Gesamtes Protokol
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Sitzung ist eröffnet.
Die Fraktion der DP hat unter dem 3. Juli 1957 mitgeteilt, daß sie sich in formeller Angleichung an den Namen der Partei künftig wie folgt nennt: „Fraktion der Deutschen Partei ".
Vor Eintritt in die Tagesordnung müssten wir erneut entscheiden, wie weiter verfahren werden soll. Herr Kollege Rasner, wollen Sie das Wort dazu? — Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Plenum des Bundestages hat gestern beschlossen, heute als Punkt 1 der Tagesordnung den Punkt 26 der gedruckten Tagesordnung, also den Entwurf eines Gesetzes über den Ausbauplan für Bundesfernstraßen sowie den Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Verkehrswege, Drucksachen 3234, 3694, 613 und 3607, zu behandeln.
Namens der Fraktionen der CDU/CSU und der DP möchte ich für den weiteren Verlauf der Tagesordnung folgendes vorschlagen: Schon im Ältestenrat waren wir 'uns mit allen Fraktionen darüber einig, als Punkt 2 den Gesetzentwurf betreffend die Bundesbürgschaft für die Aufbringung der Ernte, Drucksachen 3730 und 3729, vorzusehen.
Im Ältestenrat herrschte auch Einvernehmen darüber, daß wir als Punkt 3 die Novelle zum Bundesvertriebenengesetz, Drucksachen 2329 und 2847, behandeln wollten.
Ferner waren wir im Ältestenrat darüber einig, daß als Punkt 4 die Behandlung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundesergänzungsgesetzes zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung, Drucksachen 3723 und 3659, folgen sollte.
Als Punkt 5 schlagen wir vor, die seinerzeit abgesetzte Wahl für den Aufsichtsrat der Lastenausgleichsbank durchzuführen.
Als Punkt 6 schlagen wir vor, die zweite und dritte Lesung des Sechsten Nachtragshaushaltsgesetzes 1956, Drucknachen 3704 und 3418, durchzuführen. Der Herr Bundesfinanzminister und der Herr Bundesverteidigungsminister haben mit Nachdruck gebeten, die zweite und dritte Lesung dieses Sechsten Nachtragshaushalts noch in dieser Woche durchzuführen Kren, und zwar aus allgemeinen budgetrechtlichen Erwägungen. Die Fraktionen der Koalition schließen sich dieser Auffassung des Finanzministers und des Verteidigungsministers an. Es ist wohl zweckmäßig und sinnvoll, diesen Nachtragshaushalt um der Etatwahrheit willen heute zu lesen.
Als Punkt 7 schlagen wir die erste Lesung der Grundgesetzänderung zum Atomgesetz, Drucksache 3726, vor mit dem Ziel, diesen Antrag an den Rechtsausschuß —federführend — und an dien Atomausschuß zur Mitberatung zu überweisen.
Als Punkt 8 schlagen wir dann die zweite Lesung des Atomgesetzes vor. Wir werden bei der zweiten Lesung des Atomgesetzes die Rücküberweisung an den Atomausschuß — federführend — und an den Rechtsausschuß zur Mitberatung beantragen mit dem Ziel, daß Rechtsausschuß und Atomausschuß dann bis zur Sitzung am 29. August erneut prüfen, ob, nachdem die Grundgesetzergänzung in der früheren Form gescheitert ist, ein Atomgesetz vorgelegt werden kann, das keiner Grundgesetzänderung bedarf, oder aber ob und, wenn ja, in welcher Form eine Grundgesetzänderung notwendig ist.
Herr Präsident, ich würde für den Fall, daß unsere Anträge zu Punkt 7 rund Punkt 8 vom Haus gebilligt werden, darum bitten, dem Atomausschuß und dem Rechtsausschuß auch während der Ferien die Möglichkeit zu Sitzungen einzuräumen.
Unter Punkt 9 bitten wir dann in der gestrigen Tagesordnung fortzufahren.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, ich empfehle, sich nicht am frühen Morgen schon so aufzuregen.
— Nein, lassen Sie uns doch mal in Ruhe über die Sache diskutieren.
Herr Abgeordneter Rasner, darf ich noch einmal fragen: Punkt 1 waren die Bundesfernstraßen? — Ich hoffe, daß ich alles mitbekommen habe.
Herr Abgeordneter Menzel!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu der vom Herrn Kollegen Rasner namens der Fraktion der CDU/CSU vorgeschlagenen Tagesordnung möchte ich mich im Augenblick nur auf eine Stellungnahme zu dem Vorschlag beschränken, heute das Atomgesetz in zweiter Lesung zu behandeln, und zwar nur, um es sofort wieder an den Atomausschuß zurückzuverweisen.
Als gestern die Fraktion der DP beantragte, den Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes auf die Tagesordnung zu setzen, um die Verabschiedung des Atomgesetzes zu ermöglichen, war es die Fraktion der CDU, die dagegen stimmte. Als sie überstimmt wurde, gelang es ihr nachmittags, nachdem sie nun gezwungen war, auf diesen Tagesordnungspunkt einzugehen, die Beratung der notwendigen Grundgesetzänderung so weit nach hinten auf die Tagesordnung zu schieben, daß eine Behandlung praktisch nicht möglich war.
Dieser Antrag wurde doch nur in der Absicht gestellt, die Behandlung der Grundgesetzänderung kaputtzumachen.
Daher überrascht es, daß heute früh die gleiche Fraktion so tut, als sei sie an einem Atomgesetz interessiert;
denn, Herr Kollege Rasner und meine Damen und Herren von der CDU/CSU, wenn Sie sagen, diese beiden Punkte der Tagesordnung — Grundgesetzänderung und Atomgesetz — sollten Punkt 7 und Punkt 8 der heutigen Tagesordnung werden, dann wissen Sie ganz genau, daß bei der Bedeutung der vorhergehenden sechs Tagesordnungspunkte
kein Mensch mehr daran glaubt, daß wir dann noch zu der Beratung der Atomgesetze kommen können.
Das heißt also praktisch weiter nichts, als der Öffentlichkeit Sand in die Augen zu streuen.
Meine Damen und Herren, dieser Wirrwarr, der jetzt von Ihnen erneut verursacht wird, ist nur für den zu begreifen, der weiß, welches Durcheinander in Ihrer Fraktion herrscht, nachdem Sie neulich die Änderung des Grundgesetzes kaputtgemacht haben.
Die Fraktion der SPD ist selbstverständlich bereit, sich sehr sorgfältig mit diesem Antrag zu befassen. Wir bitten daher, die Plenarsitzung, ehe wir zur Abstimmung über diesen Antrag kommen, bis 10 Uhr 45 zu unterbrechen.
— Ja, meine Damen und Herren, so leicht wie Sie machen wir es uns nicht, wenn solche wichtigen Fragen zu behandeln sind.
Ich bitte also um diese Unterbrechung. Zunächst wird der Fraktionsvorstand zusammentreten und um 10 Uhr die Fraktion der SPD.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Rasner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist selbstverständlich, daß wir dem Wunsche einer Fraktion, die die Beratung in diesem Hause unterbrechen will, entsprechen werden. Die Pause muß der Fraktion der SPD zur Beratung selbstverständlich eingeräumt werden. Ich möchte aber folgenden Vorschlag machen. Wir waren uns völlig einig über die Punkte 1, 2, 3, 4 und 5, die auch praktisch ohne größere Debatten abgewickelt werden können. Darüber haben wir auch gestern im Ältestenrat eingehend gesprochen. Ich möchte die Fraktion der SPD also bitten, diese Pause einzulegen, wenn wir mit der Beratung des Punktes 6 der Tagesordnung fertig sind und bevor wir zur Beratung dieses Punktes übergehen.
— Das ist lediglich eine Bitte. Einem Wunsch, die Sitzung zur Fraktionsberatung zu unterbrechen, ist in diesem Hause immer entsprochen worden.
Herr Abgeordneter Menzel!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir widersprechen diesem Antrag. Denn wenn es überhaupt Sinn hat, diese beiden Gesetzentwürfe über die Atomfragen zu behandeln, dann nur, glaube ich — ich kann jetzt nur für meine Person sprechen —, wenn wir sie als Punkt 1 der Tagesordnung beraten,
nicht aber, wenn wir so tun, als ob wir etwas behandeln wollten, von dem wir überzeugt sind, daß es gar nicht mehr erledigt werden kann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wir fahren in der unterbrochenen Sitzung fort.
Zunächst muß ich dem Haus die traurige Mitteilung machen, daß auch die technische Apparatur dieser Hitze nicht gewachsen zu sein scheint. Die Pumpen sind überbeansprucht, so daß ausgerechnet die Kühlanlage für den Plenarsaal ausgefallen ist. Es muß Ersatz beschafft werden. Ich kann nicht versprechen, daß wir den Schaden in einigen Stunden behoben haben werden. Ich bitte also, sich damit abzufinden, daß es auch hier so warm wird wie draußen auf der Straße.
Herr Abgeordneter Dr. Menzel!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion bitte ich, zunächst über die von Herrn Kollegen Rasner namens der CDU/CSU- Fraktion vorgeschlagenen Punkte 1 bis 6 abzustimmen. Wir sind grundsätzlich damit einverstanden, daß die unter diesen Punkten aufgezählten Sachgebiete, die u. a. auch auf Grund interfraktioneller Beratungen auf die gedruckte Tagesordnung gesetzt worden sind, behandelt werden.
Was den Punkt 7 — die zur Verabschiedung des dem Hause vorliegenden Atomgesetzes notwendige Grundgesetzänderung — anlangt, sind wir nicht bereit, von der interfraktionellen Vereinbarung und dem gestrigen Beschluß des Hohen Hauses abzugehen, den Gesetzentwurf in erster u n d zweiter Lesung ohne Ausschußverweisung zu beraten. Wir lehnen also den Antrag ab, daß nur die erste Lesung stattfindet und der Gesetzentwurf alsdann an den Ausschuß verwiesen wird. Wir lehnen ferner ab, daß dieser Gesetzentwurf erst als Punkt 7 der Tagesordnung beraten wird.
Zu Punkt 8 hat der Kollege Rasner beantragt, nunmehr das Atomgesetz nur zur zweiten und nicht zur dritten Lesung auf die Tagesordnung zu setzen. Dieser Antrag — und das ist politisch entscheidend — war verbunden mit der Ankündigung der CDU/CSU, daß sie dieses Gesetz gar nicht beraten, sondern sofort an den Ausschuß zurückverweisen wolle. Beide Gesetzesanträge — sowohl das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes als auch das Atomgesetz — haben seit Dezember 1956 in den zuständigen beiden Ausschüssen, dem Atomausschuß und dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht, gelegen. Die Fraktionen haben also seit mehr als einem halben Jahr Zeit gehabt, sich mit diesen Sachgebieten zu befassen. Der Ausschuß hat sogar sitzungsfreie Wochen in Anspruch genommen, hat also die Gesetze sehr gründlich und sehr sorgfältig beraten. Seine Beratungsergebnisse sind dann auch noch zum Gegenstand interfraktioneller Besprechungen und, darauf fußend, zum Gegenstand interfraktioneller Vereinbarungen gemacht worden.
Wir unterstellen, daß auch die Mitglieder der CDU/CSU-Fraktion, die in beiden Ausschüssen mitgearbeitet und sich auch an den interfraktionellen
Verhandlungen beteiligt haben, genau wußten, was sie damals gutgeheißen haben. Und wenn Herr Professor Wahl Berichterstatter ist, dem Haus als sorgfältiger und penibler Berichterstatter bekannt, dann wird er ja auch gewußt haben, was er seiner Fraktion und dem Hohen Hause als Berichterstatter vorzutragen hatte.
Meine Damen und Herren, die interfraktionellen Verhandlungen haben unter dem Vorsitz des Herrn Atomministers Balke von Ihrer Fraktion stattgefunden. Herr Balke hat damals bei diesen interfraktionellen Vereinbarungen — am Schluß der Verhandlungen und vor Abschluß der Vereinbarungen — auf meine Frage ausdrücklich erklärt, daß hinter diesen Vereinbarungen auch die Bundesregierung stehe.
Noch in der vorigen Woche — es sind kaum 7 Tage her — hat Ihre Fraktion den vereinbarten Grundgesetzänderungen zugestimmt. Die Situation änderte sich erst im letzten Augenblick bei der dritten Lesung, als der Herr Bundeskanzler in Ihren Reihen — nicht öffentlich — Einspruch erhob. Sofort kippte auf diesen Befehl hin zunächst ein Teil und alsbald die gesamte Fraktion um.
Da Sie heute bei dem Antrag nichts über das Schicksal der interfraktionellen Anträge gesagt haben, nehme ich zunächst an, daß Sie bei diesen Anträgen bleiben wollen. Wenn das aber so ist, was soll dann die Zurückverweisung in den Ausschuß? Es ist absolut alles geklärt. Wenn Sie die Verabschiedung der Gesetze wirklich wollten, wie Sie es jetzt in der Öffentlichkeit glauben machen möchten, hätten Sie sie längst haben können, also Sie haben die Vereinbarungen gebrochen. W i r wären bereit gewesen, in eine ordnungsmäßige Plenarberatung beider Gesetze einzutreten. Sie aber verweigern das heute; denn Sie wollen durch Ihren Antrag auf Rückverweisung in den Ausschuß nichts weiter erreichen, als beide Gesetzentwürfe völlig umzukrempeln.
Bei diesem Verhalten erhebt sich natürlich für jedermann die Frage: Was wollen Sie eigentlich? Was ist der tiefere Grund? Das ist leicht zu beantworten. Sie wollen offensichtlich unter allen Umständen von den Vereinbarungen herunter, ohne das in der Öffentlichkeit zugeben zu wollen.
Zweitens — und das ist das eigentlich politisch Wichtige, aber auch das politisch Tragische — Sie wollen unter allen Umständen eine Grundgesetzänderung verhindern, wonach das Kernmaterial zur Atomspaltung in Deutschland nur für friedliche Zwecke benutzt werden darf,
d. h. Sie wollen sich damit offensichtlich die Tür offenhalten auch für eine nicht friedliche Benutzung des Materials.
Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, bei diesen Versuchen, die außenpolitisch und auf dem Gebiete der Wiedervereinigung zu tragischen Verwicklungen führen würden, bieten wir zu einem solchen Verfahren nicht die Hand, auch nicht und erst recht nicht über geschäftsordnungsmäßige
Kniffe. Wir sind auch politisch nicht bereit, Sie aus dieser Verantwortung zu entlassen.
Meine Damen und Herren, wenn ich recht sehe, sind in den Vorschlägen bzw. Anträgen, die hier vorliegen,
sechs Punkte nicht strittig. Sind wir uns darüber einig? Auch in der Reihenfolge? Ich lese sie noch einmal vor: 1. Straßenfernverkehr, 2. Bundesbürgschaft für die Lebensmirttelbevorratung, dann das Bundesvertriebenengesetz, die Entschädigung für die Opfer der NS-Verfolgung, 5. Neuwahlen von Mitgliedern — Lastenausgleichsbank — und 6. Nachtragshaushalt. Sind wir uns soweit einig?
