes und somit auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung verplant bzw. eingesetzt werden?
Das gilt vor allem für die Maßnahmen, die das Landwirtschaftsgesetz vorschreibt. Agrarstrukturmaßnahmen haben aber darüber hinaus noch einen besonderen Charakter, der sich keineswegs auf die landwirtschaftlichen Gesichtspunkte beschränkt, sondern Landeskulturaufgaben mit beinhaltet. Es wird noch eine Information dahingehend erfolgen, daß diese Landeskulturaufgaben in eine besondere Dringlichkeitsstufe einbezogen werden.
Zu einer weiteren Frage Herr Abgeordneter Ertl.
Herr Minister, sind Sie nicht auch der Auffassung, daß es jetzt angesichts der schwierigen Haushaltslage höchste Zeit wäre, endlich zu mehrjährigen Strukturplänen überzugehen?
Ja, wenn ich einmal aus diesem Strukturbereich einen Posten herausgreifen darf, und zwar die Flurbereinigung — wohl die Hauptposition der Flächenstrukturpolitik —, so möchte ich sagen, daß sie zu den traditionellen, bewährten und auf lange Sicht angelegten Strukturplänen gehört, ohne daß es möglich wäre, sofort eine zeitliche Begrenzung zu bestimmen. Sie wissen ganz genau, daß alle bisherigen, sehr beachtlichen Bemühungen an der Personalsituation ihre Grenze finden.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Minister, darf ich Ihre Antwort so verstehen, daß die Maßnahmen unverzüglich, d. h. sofort, fortgesetzt werden?
Unverzüglich, wenn Sie mit mir in der Definition „ohne schuldhaftes Zögern" überein stimmen.
Herr Abgeordneter Ertl zu einer weiteren Frage.
Herr Minister, ich darf bezüglich des EWG-Anpassungsgesetzes die Frage anknüpfen, ob die neue Regierung gemeinsam mit dem Koalitionspartner nun bereit ist, die Zusagen des ehemaligen Bundeskanzlers Erhard gegenüber dem Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes zu erfüllen. Dazu gehört auch die Erklärung, daß die damalige Oppo-
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Ertlsitionspartei auch als Koalitionspartner bereit wäre, eine solche Zusage zu erfüllen.
Jede Bundesregierung ist verpflichtet, den gesetzlichen Bestimmungen zu entsprechen und nicht persönliche Aussprachen zur Grundlage ihrer Entscheidung zu machen, sie aber in ihre politische Entscheidung miteinzubeziehen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, können Sie mir einen Wirtschaftszweig nennen, der ähnliche politische Opfer bringen muß wie die Landwirtschaft, die Einkommenseinbußen durch Preissenkungen in Kauf nehmen muß, wobei andererseits auch noch die Förderungsmaßnahmen reduziert werden?
Herr Kollege Ertl, wenn ich jetzt nur als Landwirtschaftsminister spräche und nicht den großen Bereich aller gemeinsamen Aufgaben ins Auge zu fassen hätte, müßte ich die Frage mit Ja beantworten.
Herr Abgeordneter Dröscher zu einer Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, trifft es zu, daß die Agrarstrukturverbesserungsmaßnahmen bisher weitgehend von privaten Trägern getroffen wurden und dafür ein Apparat an Fachpersonal aufgebaut werden mußte und daß dieser Apparat, der in langen Jahren geschaffen wurde und funktionsfähig ist, nun wegen der abrupten Kürzungen in Gefahr gerät, sich aufzulösen?
Ich weiß, worauf Sie anspielen, Herr Kollege. Sie meinen vor allem die Aussiedlungen. Das ist nur ein relativ bescheidener Teil des großen Blocks der Agrarstrukturmaßnahmen. Sicher war es richtig, daß sich der Bund und die Länder in den gemeinsamen Richtlinien solcher Einrichtungen bedienen. Ich glaube aber nicht, daß ein Stopp, der ja in dieser Frage jedes Jahr, soweit der Haushalt noch nicht festgelegt ist, erfolgen muß, zu solchen Maßnahmen zwingen müßte.
Eine weitere Zusatzfrage.
Darf ich aus Ihrer Frage schließen, Herr Minister, daß Sie bereits Überlegungen angestellt und vielleicht auch Maßnahmen getroffen haben, um zu verhindern, daß jetzt abrupt ein Stopp erfolgt — ich denke z. B. an die Flurbereinigungsmaßnahmen, die durch solche privaten Träger auf eine breite Basis gestellt werden konnten — und die Maßnahmen abgebrochen werden müssen, einfach weil die Leute auseinanderlaufen?
Herr Kollege, es sind wenige. Die Flurbereinigungsmaßnahmen werden von staatlichen Behörden durchgeführt, und zwar nach der Arbeitsteilung, wie wir sie im Bund haben, auf Länderebene. Es handelt sich vor allem um Aussiedlungsmaßnahmen. Nun steht es mir gar nicht zu, personelle Verantwortlichkeiten und Haftungen zu übernehmen. Ich kann nur sagen, daß gestern durch die Beratungen der Bundesregierung alle Voraussetzungen geschaffen worden sind, damit dort, wo keine gesetzlichen Verpflichtungen bestehen, sondern nur freiwillige Leistungen zu vollziehen sind, im Rahmen der Anregung der Investitionstätigkeit das getan wird, was die Stunde erfordert.
Herr Abgeordneter Reichmann zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, trifft es zu, daß die Landwirtschaft durch die Auswirkungen der EWG dreifach einseitig betroffen wird, nämlich erstens durch die direkte Getreidepreissenkung, zweitens durch die Belastungen im Agrarhaushalt wegen der Zahlungen nach Brüssel, wodurch die Förderungsmaßnahmen für die Landwirtschaft eingeschränkt werden müssen, und drittens durch die voraussichtliche Nichterfüllung der Zusage, Ausgleichszahlungen nach dem EWG-Anpassungsgesetz zu leisten.
Wenn ich gleich die letzte Frage aufnehmen darf: ich habe ausdrücklich erklärt, daß es zu den Aufgaben der Bundesregierung gehört, Gesetze auszuführen. Über das Ausmaß bestimmt der Bundestag selbst, und zwar im Rahmen seines Bugdetrechts, und das wird zu gegebener Zeit erfolgen.
Zweitens: Es geht nicht an, im Rahmen der vielen möglichen Lösungen bei den einzelnen Produkten nur das herauszunehmen und zu beanstanden, was vielleicht negativ für uns und positiv für andere Beteiligte ausgefallen ist, und andere Positionen, bei denen wir keineswegs schlecht abgeschnitten haben, nicht in die Rechnung einzustellen.
Hier muß eine Gesamtbilanz gezogen werden. Es gibt gar keinen Zweifel, daß die Landwirtschaft im Rahmen dieses fortgesetzten Integrationsprozesses eben auch Kompromisse schließen mußte, die zu ihren Lasten gingen. Wir haben aber auch Kompromisse geschlossen, die zu Lasten anderer Partner gingen und uns Vorteile bringen, Das muß insgesamt gesehen werden. Dieser Prozeß ist noch keineswegs abgeschlossen; wir befinden uns mitten darin.
Herr Abgeordneter Reichmann, eine weitere Frage.
Herr Minister, darf ich fragen: sind die Veröffentlichungen — auch seitens der Bundesregierung — zutreffend, daß wir im Ender-
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 86. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Januar 1967 3987
Reichmanngebnis nach Brüssel eine Milliarde Mark mehr einzahlen müssen, als wir zurückbekommen?
Ich möchte meinen, daß die Mitteilungen der Bundesregierung immer zutreffend sind. Zumindest gibt sie sich die Mühe, subjektiv alles aufzubieten, um objektive Informationen, das Äußerste an Information zu leisten. Es ist richtig, wenn Sie sagen, daß wir im Agrarsektor, weil wir ein Einfuhrland sind, nach der Konstruktion des Vertrages Abgaben zu leisten haben, die eine negative Gesamtbilanz bei uns ausweisen. Wie die Dinge aber einmal sein werden, wenn die Gemeinschaft über eigene Einnahmen bei den Abschöpfungen und bei den Zöllen möglicherweise verfügt, das kann heute noch niemand sagen, weil die Warenströme sich erst unter dem Einfluß der neuen Erleichterung bilden müssen. Dann erst können solche Fragen sachgemäß beantwortet werden.
Herr Abgeordneter Logemann!
