Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Nacheiner interfraktionellen Vereinbarung wird die heutige Tagesordnung um folgende Punkte erweitert:
Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Burgemeister, Dr. Süsterhenn, Dr. Zimmer, Josten, Gibbert und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Weingesetzes ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Gesundheitswesen (Drucksache IV/3012)
;
Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Serres und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Zollgesetzes ;
Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses über die von der Bundesregierung beschlossene Siebente Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1965 (Änderung des gemeinsamen Zolltarifs der EWG — III. Teil) (Drucksachen IV/3019, IV/3059).
Das Haus ist damit einverstanden. Es ist so beschlossen.
Zur Abwicklung der Tagesordnung ist eine interfraktionelle Verständigung darüber erzielt worden, nach der Fragestunde mit Punkt 20 zu beginnen, und zwar in der Reihenfolge 20 b), c), a), und im Anschluß daran die noch nicht erledigten Punkte 6, 7, 8, 9, 21 und 22 zu behandeln.
Gemäß § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung soll der Bericht des Bundesministers der Finanzen betreffend einheitliche Richtlinien zur Bewertung der Dienstposten und Harmonisierung der Stellenpläne — Drucksache IV/3035 - an den Ausschuß für Inneres — federführend — und an den Haushaltsausschuß —
mitberatend — überwiesen werden. Erhebt sich gegen die beabsichtigte Überweisung Widerspruch? — Ich stelle fest, daß dies nicht der Fall ist.
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in das Protokoll aufgenommen:
Der Ältestenrat hat in seiner Sitzung am 9. Februar vereinbart, den Entwurf eines Gesetzes über Bausparkassen — Drucksache IV/2747 — dem Ausschuß für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung — mitberatend — zu überweisen. Federführend bleibt der Wirtschaftsausschuß.
Der Abgeordnete Sänger hat seine Mündliche Anfrage XI/3 aus Drucksache IV/2202 zurückgezogen.
Der Vorsitzende des Vermittlungsausschusses hat unter dem 11. Februar 1965 mitgeteilt, daß der Vermittlungsausschuß das vom Deutschen Bundestag in seiner 148. Sitzung am 2. Dezember 1964 beschlossene Gesetz zu dem Vertrag vom 29. Mai 1962 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Spanischen Staat über Kriegsopferversorgung und zu dem Notenwechsel vom 16. Mai 1963 bestätigt hat. Sein Schreiben wird als Drucksache IV/3061 verteilt.
Wir beginnen mit Punkt 2 der Tagesordnung: Fragestunde .
Bis wann gedenkt die Bundesregierung, die Promille-Höchstgrenze, von der an die absolute Fahruntüchtigkeit nun anzunehmen ist, festzulegen und zu veröffentlichen?
Bitte, Herr Minister.
Die Überlegungen der Bundesregierung gehen nicht dahin, eine Promille-Höchstgrenze einzuführen, von der an die absolute Fahruntüchtigkeit anzunehmen ist, sondern sie gehen in die Richtung, eventuell einen Gefahrengrenzwert festzulegen, von dem an das Fahren, ohne daß im Einzelfall Fahruntüchtigkeit nachgewiesen zu werden braucht, unter Strafe zu stellen ist. Um dieses Problem zu klären, hat die Bundesregierung Ende 1960 das Bundesgesundheitsamt um ein umfassendes Gutachten gebeten. Davon liegen seit einiger Zeit zwei Teile vor; mit dem Eingang des dritten Teilgutachtens wird in diesen Tagen gerechnet. Bevor es eingegangen ist, konnten wir also ohnehin noch keine Gesetzesinitiative in dieser Sache entfalten, und ich meine auch nicht, daß es noch in diesem Bundestag geschehen könnte, einmal schon wegen der bekannten Belastung des Hohen Hauses zu Ende einer Legislaturperiode, zum anderen aber auch deshalb, weil wir erst vor kurzem neue Strafvorschriften im Straßenverkehrsrecht eingeführt haben, die sich gerade auch mit dem Kom-
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7994 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Februar 1965
Bundesminister Dr. Bucherplex „Trunkenheit am Steuer" befassen, und weil wir, glaube ich, einige Zeit die Erfahrungen abwarten sollten, die damit gemacht werden.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Strohmayr.
Herr Bundesminister, stimmen die Meldungen, die da und dort kursieren, daß die Bundesregierung beabsichtige, mit der Festsetzung der Promillegrenze bis nach den Wahlen 1965 zu warten?
Das wird die zwangsläufige Folge der Überlegungen sein, die ich soeben wiedergegeben habe. Wir haben es aber nicht in der Hand, wann das Gutachten erstellt wird. Wenn dieses Gutachten vor einem Jahr gekommen wäre und es wäre nichts geschehen, könnte man vielleicht den Vorwurf machen, daß bewußt gewartet werde.
Herr Bundesminister, glauben Sie nicht, daß es im Hinblick auf das verhältnismäßig scharfe Zweite Straßenverkehrssicherungsgesetz notwendig wäre, möglichst rasch die Promillegrenze festzusetzen, damit dies nicht zu sehr dem Ermessen der ausführenden Organe überlassen bleibt, wie beispielsweise gestern in der Zeitung zu lesen gewesen ist, daß ein Kraftfahrer mit 2,17 Promille freigesprochen worden ist?
Die Sache hat natürlich ihre zwei Seiten. Beim jetzigen Zustand haben die Gerichte mehr Freiheit in der Beurteilung der einzelnen Fälle. Das kann dazu führen, daß Fälle, die offenbar oder zumindest scheinbar Bleichgelagert sind, von verschiedenen Gerichten verschieden behandelt werden. Andererseits bringt die Festlegung einer starren Promillegrenze zweifellos auch Härten für den Verkehrsteilnehmer mit sich.
Ich danke Ihnen, Herr Minister.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung. Ich rufe auf die Frage X/1 — des Abgeordneten Dr. Tamblé —:
Welche Schlußfolgerungen hat der Bundesverteidigungsminister aus der verwaltungsgerichtlichen Klage eines als Beisitzer in Musterungs-Ausschüssen tätigen Beamten gezogen, dem zunächst der Bundesrechnungshof, das Kreiswehrersatzamt Heide und die Wehrbereichsverwaltung Kiel ein Zehrgeld nach § 14 des Reisekostengesetzes ablehnten?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Bundesminister der Verteidigung hat, als er von der Klage hörte, den Kläger klaglos gestellt, indem er ihm den strittigen Betrag von 2,80 DM auszahlen ließ. Er hat ferner durch einen Erlaß vom 19. September 1964 bestimmt, daß als Mehraufwand für benannte Beisitzer, die Ange-
hörige des öffentlichen Dienstes sind, auch Ausgaben für Getränke und Zwischenmahlzeiten — nicht nur, wie bisher, für das Mittagessen — anerkannt werden können.
Eine Zusatzfrage!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Darf ich fragen, Herr Staatssekretär, wo dieser Erlaß vom 19. September veröffentlicht worden ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Erlaß vom 19. September ist den zuständigen nachgeordneten Verwaltungsstellen der Bundeswehrverwaltung zugegangen. Er ist nicht in einem amtlichen Veröffenlichungsorgan veröffentlicht.
Ich rufe auf die Frage X/2 — des Abgeordneten Dr. Tamblé —:
Ist auch weiterhin damit zu rechnen, daß verwaltungsgerichtliche Klagen wie die in Frage X/1 genannte erhoben werden müssen, wenn Beisitzer, die im öffentlichen Dienst stehen, bei Musterungen in Gasthöfen ein Zehrgeld geltend machen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es handelte sich um die erste Klage dieser Art. Mit weiteren derartigen Klagen braucht nicht gerechnet zu werden. Nach dem eben zitierten Erlaß vom September 1964 werden die entstandenen Zehrkosten ausreichend abgeglichen.
Eine Zusatzfrage!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Glauben Sie nicht, daß es zweckmäßiger wäre, diesen Erlaß im Rahmen eines Amtsblattes zu veröffentlichen, damit er allen Dienststellen bekannt wird?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich sagte bereits, daß er allen Dienststellen durch Rundschreiben bekanntgegeben worden ist. Es handelt sich um einen erläuternden Erlaß zu § 14 des Reisekostengesetzes, so daß eine weitere Publikation nicht notwendig erscheint.
Ich rufe auf die Frage X/3 — des Abgeordneten Kubitza —:
Aus welchen Gründen soll die Sonderregelung für die Gewährung von Fahrkostenzuschüssen an Arbeitnehmer der Bundeswehr in abgelegenen Standorten aufgehoben werden?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Bundesverteidigungsministerium beabsichtigt nicht, die Sonderregelung für die Gewährung von Fahrkostenzuschüssen an Arbeitnehmer der Bundeswehr in abgelegenen Standorten aufzuheben.
Keine Zusatzfrage.Dann rufe ich ,auf die Frage X/4 — des Abgeordneten Josten —:Warum wird das Soldatenheim auf dem Flugplatz BüchelKr. Cochem nicht fertig gebaut bzw. eingerichtet?Bitte, Herr Staatssekretär!
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Februar 1965 7995
Rede von: Unbekanntinfo_outline
An dem Soldatenheim in Büchel wird zur Zeitgearbeitet. Die Bauarbeiten sind zu etwa 70 % bereits ausgeführt. Das eingerichtete Heim wird voraussichtlich im August oder September der Katholischen Arbeitsgemeinschaft für Soldatenheime übergeben werden können.
Ich rufe auf die Frage X/5 - des Abgeordneten Schwabe —:
Trifft die in einer deutschen Wochenzeitung am 24. Januar 1965 aufgestellte Behauptung zu, wonach ein hoher Beamter im Hinblick auf verschiedene überraschende Todesfälle von Rekruten der Bundeswehr gesagt haben soll: „Unsere Jungen sind vollgefressen wie ihre Väter mit 50. Sie wiegen 2 Zentner und mehr. Andere sind dünn wie die Bohnenstangen. Sie rauchen mit 20 Jahren 40 Zigaretten. Sie fressen, saufen und lieben zuviel. Und wenn sie aus den Kasernen der Bundeswehr marschieren, brechen sie, wie vom Blitz gefällt, zusammen!"?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Artikel in der Wochenzeitung „Bild am Sonntag" „Gestorben für Deutschland, weil er krank war" ist der Niederschlag eines Gesprächs, das der Reporter der Zeitung am 13. Januar über Methoden und Umfang der ärztlichen Untersuchung bei der Musterung im Bundesverteidigungsministerium geführt hat. An diesem Gespräch haben insgesamt vier Angehörige des Bundesverteidigungsministeriums teilgenommen. In diesem etwa zweieinhalbstündigen Gespräch, das durchaus freundschaftlich, aber vielleicht nicht immer im Amtsdeutsch geführt worden ist, ist auch zur Sprache gekommen, daß die Wehrpflichtigen zum Teil mit erheblichem Übergewicht zur Musterung kommen oder manche zuviel rauchen und trinken. Der Reporter hat Äußerungen während des Gesprächs, die für ihn erkennbar scherzhaft gemacht wurden, aber auch Äußerungen, die er selbst in der Bundeswehr gehört hat, in dieser Form in die Zeitung gebracht. Die Meldung gibt über den Inhalt des sehr eingehenden, alle, auch ärztliche Gesichtspunkte behandelnden Gesprächs durch die Art der Zusammenfassung ein falsches Bild und wirkt tendenziös.
Ich rufe auf die Frage X/6 — des Abgeordneten Schwabe —:
Teilt die Bundesregierung — bei Bejahung der Frage X/5 — diese Auffassung eines ihrer höchsten Beamten im Bundesverteidigungsministerium?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nach den Ergebnissen der Musterungs- und Einstellungsuntersuchungen besteht an der verminderten Belastungs- und körperlichen Leistungsfähigkeit der Wehrpflichtigen vielfach kein Zweifel. Unter den möglichen Ursachen hierfür spielen mangelnde körperliche Betätigung, dadurch bedingtes Übergewicht sowie weitere Faktoren, wie der Gebrauch von Genußmitteln, z. B. Nikotin, eine nicht unerhebliche Rolle.
Ich rufe auf die Frage X/7 - des Abgeordneten Schwabe —:
Hat die Bundesregierung Veranlassung, für einen der bedauernswerten tödlichen Zusammenbrüche von Soldaten das in Frage X/5 genannte Pauschalurteil anzuwenden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es besteht keine Veranlassung zu einem Pauschalurteil. Ein solches ist auch nicht gefällt worden. Die Todesursache muß in jedem Einzelfall untersucht werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schwabe!
Darf ich Sie, Herr Staatssekretär, da Sie die Fragen ja nicht so beantwortet haben, wie es nach der Form der Fragestellung zu erwarten gewesen wäre, fragen: Sind die Äußerungen des Herrn Ministerialdirektor Wirmer gefallen, ja oder nein? Wenn sie so gefallen sind, bitte ich um die Antwort „Ja", wenn sie nicht so gefallen sind, um die Antwort „Nein".
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich dachte, aus meiner Antwort auf Ihre erste Frage sei hervorgegangen, daß sie nicht so gefallen sind, wie sie hier in der Zeitung wiedergegeben worden sind.
Würden Sie es angesichts der so schwerwiegenden, pauschalierenden, diskriminierenden Beurteilung der gesamten deutschen Jugend nicht für notwendig halten, auch in Anbetracht der Auswirkungen dieses Artikels, die Sie ja verfolgen konnten, von Ihrem Hause aus, das sich ja auch sonst sehr oft zu Pressemeldungen äußert, eine Woche später ein klärendes Wort dazu zu sagen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich glaube nicht, daß das nötig ist, Herr Abgeordneter.
Meine dritte Frage: Dem Herrn Bundesminister der Verteidigung erscheint es also nicht notwendig, etwas dagegen zu sagen, wenn von der deutschen Jugend gesagt wird, sie sei vollgefressen wie ihre Väter oder spindeldürr, rauche mit 20 Jahren 40 Zigaretten am Tag, wenn gesagt wird:,, Sie fressen, saufen und lieben zuviel, und wenn sie aus der Kaserne kommen, fallen sie zusammen"?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Darf ich darauf erwidern, Herr Abgeordneter, daß die Fragestunde heute ja die Gelegenheit bietet, das klarzustellen, und das habe ich getan.
Die vierte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schwabe!
Sind Sie der Ansicht, Herr Staatssekretär, daß derartige Äußerungen eines so hohen Beamten Ihres Hauses in irgendeiner Weise ein Vorbild für die kleinen Ausbilder sein können, denen von Ihrem Hause auch so oft kritische Urteile zugedacht werden, oder glauben Sie nicht,
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Schwabedaß gerade dadurch der rüde Ton in der Bundeswehr gefördert wird?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich muß noch einmal die Unterstellung zurückweisen, Herr Abgeordneter, daß der Ministerialdirektor, um den es hier geht, diese Äußerungen getan hat.
Darf ich abschließend die letzte Frage stellen: Können Sie oder der Herr Minister sich vorstellen, daß es für Abgeordnete, die sich schweren Herzens und nach reiflicher Überlegung für den Aufbau der Bundeswehr entschieden und dazu ihre Stimme gegeben haben, beschämend ist, aus Ihrem Hause unwidersprochen derartige Äußerungen zu hören, und glauben Sie nicht, daß es für diese Abgeordneten auch gut wäre, wenn Ihr Haus derartige schwerwiegende Beschuldigungen zurechtwiese?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe diese Beschuldigungen jetzt bereits wiederholt zurückgewiesen, Herr Abgeordneter.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Höhmann!
Herr Staatssekretär, halten Sie es für möglich, daß sich ein Journalist solche Äußerungen aus den Fingern saugt, um sie dann in seiner Zeitung zu veröffentlichen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich halte es nicht für ausgeschlossen.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Höhmann.
Herr Staatssekretär, sind Sie auch diesem Artikel in der Zeitung und den Anschuldigungen nachgegangen, oder haben Sie nur mit Ihren Beamten darüber gesprochen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe nur mit den Beamten und den Offizieren, die an diesem Gespräch teilgenommen haben, darüber gesprochen.
Aus dem Artikel geht aber hervor, daß der Artikelschreiber noch andere Quellen als das Bundesverteidigungsministerium benutzt hat.
Bitte, Herr Abgeordneter Büttner, zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, halten Sie es nicht für wichtig genug, nach der heutigen Fragestunde die Quellen 2u erforschen, aus denen der Reporter seine Informationen bezogen hat?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, Sie wissen, daß es fast unmöglich ist, einen Reporter zu bewegen, seine Quellen zu nennen. Aber ich habe aus diesem Fall gelernt, daß wir in Zukunft gegen solche Artikel sofort einschreiten werden.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Büttner.
Darf ich Sie in diesem speziellen Fall trotzdem bitten, angesichts der schwerwiegenden Vorwürfe noch einmal den Versuch zu machen, nachträglich eine Klärung herbeizuführen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich will das versuchen, Herr Abgeordneter.
Frage X/8 — des Abgeordneten Cramer —:
Trifft es zu, daß die Anlage des Düsenjägerflugplatzes in Upjever nicht den NATO-Bestimmungen entspricht, wonach bewohnbare Gebäude und Unterkunftsräume sich nicht innerhalb einer bestimmten Entfernung von den Startbahnen befinden dürfen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, die Antwort lautet: nein. Es trifft nicht zu, daß die Anlage des Flugplatzes in Upjever den NATO-Bestimmungen nicht entspricht. Diese NATO-Bestimmungen mit der Überschrift: „Kriterien und Normen für taktische Flugplätze der NATO" empfehlen — also schreiben nicht vor, sondern empfehlen —, dort, wo es möglich ist, Anlagen und Einrichtungen, die auf dem Flugplatz selbst nicht unerläßlich sind, in einem sogenannten Auflockerungsbereich unterzubringen. Dieser Auflockerungsbereich, in dem vornehmlich die Unterkunfts- und Kommandogebäude vorzusehen wären, soll etwa 7 km entfernt vom Mittelpunkt des Flugplatzes liegen.
Diese Empfehlungen der NATO. beziehen sich aber vornehmlich auf die Errichtung neuer Flugplätze.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Cramer!
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß diese Bestimmungen oder Richtlinien oder Vorschriften, wie Sie sie nennen, vorsehen, daß Unterkünfte der Soldaten und Piloten, Büros und Stabsgebäude mindestens 6 km von den Start- und Landebahnen entfernt sein müssen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es gibt keine Vorschrift in dieser Beziehung, sondern nur eine Empfehlung der NATO, die vornehmlich bei neu zu errichtenden Flugplätzen
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Februar 1965 7997
Staatssekretär Gumbelangewendet wird. Die Empfehlung besagt, daß diese Kommando- und Unterkunftsgebäude etwa 7 km vom Mittelpunkt des Flugplatzes entfernt sein sollen.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Cramer.
Herr Staatssekretär, trifft es zu, daß die Gebäude für die Unterkünfte der Soldaten und die Wohnungen in Upjever viel dichter — etwa 1 km oder noch weniger — an den Startbahnen liegen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich kann Ihnen im Augenblick nicht sagen, wie weit sie auf den Meter genau von der Startbahn entfernt liegen.
Wollen Sie es nachprüfen, Herr Staatssekretär?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich werde das nachprüfen.
Ich rufe die Frage X/9 — des Herrn Abgeordneten Cramer — auf:
Wann gedenkt das Bundesverteidigungsministerium die längst geplante Panzerstraße in Varel zur Entlastung des Stadtkerns zu bauen?
Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich hoffe, daß mit dem Bau der Panzerstraße im Spätherbst begonnen werden kann. Die Straßenführung macht neue Zugangswege zu einem Teil der Anlieger notwendig. Die Verhandlungen darüber waren sehr zeitraubend. Sie stehen jetzt vor dem Abschluß.
Eine Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, ist Ihnen aus Zeitungsnachrichten und vielleicht auch aus offiziellen Schreiben bekannt, daß die Stadt Varel daran denkt, sämtliche Straßen der Stadt für die Kettenfahrzeuge zu sperren?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das ist mir nicht bekanntgeworden.
Noch eine Frage!
Herr Staatssekretär, wo liegen denn im Augenblick die Schwierigkeiten? Liegen sie in Bonn oder in Hannover, oder wo muß noch entschieden werden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es muß über die Zugangswege für die Anlieger entschieden werden, die nördlich der geplanten Panzerstraße — ich nehme an, Herr Abgeordneter, daß Ihnen die Geländeverhältnisse bekannt sind — ihre Grundstücke haben. Es war streitig, und es wurde mit diesen Anliegern darüber verhandelt, ob die Panzerstraße mitbenutzt oder ob ein gesonderter Wirtschaftsweg für diese Anlieger angelegt werden soll. Diese Verhandlungen stehen jetzt vor dem Abschluß.
Wir fahren fort mit den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung auf Drucksache IV/3040. Ich rufe die Frage III/1 — des Herrn Abgeordneten Börner — auf:
Wie viele gemusterte Wehrpflichtige sind 1964 nach Einberufung und Antritt des Grundwehrdienstes wieder aus der Bundeswehr entlassen worden, weil Tbc-Erkrankungen festgestellt wurden?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Frage kann im gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht exakt beantwortet werden. Von jedem Soldaten wird bei der Einstellungsuntersuchung nach Eintritt in die Bundeswehr eine Röntgenschirmbildaufnahme der Brustorgane angefertigt, die zentral im Sanitätsamt der Bundeswehr von Lungenfachärzten beurteilt wird. Ergibt sich hierbei der Verdacht auf eine tuberkulöse Erkrankung, so erhält der zuständige Truppenarzt fernschriftlich die Anweisung, den Soldaten gegebenenfalls abzusondern und fachärztlich nachuntersuchen zu lassen. Von dem Ergebnis dieser Untersuchung hängt es ab, ob der Soldat unter gleichzeitiger Benachrichtigung der Gesundheitsämter nach einer Vorschrift des Wehrpflichtgesetzes entlassen werden muß.
Während demnach die ärztlichen Maßnahmen 'im Einzelfall Zug um Zug erfolgen, ist die statistische Auswertung dieser Vorgänge nur jahrgangsweise möglich. Die statistischen Angaben für das Jahr 1964 liegen zur Zeit noch nicht vor.
Seit Jahren weist die Entlassungsquote wegen tuberkulöser Erkrankungen nur unbedeutende Schwankungen auf. Sie betrug 1963 0,36 %, d. h. rund 4 pro Tausend, der eingestellten Wehrpflichtigen. Von diesen hatte jedoch nur rund jeder Zwölfte eine ansteckungsfähige Tuberkulose; das sind also 3 auf 10 000. Es besteht keine Veranlassung zu der Annahme, daß sich diese Zahlen im Jahre 1964 erhöht haben.
Herr Abgeordneter Börner!
Herr Präsident, darf ich meine Zusatzfragen stellen, wenn die nächste Frage beantwortet ist?
Ich rufe die Frage III/2 — des Herrn Abgeordneten Börner — auf:Ist vom Bundesverteidigungsministerium beabsichtigt, hei den Musterungen in Zusammenarbeit mit den Landesschirmbildstellen eine Durchleuchtung für die Wehrpflichtigen anzuregen, damit Lungenerkrankungen frühzeitig vor Antritt des Dienstes erkannt werden können?
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7998 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Februar 1965
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bereits in den Jahren 1956/57 hat das Bundesministerium der Verteidigung die Möglichkeit, im Rahmen der Musterung Röntgenuntersuchungen der Lungen durchzuführen, um insbesondere tuberkulöse Lungenerkrankungen bei den Wehrpflichtigen frühzeitig erkennen zu können, eingehend erörtert.
Die mit den leitenden Medizinalbeamten der Länder geführten Gespräche ergaben jedoch, daß die Gesundheitsämter oder Landesschirmbildstellen aus organisatorischen, personellen und materiellen Gründen hierzu nicht in der Lage waren.
Ausgehend von der Tatsache, daß damals nur etwa 25% der Gemusterten einberufen wurden, wurde auch die Frage geprüft, ob es möglich sei, den Wehrpflichtigen zugleich mit dem Einberufungsbescheid die Auflage zu erteilen, sich umgehend bei dem für ihren Wohnsitz zuständigen Gesundheitsamt röntgen zu lassen und dien Befund bei der Einberufung vorzulegen. Auch diese Möglichkeit wurde von den leitenden Medizinalbeamten der Länder aus den gleichen Gründen abgelehnt.
Eine erneute Umfrage, die Anfang des Jahres 1964 gehalten wurde, hatte ein in Einzelheiten zwar unterschiedliches, insgesamt aber ebenfalls negatives Ergebnis. Als Hauptgrund für die Unmöglichkeit, die Röntgenuntersuchung der Wehrpflichtigen in ihren Gesundheitsämtern oder Schirmbildstellen vornehmen zu lassen, führen die Länder fast übereinstimmend den Personalmangel an.
Zahlreiche Gesundheitsämter erteilen jedoch den Kreiswehrersatzämtern Auskünfte über solche Wehrpflichtigen, die wegen einer tuberkulösen Erkrankung oder entsprechenden Gefährdung bei ihnen in Überwachung stehen. Diese Angaben haben sich bereits als sehr wertvoll erwiesen, so daß zu wünschen wäre, daß sich auch die übrigen Gesundheitsämter diesem Verfahren anschließen.
Sicher würde eine Röntgenuntersuchung während der Musterung eine Verbesserung der Gesundheitsvorsorge bedeuten. Sie könnte aber eine erneute Röntgenaufnahme bei der Einstellung nicht ersetzen, wenn, wie das heute praktisch durchweg der Fall ist, zwischen Musterung und Einstellung mehr als drei Monate liegen. Die Schirmbilduntersuchung bei der Musterung wird erst dann möglich sein, wenn die Musterung nicht mehr ambulant, sondern stationär in festen Musterungszentren erfolgt, in denen man Röntgengeräte einbauen kann. Wir sind allerdings der Ansicht, daß schon mit den bisherigen Maßnahmen eine gute Tuberkulose-Überwachung in der Bundeswehr erreicht ist.
Entsprechende Erhebungen zeigen immer wieder, daß mit der Schirmbilduntersuchung bei der Einstellung alle statistisch zu erwartenden Erkrankungsfälle des Jahrgangs erfaßt werden. Aus diesem Grunde beträgt die Erkrankungshäufigkeit in der Bundeswehr nur ein Zehntel der Erkrankungshäufigkeit der vergleichbaren übrigen männlichen Bevölkerung der Bundesrepublik.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Börner.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß bei vielen Truppenverbänden der Bundeswehr die sogenannte Einstellungsuntersuchung erst bis zu drei Wochen nach dem Antritt des Dienstes erfolgen kann und daß sich daraus unter Umständen bei einem einzigen Tuberkulosefall eine erhebliche Ansteckungsgefährdung der anderen Wehrpflichtigen ergeben kann, womit auch hohe Schadensersatzanpsrüche gegen die Bundesrepublik Deutschland verbunden sein könnten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Soweit ich unterrichtet bin, Herr Abgeordneter, sind in den letzten Jahren nur zwei oder vielleicht drei Fälle dieser Art bekanntgeworden, in denen wegen eines solchen Zusammenhangs eine Wehrdienstbeschädigung behauptet und auch anerkannt worden ist. Im übrigen darf ich aber aus meiner Antwort wiederholen: Es ist statistisch erwiesen, daß die Erkrankungshäufigkeit und damit die Infektionsgefahr bei der Tuberkulose in der Bundeswehr nur ein Zehntel der Erkrankungshäufigkeit bei der übrigen Jugend beträgt.
Eine weitere Frage.
Herr Staatssekretär, gibt es in Ihrem Hause Schätzungen, was es kosten würde, die von mir geforderte Schirmbilduntersuchung bei der Musterung durch die Bundeswehr bzw. durch die Wehrersatzbehörden vornehmen zu lassen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich kann die Frage jetzt nicht beantworten, stelle aber eine schriftliche Beantwortung in Aussicht.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Börner.
Herr Staatssekretär, würden Sie mit mir darin übereinstimmen, daß es bei den außerordentlich hohen Kosten, die wir jährlich für Vertragsärzte bei der Musterungsuntersuchung ausgeben, sinnvoll wäre, solche Röntgeneinrichtungen zu beschaffen, da schon in wenigen Jahren der Anschaffungswert durch die bessere gesundheitliche Untersuchung sicher wieder „erwirtschaftet" werden könnte, wenn man eine solche Formulierung in diesem Zusammenhang gebrauchen darf?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich werde diese Frage gern prüfen lassen, Herr Abgeordneter.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Börner.