Darüber ist keine Abstimmung erforderlich; darüber sind wir nicht strittig. Wir werden jetzt, was .auch im weiteren 'beschlossen wird, zunächst einmal diese Tagesordnungspunkte behandeln.
Dann wird es strittig mit dem 7. Punkt. Zunächst: wir haben gestern auf der Tagesordnung, wenn ich mich recht erinnere, die erste und zweite Beratung der Grundgesetzänderung zum Atomgesetz stehen gehabt. Herr Kollege Rasner hat heute vorgeschlagen: nur erste Beratung mit dem Ziel, den Gegenstand in die Ausschüsse zu geben. Darüber müßte man also nachher abstimmen, denn es muß entschieden werden, ob heute schon eine zweite Beratung gemacht werden kann oder nicht.
Dann kommt die Frage des Atomgesetzes. Herr Abgeordneter Rasner hat die zweite Beratung des Atomgesetzes beantragt, während Sie die zweite u n d dritte Beratung des Atomgesetzes haben möchten.
— Gar nicht? Absetzen?
— Es steht noch nicht darauf, aber der Herr Abgeordnete Rasner hat vorgeschlagen, es daraufzusetzen. Wir werden dann also darüber abstimmen, ob dieser Punkt auf die Tagesordnung genommen werden soll.
Dann käme die zweite und dritte Beratung des Selbstverwaltungsgesetzes Berlin. Ist das nun strittig oder nicht, Herr Kollege Menzel?
— Mit der zweiten und dritten Beratung des Selbstverwaltungsgesetzes Berlin beginnend würde dann die gedruckte Tagesordnung in der vorliegenden Reihenfolge abgewickelt werden.
Strittig sind also die zwei Punkte: Grundgesetzänderung zum Atomgesetz und das Atomgesetz selber. Darüber stimmen wir nachher ab.
Zunächst hat das Wort zur Geschäftsordnung der Herr Abgeordnete Euler.
Euler : Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die gesetzespolitische Lage im Hinblick auf die Verabschiedung des Atomgesetzes ist sehr schwierig geworden. Ich möchte das Haus
darauf hinweisen, daß ernste Gefahren drohen. Der Bayerische Landtag hat gestern in erster Lesung ein Landesgesetz beschlossen. Die Verabschiedung im Bayerischen Landtag würde wahrscheinlich erfolgen, noch ehe der Landtag in Ferien geht.
In ¡anderen Ländern würden wahrscheinlich auch sehr schnell entsprechende Entscheidungen fallen. Dann stünde der 3. Bundestag vor der Lage, daß bereits in einer Reihe von Ländern Atomgesetze in Kraft getreten wären.
— Ich sage das dem ganzen Hause, meine sehr geehrten Damen und Herren!
Welche Schwierigkeiten ergeben sich nun hinsichtlich ,der Atommeiler, die in den kommenden Wochen in Betrieb genommen werden sollen? Wir haben gestern den Euratomvertrag verabschiedet; seine Ratifikation erfolgt in Frankreich fast gleichzeitig. Die Wirksamkeit von Euratom setzt aber eine nationale Kontrolle kraft nationalstaatlicher Gesetze in den einzelnen Partnerstaaten voraus. Es ist überaus zweifelhaft, ob es zur Erfüllung der deutschen Verpflichtung im Rahmen von Euratom genügen würde, wenn inzwischen in verschiedenen Bundesländern entsprechende Gesetze gemacht würden.
Darüber hinaus steht aber auch die Erfüllung der mit den Vereinigten Staaten von Amerika und mit Englandabgeschlossenen Verträge über die Lieferung von ¡Brennstoffelementen in Frage; denn auch diese Verträge setzen voraus, daß kraft eines besonderen Bundesgesetzes eine Bundeskontrolle vorhanden 'ist. Es ist sehr fraglich, ob die Lieferverträge erfüllt würden, wenn ein Bundesgesetz fehlte und lediglich in einigen Ländern Landesgesetze wirksam geworden wären.
Lassen Sie mich eines sagen. Die politische Streit, der hier ausgebrochen ist und dazu führte, daß 40 Abgeordnete der CDU/CSU ihre Stimme der Grundgesetzänderung versagten, beruht durchaus auf einem Rechtsirrtum. Es ist aber auch rechtsirrig — das muß ich in diesem Augenblick sagen —, wenn Sie, meine sehr ,geehrten Damen und Herren von der sozialdemokratischen Opposition, an die Annahme der Grundgesetzänderung, wie wir sie erneut vorgeschlagen haben, die Hoffnung knüpfen, daß dadurch wehrpolitische Fragen entschieden würden. Ich habe in den letzten Tagen immer wieder mit Juristen aus allen Fraktionen dieses Hauses gesprochen.
— Es lag in den Worten Ihrer Begründung, Herr Kollege Menzel.
Ich darf das Problem noch einmal darstellen. Die Entscheidung sämtlicher wehrpolitischer Fragen, und zwar sowohl in Gesetzgebung wie in Verwaltung, beruht auf der ausschließlichen Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes nach Art. 73 des Grundgesetzes. Diese ausschließliche Gesetzgebung des Bundes kann durch eine Grundgesetzergänzung, durch die Einfügung einer Nr. 11 a in Art. 74, wie sie hier von der DP erneut vorgeschlagen ist, überhaupt nicht berührt werden. Man muß davon :ausgehen, daß eine Gesetzeslücke nur noch hinsichtlich der friedlichen Verwendung der Kernenergie vorhanden ist. Diese Lücke wird durch die Grundgesetzergänzung, wie wir sie erneut vorgeschlagen haben, ausgefüllt. Daraus kann nicht ein Umkehrschluß hergeleitet werden, daß Fragen ganz anderer Natur, nämlich solche, die der Zuständigkeit nach Art. 73 des Grundgesetzes unterfallen, durch Aufnahme dieser Grundgesetzergänzung in Ihrem Sinn irgendwie beeinträchtigt würden. Das ist ein Irrtum, und es ist bedauerlich, daß sich der Irrtum inzwischen derart befestigt hat, daß man heute leider nicht hoffen kann, eine Grundgesetzergänzung nach Art. 74 in der vorgeschlagenen Art hier durchzubekommen.
Es ist aber wesentlich, daß innerhalb dieses 2. Bundestages noch nach Möglichkeiten der Verabschiedung des Atomgesetzes und einer das Atomgesetz tragenden Grundgesetzänderung gesucht wird. Wenn entsprechende Möglichkeiten in diesem Hause heute nicht zu finden sind, dann, so möchte ich meinen, gibt es keine bessere Entscheidung als die, daß man erneut den beteiligten Ausschüssen, dem Atomausschuß und dem Rechtsausschuß, Gelegenheit zur Überprüfung gibt, damit sie wenigstens bis zum 28. und 29. August konstruktive Vorschläge unterbreiten können. Das würde immerhin bedeuten, daß dann diese Fragen erneut in einer Atmosphäre behandelt werden könnten, die von falschen und rechtsirrigen politischen Auffassungen hoffentlich nicht mehr in demselben Maße getrübt ist, wie das im Augenblick der Fall ist. Wir würden es natürlich ,am meisten begrüßen, wenn heute die Grundgesetzänderung angenommen und auch das Atomgesetz in zweiter und dritter Lesung verabschiedet würde.
Es gäbe noch eine Möglichkeit, meine sehr geehrten Damen und Herren, nämlich die, daß man heute entsprechend den interfraktionellen Vereinbarungen das Atomgesetz in zweiter und dritter Lesung verabschiedet und dann lediglich die Frage der Grundgesetzergänzung ausklammert. Ich möchte auf diesen Ausweg ausdrücklich aufmerkSam gemacht halben.
Es bestehen also zwei konstruktive Möglichkeiten. Ich spreche hier aus dem Interesse an einer sachlichen Erledigung, die uns in der Zukunft in 'der atomaren Entwicklung vor dem großen Unheil der Rechtszersplitterung durch Ländergesetze bewahrt. Es gibt die eine Möglichkeit, daß unter Pesthalten an den interfraktionellen Vereinbarungen das Atomgesetz heute verabschiedet wird und die Frage, inwieweit zur Fundamentierung dieses Atomgesetzes eine Grundgesetzergänzung erforderlich ist, durch Überweisung unseres Antrages an den Atomausschuß und den Rechtsausschuß offengehalten wird mit diem Ziel, eine entsprechende Entscheidung am 28. oder 29. August herbeizuführen. Will man diesen Weg nicht gehen, dann gibt es nur die zweite Möglichkeit der Überweisung sowohl des Atomgesetzes als auch unseres Antrages zur Grundgesetzergänzung an die beiden Ausschüsse, den Atomausschuß und den Rechtsausschuß.
Ich verstehe, daß der Herr Vorsitzende des Atomausschusses, der sich mit den Mitgliedern des Ausschusses viele Mühe
um die Sache gegeben hat, auch noch den letzten Versuch unterstützen möchte, die Arbeit in diesem Bundestage zum Ziele zu bringen. Trotzdem möchte ich empfehlen, nicht allzu tief in die Sache einzusteigen, sondern im Rahmen der Geschäftsordnung zu debattieren, d. h. sich auf fünf Minuten Redezeit beschränken.
Herr Abgeordneter Wittrock!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Euler hat zu Beginn seiner Ausführungen von der verfahrenen Situation gesprochen und gesagt, daß er diese Worte an das ganze Haus richte. Nun, es muß von dieser Stelle aus erneut festgestellt werden, daß diese „verfahrene Situation", wie Sie sie nennen, ausschließlich auf das Verhalten der stärksten Fraktion dieses Hauses. nämlich der Fraktion der CDU/ CSU, zurückzuführen ist.
Sie, Herr Euler, haben eben davon gesprochen, man sohle eine Ausschußüberweisung vornehmen, damit gewisse Probleme geklärt würden. Ich möchte feststellen, daß die Vorlagen plenumsreif sind.
In den Ausschüssen hat, wie bereits von dem Herrn Kollegen Dr. Menzel ausgeführt worden ist, eine eingehende Erörterung stattgefunden. Es hat auch über die innerhalb der CDU/CSU-Fraktion strittige Formulierung, welche der CDU/CSU-Fraktion Anlaß gegeben hat. diese verfahrene Situation herbeizuführen, eine Erörterung stattgefunden.
Ich möchte hier folgendes klarstellen. Die an den Arbeiten beteiligten Mitglieder der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion haben sich lange Zeit vor dem 12. April 1957 darüber verständigt, daß es aus rechts- und verfassungspolitischen Erwägungen notwendig sei, die Worte „für 'friedliche Zwecke" in die hier vorgeschlagene Änderung des Grundgesetzes aufzunehmen. Ich möchte dem Hause, auch um der Klarstellung des historischen Ablaufs willen, sagen, daß unmittelbar nach dieser Verständigung zwischen den beteiligten Mitgliedern der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion ich mich mit dem Berichterstatter des Ausschusses, dem Kollegen Wahl — ich sehe ihn leider nicht hier im Saale; er wird das sicherlich bestätigen —, 'aus Gründen der Loyalität in Verbindung gesetzt habe. Auch um die Arbeiten zu fördern, erschien es angemessen und notwendig, den Berichterstatter des Ausschusses, den CDU-Abgeordneten Professor Dr. Wahl, hierüber rechtzeitig zu verständigen. Das ist während einer Plenarsitzung geschehen, die einige Tage vor der Rechtsausschußsitzung stattgefunden hat. Diese Verständigung sollte den Zweck haben, den Berichterstatter — immerhin ein Universitätsprofessor — in die Lage zu versetzen, erstens das Problem zu durchdenken, zweitens mit seinen Fraktionskollegen sich 'über \\die Bedeutung dieser Forderung der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion Klarheit zu verschaffen. Das ist offenbar in der Fraktion der CDU/CSU geschehen; denn als es am 12. April zur Sitzung des Rechtsausschusses kam, hat der Berichterstatter, der naturgemäß als erster das Wort erhält, Ausführungen gemacht, die im Ausschußprotokoll in folgender Form wiedergegeben sind:
Er habe erfahren, daß 'die Fraktion der SPD
bereit sei, der Grundgesetzergänzung zuzustimmen, wenn hinter dem Wort „Kernenergie" die Worte „zu friedlichen Zwecken" eingefügt würden.
Nun merken Sie bitte auf: Seine Fraktion
— hat damals der Kollege Wahl als Berichterstatter im Ausschuß erklärt, bevor sich die Debatte entwickelt hat —
sei bereit, der Aufnahme dieser Worte zuzustimmen.
Hieraus ergibt sich — das war auch das Ziel unserer loyalen vorhergehenden Kontaktaufnahme —, daß man sich innerhalb der CDU oder mindestens unter den beteiligten Mitgliedern der CDU-Fraktion über diese Angelegenheit verständigt hat. Wenn Sie bei dieser Sachlage und bei diesem Entwicklungsgang, bei dem Gelegenheit bestanden hat, schon vor der Rechtsausschußsitzung, in der die Entscheidung fiel. die Dinge zu behandeln, eine erneute Ausschußüberweisung verlangen, dann bedeutet das praktisch nichts anderes, als daß Sie nicht nur die Mitglieder des Rechtsausschusses in ihrer Gesamtheit, sondern auch die Mitglieder des Rechtsausschusses Ihrer eigenen Fraktion, ja sogar Ihre eigene Fraktion desavouieren.
Es handelt 'sich dabei im Grunde genommen um folgendes. Sie machen hier den Versuch, eine politisch verfahrene Situation, die Sie geschaffen haben, mittels eines Scheinmanövers, das den Eindruck erwecken soll, Sie wollten die Arbeit noch fördern, in irgendeiner Weise in den Augen der Öffentlichkeit zu retten, das ist alles.
Wir halten die Vorlagen für beratungsreif. Die Vorlagen sind auch nach der Beschlußfassung in den beteiligten Ausschüssen noch Gegenstand von Erörterungen gewesen. In diesen Erörterungen hat sich eine Vereinbarung erzielen lassen. Auf der Basis dieser Vereinbarung stehen wir. Ihr Verhalten ist nichts anderes als ein Manöver zur Tarnung der eigenen Hilflosigkeit.
Es ist ein Wagnis, bei dem Geschehensablauf im Zusammenhang mit der Vorlage noch von der Würde des Hauses zu reden. Aber, meine Damen und Herren, das, was Sie hier vorbringen, ist nichts anderes als eine skurrile Idee, der das Haus um seiner eigenen Würde willen nicht zustimmen sollte. Es sollte vielmehr sofort eine Entscheidung auf der Grundlage der interfraktionellen Vereinbarung treffen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter Dr. Krone!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich verstehe in einem bestimmten Umfange durchaus die Ausführungen des Kollegen Wittrock. Aber er möge auch zur Kenntnis nehmen, daß es nicht ein Scheinmanöver von uns ist, sondern
— Herr Kollege Menzel, Sie kennen die Gründe ganz genau — daß es echte .Bedenken sind, die wir in den letzten Tagen vorgebracht haben. Wenn wir den Fraktionen noch einmal dieses Angebot einer sachlichen Beratung machen, so tun wir es aus der Verantwortung heraus, die Sie und die wir in gleicher Weise haben.