Herr Minister, würde es nicht doch zu einer Abwertung aller Kanzlerzusagen für die Zukunft führen, wenn so konkrete Kanzlerzusagen, wie sie Herr Bundeskanzler Erhard gegenüber einem Berufsverband und gegenüber der Öffentlichkeit gemacht hat, von der neuen Bundesregierung nun nicht vorrangig erfüllt würden?
Herr Kollege, jede Kanzlerzusage und jede Minitsterzusage steht unter dem Generalvorbehalt des Budgetrechtes des Parlaments. Es wäre eine Anmaßung, wenn sich ein Regierungsmitglied gestatten würde, dem Parlament das Budgetrecht vorwegzunehmen. Hier in diesem Hause fallen die wirklichen Entscheidungen.
Zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Logemann.
Herr Minister, gilt das auch für Kanzlerzusagen, die später sogar in Gesetzesform umgemünzt wurden?
Auch bei der Gesetzesform gibt es — wir erleben das ja laufend — noch höhere Gesetzlichkeiten, nämlich das Gesetz des Mangels. Ich bin überzeugt, daß das Parlament seine eigenen Gesetze bei der Haushaltsverabschiedung unter Berücksichtigung der in der Verfassung vorgeschriebenen Deckungsverpflichtung beachtet. In diesem Rahmen wird die Bundesregierung mit innerer Überzeugung diese Gesetze auszuführen wissen.
Herr Abgeordneter Dr. Schulze-Vorberg, eine Zusatzfrage.
Herr Minister, wenn Sie soeben von einer negativen Gesamtbilanz in bezug auf Brüssel und die Agrarleistungen sprachen — werden Sie alle Möglichkeiten nutzen, diese negative Bilanz zu drosseln, soweit das irgend angeht?
Herr Kollege, bei dem Wort „negativ" muß man das Quantitative und das Qualitative unterscheiden. Qualitativ ist es keineswegs negativ. Wir glauben in einem großen europäischen Integrationsprozeß uns allen etwas Gutes zu tun. Quantitativ gesehen — also rein zahlenmäßig —, ist es eine negative Bilanz. Wir bemühen uns erfolgreich, hier obere Grenzen zu setzen, weil wir nicht durch negative quantitative Ergebnisse die qualitative gute Seite gefährden möchten.
Eine weitere Frage, Abgeordneter Dr. Schulze-Vorberg.
Herr Minister, ist trotz aller Sparmaßnahmen, die notwendig sind oder noch notwendig werden könnten, die Kontinuität der Agrarstrukturmaßnahmen gesichert?
Das möchte ich bejahen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Jung.
Herr Minister, Sie haben soeben von positiven und negativen Auswirkungen gesprochen. Könnten Sie bitte besser präzisieren, welche Auswirkungen Sie als für die deutsche Landwirtschaft besonders positiv erachten?
Die Tatsache, daß wir einen großen gemeinsamen Produktions- und Konsummarkt von 184 Millionen Menschen schaffen, der allein schon seiner Größe wegen nach klassischen Beispielen in der Geschichte in der Lage sein wird, innerhalb dieser großen Volkswirtschaft Ausgleichsleistungen herbeizuführen, die uns allein versagt blieben. Im übrigen haben schon die bisherigen sieben und acht Jahre, in denen wir diesen Integrationsprozeß betreiben, den gegenseitigen Handel und den gegenseitigen Warenaustausch so verstärkt, daß davon auszugehen ist, daß sich die steigende Konsumkraft, auf die die Landwirtschaft mehr als auf alles andere angewiesen ist, im europäischen Markt bewähren wird. Darin sehe ich die ganz entscheidende günstige Voraussetzung auch für die deutsche Landwirtschaft.
Herr Abgeordneter Jung zu einer weiteren Zusatzfrage.
Wie, Herr Minister, erklären Sie sich dann diese einseitige Einkommenssenkung?
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Von einseitiger Einkommenssenkung kann gar keine Rede sein. Ich greife ein Produkt heraus: Wir haben einen Milchrichtpreis von 39 Pf für das Jahr 1968 in Aussicht genommen, und das ist eine Einkommenssteigerung, keine Einkommenssenkung. Ich bin der Meinung, daß wir z. B. auf dem Schweinefleischsektor, wenn wir das letzte Jahr oder das letzte Dreivierteljahr nehmen, keine Einkommenseinbußen, sondern eine günstige Entwicklung zu verzeichnen hatten. Wir hatten negative Entwicklungen auf einigen anderen Gebieten, die dem Markt ausgesetzt sind. Das ist aber kein neuer Vorgang. Ich darf Sie bitten, die Zahlenreihen allein von 1957 bis heute zu vergleichen. Sie werden dann feststellen, daß wir bei Rindfleisch im Jahre 1957 mit 1,71 DM angefangen haben und in dem sehr guten Jahr 1965 im Schnitt bei 2,61 DM waren, daß wir im Jahre 1966 leider eine Einbuße zu erleiden hatten, daß wir aber schon wieder in der Lage sind, den Preis in den Griff zu bekommen. Man muß also die Dinge sehr differenziert betrachten, um hier eine gültige Aussage machen zu können.
Herr Abgeordneter Moersch zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, sind Sie bereit, Ihre Antwort von vorhin, daß alle Entscheidungen in diesem Hause fallen, vielleicht doch zu korrigieren, wenn ich Sie daran erinnern darf, daß eine wichtige Entscheidung über den Haushalt in Washington beim Devisenhilfeabkommen gefallen ist und eine andere, unerhört belastende Entscheidung in Brüssel gefallen ist, ohne dieses Haus zu fragen, nämlich bei der EWG-Anpassung und bei der Getreidepreissenkung einschließlich der Agrarfinanzierung?
Sie wissen ganz genau, wie das EWG-Recht fortgesetzt in nationales Recht übertragen werden muß. Sie kennen den Appendix, den man damals bei der Ratifizierung des EWG-Vertrages gemacht hat. Das Parlament hat alle Möglichkeiten, auch bei den Verpflichtungen in anderen internationalen Bereichen, für die ich hier nicht zu sprechen habe, seine Mitwirkung entsprechend auszugestalten, und ich bin überzeugt, daß alle diese früher wie heute getroffenen Entscheidungen von einer entscheidenden Mehrheit des Hauses getragen sind. Es gibt direkte und indirekte Möglichkeiten. Es muß nicht immer ein formeller Zustimmungsakt sein, sondern Sie haben überall durch die verfassungsmäßigen Gegebenheiten durchaus die Möglichkeit, das eine und das andere in Ihrem Sinne zu steuern.
Eine zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Moersch.
Herr Minister, wollen Sie also nachträglich sagen, daß das Parlament damals, als ohne sein Anhören solche Entscheidungen gefallen sind, verpflichtet gewesen wäre, den Bundeskanzler zu stürzen, der diese Entscheidungen getroffen hat?
Ich rede jetzt von meinem Ressort; ich habe kein Recht, von anderen Ressorts zu reden, obwohl ich auch da nicht Ihrer Meinung bin. Sie wollen mir eine Suggestivfrage stellen. Ich muß den Sinn, den Sie meiner Antwort unterstellt haben, zurückweisen.
Ich darf hier sagen: als die EWG-Agrarbeschlüsse gefaßt wurden, waren Sie in der Regierung. Ich hatte die Gelegenheit, diese Beschlüsse dort auszuhandeln. Sie hatten alle Möglichkeiten, bei Unzufriedenheit -die ich allerdings auch bei Ihnen nicht feststellen konnte —
nachträglich zu reparieren.
Herr Abgeordneter Logemann zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, wenn Sie hier ausführen — was ich durchaus zugeben möchte —, daß bei einigen Erzeugnissen die Preisentwicklung positiv war, dann müssen Sie aber doch wohl gleichzeitig anerkennen, daß, wenn jetzt Kanzlerzusagen nicht gehalten werden und die nationale Agrarpolitik gegebenen Verpflichtungen nicht nachkommt, die Kosten in der Landwirtschaft so steigen werden, daß in der Tat eine erhebliche Einkommenseinbuße durch die EWG-Entwicklung festzustellen sein wird.
