Gesamtes Protokol
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Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, ich habe zunächst dem Kollegen Ludwig zur Vollendung seines 65. Lebensjahres Glückwünsche auszusprechen.
Wir wünschen ihm recht gute Gesundheit und langes Leben.
Ich habe in besonderer Weise Glückwünsche auszusprechen dem Herrn Abgeordneten Dr. Erich Köhler, dem ersten Präsidenten dieses Hauses. Ich glaube in Ihrer aller Namen zu sprechen, wenn ich ihm zu diesem Tage unsere herzlichen Glückwünsche ausspreche und damit den Wunsch für recht gute Gesundheit verbinde.
Wir fahren fort mit Punkt 7 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (Drucksachen 3511, zu 3511).
Wir hatten die ersten Zeilen des Art. 1 bis zu
Ziffer 1 und die dazu gestellten Anträge erledigt.
Ich rufe nunmehr auf Art. 1 Nr. 1. Hierzu liegt kein Antrag vor. Wird das Wort zu dieser Nr. 1 gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe hierzu die Debatte.
Ich stelle die Nr. 1 zur Abstimmung. Wer der Nr. 1 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. —
— Das war vor Nr. 1. Ich bin jetzt bei Nr. 1, Herr Kollege. Hier liegt kein Änderungsantrag vor. Wer also diese Nr. 1 in der Ausschußfassung anzunehmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen.
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen?
— Nr. 1 ist angenommen.
Auf Umdruck 1188 liegt ein Antrag vor, eine Nr. 1 a einzufügen. Wird dieser Antrag begründet? — Bitte, Herr Kollege!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Ehre, einen Antrag zu begründen, den ein großer Kreis Abgeordneter aller Fraktionen hier vorgelegt hat. Der Antrag Umdruck 1188 fordert die Einfügung einer Nr. 1 a, wonach dem § 7 Abs. 2 Nr. 2 folgender Buchstabe c angefügt werden soll:
c) von Büchern; ferner Fachzeitschriften nach näherer Bestimmung durch Rechtsverordnung.
Durch diese Bestimmung würden Bücher und Fachzeitschriften ebenfalls in die Vergünstigung des Satzes von 1,5 % kommen.
Bereits vor einem Jahr wurde hier ein ähnlicher Antrag gestellt. Er wurde im Kulturpolitischen Ausschuß positiv entschieden. Im Finanz- und Steuerausschuß ist er nicht zur Abstimmung gekommen, sondern ein weitergehender Antrag, der
eine völlige Streichung der Umsatzsteuer für Bücher vorsah, wurde mit einer Stimme Mehrheit abgelehnt.
Die Neuformulierung, die wir Ihnen jetzt in diesem Antrag vorlegen, berücksichtigt in vollem Umfang die kulturpolitischen Bedenken, die besonders im Blick auf die Zeitschriften — ich denke an die Illustrierten und ähnliche — vorgebracht worden sind. Es geht jetzt um eine Beschränkung lediglich auf Fachzeitschriften. Die Bedenken, die im Finanz-
und Steuerausschuß im Blick auf eine eventuelle Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes vorgebracht wurden, wurden in diesem Antrag ebenfalls mitberücksichtigt, und zwar in der Weise, daß keine besonderen Ausnahmen mehr vorgesehen sind. Es sind also — zusammenfassend darf ich das sagen — alle Bedenken einer langen Diskussion in den zuständigen Fachausschüssen voll berücksichtigt worden. Innerhalb der Diskussion hat das Bundesministerium der Finanzen davon gesprochen, daß die kulturpolitischen Gründe dieser Vorlage nicht durchgreifend seien. Wir möchten demgegenüber feststellen, daß ein echtes und dringendes kulturpolitisches Bedürfnis zur Förderung der Erziehung, der Wissenschaft und der Forschung besteht und daß dem fast alle europäischen Kulturnationen zugestimmt haben. Ich nenne nur Großbritannien, die Niederlande, Belgien, Dänemark, Schweden, Frankreich, Italien, Finnnland, Norwegen. Selbst die Sowjetzone hat eine ähnliche Vergünstigungsbestimmung; dort sind die Bücher den lebensnotwendigen Gütern gleichgestellt.
Im Rahmen der Diskussion ist mehrfach davon gesprochen worden, daß bei einer solchen Förderung unter Umständen auch Bücher gefördert werden könnten, die nicht förderungswürdig seien. Ich darf feststellen, daß der bekannte Verleger Dr. Lambert Schneider im Kulturpolitischen Ausschuß, wo er als Sachverständiger gehört wurde, uns interessante Zahlen zur Verfügung gestellt hat, ein Mann, der sicherlich über den Verdacht erhaben ist, irgendwelche Angaben gemacht zu haben, die einseitig sind. Er sprach von 40 000 Neuerscheinungen, die im Rahmen der Nationalbiographie jährlich veröffentlicht werden. Er gab an, daß nach den neuesten Erhebungen der Anteil jugendgefährdender Schriften etwa 80, im Höchstfall 100 Titel sei. Das sind also 0,25 %. Wenn man darüber hinaus sagt, daß ein gewisser anderer Teil nicht unbedingt förderungswürdig sei, so ist auch hier nach den interessanten Zahlen einer Aufschlüsselung der Buchproduktion der letzten Jahre festzustellen, daß dieser Prozentsatz im Höchstfall zusammen mit den eben genannnten Zahlen 3 % ausmachen kann. Ich habe deshalb die Bitte, die Toleranzgrenze so zu setzen, daß man die 97 % der förderungswürdigen Buchproduktion sieht.
Meine Damen und Herren! Wenn ich daran denke, in welcher Weise in den Diskussionen über die Dinge gesprochen wurde, hätte man meinen können, daß der Buchhandel in seiner Mehrzahl ungute Literatur vertreibt. Ich glaube, man sollte mit aller Deutlichkeit gegen diese Auffassung Stellung nehmen.
Die Nationalbiographie, die eine Zusammenfassung all der Bücher bringt, die in der Bundesrepublik erscheinen, liefert uns interessantes Zahlenmaterial. Es würde jetzt zu weit führen, Ihnen die einzelnen Sparten aufzuzählen. Bedenken Sie, daß die allgemeine Buch- und Schriftkunde, Hochschulkunde, Religion, Theologie, Philosophie,
Rechtswissenschaft usw. den wesentlichen Teil ausmachen, nämlich im ganzen 84 % der gesamten Publikationen, und daß lediglich 16 % Bücher sind, die in den Rahmen der schönen Literatur gehören, in die auch die Bücher der Klassiker und beispielsweise die Bücher der Reclam Universalbibliothek einzurechnen sind. Ich glaube, es hieße die Dinge auf den Kopf stellen, wollte man davon ausgehen, daß in der Mehrheit im deutschen Buchhandel ungute Literatur vertrieben wird.
Die anderen Bedenken, die geäußert wurden, gehen dahin, daß man nicht sagen könne, Bücher gehörten zu den lebensnotwendigen Gegenständen, und deshalb sei auch für sie nur eine 4%ige Versteuerung vertretbar; Ausnahmen machten lediglich sozial kalkulierte Waren, also Lebensmittel, Brot usw. Wer einigermaßen einen Einblick in die Arbeit eines Verlags hat, der weiß, daß hier im eigentlichsten Sinne wirklich sozial kalkuliert werden muß. Gegenteilige Auffassungen beruhen im wesentlichen auf Branchenunkenntnis. Wenn hier ein Vergleich mit dem Brot gezogen wurde, so sind wir der Meinung, daß diese Gleichstellung berechtigt ist: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein." In einer Kulturnation sollten die geistigen Bedürfnisse nicht hinter den Bedürfnissen des täglichen Lebens rangieren. Es ist unwürdig, das Buch mit anderen Wirtschaftsgütern auf eine Stufe zu setzen oder gar noch darunterzustellen. Die Opfer, die beim Wiederaufbau des Buchhandels nach 1945 gebracht wurden, sind außerordentlich groß.
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Ich darf bitten, die Privatgespräche etwas zu dämpfen, damit der Redner verständlich wird.
Diese Opfer gingen eindeutig auf Kosten der deutschen Verleger und des vertreibenden Buchhandels. Ich darf hier nur daran erinnern, welchen unerhörten Verlust eigentlich der Ausfall Leipzigs als Bücherstadt bedeutete und was es auch heute noch bedeutet, daß die ganze Sowjetzone ausgegliedert ist. Der Markt ist wesentlich kleiner geworden.
Was die Preise der Bücher betrifft, so darf ich feststellen, daß sie hinter den Preissteigerungen bei fast allen anderen Wirtschaftsgütern seit Jahren zurückgeblieben sind. Der deutsche Verleger hat alle Verteuerungen in seinen Spannen aufgefangen. Die Verlagsarbeit und im letzten die Verlagskalkulation ist eine Arbeit mit Pfennigen, sie ist Millimeterarbeit. Das Risiko der Herausgabe kulturpoltisch wichtiger Werke wurde mutig von den Verlegern unter Hintansetzung kaufmännischer Gesichtspunkte angepackt, entgegen manchen Warnungen, die hier immer wieder ausgesprochen wurden.
Im Rahmen der Diskussion sind seitens des Bundesfinanzministers im Hinblick auf die Zeitschriften — so, wie der Antrag zuerst lautete — echte Bedenken geltend gemacht worden. Wir sind mit dem Ministerium der Meinung, daß hier eine Einschränkung notwendig erschien. Aber die Neufassung unseres Antrags hat all das berücksichtigt, und auch die Verleger sind, soweit ich das feststellen konnte, mit dieser Einschränkung einverstanden.
Im Rahmen der Diskussion sind noch weitere Dinge gesagt worden, so z. B., daß der Endverbraucher der Bücher tatsächlich nicht in den Genuß dieser Steuersenkung kommen werde. Es gibt wohl keine Branche — das darf man sagen —, bei der die Umlegung so eindeutig ist und so eindeutig möglich ist wie gerade beim Buch. Sie wissen, daß der Verleger den Preis auf Grund seiner Kalkulationen macht. Es ist also nicht derjenige, der die Umsatzsteuer entrichtet, nämlich der Sortimentsbuchhändler, der hier etwas unterschlagen könnte. Ich weiß, daß der Verleger, der ja die Gesamtkalkulation aufstellt, ein Interesse daran hat, daß diese Ermäßigungen sich auch tatsächlich im Endpreis auswirken. Der Sortimenter hat also keinerlei Einfluß darauf, daß sich diese Umsatzsteuerermäßigung nicht auswirken wird. Die von dem Bundesfinanzministerium gemachte Angabe über den Ausfall — in dem Ausschußbericht ist auch von 30 bis 40 Millionen die Rede —, ist nach unserer Auffassung nicht zutreffend.
Die Aufstellung des Bundesfinanzministeriums kann schon deshalb nicht stimmen, weil die Verlagsumsätze fast dreimal so hoch angegeben werden wie die des gesamten vertreibenden Buchhandels. Hierin müssen also entweder Tageszeitungen oder Zeitschriften, das Anzeigengeschäft oder etwas Ähnliches enthalten sein. Es ist gar nicht denkbar, daß es sich hier um diese hohe Summe handelt. Das Bundesfinanzministerium hat auch außer acht gelassen, daß auf Grund dieses ungeheuren Steuerdrucks beim Buch sehr viele Verlage dazu übergegangen sind, durch Werklieferungsverträge ihre Bücher in einer Firma herstellen zu lassen, um damit auf einen Umsatzsteuersatz von 1 % zu kommen. Sie zahlen also nicht 4 %, sondern 1 %. Wenn Sie mitberücksichtigen, daß diese Werklieferungsverträge heute zu einem großen Teil angewandt werden, dann wird Ihnen deutlich, daß die Umsätze nicht die genannte Höhe haben können. Auch etwa 15 % der Umsätze im Sortimentsbuchhandel dürften mit 1 % Umsatzsteuer getätigt werden.
Ich komme aus einem landwirtschaftlichen Bezirk und habe großes Verständnis dafür, daß man der Landwirtschaft hilft und ihr bestimmte steuerliche Entlastungsmöglichkeiten gibt. Wenn Sie dabei bedenken, daß der völlige Wegfall der Umsatzsteuer bei der Landwirtschaft, ich glaube, 170 Millionen DM ausgemacht hat und daß die neue Getreidestützungsaktion mit 40 Millionen DM beziffert wird — hier sind durchaus vergleichbare Ziffern —, so werden Sie mir zugeben, daß für eine kulturpolitische Tat eine Summe von 15 bis 18 Millionen — das wird die Zahl sein, die der Wirklichkeit am nächsten kommt — ohne weiteres vertretbar ist.
Der 13. Verlegerkongreß der Internationalen Verlegerunion hat in Zürich festgestellt, daß besonders wegen der schweren umsatzsteuerlichen Belastung in manchen Staaten die steuerliche Behandlung des Buches in krassem Widerspruch zu den kulturellen Zielen der Regierungen steht. Es ist außer Zweifel, daß das Buch unter allen Waren eine Sonderstellung einnimmt. Wir haben es mit einem geistigen Erzeugnis zu tun, das durch mechanische Vervielfältigung zu einer Handelsware geworden ist. Was gehandelt wird, ist letzlich eigentlich nur die Verpackung. Es ist also keine Ware im üblichen Sinne. Sie werden mir zugeben, daß beim Verkauf eines Buches der geistige Gehalt das Wesentliche ist.
Die derzeitige steuerliche Belastung auch bei uns in Deutschland wird der kulturellen Funktion des Buches nicht gerecht. Durch die heutige Praxis werden die Förderung der Erziehung, die Förderung der Wissenschaft und der Forschung und die Fortbildung der Facharbeiter, die im wesentlichen auf Fachbücher angewiesen sind, unverhältnismäßig hoch belastet. Wir stehen in der Gefahr, uns aus der Gemeinschaft anderer Kulturnationen zu distanzieren, die eine vergleichbar harte Umsatzbesteuerung auf diesem Gebiet nicht haben. Ich darf in diesem Zusammenhang nur auf den neuen Beschluß der UNESCO hinweisen, der besagt, man solle Bücher und Zeitschriften umsatzsteuerlich überhaupt nicht mehr belasten. Es wäre geradezu grotesk, wenn das „Volk der Dichter und Denker" im Gegensatz zu allen anderen Kulturnationen diese echte und dringende kulturpolitische Forderung nicht respektierte.
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Das Wort hat der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums der Finanzen.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, den Antrag abzulehnen.
Zunächst zur formellen Seite: Der Antrag würde nach unseren Berechnungen einen Steuerausfall von etwa 40 Millionen DM hervorrufen. Wir haben es noch einmal genau durchgerechnet; aber auf eine Million mehr oder weniger kommt es da ja auch nicht an. Das bedeutet, daß hier ein Fall des § 96 der Geschäftsordnung vorliegt.
Zweitens ist im Text dieses Entwurfs vorgesehen, daß Fachzeitschriften „nach näherer Bestimmung durch eine Rechtsverordnung" die Vergünstigungen genießen sollen. Wir haben erhebliche Bedenken, ob diese Formulierung dem Art. 80 des Grundgesetzes entspricht, wonach „Inhalt, Zweck und Ausmaß" einer Ermächtigung genau umschrieben sein müssen. Ich vermisse hier eine Umschreibung nach Inhalt, Zweck und Ausmaß und habe die Sorge, daß die Bundesregierung von der Ermächtigung keinen Gebrauch machen könnte.
Nun zur sachlichen Seite: Herr Abgeordneter Dr. Dresbach hat gestern nachdrücklich und grundsätzlich darauf hingewiesen, daß man nach Möglichkeit mit der Steuerpolitik keine Wirtschaftspolitik machen solle. Da sind schon einige Sünden, große und auch läßliche, begangen worden, und ich fürchte, bei dem Zustand unseres Steuerrechts werden wir nicht so bald zu der grundsätzlich notwendigen steuerpolitischen Neutralität zurückkehren können. Wenn wir aber schon nicht Wirtschaftspolitik mit der Umsatzsteuer, überhaupt mit der Steuer machen sollten, dann sollten wir, glaube ich, auch nicht Kulturpolitik mit der Umsatzsteuer machen wollen. Die Umsatzsteuer ist die große Basis der Bundesfinanzen. Leider ist sie schon ziemlich stark von manchen Seiten angeknabbert worden. Wie sollen wir uns überhaupt demnächst über eine Systemänderung bei der Umsatzsteuer unterhalten, wenn jetzt immer wieder einmal an der einen und einmal an der anderen Seite ein Loch in das Gebäude der Umsatzsteuer gebohrt wird?
Ich glaube auch nicht, daß man hiermit wirklich gezielte Maßnahmen der Kulturpolitik erreichen kann. Nur ein Teil der Literatur erfüllt doch wissenschaftliche Forschungszwecke oder auch kulturelle Zwecke im weiteren Sinne. Nach dieser Vorschrift würden aber jugendgefährdende, antidemokratische, neo-nazistische und ähnliche Schriften ebenso gefördert wie das große Gebiet der seichten Literatur und wie auch die wissenschaftlich oder kulturell wertvolle Literatur. Kulturpolitisch wirklich helfen kann man nur auf dem Wege, den Herr Dr. Dresbach gestern schon erwähnt hat. Derartige Maßnahmen gehören auf die Ausgabenseite des Haushalts, und der Bundesfinanzminister wäre durchaus bereit, im nächsten Haushalt den Betrag, der nach diesem Antrag auf die Umsatzsteuer für kulturell wertvolle Bücher entfällt, in die Ausgabenseite zur Förderung wissenschaftlich und kulturell wertvollen Schrifttums einzusetzen.
Das ist natürlich ein erheblich geringerer Betrag als die 40 Millionen DM, die hiernach auch auf das weite Gebiet der seichten oder gar unerfreulichen Literatur entfallen, und daher wird das auch von der Haushaltsseite her durchaus zu vertreten sein.
Im übrigen stimmt es nicht, daß überall im Ausland die Bücher besser behandelt würden als in Deutschland. In der Schweiz werden 4 % vom Großhandelspreis oder 6 % vom Einzelhandelspreis erhoben.
— Ja, einstufig. Ich sagte ja: 4 % vom Großhandelspreis oder 6 % vom Einzelhandelspreis. In Belgien: 4,5 % Verleger an Grossisten, 4,5 % Grossist an Einzelhändler, im Einzelhandel dann aber frei. In Frankreich: mehr als 15 % Produktionssteuer bei Büchern, aber nur vom halben Wert. Es ist also nicht so, daß es überall im Ausland anders wäre als bei uns.
Aus diesen Gründen darf ich noch einmal bitten, geschäftsordnungsmäßig nach § 96 zu verfahren, im übrigen aber zunächst den Antrag abzulehnen.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gülich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wann hören wir aus dem Finanzministerium einmal in Angelegenheiten der Förderung der Wissenschaften und der Kulturpolitik ein positives Wort? Um was es sich auch handelt, wir hören immer nur nein, und zwar heute mit recht fadenscheinigen Gründen. Wenn der Herr Bundesfinanzminister geneigt gewesen wäre, Wissenschaft, Kultur und Kunst in der Bundesrepublik mehr zu fördern, würden wir das schon in den Regierungsentwürfen zu den Haushaltsplänen bemerkt haben.
Das haben wir nicht bemerkt, sondern wir haben im Haushaltsausschuß erhebliche Kämpfe gehabt. — Herr Kollege Krammig, der Einwand, daß das Grundgesetz geändert werden müsse, zieht hier nicht, da bekanntlich die Förderung der Wissenschaft — in der konkurrierenden Gesetzgebung — auch zu den Aufgaben des Bundes gehört; und was hier Bundes- und was Ländersache ist, darüber
sind wir uns ja im wesentlichen klar. Sie wissen auch, daß die Dinge im Fluß sind und daß das Grundgesetz, welches 1949 verabschiedet worden ist, wahrhaftig nicht der Weisheit letzter Schluß ist!
Ich möchte zu den Ausführungen von Herrn Staatssekretär Hartmann einiges sagen. Wir haben so viele einzelne Steuervorlagen oder Novellen zu einzelnen Steuergesetzen gehabt, welche natürlich mehr oder weniger geringe Mindereinnahmen mit sich bringen, ohne daß jemand auf den Gedanken gekommen wäre, den § 96 der Geschäftsordnung heranzuziehen. Diese Mindereinnahme hier ist so gering und so unbedeutend, daß es eine Vergewaltigung der Geschäftsordnung bedeutet und man die Annahme des Antrages hier dadurch verhindern will, daß man sie als Finanzvorlage dem Haushaltsausschuß überweist und damit die Verabschiedung in diesem Bundestage, wie Sie wissen, unmöglich macht.
Auch der zweite Hinweis des Herrn Staatssekretärs Hartmann, nämlich auf den Art. 80 des Grundgesetzes, schlägt hier nicht durch. Ich gebe zu, daß die Fassung, wie sie jetzt eingebracht worden ist, in bezug auf Zeitschrifteneinen weiten Ermessensspielraum läßt. Aber wir haben ja im Finanz- und Steuerausschuß das Problem eingehend besprochen, und wir waren uns darüber klar, daß man hier keine moralischen Gesichtspunkte anwenden kann, sondern daß man formal entscheiden muß, was darunter fällt und was nicht.
Ich habe dann vorgeschlagen, zu sagen: Zeitschriften, die nicht öfter als einmal im Monat erscheinen. Da wurde ,der Einwand gemacht, daß die Juristische Wochenschrift und die Münchener Medizinische Wochenschrift dann nicht darunter fielen. Das ist richtig; aber wir kämen .darüber hinweg, wenn die beiden nicht darunter fielen. Um sie aber nun darunter fallen zu lassen, um den Wünschen des Finanzministeriums nachzugeben, haben sich .dann die Antragsteller damit einverstanden erklärt, zu sagen „Bücher; ferner Fachzeitschriften nach Maßgabe einer Rechtsverordnung". Ich habe, als ich .das gestern bemerkte, bedauert, daß die Antragsteller sich in der Zwischenzeit so haben beeindrucken lassen; denn, Herr Kollege Kroll, es erschwert, wie Sie gesehen haben, die Annahme der Vorlage. Der Staatssekretär im Bundesfinanzministerium sieht keine Handhabe, wie er die Sache fassen soll. Deswegen darf ich hier die Meinung der Antragsteller wie folgt interpretieren. Gemeint ist — was ja auch aus den Protokollen des Finanz-
und Steuerausschusses klar hervorgeht —: Gefördert werden sollen die wissenschaftlichen, die 'künstlerischen und kulturpolitischen Zeitschriften. Es handelt sich um solche, die im allgemeinen monatlich oder seltener als monatlich, aber nicht häufiger .als einmal im Monat erscheinen. Die gesamte Flut der illustrierten Zeitschriften fällt nicht darunter. Herr Kollege Kroll hat ja auch schon dargelegt, daß insgesamt nur etwa 3% des Schrifttums als nicht förderungswürdig angesehen werden können. Diese 3% kann man aber aus formalen Gründen nicht herausnehmen; daher muß man sie in Kauf nehmen.
Es wird gesagt, man solle mit Steuerpolitik Wirtschaftspolitik machen. Die Bundesregierung hat das nicht gekonnt. Daß die Bundesregierung nicht in der Lage gewesen ist, Steuerpolitik, Wirtschaftspolitik und Sozialpolitik zu vereinheitlichen, habe ich ja seit Jahren von 'dieser Stelle aus bedauert.
Weiter wird gesagt, man solle nicht mit Steuerpolitik Kulturpolitik betreiben. Ja, ich würde es sehr begrüßen, wenn wir unsere Kulturpolitik nicht mit Mitteln oder, wie in diesem Falle, mit einem Mittelchen der Steuerpolitik zu machen brauchten.
— Ich wäre sehr dafür, Frau Kollegin Weber. Aber diese Taube auf dem Dache ist uns zu fern; es ist uns zu unsicher, auf den nächsten Haushalt zu warten.
Ich bin selbst der Meinung — und ich bin mit dem Kollegen Dresbach wirklich vollkommen einer Meinung -, daß viel zuviel Sonderregelungen in unser gesamtes Steuersystem eingebaut sind. Selbstverständlich ist die Umsatzsteuer ihrem Wesen nach eine grobe Steuer, die an sich solche Dinge nicht verträgt. Aber wie viele Einbrüche sind auf dem Gebiete des materiellen Lebens erfolgt! Warum wollen wir nicht 'hier bei Gelegenheit einer Änderung zahlreicher umsatzsteuerlicher Vorschriften diese bescheidene Reform mit einfügen? Ich muß gestehen, daß ich das einfach nicht begreife.
Herr Kollege Kroll sagte: „auch in der Sowjetzone". Dazu möchte ich bemerken: Sehen Sie sich einmal die Buchproduktion der Sowjetzone an. Das kann man ohne weiteres in den großen Buchhandlungen in Ostberlin tun. Ich habe es auch gelegentlich meiner Anwesenheit beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Leipzig getan, wo ich die großen Leipziger Buchhandlungen besucht habe. Was tut die Sowjetzone auf dem Gebiete der Erhaltung der großen deutschen Literatur?! Die klassische Literatur, die ganze gute Literatur findet dort eine vorzügliche Pflege und sie findet von dort Eingang ins Ausland. Das müssen wir sehen. Aber mit dieser Literatur findet natürlich auch die politische Literatur der Sowjetzone den Eingang in das Ausland. Wer Gelegenheit hat, die Wirkungen in den verschiedensten Ländern zu beobachten — und das ist ja nun etwas, was ich übersehen kann—, der stellt mit großer Besorgnis fest, welchen Trend diese Entwicklung nimmt. Da sollten wir wohl aufpassen und jedes Mittel benutzen, um unsere Kulturpolitik so stark wie möglich zu machen. Sie ist jetzt so schwach wie möglich.
Und nun der Hinweis auf andere Länder, z. B. der Hinweis auf die Schweiz. Gewiß, das mit den 4% Warenumsatzsteuer im Großhandel oder 6% im Einzelhandel ist richtig. Aber der Herr Staatssekretär hat nicht die beiden großen Weltmächte genannt, auf die es wie in ,der Politik auch hier ankommt. Er hat nicht genannt, was die Sowjetunion tut, und hat nicht genannt, was die Vereinigten Staaten tun.
Ich habe im vorigen Herbst in Südamerika beobachtet — was ich an sich schon wußte —, in welchem Maße die nordamerikanische wissenschaftliche Literatur die Literatur aller anderen Länder und Sprachen verdrängt. Welche Stellung hat die deutsche Literatur, hat — sagen wir einmal — z. B. die medizinische Literatur noch vor 30, 40 Jahren in der wissenschaftlichen Weltgehabt und wie ist sie zurückgegangen! Warum? Weil von der Bundesrepublik, welche die Wahrerin des deutschen Erbes
sein soll rund sein muß, nichts geschieht, um die alte geistige Stellung in der Welt wieder zu erlangen.
— Mein lieber Herr Dresbach! Ich klammere doch nicht aus, sondern vergleiche die Dinge, die vergleichbar sind.
Ich will Ihnen sagen, ich habe mit zahllosen Institutionen des Auslandes beruflich vor dem HitlerRegime und nach dem Hitler-Regime in wissenschaftlichen Beziehungen gestanden und weiß, wie sehr diese bedauern, daß die deutsche Literatur heute so teuer ist. Denken Sie z. B. an die südamerikanischen Länder, die mit Ausnahme von Venezuela alle Inflationsländer sind! Die wissenschaftlichen Bibliotheken und die einzelnen Gelehrten sind überhaupt nicht in der Lage, deutsche Literatur zu kaufen. Die amerikanische Literatur wird ihnen ins Haus gebracht!
Und von der Sowjetunion braucht in diesem Zusammenhang auch gar nichts weiter gesagt zu werden, als daß sie die Wissenschaften und die wissenschaftliche Literatur planmäßig und großzügig fördert. Und wir tun auf diesem Gebiet sehr wenig! Wir tun angesichts der Bedeutung, die die deutsche Wissenschaft doch immer noch hat, ganz einfach zu wenig.
Man kann hier auch nicht sagen, wie das Bundesfinanzministerium eingewandt hat, die Begünstigung der Literatur führe dazu, daß der Fürsorgeempfänger über den Kauf lebensnotwendig er Gegenstände dazu beitrage, den Kauf aller Arten von Schriften zu fördern. Wenn Sie, meine Damen und Herren, dieser Überlegung zustimmen, dann bedenken Sie einmal, was der Fürsorgeempfänger durch die hohe Umsatzsteuer und durch die unsozialen Verbrauchsteuern alles dazu beiträgt, um die Lebenshaltungskosten anderer Schichten zu verbilligen!
Ich will dieses Problem nicht vertiefen, ich will auch nicht auf die Konsequenzen des Beschlusses von gestern abend zu § 41 des Einkommensteuergesetzes hinweisen, weil ich hier keine Gegensätze aufreißen und vertiefen will. Ich möchte nur sagen, daß es sich hier um ein Anliegen handelt, dem der Bundestag stattgeben sollte. Es sind so viele große Einbrüche in das Umsatzsteuergesetz vorgenommen worden, daß diese kleine Änderung überhaupt nicht mehr ins Gewicht fällt.
— Nein, Herr Dresbach, daran denke ich nicht! Die Parallele ist unziemlich. Ich denke vielmehr an das, was Kollege Kroll schon gesagt hat: daß der Mensch nicht vom Brot allein lebt.
— Ich habe nicht gesagt, daß alles Gottes Wort sei, sondern ich habe bereits dargelegt, daß etwa 3 % nicht förderungswürdig sind und daß man um dieser 3% willen nicht auf die Förderung der 97 % verzichten sollte. Die Maßnahme, die die Antragsteller vorgeschlagen haben, ist nicht durchschlagend genug. Die völlige Umsatzsteuerfreiheit der Erzeugnisse aus Wissenschaft und Kunst wäre notwendig gewesen. Sie zu schaffen ist eine Aufgabe, die sich der nächste Bundestag im Rahmen der Umsatzsteuerreform stellen muß.
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Das Wort hat der Abgeordnete Majonica.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte noch einmal den kulturpolitischen Aspekt des vorliegenden Antrags betonen. Wir haben uns in diesem Hause häufig darüber unterhalten, wie wir kulturpolitisch helfen können. Ich glaube, hier ist eine gute Gelegenheit dazu. Der Buchhändler ist sicherlich Kaufmann, aber daneben ist er noch Vermittler der Kultur. Im wesentlichen wird bei ihm der Kontakt hergestellt, bei ihm wird das Kulturgut, das sich besonders im Buch niedergeschlagen hat, vermittelt.
Nach einer neuerlichen Statistik kauft ein Drittel des deutschen Volkes Bücher zum eigenen Gebrauch, ein weiteres Drittel kauft sie zu Geschenkzwecken, und ein Drittel hat mit dem Buch überhaupt nichts zu tun. Ich glaube, wir haben ein Interesse daran, daß sich diese Prozentzahlen verschieben und daß ein immer größerer Teil des deutschen Volkes Anteil am Kulturgut in Gestalt des Buches hat.
Ich darf auch noch einmal unterstreichen, was die Herren Kollegen Kroll und Gülich hier hinsichtlich der Förderungswürdigkeit gesagt haben. Immerhin sind nur 25 % der gesamten Buchproduktion schöngeistige Literatur und Jugendbücher, und 75 % der Literatur, die auf den Markt kommt, sind wissenschaftliche Werke, Fachbücher usw. Wir sollten ein allgemeines Interesse daran haben, daß diese Literatur unterstützt wird.
Ich finde es auch nicht ganz fair, wenn der Herr Staatssekretär von den europäischen Ländern ausgerechnet die Schweiz genannt hat. Ich darf Ihnen sagen, daß Großbritannien, die Niederlande, Belgien, Dänemark, Schweden, Frankreich, Italien, Finnland und Norwegen eine Unterstützung des Buches auf steuerlichem Gebiet kennen. Da kann man nicht allein die Schweiz herausnehmen, so sehr ich weiß, daß gerade die Schweiz auf dem Buchmarkt eine besondere Rolle spielt. Ich glaube, das Beispiel der Nationen, die ich hier zitiert habe, wiegt schwerer als das eines einzigen Landes. auf das hier von der Bundesregierung hingewiesen worden ist.
Ich darf noch einmal darauf hinweisen, daß die UNESCO einen Appell an alle Länder gerichtet hat, dem Buch eine steuermäßige Begünstigung zuteil werden zu lassen, damit es zu einem Massengebrauchsartikel werden kann. Ich bitte Sie, diesem Appell Folge zu leisten und dem vorliegenden Antrag zuzustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Eckhardt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf zunächst auf einen formellen Mangel des Antrags aufmerksam machen, der behoben werden müßte, wenn dieser Antrag ordnungsmäßig beschlossen werden sollte. Es muß nämlich in Ziffer 2 des Antrages heißen:
Artikel 3 erhält folgende Fassung:
„Artikel 3
Die Vorschriften des Artikels 1 Nr. 1 a sind
anzuwenden auf Lieferungen, die nach dem
30. September 1956, die Vorschriften des Artikels 1 Nr. 2 auf Lieferungen, die nach dem
31. Dezember 1956 bewirkt worden sind."
Die Ziffer 2 des Antrages ist nicht praktikabel. Ich darf diese Berichtigung hier überreichen.
Zu einer formellen Betrachtung des Antrags gehört es auch, daß man sich einmal die Formulierung ansieht, die zu Ziffer i gewählt worden ist. Wenn hier Fachzeitschriften nach näherer Bestimmung durch Rechtsverordnung begünstigt werden sollen, dann muß ich doch darauf hinweisen, daß möglicherweise Art. 80 des Grundgesetzes einer solchen Fassung entgegensteht und daß in dieser Beziehung Schwierigkeiten auftreten können. Ich will nicht behaupten, daß diese Formulierung von vornherein verfassungswidrig ist, aber sie gibt zu nicht unerheblichen Bedenken Anlaß.
Wennn ich diesen Antrag formulieren sollte, würde ich vorziehen, zu sagen: „von Büchern", oder: „von Büchern und Zeitschriften". Die Abgrenzungen, die hier gewählt sind, könnten künftig Anlaß zu Schwierigkeiten sein. Das sind mehr formelle Hinweise, die im Rahmen dieser Diskussion aber doch beachtet werden sollten.
Nun zum Materiellen; das Materielle ist hier entscheidend. Ich glaube sagen zu können, daß wir alle, die wir uns mit diesem Antrag schon vor Monaten und dann immer wieder eingehend befaßt haben, uns des Ernstes und der Bedeutung des Problems voll bewußt gewesen sind. Ich glaube, es gibt niemanden in diesem Hause, dem nicht daran gelegten ist, etwas dazu beizutragen, daß Wissenschaft, Kunst, Volksbildung gefördert werden.
Von diesem Gesichtspunkt aus sind wir an den Antrag herangetreten. Ich glaube nicht, daß dabei Überlegungen mehr unitarischer oder föderalistischer Natur — über die Aufgaben des Bundes oder der Länder — eine entscheidende Rolle spielen sollten. Wenn wir tatsächlich durch geeignete Maßnahmen Kunst und Wissenschaft und die damit zusammenhängenden Dinge unterstützen könnten, sollten wir es tun. Wir sind im Finanzausschuß und im Unterausschuß „Umsatzsteuer" überwiegend — natürlich nicht einstimmig — zu der Überzeugung gekommen, daß dieser Antrag nicht geeignet ist, den Zweck zu erreichen, den die Antragsteller erreichen möchten.
Zunächst einmal: Ist die Umsatzsteuer an sich ein geeignetes Instrument, um politische Zwecke aller Art, hier kulturpolitische Zwecke, zu fördern? Ich glaube, das kann man nur sehr bedingt sagen. Wenn hier immer wieder der Hinweis gebracht worden ist, daß in manchen ausländischen Systemen eine Förderung des Buches erfolgt, muß ich doch darauf aufmerksam machen, daß diese Systeme ganz anders aufgebaut sind als das unsere, daß in manchen dieser Systeme die Einzelhandelsstufe nicht betroffen wird und daß in anderen dieser Systeme die Behandlung etwa der Produktion und des Handels ganz verschieden aussieht. Insbesondere scheint mir aber der Hinweis — Herr Professor Gülich, wenn ich mir erlauben darf, das zu sagen — auf das sowjetrussische Umsatzsteuersystem hier doch nicht recht am Platze.
— Danke sehr! Denn — um das zu ergänzen — die Umsatzsteuer spielt ja in Sowjetrußland eine ganz besondere Rolle; sie ist das Instrument nicht nur zur Finanzierung der Staatswirtschaft, sondern auch zur Durchführung planwirtschaftlicher Maßnahmen in größtem Umfang. Das sowjetische System läßt sich sicherlich mit keinem der westeuropäischen Systeme vergleichen. Aber ich nehme gern zur Kenntnis, daß der Hinweis des von mir sehr verehrten Kollegen Herrn Professor Gülich nicht dem Umsatzsteuersystem der Sowjets gegolten hat.
Aber nun zum einzelnen! Auch der Buchhandel, der Ladenbuchhandel wie der Verlagsbuchhandel, verfolgt betriebswirtschaftliche Zwecke; das kann nicht geleugnet werden. Soweit sie sich diesen ihren Zwecken als kaufmännische Unternehmungen zuwenden, müssen sie es doch im allgemeinen dulden, auch wie andere kaufmännische Unternehmen gewertet zu werden und darauf geprüft zu werden, ob z. B. die Spannen, die im Verlagsbuchhandel und im Ladenbuchhandel erzielt werden, ausreichend sind oder nicht. Jedenfalls gibt es eine Fülle von kaufmännischen Unternehmungen, eine Fülle von Handels- und Wirtschaftszweigen, in denen — ich glaube, das ist unbestritten — die Gewinnspannen ganz bedeutend kleiner sind. Das gilt insbesondere für den Lebensmittelhandel.
Man sollte in allererster Linie bei den Lebensmitteln ansetzen, wenn man überhaupt aus bestimmten Gründen zu grundlegenden Reformen in der Umsatzsteuer kommen will. Ich bin durchaus ein Anhänger der Auffassung, daß notwendige Lebensmittel nicht durch Verbrauchsteuern erfaßt werden sollten, weder durch spezielle noch durch allgemeine Verbrauchsteuern. Aber eine so weitgehende Reform, wie sie mit einem solchen Gedanken verbunden wäre, ist doch wohl mit Rücksicht auf den Milliardenbetrag, der dadurch ausfallen würde, zur Zeit sicherlich nicht möglich. Aus Kreisen des Lebensmittelhandels werden Begünstigungen gefordert. Ich muß sagen, bei einem Vergleich der Verdienstspannen würde mir eine solche Forderung vom Betriebswirtschaftlichen und Finanzpolitischen her gesehen näher liegen als dieser Antrag. Erfüllt der Antrag denn wirklich seinen Zweck, d. h. wird das Buch billiger? Es wird gesagt: Nein, es kann nicht billiger werden, aber es werden gewisse höhere Kasten aufgefangen. Zugunsten wessen werden diese höheren Kosten aufgefangen? Auch das ist eine sehr ernste Frage.
Ich darf in .diesem Zusammenhang vielleicht eine andere Frage anschneiden: Wo bleibt denn der Autor, wo bleibt der Schriftsteller, wo bleiben der Künstler und der Privatgelehrte, die hier im eigentlichen Sinne schöpferisch tätig werden? Der Buchhandel ist bei aller Anerkennung seiner hohen Verdienste und der idealen Auffassung von Berufstätigkeit vieler unserer großen Verleger und vieler unserer Buchhändler jedenfalls in diesem
Sinne nur Vermittler schöpferischer Leistungen, ist aber nicht schöpferisch tätig.
Das kann nicht bestritten werden, und es muß festgestellt werden, daß die Umsatzsteuerermäßigung jedenfalls nicht dem Autor zugute kommen wird.
Nun noch etwas anderes. Es ist vielfach davon die Rede gewesen, daß nur ein sehr geringer Teil der hier zu fördernden Literatur nicht förderungswürdig sei. Ich muß einmal auf folgendes aufmerksam machen. Wohl sind nur 3 % der Buchproduktion nicht förderungswürdig im Sinne des Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften. Aber wo ist da die Grenze? Zu diesen 3 % kommt leider noch ein ziemlich breiter Prozentsatz solchen Schrifttums hinzu, bei dem mindestens Zweifel bestehen. Es mag nicht als „nicht förderungswürdig" gekennzeichnet werden, ,aber ob es vom Kulturpolitischen her wirklich förderungswürdig ist, scheint mir doch bei einem großen Teil des oft recht flachen Fachschrifttums eine Frage für sich zu sein.
Ich darf noch darauf hinweisen, daß es sich wenigstens nach meiner Information bei ,diesen 3 % jugendgefährdender Schriften — das ist doch etwas besonders Ernstes — um die Titelzahl, nicht aber um die Auflagenzahl handelt. Bei einem Vergleich der Auflagenzahlen würde man wahrscheinlich zu einem ganz ,anderen Bild kommen.
Nun, eine Unterscheidung zwischen förderungswürdiger und nicht förderungswürdiger Literatur ist natürlich in der Umsatzsteuer unmöglich, und der Kollege Dresbach hat mit Recht wiederholt darauf hingewiesen, daß man solche Zumutungen an den Finanzbeamten nicht stellen soll und auch nicht stellen kann.
Wenn. ich alle diese Gründe und Gegengründe abwäge und auch den ernsten Willen, im Sinne kulturpolitischer Förderung tätig zu werden und die geeigneten Mittel diesem Zweck zuzuführen, unterstelle, so muß ich doch sagen, daß die nach vielen Sitzungen mühevoll gewonnenen und wenigstens mit Stimmenmehrheit erzielten Ergebnisse des Umsatzsteuerausschusses und ,auch des Finanzausschusses wahrscheinlich umsatzsteuerlich d as Richtige treffen. Man sollte hier nicht mit diesem Antrag gewissermaßen eine Flut von Anträgen anderer Art hervorrufen; denn es ist doch nicht von der Hand zu weisen, daß man Konzerte, Orchester und dergleichen aus den gleichen Gründen begünstigen könnte, wie sie hier vorgebracht werden. Es ist ,auch nicht so, daß solche Anträge nicht gestellt werden. Es sind uns schon Dutzende von Anträgen dieser Art auf den Tisch gelegt worden. Wir haben sie in den letzten Jahren alle geprüft. Wir haben uns aber immer wieder gesagt: wir können die Umsatzsteuer nicht als ein Instrument zur Förderung ganz bestimmter Zwecke verwenden. Wir können das schon ,deswegen nicht tun, weil diese Zwecke durch eine Herabsetzung der Umsatzsteuer effektiv doch nicht gefördert werden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Wir haben die Ehre und die Freude, wiederum eine Delegation eines Parlaments eines ausländischen Staates hier auf unserer Tribüne begrüßen zu können. Es handelt sich um eine Delegation des Abgeordnetenhauses des Landes Afghanistan.
Ich begrüße den Präsidenten der Nationalversammlung des Landes Afghanistan, Herrn Mohammad Nauruz, der seinem Lande auf verschiedenen Ministerposten und als Botschafter in Saudi Arabien und Teheran schon gedient hat. Ich begrüße Herrn Dr. Fakir Mohammad Sheffa, Vizepräsident des Abgeordnetenhauses, und Herrn Dr. Mohammad Ismail Alam, Vorsitzender der Parlamentskommission von Afghanistan für Erziehung und Gesundheit. Wir freuen uns, daß die Vertreter des afghanischen Parlaments den Weg zu uns gefunden haben. Wir haben den Wunsch und die Hoffnung, daß sie hier in der Bundesrepublik recht viel Begrüßenswertes und Interessantes gefunden haben. Wir hoffen und wünschen, daß der Besuch hier, den wir vielleicht später einmal erwidern können, dazu beitragen möge, die Beziehungen zwischen dem Lande Afghanistan und unserem Lande zu fördern. Wir bitten unsere Besucher, ihrem Land und Volk mitzuteilen, daß wir mit großem Interesse die Hingabe verfolgen, mit der das Land Afghanistan und sein Volk seinen Aufstieg nimmt.
Wir fahren in der Beratung fort. Das Wort hat der Abgeordnete Platner.
Platner : Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Gegner dieses Antrags haben in ihren Ausführungen als Hauptargument ins Feld geführt, er widerspreche der steuerrechtlichen Systematik. Sie haben insbesondere darauf hingewiesen, daß man durch Annahme des Antrags die Behandlung der Bücher im Rahmen der Umsatzsteuer in einen gewissen Gegensatz zur Behandlung der lebensnotwendigen Gegenstände bringe.
Dem ist entgegenzuhalten -- das ist hier schon von einigen meiner sehr verehrten Vorredner getan worden —, daß die Mehrzahl der anderen europäischen Länder die Bücher von einer derartigen Umsatzsteuer vollkommen freiläßt. Ich darf hier noch ergänzend erwähnen, daß insbesondere auch die Sowjetzone das tut. Warum tun diese Länder das? Weil sie die kulturelle Bedeutung des Buches im allgemeinen höher werten als alle systematischen Belange des Steuerrechts.
Es ist in dieser Debatte schon gesagt worden, daß das Buch für ein Volk so notwendig ist wie das tägliche Brot. Auch ein Volk lebt nicht von Brot allein. Weil das Buch eine solche Notwendigkeit darstellt, sind auch die Preise von Büchern im allgemeinen sozial kalkuliert. Wer sind denn in der Hauptsache die Käufer von Büchern? Die kulturtragenden Schichten unseres Volkes.
Das Buch dürfte gerade in unserer heutigen Gesamtsituation ein außerordentlich wichtiger Faktor gegen den Materialismus und gegen den fortschreitenden Prozeß der Vermassung sein. Durch das Buch werden die Werte vermittelt, die persönlichkeitsbildend wirken.
Ich möchte zum Schluß noch das ungeheure Absinken unserer kulturellen Bedeutung draußen im Ausland als Argument für diesen Antrag ins Treffen führen. Ich glaube, auch da ist das deutsche Buch ein guter Botschafter des deutschen Geistes und außerordentlich geeignet, die kulturelle Geltung unseres Volkes im Ausland wieder zu fördern und zu steigern.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dresbach.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man es unternimmt, von diesem Platze aus etwas gegen die Wünsche der Landwirtschaft vorzubringen, dann kommt man gleich in den Verdacht, ein Landesverräter zu sein. Landwirtschaft und Landesverrat fangen ja mit denselben Buchstaben an. Wenn man hier gegen Wünsche eines Geschäftszweiges, der auch Kulturdinge vertreibt, etwas vorbringt, kommt man in den Geruch, man sei ein Banause und habe es nicht mit der Kultur. Auf diese einfache Formel haben unsere Vorredner und vor allen Dingen der Herr Platner in seiner letzten Rede die Dinge gebracht. Ob Sie mich, Herr Platner, und die anderen unter die Kulturpolitiker rechnen oder nicht, ist mir ziemlich egal.
Aber ich möchte etwas zu der Frage sagen, die nun ansteht: Umsatzsteuerermäßigung zur Verbesserung der Ertragslage. Das ist doch die Frage, die aktuell ist. An eine Weitergabe dieser Umsatzsteuerermäßigung auf die Konsumenten, d. h. auf die Buch- und Zeitschriftenkäufer, glauben Sie doch ernstlich nicht, meine Herren.
Wir haben es doch erlebt, daß sowohl die Senkung der Umsatzsteuer wie auch die Senkung spezieller Verbrauchsteuern in der heutigen Hochkonjunktur in der Frage der Preisbemessung unwirksam sind. Sie sind auch in einer Zeit der Baisse unwirksam gewesen. Die älteren Kollegen werden sich noch erinnern, daß in den zwanziger Jahren die damaligen Preiskommissare Goerdeler und Gereke mit der Senkung der Umsatzsteuer versucht haben, Preise zu senken. Damals war Baisse und keine Hochkonjunktur wie im Jahre des Herrn 1957. Auch damals sind diese Versuche gescheitert. Sprechen Sie nun also doch ganz ehrlich davon, daß Sie eine Umsatzsteuersenkung zur Besserung der Ertragslage, zum Auffangen von anderen Preissteigerungen, sei es der Papierpreise, sei es der Löhne usw., haben wollen!
Nun etwas zu der Frage der Steuergleichheit. Diese Konstruktion, Bücher und Fachzeitschriften, ist eine absolut künstliche Konstruktion im Sinne des Umsatzsteuerrechts und wird mit aller Gewißheit eine Klage in Karlsruhe wegen steuerlich ungleichartiger Behandlung in der Verkehrsteuer. in der Umsatzsteuer nach sich ziehen. Meine Damen und Herren, Sie sind sich ja darüber im klaren. Gerade diejenigen, die nicht begünstigt werden sollen, sind kapitalkräftige Leute, die schon eine solche Klage auf die Beine bringen werden. Ich bin sicher, daß Karlsruhe diese steuerliche Ungleichheit nicht als verfassungsmäßig anerkennen wird.