— Herr Kollege Mellies, ich verstehe Sie nicht ganz. Ich sage noch einmal: unser Vorschlag ist das Angebot einer erneuten sachlichen Prüfung.
Wir sind auch bereit, in Ergänzung der Arbeiten des Ausschusses interfraktionelle Besprechungen mit den Fraktionsvorsitzenden zu führen.
Das Wort hat der Abgeordnete Drechsel.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie wissen, daß meine Fraktion gegen die Grundgesetzergänzung gewesen ist, allerdings aus ganz anderen Gründen als etwa aus denen, die die 44 oder 45 Angehörigen der CDU-Fraktion zu ihrer ablehnenden Haltung bewogen haben. Wir sind aber der Auffassung, die von einem der Herren Vorredner zum Ausdruck gebracht worden ist: das Gesetz ist tatsächlich für die Verabschiedung im Plenum reif. Die Ausschußarbeiten sind beendet. Dem stimme ich vollständig zu. Wenn Sie, meine Damen und Herren, das Ge setz wirklich noch durchbringen wollen, so bleibt meiner Auffassung nach nichts anderes übrig, als daß wir heute die erste, zweite und dritte Lesung des Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes vornehmen; sonst hängt alles in der Luft.
Eine Verabschiedung des Atomgesetzes ohne vorherige Grundgesetzergänzung ist nach meiner Auffassung nicht möglich. Die Grundgesetzergänzung ist die Voraussetzung; darauf beruht die Konzeption des Atomgesetzes. Wie wollen wir ein Atomgesetz verabschieden, wenn wir nicht wissen, ob die Voraussetzungen für die Grundgesetzergänzung später gegeben sind? Wir sollten uns in diesem Hause nichts vormachen; wir haben uns in dieser Angelegenheit eigentlich genügend blamiert.
Wir können meiner Ansicht nach nur zweierlei tun. Entweder wir beschließen jetzt in erster, zweiter und dritter Lesung die Ergänzung des Grundgesetzes. Ich wäre dafür, obwohl wir nach wie vor gegen die Grundgesetzergänzung stimmen.
-- Ja, ich erkläre es ganz offen! Wir sind aus den gleichen Gründen wie bisher dagegen. — Oder wir erklären, daß der 2. Bundestag nicht in der Lage ist, das Gesetz zu verabschieden, und überlassen es dem 3. Bundestag.
Herr Kollege Euler, so tragisch, wie Sie es sehen, sehe ich es nicht, daß da alles mögliche in der Bundesrepublik passieren könne. Wenn wirklich ein Land wie Bayern aus dringenden Gründen ein Landesgesetz erläßt, so entsteht deshalb noch kein Notstand. Wir sollten in klarer und kühler Überlegung das Gesetz durchbringen und es uns ersparen, jetzt alle etwaigen Differenzen auszutragen.
Das ist meine Auffassung zu den Dingen.
Herr Abgeordneter Petersen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch die Fraktion des Gesamtdeutschen Blocks/ BHE bekundet klar, daß sie die sachlichen Beratungen zum Atomgesetz für abgeschlossen und die Voraussetzungen für eine Plenardebatte für gegeben hält. Wenn noch Zweifel auftreten sollten, könnten sie hier bereinigt werden.
Wir haben gestern im Ältestenrat ein sehr nachdenkliches Schauspiel erlebt. Als der Kollege Schneider von Ihrer Fraktion, Herr Euler, den Antrag stellte, die Ergänzung des Grundgesetzes wegen des Atomgesetzes auf die Tagesordnung zu setzen, ist er gar nicht dazu gekommen, sein Anliegen recht vorzubringen, weil 'ihm Kollege Rasner von vornherein erklärte: Wir werden es in der ersten Sekunde stoppen, denn das machen wir nicht mit. Das ist der Sachverhalt.
Ich möchte Ihnen von der CDU/CSU-Fraktion sagen: wenn Sie das ehrliche Anliegen haben, wirklich noch in diesem Bundestag diese wichtige und die Öffentlichkeit sehr stark interessierende Materie zu verabschieden, sollten Sie bemüht sein, die Zweifelsfragen heute in der Debatte zu diskutieren, und dann sollten Sie eine Entscheidung herbeiführen und das Gesetz zur Verabschiedung bringen. Eine Überweisung an den Ausschuß kann nur als ein Rückzugsgefecht angesehen werden, um Ihr Gesicht in der Öffentlichkeit einigermaßen zu wahren.
Es besteht kein Zweifel darüber, daß auch in Ihrer Fraktion die große Mehrheit eine einmütige Auffassung über den uns vorliegenden Gesetzentwurf hatte. Nur einige wenige haben dann plötzlich Zweifel bekommen. In der Zwischenzeit werden diese Zweifelsfragen in Ihrer Fraktion wahrscheinlich ausdiskutiert worden sein. Das Plenum ist daher heute in der Lage, diese Zweifelsfragen noch einmal zu behandeln und einer Entscheidung zuzuführen. Wir werden einer weiteren Verschleppung des Atomgesetzes nicht zustimmen; dann soll es lieber bis zum nächsten Bundestag liegen bleiben.
Die Bedenken, die der Kollege Euler geäußert hat, daß dann eine Rechtskatastrophe über uns hereinbräche, können wir nicht teilen. Wenn die Länder jetzt initiativ werden, so liegt die Schuld dafür eindeutig bei Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU/CSU. Sie hätten das verhindern können. Sie können es auch heute noch verhindern, wenn Sie zu einer echten Diskussion und zur Verabschiedung des Gesetzes bereit sind.
Herr Abgeordneter Mellies, wollen Sie das Wort? — Bitte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur noch eine Bemerkung zu den Ausführungen von Herrn Krone, die CDU/CSU- Fraktion sei auch weiterhin zu interfraktionellen
Besprechungen bereit. Herr Kollege Krone, diese interfraktionellen Besprechungen über die gesamte Materie sind, wie ich damals in meiner Erklärung hier festgestellt habe, von dem Kollegen Ollenhauer durch seinen Brief angeregt worden. Sie haben dann stattgefunden, und es ist Ihnen doch sicher nicht unbekannt geblieben, daß an dem fraglichen Tage die Treibereien durch den Bundeskanzler innerhalb Ihrer Fraktion eingesetzt haben. Wäre es da nicht Ihre Pflicht gewesen, zu sagen: Jetzt machen wir interfraktionelle Besprechungen, um das zu klären, anstatt hier diese Überrumpelung vorzunehmen und damit praktisch in der schlimmsten Weise gegen die interfraktionellen Vereinbarungen zu verstoßen?
Meine Damen und Herren, ich hätte es zwar im Interesse des Hauses vorgezogen, wenn sich die Fraktionen darüber verständigt hätten, über die Gestaltung der Tagesordnung erst nach Behandlung der unstrittigen Punkte abzustimmen. Vielleicht hätte sich dann noch irgendeine brauchbarere Möglichkeit gefunden. Aber ich habe geschäftsordnungsmäßig natürlich keine Möglichkeit, das zu erreichen. Ich muß jetzt, wenn Sie darauf bestehen, abstimmen lassen. Sonst könnten wir erst noch sechs Tagesordnungspunkte erledigen, die unstrittig sind, und inzwischen könnten vielleicht die Gespräche zwischen den Fraktionen weitergeführt werden, so daß wir anschließend abstimmen könnten. Wenn Sie aber darauf bestehen, muß ich gleich abstimmen lassen. Was wollen Sie?
— Dann lasse ich abstimmen. Unstrittig sind die Punkte 1 bis 6. Zunächst hat Herr Abgeordneter Rasner beantragt, die erste Beratung der Grundgesetzänderung zum Atomgesetz auf die Tagesordnung zu setzen. Herr Abgeordneter Dr. Menzel wünscht die erste und die zweite Beratung.
— Moment! Haben wir im Ältestenrat schon erste und zweite Beratung festgestellt? Ich werde es nachher prüfen. Aber unterstellen wir das einmal.
— Herr Abgeordneter Rasner!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wenn das Haus die erste und die zweite Beratung auf die Tagesordnung setzt, — am Schluß der ersten Beratung ist immer der Antrag auf Ausschußüberweisung zulässig. Dieser Antrag geht in jedem Fall allein anderen Anträgen vor. eher diese Frage kann also erst entschieden werden, wenn Punkt 7 der Tagesordnung aufgerufen ist.
Zur Tagesordnung selbst können wir, glaube ich, im Augenblick nur über die Frage abstimmen, ob die Tagesordnung um einen Punkt 8, nämlich um die zweite Beratung des Atomgesetzes, erweitert wird. Da das aber sinnvoll erst entschieden werden kann, wenn das Schicksal des Tagesordnungspunktes 7 entschieden ist — und das kann im Rahmen dieser Geschäftsordnungsdebatte nicht entschieden werden —, schlage ich erneut vor, zunächst die
Punkte 1 bis 6 zu behandeln; denn jede andere Möglichkeit ist geschäftsordnungswidrig.
Herr Abgeordneter Menzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf der durch Mehrheitsbeschluß festgelegten Tagesordnung stehen die erste und die zweite Beratung der Grundgesetzänderung.
Wenn Sie die zweite Beratung absetzen wollen, müssen Sie diesen Antrag jetzt zur Tagesordnung stellen.
— Doch, es ist eine Änderung der Tagesordnung. Daher muß, ehe wir in die Verhandlungen eintreten, jetzt darüber abgestimmt werden.
Ich würde die Geschäftsordnungsdebatte gern allmählich abschließen. — Aber bitte, Herr Abgeordneter Rasner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Frage ist einfach zu entscheiden. Wir lassen auf der Tagesordnung, wie es gestern beschlossen worden ist, unverändert die erste und die zweite Beratung der Grundgesetzänderung stehen. Wir behalten uns vor, am Schluß der ersten Beratung bei Punkt 7 die Ausschußüberweisung zu beantragen.
Das ist zweifellos ein vernünftiger Vorschlag. Ich mache nur darauf aufmerksam, Herr Abgeordneter Rasner — ich hätte Ihrer geschäftsordnungsmäßigen Deduktion zugestimmt —: Sie müssen natürlich noch § 26 Abs. 3 der Geschäftsordnung berücksichtigen. Wenn die zweite Beratung nicht auf der Tagesordnung steht, könnte sie durch den Widerspruch von fünf Mitgliedern des Hauses verhindert werden. Das war offensichtlich hier nicht beabsichtigt.
Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen vor, daß wir so verfahren. — Ich höre keinen Widerspruch und rufe deshalb die zweite und dritte Beratung des — —
Herr Rasner hat beantragt, das Atomgesetz auf die Tagesordnung zu setzen. Darüber muß jetzt abgestimmt werden.
Schön. Ich lasse ohne weitere Diskussion darüber abstimmen. Wer dafür ist. daß die zweite Beratung des Atomgesetzes auf die Tagesordnung gesetzt wird, den bitte ich um ein Handzeichen. Gegenprobe! — Keine Einigung u m Vorstand; Wiederholung der Abstimmung. Wer dafür ist. daß die zweite Beratung des Atomgesetzes auf die Tagesordnung kommt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen. Ich gehe davon aus, daß wir die zweite Beratung dies Atomgesetzes als Punkt 8 der heutigen Tagesordnung behandeln.
Damit kommen wir nun zu den Punkten 26 a, b und c der gedruckt vorliegenden Tagesordnung. Ich rufe auf:
a) Zweite und ,dritte Beratung des Entwurfs Gesetzes über den Ausbauplan für die
Mündlicher 'Bericht des Haushaltsausschusses (Drucksache 3694)
Berichterstatter: Abgeordneter Ritzel
b) Zweite Beratung des von den Abgeordneten Müller-Hermann. Donhauser und Genossen eingebrachten Entwurfs eines 'Gesetzes zur Verbesserung der Verkehrswege
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehrswesen (Drucksache 3607)
Berichterstatter: Abgeordneter Höhne
c) Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Verkehrswesen über den Antrag der Fraktion der DP betr. Zehnjahresplan zum Ausbau des Straßen- systems (Drucksachen 3604, 2595)
Berichterstatter: Abgeordneter Müller-Her- mann
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht? — Er verzichtet.
Wir treten in die zweite Lesung des Gesetzentwurfs Drucksache 3234 ein. Ich rufe die §§ 1, — 2, — 3, — 4, — 5, — 6, — Einleitung und Über- schrift auf. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; das Gesetz ist in zweiter Beratung angenommen.
Dritte Beratung.
Allgemeine Aussprache. — Herr Abgeordneter Dr. Vogel!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktionen der CDU/CSU, DP und FDP haben einen Entschließungsantrag — Umdruck 1303 — eingebracht, der folgenden Wortlaut hat:
Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, in dem jetzt in der Aufstellung begriffenen Haushaltsplan 1958 entsprechend dem mit Sicherheit zu erwartenden höheren Aufkommen aus der Mineralölsteuer auch höhere Mittel für den Straßenbau als im Haushaltsplan 1957 einzusetzen.
Es ist bekannt, daß es in dieser Frage weitergehende Wünsche gegeben hat, die darauf abzielten, in den Haushalt 1958 eine feste Summe einzusetzen. Die Besprechungen, die ich selbst darüber mit dem Bundesfinanzminister hatte, lassen erkennen, daß auch das Finanzministerium durchaus bereit ist, entsprechend dem Wortlaut des Gesetzes und entsprechend dem mit Sicherheit zu erwartenden höheren Mineralölsteueraufkommen höhere Mittel einzusetzen. Aber es würde meinem Empfinden nach ein schlechter Brauch sein, wenn wir in einem auslaufenden Bundestag den neuen Bundestag bereits durch eine fixe Summe belasteten. Ich halte das aus sehr vielen Gründen nicht für zweckmäßig. sich möchte doch einmal darauf hinweisen, daß
e der Haushalt 1958 durch die Beschlüsse, die in den vorausgegangenen Tagen gefaßt wurden, zwangsläufig in sehr erheblichem Maße vorbelastet wird. Ich erinnere Sie nur an die Novelle des 131 er Gesetzes, wodurch eine Mehrbelastung von 100 Millionen eintritt, ich erinnere an das heute noch auf der Tagesordnung stehende Flüchtlingsgesetz, das eine Mehrbelastung von etwa 185 Millionen vorsieht, und eine Reihe weiterer Gesetze wäre in diesem Zusammenhang zu nennen.
Der Haushalt 1958 enthält also jetzt schon — ganz abgesehen von den genannten Gesetzen — eine große Zahl neuer gesetzmäßiger Verpflichtungen und ist in ungewöhnlichem Maße vorbelastet. Aus diesem Grunde möchte ich es gern vermieden sehen, daß feste Summen eingesetzt werden.
