Protokoll:
2215

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 2

  • date_rangeSitzungsnummer: 215

  • date_rangeDatum: 26. Juni 1957

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:03 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 20:56 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 215. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1957 12643 215. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 26. Juni 1957. Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Kirchhoff, Kunze (Bethel), Heide und Dr. Bergmeyer 12645 C Glückwunsch zum Geburtstag und Würdigung der Persönlichkeit der Alterspräsidentin Frau Dr. Dr. h. c. Lüders . . . . 12645 D Nachruf auf Abg. Frau Dr. h. c. Louise Schroeder 12646 A Gedenken der beim Überqueren der Iller bei Kempten und auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr tödlich verunglückten bzw. verwundeten Angehörigen der Bundeswehr 12646 C Verzicht des Abg. Dr. Grunner auf sein Mandat als Nachfolger von Abg. Frau Schroeder 12647 A Eintritt des Abg. Tausch-Treml in den Bundestag 12647 A Übertritt des Abg. Dr. Dr. h. c. Prinz zu Löwenstein zur Fraktion der DP (FVP) 12647 A Überweisung von Gesetzentwürfen nach § 96 (neu) der Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß 12647 B Amtliche Mitteilungen 12647 B Begrüßung einer Delegation der französischen Nationalversammlung 12648 A Zur Tagesordnung: Rasner (CDU/CSU) 12648 B, C Absetzung des Punktes 18 der Tagesordnung, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung der Art. 74 und 75 des Grundgesetzes 12648 C Erklärung des Bundesministers für Verteidigung 12648 C Strauß, Bundesminister für Verteidigung 12648 C Allgemeine Aussprache: Eschmann (SPD) 12654 A Dr. Jaeger (CDU/CSU) 12658 A Schneider (Bremerhaven) (DP [FVP]) 12662 A Dr. Mende (FDP) 12665 B Dr. Reichstein (GB/BHE) 12668 D Rasch (SPD) 12670 C Petersen (GB/BHE) 12673 A Strauß, Bundesminister für Verteidigung 12673 C Erste Beratung der Ergänzung zu dem Entwurf des Gesetzes zu den Verträgen vom 25. März 1957 zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft (Drucksache 3615) 12679 C Überweisung an den 3. Sonderausschuß (Gemeinsamer Markt/Euratom) . . . . 12679 C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz über die Sicherung des Unterhalts für Angehörige der zum Wehrdienst einberufenen Wehrpflichtigen (Unterhaltssicherungsgesetz) (Drucksache 3569) 12679 D Seidl (Dorfen) (CDU/CSU), Berichterstatter 12679 D Abstimmung 12681 A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz über die Versorgung für die ehemaligen Soldaten der Bundeswehr und ihre Hinterbliebenen (Soldatenversorgungsgesetz — SVG) (Drucksache 3570) 12679 C, 12681 B Seidl (Dorfen) (CDU/CSU), Berichterstatter 12679 D, 12681 B Abgabe von Erklärungen: von Manteuffel (Neuß) (DP [FVP]) 12681 D Berendsen (CDU/CSU) 12682 B Abstimmung 12682 B Fortsetzung der zweiten und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Tuberkulosehilfe (THG) (Drucksache 2213); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Fragen der öffentlichen Fürsorge (Drucksachen 3489, zu 3489) . . 12682 B Dr. Berg (DP [FVP]) 12682 C Frau Niggemeyer (CDU/CSU) . . . 12682 D, 12688 B Könen (Düsseldorf) (SPD) . . . 12683 A, B, 12684 C, 12685 D, 12687 C Frau Ganswindt (CDU/CSU) . . 12684 B, D Varelmann (CDU/CSU) 12686 A Abstimmungen . . . . 12683 A, 12685 A, 12686 B, 12688 C Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung steuerrechtlicher Vorschriften (Drucksachen 1763, 2608, 2983, 3007); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (Drucksachen 3509, zu 3509) in Verbindung mit der Zweiten Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP, GB/BHE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (Drucksache 2293), des von der Fraktion der DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (Drucksache 2311), des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (Drucksache 2312), des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der Industrieansiedlung in den Förderungsgebieten und zur Beseitigung der strukturellen Arbeitslosigkeit (Drucksache 2524), des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung der Einkommen- und Körperschaftsteuer in Berlin (Drucksache 2794), des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (Drucksache 2922), des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (Drucksache 2984), des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (Drucksache 3185); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (Drucksachen 3510, zu 3510) 12688 D Dr. Lindrath (CDU/CSU), Berichterstatter 12688 D (Schriftlicher Bericht) 12724 A als Abgeordneter . . . . 12695 B, 12697 C, 12700 A, 12707 C, 12708 A, C, 12715 B Zur Geschäftsordnung: Seuffert (SPD) 12691 B Dr. Miessner (FDP) 12691 C Frau Dr. Ilk (FDP) 12707 C Zur Sache: Dr. Schild (Düsseldorf) (DP [FVP]) 12691 D, 12693 C Hartmann, Staatssekretär des Bundesministeriums der Finanzen 12692 C, 12695 C, 12703 D, 12705 B, 12717 C Dr. Atzenroth (FDP) . . . 12694 A, 12696 A Dr. Berg (DP/FVP) 12695 A Seuffert (SPD) . . 12696 C, 12705 B, 12707 D, 12708 C, 12710 C, 12711 D, 12712 D, 12713 A Krammig (CDU/CSU) 12697 B Dr. Miessner (FDP) . . . 12698 A, 12699 A, 12702 D, 12705 D, 12710 B, 12716 D Lotze (CDU/CSU) 12701 C Frau Beyer (Frankfurt) (SPD) . 12702 C, 12707 B, 12708 B, 12717 B Frau Dr. Ilk (FDP) . . . . 12705 A, 12712 B Eickhoff (DP/FVP) . . . . 12706 B, 12709 C Dr. Königswarter (SPD) 12709 B Dr. Dresbach (CDU/CSU) . 12709 D, 12716 A Dr. Gülich (SPD) 12717 D, 12718 D Dr. Eckhardt (CDU/CSU) . . . . 12718 B Abstimmungen . . . 12693 D, 12697 B, 12706 D, 12707 C, D, 12708 A, D, 12709B, 12710D, 12712 B, D, 12719A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksachen 2077, 2419, 2611); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (Drucksachen 3511, zu 3511) in Verbindung mit der Zweiten Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksache 510), des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksache 1623), des von der Fraktion der DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksache 1715), des von den Abg. Karpf, Dr. Franz, Frau Dr. Probst u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksache 1984), des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksache 2069), des von den Abg. Kroll, Dr. Leiske, Gedat u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksache 2071), des von den Abg. Stiller, Frau Geisendörfer u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksache 2218), des von den Abg. Dr. Eckhardt, Dr. Dollinger, Höcherl, Wieninger u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksache 2231), des von den Abg. Dr. Dollinger, Höcherl, Dr. Eckhardt, Wieninger u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksache 2232); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (Drucksachen 3512, zu 3512) 12719 B Dr. Eckhardt (CDU/CSU), Berichterstatter 12719 D (Schriftlicher Bericht) 12736 C als Abgeordneter 12722 B Dr. Lindrath (CDU/CSU), Berichterstatter 12720 D Seuffert (SPD) 12721 A, 12722 C Dr. Miessner (FDP) . . . 12721 C, 12722 D Hartmann, Staatssekretär des Bundesministeriums der Finanzen . 12721 D Abstimmungen 12722 D Vertagung der Weiterberatung auf die 216. Sitzung 12722 D Nächste Sitzung 12722 D Berichtigungen zu den Stenographischen Berichten der 209. bis 214. Sitzung . . 12723 A, C Anlage 1: Liste der beurlaubten Abgeordneten 12723 B Anlage 2: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen über den von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über steuerliche Begünstigungen zur Förderung des Kohlenbergbaus; über den von den Fraktionen der SPD, FDP, GB/BHE eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes; über den von der Fraktion der DP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes; über den von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes; über den von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Industrieansiedlung in den Förderungsgebieten und zur Beseitigung der strukturellen Arbeitslosigkeit; über den von den Abg. Dr. Dresbach, Dr. Eckhardt, Dr. Lindrath, Dr. Wellhausen u. Gen. eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes; über den von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Einkommen- und Körperschaftsteuer in Berlin; über den von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes; über den von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes; über den von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes, über den von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über steuerliche Vergünstigungen für Vertriebene, Flüchtlinge und Verfolgte und über den von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (zu Drucksache 3509 und zu Drucksache 3510) 12724 A Anlage 3: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen über den von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes; über den von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes; über den von der Fraktion der DP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes; über den von den Abg. Karpf, Dr. Franz, Frau Dr. Probst u. Gen. eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes; über den von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes; über den von den Abg. Kroll, Dr. Leiske, Gedat u. Gen. eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes; über den von der Fraktion der DP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes; über den von den Abg. Stiller, Frau Geisendörfer u. Gen. eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes; über den von den Abg. Dr. Eckhardt, Dr. Dollinger, Höcherl, Wieninger u. Gen. eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Umsatzsteuergesetzes; über den von den Abg. Dr. Dollinger, Höcherl, Dr. Eckhardt, Wieninger u. Gen. eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Umsatzsteuergesetzes; über den von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes und über den von den Abg. Wieninger, Günther, Regling, Lange (Essen), Held, Eickhoff, Dr. Berg u. Gen. eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (zu Drucksache 3511 und zu Drucksache 3512) 12736 C Anlage 4: Anträge Umdrucke Nrn. 1105, 1109, 1111 (neu), 1123, 1125 (neu), 1126 (neu), 1175, 1176 (neu), 1177, 1178, 1180, 1181, 1182, 1186, 1187, 1188 (neu), 1189, 1197, 1198, 1202, 1203, 1204, 1212, 1216, 1218 und 1219 12741 D Berichtigung zum Stenographischen Bericht der 215. Sitzung 12748 Die Sitzung wird um 9 Uhr 3 Minuten eröffnet.
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    Berichtigungen zu den Stenographischen Berichten der 209. bis 214. Sitzung 1. In der jeweiligen Anlage 1, Liste der beurlaubten Abgeordneten, ist einzufügen auf S. 12138B: Moll 10. 5. 12230 B: Moll 22. 5. 12352D: Moll 23. 5. 12425 D: Moll 24. 5. 12548B: Moll 29. 5. 12618 C: Moll 31. 5. 2. Es ist zu lesen: in der jeweiligen Übersicht über die namentlichen Abstimmungen der 209. Sitzung auf S. 12143D: Moll * * 210. Sitzung auf S. 12245 D: Moll 213. Sitzung auf S. 12560 D: Moll * * 214. Sitzung auf S. 12638 D: Moll Berichtigungen zum Stenographischen Bericht der 213. Sitzung Es ist zu lesen: auf S. 12560 A 1. bis 3. Spalte: Dr. Bärsch * * statt Dr. Bärsch - - auf S. 12560 D 1. bis 3. Spalte: Dr. von Golitschek * Ja Ohlig * Ja Berichtigung zum Stenographischen Bericht der 214. Sitzung Es ist zu lesen: auf S. 12633 A/C in der Übersicht über die Änderungsanträge, über ,die namentliche Abstimmung stattgefunden hat, unter Nr. 3: ,,den Änderungsantrag der Abg. Sabel, Albers und Genossen, Umdruck 1195" statt „den Änderungsantrag der Fraktion der FDP, Umdruck 1195". Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten (B) a) Beurlaubungen Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschl. Altmaier 27. 6. Dr. Baade 29. 6. Bender 27. 6. Birkelbach 29. 6. Dr. Blank (Oberhausen) 29. 6. Böhm (Düsseldorf) 27. 6. Brandt(Berlin) 26. 6. Brockmann (Rinkerode) 26. 6. Dr. Brühler 29. 6. Dr. Bucher 27. 6. Dr. Dehler 5. 7. Dr. Deist 29. 6. Dr. Dollinger 29. 6. Dr. Elbrächter 26. 6. Elsner 26. 6. Gräfin Finckenstein 29. 6. Freidhof 29. 6. Dr. Furler 29. 6. Geiger (München) 29. 6. D. Dr. Gerstenmaier 27. 6. Held 29. 6. Frau Herklotz 27. 6. Dr. Horlacher 27. 6. Karpf 26. 6. Dr. Kather 26. 6. Dr. Köhler 6. 7. Dr. Kopf 29. 6. Kraft 29. 6. Dr. Kreyssig 29. 6. Lenz (Brühl) 29. 6. Lenz (Trossingen) 26. 6. Margulies 26. 6. Massoth 30. 6. Mensing 29. 6. Dr. von Merkatz 29. 6. Meyer-Ronnenberg 13. 7. Dr. Mocker 26. 6. Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) 3. 7. Dr. h. c. Neumayer 26. 6. Neuburger 26. 6. Dr. Oesterle 29. 6. Onnen 28. 6. Pelster 29. 6. Dr. Pohle (Düsseldorf) 29. 6. Frau Praetorius 29. 6. Dr. Preller 27. 6. Dr. Reif 27. 6. Richter 29. 6. Sabaß 29. 6. Scharnberg 26. 6. Scheel 29. 6. Dr. Schneider (Saarbrücken) 26. 6. Dr. Schöne 29. 6. Schoettle 30. 6. Schütz 26. 6. Schwertner 27. 6. Dr. Siemer 26. 6. Sträter 30. 6. Frau Strobel 29. 6. Dr. Strosche 26. 6. Wagner (Ludwigshafen) 26. 6. Wehner 29. 6. Wiedeck 29. 6. b) Urlaubsanträge Abgeordnete(r) bis einschl. Erler 6. 7. Frühwald 10. 7. Gerns 15. 7. Morgenthaler 6. 7. Müser 10. 7. Ruhnke 7. 7. Anlage 2 zu Drucksache 5507 zu Drucksache 3510 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (19. Ausschuß) über den von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über steuerliche Begünstigungen zur Förderung des Kohlenbergbaues (Drucksachen 1763, 3509); über den von den Fraktionen der SPD, FDP, GB/BHE eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (Drucksachen 2293, 3510); über den von der Fraktion der DP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (Drucksachen 2311, 3510); über den von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (Drucksachen 2312, 3510); über den von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Industrieansiedlung in den Förderungsgebieten und zur Beseitigung der strukturellen Arbeitslosigkeit (Drucksachen 2524, 3510); über den von den Abgeordneten Dr. Dresbach, Dr. Eckhardt, Dr. Lindrath, Dr. Wellhausen und Genossen eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (Drucksachen 2608, 3509); über den von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung der Einkommen- und Körperschaftsteuer in Berlin (Drucksachen 2794, 3510); über den von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (Drucksachen 2922, 3510); über den von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfeines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (Drucksachen 2983, 3509); über den von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (Drucksachen 2984, 3510); über den von der Fraktion der CDU/ CSU eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über steuerliche Vergünstigung für Vertriebene, Flüchtlinge und Verfolgte (Drucksachen 3007, 3509) unid über den von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfeines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (Drucksachen 3185, 3510). Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Lindrath Der Deutsche Bundestag hat die nachstehenden Anträge dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen wie folgt zur Beratung und Beschlußfassung überwiesen: 1. Antrag gemäß Drucksache 1753 in der 107. Plenarsitzung am 20. Oktober 1955 2. Antrag gemäß Drucksache 1763 in der 107. Plenarsitzung am 20. Oktober 1955 3. Antrag gemäß Drucksache 2608 in der 162. Plenarsitzung am 3. Oktober 1956 4. Antrag gemäß Drucksache 2983 in der 183. Plenarsitzung am 11. Januar 1957 5. Antrag gemäß Drucksache 3007 in der 183. Plenarsitzung am 11. Januar 1957 6. Antrag gemäß Drucksache 3427 war dem Ausschuß noch nicht zugewiesen 7. Entschließungsantrag gemäß Umdruck 232 in der 57. Plenarsitzung am 19. November 1954 8. Entschließungsantrag gemäß Umdruck 258 in der 57. Plenarsitzung am 19. November 1954 9. Antrag gemäß Drucksache 2293 in der 140. Plenarsitzung am 18. April 1956 10. Antrag gemäß Drucksache 2311 in der 145. Plenarsitzung am 9. Mai 1956 11. Antrag gemäß Drucksache 2312 in der 140. Plenarsitzung am 18. April 1956 12. Antrag gemäß Drucksache 2524 in der 153. Plenarsitzung am 26. Juni 1956 13. Antrag gemäß Drucksache 2794 in der 173. Plenarsitzung am 16. November 1957 14. Antrag gemäß Drucksache 2922 in der 193. Plenarsitzung am 21. Februar 1957 15. Antrag gemäß Drucksache 2984 in der 183. Plenarsitzung am 11. Januar 1957 16. Antrag gemäß Drucksache 3185 in der 199. Plenarsitzung am 20. März 1957 Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hat diese Anträge in mehreren Sitzungen beraten. Zum Teil hat er sie abgelehnt, die entsprechenden Beschlüsse werden in der Drucksache 3510 vorgelegt. Soweit er die Anträge angenommen oder sie abgeändert hat, sind sie im Interesse der Übersichtlichkeit der Gesetzgebung in dem beigefügten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung steuerrechtlicher Vorschriften niedergelegt. Hierbei hat er auch ergänzende Vorschriften in diesen Entwurf hineingearbeitet, die sich aus der Verwaltungspraxis oder der Rechtsprechung ergeben haben. Die bedeutsamste Ergänzung dieser Art ist die Neugestaltung der Ehegattenbesteuerung. In einem vor dem Bundesverfassungsgericht anhängig gewesenen Verfahren wegen verfassungsrechtlicher Prüfung des § 26 EStG in der Fassung vom 17. Januar 1952 - EStG 1951 - (BGBl. I S. 33) hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts am 17. Januar 1957 beschlossen: § 26 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung vom 17. Januar 1952 - EStG 1951 - (BGBl. I S. 33) ist nichtig. (- 1 BvL 4/54 -) Die durch diesen Beschluß des Bundesverfassungsgerichts entstandene Gesetzeslücke muß schnellstens geschlossen werden. Deshalb hielt es der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen für notwendig, entsprechende Ergänzungen der Gesetzesvorschriften in den vorgelegten Gesetzentwurf aufzunehmen. Aber auch auf dem Gebiete der steuerlichen Bewertungsvorschriften sowie der Vermögensteuer und der Erbschaftsteuer waren vornehmlich aus sozialen Erwägungen ergänzende Vorschriften notwendig geworden. Der aus diesen Erwägungen auf Grund der Beschlußfassung des Ausschusses entstandene Gesetzentwurf ist wie folgt gegliedert: Erster Abschnitt Einkommen- und Körperschaftsteuer Artikel 1 - Änderungen des Einkommensteuergesetzes Artikel 2 - Entrichtung von Vorauszahlungen und Steuerabzug vom Arbeitslohn nach dem 31. Dezember 1957 Artikel 3 - Änderungen des Körperschaftsteuergesetzes Artikel 4 - Inkrafttreten (Dr. Lindrath) Zweiter Abschnitt Abgabe „Notopfer Berlin" Artikel 5 — Auswirkungen der einkommensteuerrechtlichen Änderungsvorschriften auf die Abgabe „Notopfer Berlin" Dritter Abschnitt Gewerbesteuer Artikel 6 — Änderungen des Gewerbesteuergesetzes Artikel 7 — Inkrafttreten Vierter Abschnitt Bewertung Vermögensteuer und Erbschaftsteuer Artikel 8 — Änderungen des Bewertungsgesetzes Artikel 9 — Änderungen des Vermögensteuergesetzes Artikel 10 — Änderungen des Erbschaftsteuergesetzes Artikel 11 — Inkrafttreten Artikel 12 — Bewertung von Wertpapieranteilen und Genußscheinen Fünfter Abschnitt Steueranpassungsgesetz Artikel 13 — Änderung des Steueranpassungsgesetzes Sechster Abschnitt Schlußvorschriften Artikel 14 — Berlin-Klausel Artikel 15 — Saar-Klausel Artikel 16 — Inkrafttreten A. Änderungen des Einkommen- und Körperschaftsteuergesetzes sowie der Abgabe „Notopfer Berlin" und der Gewerbesteuer I. Ehegattenbesteuerung Die weitaus bedeutsamsten Änderungen im Ersten Abschnitt des Gesetzentwurfs betreffen die Veranlagung von Ehegatten zur Einkommensteuer. Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat in einem Normenkontrollverfahren auf Antrag des Finanzgerichts München den § 26 EStG in der Fassung vom 17. Januar 1952 für nichtig erklärt. Diese Bestimmung sah vor, daß Eheleute bei der Einkommensteuer zusammenveranlagt werden, wobei für die Berechnung der Steuer ihre Einkünfte zusammengerechnet wurden. In § 43 der zu diesem Gesetz ergangenen Durchführungsverordnung vom 17. Januar 1952 war von diesem Prinzip lediglich insoweit eine Ausnahme gemacht worden, als Einkünfte der Ehefrau aus nichtselbständiger Arbeit in einem dem Ehemann fremden Betrieb bei der Zusammenveranlagung ausschieden. Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, daß die Zusammenveranlagung von Ehegatten zur Einkommensteuer mit Artikel 6 Abs. 1 GG unvereinbar und daher nichtig ist. Nach Artikel 6 Abs. 1 GG stehen „Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung". Mit diesem Verfassungsprinzip sei es nicht zu vereinbaren, daß im Einkommensteuerrecht an die Eheschließung nachteilige Folgen in der Art geknüpft werden, daß die Ehegatten, die beide Einkünfte haben, infolge des stark progressiven Einkommensteuertarifs durch die Zusammenrechnung ihrer Einkünfte durchweg höhere Steuern zahlen müßten als vor der Ehe. Das Bundesverfassungsgericht stellt demzufolge fest, daß in dieser besonderen steuerlichen Belastung ein störender Eingriff in die Ehe liege. Eine solche Benachteiligung der Ehe sei aber dem Steuergesetzgeber durch die ,grundgesetzliche Bestimmung über den Schutz ,der Ehe verwehrt. Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hat die rechtlich nicht einfach liegende Frage, für welchen Zeitraum der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts gilt, nicht besonders vertieft, da er die Auffassung vertritt, daß die Feststellung der Grundgesetzwidrigkeit einer Rechtsnorm schon aus politischen Erwägungen sich auf die gesamte Zeit nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes erstrekken muß. Er ist daher der Auffassung, daß für die zurückliegende Zeit eine Übergangslösung geschaffen und für die Zukunft eine Endlösung gesucht werden muß. Um Vorschläge für die erforderliche Neugestaltung des Rechts der Veranlagung der Ehegatten zu erhalten, setzte der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen einen Unterausschuß .ein. Der Unterausschuß hat in zehn Sitzungen sich mit dem Problem der Ehegattenbesteuerung eingehend befaßt und seine Beschlüsse dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen vorgelegt, der sie billigte. Aus der gegebenen Situation heraus ergab sich für den Unterausschuß zunächst die Frage, wie den Erfordernissen des Karlsruher Beschlusses endgültig Rechnung getragen werden solle. In überwiegender Zahl waren die Mitglieder des Unterausschusses der Auffassung, die endgültige Lösung müsse das Splitting sein. Alsdann war die Frage zu lösen, ob das Splitting sofort eingeführt und gegebenenfalls von wann ab es eingeführt werden kann und soll. Das Splitting setzt die Schaffung eines neuen Steuertarifs voraus. Dieser Tarif wird von dem gegenwärtigen System abgehen müssen. Der jetzige Tarif mit drei Steuerklassen ist für ein Splitting nicht geeignet und nicht verwendbar. Die Schaffung eines neuen Einkommensteuertarifserschien in dieser Legislaturperiode des Bundestages nicht mehr durchführbar. Die Einführung einer Einkommenbesteuerung der Ehegatten nach dem Splitting-Verfahren muß daher dem 3. Deutschen Bundestag überlassen werden. Der Karlsruher Beschluß erheischt aber eine sofortige Verwirklichung seiner Forderungen. Daher entschied sich der Unterausschuß für eine Übergangslösung. Für welche Zeit :diese gelten sollte, war eingehend Gegenstand der Erörterungen. Die Finanzminister der Länder schlugen eine Geltungsdauer bis zum 31. Dezember 1957 vor, nachdem auch sie sich in ihrer Mehrheit :davon überzeugt hatten, daß die sofortige Einführung des Splittings aus mancherlei Gründen unmöglich ist. Das Bundesfinanzministerum trat dieser Auffassung bei. Der Unterausschuß war anfänglich der Meinung, daß die Übergangslösung auch für 1958 gelten müsse, um dem nächsten Bundestag die erforderliche Zeit für die Schaffung des neuen Rechts (Dr. Lindrath) zu geben. Es wird aber nach eingehender Beratung jetzt vorgeschlagen, die Geltungsdauer auf die Zeit für 1949 bis 1957 zu beschränken und für 1958 Steuervorauszahlungsvorschriften und vorläufige Vorschriften für die Lohnsteuer zu setzen, die bis zum Inkrafttreten des neuen Rechts im Jahre 1958 gelten sollen. Der Unterausschuß war der Auffassung, daß hinsichtlich des sachlichen Anwendungsgebietes einer solchen Übergangsregelung von § 79 Abs. 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz auszugehen sei. § 79 Abs. 2 BVGG lautet: „(2) Im übrigen bleiben vorbehaltlich der Vorschrift des § 95 Abs. 2 oder einer besonderen gesetzlichen Regelung die nicht mehr anfechtbaren Entscheidungen, die auf einer gemäß § 78 für nichtig erklärten Norm beruhen, unberührt. Die Vollstreckung aus einer solchen Entscheidung ist unzulässig. Soweit die Zwangsvollstreckung nach den Vorschriften der ZPO durchzuführen ist, gilt die Vorschrift des § 767 ZPO entsprechend. Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung sind ausgeschlossen." Nach dieser Gesetzesvorschrift sind alle bisher rechtskräftig abgeschlossenen Veranlagungen zur Einkommensteuer endgültig und bleiben somit bestehen. In den Fällen, in denen Einkommensteuer noch nicht gezahlt worden ist, und zwar ganz oder teilweise, können nach den gleichen Vorschriften die rückständigen Steuerbeträge nicht mehr im Wege der Zwangsvollstreckung eingezogen werden. Soweit Veranlagungen im Wege der Berichtigung nach § 218 Abs. 4 und § 222 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 AO wieder aufgerollt werden, d. h. also im wesentlichen im Verfolg einer Betriebsprüfung, gilt die Übergangsregelung ebenfalls. Für rechtskräftig abgeschlossene Steuerfälle der Vergangenheit gilt jedoch die Übergangsregelung nicht. Die hierin liegende ungleichmäßige Behandlung der Steuerfälle der Vergangenheit ist in den Vorschriften des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht begründet. Eine Ausnahme von dieser Gesetzesregelung ist nicht vorgesehen, auch nicht aus Gründen der Billigkeit. Die Meinungen darüber, ob Billigkeitsmaßnahmen angezeigt sind, sind im Schrifttum nicht unbestritten. Der gleichen Auffassung sind Spitaler, BB 57,269, Friedrich, NJW 1957 S. 529, Geiger, Kommentar zum Bundesverfassungsgericht, Anm. z. § 79. Eine gegenteilige Auffassung wird vertreten von Kuntze, NJW 1957, sowie Skuhr, NJW 1957. Im einzelnen wird für die Übergangslösung folgendes vorgeschlagen: 1. Jeder Steuerpflichtige soll für die Zeit vom Bestehen des Grundgesetzes bis einschließlich für die Veranlagung 1957 wählen können zwischen a) einer vollständigen Getrennt-Veranlagung, b) einer vollständigen Zusammen-Veranlagung, c) einer eingeschränkten Zusammen-Veranlagung gemäß dem jeweils geltenden Recht, d. h. ab 1955 werden Einkünfte ,aus unselbständiger und selbständiger Arbeit sowie aus Gewerbebetrieb, soweit solche Einkünfte der Ehefrau 12 000 DM nicht übersteigen, auf Antrag bei der Veranlagung zur Einkommensteuer aus der Zusammenveranlagung ausgeschieden, für 1949 bis 1954 werden Einkünfte der Ehefrau aus nichtselbständiger Arbeit aus der Zusammenveranlagung ausgeschieden. Dieses Wahlrecht kann für jedes Jahr besonders und abweichend von anderen Jahren ausgeübt werden. Die Wahl kann bis zur Rechtskraft des Bescheides geändert werden. 2. Bei Getrennt-Veranlagung kommen beide Ehegatten in Steuerklasse I. Jedem Ehegatten sind die von ihm bezogenen Einkünfte zuzurechnen. Die Sonderausgaben der Ehegatten mit Ausnahme des Abzugs für den steuerbegünstigten nicht entnommenen Gewinn und des Verlustabzugs sind, soweit sie die Summe der für sie mindestens anzusetzenden Pauschbeträge übersteigen, im Rahmen der bei einer Zusammen-Veranlagung der Ehegatten mit allen Einkünften in Betracht kommenden Höchstbeträge je zur Hälfte bei der Veranlagung des Ehemannes und der Ehefrau zu berücksichtigen, wenn nicht die Ehegatten eine andere Aufteilung beantragen. Kinderfreibeträge stehen jedem Ehegatten zur Hälfte zu, soweit nicht ein Kinderfreibetrag nur einem Ehegatten zusteht oder zu gewähren ist. Der Altersfreibetrag wird bei einer Getrennt-Veranlagung jedem Ehegatten, der mindestens vier Monate vor dem Ende des Veranlagungszeitraums das 70. Lebensjahr vollendet hat. mit je 360 DM für die Veranlagungszeiträume 1955 bis 1957 gewährt. 3. Im Falle der vollständigen Zusammen-Veranlagung der Ehegatten mit sämtlichen Einkünften wird für die Ehefrau ein besonderer Freibetrag gewährt. Gegenwärtig beträgt dieser Freibetrag im Jahre 250 DM. Der Unterausschuß hat beschlossen, vorzuschlagen, diesen Freibetrag für 1957 in solchen Fällen auf 720 DM zu erhöhen. Diesem Vorschlag ist der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen beigetreten. Im Falle der Zusammen-Veranlagung verbleibt es hinsichtlich des Altersfreibetrages für die Veranlagungszeiträume 1955 bis 1957 bei der jetzigen Regelung. Für die Veranlagungszeiträume 1949 bis 1954 scheiden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit der Ehefrau in einem dem Ehemann fremden Betrieb bei der Zusammen-Veranlagung aus. Für die Veranlagungszeiträume 1955 bis 1957 scheiden auf Antrag Einkünfte der Ehefrau aus selbständiger Arbeit und nichtselbständiger in einem dem anderen Ehegatten fremden Betrieb bei der Zusammen-Veranlagung aus. Statt dessen scheiden auf Antrag die entsprechenden Einkünfte des Ehemannes aus, wenn diese niedriger sind. Wie bisher kann auch durch Rechtsverordnung bestimmt werden, in welchen Fällen Einkünfte aus Gewerbebetrieb durch die Tätigkeit der Ehefrau den Einkünften aus selbständiger Arbeit gleichgestellt werden. Die aus der Zusammen-Veranlagung auf Antrag auszuscheidenden Einkünfte werden nach der Steuerklasse I versteuert. Für die übrigen Einkünfte, die nach den Vorschriften über die Zusammen-Veranlagung zur Einkommensteuer herangezogen werden, gilt die Steuerklasse des Familienstandes. Es ist jedoch wieder ein Antrag auf Austausch der Steuerklassen möglich, d. h. es kann ein Antrag dahingehend gestellt werden, daß die auszuscheidenden Einkünfte nach der Steuerklasse des Familienstandes herangezogen werden, während die übrigen nach den Vorschriften .der Zusammen-Veranlagung zu behandelnden Einkünfte nach Steuerklasse I versteuert werden. Die Sonderausgaben werden in diesen Fällen je zur Hälfte bei den auszuscheidenden Einkünften und bei den zusammenveranlagten Einkünften berücksichtigt, (Dr. Lindrath) wenn nicht die Ehegatten eine andere Aufteilung beantragen. Die Aufteilung der Beträge, die sich aus der Steuerbegünstigung des nicht entnommenen Gewinns gemäß § 10 a und hinsichtlich der steuerlichen Berücksichtigung des Verlustabzugs gemäß § 10 d ergeben, soll durch eine Rechtsverordnung geregelt werden. Hierbei kann die Vorschrift bezüglich der Sonderausgaben sinngemäß für anwendbar erklärt werden. Es kann aber auch bestimmt werden, daß diese Abzüge bei der Veranlagung berücksichtigt werden, bei der die mit dem nicht entnommenen Gewinn oder dem Verlustabzug im wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden Einkünfte ,aus der Land- und Forstwirtschaft, aus dem Gewerbebetrieb oder aus der selbständigen Arbeit veranlagt werden. Für außergewöhnliche Belastungen und Freibeträge für besondere Fälle gelten die Vorschriften für Sonderausgaben in entsprechender Weise. Auch der Betrag, der im Lohnsteuerverfahren vom Arbeitslohn des Ehemannes für das Kalenderjahr 1957 vor Anwendung der Jahreslohnsteuertabelle abgezogen wird, wenn die Ehegatten beide unbeschränkt steuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben und die Ehefrau keine Einkünfte bezieht. die der Besteuerung unterliegen, soll von 250 DM auf 720 DM erhöht werden. Beziehen aber die Ehegatten, die beide unbeschränkt steuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben. im Kalenderjahr 1957 außer Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit der Ehefrau keine Einkünfte. die der Besteuerung unterliegen, so wird der Freibetrag wie bisher vom Arbeitslohn der Ehefrau abgezogen. Das Verfahren zur Gewährung des Freibetrages wird im einzelnen durch eine Rechtsverordnung geregelt. Auch für die Erhebung der Einkommensteuer im Wege des Steuerabzugs vom Arbeitslohn wird das Wahlrecht zum Austausch der Steuerklassen wieder zugelassen. 4. Vermögenstransaktionen zwischen den Ehegatten wird die steuerliche Anerkennung nicht versagt. Sie müssen nur ernstgemeint sein. 5. Der Abschluß von Arbeitsverträgen oder Partnerschaftsverhältnissen, insbesondere in den Fällen, in denen die Ehefrau mithelfend tätig ist, wie beispielsweise in der Landwirtschaft, im Handel, im Handwerk, bei den freien Berufen u. ä., ist einkommensteuerlich wirksam möglich. Auch solche Verträge müssen jedoch ernstgemeint sein, und die Höhe des Gehalts bzw. des Gewinnanteils muß angemessen sein. Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen war, wie bereits erwähnt, der Ansicht, daß für die Vergangenheit und das bereits laufende Jahr 1957 eine andere Lösung, die den verfassungsrechtlichen Erwägungen des Karlsruher Beschlusses Rechnung trägt, technisch nicht möglich sei. Er war angesichts dieser Lage auch der Auffassung, daß die Erwägungen, die der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 2. April 1957 — I 335/56 U — (Bundessteuerblatt 1957 III S. 162) hinsichtlich der Gleichbehandlung aller Ehepaare einschließlich derjenigen anstellt, bei denen Einkünfte nur von einem Ehegatten bezogen werden, nicht dazu führen müssen, den in der Übergangslösung aufgestellten Grundsatz einer nach Wahl des Steuerpflichtigen getrennten oder gemeinsamen Veranlagung aufzugeben. Für die endgültige Regelung werden jedoch die Ausführungen des Bundesfinanzhofs auch nach Auffassung des Ausschusses sehr zu beachten sein. In diesem Zusammenhang darf auch darauf hingewiesen werden, daß sich der Finanzausschuß nur mit den dringendsten Fragen, die durch den Karlsruher Beschluß aufgeworfen wurden, nämlich der Schließung der Lücke im Einkommensteuergesetz, befaßt hat. Es kann sich aber durchaus als notwendig erweisen, auch weitere sich aus dem Beschluß ergebende steuerliche Fragen noch gesetzlich zu regeln. Dies muß jedoch dem nächsten Bundestag überlassen bleiben. Die Neuregelung des Einkommensteuerrechts für Ehegatten hat für die Vergangenheit auch Auswirkungen für die Erhebung der Abgabe „Notopfer Berlin". Die entsprechenden Vorschriften sind im Zweiten Abschnitt Artikel 5 des Gesetzentwurfs enthalten. Für die Erhebung ,der Abgabe „Notopfer Berlin" gelten die einkommensteuerrechtlichen Vorschriften sinngemäß. Diese Neuregelung des Besteuerungsrechts der Ehegatten ist im Gesetzentwurf enthalten im Ersten Abschnitt Artikel 1 Ziff. 4 bis 8 und 12 sowie im Zweiten Abschnitt Artikel 5. II. Sonstige Änderungen und Ergänzungen im Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuerrecht 1. Vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr In Artikel 1 Ziff. 1 des Gesetzentwurfs sind die Vorschriften bezüglich ,der einkommensteuerrechtlichen Bemessungsgrundlage für Gewerbetreibende vereinfacht und abgeändert worden. Bei der Einkommensteuerveranlagung treten Schwierigkeiten auf, wenn das der Besteuerung zugrunde liegende Wirtschaftsjahr vom Kalenderjahr abweicht. Nach den jetzt geltenden Vorschriften ist bei Gewerbetreibenden der Gewinn des Wirtschaftsjahres auf das Kalenderjahr, in dem das Wirtschaftsjahr beginnt, und auf das Kalenderjahr, in dem das Wirtschaftsjahr endet, entsprechend dem Verhältnis der gesamten im Wirtschaftsjahr erzielten und auf das jeweilige Kalenderjahr entfallenden Umsätze aufzuteilen. Diese Vorschrift hat in der Vergangenheit beträchtliche Schwierigkeiten bereitet. Im einzelnen soll daher jetzt folgendes vorgeschrieben werden: a) Bei Land- und Forstwirten bleibt es bei der bisherigen Regelung. Eine Änderung soll nicht eintreten. b) Die Umstellung des Wirtschaftsjahres ,auf einen vom Kalenderjahr abweichenden Zeitraum soll steuerlich nur dann noch wirksam sein, wenn sie im Einvernehmen mit dem Finanzamt vorgenommen wird. c) Bei Gewerbetreibenden soll der Gewinn des Wirtschaftsjahres als in dem Kalenderjahr bezogen gelten, in ,dem das Wirtschaftsjahr endet. Die gleichen Vorschriften sollen auch für die Körperschaftsteuer gelten. Deshalb mußte § 5 Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes entsprechend geändert werden. Hinweis auf Artikel 3 Ziff. 1. Auch für die Gewerbesteuer ergab sich hieraus die Notwendigkeit einer Gesetzesänderung. Hinweis auf den Dritten Abschnitt Artikel 6 Ziff. 2 bis 5. 2. Steuerfreie Einkünfte bei der Einkommensteuer Im § 3 EStG sind die steuerfreien Einkünfte aufgezählt. Einige Änderungen, Ergänzungen und (Dr. Lindrath) soziale Besserstellungen werden vorgeschlagen. Die entsprechenden Bestimmungen finden sich im Gesetzentwurf Artikel 1 Ziff. 2. Im einzelnen ist folgendes vorgesehen: a) § 3 Ziff. 2 EStG regelt die Steuerfreiheit von Bezügen aus der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung. Es ist notwendig, die Fassung dieser Bestimmung dem jetzigen Recht zur Arbeitslosenversicherung anzupassen. Es ist klargestellt worden, daß das Arbeitslosengeld, das Kurzarbeitergeld und die Stillegungsvergütung aus der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung sowie die Unterstützung aus der gesetzlichen Arbeitslosenhilfe steuerfreie Einkünfte sind. b) Nach § 3 Ziff. 4 EStG sind der Wert der Dienstkleidung bei verschiedenen Organisationen, wie Bundesgrenzschutz, Bereitschaftspolizei der Länder und Vollzugspolizei der Länder und Gemeinden und anderen Behörden einkommensteuerfrei. Es ist sichergestellt worden, daß die gleichen Vorschriften in Zukunft auch für die Bundeswehr gelten sollen. c) Es mußte sichergestellt werden, daß bei Soldaten der Bundeswehr auch die Geld- und Sachbezüge sowie die Heilfürsorge auf Grund der Vorschriften des Wehrsoldgesetzes von der Einkommensteuer befreit werden. d) Nach Iden jetzigen Vorschriften sind Bezüge, die auf Grund gesetzlicher Vorschriften aus öffentlichen Mitteln versorgungshalber an Kriegsbeschädigte, Kriegshinterbliebene und ihnen gleichgestellte Personen gezahlt werden, einkommensteuerfrei. Die gleiche Vorschrift soll in Zukunft auch für Wehrdienstbeschädigte oder ihre Hinterbliebenen Geltung haben. e) Nach den jetzt geltenden Vorschriften sind die aus öffentlichen Kassen gezahlten Aufwandsentschädigungen und Reisekosten einkommensteuerfrei. Diese Bestimmungen mußten klarer gefaßt werden. Es wird daher vorgeschlagen, für einkommensteuerfrei zu erklären die aus einer Bundes- oder Landeskasse gezahlten Bezüge, die in einem Bundes- oder Landesgesetz oder einer auf bundes- oder landesgesetzlicher Ermächtigung beruhenden Bestimmung oder von der Bundesregierung oder einer Landesregierung als Aufwandsentschädigung festgesetzt sind und als Aufwandsentschädigung im Haushaltsplan ausgewiesen werden. Das gleiche gilt auch für andere Bezüge, die als Aufwandsentschädigung aus öffentlichen Kassen an öffentliche Dienste leistende Personen gezahlt werden, soweit nicht festgestellt wird, daß sie für Verdienstausfall oder Zeitverlust gewährt werden oder den Aufwand, der dem Empfänger erwächst, offenbar übersteigen. Außerdem sollen wie bisher einkommensteuerfrei sein die aus öffentlichen Kassen gezahlten Reisekostenvergütungen und Umzugskostenvergütungen. Diese Vorschriften gelten der rechtlichen Klarstellung einiger jetzt bestehender Zweifelsfälle. f) Heiratsbeihilfen und Geburtsbeihilfen, die an Arbeitnehmer vom Arbeitgeber gezahlt werden, sind frei, wenn die Heiratsbeihilfe den Betrag von 500 DM und die Geburtsbeihilfe den Betrag von 300 DM nicht übersteigen. Nur der übersteigende Betrag ist steuerpflichtig. Der steuerfreie Betrag soll nach dem Gesetzentwurf für die Heiratsbeihilfe von 500 DM auf 700 DM und für die Geburtsbeihilfe von 300 DM auf 500 DM erhöht werden. 3. Steuerbegünstigung des nicht entnommenen Gewinnes Nach den jetzt geltenden Vorschriften im § 10 a EStG können Vertriebene, Flüchtlinge und Nazigeschädigte bis zu 50 y. H. der Summe der nicht entnommenen Gewinne, höchstens aber 20 000 DM, als Sonderausgaben vorn Gesamtbetrag der Einkünfte abziehen. Für die Veranlagungszeiträume 1956 bis 1958 soll der Satz von 50 v. H. auf 75 v. H. erhöht werden. Im übrigen sollen die Vorschriften die gleichen bleiben. Aus Vereinfachungsgründen soll fernerhin die Nachversteuerungspflicht im Falle von Mehrentnahmen in späteren Jahren auf die folgenden drei Jahre eingeschränkt werden. Die entsprechenden Vorschriften befinden sich im Gesetzentwurf Artikel 1 Ziff. 3. 4. Außergewöhnliche Belastung in besonderen Fällen Im § 33 a EStG ist die steuerliche Berücksichtigung außergewöhnlicher Belastungen in besonderen Fällen geregelt. Im Gesetzentwurf sind im einzelnen folgende Änderungen vorgesehen: Aufwendungen für den Unterhalt und eine etwaige Berufsausbildung für Personen, für die der Steuerpflichtige Kinderermäßigung nicht erhält, sind abzugsfähig. Der bisher festgesetzte Höchstbetrag belief sich auf jährlich 720 DM. Dieser Betrag soll auf 900 DM heraufgesetzt werden. Der Erhöhungsbetrag gemäß § 33 a Abs. 2 EStG für den Fall einer auswärtigen Unterbringung einer in der Berufsausbildung befindlichen unterhaltenen Person soll weiterhin bei 720 DM im Kalenderjahr belassen bleiben. 5. Steuerfreiheit bestimmter Zuschläge zum Arbeitslohn Nach § 34 a EStG sind die gesetzlichen oder tariflichen Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit steuerfrei, wenn der Arbeitslohn insgesamt 9000 DM im Kalenderjahr nicht übersteigt. Im Gesetzentwurf ist vorgesehen, daß dieser Höchstbetrag für den jährlichen Arbeitslohn von 9000 DM auf 15 000 DM erhöht wird. Vergleiche Artikel 1 Ziff. 10. 