Einige Worte einmal zur Arbeit im Steuerausschuß. Was ich hier vorbringe, trifft nicht auf den Kollegen Gülich zu. Wir bemühen uns im Steuerausschuß um eine systematische Denkweise in allen steuerlichen Dingen. Auf einmal erleben wir im Steuerausschuß Unterwanderungen. Auf einmal kennt man die Leute, die dort auftreten, nicht mehr oder nur sehr ungenau. Einmal ist es die Landwirtschaft mit der Zuckersteuer. Nachdem wir fünf Wochen vorher aus sehr motivierten Gründen eine Senkung der Zuckersteuer abgelehnt haben — Sie haben es selber mitgetan —, tritt auf einmal eine landwirtschaftliche Deputation im Steuerausschuß auf, die sich Stimmrecht verschafft hat, und erklärt: Zuckersteuersenkung zwecks Rübenpreisanhebung!
Jetzt treten auf einmal alle unsere Kulturpolitiker auf, die sich um die steuersystematische Arbeit des Steuerausschusses nicht bemüht haben, und haben es auf einmal mit der Kultur. Weiß Gott, bei der Kultur — das könnte ich auch — kann man die Menschen himmelauf jauchzen und zu Tränen betrübt machen, auch die hohen Mitparlamentarier. Aber, meine Herren, an der Steuersystematik, an den Folgerungen, an den weiteren Wünschen, die kommen werden, gehen Sie vorbei mit der Deklamation: nur Kultur, und dann Kultura auch noch in Rußland usw.!
Diese Ihre Politik, meine Herren Unterwanderer des Steuerausschusses, führt dazu, daß wir in jedem Jahre neue Stockwerke auf die Finanzämter aufbauen müssen. Das ist die Folge Ihrer Politik der unsystematischen Steuergesetzgebung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Professor Gülich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Dresbach, ich muß Ihnen zunächst das Zeugnis ausstellen — d. h. ich bin nicht berechtigt, hier Zensuren und Zeugnisse zu geben, ich habe mich im Ausdruck vergriffen —, daß Sie wirklich im Finanz- und Steuerausschuß immer ein unermüdlicher Vorkämpfer für die Steuersystematik und die Reinheit des Steuerrechts gewesen sind.
— Ja, das habe ich gestern abend gehört. Ich werde mir gestatten, Ihnen dazu noch meine besonderen Glückwünsche auszusprechen.
Die steuersystematischen Bedenken, die Sie und Herr Kollege Eckhardt vorgetragen haben, sind vollkommen richtig.
— Frau Kollegin Weber, gewiß, aber welchen steuerrechtlichen Systemwidrigkeiten haben Sie allen zugestimmt! Richtig ist natürlich, daß man sich an keiner Sünde beteiligen soll, wenn man sie als Sünde erkannt hat. Das gebe ich vollkommen zu.
Was die Systematik anbetrifft, so haben Sie recht, was die Frage der Preisbildung anlangt, so haben Sie leider auch recht. Als der Vorstand des Börsenvereins der Buchhändler schon vor Jahren bei mir vorstellig wurde, um bestimmte Dinge auf steuerlichem Gebiet durchzusetzen, habe ich meine
Abneigung gegen Regelungen auf steuerrechtlichem Gebiet klar ausgesprochen und gesagt, wir können nur dann etwas tun, wenn es sich bei den Konsumenten in niedrigeren Preisen auswirkt; jedes Mittel, welches die wissenschaftlich und literarisch wertvolle Buchproduktion in der Bundesrepublik fördert, soll mir recht sein, aber die Preise müssen gesenkt werden. Von Preissenkungen sind wir inzwischen weit abgekommen. Und was hat der Finanz- und Steuerausschuß alles gemacht! Sogar aus seinen eigenen Reihen sind von Männern, denen man die Rechtskenntnis und steuersystematische Kenntnisse nicht absprechen kann, Anträge auf Senkung gewisser Verbrauchsteuern eingebracht worden, um Preiserhöhungen aufzuhalten. Ich denke an die Tabaksteuer, Sie wissen das ja alles genauso gut wie ich, ich denke an die Zuckersteuer.
— Wir haben auf verschiedenen Gebieten Regelungen getroffen, Herr Kollege Eckhardt, die Sie jetzt bekämpfen.
— Ich bin nicht bereit, mich jetzt in steuertechnische Einzelheiten einzulassen. Das würde zur Folge haben, daß dabei die ganze Vorlage in den Eimer geht. Das möchte ich verhindern. Ich möchte Ihnen nur klarmachen, es handelt sich gar nicht um Interessentenwünsche, um Wünsche, die Sie den Interessentenwünschen gleichstellen können, die den Finanz- und Steuerausschuß unterwandert haben. Sie werden mir auch zugeben, daß ich kein Interessent bin,
sondern daß mir nichts anderes am Herzen liegt als die Pflege der deutschen Wissenschaft und Kultur. Nehmen Sie also bitte auch die Buchhändler aus, unter denen es Gott sei Dank noch immer so hervorragende Männer gibt, die wissen, welche Verpflichtung sie dem geistigen Erbe gegenüber haben.
— Das ist richtig, gehört aber nicht hierher.
— Ich sage jetzt, das Kamel ist das Schiff der Wüste; das ist auch richtig, es gehört bloß nicht hierher. Lassen Sie uns doch endlich uns auf das Wesentliche konzentrieren! Ich wiederhole: Ich teile Ihre steuersystematischen Bedenken. Aber die steuersystematischen Bedenken haben wir bei viel wichtigeren Gegenständen über Bord geworfen. Ich sehe also nicht ein, warum man bei dieser Sache das Notwendige nicht tun sollte. Und auf die einfache Formel wollen wir es schon gar nicht bringen, Kollege Dresbach, wie Sie es hier taten und unterstellten, nämlich so zu tun, als ob der, der hier nicht mitmachte, als Banause erklärt worden wäre, und wenn Sie sagten — —(Abg. Dr. Dresbach: Es schwingt aber so'n
kleiner Unterton mit!)
— Sie haben doch unterstellt, daß die Antragsteller in Wirklichkeit etwas anderes wollen, als sie beantragen. Sie sagten: „Sagen Sie doch ganz ehrlich, was Sie wirklich wollen!" Das ist eine Verschiebung des Problems,
und die ist nicht zulässig. Beschränken wir uns doch auf das, worauf es ankommt! Karlsruhe hierbei bemühen zu wollen, ist ja nun beinahe der Gipfel. Lassen Sie uns mal abwarten, ob Karlsruhe in diesem Falle die Steuerungleichheit feststellen wird! Ich bin da ohne Sorge.
Zum Technischen bin ich der Meinung, wir sollten es bei der Fassung, die Sie eingebracht haben, lassen; diese Fassung — „Bücher, ferner Fachzeitschriften" — ist zwar nicht ganz gut, aber das Bundesfinanzministerium weiß genau, worum es sich handelt, was den Antragstellern vorschwebte und was dem Gesetzgeber vorschwebt, falls er diesem Antrag zustimmt. Bei gutem Willen ist es nicht schwer, die Rechtsverordnung zu erlassen.
Ich stelle Ihnen dazu meine guten Dienste gerne zur Verfügung.
Was das Inkrafttreten anbetrifft, meine ich, sollte man es bei dem vorgesehenen Termin belassen. Man sollte lediglich, um den vorgetragenen Bedenken Rechnung zu tragen, dem Artikel 3 — und ich stelle hiermit den Antrag — folgende Fassung geben:
Die Vorschriften des Artikels 1 Nr. 1 a sind
anzuwenden auf Lieferungen, die nach dem
30. September 1957, die Vorschriften des Artikels 1 Nr. 2 auf Lieferungen, die nach dem
31. Dezember 1956 bewirkt worden sind.
Nehmen wir dieses auf! Es dient nur zur Klarstellung der Sache. Dann stehen der Verabschiedung dieses Gesetzes keine Bedenken mehr entgegen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Darf ich fragen, ob Sie soeben einen Antrag zu Artikel 3 formell gestellt haben?
— Von Herrn Dr. Eckhardt habe ich eine Briefabschrift bekommen; außerdem sind wir noch nicht bei Artikel 3. Ich will also nur wissen, ob dieser Antrag zu Artikel 3 nachher formell gestellt wird, und möchte weiter wissen, ob damit der Antrag auf Umdruck 1188, über den wir so schön debattiert haben, erledigt sein soll. — Bitte, Herr Kollege Seuffert!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die überreichte Fassung soll an Stelle der Ziffer 2 des Umdrucks 1188 treten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der ist noch nicht aufgerufen.
— Dann soll also diese Ziffer 2 nicht behandelt werden?
— Danke schön! — Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor; damit ist diese Debatte, die wirklich einmal eine Debatte, ein schönes Florettgefecht war, beendet. Es liegt vielleicht daran, daß sich praktisch keine festbetonierten Fronten gegenüberstanden.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag Umdruck 1188 . Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen.
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen?
— Der Antrag ist angenommen.
— Bitte, Herr Kollege Krammig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da es sich um eine Finanzvorlage im Sinne des § 96 der Geschäftsordnung handelt, beantrage ich Überweisung an den Haushaltsausschuß.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zur Geschäftsordnung Herr Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin ,der Ansicht, daß derartige Fragen, wie sie der Herr Kollege Krammig eben angeschnitten hat, dieses Haus erst nach Abschluß der zweiten Lesung beschäftigen können. Es kann ja noch in Frage kommen, Herr Kollege Krammig, daß wir für die dritte Lesung in Aussicht nehmen, den Antrag etwa dahin zu beschränken, daß Lieferungen, die nach dem 1. April 1958 durchgeführt werden, betroffen sind. Dann würden Auswirkungen für den Haushalt nicht bestehen, Herr Kollege Krammig.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich rufe nunmehr auf Art. 1 Nr. 2, wozu Anträge nicht vorliegen. Ich eröffne die Debatte. — Wortmeldungen liegen nicht vor; ich schließe die Debatte. Wer dieser Nr. 2 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das Ergebnis ist zweifelhaft. Ich bitte diejenigen, die für die Nr. 2 in der Ausschußfassung zu stimmen wünschen, sich vom Platz zu erheben.
— Es hat sich nichts geändert; Nr. 2 von Art. 1 in der Ausschußfassung. — Ich danke Ihnen. Dann bitte ich um die Gegenprobe, auch durch Aufstehen. — Eine Stimme dagegen. Enthaltungen? — Art. 1 Nr. 2 ist hiermit angenommen.
Ich rufe auf Art. 1 Nr. 3. Änderungsanträge liegen nicht vor. Ich eröffne die Debatte. — Wortmeldungen liegen nicht vor; ich schließe die Debatte. Wir kommen zur Abstimmung über Art. 1 Nr. 3 in der Ausschußfassung. Wer dieser Nr. 3 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angenommen.
Ich rufe auf Art. 1 Nr. 4. Hierzu liegen vor ein Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Eckhardt und anderer, Umdruck 1202, und ein Antrag auf Umdruck 1216. Wird der Antrag Umdruck 1202 begründet? — Bitte schön, Herr Kollege.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Umsatzsteuergesetz und die übrigen Verkehrsteuergesetze schließen sich in ihrer Anwendung grundsätzlich aus. Das ist in § 4 Nr. 9 des Umsatzsteuergesetzes bestimmt. Was also in den Bereich einer anderen Verkehrsteuer, z. B. der Beförderungsteuer, der Gesellschaftsteuer, auch der Versicherungsteuer, fällt, ist nicht umsatzsteuerpflichtig.
Leider stimmt die Terminologie des Umsatzsteuerrechts mit der der übrigen Verkehrsteuergesetze nicht überein. Infolgedessen haben sich Zweifel über die Grenzen der Steuerfreiheit im Sinne des § 4 Nr. 9 ergeben. Nach dem Versicherungsteuergesetz gibt es bestimmte Umsätze, die nicht steuerbar sind, d. h. nicht unter das Gesetz fallen, nämlich Rückversicherungen ausländischer Versicherungsgesellschaften bei inländischen Versicherungen, Personenversicherungen, bei denen sich der Versicherungsnehmer, und Sachversicherungen, bei denen sich Versicherungsnehmer und versicherter Gegenstand im Ausland befinden. Nach der Wortfassung des Umsatzsteuergesetzes müßte man diese Umsätze besteuern. Es ist anerkannt, und zwar auch vom Bundesfinanzministerium, und es ist vom Umsatzsteuerunterausschuß vorgeschlagen und vom Finanzausschuß so beschlossen worden, daß diese Versicherungsleistungen grundsätzlich in das Gebiet der Versicherungsteuer fallen und daher von der Umsatzsteuer nicht erfaßt werden. Sie sind aus guten Gründen nach dem Versicherungsteuergesetz nicht versicherungsteuerbar.
Wir haben das in den Gesetzentwurf in der Fassung aufgenommen, daß „Versicherungsleistungen" befreit sein sollen, bei denen die Zahlung des Versicherungsentgelts nicht unter das Versicherungsteuergesetz fällt. Der Begriff der Versicherungsleistungen hat aber versicherungstechnisch, versicherungsrechtlich, versicherungswirtschaftlich einen ganz bestimmten Sinn, und dieser Sinn steht dem umsatzsteuerlichen Begriff der Leistungen entgegen. Deswegen haben wir in diesem Antrag, der auch im Unterausschuß „Umsatzsteuer" vor wenigen Tagen noch einmal beraten und einstimmig angenommen wurde, vorgeschlagen zu sagen: „Leistungen aus Versicherungs- und Rückversicherungsverträgen, bei denen die Zahlung des Versicherungsentgelts nicht unter das Versicherungsteuergesetz fällt". Es handelt sich hier nur um eine klarere Fassung; materiell wird an dem Gesetzentwurf nichts geändert. Ich bitte Sie, dieser klareren Fassung zuzustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich rufe auf den Änderungsantrag Umdruck 1216. Das Wort hat der Abgeordnete Eberhard.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir Freien Demokraten begrüßen es, ,daß der Finanz- und Steuerausschuß erkannt hat, daß man nunmehr auch geistige Leistungen für das Ausland von der Umsatzsteuer freistellen soll. Wir sind aber der Meinung, daß es nicht damit getan ist, daß nur „technische und
wirtschaftliche Beratungen und Planungen für Anlagen im Ausland" von der Umsatzsteuer befreit werden sollen, sondern daß man geistige Leistungen auf allen Gebieten dem gleichstellen soll. Deshalb beantragen wir folgende Erweiterung: ,,die für ausländische Rechnung durchgeführten wissenschaftlichen und juristischen Beratungen, chemischen und technischen Analysen". Wir meinen, man sollte die geistigen Leistungen auf wissenschaftlichem und technischem Gebiet in allen Phasen gleichstellen.
Meine Damen und Herren! Ich bin dem Grundsatz gefolgt: In der Kürze liegt die Würze. Ich darf Sie bitten, diesem unseren Antrag zuzustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat Herr Staatssekretär Hartmann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der vorliegenden Fassung der Ziff. 6 a), die gewisse Leistungen für ausländische Rechnung von der Umsatzsteuer befreit, hat der Finanzausschuß schon in gewissem Umfange Neuland betreten. Man hat bisher immer nur die Lieferungen in das Ausland von der Umsatzsteuer freigestellt. Ich glaube, daß man es dabei zunächst belassen sollte. Wir müssen einmal sehen, wie sich diese Vorschrift bewährt. Es ist ja nicht ganz einfach, das zu Befreiende von dem, was steuerpflichtig bleibt, abzugrenzen.
Ich habe auch den Eindruck, daß sich der Antrag Umdruck 1216 zum Teil mit ,dem Vorschlag des Finanzaausschusses überschneidet. Wenn man überhaupt zu einer weitergehenden Lösung kommen wollte, dann hätte das in den Buchstaben a) eingearbeitet werden sollen.
Außerdem kann man wohl annehmen, daß sich, wenn dieser Antrag angenommen würde, dann auch die Handelsagenten und Handelsvertreter wegen ihrer Leistungen für das Ausland melden würden.
Ich glaube, die Sache ist noch nicht spruchreif. Man sollte zunächst einmal einige Zeit sehen, wie sich die jetzige Vorschrift des Buchstabens a) als praktikabel erweist; dann kann man später im Finanzausschuß noch einmal über die Sache sprechen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Eckhardt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben die Frage der geistigen Ausfuhr sehr eingehend und lange in den Ausschüssen beraten. Wir sind ursprünglich von einer weiteren Fassung ausgegangen, als sie nunmehr im Gesetzentwurf vorliegt. Dieser Ausgangspunkt lag den Gedankengängen nahe, die Herr Kollege Eberhard hier vorgetragen hat. Wir haben uns aber davon überzeugen müssen, daß auf diesem neuen Gebiet die Abgrenzungen doch nicht einfach sind. Denn während die Umsatzsteuer bisher nur Ausfuhrlieferungen befreit hat, Lieferungen, bei denen eine Ware aus dem Inland in das Ausland bewegt wird, handelt es sich ja hier um eine sonstige Leistung, bei 'der schon ,das Auffinden des Ortes, an dem diese Leistung vollbracht wird, nicht ganz einfach ist.
Nun kommt noch etwas hinzu. Bei zahlreichen sonstigen Leistungen ist die Befreiung sowieso gegeben. In den Fällen, an die Kollege Eberhard in diesem Zusammenhang denkt, ist es ohne weiteres möglich, die Leistung an einem im Ausland gelegenen Ort zu vollbringen. Dann unterliegt sie nicht der deutschen Umsatzsteuer, so daß wir uns gesagt haben, daß wir eine so weite Fassung schon aus diesen Gründen nicht vorschlagen wollten.
Es kommt weiter hinzu, was Herr Staatssekretär Hartmann soeben gesagt hat — und das ist richtig --, daß wir 'hier Neuland betreten haben und daß man früher solche Leistungen grundsätzlich nicht von der Umsatzsteuer befreit hat. Wir haben uns infolgedessen auf einen Tatbestand beschränkt, den man ,abgrenzen kann, nämlich die für ausländische Rechnung durchgeführte technische und wirtschaftliche Planung für Anlagen im Ausland einschließlich der Anfertigung von Konstruktionen und Kalkulationen, Betriebsunterlagen usw. Damit haben wir gefördert ;weite Bereiche der Industrie, vor allen Dingen der chemischen Industrie, auch das Handwerk, soweit es sich mit solchen Ausfuhrleistungen befaßt, und schließlich insbesondere die freien Ingenieure.
Über diesen Kreis hinauszugehen, würde bedenklich sein, weil wir dann allerdings einer Fülle von Anträgen nach nachgeben würden und nachkommen müßten, bei denen Umsätze getätigt werden, die irgendwie Verbindung mit dem Ausland haben und auf Grund deren Devisen in die ,deutsche Volkswirtschaft hineinfließen. Wir haben das Anliegen auch ,der Handelsvertreter und ,der Makler im Unterausschuß und im Finanzausschuß sehr eingehend geprüft; aber wir glaubten, erst einmal die Bewährungsprobe dieser neuen Vorschriften abwarten zu müssen und den allgemeinen gesetzgeberischen Gedanken, der auch dieser Vorschrift zugrunde liegt, erst später formulieren zu sollen. Die Sache ist, wie soeben zutreffend gesagt worden ist, nach unserer Überzeugung nicht spruchreif. Wir haben ,diese Entschlüsse — auch darauf darf ich aufmerksam machen — einstimmig gefaßt.
— Ohne weiteres.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bitte, Herr Kollege Seuffert!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist richtig, daß die Dinge im Ausschuß langwierig überlegt worden sind. Aber die Gründe, ldie jetzt von meinen Herren Vorrednern gegen den Antrag vorgebracht worden sind, haben mich, muß ich doch sagen, nicht überzeugt. Völlig übergangen worden ist, daß es sich hier ja nicht um eine Befreiungsvorschrift, sondern eine Ermächtigungsvorschrift handelt und daß weitere Abgrenzungen in der Rechtsverordnung zu treffen sind. Für eine Ermächtigungsvorschrift ist die Angelegenheit, glaube ich, genügend klar abgegrenzt. Und was die Berufungsfälle angeht, so fürchten wir sie jedenfalls von unserer Seite nicht. Wir sind ja schon immer der Ansicht gewesen, daß die Umsatzsteuer außerhalb des eigentlichen Warenverkehrs überhaupt nichts zu suchen hat. Deswegen können die Makler und Agenten, von uns aus gesehen, ruhig mit ihren Forderungen kommen. Also ich glaube, wir sollten diese Ermächtigungsvorschrift in dieser erweiterten Form annehmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Debatte. Wir kommen zur Abstimmung.
Ich rufe auf den Antrag Umdruck 1202, den Herr Kollege Dr. Eckhardt begründet hat. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist angenommen.
Ich rufe auf den Antrag Umdruck 1216, begründet vom Kollegen Eberhard. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. — Wir müssen wiederholen. Ich bitte diejenigen, die für diesen Antrag zu stimmen wünschen, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Antrag ist abgelehnt.
Wer der Ziffer 4 in der soeben ergänzten Fassung zuzustimmen wünscht, ,den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. —Enthaltungen? — Angenommen.
Ich rufe auf Idie Ziffer 5. Hierzu liegen Änderungsanträge nicht vor. Ich eröffne die Debatte. — Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Debatte. Wer der Ziffer 5 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht. den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? — Angenommen.
Ich rufe auf die Ziffer 6. Hierzu liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 1109 vor. Wird dieser Antrag begründet? — Herr Kollege Mauk!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe die Ehre, den Änderungsantrag Umdruck 1109 zu begründen, der von über 40 Abgeordneten aller Fraktionen unterschrieben ist. Es handelt sich um die Befreiung der Winzergenossenschaften von der Umsatzsteuer — wozu Herr Kollege Gibbert nachher noch Stellung nehmen wird — sowie um die Befreiung der Obst- und Gemüseversteigerungsgenossenschaften von der Umsatzsteuer. Die letztgenannten Genossenschaften sind als Treuhänder der Erzeuger tätig, betreiben also nicht auf eigene Rechnung Handel.
In den Haupterzeugungsgebieten des Obst- und Gemüsebaues haben sich die Kleinerzeuger, wie den meisten Damen und Herren bekannt ist, zum gemeinsamen Absatz der Erzeugnisse zu Versteigerungsgenossenschaften zusammengeschlossen. Es werden dort heute Versteigerungen nach dem holländischen Veiling-System durchgeführt. Bisher war es meistens so, daß die Anlieferungen der einzelnen Erzeuger gesondert zum Verkauf gestellt wurden. Auch kleinste Mengen wurden daher gesondert zum Verkauf gestellt. Durch das Handelsklassengesetz und durch die Änderung beim Absatz von Obst und Gemüse ist hier in letzter Zeit aber eine wesentliche Änderung eingetreten. Der deutsche Obst- und Gemüsebau kann mit dem Import nur noch konkurrieren, wenn er eine handelsklassenmäßig aufbereitete Ware zum Verkauf stellt und dem Großhandel eine wirkliche Qualitätsware anbietet, die mit den Importen konkurrieren kann. Aus diesem Grunde hat sich die Notwendigkeit erwiesen, die teilweise kleinsten Anlieferungen erst zu verkaufsfähigen Mengen zusammenzustellen und die angelieferte Ware erst zu marktfähiger Ware zu sortieren und zu verpacken.
Bisher war bei diesen Genossenschaften, weil es sich ja um eine Treuhandaufgabe handelte, nicht
die Warenmenge umsatzsteuerpflichtig, sondern Umsatzsteuer wurde nur auf die Gebühren erhoben, die von den Genossenschaften für diese Tätigkeit vereinnahmt wurden. Nun wird aber durch diese Zusammenstellung zu verkaufsfähigen Partien und durch die Sortierung die ursprüngliche Ware zum Teil etwas verändert. Es ist schon einmal ein Beschluß gefaßt worden, daß Sortieren keine Veränderung im Sinne des Umsatzsteuergesetzes ist. Trotzdem wird auf die Ware jetzt eine Umsatzsteuer von 1 % erhoben. Wenn sortiert und zusammengestellt wird, kann auch, weil es sich sehr häufig um Kleinstmengen handelt, nicht in allen Fällen der sogenannte Nämlichkeitsbeweis vom Erzeuger bis zum Erwerber erbracht werden.
Um Ihnen zu zeigen, wie es hier ungefähr aussieht, darf ich Ihnen einmal das Beispiel einer Genossenschaft vortragen. Vor zwei Jahren habe ich die Genossenschaft Weinheim an der Bergstraße gebeten, mir eine Zusammenstellung für eine Anlieferungswoche, und zwar die Woche vom 24. Juni bis 30. Juni 1952, zu machen. In dieser Woche wurden 15 032 Anlieferungen mit einer Gesamtmenge von 522 500 kg und einem Gesamtwert von 233 900 und einigen Mark gemacht. Das entspricht einer Durchschnittsanlieferung pro Anlieferer von 34 kg und einem Durchschnittswert je Anlieferung von 15 DM. Schon diese Gegenüberstellung zeigt Ihnen, daß es sich hier im großen Durchschnitt wirklich nur um kleine und kleinste Anlieferungen handelt. Ich könnte Ihnen auch sagen, wie sich die Anlieferungen größenordnungsmäßig zusammensetzen; ich glaube aber, daß das zu weit führen würde.
Es wird oft gesagt, daß die Erzeuger die Sortierung selbst durchführen sollten, dann könnten alle Schwierigkeiten umgangen werden. Dazu ist zu sagen: die Mehrzahl dieser Kleinsterzeuger bringt keine solche Mengen zusammen, daß sie ihre Ware in drei oder vier Klassen anliefern können. Er liefert in der Regel seine Ware für die meisten Produkte unsortiert an, und die Genossenschaften müssen in Zukunft für ihn die Sortierung durchführen. Es muß gesagt werden, daß ein Steuerausfall gegenüber bisher nicht entsteht. Dem Bundesfinanzministerium entgeht also nichts, was es bisher vielleicht bekommen hätte. Denn bisher hat man sich dieser Aufgabe meist nicht unterzogen. Das ist etwas, was durch die Verabschiedung des Handelsklassengesetzes völlig neu entstanden ist und durch die zwingende Notwendigkeit, auch das deutsche Angebot auf diesem Gebiet zu verkaufsfähigen Posten zusammenzufassen.
Ich darf Sie deshalb im Namen der Antragsteller bitten, diesem Antrag zuzustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zur Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Krammig das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf Umdruck 1184 wird eine Ergänzung des Ausschußantrags beantragt, die im Zusammenhang steht mit d auf Umdruck 1109. Ich schlage deshalb vor, daß Umdruck 1184 mit Umdruck 1109 zu d verbunden wird und daß über Buchstaben e des Umdrucks 1109 besonders verhandelt wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird zu diesem Geschäftsordnungsantrag noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wir können die Debatte
also verbinden. Die Abstimmung zum Entschließungsantrag kommt erst bei der dritten Lesung.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gibbert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die beiden Anträge, die soeben hier genannt worden sind, 1109 d und 1184, haben das gleiche Ziel. Sie wollen die ersten Zusammenschlüsse der Winzer, die sogenannten Winzergenossenschaften, nicht die Zentralgenossenschaften, von der Umsatzsteuer befreien.
Winzerarbeit, Weinbauarbeit ist eine höchst individuelle und höchst speziale Arbeit im Weinberg, am Weinstock, an der Rebe, am einzelnen Blatt, an der einzelnen Traube. Bei dieser Arbeit ist kein Raum für eine Gemeinschaftsarbeit. Aber die letzten Arbeitsvorgänge im Weinbaujahr sind geradezu prädestiniert für eine Gemeinschaftsarbeit. Das sind Kelterung und Ausbau des Weins; es sind wenige, aber sehr kapitalintensive Arbeitsvorgänge. Es müssen nämlich bereitgestellt werden: Kelter, Bütten, Fässer, Kelterraum und Kellerraum. Gerade die Notwendigkeit, diese Betriebsmittel zur Verfügung zu stellen, zwingt insbesondere die kleinen Besitzer zur Gemeinschaftsarbeit, zur genossenschaftlichen Arbeit. Diese Arbeitsgeräte — Kelter, Mühlen, Fässer, Kelter- und Kellerraum — müssen sie sich gemeinschaftlich beschaffen; sie erreichen durch diese gemeinschaftliche Beschaffung eine Verbilligung der Produktionskosten und gleichzeitig eine Verbesserung des Produkts. Das Ziel ist, den Weinbau auf die Dauer überhaupt rentabel zu erhalten.
Die Genossenschaften haben unbedingte agrarpolitische Bedeutung im Weinbau, und das besonders im Hinblick auf die Entwicklung zum Europäischen Markt hin. Sie verrichten ausgesprochen spezifische Weinbauarbeiten, sind also betriebswirtschaftlich unter gar keinen Umständen als wesensfremde andere Handelsstufen zu betrachten. Sie sind der verlängerte Arm des Weinbauern und gerade des kleinen Weinbauern, dem eigenes Kapital zum Abschluß seiner Jahresarbeit nicht zur Verfügung steht.
Nun haben wir den grotesken Zustand, der seit Jahrzehnten umkämpft und angegriffen wird — ich bitte, mich hier nicht als Fremdling in der Steuermaterie zu beschimpfen, Herr Kollege Dresbach, wenn ich diese Bitten zum wiederholten Male vortrage —, daß gerade diese kleinen Leute über die Genossenschaften mit der Umsatzsteuer belegt werden, während die größeren Besitzer umsatzsteuerfrei sind. Das ist eine Ungerechtigkeit für diese verhältnismäßig kleinen Betriebe. Diese Ungerechtigkeit wird angegriffen. Es wird hier — ich will mich von vornherein gegen diesen Vorwurf wehren — nicht versucht, irgendein wirtschaftspolitisches Ziel zu erreichen.
Gegen diesen Mißstand richten sich beide Anträge. Ich sage noch einmal: nach einstimmigem Beschluß des 1. Bundestages, in dem die Bundesregierung ersucht wurde, diese Ungerechtigkeit zu beseitigen, wird nun wiederholt eine solche Entscheidung erstrebt.
Dafür, daß außer dem Antrag Umdruck 1109 ein besonderer Antrag Umdruck 1184 eingebracht wurde, sind folgende beiden Überlegungen maßgebend.
Erstens. Nach dem Antrag Umdruck 1109 wird der Bundesminister ermächtigt, in dem hier beschriebenen Sinne tätig zu werden. Nun haben wir in Kenntnis der Stellung des Bundesministeriums zu unserem uralten Begehren — angesichts des Untätigseins trotz des alten Bundestagsbeschlusses und dem, was in den Schriftsätzen zur angeschnittenen Frage erkennbar ist — nicht das Vertrauen, daß die Regierung von einer solchen Ermächtigung Gebrauch macht. Deshalb sind wir der Meinung, daß wir ein präzises Ersuchen anfügen sollten.
Zweitens. Ich darf weitgehende Einmütigkeit in diesem Hause in der Absicht voraussetzen, die steuerliche Ungleichheit zwischen Winzer und Winzergenossenschaft zu beseitigen. Es ist das Bedenken geäußert worden, daß bei der Freistellung der Genossenschaften eine neue steuerliche Ungerechtigkeit gegenüber dem kleinen Teil des Weinhandels geschaffen würde, der Trauben aufnimmt, selbst keltert und zu Wein ausbaut. Ich muß sagen, daß ich selber diese Bedenken nicht habe, weil nur ein ganz kleiner Teil des Weinhandels Trauben aufnimmt — das sind diejenigen Weinhandelsbetriebe, die im Produktionsgebiet sitzen und selbst Weinbergbesitz haben — und weil nur ein ganz kleiner Teil Trauben vom Handel gekeltert wird und der Weinhandel absolut die Möglichkeit hat, einer solchen Umsatzsteuer auszuweichen.
Um aber alle Bedenken einer umsatzsteuerlichen Ungerechtigkeit auszuräumen, schlagen wir in diesem Antrag vor, nachdem die Winzer umsatzsteuerfrei sind, den kleinen Teil des Handels, der einen geringen Teil der Trauben verwertet, den Genossenschaften gleichzustellen und den Keltervorgang für umsatzsteuerunschädlich zu erklären. Die ganze Aktion kostet einen im Verhältnis zum Ertrag der Umsatzsteuer so minimalen Betrag, daß er zur Bereinigung des Unrechtszustandes aufgewandt werden sollte.
Es ist müßig, zu streiten, welcher Antrag der weitergehende ist. Der eine beinhaltet, wie gesagt, eine Ermächtigung der Regierung, die Winzergenossenschaften umsatzsteuerfrei zu stellen. Der andere ersucht die Regierung, durch Änderung des § 5'7 Abs. 2 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz das Keltern und die Kellerbehandlung des Weins bei demjenigen, der sie vornimmt, als umsatzsteuerunschädliche Bearbeitung zuzulassen.
Die beiden Anträge ergänzen sich also. Wenn ich, nachdem viele Mitglieder aller Fraktionen den Antrag Umdruck 1109 unterstützt haben, unterstellen darf, daß dieser Antrag angenommen wird, bitte ich ebenso dringlich wie herzlich darum, auch dem Antrag Umdruck 1184 Ihre Zustimmung zu geben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Eckhardt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich hier um drei Anträge. Ein Antrag betrifft eine Frage von verhältnismäßig geringer finanzieller Bedeutung. Wenn Obst- und Gemüseversteigerungsgenossenschaften künftig nicht mehr nur ihre Provision mit 4 %, sondern ihre Gesamteinnahme mit 1 % versteuern, so liegt das an den Grundsätzen des Umsatzsteuerrechts, insbesondere daran, daß sie den Nämlichkeitsnachweis nicht erbringen können, den jeder Handelsagent erbringen muß, wenn er seine Provision mit 4 % versteuert haben will. Die Versteuerung der Provision mit 4 % ist in diesem
Fall für die Obst- und Gemüseversteigerer günstiger als die Versteuerung des gesamten Entgelts mit 1 %. Der Handel hat sich hiergegen gewehrt; es würde sich wohl — darüber muß man sich im klaren sein — um eine Sondervergünstigung speziell für Obst- und Gemüseversteigerer handeln. Die Frage des Wettbewerbs steht hier nicht zur Debatte. Wenn es sich auch nicht um ein allzu großes Objekt handelt, so kann ich doch dem Antrag Umdruck 1109 — Buchstabe e; also dem zweiten Antrag — aus den genannten Gründen nicht folgen.
Nun zu der umfangreicheren und wichtigeren Frage der Winzer. Hier liegen zwei Anträge vor. Damit haben sich auch der Unterausschuß „Umsatzsteuer" und der Finanzausschuß beschäftigt. Der alte Antrag, der zunächst gestellt worden ist, wünscht bei Vereinigungen von Winzern zu gemeinsamer Kelterung und Verwertung der von Iden Mitgliedern gewonnenen Trauben eine Steuerpflicht von 4 % zu vermeiden, er wünscht, daß die Einnahmen der Winzervereinigungen grundsätzlich als Agentureinnahmen lediglich mit 4 % der Provision versteuert werden; er stellt also eine Sondermaßnahme für Winzergenossenschaften dar. Nun hat diese Sondermaßnahme zugunsten der Winzergenossenschaften ihren guten Grund, sie hat eine gute Berechtigung, weil nach geltendem Recht größere Winzer ohne weiteres in den Genuß der Umsatzsteuerbefreiung für die Landwirtschaft kommen; sie können das von ihnen selber gekelterte Gut umsatzsteuerfrei absetzen. Der kleine Winzer kann das nicht, weil er keine eigene Kelter hat.
Diese Frage ist von großer Bedeutung für unsere Weinbaugebiete insbesondere an der Mosel, in Rheinpfalz und auch für die vielen kleinen Weingärtner Baden-Württembergs. Das, was man mit der Umsatzsteuerbefreiung der Landwirtschaft gewollt hat, kommt nur dem großen Winzer und nicht dem kleinen Winzer zugute, weil der kleine Winzer bei der Genossenschaft keltern muß und diese Einfügung der Genossenschaft in den Kreislauf der Umsätze eben zu einer höheren Umsatzsteuerbelastung von 4 % führt.
Von dem gesamten Lesegut in der Bundesrepublik werden 50 % von den größeren Winzern, die zum Teil natürlich auch Weinhändler sind, umgesetzt, 30 % von den Winzergenossenschaften und etwa 20 % vom Weinhandel; auch der Weinhandel keltert selbst. Wenn ich nun der Winzergenossenschaft die Vergünstigung gebe, daß sie nur bestimmte Einnahmen zu versteuern hat, nicht aber mehr ihren gesamten Umsatz — daß sie jedenfalls in ihrer Steuerpflicht niedriger zu liegen kommt —, so habe ich eine offenbare Ungleichmäßigkeit gegenüber dem Weinhandel; der Weinhandel muß unter genau den gleichen Voraussetzungen auf jeden Fall 4 % Steuer zahlen.
Auf Grund dieser Ungleichmäßigkeit der Besteuerung haben sich die Antragsteller des Änderungsantrags Umdruck 1184 entschlossen, dem Antrag Umdruck 1109 unter Buchstabe d eine andere Fassung zu geben, eine Fassung, die auch dem Weinhandel gerecht wird und zu einer gleichmäßigen Besteuerung der großen Winzer, der kleinen Winzer und des Weinhandels führt. Es sollen nämlich zur umsatzsteuerlichen Gleichstellung der Winzer. Winzergenossenschaften und des Weinhandels beim Wein das Keltern und die Kellerbehandlungsmaßnahmen im Sinne des Weingesetzes, die der kelternde Unternehmer selbst durchführt, als umsatzsteuerunschädliche Bearbeitung zugelassen werden. Hiermit würde man allen gerecht werden und zu einer gleichmäßigen Besteuerung kommen, zu der man mit Hilfe des Antrags Umdruck 1109 Buchstabe d leider nicht kommen kann. Die entsprechenden Verbände des Handels haben ausdrücklich darauf hingewiesen, und wir haben uns damit eingehend beschäftigt.
Nun stellt das Keltern im allgemeinen sicherlich eine geradezu typische Bearbeitung dar, und man fragt sich zunächst, warum eine solche Bearbeitung nicht als Bearbeitung gelten soll. Aber das ist nicht der Fall. Ich weiß, daß mein sehr verehrter Herr Kollege Dresbach hier gewisse Bedenken hinsichtlich der Bedeutung dieser Bearbeitungsmaßnahmen und ihrer Zulassung hat. Es soll ja nicht so sein, daß etwa diese Bearbeitung einfach nicht als Bearbeitung hingestellt und nicht als solche behandelt wird, sondern sie soll nur besonders „zugelassen" werden. Diese besondere Zulassung ist dem Umsatzsteuerrecht von alters her eigentümlich. Ich weise auf die §§ 29 und 30 der Durchführungsbestimmungen hin, nach denen z. B. die Verarbeitung von 'Brennstoffen zu Kohlengemischen, die Verarbeitung von Edelmetallen und Edelmetallegierungen zu bestimmten Halberzeugnissen, die Gewinnung von Mischfuttermitteln aus inländischen oder eingeführten Rohstoffen und schließlich auch die Verhüttung von Verhüttungsmaterialien .auf Edelmetalle, NE-Metalle und entsprechende Legierungen als Bearbeitung ausdrücklich zugelassen sind. Sogar industrielle Vorgänge sind damit also von der Umsatzsteuer freigestellt. Es handelt sich nicht um eine reine Fiktion, sondern um eine echte Zulassung des Bearbeitungsvorgangs.
Mit Hilfe des Antrags Umdruck 1184 — um das noch einmal zu betonen — werden wir gleichmäßig den Winzern, den Winzergenossenschaften, aber auch dem Weinhandel gerecht, der sich sonst mit Fug über die unbillige, ungleichmäßige Behandlung zu beklagen hätte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dresbach.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
— Nein! Wir haben eben die Ausführungen des letzten Redners gehört, daß diese Entschließung unter Umständen die Möglichkeit bietet, gewisse Lücken, die in dem Antrag Umdruck 1109 vorhanden sein könnten, auszufüllen. Ich bitte, damit einverstanden zu sein, daß dieser Fall am Schluß der dritten Lesung mit den anderen Entschließungsanträgen erledigt wird. — Ich darf dazu wohl Ihr Einverständnis annehmen.
Ich stelle dann Nr. 6 von Art. 1 mit den soeben beschlossenen Änderungen zur Abstimmung. Wer dieser Nr. 6 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angenommen.
Ich rufe auf Nr. 7 und Nr. 8. Ich darf annehmen, daß das Haus mit der gemeinschaftlichen Beratung einverstanden ist. — Es ist so beschlossen. Änderungsanträge liegen nicht vor. — Wortmeldungen zu den Nrn. 7 und 8 liegen auch nicht vor. Die Debatte ist geschlossen.
— Ich hätte es auch so gemacht. Dann rufe ich auf Punkt 9 der Tagesordnung:
Zweite Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes ,
des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes ,
des von der Fraktion der DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes ,
des von den Abgeordneten Karpf, Dr. Franz, Frau Dr. Probst und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes ,
des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung
des Umsatzsteuergesetzes ,
des von den Abgeordneten Kroll, Dr. Leiske, Gedat und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes ,
des von den Abgeordneten Stiller, Frau Geisendörfer und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes ,
des von den Abgeordneten Dr. Eckhardt, Dr. Dollinger, Höcherl, Wieninger und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Umsatzsteuergesetzes ,
des von den Abgeordneten Dr. Dollinger, Höcherl, Dr. Eckhardt. Wieninger und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Umsatzsteuergesetzes ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (Drucksachen 3512, zu 3512).
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Eckhardt
Ich rufe auf Drucksache 510, Antrag der SPD betreffend Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes. Wird hierzu das Wort gewünscht? — Das ist nicht ,der Fall. Ich schließe die Aussprache. Es ist nur ein einziger Artikel zu verabschieden.
Wer diesem Antrag, dem Gesetzentwurf auf Drucksache 510 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um ,die Gegenprobe. — Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe auf zur zweiten Beratung die Drucksache 1623, Antrag der FDP betreffend Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes.
Frau Dr. Ilk, bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der vorigen Beratung haben wir bei der Umsatzsteuer erreicht, daß den Journalisten ein Freibetrag von 18 000 DM bewilligt wurde, der dann mit einem 10-v.H.-Satz für die Summe, die 18 000 DM übersteigt, berücksichtigt werden sollte. Unser Antrag geht nun dahin, diese Befreiung von der Umsatzsteuer auch den anderen freien Berufen zugute kommen zu lassen. Wenn der Ausschuß in seinem Bericht erklärt hat, daß zur Ablehnung unseres Antrags vor allen Dingen verwaltungsmäßige und steuersystematische Bedenken geführt hätten, so können wir dieses Argument nicht anerkennen. Daß eine solche Komplikation im Steuersystem zustande gekommen und daß vor allen Dingen die Umsatzsteuer an so vielen Stellen durchlöchert worden ist, liegt wohl daran, daß es in den letzten acht Jahren nicht geglückt ist, eine wirklich durchgreifende systematische Steuerreform auf allen Gebieten herbeizuführen.
— Die Musterbeispiele, Herr Kollege Krammig, sind dadurch verursacht, daß eben die Parlamentsmehrheit und die Regierung nicht imstande waren, eine Steuerreform durchzuführen, wie sie verschiedentlich von anderen Seiten angeregt wurde.
Ich glaube, da sollten Sie doch auch vor der eigenen Tür kehren, ehe Sie nach der anderen Seite immer zuschlagen.
Ich bin mit meinen Freunden der Freien Demokratischen Partei der Meinung, daß es einfach unmöglich ist, die geistige Leistung der Ware gleichzusetzen, und ich bin dem Herrn Kollegen Seuffert sehr dankbar dafür, wenn er in einem anderen Zusammenhang ausdrücklich erklärt hat, daß außerhalb des Warenverkehrs eine Leistung, also eine geistige, nichts im Umsatzsteuergesetz zu suchen habe. Auch in dieser neuen Vorlage ist schon in einem gewissen Sinn nach dieser Richtung hin eine Erleichterung geschaffen worden, indem man die Leistungen beim Export, soweit sie auf einer geistigen Grundlage beruhen, von der Umsatzsteuer ausgenommen hat. Warum behält man im Inland immer noch diese enge Auffassung bei? Warum stellt man nicht endlich die geistigen Leistungen von der Umsatzsteuer frei? Wir sind sogar noch nicht einmal so weit gegangen, eine grundsätzliche Freistellung zu beantragen, sondern wollen als ersten Schritt eine Angleichung an die Lösung, die in der vorherigen Umsatzsteuergesetzgebung für einen Teil der geistig Schaffenden, nämlich für die Journalisten, getroffen wurde.
Meine Damen und Herren von der Regierungspartei, ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, daß es auch der Herr Bundeskanzler und der Herr Bundestagspräsident waren, die immer und immer wieder darauf hingewiesen haben, daß man die freien Berufe als einen wesentlichen Teil derjenigen Bevölkerungsschichten, die das freiheitliche System, in dem wir leben, bewahren und stützen, besonders berücksichtigen müsse. Das Freistellen ihrer Arbeit von der Umsatzsteuer ist wirklich nur ein kleiner Teil von dem, was wir diesen Kreisen, die bisher vom „Wirtschaftswunder" noch nicht allzu viel gemerkt haben, geben können.
Ich glaube daher, Sie sollten das Urteil des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen revidieren und unserem Antrag Ihre Zustimmung geben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird zur Drucksache 1623 weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall; dann schließe ich die Beratung.
Ich rufe auf zur Abstimmung in der zweiten Beratung die Artikel 1, — 2, — 3, — 4, — die Einleitung und die Überschrift. — Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit abgelehnt.
Ich rufe auf die Drucksache 1715, Antrag der Fraktion der DP betreffend Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes.
Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall; ich schließe die Aussprache.
Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich rufe auf Art. 1, — Art. 2 und 3, — Einleitung und Überschrift. — Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit abgelehnt.
Ich rufe auf Drucksache 1984, Antrag der Abgeordneten Karpf, Dr. Franz, Frau Dr. Probst und Genossen, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes. Wir treten in die zweite Beratung ein. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall; dann schließe ich die Beratung. Ich rufe auf zur Abstimmung § 1, — § 2, — § 3, — Einleitung und Überschrift. — Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit abgelehnt.
Ich rufe auf Drucksache 2069, Antrag der Fraktion der FDP, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes. Wir treten in die zweite Beratung ein. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann rufe ich auf zur Abstimmung in der zweiten Beratung Art. 1, — Art. 2, — Art. 3, — Art. 4, — Einleitung und Überschrift. — Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Mit Mehrheit abgelehnt.
Ich rufe auf zur zweiten Beratung Drucksache 2071, Antrag der Abgeordneten Kroll, Dr. Leiske, Gedat und Genossen, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes. Wird das Wort in der zweiten Beratung gewünscht? — Bitte, Herr Abgeordneter Kroll.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Annahme des Antrags Umdruck 1188 ist dieser Antrag erledigt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, das mag materiell so sein. Aber unsere Geschäftsordnung läßt es leider nicht zu, daß wir so verfahren. Es handelt sich um einen Initiativgesetzentwurf, und der kann nur dadurch aus der Welt geschafft werden, daß er in der zweiten Lesung abgelehnt wird. Dann unterbleibt jede dritte Lesung. — Das Wort wird weiter nicht gewünscht; ich schließe die Beratung. Wir kommen zur Abstimmung. Art. 1, — Art. 2, — Art. 3, — Art. 4, — Einleitung und Überschrift. - Wer zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit abgelehnt.
Ich rufe nunmehr auf Drucksache 2218, Antrag der Abgeordneten Stiller, Frau Geisendörfer und Genossen, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes. Wir treten in die zweite Beratung ein. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann rufe ich auf zur Abstimmung Art. 1, — Art. 2, — Art. 3, — Einleitung und Überschrift. — Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit abgelehnt.
Ich rufe auf Drucksache 2231, Antrag der Abgeordneten Dr. Eckhardt, Dr. Dollinger, Höcherl, Wieninger und Genossen, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Umsatzsteuergesetzes. Wir treten in die zweite Beratung ein. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall; dann schließe ich die Beratung. Ich rufe auf zur Abstimmung Art. 1, — Art. 2, — Art. 3, — Einleitung und Überschrift. — Wer zuzustimmen
wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit abgelehnt.
Ich rufe auf Drucksache 2232, Antrag der Abgeordneten Dr. Dollinger, Höcherl, Dr. Eckhardt, Wieninger und Genossen, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Umsatzsteuergesetzes. Wir treten in die zweite Beratung ein. Wird das Wortgewünscht? — Das ist nicht der Fall; dann schließe ich die Beratung. Ich rufe auf zur Abstimmung Art. 1, — Art. 2, — Art. 3, —
Einleitung und Überschrift. — Wer zuzustimmen
wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit abgelehnt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, damit ist Punkt 9 dergestalt erledigt, daß alle Initiativgesetzentwürfe in der zweiten Beratung in allen ihren Teilen abgelehnt worden sind. Daher unterbleibt jede weitere Beratung.