Herr Staatssekretär, darf ich aus Ihren Antworten insgesamt entnehmen, daß Sie auf Grund der von mir gestellten Fragen erneut ver-
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Börnersuchen werden, dieses Problem im Sinne einer strengeren Überwachung mit dem Ziel einer noch stärkeren Herabdrückung der Quote der Tuberkulosefälle in der Bundeswehr anzugehen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, wie ich schon ausgeführt habe, sind wir seit Jahren stets bemüht, diese Fälle zu vermeiden und durch eine rechtzeitige Untersuchung die an Tuberkulose erkrankten Soldaten auszusondern. Diese Bemühungen werden wir auch in der Zukunft fortsetzen.
Herr Abgeordneter Börner, Sie haben ihre vier Zusatzfragen schon erschöpft.
Herr Abgeordneter Dröscher zu einer Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, mir ist aus meiner engeren Heimat ein Fall bekannt, wobei ein Soldat erst nach 18 oder 19 Tagen zur Untersuchung kam und deshalb die Erkrankung erst so spät festgestellt worden ist. Sehen Sie das Problem, das darin besteht, daß zwischen der Musterung und einer dabei möglichen Untersuchung und der späteren Einstellung ein zu großer Zeitraum besteht, als daß im Falle einer Untersuchung bei der Musterung eine ausreichende Sicherheit bestünde, bei der Einstellung nur gesunde Soldaten zu bekommen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Da zwischen Musterung und Einstellung notwendigerweise ein längerer Zeitraum liegt, ist nicht ausgeschlossen, daß in diesem Zeitraum eine Infektion eintritt. Eine Untersuchung bei der Musterung würde also nicht ausschließen, daß dann tatsächlich später nach einiger Zeit ein infizierter Soldat in die Kaserne einrückt.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Dröscher!
Wäre es angesichts der Lage, die Sie nach meiner Meinung eben zutreffend geschildert haben, nicht doch richtig, dafür zu sorgen, daß gerade wegen der Gefahren durch die sehr starke Beanspruchung des Soldaten in den ersten 14 Tagen nach seiner Einberufung und der dabei möglichen Gesundheitsschäden bei einer vorliegenden Infektion nicht doch, koste es, was es wolle, in diesem Zusammenhang gefordert würde, daß vor der Einstellung eine Untersuchung durch einen Röntgenfacharzt, eventuell auch durch einen privaten Röntgenfacharzt, im Heimatraum des Einzustellenden erfolgt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Diese Überlegungen sind auch schon angestellt worden. Aber ich glaube, daß die dadurch entstehenden außergewöhnlich hohen Kosten mit Rücksicht auf die tatsächliche Infektionsgefahr nicht gerechtfertigt wären.
Herr Abgeordneter Büttner zu einer Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, sehen Sie, weil doch der überwiegende Teil der Bevölkerung sozialversichert ist, eine Möglichkeit, im Einvernehmen mit den Sozialversicherungsträgern, bevor sie eigene Einrichtungen anschaffen, ein Abkommen zu treffen, welches sicherstellt, daß prophylaktisch die Untersuchung schon vorher durchgeführt wird und somit das Ergebnis der Lungenuntersuchung bei der Musterung schon vorgelegt werden kann?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich kann im Augenblick nicht sagen, ob mit den Sozialversicherungsträgern bereits über diese Frage gesprochen worden ist. Ich führte aus, daß mit den Landesgesundheitsbehörden darüber verhandelt wurde. Ich werde aber Ihre Anregung gerne aufgreifen und einmal nach dieser Richtung hin Fühlung aufnehmen lassen.
Herr Abgeordneter Dr. Bechert, eine Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, darf ich die Frage des Abgeordneten Büttner dahin verschärfen, ob die Bundesregierung bereit ist, in Verhandlungen mit den Ländern etwa mit der Absicht einzutreten, ein Abkommen mit den Ländern herbeizuführen, wonach diese die entsprechenden Maßnahmen treffen, so daß gesichert ist, daß eine Schirmbilduntersuchung der Wehrpflichtigen stattgefunden hat, bevor sie ihren Dienst antreten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich sagte bereits, Herr Abgeordneter, daß mit den Ländern und den Gesundheitsbehörden der Länder darüber seit 1957/58 laufend gesprochen worden ist, daß sich aber diese Stellen vornehmlich aus personellen Gründen nicht in der Lage sehen, diese Schirmbilduntersuchungen durchzuführen.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Bechert!
Ich darf meine Frage noch interpretieren oder weiter verschärfen: Mir scheint die Frage so wichtig, daß ich die Bundesregierung frage, ob sie bereit ist, auf ein solches Abkommen mit den Ländern hinzuwirken.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sie hat das in der Tat getan, indem sie diese Verhandlungen seit Jahr und Tag führt, aber mit einem negativen Ergebnis.Vizepräsiden Dr. Dehler: Dann die Frage III/3 - des Herrn Abgeordneten Schultz —:Ist der Bundesregierung bekannt, daß Landesbehörden und auch staatliche Institute Bewerbern in Aussicht stellen, daß sie bei Annahme der Stellung mit der Befreiung vom Wehrdienst rechnen können?Bitte, Herr Staatssekretär!
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8000 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Februar 1965
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, der Bundesregierung ist lediglich bekannt, daß Landesbehörden für den Polizeivollzugsdienst mit dem Hinweis „Befreiung vom Grundwehrdienst" werben.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schultz!
Herr Staatssekretär, darf ich Sie fragen, ob Sie meine Auffassung teilen, daß es wünschenswert wäre, wenn über dieses Problem von der Bundesregierung mit den Landesregierungen einmal auf höchster politischer Ebene gesprochen würde, und zwar deswegen, weil sich meine Frage natürlich nicht auf den Polizeivollzugsdienst bezieht, sondern in dem Fall auf Bewerber bei staatlichen Hochbauämtern?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Mir ist, wie ich schon sagte, Herr Abgeordneter, von solchen Werbemethoden nichts bekannt. Sie wären meines Erachtens unzulässig.
Ich rufe die Frage III/4 — des Herrn Abgeordneten Schultz — auf, die in Drucksache IV/3040 aufgeführt ist:
Gibt es für den in Frage III/3 genannten Hinweis irgendwelche gesetzlichen Voraussetzungen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nach § 42 des Wehrpflichtgesetzes werden Wehrpflichtige, die dem Vollzugsdienst der Polizei angehören oder für diesen durch schriftlichen Bescheid angenommen sind, für die Dauer ihrer Zugehörigkeit nicht zum Wehrdienst herangezogen.
Herr Abgeordneter Schultz zu einer Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, nachdem ich schon in meiner ersten Zusatzfrage festgestellt habe, daß es für mich nicht um den Polizeivollzugsdienst geht, sondern um andere staatliche Stellen, darf ich meine Frage wiederholen, ob Sie es nicht für wünschenswert halten, daß man einmal mit den Landesregierungen und auch den nachgeordneten Behörden der Bundesregierung über diese Dinge spricht. Denn mir scheint es zweckmäßig zu sein, daß gerade die Bewerber im öffentlichen Dienst ihren Wehrdienst in der Bundeswehr abgeleistet haben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich stimme Ihnen völlig zu. Wir werden, wenn solche Fälle vorliegen, um deren Angabe ich Sie bitten möchte, mit den zuständigen Behörden und Landesregierungen in Verbindung treten.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Familie und Jugend — Drucksache IV/3034 —. Zunächst rufe ich die Frage XIII/1 — des Abgeordneten Liehr — auf:
Ist dem Bundesfamilienminister bekannt, ob das „Institut für Auslandsreisen und Jugendaustausch e. V." in Essen Zuschüsse aus dem Bundesjugendplan bzw. andere öffentliche Mittel erhalten hat oder erhält?
Die Frage wird übernommen vom Abgeordneten Bartsch. Bitte, Herr Minister!
Das Institut für Auslandsreisen und Jugendaustausch e. V. in Essen hat aus Mitteln des Bundesjugendplans kein Geld bekommen; es hat auch keine Anträge gestellt.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Bartsch.
Herr Bundesminister, ist bei der Überprüfung des Sachverhalts festgestellt worden, ob bei diesem Institut die erforderlichen Voraussetzungen für ein gemeinnütziges Unternehmen gegeben sind?
Dieses Institut zählt nicht zu den gemeinnützigen Organisationen für den Jugendaustausch und für internationale Jugendbegegnung.
Ich rufe die Frage
XIII/2 — des Herrn Abgeordneten Dürr — auf:
Hält die Bundesregierung die Vorschrift des § 6 Abs. I des Gesetzes zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit, die Kindern unter 6 Jahren den Besuch öffentlicher Filmveranstaltungen verbietet, bei der heutigen Verbreitung des Fernsehens überhaupt noch für zweckmäßig und vertretbar?
Ich beantworte Ihre Frage, Herr Kollege Dürr, mit Ja, und zwar aus folgenden Gründen:
Das Gesetz zum Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit ist 1957 neu gefaßt worden. Damals ist diese Bestimmung auf Grund von wissenschaftlichen Gutachten in das Gesetz hineingearbeitet worden, aus denen übereinstimmend hervorgegangen ist, daß Kinder, die noch nicht schulreif sind, im allgemeinen, wie man sagte, auch nicht filmreif seien; d. h. Kinder bis zu sechs Jahren sind psychisch und ihrer Nervenkraft nach den intensiven Eindrücken von Filmen nicht gewachsen.
Ihre Frage nach ähnlichen Verhältnissen beim Fernsehen muß ich bestätigen. Aber hier handelt es sich um den Innenraum der Familie, in den der Staat nicht mit einem Gesetz hineinwirken kann und darf.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dürr.
Herr Minister, stehen den von Ihnen geschilderten Vorteilen des § 6 Abs. 1 nicht die Nachteile gegenüber, daß seit 1957 die Produktion von ausgesprochenen Kinder-, insbesondere Mär-
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Dürrchenfilmen fast ganz aufgehört hat, was zur Folge hatte, daß sich die über sechsjährigen Kinder mangels Märchenfilmen nicht nur märchenfilmreif, sondern auch western-filmreif und krimi-filmreif fühlen und in diese Filme gehen?
Herr Kollege Dürr, bei dem Gesetz zum Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit handelt es sich, wie der Name besagt, um ein Gesetz zum Schutz der Jugend und nicht um ein Filmförderungsgesetz. Es ist also durchaus möglich, daß durch diese Bestimmung im Bereich der Filmwirtschaft Beeinträchtigungen entstanden sind. Uns geht es aber um den notwendigen Schutz der Jugend, in diesem Fall der Kinder bis zum sechsten Lebensjahr.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Dürr.
Wäre es nicht im Sinne der Jugend, wenn man angesichts der Tatsache, daß die Kinder unter sechs Jahren sowieso vor den Fernsehschirmen sitzen, sich überlegen würde, diese Vorschrift deshalb aufzuheben, weil der Erfolg wäre, daß dann wieder mehr ausgesprochene Kinderfilme produziert würden, die dann sicherlich nicht nur in den Kinos vorgeführt, sondern auch im Fernsehen gezeigt werden könnten und wir damit eine doppelte Verbesserung der Qualität hätten?
Herr Kollege Dürr, die. Bundesregierung ist der Auffassung, daß hier die Nachteile größer sind als die Vorteile.
Frage XIII/3 — des Herrn Abgeordneten Kubitza —:
In welcher Weise ist sichergestellt, daß die vom Bundesfamilienministerium herausgegebene Fibel „Wie unser Staat seinen Familien hilft" jedem jungen Ehepaar ausgehändigt wird?
Bitte, Herr Minister!
Herr Kollege Kubitza, die Aufklärungsschrift: „Wie unser Staat seinen Familien hilft" ist vergriffen. Diese Broschüre ist über die Familienverbände verteilt worden.
Eine Zusatzfrage!
Herr Minister, werden Sie veranlassen, daß diese Fibel in etwa 500 000 Exemplaren — das entspricht etwa den jährlichen Eheschließungen — neu aufgelegt wird?
Eine Neubearbeitung dieser Fibel, Herr Kollege, ist bereits im Gange. Allerdings reichen die Mittel, die der Bundestag meinem Hause bewilligt hat, lediglich für eine Auflage von 250 000 Exemplaren aus. Wir haben die Absicht, mit den Innenministern der Länder zu verhandeln und zu erreichen, daß diese Fibel dann auf den Standesämtern ausliegt und dort verteilt wird.
Ich danke Ihnen, Herr Minister.
Wir gehen zu den Fragen in Drucksache IV/3040 über. Die Frage des Abgeordneten Dorn aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern wird in beiderseitigem Einverständnis bis zur nächsten Woche zurückgestellt.
Ich rufe die Frage des Herrn Abgeordneten Dröscher aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf:
Hält es die Bundesregierung für richtig und mit dem Grundgesetz vereinbar, daß nach § 32 des Bundesjagdgesetzes der Wildschaden, der an Weinbergen entsteht, nicht ersetzt wird, wenn die Herstellung von kostspieligen Schutzvorrichtungen unterblieben ist, während bei Wildschäden an sonstigen landwirtschaftlich genutzten Grundstücken dem Grundstücksbesitzer ein Anspruch auf Ersatz des Schadens zusteht?
Bitte, Herr Minister.
Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates im Bundesjagdgesetz vom 29. November 1952 in der Fassung vom 16. März 1961, das ein Rahmengesetz ist, in § 32 Abs. 2 den Ersatz des Wildschadens an Weinbergen, aber auch an Gärten, Obstgärten, Baumschulen, bestimmten Forstkulturen und an hochwertigen Freilandpflanzungen in der Weise geregelt, daß Schäden, soweit das Landesrecht nichts anderes bestimmt, nicht ersetzt werden, wenn die Herstellung von üblichen Schutzvorrichtungen unterblieben ist, die unter gewöhnlichen Umständen zur Abwendung des Schadens ausreichen. Die Länder können ebenfalls bestimmen, welche Schutzvorrichtungen als ausreichend anzusehen sind.
Damit obliegt es den Ländern, im vorgegebenen Rahmen eine die besonderen Verhältnisse berücksichtigende Regelung zu treffen. Ein Verstoß gegen das Grundgesetz ist in dieser Regelung nach Auffassung der Bundesregierung nicht zu erblicken.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dröscher!
Herr Bundesminister, geht diese unterschiedliche Regelung für landwirtschaftliche Anlagen, die einerseits dem Gartenbau oder Obstbau und andererseits dem Ackerbau dienen, auf historische oder ökonomische Grundlagen zurück?
Ich vermag nicht zu sagen, welche Intentionen der Bundestag bei Ausarbeitung dieses Gesetzes hatte. Aber es ist zweifellos doch so, daß die hochwertigen Kulturpflanzen eine besondere Maßnahme erfordern, um auch mit Hilfe des jeweiligen Grundstückeigentümers die Gefahr des Schadens abzuwenden.
Eine weitere Frage!
Nachdem Sie gesagt haben „mit Hilfe des Eigentümers", erlaube ich mir die Frage: Sind Sie bereit, zu prüfen, ob den Jagdgenossenschaften nicht eine Mithilfe bei der Anlage solcher Schutzeinrichtungen zugemutet werden kann?
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Ich bin gern bereit, eine solche Frage zu prüfen, Herr Kollege.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gibbert!
Herr Minister, sind Sie sich darüber klar, daß dieses Haus seinerzeit diese Bestimmung gerade zum Schutze des Weinbaus beschlossen hat, weil die Weinberge im Jugendstadium, kurz nach der Pflanzung, die ein ungeheures Kapital verlangt, geschützt werden müssen? Gerade in diesem Stadium entstehen die Schäden. Sind Sie sich weiter darüber klar, daß eine Schätzung der im Jugendstadium der Weinberge eintretenden Schäden außerordentlich schwer ist und zu weiß Gott welchen Weiterungen führt?
Ich bin für diese Aufklärung eines Fachmannes außerordentlich dankbar, Herr Kollege Gibbert.
Ich danke Ihnen, Herr Minister.
Ich rufe aus der Drucksache IV/3040 die Frage des Herrn Abgeordneten Dröscher zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung auf:
Ist die Bundesregierung bereit zu prüfen, ob die nach § 69 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes vorgesehene Ablösung des öffentlichen Baudarlehens unter Inanspruchnahme eines Nachlasses, die bisher nur bei Familienheimen und eigengenutzten Eigentumswohnungen gewährt wurde, auch auf mit solchen Darlehen hergestellte Mietwohnungen, die im Besitze eines Eigentümers mit bescheidenem Einkommen sind, ausgedehnt werden kann?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Bundesregierung erscheint die Ausdehnung der Ablösungsverodnung auf Mietwohnungen, auch auf eigengenutzte Mietwohnungen, nicht sinnvoll. Die Ablösung öffentlicher Baudarlehen nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz soll in erster Linie der Eigentumsbildung dienen. Sie ist daher grundsätzlich nur bei reinen Eigentumsmaßnahmen angebracht.
Sollten Sie, Herr Abgeordneter, mit Ihrer Frage die eigengenutzte Wohnung eines Eigentümers in einem Mehrfamilienhaus meinen, das mit öffentlichen Mitteln gefördert ist, dann sprechen, wie die Bundesregierung meint, verschiedene Gründe gegen die Ausdehnung der Ablösungsverordnung auf diese Wohnungen. Das ist einmal die schwierige verwaltungsmäßige Auseinanderrechnung des öffentlichen Baudarlehens für den Teil, der auf die eigengenutzte Mietwohnung entfällt. Ferner wäre, da nur ein geringer Teil des öffentlichen Baudarlehens auf diese Weise abgelöst werden könnte, die damit erzielte Eigentumsbildung nur sehr unbedeutend, zumal die Darlehen im öffentlich geförderten Mietwohnungsbau der Höhe nach niedriger sind als bei Eigentumsmaßnahmen. Schließlich könnte durch die Einführung der Ablösung für solche Wohnungen der Eigentümer wegen der damit verbundenen Freistellung von den für öffentlich geförderte Wohnungen bestehenden Bindungen später jederzeit frei über seine Wohnung verfügen. Damit würden diese Wohnungen ihrem eigentlichen Zweck auf die Dauer leicht entzogen werden.
Keine weitere Frage. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.. Wir sind am Ende der Fragestunde.
Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 20 in der geänderten Reihenfolge auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Raumordnungsgesetzes ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung (Drucksachen IV/3014, zu IV/ 3014);
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Wohnbeihilfen ;
aa) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache IV/3054) ;
bb) Schriftlicher 'Bericht des Ausschusses für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung (Drucksachen IV/ 3018, zu IV/3018) ;
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur verstärkten Eigentumsbildung im Wohnungsbau und zur Sicherung der Zweckbestimmung von Sozialwohnungen (Drucksache IV/2891).
Ich danke den Berichterstattern für ihre Berichte.
Wir behandeln also zunächst das Raumordnungsgesetz. Wünschen die 'Herren Berichterstatter ihre Berichte zu ergänzen? — Zunächst hat Herr Abgeordneter Dr. Czaja das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Berichterstatter möchte ich nur wenige Hinweise zu den beiden Vorlagen geben, die uns heute beschäftigen.Seit 1955 sind die Bemühungen um ein Raumordnungsgesetz im Gange. Ich möchte aber deutlich unterstreichen: sie sind nicht Ausdruck der Sucht, alles gesetzlich regeln zu wollen, sondern Ausdruck der Sorge um unsere krank und notleidend gewordene Siedlungsstruktur. Zu diesem Zustand haben neben der rasanten Technisierung und Automation
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Dr. Czajaund neben der zivilisatorischen Entwicklung sowie neben der damit verbundenen übermäßigen Konzentration der Wirtschaftsmacht und der Arbeitsplätze, aber auch der Errungenschaften eben dieser Zivilisation an verhältnismäßig wenigen Punkten auch die ungeheuerlichen Bevölkerungsverschiebungen in und nach dem zweiten Weltkrieg, die Unterbrechung unserer staatlichen Einheit und schließlich der tiefgehende Strukturwandel in der Wirtschaft beigetragen. Das Rahmengesetz der Raumordnung kann die daraus sich ergebenden Nachteile für die Lebensumstände der Menschen nicht schlagartig ändern, Nachteile wie z. B. Verkehrsüberlastung, Belästigung durch Lärm, Verunreinigung von Luft und Wasser, Gefährdung der echten Funktion von Stadt und Dorf, hohe Bodenpreise und zum Teil unbefriedigte Ansprüche auf geeignetere Wohnungen, Fehlinvestitionen und Entwicklung von Massenkultur neben verarmenden Räumen.Der Bundesgesetzgeber vermag hier nur einen sehr lockeren ersten Rahmen zu setzen zur Festigung überall — auch in den Ländern — im Gange befindlicher Bemühungen und zum Legen neuer Geleise. Die Durchführung der Grundsätze, die der Bundesgesetzgeber aufzustellen wagte, liegt bei den Ländern. Es ist heute schon eine der vornehmsten Aufgaben der Landespolitik — und sie wird es auf Jahre hinaus bleiben —, sich in der Raumordnung wirksam zu bemühen, die Menschen wieder in gesündere und geordnetere Lebensbedingungen zu führen, ihnen die Möglichkeit dazu zu geben, und zwar besser, als es heute der Fall ist. Das gleichei gilt natürlich auch für die Koordinierung der raumwirksamen Maßnahmen der Bundesregierung und der Bundesbehörden. Aber mehr als Postulate für diese zukunftsträchtige Arbeit vermag vorerst der Bundesgesetzgeber, vermögen Bundesregierung und Bundesrat nicht aufzustellen. Der Bundesgesetzgeber gibt sich allerdings für den Einsatz raumwirksamer Bundesmittel dabei selbst eine Verpflichtung. Er will damit aber auch nicht die große Bedeutung der Landesplanung und die Strukturarbeit in den Ländern unberechtigter- oder unbefugterweise gängeln.Es scheint dabei im wohlverstandenen Interesse des föderativen Staatswesens zu liegen, ja, es scheint ein krönendes Zeichen seines guten Funktionierens zu sein, wenn in dringenden Ordnungsfragen der Zeit Bund und Länder sich zu gemeinsamen gesetzlichen Grundlinien für die praktische Strukturarbeit im Alltag und an der Font des Ringens um die Ordnung finden.Deshalb hat es der Bundesgesetzgeber gewagt, nach eingehendem Austausch der Meinungen mit Sachverständigen aus den Ländern und aus dem kommunalen Bereich nicht nur ein Organisationsgesetz zu schaffen, sondern gesetzliche Grundsätze für die Raumordnung aufzustellen.Diese Grundsätze sind Zeichen eines Kompromisses. Aus Darlegungen vieler Sachverständiger und Wissenschaftler im Ausschuß, aus den Wünschen der mitberatenden Ausschüsse, der vielen Eingaben an den Ausschuß war zu entnehmen, daß begeisterte Fachleute und Laien dabei manches präziser gefaßt, manches wirksamer geregelt, manches wieder fortgelassen gewünscht hätten, hier und dort sich zielstrebigere Vorschriften vorgestellt hätten. Auch die Opposition hätte einen verbindlicheren Charakter der Beschlüsse der Raumordnungskonferenz gewünscht. Da man sich bei uns aber in allen diesen Fragen auf gesetzgeberischem Neuland befand und eine gemeinsame Zielsetzung erreichen wollte, der möglichst alle Parteien und vor allem alle an der Ausführung der Grundsätze Beteiligten zustimmen sollten, war die Erfüllung noch weitergehender Wünsche vorerst nicht möglich. Manches in den Grundsätzen mag auch noch wissenschaftlichem und fachlichem Streit unterliegen. Vielleicht wird man in einigen Jahren bei diesem oder jenem Grundsatz den Akzent anders oder stärker setzen, aber es galt, endlich den Mut zu haben, die Gesundung der Raumstruktur nach gemeinsamen allgemeinen Grundsätzen anzugehen und die für einen Ansatz geeignete Stunde zu nutzen. Wer den Mut aufbringt, kann in dem einen oder anderen irren; dies ist aber besser, als die Dinge völlig treiben zu lassen.Durch die hier zu beschließenden gesetzlichen Grundsätze und Organisationsformen kann Ihnen der Ausschuß nicht auch garantieren, daß in der Raumordnung in allem zielstrebig und tatkräftig gehandelt werde.Kein gesetzlicher Grundsatz vermag echte Initiative zu ersetzen. Zu dieser Initiative müssen sich zusammenfinden private, kommunale und Landesinitiative, weitblickende unternehmerische Initiative — im weitestens Sinne des Wortes — der einzelnen und der juristischen Personen und der öffentlichen Stellen. Diese Initiative wird den in dem Gesetz verankerten allgemeinen Grundsätzen dann und dort getreu und entsprechend handeln, wenn und wo sie sich unabhängig von eigener Ansicht dem Geist des Gesetzes als der in einem demokratischen Staatswesen his zu seiner Änderung verbindlichen Norm innerlich verpflichtet fühlt, und sie wird nach gesetzlicher Novellierung drängen, wenn die praktische Erfahrung es notwendig macht.Die Grundsätze halten sich streng an die Wertordnung unseres Grundgesetzes. Allen im Ausschuß, die sich gemeinsam um die Formulierungen mühten, wurde es wieder einmal offenbar, wie sehr unser Grundgesetz nicht nur die Wirtschafts- und die Verwaltungssphäre, in der sich unsere Staatsbürger bewegen, fassen möchte, sondern es wurde bewußt, daß das Grundgesetz dem freien und dem in der geordneten Gemeinschaft gebundenen Menschen gerecht werden will.Eines möchten diese Grundsätze des Raumordnungsgesetzes als oberstes Ziel: die Entwicklung des Raumes nicht nur nach den Grundsätzen der Produktion und der materiellen und rationellen Arbeitsbedingungen ausgerichtet sehen. Sie möchten ebenso für die Entwicklungspläne, für die Landesplanung und die Raumordnung als oberstes Ziel auch die Sicherung der natürlichen Lebensbedingungen des in der Gemeinschaft verankerten Menschen setzen. Oft sieht man zu sehr nur auf die Rationalisierung und den äußerlichen Produktionseffekt und verstößt dabei gegen die natürlichen Lebensbedingungen, die
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8004 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Februar 1965
Dr. CzajaWasser, Luft, Klima und Bodenschätze, Raum und Nervenkraft, Eigentum und Gesundheit, Familie ebenso wie demokratisch zu formende vielfältige Gemeinschaft setzen, und verfälscht und gefährdet damit auch den Produktionseffekt, der dem menschlichen Leben dienstbar sein soll.Wenn der Dienst am natürlichen Menschen in der Gemeinschaft als oberstes Leitbild praktischer Raumordnungsmaßnahmen gewahrt bleibt — nicht etwa der Dienst an Machtträumen oder wirklichkeitsfernen Konstruktionen eigener oder kollektiver Phantasie —, dann werden auch Unebenheiten, die dieser oder jener Schritt auf gesetzgeberischem Neuland vielleicht mit sich bringt, überwunden werden können.Der Vielfalt und Eigenart menschlicher Existenz im gesamten deutschen und im europäischen Raum soll das Netz lebensfähiger Städte und lebensfähiger Dörfer mit der möglichen und genügenden Zahl verschiedenartiger Arbeitsplätze, sollen die besonderen Versorgungs- und Bildungseinrichtungen zentraler Orte, die menschenwürdig gestalteten Brennpunkte wirtschaftlichen und kulturellen Lebens in den großen Städten und in den Großstädten und die sie vor ungesunder Verdichtung bewahrenden Entlastungsgemeinden im Rahmen ihres Ausstrahlungsbereiches, von denen dieses Gesetz spricht, dienen. Der Gesetzgeber aber kann sich zur Durchführung nur mutige, zähe, einfallsreiche, sein Grundanliegen erfassende Pioniere ides Alltags wünschen.
