Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die heutige Tagesordnung erweitert werden um die
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Verlängerung der Geltungsdauer des Gesetzes über die Sicherstellung von Leistungen auf dem Gebiet der gewerblichen Wirtschaft .
Das Haus ist damit einverstanden; es ist so beschlossen.
Ich schlage vor, daß wir die Überweisung dieser Vorlage an den Wirtschaftsausschuß sofort vornehmen. Wer für die Überweisung des Gesetzentwurfs an den Wirtschaftsausschuß ist, der gebe bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Es ist so beschlossen.
Vielleicht darf ich jetzt ein Wort zur Reihenfolge der zu behandelnden Punkte sagen. Es ist vereinbart worden, heute nach der Fragestunde in der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs zur Änderung mietrechtlicher Vorschriften fortzufahren und nach der Verabschiedung dieses Gesetzes und der Beschlußfassung über den Initiativgesetzentwurf der SPD zur Änderung des § 556 a BGB zuerst alle Finanzvorlagen aufzurufen, das sind die Tagesordnungspunkte 17, 27, 36, 43, 44, 45, 46, 47 und danach die Tagesordnungspunkte 25, 39, 42, 46 bis 60. — Das Haus ist auch damit einverstanden.
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat am 23. April 1964 unter Bezug auf den Beschluß des Bundestages vom 15. Mai 1963 darüber berichtet, ob die Hypothekengewinnabgabe finanzschwacher Turn- und Sportvereine, soweit sie durch die Abgabeschuld erheblich belastet sind, auf Antrag erlassen werden kann. Sein Schreiben wird als Drucksache IV/2208 verteilt.
Der Herr stellvertretende Vorsitzende des Außenhandelsausschusses hat am 27. April 1964 mitgeteilt, daß der federführende Außenhandelsausschuß und der mitbeteiligte Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten die nachstehenden Verordnungen zur Kenntnis genommen und keine Bedenken erhoben haben:
Verordnung Nr. 23/64/EWG vom 4. März 1964 über die Festsetzung der Abschöpfungsbeträge gegenüber dritten Ländern
für Schweine sowie Schweinefleisch enthaltende Erzeugnisse
für Einfuhren, die vom 1. April bis zum 30. Juni 1964 getätigt werden
Verordnung Nr. 33/64/EWG des Rats vom 25. März 1964 zur Verlängerung der Geltungsdauer der Verordnung Nr. 85/63/ EWG des Rats über die Festsetzung der Einschleusungspreise und der Zusatzbeträge sowie der Übergangsbestimmungen für Teilstücke von Schweinen sowie Schweinefleisch enthaltende Zubereitungen und Konserven
Verordnung Nr. 34/64/EWG des Rats vom 25. März 1964 zur Änderung des Warenverzeichnisses für einige Schweinefleischerzeugnisse .
Wir beginnen mit der
Fragestunde .
Wir waren gestern bei den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern stehengeblieben. Ich rufe auf die Frage V/3 — des Abgeordneten Dr. Müller-Emmert:
Welche Maßnahmen beabsichtigt die Bundesregierung zu ergreifen, um der von ihr festgestellten ständigen Zunahme der Rauschgiftdelikte entgegenzuwirken?
Durch die Aufdeckung mehrerer Rauschgiftfälle zu Beginn dieses Jahres ist in der Öffentlichkeit der Eindruck entstanden, daß die Rauschgiftkriminalität in der Bundesrepublik beträchtlich zugenommen habe. Diese Schlußfolgerung läßt sich daraus jedoch nicht ziehen. Ich habe auch in der Fragestunde vom 12. Februar 1964 nicht von einer ständigen Zunahme der Rauschgiftdelikte gesprochen, obwohl die Angelegenheit durchaus die Aufmerksamkeit der Justizbehörden verdient. Nach einem beachtlichen Absinken der Rauschgiftkriminalität in den Jahren 1953 bis 1961 ist zwar in der Polizeilichen Kriminalstatistik für 1962 eine leichte Zunahme festzustellen. Erfreulicherweise bringen die neuesten Zahlen für 1963 wieder eine leichte Abnahme, so daß man, auch wenn man die Dinge nach wie vor sehr aufmerksam beobachten muß, nicht sagen kann, daß es sich um einen zunehmenden Komplex handelt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller-Emmert.
Herr Präsident, keine Zusatzfrage, nur die Frage, ob nicht meine Frage beantwortet werden kann. Ich habe doch die Frage gestellt, welche Maßnahmen die Bundesregierung zu ergreifen gedenkt.
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6066 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. April 1964
Ja, ich bin folgender Meinung. Nachdem sich aus der neuesten Statistik ergibt, daß die Zahlen im Abnehmen begriffen sind, scheinen die bisherigen Maßnahmen wohl das Richtige zu sein. Im übrigen ist eine Bekämpfung in erster Linie natürlich Sache der Länder. Nur soweit bei der polizeilichen Bekämpfung ein Zusammenwirken notwendig ist, wird das Bundeskriminalamt tätig. Dafür gibt es vor allem personelle Wünsche, die ich sehr bald hoffe von dem Hohen Hause bewilligt zu bekommen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller-Emmert.
Herr Minister, würden Sie im Zusammenwirken mit dem Herrn Justizminister überprüfen, ob die Rauschgiftdelikte nicht in der Weise wirksam bekämpft werden können, daß der Strafrahmen des derzeit geltenden Opiumgesetzes, der von einem Tag Gefängnis bis zu drei Jahren Gefängnis geht, dahingehend verschärft wird, daß ein Mindeststrafrahmen beispielsweise von drei Monaten oder von sechs Monaten Gefängnis eingeführt und der Höchststrafrahmen auf fünf Jahre erhöht wird, so wie dies in vielen anderen ausländischen Staaten schon der Fall ist?
Ich bin der Meinung, Herr Kollege, daß wir im Strafrechtsbereich ohne zwingenden Anlaß keine Sondergesetze machen sollten. Der Strafrahmen bis zu drei Jahren ist im übrigen gar nicht so bescheiden, wenn er von den Gerichten bei entsprechenden Voraussetzungen ausgenutzt wird.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Müller-Emmert.
Herr Minister, sind die von Ihnen in der Sitzung vom 12. Februar 1964 für möglich gehaltenen personellen Mängel bei der Zentralstelle beim Bundeskriminalamt und bei den Rauschgiftdezernaten der Landeskriminalämter inzwischen beseitigt worden?
Herr Kollege, für Mängel im Landesbereich bin ich nicht zuständig. Was unseren Bereich betrifft, hoffe ich, in den allernächsten Tagen eine neue Verordnung über die Laufbahnen bei der Bundeskriminalpolizei zu erreichen, die einen Anreiz für geeignete Kräfte aus dem Länderbereich bietet und die personelle Auffüllung erleichtert.
Wir kommen zur Frage V/4 — des Herrn Abgeordneten Schmidt —:
Womit glaubt die Bundesregierung rechtfertigen zu können, daß für die Festlegung der Ortsklassen die am 25. September 1956 festgestellte Durchschnittsraummiete auch heute noch maßgebend ist?
Bitte, Herr Minister.
Herr Kollege, die Richtlinien werden in dem sogenannten Richtlinienausschuß, dem auch Abgeordnete des Hohen Hauses angehören, bestimmt. Es ist also nicht allein Sache der Bundesregierung, solche Richtlinien festzulegen; es ist vielmehr eine Gemeinschaftsarbeit. Im übrigen ist auch der Bundesregierung, wie dem Ausschuß, keineswegs entgangen, daß die Richtlinien jeweils fortgeschrieben werden müssen. Das ist im Herbst 1962 geschehen durch eine Änderung der Ortsklassenrichtlinien durch die Richtlinienkommission gemeinsam mit Abgeordneten aller Fraktionen dieses Hohen Hauses. Dabei wurde insbesondere die Durchschnittsraummiete eines jeden Ortes durch einen Zuschlag von 10 DPf für jedes volle Prozent der den Bundesdurchschnitt übersteigenden Wohnungszugänge korrigiert.
Im übrigen sind ja in der Frage des Ortszuschlages einige andere Überlelgungen im Gange, die vielleicht demnächst sehr konkrete Formen annehmen werden, so daß viele Beschwerden auf diesem Sektor gegenstandslos werden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, sind Sie wirklich der Meinung, daß diese Fortschreibung, die ja einmal einen zehnprozentigen Werks- oder Dienstwohnungsanteil und zum zweiten einen Zugang über dem Bundesdurchschnitt vorsieht, die Mietentwicklungen voll abdeckt, beispielsweise in Fremdenverkehrsorten usw., wo diese notwendigen Wohnungsquoten nicht vorhanden sind?
Herr Kollege, mir gefällt die Regelung so wenig wie Ihnen, und weil sie mir nicht gefällt, werde ich sie demnächst zu ändern versuchen; ich brauche dann die Zustimmung des Hohen Hauses.
Eine weitere Zusatzfrage.
Haben Sie wirklich, Herr Minister, bis 1964 warten müssen, um 1956 gültige, heute aber überholte Richtlinien einmal abändern zu können und eine bessere Entwicklung zu bekommen?
Wir haben die Praxis, daß wir die Dinge jeweils am 1. Januar eines Jahres regeln. Bis dahin dürfte die entscheidende Änderung, auf die ich schon wiederholt hingewiesen habe, in Kraft getreten sein.
Ich rufe die Frage V/5 — des Herrn Abgeordneten Dr. Krümmer — auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß nach Pressemeldungen ein Gastarbeiter, angeregt durch die Fernseh-Kriminalserie „Das Halstuch", eine junge Deutsche mit ihrem Shawl erwürgt hat?
Darf ich die Fragen 5 und 6 zusammen beantworten?
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. April 1964 6067
Einverstanden! Ich rufe auch Frage V/6 — des Abgeordneten Dr. Kummer — auf:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um der Gefahr entgegenzuwirken, daß von gewissen deutschen Fernsehsendungen Anreize zu verbrecherischen Handlungen ausgehen?
Im Jahre 1962 sind in zwei Fällen Frauen mit einem Halstuch ermordet worden. Bei den Tätern handelte es sich um deutsche Staatsangehörige. In der Nacht zum 16. April 1964 soll laut Pressenotiz vom 24. April 1964 der 27jährige italienische Arbeitnehmer Angelo Vella in Saarbrücken eine 23jährige Serviererin mit ihrem eigenen Halstuch erdrosselt und anschließend beraubt haben. Der Italiener soll — so heißt es — verhaftet worden sein, jedoch die Tat bestreiten.
Ob ein Zusammenhang mit der Fernsehkriminalserie „Das Halstuch" besteht, läßt sich der Pressemeldung nicht entnehmen. Ebenso weiß ich nicht, ob in den eingangs genannten Fällen die Fernsehkriminalserie „Das Halstuch" zu den Morden angeregt hat. Weitere Ermittlungen waren wegen der Kürze der Zeit nicht möglich. Falls Sie es wünschen, bin ich gerne bereit, weitere Erhebungen anzustellen und mich dabei der, Hilfe meines Nachbarn zur Rechten zu bedienen, der in erster Linie für solche Fragen zuständig ist.
Ich wäre Ihnen dankbar, Herr Minister, wenn Sie das tun wollten.
Frage V/7 — des Abgeordneten Felder —:
Ist der Bundesregierung der Plan bestimmter Kreise bekannt, den amerikanischen Professor David L. Hoggan, den Verfasser des Buches „Der erzwungene Krieg", demnächst auf besonders spektakuläre Weise öffentlich zu ehren?
Bitte sehr, Herr Minister.
Darf ich beide Fragen des Herrn Abgeordneten Felder zusammenfassen? Das wäre zweckmäßig.
Frage V/8 — des Abgeordneten Felder —:
Weiß die Bundesregierung, daß Professor Hoggan mit seinem Buch „Der erzwungene Krieg" den von deutschen und internationalen Historikern von Rang als unerhörte Geschichtsklitterung bezeichneten Versuch macht, Hitler die Verantwortung für den zweiten Weltkrieg abzunehmen, und daß also die geplante Ehrung nur der Versuch einflußreicher rechtsradikaler Gruppen sein kann, in der deutschen Öffentlichkeit eine neue, in ihren Auswirkungen auf unsere demokratisch-politische Stabilität sehr gefährliche Geschichtslegende aufzubauen?
Zur ersten Frage: Diese Pläne sind der Bundesregierung seit geraumer Zeit bekannt.
Zur zweiten Frage: In der Beurteilung der Hogganschen Thesen und der Ausbeutung seines Werkes durch rechtsradikale Kreise in der Bundesrepublik bin ich mit Ihnen einig. Ich würde nur im Unterschied zu Ihnen diese Kreise nicht als einflußreich bezeichnen, und ich hoffe, daß sie auch niemals einflußreich sein werden. Was wir dazu beitragen können, wird geschehen. Im übrigen darf ich Ihnen mitteilen, daß wir im Innenministerium diesen Vorgang nach sehr vielen rechtlichen Gesichtspunkten auf Grund von Mitteilungen des Verfassungsschutzamtes untersucht haben. Wir sind leider nicht zu den praktischen Lösungen gekommen, die wir sehr gern getroffen hätten.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Felder.
Herr Minister, Sie sind also nach dem, was Sie soeben gesagt haben, der Meinung, daß es sich hier wirklich um einen groben Unfug handelt, der unser Ansehen auch bei unseren westlichen Partnern zu schädigen in der Lage ist?
Ja, ich bin der Meinung. Das Bundesinnenministerium betreut mit noch anderen Einrichtungen auch das Institut für Zeitgeschichte. Dieses Institut hat sich in einer Gegendarstellung, die eine sehr weite Verbreitung gefunden hat, zur Widerlegung dieser Thesen in einer sehr eindrucksvollen Schrift entschlossen. Ich werde Veranlassung nehmen, dieser Gegenschrift eine weite Verbreitung über die Bundeszentrale für politische Bildung zu sichern.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Felder.
Herr Minister, würden Sie es nicht für zweckmäßig halten — ich komme damit auf eine Frage zurück, die ich schon 1962 gestellt habe, die aber damals keine ausreichende Beantwortung gefunden hat —, daß in Zusammenhang mit diesen Vorgängen die Kultusminister der Länder ersucht werden, darauf hinzuweisen, daß das Buch von Hoggan keine Verwertung im Geschichtsunterricht in unseren höheren Lehranstalten findet? Das Buch ist nämlich, worauf ich ausdrücklich aufmerksam mache, im Verlag der Deutschen Hochschullehrerzeitung verlegt worden.
Nun, für den Verlag bin ich nicht haftbar. Ich nehme aber an, daß die Länder von sich aus — ohne einen derartigen Hinweis — schon wissen, was sie zu tun haben. Im übrigen gibt es eine vorbildliche Zusammenarbeit mit der Bundeszentrale für politische Bildung, die in diesem Fall wirksam sein wird. Es macht sich immer schlecht, wenn man jemanden auf etwas aufmerksam machen will oder soll, was er von sich aus zu begreifen durchaus in der Lage ist.
Zu einer Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Sänger.
Herr Abgeordneter Felder, Sie haben an sich noch zwei Zusatzfragen.
Bitte, Herr Abgeordneter Sänger.
Herr Bundesminister, es ist Ihnen doch sicher bekannt, daß dieses Buch von Hoggan in keinem amerikanischen Verlag, sondern einzig in
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Sängereinem deutschen erscheinen konnte und daß es nicht das einzige Buch ähnlicher Tendenz ist, das auf diese Weise eben nur bei uns erscheint, nicht im Ausland? Was kann getan werden, um die doch sehr schädlichen Folgen für unsere politische Aufgabe und Arbeit und für unser Ansehen in der Welt zu verhindern?
Ja, mir ist der Vorgang bekannt. Mir ist auch bekannt, daß das Buch hier und nicht im Heimatland des Autors verlegt worden ist. Ich habe Ihnen ja schon gesagt, daß das Institut für Zeitgeschichte, das vom Bundesinnenministerium betreut wird, eine sehr fundierte Gegenschrift veranlaßt hat, die der Öffentlichkeit schon in einem sehr weiten Ausmaße zugänglich gemacht worden ist. Ich werde über die Bundeszentrale für politische Bildung noch Weiteres tun, um dem schädlichen Einfluß zu begegnen.
Herr Abgeordneter Felder, eine Zusatzfrage zu den beiden Fragen.
Herr Minister, ist Ihnen auch bekannt, daß die Ehrung vom Rhein-Ruhr-Club vorgenommen wird, und sind Sie nicht auch der Meinung, daß es sehr bedenklich erscheint, daß eine solche Vereinigung auf diese Weise politische Geschichtsklitterung begünstigt?
Herr Kollege, ich würde Ihnen empfehlen, diese Meinung, die ich teile, dem Rhein-Ruhr-Club mitzuteilen.
Noch eine Zusatzfrage dazu, Herr Abgeordneter Metzger.
Herr Minister, hat die Bundesregierung nicht die Möglichkeit, durch ihre Kanäle dem Rhein-Ruhr-Club auch ihre Meinung kundzutun? Muß man das einem einzigen Abgeordneten überlassen?
Herr Kollege Metzger, wenn Sie genau Obacht gegeben hätten, hätten Sie gehört, daß ich diese Meinung teile. Sie dürfte zweifellos veröffentlicht werden. Das ist ein sehr passender Weg für eine solche Mitteilung.
Durch Zufall weiß ich, daß bei dieser Veranstaltung im „Rhein-RuhrClub" ein Korreferent, der Herr Dr. Jacobsen, auftreten wird, der sicher Herrn Hoggan das Leben nicht leicht machen wird.
Ich rufe dann die Frage V/9 — des Abgeordneten Kaffka — auf:
Ist es richtig, daß der Vertreter der Bundesregierung vor dem Bundesverfassungsgericht die Wiedergutmachung als Ausdruck der Fürsorge und nicht als eine Rechtspflicht definiert hat?
Die Bundesregierung hat in ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 25. Juli 1962 gegenüber dem Bundesverfassungsgericht in der Verfassungsbeschwerdesache der Frau Maria Frost Wiedergutmachungsansprüche als Ansprüche bezeichnet, die der Staat seinen Bürgern in Erfüllung seiner Fürsorgepflicht einräumt und die deshalb nicht unter die Eigentumsgarantie des Art. 14 des Grundgesetzes fallen. Es ist aber mit einer solchen Erklärung keineswegs angezweifelt, daß es sich bei den Wiedergutmachungsansprüchen um echte Rechtsansprüche handelt, sondern es ist nur — im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung — zu der Frage der Anwendbarkeit des Art. 14 des Grundgesetzes Stellung genommen worden.
Es handelt sich bei der Formulierung „Ansprüche in Erfüllung einer Fürsorgepflicht" keineswegs — ich glaube, das ist eine Verwechslung Ihrerseits — um eine Bezeichnung, nach der hier Fürsorgeansprüche begründet sein sollen. Fürsorgepflicht und Fürsorgeansprüche sind vielmehr zwei verschiedene Dinge im Rechtssinne; es sind termini technici, die ich Sie bitte auseinanderzuhalten.
Die Bundesregierung hat — zusammen mit dem ganzen Haus — die Rechtsauffassung in dieser Frage nicht nur eindeutig dargelegt, sondern auch in der Praxis in einer von der ganzen Welt, vor allem auch von den Betroffenen anerkannten Weise erfüllt.
Herr Abgeordneter Kaffka, eine Zusatzfrage.
Herr Minister — darf ich noch einmal ganz präzise fragen —, betrachtet die Bundesregierung mit der Bezeichnung „Fürsorgepflicht" den Anspruch auf Wiedergutmachung als einen echten Rechtsanspruch oder als einen Gegenstand der sogenannten darreichenden Verwaltung?
Als einen echten Rechtsanspruch.
Keine weiteren Fragen. — Ich danke Ihnen, Herr Minister.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz, und 'zwar zunächst zur Frage VI/1 —'des Abgeordneten Dr. Kohut —:
Welchen Anteil von seinem Arbeitsverdienst erhält der im Arbeitseinsatz befindliche Strafgefangene ausbezahlt?
Bitte, Herr Minister!
Einen Arbeitsverdienst wie ein freier Arbeiter erhält der Strafgefangene nicht. Wir gehen ja davon aus, daß der Strafgefangene die Kosten seiner Unterbringung in der Strafanstalt bezahlen muß. Infolgedessen fließt der Ertrag seiner Arbeit in die Staatskasse.Wenn der Strafgefangene die ihm zugewiesene Arbeit verrichtet oder wenn er ohne Verschulden nicht arbeiten kann, so hat dies zur Folge, daß Kosten der Vollstreckung dann nicht erhoben werden. Man könnte also in diesem beschränkten Umfang sagen: Der Arbeitsverdienst wird gegen die Kosten der Vollstreckung aufgerechnet.Darüber hinaus aber erhält der Gefangene eine Arbeitsbelohnung, wenn er leistet, was von ihm
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Bundesminister Dr. Buchergefordert wird, und er kann, wenn seine Arbeit besondere Anerkennung verdient, eine Leistungsbelohnung erhalten. Beides ist verhältnismäßig gering. Die Arbeitsbelohnung schwankt — nach den Ländern unterschiedlich — zwischen einer halben und einer Mark am Tag, die Leistungsbelohnung beträgt monatlich höchstens 20 DM.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Kohut.
Würde ein Strafgefangener, wenn er auf einem Bau arbeitet, dort nach dem Tariflohn entlohnt, der dafür festgesetzt ist?
Nein, es gilt für ihn die Regelung, die ich geschildert habe.
Die Staatskasse erhält doch wohl den Tariflohn, und der Gefangene erhält nichts ausbezahlt?!
Den vollen Tariflohn erhält die Staatskasse wohl auch nicht.
Ist es dann so, Herr Minister, daß der Strafgefangene im Arbeitseinsatz die üblichen Löhne unterbietet?
Das kann man nicht sagen, weil tatsächlich der Strafgefangene im Arbeitseinsatz selbstverständlich nicht dieselbe Arbeit leistet wie ein freier Arbeiter; das ist eine alte Erfahrung.
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Dr. Diemer-Nicolaus.
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß die Frage, ob die Arbeitsverdienste im Strafvollzug gegebenenfalls geändert werden sollen, damit auch zivilrechtliche Ansprüche befriedigt werden können, zur Zeit beraten wird, und zwar im Zusammenhang mit der Reform der Strafvollzugsbestimmungen und mit der Reform des Strafrechts?
Auf diesen Punkt wollte ich im Zusammenhang mit der zweiten Frage des Herrn Kollegen Kohut eingehen.
Ich rufe auf die Frage VI/2 — des Abgeordneten Dr. Kohut —:
Warum wird es einem Strafgefangenen nicht ermöglicht, durch seinen Arbeitsverdienst während der Haft zivilrechtliche Verpflichtungen, vor allem Unterhaltsverpflichtungen, Schadenersatzverpflichtungen, die sich aus seiner Straftat ergeben, zu erfüllen?
Bitte, Herr Minister.
Der Gefangene kann die Hälfte der Arbeitsbelohnung, von der ich vorhin gesprochen habe, und die Leistungsbelohnung zur Unterstützung seiner Angehörigen und zum Ersatz des durch die Tat verursachten Schadens verwenden.
Die Entwicklung auf diesem Gebiet — und nun komme ich auf das zurück, was Frau Kollegin Diemer-Nicolaus soeben gesagt hat — geht dahin, die Arbeit der Gefangenen der freien Arbeit anzugleichen, soweit das irgend möglich ist. Diese Entwicklung ist aber, abgesehen vom Jugendstrafvollzug, noch nicht weit fortgeschritten, daß es ,dem Gefangenen jetzt schon ermöglicht werden könnte, in größerem Umfang als bisher die erwähnten Leistungen aus dem Arbeitsverdienst während des Freiheitsentzugs zu erbringen. Die damit zusammenhängenden Probleme werden bei der Vorbereitung eines Vollzugsgesetzes im Rahmen der Großen Strafrechtsreform geprüft.
Eine Zusatzfrage, der Frau Abgeordneten Dr. Kiep-Altenloh.
Herr Bundesminister, halten Sie es für richtig, daß in den Strafvollzugsanstalten, wo ja außer diesen Handwerkern, die verschiedenartig praktisch beschäftigt werden können, auch ein großer Teil Inhaftierter ,sind, die aus Schreibberufen und ähnlichen Berufen kommen, diese handwerklich Beschäftigten so sehr viel höher als die anderen entlohnt werden dürfen, wenn die Änderung, auf die die Anfrage von Herrn Dr. Kohut abgezielt, Wirklichkeit würde?
Ich habe schon zum Ausdruck ,gebracht, daß die Frage der Gefangenenarbeit und ihre Entlohnung immer sehr problematisch ist. Wenn man das zusammen sieht mit dem zweifellos vorhandenen Bedürfnis, daß der Gefangene den angerichteten Schaden wiedergutmachen soll, dann muß man, glaube ich, das Schwergewicht nicht so sehr auf die Gefangenenarbeit legen und darauf, daß der Gefangene die Entlohnung abführen und verwenden kann, sondern man muß das Schwergewicht auf die Maßnahmen legen, die man z. B. bei einem Urteil zur Bewährung ergreifen kann, indem man dem Verurteilten Auflagen macht, oder auch bei bedingter vorzeitiger Entlassung. Auch hier können Auflagen gemacht werden, und diese Auflagen können z. B. darin bestehen, daß er den angerichteten Schaden wiedergutmacht.
Herr Abgeordneter Rutschke zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, wird künftig auch berücksichtigt, daß die Einrichtung von Strafanstalten oft mehr kostet als die Einrichtung eines Krankenhauses? Wird das auch berücksichtigt werden bei der Entlohnung der Strafgefangenen, und zwar soweit sie für die Kosten der Unterbringung in der Strafanstalt in Anspruch genommen werden?
Das wird sicher berücksichtigt. Aber gerade Ihr Hinweis auf die Kosten der Strafanstalten zeigt ja auch, wie schwierig es ist. Wenn wir etwa den Versuch ma-
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Bundesminister Dr. Bucherchen, den Strafgefangenen ihren ganzen Arbeitsverdienst zur freien Verfügung zu belassen, müssen wir das ganze System umstellen und müssen bereit sein, sehr erhebliche Mittel für die Strafanstalten zusätzlich aufzubringen.
Frau Abgeordnete Dr. Kiep-Altenloh zu einer Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, halten Sie das bisherige System für richtig, bei dem sich die Entlohnung nach dem Verhalten des Gefangenen, nach dem Grad der Resozialisierung, richtet, und halten Sie den von mir erwähnten Gesichtspunkt nicht auch für wichtig genug, ihn bei dem System der Vergünstigungen zu berücksichtigen?
Sicher. Dieses System wird immer im Kern bestehenbleiben.
Zu einer Zusatzfrage Frau Dr. Diemer-Nicolaus!
Herr Minister, ist es nicht richtig, daß im Augenblick sämtliche zivilrechtlichen Ansprüche, z. B. Schadenersatzansprüche aus Betrug usw., aus Diebstahl, zu kurz kommen, wenn leben der Gefangene seine Freiheitsstrafe abbüßen muß? Müssen nicht außerdem vielflach auch Unterhaltsleistungen durch die öffentliche Behörde erbracht werden — weil eine zufriedenstellende Regelung nicht vorhanden ist —, und sollte man nicht doch sehr auf das sehen, was im Ausland getan worden ist, um den Geschädigten zu einer schnelleren Befriedigung ihrer Ansprüche zu verhelfen?
Sicher, Frau Kollegin, aber ich glaube, es ist immer so: Wenn man an einer Stelle etwas tut, reißt man an einer anderen Stelle das Loch auf. Wenn ich dem Strafgefangenen ermögliche, seinen Arbeitsverdienst zu verwenden, muß der Staat, wie ich schon vorhin sagte, die gesamten Vollstreckungskosten selbst tragen. Andererseits muß daran gedacht werden, daß der Gefangene, wenn er entlassen wind, eine gewisse Rücklage haben soll, damit er nicht sofort wieder straffällig wird. Es kommt eben immer wieder 'auf die Frage hinaus: Sind wir bereit, erhöhte Mittel für den Strafvollzug aufzubringen?
Eine weitere Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Dr. Diemer-Nicolaus.
Aber ist es nicht an und für sich eine Benachteiligung, daß ausgerechnet der schon Geschädigte mit den ihm entstehenden Kosten heutigentags gegenüber den Kosten der öffentlichen Hand zu kurz kommt, und sollte man nicht versuchen, zu einer Kompromißlösung zu kommen, die beiden Teilen Rechnung trägt?
Sicherlich, ich bin ja nicht der Ansicht, daß der Gedanke, auch dem Geschädigten zu seinem Recht zu verhelfen, völlig abgelehnt werden soll.
Herr Abgeordneter Ritzel zu einer Zusatzfrage!
Herr Minister, würden Sie diese ablehnende Haltung auch beibehalten, wenn es sich um die Einfüllung von Alimentationsverpflichtungen in bezug auf ein uneheliche Kind eines Strafgefangenen handelt?
Zunächst, Herr Kollege Ritzel, nehme ich ja keine ablehnende Haltung ein. Ich warne nur vor zu großem Optimismus in der Richtung, daß man allzuviel dafür tun könnte, daß der Gefangene während seiner Gefangenenzeit sich um die Wiedergutmachung des Schadens bemüht, und ich nenne in dem 'Zusammenhang sowohl Wiedergutmachung des Schadens als auch — vielleicht habe ich vorhin versäumt, das zu sagen; ich möchte es jetzt ausdrücklich nachholen — Unterhaltsverpflichtungen.
Eine weitere Frage des Herrn Abgeordneten Ritzel!
Darf ich das so verstehen, daß ein Teil des Arbeitsertrags des Strafgefangenen im Falle einer Alimentationsverpflichtung doch dafür Verwendung finden kann?
Durchaus.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Müller-Emmert!
Herr Minister, wäre es nicht wünschenswert, daß die heute aufgeworfenen Fragen nicht der Strafrechtsreform überlassen bleiben, die ja sicher noch lange Zeit erfordern wird, sondern daß schon jetzt von Ihrer Seite aus entsprechende Schritte unternommen werden, um diese Probleme befriedigend zu lösen?
Herr Kollege, ich bin immer der Ansicht, daß die Krönung der Strafrechtsreform die Strafvollzugsreform sein muß. Aber sie muß logischerweise am Ende stehen. Zumindest kann sie erst kommen, wenn wir wissen, welche Strafarten das neue Strafrecht bringen wird. Denn sonst müssen wir vielleicht die großen Kosten für eine Reform des Strafvollzugs zweimal aufwenden.
Ich rufe auf die Frage VI/3 — des Herrn Abgeordneten Dr. Kohut—:Wie beurteilt die Bundesregierung die im „Bayern-Kurier" vom 11. April 1964, S. 1, nachgedruckte, den Richterstand in der Bundesrepublik herabsetzende Äußerung der Wochenzeitung „Volksbote" über „Augsteins Leibrichter"?Bitte, Herr Minister.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. April 1964 6071
Ich habe mir auf die Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Kohut die genannte Zeitung beschafft. Es heißt dort, man dürfe gewisse Dinge nicht sagen, weil „Augsteins Leibrichter" demjenigen, der sie sage, dann sicher „einstweilige Verfügungen mit Riesenstreitwerten an den Hals hängen würden".
Ich muß diese Äußerung tatsächlich so auslegen, daß hier behauptet wird, es gebe in der Bundesrepublik Richter, die irgend jemandem zuliebe oder zuleide bereit seien, dem Betreffenden ohne Rücksicht auf das Gesetz einstweilige Verfügungen an den Hals zu hängen.