Wir müssen dann zu Punkt 7 zurückkehren. Bevor ich in die sachlichen Verhandlungen eintrete, erteile ich das Wort zur Geschäftsordnung dem Abgeordneten Krammig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantrage Überweisung des soeben in zweiter Lesung verabschiedeten Entwurfs eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes an den Haushaltsausschuß als Finanzvorlage nach § 96 der Geschäftsordnung und Ansetzung der dritten Lesung für Samstag, den 29. Juni 1957.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Überweisung an den Haushaltsausschuß ,als Finanzvorlage wegen der in zweiter Lesung vorgenommenen Änderung kann doch ernsthaft eigentlich nicht in Betracht gezogen werden. Bei einer 11-Milliarden-Steuer wie der Umsatzsteuer ist doch — entschuldigen Sie — mit bloßem Auge kaum festzustellen, ob sie sich um Beträge in dem Umfang, wie sie bei dieser Änderung in Betracht kommen könnten, verändert und aus welchen Gründen sie sich in ihrem Gesamtvolumen jeweils verändert, — eine Steuer, die in den letzten Jahren aus einer Reihe von Gründen jedem Vierteljahr um 200 Millionen DM geradezu automatisch gestiegen ist.
Es ist richtig, daß Sie nach der Geschäftsordnung formell der dritten Lesung widersprechen können, Herr Kollege Krammig. Dann möchte ich aber wiederum namens meiner Fraktion mit allem Nachdruck der Ansetzung der dritten Lesung auf Samstag, den 29. Juni, widersprechen. Dann muß die dritte Lesung in der nächsten Woche vorgenommen werden; denn die Dispositionen der Mitglieder dieses Hauses sind nicht derart, daß in dieser Woche noch eine weitere Steuerdebatte durchgeführt werden kann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter Krammig, wollen Sie noch einmal das Wort? — Ausnahmsweise, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich müßte zu dem Vorbringen des Herrn Kollegen Seuffert eigentlich darauf hinweisen, daß bei Zweifeln darüber, ob eine Finanz-
vorlage vorliegt oder nicht, der Ausschuß für Geschäftsordnung einzuschalten ist. Um das zu vermeiden und um nicht damit das Gesetz überhaupt zu gefährden, habe ich Überweisung an den Haushaltsausschuß und Ansetzung der dritten Lesung so früh wie möglich beantragt. Wenn Sie infolge Ihrer Dispositionen — obwohl der Ältestenrat bestimmt hat, daß der 29. ein Sitzungstag sein soll — an diesem Tage die Steuerdebatte nicht führen können, müßte die dritte Lesung eben in der nächsten Woche erfolgen. Ich wäre damit einverstanden, daß mein Antrag insoweit geändert wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort wird wohl nicht mehr gewünscht. Wir müssen das hier entscheiden. Ich darf ,als Präsident vielleicht auch ein Wort dazu sagen.
Die zweite Lesung hat stattgefunden. In der zweiten Lesung sind Änderungsanträge angenommen worden.
Nun kann man auf zweierlei Weise verfahren. Wenn in der zweiten Lesung Änderungsanträgeangenommen worden sind, ganz gleichgültig, was sie beinhalten, hätten nach § 93 der Geschäftsordnung zehn Mitglieder dieses Hauses das Recht, der heutigen dritten Lesung zu widersprechen. Von diesem Recht wollen Sie aber, wenn ich es richtig verstehe, keinen Gebrauch machen, sondern Sie ziehen sich auf die Vorschrift des § 96 zurück und ,behaupten, wenn ich es richtig verstehe, durch die Annahme des Änderungsantrages
sei nunmehr das Gesetz so verändert, daß die Voraussetzungen des § 96 zuträfen. Das vermag ich nicht zu beurteilen, dazu müßte ich die finanzielle Größenordnung kennen, mit der wir zu rechnen haben, nachdem ein bestimmter Anderungsantrag angenommen worden ist. § 96 (neu) Abs. 2 sagt nämlich:
Finanzvorlagen sind alle Vorlagen der Bundesregierung, des Bundesrates und alle Anträge von Mitgliedern ,des Bundestages, die in der Hauptsache bestimmt oder in erheblichem Umfang geeignet sind, für die Gegenwart oder die Zukunft ,auf die öffentlichen Finanzen einzuwirken.
Die Frage ist also: ist das erheblich oder ist das nicht erheblich? Herr Abgeordneter Seuffert, wenn ich Sie richtig verstanden habe, wollten Sie sagen, nach Ihrer Auffassung ist das schon um deswillen nicht erheblich, weil selbst in der einen Steuersparte, die hier zur Debatte steht, nämlich der Umsatzsteuer, das Volumen allein im Laufe des Jahres ganz automatisch eine haushaltsmäßige Deckung ergeben würde. Habe ich Sie richtig verstand en?
Ich mache als Präsident schließlich auch darauf aufmerksam, daß es mir zweifelhaft erscheint. oh wir immer so verfahren sollten, wenn in einer zweiten Lesung eines Gesetzes solche kleinen Änderungsanträge ,angenommen werden, weil das formell vielleicht ganz in Ordnung ist — obwohl ich ia sagte, man müßte materiell wissen, ob das erheblich ist —, weil wir uns dann doch als Parlament. sagen wir einmal, sehr die Hände binden. Ich bin also der Meinung. da ich selbst nicht entscheiden kann. ob der Finanzzuwachs erheblich ist, daß das Haus entscheiden muß. Würde ich die Größenordnung kennen, so würde ich .den Mut
haben, als Präsident § 96 der Geschäftsordnung entsprechend anzuwenden. Da mir aber diese Sachvoraussetzungen im Augenblick fehlen, muß ich die Entscheidung dem Hause überlassen.
Ich komme also zur Abstimmung. Wer dem Antrag des Abgeordneten Krammig, die Vorlage, die in zweiter Lesung beraten ist, noch einmal an den Haushaltsausschuß zu überweisen und gegebenenfalls auf die Tagesordnung der Sitzung vom 29. Juni zu setzen, zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Präsidium ist nicht einig. Ich wiederhole die Abstimmung. Dabei möchte ich, weil wegen des Zeitpunkts der dritten Lesung noch eine Differenz ist, erst grundsätzlich darüber abstimmen lassen, ob sie dem Haushaltsausschuß überwiesen wird; und wenn das entschieden ist, dann frage ich, wann sie wieder auf die Tagesordnung des Plenums kommen soll. Wer also grundsätzlich für die Überweisung dieser Vorlage an den Haushaltsausschuß ist, der erhebe sich bitte. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
— Zur Geschäftsordnung, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich widerspreche der dritten Lesung am heutigen Tage.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Ein einzelner Abgeordneter kann das nicht. Ich frage: Wer schließt sich an? — Es genügt. Da der dritten Lesung widersprochen ist und die geschäftsordnungsmäßigen Voraussetzungen dieses Widerspruchs vorliegen, kann die dritte Lesung heute nicht stattfinden.
Bevor ich in der Tagesordnung weitergehe, unterstelle ich das Einverständnis des Hauses, daß ich Herrn Professor Gülich die Möglichkeit gebe, hier eine Erklärung abzugeben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der letzten Sitzung des Finanz- und Steuerausschusses dieser Wahlperiode hat dessen Vorsitzender, Herr Dr. Wellhausen, erklärt, daß er für die nächste Wahlperiode nicht mehr kandidieren werde. Der Finanz- und Steuerausschuß hat mich als den Stellvertretenden Vorsitzenden gebeten, im Plenum dazu einige Worte zu sagen.
Herr Dr. Wellhausen hat den Finanz- und Steuerausschuß durch Jahre hindurch mit Sachkenntnis, Klugheit, Fairneß und Eleganz geleitet. Er war ein vorzüglicher Vorsitzender und uns allen ein guter und lieber Kollege. Dafür danke ich ihm im Namen des Ausschusses und bedaure, daß er den Entschluß gefaßt hat, den wir nicht ändern können.
Es gibt Persönlichkeiten in allen Parlamenten, ohne die man sich die Weiterarbeit des Parlaments schwer vorstellen kann, deren Ausscheiden vom ganzen Parlament, unabhängig von der Parteizugehörigkeit des einzelnen, bedauert wird. Dr. Wellhausen ist eine von diesen Persönlichkeiten, die sich Anerkennung und Glaubwürdigkeit über die Parteigrenzen hinaus erworben haben. Erlauben Sie mir, daß ich als Mitglied der Opposition noch hinzufüge: Ich habe es immer beglückend empfunden, daß sowohl im ersten wie im zweiten Bundestage ungeachtet aller Gegensätze, die es gibt und ohne die öffentliches Leben nicht gedacht werden
kann, sachliche Gegnerschaft persönliche Hochachtung und, meine Damen und Herren, auch persönliche Freundschaft nicht ausschließt.
Hierzu haben Sie, lieber Kollege und lieber Freund Wellhausen, Ihren gewichtigen Anteil beigetragen. Wenn Sie nun in Zukunft dem Deutschen Bundestag nicht angehören werden, — Sie werden weiterwirken. Und da gestatten Sie mir, daß ich Sie für Ihre persönliche, Ihre berufliche und Ihre öffentliche Wirksamkeit mit einem Wort grüße, das Goethe in seinen letzten Lebenstagen an Moritz Julius Seebeck schrieb:
Ich denke mir gar zu gern die wackeren Männer, die zugleich bestrebt sind, Kenntnisse zu erweitern und Einsichten zu vertiefen, in voller Tätigkeit.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, ich rufe nunmehr Punkt 10 der Tagesordnung auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen über den Antrag der Abgeordneten Kroll, Wolf (Stuttgart), Stücklen, Jacobi und Genossen zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Kohlenwirtschaft (Drucksachen 3579, zu 3579, 2019, Umdruck 842).
— Schriftlicher Bericht liegt vor. Verzichtet das Haus auf weitere Berichterstattung? — Das ist der Fall.
Dann trete ich in die Beratung ein. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich komme zur Abstimmung. Wer dem Ausschußantrag auf Drucksache 3579 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen. Damit ist Punkt 10 erledigt.
Ich rufe auf Punkt 11:
a) Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (Drucksache 3416).
b) Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Drucksachen 3026 Anlage 1 b, 2142);
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Atomfragen (Drucksachen 3502, zu 3502).
Ich schlage dem Haus vor, daß wir die Punkte nacheinander behandeln. — Das Haus ist damit einverstanden. Wir behandeln also zuerst den Punkt 11 a, zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes. Soll eine Berichterstattung stattfinden?
— Verzichtet das Haus?
— Das ist der Fall.
Dann komme ich zur Beratung in der zweiten Lesung und rufe auf Artikel 1 in der Ausschußfassung sowie den Änderungsantrag auf Umdruck 1208. Es ist ein interfraktioneller Antrag. Soll er begründet werden? -- Das ist wohl nicht erforderlich. Dann schließe ich die Beratung und komme zur Abstimmung. Wer dem interfraktionellen Antrag auf Umdruck 1208, daß nach Artikel 74 Nr. 11 eine neue Nr. 11 a in der vorgesehenen Form eingefügt wird, zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. -- Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen. Damit wäre, wenn ich richtig sehe, Art. I Nr. 1 — 11 a — nunmehr so beschlossen, so daß wir über die Ausschußfassung nicht mehr abzustimmen brauchen.
Ich rufe auf Ziffer 2. Nach Art. 87 b wird Art. 87 c eingefügt, wie er in der Drucksache 3416 vorliegt. Wird dazu das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Dr. Drechsel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Begründung der Bundesregierung zu dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf ist gesagt, daß das Recht des Bundes zur konkurrierenden Gesetzgebung auf dem Gebiet der Erzeugung und Nutzung der Kernenergie nach Art. 74 bereits bestehe. Der Rechtsausschuß hat diesen Standpunkt nicht uneingeschränkt geteilt. Deshalb begrüßen auch wir die Klarstellung, die durch die Einfügung der soeben beschlossenen Nr. 11 a in diesen Artikel erfolgt ist, ebenso die Erweiterung auf die ionisierenden Strahlen.
Anders liegen die Dinge bei Art. 87 c. Hier sind wir der Ansicht, daß eine solche Grundgesetzänderung nicht erforderlich ist. Wir haben in dem Initiativgesetzentwurf, welcher ,dem Hohen Hause in der Drucksache 2142 vorliegt, nachgewiesen, daß auch ein Weg möglich ist, der eine Grundgesetzänderung nicht erforderlich macht. Wir haben eine bundesunmittelbare Anstalt des öffentlichen Rechts vorgeschlagen, was auch nach Art. 87 des Grundgesetzes statthaft und möglich ist. Der Regierungsentwurf hingegen sieht vor, daß die Dinge im Wege der Auftragsverwaltung durch die Länder erledigt werden, und dazu ist eine Ergänzung des Grundgesetzes erforderlich, an sich eine Kann-Vorschrift, die aber nach dem ganzen Tenor ,des Regierungsentwurfs in der Form durchgeführt werden soll, daß die Länder im Wege der Auftragsverwaltung arbeiten. Hierin sehen wir einen so erheblichen Nachteil, daß wir dieser Grundgesetzänderung nicht zuzustimmen vermögen. Wir haben jetzt schon erhebliche Klagen darüber, daß ein Mangel an Wissenschaftlern, an Technikern bestehe und daß die finanziellen Möglichkeiten gar nicht dazu ausreichten, alle diese Forschungs- und Entwicklungsarbeiten zu erledigen und zu einem praktischen Aufbau der Atomwirtschaft zu kommen.
Wir werden nicht darum herumkommen — wenn wir wirklich an diese Dinge herangehen wollen —, eine starke Konzentrierung und Koordinierung bei all diesen Aufgaben vorzunehmen. Die Form der
Erledigung über die Länder führt nach unserer Auffassung zu einer Aufsplitterung. Meine Damen und Herren, Sie werden erleben, daß uns dieser Weg späterhin noch sehr viele Sorgen bereiten wird. Er ist auch zu fürchten, daß die Genehmigungsverfahren, die, wenn auch durch den Bund gesteuert, überwiegend bei .den Ländern liegen, und die verschiedenen Hilfestellungen, die die Länder bei den verschiedenen Programmen zu geben vermögen, diese Ungleichmäßigkeiten fördern und nicht etwa zu einer gleichmäßigen und raschen Entwicklung der ganzen Forschungs- und Aufbauarbeiten in der Bundesrepublik führen. Wir haben doch schon solche unterschiedliche Entwicklungen erlebt, die uns Kopfzerbrechen machen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Dr. Drechsel, wir sind in der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs!
Ich begründe nur die Ablehnung des von Ihnen aufgerufenen zweiten Absatzes dieser Grundgesetzänderung.
Da wir diese unterschiedliche Entwicklung nicht haben wollen, die uns Sorgen bereitet, deren Harmonisierung uns beispielsweise beim Wasserrecht wieder Mühe macht, sind wir der Auffassung, daß der Bund diese Aufgaben durch eine Bundesoberbehörde und nicht im Wege der Auftragsverwaltung durch die Länder durchführen soll. Deswegen lehnen wir den soeben vom Herrn Präsidenten aufgerufenen zweiten Teil der Grundgesetzänderung ab.
Schließlich möchte ich noch darauf hinweisen,
daß dieses Gesetz, das wir jetzt in Verbindung mit dem noch vorliegenden Änderungsantrag beraten, nur den Aufbau der Forschungs- und Entwicklungsreaktoren beinhaltet und ,daß der Bund das Gesetzgebungsrecht zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung sowieso gemäß Art. 74 des Grundgesetzes hat, so daß bei dem jetzt wahrscheinlich zur Verabschiedung kommenden Gesetz eine Grundgesetzänderung erst recht nicht erforderlich ist, jedenfalls bei diesem Rumpfgesetz nicht. Wir vermögen nicht anzuerkennen, daß hier eine Grundgesetzänderung notwendig ist. Sie bringt, wie ich darzulegen versucht habe, nur Mängel und keine Vorzüge.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall; dann schließe ich die Beratung.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Ziffer 2 des Gesetzentwurfs Drucksache 3416 — Anlage zum Ausschußbericht — zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe Art. II, der die Inkraftsetzung bestimmt, sowie Einleitung und Überschrift auf. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit verabschiedet.
Damit sind wir am Ende der zweiten Beratung. Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. — Das Wort hat der Herr Bundesatomminister Balke.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir treten jetzt in die Abstimmung über zwei Gesetze ein, mit denen die Bundesrepublik Neuland auf einem Gebiet betritt, das in Ursache und Wirkung zu den erregendsten Vorgängen in der Geschichte der Menschheit gehört. Wir sollten daher nach meiner Meinung die Verabschiedung der beiden vorliegenden Gesetzentwürfe nicht vom Gesichtspunkt des Erfolges oder Mißerfolges für die eine oder andere Auffassung betrachten. Das Gesetz ist das Ergebnis sachlicher Arbeit an sachlichen Tatbeständen, und wir können auch vom Standpunkt unserer parlamentarischen Demokratie aus zufrieden sein, daß ein solches Ergebnis möglich war. Daran ist das gesamte Hohe Haus beteiligt, unabhängig von abweichenden Standpunkten in Einzelfragen. Das Gesetz sucht einer neuen technischen Entwicklung Rechnung zu tragen, ohne daß sich seine Gestalter auf Überlieferung oder Vorbilder in dieser schwierigen Materie stützen konnten. Gesetzgeber und Bundesregierung haben sich daher bemüht, die besten Sachberater für die Ausarbeitung des Gesetzes zu finden, und ich möchte auch an dieser Stelle allen diesen Helfern herzlich und aufrichtig danken.
Das Gesetz kann naturgemäß nicht vollkommen sein, denn Wissenschaft und Technik bestimmen das Zeitmaß ihres Fortschrittes auf Grund anderer Gesetzmäßigkeiten. Aber wir haben mit diesem Gesetz die Grundlage geschaffen, auf der in unserem Staat an den technischen Aufgaben der Zukunft gearbeitet werden kann. Damit hat sich das Hohe Haus den Dank aller verantwortlichen Kräfte in unserem Volke verdient. Mit meinem persönlichen Dank als zuständiger Minister an das Hohe Haus verbinde ich den Wunsch, daß die Gewissenhaftigkeit, mit der dieses Gesetz erarbeitet und beraten wurde, ihre Wirkung auf die Handhabung der nun juristisch geregelten Naturkräfte in Wissenschaft, Wirtschaft und Politik im Sinne eines moralischen Regulativs nicht verfehlt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird in der Generalaussprache zur dritten Lesung weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die allgemeine Aussprache.
Meine Damen und Herren, da es sich um eine Grundgesetzänderung handelt, möchte ich die Schlußabstimmung über den Gesetzentwurf Drucksache 3416 durch Hammelsprung vornehmen, damit ich genau feststellen kann, daß das Erfordernis der Zweidrittelmehrheit auch erfüllt ist, wie es das Grundgesetz vorschreibt. Wir kommen also zur Auszählung. Ich bitte, den Saal zu verlassen. — Ich bitte, die Türen zu schließen. Die Abstimmung ist geschlossen.
Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der Auszählung bekannt. Abgegebene Stimmen: im gesamten 345. Mit Ja haben gestimmt 330, mit Nein 13, enthalten haben sich 2. Da das Grundgesetz bindend vorschreibt, daß zu einer Grundgesetzänderung zwei Drittel der stimmberechtigten Abgeordneten zustimmen müssen — das wären 332 —, ist die Grundgesetzänderung, da sie die notwendige Mehrheit nicht erreicht hat, abgelehnt.
— Bitte, Herr Abgeordneter Rasner zur Geschäftsordnung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, das Atomgesetz, das ja jetzt ohne die nötige verfassungsrechtliche Grundlage ist, von der Tagesordnung dieser Sitzung abzusetzen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, Sie haben den Geschäftsordnungsantrag gehört. Wird noch das Wort dazu gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Ist das Haus damit einverstanden, daß das Atomgesetz, weil ja die eigentliche Grundlage fehlt, heute abgesetzt wird? — Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist dieser Punkt heute von der Tagesordnung abgesetzt.
Ich rufe auf Punkt 12:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiete des zivilen Luftschutzes ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung (Drucksachen 3558, zu 3558). (Erste Beratung: 125. Sitzung.)
Ich erteile das Wort dem Herrn Berichterstatter, dem Abgeordneten Dr. Schranz.
Dr. Schranz , Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf auf den Schriftlichen Bericht verweisen, in dessen erstem Absatz ich darauf hingewiesen habe, daß der Haushaltsausschuß an den Beratungen des Gesetzes mitbeteiligt gewesen ist. Bei Abfassung des Berichtes lag sein Votum noch nicht vor. Er hat darum gebeten, weil er später Beschluß gefaßt hat, nach § 74 Abs. 2 der Geschäftsordnung seinen Beschluß dem Plenum vorzulegen. Er lautet:
Bei der Beratung wurde von den Vertretern der Bundesregierung erklärt, daß bei Durchführung des Luftschutzgesetzes in der jetzt vorliegenden Fassung des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung für 1957 unter Heranziehung der vorhandenen Ausgabereste keine zusätzlichen Kosten gegenüber den im Bundeshaushalt für das Rechnungsjahr 1957 veranschlagten Kosten entstehen werden.
Für die Folgejahre entstehen bei Durchführung des Dreijahresprogramms der Bundesregierung folgende Kosten:
Regierungsvorlage Ausschußfassung
Mio DM Mio DM
a) Zu Lasten des Bundes:
1958: 1. mit Einschluß der Bauten 528 708
2. ahne Bauten 240 425
1959: 1. mit Einschluß der Bauten 538 718
2. ohne Bauten 250 425
b) Zu Lasten von Ländern und Gemeinen
1958: 1. mit Einschluß der Bauten 185 96
2. ohne Bauten 120 —
1959: 1. mit Einschluß der Bauten 187 96
2. ahne Bauten 120 -
Bei Annahme des Gesetzes müssen die den Bund treffenden Kosten in die Bundeshaushaltspläne der Jahre 1958 ff. eingestellt werden. Zur Frage der Beschaffung ,der Deckungsmittel für diese Jahre unter dem Gesichtspunkt des verfassungsmäßig vorgeschriebenen Haushaltsausgleichs ist keine Stellung zu nehmen, da die haushaltsmäßige Belastung dieser Jahre und die Einnahmehöhe nicht zu übersehen sind. Die zahlenmäßigen Belastungen der Jahre 1957 bis 1959 sind oben dargestellt. Der Haushaltsausschuß empfiehlt,
a) zu § 30 eine Interessenquote der Länder von 30 % vorzusehen,
b) die Verwaltungskosten der Durchführung den Ländern aufzuerlegen,
c) in § 1 die Regierungsvorlage wiederherzustellen,
d) die Verpflichtung zur Errichtung Erichtung von Luftschutzbauten aus dem Gesetz herauszunehmen,
e) den Schutz des Kulturgutes ,in das Gesetz einzubeziehen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wir treten nunmehr in die zweite Lesung des aufgerufenen Gesetzes ein.
Ich rufe auf in der Einzelberatung § 1, dazu den Umdruck 1179 Ziffer 1 und 1229 Ziffer 1.
Ich erteile das Wort zur Begründung des Antrags Umdruck 1179 Ziffer 1 Herrn Abgeordneten Schmitt .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schon bei den Ausschußberatungen hat sich sehr deutlich gezeigt, daß der Begriff Luftschutz nicht mehr das deckt, was eigentlich durch das Gesetz erreicht werden soll. Meine Fraktion schlägt daher vor. das Wort „Luftschutz" durch das Wort „Bevölkerungsschutz" zu ersetzen. Wir bitten Sie um Annahme unseres Antrags.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wer begründet Umdruck 1229 Ziffer 1?
Herr Abgeordneter Dr. Kihn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion wünscht eine Änderung der Terminologie des Gesetzes. Nun ist der Begriff Luftschutz ein fester Begriff, der sich im Laufe der Zeit gebildet hat, und dieser Gesetzentwurf, der Entwurf eines Ersten Gesetzes über den Schutz der Zivilbevölkerung, befaßt sich eben nur mit Fragen, die den Luftschutz im bisher herkömmlichen Sinne betreffen. Infolgedessen bitte ich, es doch dabei zu belassen.
Der Begriff ,,Schutz der Zivilbevölkerung" geht viel weiter. Der Luftschutz im engeren Sinn umfaßt die Aufklärung der Bevölkerung, die Vorbereitung des Selbstschutzes, die rechtzeitige Warnung, den Gesundheitsdienst, Krankendienst und Luftschutzhilfsdienst, alles Materien, die in diesem Gesetz geregelt sind. Dagegen ist der Schutz der Zivilbevölkerung ein weiterer Begriff. Er umfaßt Evakuierung, Lebensmittelversorgung, Sicherung der Versorgungsbetriebe und des Verkehrs. Ich bitte deshalb, die Anträge abzulehnen und es bei der Terminologie des Gesetzentwurfs zu belassen.
Was den Antrag der Koalitionsparteien betrifft, so soll in § 1 ein Satz 2 angefügt werden:
Die Selbsthilfe der Bevölkerung wird durch behördliche Maßnahmen ergänzt.
Diese Bestimmung stand seinerzeit schon im Entwurf, wurde aber dann vom 8. Ausschuß als selbstverständlich abgelehnt. Nun habe ich damals schon die Auffassung vertreten, daß das leider Gottes in deutschen Landen nicht ganz selbstverständlich ist. Bei uns ruft man immer den Staat an, wenn, man in Not ist, sucht nach Staatshilfe. Jener Satz scheint mir ganz besonders deshalb notwendig zu sein, weil jetzt in § 2 die Bestimmung eingefügt worden ist, daß der zivile Luftschutz Aufgabe des Bundes ist. Daraus könnte gefolgert werden, daß eben nur der Bund dafür zu sorgen hat.
Ich bitte, diesen Änderungsantrag der Koalitionsparteien anzunehmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter Schmitt !
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nicht alles, was herkömmlich ist, muß sich durch die Gesetze immer weiter forterben. Es ist doch unbestritten, daß auch die in diesem ersten Gesetz zum Schutz der Zivilbevölkerung vorgesehenen Maßnahmen über den Rahmen von Luftschutzmaßnahmen im engeren, im alten Sinne hinausgehen. Deshalb möchte ich Sie doch noch einmal um Überprüfung bitten, ob wir unter diesen Umständen nicht doch sofort mit einer neuen Terminologie ,beginnen sollten, zu der Sie im Verlauf einer weiteren Gesetzgebung ohnehin kommen müssen. Darüber sind sich, glaube ich, die Regierungsparteien sowieso einig.
Was den Antrag auf Umdruck 1229 betrifft, so bittet meine Fraktion, den Antrag abzulehnen. Bei diesem Entwurf geht es ausschließlich darum, festzulegen, welche Maßnahmen von seiten des Bundes zum Schutz der Zivilbevölkerung getroffen werden. Hier eine besondere Pflicht der Bevölkerung, die an sich selbstverständlich ist, im Rahmen der Selbsthilfe zu statuieren, kann und soll doch nur dazu führen, finanzielle Anforderungen, die im Rahmen dieser Maßnahmen an den Bund gerichtet werden müssen, möglichst ,auf die Gemeinden, die Länder und sogar auf die Zivilbevölkerung abzuladen.
Um einer solchen Entwicklung nicht Vorschub zu leisten, bitten wir, den Antrag der Fraktion der CDU/CSU abzulehnen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird weiter das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Dr. Schranz, bitte!
Dr. Schranz : Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur ganz wenige Worte. —Für diejenigen, die sich mit der Materie ernsthaft beschäftigt haben, unterliegt es keinem Zweifel, daß es bei dem ersten Gesetz nicht sein Bewenden haben wird, sondern daß eine Reihe weitere Gesetze folgen werden. Ich würde es, Herr Kollege Kihn, für gut halten, wenn man an Stelle des Wortes Luftschutz schon jetzt den Ausdruck Bevölkerungsschutz in das Gesetz einfügte, weil wir — darauf hat der Herr Kollege Schmitt hingewiesen — in der Zukunft gezwungen sein werden, diesen Ausdruck für die folgenden Gesetze dennoch zu verwenden, um alle Tatbestände zu erfassen, die unter die Gesetze, die noch folgen werden, subsumiert werden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird weiter das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Schmitt !
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem der Herr Staatssekretär eingetroffen ist, möchte ich — ich habe bisher noch nichts gesagt, weil die Tagesordnung so schnell abgerollt ist — doch einmal fragen, ob nicht der Herr Minister, der uns auf Grund seiner Amerikareise sicher mit sehr wichtigen Erfahrungen dienen wird, auch noch im Laufe des Vormittags oder Nachmittags eintreffen wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Staatssekretär Ritter von Lex!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte um Entschuldigung, daß weder der Herr Minister noch ich selber anweisend waren; ich war im Haushaltsausschuß und bin gerade herübergerufen worden. Der Herr Minister, der beim Herrn Bundeskanzler ist, ist sofort unterrichtet worden und muß jede Minute eintreffen. Nach meiner Meinung wäre es schon wichtig, daß er selber zu diesem Gesetz spricht, vor allem wegen seiner Erfahrungen bei der Amerikareise.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Frau Abgeordnete Dr. Ilk zur Geschäftsordnung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich halte die Anwesenheit des Herrn Innenministers für so wichtig, daß ich bitte, so lange zu unterbrechen, bis der Herr Innenminister da ist. Er hat jetzt gerade neue Erkenntnisse gewonnen. Er selber hat sich auch in der ganzen Zeit immer wieder bemüht, diese Dinge vorwärtszutreiben.
Wir sollten ihn doch bitten, daß er von Anfang an dabei ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Abgeordneter Lücke!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, dem Antrag, den die verehrte Frau Kollegin Ilk hier gestellt hat, nicht stattzugeben. Es ist doch dem Hause bekannt, daß
durch die Absetzung des Atomgesetzes mehrere
Stunden Zeit gewonnen wurden. Wenn der Minister beim Kanzler ist, muß er etwas Zeit haben,
herüberzukommen. Wir sind in der Einzelberatung
und können fortfahren. Ich bitte, so zu verfahren.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, Frau Abgeordnete Ilk hat den Antrag zur Geschäftsordnung gestellt, diesen Punkt jetzt zu unterbrechen. Das würde praktisch bedeuten, daß wir jetzt die Mittagspause beginnen. Dem ist widersprochen worden. Ich muß also abstimmen lassen. Wer dem Antrag der Frau Dr. Ilk zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Der Antrag ist abgelehnt.
Wir fahren also in der Einzelberatung fort. Ich hatte vorhin gefragt, ob zu dem aufgerufenen § 1 noch das Wort gewünscht wird. — Das ist nicht der Fall; ich schließe die Beratung des aufgerufenen § 1 und komme zur Abstimmung.
Ich lasse zuerst abstimmen über den Antrag Umdruck 1179 Ziffer 1, das Wort „Luftschutz" durch den Ausdruck „Bevölkerungsschutz" zu ersetzen. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist mit Mehrheit angenommen.
Ich komme nunmehr zur Abstimmung über den Antrag Umdruck 1229, dem § 1 einen bestimmten Zusatz zu geben. Wer dem Antrag Umdruck 1229 Ziffer 1 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Wir wiederholen die Abstimmung. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, erhebe sich bitte vom Platz.
— Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Ich komme damit zu dem so geänderten § 1. Wer ihm zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen.
— Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf § 2 und dazu den Antrag Umdruck 11'79 Ziffer 2. Wer begründet? — Herr Abgeordneter Schmitt , bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mich kurz fassen. Nachdem wir die Abstimmung zu § 1 durchgeführt haben, ergeben sich die entsprechenden Konsequenzen für die weiteren Bestimmungen des Gesetzes.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Darf ich das dahin verstehen, Herr Abgeordneter Schmitt, daß damit auch die weiteren Ziffern als schon begründet gelten können, weil das eigentlich die Konsequenz der Schlußfolgerung aus dem ersten Beschluß ist? — Danke schön.
Wird weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall; dann schließe ich die Beratung und komme zur Abstimmung. Wer dem Antrag Umdruck 1179 Ziffer 2 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Wer dem nunmehr so geänderten § 2 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen eine Stimme verabschiedet.
Ich rufe auf § 3, dazu den Antrag Umdruck 1179 Ziffer 3. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Beratung und komme zur Abstimmung.
Ich lasse abstimmen über den Antrag Umdruck 1179 Ziffer 3. Wer der Ziffer 3 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen!
Wer dem so geänderten § 3 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen!
Ich rufe auf § 4 mit Umdruck 1179 Ziffer 4. Wird das Wort gewünscht? — Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die in dem Umdruck 1179 zusammengefaßten verschiedenen Anträge gehen darauf hinaus, den Ausdruck „ziviler Luftschutz" zu beseitigen und durch „Bevölkerungsschutz" zu ersetzen und die daraus sich ergebenden Konsequenzen in den verschiedenen Paragraphen zu ziehen. Darf ich dazu grundsätzlich folgendes bemerken.
Die Bundesregierung begrüßt, daß das Gesetz die neue Bezeichnung „Gesetz über Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung" erhalten hat. Damit wird deutlich gemacht, daß der zivile Bevölkerungsschutz wesentlich umfassender ist, als es der alte Begriff „ziviler Luftschutz" gewesen ist. Das ändert aber nichts daran, daß der zivile Luftschutz das Kernstück des ganzen zivilen Bevölkerungsschutzes darstellt und daß er eine Reihe von spezifischen Aufgaben umfaßt, die geradezu sein Wesen ausmachen. Die Bundesregierung ist daher der Auffassung, wenn man das Wort „Luftschutz" immer wieder durch „Zivilschutz" oder etwa das Wort „Luftschutzleiter", wie in dieser Ziffer, durch das Wort „Schutzleiter" ersetzte, würde das dem Wesen der Aufgaben, die durch dieses Gesetz gelöst werden sollen, in keiner Weise gerecht werden.
Ich darf in diesem Zusammenhang z. B. die wichtige Aufgabe nennen, die Bevölkerung über die Gefahren des modernen Luftkrieges, über die Bedeutung des Selbstschutzes der Bevölkerung, über die rechtzeitige Warnung bei Luftangriffen, über den Luftschutzhilfsdienst usw. mit allen seinen wichtigen Sparten aufzuklären. Denken Sie an den Brandbekämpfungsdienst, an den Bergungs-
und Instandsetzungsdienst, an den Sanitätsdienst, an den sozialen Betreuungsdienst usw. Überall ist es hier so, daß der Ausdruck „Luftschutz" so wichtig und auch so eingebürgert ist, daß es geradezu irreführend wäre, wenn man jetzt statt „Luftschutzleiter" „Schutzleiter", statt „Luftschutzraum" „Schutzraum" usw. sagte.
Gerade den letzten Ausdruck „Luftschutzraum" darf ich vielleicht benutzen, um meine Argumentation noch stärker zu unterstreichen. Der Ausdruck „Luftschutzraum" zeigt, wie sehr in unserer Bevölkerung mit ihren leidvollen Erfahrungen aus dem zweiten Weltkrieg der Ausdruck „Luftschutz" ein fester Begriff geworden ist, der innerhalb des weiten Begriffes „ziviler Bevölkerungsschutz" auch heute noch seine eigenständige und große Bedeutung hat. Unsere Bevölkerung verbindet damit auch heute noch bestimmte und ganz konkrete
Schutzvorstellungen. Wir werden niemand dazu bringen, statt vom „Luftschutzraum" vom „zivilen Schutzraum" und statt vom „Luftschutzleiter" vom „Schutzleiter" zu sprechen. Der Ausdruck „civil defense", zivile Verteidigung, wird — ich gebe das zu — von den Engländern und den Amerikanern gebraucht. Die Schweizer verwenden den Ausdruck „Zivilschutz". Diese Ausdrücke sind in diesen Ländern eingebürgert, sind dort der Bevölkerung vertraut und mögen dort bleiben. Unser Volk würde jeden Versuch, den Ausdruck „Luftschutz" durch einen anderen Begriff zu ersetzen, vielleicht sogar als eine Irreführung empfinden müssen.
Ich darf noch auf einen weiteren Gesichtspunkt hinweisen. Herr Abgeordneter, ich stehe nachher, wenn Sie mich fragen wollen, sogleich zur Verfügung. Für die umfassende Aufgabe der Abschirmung der Zivilbevölkerung vor den unmittelbaren Auswirkungen eines Krieges und insonderheit eines Luftkrieges — ich erinnere nur an die Evakuierungsmaßnahmen für besonders luftgefährdete Gebiete, an die Lebensmittelbevorratung, an die Aufrechterhaltung eines Notverkehrs — hat sich in der letzten Zeit immer stärker die Bezeichnung „ziviler Bevölkerungsschutz" eingebürgert. Das wird jetzt auch durch die Bezeichnung des Gesetzentwurfs als „Erstes Gesetz über Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung" deutlich geklärt und gesetzlich festgelegt. Diese zu begrüßende Klärung würde nach unserer Überzeugung vereitelt, wenn jetzt neben den Ausdruck „ziviler Bevölkerungsschutz" an die Stelle des klaren Begriffes „Luftschutz" der Begriff „Zivilschutz" oder der noch mehr verkürzte Begriff „Schutz" — Schutzleiter, Schutzraum — träte. Dann würde sofort die Frage auftauchen, was denn eigentlich der Unterschied zwischen zivilem Bevölkerungsschutz und Zivilschutz sein soll, während unsere Bevölkerung den Unterschied zwischen dem umfassenden Begriff „ziviler Bevölkerungsschutz" und dem Begriff „Luftschutz" kennt. Man sollte es daher nach Auffassung der Bundesregierung für die spezifischen Aufgaben des Luftschutzes bei diesem unserer Bevölkerung bekannten Begriff belassen. Ich würde daher bitten, die Anträge auf Änderung des Ausdrucks „Luftschutz" in dem Gesetzentwurf nicht anzunehmen, sondern es bei dieser Bezeichnung auch in Zukunft zu belassen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr. Abgeordnete Schmitt .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Staatssekretär hat hier die Sache so dramatisiert, als ob gewissermaßen durch die terminologischen Änderungen das gesamte Gesetz in Gefahr gestellt würde. Ich möchte dazu feststellen: erstens werden die Aufgaben dadurch nicht berührt. Zweitens: neben dem Begriff Luftschutzraum z. B. hat auch der Begriff Schutzraum allgemein ohne den Zusatz schon in der Vergangenheit eine große Rolle gespielt, und ich möchte mich entschieden gegen die Darstellung verwahren, als ob die begrifflichen Änderungen dazu führen sollten, die Bevölkerung irrezuführen. Wenn etwas in die Irre führt, dann ist es der Gedanke, daß mit diesen Maßnahmen bereits für die Bevölkerung ein Schutz gegeben sei.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird das Wort weiter gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Beratung und komme zur Abstimmung.
Ich lasse abstimmen über den Antrag auf Umdruck 1179 Ziffer 4. Wer ,ihm zuzustimmen wünscht, der gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Dann lasse ich abstimmen über den § 4 in der Ausschußfassung. We r zuzustimmen wünscht, der gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit verabschiedet.
Ich rufe auf § 5 in der Ausschußfassung. Änderungsanträge liegen nicht vor.
— Verzeihung, ja, Umdruck 1179 Ziffer 5. Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht?
— Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache und komme zur Abstimmung.
Ich lasse abstimmen über den Antrag auf Umdruck 1179 Ziffer 5. Wer zuzustimmen wünscht, der gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit abgelehnt.
Ich lasse nunmehr abstimmen über den § 5 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, der gebe bitte dias Handzeichen. — Gegenprobe! —Enthaltungen? — Angenommen.
Ich rufe auf § 6 mit ,dem Antrag auf Umdruck 1179 Ziffer 6. Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache und ,komme zur Abstimmung über den Antrag auf Umdruck 1179 Ziffer 6. Wer zuzustimmen wünscht, der gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen?
— Mit Mehrheit abgelehnt.
Ich rufe auf § 7, dazu Umdruck 1179 Ziffer 7.
Das ist der Zweite Abschnitt, Luftschutzwarn- und Alarmdienst. Zu dieser Überschrift ist wohl, wenn ich es jetzt materiell übersehe, Umdruck 1179 Ziffer 7 bestimmt.
Dann rufe ich gleichzeitig dazu auf den § 7 mit Umdruck 1179 Ziffer 8 und Umdruck 1229 Ziffer 2. Herr Abgeordneter Schmitt, wollen Sie das noch begründen?
— Gut, dann gebe ich das Wort zur Begründung des Antrags auf Umdruck 1229 Ziffer 2 dem Abgeordneten Dr. Kihn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! § 7 Abs. 2 Satz 2 lautet folgendermaßen:
Der Bundesminister des Innern kann im Rahmen des Luftschutzwarndienstes einen zivilen Luftbeobachtungsdienst einrichten.
Die Einrichtung dieses Luftbeobachtungsdienstes
als Ergänzung des Flugmeldedienstes ist inzwischen durch eine Vereinbarung zwischen den be-
teiligten Ministern — Minister des Innern und Minister für Verteidigung — an den Bundesminister für Verteidigung übergegangen, so daß eine Ermächtigung des Bundesministers des Innern überflüssig ist. Ich bitte, der Streichung zuzustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter Schmitt !
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion stimmt dem Streichungsantrag zu. Wir möchten jedoch Gelegenheit nehmen, den Herrn Minister des Innern zu fragen, ob und in welchem Umfang noch weitere Umorganisationen in dem Luftwarndienst vorgesehen sind oder ob noch Besprechungen oder Verhandlungen darüber im Gange sind. Wir wollen hier genaue Klarheit darüber haben, ob das nur ein Anfang des Übergangs dieser Institution ist oder ob damit die Organisation endgültig zwischen beiden beteiligten Ressorts klargestellt ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann eine bejahende Antwort zu dem letzten Teil der Frage geben und sagen, daß zwischen dem Bundesministerium für Verteidigung und dem Bundesministerium des Innern diese Abgrenzung endgültig erfolgt ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Beratung und komme zur Abstimmung.
Ich lasse zuerst über den Antrag auf Umdruck 1179 Ziffer 7 abstimmen, nach dem der Zweite Abschnitt die Überschrift „Warn- und Alarmdienst" erhalten soll. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Abgelehnt.
Damit bleibt es bei der Ausschußfassung, über die ich wohl nicht noch einmal abstimmen zu lassen brauche.
Ich rufe nunmehr § 7 und dazu den Änderungsantrag auf Umdruck 1179 Ziffer 8 auf. Wer dem Änderungsantrag auf Umdruck 1179 Ziffer 8 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit abgelehnt.
Ich lasse nunmehr über den Antrag auf Umdruck 1229 Ziffer 2, nach dem § 7 Abs. 2 Satz 2 gestrichen werden soll, abstimmen. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen.
Wer dem so veränderten § 7 — im übrigen in der Ausschußfassung — zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit großer Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf § 8 und dazu den Antrag auf Umdruck 1179 Ziffer 9.
- Ist zurückgezogen. Wird dann zu § 8 in der
Ausschußfassung das Wort gewünscht? — Das ist
nicht der Fall. Wer § 8 in der Ausschußfassung
zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen.
— Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit verabschiedet.
Nunmehr rufe ich auf § 9 sowie den Änderungsantrag auf Umdruck 1179 Ziffer 10.
— Wird auch zurückgezogen. Wird im übrigen zu
§ 9 in der Ausschußfassung das Wort gewünscht.
Das ist nicht der Fall. Dann komme ich zur Abstimmung. Wer dem § 9 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen.
— Gegenprobe! — Enthaltungen? — Soviel ich sehe, einstimmig verabschiedet.
Ich rufe auf § 10, dazu Ziffer 12 des Umdrucks 1179.
— Ziffer 12 eist zurückgezogen. Wird zu § 10 in der Ausschußfassung das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich komme zur Abstimmung. Wer
§ 10 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht,
den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe!
— Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf § 10 a, dazu Umdruck 1179 Ziffer 13.
— Wird zurückgezogen. Wer § 10 a in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe den Vierten Abschnitt des Gesetzentwurfs auf, dazu Ziffer 14 \\des Umdrucks 1179.
— Ziffer 14 wird zurückgezogen.
Ich rufe auf § 11 und Ziffer 15 des Umdrucks 1179.
— § 11 in der Ausschußfassung; wird dazu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung. Wer § 11 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? - Angenommen.
§ 12, dazu Ziffer 16 des Umdrucks 1179.
— Ziffer 16 wird auch zurückgezogen. Wer wünscht zu § 12 in zweiter Lesung das Wort? — Niemand. Ich komme zur Abstimmung. Wer § 12 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe die §§ 13 und 14 in der Ausschußfassung auf. Änderungsanträge liegen nicht vor. Wird das
Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe § 15 auf, dazu Ziffer 17 des Umdrucks 1179.
— Wird von der antragstellenden Fraktion zurückgezogen. Wird zu § 15 in der Ausschußfassung das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung. Wer § 15 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit großer Mehrheit angenommen.
Ich rufe § 16 auf, dazu Umdruck 1179 Ziffer 18.
- Ich rufe dazu auf die §§ 17 und 18. Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich komme zur Abstimmung. Wer den aufgerufenen §§ 16, 17 und 18 in der Ausschußfassung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf § 19, dazu den Umdruck 1200, Änderungsantrag der Abgeordneten Frau Dr. h. c. Weber , Dr. Arndt, Dr. Czermak und Genossen. Frau Kollegin Weber, soll der Änderungsantrag nicht begründet werden?
- Wird sonst das Wort zu dem aufgerufenen Paragraphen gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich komme zur Abstimmung über den Umdruck 1200. Er lautet:
In § 19 Abs. 2 werden an Stelle des Wortes „Zivilrechtsweg" die Worte „ordentlicher Rechtsweg" gesetzt.
Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Wir müssen die Abstimmung wiederholen. Wer dem Umdruck 1200 zustimmt, erhebe sich bitte vom Platz. — Gegenprobe! — Ist klar; abgelehnt.
Wer dann § 19 in der unveränderten Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe § 20 mit dem Antrag Umdruck 1179 Ziffer 20 auf.
- Er wird zurückgezogen. Wird zu § 20 in der Ausschußfassung das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer dem § 20 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe § 21 und dazu den Antrag Umdruck 1179 Ziffer 21 auf. — Bitte, Herr Abgeordneter Schmitt !
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion wird auch diesen Antrag zurückzuziehen. Ich habe mich nur deshalb zu Wort gemeldet, weil nach meiner Meinung die Debatte mit dem Antrag Umdruck 1229 Ziffer 8, also mit der von Ihnen vorgeschlagenen Neufassung des § 36, beginnen muß, wonach das Gesetz mit Ausnahme der §§ 21 Abs. 1 Nr. 2, 21 Abs. 2 und 23, deren Inkrafttreten durch besonderes Gesetz bis 1. Januar 1959 bestimmt werden soll, in Kraft tritt. Diese Debatte muß hier jetzt geführt werden, weil das Gesetz durch diese Schlußbestimmung materiell praktisch wieder völlig aus den Angeln 'gehoben wird. Sie machen also nach außen eine schöne Geste, indem gewisse Bestimmungen gebracht werden, und am Schluß, im § 36, erleben wir dann, daß das ganze Gesetz amputiert wird. Um die Begründung für diese Amputation müssen wir Sie, meine Damen und Herren, so leidvoll das sicher sein wird, schon bitten. Ich möchte vorschlagen, daß wir die Debatte um diese Frage hier bei § 21 führen. Die Entscheidung liegt natürlich beim Haus.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Bundesinnenminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe zunächst eine Frage an den Kollegen Schmitt zu stellen, nämlich die, ob er seinen Standpunkt zu § 21 und zum Antrag Umdruck 1229 Ziffer 8 darzulegen wünscht oder ob er den Wunsch aufrechterhält, den er während meiner Abwesenheit geäußert hat, etwas von mir zu hören. Ich möchte die Verfahrensweise wählen, die die Arbeiten des Hauses am schnellsten voranbringt. Vielleicht ist der Abgeordnete Schmitt (Vockenhausen) so freundlich, die Frage zu beantworten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, ich habe keine Möglichkeit, von hier oben auf die Art der Gestaltung einzuwirken. Ein weiterer Antrag liegt nicht vor. Sie haben Ihren zurückgezogen. Also nur § 21! Wenn die Antragsteller später einen anderen § 36 haben wollen und wenn sie ihren Antrag nicht begründen und nicht debattieren wollen, können wir sie nicht zwingen, Herr Kollege Schmitt. — Bitte sehr, Herr Minister!