Das Wort hat der zweite Berichterstatter, Herr Abgeordneter Jacobi.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bereits bei der ersten Lesung der damals vorliegenden Entwürfe für ein Rahmengesetz hat die sozialdemokratische Fraktion eine bundesgesetzliche Regelung der Raumordnung nachdrücklich bejaht. Sie hat diese positive Haltung durch ihre Beiträge zur Verbesserung des Gesetzes in den Ausschußberatungen unter Beweis gestellt. Daß schließlich eine Lösung gefunden werden konnte, die zur einstimmigen Annahme des Entwurfs im federführenden Ausschuß führte, ist um der Sache willen zu begrüßen.Doch kann und darf zugleich nicht verschwiegen werden — der Kollege Dr. Czaja hat soeben in seiner Eigenschaft als Berichterstatter zu einem Punkt auf diesen Umstand bereits hingewiesen —, daß die Zustimmung meiner Freunde zu dem gegenwärtigen Entwurf nur die Billigung eines Minimalprogramms darstellt. Eine kritiklose Hinnahme der Auffassungen und der Praxis, die .die Bundesregierung oder der zuständige Ressortminister in der Sache selbst bisher verfolgt haben und möglicherweise auch weiterhin verfolgen, wäre eine Verkennung unserer Vorstellungen über eine aktive Raumordnungspolitik.Das Raumordnungsgesetz, wie es heute zur Verabschiedung ansteht, bietet gewisse Handhaben, die Bundesraumordnung zu fördern. Es ist auch wesentlich besser als die Vorlage, die uns die Bundesregierung unterbreitet hat. Es darf jedoch nicht übersehen werden, daß das Gesetz immer noch weit hinter dem zurückbleibt, was die Sache erfordert und was das Grundgesetz dem Bunde gestattet.Wenn wir uns trotzdem entschlossen haben, dean Gesetz unsere Stimme zu geben, so müssen wir andererseits unsere Vorbehalte gegen die darin und in der Regierungspolitik zum Ausdruck kommenden Mängel darlegen und begründen. Dabei kann ich an das anknüpfen, was ich bereits in der ersten Lesung dieses Gesetzes ausgeführt habe. Ich darf erneut darauf hinweisen, daß ,die Raumordnung entgegen den Vorstellungen der damals anstehenden Regierungsvorlage und der jetzigen Gesetzesfassung eines durchdachten Organisationssystems bedarf. Bei der Sachverständigenanhörung, auf die der Schriftliche Bericht hinweist, ist uns eines der hierbei möglichen Modelle von dem Leiter der niederländischen Raumordnungsbehörde nahegebracht worden. Seine Hinweise haben jedoch lediglich Achtungsbeifall ausgelöst; Konsequenzen sind bei den Beratungen daraus nicht gezogen worden.Es ist nicht so, daß nur wir an diesem Gesetz insoweit Kritik üben. Noch vor wenigen Tagen hat das Deutsche Volksheimstättenwerk, das dem Herrn Minister ja bekanntlich sehr gewogen ist, in seinem Informationsdienst resigniert mit Bezug auf dieses Gesetz darauf hingewiesen, daß es in ihm keine Bestimmungen über „eine Bundesraumordnung als Tätigkeit und ein konkretes Raumordnungsprogramm gibt, daß es also wesentliche Mängel aufweist.Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Gesetz verzichtet völlig auf organisatorische Regelungen für die behördliche Bearbeitung der Bundesraumordnungsaufgaben. Auch sind in keiner Weise Sicherungen dafür getroffen, daß alle raumrelevanten Bundesmittel auf ihren raumordnungspolitisch richtigen Einsatz geprüft werden. Ohne eine klare gesetzliche Regelung der Organisation und des Verfahrens aber ist nach wie vor zu befürchten, daß die Raumordnungspolitik keinen durchschlagenden Einfluß auf die Ressortentscheidungen des Bundes erhält.Der Herr Minister und sein Staatssekretär haben wiederholt ausgeführt, das Raumordnungsgesetz sei eine notwendige Voraussetzung für eine Aktivierung der Bundesraumordnung. Wenn damit das Gesetz in der hier vorliegenden Form gemeint sein sollte, dann ist die zitierte Meinung falsch. Sie ist auch deshalb abzulehnen, weil damit völlig unbegründete Hoffnungen geweckt werden. Für eine aktive Raumordnungspolitik der Bundesregierung, meine Damen und Herren, bedarf es eines Raumordnungsgesetzes überhaupt nicht. Für eine solche Politik der Bundesregierung gibt das vorliegende Gesetz zudem auch gar nichts her, was die Bundesregierung nicht innerhalb ihrer eigenen Verantwortung und innerhalb ihres eigenen Zuständigkeitsbereiches regeln und verwirklichen könnte.Die Bundesregierung hat am 4. August 1962 die Grundsätze für ihre raumwirksamen Maßnahmen bekanntgegeben. Also sah sie sich doch bereits vor
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Jacobi
drei Jahren als legitimiert an, die sachlichen Grundsätze, nach denen die Bundesorgane ihre Raumordnung realisieren wollen, selbst festzusetzen. Diese Auffassung hat die Bundesregierung in ihrem Raumordnungsbericht vom 1. Oktober 1963 nochmals bekräftigt und dabei auch das Verfahren dargestellt, welches die Raumordnungskoordination innerhalb der Bundesregierung sicherstellen sollte.Nun kann aber nicht der mindeste Zweifel daran bestehen, daß es zu einer effektiven Raumordnungspolitik der Bundesregierung bislang trotz aller Deklamationen nicht gekommen ist. Wenn der Herr Bundeswohnungsbauminister in seiner zusätzlichen Eigenschaft als verantwortlicher Minister für die Raumordnung gelegentlich erklärt hat, die Ursache liege im Fehlen des Raumordnungsgesetzes, dann ist eine solche Darstellung, wie ich bereits bemerkte, sachlich unrichtig. Sie steht zudem im Gegensatz zu vielen voraufgegangenen offiziellen Erklärungen. Die Behauptung, das Raumordnungsgesetz müsse erst vorliegen, stellt sich danach als nichts anderes dar denn als der Versuch, ein Alibi für die praktische Erfolglosigkeit der Raumordnungspolitik des Ministers zu konstruieren.Die brennenden Grundsatzfragen der Raumordnung sind von der Bundesregierung nicht einmal in Angriff genommen worden. Die Förderung der schwachstrukturierten Gebiete ist, abgesehen von den bescheidenen Ansätzen der regionalen Wirtschaftspolitik und der allerdings günstiger zu beurteilenden agrarstrukturellen Maßnahmen, seit der Übertragung der Raumordnungskompetenz auf den Bundeswohnungsbauminister keinen sichtbaren Schritt vorangekommen. Das will etwas bedeuten; denn diesem Bereich gilt doch, wenn man sich seine zahllosen öffentlichen Stellungnahmen in die Erinnerung zurückruft, seine besondere Liebe.Aus einer speziellen Interessenrichtung ist es allerdings verständlich, daß hinsichtlich der Lösung der Ballungsprobleme eine den objektiven Erfordernissen entsprechende Konzeption der Bundesregierung bis zur Stunde noch nicht vorliegt. Nur sehr langsam hat sich Herr Minister Lücke davon überzeugen lassen, daß seine früher vertretene Entballungstheorie unhaltbar war. Das vor uns liegende Gesetz bedeutet hier nicht mehr, aber auch nicht weniger als eine durch die Umstände erzwungene Wendung der Regierungspolitik um 180 Grad. Es ist den kommunalen Spitzenverbänden zu danken, daß sie trotz ihrer in manchen Punkten unterschiedlichen Interessenlage immer wieder auf eine Entideologisierung des Gesetzes in der Frage der Verdichtungsräume gedrängt haben. Ich möchte dies ausdrücklich hervorheben und auch den Kollegen der Regierungsparteien dafür danken, daß sie bei den schwierigen und langwierigen Beratungen zu diesem besonders wichtigen Kapitel des Gesetzes schließlich ja gesagt, daß sie mitgezogen haben.Wie nun aber die Bundesregierung sich die Verwirklichung der damit festgelegten generellen Politik für die Verdichtungsgebiete und in ihnen denkt, darüber liegt bislang keine amtliche Verlautbarung vor, die eine konkrete sachliche Beurteilung zuließe. Zwei für die Raumordnung höchst bedeutsame Beispiele und Anwendungsfälle mögen das, was ich hinsichtlich der praktischen Politik meine, verdeutlichen und belegen.Die Sanierungspläne der Deutschen Bundesbahn, soweit sie den sogenannten „Rückzug aus der Fläche" betreffen, sind von höchster Bedeutung für die Verkehrsbedingungen der wirtschaftsschwachen Gebiete. Bislang hat die Bundesregierung, soweit uns bekannt ist, lediglich beschlossen, in dieser Hinsicht nichts zu beschließen und die Sachentscheidung zu vertagen.Ein Weiteres! Seit fast einem Dreivierteljahr liegt der Bericht der Sachverständigen-Kommission über die Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden vor. Obgleich die Bundesregierung durch Gesetz gehalten ist, dazu Stellung zu nehmen, und obgleich die damit angesprochenen Probleme vor allem den großen Städten auf den Nägeln brennen, liegt die Stellungnahme der Bundesregierung noch immer nicht vor.
Sie wird kaum geltend machen können, daß die Darstellungen und Vorschläge der Kommission zu neu seien, um sie beurteilen zu können.
Es handelt sich um Probleme, die seit einem Jahrzehnt erkennbar auf uns zukommen und deren Dringlichkeit seit mehr als einer Legislaturperiode längst offenkundig war. Aber die Bundesregierung schiebt die Dinge vor sich her und zwingt damit die betroffenen Städte, die auf die Bundesentscheidungen nun einmal angewiesen sind, zur Untätigkeit. Die Entschlußlosigkeit der Bundesregierung im Falle der Bundesbahntieferlegung in Bonn und im Falle der unterirdischen Bahnbauten in München sind zwei handgreifliche Beispiele.
Herr Abgeordneter Jacobi, einen Augenblick! Entschuldigung! — Herr Abgeordneter Hammersen, Sie versetzen mich in eine schwierige Lage; denn an sich hat Herr Abgeordneter Jacobi als Berichterstatter das Wort, und während der Berichterstattung ist eine Zwischenfrage nicht möglich. Inzwischen ist aber der Abgeordnete Jacobi natürlich sehr zur Aussprache übergegangen, und deswegen sind Sie berechtigt, eine Zwischenfrage zu stellen.
Verzeihen Sie, Herr Präsident, hier liegt ein Mißverständnis vor. Ich habe geglaubt, ich hätte das Wort zur Disskussion.
Nein, ich habe es Ihnen als Berichterstatter erteilt.
Ich wollte als Mitberichterstatter überhaupt nicht das Wort nehmen.
Ja, dann liegt ein Mißverständnis vor. Dann hat der Abgeordnete
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Vizepräsident Dr. DehlerHammersen die Möglichkeit, eine Zwischenfrage zu stellen.
Damit hat sich meine Frage erledigt. Ich wollte nur fragen, ob uns der Herr Mitberichterstatter sagen kann, wo seine Ausführungen als Mitberichterstatter aufhörten und wo seine Stellungnahme für seine Fraktion begann.
Natürlich hat auch Herr Abgeordneter Czaja die Grenze schon überschritten. — Bitte, Herr Abgeordneter Jacobi, fahren Sie fort.
Ich betonte, daß es ein paar praktische Fällegibt, die das deutlich machen, was ich mit Entschlußlosigkeit der Bundesregierung gemeint habe: die Bundesbahntieferlegung in Bonn und die unterirdischen Bahnbauten in München. Sie sind zwei konkrete Beispiele dafür, wie es sich auswirkt, wenn man keine Grundsatzentscheidungen treffen will oder kann. In zahlreichen anderen Städten ist bis zur Stunde ebenfalls völlig offen, ob und in welcher Weise Bundeshilfe zu erwarten ist.
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- Wer immer daran mitgewirkt hat, ist ganz einerlei. Wenn das Freunde aus meiner eigenen Fraktion sind, dann gilt ihnen selbstverständlich die Kritik genauso wie jedem anderen.
Aber hier steht doch die Frage zur Debatte, ob das Haus ein mit solchen verquollenen und nebelhaften Redensarten belastetes Gesetz einfach so verabschieden will. Ich meine, daß es das nicht darf.
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8014 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Februar 1965
SchoettleIch stelle den Antrag, dieses Gesetz zur redaktionellen Überarbeitung an den Fachausschuß zurückzuverweisen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Czaja.
Es ist hier ein ganz eigenartiger Vorgang eingetreten. Es kommt ein Kollege, stellt keine Änderungsanträge, greift halbe Sätze oder Viertelsätze aus einem Gesetz heraus und bezeichnet sie als unrichtig. Daraufhin kommt ein anderer Kollege und wünscht, ohne daß in der zweiten Lesung Änderungsanträge gestellt worden sind, Rückverweisung. Es ist völlig unmöglich, den herausgegriffenen Sätzen in jeder Einzelheit zu folgen und den Kollegen Porzner zu widerlegen. Ich habe mir nur einiges von dem angesehen, was der Herr Kollege hier zum Schluß als falsch formuliert zitiert hat. Er sprach am Schluß .vom § 6 „Gemeinsame Beratung". In diesem § 6 steht, daß grundsätzliche Fragen der Raumordnung und Landesplanung und Zweifelsfragen von der Bundesregierung und den Landesregierungen gemeinsam beraten werden sollen. Meine Damen und Herren, der Herr Kollege Jacobi hat hier vorhin eine halbe Stunde lang ausgeführt, wieviel Zweifelsfragen bestehen, und nun kommt ein anderer Kollege und sagt: In diesen Grundsatzangelegenheiten gibt es gar keine Zweifelsfragen. Wir haben doch gar kein perfektionistisches Gesetz gemacht, das keine Zweifelsfragen offenläßt. Glauben Sie, daß die vielen Grundsätze, die hier in den Ziffern 1, 2 und 3 enthalten sind, keine Zweifelsfragen aufwerfen? Unter den Grundsätzen befindet sich auch einer, der die Berührung der gesamtdeutschen Belange betrifft. Über dies e Zweifelsfrage wird man aber doch nicht debattieren, wenn zehn andere Grundsätze in dem gleichen Paragraphen stehen. Man kann doch beim Zitieren nicht jede Ziffer eines Paragraphen herausschälen. Sicherlich mag hier und dort in der Formulierung etwas so sein, wie es die Fachleute gewünscht haben, wie es aber in der normalen Alltagssprache nicht gesagt würde.
Aber — Herr Kollege Schäfer — es ist unerhört, daß hier jemand herkommt und das Wort „raumwirksame Maßnahmen", das seit fünf Jahren in der Wissenschaft völlig gängig ist, zu kritisieren beginnt und sagt: Deshalb müssen wir das ganze Gesetz umwerfen.
Wir als Parlamentarier können natürlich auch den Wissenschaftlern nicht ihre Sprache und ihren Stil vorschreiben. Wir müssen uns bei einer so schwierigen Materie auch der Sprache derer bedienen, die Fachleute und Experten sind. Sicherlich kann man hier und dort statt „Berücksichtigung" oder „Sorge tragen" ein anderes Wort verwenden. Aber daran kann man doch nicht eine Kritik an einem Gesetz in dieser Art anknüpfen. Wenn man einzelne Punkte dieser Art herausgreift und sie massiert vorträgt, kann man eine solche Kritik bei jedem Gesetz vorbringen. Sehen Sie sich irgendeine juristische Formulierung, sehen Sie sich irgendein beamtenrechtliches oder sontiges Gesetz an! Sie werden sehen, daß dort sprachlich ebenso Kritik geübt werden kann.
Wir müßten vielleicht — das wäre unter Umständen sinnvoll — vor der dritten Beratung eines Gesetzes jeweils noch Fachleute des Deutschen Sprachvereins zur sprachlichen Bereinigung heranziehen.
— Herr Präsident Schoettle, aber auf allgemeine Erklärungen hin — ohne daß ein einziger Änderungsantrag gestellt worden ist —, nur auf Grund eines sehr raschen Vortrags, den man ja jetzt in wenigen Minuten ohne eine genaue redaktionelle Diskussion nicht widerlegen kann, auf eine solche Rückverweisung einzugehen, davor warne ich.
Das Wort hat der Abgeordnete Jacobi.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man kommt in Schwierigkeiten.
Auf der einen Seite trägt man die Mitverantwortung für ein Gesetz, das man nicht in allen seinen Teilen für gut hält, an dem man aber mitgewirkt hat. Vielleicht war man sogar Zeuge, als der Kollege Porzner schon im mitberatenden Ausschuß seine Mahnrufe ertönen ließ — man war es —, und schließlich sieht man in diesem Gesetz vieles, was verbessert werden könnte und müßte. Aber ich glaube, solange wir noch keine Einrichtung haben, die mit geschärftem Verstand und mit der Fähigkeit, das denkbar beste Deutsch zu ergründen, Gesetzentwürfe überarbeiten kann, laufen wir immer Gefahr, daß wir Gesetze machen, denen auch die Minuszeichen „Gesetzesdeutsch" anhängen. Wir haben so viele Gesetze gemacht, über die sich Kabarettisten lustig machen konnten und können. Ich denke nur an § 1 des Wasserhaushaltsgesetzes, wo das fließende Wasser in den Betten steht,
und ähnliche andere Dinge, die uns gelegentlich einmal unterlaufen sind. Es gibt nun einmal Schwierigkeiten bei der Angleichung der Juristen- und Gesetzessprache an die Sprache derer, die, auch wenn sie nicht dem Deutschen Sprachverein angehören, sich ein besonderes Sprachgefühl haben bewahren können.Kurz und gut, ich würde an sich dem Rückverweisungsantrag gerne zustimmen; ich frage mich nur: Wo ist das Gremium, das in der Lage ist, die von dem Kollegen Porzner empfohlenen Ausfeilungen vorzunehmen
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Februar 1965 8015
Jacobi
und das — ich bitte um Entschuldigung — zugleich den nötigen Sachverstand aufbringt,
um sich darüber klar zu werden, daß es nicht nur um Formulierungen, sondern auch um schwierigste Probleme geht.
Ich sehe das als eine Aufgabe an, der ich mich nur sehr schwer unterziehen könnte.Ich kann infolgedessen leider der Anregung meines Kollegen Schoettle von meiner Person her nicht zustimmen, obwohl ich sie in der Sache begrüße. Nur eine Schlußfolgerung möchte ich ziehen. Vielleicht kann dieser kleine Zwischenfall unsere Augen und Sinne dafür schärfen, daß wir in Zukunft in der Tat immer wieder in unseren Fraktionen die Kollegen um Mitarbeit auch bei Spezialgesetzen bitten, Kollegen, die sich in der begrüßenswerten Situation befinden wie der Kollege Porzner, welche die Fähigkeit besitzen — sie sind noch jung, sie sind noch nicht verdorben —,
die deutsche Sprache auch vom Sprachgefühl her und unbeeinflußt zu erkennen und zu bewerten. Dann hätten wir doch einen kleinen Vorteil aus dem Intermezzo gezogen.
Herr Abgeordneter Jacobi, Herr Abgeordneter Höhmann möchte eine Zwischenfrage an Sie stellen.
Lieber Kollege Jacobi, vielleicht erkundigen Sie sich einmal bei einem sachkundigen Mitglied dieses Ausschusses, Herrn Dr. Czaja, ob er als Studienrat eventuell Deutschunterricht erteilt hat. Dann wäre er der richtige Mann dafür.
Da das keine Frage war, möchte ich mir die Antwort ersparen.
Ich darf mir eine Bemerkung gestatten: die Aufgabe, die richtige Gesetzessprache zu finden, ist dem Bundesjustizministerium und den Juristen gestellt.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Könen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich den letzten Satz des Herrn Präsidenten vervollständigen darf, dann mache ich jetzt ein Komma und sage: und darum sehen die dann manchmal so aus.
Vizepräsiden Dr. Dehler: Herr Kollege Könen, so wie dieses nicht, so bestimmt nicht.
Meine Damen und Herren, ich möchte die Dinge wieder mal auf ihren Ursprung zurückführen. Ich bin dem Kollegen Porzner herzlich dankbar. Er hat die Idee gehabt. Ich habe immer schon gesucht, wie man das einmal machen könnte; auf d i e Idee bin ich gar nicht gekommen. Ich bin ihm herzlich dankbar dafür, daß er uns allen miteinander ohne Ausnahme vor Augen geführt hat, was wir uns in der Gesetzessprache leisten.
Diejenigen, die sich ganz besonders auf den „Schlips getreten" fühlen sollten, bitte ich, doch Verständnis dafür zu haben, daß man das einmal ausgesprochen hat.
Mir ist vor ein paar Tagen in einem Ausschuß passiert, daß mir — Verzeihung, Herr Präsident! — ein Jurist erklären mußte, was „bösige Rückwirkungen" sind.
— Wissen Sie das nicht? —
— Wenn Sie ein Steuergesetz im Oktober machten, in dem stünde, daß Sie ab 1. Januar des gleichen Jahres, also rückwirkend, höhere Steuern zahlen müßten, dann wäre das eine „bösige Rückwirkung".
— Ich bin ja Optimist und hoffe, daß das an uns noch vorübergeht. Aber sehen Sie, solche Dinge kommen einfach bei uns vor, und da zeigt sich die Ernsthaftigkeit der Frage. Wir sollten uns auf Grund dieser Viertelstunde, die wir jetzt hinter uns haben, alle miteinander überlegen, ob wir nicht gemeinsam mit unseren Juristen eine Gesetzessprache finden können, die der Volksschüler mit durchschnittlicher Bildung begreifen kann.
Herr Abgeordneter Schoettle hat Zurückverweisung der Vorlage an die Ausschüsse beantragt. Der Antrag ist nach § 82 der Geschäftsordnung zulässig. Wünscht dazu noch jemand das Wort? — Herr Abgeordneter Hesberg!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, diesen Antrag abzulehnen. Der Gesetzentwurf liegt in der Ausschußfassung seit mehr als 10 Tagen dem Hause vor. Es ist also möglich gewesen, Änderungsanträge zu stellen. Ich bitte, dem Gesetzentwurf in der vorliegenden Fassung zuzustimmen.
Keine weiteren Wortmeldungen. Ich lasse nun über den Antrag abstimmen, die Vorlage auf Drucksache IV/3014 an die Ausschüsse, also an den Ausschuß für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung — federführend — und den Ausschuß für Wirtschaft zur Mitberatung zurückzuverweisen. Wer diesem Antrag zustimmt, gebe bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Der Antrag ist abgelehnt.