6. Steuerermäßigung bei ausländischen Einkünften § 34 c EStG regelt die Steuerermäßigung bei ausländischen Einkünften. Im Absatz 1 dieses Paragraphen wird bestimmt, daß bei unbeschränkt Steuerpflichtigen, die mit ihren aus einem ausländischen Staat stammenden Einkünften in diesem Staat zu einer der deutschen Einkommensteuer entsprechenden Steuer herangezogen werden, die festgesetzte und gezahlte ausländische Steuer auf die deutsche Einkommensteuer anzurechnen ist, die auf die Einkünfte aus diesem Staat entfällt. Gemäß Absatz 5 dieses Paragraphen können Einzelheiten durch Rechtsverordnung geregelt werden. Um außer Einkommensteuer auch noch andere ausländische Steuern abzugsfähig zu machen, wie sich dies aus der Praxis als notwendig ergeben hat, wird im Gesetzentwurf festgestellt, daß auch Rechtsverordnungen erlassen werden können über den Abzug ausländischer Steuern vom Einkommen, die nicht unter Absatz 1 des § 34 c EStG fallen. Hinweis auf Artikel 1 Ziff. 11 des Gesetzentwurfs. (Dr. Lindrath) 7. Kapitalertragsteuer In den §§ 43 und 44 EStG ist die Kapitalertragsteuer geregelt. Zur Vereinfachung der Kapitalertragsteuer wird im Gesetzentwurf folgende Regelung getroffen: § 43 Abs. 1 Ziff. 6 EStG wird gestrichen. Die sich hieraus ergebenden technischen Änderungen im Gesetz werden durchgeführt. Nach dieser Vorschrift sind Zinsen aus festverzinslichen Wertpapieren, die nicht steuerfrei sind und nicht unter die Ziffern 3 bis 5 des Absatzes 1 § 43 EStG fallen, insbesondere die festverzinslichen Wertpapiere, die die Bedingungen der Ziffern 4 und 5 nicht erfüllen, einer Kapitalertragsteuer in Höhe von 60 v. H. der Kapitalerträge unterworfen. Es handelt sich bei dieser Vorschrift um eine Prohibitivvorschrift, die verhindern soll, daß eine Emission mit von den üblichen Marktbedingungen abweichenden Zins- und Ausgabebedingungen an den Markt kommt. Diese Vorschrift kann wegfallen, nachdem ihre Anwendung bisher nicht praktisch geworden ist und neue Wertpapiere solcher Art nicht mehr ausgegeben werden können. Außerdem soll die Bundesregierung ermächtigt werden, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung anzuordnen, daß bei bestimmten Gruppen von Steuerpflichtigen vom Steuerabzug vom Kapitalertrag abgesehen werden kann, wenn sichergestellt ist, daß dem für die Veranlagung jeweils zuständigen Finanzamt die Kapitalerträge, von denen hiernach der Steuerabzug nicht vorgenommen worden ist, bekanntwerden. Durch diese Ermächtigung soll erreicht werden, daß bei Lohnsteuerpflichtigen mit nur geringen Kapitaleinkünften von einem Steuerabzug vom Kapitalertrag in Zukunft abgesehen werden kann. Damit ist das Hauptproblem gelöst, nämlich zu vermeiden, daß Lohnsteuerpflichtige nur wegen der Anrechnung der Kapitalertragsteuer zur Einkommensteuer noch besonders veranlagt werden müssen. Hinweis auf Artikel 1 Ziff. 14 und 15 des Gesetzentwurfs. 8. Steuerabzug von Aufsichtsratsvergütungen Nach den §§ 45 und 45 a EStG unterliegen Aufsichtsratsvergütungen einem Steuerabzug. Der Steuerabzug beträgt 40 v. H. der Aufsichtratsvergütung. Der Steuerabzug wird auf die später im Veranlagungswege zu ermittelnde Einkommensteuer angerechnet. Er ist also eine besondere Art einer Einkommensteuervorauszahlung. Durch die Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes gehören heute Arbeitnehmer den Aufsichtsräten an. Diese Arbeitnehmer beziehen in der Regel außer ihren Aufsichtsratsvergütungen häufig nur Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Der Steuerabzug mit 40 v. H. der Aufsichtsratsvergütung verursacht in diesen Fällen erhebliche Verwaltungsarbeit dadurch, daß diese Arbeitnehmer-Aufsichtsratsmitglieder besonders veranlagt werden müssen, weil der Satz von 40 v. H. für sie in der Regel zu hoch ist, so daß sehr häufig auf Grund der Veranlagung Erstattungen durchgeführt werden müssen. Im Gesetzentwurf ist daher vorgesehen, daß die §§ 45 und 45a EStG ersatzlos gestrichen werden. Aufsichtsratsvergütungen werden somit — mit Ausnahme der im folgenden Absatz behandelten Fälle — in Zukunft allein im Wege der Veranlagung zur Einkommensteuer herangezogen. Es handelt sich hier um eine echte Vereinfachungsmaßnahme auf einkommensteuerrechtlichem Gebiet, keineswegs aber uni eine Freistellung der Aufsichtsratsvergütungen von der Einkommensteuerpflicht, wie in der Öffentlichkeit vielfach irrtümlich angenommen wurde. Hinweis auf Artikel 1 Ziff. 16 des Gesetzentwurfs. Um jedoch sicherzustellen, daß beschränkt Steuerpflichtige ihre Aufsichtsratsvergütungen der deutschen Einkommensteuer entsprechend angemessen versteuern, war es notwendig, hinter § 49 EStG einen neuen § 49 a — Steuerabzug von Aufsichtsratsvergütungen bei beschränkt Steuerpflichtigen (Aufsichtsratsteuer) — einzufügen. Beschränkt steuerpflichtige Mitglieder von Aufsichtsräten inländischer Gesellschaften, insbesondere also Ausländer, werden weiterhin einem Steuerabzug von den Aufsichtsratsvergütungen unterworfen. Dieser Steuerabzug beträgt 30 v. H. der Aufsichtsratsvergütung, wenn der Empfänger die Steuer trägt und 42,85 v. H. des an das Aufsichtsratsmitglied tatsächlich ausgezahlten Betrages, wenn das Unternehmen die Steuer übernimmt. Hinweis auf Artikel 1 Ziff. 19 des Gesetzentwurfs. 9. Veranlagung von Steuerpflichtigen mit Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Im § 46 EStG sind die Voraussetzungen enthalten, unter denen Lohnsteuerpflichtige noch besonders zur Einkommensteuer veranlagt werden. Neben einigen technischen Änderungen, die sich aus der Neugestaltung des Ehegattenbesteuerungsrechts ergeben, ist aus Gründen der Vereinfachung im Entwurf bestimmt, daß gemäß Absatz 1 Ziffer 3 des § 46 EStG eine Veranlagung zur Einkommensteuer bei Lohnsteuerpflichtigen nur durchgeführt werden soll, wenn von einem Arbeitnehmer Einkünfte aus mehreren Dienstverhältnissen bezogen worden sind, die dem Steuerabzug vom Arbeitslohn unterlagen, und der Gesamtbetrag dieser Einkünfte 7200 DM jährlich übersteigt. Bisher betrug diese Veranlagungsgrenze nur 4800 DM. Hinweis auf Artikel 1 Ziff. 17 des Gesetzentwurfs. 10. Wegfall von Kleinstbeträgen Nach Artikel 1 Ziff. 22 und 23 werden in der Einkommensteuertabelle und Jahreslohnsteuertabelle die Steuerbeträge von weniger als 18 DM gestrichen. Sie bleiben damit unerhoben. Das bedeutet für die Einkommensteuertabelle, daß einkommensteuerpflichtige Beträge bis 1100 DM in der Steuerklasse I, bis 2000 DM in der Steuerklasse II, bis 2750 DM in der Steuerklasse III/1, bis 4200 DM in der Steuerklasse III/2, bis 5850 DM in der Steuerklasse III/3 nicht mehr besteuert werden. Für die Lohnsteuer bedeutet dies, daß Jahresarbeitslöhne bis zu den folgenden Beträgen unbesteuert bleiben: in Steuerklasse I bis 2286,99 DM in Steuerklasse II bis 3436,99 DM in Steuerklasse III/1 bis 4186,99 DM in Steuerklasse III/2 bis 5636,99 DM in Steuerklasse III/3 bis 7286,99 DM. (Dr. Lindrath) 11. Bestimmungen für das Saarland Bis zum Ende der Übergangszeit nach Artikel 3 des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Regelung der Saarfrage vom 27. Oktober 1956 (BGBl. II S. 1587) gelten Steuerpflichtige, die im Saarland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, als beschränkt einkommensteuerpflichtig. Die im Saarland bezogenen Einkünfte bleiben bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz und werden entsprechend den Vorschriften des § 49 EStG behandelt. Hinweis auf Artikel 1 Ziff. 21 des Gesetzentwurfs. Das gleiche gilt sinngemäß für Körperschaften im Sinne des Körperschaftsteuergesetzes. Vergleiche Artikel 3 Ziff. 3 des Gesetzentwurfs. III. Ermächtigungen Der vorgelegte Gesetzentwurf enthält eine Reihe bedeutsamer Ermächtigungen, durch die einmal der § 51 EStG abgeändert und erweitert und zum anderen ein neuer § 40 (zur Vereinfachung des Lohnsteuerverfahrens) in das Gesetz eingefügt wird. Diese Vorschriften sind in Artikel 1 Ziff. 20 und weiterhin in Artikel 1 Ziff. 13 enthalten. Im einzelnen befassen sie sich mit folgenden Fragen: 1. Förderung der volkswirtschaftlich wünschenswerten Bevorratung von Warenlägern Gründe verschiedenster Art haben den deutschen Gesetzgeber in den letzten Jahren wiederholt veranlaßt, die deutsche Einfuhr zu fördern und Maßnahmen zu treffen, die geeignet sind, die Lagerbestände an Importwaren zu vergrößern. Die teilweise sehr beachtlichen Preisschwankungen auf manchen Gebieten des Weltmarktes nahmen (den deutschen Importeuren die Möglichkeit, eine volkswirtschaftlich wünschenswerte Lagerhaltung herbeizuführen. Die bisherige Steuergesetzgebung trug dem erheblichen Risiko, das in einer Lagerhaltung von Importwaren mit stark schwankenden Preisen liegt, in gewissem Umfang Rechnung. Außerdem mußte dafür Vorsorge getroffen werden, daß auch in Krisenzeiten aus vorhandenen Lägern der Bedarf der deutschen Wirtschaft in notwendiger Weise gedeckt werden kann. Beim Erlaß dieses Gesetzes zur Neuordnung von Steuern vom 16. Dezember 1954 hat sich der Gesetzgeber erstmalig mit (dem Problem der Besteuerung von Gewinnen befaßt, die auf wesentlichen Preissteigerungen beruhen. In den früheren Jahren hat sich gezeigt, daß die Entwicklung auf dem Weltmarkt trotz der Stabilität der Währung zu außerordentlichen Preissteigerungen bei gewissen Waren führen kann, denen in den folgenden Jahren Preissenkungen gegenüberstehen. Um nun in einem Wirtschaftsjahr die Besteuerung höherer auf wesentlichen Preissteigerungen beruhender Gewinne zu verhindern, denen in den Folgejahren erhebliche Verluste gegenüberstehen können, ist in den Jahren wesentlicher Preissteigerungen bei der Bewertung bestimmter Wirtschaftsgüter eine Rücklage zugelassen worden. Diese Preissteigerungsrücklage bewirkt, daß im Jahre der Preissteigerung wesentliche Preissteigerungsgewinne nur zum Teil besteuert werden. In den folgenden Jahren wird bei Preissenkungen das Entstehen außergewöhnlicher Verluste verhindert. Bleiben die Preise auf dem erhöhten Preisniveau stehen, so stellt die Maßnahme nur eine langfristige Stundung (dar, da die Rücklage nach den jetzigen Vorschriften innerhalb von vier Jahren gewinnerhöhend wieder aufgelöst werden muß. Die im Jahre 1954 der Bundesregierung im § 51 Abs. 1 Ziff. 2 Buchstabe b EStG gegebene Ermächtigung hat gezeigt, daß der Zeitraum, innerhalb der diese Preisdifferenzenrücklage wieder aufgelöst werden muß, zu kurz bemessen war. Damals war bestimmt worden, daß die Rücklage für Preissteigerungen spätestens bis zum Ende dies auf die Bildung folgenden vierten Wirtschaftsjahres gewinnerhöhend aufzulösen sei. In Artikel 1 Ziff. 20 Buchstabe a der jetzigen Vorlage wird bestimmt, daß die Auflösung bis spätestens zum Ende des auf die Bildung folgenden sechsten statt vierten Wirtschaftsjahres gewinnerhöhend aufgelöst werden muß. In Verfolg dieser Bestrebungen sind unter dem 6. Dezember 1954 (Bundessteuerblatt 1955 II S. 20) und unter dem 30. Juni 1956 (Bundessteuerblatt II S. 95) übereinstimmende Ländererlasse betreffend Ermittlung des Teilwerts von Importwaren (Bremer Erlaß) ergangen, in denen bestimmt wurde, daß bei der Einkommensermittlung von Beanstandungen abgesehen werden kann, wenn der Steuerpflichtige bei der Bewertung von bestimmten in einer dem Erlaß . beigefügten Liste enthaltenen Importwaren einen Abschlag bis zu 10, später 15 v. H., auf den Börsen- oder Marktpreis (Wiederbeschaffungspreis) vorgenommen hat. Der Bundesfinanzhof hat in seinem Urteil vom 17. Juni 1956 (Bundessteuerblatt III S. 379) diese Erlasse für nicht vereinbar mit dem geltenden Einkommensteuerrecht erklärt. Die Erlasse hätten offenbar den Zweck gehabt, aus wirtschaftspolitischen Gründen die Finanzierung der Lagerhaltung bestimmter Waren zu erleichtern. Eine derartige Maßnahme bedürfe jedoch einer gesetzlichen Grundlage. Die Bundesregierung legte daher den Entwurf eines Gesetzes über die steuerliche Begünstigung von Importwaren vor, um den Bremer Erlaß gewissermaßen zu legalisieren. Dieser Entwurf der Bundesregierung ist unter Berücksichtigung der Bemerkungen des Bundesrates im ersten Durchlauf in den vorliegenden Gesetzentwurf zur Änderung steuerrechtlicher Vorschriften übernommen. Er befindet sich dort in Artikel 1 Ziff. 20 Buchstabe b. Während die Bildung einer Preissteigerungsrücklage für jeweils zu bestimmende Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens nicht an die Natur dieser Wirtschaftsgüter als Importwaren geknüpft ist, beziehen sich alle Vergünstigungen der jetzt neu aufgenommenen Ermächtigung nur auf jeweils zu bestimmende Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens ausländischer Herkunft, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen müssen und nach dem Erwerb weder bearbeitet noch verarbeitet worden sind. Die Begriffe der Be- und Verarbeitungen sollen sich grundsätzlich an die des Umsatzsteuerrechts anlehnen. Im vorliegenden Entwurf wird zwischen zwei Arten von Wirtschaftsgütern, die von dieser Vergünstigung betroffen werden sollen, unterschieden, und zwar einmal sind Vergünstigungen vorgesehen für a) Wirtschaftsgüter, deren Preis auf dem Weltmarkt wesentlichen Schwankungen unterliegt und für (Dr. Lindrath) b) Wirtschaftsgüter, die wegen ihrer besonderen volkswirtschaftlichen Bedeutung zur Deckung des Bedarfs der -deutschen Wirtschaft erforderlich sind. Bei den Wirtschaftsgütern zu a) soll bei der Gewinnermittlung ein Bewertungsabschlag bis zu 20 v. H. unter den Anschaffungskosten oder dem niedrigeren Börsen- oder Marktpreis (Wiederbeschaffungspreis) des Bilanzstichtags zugelassen werden. Ausgangswert sind nach dieser Regelung der Börsen- oder Marktpreis oder die Anschaffungskosten. Die Ländererlasse gingen lediglich vom Börsen- oder Marktpreis als Ausgangswert aus. Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hat den Bewertungsabschlag bei den Wirtschaftsgütern zu a) ,auf 20 v. H. festgesetzt, während der Regierungsentwurf hier nur einen Bewertungsabschlag in Höhe von 15 v. H. vorsah. Die ursprünglich im Regierungsentwurf vorgesehene zeitliche Befristung, für die diese Vergünstigung der Wirtschaftsgüter zu a) gelten soll, ist vom Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen nicht gutgeheißen worden. Die Fristbegrenzung wurde gestrichen. Bezüglich der in Buchstabe b genannten Wirtschaftsgüter wird bestimmt, daß in den Wirtschaftsjahren, die nach dem 31. Dezember 1956 und vor dem 1. Januar 1962 enden, auf den Normalbestand dieser Läger ein Bewertungsabschlag bis zu 15 v. H. unter den Anschaffungskosten oder dem niedrigeren Börsen- oder Marktpreis (Wiederbeschaffungspreis) vorgenommen werden kann. Soweit der Steuerpflichtige einen Mehrbestand ausweist oder solche in b) näher gekennzeichnete Wirtschaftsgüter in einem Sonderlager hält, über dessen Inhalt er nur unter besonderen Voraussetzungen verfügen darf, ist für diesen Mehrbestand 'bzw. die im Sonderlager eingelagerten Wirtschaftsgüter ein Abschlag bis zu 30 v. H. vorgesehen. Ein Mehrbestand ist anzunehmen, soweit der mengenmäßige Bestand an den bezeichneten Wirtschaftsgütern im einzelnen und insgesamt am Schluß des Wirtschaftsjahres den Bestand an einem noch zu bestimmenden Zeitpunkt, der nach dem 31. Dezember 1954 liegt, übersteigt. Der Kreis der nach b) begünstigten Waren soll klein gehalten werden. Es wird sich hier insbesondere um Naturkautschuk, gewisse NE-Metalle, gewisse Erze usw. handeln. Wesentlichen Preisschwankungen ,auf dem Weltmarkt brauchen diese Waren nicht zu unterliegen, wenn es auch häufig der Fall sein wird. Der auf bis zu 30 v. H. erhöhte Abschlag auf den Mehrbestand soll einen besonderen Anreiz geben, daß der Steuerpflichtige Waren dieser Art in einem größeren Umfange einlagert, als er es bisher getan hat. Soweit sogenannte Sonderlager in Frage kommen, geht die Begünstigung von Voraussetzungen aus, die zur Zeit noch nicht genau bestimmt werden können.. Es ist dabei an die Möglichkeit gedacht, daß es sich als erforderlich und zweckmäßig erweisen kann, im Interesse einer ausreichenden Lagerbildung auch in ,anderer Weise als durch steuerliche Maßnahmen, wie z. B. durch Kredithilfe usw., auf die Vorratsbildung Einfluß zu nehmen. Die Sonderlager müssen im Geltungsbereich des Grundgesetzes oder im Saarland gelegen sein. Der letzte Absatz dieser Ermächtigungsvorschrift betrifft die Importwaren, bei denen sowohl die in a) als auch die in b) bezeichneten Voraussetzungen gleichzeitig gegeben sind. Bei der Bewertung dieser Waren soll der Steuerpflichtige die Wahl haben, welchen der beiden Bewertungsabschläge er in Anspruch nehmen will. 2. Steuerliche Maßnahmen zur Fördersteigerung im Bergbau Der vorliegende Gesetzentwurf sieht in Artikel 1 Ziff. 20 Buchstabe b weiterhin vor, die Bundesregierung zu ermächtigen, Sonderabschreibungen im Tiefbaubetrieb des Steinkohlen-, Pechkohlen-, Braunkohlen- und Erzbergbaues sowie im Tagebaubetrieb des Braunkohlen- und Erzbergbaues zuzulassen. Angesichts der Tatsache, daß der Bergbau annähernd vier Jahrzehnte der Preisbindung unterlag und auch heute noch trotz formeller Freigabe der Preise aus volkswirtschaftlichen und politischen Rücksichtnahmen nicht die Möglichkeiten der Marktwirtschaft ausschöpfen kann und somit in der Frage der Finanzierung seiner langfristigen Investititionsvorhaben gegenüber den anderen Industriezweigen benachteiligt ist, andererseits aber ein weiteres Zurückbleiben der Investitionen, insbesondere im Kohlenbergbau, den Ausgleich der deutschen Energiebilanz und damit die gesunde Weiterentwicklung unserer Wirtschaft stärkstens gefährdet, besteht bei allen an dieser Gesetzgebungsarbeit Beteiligten eine volle Übereinstimmung darüber, daß Maßnahmen zugunsten der Fördersteigerung im Bergbau nicht zu den unerwünschten Sondervergünstigungen im Steuerrecht gehören und daß somit durch diese Maßnahme nicht gegen die allgemeinen Ziele der Steuerpolitik verstoßen wird, die auf einen allmählichen Abbau von Sondervergünstigungen zugunsten Tarifsenkungen hinauslaufen. Der Ausschuß für Wirtschaftspolitik hat in seiner Sitzung vom 25. Februar d. J. sich mit dieser Frage ebenfalls beschäftigt. Auch er hat die vorgesehenen steuerlichen Sonderabschreibungsmöglichkeiten für notwendig erklärt. In den wesentlichsten Punkten hat der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen den Wünschen des Ausschusses für Wirtschaftspolitik Rechnung getragen. Es erschien dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen notwendig, die Ermächtigung auch auf den Erzbergbau auszudehnen. Hingegen wurden Wünsche auf Ausdehnung der Ermächtigung auf die Elektrizitätswirtschaft abgelehnt. Desgleichen wurde auch abgelehnt, die Erdölwirtschaft steuerlich besonders zu begünstigen. Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen war der Auffassung, daß man im Interesse einer möglichst vollständigen Schließung der deutschen Energielücke die Maßnahmen auf den Kohlenbergbau beschränken sollte. Der Erzbergbau sollte begünstigt werden, um die deutschen Erzvorkommen der deutschen Wirtschaft so weit als möglich dienstbar zu machen und weil bei ihm in vielerlei Hinsicht ähnliche Verhältnisse wie im Kohlebergbau vorliegen. Die Ermächtigung sieht in allen Fällen nur die steuerliche Begünstigung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens vor, die nach dem 31. Dezember 1955 ganz oder zum Teil angeschafft oder hergestellt worden sind. Für diese Wirtschaftsgüter können Sonderabschreibungen in Anspruch genommen werden. Voraussetzung hierfür ist, daß mit der Durchführung der begünstigten Investitionsvorhaben vor dem 1. Januar 1961 begonnen und ihre Förderungswürdigkeit von der obersten Landesbehörde für Wirtschaft im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft bescheinigt worden ist. Die Sonderabschreibungen können im Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung und in den vier folgenden Wirtschaftsjahren in (Dr. Lindrath) Anspruch genommen werden, und zwar bei beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens bis zu insgesamt 50 v. H. und bei unbeweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens bis zu insgesamt 30 v. H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Daneben sind die Absetzungen für Abnutzung nach § 7 EStG vorzunehmen. Die Sonderabschreibungen können auf die begünstigten Wirtschaftsgüter vorgenommen werden, sofern sie bei der Errichtung von neuen Förderschachtanlagen bis zum 31. Dezember 1970 angeschafft oder hergestellt werden. In den übrigen Fällen sind die Anschaffungen bis zum 31. Dezember 1965 begünstigt. Bei den begünstigten Vorhaben im Tagebaubetrieb des Braunkohlen- und Erzbergbaues kann zugelassen werden, daß die vor dem 1. Januar 1966 aufgewendeten Kosten für den Vorabraum bis zu 50 v. H. als sofort abzugsfähige Betriebsausgaben behandelt werden. Sonderabschreibungen dürfen auf folgende Wirtschaftsgüter vorgenommen werden: a) im Tiefbaubetrieb des Steinkohlen-, Pechkohlen-, Braunkohlen- und Erzbergbaues 1. bei Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens unter Tage und 2. bei bestimmten Wirtschaftsgütern, die mit dem Grubenbetrieb unter Tage in unmittelbarem Zusammenhang stehen und der Förderung, der Seilfahrt und der Wetterführung sowie der Aufbereitung des Minerals dienen, auch soweit diese Anlagen über Tage gelegen sind. In der 116. Sitzung des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen vom 22. März 1957 hat der Vertreter des Bundesfinanzministeriums erklärt, daß die jetzige Fassung nicht ausschließe, auch Aufbereitungsanlagen und Waschkauen in die Steuerbegünstigung einzubeziehen, was dem Wunsche des Ausschusses für Wirtschaftspolitik entsprechen würde. Die Wirtschaftsgüter müssen für die Errichtung von Anschlußschachtanlagen sowie für die Errichtung von neuen Schächten in Verbindung mit Aufschlußarbeiten unter Tage, für die Zusammenfassung von mehreren Förderschachtanlagen zu einer einheitlichen Förderschachtanlage und für den Wiederaufschluß stilliegender Grubenfelder und Feldesteile ,angeschafft oder hergestellt werden. b) Im Tagebaubetrieb des Braunkohlen- und Erzbergbaues können bestimmte Wirtschaftsgüter für die Erschließung neuer Tagebaue und beim Übergang zum Tieftagebau für die Freilegung und Gewinnung der Lagerstätte ebenfalls steuerlich begünstigt werden. Das gilt für den Grubenaufschluß und Großgeräte aller Art sowie im Erzbergbau auch für die Aufbereitungsanlagen. Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hat sich auch eingehend mit der Frage befaßt, ob die Aufschlußkosten bezüglich neuer Lagerstätten sowohl für Kohle als auch für Erz steuerlich begünstigt werden sollten. Von den beteiligten Industriekreisen wird die Auffassung vertreten, daß die mit erheblichen Unkosten verbundenen Arbeiten grundsätzlich dem Unternehmer nicht zugemutet werden können, wenn sie nicht steuerlich als Betriebsausgaben anerkannt werden. Dabei müßte es an sich gleichgültig bleiben, ob die Aufschlußarbeiten zu einem positiven Erfolg führen oder nicht. Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hat die Förderungswürdigkeit dieser Aufschlußarbeiten grundsätzlich anerkannt. Er hat in seiner 116. Sitzung vom 22. März 1957 deshalb folgende Entschließung angenommen: „Die Bundesregierung wird ersucht, die Frage einer zweckmäßigen Gestaltung der Bewertung von Aufwendungen zur Feststellung und Untersuchung von Kohle- und Erzvorkommen zu prüfen und das Ergebnis der Prüfung dem Bundestag bis zum 31. Dezember 1957 bekanntzugeben." Auf den Antrag, in diese Entschließung auch die Behandlung von Versuchsbohrungen der Erdölgesellschaften aufzunehmen, haben die Vertreter der Bundesregierung im Ausschuß erwidert, daß sich das Bundesfinanzministerium bei den Länderfinanzministerien um eine zufriedenstellende Lösung der Frage bemühen wolle. Zugunsten der Erdölgesellschaften wolle es sich dafür einsetzen, daß die steuerliche Behandlung der Bohrversuche nicht zu einer Schlechterstellung gegenüber der derzeitigen Praxis (die auf einem Erlaß beruhe) führt. Auf Grund dieser Erklärung wurde davon abgesehen, die Behandlung von Versuchsbohrungen der Erdölgesellschaften in die Entschließung mit aufzunehmen. Im Zusammenhang mit der steuerlichen Begünstigung des Bergbaues wurde in der 116. Sitzung des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen am 22. März 1957 auch die Frage der steuerlichen Begünstigung der Wasserkraftwerke eingehend diskutiert. Die Erörterung ergab, daß der Ausschuß grundsätzlich die Verlängerung der Verordnung über die steuerliche Begünstigung von Wasserkraftwerken zu befürworten geneigt ist, im übrigen die Ermächtigungen für Sonderabschreibungen auf den Kohlen- und Erzbergbau beschränkt wissen will. 3. Sonderabschreibungen für Wirtschaftsgüter, die der Reinhaltung der Luft dienen In Artikel 1 Ziff. 20 Buchstabe b ist die Bundesregierung ermächtigt worden, Sonderabschreibungen bei beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die unmmittelbar und ausschließlich dazu dienen, die Verunreinigung der Luft zu verhindern, zu beseitigen oder zu verringern und die in der Zeit vom 1. Januar 1957 bis 31. Dezember 1960 von buchführenden Steuerpflichtigen angeschafft oder hergestellt werden, zu gewähren. Der Deutsche Bundestag hat sich in seiner 183. Sitzung am 11. Januar 1957 mit der Frage der Verunreinigung der Luft befaßt. Es erschien zweckmäßig, hier gesetzgeberisch die Reinhaltung der Luft steuerlich zu begünstigen, nachdem für die Reinhaltung des Wassers gleiche Vorschriften bestehen. Die Vorschriften zur Reinhaltung der Luft sind denen der Reinhaltung des Wassers angepaßt. Die Sonderabschreibungen können im Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung und in dem folgenden Wirtschaftsjahr bis zu insgesamt 50 v. H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten in Anspruch genommen werden. Daneben sind Absetzungen für Abnutzung nach den Regelvorschriften des § 7 EStG vorzunehmen. Die Sonderabschreibungen sind jedoch nicht zuzulassen für Wirtschaftsgüter, die im Rahmen der Neuerrichtung von Betrieben oder Betriebsstätten angeschafft oder hergestellt werden. (Dr. Lindrath) 4. Absetzungen für Abnutzung oder Substanzverringerung nach Hilfswerten an Stelle der Anschaffungs- oder Herstellungskosten In Artikel 1 Ziff. 20 Buchstabe b wird die Bundesregierung ermächtigt, Vorschriften durch Rechtsverordnung zu erlassen über die Bemessung der Absetzungen für Abnutzung oder Substanzverringerung bei nicht zu einem Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgütern, die vor dem 21. Juni 1948 angeschafft oder hergestellt oder die unentgeltlich erworben sind. Solche Vorschriften sind bereits in der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung 1949, und zwar im § 13, sowie im § 27 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung 1955 enthalten. Der Erste Senat des Bundesfinanzhofs hat im Urteil I 200/55 S vom 17. Juli 1956 (Bundessteuerblatt III S. 316) u. a. festgestellt, daß die Vorschrift des § 13 Ziff. 1 letzter Satz EStDV 1955 keine von den Steuergerichten anzuwendende Rechtsnorm ist. Der Vierte Senat des Bundesfinanzhofs ist dieser Entscheidung beigetreten. (Urteil IV 607/54 U vom 20. September 1956 — Bundessteuerblatt III S. 349.) Es bestehen jedoch über die Auffassung des Bundesfinanzhofs hinaus Bedenken dahin, daß auch die Vorschrift Ides § 27 Ziff. 1 Satz 1 EStDV 1955 nicht rechtsgültig ist. Aus diesem Grunde wurde in den Entwurf eine entsprechende Gesetzesermächtigung zum Erlaß einer Rechtsverordnung aufgenommen. In dieser Rechtsverordnung kann bestimmt werden, daß die Absetzungen für Abnutzung oder Substanzverringerung bei nicht zu einem Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgütern, die vor dem 21. Juni 1948 angeschafft oder hergestellt oder die unentgeltlich erworben worden sind, nicht nach den Anschaffungs- oder Herstellungskosten, sondern nach Hilfswerten zu bemessen sind. Als solche Hilfswerte kommen in Frage der am 21. Juni 1948 maßgebende Einheitswert oder die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Rechtsvorgängers abzüglich der von ihm vorgenommenen Absetzungen sowie fiktive Anschaffungskosten zu einem noch zu bestimmenden Stichtag. Zur Vermeidung von Härten kann weiterhin zugelassen werden, daß an Stelle der Absetzungen für Abnutzung, die nach dem am 21. Juni 1948 maßgebenden Einheitswert zu bemessen sind, der Betrag abgezogen wird, der für das Wirtschaftsgut in dem Veranlagungszeitraum 1947 als Absetzung für Abnutzung geltend gemacht werden konnte. Für das Land Berlin tritt an die Stelle des Datums des 21. Juni 1948 jeweils der 1. April 1949. 5. Bemessung der Lohnsteuer nach v.H.-Sätzen Nach Artikel 1 Ziff. 13 des vorliegenden Gesetzentwurfs soll die Bundesregierung ermächtigt werden, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung zum Zwecke der Vereinfachung des Verfahrens die Lohnsteuer in bestimmten Fällen nach Pauschsätzen zu bemessen. Die Bundesregierung kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates anordnen, daß die Lohnsteuer für sonstige, insbesondere einmalige Bezüge, wie Tantiemen, Gratifikationen u. ä., die der Arbeitnehmer neben dem laufenden Arbeitslohn erhält, nach auf die Verhältnisse des einzelnen Falles abgestellten Pauschsätzen erhoben wird. Die in der Rechtsverordnung zu bestimmenden Pauschsätze müssen unter Berücksichtigung der allgemeinen Veranlagungsvorschriften des § 39 EStG und nach der Höhe des voraussichtlichen Jahresarbeitslohnes und dem Familienstand gestaffelt sein. Weiterhin kann durch Rechtsverordnung zugelassen werden, daß bei bestimmten sonstigen Bezügen (z. B. Erholungsbeihilfen) die Lohnsteuer auf Antrag des Arbeitgebers nach einheitlichen, für alle Fälle geltenden Pauschsätzen erhoben wird, unter der Voraussetzung, daß der Arbeitgeber die Lohnsteuer übernimmt. In diesem Fall bleiben die bezeichneten Bezüge und die davon erhobene Lohnsteuer bei einer Veranlagung zur Einkommensteuer und beim Lohnsteuerjahresausgleich außer Betracht. Ferner ist für bestimmte Fälle vorgesehen, daß auch ,die Finanzämter die Lohnsteuer nach Pauschsteuersätzen festsetzen können. Das gilt auch, wenn in einer größeren Zahl von Fällen Lohnsteuer vom Arbeitgeber nachzuerheben ist, weil er den Steuerabzug vom Arbeitslohn nicht oder in zu geringer Höhe vorgenommen hat oder wenn Bezüge an aushilfsweise beschäftigte Arbeitnehmer bezahlt werden. Voraussetzung ist, daß eine Berechnung der Lohnsteuer nach den Vorschriften des § 39 EStG schwierig ist oder einen unverhältnismäßig hohen Arbeitsaufwand erfordern würde. Alle diese Vorschriften dienen der Arbeitsvereinfachung für Arbeitgeber und Finanzämter. IV. Besteuerung der Ehegatten für den Veranlagungszeitraum 1958 In Artikel 2 des Ersten Abschnitts des vorliegenden Gesetzentwurfs sind Bestimmungen enthalten, die für den Fall gelten sollen, daß bis zum 31. Dezember 1957 eine endgültige Lösung für die Ehegattenbesteuerung noch nicht in Kraft getreten ist. Für den Fall, daß steuerpflichtige Ehegatten zur Einkommensteuer veranlagt werden, haben sie nach diesen Vorschriften für den Veranlagungszeitraum 1958 bis zum Inkrafttreten neuer Vorschriften über die Veranlagung von Ehegatten zur Einkommensteuer Vorauszahlungen nach Maßgabe der als Übergangslösung dargestellten Gesetzesnormen zu entrichten. Falls steuerpflichtige Ehegatten ihre Einkommensteuer als Lohnsteuer im Wege des Steuerabzugs vom Arbeitslohn zu entrichten haben, wird dieser bei Ehegatten, die beide unbeschränkt steuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben, vom laufenden Arbeitslohn für Lohnzahlungszeiträume, die im Kalenderjahr 1958 beginnen, und von sonstigen, insbesondere einmaligen Bezügen, die den Ehegatten im Kalenderjahr 1958 zufließen, vorbehaltlich einer anderen Behandlung beim Lohnsteuerjahresausgleich und bei der Veranlagung nach Maßgabe der Vorschriften vorgenommen, die für die oben dargestellte Übergangslösung Geltung bekommen sollen. V. Inkrafttreten In Artikel 4 des Ersten Abschnitts sind die Vorschriften über das Inkrafttreten der einzelnen Bestimmungen enthalten. Hiernach ist folgendes vorgesehen: (Dr. Lindrath) 1. Die Vorschriften über die steuerfreien Einkünfte (Artikel 1 Ziff. 2), die neuen zu berücksichtigenden Beträge für den Unterhalt mittelloser Angehöriger nach § 33 a EStG (Artikel 1 Ziff. 9), die Freigrenze bei Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit (Artikel 1 Ziff. 10), die Behandlung von Steuerpflichtigen mit Wohnsitz im Saarland (Artikel 1 Ziff. 21) und die Streichung von Steuerbeträgen unter 18 DM (Artikel 1 Ziff. 22 und 23) sind erstmals für den Veranlagungszeitraum 1957 anzuwenden. Beim Steuerabzug vom Arbeitslohn gelten sie bei laufendem Arbeitslohn erstmals für den Arbeitslohn, der für einen Lohnzahlungszeitraum gezahlt wird, der nach dem 31. Dezember 1956 endet, und bei sonstigen, insbesondere einmaligen Bezügen, bei dem Arbeitslohn, der dem Steuerpflichtigen nach dem 31. Dezember 1956 zufließt. 2. Die neuen Vorschriften über den nicht entnommenen Gewinn gemäß § 10 a EStG sind erstmals für den Veranlagungszeitraum 1956 anzuwenden. 3. Die Vorschriften zur Neuregelung der steuerlichen Behandlung von Steuerpflichtigen, deren Wirtschaftsjahr vom Kalenderjahr abweicht, gelten sowohl für 'die Einkommensteuer als auch für die Körperschaftsteuer erstmals für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31. Dezember 1956 enden. Soweit in Zukunft Umstellungen des Wirtschaftsjahres auf einen vom Kalenderjahr abweichenden Zeitraum vorgenommen werden, sind die Vorschriften über das Erfordernis des Einvernehmens mit dem Finanzamt erstmals nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes anzuwenden. 4. Die Vorschriften über die Neuregelung der Kapitalertragsteuer sind erstmals auf Zinsen anzuwenden, die nach dem 30. Juni 1957 fällig werden. 5. Die neuen Vorschriften über den Steuerabzug von Aufsichtsratsvergütungen sind erstmals auf Aufsichtsratsvergütungen anzuwenden, die dem Steuerpflichtigen nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes zufließen. 6. Die Vorschriften über Veranlagung von Lohnsteuerpflichtigen, die Bezüge aus mehreren Arbeitsverhältnissen erhalten, sind erstmals für den Veranlagungszeitraum 1958 anzuwenden. 7. Die übrigen Vorschriften des Ersten Abschnitts, insbesondere über die Neuregelung der Ehegattenbesteuerung, werden mit dem Inkrafttreten des Gesetzes wirksam. B. Änderungen des Bewertungsteuergesetzes, Vermögensteuergesetzes und Erbschaftsteuergesetzes Im Vierten Abschnitt des Gesetzentwurfs sind Änderungen des Bewertungsgesetzes, Vermögensteuergesetzes und Erbschaftsteuergesetzes enthalten, und zwar Artikel 8 — Änderungen des Bewertungsgesetzes Artikel 9 — Änderungen des Vermögensteuergesetzes Artikel 10 — Änderungen des Erbschaftsteuergesetzes Artikel 11 — Inkrafttreten Artikel 12 — Bewertung von Wertpapieren, Anteilen und Genußscheinen I. Änderungen des Bewertungsgesetzes In Artikel 8 Ziff. 1 des vorliegenden Gesetzentwurfs sind Vorschriften zur Änderung der bisherigen Bestimmungen über die Wertfortschreibung von Einheitswerten enthalten. Die Wertgrenzen des § 22 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes in Verbindung mit § 1 Ziff. 8 und § 13 Abs. 1 Vermögensbewertungsgesetz waren bisher: Bruchteilsgrenze ein Zehntel, Mindestgrenze 500 DM und feste Grenze 100 000 DM. Flächenänderungen waren ohne Rücksicht auf Wertgrenzen durch Wertfortschreibungen zu berücksichtigen. Bei diesen Wertfortschreibungen wegen Flächenänderungen werden aber Wertänderungen nur insoweit berücksichtigt, als sie auf den eingetretenen Flächenänderungen beruhen. Andere Umstände konnten nur berücksichtigt werden, wenn sie allein oder zusammen mit den Flächenänderungen zu einer Überschreitung der genannten Wertgrenzen führen. Trifft eine Flächenvergrößerung mit einer Wertminderung oder eine Flächenverkleinerung mit einer Werterhöhung zusammen, so ist die Wertgrenze für die Wertabweichung unabhängig von der Flächenänderung zu beurteilen. Voraussetzung für die Wertfortschreibung war nur, daß der maßgebende Wert im Fortschreibungszeitpunkt von dem zuletzt festgestellten Einheitswert um ein bestimmtes Maß abweicht. Im Gesetzentwurf bleibt es zunächst bei der Bruchteilsgrenze von einem Zehntel und der festen Grenze von 100 000 DM, die Mindestgrenze wird jedoch von 500 DM auf 1000 DM erhöht. Flächenänderungen sollen nicht mehr in jedem Falle ohne Rücksicht auf jegliche Wertgrenzen berücksichtigt werden, sondern nur, wenn der neue Wert um mindestens 1000 DM von dem Einheitswert des letzten Feststellungszeitpunkts abweicht. Nur wenn eine wirtschaftliche Einheit ganz wegfällt, ist auch bei Nichterreichen der 1000-DM- Grenze der Einheitswert auf null Mark fortzuschreiben. Die Wertfortschreibungsgrenzen für die Einheitswerte gewerblicher Betriebe oder von Gewerbeberechtigungen sind ebenfalls neu festgesetzt. Die Bruchteilsgrenze beträgt jetzt ein Fünftel, die Mindestgrenze 5000 DM und die feste Grenze 100 000 DM. Diese Änderungen gehen auf einen Wunsch der Länder zurück. Die Änderungen dienen der Verwaltungsvereinfachung, damit nicht schon bei kleinen Veränderungen eine Wertfortschreibung stattzufinden braucht. Die iñ Ziffer 2 des Artikels 8 vorgeschlagene Ergänzung des § 68 wirkt sich zugunsten der Rentenempfänger aus und dient auch der Verwaltungsvereinfachung. Ansprüche auf Renten und andere wiederkehrende Nutzungen und Leistungen werden nach dem Bewertungsgesetz nicht bewertet, soweit der Jahreswert der Nutzungen und Leistungen insgesamt 3600 DM nicht übersteigt, wenn der Berechtigte über 60 Jahre alt oder voraussichtlich für mindestens drei Jahre erwerbsunfähig ist. Die Neufassung des Absatzes 3 des § 69 des Bewertungsgesetzes gemäß Ziffer 3 des Artikels 8 führt zu einer Vereinfachung bei der Bewertung (Dr. Lindrath) von Aktien im Falle von Neuausgaben. Die übrigen Änderungen des § 69 sind nur redaktioneller Art. Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hat es für wünschenswert erachtet, daß diejenigen Privatkrankenanstalten, die im besonderen Maße der minderbemittelten Bevölkerung dienen, bei der Vermögensteuer entlastet werden. Da zum Betriebsvermögen der Krankenanstalten auch Wirtschaftsgüter gehören, die, wie z. B. Bankguthaben und andere flüssige Mittel, sehr leicht anderen nicht förderungswürdigen Zwecken dienstbar gemacht werden können, hielt der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen eine völlige Befreiung von der Vermögensteuer nicht für zweckmäßig. Aus diesem Grunde ist in Ziffer 4 des Artikels 8 ein § 73 b zugunsten derartiger Krankenanstalten eingefügt worden, wonach bei Ermittlung des Gesamtvermögens und des Inlandsvermägens der für das Betriebsvermögen einer vom Eigentümer betriebenen Krankenanstalt festgestellte Einheitswert oder der auf die Krankenanstalt entfallende Teil des Einheitswertes nur mit der Hälfte anzusetzen ist, wenn die Krankenanstalt in besonderem Maße der minderbemittelten Bevölkerung dient, d. h. wenn insbesondere die Vorschriften der Gemeinnützigkeitsverordnung erfüllt sind. Hat eine solche Krankenanstalt keine Konzession, so steht ihr diese Steuervergünstigung nicht zu, es sei denn, daß in dem Gebiet, in dem diese Krankenanstalt betrieben wird, diese Konzession nicht erforderlich ist. Eine Befreiung der Privatkrankenanstalten von der Erbschaftsteuer, welche die Bereicherung des Erben unabhängig von der Rentabilität der angefallenen Vermögensgegenstände erfassen soll, hält der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen nicht für angebracht, weil sich sonst Ungleichmäßigkeiten in der Besteuerung ergeben würden. Das Erbschaftsteuergesetz kennt zwar eine Reihe von Befreiungen. Die Gründe für die Befreiungen sind aber ganz anderer Art als hier. So wird vor allem ein Erwerb niemals deswegen von der Erbschaftsteuer befreit, weil das Vermögen gegenüber anderen Vermögensgegenständen sich schlechter verzinst oder die Zahlung der Erbschaftsteuer auf einen zum Erwerb gehörenden Betrieb von Einfluß sein kann. II. Änderungen des Vermögensteuergesetzes In Ziffer 1 des Artikels 9 ist bestimmt worden, daß ausländische Schiffahrt- oder Luftfahrtunternehmen von der Vermögensteuer in der Bundesrepublik befreit sind, soweit der Grundsatz der Gegenseitigkeit gewahrt ist. Diese Vorschrift ist notwendig, um der Befreiung von ausländischen Unternehmen dieser Art bei der Vermögensteuer auch ohne internationale Doppelbesteuerungsabkommen die rechtliche Grundlage zu geben. Nach Ziffer 2 des Artikels 9 soll ein neuer § 2 a eingefügt werden, der die Vermögensteuerpflicht im Verhältnis zum Saarland regelt. Das geschieht in Anpassung an die entsprechende Regelung im Einkommensteuerrecht. Die in Ziffer 3 des Artikels 8 vorgeschlagenen Änderungen des § 5 des Vermögensteuergesetzes vereinfachen und mildern die Bedingungen für die Gewährung des Kinderfreibetrages und des Altersfreibetrages. Bezüglich des Kinderfreibetrages wurde der Freibetrag von 5000 DM nach den bisherigen Vorschriften nicht gewährt für Kinder, die Vermögensteuer auf Grund selbständiger Veranlagung zu entrichten haben. Nach der neuen Vorschrift wird der Kinderfreibetrag auch für Kinder gewährt, die selbständig zurr Vermögensteuer veranlagt werden und das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Weiterhin ist der Absatz 2 des § 5 über Freibeträge für natürliche Personen wesentlich vereinfacht worden. Bisher war ein weiterer Freibetrag von 10 000 DM an Voraussetzungen geknüpft, die verhältnismäßig eng gehalten waren. Insbesondere durfte das Gesamtvermögen nicht mehr als 30 000 DM betragen. Auch die Zusammensetzung des Gesamtvermögens war besonders geregelt. Ebenso kam es auf die Höhe des Einkommens an. In Zukunft wird