Dann würde ich, Herr Präsident, wenn Sie und das Hohe Haus damit einverstanden sind, meine Ausführungen zurückstellen, bis wir zu § 36 kommen. Das ist für die Arbeiten des Hauses vielleicht das zügigste Verfahren.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird zu § 21 in der Ausschußfassung weiter .das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Beratung und komme zur Abstimmung. Wer dem § 21 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einer Gegenstimme — ich stelle sie ausdrücklich fest — angenommen.
Ich rufe § 22 und dazu den Antrag Umdruck 1179 Ziffer 22 auf. Herr Abgeordneter Schmitt , wird der aufrechterhalten?
- Wird zurückgezogen. — Dann also § 22 in der Ausschußfassung. Wird das Wort dazu gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung. Wer § 22 in der Ausschußfassung anzunehmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einer Gegenstimme angenommen.
Ich rufe nunmehr § 23 rauf mit den Anträgen Umdruck 1179 Ziffer 23 und Umdruck 1229 Ziffer 3. — Bitte, Herr Abgeordneter Schmitt .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir kommen jetzt allmählich zu den Bestimmungen des Gesetzes, bei denen es um die Frage der Kosten geht. Da die endgültige Fassung des § 23 noch nicht übersehen werden kann, solange über § 36 noch nicht entschieden ist, kann auch über unseren Antrag an dieser Stelle noch nichts Abschließendes gesagt werden. Weil sich aber unser Antrag nicht nur darauf richtet, für das Rechnungsjahr 1957 zusätzlich Mittel zur Verfügung zu bekommen, sondern weil er verlangt, daß für die Mietmehrbelastungen, die im sozialen Wohnungsbauentstehen und die gegebenenfalls getragen werden müssen, grundsätzlich der Bund die entsprechenden Mittel zur Verfügung stellt, möchten wir bitten, daß Sie unserem Antrag aus grundsätzlichen Erwägungen zustimmen, auch wenn die Sache für das Rechnungsjahr 1958 gegebenenfalls durch die Neufassung des § 36 noch nicht akut wird.
Wir haben uns in ,den beteiligten Ausschüssen sehr eingehend mit der Materie beschäftigt. Wir haben festgestellt, daß durch den Schutrzraumbau sehr große Belastungen auf die Bevölkerung zukommen. Die Mieterhöhungen, die der Herr Staatssekretär im Querschnitt angekündigt hat, lagen damals bei 9,1 %; ich nehme an, daß sich dieser Durchschnitt inzwischen noch etwas erhöht haben wird. Wir haben ferner festgestellt, daß die Auswirkungen auf den sozialen Wohnungsbau beträchtlich sein werden. Ich darf hierzu auf die Unterlagen, die das Ministerium in einer Denkschrift zur Verfügung gestellt hat, hinweisen. Es handelt sich hier um Millionenbeträge, die die Länder und die Gemeinden zusätzlich aufbringen müßten. Wir glauben, daß es bei der augenblicklichen Finanzlage im Bund, in den Ländern und den Gemeinden und insbesondere im Hinblick darauf, daß der zivile Bevölkerungsschutz eine Aufgabe des Bundes ist, nicht möglich ist, daß die Gemeinden diese zusätzlichen Mehrbelastungen tragen.
Nun ist bei den Beratungen mehrfach darauf hingewiesen worden, es müsse den Ländern möglich sein, diese Schutzraumbauten im Rahmen der ohnehin zur Verfügung gestellten Mittel für den sozialen Wohnungsbau einzuplanen. Ich darf an die lebhaften und harten Auseinandersetzungen bei der zweiten und dritten Beratung des Bundeshaushalts erinnern, als meine politischen Freunde hier rum die Erhöhung der Mittel für den sozialen Wohnungsbau kämpften. Ich darf darauf hinweisen, daß Tauch von seiten der Koalitionsparteien durchaus anerkannt wurde, es sei natürlich gut, wenn mehr Mittel zur Verfügung stünden. Die jetzt vorliegende Fassung des Gesetzentwurfs würde aber zweifellos zu einer starken Einengung des sozialen Wohnungsbaus führen und würde die vorhandenen Mittel noch entsprechend verringern. Wir legen unter allen Umständen Wert darauf, daß diese zusätzlichen Kosten vom Bund getragen werden. Daher darf ich unabhängig von der Beschlußfassung zu § 36 bitten, daß ,das Hohe Haus unserem Antrag zustimmt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort zur Begründung des Antrags Umdruck 1229 Ziffer 3 hat der Abgeordnete Dr. Kihn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion will eine grundsätzliche Änderung des § 23 des Entwurfs herbeiführen. Nach § 23 haben Bund, Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände für die Durchführung von Luftschutzmaßnahmen im öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau vom Rechnungsjahr 1957 an öffentliche Mittel zusätzlich zur Verfügung zu stellen. Diese Verpflichtung soll nun lediglich der Bund tragen. Damit wird die bisherige Finanzierung des sozialen Wohnungsbaus grundsätzlich geändert, mit der Folge, daß wesentlich höhere Bundesmittel erforderlich werden. Der Haushaltsausschuß hat der Regelung des Entwurfs zugestimmt. Wenn der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion durchginge, würde es sich um eine Finanzvorlage handeln, und es wäre die Zurücküberweisung des Gesetzentwurfs an den Haushaltsausschuß notwendig.
Ich bitte gerade im Hinblick darauf, daß wir diese Bestimmungen vorläufig nicht in Kraft treten lassen wollen, den Antrag abzulehnen und es bei der Regelung des Gesetzentwurfs, die der bisherigen Ordnung der Finanzierung des sozialen Wohnungsbaus entspricht, zu belassen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird weiter das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Engell!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die finanzschwachen Länder sind gar nicht in der Lage, zusätzlich Mittel für Luftschutzbauten im sozialen Wohnungsbau zur Verfügung zu stellen. Im Gegenteil, es sind schon erhebliche Schwierigkeiten vorhanden, die Mittel für diejenigen Vorhaben zu beschaffen, bei denen keinerlei Luftschutzmaßnahmen eingeplant sind. Wir werden daher dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion zustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung.
Ich lasse zuerst über den weitergehenden Antrag Umdruck 1179 Ziffer 23 abstimmen. Wer ihm zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse nunmehr abstimmen über den Änderungsantrag Umdruck 1229 Ziffer 3, in § 23 die Worte „vom Rechnungsjahr 1957 ab" zu streichen. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Wer dem so geänderten § 23 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
§ 24 entfällt. — Ich rufe nunmehr auf § 25 und dazu den Änderungsantrag Umdruck 1179 Ziffer 24.
-- Wird zurückgezogen. Dann rufe ich die §§ 25 und 26 in der Ausschußfassung auf. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich komme zur Abstimmung. Wer den aufgerufenen Paragraphen in der Ausschußfassung in zweiter Lesung zustimmen will, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen zwei Stimmen angenommen.
Ich rufe nunmehr auf den § 27 und dazu den Änderungsantrag Umdruck 1179 Ziffer 25.
— Wird zurückgezogen; dann bleibt es bei der Ausschußfassung. Ich rufe ferner auf den § 27 a in der Ausschußfassung. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen eine Stimme angenommen.
ich rufe nunmehr auf den Änderungsantrag Umdruck 1229 Ziffer 4, hinter § 27 a einen neuen Abschnitt V a einzufügen. — Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Kihn.
Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Nachdem die Beratungen des 8. Ausschusses abgeschlossen waren, ist an
ihn die Anregung herangetragen worden, einen
des Kulturguts vorzusehen. Der
intensiveren Schutz des Kulturguts vorzusehen
Haushaltsausschuß hat diese Frage noch behandelt und auch der Ergänzung des Entwurfs zugestimmt. Ich bitte Sie, dem Antrag ebenfalls Ihre Zustimmung zu erteilen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird das Wort dazu gewünscht? — Herr Abgeordneter Schmitt , bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion bejaht das Anliegen des Antrags. Sie möchte Sie aber darauf hinweisen, daß sich die Antragsteller keine Gedanken gemacht haben, wie die Länder die Mehrbelastungen, die sich aus dieser Einfügung ergeben, tragen sollen. So einfach kann man es sich nicht machen, daß man hier Grundsatzbestimmungen aufstellt, daß der Bundesminister des Innern allgemeine Verwaltungsvorschriften über den Umfang und die Durchführung dieser Maßnahmen mit Zustimmung des Bundesrats erläßt, und dann in einem Antrag zu § 30 Abs. 1 sagt, daß die Länder mit 30 % beteiligt werden sollen und daß sie die persönlichen und sächlichen Verwaltungskosten zu tragen haben, die aus diesen Maßnahmen erwachsen. Nach dem Sinn des Antrags kann es also gar nicht anders sein, als daß die persönlichen und sächlichen Verwaltungskosten auch bei der Sicherung von Kulturgut in vollem Umfang von den Ländern getragen werden.
Meine Fraktion sieht sich nicht in der Lage, einer solchen Regelung zuzustimmen. Sie bedauert, daß
die Antragsteller, die bemüht sind, soweit wie möglich die Kosten vom Bund abzuwälzen, den Ländern und Gemeinden zusätzliche Belastungen auferlegen. Wir sind überzeugt, daß das mit dazu führen wird, daß das Gesetz bei den weiteren Beratungen im Bundesrat auf sehr große Schwierigkeiten stößt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird das Wort weiter gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 1229 Ziffer 4 zuzustimmen wünscht, der gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einigen Gegenstimmen und vielen Enthaltungen mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe den § 28 des Gesetzes mit dem Änderungsantrag Umdruck 1179 Ziffer 26 auf.
— Der Antrag wird zurückgenommen. Ich rufe § 28 in der Ausschußfassung auf. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe den Siebenten Abschnitt auf. Es ist jetzt gleich 13 Uhr. Wir werden mit der zweiten Lesung, wie ich glaube voraussagen zu können, wegen der grundsätzlichen Debatte zu § 36 vor der Mittagspause doch nicht mehr fertig. Ich frage das Haus, ob es damit einverstanden ist, daß wir jetzt die Sitzung unterbrechen. — Ich unterbreche die Sitzung bis 14.30 Uhr.
Die unterbrochene Sitzung wird fortgesetzt.
Wir stehen in der Beratung des Punktes 12 der Tagesordnung — Luftschutzgesetz —, und zwar des § 29 zusammen mit dem Antrag Umdruck 1179 Ziffern 27 und 28. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht.
Dann komme ich zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 1179 Ziffer 27, der die Änderung der Überschrift betrifft. - Es erfolgt kein Widerspruch; angenommen.
Ich komme dann zur Abstimmung über Ziffer 28, in ,der beantragt wird, eine Änderung in § 29 herbeizuführen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über § 29. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? - E instimmig angenommen.
Ich rufe auf § 30 zugleich mit dem Änderungsantrag Umdruck 1179 Ziffern 29 und 30 sowie dem Änderungsantrag Umdruck 1229 Ziffer 5.
Wird das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Schmitt!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst
darauf verzichten, zu dem Änderungsantrag auf Umdruck 1229 Ziffer 5 Stellung zu nehmen, bis er von der Fraktion der CDU/CSU und der DP hier begründet worden ist. Ich möchte nur einige Ausführungen zu unserem Änderungsantrag Umdruck 1179 Ziffer 30 machen. Ich darf vorweg bemerken, Herr Präsident, daß wir den ersten Teil der Ziffer 30 auf Grund der bisherigen Abstimmung von heute vormittag zurückziehen, der lautet:
In § 30 Abs. 1 Satz 1 wird das Wort „Luftschutzhilfsdienstes" durch die Worte „zivilen Hilfsdienstes", das Wort „Luftschutzbauten" ersetzt durch das Wort „Schutzbauten". In Satz 2 wird das Wort „Luftschutzmaßnahmen" ersetzt durch das Wort „Schutzmaßnahmen".
Der Abs. 2 von Ziff. 30 bleibt.
Sie ziehen also ,den ersten Absatz bis zum Wort „Schutzmaßnahmen" zurück.
Meine Damen und Herren, in dem § 30 haben wir den neuralgischen Punkt des Gesetzes, nämlich ,die Frage der Kostentragung, vor uns. Wir haben hierzu einen Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 1229 vorliegen. Meine Fraktion schließt sich der Ausschußvorlage an und bittet dringend, die vom Ausschuß mit Mehrheit erarbeitete Vorlage anzunehmen. Der Luftschutz ist eine Bundesaufgabe; darüber besteht Übereinstimmung. Das ist auch die Grundlage des Gesetzes. Wir glauben nicht, daß ohne eine Änderung des Finanzausgleichs den Gemeinden und Gemeindeverbänden und den Ländern zusätzlich neue Kosten aufgebürdet werden dürfen.
Wir möchten darüber hinaus, daß die Frage der Kosten, die den Gemeinden und Gemeindeverbänden bei eigenen Schutzraumbauten entstehen, in diesem Gesetz ,auch angesprochen wird. Wir wissen, daß diese Kosten sehr erheblich sind. Ich darf nur auf die riesigen Aufwendungen hinweisen, die bei jedem Krankenhausneubau, bei allen Schulhausneubauten entstehen, weil nun einmal gerade dier Schul- und Krankenhausbau noch nicht so weit fortgeschritten ist, wie wir es alle gewünscht hätten. Ich darf nur daran erinnern, daß die Mehrheit des Hauses bei den Haushaltsberatungen unseren Bemühungen um Mittelbereitstellung für den Schulhausbau die Zustimmung versagt hat, so daß nicht nur in den nächsten Jahren, sondern auch noch in vielen Jahren in allen Städten und Gemeinden zahlreiche Schulhausbauten notwendig werden und Belastungen entstehen, die dazu führen, das deutsche Schulelend nicht nur auf 12, sondern 24 Jahre hinaus zu verlängern, weil die Kasten zum Teil verdoppelt werden. Wir glauben nicht, daß die Gemeinden und Gemeindeverbände in der Lage sind, diese zusätzlichen Kosten zu tragen. Um ihnen aber die Erfüllung ihrer Aufgaben zu ermöglichen, schlagen wir vor, daß der Bund 70 % der Kosten trägt. Nun sollen die Gemeinden sich natürlich bei den gemeindeeigenen Bauten — und das gilt auch für die öffentlichen Versorgungsunternehmen — mit einem entsprechenden Anteil beteiligen. Auf Grund der bisherigen Gesetzgebung, bei der der Bundesrat jeweils Wert darauf gelegt hat, daß die Gemeinden nicht unmittelbar angesprochen werden, haben wir deshalb ähnlich wie in dem Änderungsantrag der CDU/CSU-
Fraktion die Länder mit einer Interessenquote beteiligt, wobei wir allerdings davon ausgehen, daß diese Interessenquote weitgehend von den Gemeinden und Gemeindeverbänden getragen wird. Wir bitten Sie deshalb, im Interesse der schon schwergeprüften Städte und Gemeinden unserem Antrag zuzustimmen.
Ich möchte vor allem noch darauf hinweisen, daß es ja im wesentlichen die Städte und Gemeinden sind, die durch den letzten Krieg schon verheerend getroffen wurden Fund die jetzt mit großen zusätzlichen Kosten belastet werden sollen.
Wir bitten Sie deshalb dringend um Annahme unseres Antrags.
Wird weiter zu § 30 und den vorliegenden Änderungsanträgen dar Wort gewünscht? Herr Abgeordneter Dr. Kihn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst zu dem Änderungsantrag der Koalitionsparteien Stellung nehmen.
Der Regierungsentwurf hat seinerzeit vorgesehen, daß Bund, Länder und Gemeinden sich an den Kosten beteiligen und der Bund ein Drittel der Kasten erstattet. Im Laufe der Verhandlungen wurde dann im 8. Ausschuß mit einer Mehrheit von einer Stimme beschlossen, dem Bund sämtliche Kosten aufzuerlegen. Wir halten. diese Regelung nicht für richtig; der Haushaltsausschuß hat sie ebenfalls nicht gebilligt. Sie widerspricht auch der Finanzierung der Luftschutzmaßnahmen im Ausland, wo die beteiligten Gebietskörperschaften ebenfalls einen entsprechenden Anteil der Kosten tragen müssen. Deshalb haben wir hier den Antrag gestellt, wonach die Länder einen Anteil von 30 v. H. zu tragen haben, und hier einen Satz 3 angefügt:
Die Verpflichtung des Bundes erstreckt sich nicht auf persönliche und sächliche Verwaltungskosten.
Auch damit folgen wir der Auffassung des Haushaltsausschusses, daß eine solche Erstattung nicht erfolgen soll. Wir müssen in dieser Hinsicht erst einmal die Erfahrungen abwarten, die uns der Vollzug des Luftschutzgesetzes bringen wird. Dann wird zu prüfen sein, ob eventuell im Wege des Finanzausgleichs oder durch eine anderweitige Regelung eine Abhilfe geschaffen werden muß.
Ich bitte also, dem Antrag in Ziffer 5 a zuzustimmen; bei Ziffer 5 b des Antrags handelt es sich nur um eine redaktionelle Änderung.
Die sozialdemokratische Fraktion ihrerseits schlägt in ihrem Antrag vor, daß der Bund in den Fällen, wo eine Gemeinde oder ein Gemeindeverband als Bauherr auftritt, 70% und das Land 30 % der Kosten tragen soll. Für den Fall, daß eine Gemeinde oder ein Gemeindeverband Bauherr ist, ist also an eine Sonderregelung gedacht. die von der für die übrigen Bauherren vorgesehenen Regelung abweicht. Natürlich ist zu erwarten, daß eine solche Regelung Berufungen auf diese begünstigende Ordnung zur Folge haben wird. Auch in dieser Hinsicht kann diese Regelung natürlich zu finanziellen Folgerungen führen. Bekanntlich ist geplant, die Luftschutzbauten in Zukunft nicht so durchzuführen, daß die Luftschutzanlagen totes Kapital sind, sondern sie sollen, wie auch in an-
deren Ländern, so gestaltet werden, daß sie auch für sonstige Zwecke benutzbar sind, also sofort auch den Zwecken der Gemeinden und Gemeindeverbände zur Verfügung stehen.
Ich möchte auch hier darauf aufmerksam machen, der Antrag der SPD hätte zur Folge, daß dieses Gesetz eine Finanzvorlage wäre, die nach § 96 der Geschäftsordnung eine neuerliche Stellungnahme des Haushaltsausschusses erforderlich machen würde. Ich bitte, den Antrag abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das wesentliche Argument, das Herr Dr. Kihn hier schon mehrfach vorgetragen hat, ist immer wieder der Hinweis, daß durch Änderungen des Gesetzes eine nochmalige Beratung im Haushaltsausschuß erforderlich werde. Ich möchte ausdrücklich sagen: dafür können wir nicht die Verantwortung tragen. Wir haben alles getan, um das Gesetz so schnell wie möglich zu beraten, und Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, haben ja auch im Haushaltsausschuß die Mehrheit. Wenn Ihnen daran gelegen hätte, daß wir hier früher zu einer Beratung kommen, wäre es Ihre Aufgabe gewesen, die Beratung zu beschleunigen. Sie wollen uns gewissermaßen den Schwarzen Peter zuschieben, Ich möchte also dringend bitten, nicht mit dieser Begründung hier sämtliche Anträge abzulehnen.
Darüber hinaus glaube ich auch nicht, daß Berufungen zu erwarten sind. Jedermann weiß, daß die Gemeinden bei diesen Schutzraumbauten einschließlich der öffentlichen Versorgungsunternehmen nicht nur für die bei ihnen Bediensteten Schutzraumbauten durchführen müssen, sondern für eine große Zahl von Menschen, die diese öffentlichen Einrichtungen benutzen und die normalerweise nicht zum Bestand der Verwaltung gehören. Daraus ergibt sich durchaus eine Begründung für eine Bundeshilfe.
Nun aber zu dem eigentlichen Antrag auf Umdruck 1229 Ziffer 5. Der Antrag versucht in sehr geschickter Weise den Eindruck zu erwecken, daß es hier der Regierungsmehrheit gelungen sei, eine echte Entlastung der Länder und der Gemeinden herbeizuführen.
Die Wirklichkeit sieht aber ganz anders aus. Sie schreiben hier: „die Länder beteiligen sich mit einem Anteil von 30 vom Hundert." Aber der entscheidende Satz ist: „Sie erstreckt sich nicht auf persönliche und sächliche Verwaltungskosten." Ich bitte hier einmal die Regierung um Auskunft, wie die wirkliche Kostenverteilung zwischen Bund und Ländern ist. Wir haben heute morgen zwei Zahlen des Haushaltsausschusses von dem Herrn Berichterstatter gehört. Ich bedauere sehr, daß diese wichtigen Zahlen dem Hause nicht vorher schriftlich vorgelegen haben, damit man sie gegebenenfalls kritisch hätte durchsehen können. So sind wir zunächst einmal gezwungen, die Behauptungen des Haushaltsausschusses kritiklos hinzunehmen. Das ist eine recht unglückliche Sache. Ich nehme an, den Kollegen aus den anderen Fraktionen geht es ebenso, daß sie jetzt vor zwei oder drei Stunden die Zahlen bekommen haben und sich nun ein Bild
von den Auswirkungen dieser Zahlen machen sollen.
Wir haben im Ausschuß schon einmal sehr eingehend über die Kostenverteilung nach diesem Schlüssel gesprochen. Ich bin überzeugt, daß auf die Dauer gesehen auf diese Weise eine Kostenlast von 45 % herauskommen wird, während die Kosten der Länder und der Gemeinden wahrscheinlich bei 55 % liegen werden, so daß die echte, dringend notwendig gewordene Entlastung der Gemeinden und Gemeindeverbände, die ja auch Sie, meine Damen und Herren, in den Ausschußberatungen — ich darf hier die Herren Dr. Willeke und Lücke zitieren — angestrebt haben, mit diesem Antrag nicht erreicht wird.
Ich möchte daher nochmals dringend bitten, daß wir bei der Ausschußvorlage bleiben. Ich bitte — Herr Präsident, ich weiß im Augenblick nicht, wie das formell gehandhabt wird —, daß in dem Änderungsantrag 1229 unter Ziffer 5 a der Satz „Sie erstreckt sich nicht auf persönliche und sächliche Verwaltungskosten" gestrichen wird. Meine Fraktion beantragt zu diesem Änderungsantrag zu dem Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU namentliche Abstimmung. Ich darf also nochmals dringend bitten, unseren Antrag zu § 30 Abs. 2 anzunehmen und es im übrigen bei der Ausschußvorlage, die nach sehr eingehenden Erörterungen erarbeitet worden ist und die die Kosten dem Bund zukommen läßt, zu belassen.
Wird noch das Wort gewünscht? — Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Schranz.
Dr. Schranz : Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es kann gar keinem Zweifel unterliegen, daß sich die Gemeinden, von einigen wenigen Gewerbesteueroasen abgesehen, in ihrer Mehrzahl in einer Situation befinden, die ihnen, wenn sie die Pflichtaufgaben erfüllen wollen, zusätzliche Ausgaben nahezu unmöglich macht. Ich bitte, bei der Abstimmung zu bedenken, daß die Gemeinden, wenn sie mit diesen Aufgaben belastet werden, diejenigen Aufgaben, die sie dringend durchführen müssen, hinauszuschieben gezwungen sind und daß sie damit in eine sehr unangenehme Situation geraten.
Meine Damen und Herren, wird zu § 30 und den gestellten Anträgen noch das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Schmitt !
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte die Regierung um Auskunft im Sinne meiner vorherigen Ausführungen bitten.
Herr Abgeordneter, ich bin nicht in der Lage, jemanden zu zwingen, das Wort zu ergreifen. Aber ich sehe, der Herr Bundesminister des Innern meldet sich freiwillig.
Bei der. Beratung wurde von den Vertretern der Bundesregierung erklärt, daß bei Durchführung des Luftschutzgesetzes in der jetzt vorliegenden Fassung des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung
— das ist die Vorlage, wie sie hier vorliegt —
für 1957 unter Heranziehung der vorhandenen Ausgabereste keine zusätzlichen Kosten gegenüber den im Bundeshaushalt für das Rechnungsjahr 1957 veranschlagten Kosten entstehen werden.
Das ist auch nach wie vor unser unveränderter Standpunkt.
Für die Folgejahre entstehen bei Durchführung des Dreijahresprogramms der Bundesregierung folgenden Kosten.
Hierbei möchte ich ausdrücklich sagen — das ist jedenfalls meine Meinung —, daß diese Kosten nur geschätzt sind, so daß man nicht jede hier aufgeführte Zahl mit einem absoluten Sicherheitswert annehmen kann.
Abg. Schmitt [Vockenhausen] : Spricht das
für oder gegen den Finanzminister?)
— Herr Kollege Schmitt , da muß ich nachdenken. Die Auffassungen darüber, ob etwas für oder gegen den Finanzminister spricht, sind ja sehr verschieden. Manche würden meinen, daß etwas für ihn spricht, was über die Angaben hinausgeht, die gemacht werden; andere würden vielleicht meinen, daß etwas für ihn spricht, was unter seinen Angaben bleibt. Ich glaube also, das ist sehr eine Frage der Bewertung. — In dem Protokoll ist dann folgendes gesagt:
Regierungsvorlage Ausschußfassung Mio DM
Mio DM
a) Zu Lasten des Bundes:
1958: 1) mit Einschluß 528 708
der Bauten
— Das sind also 180 Millionen DM mehr, um die die Ausschußfassung die Regierungsvorlage verändert hat. —
2) ohne Bauten 240 425
— Das sind also 185 Millionen DM mehr als die Regierungsvorlage.
— Nein. Ich glaube aber, daß ich das beantworte, was Herr Kollege Schmitt gefragt hat.
Regierungsvorlage Ausschußfassung Mio DM
Mio DM
1959: 1) mit Einschluß 538 718
der Bauten
— Es ist immer eine Erhöhung um etwa dieselbe Millionensumme. —
2) ohne Bauten 250 425
— Das sind 175 Millionen DM mehr.
Regierungsvorlage Ausschußfassung
Mio DM Mio DM
b) Zu Lasten von Ländern und Gemeinden:
1958: 1) mit Einschluß 185 96
der Bauten
— Wohlgemerkt: Bei einer Bundesbelastung von 528 Millionen DM!
2) ohne Bauten 120 —
— Nach der Ausschußfassung soll also ohne Bauten für Länder und Gemeinden keine Belastung entstehen.
1959: 1) mit Einschluß 187 96
der Bauten 120 —
2) ohne Bauten
Nun darf ich Ihnen noch den Schluß vorlesen, um auf die Empfehlungen des Haushaltsausschusses zu kommen, die übrigens von allen Seiten des Hauses verabschiedet worden sind, was nicht allgemein bekannt ist, aber vielleicht nicht ohne Bedeutung für die weiteren Erörterungen ist:
Bei Annahme des Gesetzes müssen die den Bund treffenden Kosten in die Bundeshaushaltspläne der Jahre 1958 ff. eingestellt werden. Zur Frage der Beschaffung der Deckungsmittel für diese Jahre unter dem Gesichtspunkt des verfassungsmäßig vorgeschriebenen Haushaltsausgleichs ist keine Stellung zu nehmen, da die haushaltsmäßige Belastung dieser Jahre und die Einnahmehöhe nicht zu übersehen sind. Die zahlenmäßigen Belastungen der Jahre 1957 bis 1959 sind oben dargestellt.
Nun kommt die Empfehlung des Haushaltsausschusses. Herr Kollege Schmitt , jetzt möchte ich ein bißchen mehr sagen als das, was Sie gefragt haben.
— Entschuldigung, trotzdem würde ich es gern zur Vervollständigung meines Vortrags hier wiederholen. — Der Haushaltsausschuß hat einstimmig empfohlen,
a) zu § 30 eine Interessenquote der Länder von 30 % vorzusehen;
b) die Verwaltungskosten der Durchführung den Ländern aufzuerlegen;
c) in § 1 die Regierungsvorlage wiederherzustellen;
d) die Verpflichtung zur Errichtung von Luftschutzbauten aus dem Gesetz herauszunehmen;
e) den Schutz des Kulturgutes in das Gesetz einzubeziehen.
Ich lege einen gewissen Wert darauf, die Empfehlung zu unterstreichen, die der Haushaltsausschuß unter d) gegeben hat, nämlich, die Verpflichtung zur Errichtung von Luftschutzbauten aus dem Gesetz herauszunehmen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schmitt .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir werden also jetzt über einen Änderungsantrag der CDU/CSU beraten und ihn gegebenenfalls verabschieden, ohne daß wir in der Lage sind, die Zahlen, die Belastungen, die sich für die Gemeinden und die Länder ergeben, hier kennenzulernen. Das möchte ich hier einmal mit aller Deutlichkeit sagen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Willeke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich noch eben kurz das Wort ergreife, so möchte ich darauf hinweisen, daß ich eine zweifache Veranlassung dazu habe, einmal als Vorsitzender des Ausschusses für Kommunalpoltik, dann aber auch als Mitglied des Haushaltsausschusses. Ich möchte klipp und klar erklären, Herr Kollege Schmitt , daß wir alles getan halben, um die Gemeinden unmittelbar vor Kosten zu bewahren. Wenn wir uns in dem Umdruck 1229 die Fassung der Ziffer 5 genau ansehen, sehen wir darin ganz klar und deutlich, daß wir als Kostenträger nur haben wollen zunächst den Bund und dann, wie allerdings der Haushaltsausschuß beschlossenhat, mit einer Interessenquote von 30 % die Länder.
— Man kann natürlich mutmaßen, daß die Länder dann sagen: Wir ziehen die Gemeinden heran. Aber ich bin der Meinung, dazu besteht nicht ohne weiteres Veranlassung.
Ich muß einmal sehr deutlich darauf hinweisen, daß auch die Länder ihre Verpflichtungen haben. Wir haben den Ländern meines Erachtens in einem ganz erheblichen Umfange seinerzeit geholfen, als die 10%ige lineare Steuersenkung vermieden wurde. Dadurch wären ,die Länder zweifellos im Jahre 6662/3 Millionen DM durch die Einkommen- und Körperschaftsteuersenkung losgeworden. Das ist nicht der Fall gewesen. Wir haben keine neuen Einnahmen für ,die Länder erschlossen, haben sie aber vor einem neuen Verlust bewahrt dadurch, daß das Notopfer Berlin seinerzeit angenommen wurde.
Nun, wie dem auch sei, wir wollen hier keine große Debatte mehr über Finanz- und Steuerreform und ähnliche Dinge veranstalten. Aber ich muß einmal mit allem Nachdruck sagen, daß in keiner Weise aus dem Umdruck 1229 gelesen werden kann, daß die Gemeinden belastet werden sollen; sonst würde ich es nicht für möglich gehalten haben, die zwei Seelen in meiner Brust zu vereinigen. Ich habe im Haushaltsausschuß dem Vorschlag, 20 oder 30 % Interessenquote festzusetzen, nur unter der Bedingung zugestimmt, daß die Gemeinden davon nicht berührt werden.
— Nein, keineswegs, dem muß ich ganz entschieden widersprechen, Herr Abgeordneter Jacobi. Ich habe kein Verständnis dafür, ,daß man, sobald der Ausdruck „Länder" fällt, sofort sagt „die Gemeinden". Das halte ich gar nicht für richtig. Ich halte es für eine absolute Notwendigkeit, den Ländern
hin und wieder auch von Bundes wegen deutlich zu sagen, daß sie ganz bestimmte Verpflichtungen im Finanzausgleich gegenüber den Gemeinden haben. Ichmeine, es gibt nicht nur einen Finanzausausgleich zwischen Bund und Ländern, sondern bekanntlich — das ist Ihnen, Herr Abgeordneter Jacobi, ja bestens geläufig — vor allem auf der Länderebene gegenüber den Gemeinden.
Man könnte nun eigentlich eine Debatte über die Änderung des § 36 abwarten. Es ist in der Änderung des § 36 ein 'besonderes Gesetz gefordert. In diesem besonderen Gesetz könnte man meines Erachtens auch noch einmal ,auf die Kostenfrage zurückkommen. Herr Kollege Dr. Kihn, es ist natürlich eine Frage, ob man den Satz „Sie erstreckt sich nicht auf persönliche und sächliche Verwaltungskosten" nicht einfach streichen soll. Ich möchte aber noch einmal ganz eindeutig zum Ausdruck bringen, daß der Beschluß des Haushaltsausschusses nicht ohne weiteres im Gegensatz zu der Stellungnahme des Kommunalpolitischen Ausschusses steht. Es handelt sich hier nicht um eine Belastung der Gemeinden, sondern um die Frage, ob die Länder zu einer Interessenquote herangezogen werden sollen.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mir vorstellen, daß es für den verehrten Kollegen Dr. Willeke nicht ganz einfach ist, nun seine zwei Seelen der staunenden Bundesrepublik zu zeigen. Aber ich muß sagen, Herr Dr. Willeke, so harmlos, wie Sie die Sache dargestellt haben, ist sie doch nicht. Sie wissen genauso gut wie ich — wir wollen uns hier doch nichts vormachen —, daß die Länder und Gemeinden jetzt stärker belastet werden. Das war doch der Sinn der Regierungsvorlage. Der Herr Minister hat hier auch schon einmal mit uns darüber diskutiert und gesagt, man habe gar keine Belastungen für die Gemeinden vorgesehen. Es ist doch nur so, daß die Gesetzgebungstechnik, wie sie jetzt zwischen Bundestag und Bundesrat eingeführt worden ist, die Gemeinden ausklammert und die Regelung ihrer Verhältnisse mit den Ländern jeweils diesen überläßt. Daher ist doch mit Sicherheit damit zu rechnen, daß sich die Kosten des Luftschutzes bzw. des Bevölkerungsschutzes auch auf die Länder und Gemeinden 'auswirken werden. Wenn die Kosten, die sich aus Ihrem Antrag für die Länder ergeben und die ja hier nicht dargelegt werden konnten, die wir auf Grund der Ausschußberatungen nach vorläufigen Berechnungen, die wir angestellt haben, vermuten, zwischen 50 und 52 %, gegebenenfalls bei 55 % liegen werden, dann — dessen dürfen Sie überzeugt sein — werden die Länder derartige Kosten nicht ohne weiteres hinnehmen.
Außerdem möchte ich noch einmal mit aller Deutlichkeit sagen: wir können den Wegfall der 10 %igen linearen Steuersenkung und die Beseitigung des Notopfers Berlin doch nicht für alle Ewigkeit als Grundlage in Anspruch nehmen, um den Ländern neue Kosten aufzuerlegen. Inzwischen sind so viele Dinge passiert - wir haben gestern eine Einkommensteuernovelle mit Ausfällen für die Länder verabschiedet, wir werden morgen ein neues Besoldungsgesetz verabschieden —, daß wir hier
schlecht mit der Beseitigung des Notopfers operieren können.
Deswegen möchte ich noch einmal dringend darum bitten, es bei der Ausschußvorlage zu belassen. Für den Fall, daß der Antrag auf Umdruck 1229 Ziffer 5 wider Erwarten angenommen werden sollte, darf ich auf unseren Antrag hinweisen, den Satz „Sie erstreckt sich nicht auf persönliche und sächliche Verwaltungskosten" zu streichen, und nochmals urn namentliche Abstimmung bitten.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Könen .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen meines geschätzten Kollegen Dr. Willeke haben mich hier heraufgebracht. Ich hatte ursprünglich nicht die Absicht, dazu etwas zu sagen.
Ich weiß nicht, Herr Dr. Willeke, wo Sie Ihren Optimismus herhaben. Bei den Beratungen im Kommunalpolitischen Ausschuß haben sich die Vertreter des Innenministeriums selbstverständlichimmer wieder darauf zurückgezogen, daß vom Bund und von den Ländern, nicht aber von den Gemeinden die Rede sei. Aber sowohl die Verwaltungsseite, nämlich das Innenministerium, wie der Ausschuß für Fragen der Kommunalpolitik, an der Spitze dessen Vorsitzender, Herr Dr. Willeke, sind sich restlos darüber klar, daß die Länder die Lasten, die sie zu tragen haben, in irgendeiner Form quotenmäßig an die Gemeinden weitergeben werden. Ich bin einigermaßen verwundert, Herr Dr. Willeke. Der Standpunkt, daß es bei der Quotierung an die Länder bleibt und daß die Länder keine Weitergabe an die Gemeinden vorsehen, l ist hier zum erstenmal so stark betont worden. Wir haben in der Vergangenheit im Ausschuß immer wieder davon ausgehen müssen, daß, wenn auch die Gemeinden nicht genannt sind, sie doch an den Kosten 'beteiligt werden.
Meine Damen und Herren, wird noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann ist die Aussprache über § 30 geschlossen.
Als nächstes kommt der Antrag Umdruck 1229 Ziffer 5 a. Hierzu liegt der Änderungsantrag des Abg. Schmitt vor, den letzten Satz zu streichen, der lautet:
Sie erstreckt sich nicht auf persönliche und sächliche Verwaltungskosten.
Über diesen Änderungsantrag zum Änderungsantrag muß zuerst abgestimmt werden. Namens der SPD-Fraktion ist namentliche Abstimmung beantragt; der Antrag ist hinreichend unterstützt, da mehr als 50 Abgeordnete der SPD-Fraktion im Saal sind. Wir kommen jetzt also zur namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD, nach dem im Antrag der Koalitionsparteien, Umdruck 1229 Ziffer 5 a, der letzte Satz zu streichen ist. Wer dem Begehren der Antragsteller auf Streichung nachgeben will, stimmt mit Ja, wer dagegen ist, mit Nein. Die übrigen enthalten sich. Die namentliche Abstimmung ist eröffnet. Ich bitte die Schriftführer, die Karten einzusammeln.
Sind noch Damen oder Herren da, die ihre Stimme abzugeben wünschen? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die namentliche Abstimmung.
Ich darf bekanntgeben, daß der dritte Sonderausschuß zur 'Beratung der Verträge jetzt im Fraktionszimmer der Deutschen Partei zusammentritt.
Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der namentlichen Abstimmung*) über den Änderungsantrag der SPD zum Änderungsantrag der Koalitionsparteien bekannt. Insgesamt wurden 368 Stimmen von stimmberechtigten Abgeordneten abgegeben. Für den Änderungsantrag der SPD haben 175, dagegen 192 gestimmt. Enthalten hat sich ein Abgeordneter. Von 18 Berliner Abgeordneten stimmten 14 mit Ja, 4 mit Nein; keine Enthaltung. Damit ist dieser Änderungsantrag abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zum unveränderten Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und DP auf Umdruck 1229 Ziffer 5 Buchstabe a. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen, — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Wir kommen nunmehr zu Ziffer 5 Buchstabe b des gleichen Antrags Umdruck 1229. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Wir kommen jetzt zum Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 1179 Ziffer 30, wobei der erste Absatz gestrichen ist und nur der zweite Absatz, beginnend mit den Worten „Nach Absatz 2 wird folgender Absatz 2 a neu eingefügt ...", aufrechterhalten bleibt. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen.
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen?
— Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen nunmehr wieder zum Änderungsantrag Umdruck 1229 Ziffer 5 Buchstabe c. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Wir stimmen jetzt über § 30 mit den inzwischen beschlossenen Änderungen ab. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; § 30 ist angenommen.
§ 31 entfällt. Wir kommen damit zu § 32. Dazu liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 1179 Ziffer 31 vor.
— Der Antrag ist zurückgezogen. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem § 32 in ,der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf § 33. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer § 33 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; angenommen.
*) Vgl. endgültiges Ergebnis Seite 12855
Wir kommen zu § 34 verbunden mit den Änderungsanträgen Umdruck 1179 Ziffer 32 und Umdruck 1229 Ziffer 7.
— Der Änderungsantrag Umdruck 1179 Ziffer 32 ist zurückgezogen. Es bleibt dann als einziger Änderungsantrag Umdruck 1229 Ziffer 7 übrig. Wird hierzu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer dem Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, DP auf Umdruck 1229 Ziffer 7 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ichbitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen; einstimmig ,angenommen.
Ich lasse nunmehr abstimmen über § 34 mit der beschlosenen Änderung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Nunmehr rufe ich § 34 auf. Hierzu liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 1179 Ziffer 33 vor. Ist er auch erledigt?
— Wünscht jemand zu dem Änderungsantrag Umdruck 1179 Ziffer 33 ,das Wort? — Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 1179 Ziffer 33, dem § 34 a eine neue Fassung zu geben. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. —Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme nun zu § 34 a in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf §§ 35 und 35,a. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Paragraphen in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf § 36 und dazu den Änderungsantrag Umdruck 1229 Ziffer 8. Wird hierzu das Wort gewünscht? — Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kihn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hier handelt es sich um die Frage der baulichen Maßnahmen auf dem Gebiete des Luftschutzes, über die wir schon gesprochen haben. Es ist bekannt, daß zur Zeit die Schutzraumkonstruktionen überprüft werden. Von dem Ergebnis dieser Überprüfungen wird es abhängen, wie in Zukunft die Schutzräume technisch gestaltet werden sollen und welche finanziellen Mittel künftig aufgebracht werden müssen, um diese Schutzraumbauten herzustellen.
Aus diesem Grunde hielten wir es für zweckmäßig, die Bestimmungen über die Schutzraumbauten vorläufig nicht in Kraft zu setzen, sondern in § 36 an sich das Inkrafttreten des Gesetzes mit
dem Tage nach der Verkündung vorzusehen, jedoch mit Ausnahme der §§ 21 Abs. 1 Nr. 2, 21 Abs. 2 und 23, deren Inkrafttreten durch besonderes Gesetz bis 1. Januar 1959 bestimmt werden soll. Erst dann kann man klar sehen, erst dann wird es auch möglich sein, die finanziellen Auswirkungen zu überprüfen; es wird vor allem Aufgabe bei der Etataufstellung für das Rechnungsjahr 1958 sein, hierfür die nötigen Mittel einzusetzen. Ich bitte, dem Antrag der Koalitionsparteien zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Engell.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir glauben nicht, daß die Frage der Luftschutzbauten bisher ungeklärt ist. Wir haben jedenfalls gehört, daß genaue Untersuchungen darüber angestellt worden sind. Es ist deshalb nicht notwendig, die Baumaßnahmen wieder hinauszuschieben. Wir laufen sonst Gefahr, daß wir an der Entwicklung vorbeibauen, wenn überall neue Siedlungen entstehen, in denen keine Luftschutzeinrichtungen vorgesehen werden.
Es kommt ein weiteres hinzu. Wir haben gerade bei unserem Besuch in Schweden gesehen, daß man gewisse Luftschutzräume rentierlich gestaltet. 40 % der Kosten werden dort durch wirtschaftliche Verwertung der Räumlichkeiten aufgebracht. Wenn wir inzwischen unsere zerstörten Stadtkerne wieder zubauen, werden wir keine Gelegenheit haben, dem schwedischen Beispiel nach dieser Richtung hin zu folgen und mitten in den Stadtkern solche Luftschutzräume zu bekommen.
Wir schieben das nun hinaus und verweisen die Entscheidung, wann nun wirklich gebaut wird, auf ein neues Gesetz. Es ist keine Frist gesetzt, bis zu welchem Tage diese Bauten anlaufen sollen. Es wird wahrscheinlich so sein, daß wir in zwei, drei Jahren mit den eigentlichen Luftschutzbauten noch nicht begonnen haben und daß andere Bauvorhaben fertiggestellt werden, die dann die Berücksichtigung der Erfordernisse des Luftschutzes sehr erschweren.
Wir werden aus diesen Gründen gegen den Antrag stimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte erwartet, daß der Herr Minister jetzt Gelegenheit nehmen würde, im Zusammenhang mit § 36 uns etwas über seine Erfahrungen in den Vereinigten Staaten zu berichten. Ich darf im Namen meiner politischen Freunde doch bitten, daß Sie uns hier einiges darüber sagen. Meine Freunde werden dann gern noch einmal dazu Stellung nehmen.
Die Regierung hat auf dem Gebiet des Schutzraumbaus der deutschen Bevölkerung schon einiges geboten. Wir haben bisher überhaupt noch keinen Musterbau, der durchgeprüft ist. Alles befindet sich noch in den Vorbereitungen und in den Planungen. Diese Planungen sind hier jahrelang immer wieder vorgetragen worden, ohne daß man daran gegangen ist, sie zu realisieren.
Nun erleben wir, daß das Gestez durch den Schlußparagraphen wieder ausgehöhlt werden soll,
Ähnlich wie beim Wehrpflichtgesetz, bei dem auch die Dauer der Wehrpflicht nicht festgelegt wurde, soll hier die wunderbare Fassade eines Bevölkerungsschutzes errichtet werden. In § 36 soll nun gesagt werden, daß diese Bestimmungen erst durch ein besonderes Gesetz bis 1. Januar 1959 in Kraft gesetzt werden. Das bedeutet, daß überhaupt noch nichts darüber gesagt ist, wann der Schutzraumbau wirklich beginnt. Es bleibt dann immer noch ein Zeitraum von Jahren. Wir sehen daraus, daß Sie in keiner Weise bereit sind, mit dem Schutz der Zivilbevölkerung ernst zu machen.
Meine Damen und Herren, wir haben unseren Standpunkt gerade zu dieser Frage oft von dieser Stelle aus mit den Kollegen der Oppositionsparteien vorgetragen. Wir haben Ihnen immer wieder gesagt: Wenn es so ist, wie Sie die politische und militärische Lage beurteilen, haben Sie die Pflicht und Schuldigkeit, nicht nur in diesem Umfang und in diesem Tempo aufzurüsten, sondern auch Beträge für den Schutz der Zivilbevölkerung zu leisten. Wir wollen uns doch heute nichts vormachen. Es sind doch nicht nur die neuen technischen Erfahrungen, sondern es ist nicht zuletzt die Tatsache, daß Sie die für den Schutz der Zivilbevölkerung notwendigen Mittel, wie wir ja bei der Kostenverteilung zwischen Bund und Ländern gesehen haben, nicht bewilligen wollen.
Meine politischen Freunde sehen sich außerstande, diesem Änderungsantrag zuzustimmen.
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schmitt hat gemeint, daß jetzt der richtige Platz und Moment sei, etwas über meine Amerika-Erfahrung zu sagen. Ich würde ihm vorschlagen, daß ich das zu Beginn der dritten Beratung tue, wenn sicherlich umfassendere Ausführungen von allen Seiten gemacht werden.
Mir war im übrigen angekündigt worden, daß ich mit heftigen Angriffen der Opposition zu rechnen hätte. Da diese Angriffe einstweilen noch nicht gekommen sind, weiß ich auch noch nicht recht, wogegen ich mich verteidigen soll. Wenn sie mir aber für den Beginn der dritten Beratung in Aussicht gestellt werden, dann stehe ich den Herren natürlich gerne zur Verfügung. Ich würde also vorbehaltlich dieser Einschränkung hinsichtlich der Reihenfolge vorschlagen, daß ich im Laufe der dritten Beratung spreche.
— Lieber Herr Kollege Schröter, ich nehme an, daß Sie die Absicht haben, den ganzen Nachmittag hier zu bleiben. Dann werden Sie Gelegenheit haben, die Aufschlüsse, die Sie bekommen möchten, von mir zu erhalten.
An die Adresse des Herrn Kollegen Schmitt möchte ich nur eins sagen. Es ist etwas von dem, was ich in den Vereinigten Staaten bestätigt gefunden habe. Auch andere Staaten probieren dort erst jetzt Luftschutzbauten aus. Ich glaube, wenn wir das Ergebnis dieser Erprobungen haben werden, die praktisch, soweit wir in Frage kommen, Ende August stattfinden werden und mit deren Ergebnissen man etwa September/Oktober,
vielleicht auch etwas später, rechnen kann, wird sich herausstellen, daß das, was wir baulich vorgeschlagen haben, den modernen Erfordernissen gerecht wird. Das ist jedenfalls die Zuversicht, mit der wir diesen amerikanischen Erprobungen entgegensehen.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Ilk.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was der Herr Bundesinnenminister zum Schluß gesagt hat, bestätigt eigentlich unsere Haltung, daß es nicht richtig ist, nach dem Antrag der CDU/CSU das Kernstück aus diesem Gesetz herauszunehmen. Nehmen wir einmal an, die baulichen Maßnahmen, die von uns vorgesehen und geplant worden sind, decken sich im wesentlichen mit den Erfahrungen, die bei den Versuchen in Amerika gemacht worden sind. Dann könnte noch dieses Jahr, wenigstens zum Herbst, bei den Bauvorhaben, vor allem im sozialen Wohnungsbau, mit den Luftschutzbauten begonnen werden. Wenn wir das Gesetz jetzt verabschieden, wird es sowieso erst in einigen Wochen in Kraft treten. Dann könnte schon ein Anfang mit den Bauten gemacht werden. Es ist ja z. B. einfach untragbar, daß — um nur einen Fall von Bauten der Öffentlichkeit einmal herauszugreifen — Kasernenneubauten heute noch keine Schutzraumbauten haben können, weil die gesetzlichen Maßnahmen für solche Maßnahmen fehlen. Eine derartige Antwort bekam ich einmal von der Regierung, als ich sie auf diesen Punkt hinwies und anfragte, wie es mit den Luftschutzmaßnahmen auf dem Gebiet des Kasernenbaus steht. Ich vermag absolut nicht einzusehen, warum man die baulichen Anordnungen, die das Gesetz vorsieht, herausnimmt. Der Betrag, der jetzt schon vorhanden und im Etat vorgesehen ist, ist relativ klein. Viel könnten wir damit zunächst sowieso nicht machen. Aber wir könnten wenigstens einige wichtige Vorbereitungen treffen und bei den Neubauten schon einiges vornehmen. Sehr viel weiter würden die Gelder in der ersten Phase sowieso nicht reichen.