Der vorliegende Entschließungsantrag sichert eines, nämlich das, was die Fraktionen im Haushaltsausschuß an sich schon einmal gemeinschaftlich gesagt hatten. Sie hatten sich damals verpflichtet, zumindest dafür zu sorgen, daß Mittel in der gleichen Höhe wie im Haushalt 1957 auch in den kommenden Haushalten eingesetzt werden. Das gab nicht nur dem Bundesverkehrsminister, sondern darüber hinaus, was wichtiger ist, den Ländern die Gewißheit, daß sie sich auf Jahre hinaus auf bestimmte große Beträge einrichten können, die nicht unterschritten werden sollten. Sie wissen selbst, daß die Länder mit der gegenwärtigen Ausstattung ihrer Straßenbauämter nicht in der Lage sind, diese großen Summen auszugeben. Ich habe mich in meinem eigenen Wahlkreis beim Straßenbauamt erkundigt. Es hat heute, 1957, noch die gleiche Personalbesetzung wie 1933, obwohl das gleiche Straßenbauamt das Fünffache an Mitteln zu verkraften hat. Hier müssen die Länder also erst nachziehen können; die Versicherung, die die Fraktionen dem Haushaltsausschuß gegeben haben, gibt ihnen also die Möglichkeit und gleichzeitig die Ermunterung, ihren Personalstand auf die notwendige Höhe zu bringen.
Der vorliegende Entschließungsantrag fordert die Regierung auf, entsprechend dem mit Sicherheit zu erwartenden höheren Aufkommen an Mineralölsteuer über die Summe dieses Haushalts hinaus noch weitere Mittel einzusetzen. Ich glaube, daß der Entschließungsantrag ungefähr das enthält, was man auf diesem Gebiete machen kann und was man auch vernünftigerweise tun sollte. Ich bitte Sie deswegen, unserem Antrag zu folgen.
Ehe ich das Wort weitergebe, möchte ich sagen, daß es nicht des Hauses Brauch ist, hier ohne Jacke zu sitzen. Der Präsident wird jedoch so lange keine Kritik daran üben, bis unsere Klimaanlage wieder funktioniert. Ich hoffe, daß das eine salomonische Entscheidung ist, die mir im Rahmen des § 7 der Geschäftsordnung zu fällen vielleicht gerade noch erlaubt ist, ohne daß mir nachgesagt wird, daß ich strengere Sitten früherer Jahre damit aufheben wolle.
Nun kommt also der Herr Kollege Schmidt.
— Was möchten Sie? Mehr als Rock ausziehen, Herr Kollege Dresbach, kann ich nicht konzedieren. Das ist schon eine ganze Menge für einen Parlamentspräsidenten.
Der Herr Kollege Schmidt hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die humorvolle Zwischenbemerkung des Herrn Präsidenten hat uns noch einmal darauf hingewiesen, daß — was wir ohnehin schon wußten die Art der parlamentarischen Arbeit in den letzten beiden Wochen allmählich die Grenzen physischer und nervlicher Kraft der Abgeordneten wirklich überschreitet, zumal da jetzt selbst in diesem Plenarsaal eine Temperatur eingetreten ist, die in einer vernünftig geführten Schule ohne Zweifel zu Hitzeferien führt.
— Herr Rasner, ich komme gleich zu Ihnen. — Viel wichtiger als die Qualen, die die Abgeordneten hier ausstehen müssen, ist aber, daß durch die permanente Kulissenschieberei auf der Tagesordnung — —
Einen Moment, meine Damen und Herren. Das ist höhere Gewalt. Ich weiß nicht, was los ist.
— Es schmilzt alles durch. Aber vielleicht können wir uns jetzt mit Stimmgewalt in diesem Saal auch so verständigen. Kollege Schmidt, versuchen Sie es einmal. Das ist natürlich nur möglich, wenn das Haus ganz ruhig ist; sonst ist in diesem Saal nicht durchzukommen, und wir müssen unterbrechen. Herr Kollege Schmidt, versuchen Sie es mal ohne Lautsprecher.
Ich war gerade dabei, davon zu sprechen, daß die dauernden Änderungen der Tagesordnung, die ich als permanente Kulissenschieberei bezeichnen möchte, durch die Regierungsfraktion und ihren Regieassistenten tatsächlich das ernsthafte Arbeiten und Beraten von Vorlagen in diesem Hause beinahe unmöglich macht.
Der Herr Kollege Rasner wartet jetzt natürlich, ob ich mich zu einem Ordnungsruf entschließe oder nicht. Herr Kollege Rasner, ich meine, wir können uns so verständigen: Regieassistent ist, habe ich mir sagen lassen, eine verhältnismäßig hoch bezahlte Position.
Deshalb: kein Ordnungsruf.
Ich weiß gar nicht,
wieso darin eine Herabsetzung liegen sollte.
Die Regie war zwar miserabel, die er hier geführt hat.
— Aber er hat's ja versucht.
Was ich sagen möchte, ist, daß das Eilzugtempo, in dem im Gegensatz zu den ausgedehnten Geschäftsordnungsdebatten die materielle Beratung hier durchgeführt wird — denken Sie z. B. an die Tatsache, daß man das Notenbankgesetz in drei Minuten beraten und verabschiedet hat; für mich eine empörende Angelegenheit, meine Damen und Herren! —
— erlauben Sie mir, daß ich das als meine persönliche Bemerkung hier einmal sage —, einwandfrei jenseits der Grenzen liegt, die uns unsere Verantwortung gebietet.
Ich bitte deshalb auch um Ihr Verständnis, wenn ich zu dem vorliegenden Gesetzentwurf in aller Ruhe alles das sage, was wir unter normalen Plenarumständen dazu auch vorgetragen hätten.
Der Bericht des Haushaltsausschusses, der uns die Annahme des soeben vom Herrn Präsidenten aufgerufenen Gesetzes über den Ausbauplan für die Bundesfernstraßen empfiehlt, enthält zwei wichtige Punkte. Einmal empfiehlt er die Annahme dieses Gesetzes. Zum anderen aber empfiehlt uns die Mehrheit des Haushaltsausschusses die Ablehnung des viel weitergehenden Initiativgesetzentwurfs der CDU/CSU — es ist hier wieder einmal ein Punkt, wo Sie selber etwas in die Welt gesetzt haben und später, sobald zur Kasse geschritten werden soll, Ihren eigenen Gesetzentwurf ablehnen — und darüber hinaus die Ablehnung des noch weitergehenden Initiativgesetzentwurfs der sozialdemokratischen Fraktion. Wenn ich sagte, der Initiativgesetzentwurf der CDU/CSU, der heute abgelehnt werden soll, gehe weiter als der Regierungsentwurf, so ist das eine sehr freundliche Ausdrucksweise gegenüber dem Regierungsentwurf Denn dieser Regierungsentwurf einer Aufbauplanung ist in Wirklichkeit nicht viel mehr als die Attrappe eines Gesetzes. Dieses Gesetz verpflichtet niemanden, es enthält nur Deklarationen, und selbst dort, wo es zu verpflichten scheint, schafft es in einem Paragraphen dem Finanzminister und dem Verkehrsminister die Möglichkeit, jederzeit, wenn die Notwendigkeit dazu gegeben sein könnte, von den im Gesetz festgelegten Plänen abzuweichen.
Meine Damen und Herren, wenn ich als Bauherr bauen will — ob Straßen oder Häuser —, dann ist doch wohl der wichtigste Teil meiner Planung die Sicherstellung der Finanzierung. Ein Bauherr, der .öffentlich die Errichtung eines großen Neubaues ankündigt und im gleichen Atemzug erklärt, die Finanzierung allerdings sei noch völlig offen, wird von seinen Zuhörern kaum als seriös empfunden werden können.
In dieser Lage aber befindet sich die Bundesregierung mit ihrer heutigen Vorlage. Sie legt einen durchaus akzeptablen Ausbauplan für die Autobahnen und für die Bundesfernstraßen vor, mit
15 Seiten Tabellen und Karten, von der Autobahn Northeim—Hamburg bis hin zu einem kleinen Stück Bundesstraße zwischen Goslar und Seesen und einem kleinen Stück Bundesstraße zwischen Aachen und Landesgrenze. Aber über die Finanzierung aller dieser zweifellos nützlichen Straßenbauvorhaben sagt der Gesetzentwurf so gut wie nichts. Tatsächlich steht folgendes darin — ich darf vorlesen, Herr Präsident —:
Solange ein Straßenbaufinanzierungsgesetz zur beschleunigten Verwirklichung des Ausbauplanes nicht erlassen ist, ist bei Bemessung der Mittel im Bundeshaushaltsplan in angemessener Weise auf die Entwicklung des Aufkommens der Mineralölsteuer, soweit der Kraftverkehr sie aufbringt, Rücksicht zu nehmen.
Hier steht also: „Solange ein Straßenbaufinanzierungsgesetz ... nicht erlassen ist". Warum wird es denn nicht erlassen? Die CDU/CSU hat dem Hohen Hause sogar zwei Gesetzentwürfe zur Straßenbaufinanzierung vorgelegt. Die könnte man ja gleichzeitig mit verabschieden. Die Sozialdemokratie hat ein Gesetz zur Straßenbaufinanzierung vorgelegt. Warum soll es denn nicht verabschiedet werden? Selbst wenn man also, wie die Regierung will, das Problem auf spätere Zeiten verschiebt, ad calendas graecas, wie wir praktisch in den letzten drei, vier Jahren haben zur Kenntnis nehmen müssen, selbst wenn man das akzeptieren wollte,
— Herr Dr. Vogel. Sie haben vorhin schon das Wort gehabt und können es nachher wieder neh1 men —, dann muß man doch die restliche Formulierung dieses Artikels noch einmal unter die Lupe nehmen. Was heißt denn das: „in angemessener Weise auf die Entwicklung Rücksicht zu nehmen"? Wollen Sie behaupten, daß die bisherigen Straßenbauaufgaben in angemessener Weise erfüllt wären? Wenn das der Fall wäre, dann würden Sie Ihre eigene Fraktion Lügen strafen, die in der Begründung zu ihren Initiativgesetzentwürfen etwas ganz anderes geschrieben hat. Ich kann es Ihnen vorlesen, was Ihre eigene Fraktion in der Begründung zu den Initiativgesetzentwürfen an Kritik gegenüber dem Umfang des bisherigen Straßenbaues vorgebracht hat.
— Bitte sehr.
Herr Kollege Schmidt , ist Ihnen unbekannt geblieben, daß allein der Betrag, der im Haushalt des Jahres 1956 mit 90 Millionen DM gestanden hat, nicht verwendet werden konnte, weil die Länder gar nicht in der Lage waren, diesem Auftrag überhaupt nachzukommen?
Das ist mir bekannt, Herr Kollege Vogel, und mir ist auch bekannt, wieso die Länder den Aufträgen nicht so schnell haben nachkommen können. Das hängt z. B. damit zusammen, daß sich die 'Bundesregierung seit Jahren geweigert hat, den Ländern für die Verwaltungsausgaben, die mit der Durchführung der Auftragsverwaltung zusammenhängen, Ersatz zu leisten.
Wegen dieser Schwierigkeiten, die Herr Vogel eben anspricht und die er auch in seinen Bemerkungen vorher angesprochen 'hat, haben wir Ihnen bei der Haushaltsberatung einen Antrag vorgelegt, der die technischen Planstellen für die Bauräte, für die Ingenieure, für die Tiefbautechniker usw. in der Bundesstraßenbauverwaltung vermehren sollte. Diesen Antrag haben Sie mit Bravourabgelehnt.
— Bitte sehr!
Herr Schmidt, ist Ihnen nicht auch bekannt, daß wir vor drei Jahren im Bundeshaushalt für den Straßenbau 310 Millionen DM hatten und daß im laufenden Haushaltsjahr 1,2 Milliarden DM zur Verfügung stehen? Ist das kein Fortschritt?
Ich habe nie behauptet, daß kein Fortschritt da sei. Es wäre ja schrecklich, wenn wir noch bei diesen 310 Millionen DM stünden. Aber ich antworte mit einer Gegenfrage, Herr Müller-Hermann: Ist Ihnen bekannt, daß die Zahl der Verkehrstoten von damals bis heute in erschreckender Weise gestiegen ist? Ist Ihnen bekannt, daß in einer mit Ihrer eigenen Unterschrift in diesem Hause eingebrachten Vorlage steht, daß die Unzulänglichkeit des Straßennetzes und seines Zustandes zugleich die wichtigste Ursache für die Steigerung der Unfallgefahr sei? Ihre Unterschrift und die von weiteren 150 Kollegen Ihrer Fraktion steht unter der Feststellung, wieviel Tote und Verletzte eis 'in jedem Jahr gewesen seien, und inzwischen sind es sehr viel .mehr geworden. Seit Gründung der Bundesrepublik haben wir auf den westdeutschen Straßen 75 000 Verkehrstote zu verzeichnen, und Sie selber, Herr Müller-Hermann, haben das in Ihrer Initiativvorlage als Begründung angeführt.
— Nicht allein, Herr Vogel, aber sehr wesentlich.
Und wenn Sie voller Stolz darauf hinweisen, daß die Ausgaben für den Straßenbau in den letzten Jahren gestiegen sind, dann kann ich nur sagen: Jawohl, sehr gut, aber sie sind nicht in dem Maße gestiegen, in dem die Motorisierung und die Zulassung der Kraftfahrzeuge angestiegen sind, und nicht in dem Maße, in dem die Unfälle gestiegen sind. Darauf aber kommt es an!
- Ach, Herr Pelster, Sie machen immer nur Zwischenrufe. Gehen Sie hier herauf und reden Sie zur Sache, wenn Sie das vermögen!
— Ich rede auch zur Sache und verstehe was von den Punkten, über die ich spreche!
Herr Kollege Vogel, ,Sie weisen voll Stolz darauf hin, daß die Straßenbaufinanzierung in den letzten Jahren ein wenig verbessert worden ist.
— Streiten wir nicht um Worte. Sehr erheblich aber sind gestiegen die Zahl der zugelassenen Kraftfahrzeuge, der Umfang der Motorisierung und die Zahl der Verkehrsopfer. Diese Schere, dieser Unterschied ist es, um den es 'hier geht. Das hat auch der Kollege Müller-Hermann und haben mit ihm die 150 Kollegen aus seiner Fraktion, die seine Anträge mitunterschrieben haben, schon vor drei Jahren verstanden. Sie haben ihn nur nicht zum Zuge kommen lassen, und jetzt müssen Sie das wieder verwischen, indem Sie eine solche Resolution einreichen wie die, die eben hier vorgetragen warden ist. Darauf komme ich aber noch zurück.
Herr Kollege Vogel, ich möchte noch einmal feststellen, daß Sie die Initiativgesetzentwürfe Ihrer eigenen Fraktion im Ausschuß desavouiert haben. Sie bringen damit zum Ausdruck, daß Sie eben das Schließen dieser Schere, die für das Verkehrsdilemma auf Deutschlands 'Straßen hauptsächlich verantwortlich ist, für eine zweitrangige, vielleicht sogar drittrangige Frage halten.