ein Altersfreibetrag von 5000 DM gewährt, wenn der Steuerpflichtige über 60 Jahre alt oder voraussichtlich für mindestens drei Jahre erwerbsunfähig ist und das Gesamtvermögen 50 000 DM nicht übersteigt. Weitere Voraussetzungen sind nicht mehr erforderlich. Außerdem wird aber dem § 5 noch ein dritter Absatz angefügt, nach dem im Falle der Zusammerveranlagung von Ehegatten sich der Altersfreibetrag auf 10 000 DM erhöht, falls bei beiden Ehegatten die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 vorliegen, d. h. wenn beide über 60 Jahre alt oder voraussichtlich für mindestens drei Jahre erwerbsunfähig sind. Das Gesamtvermögen darf bei Ehegatten nicht mehr als 100 000 DM betragen. Im § 6 des Vermögensteuergesetzes ist die Frage der Mindestbesteuerung und der Besteuerungsgrenze bei Körperschaften geregelt. Nach Absatz 2 dieses Paragraphen wird von unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die nicht zu den Körperschaften der Absätze 1 und 2 des § 6 gehören, die Vermögensteuer nur erhoben, wenn das Gesamtvermögen 5000 DM übersteigt. Nach der neuen Vorschrift soll diese Besteuerungsgrenze auf 10 000 DM erhöht werden. Die Erhöhung dieser Besteuerungsgrenze wird sich insbesondere für kleine Vereine günstig auswirken. In Ziffer 5 des Artikels 9 wird eine Besteuerungsgrenze bei beschränkt Steuerpflichtigen eingeführt. Beschränkt Steuerpflichtige werden zur Vermögensteuer erst herangezogen, wenn das Inlandsvermögen 2000 DM übersteigt. Auch diese Vorschrift dient der Vereinfachung. Ziffer 6 des Artikels 9 enthält gesetzestechnische Maßnahmen, die sich aus den bisher angegebenen Änderungen ergeben. In Ziffer 7 des Artikels 9 werden die Wertgrenzen für Neuveranlagungen heraufgesetzt. Auch diese Maßnahme dient der Vereinfachung. Eine Neuveranlagung fand bisher statt bei einer Mindestabweichung des Wertes des Gesamtvermögens oder des Inlandsvermögens um mehr als ein Zehntel, in Zukunft erst bei einer Abweichung um mehr als ein Fünftel. Die feste Grenze von 100 000 DM ist bestehengeblieben. Bei Wertabweichungen nach oben ist neben der Bruchteilsgrenze noch eine Mindestgrenze in Höhe von 50 000 DM eingeführt worden, bei Wertabweichungen nach unten eine Mindestgrenze von 5000 DM. III. Änderungen des Erbschaftsteuergesetzes Der Artikel 10 enthält nur steuertechnische Vorschriften, durch die auch für die Erbschaftsteuer (Dr. Lindrath) die Grundsätze der beschränkten Steuerpflicht im Verhältnis zum Saarland noch für die Zeit bis zum Ende der Übergangszeit nach Artikel 3 des Saarvertrages aufrechterhalten werden sollen. IV. Inkrafttreten Im einzelnen ist hier folgendes bestimmt: 1. Die neuen Vorschriften über Wertfortschreibungen, Bewertung von Altersrenten, Befreiung von Krankenanstalten sowie die vermögensteuerrechtlichen Vorschriften über Schiffahrt- und Luftfahrtunternhmungen, die Vermägensteuerpflicht im Verhältnis zum Saarland, die vermögensteuerliche Neuregelung der Kinder- und Altersfreibeträge, der Heraufsetzung der Besteuerungsgrenze für nicht in Form einer Kapitalgesellschaft bestehende Körperschaften sowie bei beschränkt Steuerpflichtigen sind erstmals bei der Hauptfeststellung der Einheitswerte der gewerblichen Betriebe und bei Wertfortschreibungen von Einheitswerten des Grundbesitzes sowie bei der Hauptveranlagung der Vermögensteuer auf den Beginn des Kalenderjahres 1957 anzuwenden. 2. Die geänderten Bewertungsvorschriften für Wertpapiere, Anteile oder Genußscheine sowie die Bewertungsvorschriften im Falle von Vermögensteuer-Neuveranlagungen sind erstmals bei der Wertfortschreibung und Nachfeststellung von Einheitswerten der gewerblichen Betriebe und bei Neuveranlagungen und Nachveranlagungen der Vermögensteuer auf den Beginn des Kalenderjahres 1958 anzuwenden. 3. Die Vorschriften betreffend die persönliche Erbschaftsteuerpflicht im Verhältnis zum Saarland finden erstmals auf Erwerbe Anwendung, für welche die Steuerpflicht nach idem 31. Dezember 1956 entstanden ist oder entsteht. V. Bewertung von Wertpapieren, Anteilen und Genußscheinen In Artikel 12 des Vierten Abschnitts des Gesetzentwurfs wird grundsätzlich bestimmt, daß für die Bewertung von Wertpapieren, Anteilen und Genußscheinen die auf den Stichtag 31. Dezember 1952 festgesetzten Werte in den Fällen von Kapitaländerungen bei Wertfortschreibungen und Nachfeststellungen der Einheitswerte der gewerblichen Betriebe und bei Neuveranlagungen und Nachveranlagungen der Vermögensteuer auf den Beginn der Kalenderjahre 1954, 1955 oder 1956 unverändert weiter gelten. Dieser Wert gilt auch für die bei einer Kapitalerhöhung neu ausgegebenen Aktien und Anteile. Die sich aus § 69 Bewertungsgesetz ergebende Notwendigkeit einer Neubewertung der Aktien usw. im Falle einer Neu- oder Nachveranlagung besteht nur dann, wenn sich dadurch für den Steuerpflichtigen eine günstigere Bewertung ergibt. Sind die Wertpapiere, Anteile und Genußscheine unabhängig von Kapitaländerungen nach dem 31. Dezember 1952 ausgegeben worden, so ist bei einer Wertfortschreibung und Nachfeststellung der Einheitswerte sowie bei einer Neuveranlagung und Nachveranlagung zur Vermögensteuer auf den Beginn der Kalenderjahre 1954, 1955 und 1956 der 31. Dezember des Jahres der Ausgabe dieser Wertpapiere, Anteile und Genußscheine als Stichtag maßgebend. Auch hier gilt die Einschränkung, daß eine Neubewertung von Aktien usw. auf spätere Stichtage nur durchgeführt wird, wenn sich dadurch für den Steuerpflichtigen eine günstigere Bewertung ergibt. C. Sonstiger Inhalt des Gesetzentwurfs L Steueranpassungsgesetz Im Fünften Abschnitt des Gesetzentwurfs wird gemäß Artikel 13 die praktisch bedeutungslose Vorschrift des § 14 Abs. 3 des Steueranpassungsgesetzes gestrichen. II. Schlußvorschriften Artikel 14 enthält die Berlin-Klausel. Artikel 15 bestimmt, daß dieses Gesetz im Saarland nicht gilt. Artikel 16 bestimmt, daß das Gesetz am Tage nach seiner Verkündung in Kraft treten soll. Bonn, den 23. Mai 1957 Dr. Lindrath Berichterstatter Anlage 3 zu Drucksache 3511 zu Drucksache 3512 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (19. Ausschuß) über den von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksachen 510, 3512); über den von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksachen 1623, 3512); über den von der Fraktion der DP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksachen 1715, 3512); über den von ,den Abgeordneten Karpf, Dr. Franz, Frau Dr. Probst und Genossen eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksachen 1984, 3512); über den von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksachen 2069, 3512); über den von den Abgeordneten Kroll, Dr. Leiske, Gedat und Genossen eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksachen 2071, 3512); über den von der Fraktion ,der DP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksachen 2077, 3511); über den von den Abgeordneten Stiller, Frau Geisendörfer und Genossen eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksachen 2218, 3512); über den von den Abgeordneten Dr. Eckhardt, Dr. Dollinger, Höcherl, Wieninger und Genossen eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksachen 2231, 3512); über den von den Abgeordneten Dr. Dollinger, HöCherl, Dr. Eckhardt, Wieninger und Genossen eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksachen 2232, 3512); über den von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksachen 2419, 3511) und über den von den Abgeordneten Wieninger, Günther, Regling, Lange (Essen), Held, Eickhoff, Dr. Berg und Genossen eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksachen 2611, 3511). Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Eckhardt I. Allgemeines 1. Der Auftrag des Bundestages Der Deutsche Bundestag nahm in seiner 57. Sitzung am 19. November 1954 folgende Entschließung — Drucksache 963 Nr. 2 — an: Um das rechtzeitige Zustandekommen der Steuerreform nicht in Frage zu stellen, sieht der Bundestag davon ab, über die große Zahl der ihm vorliegenden Anregungen und Vorschläge auf Änderung und Aufhebung umsatzsteuerlicher Vorschriften im gegenwärtigen Zeitpunkt zu beschließen. Er hält jedoch eine Prüfung der Bestimmungen des Umsatzsteuerrechts für unerläßlich. Dies gilt namentlich für die Stellung der freien und ihnen verwandten Berufe, für die Behandlung sozialer oder der Jugendpflege gewidmeter Einrichtungen und für die Fragen der Zusatzbesteuerung. Die Bundesregierung wird ersucht, nach Verabschiedung der Steuerreform 1954 Untersuchungen darüber anzustellen, ob und in welcher Weise eine Änderung des derzeitigen Umsatzsteuerrechts erforderlich ist, und das Ergebnis dieser Untersuchungen dem Bundestag vorzulegen. Wiederholt waren dieser Entschließung Stellungnahmen in Ausschuß- und Plenarsitzungen vorausgegangen, in denen die Neuordnung des Umsatzsteuerrechts gefordert wurde. Diese Stellungnahmen bezogen sich sowohl auf das Problem des Systemwechsels wie auf die Bereinigung des geltenden Rechts. Das Verlangen nach einer systematischen Umgestaltung stützte sich insbesondere darauf, daß das deutsche System der Forderung nach Wettbewerbsneutralität und Gleichheit der Chancen in der Wirtschaft nicht genügend Rechnung trage unid insbesondere die mittelständischen Unternehmer zu sehr belaste. Da vorausgesehen werden konnte, daß bei einer systematischen Änderung Schwierigkeiten wegen der mäglichen Verschiebungen von Kosten und Preisen und aus Haushaltsgründen hervorgerufen würden, wurde die Bundesregierung in der Entschließung vom 19. November 1954 ersucht, auch die Bestimmungen des geltenden Umsatzsteuerrechts zu prüfen. Auf Grund der Entschließung legte der Bundeskanzler mit Schreiben vom 6. Dezember 1955 — Drucksache 1924 — dem Bundestag eine Denkschrift des Bundesministers der Finanzen über eine Änderung des Umsatzsteuergesetzes vor. Die Denkschrift befaßt sich in verhältnismäßig kurzer Form mit dem bis dahin vorliegenden Ergebnis der Untersuchungen über eine Systemänderung und behandelt in der Hauptsache die Änderungsmöglichkeiten auf der Grundlage des geltenden Systems. In der Frage des Systemwechsels kommt die Denkschrift zu dem Schluß, daß die damit verbundenen Fragen einer weiteren gründlichen Prüfung bedürftig seien. Zum geltenden Recht bringt die Denkschrift eine Reihe von Änderungsvorschlägen, die dem Ausschuß als Grundlage seiner weiteren Arbeit gedient haben. 2. Arbeitsmethoden des Ausschusses Der Finanzausschuß bildete zur Bearbeitung der anstehenden Fragen einen Unterausschuß mit 11 Mitgliedern. Aufgabe des Unterausschusses sollte es sein, die Gesamtheit der mit einer Umsatzsteuerreform verbundenen Probleme zu untersuchen und dabei nicht nur die Denkschrift des Bundesfinanzministers und die dem Bundestag vorliegenden Anträge, sondern auch alle dem Ausschuß von Verbänden, Gruppen und einzelnen Unternehmungen der Wirtschaft vorgetragenen Anregungen in seine Tätigkeit einzubeziehen. In Erfüllung dieser Aufgabe hat sich der Unterausschuß Umsatzsteuer auch mit den Gesetzentwürfen befaßt, die in der Zwischenzeit im Bundestag behandelt worden sind (z. B. Einfügung des § 7 a in das Gesetz, Befreiung der Landwirtschaft). Ferner hat ,der Ausschuß sich ständig über die Ergebnisse unterrichtet, die in den von Wirtschaftsverbänden gebildeten Arbeitskreisen zur Umsatzsteuer erzielt wurden. Die zahlreichen Anträge und Anregungen, die der Unterausschuß zu behandeln hatte, betrafen zum größten Teil das Recht der Durchführungsbestimmungen, zu einem kleineren Teil das Recht des Gesetzes selbst. Den Vorschlägen des Ausschusses zur Änderung und Ergänzung der Durchführungsbestimmungen gemäß dem Mündlichen Bericht — Drucksache 2969 — vom 5. Dezember 1956 stimmte der Bundestag in seiner 180. Sitzung vom 13. Dezember 1956 (Stenographischer Bericht S. 9966 C) einstimmig zu. Er billigte damit 51 Vereinfachungen und Erleichterungen umsatzsteuerlicher Art. Insbesondere wurden eine Anzahl von Vergünstigungen für den Großhandel und den Ausfuhrhandel beschlossen, die den beteiligten Kreisen der Wirtschaft ab 1. Januar 1957 zugute kommen. Mit dem gleichen Beschluß ersuchte der Bundestag gemäß dem Antrag der Fraktion der SPD — Drucksache 2234 — die Bundesregierung, dem Bundestag einen umfassenden Bericht über ,die Möglichkeiten des Umbaus des heutigen kumulativen Umsatzsteuersystems in ein nichtkumulatives Umsatzsteuersystem vorzulegen. Im Anschluß daran prüfte der Finanzausschuß mit Hilfe des von ihm eingesetzten Unterausschusses die zu den einzelnen Bestimmungen des Umsatzsteuergesetzes selbst vorliegenden Anträge. Der Finanzausschuß wird sich im Rahmen der ihm gegebenen zeitlichen Möglichkeiten mit dem Problem des Systemumbaus beschäftigen. Eine der Voraussetzungen dafür ist die Vorlage der Denkschrift der Bundesregierung entsprechend dem Beschluß der 180. Sitzung vom 13. Dezember 1956. II. Vorschläge zur Änderung des geltenden Rechts A. Erledigte Anträge — Siehe Schriftlicher Bericht Drucksache 3512 B. 1. —1. a) Drucksache 1623 Der Ausschuß folgt nicht dem Antrag der Fraktion der FDP, Umsätze aus einer Tätigkeit in einem freien Beruf bei einem Gesamtumsatz unter 18 000 DM von der Steuer freizustellen. Er ist der Meinung, daß allgemeine Befreiungen oder eine Einführung von Freibeträgen innerhalb des Umsatzsteuerrechts Anlaß zu verwaltungsmäßigen und systematischen Bedenken geben. Zu einem Teil ist der Antrag sachlich durch die Einführung des (Dr. Eckhardt) § 7 a in das Gesetzgegenstandslos geworden. Zu einem anderen Teil schlägt der Finanzausschuß in dem vorliegenden Gesetzentwurf eine Begünstigung der Umsätze von Journalisten vor, soweit bei ihnen das Entgelt in erheblichem Maße den Ersatz von Auslagen für Fernsprech-, Fernschreib- oder Telegrammgebühren darstellt. b) Drucksache 1715 Der Antrag der Fraktion der DP ist durch § 7 a UStG (Siebentes Gesetz zur Änderung des UStG vom 5. Oktober 1956 — BGBl. I S. 882) erledigt. c) Drucksache 1984 Es gilt das gleiche wie zu a). d) Drucksache 2069 (Artikel 1 Nr. 1) Erledigt durch § 7 a UStG. e) Drucksache 2077 Erledigt :durch § 7 a UStG und Artikel 1 Nr. 6 des Entwurfs eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes. f) Drucksache 2218 Erledigt durch § 7 a UStG. g) Drucksache 2232 Der Antrag isst durch die vom Finanzausschuß vorgeschlagene Entschließung zu 2. gegenstandslos geworden. h) Drucksache 2249 Erledigt durch Verwaltungserlaß und Artikel I Nr. 2 des Entwurfs eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes. 2. Mit dem Problem der Zusatzbesteuerung (allgemeine Zusatzsteuer, Spinnweber-Zusatzsteuer) im Rahmen des Umsatzsteuerrechts hat sich der Ausschuß nicht befaßt. Das Bundesverfassungsgericht wird sich voraussichtlich in absehbarer Zeit mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Zusatzbesteuerung beschäftigen. B. Abgelehnte Anträge — Siehe Schriftlicher Bericht Drucksache 3512 B. 2. —1. a) Drucksache 510 Der Ausschuß schlägt vor, den Antrag auf Halbierung der Umsatzsteuer für Betriebe mit Sitz im Zonenrandgebiet abzulehnen. Nach Auffassung des Ausschussas widerspricht es dem Wesen einer allgemeinen Verbrauchsteuer, Vergünstigungen an den Sitz eines Unternehmens zuknüpfen. Auch ist es nach Meinung des Ausschusses nicht zu erkennen, ob die beantragte Vergünstigung den Unternehmern oder den Bewohnern der Zonenrandgebiete zugute kommen soll. Die entsprechende Umsatzsteuervergünstigung würde zudem das Vorhandensein einer Wirtschaftsgrenze zwischen den Randgebieten und dem übrigen Gebiet der Bundesrepublik voraussetzen. c) Drucksache 2069 (Artikel 1 Nr. 2) Den Vorschlag seines Unterausschusses, dem Lebensmitteleinzelhandel eine Umsatzsteuerrückvergütung zu gewähren oder den Großhandel mit Lebensmitteln zu befreien, soweit er an den Einzelhandel liefert, hat der Finanzausschuß nicht gebilligt. Die Anregung zur Begünstigung ,des Lebensmittelhandels geht davon iaus, daß die Wettbewerbslage insbesondere auf diesem Gebiet sich bedenklich zuungunsten der Mittel- und Kleinbetriebe verschoben habe. Im Ausschuß wurden jedoch grundsätzliche Einwendungen vorgetragen. Es sei fragwürdig, ob der Wettbewerbsvorsprung der Großbetriebe auf die Umsatzsteuer von 1 v. H., die Klein- und Mittelbetriebe mehr zu zahlen hätten als die unmittelbar vom Erzeuger verschickenden Großbetriebe, zurückgehe. Das Problem beschränke sich auch nicht auf den Wirtschaftszweig des Lebensmittelhandels. Soweit eine Begünstigung beim Großhandel lerwogen werde, gebe es keine Sicherheit für den Einzelhandel, daß der Großhandel die Steuerersparnis weitergebe. Wolle man die Großhandelssteuer beim Einzelhandel vergüten, so laufe ein solches Verfahren den Bestrebungen auf Verwaltungsvereinfachung zuwider, da es die Kontrolle einer sehr großen Zahl von Lebensmitteleinzelhändlern und solchen Einzelhändlern, die neben anderen Waren auch Lebensmittel verkaufen, erforderlich mache. Diese technischen Schwierigkeiten seien fast nicht zu überwinden. Außerdem bedeute eine Vergünstigung dieser Art einen erheblichen Einnahmeausfall, der zunächst mit etwa 120 Mio DM geschätzt wurde. Mit Rücksicht auf die Wettbewerbslage sei früher die fälschlich sogenannte Warenhaussteuer auf Großbetriebe des Einzelhandels :erhoben worden, die verwaltungsmäßig einfach sei. Das Problem könne nur im Rahmen einer systematischen Neugestaltung gelöst werden. d) Drucksache 2071 Die Antragsteller wünschen die Aufnahme von Büchern und Zeitschriften in § 7 Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes. Das würde bedeuten, daß die Umsatzsteuer für Lieferungen von Büchern im Einzelhandel und für nicht steuerbegünstigte Lieferungen im Großhandel von 4 v. H. auf 1,5 v. H. ermäßigt wird. Der Ausschuß für Kulturpolitik hat den Gesetzentwurf zur Annahme empfohlen. Zur Begründung des Antrags werden kulturpolitische Erwägungen vorgetragen.. Die Umsatzbesteuerung des Buches bedeute einen Hemmschuh für den kulturellen und wissenschaftlichen Fortschritt. In ,anderen Staaten trage das Buch nicht die gleiche Belastung. Auch sei die wirtschaftliche Lage des Buchhandels als ungünstig zu betrachten. Der Buchhandel müsse ein vielseitiges Warenlager unterhalten und entsprchendes Kapital bilden. Die weitere günstige Entwicklung der Buchproduktion hänge von neuen Impulsen, insbesondere von einer Verbilligung ab. Der zu erwartende Steuerausfall wird mit 30 bis 40 Mio DM bemessen. Der Antrag ist in verschiedenen Sitzungen des Finanzausschusses und seines Unterausschusses behandelt worden. Auch sind eine Reihe von Formulierungen im Sinne einer Abgrenzung gegenüber der nicht förderungswürdigen Literatur besprochen worden, z. B. auch die Be- (Dr. Eckhardt) freiung von Büchern und einmal im Monat erscheinenden Zeitschriften mit besonderer Regelung für Fachzeitschriften. Der Ausschuß schlägt vor, den Antrag abzulehnen. Er ist der Ansicht, daß es sich weniger um kulturpolitische als um wirtschaftliche Fragen des Betriebs handele. Die im Buchhandel zur Verfügung stehende Spanne sei größer als z. B. bei den meisten Lebensmitteln. Eine Begünstigung müsse zu Berufungen durch Veranstalter von Konzerten, Unternehmer von Musikverlagen, den Handel mit Musikinstrumenten u. ä. führen. Eine Trennung in wertvolle und nicht wertvolle, jugendgefährdende und nicht jugendgefährdende Literatur sei nicht durchführbar. Ferner komme die Vergünstigung voraussichtlich dem Verbraucher nicht zugute. Gegen eine unterschiedliche Behandlung von monatlich und öfter erscheinenden Zeitschriften wurden Bedenken verfassungsmäßiger Art geltend gemacht. e) Drucksache 2231 Der Antrag, die Bundesregierung allgemein zur Festsetzung von Pauschalen unter Zusammenfassung mehrerer Umsatzstufen zu ermächtigen, wurde zurückgestellt, da er nach Meinung des Ausschusses weniger für eine Bereinigung des geltenden Rechts als für eine systematische Neugestaltung der Umsatzsteuer von Bedeutung ist. 2. Ferner hat sich der Finanzausschuß nicht entschließen können, ,dem Bundestag die Befreiung der Rundfunkgebühren von der Umsatzsteuer vorzuschlagen, weil die zu erwartende Vereinbarung über die Rechtsverhältnisse der Rundfunkanstalten zwischen Bund und Ländern voraussichtlich die Frage der Umsatzsteuer der Gebühren regeln wird und die entsprechenden Steuerbeträge gestundet worden sind. Jedoch hat der Finanzausschuß davon Kentnis genommen, daß die Rechtslage unbefriedigend und einer Regelung bedürftig ist, weil ein Teil der entsprechenden Landesgesetze umsatzsteuerrechtlich zu einer Freistellung, einanderer Teil auf Grund abweichender Gesetzesfassung zur Umsatzsteuerpflicht führt. Nach der gegenwärtigen Rechtslage kann der Finanzausschuß auch nicht die Freistellung privater Kinderheime, entsprechend der Begünstigung von Krankenanstalten in § 42 UStDB, vorschlagen, weil die erforderlichen Voraussetzungen, darunter die Aufnahme