Die Bundesregierung stellt dazu fest, daß es solche Richter in der Bundesrepublik nicht gibt. Sie stellt sich gegenüber solchen Äußerungen vor die deutsche Richterschaft.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Kohut!
Ist Ihnen bekannt, Herr Minister, daß der auch politisch tätige Herausgeber des „Bayern-Kuriers" auf einer Kreisversammlung in Bad Tölz, als er auf die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen seine eigene Person angesprochen wurde, von einem—jetzt zitiere ich wörtlich —„Amtsverbrechen der Verfolgung Unschuldiger" gesprochen hat, „dessen sich die Bonner Staatsanwaltschaft schuldig gemacht habe und das sie nur ratenweise einsehe".
Herr Dr. Kohut, diese Frage hat natürlich keinen Bezug zu Ihrer Hauptfrage; sie ist keine Zusatzfrage im eigentlichen Sinne.
Sie bezieht sich auf den Herausgeber des Blattes, aus dem der Herr Minister soeben zitiert hat.
Aber sie hat doch keinen Bezug zu dem in der Hauptfrage angeschnittenen Vorfall.
Darf ich eine andere Zusatzfrage stellen?
Bitte.
Ist Ihnen bekannt, ob die Wochenzeitung „Volksbote" Unterstützung aus irgendwelchen öffentlichen Töpfchen erhält?
Ich kann natürlich nicht auf Anhieb sagen, ob der „Volksbote" solche öffentlichen Mittel erhält, aber ich bin gern bereit, die Frage zu prüfen.
Ich rufe auf die Fragen VI/4 und VI/5 — des Herrn Abgeordneten Rollmann —:
Wie viele deutsche Kriegsgefangene und volksdeutsche Zivilisten sind nach der Kapitulation Deutschlands In Jugoslawien ermordet worden?
Ist es wahr, daß auch der mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnete ehemalige jugoslawische Botschafter in der Bundesrepublik, Dusan Kveder, an in Frage VI/4 bezeichneten Verbrechen maßgeblich beteiligt gewesen ist?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Frage VI'6 — des Herrn Abgeordneten Drachsler —.
Was hat die Bundesregierung bisher unternommen, um die Verbüßung von Verkehrsstrafen getrennt von anderen Häftlingen, vor allem von Kriminellen, zu ermöglichen?
Bitte, Herr Minister.
In dem Entwurf eines Strafgesetzbuches, der gegenwärtig im Deutschen Bundestag behandelt wird, ist für Taten geringeren Unrechtsgehalts eine neue Strafart, die Strafhaft, bis zur Höchstdauer von 6 Monaten vorgesehen. Diese Strafhaft kommt vor allem in Frage für Delikte mit geringerem Unrechtsgehalt, bei denen nicht gewissenlos gehandelt wurde, vor allem also für den Bereich der Fahrlässigkeitsdelikte und hier insbesondere für die leichteren Verkehrsstraftaten. Im Rahmen der Großen Strafrechtsreform werden dann besondere Anstalten für diese Strafhaft eingerichtet werden müssen.
Schon jetzt sind die Länder besonders der Frage der Trennung von Verkehrstätern und eigentlichen Kriminellen nähergetreten. Soweit mir bekannt ist, haben Niedersachsen und Baden-Württemberg solche Anstalten bereits eingerichtet, die ausschließlich dem Vollzug an Fahrlässigkeitstätern vorbehalten sind. Das Land Niedersachsen plant die Errichtung einer größeren Anstalt für diese Zwecke in-Lingen. Das Land Baden-Württemberg beabsichtigt, die ehemaligen Gerichtsgefängnisse in Schopfheim und Sinsheim hierfür einzurichten. In Nordrhein-Westfalen sind ebenfalls solche Bemühungen bereits im Gange.
Frage VI/7 — des Herrn Abgeordneten Felder —:
Teilt der Herr Bundesjustizminister die auf einer Tagung von in- und ausländischen Sachverständigen in Wiesbaden von Regierungskriminaldirektor Niggemeyer vom Bundeskriminalamt getroffene Feststellung, unsere Strafvollzugsbehörden seien nicht in der Lage, die Aufgabe einer Resozialisierung von Straffälligen zu erfüllen, und so werde den aus der Haft Entlassenen oft schon von vornherein der Start in ein neues Leben unmöglich gemacht?
Bitte, Herr Minister.
Nach meinen Feststellungen hat Herr Dr. Niggemeyer wörtlich folgendes ausgeführt:In Kreisen der Strafvollzugspraktiker, aber auch in der übrigen Fachwelt ist man der fast einhelligen Meinung, daß der heutige Strafvollzug in der Bundesrepublik nicht in der Lage ist, die ihm zugedachte Resozialisierungsaufgabe zu erfüllen. Das liegt einmal an der Überfüllung der Strafanstalten, zum anderen aber auch daran, daß in der Mehrzahl der Fälle eine
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Bundesminister Dr. Buchersystematische individuelle Behandlung der Strafgefangenen aus Mangel an Differenzierungsmöglichkeiten, an Zeit oder an geeignetem Material nicht durchzuführen ist.Er hat sich dabei berufen auf eine Entschließung der Arbeitsgemeinschaft für Reform des Strafvollzugs vom Februar 1959. Die Bezugnahme auf diese Entschließung läßt deutlich erkennen, daß der Vortragende auf die Reformbedürftigkeit — deshalb habe ich das Wort „heutige" betont — des Strafvollzugs aufmerksam machen, jedoch nicht die Möglichkeit der Resozialisierung in unserem Strafvollzug überhaupt in Frage stellen wollte. Er hat sicher dabei auch das Problem im Auge gehabt, das der Herrr Kollege Drachsler mit seiner vorigen Frage aufgeworfen hat.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Felder.
Ist es richtig, Herr Minister, daß heute noch Zuchthäusler und Gefängnisinsassen zusammen mit Jugendlichen im gleichen Gebäudekomplex untergebracht sind?
Das halte ich für durchaus möglich.
Eine weitere Zusatzfrage.
Ist es ferner richtig, Herr Minister, daß in Haftanstalten für Frauen häufig Prostituierte, die eine kurze Freiheitsstrafe verbüßen, mit bisher sittlich nicht gefährdeten Jugendlichen zusammen untergebracht werden; und was kann geschehen, um vor Änderung des Strafvollzugs hier wenigstens eine vorsorgende Maßnahme zu treffen?
Ob der Zustand, den Sie eben geschildert haben, besteht, kann ich nicht sagen; ich habe es noch nicht gehört. Wenn es so wäre, wäre es sicher zutiefst zu bedauern.
Was kann geschehen? Es kann nur geschehen, daß die Strafvollzugsanstalten der Länder mehr Geldmittel erhalten, um die notwendigen Differenzierungen vorzunehmen. Es liegt ja meistens daran, daß die Gefängnisse zu klein sind und nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen, so daß die Trennung der verschiedenen Gefangenenkategorien dann nicht möglich ist.
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Kiep-Altenloh.
Sehen Sie, Herr Bundesminister, nicht auch die Hauptschwierigkeit darin, daß die Gefangenen nach der Entlassung nicht in eine geeignete Umgebung gebracht werden können bzw. in ein Wohnheim, wo sie vor der Gefährdung durch den Umgang in ihrem früheren Personenkreis geschützt sind?
Es könnte sicher auf dem Gebiet der Gefangenenbetreuung nach der Entlassung noch vieles getan werden. Es fehlt auch der einzelnen Strafanstalt eine Kontrolle und ein Überblick darüber, was aus dem Gefangenen, den sie entläßt, nachher wird. Ich gebe Ihnen also recht, daß hier noch einiges getan werden könnte.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Folger!
Herr Bundesminister, halben Sie den Strafvollzug in seiner jetzigen Form, insbesondere in Jugendgefängnissen, nicht für dringend reformbedürftig in Richtung auf moderne psychologische Erkenntnisse und Erfahrungen?
Daß ich dieser Ansicht bin, ist, glaube ich, aus den Antworten auf die Fragen des Herrn Abgeordneten Kohut und des Herrn Kollegen Felder zum Ausdruck gekommen.
Eine weitere Frage des Herrn Abgeordneten Folger!
Herr Bundesminister, glauben Sie nicht auch, daß das polizeiliche Führungszeugnis in seiner jetzigen Art den einmal Gestrauchelten beim Start in ein neues Leben sehr hinderlich ist?
Dies ist in dem Zusammenhang eine sehr weitgehende Frage. Ich glaube, ich kann sie so allgemein jetzt nicht beantworten.
Ich rufe auf die Frage VI/8 — des Herrn Abgeordneten Dröscher —:
Wie weit sind die Bemühungen gediehen, notleidenden Opfern von Verkehrsunfällen, bei denen die Täter Fahrerflucht begingen und unerkannt blieben, eine Versorgung zu gewähren?
Wenn bei einem Verkehrsunfall der verantwortliche Kraftfahrer Fahrerflucht begangen hat oder das Unfallfahrzeug sonst nicht ermittelt werden kann, so hat das Opfer dieses Unfalls bereits seit Mai 1963 die Möglichkeit, einen Entschädigungsanspruch geltend zu machen, und zwar bei einer besonderen Einrichtung, die von den deutschen Kraftfahrzeugversicherern freiwillig errichtet worden ist. Dieser Anspruch ist nicht von der Bedürftigkeit des Geschädigten abhängig, wird aber bei Sachschäden nur in besonderen Fällen gewährt. Er ist bei dem rechtsfähigen Verein Verkehrsopferhilfe in Hamburg anzumelden.Außerdem hat die Bundesregierung im Februar dieses Jahres, also vor kurzem, den gesetzgebenden Körperschaften den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften über die Pflichtversicherung von Kraftfahrzeugen zugeleitet — BundesratsDrucksache 81 —, durch das der Entschädigungsanspruch der Verkehrsopfer gesetzlich festgelegt werden soll, so daß sie sich dann nicht mehr an diese freiwillige Stelle zu wenden brauchen.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. April 1964 6073
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dröscher!
Ist Ihnen bekannt, Herr Bundesminister, daß die von dieser zentralen Stelle bisher freiwillig geleisteten Beträge z. B. für Personen, die ihr Leben Lang total erwerbsunfähig ,sein werden, außerordentlich gering sind?
Ja, eben deshalb ist dieser Gesetzentwurf von uns vorgelegt worden, um dem abzuhelfen.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dröscher!
Glauben Sie, Herr Bundesminister, daß es möglich sein wird, nach Inkrafttreten dieser neuen gesetzlichen Vorschriften auch ältere Fälle mit hineinzunehmen?
Ich weiß im Augenblick nicht, ob das Gesetz das vorsieht. Ich möchte es auf Anhieb eigentlich nicht glauben. Es muß ja vom Gesetz irgendeine Grenze gezogen werden, ab wann es in Kraft tritt. Ich kann mir nicht 'vorstellen, daß es eine Rückwirkung enthält, kann es .aber im Augenblick nicht mit Bestimmtheit sagen.
Ich danke Ihnen, Herr Minister.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen.
Die Frage VII/1 — des Herrn Abgeordneten Dr. Dr. h. c. Friedensburg —
Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, um — etwa durch eine Steuerveranlagung über einen längeren Zeitraum — den deutschen NE-Metall-Erzbergbau vor den unheilvollen Folgen des unberechenbaren Wechselspiels der Börsenpreise für Metalle zu bewahren?
wird schriftlich beantwortet.
Ich rufe auf die Fragen VII/2 und VII/3 — des Herrn Abgeordneten Werner —:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß Interessenten Vorteile aus dem Entwicklungshilfe-Steuergesetz nicht wahrnehmen können, weil mit einer großen Anzahl von Ländern, auf die dieses Gesetz zutrifft, kein Doppelbesteuerungsabkommen besteht?
Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung einzuleiten, um den Abschluß von Doppelbesteuerungsabkommen zu beschleunigen?
Da .der Abgeordnete Werner nicht im Saal ist und da seine Fragen auch nicht übernommen werden, werden sie schriftlich beantwortet.
Ich rufe .auf die Frage VII/4 — des Herrn Abgeordneten Ritzel —:
In welchem Ausmaß hat der Herr Bundesfinanzminister im Monat Dezember 1963 und während des ganzen Rechnungsjahres 1963 über- und außerplanmäßigen Ausgaben der einzelnen Ressorts der Bundesregierung zugestimmt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Bundesminister der Finanzen hat im Monat Dezember 1963 über- und außerplanmäßigen Haushaltsausgaben in Höhe von 316 957 140 DM und im Rechnungsjahr 1963 insgesamt in Höhe von 2 177 083 067 DM zugestimmt.
Herr Abgeordneter Ritzel zu einer Zusatzfrage!
Die Höhe der Gesamtsumme der über- und außerplanmäßigen Ausgaben im Rechnungsjahr 1963 veranlaßt mich zu der Frage, Herr Staats's'ekretär: Welche Möglichkeiten sehen Sie, derartige Ausgaben, soweit sie einigermaßen voraussehbar sind, so rechtzeitig festzustellen, daß sie in den Etat aufgenommen werden können?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, bei den über- und außerplanmäßigen Ausgaben ist es gesetzliche Voraussetzung, daß sie nicht von vornherein übersehbar waren, sondern unvorhergesehen und unabweisbar sind. Da es sich bei all diesen Umschichtungen, die ich Ihnen in Zahlen genannt habe, um solche über- und außerplanmäßigen Ausgaben gehandelt hat, die nicht voraussehbar und auch unabweisbar waren, sehe ich in dieser Richtung keine Möglichkeiten. Ich darf erwähnen, daß sich das Volumen der über- und außerplanmäßigen Ausgaben wohl doch noch in einem erträglichen Ausmaß hält. Wenn Sie die absoluten Zahlen nehmen, so mögen sie recht hoch erscheinen. Setzen Sie sie in eine Relation zu dem Gesamtvolumen des Haushalts, dann ergibt sich eine Verhältniszahl von 3,8 v. H.
Herr Abgeordneter Ritzel, eine weitere Frage!
Abgesehen davon, Herr Staatstsekretär, daß man über die Größenordnung verschiedener Meinung sein kann — es sind immerhin mehr als 2 Milliarden DM, die außer- und überplanmäßig nachträglich bewilligt wurden —, stellt sich doch die Frage, für deren Beantwortung ich dankbar wäre: Würden Sie in der Zukunft in den Fällen einen schärferen Maßstab anlegen und die Behandlung als außer- und überplanmäßige Ausgabe vom Standpunkt des Bundesfinanzministeriums aus verweigern, wenn schlüssig nachgewiesen werden kann — das gilt sogar für das Finanzministerium und seine einzelnen Abteilungen selbst —, daß die Notwendigkeit für diese Ausgabe bekannt war, bevor der Etat den Bundestag passiert hat?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, wenn die von Ihnen geschilderten Tatbestände vorliegen, ist es 'selbstverständlich, daß die Zustimmung nicht erteilt werden kann; denn dann sind die 'gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben. Ich bin aber gern bereit, in dieser Richtung tätig zu werden, nämlich die Voraussetzungen noch schärfer 'zu prüfen. Ich darf andererseits darauf hinweisen, daß die Umschichtungen, die ich Ihnen vorhin genannt habe, mit Zustimmung des Haushaltsausschusses erfolgt sind.
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6074 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. April 1964
Dann die Frage VII/5 — des Herrn Abgeordneten Dr. Rutschke —:
Liegen die in der Fragestunde des Deutschen Bundestages vom 23. Januar 1964 für Ende Februar 1964 angekündigten Richtlinien für die Bewertung von Steinbrüchen im Rahmen der Lastenausgleichsgesetzgebung nunmehr vor?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Entwurf einer Siebzehnten Verordnung zur Durchführung des Feststellungsgesetzes, der Vorschriften über die Ersatzeinheitsbewertung für das Apothekenbetriebsrecht, das Recht zur Ausübung der Fischerei auf Haffgewässern sowie für die Mineralgewinnungsrechte zur Gewinnung von Gold im Tagebau und — was Sie interessiert, Herr Abgeordneter — zur Gewinnung von Gestein aus Steinbrüchen enthält, wird am 6. Mai 1964 von den zuständigen Bundesratsausschüssen und am 15. Mai 1964 vom Bundesrat beraten und voraussichtlich auch verabschiedet werden. Mit der Verkündung der Verordnung wird für Ende Mai, Anfang Juni 1964 gerechnet werden können.
Der Verordnungsentwurf ist, wie in der Fragestunde vom 23. Januar 1964 von Herrn Minister Dr. Dahlgrün angekündigt, Ende Februar 1964 dem Kabinett zur Beschlußfassung zugeleitet worden. Er sollte ursprünglich am 12. März 1964 verabschiedet werden, ist aber erst am 9. April 1964 von der Bundesregierung tatsächlich beschlossen worden. Diese Verzögerung von vier Wochen ist darauf zurückzuführen, daß einige im Bereich der Fischereiberechtigungen vorgesehene Bewertungssätze, gegen die nachträglich Bedenken erhoben worden waren, überprüft und ergänzt werden mußten.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Rutschke!
Herr Staatssekretär, wenn ich Sie recht verstanden habe, wird also Ende Mai dieses Jahres die Verordnung nunmehr verkündet und damit auch den Ausgleichsämtern die Möglichkeit gegeben werden, die entsprechenden Berechnungen vorzunehmen und dann abschließend die Feststellungen zu treffen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
So ist es, vorausgesetzt, daß der Bundesrat unserem Entwurf zustimmt, was ich hoffe.
Frage VII/6 — des Herrn Abgeordneten Dr. Imle —:
Ist die Bundesregierung bereit, die erbschaftsteuerliche Behandlung von privaten Alters- und Hinterbliebenenversicherungen mit dem Ziel zu überprüfen, daß die Diskriminierung dieser selbstverantwortlichen Vorsorge gegenüber den Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und den Versorgungsbezügen der Beamten beseitigt wird?
Ist der Herr Abgeordnete Dr. Imle im Saal? — Die Frage wird von Frau Dr. Diemer-Nicolaus übernommen:
Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Ungleichmäßigkeit, die sich bei der
Erhebung der Erbschaftsteuer für Hinterbliebenenbezüge auf Grund privater Rentenversicherungen und betrieblicher Pensionszusagen gegenüber den Hinterbliebenenbezügen aus der Sozialversicherung und auf Grund eines Beamtenverhältnisses ergibt, hat schon im Jahre 1959 den Deutschen Bundestag beschäftigt. Der Bundesfinanzminister hat damals dem Deutschen Bundestag Formulierungsvorschläge für eine Gesetzesregelung übermittelt, mit der diese Ungleichmäßigkeit weitgehend beseitigt worden wäre. Wegen der Einzelheiten der Formulierungshilfe darf ich auf die Bundestagsdrucksachen III/598, II/795 und III/2018 verweisen.
Da der Bundestag die Angelegenheit damals nicht weiter verfolgt hat, haben die Finanzminister der Länder im Jahre 1961 von sich aus eine Billigkeitsregelung getroffen, wonach vom Jahreswert der betrieblichen Versorgungsbezüge für die Witwe ein Betrag von 5000 DM und für Waisen, die sich noch in der Berufsausbildung befinden, ein Betrag von je 1500 DM freigelassen und nur der darüber hinausgehende kapitalisierte Betrag zur Erbschaftsteuer herangezogen wird. Bei dem hohen Freibetrag, der bei der Erbschaftsteuer in der Regel dem überlebenden Ehegatten gewährt wird, nämlich in Höhe von 250 000 DM, wenn Kinder vorhanden sind, dürften sich damit kaum noch Härten ergeben.
Sobald auf Grund des dem Bundestag bereits zur Beratung vorliegenden Gesetzentwurfs über die neue Einheitsbewertung des Grundbesitzes Klarheit besteht, wird der Zeitpunkt für eine generelle Überarbeitung des Erbschaftsteuergesetzes gekommen sein. Bis dahin sollte man es bei der derzeitigen Billigkeitsregelung belassen. Notfalls könnte geprüft werden, ob und inwieweit in doch noch auftretenden Härtefällen über § 131 der Abgabenordnung geholfen werden kann.
Eine Zusatzfrage, Frau Dr. Diemer-Nicolaus.
Ist die Möglichkeit von Härten nicht 'besonders dann gegeben, wenn es sich um Witwen aus kinderlosen Ehen handelt? Dann ist ja der Freibetrag nicht 250 000 DM, sondern wesentlich geringer.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das ist richtig. In den Fällen kann unter Umständen eine Härte trotz der Billigkeitsregelung auftreten. Wir werden einen solchen Fall gerne überprüfen, bzw. die Länderfinanzbehörden müssen das tun, wenn die Härte nicht in anderer Weise beseitigt werden kann.
Ich rufe auf die Frage VII/7 — des Abgeordneten Hammersen —.Ist die Bundesregierung bereit, durch einen klärenden Runderlaß das von den Oberfinanzdirektionen bislang unterschiedlich ausgelegte Urteil des Bundesfinanzhofes vom 13. Mai 1960 — VI 193/59 — dahin gehend zu interpretieren, daß „Landwirte, die Beiträge an Bausparkassen zur Erlangung von Baudarlehen zum Zwecke von Aufwendungen für das zum 'Betrieb gehörige Wohnhaus geleistet haben, grundsätzlich Wohnungsbauprämien erhalten können"?
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. April 1964 6075
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Frage muß ich leider verneinen, Herr Abgeordneter. Das Urteil betrifft einen besonders gelagerten Einzelfall. Es läßt sich deshalb nicht verallgemeinern. Das ist auch aus dem Leitsatz des Urteils, der jedem Urteil vorangestellt wird, klar erkennbar. Darin wird hervorgehoben, daß Landwirte, die Bausparverträge zur Erlangung von Baudarlehen zum Zwecke von Aufwendungen für das zum Wirtschaftsbetrieb gehörige Wohnhaus leisten, nur unter besonderen Umständen Wohnungsbauprämien erhalten können. Eine Anordnung, die dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 13. Mai 1960 entspricht, enthält auch der Abschnitt 92 Abs. 6 der Einkommensteuer-Richtlinien 1963, die erst kürzlich neu gefaßt und veröffentlicht worden sind.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hammersen.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie fragen, ob Ihnen das Urteil des Finanzgerichts München vom 19. Dezember 1962 — veröffentlicht in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1963 auf Seite 388 — bekannt ist, wo es im Kopf heißt:
Ein nichtbuchführender Landwirt, der zur Finanzierung eines überwiegend zu eigenen Wohnzwecken bestimmten Wohnhauses auf landwirtschaftlichem Betriebsgrund Beiträge an Bausparkassen leistet, kann eine Wohnungsbauprämie beanspruchen;
ein Urteil, das im Sinne 'der Berücksichtigung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise eine Auslegung des Einkommensteuer- und des Wohnungsbauprämienrechts für nicht haltbar erklärt, wonach Landwirte von Bausparvergünstigungen abgeschnitten werden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, das von Ihnen bezeichnete Urteil des Münchener Finanzgerichts ist uns bekannt. Es ist aber noch nicht rechtskräftig, weil dagegen Rechtsbeschwerde eingelegt worden ist. Es ist also zunächst die Entscheidung des Bundesfinanzhofs abzuwarten.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Hammersen.
Herr Staatssekretär, würden Sie bereit sein, den Gesamtkomplex an Hand der Rechtsprechung und Literatur, insbesondere an Hand der Ihnen sicherlich bekannten Darstellung im Jahrbuch privates Bausparen 1962, noch einmal zu überprüfen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, die Rechtslage ist wiederholt im Einvernehmen mit den Landesfinanzbehörden überprüft worden. Wenn das Urteil, das ich eben nannte, im Wege der Entscheidung durch den Bundesfinanzhof zu einer anderen Auslegung kommt, als es bisher in den Richtlinien 'und in dem früheren Bundesfinanzhofsurteil geschehen ist, wenn
also der Bundesfinanzhof von seiner früheren Meinung abrückt, dann bin ich gerne bereit, den gesamten Komplex zusammen mit den Landesfinanzbehörden erneut aufzurollen und zu überprüfen.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe auf .die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft. Zunächst die Frage VIII/1 — des Herrn Abgeordneten Dr. MüllerEmmert —:
Ist die Bundesregierung bereit, in der Frage des Ersatzes von Schäden, die durch Zusammenstöße von Wild mit Kraftfahrzeugen entstehen, eine gesetzliche Regelung zu unterstützen, die dahin geht, daß diese Schäden von einem von den Versicherungsgesellschaften zu bildenden Fonds getragen werden?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, darf ich, bevor ich Ihre eigentliche Frage beantworte, eingangs darauf hinweisen, daß jeder Kraftfahrer über die freiwillige Kasko- und Unfallversicherung, also über die Pflichtversicherung hinaus, ohne weiteres die Möglichkeit hat, sich gegen durch Wild verursachte Schäden zu versichern.
Nun zu Ihrer eigentlichen Frage. Die zuständigen Bundesminister haben sich seit längerer Zeit mit der Prüfung der Frage befaßt, ob im Wege der Heranziehung .der Jagdberechtigten, im Wege einer Pflichtversicherung für Eigenschäden oder der Einschaltung der Sozialversicherung eine Entschädigung der durch Wild im Straßenverkehr .geschädigten Per sonen sichergestellt werden kann. Das Ergebnis dieser Untersuchung ist bisher negativ gewesen. Auch die im Bundesgebiet tätigen Versicherungsgesellschaften können nicht zur Aufbringung der Mittel für einen derartigen Fonds, den Sie anregen, herangezogen werden. Soweit die Versicherungsunternehmen Haftpflichtversicherung betreiben, kommen sie schon deshalb nicht in Betracht, weil für diese Schäden nach dem geltenden Recht niemand haftbar gemacht werden kann. Die Versicherungsunternehmen, welche die von den Kraftfahrern selbst erlittenen Personen- und Sachschäden versichern, können zur Bildung eines Hilfsfonds für diese Geschädigten ebenfalls nicht verpflichtet werden.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Müller-Emmert.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht auch der Auffassung, daß diese Geschädigtengruppe zu vergleichen ist mit der Geschädigtengruppe, die in der Regierungsvorlage des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter aufgeführt ist, nämlich daß diejenigen, die einen Unfall hatten, wobei derjenige, der den Unfall verursacht hat, nicht ermittelt werden konnte, und wobei derjenige, der einen Schadenersatz hätte leisten müssen, nicht haftpflichtversichert ist, so gestellt werden, daß sie durch den Entschädigungsfonds für Schäden aus Kraftfahrzeugunfällen ihren Schadenersatz erhalten?
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6076 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. April 1964
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, diese Regelung, die gemeinhin als Fahrerfluchtfonds und Fahrerfluchtregelung bekannt ist, soll Lücken in der Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter schließen. Das Problem ist, daß wir hier eine Pflichtversicherung haben und daß an einen Haftungstatbestand angeknüpft werden kann, während bei den Wildschäden auf Grund der BGB-Regelungen der Schaden, der durch ein herrenloses Gut verursacht wird, überhaupt kein Haftungsverhältnis begründet.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Müller-Emmert.
Herr Staatssekretär, wäre es nicht denkbar, daß man dennoch einen Entschädigungsfonds schafft, wobei Einzahlungen die Versicherungsgesellschaften leisten sollten und auch zu einem geringeren Teil die Jagdberechtigten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, das Problem scheint mir zu sein, daß die Jagdberechtigten selbst ja nicht irgendwie als Verursacher in Frage kommen, daß es also keinerlei Rechtsbeziehung oder Haftungsbeziehung zwischen dem Jagdberechtigten, der, wenn ich es einfach ausdrücken darf, nur an dem Bestand des Wildes interessiert ist, und dem Wild, etwa dem Reh, das auf der Autobahn einen Unfall verursacht, gibt. Herr Abgeordneter, ich nehme aber an, daß im Rahmen der Ausschußberatungen bei der Vorlage des Gesetzes wohl auch diese Frage noch eingehend erörtert werden wird. Aber ich möchte noch einmal auf meinen Eingangssatz zurückkommen. Ich glaube, es ist sehr gut, wenn durch diese Fragestunde noch einmal ganz klargestellt wird, daß im Rahmen der Kaskoversicherung und der Unfallversicherung jeder Kraftfahrer, was nicht überall bekannt ist, die Möglichkeit zur freiwilligen Versicherung hat.
Zu einer Zusatzfrage Frau Dr. Diemer-Nicolaus.
Herr Staatssekretär, Sie haben auf die Möglichkeit einer Kasko- und Unfallversicherung hingewiesen. Ist es nicht wünschenswert, daß klargestellt wird, daß jemand auch einmal selbst einen Schaden tragen muß, den kein anderer verschuldet und verursacht hat?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Abgeordnete, ich würde Ihnen sehr gern beipflichten.
Abgeordneter Ritzel zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, liegt es nicht sehr viel näher, von den Jagdberechtigten zu verlangen, idaß sie — die, wenn lein Wild angefahren wind, schließlich auch Anspruch darauf erheben — sich versichern, statt zu erwarten, daß sich alle Autofahrer für den Fall eines etwaigen Zusammenstoßes mit einem Stück Wild vorher rechtzeitig kaskoversichern?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich bin nicht ganz sicher hinsichtlich der Verantwortlichkeit des Jagdberechtigten. Man müßte sich den Zustand vorstellen, der bestünde, wenn man keine Jagdberechtigten hätte. Könnte man meinen, daß dann die Zahl der Unfälle, idle durch Wild verursacht werden, geringer wäre? Ich zögere etwas. Ich möchte fast annehmen, dann wäre die Zahl der Unfälle erheblich größer.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Ritzel.
Herr Staatssekretär, haben Sie bereits von Ihrem Hause aus Verhandlungen mit den Jagdberechtigten geführt, insbesondere mit den ehemaligen Standesherren, die über sehr große Jagden verfügen und sie auch entsprechend zu nutzen verstehen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich darf auf meine Antwort auf die ursprüngliche Frage zurückkommen. Ich hatte gesagt, daß diese Frage eingehend geprüft worden ist. Soweit ich unterrichtet bin, hat das Bundesernährungsministerium, das hier zuständig ist, auch mit den Verbänden der Jagdberechtigten über diese Frage verhandelt. Aber ich muß nochmals darauf hinweisen, daß das eigentliche Problem das rechtliche Problem ist, das im BGB zunächst einmal abschließend geregelt ist.
Frau Abgeordnete Kiep-Altenloh zu einer Zusatzfrage.
Sind Sie der Ansicht, daß das Wild nur zu Nutz und Frommen der Jagdberechtigten im Wald herumläuft, oder sind Sie nicht auch der Ansicht, daß für die Spaziergänger und die Besucher das Auftreten von Wild zu den Erlebnissen eines Erholungsspaziergangs gehört?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Albgeordnete, da ich nicht bloß Spaziergänger, sondern leidenschaftlicher Wanderer bin, bin ich Ihrer Meinung. Nur frage ich mich natürlich, wie hier irgendeine Rechtsbeziehung — verzeihen Sie, wenn ich es so sage — zwischen dem Reh, das einen Unfall verursacht, und uns Wanderern, die wir uns an dem Reh erfreuen, konstruiert werden sollte.
Noch eine Frage,. Frau Abgeordnete Kiep-Altenloh.