Sie wollen sich mit dem sogenannten Ausbauplan des Herrn Dr. Seebohm begnügen. Vor einigen Monaten hieß er noch Zehnjahresplan. Das hat man inzwischen fallengelassen. Es ist heute egal, auf wieviel Jahre er angelegt ist. Von zehn Jahren steht in dem Gesetz nichts mehr drin. Sie wollen sich mit 'diesem Ausbauplan begnügen, und dabei wissen Sie genauso, wie es Herr Dr. Seebohm weiß — er ist heute nicht hier, weil er, wie ich gehört habe, irgendwo einen Bahnhof einweihen muß —, daß dieser Plan nur zu einem Drittel finanziert ist. Herr Dr. Seebohm hat selber angegeben, der Plan erfordere 221/2 Milliarden DM, und nach Angabe des Finanzministeriums sind davon bisher mir 8,9 Milliarden DM gedeckt.
Die Annahme der heutigen Vorlage ohne jede Vorbereitung zusätzlicher Finanzierungen, Herr Dr. Vogel, bedeutet daher nichts weiter als eine Anerkennung für die Beamten des Verkehrsressorts. Die Anerkennung dafür, daß sie die ausbaunotwendigen Bundesfernstraßen einmal in so klarer Weise in einem Manuskript zusammengestellt haben, wollen wir gern mitmachen. Die Zusammenstellung hat jedenfalls den Vorteil, daß sie nun für jedermann eine Inventur der von der Bundesregierung bisher vernachlässigten Straßenbaunotwendigkeiten darstellt. Insofern trägt dieser Ausbauplan zur öffentlichen Diskussion des Krebsgeschwürs des deutschen Straßenverkehrs durchausbei. Dieser Ausbauplan dst zugleich Analyse und Therapievorschlag, aber der Patient —Sie sind ja auch Patient, Herr Dr. Vogel — weigert sich, das 'Geld für die Arznei zur Verfügung zu stellen. Der Therapievorschlag wird in dem Ausbauplan gemacht, aber es wind ausdrücklich dazu gesagt: Über die Finanzierung wollen wir lieber nicht reden; das überlassen wir späteren Straßenbaufinanzierungsgesetzen, und diejenigen, die uns bisher vorgelegt worden sind, lehnen wir sicherheitshalber ab, damit niemand auf diesem Gebiet wirklich etwas tun kann.
{Abg. Dr. Vogel: Sie können auch einem
Patienten zuviel Spritzen verabreichen!)
Durch dieses Gesetz, das nach außen aussieht wie ein Gesetz, welches den Straßenbau fördert, wird in Wirklichkeit keine einzige zusätzliche Brücke gebaut, keine einzige Kurve zusätzlich erhöht, keine Kreuzung einer Straße mit einer Eisenbahnstrecke zusätzlich ausgebaut, soweit alle diese Dinge nicht ohnehin schon bisher im Haushalt gestanden haben. So muß also der Verkehrsminister Dr. Seebohm, dessen eigene 'Fraktion sich noch vor wenigen Monaten in diesem Hause und erneut auf dem Deutschen Straßentag in Stuttgart für eine Zweckbindung des ganzen Steueraufkommens des Kraftverkehrs zugunsten der Straßenbaufinanzierung 'eingesetzt hat, am Ende seiner Amtsperiode sich noch einmal ausdrücklich bescheinigen lassen, daß seine Straßenbaupolitik das Ziel der Klasse nicht erreicht hat.
Daß ein Minister aus seinem Scheitern gegenüber der hier im Hause herrschenden Mehrheitsfraktion Konsequenzen zieht, haben wir ja trotz offenkundiger Anlässe, zum Teil in den allerletzten Tagen, seit 1949 nur in einem einzigen Fall erlebt. Nun ist es für uns nicht so sehr wichtig, wie sich das persönliche politische Schicksal des Herrn Ministers Seebohm gestaltet. Wie aber 'die Mehrheitsfraktion ihre Haltung 'begründen will, das interessiert uns denn doch einigermaßen. Herr Dr. Vogel hat zu den von mir aufgeworfenen Problemen vorhin kein Wort gesagt. Ich nehme an, Sie werden das jetzt nachholen, nachdem Sie und Ihre Vertreter, Herr Dr. Vogel, in vielen Fachdebatten dieses Hauses und auf vielen Fachtagungen außerhalb des Hauses doch so lange und so oft mit den Initiativgesetzentwürfen Ihrer eigenen Fraktion, die Sie heute sang- und klanglos ablehnen wollen, geprunkt haben.
Ich darf Ihnen einmal mit Erlaubnis des Präsidenten vorlesen — und damit diesen Teil der Ausführungen beenden —, was in den letzten Tagen eine Fachzeitung des Verkehrs zu dieser Ihrer Haltung geschrieben hat. In der Zeitung „Verkehrswirtschaft" der letzten Woche steht folgendes:
Während alle Parteien im Rahmen ihrer Wahlprogramme auch ihre Ansichten über die zukünftige Gestaltung der Verkehrspolitik bekanntgegeben haben, hat die größte Regierungspartei, die CDU/CSU, in dieser Hinsicht bisher geschwiegen. Das ist um so erstaunlicher, da gewisse Teile der CDU, insbesondere einzelne Abgeordnete wie z. B. Herr MüllerHermann aus Bremen, in der Vergangenheit sehr aktiv an diesen Dingen gearbeitet haben. Erst 'kürzlich 'auf dem ,Straßentag in Stuttgart hat Herr Müller-Hermann ein Zehn-PunkteProgramm verkündet, das aber immer noch nicht die Anerkennung der CDU-Fraktion und des CDU-Parteivorstandes gefunden hat. Alle Anzapfungen haben auch nicht vermocht, die CDU aus ihrer Reserve herauszulocken. In den brennendsten Fragen der Verkehrspolitik, die täglich Tausende von Menschen berühren, zeigt sich die 'CDU also als ein Wesen, das nicht Fisch noch Fleisch ist, und offensichtlich scheint es ihr unangenehm zu sein, vor den Wahlen ein. deutig Bekenntnis zu gewissen verkehrspolitischen Grundsätzen abzulegen. Als Regierungspartei war die CDU für die Verkehrspolitik der vergangenen vier Jahre verantwortlich. Die Versprechungen von 1953 sind in der abgelaufenen Legislaturperiode nicht gehalten worden. Will man 1957 vor der Wahl wieder Versprechungen machen und wird man sie halten?
Nun, der Herr Vogel hat heute eine Versprechung
angekündigt. Die Resolution, die er hier einreichte,
ist ein Scheck, der auf die Regierung gezogen wird.
Von ihr wird es abhängen, ob dieser Scheck eingelöst wird. Ich persönlich glaube nicht an den Wert von Resolutionen an die Adresse der Regierung. Wir haben häufig erlebt, daß sie nicht weiter beachtet wurden. Aber diese Resolution, die gleichzeitig ein Versprechen für die Öffentlichkeit darstellen soll, ist besonders unglaubwürdig, weil Sie, wenn Sie das wirklich wollten, was in Ihrer Resolution steht, Herr Vogel, es entsprechend der Initiativvorlage Ihres eigenen Kollegen MüllerHermann, der das in Paragraphen formuliert hatte, in dieses Gesetz hätten hineinschreiben können. Das haben Sie nicht getan. Sie haben darauf verzichtet und haben es nur in die Form einer Resolution gekleidet. Denn die kostet ja nichts. Außerdem ist die Resolution in einer Weise formuliert, daß sie die Bundesregierung geradezu einlädt, 'dieser Aufforderung nicht zu folgen bzw. ihr nur scheinbar zu folgen.
Wir wären mit Ihrer Resolution einverstanden, Herr Dr. Vogel, wenn Sie hineinschrieben, daß die höheren Mittel in den ordentlichen Haushalt eingestellt werden sollen.
— Jawohl! Damit wir sicher sind, daß Sie es auch ehrlich meinen. Sonst setzen Sie es hinterher in den außerordentlichen Haushalt. Wir wissen alle, wie der ,dann bedient wird. Wir wären mit der Resolution einverstanden, wenn Sie zweitens die Worte „mindestens 1,4 Milliarden DM" einfügten. Ich darf das gleichzeitig als Änderungsantrag zu der Resolution der CDU/CSU beantragen, Herr Präsident.
Wir 'glauben, daß Ihre Fraktion, Herr Dr. Vogel, nach dem gegenwärtigen Ergebnis der straßenbaupolitischen und straßenbaufinanzierungspolitischen Bemühungen der letzten acht Jahre zu keinerlei verkehrspolitischen Versprechungen für die nächste Legislaturperiode — und darum handelt es sich bei Ihrer Resolution — legitimiert ist.
Für unsere Fraktion darf ich erklären, ,daß wir an den Prinzipien unseres Initiativgesetzentwurfs festhalten, die ich noch einmal hervorheben möchte: erstens an der Zweckbindung der Mineralölsteuer und der Kraftfahrzeugsteuer ausschließlich für Zwecke des Straßenbaus und zweitens an der Aufschlüsselung des so geschaffenen Aufkommens nicht nur auf Bundesfernstraßen, sondern vor allem auf die Straßennetze der Länder und der Kommunen, 'der Dörfer genauso wie der Großstädte. Wir glauben, daß in der Tat der dritte Bundestag und die nächste Bundesregierung verpflichtet sind, auf diesem Gebiet sehr viel mehr zu tun, als bisher geschehen. Wir halten allerdings diese Art, die zukünftige Bundesregierung zu verpflichten, wie sie aus Ihrer Resolution hervorgeht, für absolut unzureichend.
— Ich darf die Frage noch beantworten, Herr Präsident. Herr Dr. Dresbach, unsere Finanz- und Haushaltsexperten haben nach gründlichen Diskussionen im August des vorigen Jahres idem Initiativgesetzentwurf zur Finanzierung des Straßenbaus und zur Schaffung eines Bundesstraßenfonds ausdrücklich zugestimmt. Der Initiativgesetzentwurf trägt nach Debatte und Beschlußfassung in unserer Fraktion die Unterschrift Ollenhauer und Fraktion".
Das Wort hat Herr Abgeordneter Rademacher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schmidt hat zum Ausdruck gebracht, daß er sich trotz der kaleidoskopartigen Änderung dieses Programms des Hauses nicht davon abbringen lassen werde, in Ruhe und Tiefe das Thema zu behandeln. Ich möchte einen etwas anderen Weg gehen und so schnell wie möglich das Wichtigste sagen, das meine Fraktion hierzu vorzubringen hat.
Unseres Erachtens handelt es sich bei diesem Gesetz nicht, wie Herr Schmidt gesagt hat, um eine Attrappe. Wir gehen noch ein bißchen weiter. Wir sind der Meinung— wenn wir dieses Gesetz und insbesondere den § 4 lesen —, daß es sich um eine Farce handelt.
Wir haben also eine glänzende Gelegenheit, außerhalb dieses Hauses in Wahlversammlungen demnächst unsere Meinung über die Straßenbaupolitik dieser Bundesregierung ziemlich deutlich zum Ausdruck zu bringen; man braucht allein auf die Diskrepanz zwischen Einnahmen und Ausgaben hinzuweisen.
Wenn man sich, wie es Herr Vogel gemacht hat, darauf zurückziehen will, daß es mit den Planungen in den Landern nicht rechtzeitig vorangeht und daß schon aus diesem Grunde micht mehr verbaut werden kann, muß dieser Argumentation doch entgegengehalten werden: die Auskünfte, die man aus den Ländern bekommt, sind teilweise völlig anderer Art. Ich glaube aber, es liegt im ganzen daran, daß von Anfang an, seit 1949, nicht genügend Mittel zur Verfugung gestanden haben und dab keine genügende Koordinierung zwischen den Landesverwaltungen und dem Bund stattgefunden hat. Es wäre ohne weiteres möglich gewesen, die wenigen Gelder, die eingeplant sand, auch auszugeben. Wenn Sie im Herbst über die Straßen in manchen Teilen der Bundesrepublik fahren, stellen Sie fest, daß die Frostaufbrüche des vorigen Winters noch nicht beseitigt sind. Nun frage ich Sie: was hat das mit einer Planung zu tun? Leider können Sie das in jedem Jahr wieder feststellen.
Es hängt wohl auch damit zusammen, daß die Mittel nicht in allen Fällen rechtzeitig zur Verfügung gestellt worden sind, nämlich vom Beginn der Bausaison an. Das ist das Entscheidende gewesen. Die Bauindustrie wäre durchaus in der Lage gewesen, im Jahre 1957 für 1500 Millionen DM zu verbauen.
Ich darf noch einmal an die zweite und dritte Lesung des Einzelplans 12 erinnern. Damals hatte die FDP einen Antrag 'eingebracht, aus dem Verteidigungsetat 200 Millionen DM im Interesse der Verteidigung — im Interesse der Verteidigung! —zu Lasten der Beschaffung von Material, dessen Qualität sehr umstritten ist, mit hineinzunehmen. Dieser Antrag ist leider von der Regierungspartei gegen die übrigen Fraktionen — ich möchte das ausdrücklich feststellen — abgelehnt worden. Nun habe ich zufällig etwas sehr Amüsantes erfahren, das ich in diesem Zusammenhang erwähnen möchte. Dem Vernehmen nach, dem Gerücht nach — ich muß da sehr vorsichtig sein, sonst könnte man eventuell noch die Aufhebung meiner Immunität beantragen — hat das Verteidigungsministerium bei den Ressortberatungen 1957/1958 für den Straßenbau im Interesse der Verteidigung einen viel höheren Betrag beantragt, gegenüber den nur
—Ja, das weiß ich, es scheitert an den Ländern. Damit kommen wir auf gewisse Grundfragen des Staatsaufbaus überhaupt.
Ich habe — ich will es kurz machen — die Bitte der Fraktion der DP vorzutragen, dieses Straßenbauprogramm für zehn Jahre, das eine technische Planung ist und ein Grundgerüst gibt, hier nicht etwa als Bagatelle oder Attrappe zu behandeln, sondern es anzunehmen und aus einer größeren Verantwortung heraus alle Kräfte anzuspannen, um, Herr Dr. Vogel, dann 1958 die Mittel bereitzustellen, die nötig sind, damit wir uns mit dem Straßenbau wirklich sehen lassen können.
Herr Dr. Vogel!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muß doch noch auf einige Bemerkungen eingehen, die Herr Schmidt hier vorgetragen hat, weil sie einfach nicht unwidersprochen bleiben dürfen. Ich wende mich mit aller Entschiedenheit vor allem gegen die Behauptung, der deutschen Öffentlichkeit werde seit Jahren sozusagen systematisch eingehämmert — und daran haben Sie sich mitbeteiligt —, daß Straßenbau und Unfalltod in den letzten Jahren eins seien. Das stimmt einfach nicht, und das wissen Sie genauso wie wir.