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8016 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Februar 1965
Vizepräsident Dr. DehlerWortmeldungen zur zweiten Beratung liegen nicht mehr vor. Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe auf § 1,—§2,—§3,—§3a,—§4,—§4a,- § 5, — § 6, — § 6 a, — § 7, — § 7 a, — § 8, — § 9 — sowie Einleitung und Überschrift. — Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen auf der linken Seite des Hauses angenommen.Ich schließe die zweite Beratung und eröffne diedritte Beratung.Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir, daß ich meine Gedanken zur dritten Lesung mit einer Vorbemerkung einleite.Raumordnungspolitik ist eine politische Aufgabe. Sie will an Hand eines verbindlichen Leitbildes dazu beitragen, der modernen Entwicklung eine Ordnung zu geben, die dem Menschen unserer Zeit gerecht wird.Dazu ein Beispiel: Die Stadt München hat seit Jahren einen jährlichen Bevölkerungszuwachs von 20 000 bis 40 000 Menschen. Vor wenigen Jahren wurde der millionste Bürger begrüßt. Jetzt hat München 1,2 Millionen Einwohner. Die Zuwanderung hält an. Die Stadt kann mit den Problemen allein nicht mehr fertig werden. Sie bedarf der Hilfe. Ob Wohnungs- oder Verkehrsprobleme, die Lösung kann nur über die Grenzen der Stadt hinaus, also im Raum München oder, wie es die Fachleute — das paßt schon zu dem soeben geleisteten Beitrag vom „Sprachverein" — bezeichnen, in der Region München gefunden werden. Die Zuwanderung, meine Damen und Herren, sprengt die Möglichkeiten der Stadt. Hier stehen wir vor einer Aufgabe, die nur mit Mitteln der Raumordnungspolitik zu lösen ist.Nun die andere Seite! Aus dem Zonenrandgebiet, aus dem Bayerischen Wald und anderen ländlichen Gebieten wandern Menschen nach München oder in andere wirtschaftlich und kulturell interessante Räume ab. Sie hinterlassen Probleme in der Heimat und bringen neue schwere Probleme mit. Auch hier in den sogenannten Entleerungsgebieten kann nur eine wirkasme Raumordnungspolitik helfen.Dieser Prozeß vollzieht sich nicht nur bei uns in Deutschland, sondern mit graduellen Unterschieden in Europa, ja, in der Welt. Wir stehen mitten in einer großen Völkerwanderung, — wenn ich diesen Vergleich anführen darf. Ich erinnere nur an die eine Million Gastarbeiter. In diesem Jahr sollen es 1,2 Millionen werden. Dieser modernen Aufgabenstellung nicht hilflos gegenüberzustehen, sondern ordnend zu gestalten, das ist das Ziel der Raumordnungspolitik.Damit ist die größte und — das hat die Aussprache gezeigt — auch schwierigste Gemeinschaftsaufgabe unserer Tage angesprochen; eine Aufgabe, mit der sich dieses Gesetz deshalb so schwer tut — das steht bei mir in meinen Sprechzettel; ich würde den Sprecher der sozialdemokratischen Fraktion bitten, jetzt zuzuhören, der vorhin glaubte, sprachliche Anmerkungen vortragen zu müssen —, weil es sich neuer Begriffe bedienen muß. Raumordnung, Raumordnungspolitik, raumintensive Investitionen, — was alles die Wissenschaftler der modernen Zeit hier an Begriffen herausgearbeitet haben, sind neue Begriffe. Deshalb haben wir uns bei den Beratungen so schwer getan.Das Jahr 2000 wird eine veränderte Welt zeigen. Wenn ich diesen Gedanken erörtere, werden viele fragen: Was soll denn das Jahr 2000 hier? Nun, in 35 Jahren werden wir das Jahr 2000 begehen. Ich darf den Deutschen Bundestag daran erinnern, daß es etwas mehr als 15 1/2 Jahre her sind, daß der Deutsche Bundestag in diesem Raum zum erstenmal zusammentrat. Wir haben es damals übernommen, auf den Trümmern der Hitlerdiktatur den neuen Anfang zu machen. Damals haben wir z. B. ein erstes Wohnungsbaugesetz einstimmig beschlossen. Wir kennen die Erfolge unserer Politik in diesen 15 1/2 Jahren. Es wurden nicht nur 8,3 Millionen Wohnungen gebaut, sondern Deutschland wurde buchstäblich neu gestaltet. Damals mußten die Abgeordneten des Deutschen Bundestages in der Geschäftsstelle noch Benzingutscheine in Empfang nehmen, um Benzin tanken zu können. Eine Brücke über den Rhein gab es nicht. Uns allen, die wir in diesem Jahr mitgearbeit haben, scheint es, als ob eine Welt zwischen dieser Zeit, 1949, und heute läge. Dennoch sind es nur vier Legislaturperioden des Deutschen Bundestages gewesen, und in 35 Jahren, im Jahre 2000, werden wir in Deutschland vor einer völlig veränderten Welt stehen.Meine Damen und Herren, wir stehen mitten drin in einer Entwicklung, die hier und da für unsere Menschen bedrohliche Formen annimmt. Die Zukunft modern zu gestalten, ist Aufgabe einer Politik, die vorsieht, den uns zur Verfügung stehenden Raum vernünftig zu nutzen. So ist das politische Ziel am besten ausgedrückt, Herr Kollege Jacobi, wenn ich Raumordnungspolitik als angewandte Gesellschaftspolitik bezeichne. Wie anders wollen Sie eine Gesellschaftspolitik ansprechen als auf diesem Gebiet? Oder aber wir zwei müßten uns einmal darüber unterhalten, was wir unter Gesellschaftspolitik verstehen. Für die Kritiker, die von einem „Zu spät", „Viel zu spät" sprechen, sei der Hinweis erlaubt, daß es für verantwortungsvolle Politik nie zu spät ist.Ich darf jetzt wegen der Bedeutung der Frage noch ein Wort zur Raumordnungssituation im Bundesgebiet sagen. In den letzten hundert Jahren hat sich die gesamte Siedlungsstruktur unseres Landes grundlegend verändert. Das Tempo dieser Wandlung steigert sich seit der Jahrhundertwende und steigert sich weiter. Die Bundesregierung hat dem Hohen Hause im Oktober 1963 in ihrem ersten Raumordnungsbericht eine detaillierte Darstellung dieser Entwicklung gegeben, die durch umfangreiches Zahlenmaterial belegt war. Ich will diese Aus-
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Bundesminister Lückeführungen hier nicht wiederholen, vielmehr nur einige entscheidende Momente hervorheben.Die sehr erhebliche und einseitige Vermehrung der industriellen Arbeitsplätze in Gebieten mit günstigen Standortbedingungen hat in einigen Räumen der Bundesrepublik zu einer starken Verdichtung der Wohn- und Arbeitsstätten geführt, wobei sich in manchen Gebieten deutliche Erscheinungen der Überlastung zeigen. Diese Überlastung ist keine Frage der Quantität, sondern der Qualität. Das habe ich mehrfach betont und möchte es hier noch einmal hervorheben. Die weiten täglichen Wege zur Arbeit, die überfüllten Straßen, die unzureichenden Massenverkehrsmittel, der unerträgliche Lärm und die zunehmende Verunreinigung der Luft und des Wassers zeigen, daß gesunde räumliche Lebens- und Arbeitsbedingungen in einigen Gebieten der Bundesrepublik nicht mehr bestehen.Was nun ist das Kriterium der Überlastung? Wir meinen: die ungesunden räumlichen Lebens- und Arbeitsbedingungen. Diese zum Teil überlasteten Verdichtungsräume machen nach neueren Untersuchungen 7 % der Fläche des Bundesgebietes aus. Auf ihnen wohnen 41 % der Bürger. Durch die Zuwanderung in diese Räume nimmt die Zahl der Bürger dort um rund eine viertel Million jährlich zu.Dem stehen nun industrieschwache, vorwiegend agrarische Problemgebiete gegenüber, die in ihrer gesamten wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung hinter der allgemeinen Entwicklung des Bundesgebietes zurückgeblieben sind. Diese Gebiete umfassen 40 % der Fläche mit 15 % der Einwohner des Bundesgebietes. Hier fehlen vor allem ausreichende wirtschaftliche Existenzgrundlagen außerhalb der Landwirtschaft. Das bedeutet eine anhaltende Schwäche der gesamten Wirtschaftskraft dieser Gebiete. Sie sind nicht in der Lage, die notwendigen sozialen, kulturellen Einrichtungen, Versorgungs-und Verkehrsanlagen zu schaffen. Das Fehlen dieser Einrichtungen hat eine weitere Abwanderung der Menschen zur Folge.Zu den großräumigen Problemgebieten in der Bundesrepublik gehört z. B. das Zonenrandgebiet. Dort ist die Ursache der Problematik, wie wir wissen, die gewaltsame Grenzziehung durch den Eisernen Vorhang. Die dadurch bedingte Unterbrechung aller früheren Verkehrs- und Wirtschaftsbeziehungen hat zu besondern, nicht zuletzt auch zu psychologischen Belastungen geführt. Dieses Gebiet umfaßt 19 % der Fläche des Bundesgebietes mit 12 % seiner Bewohner.Die Situation in den von mir genannten Gebieten der Bundesrepublik läßt sich nun nicht isoliert betrachten. Die strukturellen Mängel sind in ihren Ursachen vielmehr sehr eng miteinander verbunden. Das beruht in erster Linie darauf, daß in der Vergangenheit die starke Bevölkerungskonzentration in den Verdichtungsgebieten ganz überwiegend zu Lasten der übrigen Problemgebiete ging. Das in der realen Steuerkraft, im Bruttoinlandsprodukt, in der Industrie, aber darüber hinaus auch in der gesamten kommunalen Ausstattung zum Ausdruck kommende Leistungsgefälle fördert die Zunahme der Bevölkerung in den großflächigen Verdichtungsgebieten zuLasten der Gebiete, die hinter der allgemeinen Entwicklung zurückgeblieben sind. Menschen bleiben nur noch auf dem Lande, wenn sie dort eine wirtschaftliche, eine soziale und eine kulturelle Zukunft sehen.Wir alle sehen nun die wirtschaftspolitischen, verkehrs- und gesellschaftspolitischen Gefahren dieser Entwicklung. Es ist sicher, daß die starke räumliche Konzentration der Wohn- und Arbeitsplätze auf der einen Seite und das Zurückbleiben der gesamten, vor allen Dingen der kommunalen Infrastruktur in manchen Gebieten auf der anderen Seite für unser Sozialprodukt eine erhebliche Kostenbelastung darstellt.Die Entwicklung der Verkehrsverhältnisse vor allem in den überlasteten Teilen der Verdichtungsräume macht, wie die beiden in letzter Zeit vorgelegten Sachverständigengutachten in England und in der Bundesrepublik Deutschland hervorgehoben haben, eine Besserung der Situation allein durch örtliche Maßnahmen unmöglich. Sie zwingt vielmehr dazu, die großräumige Struktur in der Bundesrepublik mehr zu ordnen, als es bisher der Fall war. Der Bau der Verbindungsbahn in München vom Ostzum. Hauptbahnhof, die Tieferlegung der Bahn in Bonn, das alles sind keine Probleme der Stadt München, der Stadt Bonn, der Städte Wuppertal und Köln — wo es ähnliche Probleme gibt —, das sind Raumordnungsprobleme, die nur im Rahmen dieser Politik lösbar, und zwar sinnvoll lösbar sind.Stellen wir hier die Frage, ob diese Entwicklung nun unabänderlich ist oder ob es Möglichkeiten der Einflußnahme gibt! Meine Damen und Herren, diese Entwicklung ist keineswegs zwangsläufig. Das hat in früheren Zeiten Baden-Württemberg gezeigt, das aus anderen Gründen, die ich unerörtert lassen will, eine sehr gesunde Struktur erreicht hat. Diese Entwicklung ist vielmehr eine Folge des bisherigen Systems unserer öffentlichen Planungen und Investitionen unserer Finanz- und Steuerwirtschaft und unserer Verwaltungsstruktur.Sicherlich lassen sich alle diese Ursachen nicht mit einem Schlage ändern, und von mir werden Sie das zuletzt hören, weil ich den leidvollen Weg der über zehnjährigen Beratungen mitgemacht habe. Aber die vorhandenen Mängel können weitgehend behoben werden, wenn alle auf die räumliche Struktur des Bundesgebietes einwirkenden Maßnahmen — die Fachleute sprechen hier von raumwirksamen Maßnahmen und raumbedeutsamen Planungen und Investitionen — auf die in diesem Gesetz über die Raumordnung enthaltenen Grundsätze abgestellt werden, nämlich auf die Grundsätze, die auf wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Gesichtspunkten beruhen. Letztlich geht es dabei darum, daß überall im Bundesgebiet — ich spreche von „überall" — räumlich gesunde Lebens- und Arbeitsbedingungen hergestellt werden.Zu einer solchen Aktivierung der Raumordnungspolitk zwingt uns auch die immer intensiver werdende europäische Integration innerhalb der EWG. Die dadurch bewirkte Angleichung der wirtschaftlichen Entwicklung der Mitgliedstaaten der EWG hat die Kommission bereits vor die Aufgabe gestellt,
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Bundesminister Lückesich sehr eingehend Gedanken über eine regionale Strukturpolitik im Rahmen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zu machen. Eine solche Strukturpolitik auf europäischer Ebene setzt aber voraus, daß zunächst die Mitgliedstaaten der Wirtschaftsgemeinschaft selbst in ihren Bereichen eine wirksame und einheitliche Raumordnungspolitik betreiben.Meine Damen und Herren, ich möchte ausdrücklich hervorheben, daß auch die Länder — ich spreche jetzt von den Bundesländern — auf dem Gebiet der Raumordnung bereits Wirksames geleistet haben. Die Entwicklungen, von denen ich hier spreche, sind aber großräumige Entwicklungen, deren Ursachen und Wirkungen über die Landes-, Staats- und Nationalgrenzen hinausgehen. Diese Entwicklungen können von den Ländern nicht und von den Gemeinden schon gar nicht allein gemeistert werden, weil unsere Länder mit ihren Maßnahmen innerhalb der Grenzen verbleiben müssen.So zwingt dies alles zu der Erkenntnis, meine Damen und Herren, daß sich der Bund dieser Aufgabe annehmen muß.Bereits im Jahre 1954 hat das Bundesverfassungsgericht in einem Rechtsgutachten die Zuständigkeit des Bundes auf dem Gebiet der Raumordnung umrissen. Im Dezember 1955 haben 108 Abgeordnete des 2. Deutschen Bundestages den ersten Entwurf eines Rahmengesetzes über die Raumordnung eingebracht. Ich habe diesen Initiativantrag damals mit unterzeichnet. Seitdem sind nun neun Jahre vergangen. Herr Kollege Jacobi, der dein Deutschen Bundestag und dem Ausschuß ebenso lange wie ich angehört, hat diesen Antrag damals ebenfalls mit unterzeichnet. Hier im Deutschen Bundestag weiß keiner besser als er, warum es bisher so schwer war, in der Bundesrepublik eine wirksame Raumordnungspolitik zu betreiben. Herr Kollege Jacobi, ich gebe zu, Sie sind ein Meister der Rede. Ihre Rede hat so geklungen, als hätten Sie einen ähnlichen Auftrag wie jenen — so steht es irgendwo, und so wird es nacherzählt —, den die frühere badische Regierung einem ihrer Vertreter im Reichstag auf den Weg gegeben hat: „Ablehnen, wenn Annahme gesichert". Ihre Rede klang so, als ob Sie den Grundsatz hätten: Dagegen sprechen, wenn das Gesetz gesichert ist.Einschränkend haben Sie Ihre Ausführungen dahin gehend zusammengefaßt, Sie hätten die Vergangenheit kritisiert. Sie wissen ganz genau, Herr Kollege Jacobi — Sie haben vor 10 Jahren den ersten Antrag mit unterschrieben —, warum bisher Raumordnungspolitik im modernen Sinne im Bundesgebiet nicht möglich war: weil uns die gesetzliche Basis fehlt. So sind Sie ja auch zur Zustimmung zu dem Gesetz gekommen.Sie sind weiterhin — darf ich auch das noch sagen — ein Meister jener Kunst, über die Dinge, die heute schwarz sind, so zu reden, daß man den Eindruck gewinnt, sie seien weiß, und über die Dinge, die heute weiß sind, so zu reden, daß man den Eindruck gewinnt, sie seien schwarz geworden.
Weil ich auf dem Gebiet einiges Material und einige Erfahrung habe — wir kommen bei einem späteren Tagesordnungspunkt noch darauf —, habe ich mich dieses Beispiels bei Ihnen bedient.
Gestatten Sie eine
Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Jacobi? Lücke, Bundesminister für Wohnungswesen,
Städtebau und Raumordnung: Bitte!
Herr Minister, ich würde gern den Versuch machen, ein Kompliment zurückzugeben. Mir fällt nur nicht Gescheites in diesem Zusammenhang ein.Aber ich darf Sie einmal fragen, ob es nicht durchaus möglich ist, daß man gemeinsam eine gesetzliche Regelung anstrebt, daß man sogar darauf abstellt, daß sie optimal erreicht wird, und hinterher, obwohl man enttäuscht ist und obwohl ein solches Gesetz unzulänglich geblieben ist, teils mit Vorbehalten, ja sagt. Im übrigen: Ich habe nicht nur auf die Vergangenheit hingewiesen, sondern ich habe auch meiner Sorge Ausdruck gegeben und gesagt, daß — ob mit Gesetz oder ohne Gesetz — Ihre Regierung aktiver sein müßte, als sie es bisher war, und ich habe Zweifel in dieser Richtung geäußert.
Lücke, Bundesminister für Wohnungswesen,Städtebau und Raumordnung: Ich darf darauf folgendes antworten, Herr Kollege Jacobi. Die Debatte vorhin war so gelockert, daß ich mir das Bild erlauben darf: In der Demokratie, in der im Rahmen unseres Grundgesetzes ein Rahmengesetz verabschiedet werden soll, von Muskeln zu sprechen, wo man nur mit Verstand weiterkommt, hat eben keinen Zweck. Ich habe mich deshalb entschieden, so lange mit den Ländern zu verhandeln - und es waren sehr verständnisvolle Verhandlungen —, bis wir eine gemeinsame Basis gefunden hatten, die es Bund und Ländern ermöglichte, die Raumordnungspolitik einzuleiten. Deshalb also die mühseligen Verhandlungen, über die Sie so genau Bescheid wissen, weil Sie im Ausschuß sehr sachlich mitgearbeitet haben. Ich war deshalb von Ihrer Rede vorhin etwas überrascht.Von damals bis heute — in 9 1/2 Jahren — war ein langer und mühevoller Weg. Sie wissen, daß die Bundesregierung zunächst versucht hat, mit einem Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern die Aufgabe zu lösen. Diese Erwartung hat sich nicht erfüllt. Das lag letztlich daran, daß das Abkommen, das ja keine sachlichen Grundsätze enthielt, dem wirklichen politischen Gewicht der Aufgabe nicht gerecht wurde und sich in seiner Wirkung ausschließlich auf die Vertragspartner beschränkte.Die Bestrebungen, zu einer gesetzlichen Regelung zu kommen, erhielten in dieser Legislaturperiode einen erneuten ersten Anstoß durch einen inter-
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Bundesminister Lückefraktionellen Gesetzentwurf, der von den Kollegen Dr. Schmidt , Bading, Margulies und anderen im Jahre 1962 vorgelegt wurde. Die Bundesregierung hat dann nach langen und sehr schwierigen Vorverhandlungen einen eigenen Entwurf vorgelegt, der die wesentlichen Grundsätze für die Raumordnung in Bund und Ländern normativ festlegen soll. Zu Beginn haben auch im parlamentarischen Raum nicht unerheblich abweichende Vorstellungen 'bei den Beteiligten über die Richtigkeit und Zweckmäßigkeit des Gesetzes und seines Inhaltes bestanden. Schließlich haben die Beratungen in den Bundestagsausschüssen aber doch zu einer vollen Übereinstimmung aller Fraktionen geführt.Ich darf von mir aus für diese schwierige Arbeit, die bei allen Beteiligten von einem vollen Verständnis für die Wichtigkeit der Aufgaben getragen wurde, meinen Dank sagen. Das muß vor allem für den Vorsitzenden des federführenden Ausschusses, meinen Kollegen Herrn Dr. Hesberg gelten, der immer wieder mit großem Geschick und großem Sachverstand und einer noch größeren Geduld den Fortschritt der Beratungen gefördert hat.
Dieser Dank gilt aber auch den Mitgliedern der mitberatenden Ausschüsse.Ich muß hier auch ein anerkennendes Wort des Dankes den Kirchen, den zahlreichen Organisationen, Verbänden und Sachverständigen aussprechen, die wesentlich zum erfolgreichen Gelingen dieses so schwierigen Gesetzgebungswerkes beigetragen haben.Vor allem darf ich den vier kommunalpolitischen Verbänden für ihre Arbeit danken. Daß es möglich wurde, daß gerade bei dieser wichtigen Frage die vier Verbände, die doch entscheidend durch dieses Gesetz betroffen werden, zu einem einstimmigen Votum kamen, trug wesentlich zu einem günstigen Beratungsergebnis bei.Zwischen Bund und Ländern bestand zu keiner Zeit eine Meinungsverschiedenheit über die Notwendigkeit einer Aktivierung der Raumordnungspolitik im Gebiet des Bundes. Es 'beistand auch Übereinstimmung darüber, daß diese Aktivierung nur auf der Grundlage sachlicher Ziele der Raumordnung erreicht werden könnte. Indessen hielt ein Teil der Länder anfänglich eine entsprechende Ergänzung des bestehenden Verwaltungsabkommens für ausreichend. Keineswegs einfache, aber doch konstruktive Gespräche mit den Ministerpräsidenten der Länder haben schließlich zu einer Verständigung über den Inhalt einer bundesgesetzlichen Regelung geführt. Dabei haben beide Seiten Zugeständnisse gemacht. Diese bezogen sich für den Bund darauf, daß im Gesetz auf einige Grundsätze verzichtet worden ist, die nicht 'besonders vordringlich sind, und daß die unmittelbare Geltung der Grundsätze in den Ländern auf die Landesplanung bezogen wird. Weil sich beide Seiten aber über die Notwendigkeit einig waren, daß eine aktive Raumordnungspolitik im Bundesgebiet erreicht und sichergestellt werden müßte, kam es zu einem Gesetzentwurf, der eine durchaus brauchbare Handhabe für eine wirksame Raumordnungspolitik gibt. Ich möchte auch an dieser Stelle und in dieser Stunde den Herren Ministerpräsidenten für ihre verständnisvolle und verantwortungsbewußte Haltung in dieser entscheidenden Frage danken.Wenn wir heute den Entwurf des Raumordnungsgesetzes in dritter Lesung verabschieden, so glaubt niemand — zuletzt ich selber —, daß wir damit die vor uns stehenden Aufgaben auf dem Gebiet der Raumordnung gelöst hätten. Das Raumordnungsgesetz gibt einen rechtlichen Rahmen, innerhalb dessen unsere künftige Raumordnungspolitik im Bundesgebiet aktiviert werden soll. Es schafft damit die Grundlage, um mit der Lösung der dringenden Aufgaben beginnen zu können. Es ist ein erster, aber auch wirksamer Anfang. Den Wert einer solchen Raumordnungspolitik kann man nicht .an Erfolgen messen, die innerhalb einer Legislaturperiode zu erzielen sind. Raumordnungspolitik eignet sich nicht einmal für den Wahlkampf. Raumordnung ist notwendig eine langfristige Aufgabe, ja eine Aufgabe für morgen, eine Aufgabe für Generationen. Sie besteht darin, die bestmöglichen räumlichen Bedingungen für das Leben unserer Bürger und ihrer Familien im Bundesgebiet sicherzustellen.Die Wertmaßstäbe, von denen eine solche Bundesraumordnung ausgeht, sind die gesellschaftlichen Grundwerte unserer christlich-abendländischen Kultur und damit die unserer verfassungsmäßigen Ordnung. Zu diesen gehören die freie Entfaltung der Persönlichkeit innerhalb der Gemeinschaft, der Schutz der Familie, die Erhaltung des Eigentums unter Betonung seiner sozialen Verpflichtungen und in Ausführung der sozialstaatlichen Pflichten des Bundes eine gewisse Angleichung der äußeren Lebensverhältnisse dort, wo der einzelne diese nicht herzustellen vermag.
So steht als Ordnungsbild über diesem Gesetz der Mensch in seiner sittlichen Würde, die Familie. Die Aufgabe, für die ,das Raumordnungsgesetz den gesetzlichen Rahmen bietet, ist, sicherzustellen, daß in Dorf und Stadt unseren Familien und unseren Bürgern eine soziale, gesellschaftliche, wirtschaftliche Zukunft geschaffen wird.Mit diesem Gesetz ist es möglich, eine erfolgreiche Raumordnungspolitik einzuleiten. Sie weiterzuentwickeln, sie weiterzugestalten, wird die Sorge der Politik in Gemeinden, Ländern und Bund von morgen sein. Wir im Deutschen Bundestag sollten das tun, was die Stunde von uns fordert: Handeln.Ich bitte daher, der Vorlage die Zustimmung zu geben.
Zu einer persönlichen Erklärung nach § 59 der Geschäftsordnung gebe ich dem Herrn Abgeordneten Spies das Wort.
— Das gibt es, meine Damen und Herren; das isthöchst selten, und früher haben es nur die Frak-
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Präsident D. Dr. Gerstenmaiertionen für sich in Anspruch genommen, aber jedem einzelnen Mitglied dieses Hauses steht das Recht zu, eine explication de vote abzugeben.Bitte sehr, Herr Abgeordneter!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich sehe mich nicht in der Lage, diesem Gesetzentwurf in der dritten Lesung zuzustimmen, da ich in .§ 2 Nr. 3 eine starre behördliche Regelung zum Nachteil der kleinen Gemeinden sehe. Nr. 3 bestimmt im letzten Absatz:
In den 'Gemeinden dieser Gebiete sollen die Lebensbedingungen der Bevölkerung, insbesondere die Wohnverhältnisse sowie die Verkehrs-und Versorgungseinrichtungen allgemein verbessert werden. In einer für ihre Bewohner zumutbaren Entfernung
— also eine reine Ermessensfrage —
sollen Gemeinden mit zentralörtlicher Bedeutung einschließlich der zugehörigen Bildungs-, Kultur- und Verwaltungseinrichtungen gefördert werden.
Diese positive Aussage muß auf der anderen Seite zwangsläufig nachhaltige Auswirkungen haben.
Meine Damen und Herren, wir kommen zur Abstimmung. Wer der Vorlage in dritter Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — 4 Gegenstimmen. Enthaltungen? — 2 Enthaltungen. Der Gesetzentwurf ist damit in dritter Beratung angenommen.
Ich rufe nunmehr die zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Wohnbeihilfen auf. Ich frage, ob die Berichterstatter das Wort zu nehmen wünschen. — Die Berichterstatterin des Ausschusses für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung, Abgeordnete Frau Berger-Heise, verzichtet.
— Gut, das wird zur Kenntnis genommen.
Der Berichterstatter des Haushaltsausschusses, Abgeordneter Baier , hat das Wort.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Haushaltsausschuß hat in seiner Sitzung am 10. Februar den Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes über Wohnbeihilfen behandelt. Wie aus dem vorliegenden kurzen Bericht zu ersehen ist, wurden gegen die Beschlüsse des 24. Ausschusses keine Bedenken erhoben. Nachdem es sich jedoch im vorliegenden Fall um einen Gesetzentwurf mit einer weitreichenden und all-jährlich wiederkehrenden finanziellen Auswirkung auf den Bundeshaushalt handelt, scheint es geboten, dem Hohen Hause eine kurze Darstellung dazu zu geben.Die finanzielle Bedeutung der Wohnbeihilfen hat sich nach Inkrafttreten der Abbaugesetzgebung und der stärkeren Entwicklung der Miet- und Lastenbeihilfen als mittelbares Finanzierungsinstrument des sozialen Wohnungsbaues, praktisch erst seit den Jahren 1960/61, in den Haushalten von Bund und Ländern niedergeschlagen. Allerdings blieb bisher, bei dem jetzigen Gesetz über Wohnbeihilfen, die finanzielle Beanspruchung wesentlich hinter den ursprünglichen Schätzungen zurück. Bund und Länder, die je zur Hälfte den Aufwand zu tragen haben, haben 1961 12 Millionen, 1962 22 Millionen, 1963 33 Millionen und 1964 57 Millionen DM ausgegeben. Bei der seinerzeitigen Vorbereitung des Wohnbeihilfengesetzes vor vier Jahren wurden verschiedene Analysen und Prognosen angestellt, wie hoch der Aufwand für die Wohnbeihilfen nach der endgültigen Überführung der Wohnungszwangswirtschaft in die soziale Marktwirtschaft sein werde. Damals wurde geschätzt, daß nach Eintritt der vollen Auswirkungen — also ab 1966 — der Aufwand des Bundes und der Länder jährlich 350 bis 450 Millionen DM betragen würde.Diese Schätzungen für den Aufwand nach dem Wohnbeihilfengesetz in der bisherigen Form erscheinen heute überhöht. Ursache ist, daß die tatsächliche Einkommensentwicklung in der Zwischenzeit günstiger war, als man der Prognose zugrunde gelegt hatte, und daß die Erhöhung des Mietniveaus bisher schwächer gewesen ist, als seinerzeit unterstellt wurde. Damit zeigt sich natürlich die ganze Problematik jeder Vorausschätzung, die auch dann besteht, wenn die Schätzung mit größter Sorgfalt und unter Berücksichtigung aller Faktoren vorgenommen wird. Es wird dabei immer Unbekannte geben.Da die Inanspruchnahme der Beihilfen im sozialen Wohnungsbau ständig wächst und auch die Wohnbeihilfen nach dem Wohnbeihilfengesetz in den weißen Kreisen im Wachsen begriffen sind, hätte die finanzielle Belastung ohne die nunmehr beschlossene Verbesserung der Beihilfen 1965 wahrscheinlich rund 85 Millionen DM von Bund und Ländern erfordert. Durch den vorliegenden Gesetzentwurf tritt nunmehr eine Mehrbelastung ein.Die wichtigsten Faktoren der zusätzlichen finanziellen Beanspruchung sind a) die Anhebung und die Vereinheitlichung der benötigten Wohnfläche in Alt- und Neubauten, b) die Herabsetzung der Grenze bei den Vom-Hundert-Sätzen, die als tragbar angesehen werden, sowie die Änderung des Selbstgehaltes und c) die grundsätzliche Übernahme der in den weißen Kreisen bestehenden Wohnbeihilfenregelung auch für die schwarzen Kreise.Von den zuständigen Stellen des Bundes — vom Bundeswohnungsbauministerium und der volkswirtschaftlichen Gruppe des Finanzministeriums — wurde unter Mitwirkung der Länderexperten nach eingehender Untersuchung festgestellt, daß die Mehrbelastung, die sich aus den Verbesserungen
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Baier
dieses Gesetzentwurfs gegenüber der bisherigen Regelung ergibt, etwa ein Viertel des geschätzten Aufwandes betragen wird.Da die neue Wohngeldregelung erst ab 1. April 1965 in Kraft treten soll, wird die Mehrbelastung für das laufende Haushaltsjahr auf 15 bis 20 v. H. gegenüber der bisherigen Regelung geschätzt. Das sind rund 15 Millionen DM mehr, für den Bund also 71/2 Millionen DM. Der Gesamtaufwand für das gesamte Jahr 1965 beträgt somit voraussichtlich 100 Millionen DM, also für den Bund rund 50 Millionen DM. Für 1966 dürfte der gesamte finanzielle Aufwand aus dem Wohngeld für Bund und Länder zusammen 150 Millionen DM betragen. Der vor etwa vier Jahren geschätzte Aufwand bis zu 450 Millionen DM pro Jahr für Bund und Länder zusammen wird nach den genannten Schätzungen nach der Hinausschiebung des Endtermins für die Überführung der Wohnungszwangswirtschaft in die soziale Marktwirtschaft ab 1968 erreicht werden.Für das laufende Haushaltsjahr sind im Einzelplan 25 des Bundesministeriums für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung für Wohnbeihilfen 20 Millionen DM eingesetzt. Ausgabenreste aus dem Vorjahr sind noch in Höhe von rund 29 Millionen DM vorhanden. Damit stehen effektiv 49 Millionen DM zur Auszahlung zur Verfügung, die nach den gegebenen Vorausschätzungen ausreichen dürften.Meine verehrten Damen und Herren! Hier und heute wird ein Gesetz von weittragender Bedeutung beraten sowohl in bezug auf die soziale Sicherung des Gutes „Wohnung", insbesondere für die Familien, die ohne eigenes Verschulden nur geringe Einkünfte haben, als auch hinsichtlich der finanziellen Auswirkungen auf die Haushalte von Bund und Ländern. Es ist zu hoffen, daß die Schätzungen der Experten richtig sind.Meine Damen und Herren, ich hielt mich für verpflichtet, Ihnen einen Einblick in die finanziellen Auswirkungen dieses so bedeutsamen Gesetzes zu geben.Der Haushaltsausschuß hat sich trotz der schwierigen Haushaltslage einstimmig bereit erklärt, keine Bedenken zu erheben und seine Zustimmung zu geben.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich rufe auf den Art. I. Hierzu liegen Änderungsanträge vor; zunächst ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 546 *). Das Wort zur Begründung hat Frau Abgeordnete Berger-Heise.
— Nein; man kann in der zweiten Lesung nicht eine Generalaussprache machen, das machen wir in der dritten Lesung. Also: zur Begründung des Änderungsantrages.