Herr Kollege Logemann, ich bin über Ihre Frage sehr überrascht. Ich habe doch nicht gesagt, daß Kanzlerzusagen nicht gehalten werden, sondern aus dieser Kanzlerzusage wurde eine gesetzliche Bestimmung. Diese gesetzliche Bestimmung wurde von Ihnen getroffen und muß haushaltsmäßig im Zeitpunkt der Haushaltsreife ausgefüllt werden. Das wird Ende 1967, Anfang 1968 im Veredelungsbereich der Fall sein. Kein Mensch hat davon gesprochen, daß Sie das Gesetz ändern wollen oder daß wir nicht in der Lage seien oder uns weigerten, die von Ihnen beschlossenen und mit entsprechenden Etatmitteln ausgestatteten Gesetze durchzuführen.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Logemann.
Herr Minister, es ist aber doch so — das müssen Sie doch zugeben —, daß für die Landwirtschaft schon jetzt eine Kostensteigerung einsetzt, wenn gewisse Verbilligungen, zugunsten von Dieselkraftstoff z. B., nicht weiter gewährt werden.
Herr Kollege Logemann, Sie wissen noch gar nicht, wie die letzte Entscheidung über diese Frage sein wird. Sie ist noch streitbefangen. Ich habe alle Anstrengungen unternom-
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 86. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Januar 1967 3989
Bundesminister Höcherlmen, um hier eine Lösung zu finden, wie sie auch andere Partner in der EWG genießen.
Herr Abgeordneter Ertl, eine Zusatzfrage.
Herr Minister, sind Sie in der Lage und bereit, mir zu bestätigen, daß die FDP als Koalitionspartner sowohl bezüglich des Zeitpunktes als auch im Hinblick auf die finanziellen Belastungen, die auf den deutschen Haushalt zukommen, bei den Koalitionsgesprächen erhebliche Einwände im Hinblick auf die Agrarpreisharmonisierung gemacht hat?
Vorhin war die Rede nicht von der Agrarpreisharmonisierung, sondern zunächst von der Agrarfinanzierung. Es ist richtig, daß Sie, daß das Parlament seine Minister natürlich nicht allzu stark loben darf, damit sie schön auf Touren bleiben.
Ich habe aber insgesamt feststellen müssen, daß
Tadel und Lob in einem angemessenen Verhältnis
verteilt waren, und danach habe ich mich orientiert.
Die letzte Frage des Herrn Abgeordneten Logemann.
Herr Minister, da Sie ausgeführt haben, daß Kanzlerzusagen bezüglich ihrer Erfüllung von einer Entscheidung des Parlaments abhängig seien, darf ich Sie fragen: Wenn Sie schon erkennen mußten, daß Kanzlerzusagen in vollem Umfang nicht zu halten seien, warum haben Sie dann nicht versucht, eine Verschiebung der Getreidepreisharmonisierung über den 1. Juli 1967 hinaus zu erreichen?
Herr Kollege Logemann, Sie wissen, daß dieser Beschluß im Jahre 1964 gefaßt wurde. Ich glaube, daß niemand hier im Saal ist, der im Jahre 1964 z. B. die finanzielle Situation des heutigen Tages hätte voraussehen können. Wir müssen in der Vorausschau und in der, ich möchte einmal sagen, Selbstzuschreibung der Prophetengabe sehr zurückhaltend sein. Ich hätte sehr gerne einen anderen Getreidepreisbeschluß herbeigeführt. Aber mir sind die politischen Kräfte und die Abstimmungssituation in Brüssel genau bekannt. Ich glaube nicht, daß es zweckmäßig ist, bei zur Zeit aussichtslosen Dingen immer zu versuchen, sich eine Niederlage zu holen. Ich werde dort angreifen, ich werde dort zufassen, wo ich mir etwas verspreche. Das war bisher nicht möglich. Die Gründe sind ganz einfach: Sie werden Frankreich und Holland nicht dazu bringen, auch mit den besten Reden nicht, daß sie auf die Möglichkeiten vom 1. Juli 1967 an verzichten. Ich möchte Ihnen aber empfehlen, wegen der Auswirkungen im Veredlungssektor, für die es eine Gemeinschaftsentschädigung und ein Gesetz, das Anpassungsgesetz, also zwei Sicherungen, gibt, abzuwarten. Beim Getreide selbst sind die Dinge vollkommen klar. Wir bekommen im ersten Jahr 560 Millionen DM aus der gemeinsamen Kasse. Da gibt es Ausgleichsmöglichkeiten genug, die beim Getreide allein maximal mit 390 Millionen DM zu beziffern wären.
Ich möchte jetzt die Fragen an den Herrn Landwirtschaftsminister abschließen. Ich danke Ihnen, Herr Minister.
Ich rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr auf, zunächst die Frage XII/1 des Abgeordneten Matthes:
Wie beurteilt die Bundesregierung den schwarz-gelben Verkehrsstock als Hilfsmittel für alte Menschen und Gehbehinderte im Straßenverkehr?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, ich bitte um Ihr Einverständnis, die beiden Fragen des Herrn Abgeordneten Matthes gemeinsam zu beantworten, wenn der Herr Abgeordnete einverstanden ist.
Jawohl. Dann rufe ich auch die Frage XII/2 des Abgeordneten Matthes auf:
Hält die Bundesregierung bei positiver Beantwortung der unter XII/1 gestellten Frage eine entsprechende Ergänzung der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung für notwendig?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung sieht bisher vor, daß blinde Fußgänger ihre Behinderung durch einen weißen Stock oder durch gelbe Abzeichen mit drei schwarzen Punkten kenntlich machen, wobei Stock und Abzeichen gleichzeitig verwendet werden können. Auch der schwarz-gelbe Stock, der sogenannte „Wuppertaler Stock", soll dem körperbehinderten Verkehrsteilnehmer helfen, sich trotz seines Leidens bzw. seiner Behinderung sicher im Verkehr zu bewegen.
Im Rahmen einer Umfrage meines Hauses bei den Verkehrs- und Innenressorts der Länder haben diese geltend gemacht, schwarz-gelbe Stöcke seien besonders bei Dunkelheit weniger gut sichtbar als weiße Stöcke; außerdem würde die Einführung verschiedenartiger Schutzstöcke zu einer Verwirrung der Kraftfahrer beitragen. Aus diesen Gründen möchte mein Haus von einer entsprechenden Ergänzung der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung absehen. Selbstverständlich steht nichts im Wege, daß Fußgänger einen schwarz-gelben Stock benutzen, wenn sie das für richtig halten oder wünschen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Matthes.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht auch der Meinung, daß der schwarz-gelbe Stock ein wesentliches Hilfsmittel gerade für ältere
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3990 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 86. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Januar 1967
MatthesMenschen ist und bei der bekannten Abneigung gegen Armbinden auch ein recht gutes Kennzeichen für alle anderen Verkehrsteilnehmer darstellt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe zum Ausdruck gebracht, daß nichts gegen den Gebrauch dieser schwarz-gelben Stöcke spricht. Es kann jeder einen solchen Stock gebrauchen, wenn er das für richtig und zweckmäßig hält. Wir halten es nur nicht für richtig, diesen schwarz-gelben Stock in der zuständigen Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung gesetzlich zu verankern mit allen Folgen, die damit verbunden sind.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Matthes.
Darf ich Ihre Antwort so verstehen, daß Sie den jetzigen Text der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung für genügend halten, um die Zulässigkeit der Benutzung des schwarzgelben Stocks zum Ausdruck zu bringen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Jawohl.
Frage XII/3 des Herrn Abgeordneten Erhard :
Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, durch Modifizierungen des deutschen Tarifrechts beim grenzüberschreitenden Verkehr, insbesondere mit den Niederlanden und der Schweiz, dem Verfall des Frachtniveaus wirksam zu begegnen?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Im grenzüberschreitenden Güterverkehr auf der Straße, auf den sich Ihre Frage, Herr Abgeordneter, wohl bezieht, ist ein Verfall des Frachtniveaus nicht zu beobachten. Die Wettbewerbssituation der deutschen Transportunternehmer wird zwar durch erhebliche steuerliche Wettbewerbsvorteile ausländischer Unternehmer weiter beeinträchtigt. Doch war in den Nachbarländern, insbesondere auch in den Niederlanden und in der Schweiz, in den letzten Jahren ein noch stärkerer Preis- und Kostenanstieg als- in der Bundesrepublik festzustellen, der die Vorteile ausländischer Unternehmer bei den übrigen Kostenfaktoren, z. B. den Lohnkosten, entsprechend verringerte und einen langsam steigenden Trend des Frachtniveaus auslöste.