Meinen Sie nicht auch, daß die Mittel für eine Versicherung gegen derartige Wildschäden dann alle aufbringen müßten, die sich in irgendeiner Form an dem frei lebenden
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. April 1964 6077
Frau Dr. Kiep-AltenlohGetier in unseren Waldungen Gott sei Dank noch erfreuen, und nicht nur ein Teil?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
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6078 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. April 1964
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
— Das Urheberrecht — —
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. April 1964 6079
und nachdem uns bei nochmaliger genauer Überlegung Ihre Erwägungen richtig schienen, haben wir den Antrag aufgenommen, und wir hoffen, daß sich die Urheber zu ihrem Antrag bekennen.
Herr Abgeordneter Dr. Hauser hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Auftrag meiner Fraktion bitte ich, den Antrag der Opposition auf Umdruck 448, der die Einführung eines Güteverfahrens erstrebt, abzulehnen.
Ich will den Antragstellern einräumen, daß der Antrag, rechtshistorisch gesehen, wenn ich auch nicht weiß, ob Ihnen das gegenwärtig ist, an eine Bestimmung im Mieterschutzgesetz anknüpft, die völlig beziehungslos heute noch im Mieterschutzgesetz herumgeistert, nämlich an den § 9, weil man anno 1950 bei der ersatzlosen Aufhebung des amtsgerichtlichen Güteverfahrens tatsächlich übersehen hat, auch 'diese Bestimmung zu streichen. Es war dort vorgesehen, daß ein Mieter, der eine Aufhebungsklage befürchtet, eine Güteverhandlung beim Amtsgericht beantragen konnte. Aber das Güteverfahren, das ehedem, vor 1924, mit Nachdruck gefordert worden war, hat wahrhaftig die Erwartungen nicht erfüllt, die man in diese Einrichtung gesetzt hatte. Baumbach, der Kommentator der Zivilprozeßordnung, hat völlig recht, wenn er in der Einleitung zu seinem Kommentar gerade im Zusammenhang mit dem Güteverfahren meint, es begegne nun einmal im Rechtsleben kaum etwas zäherem Widerstand als eine neue Verfahrensordnung.
So wurde auch alsbald nach Einführung des Güteverfahrens nicht an dem Gütegedanken als solchem, sondern eben nur an der Verfahrensstruktur lebhaft Kritik geübt, an dem Verfahren, das nun quasi als Vorverfahren ausgestaltet war und noch keine Rechtshängigkeit begründete, so daß etwa bei dem Anerkenntnis des Beklagten ein entsprechendes Urteil nicht ergehen konnte, falls nicht zuvor in das Streitverfahren eingetreten wurde. Als Voraussetzung dazu mußte ja erst die entsprechende Kostenmarke für die fällige weitere halbe Gebühr auf den Richtertisch gelegt werden; vorher durfte das Anerkennungsurteil nicht ergehen.
Herr Kollege Reischl, man kam sich als Richter manchmal doch recht komisch vor, wenn man quasi erst als Geldeintreiber darüber zu wachen hatte, daß die Kostenmarke vorgelegt wurde; vorher konnte man ja kein Urteil sprechen.
Gerade diese Frage, meine Damen und Herren der Opposition, haben wir mit der Änderung kostenrechtlicher Bestimmungen recht gutgelöst, haben wir damit doch den Grundgedanken, der überhaupt die gesamte Novelle beherrscht, deutlich und klar unterstrichen, den Grundgedanken nämlich, hier den Weg zu einer neuen Partnerschaft zwischen Mieter und Vermieter zu weisen und Rechte und Pflichten beider Seiten so abzuwägen, daß auf beiden Seiten die Verantwortung gestärkt wird.
Herr Abgeordneter Jahn hätte gern eine Zwischenfrage an Sie gerichtet.
Bitte.
Herr Kollege Hauser, meinen Sie nicht, daß es gerade der Wahrung des von Ihnen so viel beschworenen, von mir etwas skeptisch betrachteten Partnerschaftsverhältnisses ,dienen würde, wenn wir das Güteverfahren einführten?
Nein, gerade nicht, Herr Kollege; denn mit dem Gedanken, den wir hier in Gesetzesform gegossen haben, ist tatsächlich der freien Initiative das Feld eröffnet; das ist ja überhaupt der Grundgedanke des ganzen bürgerlichen Rechts. Es sind möglichst wenig amtliche Stellen eingeschaltet. Wir haben den Glauben, daß unsere Menschen im Bewußtsein ihrer Verantwortung die Chancen richtig nutzen werden. Wir halten deshalb die Vorschaltung eines Güteverfahrens für überflüssig und bitten um Ablehnung des Antrags der Opposition.
— Bitte, das habe ich vorhin schon Herrn Dr. Reischl gegenüber erklärt: es war ein Gedanke, den wir in die Debatte geworfen haben, mehr nicht, weil wir — ausgehend auch von der Sorge um das Kastenrisiko — einmal Erwägungen darüber angestellt haben, wie .das etwa gefaßt werden könnte.
— Genau wie Sie, Herr Kollege Jahn. Warum nicht?
— Sehr richtig, Herr Kollege Weber. Diese Lösung haben wir wirklich gefunden.
Das Wort hat nunmehr Frau Abgeordnete Dr. Diehmer-Nicolaus.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Reischl, Sie werden jetzt uns Freien Demokraten ja
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6080 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. April 1964
Frau Dr. Diemer-Nicolausnicht vorwerfen können, wir hätten einen Gedanken wieder aufgegeben, der dann von Ihnen aufgegriffen wurde. Wir hatten uns nämlich nie für eine derartige gesetzliche Regelung eines besonderen Güteverfahrens ausgesprochen.Dem, was Herr Kollege Hauser von der juristischen Seite aus gesagt hat, brauche ich hier nichts mehr hinzuzufügen. Er hat mit Recht auf die Bedenken hingewiesen, die uns schon 1950 veranlaßten, das Güteverfahren in dieser Form nicht weiter aufrechtzuerhalten, und er hat ebenfalls mit Recht dabei geltend gemacht, daß man, wenn man zu besseren Einsichten in bezug auf eine gesetzliche Regelung kommt, diesen folgen und nicht auf der Lösung eines Problems, das erstmalig erörtert worden ist, beharren sollte, wenn eine bessere Lösung gefunden wurde.Wir sollten doch gerade im Rechtsausschuß froh darüber sein, daß man nicht stur an einem früher gefaßten Gedanken festhält, sondern immer bereit ist, für eine Verbesserung zu stimmen.
Ich möchte noch auf folgendes hinweisen, Herr Kollege Reischl. Nach meiner Erfahrung sind gerade in den Mietprozessen alle Richter bestrebt, zuerst einmal durch eine Vergleichsverhandlung oder Güteverhandlung, wie immer Sie es auch nennen mögen —ohne daß das besonders im Gesetz zum Ausdruck kommt —, eine Regelung zu finden, die für die Parteien akzeptabel ist.Ja, Herr Kollege Jacobi, Sie wollten eine Frage stellen.
Zu einer Zwischenfrage, Herr Abgeordneter Jacobi.
Frau Kollegin, sind Sie der Auffassung, daß beispielsweise an einem Amtsgericht in der Großstadt mit etwa 50 bis 60 an einem Vormittag anhängigen Mietstreitsachen der Amtsrichter überhaupt die Möglichkeit hat, ernsthaft den Versuch zu machen, eine gütliche Einigung herbeizuführen?
Herr Kollege Jacobi, da ich aus Stuttgart komme, wo es eines der größten Amtsgerichte in der Bundesrepublik gibt, weiß ich über die Praxis insofern vollkommen Bescheid. Vor allen Dingen weiß ich aber folgendes. Wenn der Richter noch nicht dazu gekommen ist, vor dem ersten Termin die Angelegenheit eingehend zu prüfen, weil sie erst ganz kurz anhängig ist bzw. kurz vor dem Termin noch Schriftsätze eingereicht wurden, wird er doch — gegebenenfalls in einem Termin außerhalb der allgemeinen Verhandlung —versuchen, zu einer vergleichsweisen Regelung zu kommen. Das ist die allgemeinen Erfahrung. Diese Regelung hat sich bewährt. Sie hat in keiner Weise dazu geführt, daß es zu weniger Vergleichen kommt. Aber es gibt auch Prozesse, die nicht zu Vergleichen führen, sondern bei denen eine Entscheidung getroffen werden muß. Es liegt dann im Interesse aller
Parteien, daß nicht durch diese vorgeschaltete Güteverhandlung eine endgültige richterliche Entscheidung verzögert wird.
Ich darf also noch einmal dringend darum bitten, jetzt nicht ein Verfahren, das sich nicht bewährt hat, in Zusammenhang mit den Mietverfahren wieder zu künstlichem Leben und — darüber seien wir uns auch klar — gegebenenfalls nur zu einem papiernen Leben zu erwecken.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.
Das, was ich sagen wollte, haben meine beiden Vorredner bereits gesagt. Ich kann also verzichten.
Dann können wir die Beratung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD schließen.
Wir stimmen also über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 448 ab. Wer diesem Änderungsantrag zustimmt, gebe bitte Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? Das letzte war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe dann Art. III, Art. IV — Einleitung und Überschrift — auf. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. — Gegenprobe! — Das Gesetz ist mit Mehrheit in der zweiten Beratung angenommen.
Vor Eintritt in die dritte Beratung hat Herr Abgeordneter Dr Mommer um das Wort gebeten. Ich erteile ihm das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich widerspreche der dritten Beratung. Wir haben in der zweiten Beratung eine komplizierte Vorlage verabschiedet. Dabei hat es sich gezeigt, daß auch innerhalb der CSU keine volle Einstimmigkeit zwischen den Juristen einerseits und den Wohnungsbau- und Wohnungsfachleuten andererseits besteht.
Das kommt darin zum Ausdruck, daß von der CDU/CSU-Fraktion selbst Änderungsanträge vorgelegt und angenommen wurden. Auch einige bescheidene Anträge der SPD-Fraktion sind angenommen worden. Und nun gibt es in unserer Geschäftsordnung eine weise Bestimmung, die sagt, daß dann, wenn in zweiter Beratung Änderungsanträge angenommen worden sind, die dritte Beratung — ich zitiere § 85 —: „frühestens beginnt am zweiten Tag nach der Verteilung der Drucksache mit den in der zweiten Beratung gefaßten Beschlüssen". Deshalb sollten wir die dritte Beratung vertagen.
Herr Abgeordneter Dr. Weber hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedaure, daß die SPD-Fraktion die Verabschiedung dieses Ge-
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. April 1964 6081
Dr. Weber
setzes, das sie selber in vergangenen Beratungen dringend gefordert hat, wobei sie gegen die Regierungsparteien immer wieder den Vorwurf erhoben hat,
von ihnen werde verhindert, daß rechtzeitig ein soziales Mietrecht verabschiedet werde, nunmehr durch den geschäftsordnungsmäßig vielleicht begründeten Antrag — vielleicht, sage ich — die dritte Lesung verhindert.
— Formell begründet, das will ich Ihnen zugestehen, aber nicht materiell.
Diese Bestimmung der Geschäftsordnung ist nämlich sehr weise insofern, als sie verhindern will, daß nicht erörterte, in den vorherigen Verhandlungen nicht ventilierte Probleme im Plenum verabschiedet werden, deren Folgen man nicht übersehen kann.
Das ist der Sinn dieser Geschäftsordnungsbestimmung. Das ist aber hier nicht der Fall. All die Probleme, die hier in zweiter Lesung behandelt worden sind, sind in beiden Ausschüssen eingehend behandelt worden, so daß man deren Tragweite genauestens übersehen kann.Sie mögen von der formellen Bestimmung Gebrauch machen; dagegen sind wir machtlos. Wir müssen aber die Verantwortung dafür, daß das soziale Mietrecht nicht rechtzeitig, wie Sie immer wieder behaupten, verabschiedet wird, Ihnen überlassen.
Einschlägig sind § 85 und § 93 der Geschäftsordnung. An sich kann die Frist verkürzt werden, wenn nicht zehn anwesende Mitglieder widersprechen. Herr Dr. Mommer hat namens seiner Fraktion die ihm zustehenden geschäftsordnungsmäßigen Bedenken geltend gemacht. Wir können also in die dritte Lesung nicht eintreten.
Ich rufe dann auf den Zusatzpunkt der Tagesordnung:
Zweite Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des § 556 a des Bürgerlichen Gesetzbuches .
Es liegt vor der Schriftliche Bericht des Herrn Abgeordneten Dr. Hauser. Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Eine Ergänzung Ides Berichts wird nicht gewünscht.
Dann treten wir in die Beratungen. ein.
Ich rufe auf § 1, — § 2, — § 3, — Einleitung unid Überschrift. Wer zustimmen will, gebe bitte das Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der
Gesetzentwurf ist in zweiter Lesung abgelehnt. Damit entfällt die dritte Lesung.
Ich ,rufe auf Punkt 17 der Tagesordnung:
a) Zweite und dritte Beratung des Entwurfs
eines Gesetzes zur Neuregelung der Absetzungen für Abnutzung bei Gebäuden
a) Bericht des Haughaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache IV/2206) ;
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Koch
b) Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksachen IV/2191, zu IV/2191);
Berichterstatter: Abgeordneter Schlee
b) Erste Beratung des von der Bundesregierung .eingebrachten Entwurfs eines 'Gesetzes zur Neuregelung der Absetzungen für Abnutzung bei Gebäuden .
Ich danke den Herren Berichterstattern für den Schriftlichen Bericht.
Zur Geschäftsordnung hat das Wort Herr Abgeordneter Dr. Kurlbaum.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Drucksache IV/2191 liegt uns eine Novelle zum Einkommensteuergesetz vor, die sich mit den Abschreibungen für Gebäude befaßt. Bei dieser Novelle geht es insbesondere um zwei Probleme, erstens um das Problem der Anpassung der Gebäudeabschreibungen an die Tatsache, daß wir uns bezüglich der Technik des Bauens in einer schnellen Entwicklung befinden, und darum, daß die Wünsche, die die Benutzer an Gebäude stellen, ebenfalls einer schnellen Veränderung unterliegen. Zweifellos machen diese beiden Tatsachen es notwendig, sich eingehend mit der Materie zu befassen. Die SPD erkennt das grundsätzlich an. Wir werfen aber die Frage auf, ob das Ausmaß der in den Vorlagen vorgenommenen Erhöhung der Abschreibungssätze und ob der Zeitpunkt für diese Erhöhung richtig gewählt ist. Ich werde nachher bei der Begründung unseres Antrags Umdruck 450 noch im einzelnen auf dieses Problem eingehen.Im Augenblick möchte ich zur Begründung unseres Antrags auf Rückverweisung der Vorlage an die zuständigen Ausschüsse auf das zweite Hauptproblem eingehen, das in der Vorlage behandelt wird, nämlich die Frage: Wie soll in Zukunft der Bau von Eigenheimen und Eigentumswohnungen zweckmäßig gefördert werden? Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion ist selbstverständlich auch der Auffassung, daß der Bau von Eigenheimen und Eigentumswohnungen weiter wirksam gefördert werden muß. Aber wir sind nicht mit Ihnen einer Meinung hinsichtlich der Methode, die dabei angewandt werden muß. Es handelt sich hierbei nicht nur um das spezielle Problem des Wohnungsbaus, sondern es handelt sich hier um das Problem der für den demokratischen Staat unbedingt notwen-
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Kurlbaumdigen breiten Streuung des Eigentums. Wenn man den vorliegenden Gesetzentwurf aus dieser Sicht betrachtet, muß man mit besonderen Maßstäben an ihn herangehen. Dann muß man die Forderung stellen, daß bei der Eigentumsbildung und Vermögensbildung denjenigen die stärkste Hilfe gewährt wird, die die größten Schwierigkeiten beim Sparen zu überwinden haben. Die Hilfe muß dort konzentriert werden, wo die Sparfähigkeit am geringsten ist, also bei den kleinen Einkommen und dort, wo die Einkommen durch eine große Familie einer besonderen Belastung unterliegen.Der vorliegende Gesetzentwurf löst dies Problem in keiner befriedigenden Weise; im Gegenteil, er setzt die jahrelang betriebene Politik der bevorzugten Förderung des Baus von Eigenheimen bei den Beziehern von höchsten Einkommen fort. Wir begrüßen es zwar, daß nunmehr festzustehen scheint, daß nun auch die Regierungsfraktionen den alten § 7 b, der die Konzentration der Vermögen bei den sogenannten Baulöwen in einer geradezu skandalösen Weise gefördert hat, endgültig beseitigen wollen. Aber es bleibt noch die sehr unerfreuliche Methode des § 7 b, das Ärgernis, daß die Förderung des Eigenheim- und Eigentumswohnungsbaues auch in Zukunft auf die Bezieher hoher Einkommen konzentriert bleibt.Lassen Sie mich das an einigen Beispielen Ihnen ganz klar und deutlich illustrieren. Ihr Gesetzentwurf legt die Höchstsumme der Baukosten, für die steuerliche Abschreibungsvergünstigungen gegeben werden sollen, auf 200 000 DM fest. Über die Normalabschreibung von 2 % hinaus, die Ihr Gesetzentwurf nunmehr in § 7 vorsieht, soll der zukünftige § 7 b eine Sonderabschreibung von 51 % für 8 Jahre gewähren. Das bedeutet eine Sonderabschreibung von 3 % über den Normalsatz hinaus. In 8 Jahren sind das 24 % der Bausumme. Bezogen auf die Höchstsumme von 200 000 DM sind das Sonderabschreibungen in der Höhe von 48 000 DM.Bei der bösen Methode des § 7 b, die Sie fortsetzen wollen, bedeutet das, daß die Bezieher von hohen Einkommen, die einen Steuersatz von 50 % haben, im Laufe von 8 Jahren Steuern in der Höhe von 24 000 DM sparen können.
Herr Abgeordneter Kurlbaum, Ausführungen zur Geschäftsordnung sollen die Frist von fünf Minuten nicht überschreiten.
Das ist allerdings ein bißchen schwierig — —
Das steht in § 34 der Geschäftsordnung, an den ich, aber auch Sie gebunden sind.
Gut, dann muß ich versuchen, das nachher noch in ergänzenden Ausführungen klarzumachen. Ich darf aber wenigstens noch die Beispiele abgekürzt bringen und darf Ihnen das Resümee vortragen.
Der Steuerzahler, der 50 % Einkommensteuer in der Spitze zahlt, hat damit gegenüber dem Steuerzahler, der nur 20 % Lohn- oder Einkommensteuer zahlt, eine zusätzliche Steuervergünstigung von 14 000 DM, d. h. von 1800 DM pro Jahr.
Ich muß in diesem Augenblick leider darauf verzichten, Ihnen noch ein Beispiel zu geben, das zeigt, daß Ihr Gesetzentwurf eindeutig die großen Familien insofern benachteiligt, als ein Familienvater mit mehreren Kindern ein viel höheres Einkommen als ein kinderloses Ehepaar haben muß, um den § 7 b in Zukunft überhaupt in Anspruch nehmen zu können. Er muß ein Einkommen haben in der Größenordnung von etwa 15 000 DM, um ihn voll ausnützen zu können. Damit ist klar, daß Ihr Gesetzentwurf die Privilegierung einer ganz kleinen Minderheit der Steuerpflichtigen auf diesem Gebiete fortsetzt.
Wir sind der Auffassung und haben das in den Ausschußberatungen immer wieder klargemacht, daß wir zu einem Prämiensystem übergehen müssen, das in das System der Sparprämien, der Bausparprämien harmonisch eingegliedert werden muß. Wir werden in Kürze einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen. Wir bedauern es, daß Sie es mit Ihrem Gesetzentwurf so eilig haben, obwohl der derzeitige Rechtszustand bekanntlich — auch nach Ihrer Auffassung — bis zum 31. Dezember dieses Jahres fortgesetzt werden soll.
Wir sind daher der Meinung, daß sehr wohl die Zeit vorhanden wäre, diesen Gesetzentwurf noch einmal unter dem Gesichtspunkt der Familienfeindlichkeit, die er nach unserer Auffassung hat, und unter dem Gesichtspunkt seiner Feindlichkeit gegenüber den Beziehern kleiner Einkommen zu überprüfen. Dafür ist noch genug Zeit bis zum Jahresende vorhanden. Der Gesichtspunkt, daß die Wirtschaft bis zum 30. Juni wissen soll, was in Zukunft ist, ist zwar durchaus ein Argument, aber in seinem Gewicht überhaupt nicht zu vergleichen mit dem Erfordernis, daß eine Neuordnung der Förderungsmaßnahmen für den Bau von Eigentumswohnungen und Eigenheimen nun wirklich modernen und demokratischen Gesichtspunkten entsprechen muß. Wir bitten daher, die Vorlage an die zuständigen Ausschüsse zurückzuüberweisen, damit das ganze Problem noch einmal mit der notwendigen Gründlichkeit durchberaten werden kann.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schmidt .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte das Hohe Haus, dem Antrag auf Zurückverweisung nicht zu folgen.Der Grundgedanke, den Herr Kurlbaum soeben vorgetragen hat, ist schon von ihm erwogen worden im Zusammenhang mit der teilweisen Suspendierung des § 7 b im Jahre 1963. Wir beraten jetzt im Finanzausschuß seit März über zwei Anträge aus den Reihen der CDU/CSU über die Neugestaltung der Absetzungsmöglichkeiten im Rahmen des
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. April 1964 6083
Dr. Schmidt
§ 7 und des § 7 b. In den Beratungen innerhalb des Finanzausschusses hat Herr Kollege Seuffert ein einziges Mal am Rande vielleicht in zwei Sätzen angedeutet, daß in seiner Fraktion derartige Vorstellungen vorhanden seien, wie sie Herr Kurlbaum hier vorbringt, ohne irgendeinen Antrag in dieser Richtung zu stellen.Meine Damen und Herren, es war für die SPD-Fraktion seit 1963 durchaus die Möglichkeit gegeben, wenn sie ein solches System für besser hielt als das, was wir hier vorschlagen, das in Gesetzesform zu kleiden und diesen Entwurf hier im Hause und im Ausschuß zur Debatte zu stellen. Das ist nicht geschehen. Die Sache kann nun nicht dadurch gefördert werden, daß sie jetzt zurückverwiesen wird.Meine Fraktion ist der Auffassung, daß die Steuerpflichtigen spätestens am 30. Juni )wissen müssen, womit sie ab 1. Januar 1965 zu rechnen haben.
Es handelt sich im Wohnungsbau wie überhaupt im Bauwesen um sehr langfristige Investitionen, die langfristig vorbereitet werden müssen. Es ist daher ganz unmöglich, daß wir den hier Betroffenen zumuten, nun noch einmal ein halbes Jahr darauf zu warten, in welcher Richtung sich der Deutsche Bundestag entscheiden wird. Ich bitte deshalb, den Antrag abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Imle.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch wir Freien Demokraten werden diesen Antrag ablehnen, und zwar aus folgenden Gründen.
Herr Kollege Kurlbaum, zu Ihren etwas demagogischen Ausführungen will ich nur eines sagen.
Herr Kollege Dr. Imle, ich meine, das Wort „demagogisch" paßt nicht. Wir sind die Vertretung des Volkes.
Ich bitte um Entschuldigung.
— Na, ich habe es nicht gesagt.
Sie sagen, Herr Kurlbaum, daß lediglich Einkommen über 15 000 DM davon betroffen werden,
— bei drei Kindern; ich habe auch mehr als drei Kinder, ich darf das einmal sagen. Wenn jetzt diese Regelung getroffen wird, kann man doch nicht behaupten, daß sie nur eine Minderheit des Volkes betrifft. Vielmehr sind die Einkommen heute Gott sei Dank schon so hoch, daß sie über 15 000 DM liegen.
Deswegen bemühen wir uns auch, mit dem Steueränderungsgesetz gerade diese Regelung zu treffen.
Aber nun zu der Frage, warum das von uns abgelehnt wird. In der Sitzung am 4. März hat der Kollege Seuffert hinsichtlich der Verlängerung des Gesetzes gesagt: Es handelt sich lediglich um die Frage, ob ernsthaft damit 'gerechnet werden kann, daß die Neuregelung der Abschreibung für Grundstücke von diesem Hause bis zum 30. Juni 1964 behandelt und verabschiedet werden kann. Diese Annahme ist völlig illusorisch. Der Finanzausschuß hat durch seine Beschlüsse und seine Arbeiten dargetan, daß der Bundestag durchaus in der Lage ist, das Gesetz zu verabschieden. Es besteht daher gar keine Veranlassung, die Vorlage in den Ausschuß zurückzuverweisen. Wir werden deshalb Ihren Antrag ablehnen.
Wir stimmen über den Antrag des Abgeordneten Kurlbaum ab, die Vorlage unter Punkt 17 a der Tagesordnung an die Ausschüsse zurückzuverweisen. Wer zustimmt, gebe Zeichen. — Gegenprobe! — Der Antrag ist abgelehnt.
Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich rufe Art. 1 auf. Dazu liegt der Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP auf Umdruck 438 vor. Wer diesem Antrag zustimmt, gebe bitte Zeichen. — Ich nehme an, das ganze Hause ist einverstanden. Der Änderungsantrag auf Umdruck 438 ist angenommen.
Ich rufe dann in Art. 1 Nr. 1 auf. Hier liegt der Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 450 unter Ziffer 1 vor. Herr Abgeordneter Kurlbaum wird ihn begründen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Begründung unseres Antrages auf Umdruck 450, bei dem es um die Frage geht, ob die zusätzliche Degression für die Abschreibungen bei allen Gebäuden gerechtfertigt ist, habe ich folgendes zu sagen. Der Wirtschaftsausschuß .dieses Hauses hat sich auf Antrag der sozialdemokratischen Mitglieder sehr eingehend mit der Frage beschäftigt, ob degressive Abschreibungen bei Hochbauten überhaupt gerechtfertigt sind, und hat dazu zwei Sachvertändige gehört, die sich laut Protokoll eindeutig dahin geäußert haben — ich zitiere —,daß die von der Bundesregierung vertretene lineare Abschreibung völlig ausreichend sei, und zwar sowohl vom Standpunkt der tatsächlichen Abnutzung der Wohngebäude und Gebäude als auch unter dem Gesichtspunkt des Verkehrswertes.Die Frage ist also vom Wirtschaftsausschuß sehr eingehend geprüft und von den Sachverständigen in diesem Sinne entschieden worden.Außerdem hat auch der Finanzausschuß des Bundesrates ausdrücklich und uneingeschränkt gebilligt, daß die Bundesregierung die allgemeine Einführung der degressiven Abschreibung für Gebäude abgelehnt hat.
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6084 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. April 1964
KurlbaumNun habe ich aber vorhin schon davon gesprochen, daß in diesem Zusammenhang auch die Konjunkturlage berücksichtigt werden muß. Die Baupreise sind in den letzten drei Jahren um 25 % gestiegen. Nichts deutet bisher darauf hin, daß der Bauboom nun wirklich zum Abklingen kommt. Alles deutet darauf hin, daß er sich fortsetzt. Wenn nun in diesem Zeitpunkt neue zusätzliche Abschreibungsvergünstigungen für alle Hochbauten gegeben werden, ist es ganz klar, daß der Baumarkt durch diese Maßnahme neu angeheizt werden wird und daß die Tendenz zur Steigerung der Baukosten bestehen bleiben wird, und zwar nicht nur der Baukosten, sondern auch der Baulandpreise. Wenn dieses Haus vor der Frage stände, Maßnahmen für den Fall einer Situation auf dem Baumarkt zu treffen, in der die Nachfrage nach Bauleistungen zu gering ist, dann wäre das, was Sie, meine Herren von den Regierungsfraktionen beantragen, genau die richtige Maßnahme. Sie wäre also die richtige Maßnahme für eine Konjunkturlage, die der, in der wir uns jetzt auf dem Baumarkt befinden, genau entgegengesetzt ist.Daher hat auch der EWG-Ministerrat mit Recht den Partnerländern konjunkturpolitische Empfehlungen gegeben, die sich in der Ziffer 9 ausdrücklich auch mit dem Baumarkt beschäftigen. Es heißt dort in den uns aus der Presse zugänglichen Formulierungen, daß steuerliche Vergünstigungen für den Baumarkt überall da vermindert werden sollen, wo Angebot und Nachfrage noch nicht in Einklang sind. Alles deutet darauf hin — auch die Fortsetzung der Steigerung der Baukosten —, daß auch in der Bundesrepublik Angebot und Nachfrage auf dem Baumarkt noch nicht in Einklang sind. Aber Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, machen genau das Gegenteil dessen, was in den Empfehlungen des Ministerrats zu lesen ist, an denen die deutsche Bundesregierung, wie uns hier erklärt worden ist, maßgeblich mitgewirkt hat. Die Einführung der degressiven Abschreibungen für alle Hochbauten in diesem Zeitpunkt bedeutet daher nicht nur eine konjunkturpolitische Sünde gegenüber der deutschen Volkswirtschaft, sondern eine klare Verletzung der jüngst erlassenen Richtlinien des EWG-Ministerrats.In diesem Zusammenhang darf ich am Schluß auch noch erwähnen, daß die Gesamtvorlage, die Sie heute hier vorlegen, beginnend mit dem Jahre 1965 einen Steuerausfall von 270 Millionen DM bringt, der bis zum Jahre 1974 auf 780 Millionen DM pro Jahr ansteigen wird. Wie Sie das bei der allgemeinen Haushaltslage verantworten wollen, mögen Sie sich auch überlegen.Daher beantragen wir, die Ziffer, die .die degressive Abschreibung in den § 7 einführt, zu streichen. Ich würde mich freuen, wenn ein möglichst großer Teil auch Ihrer Fraktion sich unseren Argumenten anschließen würde.Nun noch ein paar Sätze zu den Ausführungen, die Herr Imle hier gemacht hat. Ich möchte mich zu der Form, in der er sie gemacht hat, nicht äußern. Ich möchte aber seiner Kritik ein paar Zahlen entgegenstellen, damit klar wird, daß es sich hier nicht um Demagogie, sondern um Fakten handelt.Wenn ein Staatsbürger die Vergünstigungen nach § 7 b in Anspruch nehmen will, dann muß er ein Einkommen haben, das über sein steuerfreies Einkommen hinausgeht. Bei einem Ehepaar mit drei Kindern ist steuerfrei ein Einkommen von 9240 DM. Wenn wir ein Gebäude von 100 000 DM zugrunde legen, kann das Ehepaar die Normalabschreibungen und die Sonderabschreibungen zusammen, wenn auch nur mit dem niedrigsten Satz von 20%, nur in Anspruch nehmen, wenn es ein Einkommen von 9240 plus 5000 DM pro Jahr hat. Es ist also vollkommen richtig, was ich vorhin gesagt habe. Ich habe vorhin, weil ich es schnell sagen mußte, den Betrag von ungefähr 15 000 DM genannt. Der Familienvater mit drei Kindern kann die Möglichkeiten des § 7 b nur dann, wenn auch mit dem ungünstigen Satz von 20 %, ausnutzen, wenn er ein Einkommen von mindestens 14 240 DM hat. Darüber kann überhaupt nicht mehr gestritten werden.Nun vergleichen Sie das mit der Lage eines kinderlosen Ehepaares. Bei einem kinderlosen Ehepaar ist steuerfrei nur ein Einkommen von 4560 DM. Das kinderlose Ehepaar kann also die Vergünstigungen des § 7 b schon dann in vollem Umfang — wenn auch nur mit dem Satz von 20% — in Anspruch nehmen, wenn es ein Einkommen von 9560 DM hat. Daraus sehen Sie klar und deutlich, wie die unglückselige Konstruktion Ihres § 7 b, an der Sie stur festhalten wollen, es mit sich bringt, daß Ehepaare ohne Kinder mit sehr viel kleinerem Einkommen die Vergünstigungen in Anspruch nehmen können, während Ehepaare mit einer größeren Kinderzahl sehr viel mehr verdienen müssen, damit sie von den Vergünstigungen des § 7 b nicht ausgeschlossen werden.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Czaja?