*) Siehe Anlage 2
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Erste Wohnbeihilfengesetz, das wir heute novellieren, ist erst am 1. November 1963 in Kraft getreten. Unter dem gleichen Zeitdruck durchberaten wie die Abbaugesetze, war es von recht umfänglicher Gestalt, seinem Gehalt nach aber dürftig geraten.Bei den Vorausschätzungen der Bundesregierung, die mein Kollege Maier hier soeben anführte, ist der Finanzbedarf für Wohnbeihilfen damals maßlos überschätzt worden. Es wurde von Hunderten von Millionen gesprochen, ja sogar von vermutlich einer Milliarde, die nach diesem Gesetz etwa ab 1967/68 gezahlt werden müßten. Die bisherigen Miet- und Lastenbeihilfen betrugen, wie Sie soeben gehört haben, sehr viel weniger. Im Jahre 1964 wurden einschließlich der Wohnbeihilfen nach diesem Gesetz an Miet- und Lastenbeihilfen, die ja noch gelten, 57 Millionen DM gezahlt. Die jetzt vorgesehenen Änderungen werden die Summen zwar ansteigen lassen, aber den Regierungsprognosen von damals keinesfalls entsprechen.Als sich nun im Laufe des vorigen Jahres herausstellte, daß die viel zu engen Begrenzungen des Wohnbeihilfengesetzes das Gesetz für viele Bürger und für bestimmte Wohnformen unanwendbar machten, sich außerdem die Klagen ,aus der Verwaltung über die aufzuwendenden Verwaltungskosten mehrten, die z. B. 19 bis 20 % der aufgewendeten Mittel in einigen Ländern ausmachten, entschloß sich die Fraktion der SPD zu einem Antrag, der Ihnen auf Drucksache IV/2646 mit dem Datum vom 20. Oktober 1964 vorliegt. Unsere Vorschläge und unsere Kritik gingen auf folgende Punkte hinaus.1. Der Anteil vom Einkommen, der jeder Familie für Wohnungsmiete zugemutet wird, ist zu hoch und muß in der Spitze von 24 ,auf 20 % gesenkt werden. Die übrigen Tragbarkeitssätze sind dementsprechend zu senken. Wir stellen dabei immer wieder fest, daß es sich bei dem beihilfefähigen Teil der Miete nur um die sogenannte Kaltmiete handelt, daß alle Heizungs- und Warmwasserkosten, alle Umlagen wie Wassergeld, Reinigungsgebühren und dergleichen ohnehin allein vom Mieter zu tragen sind.I 2. Unser Vorschlag zu § 10 Abs. 2: Die Kappungsvorschrift ist aufzuheben, weil durch sie ein neuer, wieder anderer Anteil der Miete, der vom Mieter selbst zu tragen ist, als eben in § 10 Abs. 1 festgelegt wurde, in das Gesetz hineingebracht wird.3. Unser dritter Vorschlag bezieht sich auf § 13. Die benötigten Wohnflächen sind höher anzusetzen und der heutigen Bauweiseanzupassen. Die Unterschiede zwischen Alt- und Neubauwohnungen sind überflüssig und belasten nur die Sachbearbeiter mit unnötiger Arbeit.4. Die Obergrenzen müssen so hoch festgesetzt werden, daß auch Mieter freifinanzierter und steuerbegünstigter Wohnungen Wohnbeihilfe erhalten können, wenn ihr Einkommen zu niedrig ist, die Miete allein zu tragen.Zu diesem letzten Punkt, der Änderung der Obergrenzen, brachten dann die Koalitionsparteien einen
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Frau Berger-HeiseMonat später, im November 1964, auch einen Entwurf ein.
— Ich begründe den Antrag, den wir Ihnen damals auf Drucksache IV/2646 vorgelegt haben, und versuche zu sagen, was dabei herausgekommen ist. —Zu dem letzten Punkt, sagte ich eben, brachten die Koalitionsparteien ebenfalls einen Antrag auf Änderung der Obergrenzen ein. Bei der Beratung zeigte sich dann, daß beide Anträge bei unterschiedlichen Ansätzen doch zu einem beinahe gleichen Ergebnis kamen. Damit hatte sich also der Ausschuß für Obergrenzen entschieden, die gegenüber dem geltenden Recht wesentlich verbessert wurden und jetzt Ecksätze von 2,80 bis 3,70 DM pro Quadratmeter als beihilfefähige Kosten ansehen.Wir haben nun im Ausschuß folgendes erreicht: Die Tragbarkeitssätze sind gesenkt worden. Sie enden aber immer noch bei 22 % des bereinigten Einkommens, das für Miete eingesetzt werden muß. Wir halten auch diesen Tragbarkeitssatz noch für zu hoch.Die Kappungsvorschrift ist nicht beseitigt worden, sondern nur verändert worden. Wir glauben allerdings, daß wir mit unseren Argumenten gegen die Kappungsvorschrift sehr an Boden gewonnen haben. Das Festhalten daran schien uns mehr einer gewissen Unsicherheit als einer Überzeugung zu entspringen. Wir werden zu gegebener Zeit darauf zurückkommen.Die Unterschiede zwischen Alt- und Neubauten in bezug auf die benötigten Wohnflächen sind aufgehoben worden. Die Wohnflächenbegrenzungen sind erweitert worden. Für Alleinstehende gelten jetzt 10 qm mehr, also 40 qm insgesamt, als beihilfefähig. Für eine vierköpfige Familie werden also 80 qm als benötigt angesehen.In Verbindung mit den erhöhten Obergrenzen, die jetzt für das gesamte Bundesgebiet einheitlich festgesetzt werden und den Landeswohnungsbauministern den Kampf mit ihren Finanzministern ersparen, ist hier also einiges am Gesetz verbessert worden.Der in der Presse angekündigte Antrag, die Einkommensgrenzen aufzuheben, ist leider nicht gestellt worden.Wie schon im Jahre 1963 hatte der Ausschuß für Kommunalpolitik ersatzlose Streichung des § 29 verlangt. Dazu wird mein Kollege Könen noch Stellung nehmen.Einem weiteren im Ausschuß gestellten Antrag meiner Fraktion, die Vermögensfreibeträge für das zweite und jedes weitere Familienmitglied von 1000 auf 2000 DM zu erhöhen, wurde stattgegeben. Der frühere Antrag, Freibeträge für mitverdienende Familienangehörige festzulegen, ist abgeändert worden.Die FDP hatte mit Drucksache IV/2720 einen Bericht der Bundesregierung über die bisher mit diesem Gesetz in den Ländern gemachten Erfahrungen angefordert. Diesen Bericht haben wir nicht erhalten, auch nach Anmahnung im Ausschuß nicht. Darum legt Ihnen der Ausschuß — und hier darf ich vielleicht zu meinem Bericht etwas nachholen — folgenden 'Entschließungsantrag vor:Die Bundesregierung wird ersucht,alljährlich zum 1. Januar, erstmalig zum 1. Juli 1966, einen Bericht über die in den einzelnen Ländern gemachten Erfahrungen mit dem Wohngeldgesetz vorzulegen.Noch ein Wort zu der berechtigten Kritik an dem bisherigen Wohnbeihilfengesetz, nämlich zu der Kritik, dieses Gesetz erfordere wegen seiner vielen unnötigen Ermittlungsvorschriften einen riesigen Verwaltungsaufwand. Mit einigen Vertretern der Länder zusammen durchforsteten die Ausschußmitglieder den Paragraphenwald. Dabei zeigte sich jedoch mehr als einmal, daß Toleranzformeln, die den Sachbearbeitern einen Ermessensspielraum bei der Verwaltung freilassen, bei der Verwaltung und, wie uns versichert wurde, auch bei den Bearbeitern selbst durchaus nicht beliebt sind. Einige Ländervertreter waren besorgt, Entscheidungen könnten dann unterschiedlich ausfallen. Das ist allerdings meiner Meinung nach der Sinn einer Toleranzformel: variieren und individuell helfen zu können.Dagegen wird die Flut der Neuberechnungen fallen, weil jetzt das Wohngeld während des ganzen Berechnungszeitraums unverändert bleibt. Weitergehende Verwaltungsvereinfachungen werden sich nun auf die Erfahrungsberichte .der Länder stützen müssen. Während das erste Wohnbeihilfengesetz noch vom Bundeswohnungsbauministerium als „endgültiges Gesetz" offeriert wurde, sprach man diesmal von weiteren Novellierungen. Diese Umstellung auf die Notwendigkeiten findet unseren Beifall, zumal niemand die Entwicklung der Mieten in der Marktwirtschaft voraussagen kann. Diesen Entwicklungen wird sich natürlich ein Wohngeldgesetz anpassen müssen, wenn es seine Aufgabe erfüllen soll, jeder Familie ein Mindestmaß an Wohnraum wenigstens wirtschaftlich zu sichern.Die kürzlich in der Presse geäußerte Vorstellung, dieses Gesetz werde produktionsfördernd wirken, eine Vorstellung, die auch Herr Baier hier eben vorgetragen hat, ist meiner Meinung nach seines Volumens wegen unrealistisch und gefährlich, wenn im Hintergrund etwa der Wunsch nach weiterem Abbau der Mittel für den sozialen Wohnungsbau steht. Für die wachsende Bevölkerungszahl, für den jetzigen Wohnungsfehlbestand und für die zukünftige Sanierung brauchen wir sowohl öffentliche Mittel für den Wohnungsbau wie auch ein funktionsfähiges Wohngeldgesetz. Daran mitzuarbeiten haben sich die sozialdemokratischen Mitglieder im Ausschuß bemüht. Wir werden jederzeit weitere Vorschläge aus der Bevölkerung, wie sie uns gerade in den letzten Tagen in so großer Zahl zugegangen sind, gemeinsam mit den anderen Mitgliedern prüfen, um vor allem das immer noch zu umständliche Verfahren zu vereinfachen.Wir halten — das darf ich hier als unsere Erklärung zum Ausdruck bringen — dieses Wohngeld-
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Frau Berger-HeiseBesetz gegenüber dem bisherigen Gesetz für besser, halten es aber noch nicht für gut.
Wird dazu das Wort gewünscht? — Keine Wortmeldungen.
Abstimmung!
— Was ist?
— Genau!
— Ach, dazu wollten Sie noch das Wort haben? — Bitte sehr! Ich frage ja, ob Wortmeldungen dazu vorliegen. Ich habe keine Wortmeldung gesehen.
— Na, lassen Sie dem Bundestagspräsidenten auch noch ein kleines bißchen; eine ganz kleine Marge braucht er ja auch noch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um mich gleich mit dem Herrn Berichterstatter des Haushaltsausschusses anzulegen: Sie haben in einem letzten Satz davon gesprochen, daß wir uns darüber freuen können, ein Gesetz zu bekommen, „das den Menschen helfen soll, die ohne eigenes Verschulden nur geringe Einkünfte haben." Es wäre sehr schön, wenn das wahr wäre.
— Ich werde jetzt den Antrag auf Umdruck 546 begründen und Ihnen nachweisen, daß das nicht ganz stimmt. Wir beantragen auf Umdruck 546 in erster Linie, daß der § 29 gestrichen wird. Ich muß die Damen und Herren dieses Hauses — den Herrn Minister eingeschlossen — um Entschuldigung bitten, wenn sie jetzt zum dritten oder vierten Male hören, warum wir den § 29 gestrichen wissen wollen.Dieser § 29 bestimmt, daß diejenigen, die Sozialhilfe oder Kriegsopferfürsorge bekommen, Wohngeld nicht beziehen können, sondern daß sie sich ihre Unterkunft — wie es im Bundessozialhilferecht heißt— aus den Sozialhilfeleistungen finanzieren lassen müssen.Bei der Auseinandersetzung darüber — und ich will also gleich auf das eingehen, was an Gegenargumenten kommt — ging es einfach um die Frage, ob es gewollt und vertretbar ist, einen ganz bestimmten Teil der Bevölkerung vom Wohngeldgesetz auszuschließen, wenn es stimmen sollte, daß dieses Wohngeldgesetz einen gesellschaftspolitischen Fortschritt bedeutet. Der vom Herrn Minister Lücke immer wieder hervorgehobene gesellschaftspolitische Fortschritt wird aber originellerweise auf diejenigen Personenkreise nicht ausgedehnt, die es vielleicht gerade am nötigsten hätten. Das Argument des Herrn Ministers lautet: Bisher haben die Gemeinden diese Kosten tragen müssen; warum sollen sie sie nicht auch weiter tragen.Es kommt hinzu, daß Sie verfassungsrechtliche Bedenken haben, weil es sich um Sozialhilfeleistungen handelt. Das Wohngeldgesetz selbst sagt, es handelt sich hier nicht um ein Sozialhilfegesetz. Dazu wäre folgendes zu sagen. Erstens, der § 2 des Bundessozialhilfegesetzes spricht ausdrücklich vom Nachrang oder von der Subsidiarität der Leistungen aus der Sozialhilfe. Zweitens, wenn dem so ist, daß man ein Gesetz auf diejenigen beschränkt, die bisher nicht durch eine andere Regelung Hilfen erhielten, würde das bedeuten, daß Herr von Bismarck seine Sozialversicherungspolitik nicht hätte durchführen können. Wenn Herr von Bismarck sich auf denselben Standpunkt gestellt hätte wie der Herr Minister Lücke, wäre folgendes passiert. Wir hätten keine Krankenversicherungsgesetzgebung, weil die Gemeinden damals die armen Leute in den Hospitälern untergebracht haben; wir hätten keine Rentengesetzgebung, weil die Gemeinden damals die alten Leute in den Arme-Leute-Häusern untergebracht haben. Es wäre niemals zu einem Fortschritt in der Gesellschaftspolitik gekommen, wenn man sich auf den Standpunkt gestellt hätte: Das, was schon ist und finanziell eine Sicherung bedeuten könnte, muß so bleiben, wie es ist.Herr Minister, ich muß hier zum wiederholten Male sagen: Ich 'begreife das einfach nicht! Ich vermute dahinter noch nicht einmal irgendwelche Dinge, weil es meiner Meinung nach mit Parteipolitik oder Parteitaktik überhaupt nichts zu tun hat. Ich begreife einfach nicht, warum man hier solche Schwierigkeiten macht.Wie sind aber nun die Auswirkungen auf diejenigen, die es angeht? Das Wohngeld ist — wenn ich es so sagen darf — eine Subventionierung.
Man geht auf dem Weg über die Miete in die Belastung hinein, anstatt über die Subventionierung, über das Bauen, wenn ich mich einmal so primitiv ausdrücken darf. Der Sozialhilfeempfänger ist in folgender Situation. Während das Wohngeld eine reine Subventionierung ist, ohne Rückzahlungspflicht und was alles damit zusammenhängt, ist es bei der Sozialhilfe so: Erstens wird die Sozialhilfe grundsätzlich mit Rückerstattungspflicht gewährt. Diese Rückerstattungspflicht tritt nach dem Bundessozialhilfegesetz z. B. ein, wenn die Leute ein bestimmtes Einkommen haben. Das bedeutet im Augenblick, daß diese Leistungen zurückgezahlt werden müssen, wenn Mann und Frau mehr als 500 DM plus 100 DM pro Familienmitglied an Einkommen haben und wenn sie ein Vermögen haben, das das Sechsfache dieses Betrages, also 3000, 4000 oder 5000 DM ausmacht. Dann müssen sie die Beträge der Sozialhilfe, also die Mittel, die für die Unterkunft gewährt worden sind, zurückzahlen. Wenn sie einen Sohn haben, der 2000 DM verdient, ist er sowieso
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Könen
verpflichtet, dafür einzutreten. Beim Wohngeld ist das anders. Der Sohn kann Generaldirektor mit 10 000 DM monatlich sein. Dann bekommt der Vater trotzdem sein Wohngeld, wenn der Sohn nicht bei ihm im Eigenheim wohnt. Es gibt auch dann keine Rückzahlungsverpflichtungen; es ist gar nichts da.Ich will Ihnen ein Beispiel dafür geben, wie sich das auswirkt. Nehmen Sie also jemanden, der ein Eigenheim hat. Wenn er nach dem Wohngeldgesetz die Lastenbeihilfen bezieht, so sind darin, wie Sie wissen, der Kapitaldienst, Zinsen, Tilgung usw. eingeschlossen; er braucht nichts zurückzubezahlen, und es ist kein Dritter da, der für ihn zurückzahlen muß.Handelt es sich um einen Mann, der Sozialhilfeempfänger ist oder wird, dann sieht die Rechnung folgendermaßen aus. Angenommen, er hat eine erste Hypothek mit 10 000 DM, 6% Zinsen, 1 % Tilgung, er hat ein Staatsdarlehen von 25 000 DM ohne Zinsen mit 1 % Tilgung, er hat ein LAG-Darlehen von 12 000 DM ohne Zinsen mit 2 % Tilgung, so beträgt die monatliche Belastung rund -50 DM Zinsen und 50 DM Tilgung. Beide Beträge bekommt er über das Wohngeldgesetz erstattet. Wenn er Sozialhilfeempfänger ist, passiert folgendes. Er bekommt vom Sozialamt in der Leistung der Sozialhilfe die Zinsen, d. h. 50 DM, mit einbezogen, die 50 DM Tilgungskosten werden ihm von der Sozialhilfe nicht gewährt, obwohl er viel ärmer ist als der Mann, der Wohngeld beantragt hat. Dafür wird die — ich muß sogar sagen: sachlich richtige — Begründung gegeben, daß die Sozialhilfe nicht dazu da sei, für den Sozialhilfeempfänger Vermögen zu schaffen.Der Grundsatz ist richtig, aber Sie sehen an diesem Beispiel — wenn ich nicht im Parlament wäre, würde ich jetzt einen bestimmten Ausdruck benutzen —, wie verworren diese Geschichte ist. Vielleicht können Sie sich denken, was ich in Wirklichkeit sagen wollte. Ich bitte Sie also sehr, unserem Antrag auf Streichung zuzustimmen.Hinzu kommt noch folgendes. Wir befinden uns in guter Gesellschaft, und ich hatte meinen Grund, wenn ich sagte: es dreht sich nicht um Parteipolitik, Parteitaktik oder sonst irgendwie um Wahlkampf oder so einen Käse.
Entschuldigen Sie, Herr Präsident, dieses Bemerkung Ist mir so herausgerutscht. Ich meine, wennman heute etwas sagt, heißt es gleich: Wahlkampf!
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter! Käse ist ein geschätztes Nahrungsmittel. Dagegen habe ich nichts.
Schönen Dank!
Meine Damen und Herren, es kommt etwas anderes hinzu. Wir befinden uns in bester Gesellschaft. Der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge hat in seinem Fachausschuß einstimmig — genauso wie damals beim Ersten Wohnbeihilfengesetz — gesagt: Streicht § 29! Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände hat gesagt: Streicht ihn! Und nun sagt die Regierung: Ja, kein Wunder; die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände will doch nicht aus Nächstenliebe streichen lassen, sondern weil sie Geld sparen will! So kann man es auch machen.
— Sie sagen schon: ja! ja! Nun will ich Ihnen mitteilen, was der Deutsche Verein dazu gesagt hat, der kein kommunalpolitischer Vertreter ist:
Diese Benachteiligung einer sozial schwachen Bevölkerung in einem Gesetz, das nach § 1 der Vermeidung sozialer Härten dienen soll, wird durch keinerlei erkennbare soziale Überlegungen getragen.
Er fügt noch hinzu, selbst wenn es Finanzgründe wären, hätten diese hier nichts zu suchen. Ich muß sagen, ich kann mich dieser Feststellung nur anschließen.
Wir befinden uns auch weiter noch in guter Gesellschaft: Der Ausschuß für Kommunalpolitik und Sozialhilfe dieses Hauses hat einstimmig beschlossen, dem federführenden Ausschuß zu sagen: Bitte, streicht § 29! Herr Spies hatte sich schon gemeldet; er glaubte wohl, ich hätte vergessen, dies dem Hohen Hause mitzuteilen. Ich hoffe nun sehr, daß Sie mitmachen. Es kommt also von allen Seiten die Feststellung, daß § 29 gestrichen werden muß.
Nun will ich noch etwas anderes sagen. Die Presse bringt heute morgen in großer Aufmachung —darüber wird sich der Herr Minister sicherlich sehr freuen — die Ankündigung der heutigen Sitzung, der heutigen Beschlußfassung über das neue Gesetz: „Wieviel Miete zahlt der Staat?", „Heute diskutiert der Bundestag", „Für den Wohngeldantrag muß man rechnen". Die „Rheinische Post" beginnt ihren Artikel z. B. mit den Worten:
Sein interessantester Teil für Millionen Mieter ist die Bestimmung über Wohngeldbeihilfen. Sie verspricht allen Mietern und den Besitzern von Eigenheimen ... vom 1. April an einen Wohngeldzuschuß.
Die „Düsseldorfer Nachrichten" schreiben:
Alle bedürftigen Mieter sollen ab 1. April nach einheitlichen Maßstäben eine staatliche Mietbeihilfe erhalten.
Die Leute werden sich schwer wundern, wenn sie das Gesetz einmal richtig lesen; denn gerade die bedürftigen Leute bekommen eben kein Wohngeld, Herr Baier. Sehen Sie, darum habe ich Ihnen soeben gesagt, auch Ihr sicher gutgemeinter Schluß, daß für arme Leute etwas getan wird, zieht einfach nicht, solange § 29 darin ist.
Meine Damen und Herren, ich habe eine herzliche Bitte an Sie. Wir sind nicht mehr allzu viele. Aber da ich Optimist bin, gehe ich davon aus, daß diejenigen, die hiergeblieben sind, Menschen sind, die guten Willens sind. Stimmen Sie dem Antrag zu!
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Mick.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Februar 1965 8025
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich werde mich schwer hüten, dem Herrn Kollegen Könen in die Details zu folgen, die er angeschnitten hat. Es ist ja wohl nicht so, Herr Kollege Könen, daß wir eine gewisse Bevölkerungskategorie in praxi benachteiligen. Theoretisch mögen Sie das sehr wohl nachweisen können. In der Praxis wird dieser Nachweis bedeutend schwieriger sein, zumal ein Wahlrecht der Beteiligten besteht. Ich gebe Ihnen aber sehr wohl zu, Herr Kollege Könen, daß ein ungeklärter Rest vorhanden ist.
Wir wissen, daß dieses Problem auch eine Menge finanzieller Probleme enthält, die Sie mit keinem Wortangesprochen haben, die man aber .ansprechen muß. Es geht gleichzeitig um den Status der Gemeinden, die seit eh und je Dinge zu tun verpflichtet waren, die sie auch heute noch tun. Es wird also keine zusätzliche Last aufgebürdet.
Wegen des ungeklärten Rests, der hier in der Tat ist — ich habe, wie schon gesagt, keine Lust, die Spezialdebatte, die wir im Ausschuß geführt haben, fortzusetzen —, sind wir bereit, dem Antrag der FDP zuzustimmen. Ich erkläre das jetzt schon; dann brauche ich nicht noch mal an das Rednerpult zu gehen. Dann können diese Fragen zwischen Bund und Ländern in aller Sachlichkeit besprochen werden. Den Antrag der SPD bitte ich abzulehnen. Das gilt auch für den Alternativantrag.
Keine weiteren Wortmeldungen. Wir stimmen ab, zunächst über den Antrag Umdruck 546 Ziffer. 1. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Jetzt zum Alternativvorschlag Ziffer 2. Wünschen Sie dazu das Wort? — Herr Abgeordneter Könen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben seinerzeit beim Wohnbeihilfengesetz mit sehr viel Härte, aber dann auch in sachlicher Auseinandersetzung erreicht, daß in den ursprünglichen Entwurf der Absazt hineinkam, den Sie jetzt als Alternativantrag wiederfinden. Er sollte damals — da will ich mich dem Herrn Vorredneranschließen; ich will nicht in eine Spezialdebatte eintreten — nur etwas verhindern, was auch der Entwurf nicht vorsah und nicht wollte. Nun behauptet man im Ministerium, die Neuformulierung des § 29 mache es überflüssig, daß diese Sicherungsbestimmung, der Hinweis auf den Abschnitt 3 des Bundessozialhilfegesetzes, hineinkomme. Der Abschnitt 3 behandelt die Hilfen in besonderen Lebenslagen usf. Wir sind der Auffassung — und auch Leute, die wir gefragt haben und die von diesen Dingen etwas verstehen —, daß es fraglich ist, ob der neue Text des § 29 das hier mit trifft. Wir bitten Sie deshalb, zur Sicherung — wenn die Regierung recht hat, ändert sich nichts — mit zuzustimmen, daß nach dem Abs. 1 der Abs. 2 kommt, wonach das Wohngeld zu gewähren ist, wenn nach Abschnitt 3 des Bundessozialhilfegesetzes Leistungen gewährt werden. Ich bitte Sie, diesem Antrag zuzustimmen.
Wenn die Regierung recht hat, ändert sich nichts an dem, was das Gesetz will. Wenn sie nicht recht haben sollte, hätten wir das drin, was wir im vorigen Gesetz auch drin hatten, damit diese Dinge nicht passieren können.
Keine Wortmeldungen. Wir kommen zur Abstimmung über Ziffer 2 des Änderungsantrags der Fraktion der SPD auf Umdruck 546. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit. Dieser Änderungsantrag ist abgelehnt.
— Jetzt will ich Ihnen etwas sagen, meine Herren. Nehmen Sie es mir nicht übel: Sie kämpfen wie die Löwen. Aber wo ist die Unterstützung? So geht die Sache schief.Meine Damen und Herren, es geht weiter. Jetzt kommt der Änderungsantrag auf Umdruck 553 *). Ich nehme an, daß dazu nicht gesprochen wird; es ist ein interfraktioneller Antrag. Wir kommen zur Abstimmung: Wer diesem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP auf Umdruck 553 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen.— Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist einstimmig angenommen.Ich rufe auf Art. I in der Fassung des Ausschusses, — Art. II, — Art. III, — Art. IV, — Art. V, — Art. VI, — Art. VII, — Art. VIII, — Einleitung und Überschrift. 'Hier sind keine Änderungen mehr. — Wer zuzustimmen wünscht, bitte ein Handzeichen!— Gegenprobe! — Einen Moment! Das muß ich genau sehen. Wer der Vorlage in der unveränderten Fassung zuzustimmen wünscht, bitte ein Handzeichen! — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einer Enthaltung ist dieser Gesetzentwurf in zweiter Lesung angenommen.Dritte Beratung.Allgemeine Aussprache! Das Wort hat Frau Abgeordnete Berger-Heise. Einen Moment!
— Ich habe als erste Frau Abgeordnete Berger-Heise gesehen. Außerdem haben Damen den Vortritt. Herr Dr. Dittrich, da Sie ein Gentleman sind, müssen Sie sowieso zurückstehen.