Die Bundesregierung hält die Bestimmungen des Güterkraftverkehrsgesetzes zur Sicherung der Tarifeinhaltung im grenzüberschreitenden Straßengüterverkehr, insbesondere auch die Überwachung dieses Verkehrs durch die Bundesanstalt für den Güterfernverkehr, für wirksam und ausreichend. Sie sieht für weitergehende Regelungen im Rahmen des nationalen Rechts keine Möglichkeiten. Sie bleibt aber um den Abschluß bilateraler Tarifabkommen weiterhin bemüht, um damit zu einer gleichen Ausgangsposition im Wettbewerb beizutragen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Erhard.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß durch Absprachen, die nicht unser nationales Recht betreffen, der deutsche Anteil am grenzüberschreitenden Güterverkehr immer mehr — schon fast vollständig — aus dem Geschäft des Straßengüterverkehrs zwischen der Schweiz und Holland ausgeschaltet wird?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es sind Verschiebungen im Anteilsverhältnis festzustellen. Das ist unzweifelhaft. Aber wir sind nicht der Auffassung, daß man hier von einem Verfall des Frachtniveaus sprechen kann, zu dem Sie eine Auskunft der Bundesregierung erbeten haben. •
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Erhard.
Sind Sie nicht der Meinung, Herr Staatssekretär, daß die Beobachtung einer solchen Verschiebung im Beförderungsaufkommen deutscher Unternehmen zu ernsthaften Überlegungen Anlaß gäbe, um dieser Entwicklung zu begegnen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wir werden die Entwicklung verfolgen. Ob sich die Möglichkeit und die Notwendigkeit zu besonderen Maßnahmen ergibt, wird man dann erst feststellen können.
Frage XII/4 des Herrn Abgeordneten Schlager:
Ist die Bundesregierung bereit, darauf hinzuwirken, daß baldmöglichst am neu eröffneten Zonengrenzübergang Saale-Brücke bei Rudolphstein eine leistungsfähige Autobahn-Raststätte in Betrieb genommen wird?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung hat rechtzeitig dafür gesorgt, daß am Tage der Eröffnung des Zonengrenzüberganges an der Saalebrücke bei Rudolphstein für ,die Autobahnbenutzer eine leistungsfähige Tank- und Rastanlage zur Verfügung stand. Es sind je eine Tankstelle auf beiden Seiten der Autobahn und eine Raststätte auf der Westseite vorhanden. Die Raststätte kann von der Gegenfahrbahn über eine Brücke erreicht werden; sie soll später durch ein Brücken-Restaurant über der Autobahn ersetzt werden. Da die Fertigstellung dieser Raststätte einige Zeit dauern wird, soll zwischenzeitlich auch auf der Ostseite der Autobahn eine Raststätte in Fertigteilbauweise errichtet werden. Mit ihrer Inbetriebnahme ist noch in diesem Frühjahr zu rechnen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abeordneter Schlager.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 86. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Januar 1967 3991
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Auffassung, daß diese Raststätten die zusätzliche Aufgabe haben, zugleich Schaufenster für die Bundesrepublik zu sein, und daß diese Raststätten daher auch in jeder Hinsicht, was Sauberkeit, Bedienung, Qualität der Speisen und Getränke anbelangt, Vorbildliches werden leisten müssen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wir stellen diese Anforderungen an sich an alle Autobahnraststätten.
— Selbstverständlich ganz besonders auch hier.
Ich rufe die Fragen XII/5, XII/6 und XII/7 des Herrn Abgeordneten Eisenmann auf, die von Herrn Abgeordneten Ramms übernommen werden:
Wie hoch ist der Anteil des privaten Kraftfahrzeughandwerks an den vorgeschriebenen regelmäßigen Untersuchungen der Automobile im Vergleich zum Technischen Überwachungsverein?
Sind auch die in Frage XII/5 erwähnten privaten Werkstätten an die vom Bundesverkehrsministerium festgesetzten TÜV-
Gebühren gebunden?
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, das Kraftfahrzeughandwerk mehr als bisher in die gesetzlich vorgeschriebenen Untersuchungen der Kraftfahrzeuge mit einzubeziehen?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich bitte damit einverstanden zu sein, Herr Präsident, daß ich die drei Fragen gemeinsam beantworte.
Ja, bitte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Anteil des privaten Kraftfahrzeughandwerks an den vorgeschriebenen regelmäßigen Untersuchungen der Kraftfahrzeuge und Anhänger ist nicht ermittelt. Geht man aber von der Zahl der gegenwärtig anerkannten Werkstätten aus — sie beträgt rund 9300 im Bundesgebiet —, so dürfte ein Anteil der Werkstätten an den regelmäßigen Untersuchungen von schätzungsweise 10 % den wirklichen Verhältnissen nahekommen. Dieser Anteil kann aber örtlich wesentlich höher sein. An den für bestimmte Fahrzeugarten zusätzlich vorgeschriebenen Zwischenuntersuchungen und Bremsensonderuntersuchungen sind die Prüfstellen der Technischen Überwachungsvereine und der Technischen Überwachungsämter nicht beteiligt. Diese in kürzeren Zeitabständen durchzuführenden Untersuchungen obliegen neben den Fahrzeug- und Bremsenherstellern sowie einigen sogenannten Eigenüberwachern ausschließlich den privaten Werkstätten.
Die Gebühren nach Art. II der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr gelten nur für die Tätigkeit der amtlich anerkannten Sachverständigen und Prüfer für den Kraftfahrzeugverkehr. Die privaten Werkstätten sind daran nicht gebunden.
Das Kraftfahrzeughandwerk ist — um das allgemein zu sagen — bei der technischen Überwachung der Kraftfahrzeuge weitgehend eingeschaltet, was in anderen Sparten, z. B. bei der Prüfung der Druckgasgefäße, der Lastenaufzüge usw., nicht der Fall ist. Für jede Werkstatt besteht bei Erfüllung der entsprechenden Voraussetzungen die Möglichkeit, eine Anerkennung zu erlangen und diese durch Eigeninitiative weitgehend auszunutzen. Darüber hinaus sieht die Bundesrepublik keine Möglichkeit, das Kraftfahrzeughandwerk in die technische Kraftfahrzeugüberwachung einzuschalten.
Darf ich um etwas Ruhe bitten. Ich verstehe den Herrn Staatssekretär bei dieser Geräuschkulisse nicht. — Herr Abgeordneter Ramms, haben Sie eine Zusatzfrage? — Nein.
Ich rufe die Fragen XII/8, XII/9 und XII/10 des Herrn Abgeordneten Schmidhuber auf:
Trifft die in einer Sendung des Zweiten Deutschen Fernsehens vom 3. Januar 1967 aufgestellte Behauptung zu, daß die Beförderung von Bierflaschen in Kisten, die dem Abnehmer (Brauerei) gehören, durch eine Glashütte im Werkverkehr gemäß § 48 des Güterkraftverkehrsgesetzes nicht zulässig ist?
Bei Bejahung der Frage XII/8: Hält die Bundesregierung dieses Ergebnis unter wirtschafts- und verkehrspolitischen Gesichtspunkten für vertretbar?
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, um derartige in Frage XII/8 erwähnte Härtefälle zu vermeiden?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Bundesministers Leber vom 18. Januar 1967 lautet:
Die von Ihnen gestellten Fragen betreffen die Abgrenzung zwischen Werkverkehr und genehmigungspflichtigem gewerblichem Güterkraftverkehr. Nach § 8 des Güterkraftverkehrsgesetzes entscheiden die Behörden der Länder darüber, ob eine Beförderung genehmigungspflichtig ist. Entsprechendes gilt für den Nahverkehr. Um ein einheitliches Vorgehen der Länder und der Bundesanstalt für den Güterfernverkehr sicherzustellen, soll die Angelegenheit auf der am 25./26. Januar 1967 unter Vorsitz des Bundesveikehrsministeriums stattfindenden Besprechung der Länderreferenten für den Güterkraftverkehr unter Beteiligung der Bundesanstalt für den Güterfernverkehr erörtert werden. Danach werde ich Ihnen unverzüglich antworten.