Herr Kollege Kurlbaum, haben Sie nicht übersehen, daß alle mit drei und mehr Kindern öffentliche Mittel und Familienzusatzdarlehen zum Eigenheimbau vorrangig bekommen? Das übersehen Sie unzweifelhaft bei Ihrer Beweisführung.
Ich habe das gar nicht übersehen; denn die öffentlichen Mittel sind allgemein den Steuerpflichtigen zugänglich.
— Ich habe nur auf die differenzierte Behandlung im Steuerrecht hingewiesen. Wir haben diese Diskriminierung der Kinderreichen jetzt Gott sei Dank bei den Sparprämien und Bausparprämien überwunden, und darum sind wir dafür, daß auch das System der Förderung des Eigenheims und der Eigentumswohnung in das System der Sparprämien aufgenommen wird, damit diese Diskriminierung endlich aufhört.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. April 1964 6085
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schmidt .
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf in meiner Erwiderung auf die Ausführungen von Herrn Kurlbaum ausgehen von einer Entschließung des Deutschen Bundestags vom 13. März 1963. Dort wird die Bundesregierung ersucht,den Entwurf einer Neuregelung der Absetzungen für Abnutzung bei Gebäuden vorzulegen, die so gestaltet sein soll, daß sie unter Ablösung der bisherigen Vorschriften des § 7 b EStG als Dauerlösung angesehen werden kann; dabei sind die Gesichtspunkte der Wohnungspolitik und Raumordnung zu berücksichtigen. Die Neuregelung soll auch für Gebäude gelten, die durch die Suspendierung des alten § 7 b EStG betroffen werden.Die derzeitig bei Wohngebäuden im allgemeinen zugrunde gelegte Nutzungsdauer von 100 Jahren erscheint nicht mehr zeitgemäß und sollte durch eine Nutzungsdauer von etwa 50 Jahren ersetzt werden. Auch eine lineare Absetzung wird den tatsächlichen Verhältnissen nicht gerecht. Deshalb sollte die Neuregelung auch eine degressive Abschreibung zulassen.Meine Damen und Herren, diese Entschließung stand in der dritten Lesung im Hohen Hause zur Aussprache. Dazu hat unser Kollege Seuffert von der Sozialdemokratischen Fraktion folgendes erklärt:Die Gesetzesvorlage suspendiert den § 7 b des Einkommensteuergesetzes für die Zeit bis zum März nächsten Jahres, also für eine Zeit, in der sich der bestehende Überhang an Wohnungsbauten noch auswirken dürfte. Sie suspendiert ihn nicht für Einfamilienhäuser, Eigentumswohnungen usw.Es ist aber nicht so, daß dieser Paragraph nur zeitweilig außer Kraft gesetzt wird, sondern er wird wirklich „wegen Umbau geschlossen" oder, um es genauer zu sagen, er wird „abgerissen". Er soll in dieser Form nicht mehr wiederkehren, jedenfalls nicht außerhalb des Bereichs, der auch jetzt ausgenommen worden ist — Einfamilienhäuser usw. — Darüber werden noch Überlegungen anzustellen sein. Der Entschließungsantrag, den der Finanzausschuß vorlegt, ist in diesem Falle also fast wichtiger als die Gesetzesvorlage selbst.Die sozialdemokratische Fraktion begrüßt nicht nur die Gesetzesvorlage, sondern auch diese Entschließung, insofern sie nunmehr anstelle der sich schlecht auswirkenden und nicht mehr mit Gerechtigkeit wirksamen Begünstigung des Häuserbauens eine dauerhafte Regelung der steuerlichen Behandlung des Hausbesitzes einschließlich aller ihrer Auswirkungen auf Mietberechnungen usw. vorsieht.Was dieses Hohe Haus damals im Zusammenhangmit einer Konjunkturdebatte über Absetzungen fürAbnutzung bei Gebäuden ausgesprochen hat, sollte nicht einfach beiseite geschoben werden.Ich sehe durchaus, daß das, was Ihnen heute in Gestalt des Berichts des Finanzausschusses zur Entscheidung vorliegt, nicht etwa eine ideale Verwirklichung der Grundgedanken ist, die in dieser Entschließung zum Ausdruck gekommen sind. Aber es gehört nun einmal zum Wesen der Demokratie, daß die verschiedenen Kräfte miteinander ringen, bis sie zu einem Kompromiß kommen, das Aussicht auf Annahme hat. So will ich nicht etwa alle Einzelheiten dieses Kompromisses von mir aus zur Aussprache stellen, sondern nur kurz auf die Gedanken eingehen, die Herr Kurlbaum soeben vorgetragen hat.Er hat konjunkturpolitische Überlegungen in den Vordergrund gestellt. Wir stehen zweifellos seit etwa Dezember vergangenen Jahres in einer überhitzten Konjunktur im ganzen Exportbereich. Die Entwicklung ist relativ stürmisch vor sich gegangen, hat aber meines Erachtens ganz bestimmte Schwerpunkte und ganz bestimmte Gründe, auf die ich jetzt im einzelnen ebenfalls nicht eingehen will, die aber nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der nun seit Jahren anhaltenden Baukonjunktur. stehen In einem Wirtschaftsbericht, den ich vor wenigen Tagen gelesen habe, steht sogar, daß sich die Baukonjunktur nicht etwa der Exportkonjunktur angeschlossen habe, sondern eher ein wenig gedämpft sei.
— Sicher, das ist gar nicht zu leugnen, und ich werde auch nicht leugnen, Herr Kurlbaum, daß diese Konjunktur immer noch anhält und große berechtigte Sorgen macht.Aber, Herr Kurlbaum, es ist die Frage, ob die Abschreibungen auf ein langfristiges Wirtschaftsgut überhaupt geeignet sind, die Dispositionen im Rahmen der Konjunktur zu beeinflussen. Dazu folgende Überlegung. Heute steht zur ersten Lesung der Regierungsentwurf an, der seinerzeit in Form eines Antrags aus diesem Hause von Herrn Kollege Hesberg und Genossen aufgenommen worden ist, welcher jetzt schon zur dritten Lesung ansteht. Wie soll eigentlich eine Regierung Konjunkturpolitik auf dem Gebiet der Abschreibungen langfristiger Anlagen machen, wenn sie bei den Fristen, die die Verfassung und die Geschäftsordnung nun einmal vorsehen, bis zum heutigen Tage braucht, um eine im März eingebrachte Vorlage überhaupt in die erste Lesung zu bekommen? Als wir mit der Regierung über Konjunkturüberlegungen in diesem Zusammenhang sprachen und ich den Einwand machte: „Ja, wenn Sie nun ernsthaft solche konjunkturellen Überlegungen anstellen, dann hätten Sie wahrscheinlich auch diese Regierungsvorlage nicht machen dürfen", wurde mir erwidert: „Sie haben recht; aber als wir diese Vorlage machten, war die Konjunktur noch nicht in dem Ausmaß zu erkennen, wie das heute der Fall ist."Kurzum, was ich sagen will, ist folgendes. Es ist völlig unmöglich, Konjunkturschwankungen und Wellenbewegungen, die relativ kurzfristig sind,
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6086 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. April 1964
Dr. Schmidt
mit Abschreibungen für langfristige Anlagen beeinflussen zu wollen.
Was hier zur Debatte steht, wenn wir Konjunkturpolitik auf dem Gebiet des Bauwesens machen wollen, Herr Kollege Kurlbaum, das ist vor allem die Frage der Subventionierung der Bauvorhaben. Aber auf diesem Gebiet, verehrter Herr Kurlbaum, machen Sie gerade entgegengesetzte Vorschläge. Denn wenn die Vorschläge über das Prämienwesen —das, was Sie heute hier so als Idee in die Debatte geworfen haben — realisiert würden, müßten wir viel mehr als über Zinssubventionen bei öffentlichen Darlehen echte Steuergeschenke in großem Umfange machen, wenn die Maßnahmen für Personenkreise, wie Sie sie angedeutet haben, wirksam werden sollen.
— Das läßt sich leicht ausrechnen. Wenn diejenigen, die sich aus eigenen Mitteln überhaupt nicht helfen können, den Vorrang der Prämie haben sollen und wenn die Prämie wirksam sein soll, müssen Sie diesem Personenkreis mehr zubilligen als das, was wir im Raum der ersten Hypothek darlehensweise mit Zinsermäßigung geben; dann müssen Sie das als Geschenk obendrauf geben. Alles was über den Rang der ersten Hypothek hinausgeht, müssen Sie praktisch geschenkweise geben. Dann können Sie den Effekt erreichen, den Sie soeben sozialpolitisch gefordert haben. Das würde ein Incentive für die Baukonjunktur bedeuten, die völlig unübersehbar würde. Deswegen ist es ganz unangebracht, daß Sie diese Vorlage unter konjunkturpolitischen Gesichtspunkten bekämpfen.Sie haben kurz über die Betriebsgebäude gesprochen, obwohl ich eigentlich nach den Äußerungen, die ich in der Presse von Ihnen gelesen habe, viel mehr von- Ihnen erwartet hätte. Gerade auf dem Gebiete der Betriebsgebäude, verehrter Herr Kurlbaum, ist bei uns auf Grund des Individualprinzips, das bei uns gilt, ein Wirrwarr, ein Chaos eingerissen, das geradezu elementar gegen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung spricht. Ich will auf die Einzelheiten nicht eingehen.In der Begründung der Regierungsvorlage wird genagt, daß bei Betriebsgebäuden ein Absetzungssatz von 2 % die Regel sei. In Wirklichkeit ist beute die Durchschnittslebensdauer bei Betriebsgebäuden 331/3 Jahre. In Richtlinien, die gerade gegenwärtig mit der pharmazeutischen und chemischen Industrie ausgehandelt werden, ist bereits eine Lebensdauer von 25 Jahren als Norm selbst für Verwaltungsgebäude festgesetzt.Was wird hier gefordert? Ich hatte mir etwas gang anderes vorgestellt, etwas sehr viel Durchgreifenderes, ein viel 'stärkeres Rückgrat, um die Gleichmäßigkeit der Besteuerung ,zu sichern. Ich habe mich dabei nicht durchsetzen können. Aber was hier gefordert wird, ist doch bei einer Lebensdauer von 50 Jahren, also beim Regelfall, wie in der Begründung der Regierungsvorlage gesagt wird, eine ganz mildeDegression, um auch den mittelständischen Kreisen hinsichtlich ihrer Betriebsgebäude eine gewisse Chance im betriebswirtschaftlichen Sinne zu geben, nämlich den Erhaltungsaufwand und den Erneuerungsaufwand mit dem Abschreibungsaufwand in einen gleichmäßigeren Ablauf zu bringen. D'as ist doch der eigentliche betriebswirtschaftliche Sinn dieser degressiven Abschreibungsmethode, die der Bundesfinanzhof im Jahre 1955 in seiner bekannten Entscheidung als prinzipiell richtig und notwendig auch im Steuerrecht angesehen hat. Nur dies wird hier jetzt nachvollzogen, und zwar, um deutlich zu machen, daß auch für die Betriebsgebäude in Zukunft die Norm bei 50 Jahren liegt und nicht da, wo sie ein geschickter .Steuerberater auf einem sehr niedrigen Niveau für Kaufhäuser, Warenhäuser, Verwaltungsgebäude usw. auszuhandeln in der Lage ist. Da liegt doch die eigentliche Crux der ganzen Sache. Ich bedauere, daß wir nicht zu stärkeren Regelungen gekommen sind, wie ich sie an sich für betriebswirtschaftlich notwendig halten würde.Aufs Ganze gesehen, verehrter Herr Kurlbaum, meine ich folgendes. So notwendig Konjunkturdebatten sind und so sehr harte Dämpfungsmaßnahmen von mir befürwortet werden, weil mir die Erhaltung der Kaufkraft unserer Währung der oberste Gesichtspunkt zu sein scheint, so meine ich doch, daß das Gebiet der Abschreibungen für langfristige Anlagen das ungeeigneteste ist, das in Erwägung zu ziehen. Wenn man das will, muß man Maßnahmen treffen, die nicht von dem Grundsatz: Wasch mir den Pelz und mach mich nicht naß, bestimmt werden, sondern bei denen man auch in Erwägung zieht, daß bei wirklichen Dämpfungsmaßnahmen alle und auch die breitesten Schichten Einschränkungen und Opfer auf sich zu nehmen haben.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Imle.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf für die Freien Demokraten noch einmal darauf hinweisen, daß die Entschließung, für die Abschreibung von Gebäuden eine Degression einzuführen, damals einstimmig gefaßt worden war, und wir sind der Meinung, daß das die richtige Regelung ist.Zu den konjunkturpolitischen Fragen kann ich mich kurz fassen, da wir die hier von Herrn Kollegen Schmidt vorgetragenen Auffassungen in vollem Umfange teilen. Auch wir sind der Meinung, daß sich langfristige Anlagen nicht für konjunkturpolitische Maßnahmen eignen, zumal sich da die Voraussetzungen in kurzen Zeitabständen ändern können.Nun noch ein Wort, Herr Kollege Kurlbaum, zu dem, was Sie über den Ausfall von 270 Millionen DM gesagt haben. Sie haben gesagt, daß dadurch der Haushalt in Unordnung gebracht würde und daß diese Unordnung in den folgenden Jahren noch größer werden würde. Sie scheinen ganz übersehen zu haben, daß es sich bei dieser Vorlage um ein
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. April 1964 6087
Dr. Imlegeschlossenes Ganzes handelt, nämlich um die Neuregelung bei § 7 und die Neuregelung bei § 7 b, der ja erheblich eingeschränkt wird. Sie haben sich dagegen gewehrt, daß es jetzt noch diese Möglichkeit gebe. Aber der § 7 b wird ja gegen früher eingeschränkt. In Zukunft kann niemand mehr nach § 7 b bauen, wie es früher der Fall war; er kann ihn auch nicht mehr dauernd in Anspruch nehmen, die Inanspruchnahme wird auf nur einen Fall begrenzt.Auch wir haben uns natürlich Gedanken über die finanziellen Auswirkungen gemacht. Der Herr Bundesfinanzminister hat uns dazu erklärt, wenn die Vorlage, wie sie heute diesem Hause vorliegt, angenommen werde, werde, unter Einschaltung der degressiven Abschreibung, eine Mehrbelastung von 10 Millionen DM eintreten, und die sei verkraftbar. Ich glaube, auch Sie bestreiten nicht, daß sie verkraftbar ist.Wir sind also der Meinung, daß wir hier zwar noch keine endgültige Lösung haben, aber mit der degressiven Abschreibung einen Ansatzpunkt für eine gerechte Entwicklung im Sinne des § 7 schaffen und daß man sich in absebarer Zeit über die gesamte Neuregelung neu unterhalten muß.Wir werden Ihren Antrag ablehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hesberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der von Herrn Kurlbaum vorgebrachten Argumentation ist zum Ausdruck gekommen, daß die Vorlage, wie sie jetzt im Ausschuß gestaltet worden ist, große Vermögen begünstige und die kleinen Einkommensbezieher und Vermögensbesitzer benachteilige. Einer solchen Argumentation kann gar nicht entschieden genug widersprochen werden. Gerade durch die Förderungsbestimmungen des Wohnungsbaugesetzes haben wir uns seit den fünfziger Jahren ganz betont der Förderung der Eigentumsbildung der kleinen Einkommensbezieher gewidmet.
Ich erinnere nur an den § 27 des Zweiten Wohnungsbau- und Familienheimgesetzes, der ganz besondere Präferenzen beim Einsatz der öffentlichen Mittel vorsieht. Gerade in bezug auf den Einfamilienhaus-Besitz wissen Sie, wie sehr das Familienheim bei dem Einsatz der öffentlichen Mittel vorrangig bedient wird. Das ist ein Äquivalent für die geringere steuerliche Auswirkung der Abschreibung bei kleineren Einkommen.
Ich darf Sie daran erinnern, daß es durch unsere Initiative und durch die Verabschiedung des Zweiten Wohnungsbau- und Familienheimgesetzes erreicht ist, daß gerade durch die Abstellung der öffentlichen Darlehen auf die Wohnfläche der Einkommensbezieher mit einer großen Kinderzahl entsprechend höhere Darlehen bekommt. Ich erinnere daran, daß wir durch die Familienzusatzdarlehenentsprechende zusätzliche Finanzierungsmöglichkeiten erschließen und hierdurch die Eigentumsbildung wesentlich fördern.Wir begrüßen es, daß das Land Nordrhein-Westfalen in Erkenntnis der Bedeutung dieser Maßnahmen wesentlich aufgestockt hat. Nach der Debatte, die wir in diesem Hause vor wenigen Wochen geführt haben, ist es auch unser Bestreben, auf der Bundesebene gleichzuziehen und hier diese Eigentumsförderung entsprechend auszubauen. Darum darf ich abschließend auf die besondere Aktion des Herrn Bundespräsidenten hinweisen.Ich darf im übrigen folgendes sagen. Die Gegenüberstellung von Beziehern großer Einkommen und Besitzern großer Vermögen einerseits und von „kleinen Leuten" andererseits erinnerte an Zeiten, von denen wir eigentlich glaubten, daß sie vergangen seien; sie erinnerte an die Zeiten des Klassenkampfes.Was würden Sie sagen, meine Damen und Herren, wenn ich gegenüber Ihrem Hinweis auf die Vermögensbildung im Bereiche des Grundeigentums bei den privaten Besitzern an die großen gemeinnützigen Gesellschaften erinnern wollte, die beispielsweise in den Händen der Kommunen auch eine sehr erhebliche Vermögensbildung betrieben haben? Es geschah oft in der Weise, daß man ihnen günstige Grundstücke zu sehr niedrigen Preisen zuschob und für den Einsatz der öffentlichen Mittel eine viel geringere Eigenkapitalquote zur Voraussetzung machte als bei den privaten Besitzern. Ich will diese Diskussion hier nicht aufrollen; aber Sie zwingen uns durch diese merkwürdige Gegenüberstellung dazu, die doch etwas verdrehten Tatsachen richtigzustellen.Meine Damen und Herren, in erster Linie handelt es sich bei der zu entscheidenden Frage um die richtige Ertragsermittlung beim Haus; die ist das Primäre. Erst in zweiter Linie kommt die Frage, ob Sie degressiv oder linear abschreiben; ob Sie bei 1 % Abschreibung oder bei einer degressiven Abschreibung einen größeren Vorteil haben.Auch bei der 1%igen Abschreibung hat natürlich der Abschreibende mit einem hohen Steuersatz einen größeren Vorteil als der Abschreibende mit niedrigem Steuersatz. So kann man aber einfach nicht argumentieren.Wir müssen davon ausgehen, welches der Ertrag des Hauses in der Lebenszeit von 50 oder mehr Jahren ist. Hier war die Überlegung, die wir einhellig vor mehr als einem Jahr anstellten, als wir die Suspendierung beschlossen, daß wir auf zeitgemäße Methoden übergehen müßten, weil die Abschreibungsmethoden beim Grundeigentum völlig überlebt sind. Wir müssen einmal davon ausgehen, daß die Häuser infolge der Entwicklung im Wohnungsbau mit den modernen Wohnungsbaumethoden viel schneller unmodern werden, so daß wir nicht nur von der technischen Nutzungsdauer ausgehen können, sondern auch wirtschaftliche Gesichtspunkte stärker berücksichtigen müssen.
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6088 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. April 1964
Gestatten Sie eine ,Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kurlbaum?
Bitte sehr!
Herr Kollege Dr. Hesberg, haben Sie nicht gehört, was ich ausdrücklich erwähnt habe, daß sich der Wirtschaftsausschuß die besondere Mühe gemacht hat, zu der Frage der Abschreibung zwei Sachverständige zu hören? Haben Sie überhört, daß gerade diese Sachverständigen das verneint haben, was Sie eben behauptet haben, daß nämlich die Abnutzung und die Entwertung der Gebäude eine degressive Abschreibung notwendig machten? Gerade diese Frage haben die beiden Sachverständigen übereinstimmend verneint, und von dieser Grundlage mußten wir ausgehen.
Herr Kollege Kurlbaum, die Sachverständigen haben sich nach meiner Orientierung mehr auf die technische Lebensdauer bezogen; auf die wirtschaftlichen Tatbestände ist nicht genügend Rücksicht genommen worden. Vielleicht hören Sie sich aber einmal an, was ich dazu zu sagen habe.
Es ist doch so, meine Damen und Herren, daß heute und schon seit Jahrzehnten — man kann sogar sagen, seit bald einem Jahrhundert — Objekte nur unter Zuhilfenahme von Fremdkapital finanziert werden müssen, daß sich die Finanzierungsmethoden im Wohnungsbau vollkommen verändert haben und daß der Abschreibung, die der einzelne Bauherr für die Einkommensermittlung in Anspruch nehmen kann, die Tilgung gegenübersteht, die sich der Gläubiger ausbedingt, und zwar unter anderem mit Rücksicht auf den ständigen Wertrückgang durch den Verschleiß des Hauses. Wenn sich nun neue Methoden der Finanzierung als absolut notwendig durchsetzen, dann muß die Abschreibung auch auf diese Methoden aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten heraus Rücksicht nehmen. Diese wirtschaftlichen Umstände, die auch sonst zur Förderung der Abschreibung im ganzen wirtschaftlichen Bereich beitragen, müssen auch hier bei der Gebäudeabschreibung mit zum Ausdruck kommen. Aus diesem Grunde geht man aus von einer linearen 2%igen Abschreibung und der Möglichkeit einer degressiven Abschreibung, wie wir sie hier haben, um die Finanzierungsmethoden in etwa dem angleichen zu können.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kurlbaum?
Bitte sehr!
Herr Dr. Hesberg, ich möchte Sie noch einmal fragen, ob Sie wirklich das Protokoll des Wirtschaftsausschusses über die Sachverständigeneinvernahme gelesen haben. Ich stelle die
Frage deshalb, weil Ihnen dann bewußt sein müßte, daß einer der Sachverständigen sich — im Gegensatz zu Ihren Ausführungen — ausdrücklich zur Entwicklung des Verkehrswertes der Gebäude während der Lebensdauer geäußert und die degressive Abschreibung für ungeeignet erklärt hat.
Herr Kollege Kurlbaum, natürlich kann sich der Sachverständige auch irren, wenn er diese Auffassung vertritt. Ich stehe seit mehr als 40 Jahren in der Wohnungs- und Grundstückswirtschaft.
Ich glaube für mich in Anspruch nehmen zu können, daß ich diese Dinge sehr eingehend verfolgt habe. Es ist seit vielen, vielen Jahren meine Auffassung, daß wir die Abschreibungsmethoden gerade im Bereich der Grundstückswirtschaft korrigieren müssen.
Kein Geringerer als der verewigte Vizekanzler Blücher hat schon in den ersten Jahren nach der Gründung der Bundesrepublik auf diese Tatsachen hingewiesen und die alten Abschreibungsmethoden gegeißelt. Meine Damen und Herren, wir können Ihnen daher nur dringend empfehlen, die Betrachtungen, die Sie hier angestellt haben, nicht als richtig anzusehen, sondern den Entschließungen, die der Ausschuß gefaßt hat, Ihre Zustimmung zu geben.
Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da in der Aussprache zu diesem Punkt — bei dem es sich um die Zulassung von degressiven Abschreibungen für alle Neubauten aller Art ab 1965 handelt und nicht um Maßnahmen für den Wohnungsbau, meine sehr verehrten Kollegen Dr. Hesberg usw.! — auf die einstimmig angenommene Entschließung vom März vorigen Jahres Bezug genommen worden ist und dazu einiges klarzustellen ist, kann das wohl zweckmäßigerweise gleich geschehen; dann braucht es später nicht zu erfolgen.Ich muß sagen, es entbehrt nicht des Salzes, um nicht zu sagen, es entbehrt nicht einer gewissen Komik, wenn von seiten der Mehrheitsparteien diese Entschließung heute zitiert wird in demselben Augenblick, wo sie sich durch ihre eigenen Anträge in dieser Sache vollständig von der Entschließung entfernen und dieser damals mit ihnen einstimmig verabschiedeten Entschließung ins Gesicht schlagen. Denn der Kernpunkt dieser Entschließung war ja, wie ich damals bereits hervorgehoben habe — Sie haben es dankenswerterweise selber zitiert, Herr Kollege Dr. Schmidt —, daß § 7 b durch eine Dauerlösung ersetzt werden sollte, daß er nicht mehr auferstehen sollte. Und wenn Sie heute nun eine zweigleisige Lösung vorschlagen, nämlich degressive Abschreibungen für alle Gebäude und einen weiteren § 7 b, dann ist das genau das, was diese Entschließung nicht wollte.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. April 1964 6089
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Bitte sehr!
Herr Kollege Seuffert, in dem, was ich eben als Ihre Ausführungen vorgelesen habe, haben Sie selber ausdrücklich für die Zukunft einen Vorbehalt hinsichtlich der Eigentumsmaßnahmen gemacht.
Ist Ihnen denn nicht entgangen, daß außer den Eigentumsmaßnahmen nunmehr im Sinne der Entschließung alles unter die degressive Abschreibung gestellt worden ist,
so daß wir nach der Suspendierung im Rahmen des § 7 b keinen Mietwohnungsbau mehr haben? Das scheint mir, wie man auch immer zu dem Kompromiß stehen mag, doch ein entscheidender Fortschritt zu sein.
Herr Kollege Schmidt, wir haben natürlich seinerzeit davon gesprochen, daß Eigentumsmaßnahmen zu fördern sind. Wie Eigentumsmaßnahmen zweckmäßig zu fördern wären, nämlich durch ein Prämiensystem zum Beispiel, darüber haben wir Ihnen jetzt schon einen Vorschlag gemacht. Aber ich glaube, es ist vollständig eindeutig, daß die damalige Entschließung bedeutete: anstatt und nicht dazu, Herr Kollege Dr. Schmidt.
Daß durch diese degressiven Abschreibungen Gesichtspunkte der Wohnungspolitik berücksichtigt werden, den Nachweis sind Sie mir erst noch schuldig!
— Wir sprechen jetzt, Herr Kollege Czaja, von den degressiven Abschreibungen für Neubauten aller Art.
Gesichtspunkte der Wohnungspolitik kann ich hier nicht entdecken. Wenn wir sie entdecken könnten, Herr Kollege Czaja, dann wäre die Sache vielleicht etwas anders.
— Nein, ich spreche zu der Frage der degressiven Abschreibungen, verzeihen Sie sehr!
Ich möchte dazu noch folgendes sagen: Wenn in der damaligen Entschließung die Möglichkeit von degressiven Abschreibungen auch angesprochen
worden ist— und auch dem haben wir zugestimmt —, so liegt inzwischen eine massive und ausführlich begründete Stellungnahme der Regierung vor, das gehe nach ihrer Ansicht nicht. Auch der Bundesrat hat sich schon sehr eindeutig dahin ausgesprochen, daß er derselben Ansicht ist wie die Regierung, degressive Abschreibungen für alle Gebäude könne man nicht einführen; ganz abgesehen davon, daß eine damalige grundsätzliche Entschließung nichts darüber besagen kann, in welchem Augenblick, in welcher Konjunkturlage und in welcher Höhe man derartige Maßnahmen einführen kann.
Was Sie, Herr Kollege Dr. Schmidt, in diesem Zusammenhang über die Gleichmäßigkeit der Besteuerung gesagt haben, hat mich keineswegs überzeugt. Ich glaube, daß weder die Wirtschaft noch der Steuerfiskus sich mit dem Gesichtspunkt einverstanden erklären kann: Betriebsgebäude ist Betriebsgebäude. Daß gerade dort sehr verschiedene Verhältnisse vorliegen und sehr verschiedene Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind, ist wohl Gemeingut auf diesem Gebiet. Wenn wir damals der Anregung, der Möglichkeit degressiver Abschreibungen näherzutreten, zugestimmt haben, so war das eher auf degressive Abschreibungen bei Wohngebäuden gemünzt; denn da ist — das räume ich ein — eine gewisse Gleichmäßigkeit der Verhältnisse gegeben, die bei Betriebsgebäuden eben nicht gegeben ist.
Ich glaube, Sie müssen uns zugeben, daß Ihre Stellungnahme gerade gegenüber der damaligen Entschließung unlogisch ist und daß sie einfach darauf zurückzuführen ist — Sie selbst, Herr Kollege Dr. Schmidt, haben es ja noch einmal ausgesprochen —, daß Sie hier ein Kompromiß verteidigen, das Sie unter sich geschlossen haben. Über diese Methode, unter sich Kompromisse zu schließen, statt mit der Opposition die Kompromisse zu schließen, was gesündere Kompromisse ergeben könnte, und über die Wirkungen dieser Methode, dann diese Kompromisse über Stock und Stein zu verteidigen, hat Ihnen Frau Kollegin Beyer neulich im Ausschuß eine wohlverdiente Gardinenpredigt gehalten.
Derartige Predigten werden Sie vielleicht noch öfters, auch von dieser Stelle, von uns hören.