- Da haben Sie sich sowieso zu Wort gemeldet. Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Dittrich. ") Siehe Anlage 3
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8026 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Februar 1965
Herr Präsident! Meine sehr verehrten 'Damen und Herren! Ich bedanke mich bei Ihnen, gnädige Frau, daß Sie gestattet haben, daß ich zuerst das Wort ergreife.Ich möchte es tun, obwohl ich nicht dem Ausschuß für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung angehöre und an den Einzelheiten des Gesetzes nicht mitgearbeitet habe. Ich möchte meine Betrachtungen aber vom Familienpolitischen und Gesellschaftspolitischen her vornehmen. Ich erachte es auch gar nicht für ungünstig, wenn über das Werk eines Ausschusses Abgeordnete aus diesem Hause sprechen und ihre Meinung dazu sagen.Das hat heute bei der Raumordnung auch der Kollege Porzner getan. Ich möchte aber nicht in den Fehler verfallen, nur negativ Stellung zu nehmen, wie es von seiten des Kollegen Porzner geschehen ist, und dann keine Änderungsanträge zu stellen. Der Kollege Porzner hat heute bei der Beratung des Raumordnungsgesetzes das eine oder andere gesagt, was vielleicht unterschrieben werden kann. Wenn er aber Kritik übt, dann muß er als Mitglied des Hauses, um so mehr, als der Ausschußbericht bereits zehn Tage vorliegt, auch Änderungsanträge stellen. Es geht nicht so, wie er es heute morgen getan hat.Wir haben heute das Raumordnungsgesetz verabschiedet und stehen nun vor der dritten Lesung des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Wohnbeihilfen, das die neue Bezeichnung Wohngeldgesetz erhalten soll. Gestatten Sie mir, daß ich einige Gedanken vorbringe, die demjenigen kommen, der die Materie seit Jahren verfolgt hat, Gedanken, die aufzeigen, welch wesentlichen Fortschritt wir mit der Änderung des Gesetzes über Wohnbeihilfen gemacht haben.Wir wissen heute — da möchte ich noch etwas zur Raumordnung sagen —, daß es sicher besser gewesen wäre, wenn zuerst ein Raumordnungsgesetz, ein Bundesbaugesetz und ein Städtebaugesetz geschaffen worden wären und auf dieser Grundlage das Wohnungsbaugesetz entstanden wäre. Aber am Beginn standen doch die nackte Existenznot der Menschen, die Sorge um das tägliche Brot, um das Dach über dem Kopf, um Arbeit für die Millionen von Heimkehrern, Flüchtlingen und Vertriebenen.Dennoch haben weitblickende Mitglieder dieses Hauses, u. a. der Vorsitzende des Ausschusses für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung, aber auch sein Vorgänger, der langjährige Vorsitzende dieses Ausschusses Paul Lücke, der heute dem Wohnungsbauministerium vorsteht, schon vor zehn Jahren, wie wir gehört haben, die Initiative ergriffen und ein Raumordnungsgesetz des Bundes gefordert. Wenn die Einsicht und Erkenntnis der Vielzahl der beteiligten verantwortlichen Stellen die Notwendigkeit einer bundeseinheitlichen Raumordnung der Verhältnisse in Stadt und Land zwingend vor Augen geführt hat — sogar in der breiten Öffentlichkeit ist dies heute Allgemeingut —, so ist das nach meiner Ansicht ein Verdienst dieser Persönlichkeiten unseres Hauses.Trotz unserer hochleistungsfähigen Wirtschaft, trotz Vollbeschäftigung und stetig steigenden Lebensstandards der Bevölkerung, trotz höchster Sozialleistungen der Bundesrepublik breitet sich in den Menschen ein Unbehagen, eine Unruhe aus, die in der Störung — um nicht zu sagen: Zerstörung — der Umweltbedingungen und in der Sorge um die sich rapide fortsetzende wirtschaftliche und industrielle Entwicklung begründet ist. Diese allen sichtbare Veränderung der gewachsenen Umweltbedingungen in Stadt und Land und das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Ungleichgewicht zwischen den einzelnen Gebietsteilen unseres Landes — ich brauche nur an mein Heimatland Niederbayern und den Bayerischen Wald zu erinnern, um verstanden zu werden — sind Fakten, die eine Gesamtordnung im Raum der Bundesrepublik nach den Wertmaßstäben unserer Gesellschaftspolitik zwingend fordern. Das ist ausgeführt worden, und das möchte ich mit aller Entschiedenheit unterstreichen.Es ist der Bundesregierung — und vor allem ihrem ersten Minister für Raumordnung, dem Sie, meine Damen und Herren, diese schwierige Aufgabe vor drei Jahren übertragen haben — zu danken, daß sie allen Schwierigkeiten zum Trotz dieses zukunftweisende Gesetz zustande gebracht hat.Mit dem neuen Wohngeldgesetz findet die in mehreren Etappen verwirklichte Gesetzgebung über das soziale Miet- und Wohnrecht einen Abschluß, den ich als einen Markstein auf dem Wege unserer Gesellschaftspolitik bezeichnen möchte. Wenn es auch auf Initiativanträge aller Fraktionen des Hohen Hauses zurückgeht, so entspricht es doch zugleich fast in allem der ursprünglichen Konzeption des Herrn Bundeswohnungsbauministers, insbesondere hinsichtlich der Vereinheitlichung der bisher verschiedenen Arten der Wohnbeihilfen und der einheitlichen Geltung sowohl in den sogenannten weißen wie in den sogenannten schwarzen Kreisen. Weil aber mit Wohnbeihilfen dieser allgemeinen Art Neuland betreten wurde, bestand seinerzeit die verständliche Sorge, daß der finanzielle Aufwand für Bund und Länder zu groß werden könnte. Deshalb wurden Einschränkungen und Sicherungen vorgesehen, die sich als hinderlich, unnötig und unberechtigt erwiesen haben.Mit dem Wohngeldgesetz in der jetzigen Form haben wir ein wesentliches Stück unserer Gesellschafts-, Familien- und Sozialpolitik verwirklicht. Ich glaube, niemand in diesem Hohen Hause kann das bestreiten. Wir haben damit zugleich den Beweis erbracht, daß unsere soziale Marktwirtschaft mehr als eine staatlich überwachte Wettbewerbswirtschaft ist, daß sie Ausdruck unserer übergeordneten Gesellschaftspolitik ist. Mit dem vor sechs Jahren angelegten Plan für den Abbau der Wohnungszwangswirtschaft in mehrjährigen Stufen haben wir von Anfang an den Grundsatz der Sozialpflichtigkeit der Wohnung und des Schutzes der Familie in rechtlicher und wirtschaftlicher Beziehung verbunden. An Stelle des Mieterschutzgesetzes, das Notrecht war und nur Bestand haben konnte, solange ein allgemeiner Notstand gegeben war, haben wir ein modernes soziales Mietrecht als Dauerrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch geschaffen und veran-
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Dr. Dittrichkert mit Geltung für alle Mietwohnungen, gleichgültig, ob öffentlich gefördert oder frei finanziert.Mit dem Wohngeldgesetz ist die Erhaltung aller Wohnungen, gleichgültig, ob öffentlich gefördert oder frei finanziert, ob Alt- oder Neubauwohnung, ob im Mietshaus oder im Eigenheim, wirtschaftlich gesichert, wenn die Miete oder Belastung den zumutbaren Anteil am Einkommen der Familie überschreitet. Mit diesem Wohngeld, auf das ebenso wie auf Kindergeld ein Rechtsanspruch besteht, haben wir all denen eine sofort wirksame Hilfe gegeben, die heute schon wegen ihres geringen Einkommens, oder weil sie eine große Familie zu ernähren haben, überfordert sind. Darüber hinaus haben wir allen Menschen und Familien Sicherheit gegenüber den Wechselfällen des Lebens und Schutz im Falle der Not gegeben.Ich glaube, daß wir auf dieses sozialpolitisch so bedeutsame Gesetz stolz sein können, und ich darf sagen, daß wir stolz darauf sind. Wir haben die Durchführung des Gesetzeswerks zum Abbau der Wohnungszwangswirtschaft und über ein soziales Miet- und Wohnrecht, seit es im Jahre 1960 von dem Hohen Hause verabschiedet wurde, mit Spannung, zumindest aufmerksam verfolgt. Wir erinnern uns noch der besorgten Stimmen — solche gab es auch in unseren eigenen Reihen —, die damals fragten, ob der Zeitpunkt nicht zu früh, das Tempo nicht zu rasch sei. Wir erinnern uns auch der Prophezeiung von Katastrophen. Tatsache ist, daß das Gesetz sich bewährt hat, daß es nach übereinstimmenden Berichten aller zuständigen amtlichen Stellen der Länder sowohl hinsichtlich der Mietforderungen als auch der Wohnungskündigungen — von unvermeidlichen und bedauerlichen Ausnahmen abgesehen — nicht zu üblen Mißbräuchen oder Mißständen gekommen ist.Dennoch — hier komme ich auf ein sehr ernstes Gebiet — hört der Mieterbund, dessen Wirksamkeit wir ansonsten mit Verständnis verfolgen, nicht auf, Angriffe auf den Familienminister, auf das Ministerium und auf die Koalition zu führen. Eine solche Taktik kann meines Erachtens nicht verantwortet werden. Gestatten Sie mir, zu vermerken, daß die Fälle, die der Mieterbund und der Deutsche Gewerkschaftsbund — ich meine insbesondere die IG Metall —
— sofort, ich will nur den Gedanken noch zu Ende führen — vorgetragen haben, gewissenhaft überprüft wurden. Dabei hat sich herausgestellt, daß diese Fälle in Schwarzen Kreisen gewesen sind, in denen also noch die sogenannte Zwangswirtschaft besteht und nicht die soziale Marktwirtschaft, die wir gerade nach 45jähriger Zwangswirtschaft schaffen wollen.Es ist auch bezeichnend, daß in München ein Fall angeprangert und dem Herrn Wohnungsbauminister zur Last gelegt wird, in dem die Stadt München — das ist außerordentlich interessant — eben daran ist, aus welchen Gründen auch immer ein Haus abzubrechen. Dort wurde einer älteren Mieterin gekündigt, die offensichtlich aus irgendwelchen Gründen mit dem Leben nicht mehr fertig geworden ist und selber Hand. an sich gelegt hat. Diesen Fall machte man dem Wohnungsbauminister Lücke zum Vorwurf: er sei schuld an diesem Ereignis.Jetzt wollte Frau Meermann eine Frage stellen.
Eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Meermann.
Herr Dr. Dittrich, würden Sie uns bitte sagen, wann und wo Mieterbund oder Gewerkschaften einen Angriff gegen das Wohnbeihilfengesetz gestartet haben? Von diesem sprechen wir in dieser Diskussion.
Verzeihen Sie, gnädige Frau, Sie werden mir gestatten, daß ich bei der Frage des Wohngeldgesetzes auch diese Situation anspreche, weil wir diese Rügen und Kritiken, die draußen zu verzeichnen sind, mit diesem Wohngeldgesetz beseitigen wollen, das ganz offensichtlich dazu geeignet ist, sozialpolitisch günstiges Klima und auch familiengerechtes Handeln zu gewährleisten.
— Ja, ich habe sie auch.
Was machen Sie denn hier?
Frau Kollegin, sehen Sie es mir also bitte nach, daß ich diese Dinge anspreche.
Einen Augenblick! Man erlebt doch immer wieder etwas Neues im Deutschen Bundestag.
Das ist smart. Hier heraufkommen kann nur dann jemand, wenn es der Präsident erlaubt und ihm vorher das Wort erteilt.
Eine zweite Frage!
Herr Kollege, irren Sie sich nicht, indem Sie zum Abbaugesetz sprechen und nicht zum Wohnbeihilfengesetz, oder vermag nur ich die Verbindung zu dem aufgerufenen Tagesordnungspunkt nicht herzustellen?
Frau Kollegin, verzeihen Sie, wir sind in einer allgemeinen Aussprache vor der dritten Lesung zum Wohngeldgesetz. Da gebe ich Ihnen vollständig recht. Sie werden mir aber nicht bestreiten, daß ich berechtigt bin, in diesem Rahmen auch die Fälle anzusprechen, in denen in unqualifizierter Weise das Wohnungsbauministerium und insbesondere unser Wohnungsbauminister Lücke angegriffen wird.
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Dr. DittrichIch habe hier das Recht dazu; deshalb wollte ich das tun, selbst wenn wir bei einem Wohngeldgesetz sind, das ja gerade daran ist, manche ohne Zweifel vorhandenen Mißstände zu beseitigen
und manches zu bereinigen, was draußen nicht im reinen gewesen ist.
Ich will Ihnen auch ganz offen sagen, daß mir das gar nicht gefallen hat, was in der Zeitschrift der IG Metall gestanden hat. Vielleicht wäre es Herrn Jacobi möglich gewesen, nicht nur diese lange Reihe von Formularen draußen den Journalisten zu zeigen, sondern auch einmal solche Veröffentlichungen vorzuführen, die da sagen: „Ist das Ihr soziales Mietrecht, Herr Lücke?" und dann Fälle bringen, die, im einzelnen überprüft, gar nicht haltbar sind. — Bitte sehr.
Eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter Jacobi!
Herr Kollege Dr. Dittrich, ich bin weder ein Bevollmächtigter der IG Metall, noch bin ich in der Lage, mir alle Veröffentlichungen anzuschauen. Aber der von Ihnen genannte Fall ist meiner Erinnerung nach —
Halt, halt, wo ist denn die Frage?
— bei den seinerzeitigen Debatten schon erörtert worden.
Moment mal, Frageform!
Ich frage Sie also, woher Sie mich für verpflichtet halten, jeder Veröffentlichung nachzugehen?
Verzeihen Sie, Herr Jacobi, erstens war es am Anfang sicher keine Frage. Die Frage, die Sie mir am Schluß gestellt haben, möchte ich in der Form zurückgeben, daß ich sage, daß Sie um der Gerechtigkeit willen, um der gleichen Chancen willen auch derartige Veröffentlichungen einmal unter die Lupe nehmen und vor der Presse diskutieren sollten. — Bitte sehr.
Eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter Könen.
Herr Dr. Dittrich, halten Sie diese Zeitschrift für ein halbkommunistisches Hetzblatt?
Ach, entschuldigen Sie, auf diese Frage gebe ich gar keine Antwort.
Herr Dr. Dittrich, 1 würden Sie mit mir darin übereinstimmen, daß wir Herrn Wuermeling sagen müssen, er solle vorsichtig sein, wenn er das sagt und hinzusetzt, sie besorge unsere Geschäfte? Ich wollte das nur im Protokoll haben.
Ich habe hier von diesem Platze aus nicht die Ausführungen meines Kollegen zu untersuchen, ich habe sie auch nicht zu verantworten und gar nicht zu rechtfertigen; das ist nicht meine Aufgabe.
Im übrigen habe ich gar nicht gewußt, daß es an diesem Freitag um 13 Uhr in diesem Hause noch so lustig zugeht. Wir haben doch geradezu herrliche Beiträge bekommen.
Zu der Frage des von mir erwähnten Gewerkschaftsblattes: „Ist das ,Ihr soziales Mietrecht, Herr Lücke?" möchte ich sagen: Dieses Gewerkschaftsblatt — ich polemisiere nicht gegen die Gesamtheit der Gewerkschaften, was ich ausdrücklich betonen möchte, nur gegen den, der diesen Artikel zu verantworten hat —, dieses Gewerkschaftsblatt hätte meines Erachtens besser die Antwort gegeben: Dieses soziale Miet- und Wohnrecht ist eine Errungenschaft unserer Gesellschaftspolitik, unserer Familienpolitik und unserer Sozialpolitik.
Sie werden sicher Gelegenheit haben, in nächster Zeit, wenn dieses Gesetz draußen zur Wirksamkeit gekommen sein wird, zufriedene Bürger unseres Staates zu finden, weil jeder die Möglichkeit hat, das Wohngeld zu bekommen, wenn er die Voraussetzungen erfüllt.
Frau Berger-Heise zu einer Zwischenfrage!
Herr Kollege Dr. Dittrich, ist Ihnen bewußt, daß Sie nunmehr bei § 556 b BGB gelandet sind und immer noch nicht beim Wohngeldgesetz?
Entschuldigen Sie, Frau Kollegin, ich habe am Anfang betont, daß ich mich mit dieser Frage einmal in gesellschaftspolitischer Hinsicht auseinandersetzen will.
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter!
Meine Damen und Herren, es ist ja gut, wenn der eine auf den anderen aufpaßt, aber ob ein Abgeordneter von der Sache abschweift, entscheidet der Präsident nach § 40 der Geschäftsordnung; der Präsident kann den Redner, wenn er abschweift, zur Sache rufen. Ich bin in der Debatte kein Sachverständiger wie andere hier, aber ich habe den Eindruck, daß diese Ausführungen hier noch zur Sache gehören. — Fahren Sie bitte fort.
Meine Damen und Herren, diese Errungenschaften unserer Gesellschaftspolitik waren nur möglich auf Grund der gewaltigen Wohnungsbauleistungen von 8,3 Millionen Woh-
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Februar 1965 8029
Dr. Dittrichnungen seit Errichtung der Bundesrepublik, darunter 4,3 Millionen Sozialwohnungen und insgesamt rund 21/2 Millionen Eigenheime einschließlich Eigentumswohnungen. Das Wohngeldgesetz ist eine erhebliche Verbesserung ides bisherigen Zustandes, und Sie selbst, Frau Kollegin, haben das bestätigt, als Sie sagten, es sei besser, es sei aber noch nicht gut. Immerhin sind wir Ihnen schon dankbar, wenn Sie uns konzedieren, daß diese unsere Arbeit besser ist als die vorherige. Man kann in unserem Staate und auch hier im Bundestag eben nicht alles auf einmal tun. Man wird alles stückweise tun können, um dann, Frau Kollegin, schließlich doch einmal zu einer guten Leistung zu kommen, die auch Sie als gute Leistung anerkennen.
— Das bestreiten wir gar nicht, Herr Kollege; Sie werden ja dem Gesetz auch Ihre Zustimmung geben, wie wir hoffen.Niemand, der ehrlich und aufrichtig ist, kann Herrn Minister Lücke, der manchmal in der Öffentlichkeit zu Unrecht kritisiert worden ist, Mut, Tatkraft und soziale Verantwortung absprechen. Die Fraktion der CDU/CSU steht jedenfalls zu diesem Minister Lücke und dankt ihm und seinen Herren für die Arbeit.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Kiep-Altenloh.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Es wäre nicht schön, wenn ich .die wenigen tapfer Ausharrenden jetzt noch durch eine lange Rede bestrafen wollte.
Das werde ich deswegen auch nicht tun.Aber es ist hier doch noch einiges zu sagen. Die Freie Demokratische Partei hatte am 10. November einen Antrag gestellt; darin hieß es, .der Herr Minister möge eine Ubersicht über die bisherigen Erfahrungen mit dem Wohnbeihilfengesetz geben. Diese Übersicht ist zwar noch nicht gegeben worden, wir werden sie aber wohl in etlicher Zeit bekommen. Bei den Beratungen der SPD-Anträge hat sich aber herausgestellt — das war schon Anlaß für unseren Antrag —, daß die Behandlung der Wohnbeihilfengelder auf unerhörte Schwierigkeiten gestoßen ist. Sie haben diejenigen, die das Wohngeld bekommen sollten, benachteiligt, indem die Behandlung der Anträge sehr verzögert wurde. Die Gefahrenquellen für eine Fehlberechnung liegen in den zu komplizierten Anordnungen, und den mittleren Beamten schließlich — es sind ja keine Juristen, die solche Gesetze auslegen, sondern es sind Beamte, die Hunderte von Fällen erledigen müssen — war es nicht möglich, sich durch die Anordnungen hindurchzufinden.Meine Damen und Herren, die Sie im Ausschuß waren, wir müssen uns alle dien Vorwurf machen: Wir haben hier ein zu kompliziertes, ein zu perfektionistisches Gesetz zu machen versucht. Das sollteman nie tun. Aus meiner langen Verwaltungspraxis weiß ich: es ist besser, wenn der eine oder andere durch die Maschen des Gesetzes hindurchfällt, als daß durch zu komplizierte Gesetzesbestimmungen Fehlentscheidungen und unendliche Verzögerungen für eine große Zahl der Betroffenen zustande kommen.
Nun zu den Einzelheiten!
Uns hat schon immer am Herzen gelegen, daß die Voraussetzungen für die Anrechnung des Kindergeldes vereinheitlicht werden. Das ist jetzt geschehen. Wir können den Vertretern der Länder dankbar sein, daß sie uns in so mühevoller Arbeit aufgezeigt haben, wo die Ecken und wo die Kanten sind.Ganz besonders begrüßen wir, daß jetzt die Bescheide für 12 Monate gelten. Wie schon meine Vorrednerin, Frau Berger-Heise, gesagt hat, haben die Verwaltungskosten für die Durchführung dieses Gesetzes 15 bis 20% der ausgezahlten Summen erreicht. Das lag hauptsächlich daran, daß bei jeder Veränderung der Einkommensverhältnisse eine Neuberechnung stattfinden mußte. Deswegen ist es besonders gut, daß wir das Erfordernis ständiger Neuberechnungen ausgemerzt haben. Allein dadurch, so sagten uns die Verwaltungsbeamten, würden in Zukunft mindestens 5 bis 8 % der Verwaltungskosten wegfallen.Nun zu einem kritischen Punkt, den Kappungsvorschriften. Sicher ist es nicht schön, wenn die Wohnbeihilfen einmal nach dem individuellen Einkommen des Empfängers berechnet, dann aber nach der tatsächlichen Höhe der Miete der Wohnung, in der er wohnt, korrigiert werden. Trotzdem ist meine Fraktion der Ansicht, daß wir eine gewisse Kappungsvorschrift — zumindest vorläufig — beibehalten müssen, um zu vermeiden, daß Leute in Wohnungen ziehen, die für ihre Verhältnisse zu teuer sind — es besteht auch die Gefahr von Scheinverträgen — und sich dann damit trösten, daß unbegrenzt von der öffentlichen Hand nach ihrem Einkommen Wohnbeihilfen gegeben werden. Wenn alle Engel wären oder wenn sich alle genau nach ihrem Einkommen richteten, brauchten wir die Kappungsvorschriften nicht. So ist es aber leider nicht. Deshalb brauchen wir vorläufig oder bis auf weiteres diese Kappungsvorschriften. Ich gebe zu, es ist kompliziert, daß man nicht ohne weiteres aus einer Tabelle die aufzubringende Miete ablesen kann. Ich sehe aber im Augenblick noch keine Möglichkeit, diese Schwierigkeiten zu beseitigen.Meine Partei ist sich auch klar darüber, daß es Grenzfälle gibt, wo Härten auftreten. Wir können uns dem Vorschlag der SPD nicht ganz anschließen, generell die Prozentsätze für den zu berücksichtigenden Eigenanteil zu senken. Das schien uns nicht notwendig und ist auch nach Ansicht der Sachverständigen, die ich außerhalb der Sitzung gefragt habe, nicht erforderlich. Wir sind 'der Ansicht, daß es richtig ist, nachdem wir für die Familien mit mittlerem Einkommen und auch für andere Gruppen Änderungen vorgenommen haben, den Höchstbelastungssatz auf 22 % zu setzen.
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Frau Dr. Kiep-AltenlohSo läßt sich mit diesem Gesetz wohl arbeiten. Es bleibt aber noch eine Lücke: der Übergang von denjenigen, die eine Sozialwohnung beziehen dürfen, und denjenigen, die Wohnbeihilfen bekommen, zu denen, die nun auf den frei finanzierten Wohnungsbau übergehen müssen und keine Sozialwohnung beziehen können. Das ist ein großer Sprung. Dieser Fall kann aber meiner Meinung nach nicht im Rahmen des Wohnbeihilfengesetzes erledigt werden. Wir sollten uns jedoch gelegentlich an Hand von näheren Angaben doch einmal Gedanken über diese Personengruppe machen, die, vom Bezug der Wohnbeihilfe ausgeschlossen, auch keine Sozialwohnung beziehen kann und auf den freien Markt angewiesen ist. Ich möchte hoffen, daß durch weitere Rationalisierung der Bauweisen auf die Dauer auch die Mieten auf ein auch bei diesen Einkommen erträgliches Maß zurückgeführt werden.Nun zu dem Entschließungsantrag der FDP auf Umdruck 550 *). Wir halten es nicht für weitgehend genug, daß — wie es die SPD vorschlug — nur die unter Abschnitt 3 fallenden Sozialhilfeempfänger — das sind diejenigen, die eine Kriegsrente, einen Zuschuß für ein Tuberkuloseheilverfahren oder ähnliches bekommen —, Wohnbeihilfen empfangen können. Wir sind der Ansicht, daß der ganze § 29 mit dem Sinn des Gesetzes nicht vereinbar ist. Es ist nicht möglich, an den Anfang eines Gesetzes zu setzen, daß die sozial Schwachen eine Beihilfe zum Wohnen bekommen sollen, und dann die sozial Schwächsten auszuschließen und auf die Fürsorge zu verweisen. Ich will nicht wiederholen, was Herr Könen zur Begründung gegen die jetzige Form gesagt hat. Es ist doch nicht Theorie, daß die Angehörigen herangezogen werden und einen Teil der Unterhaltskosten für die Sozialhilfeempfänger, auch der Mieten, zahlen müssen. Dieser § 29 ist ein Fremdkörper in dem Gesetz.Andererseits können wir aber nicht das ganze finanzielle Verhältnis zwischen Ländern und Bund mit leichter Hand verschieben, indem wir ihn abbauen.
Das hätte finanzielle Auswirkungen, die wir nicht übersehen können. Es gibt auch rein formal im Hinblick auf den Sinn des Sozialhilfegesetzes eine gewisse Schwierigkeit, die ich nicht verkenne.Trotzdem ist die Freie Demokratische Partei der Ansicht, daß die finanziellen Fragen zwischen Bund und Ländern gelöst werden müßten und daß die Sozialhilfeempfänger voll in den Genuß der Wohnbeihilfe kommen müßten, die nicht erstattet zu werden braucht. Mein temperamentvoller Vorredner hat ja die Gründe klargelegt. Wenn wir gegen seinen Antrag gestimmt haben, so deshalb, weil er uns nicht weit genug ging. Wir bitten Sie, unseren Antrag anzunehmen. Die finanziellen Schwierigkeiten müßten durch eine entsprechende Erstattung zwischen Bund und Ländern ausgeräumt werden.*) Siehe Anlage 4Ich habe Ihnen versprochen, die Beratungen hier nicht weiter aufzuhalten. Daran möchte ich mich halten und schließe deshalb.Meine Fraktion wird der Ausschußvorlage zustimmen, und ich bitte Sie, dem Antrag der Freien Demokratischen Partei zuzustimmen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Könen .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich soll nur kurz zu dem Entschließungsantrag der FDP Stellung nehmen. Ich darf es in zwei Sätze kleiden. Wir werden ja zu dem Entschließungsantrag sagen, und wir wünschen dem Optimismus von Frau Kiep-Altenloh alles Gute.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Mick.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich werde dem, was meine Vorrednerin angekündigt hat, Folge leisten und nicht mehr auf Einzelheiten eingehen. Ich stelle nur fest, daß wir mit der Verabschiedung dieses Gesetzes einen weiteren Zweig der Wirtschaft in die soziale Marktwirtschaft überführt haben und dieses soziale Mietrecht der Schlußpunkt ist, und zwar ein Schlußpunkt, der sich sehen lassen kann.Sie haben einen Entschließungsentwurf der CDU/ CSU — FDP auf Umdruck 532*) vor sich liegen, wonach die Bundesregierung alles tun soll, um die Bestimmungen dieses Gesetzes der gesamten Bevölkerung bekanntzumachen, damit sie es auch in Anspruch nehmen kann. Ich möchte damit die Bitte verbinden, daß sich auch die Massenorganisationen, die Gewerkschaften, der Mieterbund, und was es sonst noch gibt, positiv in eine Aufklärungsaktion einschalten, damit die Bevölkerung weiß, daß sie Wohngeld in Anspruch nehmen kann.Ich habe nichts dagegen, daß Organisationen sagen, dieses Gesetz sei schlecht. Das ist ihr gutes Recht, das sollen sie unbenommen tun. Ich bin anderer Ansicht und werde sagen, daß es gut ist. Was ich aber von diesen Organisationen erwarten muß, ist, daß sie zwar sagen: Trotz dieses — nach ihrer Ansicht schlechten — Gesetzes habt ihr diese Möglichkeiten, und nutzt diese Möglichkeiten bitte auch entsprechend aus!
Wir haben in der Ausschußberatung bereits keinen Zweifel darüber gelassen, daß wir die Wirksamkeit dieses Gesetzes genau beobachten werden und daß es manchen Punkt gibt, der vielleicht noch nicht seinen gesetzlichen Niederschlag gefunden hat. Ich denke z. B. an die Höchstgrenzen, die wir vielleicht schon hätten beseitigen können. Nehmen Sie zur Kenntnis, meine Damen und*) Siehe Anlage 5
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Februar 1965 8031
MickHerren: Wenn die Praxis erweist, daß wir auf diese Höchstgrenzen ohne großes Risiko verzichten können, werden wir nicht anstehen, entsprechende Änderungen vorzunehmen. Aber unser Ehrgeiz ist es, Gesetze zu verabschieden, die wir nicht zurückzudrehen brauchen, sondern die wir laufend verbessern können, wenn sie sich in der Praxis bewährt haben. Ich glaube, daß wir mit diesem Gesetz bestehen können.Nun noch einmal der Appell: Sorgen Sie mit dafür, daß dieses Gesetz auch draußen bekannt wird, daß vor allen Dingen auch im kommunalen Raum die Stellen bekannt werden, wohin die Menschen zu gehen haben, wenn sie dieses Wohngeld — nicht als Almosen, sondern auf Grund eines Rechtsanspruchs — in Anspruch nehmen wollen.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Meermann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin ein bißchen erstaunt darüber, daß die CDU/CSU- und die FDP-Fraktion offenbar der Auffassung sind, daß die sachliche Aufklärung des Bundeswohnungsbauministeriums über das Gesetz, das wir hier behandeln, bisher unzulänglich gewesen ist.
— Ich nehme an, daß Herr Mick mit seiner Bitte, für die Verbreitung der Kenntnis dieses Gesetzes zu sorgen, nicht nur die Organisationen, sondern auch die Bundesregierung gemeint hat.
— Für sachliche Aufklärung, glaube ich, haben wir immer gern Geld zur Verfügung gestellt.