Ich rufe die Frage XII/11 des Herrn Abgeordneten Ramms auf:
Wann gedenkt die Bundesregierung Vorschläge zur Vereinheitlichung des Bahnbus- und Postbusverkehrs vorzulegen?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung hat die Deutsche Revisions- und Treuhand AG beauftragt, sich gutachtlich zu der Frage zu äußern, welche Möglichkeiten zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit im Omnibusbetrieb der Bundespost und der Bundesbahn bestehen. Insbesondere sollen dabei auch die Auswirkungen einer teilweisen oder gänzlichen Zusammenlegung der jetzt getrennt geführten Omnibusdienste untersucht werden. Notwendige Maßnahmen sollen nach dem Vorliegen des Gutachtens eingeleitet werden. Der für die Fertigstellung des Gutachtens vorgesehene Termin, nämlich Anfang April dieses Jahres, kann sich nach einer Mitteilung, die in diesen Tagen von der Treuarbeit eingegangen ist, verzögern, weil die notwendigen Ermittlungen, wie sich jetzt herausgestellt hat, sehr schwierig und differenziert sind.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ramms.
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3992 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 86. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Januar 1967
Werden bei Erstellung dieses Gutachtens auch die Belange des privaten Beförderungsgewerbes berücksichtigt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ja, die werden berücksichtigt.
Ich rufe die Fragen XII/12, XII/13 und XII/14 des Herrn Abgeordneten Faller auf:
Trifft es zu, daß der Straßengüterverkehr mit der Schweiz hinsichtlich des deutschen Anteils an der beförderten Tonnage rückläufig ist?
Treffen Meldungen zu, wonach eine Note des Eidgenössischen Politischen Departements in Bern an das Auswärtige Amt in Bonn wegen eines Staatsvertrages über den Straßengüterverkehr bisher noch nicht beantwortet ist?
Ist es richtig, daß die Bundesanstalt für den Güterfernverkehr an ihren Kontrollstationen an der deutsch-schweizerischen Grenze bei einfahrenden Schweizer Lastzügen besonders häufig Überladungen feststellt?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Anwort des Bundesministers Leber vom 18. Januar 1967 lautet:
Zu XII. 12
Der deutsche Anteil an der zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz beförderten Tonnage hat sich seit 1955 wie folgt entwickelt:
1955 34,7 %
1956 35,9 %
1957 38,8 %
1958 36,4 %
1959 35,3 %
1960 34,4 %
1961 37,0 %
1962 36,9 %
1963 38,3 %
1964 35,5 %
1965 36,3 %
Für .1966 liegen noch keine vollständigen Zahlen vor. Nach einem leichten Abfall im 1. Halbjahr 1966 auf 33,1 % steigt der deutsche Anteil nach den bisherigen Aufzeichnungen wieder leicht an.
Zu XII. 13
Das Eidgenössische Politische Departement in Bern hat in einer Note an das Auswärtige Amt vorgeschlagen, an Stelle des zwischen den beiderseitigen Verkehrsressorts abgeschlossenen Verwaltungsabkommens über den grenzüberschreitenden Straßengüterverkehr einen förmlichen Staatsvertrag abzuschließen. Die deutsche Seite hat der schweizerischen Seite vorgeschlagen, über diese Frage und über gewisse deutsche Wünsche zur Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen der deutschen und der schweizerischen Transportunternehmen zu verhandeln. Eine Antwort der schweizerischen Seite steht noch aus.
Zu XII. 14
Es ist nicht richtig, daß die Bundesanstalt für den Güterfernverkehr bei einfahrenden Schweizer Lastzügen besonders häufig Überladungen festgestellt hat. Eine Sonderkontrolle an den Südwestgrenzen der Bundesrepublik Deutschland im Oktober 1966 hat vielmehr ergeben, daß die Zahl der Überladungen der Schweizer Lastzüge geringer war als z. B. bei anderen ausländischen oder auch deutschen Lastzügen.
Ich rufe die Frage XII/15 des Herrn Abgeordneten Ramms auf:
Wie hat sich die Unfallhäufigkeit an Zebrastreifen seit Juni 1964 entwickelt?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine exakte Zählung der Fußgängerunfälle, die sich ausschließlich auf Zebrastreifen ereignet haben, liegt bis jetzt nicht vor. Es ist daher nicht möglich, die Auswirkungen der Zebrastreifen-Verordnung aus dem Jahre 1964 aus der Bundesstatistik abzulesen.
Auf Wunsch meines Ministeriums haben die Bundesländer aber diese Angaben im Laufe des Jahres 1965 in die Unfallanzeige der Polizei aufgenommen, so daß das Statistische Bundesamt in der Lage ist, für das Jahr 1966 eine Sonderaufbereitung über alle Arten von Fußgängerunfällen — auch der Unfälle auf Zebrastreifen — durchzuführen, deren Ergebnisse Ende dieses Jahres, also Ende 1967, vorliegen werden.
Die Entwicklung der Fußgängerunfälle insgesamt, in denen die Unfälle der Fußgänger auf Zebrastreifen unter anderen mit enthalten sind, zeigt folgendes Bild: Nachdem sich die Neuregelung der Zebrastreifen-Verordnung eingespielt hatte, konnte in den Monaten Juli bis September 1964 ein deutlicher Rückgang der tödlichen Fußgängerunfälle in den Städten und Gemeinden festgestellt werden. Es wurden 54 Personen weniger getötet und 607 Personen wenger verletzt als im gleichen Zeitraum des Jahres vor dem Inkrafttreten der Verordnung. Im Jahre 1965 wurden 4,5 % weniger Fußgänger getötet als im Jahre 1964.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ramms.
Es werden demnach keine Überlegungen angestellt, die Bevorrechtigung des Fußgängers an Zebrastreifen wieder aufzuheben oder aber die Zebrastreifen zu beampeln?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein, es werden keine Überlegungen angestellt.
Ich rufe dann die Frage XII/16 des Herrn Abgeordneten Ramms, die mit der eben beantworteten Frage in Zusammenhang steht, auf:
Welche Konsequenzen gedenkt die Bundesregierung aus dem Bericht von Prof. Herwig über das „Fehlverhalten von Kraftfahrern und Fußgängern an Zebrastreifen" zu ziehen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Bericht von Herrn Professor Herwig ist eine wertvolle verkehrspsychologische Untersuchung. Er bringt aber zu der von Ihnen, Herr Abgeordneter, aufgeworfenen Frage keine wesentlich neuen Erkenntnisse. Die eigens zum Schutz der Fußgänger auf Zebrastreifen erlassene Verordnung vom 30. 4. 1964 enthält nach Auffassung der Bundesregierung die notwendigen Regelungen. Sie entsprechen den Grundsätzen für die Vereinheitlichung der Straßenverkehrsregeln im Rahmen der Europäischen Konferenz der Verkehrsminister. Sie sind im Zuge der Arbeiten an der neuen Straßenverkehrs-Ordnung in enger Fühlungnahme mit den Landesregierungen erneut überprüft worden und sind im großen und ganzen unverändert in den Entwurf der neuen Straßenverkehrs-Ordnung aufgenommen. Ein absolutes Überholverbot an Fußgängerüberwegen kann nicht erwogen werden, weil es bei vielen Verkehrssituationen entbehrlich ist, den Verkehrsfluß unnötigerweise hemmt und besorgen läßt, daß die Kraftfahrer die Bestimmung insge-
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 86. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Januar 1967 3993
Staatssekretär Dr. Seiermannsamt als überflüssig ansehen und sie gerade dann nicht beachten, wenn es not tut. Die in den CEMT-Regeln der Europäischen Verkehrsministerkonferenz empfohlene bessere Kennzeichnung der Fußgängerüberwege wurde im Vorgriff auf die neue Straßenverkehrs-Ordnung bereits eingeführt.
Keine Zusatzfrage.
Dann rufe ich die Frage XII/17 des Herrn Abgeordneten Bühler auf:
Wieweit sind die Verhandlungen zwischen den zuständigen Stellen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland über den Bau der „zollfreien Straße" Weil am Rhein—Lörrach gediehen?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nach einer mir jetzt vorliegenden Stellungnahme der Auftragsverwaltung des Landes Baden-Württemberg konnte über den Bau der „zollfreien Straße" zwischen Lörrach und Weil mit den beteiligten schweizerischen Dienststellen in technischer Hinsicht grundsätzliches Einverständnis erzielt werden. Auch besteht Einmütigkeit in der Auffassung, daß als Rechtsgrundlage für die Durchführung des Bauvorhabens der im Jahre 1852 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Großherzogtum Baden abgeschlossene Staatsvertrag nach wie vor maßgebend ist. Allerdings bedarf es noch des Abschlusses eines ergänzenden Vertrages, durch den die Einzelheiten der Planung und der Bauausführung geregelt werden und der auch die rechtlichen Beziehungen zwischen den Beteiligten einer abschließenden Klärung zuführt. Die erforderlichen Verhandlungen für diesen Vertrag sind im Gange.