Ich bitte nochmals, unseren Antrag anzunehmen, bei der damaligen Entschließung zu verbleiben, der Regierung und ihrer Begründung zu folgen und neben der vorgesehenen Weitergeltung des § 7 b keine degressiven Abschreibungen für Neubauten aller Art zuzulassen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Aschoff.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe es für zweckmäßig gehalten, mich noch einmal zu Wort zu melden. In der Aussprache ist wiederholt darauf hingewiesen worden,
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6090 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. April 1964
Dr. Aschoffdaß Sachverständige, die im Wirtschaftsausschuß gehört worden sind, ihre Meinung vorgetragen haben, und sie ist hier soeben wiedergegeben worden. Es könnte jedoch der Eindruck entstehen, daß der Wirtschaftsausschuß sich dieser Auffassung angeschlossen hätte.Zum Tatbestand möchte ich zunächst folgendes feststellen. Der Wirtschaftsausschuß hat sich in zwei Sitzungen mit den Problemen beschäftigt, die heute anstehen, in der ersten Sitzung gemeinsam mit dem Ausschuß für Wohnungswesen in Anwesenheit des zuständigen Ministers. Damals lag sowohl der Regierungsantrag als auch der Antrag des Kollegen Schmidt vor. Wir haben in einer sehr ausführlichen Aussprache die Auswirkungen auf den Haushalt und auf die Konjunktur zusammen mit dem Wohnungsministerium und dem Finanzministerium erörtert. Es ist dann erwogen worden, einmal Sachverständige zu hören. Dabei stellte sich heraus, daß es außerordentlich schwierig war, Sachverständige zu finden, die sich zu der im Wirtschaftsausschuß in erster Linie interssierenden Frage der konjunkturpolitischen Auswirkungen der anstehenden Gesetzesvorlagen äußern könnten. Wir haben uns auf zwei von der Bundesregierung benannte Sachverständige beschränkt, von denen der eine Beamter des Bundesschatzministeriums ist.Am Tage der Anhörung der beiden Sachverständigen war ich verhindert. Die Sitzung meines Ausschusses wurde von dem Kollegen Brand geleitet. Ich habe mir aber das Protokoll noch einmal geben lassen. Es ist richtig, Herr Kollege Kurlbaum: der Sachverständige Schneider hat zum Ausdruck gebracht, daß die jetzt vorgesehene lineare Abschreibung bei 50jähriger Nutzungsdauer ausreichen würde. Es ist richtig, daß der Herr Sachverständige Brückner nachher im Gegensatz zu Herrn Schneider die Zweckmäßigkeit — das ist wichtig — der linearen Abschreibung nicht hinsichtlich ihrer Wirkung auf die Aufwand- und Ertragsseite untersucht hat, sondern im Hinblick auf die Entwicklung der Verkehrswerte für Altgebäude. Für mich sind also die Aussagen der Sachverständigen im wesentlichen unter dem Gesichtspunkt betriebswirtschaftlicher Überlegungen interessant gewesen, aber in keiner Weise aussagefähig für eine konjunkturpolitische Betrachtung.Ich darf darauf hinweisen, daß laut Protokoll auch die Vertreter Ihrer Fraktion festgestellt haben, unter Berücksichtigung der Bautechnik könne unter Umständen eine progressive Abschreibung bei Betriebsgebäuden zweckmäßig sein. Entscheidend ist doch, daß der Ausschuß zum Schluß, wenn auch mit knapper Mehrheit, eine Entschließung gefaßt hat, in der er zum Ausdruck gebracht hat, daß der § 7 b auf Familienheime und Eigentumswohnungen beschränkt sein sollte — unter bestimmten Modifikationen —, daß bei Wohngebäuden dem Bauherrn das Recht zur Wahl zwischen der linearen und der progressiven Abschreibung gewährt werden sollte und daß bei Betriebsgebäuden die degressive Abschreibung wenn überhaupt, dann nur bei Ansatz einer 50jährigen Nutzungsdauer in Anspruch genommen werden könnte. Mit dieser Stellungnahmedes Ausschusses haben wir unsere Stellungnahme an den Finanzausschuß abgegeben und sind dann bei dieser Lage der Sache — geschäftsordnungsmäßig klar — zu der sich aus unseren Anregungen und den weiteren Anregungen ergebenden, aus den Verhandlungen des Finanzausschusses gekommenen endgültigen Vorlage unsererseits gar nicht mehr gehört worden. Ich wollte das zum Tatsächlichen feststellen.Zur Sache wollte ich noch einmal unterstreichen, was Herr Kollege Schmidt gesagt hat. Ich halte es für ein völlig untaugliches Mittel der Konjunkturpolitik, die langfristige Abschreibung in das Instrumentarium der Konjunkturpolitik aufzunehmen. Das ist schlechterdings nicht möglich.Herr Kollege Kurlbaum, Sie wissen sehr genau, daß ich bereit bin, jede Unterhaltung über Konjunkturpolitik zu führen, und durchaus mit vielen der Meinung bin, daß auf diesem Gebiete gewisse Aktivierungen wünschenswert und erforderlich sind. Wenn wir das erörtern wollen, wird dem nichts im Wege stehen. Dann sollten wir aber doch überlegen, daß, abgesehen von der .einseitigen Darstellung — verzeihen Sie, daß ich zumindest diesen Vorwurf erheben muß — der angeblich asozialen Rückwirkung der Vorlage, die Frage einer konjunkturellen Beeinflussung eines überhitzten Baumarktes im wesentlichen nach den Gesichtspunkten beurteilt werden muß, die Herr Schmidt schon angedeutet hat. Es kommt nämlich darauf an, wieweit die Finanzierung derartiger Bauvorhaben entweder vom Gesetzgeber oder von der Verwaltung mit den Konjunktursituationen in Einklang nicht gebracht werden kann; das heißt, daß dort Restriktionen, und zwar flexible, vorzunehmen sind.Ferner sollten wir prüfen, ob wir uns bei dieser Gelegenheit nicht erneut mit der Frage beschäftigen sollten, wieweit die öffentliche Hand bis zur Ebene der Gemeinde durch ihr Verhalten alle Maßnahmen, die konjunkturell erwünscht sind, wieder konterkariert. Damit stehen wir in keiner Weise im Gegensatz zu den Anregungen des EWG-Ministerrates. Wir sollten uns auch überlegen, wo Konjunkturmaßnahmen — wenn ich unterstelle, daß manche fehlen; und ich bin sogar dieser Meinung — ergriffen werden sollten, und zwar mit den Methoden, die zweckmäßig sind, auch auf diesem Gebiet.Ich habe damals schon die Ehre gehabt, für meine Fraktion zu erklären: die Wirtschaft und der einzelne müssen unter allen Umständen wissen, was am 1. Juli Rechtens ist. Wenn wir wie gestern lang und breit über den Rechtsstaat sprechen, gehört auch das dazu: daß die Menschen wissen, nach welchen Gesetzen sie regiert werden, und wir sollten nun nicht gegenseitig unsere einzelnen gedanklichen Hobbies abreagieren. Wir lehnen dehalb Ihren Antrag nach wie vor ab.
Herr Abgeordneter Kurlbaum!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte hier nicht die konjunktur-
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. April 1964 6091
Kurlbaumpolitische Debatte in der Breite fortsetzen, wie es zur Bewältigung der Probleme notwendig wäre. Ich freue mich aber, daß Herr Dr. Schmidt und Herr Dr. Aschoff dieses Problem endlich einmal wirklich auf die Tagesordnung gesetzt sehen wollen.Ich möchte nur, um dem Hause vor der Abstimmung ein richtiges Bild von den tatsächlichen Auswirkungen auf den Haushalt zu geben, zu einer Bemerkung von Herrn Dr. Imle Stellung nehmen. Er hat gesagt, daß der Unterschied zwischen der Regierungsvorlage und der Vorlage der beiden Regierungsfraktionen nur in einer Mehrbelastung des Bundeshaushalts bei der letzteren von nur 10 Millionen DM bestehe. Die Feststellung von Herrn Dr. Imle beschränkt sich ausschließlich auf das Jahr 1965. Man hätte erwarten können, daß Herr Dr. Imle, wenn er schon diese Zahlen bekanntgibt, gleichzeitig auch gesagt hätte, daß die Mehrbelastung des Bundeshaushalts durch die Vorlage der beiden Regierungsfraktionen — gegenüber der Vorlage der Bundesregierung — bis zum Jahre 1974 auf 210 Millionen DM pro Jahr steigt.
— Das ist etwas ganz anderes, das ist nur der Unterschied zwischen den beiden Vorlagen.
Herr Abgeordneter Seuffert!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Damit im Hause kein falscher Eindruck bleibt, muß ich folgendes sagen. Mein Freund Kurlbaum hat soeben Zahlen verwandt, die im Finanzausschuß vorgelegt worden sind und die die Differenzen zeigen zwischen den Auswirkungen des jetzigen Antrags der Regierungsfraktionen und denen der Regierungsvorlage. Die Regierungsvorlage hatte eine weitaus umfangreichere Begünstigung nach § 7 b vorgesehen und keine degressiven Abschreibungen. Die Zahlen, die mein Freund Kurlbaum soeben genannt hat, beziehen sich nicht etwa auf die Kosten der degressiven Abschreibung. Die dürften bereits im ersten Jahr — die Zahl von 10 Millionen DM ist meines Wissens inzwischen aus dem Bundesfinanzministerium auf 50 bis 60 Millionen DM berichtigt worden — wohl bei etwa 150 Millionen DM liegen. Die Zahlen, die soeben verwandt worden sind, bedeuten etwas ganz anderes, nämlich die Differenz zwischen dem, was der ja auch von Ihnen inzwischen fallengelassene, sehr umfangreiche § 7 b des Regierungsentwurfs gekostet hätte, und dem, was die degressiven Abschreibungen effektiv kosten. Damit das nicht falsch stehenbleibt, wollte ich es eben klarstellen.
Keine weiteren Wortmeldungen.
Ich lasse abstimmen über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD — Umdruck 450 Ziffer 1 —. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Änderungsantrag unter Ziffer 1 ist abgelehnt.
Ich rufe den Änderungsantrag Umdruck 450 Ziffer 2 auf. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Keine Begründung. — Keine Wortmeldungen. Wer dem Antrag unter Ziffer 2 des Umdrucks 450 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Der Antrag ist abgelehnt.
Ziffer 3! — Keine Wortmeldungen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Der Antrag ist abgelehnt.
Ziffer 4! Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Der ganze Antrag ist abgelehnt.
Meine Damen und Herren, ich lasse über Art. 1 Nr. 1 in der Fassung des Ausschusses abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Art. 1 Nr. 1 ist angenommen.
Nun zu Nr. 2! Hierzu rufe ich den Änderungsantrag Umdruck 449 unter Ziffer 1 auf. Es ist ein Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP. — Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf zunächst ein paar redaktionelle Berichtigungen vornehmen. In der Überschrift unter Ziffer 1 soll es nicht heißen „§ 7", sondern „§ 7 b", und unter a) soll es in der dritten Zeile „kann abweichend von den Sätzen 1 und 2 für alle ..." heißen, — also nicht von Satz 1, sondern von den Sätzen 1 und 2. Dann muß es unter a in der fünften Zeile nicht „Eigentumswohnungen", sondern „Kaufeigentumswohnungen" heißen.Meine Damen und Herren, mit diesem Änderungsantrag wollen wir eine Bestimmung in die Ausschußvorlage hineinnehmen, durch die das Institut des Kaufeigenheims gefördert wird. Wir stellen in zunehmenden Maße fest, daß gerade die Bezieher kleiner Einkommen nicht in der Lage sind, die Betreuung eines Eigenheims selbst vorzunehmen, weil es so schwierig wird, die Finanzierungsbestimmungen, aber auch die baupolizeilichen Bestimmungen einzuhalten. Diese Personen gehen lieber dazu über, fertige Eigenheime zu kaufen. Wir stellen das insbesondere bei den Werksiedlungen und ähnlichen Institutionen fest. Das Kaufeigenheim ist unserer Ansicht nach der Zeit angemessen, modern; und wir sollten die Förderung beibehalten, die es bisher genoß. Es wurde nämlich ein gewisser Anreiz für die Träger dieser Institutionen geschaffen, indem diese nach § 54 des Einkommensteuergesetzes als Träger oder als Hersteller im ersten Jahr 71/2 % abschreiben konnten. Das ist nicht mehr möglich, seitdem wir die Eigentumsförderung auf ein oder zwei Eigenheime je Steuerpflichtigen beschränkt haben. Damit fällt also der Anreiz weg, solche Eigenheime herzustellen.Wir möchten mit diesem Antrag, in dem wir dem Hersteller der Gebäude die Möglichkeit für eine Abschreibung von zwei mal 5 % geben, diesen Anreiz bestehen lassen, weil wir meinen, daß damit gerade den breiten Schichten, von denen Sie vorhin
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6092 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. April 1964
Dr. Steckerals den Beziehern kleiner Einkommen gesprochen haben, geholfen werden kann. Ich bitte daher, diesem Antrag zuzustimmen.
Sie haben die ,Änderungen zur Kenntnis genommen, meine Damen und Herren. Herr Kollege Stecker, kann nachher im ganzen oder muß ziffernweise abgestimmt werden?
— Es kann im ganzen abgestimmt werden. Herr Abgeordneter Seuffert!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß mich namens der Opposition mit Nachdruck gegen diesen Antrag wenden. Wenn uns die Ausschußfassung des künftigen § 7 b trotz der erheblichen Bedenken, die mein Freund Kurlbaum bereits hervorgehoben hat, allenfalls als nochmalige Zwischenlösung diskutabel erscheinen konnte, so deshalb, weil sie auf ein Eigenheim oder eine Eigentumswohnung usw. für einen Steuerpflichtigen beschränkt und weil sie befristet ist, wenn auch nach unserer Auffassung zu lang. Wir haben entsprechende Anträge im Ausschuß gestellt. Sie sind abgelehnt worden. Wir haben es nicht für opportun gehalten, darauf zurückzukommen. An sich ist die Befristung auf zehn Jahre bereits zu lang.
Der Antrag, der nunmehr von den Mehrheitsfraktionen gestellt wird, will genau das beseitigen. Was die Herstellung von Kaufeigenheimen usw. anlangt, so ist nach der im Ausschuß vorgelegten Konzeption die Möglichkeit gegeben, daß der Bauherr die Sonderabschreibung dem sogenannten Ersterwerber der Kaufeigenheime usw. überläßt, und er soll das tun. Das ist der Sinn der Sache. Denn es handelt sich hier um Förderung der Eigenheime und Begünstigung von Eigentumsmaßnahmen, es handelt sich nicht um die Begünstigung der Fabrikation von Eigenheimen. Bei Annahme dieses Antrages würde der Sinn der Sache vollständig in das Gegenteil verkehrt. Dann ist es nicht mehr Eigenheimförderung, dann ist es nicht mehr eine Eigentumsmaßnahme, die gefördert wird, sondern dann ist es einfach wieder das große 7-b-Geschäft, das hier begünstigt wird. Entsprechendes gilt für die Aufhebung der Befristung. Diese Befristung ist das einzige, was noch übriggeblieben war von der seinerzeit auch von Ihnen einstimmig gefaßten Entschließung, daß der § 7 b durch eine Dauerlösung ersetzt werden soll. Auch diesen einzigen Rest wollen Sie mit dem neuen Antrag nunmehr streichen.
Meine Damen und Herren, wenn Sie nunmehr so vorgehen und die noch einigermaßen erkennbaren Grundlagen Ihres Kompromisses, das der Ausschußfassung zugrunde liegt, in dieser Richtung und in dieser Weise verlassen, dann wird das Gesetz — das muß ich sagen — schon aus diesem Grunde für uns unannehmbar.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Hesberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Seuffert, ich muß Ihrer Argumentation widersprechen. Ich glaube, Sie haben die Hintergründe wirtschaftlicher und sozialer Art vollkommen übersehen. Worum geht es hier? Die Begünstigung von Kaufeigenheimen und Trägersiedlungen geht aus von der Überzeugung und dem Tatbestand, daß heute 'der Bau eines Familienheims gerade für kleine Leute, für Bezieher kleiner Einkommen besonders gefördert werden muß, daß er aber zu einem günstigen Preis nur gefördert werden kann, wenn man solche Objekte in größerer Menge herstellt. Der Einzelbau kommt immer teurer als beispielsweise eine Siedlung mit Reihenhäusern und ähnliche Methoden der Massenfertigung. Dieser Bau von Siedlungen zum Verkauf an Eigenheimwillige soll begünstigt werden. Wir bieten damit preislich eine günstigere Lösung, als es der Einzelbau ist.
Wenn solche Bauten errichtet werden, liegt darin doch auch ein gewisses Risiko für den Unternehmer. Deswegen muß diese Vergünstigung in der Form gegeben werden, wie wir sie vorgesehen haben.
Daß damit nun Steuergeschenke gemacht werden, kann doch nicht behauptet werden; denn durch diese Zuweisung der zweimal 5 % wird ja die Abschreibung beim Erwerber gekürzt. Der Staat hat hierdurch keine Nachteile. Wir haben auf der anderen Seite aber die wirtschaftlichen Vorteile, daß der Kaufeigenheimerwerber zu günstigeren Bedingungen zu dieser Eigentumsbildung kommt, und das ist für uns das Entscheidende.
Meine 'Damen und Herren, im übrigen haben Sie bemängelt, daß die Befristung auf zehn Jahre hier gestrichen werden soll. Wir sind der Überzeugung, daß die Eigentumsbildung gerade beim kleinen Eigenheim noch auf lange Jahre der Förderung bedarf.
Das liegt im Sinne unserer Bestrebungen zur Eigentumsbildung in breiten Schichten der Bevölkerung. Daher halten wir es für unzweckmäßig, hier eine Befristung auf zehn Jahre vorzusehen. Wenn wir daran 'denken, welche Aufgaben 'auf dem Gebiet des Wohnungsbaues noch im Rahmen der Sanierung und der Raumordnung sich für uns ergeben, dann scheint es uns nicht möglich, hier eine Beschränkung auf zehn Jahre vorzusehen. Wir wollen vielmehr auch gerade den kleinen Sparern rechtzeitig die Möglichkeit geben, für spätere Zeiten anzusparen und dann diese Vorteile bei der Gebäudeabschreibung zu genießen. Auf diese Weise wollen wir wirklich Eigentum in Arbeitnehmerhand fördern.
Herr Abgeordneter Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Hesberg, es ist wirklich schwer verständlich, wie man den Sachverhalt und die Fragen, um die es sich in Ziffer 1 a Ihres Antrags
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. April 1964 6093
Seufferthandelt, so .schief darstellen und so falsch vortragen kann. Wenn Sie damit den kleinen Sparern auf die Tränendüsen drücken wollen, handelt es sich in Wirklichkeit bei Ihrem Antrag doch um genau das Gegenteil. Die Herstellung von Kaufeigenheimen auf dem Wege, daß mehrere zusammen gebaut und für die künftigen Käufer bereitgestellt werden, ist selbstverständlich auch in der Ausschußkonzeption vorgesehen. Es geht in diesem Fall kein Prozent der Sonderabteilung verloren, nur können und sollen ,grundsätzlich diese Abschreibungen dem Erwerber und nicht dem Hersteller des Kaufeigenheims zukommen. Das ist nämlich der Sinn des § 7 b, wenn er überhaupt einen hat. Was Sie jetzt wollen, bedeutet, auch dem Bauherrn, der nicht verkauft, die Abschreibungen zu geben.
— Dann verstehe ich Ihren Antrag erst recht nicht. Wenn er verkauft hat, dann kann er ja nicht mehr die Abschreibungen in Anspruch nehmen. Er kann sie nur in Anspruch nehmen, solange er behält. Dann verstehe ich Ihren Antrag dreimal nicht.
Darf ich dazu etwas sagen. Herr Kollege Sreuffert, Sie sind sich darüber im klaren, daß er nur zweimal die 5 % abschreiben kann, und zwar einmal im Baujahr
unid dann im zweiten Jahr. Dann muß er abgeben. Das ist der Sinn der Sache. Außerdem muß er, wenn er noch etwas bei der Abgabe gewinnt, das versteuern.
Natürlich kann er es nur innerhalb der Bilanz, aber alles, was er hier abzieht, geht doch dem zu berücksichtigenden Eigentumsdem Ersterwerber verloren.
Bitte sehr, Herr Abgeordneter Schmidt, wenn Herr Seuffert es erlaubt, fragen Sie doch!
Herr Seuffert, ist Ihnen nicht klar, daß wir doch alle miteinander der Auffassung waren, daß die Einfamilienheimrverordnung mit den Abschreibungssätzen überprüft werden muß, wenn überhaupt die Abschreibungen zugunsten des Erwerbers im Sinne dieses Gesetzes wirksam werden sollen?
Nein, nein, das ist alles nicht notwendig, der Erwerber kann sie ohne weiteres nachholen.
Der Antrag heißt, daß entgegen dem Prinzip, das wir festgelegt haben, der Fabrikant von Kaufeigenheimen für eine unibegrenzte Zahl von Eigenheimen
§
713 in Anspruch nehmen und damit das große 7-b-Geschäft weiterführen kann.
Also eins ums andere. Immer streiten sich zwei ums Mikrophon.
Herr Seuffert, es handelt sich doch darum, daß das nachher in der Bilanz wieder aktiviert werden muß. Das ist doch der ganze Dreh, um 'den es sich handelt.
Eine Sekunde! Es ist eine ganz vernünftige Art des Diskutierens, zu der wir kommen müssen. Es ist trotzdem nicht statthaft, Sie müssen alles, was Sie sagen, in Frageform setzen.
Ich habe die Frage an den Schluß gestellt.
Ich habe das Fragezeichen nicht gehört.
So reizvoll es wäre — der Herr Präsident hat es soeben gesagt —, sollten wir die Diskussion darüber, was passieren kann, wenn der Kaufpreis so oder so bemessen wird — wofür keinerlei Garantien unid Vorkehrungen in Ihrem Antrag getroffen sind —, hier vor dem Plenum nicht weiterführen. Ich wollte nur einmal klargestellt haben, daß es sich um nichts handelt, was irgendwie zugunsten der sogenannten kleinen Sparer, der Eigenheimerwerber ginge; denn dem kommt alles, was ihm zukommen soll, auch zu, wenn das nicht angenommen wird. Im Gegenteil, hier wird ihm etwas weggenommen.
Herr Abgeordneter Meis.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man kann nur staunen, daß sogar der erste Fachmann der SPD in Steuersachen doch nicht so richtig mitbekommen hat, worum es sich handelt. Herr Dr. Hesberg hat es recht deutlich gesagt. Es soll ein Anreiz gegeben werden. Der Anreiz besteht in der Abschreibungsmöglichkeit. Jetzt ist die Sicherung eingebaut worden, daß der Betreffende die Abschreibung nicht endgültig für sich in Anspruch nehmen kann, weil sie in der Bilanz steht. Wenn er zu einem höheren Preis als zum Buchwert veräußert, muß er selbstverständlich den Unterschiedsbetrag versteuern. Darin liegt doch der Anreiz für die Trägergesellschaft, die Abschreibung weiterzugeben. Das ist in 'der Praxis schon wiederholt geschehen. Der Anreiz, diese Abschreibung dem Erwerber weiterzugeben, kann nicht besser fundiert werden.
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6094 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. April 1964
Meis— Ich glaube, ich habe noch das Wort, nicht Sie. — Man sollte also hierbei bleiben und alle diejenigen fördern, die bereit sind, denjenigen, die ein Eigenheim oder eine Eigentumswohnung bauen wollen, das Risiko des Bauens, die Planung, die Arbeit und was sonst noch damit zusammenhängt, abzunehmen. Wenn sie dann zweimal 5 % Abschreibung in Anspruch nehmen können und wegen der steuerlichen Wirkung verpflichtet sind, sie weiterzugeben, kann das nur eine gute Sache sein. Deswegen bitte ich, dem Antrag zu entsprechen.
Die Debatte über die Ziffer 1 ist damit abgeschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Aber, Herr Abgeordneter Czaja, Sie haben mir gesagt, man könne über das Ganze abstimmen lassen. Ich habe da eine sachverständige Mitarbeiterin, die mich ganz anders instruiert hat, und der muß ich folgen. Sie hat mich instruiert, daß man zunächst nur über Ziffer 1 a abstimmen kann und dann über die Ziffern 1 b und c zusammen. So wird es gemacht.
Ziffer 1 des Änderungsantrags der Fraktionen der CDU/CSU, FDP auf Umdruck 449. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das erste ist die Mehrheit; angenommen.
Wird zu 1 b und 1 c noch das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den Ziffern 1 b und 1 c zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.
Ziffer 2. Wird das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Stecker.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will nur ganz kurz klarmachen, was Herr Kollege Hesberg schon angeschnitten hat, nämlich daß die Befristung der Eigentumsförderung auf zehn Jahre aus dem Entwurf herausgenommen worden ist. Das bedeutet nicht eine Änderung unserer Politik, sondern besagt, daß wir nicht für zehn Jahre — —
Wir haben über a, b und c abgestimmt.
Es ist also bereits darüber abgestimmt. Dann brauche ich nicht mehr darüber zu reden.
Wissen Sie, Herr Kollege Stecker, wenn der Präsident vorher wüßte, was bedeutende Redner hier sagen wollen, dann könnte er ihnen ja in solchen Fällen zu Hilfe kommen. — Also gut, das ist erledigt.
Wir stimmen nunmehr über Ziffer 2 des Antrags Umdruck 449 ab. Wer zuzustimmen wünscht, gebe
bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen. — Damit ist der ganze Änderungsantrag Umdruck 449 angenommen.
Wir stimmen ab über die so geänderte Fassung der Nrn. 2 bis 7 des Art. 1. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Art. 2, — Art. 3, — Einleitung und Überschrift. — Änderungsanträge liegen nicht vor. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ist angenommen. Damit ist die zweite Lesung beendet.
Wir kommen zur
dritten Lesung.
Allgemeine Aussprache! Wird das Wort gewünscht? — Bitte sehr, Herr Abgeordneter Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieses Gesetz enthält drei Neuregelungen. Erstens setzt es die Normalabschreibung für Gebäude neu fest, indem es gewisse, gegenüber der bisherigen Praxis erhöhte Mindestabschreibungen einführt. Diesen Punkt hätten wir nicht zum Streitgegenstand bei der Entscheidung über das Gesetz gemacht, obwohl es durchaus fraglich sein kann, ob diese Maßnahme in diesem Augenblick und in dieser Höhe gerechtfertigt ist. Wir werden die Stellungnahme dazu zunächst dem Bundesrat überlassen.Zweitens werden degressive Abschreibungen für alle Neubauten aller Art eingeführt. Die Bundesregierung ist dagegen, der Bundesrat ist dagegen. Was wir dazu zu sagen haben, haben wir ausgeführt. Unter dem Gesichtspunkt des Steuerausfalls, der im Zusammenhang gesehen werden muß mit der Realisierung der Steuersenkungspläne, die bestehen, und unter dem Gesichtspunkt der Konjunkturpolitik ist die Maßnahme in diesem Augenblick nicht vertretbar. Es ist ganz klar, daß die Einführung erhöhter Abschreibungen für Neubauten eine Anheizung des Baumarktes bewirkt; da beißt die Maus nun wirklich keinen Faden ab.Was den § 7 b anlangt, so habe ich vorhin schon angedeutet, daß die Ausschußfassung dieses Paragraphen für uns noch keinen Grund abgeben müßte, trotz aller Bedenken, die bestehen, das Gesetz abzulehnen. Sie haben dem § 7 b durch die in zweiter Lesung angenommenen Anträge ein wesentlich anderes Gesicht gegeben und haben die Einschränkungen, mit denen er noch für tragbar gehalten . werden konnte, fallengelassen. Ich bin zuletzt auch mit dem Kollegen Meis einig geworden und von ihm darin bestätigt worden, daß es sich bei dem, was Sie da vorgenommen haben, nicht um eine Begünstigung der Eigenheimerwerber, sondern um eine Begünstigung derjenigen handelt, die Eigenheime herstellen.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. April 1964 6095
Seuffert— Genau das haben Sie gesagt. Lesen Sie es im Protokoll nach. Das ist dasselbe, was ich gesagt habe; wir sind einig, Herr Kollege Meis.