förderungswürdiger Kinderheime in die Gemeinnützigkeitsverordnung, nicht gegeben sind. Inwieweit eine Lockerung des Verbots der offenen Überwälzung der Umsatzsteuer (§ 10 UStG) möglich ist, bedarf noch der Prüfung. Die entsprechende Lockerung ist steuerlich ohne Bedeutung, hat aber Auswirkungen auf zivilrechtliche Verhältnisse. Nicht gebilligt hat der Finanzausschuß eine Sonderregelung für Winzergenossenschaften. Winzer sind mit ihren Umsätzen grundsätzlich steuerfrei. Kleinere Winzer, die nicht selbst keltern, sondern die Kelterung und Lieferung der Weine in einer Genossenschaft durchführen, sind wett-bewerblich gegenüber den selbst kelternden größeren Winzern benachteiligt, weil zwar die Lieferung der Winzer an die Genossenschaft frei, die Weiterlieferung jedoch mit 4 v. H. zu versteuern ist. Gegen die Steuerbegünstigung der Genossenschaften ist eingewandt worden, daß die grundsätzliche Frage der Umsatzbesteuerung von Genossenschaften berührt werde. Es sei nicht zu begründen, daß die Begünstigung nur auf Winzergenossenschaften beschränkt bleibe. Weiterhinaber werde der Weinhandel im Wettbewerb mit Winzern und Winzergenossenschaften durch eine derartige Maßnahme erheblich benachteiligt. Ein ähnlicher Antrag auf Steuerbegünstigung für Genossenschaften, die Obst und Gemüse versteigern, ist mit Rücksicht auf den Wettbewerb mit dem Obst- und Gemüsehandel vom Finanzausschuß nicht gebilligt worden. Wie im Falle der Winzergenossenschaften sollgeprüft werden, ob eine Lösung im Sinne der vorgetragenen Anregungen auf andere Weise möglich ist. Nicht zugestimmt hat der Finanzausschuß ferner einer Begünstigung von Schulungsmaßnahmen über den derzeitigen Rahmen hinaus, der Nichterhebung von Umsatzsteuer von anderen, im Entgelt enthaltenen Steuern, einer Begünstigung der Wasser- und Bodenverbände, kultureller Vereinigungen, Krüppelanstalten, der Lieferung von in Berlin (West) bearbeiteten gebrauchten Säcken. Außerdem hat er eine Erweiterung der Liste des § 7 Abs. 2 UStG (Versteuerung mit 1,5 v. H. statt 4 v. H.) zugunsten von Teigwaren abgelehnt, weil dies zu einer Anzahl von Berufungen führen müsse. C. Der Entwurf des Änderungsgesetzes Zu Artikel 1 Nr. 1 Der Vorschlag zu § 6 Abs. 1 enthält eine Anpassung an die Änderungen des Zollrechts. Nr. 2 Der Vorschlag erfolgt auf Grund des Beschlusses des Bundestages in seiner 180. Sitzung vom 13. Dezember 1956 (Stenographischer Bericht S. 9970 A). Er weicht insofern von dem damals gefaßten Beschluß ab, als die Lieferung von geschlachteten Kälbern und Schafen in Hälften nicht begünstigt werden soll. Insofern liegen nach Ansicht des Ausschusses keine landwirtschaftlichen Erzeugnisse vor; auch der Landwirt, mit idem der Großhändler bei der Lieferung derartiger Waren in Wettbewerb tritt, würde daher die entsprechenden Umsätze mit 4 v. H. zu versteuern haben. Nr. 3 In Übereinstimmung mit dem Grundgedanken des Antrags der Fraktion der FDP — Drucksache 2419 — und der Empfehlung des Ausschusses für Außenhandelsfragen soll dem Unternehmer bei der Ausfuhr ein Betrag bis zur Höhe der Steuer vergütet werden können, die durchschnittlich auf diesen Gegenstand entfällt. Nr. 4 In § 18 Abs. 1 soll eine weitere Ermächtigung eingefügt werden, auf Grund deren die sogenannte „Geistige Ausfuhr" von der Umsatzsteuer befreit werden soll. Während Ausfuhrlieferungen seit je (Dr. Eckhardt) von der Umsatzsteuer befreit waren, sind sogenannte Geistige Leistungen, deren Erfolg im Ausland eintritt, nach geltendem Umsatzsteuerrecht steuerpflichtig. Es handelt sich nach Ansicht des Ausschusses bei der technischen und wirtschaftlichen Planung von Auslandsanlagen und der Überlassung von Verfahren und Erfahrungen zur Nutzung im Ausland um eine besonders förderungswürdige Art des Ausfuhrumsatzes, deren Befreiung im allgemeinen Wirtschaftsinteresse liegt. Weiterhin sollen Versicherungsleistungen in Verbindung mit dem Ausland der Umsatzsteuer nicht unterworfen werden, weil die entstehenden Umsätze eine Belastung mit Umsatzsteuer nicht tragen können. Schon bisher ist für solche Leistungen Umsatzsteuer tatsächlich nicht erhoben worden. Nr. 5 Es handelt sich um eine redaktionelle Änderung. Nr. 6 Der Bundesminister der Finanzen soll ermächtigt werden, durch Rechtsverordnung Ermäßigungen oder Befreiungen zu bestimmen, wenn die Anwendung des gesetzlichen Steuersatzes unbillig wäre, und zwar in 3 besonderen Fällen: a) Die Ermächtigung soll angewendet werden, wenn 'der Unternehmer nicht in Wettbewerb zur gewerblichen Wirtschaft tritt. Hierdurch werden eine ganze Reihe von Fällen geordnet werden können, bei denen es bisher zu unfruchtbaren Auseinandersetzungen zwischen Finanzverwaltung und Steuerpflichtigen gekommen ist. Wenn z. B. ein Krankenhaus Blutkonserven an eine andere Krankenanstalt abgibt, so soll dieser an sich steuerpflichtige Umsatz mangels Wettbewerbs zur gewerblichen Wirtschaft nicht zur Erhebung der Steuer führen. Ein Fall des Wettbewerbs liegt auch nicht vor, wenn Handwerksmeister für die Ausübung einer ehrenamtlichen Tätigkeit im Interesse des Handwerks eine Aufwandsentschädigung erhalten; ferner z. B. in gewissen Fällen beim Eigenverbrauch öffentlicher Körperschaften oder bei Tätigkeiten, bei denen ein Unternehmer eine nur ihm allein vorbehaltene Aufgabe erfüllt. Es ist anzunehmen, daß der Vollzug dieser Ermächtigung auch für die Verwaltung eine wesentliche Arbeitsersparnis bedeutet. b) Soweit zur Erledigung eines einzelnen Auftrags Arbeitsgemeinschaften von Unternehmern gebildet werden, entsteht infolge Einschaltung eines neuen umsatzsteuerfähigen Gebildes eine zusätzliche Umsatzsteuer. Dies führt insbesondere dann zu unbilligen Ergebnissen, wenn kleinere oder mittlere Unternehmer ohne Hinzuziehung anderer Unternehmer einen Auftrag nicht durchführen können. Entsprechend dem Antrag Drucksache 2611 hat der Finanzausschuß beschlossen, Arbeitsgemeinschaften kleinerer und mittlerer Unternehmer untereinander oder mit einem größeren Unternehmer zu begünstigen. Die Verbindung mit einem größeren Unternehmer wird insbesondere bei Bau-Arbeitsgemeinschaften zur Durchführung eines größeren Auftrags unerläßlich sein. Die Durchführung der entsprechenden Ermächtigung schafft eine wesentliche Erleichterung vor allem für das Bauhandwerk, aber auch für Arbeitsgemeinschaften auf anderen Gebieten. c) Aus Kreisen der Journalisten ist wiederholt darauf hingewiesen worden, daß ein erheblicher Teil ihrer Einnahmen aus dem Ersatz von Auslagen für Fernsprech-, Fernschreib- oder Telegrammgebühren bestehe und die Besteuerung dieses Auslagenersatzes zu besonders unbilligen Ergebnissen für diesen Beruf führe. Die Ermächtigung soll solche Unbilligkeiten ausschließen. Nr. 7 Die Anwendbarkeit eines Durchschnittsvergütungssatzes im Rahmen der Ausfuhrvergütungen statt mehrerer verschieden hoher Vergütungssätze bedeutet eine Erleichterung für Verwaltung und Wirtschaft. Nr. 8 Der Bundesfinanzminister soll befugt sein, die Umsatzsteuer •im internationalen Luftverkehr unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit und im Luftverkehr mit Berlin (West) mit Rücksicht auf die besondere Stellung Berlins (West) zu erlassen. Zu Artikel 2 Das Kontrollratsgesetz Nr. 15 vom 11. Februar 1946 soll seine Wirksamkeit verlieren. Durch Artikel II des Kontrollratsgesetzes Nr. 15 ist das Rechtsinstitut der Organschaft eingeschränkt worden. Der Unternehmerbegriff des Umsatzsteuergesetzes geht von der Selbständigkeit der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit aus. Nach ständiger Rechtsprechung des RFH und des BFH und nach der auf der Grundlage dieser Rechtsprechung 1934 neugefaßten gesetzlichen Begriffsbestimmung des Unternehmerbegriffs in § 2 UStG sind juristische Personen dann nicht selbständig, wenn sie finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch von einem Unternehmer beherrscht werden. Die Innenumsätze zwischen dem Unternehmer und den von ihm auf diese Weise abhängigen Gesellschaften (Organen) unterliegen nicht der Umsatzsteuer. Das Kontrollratsgesetz hat die Innenumsätze zwischen Muttergesellschaften und Tochtergesellschaften als steuerpflichtig erklärt. Infolgedessen hat sich eine schwierige, vom Standpunkt der Einheit und Einfachheit des Rechts unerfreuliche Situation ergeben. Organverhältnisse zwischen Einzelfirmen und öffentlichen Körperschaften und ihren Organen werden anerkannt. Handelt es sich bei dem beherrschenden Unternehmen jedoch um eine Gesellschaft, so greift das Kontrollratsgesetz ein. Auch vom Recht des Kontrollratsgesetzes gibt es jedoch Ausnahmen. So sind auf Nachfolgegesellschaften der I. G. Farbenindustrie Aktiengesellschaft und ihre Tochtergesellschaften die Vorschriften des Kontrollratsgesetzes gemäß VO vom 7. Februar 1957 (BGBl. I S. 29) nicht anzuwenden. Auch wird durch das Kontrollratsgesetz die Rechtsfigur der Unternehmereinheit nicht berührt, d. h. Innenumsätze sind steuerfrei, soweit sich Gesellschaften untereinander im Verhältnis der Nebenordnung gegenüberstehen. Wenn es der Zweck der Kontrollratsmaßnahmen war, industrielle Zusammenschlüsse steuerlich zu behindern, so ist dieser Zweck nicht erreicht worden, und zwar um so weniger, als auch die unmittelbaren Vorschriften des Kontrollratsgesetzes durch gewisse rechtliche Konstruktionen umgangen worden sind. (Dr. Eckhardt) Der Finanzausschuß hält die Wiedereinführung der Organschaft aus systematischen Gründen und wegen der im Umsatzsteuerrecht herrschenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise für notwendig. Er teilt die Auffassung des RFH und des BFH, daß die Organschaft unerwünschten Fusionen und damit Konzentrationen innerhalb der Industrie entgegenwirkt, wenn er auch davon Kenntnis genommen hat, daß diese Auffassung strittig ist. Der mögliche Ausfall bei Wiedereinführung der Organschaft ist von der Industrie auf Grund von Umfragen auf 25,7 Mio DM, von der Bundesregierung ,auf etwa 90 Mio DM geschätzt worden. Bei den Schätzungen der Industrie ist berücksichtigt, daß die Organschaft im Bereiche der NE-Metall- Industrie und in anderen Fällen zu einem Mehrbetrag an Umsatzsteuern führen wird, weil z. B. die bestehenden Umsatzsteuervergünstigungen bei Annahme der Organschaft zu einem Teil nicht mehr angewandt werden können. Im Hinblick auf diese Schätzungen schlägt der Finanzausschuß die Wiederzulassung der Organschaft mit Wirkung vom 1. April 1958, also nach dem Ende des laufenden Rechnungsjahres, vor. Damit ist auch der Einwendung Rechnung getragen, daß die Wiedereinführung Folgerungen für die sogenannte Stahlverordnung (VO betreffend die Besteuerung der entflochtenen Unternehmen der Sf 11- und Eisenindustrie vom 10. Februar 1953 — BGBl. I S. 17) haben müsse und jedenfalls ein ständiges Nebeneinanderbestehen von Organschaft und Stahlverordnung nicht möglich sei. Zur Durchführung ,des Beschlusses wird die Bundesregierung an die ehemaligen Besatzungsmächte herantreten. Zu Artikel 3, 4, 5 Ohne Bemerkung. Zu Artikel 6 Artikel I Nr. 1 soll mit Rücksicht auf die Bestimmungen zur Umsatzausgleichsteuer ab 1. Juni 1957, im übrigen soll das Gesetz am 1. Juli 1957 in Kraft treten. Die Wiedereinführung der Organschaft soll ab 1. April 1958 wirksam werden. 4. Entwurf einer Entschließung — Siehe Drucksache 3511 B. 4. — Zu 1. Der Finanzausschuß vertritt die Auffassung, daß private und öffentliche Energie-Versorgungs- Unternehmen aus wirtschaftlichen, systematischen und verfassungsrechtlichen Gründen umsatzsteuerlich gleich behandelt werden müßten. Er erkennt an, daß die Form, in ,der kommunale Versorgungsunternehmen, insbesondere kommunale Gaswerke, herangezogen werden sollen, im Hinblick auf die Struktur der Energieversorgung noch einer weiteren Klärung bedarf, und schlägt deshalb vor, die Bundesregierung um Prüfung zu ersuchen. Zu 2. Der Antrag Drucksache 2232 hat zum Inhalt die Einführung der Phasenpauschalierung im Kaffeehandel und 'damit die gleiche umsatzsteuerliche Belastung des Kaffees, ohne Rücksicht darauf, ob die Ware über den Kaffeegroßhandel zum Einzelhandel geht oder über Versandgeschäfte und Filialbetriebe geliefert wird. Gegen die Einführung der Phasenpau.schalierung sind Bedenken erhoben worden,weil eine solche Maßnahme systemfremd und praktisch noch nicht erprobt sei. Der Finanzausschuß vertritt die Auffassung, daß die mit dem Antrag bezweckte Herbeiführung der Wettbewerbsneutralität zwischen Groß- und Versandhandel besser durch eine Begünstigung des Röstens erreicht werden könne, obwohl bei einer solchen Maßnahme ein Ausfall an Steuer entstehe. Er schlägt vor, ,die Bundesregierung zu ersuchen, das Mischen, Rösten und Mahlen von Kaffee im Großhandel als eine unschädliche Bearbeitung sowohl bei Einfuihranschlußlieferungen gemäß § 4 Ziff. 2 UStG wie beim steuerermäßigten Binnengroßhandel gemäß § 7 Abs. 3 UStG zuzulassen. Das würde in Form einer Änderung der Durchführungsbestimmungen zum UStG zu geschehen haben. III. Schlußbemerkung Der Berichterstatter bittet, den Ausschußbeschlüssen zuzustimmen und den Entwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes und die Entschließung anzunehmen. Beide Entwürfe betreffen das geltende Recht, beide schlagen Verbesserungen vor, ,die sich für Verwaltung und Wirtschaft im Sinne einer Vereinfachung, einer 'besseren Systematik und einer größeren Wettbewerbsneutralität auswirken werden. Daß gerade in letzterer Hinsicht 'das deutsche System manchen Wunsch offenläßt, ist wiederholt im Deutschen Bundestag und in seinem Finanzausschuß besprochen worden. Bisher sind die Arbeiten zur Vorbereitung einer umfassenden Reform aus mancherlei Gründen, insbesondere mit Rücksicht ,auf zu erwartende Preisverschiebungen und Preiserhöhungen, auf fiskalische Bedenken und auf technische Schwierigkeiten, nicht in dem von vielen gewünschten Maße weitergekommen. Nunmehr können jedoch Fortschritte auf dem Weg zur organischen Gestaltung des 'deutschen Umsatzsteuerrechts festgestellt werden. In Anlehnung an Gedanken der Pauschalierung, der Einphasen- oder Mehrphasenbesteuerung im Gegensatz zu den Allphasensystemen der Brutto- oder Nettoumsatzsteuer, werden möglicherweise in absehbarer Zeit Entwürfe vorgelegt werden können, die auf die beiden großen steuerpolitischen Forderungen nach wirtschaftlicher Gerechtigkeit und technischer Einfachheit Rücksicht nehmen. Die Prüfung der entsprechenden Entwürfe wird eine der wichtigsten wirtschafts- und finanzpolitischen Aufgaben des kommenden Bundestages sein. Bonn, den 20. Mai 1957 Dr. Eckhardt Berichterstatter Umdruck 1105 Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP (FVP), GB/BHE zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Tuberkulosehilfe (Drucksachen 3489, 2213). Der Bundestag wolle beschließen: In § 28 a) erhält Absatz 2 folgende Fassung: „(2) Geldbeträge in Deutscher Mark, die in diesem Gesetz erwähnt werden, sind im Saarland bis zum Ende der Übergangszeit nach Artikel 3 des Saarvertrages vom 27. Oktober 1956 (Bundesgesetzbl. II S. 1587) entsprechend dem Artikel 1 der Verfügung Nr. 47-177 vom 14. Dezember 1947 (Amtsbl. d. Saarlandes S. 1108) in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Satz 1 .der 3. Verordnung über die Erhöhung der Unterhaltsansprüche und sonstigen Beträge in gerichtlichen Angelegenheiten vom 7. März 1951 (Amtsbl. d. Saarlandes S. 441) umzurechnen." b) wird als neuer Absatz 4 eingefügt: „(4) Soweit .dieses Gesetz auf Vorschriften verweist oder Leistungen und Behörden anführt, die im Saarland nicht bestehen, wird das Saarland ermächtigt, durch Gesetz oder im Rahmen des Artikels 80 des Grundgesetzes durch Rechtsverordnung zu bestimmen, welche Vorschriften, Leistungen oder Behörden an deren Stelle treten." c) wird der bisherige Absatz 4 Absatz 5. Bonn, den 22. Mai 1957 Dr. Krone und Fraktion Ollenhauer und Fraktion Dr. Becker (Hersfeld) und Fraktion Dr. Schneider (Lollar) und Fraktion Feller und Fraktion Umdruck 1109 Änderungsantrag der Abgeordneten Mauk, Gibbert, Kriedemann, Lahr, Elsner und Genossen zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksachen 3511, 2077, 2419, 2611). Der Bundestag wolle beschließen: In Artikel 1 Nr. 6 werden in § 18 Abs. 2 Ziff. 2 folgende weiteren Buchstaben d und e angefügt: „d) bei Vereinigungen von Winzern zur gemeinsamen Kelterung und Verwertung der von den Mitgliedern 'gewonnenen Trauben eine Steuerpflicht für solche Lieferungen im Großhandel entsteht, die bei dem einzelnen Winzer unter den 'gleichen tatsächlichen Verhältnissen steuerfrei sein würden; e) bei Vereinigungen von Obst- und Gemüseerzeugern zur gemeinsamen Verwertung der in den Betrieben der Mitglieder gewonnenen Erzeugnisse die Steuerpflicht für Lieferungen dadurch entsteht, daß kleine und kleinste Anlieferungsmengen für die nach dem Handelsklassengesetz vorgeschriebene Sortierung oder zur Erlangung 'größerer standardisierter Partien zusammengestellt werden und dadurch die Voraussetzungen einer Lieferung im Namen des einzelnen Erzeugers nicht mehr erfüllt werden können." Bonn, den 23. Mai 1957 Mauk Dr. Dehler Dr.-Ing. Drechsel Frühwald Gaul Lenz (Trossingen) Dr. Mende Dr. Miessner Stahl Weber (Untersontheim) Gibbert Frau Ackermann Becker (Pirmasens) Franzen Dr. Horlacher Kemper (Trier) Knobloch Leibing Lermer Lulay Mayer (Birkenfeld) Richarts Schill (Freiburg) Stauch Wacker (Buchen) Dr. Weber (Koblenz) Lahr Kriedemann Bettgenhäuser Dewald Faller Frehsee Frau Herklotz Jacobi Ludwig Müller (Worms) Odenthal Ritzel Dr. Schmidt (Gellersen) Schmitt (Vockenhausen) Seither Frau Strobel Eisner Umdruck 1111 (neu) Änderungsantrag der Fraktion der FDP zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Neunten Gesetzes 'zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksachen 3511, 2077, 2419, 2611). Der Bundestag wolle beschließen: In Artikel 1 wird vor Nummer 1 folgende neue Nummer eingefügt: ,vor 1. In § 4 erhält Ziffer 7 folgende neue Fassung: „7. die Umsätze des 'Bundes im Post- und Fernmeldeverkehr einschließlich des Rundfunks, die ,auf Gesetz beruhenden Leistungen der Beförderungsunternehmer für diesen Verkehr sowie die Gebühreneinnahmen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten;" Bonn, den 28. Mai 1957 Dr. Mende und Fraktion Umdruck 1123 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksachen 3511, 2077, 2419, 2611). Der Bundestag wolle beschließen: In Artikel 1 wird vor Nummer 1 folgende neue Nummer eingefügt: vor 1. In § 4 erhält Ziffer 7 folgende Fassung: „7. die Umsätze des Bundes im Post- und Fernmeldeverkehr und für den Rundfunk sowie die Gebühreneinnahmen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkorganisationen und die auf Gesetz beruhenden Leistungen der Beförderungsunternehmer für den Post- und Fernmeldeverkehr des Bundes;" ' Bonn, den 28. Mai 1957 Ollenhauer und Fraktion Umdruck 1125 (neu) Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung steuerrechtlicher Vorschriften (Drucksachen 3509, 1763, 2608, 2983, 3007). Der Bundestag wolle beschließen: Zu Artikel 1 1. Nr. 8 erhält folgende Fassung: 8. In § 32 c (Altersfreibetrag) wird folgender Satz 4 angefügt: „Im Veranlagungszeitraum 1957 wird bei Personen, die nach § 32 Abs. 3 Ziff. 2 in die Steuerklasse II fallen und mindestens vier Monate vor dem Ende des Veranlagungszeitraumes das 70. Lebensjahr vollendet haben, ein Altersfreibetrag von 360 Deutsche Mark gewährt." 2. Hinter Nr. 13 wird folgende Nr. 13 a eingefügt: 13 a. In § 41 Abs. 2 wird folgender Satz angefügt: „Im Veranlagungszeitraum 1957 wird bei Personen, die nach § 39 Abs. 3 Ziff. 2 in die Steuerklasse II fallen und mindestens vier Monate vor dem Ende des Veranlagungszeitraums das 70. Lebensjahr vollendet haben, ein Altersfreibetrag von 360 Deutsche Mark gewährt." 3. Hinter Nr. 19 wird folgende Nr. 19 a eingefügt: 19 a. „Im Veranlagungszeitraum 1957 wird bei Personen, die mindestens vier Monate vor dem Ende des Veranlagungszeitraums das 70. Lebensjahr vollendet haben, ein Altersfreibetrag von 360 Deutsche Mark ,gewährt." Bonn, den 31. Mai 1957 Ollenhauer und Fraktion Umdruck 1126 (neu) Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung steuerrechtlicher Vorschriften (Drucksachen 3509, 1763, 2608, 2983, 3007). Der Bundestag wolle beschließen: Zu Artikel 1 In Nr. 20 b) ist dem Buchstaben m folgender Satz anzufügen: „Für Wirtschaftsgüter, für die das Land Berlin vertraglich das mit der Einlagerung verbundene Preisrisiko übernommen hat, ist ein Wertansatz nach Doppelbuchstabe aa oder nach Doppelbuchstabe bb nicht zulässig;" Bonn, den 24. Juni 1957 Dr. Königswarter Mattick Schröter (Wilmersdorf) Ollenhauer und Fraktion Umdruck 1175 Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung steuerrechtlicher Vorschriften (Drucksachen 3509, 1763, 2608, 2983, 3007). Der Bundestag wolle beschließen: Zu Artikel 1 1. In Nr. 2 wird hinter dem Buchstaben i der folgende Buchstabe k angefügt: k) Hinter der neuen Ziffer 19 wird die folgende Ziffer 20 angefügt: „20. die aus öffentlichen Mitteln des Bundespräsidenten aus sittlichen oder sozialen Gründen gewährten Zuwendungen an besonders verdiente Personen oder ihre Hinterbliebenen." 