Ich rufe die Frage XII/18 des Herrn Abgeordneten Schmidt auf:
In welcher Relation stehen die mit der geplanten Auflösung der Bundesbahndirektion Augsburg anfallenden Kosten zu den dadurch notwendig werdenden Kosten für die Erweiterung bzw. Neuerrichtung der Bundesbahndirektion München?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, darf ich die drei Fragen des Abgeordneten Schmidt mit seinem Einverständnis zusammen beantworten?
Einverstanden. Dann rufe ich noch die Fragen XII/19 und XII/20 auf:
Welche personellen und sonstigen Einsparungen sind auf Zeit bei der geplanten Auflösung bei der Bundesbahndirektion Augsburg für den Haushalt der Deutschen Bundesbahn unter Berücksichtigung der Mehrkosten bei der Bundesbahndirektion München zu erwarten?
Welche organisatorischen und rationellen Verbesserungen für die Verkehrsbedienung des Raumes der Bundesbahndirektion Augsburg sind im Zusammenhang mit der geplanten Auflösung für diesen Raum zu erwarten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, wie ich bereits in meiner Antwort auf die Fragen des Herrn Abgeordneten Ramms ausgeführt habe, — —
Meine Herren, ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir nicht den Rücken zukehren würden. Darf ich meine Bitte wiederholen. Es entspricht nicht der Würde des Hauses, daß Abgeordnete dem Präsidium den Rücken zukehren.
Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Dem Bundesminister für Verkehr liegen Anträge auf Auflösung von Bundesbahndirektionen noch nicht vor. Es handelt sich vorerst nur um Vorschläge einer vom Vorstand der Deutschen Bundesbahn eingesetzten Organisationskommission. Erst nach Fertigstellung eines „Rahmenplans für den Vollzug", in dem u. a. auch die Kosten unQ Ersparnisse ermittelt und gegenübergestellt werden sollen, die durch die Neugliederung entstehen, wird der Vorstand der Deutschen Bundesbahn beschließen, ob und für welche Bundesbahndirektionen Anträge auf Auflösung gestellt werden sollen. Da diese Untersuchungen und die damit verbundene Aufstellung von Wirtschafts- und Sozialplänen durch die Deutsche Bundesbahn noch im Gange sind, kann zur Kostenfrage heute noch nichts gesagt werden.
Die Güte der Verkehrsbedienung für die Bevölkerung und für die Wirtschaft wird durch eine etwaige Umorganisation oder Sitzverlegung einer Verwaltung nicht beeinflußt werden. Im übrigen wird die Organisationskommission bei der Aufstellung des Vollzugsplanes hierauf noch besonders achten und möglichst versuchen, die Pflege der Kundenbeziehungen auszubauen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmidt.
Herr Staatssekretär, muß ich aus Ihrer Antwort entnehmen, daß man keinerlei Kostenüberlegungen angestellt hat? Oder ist es so, daß Kostenaufstellungen, die vorlagen, vorläufig nicht zur Kenntnis genommen wurden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Man hat natürlich von vornherein Überlegungen angestellt und ist von der Meinung ausgegangen, daß auf diese Weise möglicherweise erhebliche Kosten eingespart werden könnten.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Schmidt .
Herr Staatssekretär, entsprechen Pressemeldungen den Tatsachen, daß diese vorgesehenen Auflösungen mehrere hundert Millionen kosten werden und -daß darüber hinaus beispielsweise für Augsburg bereits 30 bis 35 Millionen als Mindestkosten genannt worden sind?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich glaube mich zu erinnern, daß eine Anfrage dieser Art be-
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Staatssekretär Dr. Seiermannreits vor einigen Wochen in diesem Hause gestellt und von dem damaligen Minister eingehend beantwortet worden ist. Es war damals die Rede von 500 Millionen DM zusätzlichen Kosten. Diese Angabe — nach meiner Erinnerung — konnte durch den Herrn Minister seinerzeit eindeutig aus dem Wege geräumt werden.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Schmidt.
Herr Staatssekretär, ist dieses Aus-dem-Wege-Räumen dadurch entstanden, daß man das dem Logemann-Gutachten entgegenstehende Kalb-Gutachten, das keine rationellen Erfolge bei den Auflösungen feststellt, verworfen bzw. der Offentlichkeit nicht zugänglich gemacht hat?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, Sie sprechen von einem sogenannten Kalb-Gutachten. Das ist mir und meinem Hause gar nicht bekannt.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Schmidt .
Herr Staatssekretär, darf ich Sie dann bitten, zu veranlassen, daß dieses Kalb-Gutachten, das immerhin in der Offentlichkeit bekannt ist, Ihrem Hause bekannt wird und der Offentlichkeit generell noch einmal von Ihrem Hause zur Kenntnis gebracht wird?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich werde dieser Frage nachgehen. Es könnte sein, daß es sich um eine innerdienstliche Arbeit der Deutschen Bundesbahn handelt, die, wie so viele Arbeiten dieser Art, auf unkontrollierten Kanälen in die Offentlichkeit gelangt ist.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Schmidt.
Herr Staatssekretär, wird man bei den weiteren Überlegungen mit einbeziehen, daß es sogenannte optimal überschaubare Größen gibt, die nach allgemeinen Gutachten von früher bei 30 000 bis 35 000 Beschäftigten liegen und daß darüber hinaus kein Rationalisierungseffekt mehr zu erwarten ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich weiß nicht, worauf sich diese optimalen Personalgrößen beziehen, ob sie sich auf die Deutsche Bundesbahn beziehen oder ob sie sich auf Produktions- oder Handelsbetriebe beziehen. Mir ist von einer optimalen Betriebsgröße von 30 000 auf dem Sektor Bundesbahn nichts bekannt.
Die letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmidt.
Herr Staatssekretär, sind im Zusammenhang mit den — zunächst einmal — Überlegungen bezüglich Auflösungen bereits Verhandlungen im Falle Augsburg mit der Bayerischen Staatsregierung geführt worden, und welche Außerungen sind von dort erfolgt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es sind keine Verhandlungen geführt worden. Es sind aber auf unseren Wunsch durch den Vorstand der Deutschen Bundesbahn die Chefs der beteiligten Länderregierungen über den Stand der Untersuchungen unterrichtet worden.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Mengelkamp.
— Meine Damen und Herren, darf ich bitten, zuzuhören.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, darauf hinzuwirken, daß bei freiwerdenden Bundesbahndirektionen diese nur interimistisch besetzt werden, bis die endgültige Schließung der Direktionen bekannt ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Erwägungen in diesem Sinne sind bereits angestellt worden. Ich möchte annehmen, daß Sie bestimmte Fälle im Auge haben, wo anscheinend
gegen diesen Grundsatz verstoßen wurde. Aber der Vorstand der Deutschen Bundesbahn hat geglaubt, in solchen Fällen, in denen mit der Schließung von Direktionen mit Bestimmtheit erst in einigen Jahren zu rechnen ist, solche Personalentscheidungen noch treffen zu können.