Meine politischen Freunde und ich sehen uns deshalb leider nicht in der Lage, dem Antrag der Koalitionsparteien zuzustimmen, weil damit praktisch der wesentliche Teil des Gesetzes annuliert würde.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schmitt !
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Minister hat ausgeführt, daß sich im wesentlichen die bisherigen Erfahrungen und Grundsätze, die er bei seinen Planungen zugrunde gelegt hat, bestätigt haben bzw. sich schon in Kürze bestätigen werden. Um so unverständlicher ist es, wenn Sie hier in § 36 zu derartigen Konsequenzen kommen.
Machen wir uns doch nichts vor! Abgesehen von der Fraktion der DP, die ihre Bereitschaft, schnell und nachdrücklich zu handeln, auch in den Ausschußberatungen stets unter Beweisgestellt hat, ist es in Wirklichkeit doch so, daß die Fraktion der CDU/CSU bisher über den Finanzminister in allen diesen Fragen nicht hinausgekommen ist. Sie hat sich zwar immer dann durchgesetzt, wenn es darum ging, für Panzer, Zerstörer, Flugzeuge und anderes Kriegsmaterial Geld zu beschaffen. Aber in dieser Frage ist sie über die ersten Ansätze nicht hinaus-
gekommen. Jetzt wird die Sache zunächst einmal wieder ad calendas graecas vertagt, und damit es nicht so schlecht aussieht, hat man sich .als Termin den 1. Januar 1959 gesetzt.
Ich möchte dringend bitten, daß das Haus diese Wege nicht geht und den Antrag der CDU/CSU ablehnt.
Wird noch weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache zu § 36.
Wir kommen zur Abstimmung über den Umdruck 1229 der Fraktion der CDU/CSU, DP , Ziffer 8, dem § 36 eine neue Fassung zu geben. Wer diesem Antrag und damit der neuen Fassung des § 36 zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen.
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen?
— Das erste war die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen, § 36 in Neufassung beschlossen.
Wir rufen nunmehr auf Einleitung und Überschrift mit den Anträgen Umdruck 1179 Ziffer 34 und Umdruck 1229 Ziffer 9. Wird hierzu das Wort gewünscht?
— Gleichlautend sind sie nicht; ich muß schon, falls nicht einer von beiden zurückgezogen wird, getrennt abstimmen lassen.
— Der Umdruck 1229 Ziffer 9 ist zurückgezogen. Damit ist die Sache vereinfacht.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD — Umdruck 1179 —, der Überschrift eine neue Fassung zu geben. Wer idem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen. Die Überschrift ist damit neu gefaßt.
Wir stehen am Ende der zweiten Beratung und kommen nunmehr zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort wird offenbar nicht gewünscht. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Wir kommen nunmehr zur Einzelberatung in der dritten Lesung.
Ich rufe auf § 1. Hierzu liegt ein Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 1231 vor. Wird das Wort gewünscht?
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Kihn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Anträge der sozialdemokratischen Fraktion auf Änderung der Terminologie des Gesetzes in den Ziffern 1, 2 und 3 des Umdrucks 1179 wurden heute angenommen, die folgenden Anträge auf Änderung der Terminologie wurden dagegen abgelehnt. Dadurch sind Inkongruenzen entstanden. Der Antrag zur dritten Beratung des Entwurfs — Umdruck 1231 — hat nun den Zweck, diese Inkongruenzen zu beseitigen. Weiter sind dann, obwohl die Anträge zurückgezogen worden waren, zu Beginn der Sitzung heute nachmittag irrtümlicherweise die Ziffern 27
und 28 des Änderungsantrags Umdruck 1179 hier
zur Abstimmung gestellt und angenommen worden.
Ich bitte deshalb, in der dritten Beratung die Änderungen in den Ziffern 1, 2 und 3 noch durch folgende Ziffern 4 und 5 zu ergänzen:
Die Überschrift dies Siebenten Abschnittes „Bundesverband für zivilen Bevölkerungsschutz" wird ersetzt durch das Wort „Bundesluftschutzverband".
In § 29 werden die Worte „Bundesverband für zivilen Bevölkerungsschutz" ersetzt durch das Wort „Bundesluftschutzverband".
In Absatz 2 wird das Wort „Bundesluftschutzverband" eingefügt an Stelle der Worte „Bundesverband für zivilen Bevölkerungsschutz".
In die Nrn. 1 und 2 wird wieder eingesetzt das Wort „,Luftschutzmaßnahmen" an Stelle des Wortes „Schutzmaßnahmen".
Herr Abgeordneter Dr. Kihn, ich darf Sie bitten, den Antrag schriftlich heraufzureichen.
Wird noch das Wort gewünscht zu § 1? — Das ist nicht der Fall.
Ich lasse abstimmen über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 1231 Ziffer 1. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; der Antrag isst angenommen.
Ich lasse abstimmen über §1 mit der nunmehr beschlossenen Änderung. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! —Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; § 1 ist verabschiedet.
Ich rufe auf den § 2 mit Umdruck 1231 Ziffer 2. Wer zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen.
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen?
— Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Ich lasse abstimmen über § 2 mit der nunmehr beschlossenen Änderung. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; § 2 ist angenommen.
Ich rufe auf den § 3 gemeinsam mit dem Umdruck 1231 Ziffer 3. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Ich lasse abstimmen über den Umdruck 1231 Ziffer 3 der Fraktion der CDU/CSU. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Ich lasse nunmehr abstimmen über § 3 mit der nunmehr beschlossenen Änderung. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; § 3 ist angenommen.
Die weiteren, vom Herrn Abgeordneten Dr. Kihn gestellten Änderungsanträge liegen bis zum Augenblick hier nicht vor; ich kann nur über schriftlich eingereichte Anträge abstimmen lassen.
— Ich muß nämlich jetzt den § 29 aufrufen, aber nur, wenn ein Antrag vorliegt.
Wenn das Hohe Haus auf die schriftliche Vorlage des Antrags verzichtet und sich damit begnügt, daß er noch einmal hier im Wortlaut verlesen wird, dann können wir die Sache heilen.
— Also ich sehe: Das Hohe Haus ist auf allen Seiten so fair, dem stattzugeben. Ich bitte dann den Abgeordneten Dr. Kihn, noch einmal seinen Antrag zu § 29 und zur Überschrift des Siebenten Abschnitts 'im Wortlaut zu verlesen.
Also in Ablehnung der Ziffer 27 des Antrags der sozialdemokratischen Fraktion, Umdruck 1179, soll in der Überschrift des Siebenten Abschnitts an die Stelle des Wortes ,,Bundesverband für zivilen Bevölkerungsschutz" das Wort „Bundesluftschutzverband" treten.
— Also die Überschrift des Siebenten Abschnitts „Bundesverband für zivilen Bevölkerungsschutz" wird ersetzt durch das Wort „Bundesluftschutzverband".
Der Abgeordnete Dr. Kihn will offenbar die Überschrift der Ausschußfassung wieder herstellen.
Hierüber kannen wir abstimmen lassen. — Oder wird hierzu noch das Wort gewünscht?
Wer dem Antrag des Abgeordneten Dr. Kihn bzw. der Fraktion der CDU/CSU — ich nehme an, daß der Antrag von der Fraktion übernommen wird, was in der dritten Lesung ja notwendig ist — zuzustimmen wünscht, die Überschrift der Ausschußfassung wieder herzustellen, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Her Abgeordneter Kihn, bitte den nächsten Antrag.
Dasselbe gilt für § 29. Auch hier wird die Ausschußfassung wieder hergestellt. Soll ich das noch im einzelnen vorlesen?
Ich stelle fest, meine Damen und Herren, daß bei § 29 die Ausschußfassung wieder hergestellt und der auf Grund des Antrags Umdruck 1179 Ziffer 28 gefaßte Beschluß beseitigt werden soll. Ist das klar? — Das Hohe Haus ist sich durchaus klar darüber. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann lasse ich über diesen Antrag abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen.
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen?
— Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen. Bei allgemeinem fairem und loyalem Entgegenkommen lassen sich auch diese Dinge erledigen.
Dann rufe ich § 30 Abs. 1 auf. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD vor. Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich noch einmal um den eben mit knapper Mehrheit abgelehnten Antrag, den letzten Satz in § 30 Abs. 1, daß sich die Verpflichtung des Bundes nicht auf die persönlichen und sächlichen Verwaltungskosten erstreckt, zu streichen. Dieser Satz bedeutet, daß diese Kosten hundertprozentig den Ländern und damit natürlich auch den Gemeinden auferlegt werden. Sicher haben eine Reihe von Damen und Herren der Koalition vorhin infolge der Mittagspause die Diskussion nicht mitverfolgt. Ich möchte dringend bitten, daß zumindest dieser Antrag angenommen wird, der eine gewisse Erleichterung für die Länder, vor allem aber für die Gemeinden und die Gemeindeverbände bringen würde. Ich darf im Namen meiner Freunde um Annahme bitten.
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ichbitte, diesen Antrag abzulehnen. Die persönlichen und sächlichen Verwaltungsausgaben müssen sozusagen nach einer allgemeinen Regel so bleiben, wie es gerade in der zweiten Beratung beschlossen worden ist. Das ist ein Standpunkt, wie er sich selbst beim Bundesrat in den zahlreichen Beratungen des Vermittlungsausschusses immer durchgesetzt hat, und ich bitte, an dieser Übung festzuhalten, weil sie für unser gesamtes System notwendig ist.
Wird weiter das Wort gewünscht? — Frau Abgeordnete Dr. Ilk!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister, ich muß Ihnen leider insofern etwas widersprechen, als nach der derzeitigen Fassung des Gesetzes die Hauptlast der Kosten jetzt praktisch die Gemeinden treffen würde, wenn Sie den Passus beibehielten. Denn was bleibt jetzt eigentlich bei dem Gesetz noch sehr viel anderes übrig als Verwaltungsmaßnahmen, die vorerst getroffen werden können? Wenn die baulichen Maßnahmen herausgenommen werden, sind in dem Gesetz nur noch sehr wenige Dinge, die nicht in erster Linie Verwaltungsmaßnahmen wären, und dann würden praktisch die Gemeinden mit diesen Kosten erheblich belastet sein. Das wäre für die Gemeinden unverhältnismäßig viel.
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte an die Adresse der Frau Kollegin Ilk nur zwei Dinge sagen. Die Aufstellung des Luftschutzhilfsdienstes und die Arzneimittelbevorratung verursachen zunächst wahrscheinlich die höchsten Kosten. Es trifft also nicht zu,- was Frau Kollegin Ilk gesagt hat. Es ist mit Sicherheit nicht so, daß die Gemein-
den etwa den schlechteren Teil hierbei wählen würden.
Wird weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache zu § 30.
Ich lasse abstimmen über den Ihnen bekanntgegebenen Änderungsantrag der Fraktion der SPD, den letzten Satz von § 30 Abs. 1 zu streichen. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Damit sind alle Einzelanträge erledigt. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Es wird das Wort zur Abgabe von Erklärungen gewünscht.
— Der Reihe nach, Herr Abgeordneter Schmitt!
Zuerst kommt der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich spreche in ,der Tat nur deswegen vor dem Herrn Kollegen Schmitt , weil ich mich nicht dem Verdacht aussetzen möchte, daß es erst der Angriffe auf mich bedürfe, um mich aus einer gewissen Reserve herauszulocken. Sie werden mir hoffentlich attestieren, daß dieser Verdacht, sollte er erhoben werden, unbegründet wäre.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte zunächst folgendes in Erinnerung rufen: Die Arbeiten an dem Luftschutzgesetz oder, wie es jetzt heißt, an dem Gesetz über Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung gehen weit zurück, nämlich in die Zeit meines verstorbenen Amtsvorgängers. Diese Arbeiten haben einen besonderen Akzent erfahren, als im Jahre 1954 — das war nach meinem Amtsantritt — eine ,gemischte Kommission von Sachverständigen u. a. die Vereinigten Staaten besucht hat, um ein Programm aufzustellen, das der inzwischen eingetretenen Wandlung in der technischen, militärischen, strategischen usw. Entwicklung Rechnung tragen würde. Sie alle haben seinerzeit diesen Bericht bekommen. Er ist die Grundlage für das erste und vorläufige Luftschutzprogramm der Bundesregierung gewesen. Daß dieser Bericht und das daraufhin aufgestellte Luftschutzprogramm der Bundesregierung nun nicht etwa ein reiner Versuch gewesen ist, der durch die Entwicklung später alle paar Monate hätte überholt werden können, bitte ich aus einer einzigen Tatsache zu entnehmen, und zwar daraus, daß drei von den 18 Unterzeichnern der sogenannten Göttinger Erklärung uns nach Abgabe ihrer Erklärung zu gewissen Atomproblemen wieder bestätigt haben, daß nach ihrer Auffassung das Luftschutzprogramm der Bundesregierung, das zum Teil in diesem Gesetz niedergelegt ist, auch ,den Erfahrungen standhielte, die ,man in ,der Zwischenzeit, sagen wir einmal grob: zwischen 1954 und 1957, gemacht hat.
Das ist, glaube ich, gut zu wissen, wenn man sich gleichzeitig über folgendes klar ist: Auf dem Gebiet der Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung gibt es ebenso ein Tasten wie auf dem Gebiet der militärischen Verteidigung. Nun gibt es die sehr merkwürdige Tatsache, daß den Militärs die Wandlung der Betrachtungen und der Auffassungen nicht so sonderlich nachgerechnet wird, ihnen sogar zum
Lobe dient, während man von denjenigen, die für die zivile Verteidigung verantwortlich sind, offenbar eine ganz andere Haltung und Grundeinstellung verlangt. Das ist in diesem Lande so, das ist aber offensichtlich auch in den Vereinigten Staaten so. Es gilt als sehr modern, wenn das militärische Programm von heute gänzlich anders aussieht oder in wesentlichen Punkten stark verändert erscheint gegenüber einer Betrachtung vor wenigen Jahren, während man auf dem Gebiet des zivilen Bevölkerungsschutzes offensichtlich eine wesentlich orthodoxere Grundhaltung glaubt erwarten zu können. Ich sage das deswegen, weil ich damit bereits auf einen Punkt gekommen bin, ,den wir bei Auseinandersetzungen in anderen Parlamenten — insbesondere auch in den Vereinigten Staaten — beobachten können. Die Kritik an dem Stand der Vorbereitung von Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung ist offensichtlich im Gegensatz zu der relativ wohlwollenden Betrachtung, der sich alle militärischen Maßnahmen immer erfreuen, einerseits sehr heftig; zum andern aber ist auch die Bereitwilligkeit der Parlamentarier in anderen Ländern, an den Schutz der Zivilbevölkerung mit großen Entschlüssen heranzugehen, offenbar nicht ganz so, wie man es vielleicht zunächst erwarten möchte.
Was uns angeht — und das ist die erste Feststellung, die ich treffen möchte —, so glauben wir heute sagen zu können — genau wie wir das gesagt haben, als diese Gesetzesvorlage eingebracht wurde —, daß die Vorlage in ihrer vorläufigen Begrenztheit doch auf der richtigen Linie ist und sicherlich ein wesentliches Stück zum Schutze der Zivilbevölkerung auf diesem speziellen Gebiet beitragen wird.
Ich will das konkreter bezeichnen. Weniger umstritten als die Fragen der 'baulichen Maßnahmen, die ja eigentlich ,auch hier den letzten Teil der Auseinandersetzungen bestreiten, sind die allgemeinen Maßnahmen. Ich glaube, daß ,die Vorstellungen, die uns leiten, über Luftschutzwarn- und Alarmdienst, über Luftschutzhilfsdienst, über Arzneimittelversorgung und über die Errichtung einer Organisation, wie wir sie praktisch schon weitgehend in dem Bundesluftschutzverband vor uns haben, absolut richtig sind, wobei man hier ganz offen sagen muß — aber das ist ja weiter kein Geheimnis —, daß uns die Vereinigten Staaten auf dem Gebiet des Luftschutzwarn- und Alarmdienstes ein beträchtliches Stück voraus sind. Das liegt aber daran, daß der Lufschutzwarn- und Alarmdienst natürlich auf einer militärischen Grundlage und auf militärischen Voraussetzungen basiert, die bei uns einstweilen nicht gegeben waren, aber im Werden begriffen sind.
Was den Luftschutzhilfsdienst angeht, so wird er, glaube ich, in seiner Notwendigkeit von keiner Seite ernstlich bestritten. Daß eine Arzneimittelbevorratung, die sich bei uns noch in den Anfängen befindet, notwendig ist, wird auch von allen Seiten zugegeben werden. Auf diesem Gebiete gibt es ebenfalls in den Vereinigten Staaten größere Vorkehrungen als bei uns. Aber auch das erklärt sich aus dem zeitlichen Vorsprung, den die militärischen Maßnahmen dort bisher gehabt haben.
Ich darf also vielleicht gleich einmal auf den eigentlichen Streitpunkt kommen: Wie steht es mit den baulichen Maßnahmen? Meine Damen und Herren! Was die baulichen Maßnahmen angeht, so ist die Diskussion in den Vereinigten Staaten dar-
— Lieber Herr Schmitt , wir sind doch in jeder Beziehung unendlich bescheidener als die Vereinigten Staaten. Ich versuche hier auch nur, objektiv zu berichten, um zu zeigen, daß auch all die Leute, denen ihre Zivilbevölkerung natürlich genauso lieb ist wie uns unsere Zivilbevölkerung, auf viele, viele Probleme stoßen, die sie zum Teil bisher eben nicht etwa vollkommener als wir gelöst haben, sondern bei denen sie im Planen und im Suchen sind. Wenn Sie die dortige Umstellung von einem jahrelang intensiv betriebenen und in Teiloperationen geübten Evakuierungsprogramm auf ein Bautenprogramm beachten, dann sehen Sie, daß diese Umstellung die Dinge natürlich auch vom finanziellen Standpunkt aus entscheidend verändert.
Um das Resümee daraus zu ziehen, möchte ich sagen, daß alles, was wir auf dem Gebiet des Warn- und Alarmdienstes, des Hilfsdienstes, der Arzneimittelbevorratung und des Ausbaus des Bundesluftschutzverbandes tun können, Aufgaben sind, die mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln relativ schnell und gut bewältigt werden können. Dazu kommt natürlich, daß wir die Überzeugung haben, uns auf eine große Zahl von in Erster Hilfe usw. ausgebildeten Helfern stützen zu können, was ich hier schon gelegentlich erwähnt habe.
Bei der Atomberatung ist neulich etwas ironisiert worden, daß ich davon gesprochen habe, daß in Deutschland in den vergangenen Jahren eine Million Menschen in erster Hilfe ausgebildet worden sind. Es ist gefragt worden, ob die Betreffenden eine genügende Unterrichtung über den letzten Stand der Wirkung radioaktiver Niederschläge gehabt hätten. Nun, ich habe drüben auch die Frage des Ausbildungsstandes sehr sorgfältig geprüft. Ich habe eine lange Unterhaltung mit dem General Gruenther gehabt, von dem Sie wissen, daß er seine frühere militärische Tätigkeit jetzt mit der des Präsidenten des amerikanischen Roten Kreuzes vertauscht hat. Daraus ging hervor, daß man dort in der Tat auch in den Rot-KreuzKursen, ähnlich wie wir sie hier haben, eine —
nach dortiger Meinung — den modernen Erfahrungen entsprechende Ausbildung hinsichtlich der, sagen wir einmal abgekürzt: radioaktiven Wirkung in ein kurzes Ausbildungsprogramm einbeziehen kann. Das sind alles Dinge, die wir auch hier werden tun können.
Sie werden nun fragen — wenn ich die Frage nicht sofort beantworte, würde ich sie wahrscheinlich nachher beantworten müssen —, welches der Standpunkt der Bundesregierung auf dem Gebiete der Bauten ist und welche Politik wir einzuschlagen beabsichtigen. Die Bundesregierung steht nach wie vor auf dem Standpunkt, daß wir ein Land sind, das Luftschutzbauten brauchen wird; ganz gleichgültig, was die Engländer für sich sagen mögen oder was vielleicht die Franzosen oder die Belgier oder die Niederländer tun mögen. Wir sind uns aber darüber klar, daß das Dinge sind, die man vernünftigerweise nur Schritt für Schritt erreichen kann. Dazu gehört die Wiederinstandsetzung alter Luftschutzbauten. Dazu gehört, glaube ich jedenfalls, daß man das Augenmerk in erster Linie auf ein Mehrzweckprogramm richtet, wie ich es gerade geschildert habe. In Zukunft sollte den modernen Sicherheitserfordernissen in der Weise Rechnung getragen werden, daß die Räume nicht tot und nutzlos sind, sondern modern und vielseitig verwendungsfähig. Das ist eine Aufgabe, die lösbar erscheint und die bei unseren Technikern, Architekten und Ingenieuren usw. sicherlich auf genügende Unterstützung, genügende Einfälle und Tatkraft stoßen wird, um sie realisieren zu können.
Bleibt die Frage: Wie steht es mit den Luftschutzbauten in Wohnhäusern und in neuen industriellen Anlagen? Das läuft alles letztlich auf das Problem hinaus, wie es mit der Finanzierung solcher Bauten steht. Dazu kann ich Ihnen nur sagen, es gibt kein Land in der Welt — ich bitte, mich sonst eines anderen zu belehren —, das es etwa unternehmen könnte, allen Privaten, allen industriellen Betrieben usw. Luftschutz in baulicher Form gratis und franko zur Verfügung zu stellen; das gibt es einfach nicht.
— Ich komme auf den Punkt, der zur Debatte steht. Was zur Debatte steht, ist die Frage, welche Art von Zwang in dieser Richtung ausgeübt werden soll, Herr Kollege Schmitt .
— Nun, diese Art von Zwang kann nur der Gesetzgeber ausüben; irgendwelche andere Erzwingungsmöglichkeiten wird es schwerlich geben. Es steht also die Frage zur Debatte, von welchem Zeitpunkt an bei der Errichtung von Neubauten oder bei industriellen Bauten dieser Zwang ausgeübt werden soll. Da kann ich sehr wohl verstehen
— mehr möchte ich dazu nicht sagen —, daß von der Mehrheit dieses Hauses gesagt wird: Bevor wir diesen Zwang definitiv beschließen, möchten wir erst gern eine umfassendere Unterrichtung über das haben, was sich bei den neuesten Versuchsexplosionen ergeben wird. Warum? Wir denken selbstverständlich bei allem, was wir tun, auch an Angriffe mit „konventionellen Waffen". Realistischerweiser müssen wir aber auch Angriffe mit gar nicht konventionellen, sondern mit hochmodernen Waffen in Rechnung stellen. Für solche Erprobungen haben wir drüben gerade Hilfs- oder
jedenfalls zur Erprobung geeignete Bunker errichtet. Ich kann mir sehr wohl denken, daß man sagt — und das ist ja auch hier gesagt worden —: Diese Ergebnisse wollen wir kennenlernen, bevor wir es auf uns nehmen, den Zwang auszuüben, daß jeder Neubau, ob privater oder industrieller Art, Luftschutzräume erhalten muß. Das ist doch nur die Frage, ohne daß irgendein Zweifel daran gelassen wird, daß die Notwendigkeit baulicher Luftschutzmaßnahmen nach wie vor bejaht wird. Ich glaube auch nicht, daß der hier genannte Jahresbeginn 1959 der früheste Termin zu sein braucht, sondern mir schwebt viel eher vor — ich weiß nicht, wieweit sich das mit den Auffassungen der künftigen Mehrheit dieses Hauses decken wird —, daß man gegebenenfalls in einer Initiative des Hohen Hauses sehr schnell die Folgerungen aus dem Ergebnis der jetzt laufenden Versuche ziehen kann. Das braucht keine Sache jahrelanger Gesetzesvorbereitungen zu sein, sondern wenn man sich entschließt und es auf sich nimmt, den Zwang auszusprechen, wird man zu einem sehr frühen Zeitpunkt nach den Ergebnissen der Versuche den Entschluß in die Tat umsetzen können. Deswegen wäre es sicherlich falsch, zu behaupten, daß hier irgend etwas ad calendas graecas vertagt werde. Davon kann, wie mir scheint, keine Rede sein, wenn man sich erst einmal grundsätzlich zu einem Bauprogramm bekannt hat. Dieses Gesetz enthält auch — und das ist sehr wesentlich; ich kenne kein Land, das uns dann darin voraus wäre — ein grundsätzliches Bekenntnis zu einem Bauprogramm.
Dieses Bauprogramm wirft dann eine finanzielle Frage besonderer Art aut: Was geschieht, um für die sozial Schwächsten — ich drücke mich einmal einfach aus — zu verhindern, daß aus zusätzlichen Baukosten notwendig höhere Mieten erwachsen? Sie wissen, daß das Luftschutzprogramm der Bundesregierung dafür nicht unerhebliche Beträge vorgesehen hat. Ich bin der Meinung, daß, sobald der Zwang für alle Neubauten ausgesprochen wird, in der Tat für die sozial Schwächsten diese Unterstützung gegeben werden muß. Darüber liegen grundsätzliche Beschlüsse der Bundesregierung vor, wie dem Hohen Hause bekannt ist.
Damit, glaube ich, schließt sich der Kreis der Betrachtungen. Wir müssen vielleicht stärker, als das bisher geschehen ist, dem deutschen Volk folgendes klarmachen. Luftschutz bedeutet einfach Lebensversicherung, sicherlich eine sehr unangenehme und eine sehr lästige Lebensversicherung; aber wer immer könnte ,auf den Gedanken kommen, daß sich nicht etwa alle an den Kosten dieser sie selbst betreffenden Lebensversicherung zu beteiligen hätten?! Wenn ich sage: „alle", dann heißt das Bund und Länder und Gemeinden, je nach dem Verhältnis ihrer Kräfte, über das im einzelnen zu sprechen sein wird; es heißt aber auch Private, es heißt aber auch Wirtschaft, immer mit der Einschränkung, daß die Allgemeinheit verpflichtet ist, dabei den sozial Schwächsten zu helfen. Es gibt Luftschutz ebensowenig kostenlos wie Militärschutz, Polizeischutz oder sonstigen Versicherungsschutz. Wir täten sehr schlecht daran, wenn wir etwa in unserem Volk die Illusion aufkommen ließen, ,als ob das Ganze schon irgendwie von einer Stelle aus allen gratis und franko zur Verfügung gestellt werden könnte. Daß das für viele eine sehr lästige Erkenntnis ist, liegt auf der Hand. Dieser Schutz ist auch nicht gerade eine Aufgabe, die einen mit großer Begeisterung
erfüllen kann, aber es ist eine notwendige Aufgabe, und sie muß deswegen erledigt werden wie so viele andere notwendigen Aufgaben. Ich meine aber, daß wir, wenn dieses Gesetz, so wie es jetzt vorliegt, verabschiedet wird, auf dem Gebiet der Ausführung eines Programms, das wir uns gesetzt haben, ein großes Stück weiterkommen. Daß das ein noch unvollkommenes Stück ist, wird niemand bestreiten; daß das in manchem ein noch tastendes Unterfangen ist, wird auch niemand bestreiten. Aber hiermit wird ein tatsächlicher Anfang gemacht, den in ganz kurzer Zeit, wie ich glauben möchte, der 3. Bundestag fortsetzen kann. Der 1. Bundestag ist mit dieser Aufgabe nicht mehr fertig geworden. Der 2. Bundestag hat nicht nur ein beträchtliches Stück Wehrgesetzgebung abgeschlossen, sondern er machte auch zum erstenmal ein Gesetz zum Schutze der Zivilbevölkerung auf einen sehr, sehr schwierigem Gebiet. Ich glaube, daß das ganz sicher zu den bedeutenderen Leistungen dieses 2. Bundestages gerechnet werden wird.
Ich möchte diese Gelegenheit dazu benutzen, noch einen anderen Gedanken anzudeuten, der mir gerade drüben wieder besonders plastisch vor Augen getreten ist. Wir müssen uns darüber klarsein, daß alles, was wir zum Schutze der Zivilbevölkerung, also sagen wir einmal alles, was wir für einen Notstandsfall planen, noch beträchtlicher gesetzlicher Vorkehrungen auf anderen Gebieten bedarf. Wir müssen für einen gedachten — hoffentlich nur gedachten — Ernstfall eine schon im Schatten vorhandene Organisations- und Befehlseinrichtung haben. Das eröffnet für alle ,diejenigen, die sich der Schwierigkeiten bewußt sind, auf der Basis des Grundgesetzes zwischen Bund, Ländern und Gemeinden zu einer ,befriedigenden Gestaltung eines Notstandsrechts zu kommen, gewaltige Perspektiven der Aufgaben. ich habe sehr die Hoffnung, daß wir uns auch dieser Aufgabe mit Ihrer aller Unterstützung inallernächster Zeit intensiv werden widmen können.
Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, als ob ich hier in irgendeiner Beziehung etwas anderes als völlig nüchtern und realistisch wäre. Ich sehe diese Dinge weder mit Optimismus noch mit Pessimismus, sondern ich sehe sie so nüchtern, wie die nüchternen Leute in anderen Ländern sie auch sehen. Die nüchternen Leute sehen sie so, daß, wenn die Anstrengungen, die notwendig sind, auf alle gleichmäßig verteilt werden und wenn sie ohne Übertreibung, aber auch ohne saumseliges Zögern betrieben werden, nach dem Maß der Erfahrungen und Erwartungen ein Schutz der Zivilbevölkerung gesichert werden kann. Aus den Erfahrungen des 2. Weltkrieges wissen wir schon, ,daß es einen hundertprozentigen Schutz nicht gibt. Es ist auch nicht unsere Aufgabe, vorzugaukeln, daß es einen hundertprozentigen Schutz gibt. Unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, daß auch unter schlimmen Bedingungen möglichst viele Menschen gerettet werden. Dieses Ziel ist groß genug, um dafür den Aufwand, den wir zu wagen bereit sind, auf jeden Fall auf uns zu nehmen. Ich glaube, daß ,dieses Gesetz ein Stück Weg in dieser richtigen und notwendigen Richtung ist.
Meine Damen und Herren! Da diese Ausführungen des Herrn Bundesministers des Innern aus der Mitte des Hauses
nachdrücklich gefordert worden waren, habe ich sie hier an dieser Stelle stattfinden lassen, obwohl es an sich die Übung des Hauses ist, jetzt nur noch Erklärungen abzugeben.
Herr Abgeordneter Schmitt !
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die letzten Ausführungen des Herrn Ministers könnten mich eigentlich veranlassen, einmal in sehr tiefgründiger Weise darüber zu sprechen, wer immer, wenn der Versicherungsfall, von dem er gesprochen hat, eintritt, die Zeche bezahlen muß. Das sind doch immer die Millionen einfacher Menschen draußen im Lande. Demgegenüber gibt es eine gewisse Schicht, die mit großer Genugtuung feststellen kann, daß sie in allen Kriegen und Inflationen immer nur reicher geworden ist. Das möchte ich hier einmal mit aller Deutlichkeit gesagt haben.
— Der Herr Minister hat das hier so angesprochen. Darum wollte ich das nur ganz allgemein gesagt haben.
— Herr Lenze, ich habe nur die Ausführungen des Herrn Ministers weitergeführt. Wenn Sie das allgemein beziehen, dann bitte!
Nun zu den allgemeinen Ausführungen des Herrn Ministers die er hier jetzt gemacht hat. Ich muß Ihnen ganz offen sagen, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien: was sich hier bei der Beratung dieses ersten Gesetzes zum Schutze der Bevölkerung abgespielt hat, ist für die Art, wie das Parlament von seiner Regierung Bericht erwartet, nicht gerade sehr glücklich. Da fährt 'der für den zivilen Bevölkerungsschutz verantwortliche Ressortminister nach den USA, nach den Pressemeldungen und nach den Rundfunkmeldungen bringt er wichtige Erkenntnisse mit, und dann erklärt dieser Ressortminister von diesem Platze aus: Meine Damen und Herren, ich wollte eigentlich nicht dazu reden, ich will zunächst einmal warten, ob mich die Opposition angreift. Sie, meine Damen und Herren, warten und fragen überhaupt nicht nach diesen Erkennntnissen, sondern Sie lassen hier diese Sache abrollen. Wenn wir nicht zu der Sache gesprochen hätten und wenn hier meine Schlußerklärung nicht zu erwarten gewesen wäre, hätten Sie möglicherweise überhaupt keinen Bericht gefordert.
— Nein, Herr Lücke, so geht es nicht. Es ist Ihre Sache, wie Sie mit diesem Stil fertig werden. Aber ich möchte Sie doch dringend bitten, sich einmal zu überlegen, ob das gut ist und ob wir auf diese Weise dem Parlament einen Dienst erweisen.
— Herr Dr. Weber, das ist eine ganz andere Frage. Im Augenblick sind wir bei dem allgemeinen parlamentarischen Verhalten.
— Das ist ja nicht richtig. Es geht hier um die Frage, ob wir nicht mindestens einen Bericht erwarten können. Ich weiß nicht, ob das ein Grund ist, daß Sie sich hier aufregen.
Meine Damen und Herren, der jetzt zur Schlußabstimmung stehende Entwurf eines Ersten Gesetzes zum Schutze der Bevölkerung ist das mehr als magere Ergebnis der achtjährigen Regierungstätigkeit unter dem Bundeskanzler Adenauer auf dem Gebiet des Bevölkerungsschutzes. Eine Regierungsmehrheit, die mit Eifer auf dem Gebiet der Wehrgesetzgebung und der damit verbundenen Ausgaben tätig war und durch keine Bedenken zu halten war, hat praktisch für den Schutz der Bevölkerung nichts getan. Selbst dieses Gesetz, meine Damen und Herren, haben Sie nur unter dem Druck der bevorstehenden Bundestagswahlen verabschiedet, um Ihre Untätigkeit auf diesem Gebiet zu verschleiern.
Es kommt Ihnen darauf an, meine Damen und Herren — und das ist von dieser Stelle schon von mehreren Kollegen ausgeführt worden —, hier mit dem Schlagwort von der Sicherheit durch NATO, die keine Sicherheit darstellt, bei der Bevölkerung den Eindruck zu erwecken, wenn jetzt erst einmal ein Luftschutzgesetz da sei, seien wir geschützt. Meine Damen und Herren, damit ist noch lange nicht alles in Ordnung. So kann und darf man es nicht machen. Ich möchte nur darauf hinweisen -
und das ist auch in den Ausführungen des Herrn Ministers angeklungen —, wieviel offener in dieser Lebensfrage andere Völker sind. Die Kollegen des Ausschusses waren vor einigen Wochen in Schwede n. Sie haben sich überzeugen können, was dort alles auf diesem Gebiet getan worden ist und wie schonungslos den Menschen die schwierige Lage in einem modernen Kriege dargestellt wird. Wir haben ja auch in Amerika in den letzten Wochen erlebt, wie angesehene Fachzeitschriften die Lage der Bevölkerung auseinandersetzen. Wir haben erst kürzlich Gelegenheit gehabt, uns mit den Ausführungen amerikanischer Fachleute auseinanderzusetzen. General Nelson hat in den USA von dem dortigen bisherigen Programm als von einem Phantomprogramm gesprochen. Wir haben leider noch nicht einmal ein Phantomprogramm, wir haben hier Liliputprogramme, die lobpreisend mit viel schönen Reden vorgetragen werden.
Der Herr Minister hat am 20. Januar 1956 in der 1. Lesung dieses Gesetzes gesagt: Mit dem zivilen Schutz steht und fällt die gesamte Landesverteidigung eines Landes. Er hat dabei ein Wort des Generalsekretärs des schwedischen Landesverbandes für Zivilverteidigung zitiert: Mit dem zivilen Schutzallein kann man keinen Krieg gewinnen; ohne zivilen Schutz wird man ihn aber bestimmt verlieren.
Meine Damen und Herren, wenn ich diesen Satz als Leitmotiv der Beratungen des Gesetzes annehme, dann kann ich nur sagen: das Ergebnis ist mehr als kümmerlich. Wie weit die Arbeiten des Ministeriums gegangen sind und wie wenig grundlegend sie waren, das zeigen die Berichte aus der Zeit der Suez-Krise, als man im Ministerium etwa unter dem Motto: Stütze deinen Keller ab, schütze dich mit Sand über den Kellerteilen, die über die Erde ragen!, geglaubt hat, auf diese Weise die Bevölkerung schützen zu können.
— Entschuldigen Sie, ich glaube, Sie machen das wohl mit Ihren Zwischenrufen.
— Nein, die Forderung des Ernstnehmens müssen Sie an die richten, die sich mit solchen Erwägungen beschäftigen, nicht hier an mich.
Meine Damen und Herren, wir haben oft genug bei militärischen Maßnahmen für die Wiederaufrüstung darauf hingewiesen, daß sie überholt seien oder zu schnell gegangen seien. Hier ist in einer Weise improvisiert oder gar nichts getan worden, die nach unserer Meinung nicht verantwortet werden kann.
Die Anstrengungen dieses Hauses für den Schulz der Zivilbevölkerung haben immer im umgekehrten Verhältnis zur Beurteilung der militärisch-politischen Lage gestanden; das gilt auch für die Bereitstellung von Mitteln. Ich habe sämtliche Protokolle der Haushaltsberatungen der letzten Jahre noch einmal durchgelesen. Sie stellen eine Fundgrube für eine Lufstschutzzitatensammmlung dar Wie wenig ist trotz der Ankündigung bei allen Beratungen geschehen! Meine Damen und Herren! Erst die Erklärung der Göttinger 18 Professoren hat die Bundesregierung ,auch auf dem Gebiet des Luftschutzes und des Bevölkerungsschutzes wieder auf den Plan gerufen. Es war zunächst der Herr Bundeskanzler, ,der in seiner bekannten Art die Professoren darüber belehrt hat, daß sie leider nicht zu ihm gekommen seien, um sich die letzten amerikanischen Erkenntnisse über den Stand der Schutzmaßnahmen und der Schutzmöglichkeiten zu holen. Das Bundesinnenministerium hat in einer Erklärung vom 24. April „von einer Kombination von Evakuierung und Schutzraumbau" als der entscheidenden Hilfe für die Bevölkerung gesprochen.
Meine Damen und Herren! Wir haben immer wieder, und ich darf da 'auf meine Ausführungen vom 20. Januar 1956 hinweisen, die Evakuierung für mehr als problematisch gehalten. Der Herr Minister und mit ,ihm die Koalition haben nun selbst die bisherigen Pläne und auch das Kernstück des Gesetzes in den Papierkorb geworfen. In den vergangenen Jahren sind alle unsere Anträge abgelehnt worden, und man hat sich mit dem begnügt, was auf dem Papier gestanden hat. Erst als nach der Atomdebatte am 10. Mai die deutsche Öffentlichkeit verstärkt wissen wollte, welche Kanzlererkenntnisse, die offensichtlich sogar dem Herrn Innenminister und dem Hohen Hause verborgen geblieben waren, es gebe, sind Sie, Herr Minister, auf die Reise nach Amerika gegangen. Meine Damen und Herren, ich habe mich heute nicht mit Dienstreisen von Regierungsmitgliedern kurz vor den Wahlen zu 'beschäftigen. Das wird besser an anderer Stelle gesagt. Wir wissen, daß solche Reisen stets als eine wertvolle Wahlhilfe angesehen und dementsprechend eingerichtet werden.
Aber selbst eine späte Fahrt am Ende einer vierjährigen Ministertätigkeit muß noch nicht zu spät sein. Meine Damen und Herren, Sie haben inzwischen, und das ist auch unzweideutig festgestellt worden, selbst die Ergebnisse der Gesetzgebungsarbeit schwach benotet und zum Ausdruck gebracht, daß auf dem Gebiet des Bevölkerungsschutzes nicht viel getan worden sei. Dieser Schutz ist eben nur das Zerrbild eines Schutzes. Monatelang
hat das Ministerium den Kopf in den Sand gesteckt, und jede Kritik, die vorgetragen worden ist, wie jede andere für sie unangenehme Feststellung ist einfach von der Regierung unter dem Beifall der Parlamentsmehrheit zurückgewiesen worden.
Nun ist heute gesagt worden, es muß neu begonnen werden. Dabei haben Sie aber bei allen Anträgen nur den einen Wunsch zum Ausdruck gebracht: Wie wälzen wir alle Kosten vom Bund auf die Länder und die Gemeinden ab? Meine Damen und Herren, die Kosten des Schutzes der zivilen Bevölkerung sind Verteidigungskosten, und sie zu tragen ist Aufgabe des Bundes. Sie haben in all diesen Jahren, wenn es um die Verteidigung ging, keine Mühe und Kasten gescheut, von Jahr zu Jahr in diesem Hause Milliardenbeträge, oft manchmal im Haushaltsausschuß nur in wenigen Minuten, zu bewilligen. Die Vorwegbewilligung, eine Hypothek für den 3. Deutschen Bundestag, beträgt fast 20 Milliarden, wie wir hier kürzlich erst an dieser Stelle ianläßlich der Haushaltsberatungen festgestellt haben. Trotz des geringen Betrages ist leider hier über einen Antrag abgestimmt worden, obwohl noch nicht einmal klargestellt werden konnte, in welcher Höhe sich die Belastung der Länder und Gemeinden in Zukunft bewegt. Trotz dieses geringen Betrages waren Sie nicht bereit, die Länder und Gemeinden zu entlasten. Bei einem Verhältnis von 100 zu 1 der Rüstungs- und zivilen Verteidigungskosten wollen Sie doch nicht behaupten, daß der Bund seinen Verpflichtungen für den Schutz der zivilen Bevölkerung gerecht geworden sei.
Meine Fraktion sieht, nicht zuletzt im Hinblick auf Art. 106 des Grundgesetzes, in dieser Belastung der Länder und Gemeinden eine unzumutbare Mehrbelastung und ist daher nicht in der Lage, diesem Entwurf, weil er ohnehin nur noch ein Fragment darstellt, zuzustimmen. Für die vorbereitenden Maßnahmen benötigt man, nachdem Sie das Gesetz in seinen entscheidenden Bestimmungen zurückgestellt haben und nur noch die Fassade steht, kein Gesetz. Organisatorische Maßnahmen kann die Regierung !durchführen. Sie sind auf dem Gebiet des Warndienstes bereits im Anlaufen. Meine Fraktion ist jederzeit bereit, der Regierung die erforderlichen Vollmachten und Mittel zu bewilligen.
Und nun zum Schluß noch ein Wort meiner Fraktion an Sie, Herr Minister. Sie sind unter der Mitverantwortung des Bundeskanzlers, der ja die Richtlinien der Regierungspolitik bestimmt, vier Jahre lang nicht über die bescheidensten Anfänge einer Politik zum Schutz der Bevölkerung hinausgekommen, und Sie haben sich als der verantwortliche Minister erst kurz vor dem Ende der Wahlperiode die Zeit genommen, sich auf diesem so wesentlichen Gebiet Ihres Geschäftsbereichs davon zu überzeugen, wie es eigentlich um die Dinge steht und was getan werden muß. Aus dieser Tatsache gibt es nach unserer Meinung nur eine Konsequenz zu ziehen, und es wäre gut, wenn Sie von Ihrer Reise diese wichtige Erkenntnis eines parlamentarischen Ministers mitgebracht hätten, nämlich daß Sie Ihr Amt zur Verfügung stellen und zurücktreten,
weil Sie die Aufgabe, die Ihnen gestellt war, nicht gelöst haben.
Meine Damen und Herren, die Sozialdemokratische Fraktion wird in der Schlußabstimmung diesen Torso eines Gesetzes ablehnen.
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Aufforderung, die der Herr Kollege im Namen seiner Fraktion an mich gerichtet hat, höre ich nicht so oft, aber ich will sie gerade heute in diesem Zusammenhang gerne etwas beantworten. Herr Kollege Schmitt , nach dem, was Sie ausgeführt haben, will ich doch noch etwas sagen, was ich sonst aus Rücksicht auf uns befreundete Mächte nicht sagen würde. Sie haben hier geglaubt, ausrechnen zu können, daß wir einen Wehrhaushalt hätten, der zu unserem Luftschutzhaushalt oder Haushalt für zivilen Bevölkerungsschutz im Verhältnis 100 zu 1 stehe. Dieses Verhältnis ist nicht so, wie Sie es dargelegt haben; aber ich will einmal bei 'Ihren Zahlen bleiben und lasse trotzdem alles weitere dahingestellt. Doch will ich Ihnen etwas sagen, was Sie sicherlich nicht wissen, daß nämlich in den Vereinigten Staaten das Verhältnis des militärischen Verteidigungshaushalts zum Haushalt für zivilen Bevölkerungsschutz so ist, daß ein Fünftel von einem Prozent — 1 % wollten Sie uns ja gerade zubilligen — auf den zivilen Bevölkerungsschutz verwendet wird. Das ist eine Erkenntnis, die ich im Grunde nicht breittreten wollte, die ich aber bei dieser Gelegenheit vielleicht doch einmal wiedergeben darf.
Ich glaube nicht, daß Sie eine ganz faire Darstellung der Entwicklung der vergangenen Zeit gegeben haben. Sie wollen meine Reise offenbar so ein bißchen unter dem Wahlgesichtspunkt betrachten. Ich betrachte z. B. die Reise Ihres Fraktionsvorsitzenden nicht unter dem Wahlgesichtspunkt, aber meine Reise wollten Sie unter Wahlgesichtspunkten betrachten. Natürlich hatte sie diesen Zweck nicht, sondern diente dem Vergleich, dem Vergleich an Ort und Stelle. Sehen Sie: Sie machen sich vielleicht doch von der Sorgfalt, mit der wir zu arbeiten pflegen, eine nicht ganz zutreffende Vorstellung. Es gibt keine amerikanischen Berichte auf diesem Gebiet — soweit die Berichte etwa als Parlamentsdrucksachen oder sonstwie zugänglich sind —, die wir nicht sehr sorgfältig studiert hätten. Meine Mitarbeiter und ich sind in der ganzen langen Diskussion, die das Luftschutzgesetz hier 'in diesem Hause gehabt hat, immer von der Notwendigkeit durchdrungen gewesen, jeweils dem Stand der Erfahrungen — wir hatten ja gerade die amerikanischen Erfahrungen aus guten Gründen als Vergleich gewählt — zu folgen und ihn verwertbar zu machen.
Ich neige nicht dazu, die mir zugeschobene Verantwortung ohne weiteres auf andere abzuladen. Aber Sie finden es vielleich zulässig, wenn ich sage, daß die Luftschutzvorlage der Bundesregierung doch schon seit beinahe zwei Jahren — es sind nicht ganz zwei Jahre — hier in diesem Hohen Hause ist. Und dann wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mir das Kunststück verraten würden, wie wir weitere Vorkehrungen als die, die wir getroffen haben — Sie wissen, daß das nicht unerhebliche Vorkehrungen sind —, hätten treffen sol-
len, ohne dieses Gesetz zu bekommen. Ich glaube, daß Sie nicht in der Lage sein werden, mir anzugeben, was wir mehr hätten tun können ohne eine gesetzliche Grundlage. Es ist auch keineswegs so, als ob es der angeblichen Alarmierung durch die 18 Göttinger bedurft hätte, um die Bundesregierung auf diesem Gebiet hellhörig zu machen. Sie haben mich aus einer Rede zitiert, und diese meine Rede stammt aus dem Jahre 1955. Aber Sie geben doch offenbar zu, daß diese Rede heute so richtig ist wie damals.
— Aber, lieber Herr Kollege Schmitt , die habe ich in demselben Moment gehalten, in dem ich dem Hohen Hause einen Gesetzentwurf präsentiert habe. Ich muß, glaube ich, warten, bis ich den Gesetzentwurf zurückbekomme. Ich habe darauf ziemlich lange warten müssen.
— Ich wollte Sie ja auch nicht beschuldigen; aber Sie haben mich beschuldigt. Das Ganze richtet sich doch an die Adresse der Öffentlichkeit.