2. Unter Nr. 4 werden in § 26 d Abs. 2 die Worte „720 Deutsche Mark" durch die Worte „600 Deutsche Mark" ersetzt. 3. Unter Nr. 12 werden in § 39 a Abs. 1 die Worte „720 Deutsche Mark" durch die Worte „600 Deutsche Mark" ersetzt. Zu Artikel 8 4. Unter Nr. 4 erhält § 73 b Abs. 1 Satz 1 die folgende Fassung: „Bei der Ermittlung des Gesamtvermögens und des Inlandsvermögens bleibt der für das Betriebsvermögen einer vom Eigentümer betriebenen Krankenanstalt festgestellte Einheitswert oder der auf die Krankenanstalt entfallende Teil des Einheitswertes außer Ansatz." Bonn, den 29. Mai 1957 Dr. Krone und Fraktion Umdruck 1176 (neu) Änderungsantrag der Fraktion der DP (FVP) zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung steuerrechtlicher Vorschriften (Drucksachen 3509, 1763, 2608, 2983, 3007). Der Bundestag wolle beschließen: Zu Artikel 1 1. Hinter Nr. 2 wird folgende Nr. 2 a eingefügt: 2 a. § 10 wird wie folgt geändert: Im Absatz 1 wird als Ziffer 9 angefügt: „9. die Hälfte der Beiträge der Berufsangehörigen zu Versicherungs- oder Versorgungseinrichtungen einer Berufsgruppe im Sinne des § 7 Abs, 2 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung der Angestellten vom 23. Februar 1957 (Bundesgesetzbl. I S. 88), sofern die Beiträge von den Versicherten allein aufzubringen sind." Zu Artikel 8 2. In Nr. 2 wird dem § 68 folgende neue Ziffer 6 b angefügt: „6 b. Ansprüche auf Leistungen einer Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung einer Berufsgruppe im Sinne des § 7 Abs. 2 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung der Angestellten vom 23. Februar 1957 (Bundesgesetzbl. I S. 88)." 3. Hinter dem Fünften Abschnitt wird folgender neuer Abschnitt eingefügt: Versicherungsteuergesetz Artikel 13 a Hinter § 4 Ziff. 8 des Versicherungsteuergesetzes in der Fassung vom 9. Juli 1937 (Reichsgesetzbl. I S. 793) in der Fassung der Verordnung vom 31. August 1944 (Reichsgesetzbl. I S. 208) wird folgende Ziffer 9 angefügt: „9. für eine Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung einer Berufsgruppe im Sinne des § 7 Abs. 2 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung der Angestellten vom 23. Februar 1957 (Bundesgesetzbl. I S. 88)." Bonn, den 31. Mai 1957 Dr. Berg Dr. Blank (Oberhausen) und Fraktion Umdruck 1177 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung steuerrechtlicher Vorschriften (Drucksachen 3509, 1763, 2608, 2983, 3007). 3) Der Bundestag wolle beschließen: Zu Artikel 1 Hinter Nr. 13 wird folgende neue Nr. 13 a eingefügt: 13 a. In § 41 Abs. 1 wird nach Ziffer 2 folgende neue Ziffer 3 eingefügt: „3. Sonderausgaben zur Förderung staatspolitischer Zwecke, soweit sie die in § 10 b bezeichneten Höchstbeträge nicht überschreiten;" Die bisherigen Ziffern 3 bis 6 werden Ziffern 4 bis 7. Bonn, den 28. Mai 1957 Ollenhauer und Fraktion Umdruck 1178 Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung steuerrechtlicher Vorschriften (Drucksachen 3509, 1763, 2608, 2983, 3007). Der Bundestag wolle beschließen: Für die Wohnungen des sozialen Wohnungsbaues ist durch das Zweite Wohnungsbaugesetz eine gewisse Mindestausstattung, u. a. der Einbau moderner, sanitärer Anlagen, vorgeschrieben. Viele Wohnungen des Wohnungsbestandes aus früheren Jahren sind aber durchaus geeignet, im Falle des Einbaues dieser Einrichtungen dem Wohnungsstandard der Neubauwohnungen angepaßt zu werden. Die Bundesregierung wird ersucht, die Modernisierung dieses in Frage kommenden Wohnungsbestandes verstärkt zu fördern und Vorschläge zu unterbreiten, durch welche die einkommensteuerlichen Hemmnisse beseitigt und die kurzfristige Abschreibung des Modernisierungsaufwandes gewährleistet wird. Bonn, den 29. Mai 1957 Dr. Krone und Fraktion Umdruck 1180 Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, DP(FVP), FDP zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Tuberkulosenhilfe (THG) (Drucksachen 3551, 3489, 2213). Der Bundestag wolle beschließen: § 27 a wird wie folgt geändert und ergänzt: a) Absatz 1 erhält folgende Fassung: „(1) Die den Landesfürsorgeverbänden durch die Gewährung der stationären Dauerbehandlung in den Fällen des § 2 und durch den Vollzug der §§ 2 a, 3 Abs. 2 und § 4 entstehenden Aufwendungen werden zur Hälfte vom Bund, die den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherungen durch die Gewährung der stationären Dauerbehandlung in den Fällen der Sicherstellung nach § 15 entstehenden Aufwendungen werden je zur Hälfte vom Bund und von den Ländern getragen. Die persönlichen und sächlichen Verwaltungskosten bleiben hierbei außer Ansatz." b) In Absatz 3 werden hinter den Worten „dem Bundesminister für Arbeit" die Worte „und den obersten Landesbehörden," angefügt. Bonn, den 29. Mai 1957 Dr. Krone und Fraktion Dr. Brühler und Fraktion Lenz (Trossingen) und Fraktion Umdruck 1181 Änderungsantrag der Fraktion der DP (FVP) zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Tuberkulosenhilfe (THG) (Drucksachen 3489, 3214). Der Bundestag wolle beschließen: 1. In § 6 a Abs. 4 werden die Worte „durch einen amtlich bestellten Arzt" gestrichen. 2. In § 22 Abs. 3 werden die Worte „durch, einen amtlich bestelltten Arzt" gestrichen. Bonn, den 29. Mai 1957 Dr. Berg Dr. Blank (Oberhausen) und Fraktion Umdruck 1182 Änderungsantrag der Fraktion der FDP zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung steuerrechtlicher Vorschriften (Drucksachen 3509, 1763, 2608, 2983, 3007). Der Bundestag wolle beschließen: Zu Artikel 1 1. Nach Nr. 2 wird folgende Nr. 2 a eingefügt: 2 a. In § 10 Abs. 3 Ziff. 3 wird folgender neuer Buchstabe d angefügt: „d) Beiträge zu den gesetzlichen Rentenversicherungen, zu Krankenversicherungen oder Versicherungen auf den Lebensader Todesfall bleiben bei Anwendung der Ziffer 3 in der Höhe außer Betracht, in der sie in der gesetzlichen Sozialversicherung zu zahlen sind oder bei Bestehen einer Versicherungspflicht zu zahlen wären." 2. Unter Nr. 4 werden in § 26 d Abs. 2 die Worte „720 Deutsche Mark" ersetzt durch die Worte „1200 Deutsche Mark". Zu Artikel 8 3. Nach Nr. 1 wird folgende Nr. 1 a eingefügt: 1 a. § 67 Ziff. 6 Buchstabe a erhält folgende Fassung: „a) alle Versicherungen, soweit ihr Wert (§ 14 Abs. 4 und 5) insgesamt 100 000 Deutsche Mark nicht übersteigt," 4. Hinter dem Fünften Abschnitt wird folgender neuer Abschnitt eingefügt: Versicherungsteuergesetz Artikel 13 a Das Versicherungsteuergesetz in der Fassung vom 9. Juli 1937 (Reichsgesetzbl. I S. 793) wird wie folgt geändert: 1. § 4 Ziff. 2 erhält folgende Fassung: „2. für eine Lebensversicherung (Kapital- und Rentenversicherung auf den Todes- oder Lebensfall) soweit a) die Versicherungssumme 100 000 Deutsche Mark nicht übersteigt oder b) die versicherte Jahresrente 6000 Deutsche Mark nicht übersteigt;" 2. In § 4 Ziff. 6 wird „4" ersetzt durch „25". Bonn, den 29. Mai 1957 Lenz (Trossingen) und Fraktion Umdruck 1186 Änderungsantrag der Fraktion der FDP zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung steuerrechtlicher Vorschriften (Drucksachen 3509, 1763, 2608, 2983, 3007). Für den Fall der Ablehnung des Antrags auf Umdruck 1182 wolle der Bundestag beschließen: Zu Artikel 1 1. Hinter Nr. 2 wird folgende Nr. 2 a eingefügt: 2. a. § 10 wird wie folgt geändert: Im Absatz 1 wird als Ziffer 9 angefügt: „9. die Hälfte der Beiträge der Berufsangehörigen zu Versicherungs- oder Versorgungseinrichtungen einer Berufsgruppe im Sinne des § 7 Abs. 2 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung der Angestellten vom 23. Februar 1957 (Bundesgesetzbl. I S. 88)." Zu Artikel 8 2. In Nr. 2 wird dem § 68 folgende neue Ziffer 6 b angefügt: „6 b. Ansprüche auf Leistungen einer Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung einer Berufsgruppe im Sinne des § 7 Abs. 2 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung der Angestellten vom 23. Februar 1957 (Bundesgesetzbl. I S. 88)." 3. Hinter dem Fünften Abschnitt wird folgender neuer Abschnitt eingefügt: Versicherungsteuergesetz Artikel 13 a Hinter § 4 Ziff. 8 des Versicherungsteuergesetzes in der Fassung vom 9. Juli 1937 (Reichsgesetzbl. I S. 793) in der Fassung der Verordnung vom 31. August 1944 (Reichsgesetzbl. I S. 208) wird folgende Ziffer 9 angefügt: „9. für eine Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung einer Berufsgruppe im Sinne des § 7 Abs. 2 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung der Angestellten vom 23. Februar 1957 (Bundesgesetzbl. I S. 88)." Bonn, den 29. Mai 1957 Dr. Atzenroth Lenz (Trossingen) und Fraktion Umdruck 1187 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Tuberkulosehilfe (THG) (Drucksachen 3489, 2213). Der Bundestag wolle beschließen: 1. In § 7 Nr. 1 wird die Regierungsvorlage wiederhergestellt. 2. § 15 erhält folgende Fassung: „§ 15 (1) Rentenversicherte und Rentner sowie deren Familienangehörige haben, wenn sie an Tuberkulose erkrankt sind, Anspruch auf Heilbehandlung, Berufsförderung und soziale Betreuung nach den §§ 1236 Abs. 3 bis 1244 Reichsversicherungsordnung, §§ 13 Abs. 2 bis 21 Angestelltenversicherungsgesetz, §§ 35 Abs. 3 bis 43 Reichsknappschaftsgesetz. (2) Rentenversichert im Sinne des Absatzes 1 sind alle Personen, deren Versicherung in der Rentenversicherung der Arbeiter, der Rentenversicherung der Angestellten, der knappschaftlichen Rentenversicherung oder der Altersversorgung für das Deutsche Handwerk wenigstens zwölf Kalendermonate vor der Feststellung der Behandlungsbedürftigkeit wegen Tuberkulose bestanden hat. Familienangehöriger im Sinne des Absatzes 1 ist, wer im Falle des Todes des Versicherten oder des Rentners Anspruch auf Hinterbliebenenrente haben würde; § 1263 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung, § 40 Abs. 2 Angestelltenversicherungsgesetz, § 63 Abs. 2 Reichsknappschaftsgesetz bleibt außer Betracht. 3. In § 25 wird Absatz 2 gestrichen. 4. § 29 Abs. 1 erhält folgende Fassung: „(1) Dieses Gesetz tritt am ersten Tage des vierten auf seine Verkündung folgenden Monats in Kraft." Bonn, den 29. Mai 1957 Ollenhauer und Fraktion Umdruck 1188 (neu) Änderungsantrag der Abgeordneten Kroll, Frau Geisendörfer, Frau Beyer (Frankfurt), Seuffert, Platner, Lenz (Trossingen), Stegner und Genossen zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksachen 3511, 2077, 2419, 2611). Der Bundestag wolle beschließen: 1. In Artikel 1 wird folgende Nr. 1 a eingefügt: la. Dem § 7 Abs. 2 Nr. 2 wird folgender Buchstabe c angefügt: „c) von Büchern; ferner Fachzeitschriften nach näherer Bestimmung durch Rechtsverordnung." 2. In Artikel 6 werden nach den Worten „1. Juni 1957," die Worte „Artikel 1 Nr. 1 a am 30. September 1957," eingefügt. Bonn, den 31. Mai 1957 Kroll Frau Geisendörfer Albrecht (Hamburg) Baier (Buchen) Bausch von Bodelschwingh Dr. Böhm (Frankfurt) Frau Brauksiepe Brookmann (Kiel) Dr. Bucerius Gräfin Finckenstein Frau Dr. Gantenberg Gedat Haasler Frau Dr. Jochmus Frau Kaiser (Schwäbisch Gmünd) Kemmer (Bamberg) Kirchhoff Dr. Kopf Frau Dr. Kuchtner Lang (München) Dr. Leiske Nellen Frau Praetorius Freiherr Riederer von Paar Frau Rösch Samwer Schill (Freiburg) Dr. Storm Thies Dr. Wahl Dr. Welskop Frau Welter (Aachen) Wolf (Stuttgart) Frau Beyer (Frankfurt) Seuffert Corterius Diekmann Diel Hauffe Herold Jacobs Koenen (Lippstadt) Klingelhöfer Dr. Königswarter Mattick Peters Reitz Schmitt (Vockenhausen) Stümer Frau Wolff (Berlin) Platner Becker (Hamburg) Dr. Elbrächter Frau Kalinke Dr. Zimmermann Lenz (Trossingen) Dr. Henn Dr. Dr. h. c. Prinz zu Löwenstein Mauk Stegner Gemein Dr. Keller Dr. Strosche Umdruck 1189 Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Lindrath, Dr. Eckhardt, Seuffert zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung steuerrechtlicher Vorschriften (Drucksachen 3509, 1763, 2608, 2983, 3007). Der Bundestag wolle beschließen: Zu Artikel 1 In Nr. 4 wird § 26 wie folgt geändert: a) In Absatz 2 Nr. 3 Satz 1 werden hinter dem Wort „Berichtigungsveranlagungen die Worte „nach § 218 Abs. 4 und § 222 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 der Reichsabgabenordnung" eingefügt; b) Absatz 3 erhält die folgende Fassung: „(3) Vor dem 1. Juli 1957 erlassene, nach dem 20. Februar 1957 rechtskräftig gewordene Steuerbescheide für die Veranlagungszeiträume 1949 bis 1957, die auf Grund einer erstmaligen Veranlagung oder einer Berichtigungsveranlagung nach § 218 Abs. 4 oder § 222 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 der Reichsabgabenordnung ergangen sind und auf einer Zusammenveranlagung der Ehegatten beruhen, sind zu berichtigen, wenn ein Ehegatte vor dem 1. November 1957 beim Finanzamt schriftlich oder durch Erklärung zu Protokoll die getrennte Veranlagung beantragt. Das gleiche gilt für vor dem 21. Februar 1957 erlassene Steuerbescheide für die Veranlagungszeiträume 1949 bis 1957, gegen die wegen der Zusammenveranlagung der Ehegatten form- und fristgerecht Verfassungsbeschwerde eingelegt worden ist. Sonstige den zu berichtigenden Bescheiden zugrundeliegende tatsächliche Feststellungen und rechtliche Beurteilungen bleiben maßgebend. Ist der Steuerbescheid auf Grund einer Berichtigungsveranlagung erlassen, so findet Absatz 2 Ziff. 2 Sätze 2 und 3 sinngemäß Anwendung. Bonn, den 29. Mai 1957 Dr. Lindrath Dr. Eckhardt Seuffert Umdruck 1197 Änderungsantrag der Abgeordneten Corterier, Dr. Conring, Eickhoff und Genossen zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung steuerrechtlicher Vorschriften (Drucksachen 3509, 1763, 2608, 2983, 3007). Der Bundestag wolle beschließen: Zu Artikel 6 Hinter Nr. 1 wird folgende Nr. 1 a eingefügt: „1 a) § 8 wird wie folgt geändert: a) In Ziffer 3 werden die Worte „oder seines Ehegatten" gestrichen. b) In Ziffer 4 werden die Worte „sowie Gehälter und sonstige Vergütungen jeder Art, die für eine ,Beschäftigung der Ehegatten dieser Gesellschafter im Betrieb gewährt worden sind" gestrichen. c) Ziffer 5 wird gestrichen. d) In Ziffer 6 werden die Worte „oder an ihre Ehegatten" gestrichen." Bonn, den 31. Mai 1957 Corterier Herold Lange (Essen) Frau Lockmann Dr. Menzel Regling Ruhnke Schmitt (Vockenhausen) Wehr Dr. Conring Barlage Friese Günther Oetzel Stiller Eickhoff Held Wedel Umdruck 1198 Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur dritten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung steuerrechtlicher Vorschriften (Drucksachen 3509, 1763, 2608, 2983, 3007). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, die Vorschriften des Versicherungsteuergesetzes im Hinblick auf die neuere Entwicklung der Verhältnisse, insbesondere auf dem Gebiete der Rentenreform, einer 'Überprüfung zu unterziehen. Dabei sind insbesondere die Grenzen für die Freilassung der Versicherungsentgelte aus bestimmten Verträgen der Entwicklung anzupassen. Bonn, den 31. Mai 1957 Dr. Krone und Fraktion Umdruck 1202 Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Eckhardt und Genossen zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksachen 3511, 2077, 2419, 2611). Der Bundestag wolle beschließen: In Artikel 1 Nr. 4 wird Ziffer 6 Buchstabe b wie folgt gefaßt: „Leistungen aus Versicherungs- und Rückversicherungsverträgen, bei denen die Zahlung des Versicherungsentgeltes nicht unter das Versicherungsteuergesetz fällt." Bonn, den 25. Juni 1957 Dr. Eckhardt Dr. Conring Dr. Dresbach Dr. Franz Frau Geisendörfer Karpf Kramel Krammig Frau Dr. Kuchtner Lang (München) Lermer Leukert Dr. Lindrath Miller Dr. Rinke Spörl Stiller Wiedeck Wittmann Umdruck 1203 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung steuerrechtlicher Vorschriften (Drucksachen 3509, 1763, 2608, 2983, 3007). An die Stelle der Nr. 3 des Änderungsantrages auf Umdruck 1125 (neu) tritt der folgende Antrag: Der Bundestag wolle beschließen: In Artikel 1 wird hinter Nr. 19 folgende Nr. 19 a eingefügt: „19.a) In § 50 Abs. 4 EStG wird der letzte Satz wie folgt ergänzt: "; durch diese Rechtsverordnung wird auch bestimmt, daß § 41 Abs. 2 Anwendung findet." Bonn, den 25. Juni 1957 Ollenhauer und Fraktion Umdruck 1204 Änderungsantrag der Abgeordneten Eberhard, Dr. Miessner zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung steuerrechtlicher Vorschriften (Drucksachen 3509, 1763, 2608, 2983, 3007). Der Bundestag wolle beschließen: In Artikel 1 Nr. 4 wird in § 26 a Abs. 1 nach Satz 1 folgender neuer Satz eingefügt: „Die Anerkennung eines Arbeitsentgelts für die Mitarbeit eines Ehegatten bei der Erzielung von Einkünften des anderen Ehegatten in der Vergangenheit wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß ein Arbeitsentgelt bisher nicht vereinbart war." Bonn, den 25. Juni 1957 Eberhard Dr. Miessner Umdruck 1212 Änderungsantrag der Fraktion der DP (FVP) zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung steuerrechtlicher Vorschriften (Drucksachen 3509, 1763, 2608, 2983, 3007). Der Bundestag wolle beschließen: Zu Artikel 1 In Nr. 1 erhält Buchstabe ,a folgende neue Fassung: ,a) Absatz 5 Ziff. 2 erhält folgenden neuen Wortlaut: „2. bei Gewerbetreibenden, die den Gewinn auf Grund ordnungsgemäßer Buchführung ermitteln, der Zeitraum, für den sie regelmäßig Abschlüsse machen!" Bonn, den 26. Juni 1957 Dr. Schneider (Lollar) und Fraktion Umdruck 1216 Änderungsantrag der Fraktion der FDP zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksachen 3511, 2077, 2419, 2611). Der Bundestag wolle beschließen: In Artikel 1 Nr. 4 wird in Ziffer 6 folgender neuer Buchstabe b eingefügt: „b) die für ausländische Rechnung durchgeführten wissenschaftlichen und juristischen Beratungen, chemischen und technischen Analysen"; Der bisherige Buchstabe b wird Buchstabe c. Bonn, den 25. Juni 1957 Rademacher Dr. Mende und Fraktion Umdruck 1218 Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/ CSU, DP (FVP) zur dritten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung steuerrechtlicher Vorschriften (Drucksachen 3509, 1763, 2608, 2983, 3007). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, im Zusammenhang mit einer Neuregelung von Vorschriften des Einkommensteuerrechtes, insbesondere des § 10 EStG — Sonderausgaben — zu prüfen, in welcher Weise den Angehörigen freier Berufe eine entsprechende steuerliche Behandlung gewährt werden kann wie den der öffentlichen Rentenversicherung unterliegenden Arbeitnehmern. Sie wird weiter ersucht, solche gesetzlichen Regelungen vorzubereiten. Bonn den 26. Juni 1957 Dr. Krone und Fraktion Dr. Schneider (Lollar) und Fraktion Umdruck 1219 Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur dritten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung steuerrechtlicher Vorschriften (Drucksachen 3509, 1763, 2608, 2983, 3007). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, bei einer künftigen Reform der Realsteuern, insbesondere der Gewerbesteuer, den § 8 Ziff. 3 bis 6 des Gewerbesteuergesetzes, der die Hinzurechnung von Vergütungen für die Beschäftigung des Ehegatten eines Unternehmers oder Gesellschafters im Betrieb vorschreibt. zu überprüfen. Bonn, den 26. ,Tani 1957 Dr. Krone und Fraktion Berichtigung zum Stenographischen Bericht der 215. Sitzung Auf S. 12688 D ist nach ,dem Aufruf von Punkt 6 der Tagesordnung einzufügen: in Verbindung mit der Zweiten Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP, GB/BHE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (Drucksache 2293), des von der Fraktion der DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (Drucksache 2311), des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (Drucksache 2312), des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der Industrieansiedlung in den Förderungsgebieten und zur Beseitigung der strukturellen Arbeitslosigkeit (Drucksache 2524), des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung der Einkommen- und Körperschaftsteuer in Berlin (Drucksache 2794), des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (Drucksache 2922), des von ,der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (Drucksache 2984), des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (Drucksache 3185); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (19. Ausschuß) (Drucksachen 3510, zu 3510). (Erste Beratungen: 140., 145., 153., 173., 193., 183., 199. Sitzung.)
Gesamtes Protokol
Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0221500000
Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet.
Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich zunächst einige Glückwünsche auszusprechen. Der Abgeordnete Kirchhoff hat am 6. Juni sein 72. Lebensjahr vollendet.