Ich bin aber gerne bereit, Herr Abgeordneter, mit Ihnen auch noch im einzelnen darüber zu sprechen.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Wir sind damit am Ende der Fragestunde.Die Fragen des Herrn Abgeordneten Hörmann XIV/1, XIV/2 und XIV/3 aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für wissenschaftliche Forschung:Ist der Bundesregierung bekannt, daß die von Prof. Dr. Arnold Bergstraesser gegründete Forschungsstelle für Weltzivilisation in Freiburg, die gleichzeitig Leitstelle des Freiburger Ringes für sozial- und kulturwissenschaftliche Dokumentation über Entwicklungsländer ist, zum Jahresbeginn 1967 wegen anscheinend unüberwindbarer finanzieller Schwierigkeiten ihre Tätigkeit einstellen mußte?Ist der Bundesregierung bekannt, daß die in Frage XIV/1 genannte Forschungsstelle für Weltzivilisation internationale Anerkennung gefunden hat, namentlich wegen ihrer hervorragenden Dokumentationsarbeit?Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, eine Weiterarbeit der in Frage XIV/1 genannten Forschungsstelle doch noch sicherzustellen?werden mit seinem Einverständnis schriftlich beantwortet. Die Antwort des Staatssekretärs Dr. von Heppe vom 20. Januar 1967 lautet:
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 86. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Januar 1967 3995
Vizepräsident Dr. DehlerZu XIV 1:Die Leitstelle des Freiburger Ringes für sozial- und kulturwissenschaftliche Entwicklungsländer-Dokumentation ist aus Mitteln des Instituts für Dokumentationswesen gefördert worden, um unter Anwendung moderner Methoden eine thematisch weit angelegte, sich auf Entwicklungsländer beziehende kultur- und sozialwissenschaftliche Dokumentation über einen längeren Zeitraum zu erproben. Die Ergebnisse dieses Vorhabens liegen vor. Die Finanzierung wurde mit Ablauf des Rechnungsjahres 1966 eingestellt.Zu XIV 2:Es ist bekannt, daß ausländische Dokumentationsstellen Interesse am Austausch des Freiburger Informationsmaterials gezeigt haben.Zu XIV 3:Das konkrete Freiburger Forschungsprojekt wird als abgeschlossen betrachtet. Die für die Koordinierung der Entwicklungsländer-Dokumentation zuständige Deutsche Stiftung für Entwicklungsländer , Bonn, wird in Kürze zusammen mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, dem Institut für Dokumentationswesen, Frankfurt am Main, und den Leitern der Entwicklungsländer-Dokumentation über die Auswertung der in Freiburg gewonnenen Ergebnisse und entwickelten Methoden sowie über die weitere Verwendung der erarbeiteten Informationsunterlagen beraten.Die Fragen des Herrn Abgeordneten Dorn zum Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern — Drucksache V/1292— sind zurückgezogen.Die Fragen II/1 und II/2 des Herrn Abgeordneten Matthöfer aus der Drucksache V/1292 zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft:Ist folgende Feststellung des ersten Präsidenten des Statistischen Bundesamtes, Dr. Gerhard Fürst, in der Zeitschrift „Der Volkswirt" vom 23. Dezember 1966 zutreffend:,Für die Industrie ist einmal ins Jahre 1954 die Zusammensetzung der eingekauften Waren erfaßt worden. Mit diesen „Gewichten" muß im Grunde noch heute gearbeitet werden, da alle Versuche, auch die der EWG, den Warenfluß — also den „Input" — besser zu durchleuchten, bisher am Widerstand der Bundesregierung gescheitert sind. Damit ist es zum Beispiel auch unmöglich, die sich rechnerisch ergebende Wirkung der Veränderung von Vorleistungspreisen auf die Verkaufspreise zu überprüfen.'Bei Bejahung der Frage II/1, was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um endlich zu den für eine bessere Beurteilung des realen Wirtschaftswachstums erforderlichen Input-Statistiken zu kommen?werden schriftlich beantwortet. Die Antwort des Bundesministers Dr. Schiller vom 20. Januar 1967 lautet:Gestatten Sie, daß ich beide Fragen zusammen beantworte. Es würde den Charakter der Fragestunde sprengen, wenn ich im einzelnen auf die von Ihnen zitierten Feststellungen von Präsident a. D. Fürst einginge. Die Bundesregierung ist im Interesse einer besseren Beurteilung der Sozialproduktsentwicklung und der Marktverflechtungen zwischen den großen Wirtschaftsbereichen grundsätzlich bereit, die Voraussetzungen für Input-output-Statistiken in der Bundesrepublik zu schaffen und auch an entsprechenden EWG-Rechnungen mitzuwirken. Dies setzt allerdings eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den befragten Unternehmen und der amtlichen Statistik voraus und erfordert wegen der erheblichen zusätzlichen Kosten noch eingehende Beratungen zwischen den Organen des Bundes und mit den Ländern.Die Fragen des Herrn Abgeordneten Kohlberger aus der Drucksache V/1292 zum Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen:Trifft die Zeitungsmeldung der Augsburger Allgemeinen vom 13. Januar 1967 zu, daß die Fernsprechteilnehmer der Randgemeinden der Stadt Augsburg aus dem Ortsnetz ausgegliedert werden sollen?Bei Bejahung der Frage IV/1, wie wird die Auswahl dieser Gemeinden vorgenommen?Welche Kilometerentfernung wird üblicherweise zwischen Stadt- und Randgemeinden für Stadtgesprächsgebühren bis jetzt ausgesetzt?werden schriftlich beantwortet. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt,Die übrigen nicht erledigten Fragen werden schriftlich beantwortet, soweit sie nicht zurückgezogen sind.Ich rufe den nächsten Punkt der Tagesordnung auf:Beratung der Sammelübersicht 13 des Petitionsausschusses über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen und systematische Übersicht über 'die beim Deutschen Bundestag in der Zeit vom 18. Oktober 1965 bis 31. Dezember 1966 eingegangenen Petitionen— Drucksache V/1270 —Das Wort zur Berichterstattung wird nicht gewünscht. — Eine Aussprache wird nicht begehrt. Es liegt der Antrag des Ausschusses auf Drucksache V/1270 vor, der Bundestag wolle beschließen, die in der Sammelübersicht enthaltenen Anträge zu Petitionen anzunehmen. Darf ich das Einverständnis des Hauses mit diesem Antrag annehmen? — Es ist so beschlossen.Wir kommen zum nächsten Punkt der Tagesordnung:Abgabe einer Erklärung der BundesregierungDas Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Fast 14 Stunden lang haben wir gestern im Kreise des Kabinetts über den Ausgleich des Bundeshaushalts 1967 beraten. Wir haben schließlich um Mitternacht unser Ziel erreicht, die gewaltige Deckungslücke in Höhe von rund 3,6 Milliarden DM auszugleichen. Dies ist ein beträchtlicher Erfolg, und er rechtfertigt es, daß ich dem Hohen Hause auf seine Bitte zum zweitenmal in dieser Woche über unsere Arbeit berichte.Wir alle haben in den vergangenen Wochen und Monaten die Deckungslücke des Bundeshaushalts, die sich im Blick auf die kommenden Jahre immer beängstigender zu vergrößern drohte, als eine schwere, kaum noch tragbare Bürde empfunden. Ein scharfer, wohldurchdachter chirurgischer Eingriff war notwendig, um zu verhindern, daß diese finanziellen Metastasen unseren Staat in immer größere Schwierigkeiten bringen. Aber nicht nur dies.Eine der Ursachen — und es ist die, die uns am meisten Sorgen macht — für unser finanzielles Problem liegt darin, daß sich die Konjunkturentwicklung in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres zunehmend verschlechtert hat. Daraus ergab sich eine empfindliche Verminderung der Steuereinnahmen, die zusammen mit anderen Faktoren die Haushaltslücke um etwa 900 Millionen DM vergrößerte. In welcher Höhe sich daraus Mindereinnahmen effektiv für 1967 ergeben, läßt sich zur Zeit noch nicht mit voller Genauigkeit feststellen.Die Bundesregierung ist in Übereinstimmung mit dem Präsidenten der Bundesbank der Meinung, daß weitere eventuelle Einnahmeverschlechterungen für 1967 durch Kreditaufnahmen zur Finanzierung der im Bundeshaushalt vorgesehenen Investitionsvor-
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3996 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 86. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Januar 1967
Bundeskanzler Dr. h. c. Kiesingerhaben ausgeglichen werden müssen. Die Bundesregierung hat davon abgesehen, einen Ausgleich solcher vorauszuschätzender Einnahmeschmälerungen durch weitere Kürzungen oder Steuererhöhungen vorzusehen, weil beide Maßnahmen über das jetzt erreichte Maß hinaus sich für das von der Bundesregierung angestrebte Ziel der Wirtschaftsbelebung ungünstig auswirken würden.Wie Sie wissen, hat die wirtschaftliche Abschwächung auch zur Folge gehabt, daß die Zahl der Arbeitslosen heute erheblich größer ist als in den Vergleichsmonaten der vergangenen Jahre; sie nähert sich der Grenze von 600 000. Das war und ist eine ernste Situation, die ebenso ernste und entschiedene Maßnahmen erfordert. Diese Bundesregierung ist entschlossen, alle — ich betone: alle — ihr zur Verfügung stehenden Mittel anzuwenden, um diese Entwicklung zu wenden. Dies war die gemeinsame Überzeugung und der gemeinsame Wille, die uns bei unseren vorgestrigen und gestrigen Beratungen geleitet haben.Wir, die wir in dieser Bundesregierung zusammen sind, kennen aus eigener Lebenserfahrung die beiden Traumata, die neben der Sorge vor einer internationalen Krise unser Volk belasten: das Trauma der Inflation und das Trauma der Deflation. Dementsprechend lautet ja unser wirtschaftspolitisches Programm „Stabilität u n d Wachstum". Es zielt darauf ab, beides, sowohl die Inflation als auch die Deflation, zu vermeiden und ein stetiges Wachstum der Produktivität und damit die Sicherheit der Arbeit und des Lebensstandards unseres Volkes zu gewährleisten.Wir haben gestern ein Programm beschlossen, das diesem Doppelziel entspricht. Um das weitere Wachstum unserer Wirtschaft sicherzustellen, haben wir die Vorlage eines Eventualhaushalts beschlossen, der sofortige erhebliche Investitionen, insbesondere im Bereich von Bundesbahn, Bundespost und im Verkehrswesen, vorsieht. Dieser Sonderhaushalt soll auf dem Kreditwege finanziert werden, und ich kann mitteilen, daß der Präsident der Bundesbank dieses Vorhaben voll unterstützt und dem Zentralbankrat empfehlen wird, die notwendigen kreditpolitischen Voraussetzungen dafür zu schaffen, um die Investitionsbereitschaft der Unternehmen anzuregen.