Nach dem, was Sie jetzt sagen, Herr Kollege, darf ich also hoffen, daß wir, statt auf Glanzpapier lobende Zeitungsartikel über den Herrn Minister nachgedruckt zu bekommen,
künftig auf Glanzpapier oder meinetwegen auch auf Holzpapier gute, sachliche Aufklärungsartikel bekommen. Wir Sozialdemokraten sind die ersten, die da mitmachen. Ich finde auch, daß dieses Gesetz mit den Möglichkeiten, die man bisher aus ihm hatte, in der Bevölkerung unzureichend bekannt war. Der Bundesregierung muß ich den Vorwurf machen, daß sie für die Bekanntmachung nicht genügend gesorgt hat.
Wir machen bei diesem Antrag von Herzen gern mit. - Bitte sehr!
Frau Kollegin Meermann, wären Sie dann bereit, dafür Sorge zu tragen und dabei mitzuhelfen, daß ein sachlicher Artikel des Herrn Bundesministers Lücke mit Zahlenangaben über das Wohngeld in Ihrer Parteikorrespondenz und im „Vorwärts" erscheint?
Ausgesprochen gern, Herr Czaja! Ich darf z. B. darauf hinweisen, daß in der Gemeinde, in der ich Stadträtin bin, das Wohngeld sehr viel mehr in Anspruch genommen wird als in benachbarten Gemeinden.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Berger-Heise.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der sozialdemokratischen Fraktion möchte ich folgende Erklärung abgeben:Das jetzt zur Schlußabstimmung anstehende Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Wohnbeihilfen ist primär das Ergebnis des entsprechenden sozialdemokratischen Initiativantrages Drucksache IV/2646.
Dieser Antrag enthielt die Forderungen, die tragbare Miete und Belastung zu senken und auf einen Höchstsatz von 20 v. H. des bereinigten Einkommens zu begrenzen, die sogenannte Kappungsvorschrift — § 10 Abs. 2 — zu streichen, die benötigte Wohnfläche bei Neubauwohnungen zu vergrößern und die Mietobergrenzen anzuheben und zu vereinheitlichen.Mit weiteren Anträgen während der Ausschußberatungen haben wir u. a. gefordert, das Gesetz in „Wohngeldgesetz" umzubenennen, um ihm auch nur jeden Anschein eines Fürsorgecharakters zu nehmen, und den Geltungsbereich des Gesetzes auf die sogenannten schwarzen Kreise auszudehnen.In dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf werden die sozialdemokratischen Forderungen wie folgt verwirklicht: Das Gesetz trägt fortan den Namen „Wohngeldgesetz". Es gilt künftig auch für die sogenannten schwarzen Kreise. Die Mietobergrenzen sind erhöht worden und werden nun bundeseinheitlich geregelt. Die 'benötigten Wohnflächen sind jetzt für Neu- und Altbauwohnungen vereinheitlicht und insbesondere 'bei Neubauwohnungen erhöht worden.In den Verbesserungen sehen wir einen eindeutigen Erfolg unserer Bemühungen. Wir werden daher dem Gesetz bei der Schlußabstimmung zustimmen.
— Moment! Wir müssen jedoch 'deutlich machen,daß auch mit der Verabschiedung dieses Gesetzesein großer Teil der sozialdemokratischen Vor-
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8032 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Februar 1965
Frau Berger-Heisebehalte gegenüber dieser Wohngeldgesetzgebung noch nicht beseitigt ist.Dies gilt insbesondere für das Festhalten an einem höheren Satz als 20 v. H. des bereinigten Familieneinkommens als tragbarer Miete oder Belastung und — wenn schon eine völlige Streichung nicht in Frage kommt — für das Festhalten an zu hohen, in jedem Fall von den Berechtigten selbst zu tragenden Anteilen der an sich wohngeldfähigen Miete, schon allein deshalb, weil bei dieser von uns abzulehnenden Regelung sozialpolitische Notwendigkeiten hinter unserer Meinung nach unberechtigten fiskalischen Erwägungen zurückstehen mußten.Weiterhin bleibt unsere Skepsis bestehen, ob dieses Gesetz bei fortschreitender Liberalisierung des Wohnungsmarktes ausreichend ist; denn es soll ja nicht, wie einer jüngst veröffentlichten Verlautbarung des Bundesministers für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung zu entnehmen ist, „nur bei unverschuldeter Notlage", sondern, wie in § 1 des Gesetzes bestimmt, ganz allgemein zur Vermeidung sozialer Härten jeder Familie den notwendigen Wohnraum wirtschaftlich sichern. Insofern dürfte angesichts der Entwicklung der Mieten und Belastungen ein großer Teil der Familien mit durchaus normalen Einkommensverhältnissen auf dieses Gesetz angewiesen sein.Wir sind der Auffassung, daß mit diesem Änderungsgesetz ein unzulängliches Gesetz bestenfalls praktikabler geworden ist. Mehr war bei den gegenwärtigen Mehrheitsverhältnissen in diesem Hause nicht zu erreichen. Wir behalten uns daher vor, zu gegebener Zeit erneut initiativ zu werden und, wenn es sich als erforderlich erweist, einen eigenen Entwurf eines neuen Wohngeldgesetzes diesem Hause vorzulegen.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich werde gern auf das Angebot zurückkommen, im „Vorwärts" auf dem sehr guten Papier einen guten Artikel möglichst mit Bild zur veröffentlichen.
Ich begrüße das Ergebnis der Beratungen des federführenden Ausschusses und darf dem Hohen Hause die Annahme des Wohngeldgesetzes in dritter Beratung empfehlen.
Nachdem die bisherigen Erfahrungen mit den Übergangslösungen hinsichtlich der Zahlung von Miet- und Lastenbeihilfen vorlagen, konnte an die Gestaltung des endgültigen Rechts herangegangen werden. Die Erfahrungen mit den bisherigen Übergangsregelungen haben nämlich bestätigt: Die auf den Menschen, die auf die Familie bezogene Lösung ist sozial gerechter als die starre Subvention, nämlich die Subvention der Gebäude. Sie ist auch billiger, weil sie nur wirklich anspruchsberechtigten Personen zugute kommt. Das ist aber bei der starren, objektbezogenen Finanzierung des sozialen Wohnungsbaues leider nicht immer der Fall.
Diese bedeutende Regelung soll am 1. April im Bundesgebiet einschließlich Berlin in Kraft treten ohne Rücksicht darauf, ob die Wohnungszwangswirtschaft dort bereits abgebaut worden ist.
Mit den Beratungsergebnissen konnte auch eine verwaltungsmäßige Vereinfachung erreicht werden. Diese Regelung begrüße ich besonders.
Meine Damen und Herren! Das Wohngeldgesetz hat eine große familien- und gesellschaftspolitische Bedeutung. Durch dieses Gesetz wird ein Grundziel meiner Politik verwirklicht, jeder Familie, jeder alleinstehenden Person ausreichenden Wohnraum und darüber hinaus den breiten Bevölkerungsschichten, die zu Eigentum an Haus und Boden gekommen sind, durch Lastenzuschüsse neben dem Wohnraum dieses Mindestmaß an Eigentum wirtschaftlich zu sichern. Damit wird dieses neue Gesetz einen würdigen Platz in der sozialen Ordnung unserer Zeit einnehmen.
Mit diesem Gesetz, das die von mir vor Jahren aufgestellte Konzeption verwirklicht, wird der weitere Abbau der Wohnungszwangswirtschaft erleichtert. In der sozialen Marktwirtschaft — auch auf dem Wohnungssektor — nimmt dieses Gesetz eine zusätzliche soziale Funktion wahr.
Ich freue mich, daß zu erwarten steht, daß das Gesetz eine breite Mehrheit im Bundestag und — wie ich hoffe — auch im Bundesrat finden wird. Damit wind nicht nur seine reibungslose Durchführung vor allem auf der kommunalen Ebene gesichert, sondern .es wird auch die immer wieder aufflammende Diskussion erstickt, die versucht, diese Hilfe zur Selbsthilfe — nichts anderes ist das Wohngeld — als „Fürsorgegeld" zu diffamieren. Eine möglichst geschlossene Zustimmung zu diesem Gesetz würde darüber hinaus die auch von dem Hohen Hause gewünschte Aufklärung der Bevölkerung erleichtern.
Die Bundesregierung wird alles in ihren Kräften Stehende tun, um bis in die Familien hinein für eine ausreichende Aufklärung über die rechtlichen Möglichkeiten dieses Gesetzes zu sorgen.
Ich darf um die Zustimmung zu dieser wichtigen Vorlage bitten und mich für den Beratungsablauf bedanken.
Keine weiteren Wortmeldungen. — Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf in der vorliegenden Fassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. —Gegenprobe! — In dritter Lesung einstimmig angenommen,
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode 163. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Februar 1965 8033
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Wir stimmen nun über die Entschließungsanträge ab. Sie sind begründet.
Wir stimmen zunächst über den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 550 ab. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ebenfalls einstimmig angenommen.
Entschließungantrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP .auf Umdruck 552. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über Ziffer 2 des Antrags des Ausschusses auf Drucksache IV/3018. Wer dem Entschließungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ebenfalls einstimmig angenommen.
Damit, meine Damen und Herren, ist dieses wichtige Gesetz verabschiedet.
Ich rufe Punkt 20 a) der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur verstärkten Eigentumsbildung im Wohnungsbau und zur Sicherung der Zweckbestimmung von Sozialwohnungen (Drucksache IV/2891).
Das Wort zur Einbringung hat der Herr Minister.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Rücksicht auf die vorgeschrittene Zeit möchte ich fragen, ob das Hohe Haus damit einverstanden ist, daß meine Ausführungen zu Protokoll genommen werden.
Das Haus ist damit einverstanden *).
Ich eröffne die allgemeine Aussprache in erster Lesung und erteile Herrn Abgeordneten Czaja das Wort.
Mit Genehmigung des Herrn Präsidenten möchte ich meine Stellungnahme namens der CDU/CSU-Fraktion ebenfalls zu Protokoll geben.
Will jedermann seine Erklärungen hier abgeben? Es wird alles säuberlich gedruckt und ins Protokoll aufgenommen. Das ist gar keine Schwierigkeit. Ich bitte, die Reden hier niederzulegen. Die Ausführungen der Abgeordneten Dr. Czaja, Jacobi, Mick und Frau Dr. Kiep-Altenloh werden zu Protokoll genommen **).
*) Siche Anlage 6
**) Siehe Anlagen 7, 8, 9 und 10
Damit, meine Damen und Herren, ist die erste Beratung geschlossen. Die Vorlage soll an den Ausschuß für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung ,überwiesen werden. Ist das Haus damit einverstanden? — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Mit Blick auf die Tagesordnung möchte ich dem Hause sagen, daß eine interfraktionelle Vereinbarung darüber herbeigeführt ist, die Beratung des Punktes 22 — das ist die auswärtige Kulturpolitik — von der heutigen Tagesordnung abzusetzen.
Ich rufe nun Punkt 6 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Bildung und Verwaltung eines Sondervermögens für die Ausbildungs- und Leistungsförderung (Drucksache IV/2388);
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für wirtschaftlichen Besitz des Bundes (Drucksachen IV/3024, zu IV/3024).
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. — Herr Abgeordneter Häussler als Berichterstatter!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu dem Ihnen in der Drucksache IV/3024 vorgelegten Schriftlichen Bericht darf ich auf wenige Punkte hinweisen, die der besonderen Beachtung des Hauses würdig sind. Das Leistungsförderungsgesetz will der Höher- und Weiter-Bildung vor allem des Arbeitnehmers dienen. Der Bundesrat war zunächst — und das bitte ich festzuhalten — der Auffassung, daß weder eine Gesetzgebungs- noch eine Verwaltungskompetenz des Bundes vorliege. Die Bundesregierung hat in einer Gegenäußerung diesen Bedenken Rechnung getragen. So hat der heute zu verabschiedende Gesetzentwurf bereits durch die Regierungserklärung im November 1961 eine Ankündigung erfahren. Er will eine von den Initiatoren der sozialen Privatisierung des Volkswagenwerks beabsichtigte Wirkung und die großzügige Förderung der Bildung und Weiterbildung der jungen Arbeitnehmergeneration erzielen.Der Bundestag und sein Ausschuß für wirtschaftlichen Besitz des Bundes sowie die drei mitberatenden Ausschüsse haben diesen Gedanken aufgegriffen in der Erkenntnis, daß die Rationalisierung und die Automation steigende Anforderungen an die Qualifikation der Erwerbstätigen stellt. So soll das Hohe Haus heute der Bildung eines Sondervermögens von 560 Millionen DM zustimmen. Dieser Betrag ist Teil des Darlehens, das die Stiftung Volkswagenwerk dem Bund zur Verfügung stellt. Er wird in zehn jährlichen Teilbeträgen von 50 Millionen DM und einem weiteren von 60 Millionen DM aus dem Bundeshaushalt für die genannten Aufgaben bereitgestellt. Es sollen damit Darlehen und Zuschüsse sowohl für die individuelle als auch die institutionelle Förderung ermöglicht werden. Ich bitte das Hohe Haus, dem Antrag des federführenden Ausschusses zuzustimmen.
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8034 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Februar 1965
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Zweite Beratung! § 1, — § 2, — § 3, — § 4, —§ 4 a, — § 5, — § 6, — Einleitung und Überschrift!
— Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen?
— In zweiter Lesung angenommen.
Dritte Beratung.
Allgemeine Aussprache! — Keine Wortmeldungen.
— Die Aussprache ist geschlossen. Eine Erklärung gemäß § 59 zu Protokoll.
— Wir nehmen die Ausführungen zu Protokoll a). Geben Sie es her!
Abstimmung! Meine Damen und Herren, wer dem Gesetzentwurf in dritter Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — In dritter Beratung einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Soldatengesetzes
a) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung
,
b) Mündlicher Bericht des Ausschusses für Verteidigung (Drucksache IV/3007) .
Ich frage den Herrn Berichterstatter des Haushaltsausschusses, ob er das Wort wünscht. — Er verzichtet. Ich frage den Herrn Berichterstatter des Verteidigungsausschusses, Herrn Abgeordneten Kaffka, ob er das Wort wünscht. — Der Berichterstatter verzichtet.
..Ich rufe auf Art. 1, — Art. 2, — Einleitung und Überschrift. — Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — In zweiter Lesung angenommen.
Ditte Beratung.
Allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht?
— Das Wort wird nicht gewünscht. Wer in dritter Lesung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 8 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Aufenthalt der Ausländer (Drucksache IV/868) ;
*) Siehe Anlagen 11, 12 und 13
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Inneres (Drucksache IV/3013).
.
Ich frage den Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Rollmann, ob er das Wort wünscht. — Als Berichterstatter Herr Abgeordneter Rollmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte den ersten Teil meiner Ausführungen ebenfalls zu Protokoll geben **) und nur den Änderungsantrag Umdruck 549***) kurz begründen. Die Ergänzung des § 26 p entspricht einem Beschluß des Ausschusses für Inneres. Lediglich auf Grund eines redaktionellen Versehens ist die Ergänzung nicht in die Drucksache 1V/3013 aufgenommen worden. Die beantragte Ergänzung der §§ 27 und 28 geht auf eine richterliche Anregung zurück, in der aus Zweckmäßigkeitsgründen ein klarstellender Hinweis auf den Strafausschließungsgrund des § 31 Abs. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge befürwortet wird. Der Ausschuß für Inneres hat sich in seiner Sitzung am 10. Februar 1965 diese Anregung zu eigen gemacht.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.Ich rufe auf in zweiter Lesung die §§ 1 bis 26 o; so weit liegen keine Änderungsanträge vor. Wird zu den aufgerufenen Paragraphen das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen.§ 26 p. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen und Rollmann auf Umdruck 549 vor, der sich auch auf die §§ 27 und 28 bezieht. Zur Begründung Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen. — Was, keine Begründung?
— Als Berichterstatter habe ich ihm das Wort gegeben. Wenn Sie als Berichterstatter hier reden, dürfen Sie gar nicht Ihren persönlichen Änderungsantrag begründen.Wer also diesem Änderungsantrag Umdruck 549 zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen.— Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das ist eine zögernde Einstimmigkeit. Der Änderungsantrag ist angenommen.§ 26 p mit dieser Änderung! Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen.§§ 26 q bis 26 t. — Keine Änderungsanträge. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen.— Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen.§§ 27 und 28. Der Änderungsantrag Umdruck 549 ist bereits angenommen. Wer den §§ 27 und 28 in der so geänderten Fassung zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Ent-**) Siehe Anlage 14 ***) Siehe Anlage 15
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Februar 1965 8035
Präsident D. Dr. Gerstenmaierhaltungen? — Die §§ 27 und 28 sind in der geänderten Fassung angenommen.§§ 29 bis 36, Einleitung und Überschrift. — Keine Änderungsanträge mehr. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — In zweiter Lesung angenommen.Dritte Beratung.Allgemeine Aussprache. Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das heute zur Verabschiedung kommende Ausländergesetz ist neben dem Vereinsgesetz ein weiterer wichtiger Beitrag zur Neugestaltung unserer inneren Ordnung. Es ist darüber hinaus aber auch ein Beitrag zur Überwindung der Grenzen. Von der Duldung des Fremden bis zur Schaffung eines modernen Gastrechtes ist ein weiter Weg. Wir kommen heute auf diesem Wege ein gutes Stück weiter.
Die entscheidenden Fortschritte dieses Gesetzes liegen in folgendem. Erstens bildet es eine einheitliche Rechtsgrundlage für die Behörden und die Ausländer, die hier leben wollen und leben. Zweitens schaffen wir in konsequenter Durchführung des Art. 16 des Grundgesetzes erstmalig ein Asylrecht, wie es sonst in der Welt noch nirgends gesetzlich verankert ist. Schließlich will dieses Gesetz den hier lebenden Ausländern möglichst alle Rechte geben, die auch wir haben. Dabei kann aber nicht darauf verzichtet werden, daß sich die politische Betätigung in für einen Gast angemessenen Grenzen hält. Das ist in diesem Gesetz ausdrücklich festgelegt.
Die Behörden stehen oft vor schwierigen Aufgaben. Wir hoffen, daß dieses Gesetz ein gutes und möglichst klares Gesetz geworden ist und das es dadurch auch der Praxis hilft. Die Zusammenfassung der Rechtsgrundlagen wird hier sicher von wesentlicher Bedeutung sein.
Lassen Sie mich ein letztes Wort zu jener Stadt sagen, die seit vielen Jahren das Ausländerlager beherbergt: die Stadt Zirndorf. Stadtverwaltung und Bevölkerung von Zirndorf haben zweifellos in den hinter uns liegenden Jahren große Lasten getragen und stehen immer wieder vor großen, schweren und wichtigen Aufgaben. Ich appelliere an Sie, Herr Minister, mit der bayerischen Staatsregierung zu verhandeln und dazu beizutragen, daß die sicher nicht unberechtigten Wünsche der Stadt Zirndorf nach einer gewissen Unterstützung im Hinblick auf die dort entstehenden Aufgaben erfüllt werden.
Für meine Fraktion freue ich mich sagen zu können, daß wir diesem neuen Gesetz gern zustimmen werden.
Das Wort hat der Herr Bundesinnenminister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! DerÄltestenrat hat beschlossen, daß in der dritten Lesung nur Erklärungen abgegeben werden sollen. Ich möchte mich in diese Ordnung fügen und darf zum Thema folgendes sagen.Ich glaube, daß unter all den vielen Gesetzen, die das Innenministerium diesem Hohe Hause zugeleitet hat, das jetzt vorliegende eines der bedeutendsten Gesetzgebungsvorhaben ist. Es soll der Lösung einer ganz schwierigen Frage dienen, die für weit über eine Million Menschen von Bedeutung ist. Wie Ihnen bekannt ist, hat unser Staat heute allein über eine Million ausländische Arbeitnehmer in seinem Bereich.Der Herr Berichterstatter des Ausschusses für Inneres hat bereits die große Bedeutung dieses Gesetzes hervorgehoben. Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen hat das gleiche getan. Auf Einzelheiten brauche ich in diesem Zusammenhang und im Hinblick auf das einmütige Ergebnis der Beratungen nicht mehr einzugehen. Die große Aufgabe, die uns hier gesetzt war, war der Versuch, einen Kompromiß, einen harmonischen Ausgleich und eine Abstimmung zwischen den Interessen der Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland und den berechtigten Ansprüchen der deutschen Bevölkerung auf Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu finden. Das Gesetz ist ein Ausdruck unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung, indem es den Ausländern in der Bundesrepublik ein sehr hohes Maß von Entfaltungsmöglichkeiten gewährt. Die Rechtsstellung der Ausländer wird zusätzlich dadurch gesichert, daß alle ausländerrechtlichen Maßnahmen der gerichtlichen Kontrolle unterliegen. Das Gesetz nimmt auch besonders Bedacht auf eine Verbesserung der Rechtslage der ausländischen Flüchtlinge und politisch Verfolgten, die ihre Heimat unter dem Druck totalitärer Systeme verlassen mußten. Ich bin überzeugt, daß dieses Gesetz in seiner Gesamtheit und in seinen Einzelbestimmungen auch vor dem Urteil einer sehr kritischen Weltöffentlichkeit bestehen kann.Nun ist es an mir, mich dafür zu bedanken, daß es trotz unserer bekannten Vorliebe für Perfektionismus gelungen ist, hier ohne übertriebenen Perfektionismus auszukommen. Darum haben sich in erster Linie die mit der Beratung befaßten Ausschüsse des Deutschen Bundestages verdient gemacht. Aus den Ausschüssen wurden sehr wertvolle Änderungsanträge und Beiträge geliefert.Besonders hervorheben möchte ich die Arbeit des federführenden Ausschusses für Inneres. Der Ausschuß und sein Vorsitzender, der Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, verdienen besonderen Dank für die Sorgfalt und Aufgeschlossenheit, die sie bei der Beratung dieses von der Sache her schwierigen und komplizierten Gesetzes bewiesen haben.
Ich möchte auch dem Kollegen Rollmann für die große Mühe, die er als Berichterstatter des federführenden Ausschusses auf den Gesetzentwurf verwendet hat, besonders danken.
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8036 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Februar 1965
Bundesminister HöcherlDer eingehenden Diskussion in den Sitzungen des Innenausschusses und seinen Vorschlägen zu vielen Punkten des Gesetzes ist es zu einem beträchtlichen Teil zu verdanken, daß ein so guter Gesetzentwurf zustande kam.Ich möchte nicht vergessen, den Beitrag der Länder zu erwähnen, die aus ihrer Erfahrung vieles beisteuern konnten. Und in aller Bescheidenheit darf ich auch für meine Mitarbeiter im Bundesministerium des Innern wohl ein gewisses Verdienst an dieser sehr ausgewogenen Vorlage in Anspruch nehmen.Insgesamt gesehen glaube ich, daß wir unserer Bundesrepublik einen guten Dienst erwiesen haben. Wir können uns mit dieser gesetzlichen Regelung in der ganzen Welt sehen lassen. Wir haben einen praktischen Beweis unserer demokratischen Einstellung und des Willens geleistet, in unserem eigenen Vaterland und über die Grenzen hinweg ein liberales Recht zu haben.In diesem Sinne darf ich Sie bitten, dem Gesetzentwurf zuzustimmen.
Wir kommen zur Abstimmung in dritter Beratung. Wer dem Gesetzentwurf zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Auf Seite 9 der Vorlage befindet sich unter Ziffer 2 ein Antrag des Ausschusses. Wer diesem Ausschußantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen.
Punkt 9 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Verteilung des auf die Bundesrepublik Deutschland entfallenden Anteils an der von Israel für das deutsche weltliche Vermögen in Israel nach dem Abkommen vom 1. Juni 1962 gezahlten Entschädigung ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für den Lastenausgleich (Drucksache IV/3037).
Ich frage den Herrn Berichterstatter, den Abgeordneten Zühlke, ob er dazu das Wort wünscht. — Der Berichterstatter verzichtet.
Ich rufe die §§ 1 bis 14 sowie Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf, d. h. unter Berücksichtigung der Änderung, die der Ausschuß vorgenommen hat und die aus Drucksache IV/3037 Seite 2 hervorgeht. Wird dazu das Wort gewünscht?
— Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Gesetzentwurf in dieser Fassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen — Gegenprobe!
— Enthaltungen? — In zweiter Beratung angenommen.
Dritte Beratung.
Allgemeine Aussprache! Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Gesetzentwurf in dritter Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — In dritter Beratung einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 21 unserer Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs einer Bundes-Tierärzteordnung ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Gesundheitswesen (Drucksache IV/2988).
Ich frage den Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Dr. Pohlenz, ob er das Wort wünscht.
— Der Berichterstatter verzichtet. Ich bedanke mich.
Ich rufe in zweiter Beratung die §§ 1, 2 und 3 auf. Soweit liegen keine Änderungsanträge vor. Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — In zweiter Beratung angenommen.
Zu § 4 liegt der Änderungsantrag Umdruck 545 *) Ziffer 1 der Abgeordneten Dr. Dichgans, Frau Jacobi , Dr. Kübler und Genossen vor. Ich frage, ob zur Begründung dieses Antrages idas Wort gewünscht wird. - Herr Abgeordneter Dichgans!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich habe Mitleid mit Ihnen allen, Mitleid aber auch mit mir selbst, daß ich zu dieser vorgeschrittenen Zeit hier noch eine Streitfrage aufwerfen muß. Ich fühle mich aber dazu verpflichtet. Wir müssen uns auch am Freitagmittag bemühen, gute Gesetze zu machen.
Was Ihnen der Ausschuß vorschlägt, bedeutet, daß die Staatskassen mit einer zusätzlichen Ausgabe von jährlich 500 Millionen DM belastet werden. Ich glaube, das sollten wir nicht ohne weiteres tun.Die Ausschußfassung, die bekanntlich von der Regierungsvorlage abweicht, zwingt dazu, daß das Studium an den Tierärztlichen Hochschulen von neun auf zehn Semester verlängert wird. Es ist erwidert worden, es solle nicht das Studium verlängert werden, sondern eine Gesamtausbildungszeit einschließlich der praktischen Zeit festgesetzt werden. Aber was heißt das juristisch? Kann jetzt der Gesundheitsminister die fünf Jahre, die die Ausschußfassung vorschlagen will, beliebig in Studium und Praktikantenzeit aufteilen? Kann der Gesund-*) Siehe Anlage 16
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Februar 1965 8037
Dr. Dichgansheitsminister sagen: „Neun Semester Studium und ein halbes Jahr praktische Ausbildung" oder „Fünf Jahre Studium und darin zweieinhalb Jahre praktische Ausbildung" ? Offenbar doch nicht. Ich halte das für verfassungsmäßig unzulässig. Wenn der Gesetzgeber von Hochschulausbildung spricht und von fünf Jahren, so bedeutet das, wir 'bekommen zehn Semester Studium. Wenn wir mit der Begründung „mehr Stoff" zehn Semester Studium für die Tierärzte bekommen, besteht die gleiche Notwendigkeit mit der gleichen Begründung für die Ärzte, bei denen der Stoff noch mehr gewachsen isst, und auch für die Pharmazeuten.Um die Folgen zu übersehen, habe ich vor einiger Zeit die Bundesregierung gefragt: was kostet das? Die Antwort können Sie auf Seite 7651 der Niederschriften nachlesen. Dort ist mir bestätigt worden, daß eine Verlängerung des Studiums für diese drei Heilberufe 2000 neue Studienplätze erfordert. Die Bundesregierung hat weiter mitgeteilt, daß jeder neue Studienplatz 250 000 DM kostet. Kopfrechnen ergibt, daß diese Gesamtmaßnahme dann 500 Millionen DM kostet. Ich glaube, das können wir für diese Zwecke nicht ausgeben.Wer ist eigentlich für diese Maßnahme, genau genommen, und wer ist eigentlich dagegen? Gegen die Studiumverlängerung ist die Bundesregierung, gegen die Verlängerung ist der Bundesrat, — —
— Es handelt sich um die Verlängerung des Hochschulstudiums von neun auf zehn Semester.
— Es ist eine verfassungsrechtliche Frage. Wenn Sie den Änderungsantrag so fassen, daß Sie sagen: „auf fünf Jahre, davon viereinhalb Jahre Hochschulstudium", bin ich sofort einverstanden. Aber das wollen Sie ja nicht, sondern Sie wollen fünf Jahre haben, d. h. zehn Semester Studium.