— Lesen Sie es nach; wir sind einig, Herr Kollege Meis.Bei unseren Erwägungen wäre die Ausschußfassung des § 7 b nicht der Stein des Anstoßes gewesen. Im jetzigen Augenblick ist aber eine in diesem Umfange eingeführte degressive Abschreibung bei allen Gebäuden — sie wird auf das Erheblichste von der Bundesregierung bekämpft und vom Bundesrat bereits eindeutig abgelehnt — unvertretbar.Aus all diesen Erwägungen überwiegt bei uns doch die Schlußfolgerung, daß wir das Gesetz nunmehr ablehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Schlee.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem Herr Kollege Seuffert vor der Schlußabstimmung der dritten Lesung noch einmal die Einwendungen der SPD vorgetragen hat, möchte ich mir erlauben, im Namen der Fraktion der CDU/CSU das kurz herauszustellen, was uns veranlaßt, Sie um die Annahme dieses Gesetzes zu bitten.Dieses Gesetz entspricht in der Tat weitgehend der Entschließung des Bundestages vom 13. März 1963. Herr Dr. Schmidt hat schon daran erinnert, und ich will es ebenfalls noch einmal tun: jene Entschließung ist ohne Gegenstimmen angenommen worden, und Herr Kollege Seuffert hat damals zum Ausdruck gebracht, daß sie auch von der Fraktion der SPD begrüßt werde. Herr Kollege Seuffert, es ist nicht richtig, wenn Sie nun behaupten, es sei unlogisch, daß wir Ihre damalige Befürwortung der Entschließung nun nicht eingeschränkt auslegten. Der uns vorliegende Text aus Ihrer damaligen Ansprache ist schlechthin eine Gutheißung dessen, was der Bundestag auf Antrag des Finanzausschusses wollte.Allerdings sollten damals auch Gesichtspunkte der Raumordnungspolitik berücksichtigt werden. Aber das ist natürlich in einem Steuergesetz nicht möglich. Die Hauptziele waren: Erstens sollte überprüft werden, ob eine Nutzungsdauer von 100 Jahren für Gebäude weiterhin gelten solle oder eine Nutzungsdauer von 50 Jahren den gegenwärtigen und zukünftigen Verhältnissen besser gerecht werde. Zweitens sollte — und zwar schlechthin war das empfohlen worden — die degressive Abschreibung eingeführt werden. Drittens sollte versucht werden, den § 7 b in eine Dauerlösung des § 7 einzufügen.Meine Damen und Herren, was Ihnen nunmehr zur Abstimmung in der dritten Lesung vorliegt, entspricht den Vorstellungen der Bundesregierung, den Vorstellungen der Mehrheit des Finanzausschusses und auch weitgehend den Vorstellungen unsererKollegen, die sich der Wohnungsbaupolitik angenommen haben.Wir sind uns natürlich darüber im klaren, daß wir mit jedem neuen Gesetz ein gewisses Wagnis eingehen. Jede Gesetzgebung, die das Bestehende aufgeben und etwas Neues einführen will, das sie für den Verhältnissen der Zukunft gemäßer hält, war immer mit einem gewissen Wagnis verbunden.Ich will auch nicht verkennen, daß die drei Neuerungen, die nunmehr in diesem Gesetz enthalten sind, erstens die Nutzungsdauer von 50 Jahren für die Abschreibung von Gebäuden, zweitens die degressive Abschreibung und drittens der § 7 b in seiner neuen Fassung, zueinander in einem gewissen Verhältnis der Steigerung stehen.Zu der Abschreibung in 50 Jahren: Bisher wurde die Abschreibung bei Gebäuden nach der tatsächlichen Nutzungsdauer festgelegt, die geschätzt wurde. Die Praxis ist in der Regel bei Wohngebäuden von einer Nutzungsdauer von 100 Jahren und bei Betriebsgebäuden von einer Nutzungsdauer von 50 Jahren ausgegangen. Das entspricht dem Bericht der Bundesregierung. Nunmehr soll allgemein eine Nutzungsdauer von 50 Jahren eingeführt werden. Ich möchte sie eine fiktive nennen, weil jeder, der Erwerber wie der Bauherr, bei der Abschreibung diese 50 Jahre in Anspruch nehmen darf, ohne daß er sich eine längere Nutzungsdauer entgegenhalten lassen muß. Natürlich wird auch in Zukunft ein Gebäude oft für eine längere Zeit Gegenstand der Abschreibung sein, z. B. wenn es 25 Jahre nach seiner. Herstellung veräußert wird und für die Abschreibung der Anschaffungskosten wiederum. 50 Jahre in Anspruch genommen werden. Aber das Gesetz sieht auch vor, daß eine kürzere tatsächliche Nutzungsdauer, wenn sie festgestellt wird, einer linearen Abschreibung unterworfen wird. Wir erwarten gerade von der Festlegung der Nutzungsdauer von 50 Jahren als normale Abschreibungszeit eines Gebäudes, daß — wie Herr Dr. Schmidt bereits ausgeführt hat — eine größere Gleichmäßigkeit in der Abschreibung von Gebäuden eintritt und die Zubilligung einer kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer mit größerer Strenge als bisher geprüft wird.Die Festlegung einer solchen allgemein gültigen Nutzungsdauer von 50 Jahren im Gesetz wäre natürlich sicher unberechtigt, wenn nicht auch tatsächliche Gründe hierfür sprächen, wenn nicht die tatsächlichen Verhältnisse diesen Vorschlag rechtfertigten. Auch das ist bereits gesagt worden. Bedenken Sie bitte, daß vieles von dem, was nach diesem Kriege mit beschränkten Mitteln gebaut wurde, keine Lebensdauer von 50 Jahren haben wird. Wir vertrauen darauf, daß wir einer beständigen Entwicklung unseres Wohlstandes in unserer Gesellschaft entgegengehen und daß diese Gesellschaft — wir selbst und unsere Nachkommen — den Bestand an Wohn- und Betriebsgebäuden viel häufiger erneuern wird. Denken Sie daran, daß ein Gebäude, das im Jahre 1914 gebaut wurde, heute 50 Jahre alt ist. Denken Sie daran, daß viele Bürger unseres Landes, die heute in Gebäuden wohnen, die nach
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6096 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. April 1964
Schleedem 1. Weltkrieg gebaut wurden, heute schon den Wunsch haben, in ein neues Gebäude zu ziehen, das modernen Anforderungen entspricht. Wir müssen annehmen, daß die technische Eingliederung, die Anordnung unserer Betriebsgebäude und auch die Produktionsweise unserer Industrie, soweit sie an Gebäude gebunden ist, einer raschen Entwicklung unterliegt.Aus allen diesen Gründen glauben wir, daß es in Zukunft dem Erwerber wie auch dem Bauherrn nicht mehr zuzumuten ist, bei der Abschreibung eine Nutzungsdauer von 100 Jahren zugrunde zu legen. Wir meinen, er könne verlangen, daß die Entwicklung, die vor uns liegt und die wir so weit vorausschauen können, dadurch berücksichtigt wird, daß man ihm gestattet, die Abschreibung des Gebäudes in 50 Jahren vorzunehmen.Es ist natürlich richtig, daß die degressive Abschreibung eine weitere Steigerung in der Verbesserung der Abschreibungen darstellt. Wir wollen nicht verschweigen, daß sich die Bundesregierung für diese degressive Abschreibung nicht erwärmen konnte. Die Bedeutung der schnelleren Abschreibung kommt darin zum Ausdruck, daß man in einem Zeitraum von 16 Jahren den halben Wert eines Gebäudes abschreiben kann. Das heißt andererseits allerdings, daß eben in den ersten 12 Jahren mit einem erhöhten Abschreibungssatz vorweggenommen wird, was sich dann in den letzten 18 Jahren wieder durch einen unter den normalen Satz von 2 % liegenden Satz von 1 % ausgleichen soll. Die Bundesregierung macht geltend, daß diese Abschreibungssätze der tatsächlichen Entwertung des Gebäudes nicht entsprächen. Das trifft wohl auch zu. Ein Gebäude wird normalerweise nicht in 16 Jahren den halben Wert verlieren. Die Bundesregierung befürchtet eine Steigerung der Nachfrage nach Bauleistungen. Darüber ist heute morgen viel ausgeführt worden. Ich darf mich darauf beziehen.Wir übersehen nicht, daß natürlich auch die degressive Abschreibung gerade in Verbindung mit der Verkürzung der Abschreibungszeit auf 50 Jahre manchen Wunsch zum Bauen leichter zum Entschluß reifen lassen wird; aber wir meinen, daß man diese Befürchtung nicht übertreiben darf. Auch in Zukunft wird — vielleicht noch vermehrt — nicht nur um der Steuererleichterungen willen gebaut werden. Der Gedanke an die Rentabilität und die Rücksicht auf die Wirtschaftlichkeit werden hier eine Grenze setzen. Wir wollen damit eine Erleichterung schaffen; das wollen wir durchaus bewußt tun. Im Finanzausschuß ist wiederholt zur Sprache gekommen, daß wir dabei in erster Linie das Ziel im Auge haben, die Erneuerung der Betriebsgebäude bei mittelständischen Betrieben zu fördern.Ein letztes Wort zu § 7 b. Es entspricht dem Wunsch der Bundesregierung, aber auch dem Wunsche derjenigen Kolleginnen und Kollegen, die sich der Wohnungspolitik besonders angenommen haben, daß wir entgegen der Entschließung vom 13. März 1963 den § 7 b weiterhin, und zwar nunmehr unbefristet, im Gesetz stehen lassen. Allerdings sind nunmehr beide Abschreibungsmöglichkeiten sehr nahe zusammengerückt. Wenn man den§ 7 b in Anspruch nimmt, kann man in den ersten 12 Jahren 46 % abschreiben. Wenn man dagegen die degressive Abschreibung in Anspruch nimmt, kann man ein Wohngebäude hiernach — von besonderen Vorschriften abgesehen — in den ersten 12 Jahren um 42 % abschreiben. Beide Abschreibungen laufen dann nebeneinander her. Schließlich wird die degressive Abschreibung in 50 Jahren beendet sein, die nach § 7 b bevorzugte Abschreibung in 48 Jahren. Der Bauherr wird also in Zukunft jeweils genau zu prüfen haben, ob es für ihn vorteilhafter ist, die eine oder andere Methode der Abschreibung zu wählen.Eine Beschränkung ist insofern vorgesehen, als nicht mehr die Eigennutzung des Hauses oder der Wohnung vorausgesetzt wird; diese Voraussetzung ist weggefallen. Im Vordergrund soll in Zukunft die Förderung der Vermögensbildung stehen. Darum hat man eben von dem Erfordernis der Eigennutzung für die begünstigte Abschreibung abgesehen. Aber ich glaube, auch hier ist der Unterschied zwischen der alten und neuen Regelung des § 7 b keineswegs so schroff, wie es den Anschein hat. Jeder kann nur für e i n Eigenheim, für eine Eigentumswohnung oder für Zubauten diese Begünstigung einmal in einem bestimmten Betrag in Anspruch nehmen. In aller Regel wird derjenige, der die Mittel dazu aufbringen kann — mit oder ohne Hilfe des Staates —, diese Mittel dazu verwenden, sich ein Haus oder ein Heim zu bauen, in dem er selbst wohnt. Ich glaube also, daß auch in Zukunft die Begünstigung des § 7 b dazu dienen wird, die Vermögensbildung derjenigen zu fördern, die ihr Vermögen dadurch anlegen wollen, daß sie sich eine eigene Wohnung oder ein eigenes Haus für ihre eigene Wohnung bauen.Das sind im wesentlichen und in aller Kürze die Grundsätze, die uns veranlaßt haben, Ihnen die Annahme dieses Gesetzes vorzuschlagen. Ich habe Ihnen eingangs gesagt: Ein gewisses Wagnis birgt jede Gesetzgebung in sich, die eine Besserung bringen will. Ich bitte Sie im Namen meiner Fraktion, dieses Gesetz anzunehmen, das auch im wesentlichen den Vorstellungen der Bundesregierung entspricht. Nachdem drei Ausschüsse dieses Gesetz vor einem Jahr in eingehenden Erörterungen geprüft und es auch nunmehr wieder mindestens mit Mehrheit gutgeheißen haben, kann man sagen, daß es sich nicht mehr um ein unverantwortbares Wagnis handelt.
Herr Abgeordneter Imle.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nur eine kunze Erklärung für die Freien Demokraten.Wir begrüßen es, daß mit diesem Gesetz ein Anfang für eine gesamte Neuregelung des Gebietes der Abschreibung für Gebäudegefunden wurde. Ich glaube, es ist nicht hoch genug zu veranschlagen, daß hierbei der damaligen einstimmig gefaßten Entschließung für eine degressive Abschreibung Rech-
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Dr. Imlenung getragen wurde. Ich darf aber auch folgendessagen: ich verstehe es nicht von der linken Seite,daß sie jetzt dieses Gesetz in cumulo ablehnen will
Zweitens: auch wir begrüßen es, daß das Gesetz mit der Begrenzung auf 50 Jahre eine Neuregelung bringt, die den gegenwärtigen Verhältnissen entspricht. Man sieht also auch hieraus, daß das Gesetz dazu dient, modernen Bedingungen Rechnung zu tragen.Drittens möchte ich nur noch ganz kurz bemerken, daß die Zusatzanträge, die hier gestellt worden sind, in ihrem Gewicht sichtlich überbewertet werden. Dadurch wird die 'Gesamtkonzeption des Gesetzes in keiner Weise beeinträchtigt.Wir bitten daher, dem Gesetz zuzustimmen.
Keine weiteren Wortmeldungen? — Keine Änderungsanträge.
Wir kommen zur Abstimmung in dritter Lesung. Wer dem Gesetzentwurf zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — 'Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen in dritter Lesung angenommen.
Ich rufe Punkt 17 b der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung der Absetzungen für Abnutzung bei Gebäuden .
Wird das Wort zur Einbringung gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wird sonst das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Vorgesehen ist die Überweisung an den Finanzausschuß. Das Haus ist einverstanden? — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 27:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Finanzausschusses über den Antrag der Fraktion der FDP betreffend Kraftfahrzeugsteuer im Huckepackverkehr (Drucksachen 1V/1058, IV/2044).
Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Dr. Schwörer. Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? — Der Herr Berichterstatter verzichtet.
Wird sonst das Wort gewünscht? — Keine Wortmeldungen.
Wer dem Antrag des Ausschusses auf Drucksache IV/2044 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen.
Ich rufe auf Punkt 36:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Finanzausschusses über den, von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats über die Beseitigung der Doppelbesteuerung bei der
Kraftfahrzeugsteuer im grenzüberschreitenden Verkehr .
Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Beuster. Ich frage, ob er das Wort wünscht. — Der Berichterstatter verzichtet.
Wir treten in die Aussprache ein. Wird das Wort gewünscht? — Keine Wortmeldungen.
Wer dem Antrag des Ausschusses auf Drucksache IV/2185 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 43:
a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Vermögensteuergesetzes ,
b) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes .
Das Wort hat Herr Abgeordneter Luda.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktionen der CDU/CSU und der FDP beantragen die Änderung des Umsatzsteuergesetzes und des Vermögensteuergesetzes, soweit diese die Besteuerung der Energieversorgungsträger regeln. Ich darf das Hohe Haus darauf hinweisen, daß die Drucksache IV/2013 einen Druckfehler enthält, und zwar in Art. 1 Ziffer 3. Da heißt es wörtlich: „In § 7 Abs." und dann fehlt die Nummer des Absatzes. Da muß eingefügt werden: „3". Das ist die Ergänzung der Drucksache IV/2013.Nun, meine Damen und Herren, wie ist die Rechtslage heute? Bei der Vermögensteuer zahlen heute die Energieversorgungsträger 1 0/o, wie das im Vermögensteuerrecht ja überhaupt der Fall ist. Aber die Energieversorgungsträger der öffentlichen Hand sind befreit mit dem Vermögen, welches der Versorgung der Öffentlichkeit mit Strom, Gas und Wärme dient. Nur diese drei Positionen interessieren uns. Das Wasser ist auch befreit, und das soll ja auch in Zukunft befreit bleiben.Das ist die Rechtslage bei der Vermögensteuer. Wie ist die Rechtslage bei der Umsatzsteuer? Hier sind nach altem Recht nur die Hersteller steuerpflichtig. In der Sprache 'des Gesetzes heißt das: die erste Lieferung im Inland. Die Steuerpflicht bezieht sich auf Strom, Gas und Wärme. Sie erstreckt sich ferner auf die Nebenerzeugnisse Koks, Teer und Dampf und auf die Nebenleistungen: Erstellung von Leitungen und Vermietung von Apparaten. Der Steuersatz in diesem gesamten Bereich beträgt 4 %. Aber — und hier geht es um den Kern der heutigen Debatte — es besteht im alten Recht eine Ausnahme für die Hersteller der öffentlichen Hand. Wenn sich bei einem Energieversorgungsunternehmen sämtliche Anteile im Besitz der öffentlichen Hand befinden und wenn auch sämtliche Erträge der öffentlichen Hand zustehen, dann besteht insoweit Umsatzsteuerfreiheit. Dieses Umsatzsteuerprivileg der
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Dr. Ludaöffentlichen Hand entfällt schon dann, wenn nur eine Aktie sich nicht im Besitz der öffentlichen Hand, sondern in privatem Besitz befindet. Das ist sehr wichtig. Wir müssen also feststellen: im alten Recht handelt es sich um ein Zweiklassenrecht. Auf der einen Seite stehen die rein öffentlichen Energieversorgungsträger. Sie sind von der Vermögensteuer und von der Umsatzsteuer völlig befreit. Ihnen gegenüber stehen die gemischtwirtschaftlichen und die privaten Energieversorgungsträger. Sie sind voll besteuert, sie sind sowohl mit der Vermögensteuer als auch mit der Umsatzsteuer belastet.Ich muß von vornherein sagen: den öffentlichen Energieversorgungsunternehmen stehen nicht ausschließlich die privaten, sondern in erster Linie die gemischtwirtschaftlichen Energieversorgungsunternehmen gegenüber. Die privaten Energieversorgungsunternehmen spielen — das ist bekannt — nur eine ganz geringfügige Rolle. Zahlenmäßig und dem Umfang der Energieversorgungsleistung nach viel wichtiger sind die gemischtwirtschaftlichen.Wer steht hinter den gemischtwirtschaftlichen Energieversorgungsträgern? Nun, das ist — mehrheitlich ganz eindeutig — auch die öffentliche Hand. Das müssen wir sehen. Hier steht also nicht die öffentliche Hand der privaten Wirtschaft gegenüber, sondern hier gibt es einen rein öffentlichen Bereich und auf der anderen Seite im wesentlichen den gemischtwirtschaftlichen Bereich, der mehrheitlich auch öffentlich ist. Das ist der Kern der ganzen Angelegenheit.Ich bin selbst Kommunalpolitiker; ich bin Kreistagsabgeordneter in meinem Kreis Altena in Westfalen. Mir liegen also diese Fragen ebenso am Herzen wie denjenigen Kollegen, die gleichfalls aus der Kommunalpolitik kommen, dort aber in erster Linie mit rein öffentlichen Energieversorgungsträgern zu tun haben mögen.Ich sagte schon: es besteht heute ein Zweiklassenrecht. Warum gibt es auf der einen Seite einen Teil von Kommunen in der Bundesrepublik, die verpflichtet sind, Energieversorgungsunternehmen mitzutragen, die voll steuerpflichtig sind, und auf der anderen Seite Kommunen, die Energieversorgungsunternehmen mittragen dürfen, die völlig von der Steuer befreit sind? — Einen vernünftigen Grund für diese ungleiche Behandlung von Gemeinden und Städten in Deutschland kann man nicht darlegen. Ebensowenig ist verständlich, daß ein Teil der Verbraucherschaft eben auf Versorgungsunternehmen angewiesen ist, die voll steuerpflichtig sind, und ein anderer Teil der Verbraucher bei uns in der Bundesrepublik den Strom, das Gas und die Wärme Energieversorgungsträgern abnimmt, die von der Steuerpflicht befreit sind.In allen Fraktionen dieses Hauses wird es Kommunalpolitiker geben, die diese Fragen zu Hause intensiv bearbeiten und in ihren Kommunen in erster Linie mit rein öffentlichen Versorgungsunternehmen zu tun haben. Daß diese Kollegen eine etwas andere Betrachtungsweise haben, ist völlig verständlich. Ich bin überzeugt, daß wir die besonderen Verhältnisse der rein öffentlichen Versorgungsträger bei den Ausschußberatungen hinreichend würdigen werden und auch insoweit zu befriedigenden Regelungen kommen werden.Was kann die jetzige ungleiche Behandlung rechtfertigen? Ich sage es von vornherein: nichts, aber auch rein gar nichts kann diese ungleiche Behandlung rechtfertigen.Dazu einige wesentliche Bemerkungen. Die gemischtwirtschaftlichen und privaten Versorgungsunternehmen unterliegen der gleichen Aufsicht und den gleichen Verpflichtungen wie die rein öffentlichen Unternehmen. Ich verweise insoweit auf die §§ 1 bis 8 des Energiewirtschaftsgesetzes und auf den § 103 des Kartellgesetzes. Es ist also nicht so, daß die öffentlichen Unternehmen zusätzliche Lasten zu tragen hätten und deshalb aus der Steuerpflicht entlassen worden wären. Wir müssen feststellen, daß sowohl die öffentlichen als auch die gemischtwirtschaftlichen und die privaten Unternehmen gemeinwohlfördernd sind.Dann 'der Gesichtspunkt des Querverbunds! Wir wissen, daß viele Energieversorgungsunternehmen mit ihren Überschüssen Straßenverkehrs- und Nahverkehrsunternehmen — vornehmlich auch der Kommunen — finanzieren helfen. Die Tatsache, daß das teilweise geschieht, steht aber meiner Kritik an der Ungleichbehandlung in vermögens- und umsatzsteuerrechtlicher Hinsicht in keiner Weise entgegen. Denn welche Veranlassung hat der Stromverbraucher bei uns in der Bundesrepublik, auch gleichzeitig Straßenbahnfahrer zu subventionieren? Eine solche Veranlassung kann nicht bestehen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte sehr!
Vielleicht können Sie mir dann sagen, wer denn im Falle des Querverbundes künftig die Defiziti der Verkehrsbetriebe bezahlen soll?
Herr Kollege Rauhaus, ich darf nochmals ausdrücklich feststellen: der Stromverbraucher hat nicht die geringste Veranlassung, den Straßenbahnfahrer in den Kommunen zu subventionieren. Wenn die Nahverkehrsleistung in den Kommunen subventionsbedürftig ist, dann müssen die Subventionen vom allgemeinen Steuerzahler aufgebracht werden und nicht von dem, der Strom oder Gas oder Wärme zu bezahlen hat. Das muß das Grundprinzip sein.
Herr Kollege Rauhaus, Sie kommen aus Wuppertal. Sie werden durch rein öffentliche Unternehmen versorgt. Welche Veranlassung hat die Wuppertaler Hausfrau, wenn sie monatlich ihre Stromrechnung und ihre Gasrechnung bezahlt, damit gleichzeitig Subventionen an die Wuppertaler Nahverkehrsbetriebe zu leisten? Sie hat nicht die geringste Veranlassung. Sie hat nicht die geringste Verant-
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. April 1964 6099
Dr. Ludawortlichkeit und Zuständigkeit dafür. Verantwortlich und zuständig dafür kann ausschließlich der allgemeine Steuerzahler sein.Aber abgesehen davon: auch gemischtwirtschaftliche Energieversorgungsträger finanzieren Nahverkehrsunternehmen; auch das muß man sehen. Es besteht da also gar kein prinzipieller Unterschied zwischen den öffentlichen und den gemischtwirtschaftlichen Unternehmen. — Herr Kollege Rauhaus, haben Sie noch eine Zwischenfrage?
Ja. Herr Abgeordneter, ist Ihnen bekannt, daß die Tarife, die die eben erwähnte Hausfrau zahlt, heute noch preisgebunden sind, und ist Ihnen bekannt, daß die Wirtschaft nach Sondertarifen versorgt wird, die nicht preisgebunden sind, sondern der Preisentwicklung über die Lohn- und Kohleklausel unterliegen?
Herr Kollege Rauhaus, die Tatsache der Preisbindung ist mir bekannt. Sie kommt nachher an die Reihe. Ich bitte, wenige Minuten zu warten.In der Diskussion ist der Vorschlag gemacht worden: wenn bisher beim Erwerb nur einer Aktie eines solchen Energieversorgungsträgers durch eine private Person das Steuerprivileg schon fortfällt, dann kann man doch dadurch helfen, daß dieser Fortfall des Privilegs erst eintritt, wenn mehr als 25 % oder mehr als ein Drittel der Aktien von der privaten Hand erworben werden. Nun, die Ungleichbehandlung bleibt in jedem Falle für diejenigen, die dadurch betroffen sind. Auch das kann also das Grundsatzproblem nicht lösen. In Karlsruhe sind drei Prozesse anhängig, und wenn Karlsruhe diese Prozesse entscheidet, glaube ich nicht, daß die Möglichkeit besteht, an dem Tatbestand der offensichtlichen Ungleichbehandlung vorbeizugehen. In dem Falle würden alle rein öffentlichen Energieversorgungsträger über Nacht voll steuerpflichtig mit 4 % in der Umsatzsteuer und mit 1 % in der Vermögensteuer. Das allerdings wäre dann für die rein öffentlichen Unternehmen plötzlich eine große Schwierigkeit. Das war in rechtlicher Hinsicht in bezug auf die Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 GG zu dieser Frage hier zu sagen.Was ist wirtschaftlich hier von Bedeutung? — Nun, meine Damen und Herren, ganz offenkundig Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten der gemischtwirtschaftlichen und privaten und zugunsten der rein öffentlichen Energieversorgungsunternehmen. Da müssen wir fragen: Gibt es denn in dem Bereich überhaupt einen Wettbewerb? — Jawohl, den Wettbewerb gibt es auch auf dem Gebiete der Energieversorgung; denn einmal sind die Demarkationsabreden nicht lückenlos — das ist bekannt —, zum andern findet nach Ablauf von Demarkationsabreden ein Wettbewerb um den Neuabschluß entsprechender Verträge statt.Schließlich muß man zugeben, daß neue stromintensive Betriebe sich eher in Gebieten mit billiger Versorgung ansiedeln als in solchen mit teurerer Versorgung. Außerdem muß zugegeben werden, daß steuerpflichtige Energieversorgungsträger ihreLeistung dem Verbundnetz nicht so günstig anbieten können wie steuerbefreite. Und dann gibt es schließlich noch einen Wettbewerb des Preisvergleichs. Die Tatsache, daß irgendwelche großen steuerprivilegierten Unternehmen an sich in der Lage wären, günstigere Preise zu kalkulieren, hat eine Folgewirkung auch auf die Nachbarbetriebe; das ist die normative Kraft des Faktischen.Meine Damen und Herren, das jetzige Recht benachteiligt aber zugleich die rein öffentlichen Unternehmen, und das müssen wir objektiverweise hier mit feststellen. Die öffentlichen Unternehmen sind in bezug auf die Kapitalbeschaffung benachteiligt. Wenn sie ihr Kapital erhöhen wollen, sind sie darauf angewiesen, sich diese Kapitalerhöhung aus den Haushalten der beteiligten Gemeinden und Städte usw. finanzieren zu lassen. Sie können also nicht auf den allgemeinen Kapitalmarkt gehen, und nicht immer und nicht überall sind die beteiligten Kommunen in der Lage, aus ihren Haushalten solche Kapitalerhöhungen zu finanzieren. Dieser wirtschaftliche Gesichtspunkt muß hier mit in Betracht gezogen werden.Außerdem, meine Damen und Herren: Wenn wir es in alle Ewigkeit hinein bei diesem Privileg belassen, kommen wir doch nicht umhin zuzugeben, daß die Vermögensbildung der öffentlichen Hand, die ja mit über 50 % der gesamten Vermögensbildung ohnehin schon einen besorgniserregenden Umfang angenommen hat, dann auf diesem sehr wichtigen Sektor der Stromversorgung gar nicht reduziert werden kann.Was ist im Interesse des Verbrauchers in diesem Zusammenhang zu sagen? — Nun, die rein öffentlichen Energieversorgungsträger sind trotz des Steuerprivilegs und trotz der Tatsache, daß sie meist in Ballungsgebieten sitzen, während die anderen vorwiegend draußen auf dem flachen Lande sitzen, mit ihren Strompreisen nicht billiger, sondern meist sogar noch teurer. Wenn wir also im Zusammenhang mit dem bestehenden Recht von Verbraucherschutz sprechen wollen, dann müssen wir sagen: das ist kein Gesichtspunkt.Ich muß außerdem ausdrücklich feststellen, daß das jetzige Recht fortschrittsfeindlich ist; denn Gemeinschaftsgründungen, die auf dem Gebiete der Energiewirtschaft erforderlich und wünschenswert sind, werden erschwert. Warum werden sie erschwert? Weil die Beteiligung gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen an solchen Gemeinschaftsgründungen immer sofort die Konsequenz haben würde, daß das Gemeinschaftsunternehmen dann steuerpflichtig wäre. Diese Konsequenzen scheut man natürlich, solange überhaupt ein solches Privileg im Gesetz besteht. Ich sage nochmals: man steht mit einer solchen gesetzlichen Regelung deshalb dem organisatorischen und technischen Fortschritt im Wege.Das gilt insbesondere für das Gebiet der Gemeinschaftsgründungen, die im Sektor der Atomenergie doch sehr aktuelle Bedeutung haben. Der sehr verehrte Herr Kollege Seuffert hat in unseren Beratungen schon mehrfach sein besonderes Interesse für dieses Kapitel bekundet, und er mag aus der Tat-
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Dr. Ludasache, daß wir jetzt von dieser Seite her dem Problem näherkommen, ersehen, daß wir jede Gelegenheit benutzen, um ihm und seinen Gedanken gerecht zu werden.Im übrigen blockiert das jetzige Recht die regionale Zusammenfassung, die bei uns gerade in der Frage der Energieversorgung in manchen Gebieten ein sehr akutes Problem darstellt. Die regionale Zusammenfassung wird gefährdet, weil eben bei jeder noch so kleinen privaten Mitbeteiligung sofort der steuerliche Vorteil in Fortfall gerät.Meine Damen und Herren, was können die benachteiligten Versorgungsunternehmen bei dieser Sachlage „tun" ? Nun, das kann ich Ihnen ganz genau sagen: leid können sie einem tun, und weil das der Fall ist, haben wir diese Änderungsvorschläge eingebracht. Bei der Vermögensteuer geht unser Vorschlag dahin, die rein öffentlichen Versorgungsunternehmen mit einem ermäßigten Satz, nicht mit dem vollen Satz, von 0,75 % einzubeziehen. Bei der Umsatzsteuer geht unser Vorschlag dahin, in Zukunft alle Arten von Versorgungsunternehmen gleichmäßig zu besteuern, und zwar nicht, wie bisher, auf der ersten Stufe, sondern auf der letzten Stufe. Ich sage nochmals: Steuerpflichtig sind dann alle Unternehmen, auch die rein öffentlichen; und der Steuersatz beträgt dann für alle Unternehmen einheitlich 1,5 %. Bei der Umsatzsteuer gilt also ein stark ermäßigter Steuersatz. Für Nebenerzeugnisse und Nebenleistungen gilt allerdings für alle Arten von Unternehmen der volle Steuersatz von 4 %.Welche Auswirkungen könnte diese Gesetzesänderung auf die Preise haben? Dazu ist folgendes zu sagen: Die von mir eben genannten Steuersätze sind außerordentlich niedrig, sind ermäßigte Sätze. Hinzu kommt, daß die Umsatzsteuer nach dem Körperschaftsteuerrecht abzugsfähig ist. Dadurch reduziert sich die Belastung durch die Umsatzsteuer etwa um die Hälfte. Ferner kommt hinzu, daß es nicht nur zu einer zusätzlichen Belastung bei den rein öffentlichen Unternehmen kommt, sondern auf der anderen Seite kommt es ja auch zu einer Entlastung. Nun wird gemeint, daß die entsprechenden Energieversorgungsträger die Entlastung nicht im Preis weitergäben. Dazu die Verlautbarung des größten gemischtwirtschaftlichen Unternehmens, nämlich des RWE, vom 27. April, wo es ausdrücklich heißt:Im Rahmen der zur Zeit laufenden Erörterungen über die Reform der Umsatzbesteuerung von Stromlieferungen stellt das RWE zur Richtigstellung anders lautender Meldungen klar, daß es seine infolge der Reform eintretende Umsatzsteuerentlastung entsprechend einer bereits seit längerem gegenüber dem Bundeswirtschaftsminister und dem Wirtschaftsminister von Nordrhein-Westfalen abgegebenen Erklärung auch an die von ihm belieferten Verteilerunternehmen weitergeben wird.
Das mehrfach geäußerte Mißtrauen ist also offensichtlich zumindest nicht in wesentlichem Umfang berechtigt.Schließlich kommt noch folgendes hinzu, was auch preisermäßigend wirkt. Öffentliche Versorgungsunternehmen beziehen oftmals ihren Strom auch von gemeinwirtschaftlichen Unternehmen, die bei unserer Steuerneuregelung großenteils von der Steuer entlastet werden. Die öffentlichen Versorgungsunternehmen werden dann also den Strom billiger beziehen als bisher. Die Mehrbelastung mit Umsatzsteuer beträgt nach den Berechnungen des Wirtschaftsministeriums bei Berücksichtigung all dieser Umstände nur 0,075 Pf pro Kilowattstunde. Das ist eine Mehrbelastung, die sich im Verbraucherpreis nicht auszuwirken braucht. Oftmals schon haben die Energieversorgungsträger viel größere Kostenverteuerungen hinnehmen müssen, ohne in der Lage gewesen zu sein, ihren Absatzpreis gleich entsprechend anzuheben.Mancher wird aber trotz dieser Ausführungen meinen, daß eine Preiserhöhung notwendig werden würde. Ich bin der Auffassung, daß dann allerdings alle Veranlassung besteht, die deutsche Regelung bezüglich einer Konzessionsabgabe noch einmal neu zu überdenken. Die Abgabe beträgt jährlich ungefähr 800 Millionen DM. Es gibt sie nur in der Bundesrepublik und sonst nicht in der EWG. Letztlich hat die Abgabe nicht unerhebliche Wettbewerbsverzerrungen in der EWG zur Folge.Die Gasabgabe kommt zu 47 % aus rein öffentlichen Unternehmen, zu 53 % aus steuerlich belasteten gemischtwirtschaftlichen und privaten Unternehmen. Der größere Teil der Gasabgabe wird also steuerlich entlastet werden. Bei der Stromabgabe sind zwei Drittel aus gemischtwirtschaftlichen und privaten. Auch hier ist also der Anteil des Stroms, der entlastet werden wird, größer als der, der eine zusätzliche Steuerbelastung erfährt.Private Haushalte — das ist zuzugeben — werden überwiegend von rein öffentlichen Unternehmen versorgt. Das sind 64,1 % der privaten Haushalte. Aber dazu müssen wir sagen, Herr Kollege Rauhaus, daß der Grund- und Arbeitspreis ja genehmigungspflichtig ist. Das gilt für die privaten Haushalte in vollem Umfang, und bei den gewerblichen und landwirtschaftlichen Abnehmern ist der Grundpreis genehmigungspflichtig. Auf Grund der objektiv festgestellten und von mir eben angedeuteten Tatsache bin ich jedoch der Überzeugung, daß nach Durchführung dieser Gesetzesänderung für keinen Wirtschaftsminister die Notwendigkeit bestehen wird, entsprechende Preiserhöhungsanträge zu genehmigen.Schließlich noch die Tatsache, die rein wirtschaftlich für die betroffenen öffentlichen Unternehmen von erheblicher Bedeuutng ist: das Prozeßrisiko im Hinblick .auf die in Karlsruhe anstehende Entscheidung. Wenn diese Entscheidung ergeht — und sie kann nur im Sinne der Kläger ergehen gemäß Art. 3 des Grundgesetzes —, dann ist eben plötzlich die volle Steuerlast zu tragen, während bei unserem Kompromißvorschlag, den wir hier eingebracht haben, eine nur sehr mäßige zusätzliche Steuerlast von den öffentlichen Unternehmen zu verkraften sein wird.