Sehen Sie sich ein Land wie England an, das genau dieselbe Einwohnerzahl hat wie wir, dessen Bevölkerung sehr viel mehr in wenigen Großstädten zusammengedrängt ist als wir! In London allein leben 8 Millionen Menschen, in London-County sind es 12 Millionen. England hat viel mehr Kraftfahrzeuge pro Kopf der Bevölkerung als wir, hat überhaupt keine Autobahnen zur Entlastung des Verkehrs. Dennoch hat dieses Land noch nicht einmal die Hälfte der Unfalltoten, die wir bei uns zu verzeichnen haben. Das ist ein unwiderlegbarer Beweis dafür, daß es nicht so ist, wie Sie behaupten. Sie versuchen es immer wieder, weil es im Volk so nett ankommt, weil man mit Schranken und allen möglichen anderen Dingen so nett gegen einen Minister polemisieren kann, wie man überhaupt eine solche Frage mit Hilfe der Verbände, die dahinter stehen, zu einer populären Frage machen kann. Es ist aber einfach nicht so, wie Sie behaupten. Sie werden eine Senkung der Unfallziffern auch nicht mit Straßenbegradigungen und derartigen Maßnahmen erreichen. Sie wissen das genau wie wir.
Sie wissen auch, daß es nicht richtig ist, was Sie — weil Sie keine andere Antwort wußten — über das Nichtnachkommen der Länder, über die 90 Millionen DM Rest des vergangenen Haushaltsjahres, ausgeführt haben, Gelder, die nicht verbaut werden konnten, obwohl das Geld von uns rechtzeitig bereitgestellt worden war. Sie schieben das auf Verwaltungskostenbeiträge ab. Kommen Sie uns doch nicht mit einer solchen Geschichte! Wir wissen ganz genau, woran das liegt: es liegt einfach daran — das hat der Bundesrechnungshof auf Grund seiner Nachprüfungen klargestellt —, daß die völlig überlasteten Leute in den Straßenbauämtern weder mit der Planung noch mit der Ausführung der Bauten rechtzeitig fertig werden oder nur beginnen können. Die Länder haben jetzt auf Grund der Entschließung, die die Fraktionen seinerzeit auch schon im Haushaltsausschuß gemeinschaftlich gefaßt hatten, die Möglichkeit, eine Änderung dieser Zustände zu bewirken; sie wissen, sie haben in den nächsten Jahren ein Minimum, über 1,1 Milliarden DM, zur Verfügung, und sie wissen auch, daß sie auf Grund der Bindung an das Mineralölsteuermehraufkommen in den nächsten Jahren sicher mit mehr Mitteln rechnen können.
Im Grunde genommen werden Sie nicht ernstlich bestreiten können, daß der Entschließungsantrag, den ich eingebracht habe, zumindest eins zum Ziele hat: den Straßenbauämtern zu garantieren — soweit wir das als Parteien für den nächsten Bundestag überhaupt garantieren können; darin liegt doch die Schwierigkeit für uns —, daß zumindest das an Mitteln bereitstehen wird, was 1957 bereitgestellt worden ist. Wir haben darüber hinaus gesagt, daß mehr Mittel kommen werden.
Ich kann nicht umhin, auch auf die Finanzierungsfrage einzugehen. Sie machen es sich sehr leicht, indem Sie Anträge einbringen, daß in den nächsten Haushalt soundso viel Milliarden mehr eingestellt werden sollen. Auch für mich wäre es sehr viel einfacher, so zu verfahren. Aber wie sehen denn die künftigen Haushalte aus, wie groß ist heute noch die Manövriermasse des künftigen Haushalts? Sehen Sie sich doch an, welche Summen gesetzlich festgelegt sind, nicht nur in der Verteidigung! 11,7 Milliarden DM in den Sozialgesetzen und in den vielen anderen Gesetzen, Verwaltungsausgaben, alles Ausgaben, die wir einfach nicht umgehen können. Was noch disponibel ist, ist im Rahmen des Gesamthaushalts ein lächerlich kleiner Betrag. Diesen Betrag durch Finanzierungsvorhaben auf Jahre hinaus auch noch zu blockieren hieße eine Haushaltspolitik betreiben, die andere Länder, die sie betrieben haben, aufs äußerste beklagen.
Es gibt auch in Ihren eigenen Reihen, Herr Kollege Schmidt , viele, die in dieser Beziehung durchaus nicht Ihrer Ansicht sind; Sie wissen das selber, sie sind auch im Haushaltsausschuß zum Zuge gekommen. Ich glaube, daß das einer vernünftigen Politik entspricht. Gesetzt den Fall, Herr Kollege Schmidt, Ihre Fraktion stellt den nächsten Bundesfinanzminister — sehnlichster Wunsch vieler Leute —, so wüßte auch Ihr Finanzminister mit einem für die nächste Zukunft blockierten Haushalt nichts anzufangen. Auch er müßte sich nach den vorhandenen Möglichkeiten richten.
Das Mineralölsteuermehraufkommen wird ungefähr 250 Millionen DM betragen. Was die Zweckbindung betrifft, so wird nachher vielleicht mein Freund Dresbach noch einige Worte darüber sagen. Aber wenn wir wissen, daß 250 Millionen DM hereinkommen, dann überlassen wir die Beschlußfassung über ihre Verwendung doch ruhig der Haushaltsgesetzgebung des kommenden Bundestages, in dem Sie auch wieder mit drin sitzen wollen. Dann beschließen Sie wieder mit, was wir mit den Geldern machen. Warum wollen Sie diesen Vorgriff heute schon machen? Ich halte es einfach nicht für erlaubt, daß dieser zu Ende gehende Bundestag den nächsten Bundestag so weitgehend bindet. — Bitte schön, Sie wollen eine Frage stellen.
Wenn Sie sich auf diesen Standpunkt stellen, weswegen wollen Sie dann dem kommenden Bundestag mit einer unverbindlichen Resolution vorgreifen oder unter die Arme greifen? Oder wollen Sie ihm nur ein Lesezeichen hinlegen?
Das will ich Ihnen ganz genau sagen, Herr Kollege Schmidt. Auch Sie haben wahrscheinlich mit Fachleuten gesprochen. Diese wollen wenigstens eines haben — und wir haben 'im Haushaltsausschuß versucht, ihnen das zu geben —, die Gewißheit nämlich — das, was die Fraktionen allein machen können, während darüber hinaus im Grunde genommen verfassungsrechtlich gar nichts gemacht werden kann; wir haben uns die 'Sache sehr eingehend überlegt —, die darin liegt, daß die Fraktionen sagen: Wir wollen uns dafür einsetzen, daß im kommenden Bundeshaushalt zumindest das gleiche drinsteht wie in diesem Haushalt.
— Sehen Sie, Sie stoßen auch schon auf solche Bedenken. Aber wir haben es getan.
— Herr Kollege Ritzel war genauso stolz wie ich, diese Entschließung im Haushaltsausschuß mit abgefaßt zu haben.
Würden Sie mit mir darin übereinstimmen Herr Dr. Vogel, daß man durch ein Gesetz nicht nur dieses Haus, sondern jedermann in Deutschland binden kann, daß man aber durch Entschließungen an die Adresse der Bundesregierung niemand bindet?
Nun berühren Sie die Frage der Entschließungen überhaupt. Aber wieviel Entschließungen hat dieses Hohe Haus schon angenommen, die tatsächlich auch in die Wirklichkeit übergeführt worden sind!
Ja, natürlich kann sie es nachher tun, Herr Professor. Aber Sie wissen doch genauso gut wie wir, daß wir bestimmte Dinge einfach nicht bindend sagen können.
— Es würde zu weit führen, jetzt auf diese staatsrechtlichen Erwägungen einzugehen.
Aber der Beweggrund ist doch, den Leuten draußen im Lande und vor allem den Ländern zu sagen: Ihr habt die Sicherheit, daß zumindest das, was im vergangenen Haushaltsjahr drin war, auch im neuen Haushalt drin sein wird. Sie werden sagen: Das ist eine Vorwegbindung des kommenden Bundestages. Aber wollen Sie nicht daraus noch schärfer schließen, Herr Professor, daß es erst recht unerlaubt wäre, mit fixen Zahlen für einen kommenden Haushaltsplan zu arbeiten? Denn das wäre dann noch eine Erweiterung der Tour. Das müssen Sie doch einsehen.
Wenn wir jetzt das gesagt hätten, was Herr Kollege Schmidt verlangt, daß mindestens 1,4 Milliarden DM einzusetzen sind, dann wäre das auch nur eine Entschließung.
Sie sagten, Sie wollten es sogar in das Gesetz hineinnehmen. Ja, auch der kommende Gesetzgeber steht unter der nach meinem Dafürhalten vorrangigen Pflicht, den Haushalt des nächsten Jahres auszugleichen. Ein Haushaltsgesetz für. das Jahr 1958 würde nach meinem Empfinden eine solche gesetzliche Bestimmung verletzen. Infolgedessen wäre es auch nur eine Deklamation. Das ist kein guter Weg. Wir sollten 'in diesem zu Ende gehenden Bundestag nicht den kommenden Bundestag so durch Zahlen festlegen und in seiner finanziellen Bewegungsfreiheit einengen.
Da Sie so voller Siegeszuversicht sind, sollten Sie im Grunde genommen mit uns einer Meinung sein und dem kommenden Bundestag Manövrierfreiheit geben, zumal von Ihnen viele Wünsche vorgebracht worden sind; sie beziehen sich ja nicht nur auf den Verkehrssektor. Ich vermute: Wenn Sie alle diese Dinge einmal finanziell durchbringen wollen, werden sie sich verdammt hart im Raume stoßen. Das wissen Sie genauso gut wie ich.
Meine Damen und Herren, bevor ich das Wort weiter erteile, muß ich dringend darum bitten, sich in den Diskussionen kürzer zu fassen. Die Zahl der Urlaubsanträge ist allmählich unübersehbar. Ich bitte darum, daß jedenfalls bei den Dingen, die durchgebracht werden sollen, niemand auf den Gedanken kommt, einen Hammelsprung zu veranlassen. Es sind schon so viele Urlaubsanträge eingegangen, daß ich mich frage, welchen Sinn es hat, zu diskutieren.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ritzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Abrede, von der Herr Dr. Vogel soeben sprach, ist im Haushaltsausschuß in der Tat als ein Ausweg empfunden worden, und ich habe ihr, wie er sagte, auch beinahe mit Begeisterung zugestimmt, um einen ausweglosen Zustand wenigstens in der Theorie zu beenden und eine Situation herbeizuführen, die vor allem die CDU moralisch bindet. Mehr war ja nicht zu erreichen.
Nun möchte ich Ihnen, Herr Dr. Vogel, in bezug auf Ihre Theorie, daß keine langfristige Finanzierung festgelegt werden könne, etwas sagen. Sie irren in jeder Hinsicht. Sie berücksichtigen nämlich nicht, daß das, was in dem sozialdemokratischen Gesetzentwurf drinlag, der Versuch war, auch die CDU zu gewinnen; und die CDU hat sich ja mit dem Gesetzentwurf, den sie eingebracht hat und der vom Kollegen Schmidt angesprochen worden ist, auch für eine Finanzplanung und für eine Sicherung des Straßenbaues ausgesprochen.
Meine Damen und Herren, was ,geschieht denn am laufenden Band? Schlagen Sie doch einmal den Haushaltsplan .auf und nehmen Sie z. B. von den Bewilligungen für irgendwelche Baumaßnahmen Kenntnis, die in einem einzigen Jahr weder durchgeführt noch finanziert werden können. Da wird jedes Jahr im Haushalt ein erster Teilbetrag, ein zweiter, ein fünfter oder ein achter Teilbetrag festgelegt, nachdem einmal der Beschluß zur Errichtung des betreffenden Bauwerkes, etwa eines Dammes oder irgendeiner anderen Sache, gefaßt war.
So hätten wir auch hier mit einem Gesetz vorgehen können. Sie haben den Weg verbaut. Sie tragen die Verantwortung dafür; daraus wird Sie niemand entlassen, keiner kann Sie davon befreien.
Meine Herren, Sie tragen noch für andere Dinge die Verantwortung. Bei den Beratungen über das Haushaltsgesetz 1957 vor wenigen Wochen in diesem Hause lag ein Antrag der sozialdemokratischen Fraktion vor, die Mittel für den Straßenbau von der 6% igen Kürzung auszunehmen. Sie haben diesen Antrag niedergestimmt, Sie haben ihn abgelehnt. Sie uniterwerfen die unzureichenden Mittel im ordentlichen Haushalt ebenfalls der 6% igen Kürzung. Zur 'gleichen Zeit haben Sie aber ein Gebiet des Haushalts für unantastbar erklärt, Sie haben die Kürzung des Verteidigungshaushalts um 6 '0/o nicht vollzogen. Sie haben auch hier unseren Antrag abgelehnt. Der Verteidigungshaushalt bleibt in seinem vollen Umfange bestehen.
Vor der Öffentlichkeit wird der Eindruck erweckt, daß die sozialdemokratische Fraktion in diesem Hause Anträge stelle, die nicht realisiert werden könnten. Herr Kollege Vogel, ich versichere Ihnen, daß wir entschlossen sind, jeden von uns erarbeiteten und dem Hohen Hause vorgelegten Antrag zu verwirklichen, wenn Sie einmal in der Opposition und wir in der Regierung sitzen.
Ich will Ihnen auch sagen, welche Möglichkeiten sich bieten. Es ist dem Hohen Hause vielleicht noch nicht bekannt, dürfte ihm aber nach der Tagesordnung noch heute bekanntwerden, daß wir erneut 'über einen Rest von etwas mehr als 4 Milliarden DM aus dem Verteidigungshaushalt ver-
fügen. Der Kampf um ihre Verwendung ist in der Regierung noch nicht ausgetragen. Wir sehen in einer solchen Situation die echte Möglichkeit, dem Straßenbau einmal eine dringend notwendige Spritze zu geben.
Herr Dr. Vogel, Sie meinten, der Herr Kollege Schmidt habe mit seinem Hinweis auf die erschreckend hohe Zahl der Unfalltoten dieses Problem entstellt. Ich kann Ihnen Briefe von kommunalen Verbänden vorlegen — ich habe das anläßlich der Beratung des Einzelplans des Bundesverkehrsministeriums auch getan —, in denen nachgewiesen wird, daßinfolge der mangelhaften Beschaffenheit von Ortsdurchfahrten, des Fehlens von Parallelstraßen und — von den Ländern können Sie es erfahren — infolge des Umstandes, daß die Länder und Gemeinden den Straßenbau nicht so finanzieren können, wie er finanziert werden müßte —
— Ja, machen Sie es mal in den einzelnen Ländern in Ihren Fraktionen!
— Herr Kollege Dresbach, ich kann verstehen, daß es Ihnen nicht gefällt, daß wir dort stärker sind. Aber seien Sie überzeugt, lm Rahmen dessen, was den Ländern übrigbleibt, geschieht auf dem Gebiet des Straßenwesens, beispielsweise in meiner hessischen Heimat durch die weitgehende Entlastung von Kommunen und Kommunalverbänden, Kreisen
— Sie waren ja selbst einmal Kreisdirektor und Landrat —, allerlei; das geht sehr weit. Aber es genügt noch lange nicht.