— Doch, die richtige Diskussion findet hier schon statt; denn die Öffentlichkeit hört doch mit, was wir hier sagen.
Die Göttinger Erklärung hat uns nicht zu irgendeiner neuen Erkenntnis auf diesem Gebiet verholfen. Mitunterzeichner der Erklärung haben uns bestätigt, daß unser Programm — das aus dem Jahre )1954 stammt! — heute so richtig ist wie damals. Das wäre eher eines gewissen Lobes fähig, als daß es harten Tadel verdiente. Aber ich glaube, daß der Tadel auch nicht ganz so hart gemeint ist, wie Sie ihn hier gerade zum Ausdruck gebracht haben. Sie sind einigen falschen Pressemeldungen zum Opfer gefallen, daß wir anläßlich der Sues-Krise interessante Sandvorkehrungen publiziert hätten.
Ich kann Ihnen nur sagen — Herr Kollege Schmitt , Sie werden mir das aufs Wort glauben —: Mit diesen Sandvorkehrungen bin ich in gar keiner Weise behelligt gewesen, und ich möchte mit den Sandvorkehrungen auch nicht das geringste zu tun haben; aber auch nicht mit Ihrer Formulierung, daß wir monatelang den Kopf in den Sand gesteckt haben. Ich kann mich jetzt auf Sie selbst berufen, und ich sage noch einmal: Meine Einführungsrede 1955 bei der Vorlage dieses heute zur Verabschiedung gelangenden Gesetzes ist von Ihnen selbst als richtig zitiert worden.
Ich bin nach wie vor fest davon überzeugt, daß eine militärische Verteidigung ohne einen richtigen Zivilbevölkerungsschutz, ohne zivile Verteidigung sinn- und zwecklos ist und daß militärische und zivile Verteidigung Hand in Hand gehen müssen. Nach unseren Vorstellungen werden sie das auch. Es ist ja keineswegs so, daß nicht etwas Derartiges geplant sei. Auf der anderen Seite wird man uns, glaube ich, billigerweise zugestehen müssen, daß der gleichzeitige Aufbau militärischer Verteidigung und ziviler Verteidigung auf einem gleich hohen Niveau eine unlösbare Aufgabe ist. Deshalb wird diese Aufgabe Stück für Stück und Schritt für Schritt erfüllt werden.
Ich möchte doch noch einmal einen Appell an Sie richten. Sie haben gesagt, Sie wollten das Gesetz nicht mitbeschließen, weil die baulichen Bestimmungen drin sein müßten; sonst habe die ganze Sache keinen Wert. Ich glaube dargelegt zu haben, daß das, was es in den Vereinigten Staaten derzeit gibt, nicht mehr ist als das, was in dem nicht bauliche Maßnahmen betreffenden Teil des Gesetzes vorgesehen ist. Wenn man wirklich Fortschritt auf dem Gebiet des Zivilbevölkerungsschutzes in Deutschland will, dann muß man dem Gesetz zustimmen und hat nicht die Möglichkeit, auszuweichen und zu sagen: Alle sonstigen Ermächtigungen werden wir erteilen. Ich beharre bei der Auffassung, daß derjenige, der wirklich Fortschritt auf dem Gebiet des Zivilbevölkerungsschutzes will, die beste Gelegenheit hat, es zu zeigen, indem er diesem Gesetz zustimmt und nicht von einer Zustimmung zu dem Gesetz absieht, nur weil es nicht alles erfüllt, was er sich für heute vorgestellt hat.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Ilk.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als seinerzeit das Luftschutzgesetz vorgelegt wurde, haben wir Freien Demokraten außerordentlich bedauert, daß dieses Gesetz — auch damals schon — recht unvollkommen war und daß viele Dinge, die wir gern hinein gehabt hätten, noch nicht darin erwähnt waren. Bei den Beratungen ist leider auch nicht mehr besonders viel hinzugefügt worden; es war nicht möglich.
Wenn Sie, Herr Innenminister, die Schuld an der verzögerten Behandlung dieses Gesetzes von sich abwälzen, so muß ich Ihnen recht geben. Es war vielleicht nicht Ihre Schuld, es war die Schuld der Parlaments- und Regierungsmehrheit, die soundso viele andere Gesetze als wesentlich dringlicher angesehen hat, so daß die Arbeit an dem Luftschutzgesetz leider verzögert wurde. Aber daß nun ein so wichtiger Faktor, wie es die baulichen Maßnahmen sind, noch zum Schluß herausgenommen wird, obwohl selbst Sie, Herr Bundesinnenminister, sagen, wir könnten damit rechnen, daß in labsehbarer Zeit, vielleicht sogar schon in einigen Monaten die Versuchsbauten so weit gediehen sein werden, daß sie auch für uns mustergültig für die Ausführung eines Bauprogramms sein können, bedauern wir außerordentlich.
Wenn wir trotz alledem dem Gesetz zustimmen, so nur deshalb, weil damit ein winzig kleines Schrittchen auf dem Wege zur Erfüllung des zivilen Bevölkerungsschutzes gegangen wird. Ich betone ausdrücklich, daß wir darin nur einen ganz kleinen Anfang auf dem Wege sehen, und ich möchte nur der Hoffnung Ausdruck geben, daß Sie, Herr Innenminister, schon jetzt, wenn durch die Parlamentsferien ein wenig Ruhe eingetreten ist, in Ihrem Ressort dahin wirken, daß bereits Vorarbeiten für ein neues Gesetz geleistet werden, das dann sofort dem neuen Bundestag vorgelegt werden kann. Ich appelliere insoweit auch an den Herrn Bundesfinanzminister und den Herrn Wohnungsbauminister, die ja auf diesem Gebiet mit aktiv sein müssen. Nur so können wir als Parlament und Sie als Regierung es überhaupt verantworten, ein so unvollkommenes Gesetz wie dieses zu verabschieden.
Ich wiederhole: Trotz der großen Bedenken, die wir haben, daß 'das Gesetz nur so wenige Gebiete des zivilen Bevölkerungsschutzes umfaßt, werden wir ihm zustimmen, um wenigstens einen Anfang zu haben.
Das Wort hat der Abgeordnete Engell.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beabsichtige nicht, umfassende Ausführungen zumachen, da man damit ja vielfach Tatbestände nur zu verdunkeln sucht. Beim Luftschutz gibt es ja auch die Verdunkelung; aber bei der Gesetzgebung sollte man sie nicht anwenden.
Worum geht es hier? Uns geht es darum, daß zwischen den Aufwendungen für die Bundeswehr und denen für den Bevölkerungsschutz wenigstens eine bescheidene Relation hergestellt wird, die vor unseren Menschen vertretbar ist. Herr Minister, Sie haben gesagt, daß das auch Ihre Ansicht sei. Sie müssen aber zugeben, daß diese Relation nicht vorhanden ist und daß wir .auf dem Sektor des zivilen Luftschutzes erheblich nachhinken.
Nun wäre doch die Gelegenheit gewesen, nach der Beratung dieses Gesetzes hier einen gewissen Nachholbedarf auszugleichen. Was hat sich aber gezeigt? Nicht nur, daß Sie diesen Ausgleich nicht wollen; es hat sich weiter gezeigt, daß Sie die Dinge immer wieder ganz unbestimmt in die Zukunft abschieben wollen. Gerade die Geschichte dieser Vorlage, ihr Werdegang im Ausschuß gibt sehr viele Anhaltspunkte, daß vielleicht .auch das, was die Herrn Kollegen der CDU-Fraktion im Ausschuß mit uns gemeinsam gewollt haben — und niemals waren dort bei den Beratungen erhebliche Meinungsverschiedenheiten —, nun wieder aus anderen Gründen und von anderen Stellen inhibiert wird. Der Ausschuß — das ist minuziös nachzuweisen — hat keinerlei Verzögerungstaktik betrieben. Das werden auch Ihre Fraktionsfreunde bestätigen. Es gab mitbeteiligte Ausschüsse, die gehört werden mußten. Aber wir kennen doch alle die Situation, die wir hier schon so oft erlebt haben. Wenn Sie mit Ihrer Mehrheit ein Gesetz durchbringen wollen, bringen Sie es durch in sämtlichen Ausschüssen, in denen Sie die Mehrheit haben, auch hier durch das Haus, und Sie nehmen uns dann tage- und fauch nächtelang in Anspruch, um gewisse Zeitpläne zu erfüllen. Die Beratungen waren bei uns im Ausschuß .abgeschlossen, und am Ende dieser Beratungen fand eine Aussprache statt. Da war anscheinend wieder die Kommandostelle eingeschaltet, die sagte: Ach, so können wir die Dinge nicht laufen lassen, wir müssen hier entscheidende Änderungen vornehmen, wie die Herausnahme der baulichen Luftschutzmaßnahmen, die Verteilung der Kosten und anderes.
Wenn Sie hier gesagt haben, Herr Minister, wir müßten diesem Gesetz zustimmen, weil alles das doch geplant sei, weil es der erforderliche Anfang sei, könnte man vielleicht anfänglich auch solchen Argumentationen zustimmen. Aber wir sind inzwischen mißtrauisch geworden. Wir sehen, daß hier die Entscheidung wieder nicht konkret festgelegt ist; wir wissen auch nicht, wann sie fällt. Daher erscheint es uns nicht zumutbar, daß wir hier einer Gesetzesvorlage zustimmen sollen, die für uns so unbefriedigende Ergebnisse hat, nachdem wir doch sehr positiv falle gemeinsam, Regierungs- und
Oppositionsparteien, an diesen Dingen mitgearbeitet haben.
Mancher fragt sich vielleicht: Was hat denn diese Änderungen herbeigeführt? Nun, das ist kein Geheimnis. Sie haben wahrscheinlich einen Ausgabenstopp bekommen, der Herr 'Bundesfinanzminister ist nicht mehr bereit oder in der Lage, hier zusätzliche Mittel zu bewilligen. Diesen Bewilligungsstopp haben Sie nun hier irgendwie umkleidet mit Maßnahmen, mit erforderlichen Prüfungen, die noch ausstehen und die dann noch durchgeführt werden sollen.
— Nun, Herr Kollege Lücke, wir haben ja gemeinsam beim Herrn Bundesfinanzministergekämpft; da waren ja immer die Schwierigkeiten, und es liegt heute, wenn Sie so auftreten, sehr nahe, daß wir nach dieser Richtung schauen.
Ein Weiteres noch. Herr Minister, wenn Sie von den kombinierten Möglichkeiten des Luftschutzes sprechen, davon, daß man diese Räumlichkeiten nicht tot liegen läßt, sondern sie auch anderweitig nutzt, müssen Sie doch zugeben, daß jede Verzögerung die Wahrnehmung dieser Möglichkeiten erschwert. Wie ich schon vorhin sagte, die Stadtkerne werden allmählich — erfreulicherweise — wieder aufgebaut, und Schulen müssen entstehen. Obwohl der Fehlbedarf sehr groß ist, ist auf der anderen Seite auch schon manches nach dieser Richtung hin getan. Gerade die rentierliche Nutzung solcher Räume — und jedem widerstrebt es, sie tot liegen zu lassen — macht es doch dringend, daß wir mit diesen Dingen anfangen.
Das alles wird doch hier nicht sichtbar. Es ist ein unvollendetes Gesetz, das ein weiteres Gesetz erfordert. Es ist ein Kuriosum, daß wir heute ein Gesetz verabschieden, in dem gesagt wird: Ein weiteres Gesetz wird nun bestimmen, wann die entscheidenden Maßnahmen durchgeführt werden sollen. Herr Minister, Sie können nicht verlangen, daß wir zustimmen, wenn Sie aus Ihren Gesichtspunkten entgegen den Meinungen, Abstimmungen und Entscheidungen im Ausschuß nun so verfahren wollen, daß Sie die Opposition zwingen wollen, sich aus irgendwelchen Gründen, die Sie hier angeführt haben, denjenigen Maßnahmen, die nun damit anlaufen, hier anzuhängen. Irgendwo ist eine Grenze, und diese Grenze liegt für uns vor. Wir sind daher nicht in der Lage, diesem Gesetz unsere Zustimmung zu geben.
Vizepräisdent Dr. Jaeger: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schranz.
Dr. Schranz : Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wird wahrscheinlich niemanden in diesem Hohen Hause geben, der von dem Ergebnis der heutigen Beratungen restlos begeistert ist. Aber was ist schon vollkommen auf dieser Welt und in diesem Hohen Hause?
Ich habe es heute morgen sehr bedauert, daß in der Debatte der Vergleich mit anderen Ländern angestellt worden ist. Ich glaube, daß das schlecht war; denn die geographischen und die geologischen Bedingungen sind bei uns völlig andere als in den Staaten, die hier angeführt worden sind, und ma-
chen infolgedessen auch andere Maßnahmen notwendig.
Es ist schwierig, diesem Gesetz, das sich von allen Seiten unbestritten als eine lex imperfecta darstellt, zuzustimmen. Wenn wir es trotzdem tun, dann nur, um überhaupt einmal einen Anfang zu machen. Ich befinde mich hier in Übereinstimmung mit der Kollegin Ilk. Zugegeben, der Anfang ist bescheiden, und es wäre sehr schön gewesen, wenn wir dieses Gesetz in der Form hätten verabschieden können, in der es der Ausschuß in seiner zweiten Lesung beschlossen hat.
Das ist aus Gründen, die 'ich nicht untersuchen will, nicht möglich. Ich möchte auch keinen Verdacht aussprechen. Wir müssen die Dinge ruhig und nüchtern betrachten. Die Regierung will doch letzten Endes auch etwas Vernünftiges. Sie können doch der Regierung nicht ohne weiteres den guten Glauben absprechen. Sie können doch nicht behaupten, daß die Regierung, wenn sie sich in einem Gesetz verpflichtet, bis zu einem im Gesetz bestimmten Zeitpunkt bestimmte Maßnahmen zu treffen, im stillen etwa den Hintergedanken hat, die Dinge durch eine spätere gesetzliche Regelung, wie der Kollege Schmitt gesagt hat, ad calendas graecas zu verschieben.
Wir werden dem Gesetz trotz der Bedenken, die wir haben, zustimmen. Nun möchte ich, nachdem der Kollege Gülich heute morgen den späten Goethe zitiert hat, den etwas früheren Goethe zitieren, nämlich den, der gesagt hat: „Im Anfang war die Tat." Sie ist zwar klein und bescheiden, aber es ist immerhin eine Tat.
Wird weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Schlußabstimmung über das Gesetz. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses unter Nr. 2, die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung abgeschlossen.
Ich rufe auf Punkt 13 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ordnung des Wasserhaushalts ; (Drucksache 2072).
Schriftlicher Bericht des 2. Sonderausschusses — Wasserhaushaltsgesetz — .
Berichterstatter ist der Abgeordnete Jacobi. Er hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn Sie die Drucksache 3536 zur Hand nehmen, dann finden Sie, daß über die Vorgeschichte und über die Beratungen eingehend berichtet wurde. Ich darf infolgedessen auf diesen Bericht Bezug nehmen und mich auf ein paar ergänzende Bemerkungen in meiner Eigenschaft als Berichterstatter beschränken.
Der 2. Sonderausschuß Wasserhaushaltsgesetz hat nach Einreichung des Schriftlichen Berichts, in dem einige Druckfehler enthalten sind, auf die ich hier nicht eingehe — sie können redaktionell ausgebügelt werden —, noch zweimal getagt, zuletzt gestern, und hat bei dieser Gelegenheit auch zu den bereits angekündigten Änderungsanträgen Stellung genommen.
Der Ausschuß hat mich ermächtigt, folgende Erklärung abzugeben:
In der Diskussion über den Inhalt und den Sinn des heute zur Verabschiedung anstehenden Rahmengesetzes, des Gesetzes zur Ordnung des Wasserhaushalts, sind gelegentlich Zweifel darüber geäußert worden, ob mit dem Gesetz den Interessen auch der Landwirtschaft, der Wirtschaft und des Verkehrs in genügender Weise Rechnung getragen werde. In einer nochmaligen eingehenden Aussprache wurde klargestellt, daß der in den verschiedensten Bestimmungen des Gesetzes verwandte Begriff des Wohls der Allgemeinheit — wir finden ihn u. a. in den §§ 6, 8, 12 und 21 — auf die Gesamtinteressen der Allgemeinheit abgestellt ist.
Eines der Hauptanliegen des Gesetzes ist die haushälterische Ordnung des Wassers. Hierzu gehört die Versorgung mit diesem wichtigen Gut in ausreichender Menge und Güte auch für die Bevölkerung, für Tier und Pflanze, kurz für alle Bereiche des täglichen Lebens. Wenn bei der Gestaltung der einzelnen Gesetze in den Ländern und bei der Durchführung derselben ein Ermessensrahmen abzustecken ist, wie dies beispielsweise für die Entscheidungen über die Erlaubnis oder Bewilligung erforderlich sein dürfte, ist also im Sinne dieser den Schriftlichen Bericht ergänzenden Darlegungen zu verfahren.
Der Ausschuß bittet, jedweden Abänderungsantrag zu Drucksache 3536 abzulehnen und dem Gesetzentwurf unverändert zuzustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wir treten in die zweite Beratung des Gesetzentwurfs ein. Ich rufe die §§ 1, — 2, — 3, — 4, — 5 in der Ausschußfassung auf.
Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache. Wer den aufgerufenen Paragraphen in der Ausschußfassung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe § 6 auf, dazu Umdruck 1201, Änderungsantrag der Abgeordneten Hoogen, Dr. Hellwig, Müser und Genossen. Wer begründet? — Soll nicht begründet werden? — Gut. Wird sonst das Wort gewünscht? — Herr Vizekanzler Dr. Blücher hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will mich mit Rücksicht auf die Geschäftslage kurz fassen, halte es aber für notwendig, zum Antrag Umdruck 1201 im gleichen Sinne Stellung zu nehmen, wie das bereits gestern der Unterausschuß zu allen zu erwartenden Anträgen getan hat.
Worum geht es hier? Mir scheint, daß bei der Stellung des Antrags ganz gewiß ernstzunehmende rechtliche Überlegungen angestellt worden sind, daß man sich aber eines nicht mit der notwendigen Deutlichkeit vor Augen geführt hat, nämlich, wo wir mit der Wasserbereithaltung, mit dem Wasserverderb, mit der Entwicklung des Wasserverbrauchs und mit der Entwicklung des Wassergebrauchs stehen und daß wir in der großen Gefahr sind, chaotische Zustände zu bekommen.
Bei diesem Gesetz geht es nur darum — ich denke an die Debatte, die vorhergegangen ist —, einen bescheidenen Anfang zu machen, einen bescheidenen Anfang im Sinne der Herstellung einer Ordnung, einer Behaushaltung des Wassers. Damit verträgt sich nicht, daß hier ein Anspruch für jeden stipuliert werden soll, daß ihm eine Erlaubnis oder eine Bewilligung erteilt wird.
Ich glaube, wenn wir ernstlich nachdenken, müssen wir zugeben, daß wir gar nicht in der Lage sind, ,anders zu verfahren, als daß wir der öffentlichen Verwaltung die Pflicht auferlegen, auf Grund ihrer Übersicht über den derzeitigen und künftigen Wasserbedarf im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens unter der Berücksichtigung der Interessen aller zu entscheiden, ob dem Antrag eines einzelnen auf Erteilung einer Wassernutzung entsprochen werden kann. Die Verwaltung muß bei ihrer Entscheidung das Wohl der Allgemeinheit ebenso wie die Bedürfnisse, Rechte und Belange der anderen Wasserbenutzer berücksichtigen. Was mir bei der Zunahme unserer Bevölkerung. bei den immer dichteren Besiedlungen, bei dem ständig wachsenden Wasserverbrauch der gewerblichen Wirtschaft, bei den sicherzustellenden Bedürfnissen der Landwirtschaft wesentlich erscheint, ist, daß die Verwaltung die künftige Wasserinanspruchnahme sorgfältig zu erkennen versucht. Gerade eine solche vorausschauernde und ordnende Tätigkeit. wie sie schon im Begriff „Wasserhaushalt" liegt. kann nur Aufgabe einer 'der Gesamtheit dienenden Verwaltung sein. Wir leben in einem Rechtsstaat. Die Rechte der Betroffenen werden nicht geschmälert. Die Betroffenen werden als Antragsteller und als Beteiligte jederzeit den Rechtsweg gegen Verwaltungsakte beschreiten können.
Ich muß hier zum Schluß noch folgendes sagen. Wir befinden uns als Regierung mit unserer den Rechtsanspruch ablehnenden Auffassung in Übereinstimmung mit dem Bundestags-Sonderausschuß mit dem Bundesrat und mit dem Zentralausschuß der deutschen Landwirtschaft. Falls in diesem Augenblick der Antrag im Bundestag angenommen wird, habe ich die große Sorge, daß die Zustimmung des Bundesrats zum Wasserhaushaltsgesetz in Frage ,gestellt ist. Ich bitte daher, den Antrag auf Umdruck 1201 abzulehnen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird das Wort weiter gewünscht? — Das ist nicht 'der Fall. Dann schließe ich die Beratung.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag Umdruck 1201 zuzustimmen wünscht. gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Fine Enthaltung, sonst mit überwältigender Mehrheit abgelehnt.
Wir kommen dann zur Abstimmung über den § 6 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen
wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Soviel ich sehe, einstimmig angenommen.
Ich rufe auf § 7, — § 8, — § 9, — § 10, — § 11, — § 12, — § 13 entfällt, § 14, — § 15, — § 16, — § 17, — § 18, — § 19 entfällt, § 20 entfällt, — § 21, —§ 22 entfällt, — § 23, — § 24, — § 25, — § 25a. — Ich eröffne die Aussprache über die aufgerufenen Paragraphen. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache. Wer den aufgerufenen Paragraphen in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? —Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf den Zweiten Teil, „Bestimmungen für oberirdische Gewässer", Erster Abschnitt, Erlaubnisfreie Benutzungen, §§ 26, — 27, — 28. Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache. Wer in zweiter Lesung zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf: § 29, — § 30, — § 31, — § 32, —§ 33, — § 34. — Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache.
Ich bitte die Damen und Herren, die den aufgerufenen Paragraphen in der Ausschußfassung in zweiter Lesung zustimmen wollen, um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe den Vierten Abschnitt „Überschwemmungsgebiete" sauf: § 35, — § 36 entfällt. — Wird das Wort dazu gewünscht? — Nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer dem § 35 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe 37 auf, dazu den Antrag der Abgeordneten Mauk usw. auf Umdruck 1235. Wer begründet? — Wird nicht begründet; gut. Wird das Wort 7u diesem Antrag gewünscht? — Bitte, Herr Vizekanzler!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, auch diesen Antrag abzulehnen: andernfalls würde eine unerfreuliche Unklarheit in das ganze Gesetz hineinkommen. ich darf im übrigen wegen der grundsätzlichen Haltung, die auch zu diesem Antrag einzunehmen ist, auf den sehr ausführlichen Bericht des Ausschusses und auf die heute abgegebene Erläuterung und ergänzende Erklärung hinweisen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Beratung und komme zur Abstimmung. Wer dem Antrag Umdruck 1235 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Eine Stimme. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen eine Stimme abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über § 37 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen.
§ 38 entfällt.
Ich rufe auf § 39, — § 40, — § 41, — § 42, —§43,—§44,—§ 44.a, — § 45,—§46,—§47 entfällt, — § 48, — § 49 entfällt, — § 50, — § 51, — Einleitung und Überschrift. — Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache.
Ich bitte .die Damen und Herren, die den aufgerufenen Paragraphen, der Einleitung und der Überschrift des Gesetzentwurfs zustimmen wollen, um ihr Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Damit ist die zweite Lesung des Gesetzentwurfs beendet.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Ich rufe zur Einzelberatung den § 2 auf und dazu den Antrag Umdruck 1220 Ziffer 1. Soll dieser Antrag begründet werden? — Das scheint nicht der Fall zu sein. Wird sonst das Wort gewünscht? — Nicht der Fall. Dann schließe ich die Beratung zu § 2.
Ich lasse über den Antrag Umdruck 1220 Ziffer 1 abstimmen. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit abgelehnt.
Ich rufe nunmehr § 6 in der dritten Lesung auf, dazu wiederum auf Umdruck 1220 einen Antrag unter Ziffer 2 a. Wird das Wort dazu gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer dem Antrag Umdruck 1220 Ziffer 2 a zustimmen will, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit abgelehnt.
Nunmehr rufe ich § 12 mit dem Antrag Umdruck 1220 Ziffer 2 b auf. Wird das Wort gewünscht? — Nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen zwei Stimmen abgelehnt.
Ich rufe nunmehr § 21 in der dritten Lesung und dazu den Änderungsantrag Umdruck 1220 Ziffer 2 c auf. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Beratung und komme zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag 1220 Ziffer 2 c zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen vier Stimmen abgelehnt. Damit sind alle Änderungsanträge in der dritten Lesung abgelehnt.
Wir kommen zur Schlußabstimmung in der dritten Lesung. Wer dem Gesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen eine Stimme verabschiedet.
Meine Damen und Herren, im Ältestenrat ist vereinbart worden, daß Punkt 14 der Tagesordnung, zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Bundesbesoldungsgesetzes, morgen den ersten Punkt der Tagesordnung bilden soll. Ich nehme an, daß das Haus diesen einmütigen Vorschlag des Ältestenrats billigt. — Ich höre keinen Widerspruch; dann wird so verfahren und dieser Punkt morgen als erster Punkt auf die Tagesordnung gesetzt.
Ich rufe auf Punkt 15 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, GB/BHE und dem Abgeordneten Walter eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit (Drucksache 3441). (Erste Beratung: 205. Sitzung.)
Das Wort zur Berichterstattung hat der Abgeordnete Varelmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich verweise auf den vorliegenden Schriftlichen Bericht und möchte nur um die Berichtigung eines Druckfehlers bitten. Es muß in der Drucksache Seite 2 unter B. Antrag des Ausschusses richtig heißen: „Der Bundestag wolle beschließen, ..." und nicht: „Der Bundesrat".
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wir treten nunmehr in die zweite Lesung des Gesetzes ein. Ich rufe auf § 1 und dazu den Änderungsantrag Umdruck 1227. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht; dann schließe ich die Beratung und komme zur Abstimmung. Da die drei Ziffern des Umdrucks 1227 alle den § 1 betreffen, lasse ich über den Änderungsantrag insgesamt abstimmen. Ist das Haus damit einverstanden? — Das ist der Fall.
Wer dem Änderungsantrag Umdruck 1227 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. —
— Ich kann es jetzt nicht mehr erteilen.
Ich habe gefragt: „Wird das Wort gewünscht?"; es hat sich niemand gemeldet. Dann habe ich die Beratung geschlossen. Es tut mir leid, Sie können den Antrag ja in der dritten Lesung wiederholen. Wir sind in der Abstimmung.
Ich lasse abstimmen über den Änderungsantrag Umdruck 1227. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen dann zur Abstimmung über den § 1 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit verabschiedet.
§ 2 entfällt.
Ich rufe die §§ 3, — 4, — 5, — die Einleitung und die Überschrift in der Ausschußfassung auf. — Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer den aufgerufenen Paragraphen, der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen einige Stimmen bei einer Enthaltung angenommen. Damit ist die zweite Lesung des Gesetzes beendet.
Wir treten in die
dritte Lesung
des Gesetzes ein. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Dr. Atzenroth.
Meine Damen und Herren! In dem Hamburger Manifest hat die CDU die Förderung der Selbstverantwortung der Bürger und die Verantwortung auch der Interessengruppen für das allgemeine Wohl als eines ihrer Ziele herausgestellt. Sie lehnt den Wohlfahrtsstaat und den Versorgungsstaat ab. Einer ihrer prominenten Vertreter, der Herr Bundestagspräsident Dr. Gerstenmaier, hat - —
— Herr Sabel, das werden wir auch beim nächsten Punkt der Tagesordnung noch einmal wiederholen.
— Das sind keine Märchen. Das ist nur die Wiederholung des Hinweises auf Ihre Haltung, die in Widerspruch steht zu dem, was Ihre Partei überall draußen verkündet. Sie behaupten, Sie seien Gegner des Wohlfahrtsstaates. Alle Ihre Taten, die Sie in diesem Bundestag vollbringen, beweisen das Gegenteil.
Hier wird wieder ein Beweis dafür erbracht.
Sie erlegen einem Personenkreis eine übermäßige Belastung auf, der von diesen Dingen keinen Vorteil hat.
Diesen Kreis ziehen Sie in die sogenannte Gemeinschaftshaftung ein. Auf diese Divergenz zwischen Ihren Worten und Ihren Taten hinzuweisen, ist unsere Pflicht. Das müssen wir bei jeder Gelegenheit tun.
— In Düsseldorf werden solche Beschlüsse nicht gefaßt, Herr Rasner. Oder können Sie einen solchen vorlegen? Die werden nur hier gefaßt und von einer Partei, die sich bürgerlich nennt und praktisch sozialistische Gesetze macht.
Von der Sozialdemokratie kann ich verstehen, daß sie diesen Gesetzen ihre volle Zustimmung gibt. Aber daß eine bürgerliche Regierung ein solches Gesetz vorlegt, widerspricht der Haltung, die nach außen hin vertreten wird.
Hier wird ein Personenkreis in die Arbeitslosenversicherung einbezogen, der für sich sorgen will und auch sorgen soll. Dieser Personenkreis, der sich schon ganz andere Lasten selber auferlegt hat, die er selber tragen will, wird hier zwangsweise in eine Gemeinschaft einbezogen, in die er nicht hineingehört. Wenn Sie diesem Personenkreis helfen wollen, dann hätten Sie gestern unseren Steueranträgen zustimmen sollen. Das wäre eine wirkungsvolle Hilfe für diesen Personenkreis gewesen. Was hier gefordert wird, ist eine Belastung, die diesen Menschen nicht zukommt. Wir lehnen dieses Gesetz ab.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.
— Nein, entschuldigen Sie, Herr Sabel! Frau Kalinke war hier schon längst aufgeschrieben.
Frau Kalinke : Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich bedaure, daß wir unseren Antrag, der zur zweiten Lesung gestellt war, hier nicht begründen konnten, weil wir zur gleichen Zeit in der Sitzung des Sozialpolitischen Ausschusses Beratungen und Abstimmungen hatten. Ich beantrage, daß unser Änderungsantrag Umdruck 1227 in der dritten Beratung jetzt erneut beraten und daß über ihn abgestimmt wird. Ich begründe unseren Änderungsantrag Umdruck 1227 in der Generaldebatte der dritten Lesung noch einmal.
In der Debatte vom 14. November 1956 haben wir uns über die großen Grundsatzfragen der Ausdehnung der Versicherungspflicht in der Novelle zum Gesetz über die Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung unterhalten. Ich erinnere Sie daran — Sie können es im Protokoll vom 14. November 1956 nachlesen —, daß ich in jener Auseinandersetzung die verschiedensten Vertreter dieses Hauses darauf aufmerksam gemacht habe, daß die historische Entwicklung der Kopplung der Versicherungspflichtgrenzen in der Krankenversicherung und der Arbeitslosenversicherung eine sehr vernünftige, mit einem sehr tiefen Sinn gewesen ist und daß die dann erfolgte Koppelung der Arbeitslosenversicherungspflichtgrenze mit der Rentenversicherungspflichtgrenze Probleme heraufbeschwören würde, auf die nicht nur ich, sondern auch Kollegen aus der CDU/CSU mit Recht hingewiesen haben. Wir haben uns in jener Diskussion damals schon sehr deutlich darüber unterhalten, daß die Einbeziehung in die Versicherungspflicht in jedem Zweig der Versicherung nur Sinn hat, wenn der betroffene Personenkreis auch eine Chance hat, von dieser Ausdehnung einen Vorteil zu haben, d. h. für Beiträge auch Leistungen zu empfangen. Wir haben damals sehr deutlich gemacht, daß die Ausweitung des Personenkreises in § 69 des AVAVG dazu führen würde, daß weitere Personenkreise in die Arbeitslosenversicherung einbezogen würden, die von ihr weder Leistungen in bezug auf die Unterstützung noch Leistungen in bezug auf die Vermittlung erwarten können.
Wir hatten hier eine sehr interessante Debatte über das Schicksal der leitenden Angestellten und über die Möglichkeiten der Vermittlung durch Arbeitsämter. Ich brauche nur in Ihre Erinnerung zu rufen, daß diese Debatte wie kaum eine andere deutlich gemacht hat, daß man nicht alle Arbeitnehmer über einen Leisten schlagen kann. Ich zitiere mit der Genehmigung des Herrn Präsidenten das, was der bisherige Präsident der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeits-
losenversicherung, Herr Dr. Scheuble, selber gesagt hat, als er mit allem Verantwortungsbewußtsein davor warnte, alle leitenden Angestellten, überhaupt alle qualifizierten Angestellten und Arbeiter in die Arbeitslosenversicherung einzubeziehen. Er sagte wörtlich, er halte es für sehr unwahrscheinlich, daß diese Gruppe von 360 000 höher bezahlten Arbeitnehmern — um mehr handelt es sich nämlich nicht —, die etwa 65 Millionen DM an Beiträgen jährlich aufbringen würden, jemals Arbeitslosenunterstützung beziehen würden. Ich muß Sie wieder fragen, meine Herren und Damen: welche Art Versicherung wäre das, in die man Menschen hineinzwingt, die Versicherungsbeiträge zahlen sollen, von denen man aber von vornherein weiß, daß sie niemals Leistungen bekommen werden? Ich bin nicht verdächtig, die Probleme der Personenkreise, die in die Versicherung einbezogen werden sollen, nur unter dem Zeichen der Hochkonjunktur oder der Situation unserer Vollbeschäftigung zu sehen und beides für einen Dauerzustand zu halten. Trotzdem glaube ich, daß es ein Dauerzustand sein wird, daß qualifizierte Arbeitskräfte Mangelware sind.
Ich erinnere weiter daran, daß wir uns schon damals mit den Gegnern unserer Auffassung auseinandersetzen mußten, die nicht glauben wollten, daß zusätzliche Verwaltungskosten entstehen würden, wenn man diejenigen mit hereinnimmt, die von der Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung befreit sind. Wir haben gemeinsam, der Abgeordnete Bürkel und ich, bewiesen, daß zusätzliche Verwaltungskosten entstehen. Ich bitte die Damen und Herren, die so schnell dabei waren, in der zweiten Lesung unsere Anträge abzulehnen, auch das einmal nachzulesen, damit sie sehen, welche Entscheidungen sie hier mit leichter Handbewegung getroffen haben. Ich erinnere weiter an die grundsätzlichen Fragen, auf die Herr Atzenroth hingewiesen hat. Es ist in der Öffentlichkeit zu keiner Zeit so viel wie anläßlich der bevorstehenden Wahl an großen Bekenntnissen und inhaltreichen Reden — schütteln Sie nicht Kopf und Hand, Herr Kollege —, auch quantitativ so viel geleistet worden wie in diesen Wochen. Ich bin der Auffassung, daß wir hier Gelegenheit haben, unter Beweis zu stellen, daß es uns ernst ist auch mit Grenzen der Versicherungspflicht und mit den Grenzen der Verantwortung, die wir in bezug auf Erhaltung der Solidarität und Verteidigung der Subsidiarität nicht vergessen sollten.
Nun ist im Gegensatz zu dem, was wir schon bei der Novelle zum AVAVG und bei der Erhöhung der Grenzen in der Rentenversicherung angekündigt haben, die gesetzliche Genehmigung zur freien Wahl und Entscheidung erteilt worden, damit solche Versicherte, die sich schon im späten Alter befinden oder bisher noch nicht versicherungspflichtig waren, die Chance erhalten, sich für eine individuelle Versicherung nach eigenen Vorstellungen zu entscheiden. Meine politischen Freunde in der Deutschen Partei sind darüber sehr glücklich. Viele Angestellte haben sich zum Risiko bekannt und zum Ausdruck gebracht, daß sie noch den Mut haben, persönliche Verantwortung zu tragen. Sie haben sich trotz aller Chancen, die die Rentenreform durch Staatszuschüsse, bei Ausfall- und Zurechnungszeiten und an ähnlichen Sicherheiten gibt, obwohl der Staat im Hintergrund mit seiner Garantie steht, für eine individuelle Versicherung entschieden. Viele Arbeitgeber haben andererseits einem Teil der Angestellten die Möglichkeit gegeben, eigene Rentenversicherungs- oder Individualverträge abzuschließen, für die sie mindestens den Betrag aufbringen, den sie in der höchsten Beitragsklasse der Rentenversicherung aufbringen müßten.
Nun sollte man annehmen, daß die Reaktion die Forderung nach Senkung der Grenze in der Arbeitslosenversicherung gewesen wäre, vielleicht sogar wieder die Forderung, die Arbeitslosenversicherungspflichtgrenze mit der Krankenversicherungspflichtgrenze zu koppeln. Weit gefehlt! Man kommt erneut zu der Forderung nach Ausdehnung der Versicherungspflicht, die schon damals vorgetragen wurde, weil man die Beiträge dieses Personenkreises zu erhalten wünscht, um gewisse finanzielle Löcher stopfen zu können. Und nun will man die ganz eindeutig mit der Koppelung der Pflichtgrenzen verbundene Befreiung von der Versicherungspflicht auch in der Arbeitslosenversicherung wieder rückgängig machen. Dieser Versuch ist nicht nur, wie eine Zeitschrift der Fachliteratur schrieb, „unverständlich und unnötig". Dieser Versuch steht auch im Gegensatz zu allen Erklärungen, die in diesen Wochen und Tagen von allen Seiten — ich nehme die Sozialdemokraten nicht aus — in schönen Worten immer wieder zur Selbstverantwortung und zur Anerkennung derjenigen, die noch zum Tragen des Risikos bereit sind, abgegeben worden sind. Wir wissen, daß viele dieser Versicherungsverträge, die abgeschlossen wurden, nur finanziert werden können, weil viele mittlere und kleinere Betriebe bereit sind, selber auch die Beiträge für ihre Facharbeiter und ihre leitenden Angestellten zu übernehmen. Sie haben das natürlich in der Berechnung getan, daß die Arbeitslosenversicherungsbeiträge ausfallen, und sie haben das getan in dem Glauben, daß ein Gesetz, das hier gemacht, beschlossen und begründet ist, und eine Versicherungsfreiheit, die hier verkündet ist, auch Versicherungsfreiheit ist. Woran sollen sie noch glauben, wenn ein solches Gesetz, kaum daß es in Kraft getreten ist, schon wieder durch eine Novelle revidiert werden soll?
Aus diesem Grunde bittet Sie die Deutsche Partei , dem Änderungsantrag auf Umdruck 1227 in dritter Lesung zuzustimmen. Wir sind damit einverstanden, daß in der Zusammenstellung der Beschlüsse des Ausschusses für Arbeit der neu in das Gesetz einzufügende § 55 a bestehenbleibt, und werden dem zustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort in der Generalaussprache hat der Abgeordnete Odenthal.
Herr Präsident' Meine Damen und meine Herren! Ich muß das, was Frau Kalinke gesagt hat, auf seinen wirklichen Gehalt zurückführen. Wir haben uns über die Frage der Arbeitslosenversicherung und der Arbeitslosenfürsorge in den Ausschüssen und hier ausreichend und ausgiebig unterhalten. Unsere Wünsche sind nicht alle angenommen worden. Wir haben als Demokraten nachher zugestimmt und führen das Gesetz mit durch. Die Rentenneuordnung ist ebenfalls ausgiebig beraten worden, und auch hierzu haben wir noch Wünsche bezüglich der Bereinigung einiger Dinge, die der neue Bundestag zu erledigen hat.
Was aber hier geschehen soll, ist die Ausfüllung einer Lücke. Ich darf Ihnen kurz und sachlich sagen, um was es geht. Als wir das AVAVG berieten, bezogen wir ein die Arbeiter sowieso und die Angestellten, nicht alle leitenden Angestellten — darin muß ich Sie berichtigen, Frau Kollegin Kalinke —, sondern diese nur bis zu einem Monatsgehalt von 1250 DM, und insoweit sind die Angestellten auch arbeitslosenversicherungspflichtig. Bei der Beratung der Rentenneuordnung erschien nun hier in einem Beschluß die Bestimmung, daß Angestellte, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, auf Antrag von der Versicherungspflicht für die Altersversicherung der Sozialversicherung befreit werden können. Aber niemand hat daran gedacht, daß sie auch von der Arbeitslosenversicherung freigestellt werden sollten.
Wir haben zur Zeit rund 90 000 ,arbeitslose Angestellte, darunter viele ältere Angestellte in den Notstandsgebieten. Wollen Sie, Frau Kalinke, diese Zahl noch dadurch erhöhen, daß Sie die Angestellten dazu verleiten, mit 50 Jahren den Antrag zu stellen, von der Arbeitslosenversicherung und damit von dem Schutz gegen Arbeitslosigkeit sowie von der Unterstützung in der Alu und in der Alfu ausgeschlossen zu werden? Der Erfolg Ihres Antrags würde sein, daß sich die Zahl von 90 000 vielleicht auf das Doppelte erhöht.
Die Wirklichkeit sieht doch so aus: Im Alter von 50 Jahren stellt der Mann den Antrag auf Befreiung aus der Altersversicherung und denkt nicht daran, daß er in den nächsten 15 Jahren bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres arbeitslos werden könnte. Die Praxis beweist aber, daß die Zahl der arbeitslosen älteren Angestellten nicht abnimmt, sondern dauernd stagniert. Sie haben, Frau Kalinke, die Reden des Herrn Scheuble auch nur im Auszug wiedergegeben. Im übrigen hat Herr Scheuble nie an eine Regelung gedacht, wie Sie sie vorschlagen. So sind die Tatsachen. Wenn Sie wollen, Frau Kalinke, daß sich die Zahl der arbeitslosen älteren Angestellten nicht erhöht, wenn Sie wollen, daß auch diese Angestellten bei Arbeitslosigkeit Alu und Alfu bekommen, schlage ich Ihnen vor, den Antrag zurückzuziehen. Wenn Sie anderer Meinung sind, wenn Sie glauben, man könne ohne Bedenken die Zahl der arbeitslosen Angestellten erhöhen, muß ich Ihnen sagen: wir haben nicht die Geneigtheit, diesem Antrag zuzustimmen.
Wir werden Ihren Antrag ablehnen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort in der allgemeinen Aussprache hat der Abgeordnete Sabel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst einmal gegen den Versuch des Herrn Kollegen Atzenroth wenden, hier unsere sozialpolitische Arbeit zu diffamieren. Herr Kollege Atzenroth, wir haben gar kein Interesse daran und haben nicht die Absicht, sozialistische Experimente zu machen. Aber wir haben die Absicht, uns auch weiterhin um die sozialen Probleme zu kümmern. Wir werden trotz Ihrer Diffamierung dieses Bestreben auch weiterhin praktizieren. Das sollten Sie sich merken.
Nun zur Sache selbst. Es wird um die ganze Sache wirklich mehr Wirbel gemacht, als notwendig ist; das möchte ich in aller Eindeutigkeit sagen. So wesentlich sind die Dinge nicht. Der Kollege Odenthal hat schon gesagt, worum es geht. Es ist keine Regierungsvorlage. Nach Verabschiedung der Rentenreform haben sich Experten mit den Herren vom Arbeitsministerium unterhalten und geglaubt, daß hier eine Korrektur notwendig sei. Als wir die Novelle zum AVAVG berieten, waren — schon damals — Anträge gestellt worden, eine unbegrenzte Versicherungspflicht der Arbeitnehmer einzuführen. In der ersten Ausschußlesung war das sogar beschlossen worden. Wir kamen aber in der zweiten Ausschußlesung zu der Auffassung, wir sollten der Rentenreform nicht vorgreifen und die Frage der Versicherungspflichtgrenze in der Rentenreform regeln. So hatten wir in der Novelle zum AVAVG nur festgelegt, daß die Angestellten versicherungspflichtig sind, solange sie angestelltenversicherungspflichtig sind.
Man sollte hier den Streit über die Versicherungspflichtgrenze nicht allgemein wieder aufleben lassen. Ich weiß, da gibt es Meinungsverschiedenheiten. Man kann sagen, die 1250-DM-
Grenze sei zu hoch; andere sagen, sie sei zu niedrig. Darüber möchte ich gar nicht diskutieren. Es geht hier nur darum, den gleichen Personenkreis gleich zu behandeln. Nach der Rentenreform ist es möglich, daß Versicherungspflichtige aus dem Versicherungsverhältnis ausscheren, wenn sie eine andere Versicherung abschließen oder wenn sie über 50 Jahre alt sind und dadurch die Anwartschaftszeit von 180 Monaten nicht mehr erreichen können. Das konnten wir aber bei der Verabschiedung der Novelle zum AVAVG nicht voraussehen. Deswegen war es um der gleichen Behandlung willen notwendig, diesen Personenkreis nun in die Angestelltenversicherung miteinzubeziehen. Angestellte sollen also in jedem Fall bei einem Einkommen bis zu 1250 DM auch in der Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig sein. Dafür besteht ein Bedürfnis. Der rentenversicherungspflichtige Angestellte, der in eine private Versicherung geht, wird ja dort in den Versicherungsschutz übernommen. Aber für die Arbeitslosigkeit ist kein Versicherungsschutz gegeben.
Nun sagen Sie: Der Mann wird ja nicht arbeitslos. Bitte, Sie können niemandem einen Garantieschein geben.
Im übrigen möchte ich an eine gewisse Solidarhaftung erinnern. Der Mann über 50 Jahre kann wohl nicht mehr die Anwartschaft für die Altersrente erwerben. Er kann aber ganz schnell die Anwartschaft in der Arbeitslosenversicherung erwerben. Nehmen Sie einmal an, wir würden Ihrem Ansinnen Rechnung tragen. Wenn nun Arbeitslosigkeit einträte, hätte der Betreffende keinen Anspruch auf Leistungen ,aus der Arbeitslosenversicherung, allerdings auf Arbeitslosenhilfe, wenn die Voraussetzungen gegeben sind. Das heißt, wir müßten in diesem Falle aus allgemeinen Steuermitteln helfen; das ist, glaube ich, nicht sinnvoll. Das sollte man sehen, und man sollte hier auch den Gedanken der Solidarhaftung nicht übersehen.
Ich möchte also die Diskussion wieder auf das zurückführen, was wirklich notwendig ist, und möchte mich gegen die Übersteigerungen wehren. Es geht nur darum, daß ein Personenkreis unter gleichen Umständen gleich behandelt wird, d. h.
daß man alle Angestellten, die bis 1250 DM monatlich verdienen, in die Arbeitslosenversicherung einbezieht, auch wenn sie nicht in der Rentenversicherung, sondern in einer privaten Versicherung sind oder wenn sie wegen Überschreiten des 50. Lebensjahres nicht mehr versicherungspflichtig sind. Nur darum handelt es sich. Ich möchte wirklich empfehlen, der Vorlage zuzustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bürkel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte einen Antrag zur zweiten Lesung auf Umdruck 1233 vorgelegt, der offenbar dem Präsidenten nicht vorgelegen hat. Ich wiederhole daher diesen Antrag in dritter Lesung.
Von jeher ist es Grundsatz in der Arbeitslosenversicherung, daß alle diejenigen, die krankenversicherungs-, angestelltenversicherungs- und invalidenversicherungspflichtig sind, auch arbeitslosenversicherungspflichtig sind. Dieser Grundsatz sollte hei der Debatte um das AVAVG Ende vorigen Jahres durchbrochen werden, und es sollten sämtliche Angestellten, gleich wie hoch ihr Gehalt ist, in die Arbeitslosenversicherung einbezogen werden. Nach eingehender Diskussion hat sich dann das Hohe Haus dazu entschlossen, diesem Antrag nicht zuzustimmen und es bei der bisherigen Regelung zu belassen, id. h. bei der Regelung, daß nur die Angestellten, die angestelltenversicherungspflichtig sind, in die Arbeitslosenversicherungspflicht einbezogen werden.
Durch das Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetz ist nunmehr festgelegt worden, daß alle die Angestellten, die durch die Erhöhung der Einkommensgrenze neuerdings angestelltenversicherungspflichtig werden, auf Antrag von dieser Angestelltenversicherungspflicht befreit werden können, wenn sie entweder über 50 Jahre alt sind oder aber eine Versicherung abschließen, die ihnen die gleiche Sicherung bietet. Sie würden dann auch ,automatisch aus der Arbeitslosenversicherungspflicht ausscheiden.