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Dr. LudaWas ist also das Ergebnis? Meine Damen und Herren, nichts — ich sage es nochmals — spricht für die Beibehaltung des Privilegs, alles spricht vielmehr für die Verwirklichung des Gleichheitsgrundsatzes des Art. 3 des Grundgesetzes. Einzelheiten sind bei den Ausschußberatungen noch zu erörtern. Ich bin auch durchaus der Meinung, daß die beiden von uns eingebrachten Vorlagen noch verbesserungsfähig sind. Wir werden die Argumente in den Ausschußberatungen gründlich zu prüfen haben, und wie dann die Gesetzesänderung letztlich im vollen Wortlaut aussehen wird, ist durchaus noch offen.Meine Damen und Herren, ich hatte mich bemüht, darzulegen und gar zu beweisen, daß die rein öffentlichen Unternehmen mit dieser Steueränderung ohne eine Preiserhöhung fertig werden können. Ich befinde mich insoweit in guter, ich möchte sagen: sehr guter Gesellschaft. Herr Kollege Jacobi hat im vorigen Jahr bei der Mannheimer Tagung des Verbandes kommunaler Unternehmen sich schon zu dieser Frage geäußert. Er hat wörtlich gesagt — ich zitiere —, daß die kommunale Energiewirtschaft einer Förderung des freien Wettbewerbs zwischen den Unternehmen auf gesetzgeberischem Wege ohne große Sorge entgegensehe. Das war ja das, was ich Ihnen darlegen wollte, meine Damen und Herren: daß Anlaß zu einer Sorge für die rein öffentlichen Unternehmen nicht besteht.Ich muß aber darüber hinaus noch das eine sagen: Wir haben, von der grundsätzlichen Seite des Problems her gesehen, alle Veranlassung, jetzt endlich diese Reparatur an den bestehenden Gesetzen vorzunehmen, von der grundsätzlichen Seite der Angelegenheit her, nicht wegen irgendwelcher Privattisierungsabsichten, über die am Rande auch noch gesprochen werden könnte. Denn der Deutsche Bundestag hat schon am 4. Juli 1957 bei der Verabschiedung der neunten Umsatzsteuernovelle eine Entschließung gefaßt, die wörtlich wie folgt lautet:Die Bundesregierung wird ersucht, zu prüfen, ob und wie eine umsatzsteuerliche Gleichstellung der öffentlichen und privaten Energieversorgungsunternehmen erreicht werden kann, und dem Bundestag einen entsprechenden Vorschlag zu unterbreiten.Das ist die Entschließung von 1957, die einstimmig, also auch mit den Stimmen der Opposition, gefaßt worden ist. Ich darf darauf hinweisen, ferner aber auch das Steueränderungsgesetz vom 3. Mai 1961. Mit jenem Steueränderungsgesetz sind die wichtigsten Vermögensteuerprivilegien der öffentlichen Hand beseitigt worden. Nur dieser Restbestand ist Gegenstand der heutigen Debatte, der ist im Gesetz noch dringeblieben. Der Finanzausschuß hat in seinem Bericht an das Plenum damals ausdrücklich die Meinung vertreten, daß die Aufrechterhaltung des Vermögensteuerprivilegs für die Energie- und Versorgungsunternehmen nur noch für kurze Frist erträglich sei und zu verantworten sei. Ich darf aus dem Ausschußbericht zu Drucksache 2706 vorlesen. Da heißt es wörtlich:Der Ausschuß sieht die nunmehr vorgeschlagene Gesetzesänderung noch nicht als eine endgültige Lösung des Problems an. Gerade im Hinblick auf den zitierten Befreiungskatalog des § 3 a wird gelegentlich einer Reform des Vermögensteuerrechts geprüft werden müssen, ob und inwieweit dieser Befreiungskatalog im Interesse der Herbeiführung einer vermögensteuerlichen Wettbewerbsgleichheit zwischen privaten Unternehmungen und im Eigentum der öffentlichen Hand befindlichen Unternehmungen noch weiter eingeschränkt werden kann.Entsprechend diesem Bericht des Finanzausschusses ist dann im Gesetz in § 3 a Abs. 1 ausdrücklich gesagt worden: „Von der Vermögensteuer sind bis auf weiteres befreit ...". Diese Befristung ist damals einstimmig, also auch mit den Stimmen der SPD, im Gesetz beschlossen worden. Diesen Beschlüssen des Deutschen Bundestages von 1957 und 1961 müssen wir eiligst gerecht werden. Deshalb sind die beiden Vorlagen von den Fraktionen der CDU/CSU und der FDP eingebracht worden. Soweit irgendwelche Hemmungen auf seiten der Opposition bestehen sollten, diesen Anträgen die Zustimmung zu geben, muß ich Sie bitten: Kehren Sie zurück zu Ihren eigenen Ursprüngen der Jahre 1957 und 1961 und stellen Sie sich mit der Koalition auf den Boden des Art. 3 des Grundgesetzes!
Meine Damen und Herren, eine Mittagspause gibt es heute nicht. Aber die Diskussion muß etwas gestrafft werden, sonst werden wir nicht gegen 5 oder 6 Uhr fertig, und eine ganze Reihe von. Kollegen müssen morgen sprechen.
— Was, heute? Morgen ist der 1. Mai. Heute ist die Anreise zum Fest, heute wird noch nicht gefeiert. Aber immerhin, wir wollen um 5 oder 6 Uhr fertig werden, und deshalb muß die Diskussion gestrafft werden. Wir haben noch eine ganze Reihe von Tagesordnungspunkten zu erledigen.
Das Wort hat Herr Jacobi.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe heute abend eine Veranstaltung und muß noch weit reisen, so daß von mir aus keine Gefahr besteht, die Diskussion zu lange zu erstrecken. Ich kann andererseits angesichts der Bedeutung der Materie nicht darauf verzichten, auf die Sachfragen einzugehen, die bereits 'vom Herrn Kollegen Dr. Luda dargelegt worden sind.Ich muß allerdings sagen, daß er es sich in einigen Punkten relativ leicht gemacht hat. Die Bezugnahme auf Vorabbeschlüsse des Bundestages ist kaum ein Argument; denn der Bundestag hat sich bisher im wesentlichen darauf beschränkt, das Problem als solches anzusprechen, und die Bundesregierung um eine Prüfung gebeten und ersucht, darzutun, zu welchen Schlußfolgerungen sie selbst kommt, damit verbunden selbstverständlich, auch einen Überblick über die Folgen der Regelung zu geben. Meine Mannheimer Rede vor dem Verband kommunaler
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6102 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. April 1964
Jacobi
Unternehmen, Herr Kollege Luda, können Sie gegen meine ablehnende Haltung gegenüber dem Antrag der CDU/CSU, die ich gleich begründen werde, nun wirklich nicht anführen, es sei denn, daß Sie das mit einem advokatorischen Kniff tun. Es ist nämlich eine völlig offene Frage, ob der Gleichheitsgrundsatz überhaupt jemals verletzt worden ist. Es bleibt, Herr Kollege Luda, im Augenblick auch für dieses Haus und für uns alle noch völlig offen, wie das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entscheiden wird. Ich bin nicht davon überzeugt, daß es im Sinne Ihrer Vorstellungen entscheidet. Aber das werden wir abzuwarten haben, das können wir nicht präjudizieren. Die öffentlichen Unternehmen sehen jedenfalls der Karlsruher Entscheidung ohne große Sorgen und durchaus bereit, einen Richterspruch anzuerkennen, entgegen. Sie glauben nicht, daß dieser Spruch gegen sie ausfallen wird; denn gleichartige Tatbestände liegen nicht vor, was ich Ihnen im Verlauf meiner Ausführungen noch darzutun versuchen werde.
Ich finde aber, Herr Kollege Dr. Luda, wir tun uns keinen Dienst, wenn wir mit ein paar allgemeinen Bemerkungen ein sehr breites Problem zu vereinfachen suchen. Wir sollten auch nicht Ausdrücke wie „Zwei-Klassen-Recht" gebrauchen. Hier geht es doch nicht um zwei Klassen. Hier geht es um zwei völlig differente Tatbestände und um eine Entwicklung, die historisch entstanden ist. Sie zwingen mich leider durch Ihre Bemerkungen, dazu einiges zu sagen. Schließlich muß das Haus wissen, um was es geht.Es geht zunächst einmal um die Frage, wie die Steuerbefreiung öffentlicher Unternehmen entstanden ist und welchen Sinn sie gehabt hat, dann um die weitere Frage, ob die noch bestehenden Steuerbefreiungen sachlich gerechtfertigt werden können, und schließlich auch darum, welche Folgen zu erwarten sind, wenn man sie aufhebt. Auch hier haben Sie es sich relativ einfach gemacht, Herr Kollege Dr. Luda.Nun, wie ist die historische Entwicklung gewesen? Wir hatten vor dem ersten Weltkrieg und — ich werde das in wenigen Strichen darzutun versuchen — auch noch im ersten Jahrzehnt nach dem ersten Weltkrieg eine Befreiung der Unternehmen der öffentlichen Hand von allen Reichssteuern und gelegentlich auch von den Landessteuern. Die heute noch bestehenden Steuerbefreiungen sind in einer Zeit entstanden, die zwar in ihrer Wirtschaftsauffassung durchaus liberal war, aber offenbar hinsichtlich der Aufgaben öffentlicher Unternehmen und hinsichtlich der Rolle dieser Unternehmen in der Volkswirtschaft konkretere und andere Vorstellungen besaß, als dies in unserer Zeit der Fall zu sein scheint. Vielleicht ändert sich das im weiteren Verlauf der europäischen Zusammenarbeit. Vielleicht zwingt uns dann der Wettbewerb im Hinblick auf das wirtschaftspolitische Verhalten der übrigen Länder zu einer Neudurchdenkung der Probleme. Es handelt sich nicht etwa um Fragen, die so ohne weiteres durch eine gesetzliche Regelung, wie Sie sie hier vertreten, eine Klärung erfahren könnten, die uns dann und auf die Dauer ohne Probleme ließe.Lassen wir das aber dahingestellt. Kehren wir zu der Frage zurück, wie sich die steuerliche Sonderbehandlung der öffentlichen Unternehmen entwikkelt hat. Im Laufe der Zeit sind die Unternehmen des Staates und der Gemeinden Schritt für Schritt der Besteuerung unterworfen worden. In sachlicher Hinsicht beschränken sich die Befreiungen heute auf wenige — genau genommen auf drei —, allerdings für die Unternehmenspolitik besonders wichtige Steuerarten. Der Kreis der befreiten Unternehmen wurde auf die Unternehmen der Versorgungs- und Verkehrswirtschaft beschränkt.Man liebt es nun — das haben auch Ihre Ausführungen gezeigt —, von den Steuerbefreiungen zu sprechen, als handelte es sich um völlig willkürliche und unbegründete Begünstigungen einer bestimmten Kategorie von Unternehmen, für die sich kein Wirtschafts- oder Finanzpolitiker ernsthaft mehr einsetzen könne. Das ist eine, verzeihen Sie gütigst, simplifizierende Art zu argumentieren, die geflissentlich oder unbewußt die größeren Zusammenhänge übersieht, die in der Vergangenheit zur Schaffung dieser Steuerbefreiung geführt haben und die auch jetzt nicht einfach als unbeachtlich beiseite geschoben werden können. Steuergerechtigkeit ist wichtig und sicherlich ein erstrebenswertes Ziel. Aber höchste Gerechtigkeit kann bekanntlich nach dem berühmten Spruch der Lateiner zur Ungerechtigkeit werden, nämlich dann, wenn sie nur formal und nicht sachgerecht geübt wird.Der Gesichtspunkt des Wettbewerbs, den Sie, Herr Kollege Luda, hier ziemlich breit in die Diskussion gebracht haben und der heute allgemein und ohne Ausnahme bei allen Parteien als eines der wichtigsten tragenden Prinzipien unserer Wirtschaftsordnung anerkannt ist, darf unid kann nicht verabsolutiert werden. Er darf nicht dazu führen, daß alle anderen Gesichtspunkte beiseite geschoben Oder einfach als nicht existent behandelt werden.Gilt dies allgemein, so kommt in unserem Fall etwas sehr Wichtiges hinzu. In den Wirtschaftszweigen, um die sich unsere gegenwärtigen Unterhaltungen und Auseinandersetzungen drehen, besteht letztlich, Herr Dr. Luda, kein freier Wettbewerb. Er ist hier gar nicht denkbar. Dabei geht es nicht um die Frage des möglichen Ausmaßes des Wettbewerbs in der Energiewirtschaft. Es geht um die Feststellung, daß eine wirkliche Schädigung der besteuerten Unternehmen durch den Wettbewerb nicht besteuerter Unternehmen, wie sie sich zweifellos auf jedem allgemeinen Markt mit völlig freiem Wettbewerb ergeben müßte, in der Versorgungswirtschaft nicht eintreten kann.So ist denn auch nirgendwo festgestellt, daß die öffentlichen Unternehmungen etwa die besteuerten privaten und gemischtwirtschaftlichen Unternehmen aus dem Markt verdrängt hätten; eher kann man das Gegenteil konstatieren. Der Gesetzgeber hat in der Vergangenheit diese Besonderheiten durchaus erkannt und die Konsequenzen daraus gezogen, indem er die Steuerbefreiung ausdrücklich auf die verschiedenen Sparten der Versorgungsrwirtschaft beschränkt hat.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. April 1964 6103
Jacobi
Nun dreht sich die Debatte in der Öffentlichkeit zumeist darum — und Sie haben dem auch betont Beachtung geschenkt —, ob die neu besteuerten Unternehmen die zusätzliche Steuerlast tragen oder ob sie in den Preisen eine Abwälzung auf die Verbraucher betreiben können. Dazu ist zweierlei festzustellen.Globale Berechnungen, die einfach Entlastungen und Belastungen gegeneinander aufrechnen, sind unbrauchbar, sind auch irreal. Die Versorgungswirtschaft ist keine Einheit; sie besteht aus vielen kleinen und großen Unternehmen. Es liegt auf der Hand, daß es für die Situation eines Unternehmens, das durch eine neue Steuer betroffen wird, ganz ohne Bedeutung ist, ob und in welchem Umfange gleichzeitig andere Unternehmen steuerlich entlastet werden. Wieweit sich über den Preismechanismus Belastungen und Entlastungen in den Fällen, wo sich Veränderungen der Besteuerung bei hintereinander geschalteten Wirtschaftsstufen ergeben, ausgleichen werden, ist eine völlig offene Frage.In dieser Hinsicht sind von dem größten Versorgungsunternehmen der Bundesrepublik öffentlich bestimmte Zusagen gemacht worden, die Sie, Herr Kollege Luda, bereits erwähnt haben und die ich in keiner Weise anzweifeln will. Was ich bezweifle, ist, daß dieses Beispiel Allgemeingültigkeit hat und daß alle Unternehmen so verfahren werden. Die Erfahrungen, die man in anderen Fällen mit Steuererleichterungen gemacht hat, lassen andere Schlüsse zu. Uns allen sollten z. B. die Erfahrungen mit der Getränkesteuer zu denken geben, wo auch ursprünglich gesagt wurde, die Senkungen würden dem Verbraucher zugute kommen. Schließlich blieben sie insofern ohne jede Wirkung. Ich sage das nur, um ganz nüchtern die Tatsache festzustellen, daß Versprechungen und Erfüllungen nicht immer in Einklang stehen. Wir werden das abzuwarten haben.Im übrigen hat das genannte Unternehmen, das RWE, soeben erst eine Preiserhöhung angekündigt, um die Kohlepreiserhöhung auszugleichen. Die übrigen Versorgungsunternehmen, auch die der öffentlichen Hand, haben die Preise gehalten und die Kohlepreiserhöhung geschluckt; sie haben sie zu verkraften versucht. Es wäre ein schlechter Lohn, den man ihrer Zurückhaltung zuteil werden ließe, wenn man just ihnen eine neue Steuerlast auferlegte.Eine allgemeine und für alle Unternehmen zutreffende Voraussage, welchen Einfluß auf die Strompreise die Änderung der Besteuerung haben würde, läßt sich eindeutig nicht machen.
Sicher wird es Unternehmen geben, die die Steuerlast beim Strom tragen können, vielleicht auch einige kommunale, und wahrscheinlich andere ebenso. Genauso sicher aber ist, daß eine ganze Reihe von Unternehmen es nicht kann, weil einfach keine Spanne vorhanden ist, mit der die Belastung aufgefangen werden könnte. Das deckt sich übrigens auch mit den Feststellungen des Fachverbandes, der Vereinigung deutscher Elektrizitätswerke, der auf diese Tatsache hingewiesen hat.Besonders schwierig aber liegen die Dinge in der Gaswirtschaft. Dieser Wirtschaftszweig befindet sich bekanntlich in einem ungewöhnlich stürmischen Strukturwandel und in einem sehr schwierigen Kampfe gegenüber dem Heizöl. Der Schock der neuen Steuer wäre hart, gerade im gegenwärtigen Augenblick.Es sagt wenig, wenn auf dem Papier ein nahezu vollständiger Ausgleich von Entlastung und Belastung herausgerechnet werden könnte. Ich bezweifle auf das entschiedenste, daß dieser Ausgleich eintreten wird. Außerdem führt eine solche globale Rechnung nicht zu vernünftigen Ergebnissen. Es gibt viele isolierte Gaswerke, die Eigenerzeugung haben, auch auf absehbare Zeit behalten müssen; für diese gibt es sowieso keinen Ausgleich.Der Umfang der Belastung aber ist Ihnen, meine Damen und Herren, gegenständlich und zur Kenntnis gebracht durch die zwei Eingaben der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände und des Verbandes kommunaler Unternehmen. Sie werden sich entsinnen, — daß das Wirtschaftsministerium ursprünglich erklärt hat, die Auswirkungen seien gar nicht groß; die Belastung werde sich z. B. bei den Strompreisen überhaupt nicht auswirken. Von den übrigen Sparten hat man wohlweislich nicht gesprochen.In der neuen Eingabe der Bundesvereinigung kommunaler Spitzenverbände im Schnellbrief vom 27. April — der erste datiert vom 3. März — ist Ihnen eine ziemlich eindeutige Darstellung der wirklichen Folgen und der Hinweis gegeben worden, daß allein bei den kommunalen Unternehmen der Umfang der Belastungen 2 % des Umsatzes beträgt. Bei einem Umsatz von rund 5 Milliarden DM würde allein bei den kommunalen Unternehmen ein Betrag von 103 Millionen DM als Mehrbelastung zu verkraften sein.Das ist fürwahr kein Pappenstiel, idas führt zu Konsequenzen, das führt zu Schwierigkeiten, unid es wird eine Aufgabe in .den Ausschüssen sein, das sehr sorgfältig in bezug auf seine Vertretbarkeit zu prüfen. Unter keinen Umständen sollte man die Folgen bagatellisieren, wie das gelegentlich geschieht.
Unterstellen wir aber einmal, die Voraussagen, die die Dinge harmlos darstellen, seien richtig und die Elektrizitätspreise würden von den neu steuerpflichtig werdenden Unternehmen nicht erhöht. Unterstellen wir weiter, die Gaswerke müßten sich unter dem Druck der Konkurrenz mehr oder weniger mit der neuen Last abfinden. Was ergibt sich dann? Dann, meine Damen und Herren, würde die Belastung letztlich die vielleicht noch vorhandene finanzielle Manövriermasse der Unternehmen und im übrigen die öffentlichen Haushalte treffen. Das muß man sehen. Und hier beginnt der Zweifel an einem Gerechtigkeitspostulat, das nur einen isolierten Bereich sehen will und nicht den größeren Zusammenhang. Die Gemeinden betreiben nicht nur gewinnbringende Elektrizitätswerke, sondern auch
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6104 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. April 1964
Jacobi
Wasserwerke und Verkehrsbetriebe. Bisher hat sich niemand gefunden, der bereit wäre, ihnen diese Aufgaben abzunehmen. Wer aber die Finanzmasse der Gemeinden schmälert — und darauf läuft ja die Besteuerung hinaus, sofern sie nicht durch Preiserhöhungen ausgeglichen wird —, der muß zugleich auch sagen, aus welchen Mitteln diese Aufgaben und andere im Interesse der Bürgerschaft unausweichliche Aufgaben denn finanziert werden sollen. Was soll z. B. im Nahverkehr geschehen? Es ist mit der Bemerkung nicht getan, Herr Kollege Dr. Luda, daß diejenigen, die den Strom kaufen, also die Stromabnehmer, nicht dazu da seien, die Defizite der Nahverkehrsunternehmen zu tragen. Irgendwie tun sie es ja doch. Strom braucht jeder außer dem, der heute noch mit der Petroleumlampe auszukommen versucht; aber das soll doch recht selten der Fall sein. Das ist kein tragendes Argument. Nein, die Erhöhung der Nahverkehrstarife wäre unvermeidbar; sie riefe in höchstem Maße preispolitische Bedenken hervor und hätte schließlich auch verkehrspolitische Gefahren und Nachteile. Denn wenn der öffentliche Nahverkehr weiterhin verteuert wird, oder anders ausgedrückt, wenn die Subventionen für diesen Verkehr eingeschränkt werden, leidet darunter der Massenverkehr, und der Individualverkehr dehnt sich plötzlich weiter aus. Die Folgen sind uns bekannt; es graut uns vor ihnen.Das sind Probleme, die ich nur andeuten kann; sie wollen durchdacht sein, sie werden die zuständigen Ausschüsse auch bei der Beratung der Mehrwertsteuerregelung noch intensiv beschäftigen müssen.Noch eine allgemeine Bemerkung. Der Bundesgesetzgeber sollte nicht nur daran denken, daß die Kasse des Bundes stimmen muß, er sollte sich auch für die Kassenlage der Gemeinden verantwortlich fühlen. Der Herr Bundeskanzler hat noch vor zwei Tagen vor dem Deutschen Gemeindetag seinen Respekt vor der Selbstverwaltung der deutschen Gemeinden bekundet. Er hat den Wert der Selbstverwaltung betont und sie für unantastbar erklärt. Meine Damen und Herren, wenn das mehr als eine höfliche Bekundung sein soll, dann muß dies doch auch bedeuten, daß man sich um so mehr Gedanken darüber macht, ob und in welchem Umfang die Gemeinden denn zusätzlich Lasten tragen können und ob es nicht notwendig ist, mehr denn je dafür zu sorgen, daß den Gemeinden für die ihnen übertragenen oder von Haus aus zukommenden Aufgaben die erforderlichen Mittel zur Verfügung stehen. Wir kennen doch den Umfang der öffentlichen Aufgaben. Wir wissen, wie wenig wir im Augenblick die Garantie haben, daß sie mit den heute zur Verfügung stehenden Mitteln erfüllt werden können. Werden diese Mittel weiter geschmälert, so werden die Sorgen der Gemeinden steigen.Niemand anders als die Frau Bundesminister für Gesundheitswesen hat kürzlich die besondere Bedeutung der Gaswirtschaft für die Reinhaltung der Luft und des Wassers hervorgehoben. Es ist eine Förderung der Raumheizung mit Gas verlangt worden. Die mangelhafte Reinhaltung der Gewässer verursacht erhöhte Kosten für die Wasserversorgung, die zu mehr als 90% wiederum in der Hand der Gemeinden bzw. kommunaler Unternehmen liegt.Wir wissen, daß sich der Bundesgesetzgeber bei der Verkehrspolitik außerstande gesehen hat, so entscheidende Regelungen zu treffen, daß den Gemeinden der größte Teil der Sorgen abgenommen worden wäre. Wir wissen, daß die Gemeinden bei der Straßenbaufinanzierung vor Aufgaben stehen, die sie nicht aus eigener Kraft bewältigen können. Man will es offenbar ihnen überlassen, wie sie mit diesem Problem fertig werden, wie sie z. B. die ungeheuren Mittel für die zweite Ebene aufbringen sollen. Ich will diese Frage nur andeuten. Die Beispiele sollen zeigen, welches die größeren Zusammenhänge sind, an die man denken sollte.Hier liegen also besondere öffentliche Aufgaben vor, die von den Versorgungsunternehmen und von den Gemeinden bewältigt werden müssen. Ein Privatunternehmen mag seine Geschäftsinteressen verfolgen; das ist sein gutes Recht. Es ist aber ein ebenso gutes Recht der Unternehmen der öffentlichen Hand, ihre öffentlichen Verpflichtungen vom Gesetzgeber gewürdigt zu sehen.Zum Schluß noch eine Bemerkung. Hier soll — darüber müssen sich alle klar sein — innerhalb eines Wirtschaftszweiges von sehr empfindlicher Struktur eine Steuermasse von 200 bis 250 Millionen DM umverteilt werden. Daß die preispolitischen Konsequenzen und die Folgen für die Erfüllung der öffentlichen Aufgaben durch die öffentlichen Versorgungsunternehmen nicht als Nebensächlichkeit betrachtet werden dürfen, glaube ich dargelegt zu haben. Ich möchte aber noch hinzufügen, daß es mir unlogisch zu sein scheint, wenn behauptet wird, wegen der Verhältnisse bei einem einzelnen Unternehmen, bei dem vielleicht eine Steuerentlastung von 10 bis 12 Millionen DM erreicht werden kann, müßte ein derartig schwerwiegender Eingriff in das System der Besteuerung der Energiewirtschaft vorgenommen werden. Dies gilt um so mehr, als wir uns ohnehin darüber einig sind, daß das geplante System der Mehrwertsteuer Preisverschiebungen größten Ausmaßes in der Volkswirtschaft und selbstverständlich auch in der Energiewirtschaft auslösen muß. Das wäre dann der Zeitpunkt, zu dem wir uns auch über die hier anstehenden Fragen sachlich und in Ruhe unterhalten könnten und unterhalten müßten.Ich habe die Hoffnung, daß die Ausschußberatungen dazu führen werden, in Ruhe abzuwägen, ob denn nun diese Vorschläge, die heute in erster Lesung anstehen, wirklich, vor allem in bezug auf die Auswirkungen den Gemeinden gegenüber, vertreten werden können. Das sollte sachlich und gründlich geprüft werden.Zur Gesamtproblematik gebe ich dem Herrn Kollegen Dr. Luda den Rat, sich vielleicht einmal mit seinem Parteifreund, dem Direktor der Wuppertaler Stadtwerke, dem früheren Bundestagskollegen Kühlthau, etwas eingehender zu unterhalten. Ich habe das getan. Ich bin mit ihm vor einigen Tagen bei Herrn Minister Dollinger gewesen, und unsere Darlegungen hinsichtlich der finanziellen Folgen, auch
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Jacobi
hinsichtlich der Auswirkungen auf die örtlichen Räume, sind nicht ganz ohne Eindruck geblieben.
Bitte überprüfen Sie also, was Ihnen von einem Manne, einem Ihrer politischen Freunde, dargetan wird, der an der Spitze eines solchen betroffenen Unternehmens steht und der, wie viele Leiter ähnlicher Unternehmen, vor Sorgen nicht weiß, wie er die Probleme lösen soll, die er pflichtgemäß bewältigen muß.Um es noch einmal zu sagen: Unsere Bitte geht dahin, in den Ausschüssen eine sachliche Prüfung vorzunehmen, anstatt eine eifervolle Betrachtung der Fragen an den Tag zu legen. Ich möchte hoffen, daß die Bemerkung des Herrn Kollegen Dr. Luda, wonach sich in 'den Ausschußberatungen keine Schwierigkeiten dabei ergeben dürften, die Vorlagen auch hinsichtlich ihrer Verbesserungsfähigkeit zu überprüfen, nicht nur eine Bemerkung schlechthin ist, sondern •daß sie von der Bereitschaft zeugt, eine solche Prüfung in der Tat vorzunehmen. Wir sollten sie uns alle zur Pflicht machen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Mälzig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will der Mahnung, die uns der vorhin amtierende Präsident auf den Weg gab, folgen I und mich 'sehr kurz fassen, um die Möglichkeit zu schaffen, daß 'die Tagesordnung heute noch abgewickelt werden kann.
Ich möchte namens der Fraktion der Freien Demokraten zu den beiden Anträgen Drucksachen IV/2012 unid IV/2013 .Stellung nehmen. Ich halte es für eine sehr umfassende Aufgabe, die wir in den Ausschüssen, und zwar im Finanzausschuß, im Wirtschaftsausschuß und auch — was ich besonders beantragen möchte — im Ausschuß für wirtschaftlichen Besitz des Bundes zu leisten haben werden, wenn wir uns mit diesen Problemen, die heute mit der Vorlage dieser beiden Gesetzentwürfe aufgeworfen worden sind, zu befassen haben. Es geht dabei um Steuerprobleme, es geht dabei um wirtschaftspolitische Probleme, um die vorhin schon erwähnten Probleme der Gleichbehandlung, es geht um preispolitische Probleme und es geht, das ist noch nicht so deutlich erwähnt 'worden, auch um das Problem einer eventuellen Privatisierung des Veba-Konzerns. Wir haben gewiß die Gedanken zu beachten, die heute in den Ausführungen des Herrn Kollegen Luda und in Ihren Ausführungen, Herr Kollege Jacobi, behandelt worden sind. Ich sagte schon, daß es wichtig sein wird, in den verschiedenen Ausschußberatungen den Problemen wirklich auf den Grund zu gehen und die Gefahren zu ermitteln, die in diesen neuen steuerlichen Bestimmungen liegen könnten. Im wesentlichen wird uns aber doch, glaube ich, der Gedanke beherrschen, wie wir eine gleiche Startmöglichkeit auch auf diesem Wirtschaftssektor herbeiführen können, mindestens in der Hinsicht, daß wir prüfen müssen, ob die Gefahren, die Sie, Herr
Kollege Jacobi, eben aufgezeigt haben, so groß sind, daß man sich diese Gleichbehandlung auch in diesem Wirtschaftssektor nicht leisten könnte.
Ich beantrage für die Fraktion der Freien Demokraten, daß diese Problematik auch im Ausschuß für wirtschaftlichen Besitz des Bundes behandelt wird.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Professor Burgbacher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte mich der Aufforderung des Herrn Präsidenten entsprechend und aus Rücksicht auf alle, die sprechen müssen, im Telegrammstil äußern.
Herr Kollege Jacobi, die Tatsache, daß der Bundestag wiederholt seinem Willen Ausdruck gegeben hat, Steuerprivilegien zu beseitigen, können Sie nicht aus der Welt reden. Das ist die damalige einmütige Auffassung dieses Hohen Hauses gewesen.
Zweitens: die Gleichartigkeit der Tatbestände beschränkt sich auf die Gleichartigkeit der Tat- — dreimal unterstrichen! — -bestände und kann sich nicht auf die Umweltbestände beziehen. Wo kämen wir hin, wenn wir bei der im Grundgesetz vorgeschriebenen gleichartigen Behandlung der Probleme außer dem notwendigen Vergleich der Tatbestände selbst die Umwelttatbestände mit würdigen würden! Das wäre vor allem für das Umsatzsteuerrecht der Anfang vom Ende.
Drittens: Ihr Hinweis auf das historisch Gewachsene hat mich eigentlich etwas amüsiert, weil Ihre Fraktion in der Regel vor historisch gewachsenen Tatbeständen nicht gerade vor Respekt erstirbt.
Vor allem ist mir eingefallen, daß es einmal Adelsrechte gab, die damals damit begründet wurden, daß sie historisch gewachsen seien. Also mit dem historisch Gewachsenen sollte man doch etwas vorsichtiger umgehen.
Kann der Herr Abgeordnete Jacobi eine Zwischenfrage stellen?
Natürlich.
Herr Kollege Burgbacher, haben Sie nicht verstanden, daß ' ich mit meinem Hinweis auf die historische Entwicklung nur eine Darstellung entkräften wollte, bei der man es sich allzu leicht macht, indem man von einer willkürlichen 'Entwicklung spricht?