Wir haben beschlossen, für die Dauer eines Dreivierteljahres zum selben Zweck bei beweglichen Wirtschaftsgütern Sonderabschreibungen in Höhe von 10 % des Anlagevermögens und bei unbeweglichen Wirtschaftsgütern in Höhe von 5 % zu bewilligen. Wir hoffen, daß diese Maßnahmen, die durch die Beschlüsse des Zentralbankrats vom 5. und 19. Januar 1967 gestützt werden und die, wie erwähnt, ergänzt werden sollen, zu einer nachhaltigen Belebung der Investitionen in unserer Wirtschaft führen werden.Die Regierung erwartet von allen, die in unserer Wirtschaft über den Einsatz der Mittel zu befinden haben, wie von der gesamten Bevölkerung Vertrauen und Mut. Denn nur in einem Klima des Vertrauens und des Mutes können Wohlstand und innere Stabilität gesichert werden. Die Regierung und, ich bin überzeugt, auch der Bundestag und der Bundesrat werden — ich wiederhole es — dazu das Ihrige mit unbeirrbarer Entschlossenheit beitragen.Der Wirtschaftsminister und der Finanzminister sind im engen Einvernehmen dabei, dieses Programm einer kontrollierten Expansion zu verwirklichen. Sie werden die Programmierung des Investitionshaushalts vorbereiten unter Teilnahme von Vertretern der Bundesbank und der beteiligten Ressorts. Sie sind auch die Hauptbeteiligten an der konzertierten Aktion, die dazu führen soll, daß die Lohn- und Gehaltsbewegungen im Einklang mit der Entwicklung unserer wirtschaftlichen Produktivität bleiben. Denn ein Land wie Deutschland kann es sich nicht leisten, daß durch zunehmenden Kostendruck die Konkurrenzfähigkeit seiner Wirtschaft auf dem Weltmarkt gefährdet wird.
Damit komme ich zum zweiten Teil unseres gestrigen Programms, zum Problem der Stabilität. Wachstum um jeden Preis würde Inflation bedeuten, eine ständige Verminderung des Geldwertes und damit des Vertrauens in unsere Währung und zuletzt in unseren Staat. Um diesem Erosionsprozeß entgegenzuwirken, bedurfte es eines Signals, des Signals des Willens der Bundesregierung, den Bundeshaushalt in Ordnung zu bringen. Dies war eine Herkulesarbeit, die geleistet werden mußte, wenn dieses Kabinett der Großen Koalition nicht schon im ersten Anlauf scheitern sollte. Diese Arbeit wurde vom Bundeskabinett im Geiste gesamtverantwortlicher Zusammenarbeit geleistet. Wenn unsere Beratungen gestern bis Mitternacht dauerten, so nicht deshalb, weil wir uns — wie ich in einer Zeitung gelesen habe — zerstritten hätten — ganz im Gegenteil! —, sondern deshalb, weil wir um eine gute Gesamtlösung gemeinsam gerungen haben und weil wir den Wunsch hatten, alle Gesichtspunkte auf das sorgfältigste auszudiskutieren.Diese Arbeitsmethode war erfolgreich. Um ein Beispiel zu nennen: Die Streichungsansätze sahen eine erhebliche Einschränkung der Kriegsopferversorgung vor. Wir haben nach einer ausführlichen Aussprache davon abgesehen,
weil sich herausstellte, daß alle Mitglieder meines Kabinetts übereinstimmend der Auffassung waren, daß den Betroffenen der beiden Weltkriege dieser ohnehin bescheidene Teil des Dankes unseres Volkes nicht geschmälert werden sollte.
So gelang es uns schließlich nach harten Bemühungen und hartem Ringen, diese Summe für 1967 bis auf einen Restbetrag von 50 Millionen DM anderweitig auszugleichen.
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Bundeskanzler Dr. h. c. KiesingerÄhnliches gilt für einen weiteren großen Posten, die Verminderung der Bundeszuschüsse an die Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten und der Knappschaft. Das ganze Kabinett hat in der Schlußphase unserer Beratungen in der vergangenen Nacht durch Streichungen in den eigenen Ressorts einen Haushaltsausgleich ermöglicht, der die vorgesehene Kürzung der Bundeszuschüsse für 1967 erheblich eingeschränkt hat und dadurch — und das ist das Wesentliche — eine Beitragserhöhung unnötig machte.
So ist es unseren gemeinsamen Anstrengungen gelungen, daß der Ausgleich des Haushaltes 1967 ohne weitere Steuererhöhungen möglich wurde. Dies ist eine positive Bilanz. Ich bin aber der letzte, der bestreiten würde, daß wir unser Ziel nur erreichen konnten, indem wir schmerzhafte Kürzungen beschlossen, so im Haushalt des Bundesministers für Ernährung, bei der militärischen und zivilen Verteidigung, bei ,der Steigerung der Entwicklungshilfe und durch den Abbau zahlreicher Steuervergünstigungen, leider auch der Ausbildungshilfe. Der Wegfall dieser Ausbildungshilfe bedeutet aber keineswegs ein Signal für die Veränderung unserer Familienpolitik. Er soll zukünftig wettgemacht werden im Rahmen einer Reform des Familienlastenausgleichs, eingebettet in eine mittelfristige Finanzplanung.
Es war unvermeidlich, daß unsere Haushaltsberatungen diesmal noch gewisse provisorische Züge aufweisen mußten. Zu groß waren die Probleme, die Regierung noch zu jung, als daß alles schon in ein völlig geschlossenes Programm hätte eingebettet werden können. Wir sind uns dessen bewußt.Der Haushaltsplan für 1968 wird bereits in eine mittelfristige Finanzplanung systematisch eingeschlossen sein. Für diesmal kam es darauf an, die konsumtiven Ausgaben des Bundes energisch zu beschneiden und die produktiven Ausgaben des Bundes in dem Maße zu erhöhen, wie es für eine Anregung der Produktivkräfte unserer Wirtschaft erforderlich erschien. Wir wollten dabei alles vermeiden, was einerseits eine soziale Ungerechtigkeit bedeutet hätte, andererseits aber auch eine restriktive Wirkung auf unsere Konjunkturentwicklung hätte ausüben können.Im konsumtiven Bereich haben wir den Bundeshaushalt auf das gerade noch Mögliche beschnitten, um im Sinne einer sparsamen Haushaltsführung nur noch das zu tun, was wirklich wichtig und nötig ist. Im produktiven Bereich sind wir bis an die Grenze dessen gegangen, was heute notwendig ist, damit wir antizyklisch operieren können, ohne in fragwürdige Praktiken der Geld- und Kreditschöpfung zu verfallen.Ich möchte aber keinen Zweifel daran lassen, daß wir unser Ziel nur erreichen und unsere Probleme nur lösen können, wenn nun auch die Fraktionen dieses Hohen Hauses bereit sind, unsere Vorhaben zu unterstützen, worum wir Sie herzlich bitten.
Das Haus hat die Regierungserklärung entgegengenommen. Eine Aussprache wird nicht beantragt.
Damit sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung ein auf Mittwoch, den 25. Januar 1967, 14.30 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.