Ich habe Ihnen hier einmal bei der Etatberatung erklärt, daß der Zustand vieler Straßen erschreckend ist. Ein Kollege aus Ihrer Fraktion hat ,das angezweifelt. Ich habe ihn eingeladen. Ich bin bereit, ihm eine ganze Reihe von Landstraßen zweiter Ordnung zu zeigen, die fast unpassierbar sind, worunter der Arbeiterverkehr mit den großen Omnibussen, die morgens zum Betrieb und abends zurückfahren, in der schlimmsten Weise leidet; Achsenbrüche und Federbrüche ergeben sich am laufenden Band. Wir wollen doch die Dinge so sehen, wie sie sind!
Zum Abschluß noch eines. Herr Dr. Vogel, ich muß Sie — in aller Freundschaft — auch daran erinnern, daß Ihre Fraktion es war, die den Antrag der Sozialdemokraten, den ich eingebracht hatte, abgelehnt hat, nämlich den Antrag, der Straßenbauverwaltung des Bundes auch zur Unterstützung der unter Personalmangel leidenden Länderverwaltungen des Straßenbaues zwei oder drei Stellen mehr zu bewilligen. Sie haben es rundweg abgelehnt. Sie waren nicht einmal bereit, eine Begründung abzugeben.
— Wie bitte?
— Ich nehme an, daß Sie und andere es wissen.
Sie wissen aber auch :ganz genau, daß diese Stellen nach Auffassung der Regierung — angefangen bei Herrn Seebohm über seine Räte beinahe bis zum letzten Schreibfräulein weiß das jeder —, nach Auffassung des Bundesverkehrsministeriums angesichts der gesteigerten Aufgaben nicht ausreichen. Die CDU war es, die eine bescheidene Vermehrung um zwei oder drei Stellen abgelehnt hat. Sie tragen die Verantwortung für diese Dinge. Sie könnten so nicht handeln, wenn Sie die Augen offen hätten und nicht mit Blindheit geschlagen wären zugunsten eines einzigen Einzelplans und zu Lasten anderer Einzelpläne!
Abgeordneter Dr. Dresbach!
Herr Kollege Ritzel, ich fordere Sie auf, .einmal mit in meinen Heimatkreis zu fahren und sich davon zu überzeugen, welche außerordentlich großen Leistungen für den Straßenbau getätigt worden sind. Ob Sie in Ihrem Hessenland nicht so gute Verbindungen haben wie wir, weiß ich nicht.
— Nein, wir haben in Nordrhein-Westfalen eine freidemokratisch-sozialdemokratische Regierung.
— Ja, die wollen unseren Kreis erobern! Deshalb vielleicht tun sie viel Gutes.
Ich bin dem Kollegen Rademacher dankbar dafür, daß er meinen Einwurf über die Bindung von Steuern bejaht 'und als ernsthaft anerkannt hat. Wir haben in der Vergangenheit mehrere Versuche der Zweckbindung von Steuern erlebt. Ich erinnere Sie an die Kraftfahrzeugsteuer, die ausdrücklich als eine Zwecksteuer geschaffen wurde. Eines Tages wuchs der allgemeine Finanzbedarf, und sie wurde für die Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs verwandt. Wir haben seinerzeit nach dem ersten Weltkrieg die Hauszinssteuer als „Geldentwertungssteuer" erlebt. Ihr Aufkommen sollte dazu dienen, die zweiten Hypotheken für den Wohnungsbau zu schaffen. Als Anfang der ¡dreißiger Jahre die große Erwerbslosigkeit kam, wurde sie für die Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs verwandt. Wir haben das Notopfer Berlin erlebt, das schon seinem Namen nach eine Zwecksteuer sein sollte. Es wurde für den allgemeinen Finanzbedarf in Anspruch genommen. Wir haben seinerzeit erlebt, wie als Motiv für die Gewerbesteuer angegeben wurde, daß sie ein Äquivalent für die Lasten sein solle, die ein Betrieb in einer Gemeinde auf dem Gebiet der Schulen, der Sorge für die Armen, der Fürsorge, der Polizei, des Wegebaus verursache. Niemand ist aber auf den Gedanken gekommen, das Erträgnis der Gewerbesteuer für die Zwecke, mit denen sie motiviert war, zu binden.
Herr Kollege Schmidt, die Bindung von Steuern für bestimmte Zwecke .führt zur Auflösung der Kasseneinheit und der Haushaltseinheit in voller Form.
Ich glaube schon einmal gehört zu haben, daß auch der Bundetsernährungsmnister mit dem Gedanken umgeht, solche Bindungen vorzunehmen. Dann haben wir nächstens nicht mehr ein einheitliches Haushaltswesen, nicht mehr ein einheitliches Kassenwesen, sondern eine Fülle, die für niemanden mehr übersichtlich sein Wird.
Nun aber zu dem Thema: Immer wieder mehr Einnahmen durch den Straßenverkehr — weniger Ausgaben für den Straßenverkehr! — Ja, verzeihen Sie, diese Steuern sind doch Verkehrs- und Verbrauchsteuern und damit abwälzbar. Sie werden doch nicht von den Steuerpflichtigen schlechthin getragen, sondern sie werden vom letzten Verbraucher getragen, d. h. von demjenigen, der Transportleistungen in Anspruch nimmt.
Ich bitte doch, endlich einmal mit diesem Argument aufzuhören. Es ist sehr schlagkräftig, wenn man in Versammlungen von Fuhrleuten und besser gestellten Transportunternehmern so etwas sagt; aber es ist nach wie vor unrichtig.
Noch ein Wort: Lieber eine. gute Dotierung auf der Ausgabenseite für Straßenbauzwecke, aber keine Bindung von Zwecksteuern, die zur Zerreißung der Kasseneinheit und Haushaltseinheit führen muß.
Nun zur „Schuld" der Bundesregierung! Herr Schmidt, ich frage Sie: Ist die Bundesregierung schuld daran, daß so wunderbar sonniges Wetter ist? Ist die Bundesregierung schuld daran, daß infolgedessen viel mehr Bier getrunken wird, so daß die 'Brauereien es nicht mehr bewältigen können? Wollen Sie die Bundesregierung für jeden Besoffenen schuldig sprechen, der einen Unfall verursacht hat?
Herr Abgeordneter Schmidt !
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir einige ganz wenige Bemerkungen zu den Diskussionsbeiträgen der Herren Dr. Vogel und Dr. Dresbach.
Das Beispiel England, Herr Dr. Vogel, ist nicht ganz schlüssig, weil die Verkehrsdichte in England, wie Sie wissen, wesentlich geringer als bei uns ist. Aber schauen Sie nach Frankreich mit einer sehr viel Näheren Verkehrsdichte und sehr viel weniger Verkehrsunfällen als in der Bundesrepublik. Und weshalb so viel weniger Unfälle in Frankreich? Weil Frankreich ein vorzügliches Straßennetz hat, überall, sowohl in den Städten als auch vor allen Dingen in den Dörfern.
Die Bundesrepublik hingegen ist von sämtlichen Staaten der Welt — das habe ich 'an Hand der UNO-Statistiken nachgeprüft — das Land mit der Höchstzahl der Verkehrstoten, auf die Zahl der eingesetzten Fahrzeuge gerechnet. Zweifellos hängt das auch mit einem besonderen Mangel an Verkehrsdisziplin in Deutschland zusammen — nicht nur mit den Besoffenen, Herr Dr. Dresbach! Nur ein Teil der Menschen muß immer Wein und Bier trinken, nicht alle, Herr Dr. Dresbach.
Aber vor allen Dingen und wesentlich hängt dies auch zusammen mit dem mangelnden Straßennetz. Das haben Sie selber in Ihre früheren Initiativgesetze als Begründung geschrieben. Warum soll es heute nicht mehr gelten, Herr Dr. Vogel?
Nun haben Sie von dem „Nicht Nachkommen der Länder" gesprochen. Der Herr Bundesverkehrsminister Seebohm hat auf dem Straßentag in Stuttgart das Gegenteil von dem behauptet, was Sie gesagt haben. D'as bliebe also 'aufzuklären. Vor allen Dingen liegt es daran, daß der Herr Bundesfinanzminister und seine Beamten die 'Gelder nicht rechtzeitig im Laufe des Jahres freigeben. Die Gelder werden zu spät freigegeben 'und können dann nicht mehr verbaut werden. Im übrigen sind Städte und Kommunen in der Lage, jederzeit jeden Betrag in ihrem Straßennetz zu verbauen.
Nun zu der Bemerkung, die Herr Vogel oder auch Herr Dresbach in bezug auf einen sozialdemokratischen Finanzminister gemacht hat.
— Es war also Herr Dr. Vogel. Ich nehme an, daß ein sozialdemokratischer Finanzminister den Gesamtkuchen des Haushalts etwas anders einteilen und die Scheiben etwas anders verteilen wird. Die Scheibe für die türkische Munition wird etwas kleiner, und auch die Scheibe für alle anderen Sachen auf dem Verteidigungsgebiet wird etwas kleiner. Manche andere 'Scheibe wird aber etwas größer werden.
— Ja, d'as wissen wir, 'Herr Dr. Vogel. Wir haben aber bemerkt — das hat Herr Ritzel schon ausgeführt —, daß Sie bereit waren, bei jeder Scheib 6 % zu kürzen; nur 'bei der einen großen Scheibe waren Sie nichtbereit, auch nur 1 % zu kürzen.
Nächster Punkt:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, DP eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über eine Bundesbürgschaft für Kredite zur Finanzierung der Lebensmittelbevorratung (Drucksache 3493);
a) Bericht dies Haushaltsausschusses gemäß § 96 (neu) der Geschäftsordnung (Drucksache 3729)
Berichterstatter: Abgeordneter Brese
b) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Geld und Kredit (Drucksache 3730).
Berichterstatter: Abgeordneter Scharnberg.
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort?
— Verzichtet. Das ist ausgezeichnet. Zweite Lesung. Artikel 1, — Artikel 2, — Artikel 3, — Einleitung und Überschrift. Keine Wortmeldungen. Wer zustimmen will, bitte ein Handzeichen. —Gegenprobe! — Angenommen.
Dritte Lesung.
Allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht?
— Keine Wortmeldungen. Der Ausschuß beantragt unter B, dem Gesetzentwurf mit der Maßgabe zuzustimmen, daß in Artikel 1 die Worte „einer Milliarde siebenhundert Millionen Deutsche Mark" durch die Worte „einer Milliarde fünfhundert Millionen Deutsche Mark" ersetzt werden. Wer mit dieser Maßgabe dem Gesetzentwurf in dritter Lesung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Auch einstimmig angenommen.
Jetzt kommt der Punkt:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs
eines Zweiten Gesetzes zur Änderung und
Ergänzung des Bundesvertriebenengesetzes
(Drucksachen 3272, 3274);
a)
Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 (neu) der Geschäftsordnung (Drucksache 3712)
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Keller
b) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Heimatvertriebene (Drucksache 3666).
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Czaja Wünscht der Herr Berichterstatter .das Wort?
— Danke vielmals. Zweite Lesung. Artikel I, Nummern 1 bis 3. Das sind die Nummern mit dem schwarzen Rhombus. Soweit keine Änderungsanträge. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zustimmen will, bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen.
Nr. 4, dazu Änderungsantrag der Fraktion des GB/BHE Umdruck 1275 Ziffer 1. Wird auf Begründung verzichtet?
— Herr Abgeordneter Krather zur Begründung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da ich nicht über die Ruhe der Herrn Verkehrsexperten verfüge, die uns heute ,einen Streit aber die Verkehrsunfälle glaubten vorführen zu müssen, ziehe ich namens meiner Fraktion tim Interesse einer schnelleren Erledigung dieses Gesetzentwurfs unsere beiden Änderungsanträge zurück.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten. Die Änderungsanträge Umdruck 1275 sind zurückgezogen.
Ich rufe auf die Nummern 4, — 5, — 6, — 7, —8, — 9, — 10, — 11, — 12, — 13, — 14, — 15, —16 — usw. bis 28. — Wer zustimmen will, bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.
Nr. 29. Dazu liegt der Änderungsantrag Umdruck 1274 der Abgeordneten Bock, Dr. Bleiß, Rademacher, Walter und Genossen vor. Muß er begründet werden?
— Wird .der Antrag zurückgezogen? — Er wird nicht zurückgezogen. .Sie wollen dazu sprechen? — Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, diesem Antrag zuzustimmen. Es handelt sich nur um einige Änderungen, die erforderlich sind, um den Text möglichst klarzustellen.
Ich stelle den Änderungsantrag Umdruck 1274 zur Abstimmung. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das erste war die große Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Wer der Nummer 29 in der so geänderten Fassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.
Nrn. 30 bis 45, — dann Art. II, — Art. III, — Art. IV, — Art. V, — Einleitung und Überschrift. — Keine Wortmeldungen. Wer zustimmen will, gebe bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.
Dritte Beratung.
Allgemeine Aussprache. — Keine Wortmeldungen. Änderungsanträge liegen nicht vor. Wer dem Gesetzentwurf in der durch die zweite Lesung geänderten Fassung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen.
Wir kommen nunmehr zu dem interfraktionellen Entschließungsantrag. — Keine Wortmeldungen. Wer dem Entschließungsantrag zustimmt, gebe bitte das Handzeichen. — 'Gegenprobe! — Angenommen.
Schließlich liegt der Antrag des Ausschusses vor, die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Eingaben für erledigt zu erklären. — Das Haus ist damit ein-verstand en.
Dann folgt als vierter Punkt:
Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundesergänzungsgesetzes zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Fragen der Wiedergutmachung (Drucksache 3723).
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Winter
Der Herr Berichterstatter verzichtet.
Zweite Lesung. Art. 1, — Art. 2, — Art. 2 a, — Art. 3, — Einleitung und Überschrift. — Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Artikeln, der Einleitung und der Überschrift zustimmen will, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.
Dritte Beratung.
Allgemeine Aussprache. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Gesetz in dritter Lesung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Keine weiteren Ausschußanträge; damit ist dieser Punkt erledigt.
Punkt 5:
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD betreffend Wiederwahl von Mitgliedern des Verwaltungsrats der Lastenausgleichsbank .
Wer diesem Antrag zustimmen will, gebe bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Es ist so beschlossen. Der Abgeordnete Dr. Hermann Lindrath und der Wirtschaftsprüfer Dr. Werner Schulz-Frey sind erneut für drei Jahre gewählt.
Als nächster Punkt folgt:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Sechsten Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1956 (Drucksache 3418); Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses (18. Ausschuß) (Drucksache 3704).
Berichterstatter: Abgeordneter Lenz
Will der Herr Berichterstatter dazu sprechen? — Der Herr Berichterstatter verzichtet.
Zweite Lesung. 0 1, — 2, — 3, — 4, — 5, — Einleitung und Überschrift. — Keine Wortmeldungen. Wer zustimmen will, gebe bitte ein Handzeichen. —Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen.
Dritte Beratung.