Ja, aber ich glaube, daß historisch gewachsene Tatbestände auch nach den Erkenntnissen der politischen Grundsätze Ihrer Partei sehr oft zu willkürlich geschaffen werden können.
6106 Deutscher Bundestag 4. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. April 1964
Dr. Burgbacher
Nun viertens. Das war etwas sehr kühn, verehrter Herr Kollege Jacobi, daß Sie beweisen wollten, daß eine Schädigung durch Steuerbefreiung für den Steuerpflichtigen gleicher Art nicht gegeben sei. Nun also, ich weiß nicht, bisher waren wir doch alle der Meinung, daß die Steuerbefreiung eine Entlastung und die Steuerpflicht eine Belastung ist. Man kann doch mit keinem Nebelgerät der Welt diesen einfachen Tatbestand aus der Welt schaffen.
— Sie können gleich fragen. Wie wollen Sie es z. B. rechtfertigen, daß ein Steinkohlenkraftwerk auf der Kohle 4 % Umsatzsteuer zahlt und ein kommunales Ölkraftwerk 0 %? — Jetzt sind Sie dran!
Herr Kollege Burgbacher, ist Ihnen entgangen, daß ich diese Bemerkung in Verbindung mit einem Hinweis darauf gemacht habe, daß keine Wettbewerbsbeeinflussung negativer Art damit verbunden ist, und daß ich beispielsweise in diesem Zusammenhang das RWE genannt habe, das als größtes Unternehmen eine Dividende und einen Bonus erwirtschaftet, die nicht unbeachtlich sind?
Ich möchte auf diese Frage gern eingehen, obwohl sie nicht auf meinem Zettel steht, und möchte Ihnen sagen, Sie können unmöglich einem gemischtwirtschaftlichen Unternehmen einen Vorwurf daraus machen, daß es in seiner Arbeit tüchtiger ist als ein kommunales.
— Wenn der Herr Präsident es erlaubt.
S i e müssen es erlauben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Mir macht das Vergnügen.
Dann bitte!
Herr Kollege Burgbacher, ist es denn wirklich möglich, außer acht zu lassen, daß gemischtwirtschaftliche Unternehmen im Zweifel keine Querverbundverpflichtungen haben und daß in der Tat — jedenfalls so, wie die Dinge heute liegen — die kommunalen Unternehmen im .Querverbund eben doch andere, zusätzliche und undankbarere Aufgaben zu erfüllen haben als etwa ein Unternehmen, das nur auf dem Gebiet der Elektrizitätswirtschaft tätig ist?
Lieber Kollege Jacobi, wir alle und Ihre Freunde besonders kämpfen bei der Aktienrechtsreform um die sogenannte gläserne Tasche, d. h. um die vollkommene Berichtsklarheit über die wirkliche Lage eines Unternehmens. Ich bin nicht Ihrer Meinung, daß der Querverbund dazu da ist, durch Verschiebung von Gewinnen zu Verlusten der anderen diese Klarheitauf dem Gebiet der kommunalen Wirtschaft zu beseitigen.Nun zum nächsten Punkt. Es trifft zu, daß die Gaswirtschaft möglicherweise besonders getroffen wird. Das bestätige ich Ihnen, und das ist eine der Fragen, die wir uns bei der Ausschußarbeit sehr gut überlegen müssen. Aber ich kann Ihnen nicht folgen, wenn Sie meinen, daß das, was sich bei pessimistischster Auffassung aus der Besteuerung ergeben könnte, eine Art Katastrophe für die kommunalen Finanzen ist. Ich möchte ausdrücklich bemerken: mir ist nichts darüber bekannt, daß bei dieser Gelegenheit irgend etwas Kritisches über die Konzessionsabgaben gesagt werden soll. Die Konzessionsabgaben werden ja von allen gezahlt, nicht nur von den kommunalen EVU, sondern auch von den gemischtwirtschaftlichen und privaten Unternehmen. Das sind 800 Millionen DM und macht, wie Sie wissen, bis zu 20 % vom Umsatz aus. Da müssen Sie doch anerkennen, daß die Energiewirtschaft in ihrer Gesamtheit — kommunale oder nicht kommunale —.zu den Gemeindehaushalten einen erheblichen Beitrag leistet.Zu den Hinweisen auf die Industriestrompreise könnte man noch vieles sagen. Sie wissen, daß die Industriestrompreise unterschiedlich hoch sind. Sie wissen auch, daß das von Ihnen genannte Unternehmen unbestritten die niedrigsten Industriestrompreise in der Bundesrepublik hat, bis auf ein kommunales Werk, das uns beiden nicht fernliegt; ich will es, wenn Sie erlauben, zu seiner Ehre nennen: Düsseldorf. Mit Ausnahme des Kommunalwerks in Düsseldof hat das andere genannte Großunternehmen die niedrigsten Industriestrompreise, auch bei einem europäischen Vergleich. Vor zwei Jahren hat es sie so erheblich gesenkt, daß es jetzt von der Kohle- und Lohnklausel Gebrauch machen muß. Das aber nur am Rande.
Daß wir im übrigen selbstverständlich ,die Pflicht haben, mit dafür zu sorgen, daß die Gemeindehaushalte in Ordnung bleiben, ist völlig klar. Darin stimme ich mit allen Kommunalpolitikern überein. Aber, Herr Kollege Jacobi, es gibt keine Möglichkeit, den ganz einfachen Tatbestand zu zerreden, daß hier in einem gleichen Wirtschaftszweig verschiedenes Steuerrecht besteht, und zwar Umsatzsteuer vorab und Vermögensteuer. Es gibt keine Möglichkeit, klarzumachen, daß im deutschen Umsatzsteuerrecht an irgendeiner Stelle die Höhe der Umsatzsteuer davon abhängig zu machen ist, ob das Unternehmen selbst, seine Zweigbetriebe oder seine Mutterbetriebe oder seine Nebenbetriebe wirtschaftlich sind oder nicht. Die Umsatzsteuer ist eine ganz klare Verkehrsteuer, die, ohne nach rechts oder links zu sehen, vom Umsatz erhoben wird.Wir verlangen lediglich die Gleichbehandlung gleichartiger Tatbestände in der Energiewirtschaft und versichern, daß in den Ausschüssen- alle Einwände geprüft werden, auch 'der Aufsatz unseres früheren Kollegen Kühlthau in der KPV, den ich mit großer Aufmerksamkeit gelesen habe. Sie werden selbstverständlich Gegenstand sachlicher Diskussion sein. Wenn unter Aufrechterhaltung des
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. April 1964 6107
Dr. BurgbacherZieles der Gleichbehandlung ein Weg gefunden werden kann, sollte er gegangen werden.Namens meiner Freunde beantrage ich die Überweisung an den Finanzausschuß — federführend — sowie an den Wirtschaftsausschuß und auch an den Kommunalpolitischen Ausschuß. Wir haben gehört, daß die FDP gern noch den Ausschuß für wirtschaftlichen Besitz des Bundes beteiligt wissen möchte. Wir beantragen das nicht, würden aber auch nicht dagegen stimmen.
Ich schließe die Aussprache.
Wir sind uns wohl einig: Überweisung an den Finanzausschuß — federführend — sowie an den Ausschuß für Kommunalpolitik und Sozialhilfe und an den Ausschuß 'für Wirtschaft.
Herr Dr. Mälzig hat noch zusätzlich Überweisung an den Ausschuß für wirtschaftlichen Besitz beantragt. Wir haben an sich den Grundsatz, nicht mehr als drei Ausschüsse mit Materien zu befassen. Ich rege an, daß wir beschließen, daß der Ausschuß für wirtschaftlichen Besitz vom federführenden Ausschuß gutachtlich gehört wird.
— Einverstanden? - Dann ist so beschlossen.
Nun rufe ich Tagesordnungspunkt 44 auf:
a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Hilbert, Mauk, Dr. Hauser, Leicht, Reichmann und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Branntweinmonopol ;
b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Branntweinmonopol .
Zur Begründung des Gesetzentwurfs unter a) hat Herr Abgeordneter Reichmann das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und .Herren! Es ist wohl unbestritten, daß die Bundesrepublik ein Rechtsstaat ist, also ein Staat, in dem Recht Recht bleiben muß. Dieser Grundsatz soll und muß auch für die alten Rechte der 40 000 Kleinbrenner gelten.
Es sei festgestellt, daß der vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Branntweinmonopolgesetzes beabsichtigt, diesem Grundsatz aber nur beschränkt Rechnung zu tragen. Um so mehr ist die im Land geübte politische Polemik zu verurteilen, daß der FDP-Finanzminister den Kleinbrennern ihre alten Rechte verweigern wolle. Der Finanzminister ist kein Partei-, sondern ein Bundesminister. Der Gesetzentwurf wurde von der Regierung eingebracht.
— Herr Kollege Schäfer, ich habe doch das Recht, hier zu sprechen, wie ich es für richtig und notwendig erachte.
— Dann sind wir uns ja einig.Seit 14 Jahren besteht die nicht ganz einfache Problematik. Kein Finanzminister hat bis jetzt die Lösung des Problems in Angriff genommen, obwohl dies früher aus mehreren Gründen viel leichter möglich gewesen wäre als heute. Um so mehr muß die üble Mißdeutung als unfair zurückgewiesen werden. Es ist das gute Recht, ja die Aufgabe des Parlaments, erforderlichenfalls die Regierung zu berichtigen. Von diesem Recht macht unser vorliegender Initiativantrag Drucksache 2019 Gebrauch, der von einem Großteil meiner Fraktionskollegen unterstützt wird.In diesem Antrag wird die Wiederherstellung der alten Rechte der Kleinbrenner und Stoffbesitzer durch eine entsprechende Änderung der §§ 79 und 118 a des Branntweinmonopolgesetzes gefordert. Eine wesentliche Vereinfachung der Staffelung in der Steuerberechnung ist dabei berücksichtigt.Die alten Brennrechte wurden schon im Reichstag — 1922 und 1929 — ausdrücklich anerkannt. Nur aus kriegswirtschaftlichen Gründen wurden sie 1944 aufgehoben. Selbst von den Besatzungsmächten wurden sie wieder anerkannt und nachfolgend in der Form von jeweiligen Billigkeitserlassen durch die Bundesfinanzminister. Infolge der unklaren Rechtslage waren die Kleinbrenner auf die Gnade der Billigkeitserlasse der Bundesfinanzminister angewiesen.Der vorliegende Antrag und der Regierungsentwurf sollen diesen unzuträglichen Zustand beenden und die alten Rechte wiederherstellen. Dies ist um so dringlicher, je höher die Qualitätsanforderungen bei Obst werden, je mehr dadurch Wirtschaftsobst anfällt, je besser die Obsternten und je schlechter die Witterungsverhältnisse sind. Die mit viel Fleiß und Kosten erzeugten Produkte sollen nicht verderben oder verkommen, sondern bestmöglich verwertet werden, damit durch die Erlöse die Lebensexistenzen der Familienbetriebe erhalten und verbessert werden. Durch die Ausübung der Brennrechte wird eine volkswirtschaftliche und agrarsoziale Aufgabe erfüllt.Unser Antrag ist deshalb in seinem Charakter und in seiner Auswirkung mehr ein Wirtschafts- als ein Steuergesetz. Er bringt weder eine einseitige Bevorzugung der Kleinbrenner, noch verursacht er Wettbewerbsverzerrungen. Er stellt nur das wieder her, was vorhanden war: das alte Recht.Eine sinnvolle Steuerstaffelung wind mit Erfolg auch in anderen Steuerbereichen durchgeführt unid zweckmäßig praktiziert. Durch die beantragte Staffelung der Steuersätze werden Steuerausfälle effektiv weitergehend vermieden, als es vom Finanzministerium geschätzt wurde. Angesichts der Tatsache, daß die Wiederherstellung der alten Rechte sich nur auf 3 % der Gesamterzeugung auswirkt, ist
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Reichmann keinerlei Anlaß zu der Vermutung gegeben, daß dadurch Störungen auf dem Branntweinmarkt verursacht werden.Infolge der besonders gelagerten Verhältnisse sind die Funktion und das Ergebnis der Genossenschaftsbrennerei mit der Funktion und dem Ergebnis einer Verwertungsgenossenschaft nicht zu vergleichen, was jeder Praktiker weiß und kennt. Einzelheiten anzuführen, will ich mir ersparen.Erwähnt sei aber noch die Tatsache, daß ein Großteil der eingeführten Genossenschaftsbrennereien auf Grund der besonderen Schwierigkeiten und Umstände oft unter Verlusten für die Mitglieder wieder aufgegeben werden mußten. Trotzdem Genossenschaftsbrennereien auch durch Anreize oder gar unter Druck schaffen zu wollen, ist eine Absicht, die wenig Erfolg, sondern mehr das Gegenteil verspricht. Bei der Beratung des Regierungsentwurfs zur Änderung des Branntweinmonopolgesetzes im Bundesrat am 20. März 1964 kam dieser unter Berücksichtigung aller angeführten Fakten und Kriterien im Grundsätzlichen einmütig zu denselben Ergebnissen.Infolge aller dieser Tatsachen und Zusammenhänge darf ich das Hohe Haus bitten, unseren Antrag Drucksache 2019 zur Änderung des Branntweinmonopolgesetzes zu unterstützen. Sinngemäß ist der Antrag ein rechtsstaatlicher Wiedergutmachungsakt, der gleichzeitig eine volkswirtschaftliche und agrarpolitische Aufgabe mit erfüllt.
Ich schließe die Aussprache. Vorgesehen ist die Überweisung der beiden Entwürfe an den Finanzausschuß — federführend —, an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — mitberatend — und an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung. — Hierüber herrscht Einverständnis; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 45 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes .
Bitte, Herr Abgeordneter Beuster!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Anbetracht der vorgeschrittenen Zeit und eingedenk der Tatsache, daß heute abend noch viele Kolleginnen und Kollegen Versammlungsverpflichtungen zu erledigen haben, erlaube ich mir, die Begründung zum Antrag der sozialdemokratischen Fraktion auf Drucksache IV/2047 hinsichtlich der Änderung .des Einkommensteuergesetzes zu Protokoll zu überreichen.
Das geschieht. Ich. danke dem Kollegen Beuster. Weitere Wortmeldungen? — Bitte schön!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nachdem der Herr Kollege Beuster ein so vorbildliches Beispiel gegeben hat, bleibt mir wohl auch nichts anderes übrig. Ich werde meine Ausführungen zu Protokoll nachreichen.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Funcke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf mich den Ausführungen der Vorredner anschließen und meine Ausführungen ebenfalls zu Protokoll geben.
Wir können dann die Beratung schließen. Vorgesehen ist die Überweisung an den Finanzausschuß — federführend — und an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung. — Einverständnis.
Ich rufe dann Punkt 46 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Eppler, Dr. Schäfer, Frau Schanzenbach und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes .
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Eppler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann leider kein fertiges Manuskript zu Protokoll geben, aber ich garantiere Ihnen daß ich in fünf Minuten fertig bin.Herr Professor Burgbacher hat vorhin davon gesprochen, daß es historisch gewordene Tatbestände gebe, die einmal zu Unrecht würden. Das sind die Fälle, wo man dann gewöhnlich in diesem Hause Faust — oder genauer Mephisto — zitiert und sagt, es gebe Dinge, wo einmal Vernunft zu Unsinn und Wohltat zu Plage werde. Solche Fälle haben wir jetzt bei der Besteuerung der landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetriebe. Dazu unser Antrag auf Drucksache 2104.Die Vernunft oder auch die Wohltat — das darf ich hier sagen, weil Herr Bauknecht nicht da ist — liegt in der allgemeinen Einkommenbesteuerung unserer Landwirtschaft. Sie wissen, daß hier allgemeine Durchschnittssätze genommen werden, die von einem Zwölftel des Einheitswertes ausgehen. Wenn dieser Durchschnittssatz nicht über 6000 DM hinausgeht, gibt es einen zusätzlichen landwirtschaftlichen Freibetrag von 1000 DM. Das bedeutet, daß die meisten nichtbuchführenden landwirtschaftlichen Betriebe keine Einkommensteuer zahlen. Darin liegt also die Vernunft und vielleicht auch die Wohltat.Der Unsinn und die Plage beginnen in dem Augenblick, wo ein Betrieb so klein geworden ist, daß der Inhaber einen anderen Haupterwerb, etwa in der Industrie, suchen muß. Sobald er dort in der Industrie über 6000 DM bekommt — das ist heute die Regel —, verliert er den Freibetrag und wird
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Dr. Epplernun mit seinem ganzen nach der sogenannten VOL errechneten landwirtschaftlichen Einkommen zur Einkommensteuer herangezogen.Ich darf Ihnen aus vielen Beispielen eines nennen. Ein Landwirt aus unserer Gegend hatte ursprünglich etwa 9 ha. Er hat nun auf 2,25 ha abgestockt. Während er vorher überhaupt keine Einkommensteuer gezahlt hat, zahlt er jetzt 336 DM im Jahr, während etwa sein Nachbar, der das Zehnfache an Fläche hat, aber Vollandwirt ist, überhaupt keine derartige Steuer zahlt.Das hat auch Auswirkungen auf die Agrarstrutur. Wir haben sehr viele Betriebe in der Bundesrepublik, die für einen Nebenerwerbsbetrieb zu groß und als Haupterwerbsbetrieb zu klein sind. Wenn man aber die einen aufstocken will, müssen die anderen irgendwie zu eindeutigen Nebenerwerbsbetrieben abgestockt werden. Diese Entwicklung wird dadurch gestoppt, 'daß wir die Nebenerwerbsbetriebe steuerlich geradezu bestrafen. Unsere Landwirte verstehen es einfach nicht, daß man ihnen auf dem Landwirtschaftsamt sagt, ihre Zwergbetriebe seien unrentabel, während man ihnen auf dem Finanzamt sagt, sie seien rentabel und 'müßten sogar besonders hart besteuert werden.Deswegen sind wir uns wahrscheinlich in diesem Hause darüber einig, daß etwas geschehen muß. Wir haben einen Vorschlag gemacht, auf den wir nicht dogmatisch festgelegt sind. Wir haben gesagt: wir setzen die Grenze von 6000 DM auf 12 000 DM herauf. Nur eines bitte ich zu bedenken: was die Bundesregierung im Steueränderungsgesetz vorgeschlagen hat, hilft uns nicht weiter. Das verschiebt das Problem nur ein bißchen. Sobald heute jemand 7000 DM in der Industrie verdient — und das ist heute wiederum der Normalfall —, ist ihm mit diesem Entwurf der Bundesregierung nicht geholfen.Noch ein Wort zu den finanziellen Auswirkungen. Ich sage nicht, wieviel 'die Landwirtschaft insgesamt an Einkommensteuer zahlt, um hier keine ungerechtfertigten Neidgefühle zu erwecken. Von dieser geringen Summe zahlen ungefähr die Hälfte die buchführenden, also hier gar nicht in Frage stehenden Betriebe. Wenn wir jetzt davon ausgehen, daß von der anderen Hälfte durch unseren Antrag noch etwa ein Viertel ausfällt, dann sind wir immer noch bei einem Betrag unter 10 Millionen DM.Deshalb hoffen wir, meine Damen und Herren, daß Sie diesen Antrag, den wir dem Finanzausschuß überweisen wollen, mit Wohlwollen beraten, damit schließlich auch die Finanzämter von einer Arbeit entlastet werden, die in jedem Falle mehr Ärger als Geld einbringt.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Artzinger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der CDU/CSU-Fraktion habe ich unsere volle Sympathie mit Ihrem Anliegen auszusprechen. Die Sympathie ging so weit, Herr Kollege Eppler, daß der Kollege Leonhard und ich uns bemüht haben, diese Regelung im Steueränderungsgesetz, die Sie als minimal ansprechen, mindestens einmal in den Gesetzentwurf hineinzubringen. Uns beschäftigt das Anliegen schon sehr lange, und die Regelung in Art. I Nr. 9, ist das Ergebnis mehrerer Rücksprachen mit dem Finanzministerium; mehr haben wir nicht erreichen können.
Wir sind stolz darauf, daß wir das mindestens schon einmal darin haben. Aber wir sind gerne bereit, im Finanzausschuß über Ihren sehr viel weitergehenden Antrag zu sprechen. Sie werden mir erlauben, daß ich darauf hinweise — was Ihnen sicherlich nicht neu ist —, daß wir die Relation zu den Haupterwerbslandwirten natürlich einigermaßen im Rahmen lassen müssen. Aber wie gesagt, das sollte der Beratung im Finanzausschuß vorbehalten bleiben.
Ich beantrage auch für meine Fraktion Überweisung an den Finanzausschuß.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Funcke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Wir werden seitens der Freien Demokratischen Partei ebenfalls dem Antrag zustimmen, den Entwurf dem Ausschuß zu überweisen. Wir sehen in ihm eine der vielen Anregungen, die uns zur Beratung des Steueränderungsgesetzes vorliegen. Ich nehme an, daß vorgesehen ist, in dem Gesamtkonzept des von der Regierung noch einzubringenden Gesetzes über die Einkommensteueränderungen auch diese Frage zu beraten; denn so isoliert können wir natürlich auch dieses Problem nicht sehen. Daß die Wertgrenze, die bisher gesetzt ist, angesichts der heutigen Preise und der gesamten Geldentwicklung zu niedrig ist, wird von niemandem bestritten. Aber wir sind uns doch wohl auch darüber klar, daß das hier nicht der einzige Fall ist, wo solche Grenzen im Gesetz gesetzt sind, und daß wir deshalb die Frage zusammen mit jenen Fragen sehen müssen, die es an anderen Stellen ebenfalls mit Wertgrenzen zu tun haben und daher zur Überprüfung zwingen. Wir sind also der Meinung, daß diese Frage im Zusammenhang mit dem Steueränderungsgesetz von uns geprüft werden soll.
Ich kann die Aussprache schließen.Vorgesehen ist die Überweisung an den Finanzausschuß und an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung. — Einverständnis; es ist so beschlossen.Punkt 47 der Tagesordnung:Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Schmidt , Bading, Margulies und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundsteuergesetzes (Drucksache IV/2125).Wird die Begründung gewünscht? — Das ist nicht der Fall.Wir können den Entwurf also ohne Beratung an den Finanzausschuß überweisen. — Es ist so beschlossen. Damit sind die Finanzvorlagen erledigt.
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Vizepräsident Dr. DehlerWir kehren zurück zu Punkt 25 der Tagesordnung:Beratung des Berichts des Außenhandelsausschusses über die von der Bundesregierung erlassene Zweiundfünfzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Stahlzölle) (Drucksachen IV/1926, IV/2183).Es liegt vor der Bericht des Herrn Abgeordneten Dr. Löhr. Ich danke dem Berichterstatter. Eine Aufhebung der Verordnung wird nicht verlangt, sondern es wird lediglich zur Kenntnis genommen. — Kein Widerspruch. Es ist dann so beschlossen.Es liegt noch vor der Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 443.Bitte, Herr Abgeordneter Bading.
Herr Präsident! Mein sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, nur ein paar Worte dazu zu sagen.
Dieser Entschließungsantrag auf Umdruck 443 bezieht sich auf die 52. Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 — Stahlzölle —. Diese Verordnung wiederum beruht auf einer Empfehlung der Hohen Behörde vom 15. Januar dieses Jahres. In dieser Empfehlung der Hohen Behörde wird zum Ausdruck gebracht, daß man zu einer Kodifizierung der Stahlzölle im Hinblick auf die kommenden Verhandlungen im GATT kommen müsse, außerdem, weil die Lage auf dem Gemeinsamen Markt für Stahl seit Monaten durch ein zunehmendes Ungleichgewicht von Angebot und Nachfrage gekennzeichnet sei. Nun stimmt das zweifelsohne für die vergangene Zeit, besonders für das letzte Jahr. Auf der anderen Seite steht eine Zollerhöhung in einem gewissen Gegensatz zu dem Stabilisierungsprogramm der EWG. Ich darf verweisen auf das Bulletin vom 18. April, in dem diese Empfehlung des Ministerrats zur Wiederherstellung des Preis- und Kostenniveaus in allen Ländern der Gemeinschaft abgedruckt ist. Danach sollten alle geeigneten Maßnahmen getroffen werden, um die Einfuhr zu fördern, und es sollte alles vermieden werden, was die Ausfuhr begünstigt.
Nun ist inzwischen zweifelsohne eine gewisse Veränderung auf dem Stahlmarkt festzustellen. Die Auftragseingänge sind wieder bedeutend höher. Sie liegen in den ersten Monaten dieses Jahres bei den Stahlwarmwalzwerken um etwa 59 % höher als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Es wurde zwar teilweise in der Diskussion bestritten, daß der Zuwachs an erteilten Aufträgen eine Wirkung auf die Preise ausgeübt habe — diese wären immer noch reichlich niedrig, was gar nicht bestritten werden sollte —, aber wenn man sie in Vergleich setzt zu den Vorjahrespreisen, muß man doch feststellen, daß sowohl die Preise für Stabstahl wie für Feinblech, für Walz- und Warmstahl doch wieder angezogen sind. Als Beispiel darf ich Rundstahl nehmen, der im April 1963 bei 71,50 Dollar lag und jetzt bei 84 Dollar liegt. Es ist also schon eine gewisse Preissteigerung wieder zu verzeichnen.
Wir sind der Ansicht, daß die Hohe Behörde sich diese Sachlage vor Augen führen und noch einmal untersuchen sollte, wie die derzeitigen Verhältnisse in der Stahlindustrie in der Gemeinschaft sind. Dahin zielt unser Entschließungsantrag, in dem die Bundesregierung ersucht wird, dahin zu wirken, daß die Hohe Behörde überprüft, ob angesichts der veränderten Konjunkturlage und im Hinblick auf die vom Ministerrat gebilligten Empfehlungen die Voraussetzungen sich jetzt anders gestalten als beim Erlaß ihrer Empfehlung. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie sich im Interesse der Entwicklung der Konjunktur und auch der antizyklischen Maßnahmen unserem Antrag anschließen würden.
Keine weiteren Wortmeldungen.Wir stimmen ab über den Entschließungsantrag der SPD auf Umdruck 443. Wer zustimmen will, gebe bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe ! — Enthaltungen? — Ich darf einstimmige Annahme des Entschließungsantrags feststellen.Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 39:Beratung des Schriftlichen Berichts des Wirtschaftsausschuses über den Vorschlag der Kommission der EWG für eine Richtlinie des Rats zur Durchführung von koordinierten Jahreserhebungen über die Investitionen im produzierenden Gewerbe (Drucksachen IV/2084, IV/2196, zu IV/2196).Es liegt vor der Bericht des Herrn Abgeordneten Stein. Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.Der Antrag des Ausschusses findet sich auf Drucksache 2196. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, gebe bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmige Annahme.Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 42:a) Erste Beratung des von der Fraktion der FDP'eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zurÄnderung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes
;
b) Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/ CSU betr. Änderung und Ergänzung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes .Werden die Anträge begründet? — Das ist nicht der Fall. Vorgesehen ist Überweisung der Anträge an den Ausschuß für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung. Ohne Bedenken? — Es ist dann so beschlossen.Ich rufe dann auf den Tagesordnungspunkt 48:Erste Beratung des von den Abgeordneten Rehs, Kuntscher, Mischnick und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Bundesvertriebenengeset-
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Vizepräsident Dr. Dehlerzes (Drucksache IV/2093 [neu]) .Begründung wird nicht gewünscht. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll der Gesetzentwurf an •den Ausschuß für Heimatvertriebene überwiesen werden. Keine Bedenken? — Es ist so beschlossen.Tagesordnungspunkt 49:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder der Bundesregierung (Drucksache IV/2007).Es wird keine Begründung und auch keine Aussprache gewünscht. Es ist Überweisung an den Ausschuß für Inneres vorgesehen. Kein Einwand? — Es ist so beschlossen.Tagesordnungspunkt 50:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Erkennungsmarken (Drucksache IV/2105).Der Gesetzentwurf soll nicht begründet werden. Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. Vorgeschlagen wird Überweisung an den Ausschuß für Inneres. — Es ist so beschlossen.Tagesordnungspunkt 51:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über das Zivilschutzkorps und über den Zivilschutzdienst .Ohne Begründung und Aussprache! Vorgesehen ist Überweisung an den Ausschuß für Inneres als federführenden Ausschuß, an den Ausschuß für Verteidigung zur Mitberatung und an den Haushaltsausschuß zur Mitberatung gemäß § 96 der Geschäftsordnung. Keine Bedenken? — Es ist so beschlossen.Tagesordnungspunkt 52:Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Luda, Katzer, Winkelheide, Wullenhaupt und Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften .Die Vorlage soll ohne Aussprache an den Wirtschaftsausschuß überwiesen weiden. — Ich stelle die Zustimmung des Hauses fest; es ist so beschlossen.Tagesordnungspunkt 53:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Rechnungsjahr 1964 (Drucksache IV/2108).Der Entwurf soll ohne Aussprache an den Ausschußfür wirtschaftlichen Besitz des Bundes — federführend — und an den Wirtschaftsausschuß und Haushaltsausschuß zur Mitberatung überwiesen werden. — Es ist so beschlossen.Tagesordnungspunkt 54:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu der Erklärung vom 13. November 1962 über den vorläufigen Beitritt der Vereinigten Arabibischen Republik zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen .Die Vorlage soll ohne Aussprache an den Außenhandelsausschuß überwiesen werden. — Est ist so beschlossen.Tagesordnungspunkt 55:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu der Empfehlung des Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Zollwesens vom 16. Juni 1960 zur Änderung des Artikels XVI des Abkommens über das Zolltarifschema für die Einreihung der Waren in die Zolltarife .Es wird vorgeschlagen, den Entwurf ohne Aussprache an ,den Außenhandelsausschuß zu überweisen. — Es ist so beschlossen.Punkt 56 der Tagesordnung:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Europäischen Sozialcharta vom 18. Oktober 1961 .Der Entwurf soll ohne Aussprache überwiesen werden an den Ausschuß für Arbeit — federführend —, den Ausschuß für Sozialpolitik, den Ausschuß für Kommunalpolitik und Sozialhilfe. — Das Haus ist einverstanden; es ist so beschlossen.Tagesordnungspunkt 57:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Durchführung der Verordnung Nr. 19 des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (Drucksache IV/2122).Die Vorlage soll ohne Aussprache an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — federführend —, den Wirtschaftsausschuß und den Außenhandelsausschuß zur Mitberatung überwiesen werden. — Das Haus stimmt zu; es ist so beschlossen.Tagesordnungspunkt 58:Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung .Der Entwurf soll ohne Beratung an den Rechtsausschuß — federführend — und an den Ausschuß für Kulturpolitik und Publizistik zur Mitberatung überwiesen werden.
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6112 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 125. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. April 1964
Vizepräsident Dr. Dehler Tagesordnungspunkt 59:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Soldatenversorgungsgesetzes .Die Vorlage soll ohne Beratung an den Ausschuß für Verteidigung — federführend — und an den Ausschuß für Inneres überwiesen werden. — Es ist so beschlossen.Tagesordnungspunkt 60:Erste Beratung des von ,der Bundesregierungeingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu denVertragen vom 21. Mai 1962 über die Auslieferung und über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Fürstentum Monaco .Die Vorlage soll ohne Aussprache an den Rechtsausschuß überwiesen werden. — Auch das ist beschlossen.Damit sind wir am Ende der Tagesordnung. Ich berufe die nächste Plenarsitzung auf Dienstag, den 26. Mai, 9 Uhr.Die Sitzung ist geschlossen.