Durch diesen Gesetzentwurf soll nun erreicht werden, daß diese Angestellten, obwohl sie angestelltenversicherungsfrei sind, in die Arbeitslosenversicherungspflicht einbezogen werden. Das widerspricht an sich dem Prinzip, das wir Ende vorigen Jahres hier bestätigt haben. Es soll nur für diejenigen durch den Staat oder durch öffentliche Körperschaften gesorgt werden, die das selbst wollen. Wir wollen nicht noch weitere Schritte zum Wohlfahrtsstaat tun, sondern wollen hier, wenn möglich, bremsen. Die Angestellten aber, die eine private Versicherung abschließen wollen, geben damit zu erkennen, daß sie für sich selbst sorgen wollen. Es ist im Grundsatz falsch, daß man diese Angestellten in die Arbeitslosenversicherung hineinzwingt. Daß es so ist, geht auch aus zahlreichen Telegrammen hervor, die die Union der leitenden Angestellten uns übersandt hat.
— Zum Beispiel ich, wenn Sie gestatten, und einige Fraktionskollegen von mir.
Wallte man die Regelung treffen, die der Gesetzentwurf vorsieht, würde man eine neue Beitragsgruppe schaffen, nämlich eine Beitragsgruppe, die weder krankenversicherungspflichtig noch angestelltenversicherungspflichtig ist. Das heißt, bei den Einzugsstellen, den Krankenkassen, müßten neue Karteikarten angelegt werden von den Angestellten, die dort bisher überhaupt nicht geführt werden. Es müßten umfangreiche Erhebungen stattfinden, so daß auch der Verwaltungsbetrieb erschwert würde.
Im übrigen ergeben sich auch rechtssystematisch erhebliche Komplikationen. Schon im Jahre 1952 brachte das Gesetz über die Erhöhung der Einkommensgrenzen in der Sozialversicherung und der Arbeitslosenversicherung vom 13. August 1952 für die damals neu in die Angestelltenversicherung einbezogenen Personen mit Monatsentgelten zwischen. 600 und 750 DM die Möglichkeit, auf Antrag von der Angestelltenversicherungspflicht befreit zu werden. Auch damals hatte eine solche Befreiung entsprechend § 69 AVAVG die Wirkung, daß sie gleichzeitig aus der Arbeitslosenversicherung befreit wurden. Die Angestellten, die damals auf
Grund dieses Gesetzes arbeitslosenversicherungsfrei geworden sind, sind es auch heute noch. Auch sie müßte man, wenn man den Gedanken des Entwurfs konsequent verfolgen wollte, durch das jetzt vorliegende Gesetz in die Arbeitslosenversicherung einbeziehen bzw. zurückholen. Das ist nicht geschehen.
Außerdem ist darauf hinzuweisen, daß nach §§ 173 und 174 der Reichsversicherungsordnung Personen mit Ruhegehaltsbezügen auf Antrag von der Sozialversicherungspflicht befreit werden können und damit ebenfalls automatisch arbeitslosenversicherungsfrei werden. Auch das ist bisher nicht beanstandet worden. Solche Anträge werden z. B. häufig bei Beamten zur Wiederbeschäftigung gestellt, die außerhalb des öffentlichen Dienstes beschäftigt sind. Ihnen ist ein solches Antragsrecht durch § 73 des Gesetzes zu Artikel 131 ausdrücklich eingeräumt.
Nach Artikel 2 § 2 des AngestelltenversicherungsNeuregelungsgesetzes sind außerdem Mitglieder der Pensionskassen deutscher Eisenbahnen und Straßenbahnen versicherungsfrei in der Angestelltenversicherung, und zwar diejenigen, die mit der Pensionskasse vor dem 1. Juli 1948 erstmalig ein Versicherungsverhältnis begründet haben. Natürlich sind diese Personen dann auch arbeitslosenversicherungsfrei. Auch sonstige gesetzliche Tatbestände der Versicherungsfreiheit in der Krankenversicherung, wie nach §§ 165, 168, 169, 172 und 175 und in der Angestelltenversicherung nach den §§ 4 und 6 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes bewirken automatisch die Befreiung von der Arbeitslosenversicherungspflicht. Nur den einen Fall des § 1 der Übergangsbestimmungen will man nun ausdrücklich aus diesem ganzen Bukett herausgreifen und in die Arbeitslosenversicherungspflicht hineinbringen. Das scheint mir sehr unsystematisch zu sein.
Hinzu kommt folgender weiterer Gesichtspunkt. Am 15. Februar 1957 hat der Bundesarbeitsminister auf Anfrage der Krankenkassen einen Erlaß veröffentlicht, in dem entschieden worden ist, daß die Angestellten, die nach § 1 'der Übergangsbestimmungen von der Angestelltenversicherungspflicht befreit werden, auch arbeitslosenversicherungsfrei sind. Auf Grund dieses Erlasses haben zahlreiche
Angestellte mit einer privaten Versicherung einen Versicherungsvertrag abgeschlossen, und die Unternehmer und die Angestellten haben bezüglich der Beiträge zur Arbeitslosenpflichtversicherung, aus der sie jetzt ausscheiden, Vereinbarungen getroffen, die sich auf die Höhe ihres Versicherungsvertrages ausgewirkt haben. Wenn jetzt der vorliegende Gesetzentwurf in dieser Fassung angenommen würde, würden diese Angestellten rückwirkend wieder arbeitslosenversicherungspflichtig werden und neben ihren Beiträgen und zusätzlichen Versicherungsprämien in der privaten Versicherung zusätzlich die Angestelltenversicherungsbeiträge zahlen müssen.
Schließlich ist noch ein formaler Mangel zu erwähnen. Es ist immer falsch, wenn man den § 1 aus den Übergangsvorschriften des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes zum Anlaß nimmt, eine Bestimmung im AVAVG, im Gesetz selbst, zu ändern. Man müßte das, wenn überhaupt, auch in einer Übergangsbestimmung tun.
Die Streichung der Nr. 3 des § 1 ergibt sich naturnotwendig. Wenn nämlich die Arbeitslosenversicherungspflicht für die Angestellten entfällt, entfällt auch die Beitragspflicht.
Aus allen diesen Gründen bitte ich Sie, dem Antrag auf Umdruck 1233 zuzustimmen, damit Ziffer 1 des Initiativgesetzentwurfs entfällt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.
Frau Kalinke : Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Herr Kollege Odenthal hat als Antwort auf die Begründung unseres Änderungsantrages einige Behauptungen aufgestellt, die nicht unwidersprochen bleiben können. Der Kollege Odenthal wird von mir als ein alter Beamter der Arbeitsverwaltung und als Gewerkschaftskollege so eingeschätzt, 'daß er die soziale Wirklichkeit im allgemeinen und die Situation der Versicherten im besonderen genauso gut wie ich in der Arbeitslosenversicherung, wenn nicht besser als ich, kennt.
Herr Kollege Odenthal, Sie haben gesagt, niemand habe daran gedacht, daß er auch von der Arbeitslosenversicherung befreit sein würde. Herr Kollege Odenthal, die Betroffenen haben nicht nur daran gedacht, sondern sie waren sich sicher über die Konsequenzen ihres Antrages im klaren. Das traue ich den deutschen Arbeitnehmern, den Arbeitern wie den Angestellten, die einen Befreiungsantrag stellen, sehr wohl zu. Sie dürfen den Arbeitnehmern nicht unterstellen, daß sie nicht an die Konsequenzen eines solchen Antrages gedacht haben. Ich kann mir nicht denken, daß man eine Unterschrift unter einen Befreiungsantrag setzt, ohne sich das überlegt zu haben. Die Konsequenzen müssen den Betroffenen zumindest durch den Gesetzestext, durch die öffentliche Diskussion, durch die Diskussion hier im Parlament und durch die Begründungen, die wir hier in der Debatte vom November 1956 gegeben haben, klargeworden sein. In der genannten Debatte habe ich auch besonders auf die Zusammenhänge hinsichtlich der Koppelung der Versicherungsgrenzen hingewiesen und die historische Entwicklung sowie die Wirkung der Versicherungsgrenzen ,auf die Sozialreform dargestellt.
Sie haben hier eine Frage gestellt, Herr Kollege Odenthal, die eine so ungeheuerliche Unterstellung enthält, daß ich kaum verstehen kann, was Sie zu
dieser Frage veranlaßt hat. Sie haben mich gefragt, ob ich die älteren arbeitslosen Angestellten dazu verleiten wolle, sich von der Versicherung befreien zu lassen. Lieber Kollege Odenthal, ich glaube, wir sind beide so erfahren, daß wir uns nicht vorstellen können, daß sich einarbeitsloser älterer Angestellter — wer gehört zu diesem Kreis? das sind die Heimatvertriebenen, die aus der Bahn gerissenen, die älteren Menschen, die heute noch nicht untergekommen sind — ausgerechnet von der Rentenversicherung befreien lassen wird, um damit gleichzeitig auch von der Arbeitslosenversicherung befreit zu werden. Ich glaube, das glauben Sie selber nicht. Deshalb sollten Sie so etwas niemandem unterstellen, der hier mit großem Ernst um die sozialpolitischen Probleme ringt.
Sie haben weiter gesagt, ich hätte die Rede des Herrn Scheuble nur im Auszug wiedergegeben. Ich glaube, Sie würden selber großen Widerstand leisten, wenn ich hier die gesamte Rede des Herrn Scheuble verlesen würde. Ich habe nicht gehört, daß Herr Scheuble die von mir zitierten Ausführungen im November 1956 oder in der Zwischenzeit dementiert hätte, und ich bin auch überzeugt, daß er sie so gemeint hat.
Sie haben weiter gesagt: Man kann die Zahl der Arbeitslosen nicht erhöhen. Auch das ist doch eine bewußte Beunruhigung. Sie können doch nicht sagen, daß Angestellte, die über 750 DM verdienen und zum erstenmal versicherungspflichtig werden oder über 50 Jahre alt sind, die also doch zweifelsohne nicht arbeitslos sind, sondern einen gesicherten Arbeitsplatz haben, nun dadurch .arbeitslos werden, daß sie dazu nicht verleitet, sondern angeregt werden, eine Entscheidung für sich ,aus Selbstverantwortung zu treffen!
— Herr Kollege, das haben Sie leider gesagt. Bitte berichtigen Sie es, wenn Sie es nicht so gemeint haben. Ich habe es so verstanden. Sie haben gesagt: „Man kann doch die Zahl der Arbeitslosen nicht noch erhöhen." Wir nehmen bei Gott nicht an, daß eine solche Entscheidung Arbeitslose schafft.
Ich habe in meiner Begründung schon gesagt, daß wir in unserer vollbeschäftigten Wirtschaft einen Mangel an befähigten Angestellten und Arbeitern haben. Die Leute, die über 750 bis 1250 DM verdienen, fallen zumindest aus dem Rahmen des Durchschnitts der Arbeitnehmer heraus, von denen wir in der Regel reden, wenn wir von der Sozialpolitik sprechen.
Kollege Sabel hat nun gesagt - und das ist ein ernstes Anliegen, und eine solche Auffassung kann man haben, sie ist auch im Vorjahr von ihm vertreten worden —, „daß man um des Risikoausgleichs willen alle Arbeitnehmer bis 1250 DM in die Arbeitslos enversicherung einbeziehen müsse". Diese Auffassung kann man haben; ich teile sie nicht. Herr Kollege Sabel, wenn wir in diesem Hause in einer fortschrittlichen Auffassung von Sozialpolitik von links bis rechts ein Anliegen gemeinsam haben sollten, dann ,das, daß wir uns des wirtschaftlichen Fortschritts freuen, daß wir uns darüber freuen, daß so viele Arbeitnehmer an einer Lohnpolitik und am wirtschaftlichen Erfolg Anteil gehabt haben. Und wenn sie das gehabt haben, sollten wir ihnen zutrauen, daß sie auch über das Risiko der Arbeitslosigkeit freiwillig entscheiden, freiwillig, sage ich ganzausdrücklich, Herr Kollege Odenthal, nicht gezwungen! Niemand
zwingt sie dazu, sich von der Arbeitslosenversicherung befreien zu lassen. Wenn die Arbeitnehmer das freiwillig tun, sollte mannicht annehmen, daß sie sich der Konsequenzen nicht bewußt wären.
Sie haben meinem Kollegen Bürkel zugerufen und gefragt, an wen sich die leitenden Angestellten gewandt haben. Wahrscheinlich an ihn und mich und viele, die von Berufs wegen zu diesen Angestellten gehören und :die wie wir glauben, auf Grund ihres Fleißes und ihrer Fähigkeiten auch das Risiko der Arbeitslosigkeit selbst tragen zu können. Ich bekenne mich zu diesen Angestellten, die seit Jahrzehnten nicht in der Arbeitslosenversichewaren und daran keinen Schaden gelitten haben, auch nicht in der nationalsozialistischen Zeit, als wir uns unter verschiedenen Umständen mit vielen Problemen um den Arbeitsplatz auseinandersetzen mußten. Daß ,die Meinung derjenigen gehört wird, die es angeht, ist doch besonders Ihr Anliegen.
Lassen Sie mich zum Schluß noch folgendes sagen. Es ist hier von den Rechnungsgrundlagen und von der Solidarhaftung gesprochen worden. Man sollte immer denen, die eine Sache angeht, nämlich den Versicherten, klar sagen, was sie kostet. Wenn es ein Anliegen des Bundesarbeitsministers ist, das Loch im Topf der Arbeitslosenversicherung auf einem Umweg über die Einbeziehung weiterer Personenkreise zu stopfen,
so rufe ich Ihnen zu: Es ist eine bessere staatsbürgerliche Tugend, die Wahrheit zu sagen, die Kasten zu nennen!
— Herr Sabel, ich bitte Sie herzlich, haben Sie Mut und helfen Sie uns, mit unserer Abstimmung ein Bekenntnis zu den Grenzen des Wohlfahrtsstaates abzulegen!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat Herr Bundesarbeitsminister Storch.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich verstehe die Leidenschaftlichkeit der Auseinandersetzung nicht. Bei der Festsetzung der Versicherungsgrenze in der Angestelltenversicherung sind wir uns darüber einig geworden, daß alle Menschen bis zu einem Monatseinkommen von 1250 DM versicherungspflichtig sein sollen.
Wir haben durch diesen Beschluß doch gesagt, daß
wir die Schutzbedürftigkeit der Menschen auch bis
zu einem derartigen Einkommen für nötig halten.
— Das können Sie sich aus dem Protokoll herausschreiben! — Wir haben die Schutzbedürftigkeit dieser Leute gesehen, und ich warne wirklich dringend davor,
heute so zu tun, als ob es nie eine Zeit wie die Jahre um 1928 bis 1933 gegeben hätte.
Das ist doch letzten Endes die Frage. Wir haben
es in einer Arbeitslosenversicherung in Wirklichkeit gar nicht mit einem errechenbaren Risiko zu
tun, sondern mit einer Situation, in die der Mensch völlig unverschuldet hineinschlittern kann. Was haben wir denn Anfang der 30er Jahre erlebt? Wir haben erlebt, daß die leitenden Angestellten und die Angestellten, die versicherungsfrei waren bzw. ein Einkommen über der Versicherungsgrenze hatten, sofort die Wohlfahrt in Anspruch nehmen mußten. Gehen Sie bitte hin und erkundigen Sie sich bei den einzelnen Trägern der Wohlfahrtseinrichtungen, wie viele Menschen aus diesen Kreisen ohne weiteres dorthin gehen mußten. Diesen Weg möchte ich unseren Angestellten, wenn wir einmal in irgendeine andere Zeit kommen, um Gottes willen nicht noch einmal zumuten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Minister, verzeihen Sie! Gestatten Sie zwei Fragen, eine Frage des Abgeordneten Atzenroth und eine Frage der Frau Kalinke?
Ja, sicher!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bitte, das Wort hat Herr Atzenroth.
Frau Kalinke : Ich kann es auch ohne Mikrophon tun!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Kollegin Kalinke, entschuldigen Sie, Herr Atzenroth hatte sich zuerst gemeldet.
Ich hatte ihm schon das Wort erteilt. Sie kommen dann ja auch doch dran. Bitte, Herr Kollege Atzenroth.
Herr Minister, sind Sie der Meinung, daß wir, wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse der Jahre 1928 bis 1930, die Sie genannt haben, wiederholen sollten, mit den Mitteln der Arbeitslosenversicherung, die in dem letzten AVAVG beschlossen sind, auskommen?
Frau Kalinke : Herr Minister, darf ich gleich die Frage ergänzen?
Darf ich erst einmal diese Frage beantworten, oder wollen Sie sie beantworten?
Frau Kalinke : Ich will es Ihnen erleichtern, wenn ich mir erlaube, eine Zusatzfrage zu stellen. Sind Sie nicht der Auffassung, daß, wenn solche Krisen eintreten, die Subsidiarität, nämlich die Hilfe der größeren Gemeinschaft, eine besondere Aufgabe der christlichen Sozialpolitik ist?
Ich will diese Fragen ganz einfach beantworten. Wir haben im Krankheitsfall eine Schutzbedürftigkeit bis zu irgendeiner Einkommensgrenze. Wir haben die Schutzbedürftigkeit in der Rentenversicherung bei
1250 DM, entweder in der staatlichen Versicherung oder in einer gleichwertigen Ersatzversicherung. Wir haben damit grundsätzlich die Schutzbedürftigkeit für die Angestelltenversicherung in derselben Höhe anerkannt. Nun stellen Sie die Frage, ob man mit den heute zur Verfügung stehenden Mitteln derartige Krisen überwinden könne, wie wir sie Anfang der 30er Jahre erlebt haben. Das kann ich Ihnen ohne weiteres mit einem Nein beantworten.
— Ja, aber nicht so. Derjenige, der heute in einem Betrieb in der eisenschaffenden Industrie steht und weniger verdient, ist versicherungspflichtig. Er hat aber wahrscheinlich einen sichereren Arbeitsplatz als mancher höher bezahlte Angestellte,
und er soll in der Zeit, wo er das große Einkommen hat, an dieser Gemeinschaft nicht beteiligt sein, aber in dem Moment, wo ihn mit den anderen das Unglück trifft, soll die größere Gemeinschaft eintreten? So ist es doch nicht richtig gedacht. Wir sind uns darüber klar, daß wir dieser Dinge bedürfen. Ich glaube, es wird niemand da sein, der das nicht bejaht. Man muß sich aber auch über den Kreis der Schutzbedürftigen im klaren sein. Bei der Angestelltenversicherung gibt es als Ersatzversicherung eine Privatversicherung. Aber es gibt noch keine private Versicherung, die man als Ersatz für eine Arbeitslosenversicherung ansprechen kann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Minister, gestatten Sie noch eine Frage?
Bitte, ich bin gern dazu bereit.
Frau Kalinke : Herr Minister, wenn Sie also meinen, daß die Solidarhaftung aller Arbeitnehmer ohne Rücksicht auf ihr Einkommen — denn das bedeutet praktisch die Grenze von 1250 DM — in der Arbeitslosenversicherung notwendig ist, sind Sie dann auch der Auffassung, daß auch alle diejenigen, die sich im freien Beruf zum Risiko des Lebens bekennen, diese Sozialsteuer bezahlen müssen, — denn das wäre doch die Konsequenz einer solchen Auffassung von der Solidarhaftung!?
Sehen Sie, Frau Kalinke, jetzt kommen Sie viel dichter an den Wohlfahrtsstaat heran als wir!
Wir haben bisher auf dem Standpunkt gestanden, daß unsere Sozialversicherungseinrichtungen für die Arbeitnehmer, d. h. für diejenigen, die im Wirtschaftsleben nur ihre Arbeitskraft einsetzen, bestehen sollen. Wir haben es bisher abgelehnt, diese Risiken in den Versichertenkreis hineinzuziehen, und wir denken auch nicht daran, uns von dieser grundsätzlichen Anschauung zu trennen, es sei denn, daß jemand in der Versicherung Anrechte erworben hat, die er gern freiwillig erhalten möchte.
Wir sollten hier keine große Auseinandersetzung darüber führen, ob wir damals mit der Begrenzung auf 1250 DM richtig gehandelt haben oder
nicht. Das steht heute gar nicht zur Debatte, sondern zur Debatte steht, ob wir den Kreis, den wir damals für schutzbedürftig angesehen haben, in den beiden Versicherungszweigen gleichmäßig behandeln wollen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß jemand, der heute ein Einkommen bis zu 1250 DM hat, die Gefahr einer eventuellen Arbeitslosigkeit selber tragen kann; das kann er am allerwenigsten.
— Der kann es nicht lange! Aber wir wollen doch annehmen, daß sich der Betreffende nachher ein größeres Sparguthaben zulegt. Sie treten ja auch dafür ein, daß wir den Sparwillen noch fördern.
Entweder man ist zu diesem Entschluß gekommen, und dann soll man ihn konsequent durchziehen, oder man soll sagen: wir haben uns damals geirrt und wollen das nicht mehr aufrechterhalten. Ich persönlich bin der Meinung, wir täten gerade den Angestellten den allerschlechtesten Dienst, wenn wir sie vor eine Situation stellten, die ihnen eventuell eines schönen Tages die allergrößten Schwierigkeiten bereitet.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dittrich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich stimme mit dem Herrn Bundesarbeitsminister überein, wenn er sagt, er weiß eigentlich gar nicht, warum man um diese Materie so viel Aufhebens macht. Ich stimme aber nicht mit dem überein, was er am Schluß seiner Ausführungen gesagt hat. Ich kann seiner Argumentation, daß derjenige, der zwischen 750 DM und 1250 DM monatliches Gehalt habe, unbedingt eine Sicherung durch die Arbeitslosenunterstützung brauche, unter keinen Umständen beipflichten. Denn dann hätten wir in der Angestelltenversicherungspflicht nicht die Möglichkeit der Befreiung geben dürfen, wie wir sie geschaffen haben.
— Lassen Sie mich doch das in Ruhe einmal ausführen! Auch wenn ich gegen Ihre Meinung spreche, sollten Sie mich doch aussprechen lassen. — Diese Art der Sicherung für das Alter und der Sicherung für den Fall der Arbeitslosigkeit dürfte doch in 'der Frage der Beitragsverpflichtung keinen Unterschied machen. Aber wenn Sie darüber anderer Ansicht sind, so mögen Sie das von hier aus vortragen.
Ich unterstütze den Antrag Umdruck 1233, den mein Kollege Dr. Bürkel bereits begründet hat. Ich will mich hier nicht verbreiten über die Frage der Solidarhaftung, auch nicht über die Frage, ob man da und dort einmal eine Lücke in einem Gesetz offenlassen sollte, sondern ich möchte Ihre Aufmerksamkeit nur auf einen ganz bestimmten Punkt lenken. Die Angestellten, die monatlich zwischen 750 und 1250 DM Gehalt haben, konnten jetzt nach dem Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetz disponieren, d. h. sie konnten a) eine Vorsorge für ihr Alter durch eine Privatversicherung treffen — das hat ein Teil getan, wie die mir zugegangenen Zuschriften besagen — und b) auch Vorsorge für
) den Fall der Arbeitslosigkeit treffen, entweder durch den Anstellungsvertrag mit dem Arbeitgeber oder ,auf andere Weise. Sie haben diese Sicherung für das Alter durch eine Privatversicherung und auch die Sicherung gegen eine eventuelle Arbeitslosigkeit deshalb getroffen, weil sie nach dem Gesetz klar und deutlich die Befugnis hatten, den Befreiungsantrag zu stellen. Und nun will der Gesetzgeber das wieder ändern. Er greift damit in die Sphäre des einzelnen in einer Weise ein, wie er es nicht tun sollte.
Ich möchte noch einen Gesichtspunkt zur Unterstützung des Antrags Umdruck 1233 geltend machen. Diejenigen Angestellten mit einem monatlichen Einkommen zwischen 750 und 1250 DM, die den Befreiungsantrag gestellt haben, haben meines Erachtens nicht nur den Wunsch gehabt, sich für ihren Lebensabend zu versorgen, sondern sie haben damit etwas zum Ausdruck gebracht, was noch viel höher zu werten ist: ein Vertrauen in unsere Währung,
ein Vertrauen, das bereits zweimal enttäuscht wurde. Ich glaube deshalb, daß wir diese Privatdisposition — und nur von der spreche ich — hier nicht dadurch stören sollten, daß wir diese Angestellten nun in die Arbeitslosenversicherung hineinzwingen, in die sie gar nicht hineinwollen.
Deshalb bitte ich, dem Antrag Umdruck 1233 zuzustimmen.
— Auf die Solidarität, Herr Sabel, lege ich nicht ,den entscheidenden Wert.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Schneider .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Beratung des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes hatten wir schon große Bedenken, in den Übergangsbestimmungen Befreiungsmöglichkeiten zu schaffen. Wir haben uns aber schließlich davon überzeugt, daß das notwendig war. Nunmehr sehen wir gelegentlich der Behandlung des vorliegenden Gesetzentwurfs, was für Folgerungen einzelne Abgeordnete aus diesem Hause hieraus gezogen haben. Sie verwechseln dabei folgendes. Der Herr Bundesarbeitsminister hat mit Recht gesagt: In der Angestelltenversicherung ist die Befreiungsmöglichkeit nur deshalb gegeben worden, weil dort eine objektiv bestimmbare Ersatzregelung möglich ist. Eine solche objektiv bestimmbare Ersatzregelung ist aber im AVAVG nicht möglich. Es gibt eben keine Versicherung, die ,das Risiko der Arbeitslosigkeit versichert. Man kann deshalb unmöglich die beiden Dinge miteinander vergleichen.
Im übrigen darf ich Ihnen sagen, daß nach den bisherigen Feststellungen der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte eine relativ kleine Anzahl von Angestellten den Befreiungsantrag gestellt hat. Es handelt sich um eine so geringfügige Zahl von wenigen tausend zunächst Versicherungspflichtigen, daß man von dem Befreiungsbedürfnis nicht so viel Aufhebens machen sollte. Mißt man das Interesse des Personenkreises, um den es sich heute handelt, ran der vorliegenden Zahl von wenigen tausend, so muß man sagen: man erweist dem betreffender Personenkreis keinen Dienst, wenn im Sinne de] hier vorliegenden Anträge entschieden wird.
Ich möchte einen Irrtum richtigstellen, dei Herrn Dr. Bürkel unterlaufen ist Er hat davor gesprochen, daß auch die Privateisenbahner, die vor 1945 in ihre besondere Pensionskasse als Ersatz für die Angestelltenversicherung eingetreter waren, von den Verpflichtungen der AVAVG befreit sind. Er hat aber nicht hinzugefügt, daß dei Gesetzgeber diese Befreiungsmöglichkeit deshalb aussprechen konnte, weil der Personenkreis diesel Versicherten auf andere Weise, durch die Pensionskasse, auch für den Fall der Arbeitslosigkeit geschützt ist. Der Gesetzgeber hat also in diesem Falle die Befreiung ausgesprochen, weil auch hier eine objektiv bestimmbare Ersatzeinrichtung vorhanden war. Das ist aber bei den Anträgen, die gestellt worden sind, nicht der Fall.
Ich möchte auch darauf hinweisen, daß das AVAVG nicht nur Unterstützungsleistungen vorsieht; es hat noch viele andere Aufgaben zu erfüllen. Es ist bekannt, daß 40 % der Ausgaben der Bundesanstalt für diese Aufgaben verbraucht werden. Wenn 'den Anträgen stattgegeben würde, würde der betreffende Personenkreis zwar an den Leistungen dieser Einrichtungen teilnehmen, er würde aber keine Beiträge dafür leisten.
Im Interesse des Personenkreises, um den es sich hier handelt, bitte ich Sie, meine Damen und Herren, alle vorliegenden Anträge abzulehnen. Ich möchte nicht der Versuchung erliegen, meiner Kollegin Frau Kalinke in der Erörterung grundsätzlicher Fragen zu folgen, die sie mit vielen Sätzen hier angesprochen hat. Es handelt sich hier um eine Frage; auf sie sollten wir uns beschränken. Ich glaube, Ihnen durch meine ergänzenden Ausführungen dargelegt zu haben, daß wir dem in Frage kommenden Personenkreis schlecht dienten, wenn wir die Anträge annähmen. Ich bitte Sie also, die Anträge abzulehnen und der Ausschußvorlage zuzustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Wortmeldungen? — Bitte sehr, Herr Abgeordneter Kutschera.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Worte vom Wohlfahrtsstaat und von persönlicher Verpflichtung zur Sicherung gegen Arbeitslosigkeit sind heute so oft gefallen, daß ich glaube, noch ein paar Worte hier sagen zu müssen. Gerade weil man gegen den Wohlfahrtsstaat ist, sollte man dem vorliegenden Gesetzentwurf zustimmen. Durch ihn wird nämlich verhindert, daß Menschen, die in Arbeitslosigkeit geraten, ausschließlich dem Staat zur Last fallen. Diese Menschen haben dann die Möglichkeit, auf Grund eines echten Rechtsanspruchs Bezüge zu erhalten.
— Dazu komme ich noch. Das Argument des Wohlfahrtsstaates sollte man nicht so häufig gebrauchen; denn wir sind wahrhaftig nicht in Gefahr, ein Wohlfahrtsstaat zu werden, wir sind sehr weit davon entfernt.
Man sollte aber doch überlegen, was im Ernstfall geschieht. Eine vollkommene Sicherung gegen Arbeitslosigkeit gibt es nicht. Das ist bereits gesagt worden und braucht nur unterstrichen zu werden. Auch Verträge, auf die hingewiesen wurde, sind null und nichtig, wenn einmal eine Katastrophe — wir hoffen von Herzen, daß sie vermieden wird — hereinbricht. Die Versicherung gegen Arbeitslosigkeit ist also notwendig. Deshalb ist es nicht mehr als recht, wenn der Kreis, der in die Gefahrenzone hineinkommen kann, durch Beiträge die Bundesanstalt in die Lage versetzt wird, durch vorbeugende Maßnahmen, wie sie der Herr Kollege Schneider hier aufgezeigt hat, zu erreichen, daß eine große Arbeitslosigkeit gar nicht erst eintritt. Aber ich frage mich dann auch: Was geschieht eigentlich, wenn dieser Personenkreis, über den wir uns jetzt so ausführlich unterhalten haben, Beiträge zahlt? Was passiert ihm dann? Es ist eine minimale Belastung, die der einzelne zu tragen hat, und ist für das Ganze doch wieder eine Erleichterung für den Fall, daß der Notstand eintritt.
Es macht so den Eindruck, als ob diejenigen, die für die Gestezesvorlage stimmen, den Kreis erweitern wollten. Das ist gar nicht der Fall. Der Kreis bestand und wird nicht erweitert.
Es wird lediglich jetzt die Klarheit geschaffen, daß man weitere Ausnahmen nicht mehr zuläßt.
Es ist auch die Frage: Wer ist nun mehr gefährdet, in die Gruppe der Arbeitslosen zu fallen, der Arbeiter — ich denke jetzt einmal an Spezialarbeiter — oder der Angestellte? Ich meine fast, daß der Spezialarbeiter sicherer in Arbeit und Brot steht als mancher Angestellte. Auch diese Frage müßte man also bedenken. Deshalb werden wir den vorliegenden Anträgen die Zustimmung verweigern.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Wortmeldungen zur Generaldebatte in der dritten Lesung liegen nicht mehr vor. Ich schließe diese.
Ich komme jetzt zur Einzelberatung. Es liegen zwei Anträge vor, die Umdrucke 1233 und 1227.
— Einen Moment, Frau Kalinke! Sie haben sich ja schon gemeldet; ich vergesse es nicht. — Die Anträge unterscheiden sich dadurch, daß der eine, auf Umdruck 1233, in seiner Ziffer 1 beinhaltet, auch die Überschrift des Gesetzes zu ändern. Ich werde die Abstimmung darüber zurückstellen, weil es mir logisch erscheint, daß wir das Gesetz in seiner Überschrift erst dann sinnvoll ändern können, wenn wir materiell darüber abgestimmt haben, was geschehen soll. Ist das Haus damit einverstanden?
Damit rufe ich den § 1 auf. Die Änderungsanträge sind begründet.
Die Abgeordnete Kalinke hat sich gemeldet, um zur Abstimmung zu sprechen. Bitte, Frau Kalinke!
Frau Kalinke : Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Namens der Fraktion der Deutschen Partei (Freie Volkspartei) beantrage ich
namentliche Abstimmung über den Antrag Umdruck 1227, der mit dem Inhalt des Antrags Umdruck 1233 übereinstimmt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es ist namentliche Abstimmung beantragt, wenn ich Sie richtig verstanden habe, Frau Kalinke, über den Antrag Umdruck 1227 Ziffern 1, 2 und 3, und Sie haben erläuternd hinzugefügt, daß der Umdruck 1227 Ziffern 1, 2 und 3 materiell übereinstimme mit dem Umdruck 1233, Ziffern 2, 3 und 4.
— Sie beschränken Ihren Antrag auf namentliche Abstimmung auf den Umdruck 1227 Ziffern 2 und 3. Habe ich Sie richtig verstanden?
— Beantragen Sie auch namentliche Abstimmung für die Ziffer 1 Ihres Umdrucks? Ich würde es Ihnen dringend empfehlen.
Frau Abgeordnete Kalinke beantragt also, über den Umdruck 1227 Ziffern 1, 2 und 3 geschlossen namentlich abstimmen zu lassen. Ich darf dem Hause erläutern, daß der Antrag auf Umdruck 1233 in seinen Ziffern 2, 3 und 4 materiell genau übereinstimmt mit dem Umdruck 1227, Ziffern 1, 2 und 3. Da ist kein Zweifel. Der eine hat nur die Form, es möchten zwei Wörter gestrichen werden, der andere sagt, die Fassung möchte so lauten. Beide Anträge sind aber in ihrer materiellen Wirkung gleich. Wenn also über Umdruck 1227 Ziffern 1, 2 und 3 namentlich abgestimmt ist, so ist damit auch Umdruck 1233 Ziffern 2, 3 und 4 erledigt.
Nun frage ich, ob der Antrag auf namentliche Abstimmung von 50 anwesenden Mitgliedern des Hohen Hauses unterstützt wird? — Das Präsidium ist sich einig, daß der Antrag nicht genügend unterstützt ist. Es sind keine 50 Abgeordneten. Damit entfällt die namentliche Abstimmung.
— Das Präsidium hat das festgestellt; daran lasse ich keine Kritik zu.
Ich komme zur Abstimmung über Umdruck 1227 Ziffern 1, 2 und 3. Ich stelle fest, daß damit gleichzeitig auch Umdruck 1233 Ziffern 2, 3 und 4 erledigt wird.
Wer dem Umdruck 1227 Ziffern 1, 2 und 3 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen.
— Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Präsidium ist sich nicht einig. Ich wiederhole: Wer zustimmen will, erhebe sich bitte vom Platz. — Gegenprobe. — Ich lasse auszählen. — Die Auszählung ist beendet.
Ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt: Abgegebene Stimmen insgesamt 299, davon mit Ja 147, mit Nein 151; der Stimme enthalten hat sich ein Abgeordneter. Damit ist der Antrag auf Umdruck 1227 Ziffern 1 bis 3 in der dritten Lesung abgelehnt.
Ich unterstelle, daß die Antragsteller des Umdrucks 1233 nunmehr damit einverstanden sind, daß ich über ihre Ziffer 1 nicht mehr abstimmen zu lassen brauche. — Das ist der Fall.
Meine Damen und Herren, weitere Änderungsanträge zur dritten Lesung des Gesetzes liegen nicht vor. Ich komme damit zur Schlußabstimmung. Herr Atzenroth, wollen Sie das Wort zur Schlußabstimmung? — Bitte sehr.
Meine Damen und Herren, ich beantrage für die Schlußabstimmung namentliche Abstimmung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, ich bitte aber, jetzt Platz zu nehmen; denn sonst ist es hier vorne beinahe unmöglich, festzustellen, ob dieser Antrag genügend unterstützt ist. Es ist für die Schlußabstimmung zu 'dem Gesetz namentliche Abstimmung beantragt. Ich frage das Haus: Wer unsterstützt diesen Antrag? — Die Damen und Herren müssen die Hände etwas länger oben behalten; sonst können wir nicht zählen. — Der Antrag auf namentliche Abstimmung ist genügend unterstützt. Wir kommen in der Schlußabstimmung über das Gesetz zur namentlichen Abstimmung. Ich bitte die Damen und Herren Schriftführer, die Stimmkarten einzusammeln.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt: Abgegebene Stimmen von stimmberechtigten Abgeordneten 361, von Berliner Abgeordneten 18. Mit Ja haben gestimmt 205 stimmberechtigte Abgeordnete und 13 Berliner Abgeordnete; mit Nein haben gestimmt 148 stimmberechtigte Abgeordnete und 5 Berliner Abgeordnete; Enthaltungen 8. Das Gesetz ist also in dritter Lesung angenommen.
Ich rufe nunmehr Punkt 16 der Tagesordnung auf:
16. Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes über Änderungen und Ergänzungen von Vorschriften des Zweiten Buches der Reichsversicherungsordnung (Drucksache 2721);
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik (Drucksache 3532). (Erste Beratung: 167. Sitzung.)
Ich gebe der Frau Abgeordneten Kalinke das Wort zur Berichterstattung.
Frau Kalinke , Berichterstatterin: Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Der Mündliche Bericht auf Drucksache 3532 gibt Ihnen die Beschlüsse des 28. Ausschusses bekannt. Wegen der großen Tagesordnung möchte ich diesen Bericht nur sehr kurz mündlich ergänzen.
Die antragstellende Fraktion hat im Ausschuß zum Ausdruck gebracht, sie wolle keinen neuen
Personenkreis in die Versicherungspflicht einbeziehen, sondern mit ihrem Antrag lediglich der Gehaltsentwicklung seit 1952 Rechnung tragen. Es darf nicht verschwiegen werden, daß im Ausschuß hinsichtlich der Frage, ob die hier vorgesehenen Einkommensgrenzen der Gehaltsentwicklung wirklich Rechnung tragen, unterschiedliche Auffassungen bestanden. Es bestanden auch unterschiedliche Auffassungen darüber, ob eine Anhebung der Versicherungspflichtgrenze auf 600 DM genüge, ob eine Anhebung auf 660 DM etwa der Gehalts- und Kaufpreisentwicklung entspreche oder ob, wie es eine große Fraktion beantragte, sogar die Erhöhung der Grenze auf 750 DM monatlich notwendig sei. In der Debatte im Ausschuß hat sich dann eine Mehrheit für ¡die Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze ,auf 660 DM ausgesprochen, während eine nicht geringe Minderheit gegen diesen Antrag stimmte.
Ein Antrag, die Versicherungspflichtgrenze in gleicher Höhe auch in Berlin einzuführen, wurde im Ausschuß mit ,dem Argument abgelehnt, daß noch von diesem Bundestag ein besonderes Berliner Anpassungsgesetz beschlossen werde, das die Gelegenheit zur Schaffung ¡der Rechtseinheit mit Berlin gebe. Obwohl dies ¡grundsätzlich als richtig anerkannt wurde, bat auch der Vertreter des Landes Berlin um eine besondere Berlin-Klausel, nach der mit Rücksicht auf das Berliner Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz diejenigen Personengruppen auch in Zukunft versicherungsfrei sein sollten, die diesem Gesetz unterliegen. In der Auseinandersetzung im Ausschuß wurde deutlich, daß, nachdem die Gleichstellung der Arbeitnehmer im Krankheitsfalle erfolgt ist, auch in der Frage der Krankenversicherungspflicht in Berlin von seiten des Landes Berlin und des Berliner Senats einer entsprechenden Regelung im Anpassungsgesetz zugestimmt werden würde.
Wegen der unterschiedlichen Auffassungen, die im Ausschuß deutlich wurden und die sich zweifellos auch in der Debatte hier niederschlagen werden, möchte ich mich als Berichterstatterin darauf beschränken, Ihnen im Namen der Mehrheit des Ausschusses den Beschluß entsprechend dem gedruckten Bericht zur Annahme zu empfehlen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich danke der Frau Berichterstatterin. Ich rufe § 1 des Gesetzes in zweiter Lesung auf. Hierzu liegen drei Änderungsanträge vor, und zwar auf den Umdrucken 1206, 1210 und 1224. Werden diese Anträge begründet? — Frau Abgeordnete Korspeter zu Umdruck 1206!
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Die SPD-Fraktion legt mit Umdruck 1206 dem Hohen Hause zu § 1 den Änderungsantrag vor, die Versicherungspflichtgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung, die durch den Beschluß des Sozialpolitischen Ausschusses von monatlich 500 DM auf 660 DM ,erhöht werden soll, auf monatlich 750 DM auszudehnen. Ich möchte dabei von vornherein ausdrücklich betonen, daß wir mit unserem Antrag keineswegs die Absicht haben, den Kreis der Versicherungspflichtigen auszuweiten. Wir wollen damit lediglich erreichen, daß die Versicherungspflichtgrenze in der Krankenversicherung der wirtschaftlichen Entwicklung angepaßt wird. Wir würden es deshalb auch sehr begrüßen, meine Damen und Herren, wenn die Gegner dieses
Antrags — wir wissen, daß es solche hier im Hause gibt — bei der Beratung auf polemische Äußerungen verzichten könnten, polemische Äußerungen — wir kennen sie ganz genau —, die etwa in der Richtung gehen, daß man sagt: „Da sieht man es wieder, die SPD will wieder einmal die Grenzen des echten Schutzbedürfnisses ausweiten", oder: „Die SPD befindet sich wieder einmal auf dem Weg, die Eigen-Verantwortung der Menschen einzuengen". Meine Damen und Herren, darum geht es uns nicht. Seien Sie sicher, daß wir den Gegnern unseres Antrags mit sehr handfester Polemik aufwarten könnten. Darauf wollen wir aber verzichten, weil es uns um die Sache geht. Wir sind der Meinung, daß wir die nötige Anpassung an die wirtschaftliche Entwicklung nicht mit einer Grenze von 660 DM erreichen, aber schon ganz bestimmt nicht mit einer Grenze von 600 DM, die die Deutsche Partei erneut beantragt.
Es wird uns auch nicht gelingen, mit einer Beitragsgrenze von 660 DM die Angestellten wieder in die Versicherungspflicht hineinzubekommen, die vorher versicherungspflichtig waren und durch die Erhöhung ihres Nominaleinkommens aus der Versicherungspflicht herausgewachsen sind. Ich beziehe mich dabei auf die Ausführungen des Vertreters der Angestelltenkrankenkasse und ,des Vertreters der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft, die im Sozialpolitischen Ausschuß als Sachverständige gehört worden sind. Nach ihren Ausführungen ist der Anteil der Kassenmitglieder, die nicht mehr versicherungspflichtig sind, in den letzten Jahren ständig angewachsen. Diese Entwicklung wurde damit begründet, daß die Versicherungspflichtgrenze leider hinter den Tatbeständen zurückgeblieben sei. Die Angestelltenkrankenkassen haben jetzt mehr als 30 % nichtversicherungspflichtige Mitglieder, die infolge der Erhöhung des Nominaleinkommens aus der Versicherungspflicht herausgewachsen sind und die bei einer Einkommensgrenze von 660 DM nicht wieder in die Versicherungspflichtgrenze hineinwachsen würden.
Weiter wurde darauf hingewiesen, daß beispielsweise das Durchschnittsgehalt der Angestellten des Volkswagenwerks heute 'schon bei 680 DM liege und daß wir deshalb bei der hier vorgeschlagenen Beitragsgrenze von 660 DM den Durchschnitt der Angestellten automatisch außerhalb der Versicherungspflichtgrenze ließen. Niemand hier im Hause wird eigentlich bestreiten können, daß bei einem Durchschnittsgehaltsempfänger noch ein echtes Sicherheitsbedürfnis vorliegt, ganz besonders aber auch dann, wenn ,dieser Familienvater von mehreren Kindern ist. Es kann auch niemand der Ansicht sein, daß ein Durchschnittsgehaltsempfänger auf den Arbeitgeberanteil verzichten und selbst voll und ganz für die Kosten im Krankheitsfall aufkommen solle.
Ich möchte Ihnen noch ganz kurz — gestatten Sie mir das bitte— durch konkrete Zahlenvergleiche nachweisen, daß sich die Versicherungspflichtgrenze im Laufe der Jahre zu Ungunsten der Versicherten entwickelt hat. Ich nenne einige Zahlen, die außerordentlich interessant sind. Wir haben beispielsweise 1927 eine Beitragsgrenze von 3600 Mark jährlich gehabt. Das durchschnittliche Arbeitsentgelt aller betrug zu dieser Zeit 1742 Mark. Die Beitragsgrenze machte also das 2,07fache des durchschnittlichen Arbeitsentgelts aus. Ich kann nun leider nicht die ganze Entwicklung der zurückliegenden Jahre 'darlegen, weil das sicher zu weit
führen würde. Aber es sei noch gesagt, daß die Beitragsgrenze nach dem augenblicklichen Stand nur noch das 1,2fache des Durchschnittsentgelts ausmacht. Es würde bei einer Erhöhung der Beitragsgrenze auf 600 DM nur das 1,4fache und bei einer Erhöhung auf 660 DM nur das 1,5fache ausmachen. Selbst mit unserem Antrag, der eine Beitragsgrenze von 750 DM vorsieht, blieben wir mit dem 1,7fachen der Beitragsgrenze noch unter dem Stand von 1927. Würde man den Faktor von 1927 heute zugrunde legen, so würde sich eine Einkommensgrenze von 10 800 DNI jährlich und eine Einkommensgrenze von 902 DM monatlich ergeben.
Meine Herren und Damen, ich habe Ihnen diese Zahlen genannt, um Ihnen zu beweisen, daß wir mit unserem Antrag den Kreis der Versicherten keineswegs ausdehnen, sondern nur erreichen wollen, daß die Beitragsgrenze ,an die wirtschaftliche Entwicklung angepaßt wird. Wir bitten deshalb um Annahme unseres Antrages, um zu einer entsprechend gerechten Regelung zu kommen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird das Wort zur Begründung der anderen Anträge gewünscht? — Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke zur Begründung des Antrags Umdruck 1210 . Ich darf die Frau Kollegin vielleicht bitten, mitzuteilen, ob ,der Antrag auf Wiederherstellung der Regierungsvorlage auch bedeutet, daß in der Ziffer 3 der Betrag von 22 DM in 20 DM geändert wird.
Dann würde also ein Unterschied zwischen Ihrem Antrag und dem der FDP bestehen.
Frau Kalinke : Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich habe als Berichterstatterin sehr loyalerweise darauf hingewiesen, daß die Mehrheit des Ausschusses die Annahme der Vorlage empfiehlt.
Sie sehen an dem Änderungsantrag der Deutschen Partei , daß ich als Sprecherin dieser Fraktion die Annahme nicht empfehlen kann, sondern mich namens der Deutschen Partei (Freien Volkspartei) in der Begründung unseres Antrags dafür aussprechen möchte, daß dem ursprünglichen Antrag der Bundestagsfraktion der CDU/CSU vom 27. September 1956, eine Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze auf 600 DM vorzunehmen, entsprochen wird.
In den Debatten im Ausschuß hat die auch bei der Begründung ihres Antrags von der Frau Kollegin Korspeter erwähnte Beteuerung eine entscheidende Rolle gespielt, nämlich: „daß niemand die Absicht habe, den Kreis der Versicherungspflichtigen weiter auszudehnen." Aber hier scheint es notwendig zu sein, sich in einer grundsätzlichen Diskussion dieses Problems darüber klarzuwerden, daß jedermann, der glaubt, daß bei einem Herauswachsen der Versicherten aus der Versicherungspflicht diejenigen, die zu irgendeinem Zeitpunkt der Versicherungspflicht unterlagen, auch für alle Zukunft unter die Versicherungspflicht fallen müssen, damit selbstverständlich ein Bekenntnis zu einer dynamischen Versicherungspflichtgrenze und zu einer Ausweitung der Versicherungspflicht ablegt. Denn jeder Versicherte hat ohnehin das Recht,
die Weiterversicherung in seiner Kasse zu beantragen.
Ich komme der Aufforderung der Frau Kollegin Korspeter, über dieses so schwerwiegende, aber auch so bedeutsame Problem so sachlich wie nur irgend möglich zu diskutieren, nicht erst bei der Debatte, sondern schon bei der Begründung unseres Antrags außerordentlich gern nach. Viele der von der Erhöhung der Pflichtgrenze Betroffenen werden sich darüber klar sein, daß es, soweit es eine gewerkschaftliche Forderung ist, vor allem darum geht, den Arbeitgeberanteil zu erhalten. Ich glaube, daß es nicht nur eine gewerkschaftliche Forderung, sondern eine echte gewerkschaftliche Aufgabe von heute und von morgen sein sollte, dafür Sorge zu tragen, daß der bisherige Arbeitgeberanteil oder ein Zuschuß zur Eigensicherung immer mehr als Forderung in das Vokabular der Gewerkschaften aufgenommen wird.