Allgemeine Aussprache. — Herr Abgeordneter Ritzel!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein Nachtragshaushalt mit einer Abschluß-
summe von 1 131 131 700 DM rechtfertigt es auch in dieser Situation des Hauses, einige Worte dazu zu sagen. Ich bin überzeugt, daß unsere Steuerzahler kein Verständnis dafür hätten, wenn die Angelegenheit ebenso wie die Verabschiedung des Bundesbankgesetzes in zwei oder drei Minuten über die Bühne ginge. Aber ich will Ihre Geduld nicht lange in Anspruch nehmen und nur einige wenige Punkte hervorheben.
Zunächst möchte ich auf die paradoxe Situation hinweisen. Wir befinden uns jetzt bereits im zweiten Viertel des Rechnungsjahres 1957. Das Haushaltsjahr 1957 hat vor mehr als einem Vierteljahr begonnen, und jetzt beraten wir über den Sechsten Nachtrag zum Einzelplan 14 für das Rechnungsjahr 1956. Das ist eine Situation, die nicht ganz leicht zu erklären ist. Sie verdient zum mindesten, in den Annalen des Parlaments und in den Annalen der Haushaltsgebarung festgehalten zu werden.
In diesem Nachtrag ist eine Zusammenfassung der noch nicht etatisierten Vorwegbewilligungen zu sehen. Der Herr Berichterstatter hat in einem eingehenden 'Bericht dankenswerterweise im einzelnen auf die Dinge hingewiesen. Ich will nichts wiederholen, möchte jedoch darauf hinweisen, daß die Fixierung der Ergebnisse im Sechsten Nachtrag weitgehend an den Ist-Ergebnissen orientiert ist und daß diese Ist-Ergebnisse schon einmal rund und roh eine Ersparnis von mehr als 150 Millionen DM gegenüber den früheren Ansätzen in den Vorwegbewilligungen gebracht haben. Die Voraussage, die meine politischen Freunde sowohl im Verteidigungsausschuß als auch im Haushaltsausschuß gemacht haben, wird damit gerechtfertigt: in den Vorwegbewilligungen ist eine ganze Reihe übersetzter Beträge enthalten gewesen. Die 4. Vorwegbewilligung selbst aber weist jetzt noch eine erstaunliche Erhöhung auf, nämlich von ursprünglich 1,08 Milliarden DM auf rund 1,8 Milliarden DM. In diesem Zusammenhang ist zu unterstreichen, was ich vorhin bereits aus anderem Anlaß gesagt habe. Im Bereich des Verteidigungshaushalts sind mehr als 4 Milliarden DM nicht ausgegebene Reste vorhanden.
— Und Bindungsermächtigungen über 17 186 419 300 DM, deren parlamentarische Kontrolle wir im Haushaltsausschuß verlangt haben, damit die Dinge nicht so gehen, wie schon manches in diesem Machtbereich des Verteidigungsministeriums gegangen ist. Hier stellt sich erneut eine Problematik ganz besonderer Art, und wir behalten uns vor, darauf noch zurückzukommen.
Ich kann die Beratung des 6. Nachtrags nicht vorübergehen lassen, ohne auf etwas anderes, das den Haushaltsausschuß einige Zeit beansprucht hat, wenigstens auszugsweise zu sprechen zu kommen. Wir haben im Einzelplan 04 unter Kap. 04 03 Tit. 309 einen Betrag von 7 349 300 DM für Öffentlichkeitsarbeit in Verteidigungsfragen, der übertragbar ist. Das sind rund 8 Millionen DM, die dem Einzelplan 14 belastet werden. Diese Öffentlichkeitsarbeit in Verteidigungsfragen ist eine Aufgabe dies Bundespresse- und Informationsamtes geworden.
Nun ist es berechtigt, wenn ein Abgeordneter, der sich dafür interessiert, fragt: Was geschieht mit diesem Geld, wohin fließt es? Ich bin überzeugt, daß auch im Regierungshager nur wenige Abgeordnete wissen, wer die Nutznießer dieser 8 Millionen
DM Steuergelder sind. Ich möchte Ihnen das an Hand der im Haushaltsausschuß amtlich erteilten und nicht geheimzuhaltenden Auskunft sagen. An diesen 8 Millionen DM für Öffentlichkeitsarbeit in Verteidigungsfragen partizipieren entsprechend ihren Eingaben — nur einige Beispiele — die Deutsche Gesellschaft für internationalen Jugendaustausch, der Politische Arbeitstkreis der Bonner Oberschulen, die Arbeitsgemeinschaft Grenzland, der Verband ehemaliger Angehöriger des Deutschen Afrikakorps in Essen, eine Organisation „Volk und Freiheit" in Tübingen — unbekannt wer! —, der Ring Politischer Jugend in Bonn, die Evangelische Jugend in Frauendau bei Göppingen — ein sehr wichtiger Ort —, das Internationale Komitee zur Verteidigung der christlichen Kultur in Bonn — das auch Gelder für Öffentlichkeitsarbeit in Verteidigungsfragen bezieht —, die Christlich-Soziale Studentengruppe in Erlangen, die Junge Union in Hamburg, der Bund Deutscher Föderalisten in Bonn, selbstverständlich die Arbeitsgemeinschaft Demokratischer Kreise in Bad Godesberg, das Kameradenhilfswerk der 78. Sturmdivision in Tübingen, das Evangelische Kirchenamt für die Bundeswehr in Bonn, das Kolpingwerk in Köln usw. usw.
Ich ,glaube, es ist sehr nützlich, wenn man sich in der Öffentlichkeit über die Verwendung der Steuergelder für diesen Zweck mehr als bisher den Kopf zerbricht und wenn wir hier auf dem Wege einer ordnungsgemäßen •Kontrolle auch im Rechnungsprüfungsausschuß des Deutschen Bundestages etwas nach dem Rechten sehen.
Keine weiteren Wortmeldungen.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Sechsten Nachtrag zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1956 zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Das erste ist die Mehrheit; der Sechste Nachtragshaushalt ist angenommen.
— Lassen Sie uns doch zuerst einmal die Grundgesetzänderung beraten! Gibt das eine lange Debatte?
— Herr Kollege Menzel, ich sage Ihnen: wenn wir jetzt eine Mittagspause machen, dann ist nachher fast überhaupt niemand im Saal. Wenn Ihnen daran gelegen ist, darüber eine Entscheidung herbeizuführen, solange Mitglieder des Hauses in ausreichender Zahl da sind, empfehle ich, das jetzt zu machen. Ich fürchte, ,daß nach der Mittagspause noch weniger da sind.
zu belassen, daß wir jetzt in die Mittagspause eintreten. Dieser Vorschlag des Ältestenrates ist um so mehr begründet, als wir damals nicht damit rechnen konnten, daß die Kühlanlage des Hauses ausfällt. Es ist unzumutbar, beim Versagen der technischen Anlage noch wichtige Angelegenheiten zu beraten und darüber abzustimmen. Wir müssen jetzt die Mittagspause eintreten lassen.
Bitte, Herr Dr. Menzel!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es liegt die Vereinbarung vor, um 13 Uhr die Mittagspause zu beginnen. Es muß also abgewartet werden, ob aus dem Hause ein Antrag gestellt wird, von diesem Vorschlag des Ältestenrates abzugehen.
Generell ist verabredet — ich habe mich gerade noch einanal erkundigt —, daß in der ganzen Woche an den Pienarsitzungstagen von 13 bis 14 Uhr 30 Mittagspause sein soll. Aber wenn wir so verfahren, kommen
wir vielleicht ohne Mittagspause aus.
— Bitte sehr!
Frau Kalinke : Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Wenn wir uns ohne Abstimmung darüber verständigen können, daß wir eine Stunde Mittagspause machen, dann ist, glaube ich, dem Wunsch der SPD entsprochen. Ich hoffe, daß Sie dann auch mit dazu beitragen, daß wir die wichtigen Gesetze, die noch lauf der Tagesordnung stehen, trotz aller Schwierigkeiten, die zur Zeit bestehen, noch erledigen können. Ich glaube, wir können, wenn nicht widersprochen wird, ohne Abstimmung so verfahren.
Das würde bedeuten, daß die Mittagspause nur bis 14 Uhr dauern soll?
— Sie widersprechen? — Also Mittagspause von 13 Ibis 14.30 Uhr.
Ich unterbreche die Sitzung bis 14 Uhr 30.
Meine Damen und Herren, wir fahren in der unterbrochenen Sitzung fort. Ich rufe auf:
Erste und zweite Beratung des von der Fraktion der DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes (Drucksache 3726).
Wird das Wart gewünscht? — Herr Abgeordneter Rasner!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beziehe mich auf die Ausführungen, die unser Fraktionsvorsitzender Dr. Krone heute vormittag anläßlich der Aussprache über die Tagesordnung gemacht hat. Am Abschluß der ersten Beratung beantragen wir Überweisung der Vorlage an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht als federführenden Ausschuß und an den Atomausschuß zur Mitberatung.
Wünscht jemand das Wort? — Niemand. Dann stimmen wir ab.
— Bitte, zur Abstimmung Herr Abgeordneter Dr. Menzel!
Wir bezweifeln die Beschlußfähigkeit des Hauses.
Meine Damen und Herren, die Beschlußfähigkeit des Hauses wird bezweifelt. Ich muß auszählen lassen. Ich 'sage jetzt schon: wenn die Beschlußunfähigkeit des Hauses festgestellt wird, berufe ich die nächste Sitzung auf •fünf Minuten später ein mit dem Ziel, die unstrittigen Punkte der Tagesordnung, also das, was wir heute morgen als Rest der Tagesordnung bezeichnet haben — abgesehen von der zweiten Beratung des Atomgesetzes und der zweiten und dritten Beratung des Selbstverwaltungsgesetzes —, noch zu Ende zu bekommen.
Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Rasner!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein Antrag auf Feststellung der Beschlußunfähigkeit des Hauses ist nach der Geschäftsordnung nur im Zusammenhang mit einer Sachabstimmung zulässig. Hier handelt es sich nicht um eine Sachabstimmung.
—Namentliche Abstimmung (gibt es bei Ausschußüberweisung nicht!
Meine Damen und Herren, früher hatten wir in der Geschäftsordnung die Klausel mit der Sachabstimmung. Jetzt aber heißt es:
Wird vor ihrem Beginn
— nämlich vor dem Beginn der Abstimmung — die Beschlußfähigkeit von mindestens fünf Abgeordneten bezweifelt und auch vom Sitzunlgsvorstand nicht einmütig bejaht
— ich müßte also eigentlich erst den Sitzungsvorstand fragen, ob er einig ist —,
so ist in Verbindung mit der sachlichen Abstimmung
— ich bin der Meinung, daß hier „sachliche Abstimmung" etwas anderes ist als Sachabstimmung —
die Beschlußfähigkeit durch Zählung der Stimmen ... festzustellen.
Lassen Sie mich eins ums iandere tun und erst mal den Sitzungsvorstand fragen, ob er die Beschlußfähigkeit des Hauses einmütig bejaht.
— Ein Schriftführer bejaht sie nicht; damit ist sie vom Sitzungsvorstand nicht einmütig bejaht.
Nun (die Frage der „Verbindung mit der sachlichen Abstimmung". Herr Abgeordneter Rasner, ich möchte Ihnen doch empfehlen, meiner Auffassung beizutreten, daß ein Unterschied zwischen dem früher in der Geschäftsordnung enthaltenen Begriff „Sachabstimmung" und der in der jetzt geltenden Geschäftsordnung verwendeten Bezeichnung „sachliche Abstimmung" besteht und daß es sich hier zwar nicht um eine Sach-, wohl aber um eine sachliche Abstimmung, die lauf jeden Fall durchgeführt werden muß, handelt, so daß wir mit dieser sachlichen Abstimmung die Auszählung verbinden müssen.
Ich bitte, den Saal zum Hammelsprung zu verlassen. — Ich bitte, die Türen zu schließen.
Ich bitte, die Türen zu öffnen; die Auszählung beginnt. — Ich bitte, die Türen zu schließen. Die Auszählung ist beendet.
Ich gebe das Ergebnis der Auszählung bekannt. Mit Ja haben gestimmt 112, mit Nein 26 Abgeordnete; enthalten haben sich 13. Insgesamt abgegebene Stimmen 151. Erforderlich sind 249. Das Haus ist nicht beschlußfähig.
Ich hebe die Sitzung auf und berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages ein auf heute, 14.50 Uhr, und zwar auf Grund von § 51 der Geschäftsordnung mit folgender Tagesordnung: Unstrittige Punkte der heutigen Tagesordnung 30 bis 60, 62, 70, 71.
Die Sitzung ist geschlossen.
226. Sitzung
Bonn, Sonnabend, den 6. Juli 1957.
Die Sitzung wird um 14.51 Uhr durch den Präsidenten D. Dr. Gerstenmaier eröffnet.
Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe als Punkt 1 der Tagesordnung dieser Sitzung den Punkt 30 der gedruckt vorliegenden Tagesordnung der letzten Sitzungen auf:
Beratung des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung und Immunität über dien Einspruch des Kaufmanns Hugo Büttner, Ludwigshafen-Maudach, und weiterer 9 Stimmberechtigter — Verfahrensbevollmächtigter Rechtsanwalt Biffar — gegen die Feststellung der Gültigkeit des im Rerierungsbezirk Pfalz des Landes Rheinland-Pfalz durchgeführten Volksbegehrens in der Zeit vom 9. bis 22. April 1956 „Angliederung des Regierungsbezirks Pfalz an das Land Bayern" (Drucksache 3640).
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? — Der Herr Berichterstatter verweist auf den Bericht; das Haus ist einverstanden.
Wir kommen zur Abstimmung.
— Sie bezweifeln die Beschlußfähigkeit des Hauses.
— Meine Damen und Herren, die Beschlußfähigkeit des Hauses ist in Verbindung mit einer Abstimmung in der Sache bezweifelt worden. Das ist zulässig. Ich bedaure das, aber ich kann es _nicht ändern. Ich ,glaube, auszuzählen brauchen wir nicht. Das Ergebnis der letzten. Auszählung ist so völlig eindeutig, daß wir uns den Hammelsprung schenken können. Ich hoffe, das Haus ist damit einverstanden, wenn ich feststelle, daß sich das Bild im Vergleich zu der letzten Auszählung nicht geändert hat, das Haus also nicht beschlußifähig ist.
— Ja, es rächt sich, daß wir eine Mittagspause gemacht haben. —
— Ich bedaure, meine Damen und Herren, es hat keinen Zweck; ein zweites Mal kann ich nicht vertagen und wieder einberufen. Die Beschlußunfähigkeit steht fest.
— Es hat gar keinen Zweck, zu streiten und sich jetzt Vorwürfe zu machen. Wollen wir wenigstens in Ruhe auseinandergehen!
Ich wünsche dem Haus sehr gute Erholung und hoffe, daß wir uns alle am 29. August gesund wiedersehen.
Ich 'berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf den 29. August, vormittags 10 Uhr, ein.
Die ,Sitzung ist geschlossen.