In diesen zehn Semestern wird praktische Ausbildung mitgeliefert, das erkenne ich gern an. Aber es sind zehn Semester Studium statt bisher neun, und zwar bei einem Studium, wo die Mindestzeit nur von 11 % der Studenten überschritten worden ist. Es ist eines der wenigen Studiengebiete, wo jetzt noch die Mindest-Studienzeit eingehalten wird. Diese soll jetzt verlängert werden.Wir dürfen uns den Tatbestand nicht vernebeln lassen. Bisher konnte der junge Student sich nach neun Semestern zum Examen melden, in Zukunft kann er es erst nach zehn Semestern.
— Wenn ich mich irre, höre ich sofort auf zu reden. Ich habe die Frage immer wieder gestellt, und ich glaube, die Fassung des Ausschusses läßt nur diese Deutung zu. Erst nach zehn Semestern kann man sich zum Examen melden.Frage: wer ist eigentlich dafür? Nochmals: dagegen ist der Bundesrat, dagegen ist die Bundesregierung, dagegen ist die Rektorenkonferenz, dagegen ist der Wissenschaftsrat. Dafür sind nur die Professoren der Tierärztlichen Hochschulen und die Verbände der Tierärzte. Diese Herren haben gewichtige fachliche Gesichtspunkte. Aber wir müssen hier die fachlichen Gesichtspunkte in das politische Ganze einordnen, und das politische Ganze erfordert die Entscheidung: keine Verlängerung des Studiums.Natürlich hat sich der Stoff vermehrt. Der vermehrt sich überall. Aber die Bewältigung des vermehrten Stoffes ist keine Frage des Studiums. Wir müssen nicht dafür sorgen, daß die Studenten mehr lernen, sondern wir müssen dafür sorgen, daß alle Tierärzte, auch die fertigen, ständig mit sämtlichen Informationen versorgt werden, damit sie auch späterhin bei der jeweiligen Ausübung ihres Berufes ein Höchstmaß aller überhaupt verfügbaren Kenntnisse und Fertigkeiten beherrschen.Die Frage des Stoffes ist also keine Frage der Universitätsausbildung, sondern eine Frage der Weiterbildung. Die Annahme, daß eine Verlängerun des Studiums notwendig eine Verbesserung der Ausbildung bedeutet, ist, wenn eine gewisse Grenze überschritten wird, ein Aberglaube.
Was an Zeit zugesetzt wird, geht an Kraft und Schwung verloren. Das halte ich für unerträglich. Deshalb bitte ich Sie, die Regierungsfassung wiederherzustellen.
Ich rufe weiter den Änderungsantrag Umdruck 551 *) auf, weil ich den Eindruck habe, daß Herr Abgeordneter Jungmann, dem ich hiermit das Wort erteile, auch dazu sprechen will.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist eigentlich widersinnig, daß ich hier dem Kollegen Dichgans und den anderen Antragstellern widersprechen muß, denn ich selber und alle Kollegen, die an diesem Gesetzentwurf mitgearbeitet haben, stehen im Grundsatz auf demselben Standpunkt wie Herr Dichgans und haben sich von denselben Gesichtspunkten leiten lassen. Wir sind mit ihm der Auffassung, daß die Tendenz zur ständigen Verlängerung der Ausbildung im Prinzip falsch ist, und zwar ganz gleich, von wem dieses Prinzip verfolgt wird. Das gilt nicht nur für die Bestrebungen mancher Fakultäten und mancher Professoren; das gilt erst recht für die Bestrebungen der Berufsstände, vor allem, wenn es sich um berufsständische oder Prestigefragen handelt. Das gilt in erster Linie aber auch für den Gesetzgeber, der diesen Tendenzen nicht nachgeben sollte. Ich glaube, hierüber herrscht allgemeine Übereinstimmung, und daran kann auch nach dem Gesetzentwurf kein Zweifel sein.*) Siehe Anlage 17
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8038 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Februar 1965
Dr. JungmannIch bin mit Herrn Dichgans der Ansicht, daß wir hier eine Entscheidung zu treffen haben, die Konsequenzen für die anderen Heilberufe hat. Ich glaube zwar nicht, daß die Zahl von 500 Millionen DM, die als warnendes Beispiel an die Wand gemalt worden ist, tatsächlich real ist. Darüber wird wohl von anderer Seite noch gesprochen werden.Es besteht alber nicht die mindeste Berechtigung, aus diesen Überlegungen den Schluß zu ziehen, daß beispielsweise das medizinische Studium verlängert werden sollte. Die medizinische Ausbildung — nun geht es ja in Deutschland immer zwischen Studium und Ausbildung hin und her —, an deren Ende sich der Mediziner erst Arzt nennen darf, dauert in der Bundesrepublik sage und schreibe acht Jahre. Das ist absolut zu lang. Darüber sind sich heute alle Beteiligten einig. Es gibt auch kein anderes Land, in dem 'man so lange Zeit braucht, um die künftigen Ärzte auszubilden. Ich glaube, niemand in diesem Hause und auch außerhalb dieses Hauses hält die deutschen Studenten grundsätzlich für dümmer oder hält — das muß ich leider auch sagen — die Ergebnisse der deutschen Ausbildung für besser als die der kürzeren ausländischen Ausbildung. Hier werden wir unter allen Umständen zu redressieren haben. Von diesen Gesichtspunkten hat sich unser Ausschuß leiten lassen, von keinen anderen.Wir wissen — das ist vielleicht nicht genügend bekannt, aber man muß es doch in Betracht ziehen —, daß heutzutage das Studium der Tierheilkunde in Wirklichkeit nicht viereinhalb Jahre, sondern viereinhalb Jahre plus ein halbes praktisches Jahr dauert, wozu dann noch fast ein ganzes Jahr kommt, das man für die Examina benötigt. Das sind insgesamt sechs Jahre. Wir sind der Meinung und haben das klipp und klar zum Ausdruck gebracht, daß die Ausbildung in . insgesamt fünf Jahren ihr Ende finden muß und daß am Ende dieser fünf Jahre der fertige Tierarzt stehen soll.Wir haben, als wir diese Überlegungen angestellt haben, uns die Sache keineswegs leicht gemacht. Wir haben eine ganze Menge Widerstände zu überwinden gehabt; denn es waren natürlich noch ganz andere Vorstellungen im Raum. Wir haben uns auch bei Sachverständigen umgehört. Herr Kollege Dichgans, der Wissenschaftsrat — mindestens dessen Vorsitzender, Herr Professor Raiser — hat sich auf den Standpunkt gestellt, daß unser Vorschlag durchaus akzeptabel sei. Ich kann wohl auch mit einem gewissen Recht darauf hinweisen, daß der Vorsitzende des Veterinärmedizinischen Fakultätentages diese Regelung begrüßt hat, weil hier tatsächlich die Möglichkeit gegeben ist, die Praktikanten-zeit, die ja keineswegs im Himmel fabriziert worden ist, — sie stammt legislatorisch aus dem Jahre 1938, ist erst während der Kriegszeit eingeführt worden und ist in der ganzen Zeit seitdem ein Ärgernis gewesen —, endlich aus der Welt zu schaffen und dafür zu sorgen, daß der künftige Tierarzt in fünf Jahren mit seiner Ausbildung fertig ist. Wenn ich Sie also bitte, dem Änderungsantrag auf Umdruck 545 nicht zuzustimmen, sondern einem Antrag, der noch eingebracht werden wird, dann bitte ich Sie, sich dabei doch vor Augen zu halten, daß das in gar keiner Weise etwa eine Diskreditierung oder eine Ablehnung der von Herrn Dichgans vertretenen Grundsätze bedeutet, die wir vom Prinzip her in vollem Umfang teilen.
Einen Augenblick! Wollen Sie noch einen neuen Änderungsantrag vorbringen, Herr Abgeordneter Dr. Jungmann? — Sie reden nicht mit einem Abgeordneten, wenn ich mit ihm spreche!
— Sie haben das jetzt also auf Umdruck 545 bezogen?
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Hamm.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur ganz kurz zu den Anträgen auf den Umdrucken 551 und 545. Ich bin der Auffassung, daß der Kollege Dichgans die beste Begründung zu unserem Antrag auf Umdruck 551 gegeben hat, denn wir sind mit ihm der Meinung, daß die Studienzeit nicht verlängert werden soll und daß das Resultat eine Verkürzung der Gesamtausbildungszeit sein soll.Wir sind aber nicht der Meinung, daß, wenn die Bundesregierung in dem Entwurf ermächtigt wird, die Ausbildung durch, Verordnung zu regeln, wir ihr nicht zutrauen könnten, daß sie ein richtiges Verhältnis zwischen theoretischer und praktischer Ausbildung finden wird. Wir können es der Bundesregierung zutrauen, denn dafür ist ja die Tradition vorhanden und dafür spricht auch das Ziel der Ausbildung.Ich bin der Meinung, daß Sie, Herr Kollege Dichgans, nicht ganz unterrichtet sind, wenn Sie sich auf den Wissenschaftsrat beziehen, denn mir liegt ein Schreiben des damaligen Vorsitzenden des Wissenschaftsrates, des Herrn Professor Dr. Raiser, vom 15. Dezember 1964 — zu dieser Zeit war unser Entwurf im Ausschuß fertig —vor, in dem es heißt — ich zitiere mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten —:Mit dieser Maßgabe kann ich durchaus bestätigen, daß die Empfehlungen Ihres Ausschusses auch den im Wissenschaftsrat bestehenden Vorstellungen entsprechen.Nun geht es, Herr Kollege Dichgans, ja nicht darum — wir wollen ja das gleiche —, daß wir etwa die Ausbildungszeit verlängern wollen, sondern wir wollen uns — vielleicht im Gegensatz zu Ihnen — durch eine solche Tendenz nur nicht die Augen davor verschließen lassen, was man an der Struktur einer Ausbildung zu tun hat. Wenn Sie die heutige Situation betrachten, daß der Student der Tierheilkunde nach seinem Examen nach neun Semestern weder Fisch noch Fleisch ist, wenn ich das einmal so sagen darf, nun in die Praxis hinaus soll und bei dem Lehrtierarzt eine tierärztliche Tätigkeit ausüben soll — hinzu kommt noch eine Überwachungsfunktion des Lehrtierarztes —, dann werden 'Sie
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Februar 1965 8039
Dr. Hamm
erkennen, daß sowohl für den Lehrtierarzt als auch für den Veterinärpraktikanten außerordentliche rechtliche Schwierigkeiten bestehen. Der Veterinärpraktikant ist noch nicht Tierarzt und übt Tätigkeiten aus, die nur ein Tierarzt ausüben darf. Hinzu kommt — wenn ich die Sache ganz nüchtern betrachte — daß es für eine Ausbildung, insbesondere in ihrem letzten Teil, durchaus von Vorteil ist, wenn sich die theoretische und die praktische Ausbildung gegenseitig befruchten. Ich glaube, bei den Heilberufen besteht die allgemeine Tendenz, eine Lösung dahin gehend zu finden, daß in einem Zeitabschnitt nichtallein die Theorie gesehen wird und anschließend erst die Praxis kommt, sondern daß jeweils zu dem theoretischen Bereich, der gerade ansteht, die praktische Einführung kommt. Das ist der Sinn der Sache. Deswegen sind wir der Meinung, man sollte vor dem Examen die Ausbildung sowohl in der Theorie als auch in der Praxis zusammenfassen und koordinieren.
Wenn dann noch ein Mißverständnis bestehen sollte, weil in dem Vorschlag des Ausschusses in § 4 von „Studienzeit" die Rede ist — es kann nur ein Mißverständnis sein, denn die Worte sind nicht entscheidend —, dann haben wir in unserem Antrag auf Umdruck 551 durch die Auswechslung dieses Wortes in „Ausbildungszeit" klar zu erkennen gegeben, daß wir diese Zusammenfassung wollen. Wir wollen keineswegs, daß etwa jemand auf die Idee kommt, man könnte einen künftigen Tierarzt zehn Semester nur theoretisch ausbilden. Darauf wird ja wohl kein vernünftiger Mensch kommen. Es ist einfach eine zwingende Notwendigkeit, daß die praktische Ausbildung in dieser Zeit hinzukommt. Deshalb können Sie nicht sagen, es sei ein zehnsemestriges Studium.
Gestatten Sie ein Zwischenfrage?
Bitte, Herr Präsident!
Herr Abgegeordneter Dichgans!
Stimmen Sie mir darin zu, daß der Student der Tierheilkunde, der sich heute nach neun Semestern zum Examen melden kann, sich in Zukunft erst nach zehn Semestern melden kann?
Herr Kollege Dichgans, er kann sich deshalb erst nach zehn Semestern zum Examen melden, weil wir die Veterinärassistentenzeit — die ihn auch noch nicht zum Tierarzt macht — mit einbeziehen. Wir wollen also halben, daß nach dem Examen ein fertiger Tierarzt dasteht, und wir wollen nicht, daß jemand nach dem Examen in die Tierheilkunde hineinkommt, der noch nicht fertiger Tierarzt ist, sondern noch überwacht werden muß. Übrigens kommt das Problem der Auswahl der Lehrtierärzte, das ich noch gar nicht erwähnt habe, noch hinzu.
Ist es richtig, daß das Schreiben des Wissenschaftsrats vom 15. Dezember, das Sie auszugsweise zitiert haben, an einer anderen Stelle ausdrücklich davon spricht, daß sich der Wissenschaftsrat eine nachträgliche Prüfung vorbehält, ob nicht das tierärztliche Studium doch wieder verkürzt werden kann?
Ich will jetzt nicht das ganze Schreiben vorlesen. Ich kann nur sagen, daß zunächst ein Schreiben des Wissenschaftsrates an mich als Ausschußvorsitzenden gegangen ist, daß ich ihm daraufhin die Konzeption des Ausschusses unterbreitet habe, die ihren Niederschlag im Entwurf gefunden hat, und daß daraufhin der Wissenschaftsrat in einem Antwortschreiben vom 15. Dezember zum Ausdruck gebracht hat, daß er von den Vorstellungen durchaus befriedigt sei, die wir entwickelt haben. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen. Ich bin gern bereit, Ihnen das Schreiben zur Verfügung zu stellen, so daß Sie es durchlesen können.
Damit bin ich aber auch am Ende meiner Ausführungen. Ich beantrage also namens der FDP, den Antrag der Abgeordneten Dr. Dichgans usw. auf Umdruck 545 abzulehnen und den Antrag der Abgeordneten Dr. Jungmann usw. auf Umdruck 551 anzunehmen.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Hubert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte das Haus nicht aufhalten. Ich kann mich weitgehend den Ausführungen meiner beiden Vorredner anschließen und möchte Herrn Kollegen Dichgans nur noch einmal darauf hinweisen, daß wir ja, um die Sache klarzustellen, diesen Änderungsantrag eingebracht haben, wonach es „Ausbildungszeit" und nicht „Studienzeit " heißen soll. Da wir auf Jahre und nicht auf Semester abgestellt haben, bedeutet das nicht neun Semester und anschließend ein halbes Jahr Praxis, sondern fünf Jahre einschließlich der praktischen Ausbildung mit anschließendem Examen. Damit soll von der unguten Form der praktischen tierärztlichen Ausbildung, wie sie heute besteht, abgegangen werden.
Ich bitte also, den Änderungsantrag Umdruck 545 Ziffer 1 abzulehnen und den Antrag Umdruck 551 anzunehmen.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Jacobi.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gerade die Ausführungen der Vorredner, besonders des Herrn Dr. Hamm, haben mir gezeigt, daß es sich hier wirklich um eine Verlängerung um ein Semester handelt. Denn
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8040 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Februar 1965
Frau Jacobi
das Praktikum geht so, wie Sie es einbauen wollen, ganz gewiß in den Semesterferien vor sich, und die Herren Professoren werden sehr gerne die Gelegenheit wahrnehmen, ein echtes zehntes Semester aus dieser Ausbildungszeit zu machen. Wir haben Gott sei Dank durch die Initiative von Herrn Dr. Dichgans eine Möglichkeit aufgezeigt bekommen, eine Regelung im Sinne der Freiheit unserer studierenden Jugend zu treffen. Nach der Vorlage soll nämlich dieser Jugend ein wirklicher Zwang auferlegt werden. Erstens den Hochbegabten und den Fleißigen, die absolut in der Lage sind, es in kürzerer Zeit zu schaffen; denen tun wir einen echten Zwang an. Denjenigen, die sich mehr Zeit lassen — ich lasse völlig dahingestellt, aus welchen Gründen; es kann auch sehr positive Gründe haben —, ist es ja unbenommen. Wir sollten aber keinen negativen Zwang ausüben; bei dieser ersten Gelegenheit, wo wir wirklich einmal beweisen können, daß es uns ernst mit unserem Vorhaben ist, sollten wir konsequent bleiben und es bei der bisher geltenden Studienzeit belassen. Es besteht durchaus die Möglichkeit, auch da das Praktikum noch einzufügen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Pohlenz.
Eine Jungfernrede? — Lassen Sie sich nicht entmutigen!
Ich bedaure an sich, daß ich jetzt etwas tiefer in die Materie einsteigen muß
— meine Herren, Sie zwingen mich ja dazu! —,
ohne allerdings meine Ausführungen lang zu fassen.
Der Entwurf der Bundestierärzteordnung zielt zwar in erster Linie auf eine umfassende Regelung des tierärztlichen Berufsrechts ab. Wichtiger noch als dieser Gesichtspunkt scheint meiner Fraktion aber seine Bedeutung im Hinblick auf die Neuordnung des Ausbildungsganges zu sein.
Wie aus den zu dem Gesetzentwurf eingebrachten Entschließungsanträgen ersichtlich, haben die Abgeordneten aller Fraktionen im Gesundheitsausschuß versucht, der in diesem Hause aufgestellten Forderung zu entsprechen, die akademische Ausbildung so zu gestalten, daß sie mit dem 26. Lebensjahr abgeschlossen ist. Damit ist die von uns zu verabschiedende Bundestierärzteordnung ungewollt richtungweisend und Schrittmacher für alle Heilberufe und vielleicht auch generell für eine Studienneuregelung geworden. Sie werden verstehen, daß mich das als Abgeordneten, der dem tierärztlichen Berufsstand angehört, mit Freude erfüllt.
Lassen Sie mich nun zu dieser Hauptfrage der Bundestierärzteordnung, der Frage der Ausbildung, Stellung nehmen. Es ist dies ein bildungspolitisches Problem.
Will man zu einem zeitnahen Vorschlag für einen Studien- und Ausbildungsgang gelangen, so kommt
man nicht umhin, neben der bisher bei uns geltenden Regelung auch die in anderen Ländern zu sehen. Die EWG-Staaten sind hier für uns von besonderer Bedeutung. Der EWG-Vertrag beschränkt sich ja nicht auf wirtschaftliche Dinge wie den Zollabbau, er bringt auch die Niederlassungsfreiheit innerhalb der sechs Mitgliedstaaten mit sich. Das setzt jedoch eine Gleichwertigkeit der Ausbildung voraus.
Wie war nun bisher bei uns die Ausbildung bis zur Approbation geregelt? Vor dem ersten Weltkrieg umfaßte das tierärztliche Studium sieben Semester. Mit der Entwicklung der Wissenschaft wurde es 1913 auf acht Semester, 1926 auf neun Semester verlängert. Seit diesem Zeitpunkt setzte aber die eigentliche intensive Nutztierhaltung ein, und im Zuge dieser Entwicklung haben alle Kulturnationen, so England, Amerika, Holland, Rußland usw., das Studium über diese Semesterzahl hinaus weiter verlängert.
Bei uns in Deutschland versuchte man der Vermehrung des Wissens und des Lehrstoffs durch eine stete Erhöhung der Wochenstundenzahl in den Semestern zu begegnen. Sie geht heute, meine Damen und Herren, bis zu 63 Wochenstunden.
Die zwangsläufige Folge einer derartigen Belastung, die die physische Leistungsgrenze der Studenten schon überschreitet und die durch Kurse, Praktiken und Übungen in der semesterfreien Zeit noch erhöht wird, war die, daß die Studenten den gebotenen Wissensstoff während der neun Semester nicht verkraften konnten. Als Ausgleich benutzten sie die sich an das Studium anschließende zwölfmonatige Prüfungszeit. Nach dem Staatsexamen mußte dann noch eine halbjährige sogenannte Veterinärpraktikantenzeit abgeleistet werden. Nach viereinhalb Jahren Studium gleich neun Semestern, einjähriger Prüfungszeit und halbjähriger Praktikantenzeit, also insgesamt sechs Jahren, trat ein ausgebildeter deutscher Tierarzt in das Berufsleben ein. Ich wiederhole: nach sechs Jahren, Herr Kollege Dichgans!
— Herr Kollege Dittrich, es besteht ja die Gefahr, daß wir hier in Unkenntnis der wahren Sachlage eine falsche Entscheidung treffen.
Wir stehen also vor dem Zwang, mit Blick auf die EWG-Regelung die Ausbildungszeit auf fünf Jahre festzusetzen, wenn die deutschen Tierärzte nicht diskriminiert werden sollen. Meine Damen und Herren, das ist der Kern der ganzen Dinge. Wenn wir das nicht tun, kommen wir nicht so weit, daß die deutschen Tierärzte wie jeder Tierarzt aus dem übrigen EWG-Raum sich frei niederlassen können, und das bedeutet eine Diskriminierung, die wohl keiner von Ihnen will.
Der Herr Staatssekretär des Gesundheitsministeriums hat das Wort.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Februar 1965 8041
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe nicht den Eindruck, daß die Gegensätze, die hier etwas stark herausgeschält worden sind, in bezug auf die beiden Anträge in Wahrheit bestehen. Ich glaube, daß beide Anträge dem Anliegen Rechnung tragen, das, soweit ich es beurteilen kann, ein gemeinsames Anliegen des Hohen Hauses und der Bundesregierung ist: den gesteigerten Wissensstoff in der modernen Ausbildung des Tierarztes zu berücksichtigen, dennoch das Studium zu raffen und nicht zu verteuern und den jungen Tierarzt in möglichst jungem Lebensalter seinem Beruf zuzuführen. Ich verhehle nicht, daß der Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. Dichgans den Auffassungen der Bundesregierung, weil er ja die Fassung der Bundesregierung wiederherstellen will, am nächsten kommt. Aber ich glaube, daß auch der Antrag Umdruck 551, weil er die nähere Ausgestaltung in die Bestallungsordnung verlegt, der Bundesregierung und dem zur Zustimmung berufenen Bundesrat durchaus die Möglichkeit läßt, zwischen dem Hochschulstudium und der praktischen Ausbildungszeit ein ausgewogenes Verhältnis herzustellen. Wenn wir die Bestallungsordnung dem Bundesrat zuleiten, werden wir uns die Empfehlung des Gesundheitsausschusses angelegen sein lassen, die Prüfungen möglichst in die Studienzeit vorzuverlegen.
Meine Damen und Herren, auch wer sich noch nicht weiter mit der Ausbildung der Tierärzte befaßt hat, lernt etwas dazu. Aber ich stehe vor der Schwierigkeit, zu entscheiden, welches nun eigentlich der weitergehende Antrag ist, Umdruck 545 oder Umdruck 551. Ich würde es lieber sehen, wenn sich die Antragsteller untereinander einigen könnten. Aber das können sie offenbar nicht.
Ich lasse jetzt einfach der zahlenmäßigen Reihenfolge nach abstimmen. Zunächst wird abgestimmt über den Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Dichgans, Frau Jacobi , Dr. Kübler und Genossen auf Umdruck 545 Ziffer 1. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Minderheit. — Das Haus ist einig. Der Antrag auf Umdruck 545 Ziffer 1 ist angenommen. Damit ist der Änderungsantrag auf Umdruck 551 erledigt.
Wer dem § 4 in der so geänderten Fassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; § 4 ist in dieser Fassung angenommen.
§ 5! Kein Änderungsantrag. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — § 5 ist angenommen.
§ 6! Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Dichgans und Genossen auf Umdruck 545 Ziffer 2. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich lasse über den Änderungsantrag auf Umdruck 545 Ziffer 2 abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das erste war eindeutig die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen. Damit ist § 6 in der Fassung der Regierungsvorlage wiederhergestellt.
§§ 7 bis 20, Einleitung und Überschrift! Keine Änderungsanträge. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe!
— Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Damit ist die zweite Beratung beendet.
— Zur Geschäftsordnung, Herr Abgeordneter Dr. Mommer!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Selbst wenn wir in der Geschäftsordnung nicht die Grundlage hätten, zu widersprechen — da Änderungsanträge angenommen worden sind —, wäre es wohl vernünftig, daß wir die Vorlage jetzt nicht weiter berieten und sie an den Ausschuß zurückverwiesen. Wir können dann das, was wir hier in einer Abstimmung, die unter besonderen Verhältnissen stattfand, entschieden haben, noch einmal überdenken und mit kühlem Kopf und geklärten Ideen in die dritte Beratung gehen.
Der Antrag ist nach § 82 der Geschäftsordnung zulässig. — Das Haus ist einverstanden.
— Sie wissen es doch immer besser!
Sie sind zwar ein Jurist, und es ist ja klar, daß das den Juristen zusteht. Aber, Kollege Memmel, wollen Sie freundlicherweise § 82 der Geschäftsordnung — Zurückverweisung an einen Ausschuß — nachlesen? Bei § 85 steht auch noch etwas. Das ist richtig. Das eine schließt das andere gar nicht aus.
— Sie können mit verschiedenen Zügen nach München fahren.
Genauso können Sie mit § 82 und mit § 85 der Geschäftsordnung zur Zurückverweisung an einen Ausschuß kommen.
Ich lasse den Zug jetzt nach § 82 abfahren, Herr Kollege.
Dieser Gesetzentwurf ist also an den Ausschuß zurückverwiesen.Ich habe bereits gesagt, daß Punkt 22 der Tagesordnung im Einvernehmen mit den Fraktionen abgesetzt ist. Wir kommen jetzt noch zu den Zusatz-
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8042 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 163. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Februar 1965
Präsident D. Dr. Gerstenmaierpunkten zur Tagesordnung, zunächst zu dem Zusatzpunkt .1:Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Burgemeister, Dr. Süsterhenn, Dr. Zimmer, Josten, Gibbert und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Weingesetzes ;Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Gesundheitswesen (Drucksache IV/3012).
Ich frage den Herrn 'Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Biegler, ob er das Wort zur Berichterstattung wünscht. — Der Berichterstatter verzichtet.Ich rufe in zweiter Lesung Art. 1, — 2, — 3, — Einleitung und Überschrift auf. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — In zweiter Lesung angenommen.Wir kommen zurdritten Beratung.Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Keine Wortmeldungen.Wer dem Gesetzentwurf in dritter Lesung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe? — Enthaltungen? — Dagegen stimmen wollen Sie auch noch, Herr Kollege Memmel?
— Herr Abgeordneter Memmel, da muß ich Ihnen sagen, daß Sie überstimmt sind. Dieses Gesetz ist trotz Ihres Widerspruchs in dritter Lesung angenommen. Tragen Sie es mit Fassung!Ich rufe Zusatzpunkt 2 der Tagesordnung auf:Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Serres und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Zollgesetzes .Ich frage die Herren Antragsteller, ob sie das Wort zur Einbringung wünschen. — Die Antragsteller verzichten.Ich eröffne die allgemeine Aussprache zur ersten Lesung. — Keine Wortmeldungen. Vorgesehen ist die Überweisung an den Finanzausschuß — federführend — und den Außenhandelsausschuß — mitberatend —. Widerspruch erhebt sich nicht; es ist so beschlossen.Zusatzpunkt 3 der Tagesordnung:Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses über die von der Bundesregierung beschlossene Siebente Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1965 (Änderung des gemeinsamen Zolltarifs der EWG — III. Teil) (Drucksachen IV/3019, IV/3059).Ich frage den Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Dr. Preiß, ob er das Wort wünscht. — Der Herr Berichterstatter verzichtet. Ich bedanke mich.Wer dem Antrag des Ausschusses auf Drucksache IV/3059 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag des Ausschusses ist einstimmig angenommen.Meine Damen und Herren, damit stehen wir am Ende unserer Tagesordnung.Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 17. Februar, 9.00 Uhr, ein.Die Sitzung ist geschlossen.