Eine Begründung für die fortgesetzte Heraufsetzung der Versicherungspflichtgrenze auch für alle diejenigen, die durch eine positive und erfreuliche Wirtschaftsentwicklung aus ihr herausgewachsen sind, bietet allerdings das Problem des Arbeitgeberanteils nicht. Sehr viele Deutsche, die sich über die Folgen einer dynamischen Versicherungspflichtgrenze ernsthaft Gedanken machen, können sich immer wieder vor Augen führen, daß schon die Änderung der Versicherungspflichtgrenze in der Vergangenheit von 1927 — bis 1949 hatten wir immerhin einen sehr langen Zeitraum, in dem die Grenzen unverändert bei 300,— DM geblieben sind — deutlich gemacht hat, daß in dieser bedeutsamen Frage unser Volk immer dafür gewesen ist, die Versicherungspflichtgrenze in der Krankenversicherung so statisch wie möglich beizubehalten. Am 1. September 1952 fand die erste Korrektur für die Grenze von 300 DM statt. 1949 wurde die Versicherungspflichtgrenze auf 375 DM erhöht und später, am 1. September 1952, auf 500 DM. Der betroffene Personenkreis mußte sich, wenn er die Zahlen prüfte — genauso wie wahrscheinlich Versicherungsträger, Gewerkschaften und Arbeitgeber —, darüber klar sein, daß damals die Zahl von 500 DM entscheidend hoch gegriffen war. Von 1952 bis Anfang 1957 stieg der Index der Lebenshaltungskosten um etwa 4 %. Die ursprünglich geplante Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze von 500 auf 600 DM bedeutet also eine Steigerung um 20 % und würde damit die Indexsteigerung weit übertreffen. Die Steigerung auf 660 DM würde sogar eine solche von 32 % bedeuten und um ein Vielfaches über die wirkliche Steigerung der Lebenshaltungskosten, die, wie gesagt, in der Berichtszeit 4 % betrug, hinausgehen. Ich glaube, daß eine solche Betrachtung und nicht etwa nur eine Betrachtung der Höhe der Gehälter, die in einzelnen Firmen oder Branchen gezahlt werden und ganz aus dem Rahmen des Durchschnitts herausfallen, ein Modell sein darf.
Ganz geschwiegen wird davon, daß für die Arbeiter, für die es keine Versicherungspflichtgrenze gibt, durch eine Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze, die ja zugleich mit der Beitragsbemessungsgrenze gekoppelt ist, eine wesentliche Beitragserhöhung eintritt. Der Beitrag war immerhin bei einem Durchschnittssatz von 8 %, den ich für die Krankenversicherung von heute wohl als normal annehmen darf, bei 500 DM — und das ist ja ein Einkommen, das weit unter dem liegt, was
Frau Korspeter als das Einkommen der Arbeitnehmer beim Volkswagenwerk bezeichnet hat — bisher 40 DM, während der Beitrag bei 660 DM 52,80 DM betragen würde. Daß der Arbeitgeberanteil, also die Hälfte dieses Beitrags, von vielen Arbeitgebern und nicht immer nur von den Großindustriellen oder solchen, die diese Beiträge auf den Preis umlegen können, sondern auch von vielen mittelständischen Schichten, die doch alle Parteien schützen wollen und denen alle helfen wollen, gezahlt wird und außerdem in vielen Fällen eben die so beklagte Preiserhöhung mitbeeinflußt, möchte ich nur u. a., aber nicht als unbedeutend mit erwähnen.
Ich habe heute morgen mit absoluter Zustimmung die Erklärungen unseres Bundeskanzlers in den Zeitungen gelesen, in denen er in einem Presseinterview Stellung nimmt und ausdrückt, „daß in unserer Politik entscheidend sein müsse, von welchem grundsätzlichen Standpunkt aus politische Fragen entschieden würden". Ich bin mit dem Bundeskanzler und mit vielen Freunden aus der CDU/CSU einig, daß es sich bei der Debatte, die wir jetzt führen, um eine solche grundsätzliche Entscheidung in einer Frage der Innenpolitik von allerhöchstem Ausmaß handelt. Ich bin der Auffassung, daß wir auch über die Fragen, die heute bei der Novelle zum AVAVG diskutiert worden sind, nämlich die Fragen der Solidarität und Subsidiarität, in diesem Zusammenhang wenigstens noch einmal nachdenken sollten und daß wir uns klarmachen müssen, daß das, was Professor Welty so überzeugend in seinem Sozialkatechismus ausgedrückt hat — ich will es hier nicht zitieren —, doch für sehr viele zu ernsthaften Überlegungen Anlaß sein dürfte. Nicht nur die Rechte, auch die Pflichten der Gemeinschaftsmitglieder zum Gemeinschaftsganzen sollten wir bedenken. Es ist kein Zweifel, daß auch in dem Gutachten, das auf Veranlassung der Bundesregierung von Professor Achinger erstellt worden ist und in dem er zu einer sehr bedeutsamen Frage der Reform der Krankenversicherung Stellung genommen hat, nämlich in der Arbeit „Zur Neuordnung der sozialen Hilfe", etwas sehr Wichtiges steht. Dort wird in dem Unterabschnitt „Schutz der Schwachen" ausgedrückt, daß die Berufsgruppen keine Vorrechte auf Kosten der Allgemeinheit für sich in Anspruch nehmen sollten und man bei der Neuordnung darauf achten müsse, daß in der Sozialversicherung die Belange der Allgemeinheit den Vorrang hätten. Ich glaube, daß das Professorengutachten in dieser Frage absolut recht hat. Das Überschreiten der Grenzen für den notwendigen und sozial erwünschten Ausgleich läßt sich ohne weiteres regulieren, wenn man eine vernünftige Versicherungspflichtgrenze setzt.
Bei dem vorhergehenden Punkt hat Frau Kollegin Korspeter gesagt — ich darf das für die Begründung meines Antrages mit anführen —, daß die Angestelltenersatzkassen zu diesem Problem Stellung genommen haben. Wenn jemand zur Frage der Angestelltenersatzkassen sprechen darf, dann, glaube ich, bin ich das, die in sehr böser Zeit, als die Angestelltenersatzkassen beseitigt werden sollten, quer durch die deutschen Lande gezogen ist und um ihren Bestand gekämpft hat. Die Angestelltenersatzkassen haben unter dem Stichwort „Preugo-Erhöhung" in dem gemeinsamen Nachrichtendienst der Angestelltenersatzkassen, der Innungskrankenkassen und der Betriebskranken-
kassen vom 24. Juni 1957 sehr ausdrücklich darauf hingewiesen, „daß sie nicht der Auffassung sind, daß Beitragserhöhungen zu vermeiden sein werden. Sie werden selbst dann nicht zu vermeiden sein, wenn die Versicherungspflichtgrenze evtl. auf 660 DM erhöht werden sollte." Sie sagen mit Recht, „den Mehreinnahmen stehen erhöhte Barleistungen an die Versicherten sowie die ständig steigenden Krankenhauskosten gegenüber".
Die Angestelltenersatzkassen haben in der Vergangenheit wie in der Gegenwart — ich sage das nur, weil sie hier zitiert worden sind — immer für eine sehr behutsame Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze plädiert und haben sich immer von denen zu unterscheiden gewußt, die in einer laufenden dynamischen Bewegung der Versicherungspflichtgrenze bis hin zur totalen Versicherungspflicht ein politisches Ziel gesehen haben.
In der öffentlichen Diskussion wird nun die Frage gestellt: Wem dient diese Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze? Dienen die höheren Beiträge tatsächlich den Krankenkassen, damit sie mit dem zweifelsohne vorhandenen Dilemma der Ausweitung der Leistungen und der Erhöhung aller Kasten fertig werden? Ich muß Ihnen aus meiner Kenntnis der Zahlen und der Situation sagen, daß die Erhöhungen den Krankenkassen nicht dienen.
Lassen Sie mich den Zahlen über die Steigerung der Lebenshaltungskosten noch einige andere Zahlen hinzufügen — sie entstammen der amtlichen Statistik des Statistischen Bundesamtes und sind in „Wirtschaft und Statistik" nachzulesen —, die deutlich machen, wie richtig die angeführte Veränderung des Lebenshaltungskostenindex ist. Der Lebenshaltungskostenindex betrug — 1950 gleich 100 gesetzt — 1952 110, 1953 110, 1956 113 und im Vierteljahr von November 1956 bis Januar 1957 114. Dabei muß berücksichtigt werden — das wurde leider von den Gewerkschaften, die uns im Ausschuß berichtet haben, versäumt —, daß auch eine dreimalige Ermäßigung der Einkommensteuer eingetreten ist, nämlich am 1. Juni 1953, am 1. Januar 1955 und am 1. Oktober 1956, Idle bei dem, was wir den Kaufkraftschwund der Löhne und Gehälter nennen, wahrscheinlich nicht ohne Bedeutung ist. Den Arbeitern und Angestellten muß auch dieser Teil der wirtschaftlichen Entwicklung und des wirtschaftlichen Fortschritts bekannt sein.
Die Fraktion der Deutschen Partei ist der Auffassung, daß bei der Erhöhung der Grenzen nicht schlechthin die dynamische Entwicklung der Löhne gesehen werden darf. Es muß vielmehr die Reallohn- und die Realgehaltsentwicklung gesehen werden, wenn man nicht einer Entwicklung Tür und Tor aufmachen will, die sicherlich wir alle in diesem Hause, die wir die Verantwortung auch um die Zukunft der Krankenversicherung und um die Erhaltung der Solidarhaftung innerhalb der Krankenversicherung tragen, nicht wünschen können.
Es ist hier noch eine andere Frage zu erwähnen. Ich habe Gelegenheit gehabt, mit einigen meiner Kollegen in diesen Tagen Gast des Deutschen Ärztetages zu sein. Sie kennen die Wünsche der Bundesregierung, die auch die Ihren sind, die Preugosätze zu erhöhen, eine Sache, die sicherlich notwendig ist, um den Belangen der Ärzte Rechnung zu tragen. Da aber das Schicksal der Krankenkassen und das der Heilberufe nun einmal sehr eng miteinander gekoppelt sind, ist es ganz unmöglich — das werden sicher die Mediziner in diesem Hause nochdeutlichermachen—, darüber zu schweigen, daß eine weitere Einengung des Honorars einerseits aus der Privatpraxis, aber auch andererseits der Möglichkeiten der Versicherungsträger, die noch nach Einzelleistungen bezahlen, nicht erfolgen sollte. Zu dieser Frage erinnere ich Sie alle an die Unterlagen, die Sie von der Bundesärztekammer im April dieses Jahres bekommen haben und in denen die Ärztekammer ausdrücklich darauf hingewiesen hat, daß die Entschließungen der letzten Ärztetage im Zusammenhang mit jeder Entwicklung des Lohn- und Preisgefüges nach oben unddamit einer Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze, idle über das Maß des Schutzes für die wirklich sozial Schutzbedürftigen hinausgehe, warnen müßten. Es ist sicherlich kein Geheimnis, daß auch in der Öffentlichkeit die Entscheidung des Sozialpolitischen Ausschusses alle diejenigen äußerst enttäuscht hat, die nach Parteitagen so große Ankündigungen namhafter Politiker gerne gehört haben und ihnen ebenso gerne zugestimmt haben.
Ich sagte schon, daß auch die Belastung der
Betriebe mit Beitragserhöhungen nicht übersehen werden darf!
Aber ich möchte diese überaus politische Aussprache nicht beenden, ohne bei der Begründung unseres Antrages auch auf einen ganz bemerkenswerten Tatbestand hinzuweisen. Mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitiere ich, was der Deutsche Gewerkschaftsbund am 15. März 1957 den Mitgliedern des Sozialpolitischen Ausschusses geschrieben hat, nämlich „daß der DGB den im Gesetzentwurf vorgeschlagenen Beträgen für die Neufestsetzung der Versicherungspflichtgrenze und Beitragsbemessungsgrenze zustimmt". Es ist zwar in der Erläuterung gesagt worden, daß der DGB das als Mindestlösung ansieht. Aber es isst mit keinem Wort gesagt, daß der DGB in dieser Frage etwa meint, diese Erhöhung sei. unanehmbar, sondern ich lese aus diesem Schreiben, das ich in seinem ersten Absatz wörtlich zitiert habe, daß er dem Antrag auf Erhöhung der Grenze auf 600 DM zustimmt. Er muß auch zustimmen aus der Verantwortung, die der Deutsche Gewerkschaftsbund vor der großen Zahl der Arbeiter hat, die seine Mitglieder sind.
Da die Ortskrankenkassen in der Regel die Sache der Arbeiter vertreten, die Sonderkassen aber auch Angestellte und übrige Mitglieder haben, zitiere ich der Frau Kollegin Korspeter, die sich hier so zum Anwalt der Ersatzkassen gemacht hat, noch zum Thema Versicherungspflichtgrenze, was der gemeinsame Pressedienst der Ersatz-, Betriebs- und Innungskassen — —
— Ich berichtige mich gerne. Ich zitiere also zu Ihrer Aufklärung, „daß die Land-, Betriebs- und Innungskassen und die Ersatzkassen sich immer gegen eine zu weit ausgedehnte Versicherungspflicht gewandt haben, weil sie den Grundsatz der Selbstverantwortung nicht mehr als nötig eingeengt sehen wollen". Es ist allerdings richtig, daß die Ersatzkassen darauf hinweisen, daß sie über
300 000 Mitglieder haben, die aus der Versicherungspflicht herausgewachsen sind.
Aber hier, meine Herren und Damen, unterscheiden wir uns, weil die Deutsche Partei und, ich hoffe, sehr viele Freunde aus der Koalition und der Opposition mit mir sicher der Auffassung sind, daß das, was nach 1949 vom Gewerkschaftsrat als Umbau der Sozialversicherung gefordert wurde, nämlich über die Erhöhung der Versicherungspflichtgrenzen alle Berufstätigen in die Zwangsversicherung einzubeziehen ohne Rücksicht darauf, ob sie wirtschaftlich in der Lage wären, sich durch eigene Vorsorge für den Fall der Erwerbsunfähigkeit oder der Krankheit selbst zu versichern, nicht das Anliegen unserer Fraktion und aller derjenigen ist, :die in diesem Hause der Selbstverantwortung und der Selbsthilfe sehr gerne eine Gasse bahnen möchten.
Ich bitte Sie daher, unserem Antrag auf Wiederherstellung des ursprünglichen Antrags der CDU/CSU, nämlich die Einkommensgrenze auf nicht mehr als 600 DM festzusetzen, Ihre Zustimmung zu geben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird das Wort zur Begründung des Umdrucks 1224 gewünscht? — Herr Atzenroth hat das Wort.
Meine Damen und Herren! Es fällt mir nach der langen Begründung durch Frau Kalinke etwas schwer, in meinen Ausführungen das alles wegzulassen, was sie schon zur Begründung vorgetragen hat; denn unser Antrag stimmt in der Sache mit dem der DP überein.
Es ist versichert worden, man habe nicht die Absicht, den Kreis der zwangsweise Versicherten zu erweitern. Wenn das wirklich der Fall wäre, würden alle die Vorwürfe, die bei der Beratung des vorhergehenden Gesetzes erhoben wurden, nicht zutreffen. Aber nach unserer Meinung — und Frau Kalinke hat .das schon sehr ausführlich nachgewiesen — ist es nicht so. Mit diesem Antrag würde der Kreis der Versicherten erheblich erweitert. Beim Vergleich der monatlichen Einkünfte kommt es nicht entscheidend auf den Nominalwert an, sondern auf die Kaufkraft; wir müssen den Kaufkraftvergleich ziehen. Man hat die Erhöhung der Grenzen damit begründet, daß die gesetzlichen Kassen ihren alten Versicherungsbestand wieder auffüllen mußten. Das ist kein Grund für die Einbringung des Gesetzes. Das Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung in München hat in seiner Veröffentlichung vom 21. März festgestellt, daß der Kaufkraft eines Lohnes oder Gehaltes von 300 RM im Jahre 1936 - und das ist die Vergleichszahl, die angeführt wird — ein Lohn oder Gehalt von 541 DM im Jahre 1957 entspricht. Gegenüber 1952 ist die Kaufkraft der Bruttolöhne auch nicht gesunken, sondern gestiegen, in erster Linie — Frau Kalinke hat es schon erwähnt — wegen der dreimaligen Steuerermäßigung. Demnach entspricht also einer Grenze von 300 RM im Jahre 1936, die zum Vergleich immer herangezogen wird, heute eine Grenze von 541 DM. Die Regierungsvorlage mit 600 DM liegt also schon darüber, zum mindesten nicht darunter. Es besteht also keine Veranlassung, den Satz noch hinaufzusetzen. Frau Kalinke hat schon darauf hingewiesen, daß die Erhöhung der Versicherungsgrenze für die Arbeiter eine Belastung bedeuten würde; denn auf sie käme
ein beträchtlicher Mehrbetrag an Beiträgen zu, der bis zu 30 % betragen kann. Bei den Angestellten dagegen ist es umgekehrt. Hier würde eine zusätzliche Belastung für die Arbeitgeber entstehen.
Ich will ebenso wie Frau Kalinke nur am Rande darauf hinweisen, daß alle Gesetzesvorlagen, die Sie in letzter Zeit auf dem Gebiet der Sozialpolitik gebracht haben, von einer großen Bequemlichkeit getragen waren. Sie forderten irgendwelche Erhöhungen, und wenn Sie danach gefragt wurden, woher die Beiträge genommen werden, antworteten Sie einfach: Wir müssen die Arbeitgeberbeiträge eben erhöhen! Das hat dazu geführt, daß der lohnbedingte Anteil der Kosten eines Unternehmens heute ohne .diese Erhöhung schon 48,5 % beträgt. Ich habe kürzlich die Herren Richter und Sabel gefragt, bis zu welchem Prozentsatz sie eine Belastung der Betriebe noch für möglich und tragbar halten. Sie haben mir beide bisher auf diese Frage keine Antwort gegeben und sie werden mir auch keine geben; denn dann könnten solche Gesetzentwürfe nicht eingebracht werden.
Zum Schluß noch eines! Abgesehen von der Verschiedenartigkeit der Wirkung auf Arbeiter und Angestellte greift die Heraufsetzung der Versicherungspflichtgrenze auch in die Rechte und Ansprüche der Versicherten ein, die seit 1952 nach Überschreiten der Versicherungspflichtgrenze aus der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschieden sind. Diese Versicherten haben durch ihren Entschluß dokumentiert, daß sie den Status des freien Patienten dem System der gesetzlichen Krankenversicherung mit ihrer Einheitsleistung auf Grund eines Krankenscheins vorziehen und bereit sind, die Verantwortung selbst zu übernehmen. Sie haben in der Zwischenzeit größtenteils Ansprüche und Rechte in der privaten Krankenversicherung erworben. Ihr Vertrauen in die Beständigkeit :des Rechts würde erschüttert und ihr Glaube an die immer wieder versprochene Förderung des Willens zur Eigenverantwortung und zur Risikobereitschaft würde enttäuscht, wenn über ihren Willen und über die von ihnen erworbenen Ansprüche ohne weiteres hinweggegangen würde. Ihnen müßte mindestens das zugestanden werden, was vor kurzem durch die Veränderung der Versicherungspflichtgrenze in der Rentenversicherung den neu versicherungspflichtig Gewordenen zugestanden wurde, nämlich der Anspruch darauf, daß ihr Wille und daß die von ihnen erworbenen Rechte respektiert werden. Das ist in der Ausschußvorlage in keiner Weise der Fall.
Unser Antrag ist praktisch gleichlautend mit dem der DP; er weicht davon nur in einer kleinen Zahl ab, die der Herr Präsident schon genannt hat. Wir bitten daher, die Beratung nur auf den Antrag der DP zu :erstrecken und diesem Antrag zuzustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Arndgen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine politischen Freunde und ich sind der Meinung, daß man es bei dem Ausschußbeschluß belassen und die Anträge, die Frau Kalinke für die Deutsche Partei und Frau Korspeter für die SPD-Fraktion begründet haben, ablehnen sollte.
Wir haben im Ausschuß die Auffassung vertreten, daß es richtig ist, 660 DM als Versicherungspflichtgrenze anzusetzen. Dabei sind wir von dem
Wunsch ausgegangen, daß alle diejenigen, die bisher versicherungspflichtig waren, auch versicherungspflichtig bleiben sollten.
Nun hat sich die Situation seit dem Jahre 1952 wie folgt geändert. Damals hatten wir bei einer Versicherungspflichtgrenze von 500 DM im Monat ungefähr 320 000 Einkommensbezieher mit einem Einkommen zwischen 500 und 750 DM und ungefähr 90 000 Einkommensbezieher mit einem Einkommen von mehr als 750 DM, während wir am 1. Januar dieses Jahres 800 000 Einkommensbezieher mit einem Einkommen zwischen 500 und 750 DM hatten, also solche, die nicht mehr versicherungspflichtig waren, und 300 000 Einkommensbezieher mit einem Einkommen von mehr als 750 DM monatlich. Es ist also notwendig, die Versicherungspflichtgrenze zu ändern, damit diejenigen, die versicherungspflichtig waren, auch versicherungspflichtig bleiben. Das erreichen wir nach unserer Meinung, indem wir die Versicherungspflichtgrenze auf 660 DM festlegen.
Frau Kollegin Kalinke hat darauf verwiesen, daß die CDU einen Antrag auf 600 DM gestellt hatte. Dem muß ich folgendes ,entgegenhalten. Die Versicherungspflichtgrenze von 600 DM stand bei uns seit Mai vergangenen Jahres in der Diskussion, und wir hatten gleich nach den Parlamentsferien des vergangenen Jahres diesen Antrag eingebracht. Wir alle, meine Damen und Herren, haben doch wohl erlebt, daß sich in dem Dreivierteljahr, das seitdem ins Land gegangen ist, sehr vieles getan hat. Es ist daher schon berechtigt gewesen, daß der Ausschuß trotz des Antrags der CDU/CSU-Fraktion, bei 600 DM zu bleiben, beschlossen hat, 660 DM als Versicherungspflichtgrenze einzuführen. Die endgültige Regelung der Versicherungspflichtgrenze ist eine Aufgabe, die, wenn auch nicht diesem, aber dem kommenden Bundestag kurz nach seinem Beginn gestellt ist, wenn an die Neuregelung der Krankenversicherung im ganzen herangegangen wird.
Daher sollten wir jetzt über 660 DM nicht hinausgehen, und ich möchte den Bundestag bitten, es bei der Ausschußvorlage zu belassen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Berg.
Dr. Berg : Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollegin Frau Korspeter hat soeben gesagt, der Antrag, die Versicherungspflichtgrenze auf 750 DM zu erhöhen, bedeute keine Ausweitung Ides Personenkreises. Augenscheinlich sind verschiedene Menschen darüber verschiedener Auffassung. Ich stütze mich hier auf den Bericht des Verbandes der privaten Krankenversicherungsgesellschaften, der dieses Jahr auf der gemeinsamen Tagung in Travemünde erstattet worden ist. Auch dieser Bericht, der unter der Aufsicht des Bundesaufsichtsamts für Versicherungswesen steht, also sicherlich zuverlässig ist, setzt sich mit den verschiedenen Gesetzesvorlagen hier im Hause auseinander und stellt dabei fest, daß mit der Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze über 600 DM hinaus die privaten Krankenversicherungen insoweit in eine ernsthafte Gefahrenlage geraten, als ihnen die bei jeder Versicherung vorhandenen guten jungen Risiken verlorengehen und sie auf die schlechten älteren Risiken abgedrängt werden. Zweitens sei überhaupt eine Einengung des Bestandes der Versicherungsverträge zu befürchten.
Meine Damen und Herren, es handelt sich bei den Versicherungsnehmern der privaten Krankenversicherungsgesellschaften um rund 6,6 Millionen Vollversicherungsverträge und im ganzen um etwas über 10 Millionen Versicherungsverträge. Wenn diese Versicherungsgesellschaften in Not geraten, bedeutet das, daß der Gesetzgeber hier mit einer Überhöhung der Versicherungspflichtgrenze für die Sozialversicherung die durch jahre- und jahrzehntelange Beitragszahlung wohlerworbenen Versicherungsrechte dieser 6,6 Millionen bzw. 10 Millionen Versicherungsnehmer in Gefahr bringt.
Daß der Versicherungsschutz für die Arbeitnehmer notwendig ist, bestreitet in diesem Hause kein Mensch. Aber auch die Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze hat ihre Grenzen, und zwar in dem notwendigen Rechtsschutz dieser Versicherungsnehmer der privaten Krankenversicherungsgesellschaften. Diese 6 Millionen Menschen haben genau dasselbe Recht auf einen Rechtsschutz ihrer wohlerworbenen Ansprüche, wie die anderen in den niederen Einkommensschichten das Recht darauf haben, vor Krankheit usw. geschützt zu werden.
Noch auf ein anderes Argument möchte ich hinweisen, und das ist die weitere Einengung der Privatpraxis der Ärzte. Ich brauche das nicht groß zu unterstreichen. Daß die Kassenpraxis für den Arzt kein Glück mehr bedeutet, vor allen Dingen nachdem die Honorarsätze längst nicht mehr dem entsprechen, was ,der Leistung und der Ausbildung des Arztes tatsächlich angemessen wäre, daß die Kassenpraxis für den Arzt, dessen Beruf aus der Freiheit heraus kommt, kein Vergnügen mehr ist, — ich glaube, darüber braucht man hier kein Wort mehr zu verlieren. Jetzt soll die Möglichkeit des Arztes, sich in einem ,gewissen kleinen Bereich frei zu betätigen, weiter 'eingeengt werden. Ich glaube, meine Damen und Herren, wir sind auch einem kleinen, nicht sehr einflußreichen Berufsstand eine erhebliche Rücksicht schuldig. Ich möchte Sie bitten, es bei 'der ursprünglichen Vorlage der CDU: Begrenzung auf 600 DM — das ist völlig ausreichend — zu belassen und dem Antrag der DP zuzustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Kalinke.
Frau Kalinke : Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte meinen verehrten Kollegen Arndgen bitten, in die Monatsstatistik der sozialen Krankenversicherung zu schauen —„Arbeits- und Sozialstatistische Mitteilungen" vom Mai 1957 —, dort wird er die neuesten Zahlen finden. Ich möchte ihn, ohne mich nun im einzelnen mit ihm auseinanderzusetzen, doch bitten, auch darauf zu achten, daß in ,diesem Dreivierteljahr erfreulicherweise eine Veränderung, also ein Kaufkraftschwund, wie leider immer wieder behauptet wird, nicht eingetreten ist. Es ist außerdem wichtig, dem Herrn Kollegen Arndgen in Erinnerung zu rufen, daß, selbst wenn man seine Zahlen anwendete, eine Grenze von 300 Mark im Jahre 1936 heute einer solchen von 541 DM entsprechen würde. Das 'bedeutet, daß die 600 DM in dem Antrag unserer Freunde von der CDU/CSU etwa richtig gegriffen sind 'und sogar noch einen kleinen Spielraum für die Entwicklung 'der nächsten Lohnerhöhungen lassen.
Ich habe mich aber nicht nur zu dieser Berichtigung gemeldet, sondern ,deshalb, weil ich geradezu erschrocken über die Ausführungen des Kollegen Arndgen war, der erklärte, „daß die endgültige Regelung im dritten Bundestag kommen soll". Meint er, daß über diese Erhöhung hinaus im dritten Bundestag noch eine weitere kommen soll? Dann müßte ich allerdings den Herrn Kollegen sehr ernsthaft an das erinnern, was der zweite Vorsitzende seiner Partei in Hamburg gesagt hat, und ich müßte ihn noch ernsthafter an das erinnern, was der Herr Bundeskanzler und wir mit ihm in dieser Koalition seit Jahren als die Grundsätze der Wirtschafts- und Sozialpolitik vertreten haben und sehr gern 'auch in Zukunft vertreten möchten.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit nachholen, was ich zuerst nicht gesagt habe: Die Bundesregierung, der Herr Bundesarbeitsminister hat von dieser Stelle erklärt, daß er die Wiederinkraftsetzung des § 178 RVO über die Beendigung der Versicherungspflicht sehr bald durchsetzen wird. In der Vorlage der Fraktion der CDU/CSU ist von diesem Versprechen nichts mehr enthalten. Wir wären sehr glücklich, wenn wenigstens das kleine Teilstück, das wir von Ihnen heute erwarten, nämlich ein Bekenntnis zu Ihrer eigenen Vorlage, wobei wir Sie unterstützen wollen, zu verwirklichen wäre und wenn wir uns wieder auf die Begründung verständigen könnten, die die Bundesregierung selbst in der Drucksache 67 gegeben hat. Die Begründung in dem Entwurf eines Gesetzes über die Erhöhung der Erinkommensgrenzen sollte immer noch Richtschnur sein. In dem Allgemeinen Teil dieser Begründung heißt es:
Die deutsche Sozialversicherung will bewußt nur Personen erfassen, die wegen ihrer wirtschaftlichen und sozialen Lage eines Schutzes gegen die Wechselfälle des Lebens bedürfen. Auch die Vergünstigungen der freiwilligen Versicherungsollen nur Personen zuteil werden, deren Einkommen eine 'bestimmte Grenze nicht überschreitet.
Ich appelliere nicht an diejenigen, die mit ihren Anträgen nach immer größerer Ausweitung am Ende die totale Versicherungspflicht und die Einheitskasse wünschen. Ich appelliere aber an alle meine Freunde in diesem Hause und an diejenigen, die mit uns der Überzeugung sind, daß die Entscheidung über die Grenzen der Versicherungspflicht zugleich eine Entscheidung über die Grenzen des Weges ist, von dem Herr Gerstenmaier als Abgeordneter und als zweiter Vorsitzender der CDU mit Recht gesagt hat, daß die Grenzen fast überschritten sind.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Ich stelle von den Änderungsanträgen den weitestgehenden zuerst zur Abstimmung. Das ist der Antrag der SPD auf Umdruck 1206. Ich lasse über die beiden Punkte dieses Antrags getrennt abstimmen. Wer gemäß dem Antrag zu § 1 unter a) in den Nummern 1 und 2 — also zweimal — die Worte „7920 Deutsche Mark" durch die Worte „9000 Deutsche Mark" ersetzen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe auf Umdruck 1206 Buchstabe b).
erledigt, Herr Präsident!)
— Also wird der Antrag zurückgezogen. Danke.
Dann rufe ich auf den Antrag der DP auf Umdruck 1210. Ich darf wohl annehmen, daß die Antragstellerin, die Fraktion der DP (FVP), damit einverstanden ist, daß mit der Erledigung des einen Antrags dieser Antrag auch erledigt ist. — Es ist so der Fall.
Dann rufe ich auf den Antrag auf Umdruck 1210 , im § 1 die Fassung der Vorlage wiederherzustellen. Er bezieht sich also auf § 1 Ziffern 1, 2 und 3. Ich lasse wieder getrennt abstimmen, zunächst über die Wiederherstellung der Vorlage in § 1 Ziffern 1 und 2 — weil sie identisch sind —, d. h. jeweils von 7920 DM auf 7200 DM zurückzugehen. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist zweifelhaft. Wir müssen die Abstimmung wiederholen. Ich bitte, vielleicht zunächst einmal Platz zu nehmen, damit die Abstimmung klar zu erkennen ist. Ich wiederhole die Abstimmung und bitte diejenigen, welche dem Antrag der DP (FVP) zu § 1 Ziffern 1 und 2 zuzustimmen wünschen, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Wir sind uns zweifelhaft; wir müssen auszählen lassen. Ich bitte dann, die Türen zu schließen.
Die Abstimmung beginnt. Ich bitte, die Türen zu öffnen. — Die Abstimmung ist geschlossen.
Ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt: Mit Ja haben 138, mit Nein 151 Abgeordnete gestimmt. Das Haus ist also gerade noch beschlußfähig. Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen jetzt zu dem Antrag auf Umdruck 1210 Ziffer 2, in § i Nr. 3 die Worte „22 Deutsche Mark" durch die Worte „20 Deutsche Mark" zu ersetzen. Wird der Antrag aufrechterhalten?
— Nein, er ist nicht erledigt, solange er nicht zurückgezogen ist, besteht er noch. Wird der Antrag aufrechterhalten, Frau Abgeordnete Kalinke?
— Es wird aber sinnlos, wenn er angenommen wird, wird hier behauptet.
— Also, dann lasse ich abstimmen. Das ist die kürzeste Form. Wer für diesen Antrag der Fraktion der DP auf Umdruck 1210 Ziffer 2 zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Abgelehnt.
Ich rufe den § 1 in der Ausschußfassung auf. Wer für § 1 zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angenommen.
Ich rufe auf die §§ 2 und 3. Ich nehme an, daß das Haus mit der gemeinsamen Beratung und Erledigung einverstanden ist. — Das ist der Fall. Ich eröffne die Debatte. — Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Debatte. Ich bitte die-
jenigen, die die §§ 2 und 3 in der Ausschußfassung anzunehmen wünschen, um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angenommen.
Ich rufe auf den § 3 a. Hierzu liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 1211 vor. Wird dieser Antrag begründet? — Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.
Frau Kalinke : Der Antrag auf Umdruck 1211 bedeutet, daß die gleiche Versicherungspflichtgrenze, die jetzt hier von ,diesem Hohen Hause beschlossen wird, auch für das Land Berlin gelten soll. Sicherlich ist nicht allen bekannt, daß in Berlin die Versicherungspflichtgrenze zur Zeit noch 750 DM beträgt, daß aber in Berlin im Gegensatz zum Bundesgebiet ,die Beitragsbemessungsgrenze 600 DM ist. Wenn Sie eine Beitrags- und Versicherungspflichtgrenze von 660 DM beschließen, wird in Berlin eine ,wesentliche Beitragserhöhung eintreten und trotzdem die Rechtseinheit nicht wiederhergestellt. Da wir inzwischen im Sozialpolitischen Ausschuß das Gesetz über die Rechtsangleichung in Berlin beschlossen haben und ,da bei den Beratungen deutlich wurde, ,daß — im Gegensatz zu der Erklärung, die bei der Antragstellung meiner Fraktion im Ausschuß zu diesem Gesetz abgegeben wurde, daß nämlich die endgültige Rechtsangleichung in Berlin auch in der Versicherungspflichtgrenze und in ihrer Höhe erfolgen sollte — die Mehrheit ,des Ausschusses nicht bereit ist, diese volle Angleichung schon jetzt vorzunehmen, bitten ,wir .Sie hinsichtlich des Absatzes, der ,das Inkrafttreten des Gesetzes in Berlin beinhaltet, doch durch Annahme unseres Antrages dafür zu sorgen, daß mit der unterschiedlichen Behandlung der Versicherten in Berlin und im Bundesgebiet endlich Schluß gemacht wird. Ich sage das noch einmal, obwohl hier in der ,ersten Lesung schon ,deutlich geworden ist, daß wir zur Zeit in Berlin zweierlei Recht haben. Wir haben die Angestellten, die ,aus ,dem Bundesgebiet nach Berlin gekommen sind und dort besonders betreut werden, wir haben die Angestellten, die in Berlin wohnten und dort unter das Berliner SozialversicherungsAnpassungsgesetz ,fallen, und wir werden in Zukunft eine dritte Kategorie von Angestellten haben.
Mt Rücksicht darauf, daß in dem Anpassungsgesetz für das Berliner Recht eine Zusicherung gegeben wurde, in Berlin bei der künftigen Ortskrankenkasse Berlin keinerlei Leistungsverschlechterungen eintreten zu lassen, ist es wohl Rechtens, wenn :wir hier einen mutigen Schritt tun, von dem auch die Antragsteller der Vorlage der CDU/CSU mir im Ausschuß bestätigt haben, daß er nur vernünftig und Rechtens sei.
Ich bitte Sie bei .dieser Gelegenheit, auch überzeugt zu sein, daß uns diese Entscheidung auch im Hinblick auf die Anpassung des Rechts an der Saar und die endliche Wiederherstellung der deutschen Rechtseinheit nicht nur eine Herzenssache, sondern auch eine politische Entscheidung von so eminenter Bedeutung sein sollte, daß dieser Bundestag nicht nach Hause ,gehen dürfte, ohne diese Entscheidung getroffen zu haben. Mit einem Appell an die Verantwortung, die wir alle für die Rechtseinheit spüren, bitte ich Sie, diesem Antrag Umdruck 1211 Ihre Zustimmung zu geben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bitte, Herr Abgeordneter Stingl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, den Antrag, den Frau Kollegin Kalinke soeben begründet hat, abzulehnen. Es ist nicht zu bestreiten, daß die Versicherungspflichtgrenze in Berlin 'höher ist, als sie zur Zeit im Bundesgebiet liegt. Sie ist 750 DM, hat aber eine davon unterschiedene Beitragsbemessungsgrenze. Als die Koalition in Berlin gebildet wurde, ging eine ihrer Vereinbarungen dahin, daß man an diesem Zustand nichts ändern wolle.
Ich glaube, es ist auch sachlich keine Veranlassung gegeben, in Verbindung mit diesem Gesetz den Personenkreis in Berlin einzuschränken. Wir werden allerdings — ich habe schon einmal Gelegenheit gehabt, hier festzustellen, daß ich dafür eintrete, daß in Berlin das gleiche Recht wie im Bundesgebiet gilt —, wenn wir eine Neuregelung des Krankenversicherungsrechts im Bundesgebiet beschließen werden, bestimmt ,das gleiche Recht auch in Berlin einführen, um je nach dem Ausgang der Verhandlungen auch in Berlin die entsprechende Versicherungspflichtgrenze einzuführen. Zur Zeit besteht, wie gesagt, keine Veranlassung dazu. Darüber hinaus muß beachtet werden, daß das Leistungsniveau davon berührt werden würde, daß, wie Frau Kollegin Kalinke auch schon sagte, bei der Neuordnung der Krankenversicherung in Berlin nur gewährleistet werden kann, wenn Garantien ides Landes Berlin und damit letzten Endes des Bundes gegeben werden. Ich darf die Bitte wiederholen, diesen Antrag abzulehnen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Wortmeldungen? — Das Wort hat der Abgeordnete Neumann.
Meine Damen und Herren! Dem ersten Teil der Ausführungen ides Herrn Kollegen Stingl stimme ich zu. Wir haben in Berlin eine Regierung von Sozialdemokraten und ChristlichDemokratischer Union. Wir haben bei der Bildung dieser Regierung Koalitionsabsprachen getroffen. Aus diesem Grunde — es war ganz richtig, was der Kollege Stingl gesagt hat — möchte ich mit ihm hier gemeinsam Eden Standpunkt vertreten, daß dem Antrag der DP nicht stattgegeben werden sollte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung.
Ich rufe den Antrag Umdruck 1211 auf, in § 3 a den zweiten Halbsatz zu streichen. Wer für diesen Antrag zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? —Abgelehnt.
Ich rufe den § 3 a in der Ausschußfassung auf. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angenommen.
Ich rufe ,die §§ 3 b und 4 sowie Einleitung und Überschrift auf. Ich nehme an, daß das Haus mit gemeinsamer Erledigung einverstanden ist. Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache darüber ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer die §§ 3 b und 4 sowie Einleitung und Überschrift in der zweiten Lesung anzunehmen wünscht,
den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um
die Gegenprobe. — Enthaltungen? —Angenommen.
Damit ist die zweite Lesung erledigt. Ich rufe zur
dritten Beratung
auf. Wird das Wort zur Generalaussprache gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann ist die Generalaussprache geschlossen. Änderungsanträge liegen nicht vor.
Wer dem Gesetz so, wie es in zweiter Lesung beschlossen worden ist, zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen gegen 4 Stimmen angenommen.
Nach der Tagesordnung käme jetzt Punkt 17, das Seemannsgesetz. Es besteht der allgemeine Wunsch, wie mir mitgeteilt worden ist, das Seemannsgesetz erst morgen zu behandeln. Ist das Haus damit einverstanden? — Dann ist so beschlossen.
Punkt 18 der Tagesordnung ist abgesetzt. Sind Sie damit einverstanden? — Gut.
Dann rufe ich Punkt 19 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Titel, Orden und Ehrenzeichen
a) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 3696),
b) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung (Drucksachen 3379, zu 3379).
Berichterstatter: Abgeordneter Massoth
— Zur Geschäftsordnung Herr Kollege Eschmann!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktion der SPD bitte ich um Ihre Zustimmung, daß der Gesetzentwurf über Titel, Orden und Ehrenzeichen von der Tagesordnung abgesetzt wird. Zur Begründung darf ich Ihnen kurz folgendes ausführen.
Seit über fünf Jahren geht die Diskussion über dieses Gesetz hin und her. Der Herr Innenminister hat vor einiger Zeit das Gesetz einmal als „Leidensgesetz" bezeichnet. Ich glaube, es ist richtig, hier festzustellen, daß das Gesetz bis zur Stunde ein Leidensgesetz geblieben ist. Ganz besonders geht das aus dem Schwerpunkt des Gesetzes, dem § 6, hervor, der die Frage der Wiederzulassung der Orden- und Ehrenzeichen des zweiten Weltkrieges behandelt. Ich darf hier kurz darauf verweisen, daß es „nur" 55 Millionen Orden gewesen sind, die im zweiten Weltkrieg verliehen wurden. Das Drum und Dran des § 6 und das ganze Gesetz zeigen wie vielleicht kein anderes Gesetz, das bisher dieses Hohe Haus passiert hat, die ganze nationale Tragödie unseres geteilten Vaterlandes auf.
Wir sind daher der Meinung, es sollte einer gesamtdeutschen Volksvertretung vorbehalten bleiben, in einem wiedervereinigten Vaterland diese Frage endgültig zu beraten und zu entscheiden.
Außerdem ist meine Fraktion der Auffassung, daß keine Vordringlichkeit vorliegt, dieses Gesetz jetzt zu behandeln, weil wir in den beiden Wochen, die wir noch tagen, 'die Tagesordnungen mit Beratungen über Gesetze vollgestopft haben, die eine erheblich 'größere Dringlichkeit haben.
Es sind sozialpolitische Gesetze, arbeitsrechtliche Gesetze; ich nenne nur eines: das Jugendschutzgesetz.
Ich kann Ihnen aber hier schon sagen, meine Damen und Herren; wenn Sie anders beschließen sollten, wird die Fraktion der 'SPD das Gesetz ablehnen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zur Geschäftsordnung der Abgeordnete von Manteuffel.
von Manteuffel (DP [FVP]): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich widerspreche diesem Antrag des Kollegen Eschmann namens der Koalitionsparteien, und zwar aus drei Gründen.
Erstens besteht im Augenblick für den Bundesverdienstorden ein Vakuum, was doch wohl bekanntgeworden ist. Das ist in den beiden Ausschüssen besprochen worden. Das vorliegende Gesetz soll hier eine tatsächliche Lücke ausfüllen und soll zum Schutze des Bundesverdienstordens eine einwandfreie Rechtsgrundlage schaffen.
— Ja, das ist doch sehr wichtig.
Zweitens. Entscheidend 'ist aber auch, daß die Verleihung von Titeln, Orden und Ehrenzeichen das jedem Staat eigentümliche Hoheitsrecht ist, das uns nach Inkrafttreten der Pariser Verträge zurückgegeben ist. Nach der Auffassung der Koalitionsparteien gibt es keinen Grund, dieses Recht nicht in Anspruch zu nehmen.
Schließlich — um auf das einzugehen, was Herr Kollege Eschmann gesagt hat — beinhaltet dieser Gesetzentwurf in der Tat auch die Wiederzulassung der Tapferkeitsorden und Ehrenzeichen für unsere ehemaligen Soldaten. Nach meiner Auffassung haben sie ein Anrecht darauf, daß sie sie wieder tragen können.
Aus den drei genannten Gründen bitte ich Sie, den Antrag 'abzulehnen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nachdem ein Redner für und ein Redner gegen den Antrag zur Geschäftsordnung gesprochen hat, kommen wir zur Abstimmung. Ich stelle den Antrag, den Herr Kollege Eschmann begründet hat, zur Abstimmung.
— Ich bitte um Ruhe.
— Ich habe nichts gehört. Wenn Sie etwas leiser wären, würde ich die Zwischenrufe hören.
— Nein, ich habe nichts gehört.
— Aber erst muß ich es hören! Ich werde es im Protokoll feststellen und werde dann darauf zurückkommen. Meine Damen und Herren, wenn wir alle etwas ruhiger wären, würde ich diese Zwischenrufe hören, aber wir haben hier nichts gehört. Beruhigen Sie sich damit, daß ich es im Protokoll feststellen werde. Daß ich energisch genug bin, einzugreifen, davon haben Sie sich hoffentlich schon wiederholt überzeugt.
Wir haben zum Antrag zur Geschäftsordnung einen Redner dafür und einen Redner dagegen gehört. Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag, den Herr Kollege Eschmann begründet hat. Wer für diesen Antrag zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte Herrn Abgeordneten Massoth, als Berichterstatter für den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung das Wort zu nehmen.
— Es wird auf den Schriftlichen Bericht verwiesen.
Außerdem ist ein Bericht des Haushaltsausschusses vorgesehen. Ich darf bitten, daß dieser Kollege den zugesagten Bericht erstattet. Wer ist der Berichterstatter?
— Zur Geschäftsordnung oder wozu? - Wollen Sie Bericht erstatten?
— Ich habe jetzt den Bericht aufgerufen.
— Mir ist mitgeteilt worden, daß der Haushaltsausschuß durch seinen Berichterstatter mündlich Bericht erstatten will.
Ich habe jetzt den Herrn Berichterstatter des Haushaltsausschusses gebeten, den Bericht zu erstatten. Ich bitte daher den Berichterstatter, nunmehr den Bericht zu erstatten oder zu erklären, daß er keinen Bericht abgibt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Schriftliche Bericht des Haushaltsausschusses zu dieser Materie liegt noch nicht vor. Ich darf aber folgenden mündlichen Bericht erstatten.
Der Haushaltsausschuß hat zu dem Schriftlichen Bericht des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung — Drucksache 3379 — Stellung genommen. Er hat sich insbesondere mit der für § 11 des Gesetzes vorgesehenen rückwirkenden Inkraftsetzung befaßt. Der Haushaltsausschuß war der Meinung, daß ein Ehrensold für die Träger von Tapferkeitsmedaillen aus dem ersten Weltkrieg gezahlt werden soll.
Nun ist die Frage entscheidend, ob dieser Ehrensold rückwirkend für die Zeit vom 1. April 1955 oder erst für die Zeit ab Inkrafttreten des Gesetzes gezahlt werden soll. Der Haushaltsausschuß hat den Beschuß gefaßt, die betreffende Bestimmung rückwirkend ab 1. Oktober 1956 in Kraft zu setzen. Im Haushalt 1957 ist für diesen Zweck eine Ausgabe von 1 Million DM vorgesehen. Wenn die Bestimmung rückwirkend ab 1. Oktober 1956 in Kraft gesetzt wird, reichen die im Haushalt 1957 eingesetzten Mittel aus. Für jede weitergehende Rückwirkung würden neue Mittel beansprucht. Der Haushaltsausschuß ist außerdem grundsätzlich der Meinung, daß wir in diesem Punkte keine so weitgehende Rückwirkung beschließen können, weil wir sonst Präzedenzfälle für die folgende Zeit schaffen würden.
Ich bitte Sie im Namen des Haushaltsausschusses, ein Inkrafttreten des § 11 vom 1. Oktober 1956 an zu beschließen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Berichterstatter, darf ich Sie bitten, noch einmal genau zu präzisieren, was das Votum des Haushaltsausschusses ist.
Der Antrag des Ausschusses lautet:
Der Bundestag stellt fest, daß zur Durchführung der Bestimmungen des § 11 des Gesetzentwurfs Drucksache 2540 Haushaltsmittel nur für die Zeit vom 1. Oktober 1956 an im Haushaltsplan für das Rechnungsjahr 1957 veranschlagt sind.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich danke Ihnen.
Wir treten nunmehr in die Behandlung des Gesetzentwurfes ein. Ich rufe in zweiter Lesung den § 1 auf. Wird das Wort hierzu gewünscht? Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Ich bitte diejenigen, die dem § 1 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Ich bitte, die Abstimmung zu wiederholen. Ich bitte diejenigen, die für den § 1 zu stimmen wünschen, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Wir sind uns nicht einig; wir müssen auszählen. Ich bitte, den Saal zu räumen. — Meine Damen und Herren, die Abstimmung hat ergeben, daß das Haus beschlußunfähig ist. Wir sind damit am Ende unserer Tätigkeit für heute.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Freitag, den 28. Juni, 9 Uhr vormittags, ein.
Ich schließe die Sitzung.