(Beifall.)

Der Abgeordnete Kunze (Bethel) ist am selben Tage 65 Jahre alt geworden,

(Beifall)

der Abgeordnete Heide am 20. Juni 60 Jahre

(Beifall)

und der Abgeordnete Dr. Bergmeyer am 22. Juni ebenfalls 60 Jahre.

(Beifall.)

Gestern hat unsere Alterspräsidentin, Frau Dr. Dr. h. c. Marie-Elisabeth Lüders, ihren 79. Geburtstag gefeiert.

(Beifall.)

Ich wünsche allen Genannten herzlich Glück zu diesen Jahrtagen.
Ihnen, verehrte und liebe Kollegin Dr. Lüders, wünsche ich im Namen unseres Hauses ganz besonders Glück und Segen.

(Lebhafter Beifall.)

Sie haben schon früh Ihre Arbeit in den Dienst des gemeinen Wohls gestellt, schon zu einer Zeit, die dem Wirken der Frau im öffentlichen Leben nicht sehr hold gewesen ist. Der Fürsorge für die Armen und Vergessenen galt von jeher Ihre Liebe und dem Kampf um das Recht der Schlechtweggekommenen Ihre Energie. Das hat Sie den Men-


(Vizepräsident Dr. Schmid)

Zum Dank für Ihre Leistung entsandte Sie das deutsche Volk im Jahre 1919 in die Nationalversammlung in Weimar, ein Jahr darauf in den Reichstag, dem Sie bis zum Jahre 1932 angehört haben. Nach 1933 haben Sie Berufsverbot erhalten. Sie haben Gestapohaft und das Zuchthaus kennenlernen müssen. Das hat Ihre Kraft nicht gebrochen. Sie haben sich wieder in den Dienst der Allgemeinheit gestellt, und nun sind Sie hier in unserer Mitte. Wir alle sind Zeugen Ihrer Beredsamkeit und der Leidenschaft, mit der Sie für Ihre Sache, die immer noch die Sache derer ist, die einen Verteidiger brauchen, einstehen. Wir wissen um die Großherzigkeit der Gesinnung, mit der Sie auch dem politischen Gegner gegenübertreten. Sie sind uns darum allen ein Vorbild, und wir möchten von diesem Vorbild noch lernen und darum hoffen, daß Sie noch recht lange in unserer Mitte wirken. Sie wünschen es sich vielleicht anders. Sie haben den Frieden der Abendsonne des Lebens sicher verdient wie nur einer, aber wir sind Egoisten, und wir lassen Sie nicht freiwillig los. In diesem Sinne: ad multos annos!

(Beifall.)

Meine Damen und Herren,

(die Abgeordneten erheben sich)

ich habe einer schmerzlichen Pflicht zu genügen. Am 4. Juni dieses Jahres ist in Berlin Frau Dr. h. c. Louise Schroeder, Abgeordnete des Deutschen Bundestages, Ehrenbürgerin der Stadt Berlin, im 71. Lebensjahr verschieden. Diese Frau, die von den Bürgern ihrer Wahlheimat „unsere Louise" genannt wurde, wurde im Jahre 1887 zu Altona als Tochter eines Bauarbeiters geboren. Sie hat schon früh erkannt, daß es nicht genügt, über das Elend dieser Welt zu sinnieren und zu klagen, sondern daß man sich anstrengen muß, es zu verringern. Sie hat weiter erkannt, daß dazu auch politische Arbeit nötig ist, neben der freilich das Menschliche nicht vergessen werden dürfe. So trat sie schon mit 22 Jahren einer politischen Partei, der Sozialdemokratischen Partei, bei, um in ihren Reihen für Menschlichkeit und politische wie soziale Gerechtigkeit zu kämpfen. Der Schutz der Schwachen, der Schutz der Alten, der Schutz von Mutter und Kind, der Schutz der Jugend, das waren die Gebiete, denen ihre hauptsächliche Fürsorge galt, und sie hat noch zu einer Zeit, die der Frau die parlamentarische Tätigkeit verweigerte, manchem Geschehen auf dem Gebiet der Sozialpolitik ihren Stempel aufgedrückt. So war es nicht weiter verwunderlich, daß Louise Schroeder 1919 in die Weimarer Nationalversammlung und 1920 in den Reichstag gewählt wurde. Sie hat dem Reichstag his 1933 angehört, und manches sozialpolitische Gesetz dieser Zeit trägt unverkennbar ihr Gepräge. Das Gesetz über Mutter- und Kinderschutz wurde nicht umsonst die „Lex Schroeder" genannt.
Im Unglücksjahre unseres Volkes erlitt sie das Schicksal so vieler aufrechter und tätiger Demokraten: aller öffentlichen Funktionen entkleidet, ward sie zu einem kargen Leben in der Zurückgezogenheit Altonas verurteilt. Sie nahm ihr und ihrer Angehörigen Schicksal tapfer in die Hand und hat so schließlich in ihrer Wahlheimat Berlin den Krieg überdauern können. Alsbald trat sie wieder in Reih und Glied, und das Vertrauen des Volkes von Berlin machte sie zum Bürgermeister. Als Oberbürgermeister Ernst Reuter durch die sowjetische Besatzungsmacht an der Übernahme seines Amtes gehindert wurde, bekam sie die schwere Last des verantwortlichen Oberhauptes dieser belagerten Inselfestung der Freiheit zu tragen. Sie ist .es gewesen, die während der entsetzlichen Zeit der Blockade den Mut der Berliner aufrechterhielt, nicht durch prahlerische Kraftmeierei, sondern indem sie die schwere Tugend der Tapferkeit in der Geduld und der Kraft des reinen Herzens auch in der Schwachheit auf die Menschen ausstrahlte, die in ihr die Sachwalterin und Vorkämpferin sahen. In diesem stillen Heldentum hat Louise Schroeder sich für immer in das Ehrenbuch des deutschen Volkes eingeschrieben, nicht nur des deutschen Volkes, nein, in das Ehrenbuch der Menschlichkeit.
Es könnte viel Rühmen um diese Frau gemacht werden. Man könnte daran erinnern, daß sie eine Zierde der Beratenden Versammlung des Europarats gewesen ist, daß sie eine Zeitlang Präsidentin des Städtetages war und vieles andere mehr. Das alles ist bedeutsam. Aber wenn man von Louise Schroeder spricht, dann meint man jene stille, lautere Frau, die das Volk Berlins auch heute nach ihrem Tode „seine Louise" nennt. Eine höhere Ehrung als diese hat das Volk einer Stadt nicht zu vergeben. Und wenn diese Stadt die Hauptstadt Deutschlands ist, dann wiegt diese Ehrung schwer. Wir selber haben eine liebe Kollegin verloren und der Deutsche Bundestag eines seiner würdigsten Mitglieder. Wir trauern und gedenken Louise Schroeders in Dank und Treue.
Doch wir haben einen weiteren bitteren Anlaß zur Trauer. Am 3. Juni dieses Jahres sind beim Überqueren der Iller anläßlich einer der Ausbildung dienenden Übung 15 Soldaten des 19. Luftlande-Jägerbataillons, Standort Kempten, ertrunken. Es sind dies die Jäger Hans Föhrenbach aus Donaueschingen, Walter Hanakam aus Oberjetten, Günter Isak aus Watterdingen, Willi Kleinknecht aus Ellhofen, Karl Koczor aus Neuhausen a. d. Filder, Horst Leidner aus Schlatt, Johannes Leippert aus Großengstingen, Helmut Ottmüller aus Waldenbuch, Gerhard Pfeifer aus Dossenheim, Werner Puschler aus Keppershausen, Walter Schneider aus Donaueschingen, Siegfried Schwartz aus Rimbach, Günter Stegmaier aus Schwäbisch Gmünd, Rudolf Weiß aus Tiengen, Gerhard Zarn aus Trittlingen.
Am 14. Juni fand in Grafenwöhr der Unteroffizier Huber aus Schneidensee den Tod, als ein Blindgänger krepierte, und vier Soldaten wurden bei diesem Unglück verwundet.
Jenseits der bangen Frage, ob hier ein blindes Schicksal waltete, dem menschliches Vermögen nicht zu steuern vermochte und das Schuldlose schuldig werden ließ, oder ob pflichtwidriges Verhalten Schuldiger so viele blühende Leben vernichtete und andere Leben in ihrem Kern getroffen hat, haben diese schwarzen Tage unser ganzes Volk in tiefste Trauer geworfen. Viele Menschen sterben an jeglichem Tag. Aber es ist immer etwas Besonderes, wenn junge Menschen ihr Leben im gemeinsamen Dienst an ihrem Volke lassen, sei es in der Uniform des Soldaten, sei es in der rußigen Arbeitskleidung des Bergknappen. Darum geben wir heute bei dieser unserer ersten Zusammenkunft nach den Unglückstagen unserer Trauer sichtbaren Ausdruck, und auch bei dieser Gelegenheit handeln wir als Beauftragte des ganzen deutschen Volkes.


(Vizepräsident Dr. Schmid)

Die Frage nach Verantwortung und Schuld mögen die dazu berufenen Organe unseres Staates, jedes nach seiner Zuständigkeit und innerhalb der Ordnung unserer Gesetze und zum gebotenen Zeitpunkt, klären. In diesem Augenblick können wir nichts anderes tun, als uns insgesamt in einträchtiger Trauer vor den Gräbern dieser jungen Menschen und dem Leide ihrer Angehörigen tief zu verneigen. Vielleicht ist es auch die rechte Zeit, uns daran zu erinnern, daß auch dieses Geschehen uns Pflichten auferlegt hat.
Sie haben sich zu Ehren der Toten von Ihren Sitzen erhoben. Ich danke Ihnen.
Ich habe bekanntzugeben, daß für die verstorbene Abgeordnete Frau Louise Schroeder am 11. Juni der Abgeordnete Dr. Grunner in den Bundestag eingetreten ist. Der Abgeordnete Dr. Grunner hat am 18. Juni auf sein Mandat verzichtet; die Verzichtserklärung ist mit Wirkung vom 21. Juni vom Vorstand des Bundestages beschlußmäßig anerkannt.
Nachfolger für Herrn Dr. Grunner ist mit Wirkung vom 25. Juni der Abgeordnete Tausch-Treml. Ich begrüße unseren neuen Kollegen in unserer Mitte und wünsche ihm eine gute Arbeit.
Der Abgeordnete Prinz zu Löwenstein hat mit Schreiben vom 6. Juni dieses Jahres mitgeteilt, daß er aus der Fraktion der FDP ausgetreten ist und dem Bundestag als fraktionsloser Abgeordneter angehört. Mit Schreiben vom 25. Juni hat er mitgeteilt, daß er der Fraktion der DP(FVP) beigetreten ist.
Mit Rücksicht auf die finanziellen Auswirkungen, die sich ergeben, wenn den von den Ausschüssen beschlossenen Fassungen entsprochen wird, schlägt der Ältestenrat auf Anregung des Bundesfinanzministers und des Haushaltsausschusses vor, folgende Gesetzentwürfe nach § 96 (neu) der Geschäftsordnung dem Haushaltsausschuß zu überweisen:
Gesetz über die Einbringung der Steinkohlenbergwerke im Saarland in eine Aktiengesellschaft, Drucksache 3420;
Getreidepreisgesetz 1957/58, Drucksache 3520;
Sechstes Gesetz zur Änderung des Zuckersteuergesetzes, Drucksache 3199;
Gesetz über Titel, Orden und Ehrenzeichen, Drucksache 3540 und 3159 (neu);
Zweite Novelle zum Gesetz 131, Drucksache 2255.
Ist das Haus damit einverstanden? — Ich stelle das fest.
Die amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 7. bzw. 21. Juni 1957 den folgenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht gestellt:
Sechstes Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Bundesversorgungsgesetzes,
Gesetz über die Ausübung des Berufs der Krankenschwester, des Krankenpflegers und der Kinderkrankenschwester (Krankenpflegegesetz),
Gesetz über die Feststellung eines Fünften Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1956 (Fünftes Nachtragshaushaltsgesetz 1956),
Gesetz zur Änderung des Bundesentschädigungsgesetzes,
Gesetz über den Wehrbeauftragten des Bundestages,
Gesetz über die Statistik der Bevölkerungsbewegung und die Fortschreibung des Bevölkerungsstandes,
Rahmengesetz zur Vereinheitlichung des Beamtenrechts (Beamtenrechtsrahmengesetz — BRRG),
Bundesgesetz zur Regelung der rückerstattungsrechtlichen Geldverbindlichkeiten des Deutschen Reichs und gleichgestellter Rechtsträger (Bundesrückerstattungsgesetz — BRüG),
Gesetz zur Änderung der Reichsgrundsätze über Voraussetzung, Art und Mali der öffentlichen Fürsorge,
Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Förderung des Wohnungsbaus für Umsiedler in den Aufnahmeländern und des Wohnungsbaus für Sowjetzonenflüchtlinge In Berlin,
Gesetz über die Allgemeine Statistik in der Industrie und im Bauhauptgewerbe,
Gesetz zur Änderung und Ergänzung kostenrechtlicher Vorschriften,
Gesetz über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Rechnungsjahr 1957 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 1957),
Gesetz zur Änderung von Vorschriften des Aktienrechts und des Mitbestimmungsrechts,
Gesetz zur Verbesserung der wirtschaftlichen Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfalle,
Zweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Statistik für Bundeszwecke,
Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für
das Rechnungsjahr 1957 (Bundeshaushaltsgesetz 1957).
Zum Gesetz zur Änderung und Ergänzung kostenrechtlicher
Vorschriften sowie zum Haushaltsgesetz 1957 hat der Bundesrat Entschließungen gefaßt, die als Drucksachen 3611 und 3630 verteilt werden.
Dem Gesetz zum Schutze der Berufsbezeichnung „Ingenieur" (Ingenieurgesetz) hat der Bundesrat am 9. Juni nicht zugestimmt. Sein Schreiben wird als Drucksache 3610 verteilt.
Zum Gesetz über allgemeine Höchstgeschwindigkeitsgrenzen für Kraftfahrzeuge hat die Bundesregierung mit Schreiben vom 14. Juni 1957 Einberufung des Vermittlungsausschusses verlangt. Ihr Schreiben wird als Drucksache 3617 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Finanzen hat unter dem 13. Juni 1957 die Kleine Anfrage 326 der Abgeordneten Albrecht (Hamburg) und Genossen betreffend Erhebung einer Monopolausgleichsabgabe auf ausländischen Wermut- und Dessertwein (3175) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 3619 verteilt.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 23. Mai 1957 die Kleine Anfrage 356 der Fraktion der FDP betreffend Übergangsmaßnahmen auf dem Gebiet des Besoldungs- und Versorgungsrechts (3492) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 3544 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Wirtschaft hat unter dem 29. Mai 1957 die Kleine Anfrage 358 der Fraktion der FDP betreffend Erhöhung der Gebührensätze der amtlichen Gebührenordnung (Preugo) für approbierte Ärzte und Zahnärzte (3514) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 3597 verteilt.
Der Herr Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit hat unter dem 21. Juni 1957 die Kleine Anfrage 362 der Abgeordneten Schmücker, Stücklen und Genossen betreffend Aufkommen und Verwendung von ERP-Mitteln (3599) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 3646 verteilt.
Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 4. Juni 1957 auf Grund des Beschlusses des Deutschen Bundestags in seiner 138. Sitzung über Maßnahmen zur Förderung des kulturellen Austausches sowie des Reise- und Besuchsverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten des Europarates berichtet. Sein Schreiben wird als Drucksache 3614 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat auf Grund des Beschlusses des Deutschen Bundestags in seiner 89. Sitzung über Maßnahmen der Regierung im Hinblick auf die Hochwasser- und Unwetterschäden des Jahres 1956 berichtet. Sein Schreiben wird als Drucksache 3624 verteilt.
Der Herr Bundesminister des Auswärtigen hat unter dem 3. Juni 1957 auf Grund des Beschlusses des Deutschen Bundestages in seiner 209. Sitzung über die Weitergabe der Entschließung des Bundestages betreffend Atomwaffen berichtet. Sein Schreiben wird als Drucksache 3009 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Arbeit hat unter dem 24. Mai 1957 den Jahresbericht 1955 der sozialen KrankenversIcherung übersandt, der im Archiv zur Einsichtnahme ausliegt.
Der Herr Präsident der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung hat unter dem 21. Mai 1957 den Geschäftsbericht der Bundesanstalt für 1954 übersandt, der im Archiv zur Einsichtnahme ausliegt.
Der Herr Stellvertreter des Bundeskanzlers hat unter dem 18. Juni 1957 den Geschäftsbericht der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte für die Zeit vom 1. August 1953 bis 31. Dezember 1954 übersandt, der als Drucksache 3622 verteilt wird.


(Vizepräsident Dr. Schmid)

Der Herr Stellvertreter des Bundeskanzlers hat unter dem 31. Mai 1957 gemäß § 20 Abs. 5 des Milch- und Fettgesetzes in der Fassung vom 10. Dezember 1952 (BGBl. I S. 811) die Verordnung M Nr. 1/57 zur Änderung der Verordnung M Nr. 2/56 über Preise für Milch übersandt, die im Archiv zur Einsichtnahme ausliegt.
Der Herr Oberstaatsanwalt von Hildesheim hat unter dem 18. Februar 1957 mitgeteilt, er habe mit Verfügung vom gleichen Tage das Ermittlungsverfahren gegen leitende Angestellte der VWW-GmbH in Wolfsburg — insbesondere den Gen.-Dir. Prof. Dr. Heinz Nordhoff — wegen Verdachts der Untreue hier: Bezahlung eines Wahlinserats der CDU durch das Volkswagenwerk eingestellt. Die Verfügung liegt im Archiv zur Einsichtnahme aus.
Der Herr Bundesminister für Wirtschaft hat unter dem 24. Juni 1957 die Kleine Anfrage 363 der Fraktion der CDU/ CSU betreffend Energiebilanz des Bundesgebietes (3602) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 3665 verteilt.
Meine Damen und Herren, ich habe die Ehre, elf französische Kollegen, die unserem Hause die Ehre ihres Besuches geben, bei uns zu begrüßen.

(Beifall.)

Sie werden unseren Beratungen von der Tribüne aus beiwohnen. Ich begrüße diese französischen Kollegen ganz besonders, ist dieser Besuch doch ein sehr sprechendes Zeichen dafür, daß sich im Verhältnis unserer Länder, Völker und Staaten zueinander etwas Entscheidendes geändert hat.

(Lebhafter Beifall.)

Ich glaube, daß wir diese Änderung aus vollem Herzen begrüßen, wir alle miteinander,

(erneuter lebhafter Beifall)

ohne eine einzige Ausnahme. Ich kann unseren französischen Kollegen versichern, daß in diesem Hause keine einzige Frau und kein einziger Mann sitzen, die nicht davon überzeugt wären, daß die Ära der Konflikte zwischen unseren Völkern ein für allemal vorbei ist

(anhaltender lebhafter Beifall)

und nunmehr eine Epoche engster Zusammenarbeit begonnen hat, die zu immer nutzbringenderer gemeinsamer Leistung für alle führen soll.

(Erneuter lebhafter Beifall.)

Der Abgeordnete Rasner wünscht das Wort zur Geschäftsordnung. Ich erteile ihm das Wort.

Will Rasner (CDU):
Rede ID: ID0221500100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, Punkt 18 der heutigen Tagesordnung, zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP, GB/BHE, DP (FVP) und dem Abgeordneten Stegner eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung der Artikel 74 und 75 des Grundgesetzes, von der Tagesordnung abzusetzen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0221500200
Wird das Wort dazu ergriffen? — Keine Wortmeldungen?

(Abg. Mellies: Einverstanden! — Zurufe von der SPD: Begründung!)

— Wollen Sie Ihren Antrag vielleicht begründen?

(Abg. Rasner: Nein! — Lachen bei der SPD.)

— Ein Teil des Hauses wünscht eine Begründung. Sie sind dazu nicht verpflichtet, aber vielleicht könnten Sie aus Courtoisie doch eine Begründung geben.

Will Rasner (CDU):
Rede ID: ID0221500300
Ich will gern begründen. Die Verabschiedung des Wasserhaushaltsgesetzes bedarf nach dem gegenwärtigen Stand der Dinge nicht mehr einer Änderung und Ergänzung des Grundgesetzes. Wir sind bei uns in der Fraktion der Meinung, wenn das nicht der Fall ist, sollten wir das Haus hier und heute mit dieser Grundgesetzergänzung und -änderung nicht belasten.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0221500400
Es soll also nicht geantwortet werden. Dann stimmen wir ab. Wer dem Antrag zustimmen will, der möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen einige Stimmen und bei zahlreichen Enthaltungen ist dieser Antrag angenommen.
Wir treten in die Tagesordnung ein. Ich rufe auf Punkt 1:
Erklärung des Bundesministers für Verteidigung
Ich erteile ihm das Wort.

Dr. Franz Josef Strauß (CSU):
Rede ID: ID0221500500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 3. Juni des Jahres sind 15 junge Soldaten der Bundeswehr beim Überqueren der Iller tödlich verunglückt. Bevor ich den Bericht über diesen Unglücksfall im einzelnen gebe, darf ich auch vor diesem Hohen Hause im Namen der Bundesregierung das tiefe Beileid und die innige Anteilnahme gegenüber den Angehörigen der Opfer dieses Unglücks zum Ausdruck bringen.
Nach den geltenden rechtlichen Bestimmungen ist die Feststellung der individuellen Schuld und die strafrechtliche Verfolgung ausschließlich Angelegenheit der ordentlichen Gerichte. In das laufende Verfahren konnte und wollte der Bundesminister für Verteidigung nicht eingreifen, und er wird es auch in Zukunft nicht tun. Sein Maßnahmen dienten in erster Linie innerdienstlichen Zwecken, um etwaige Lücken oder Mängel in Dienstvorschriften, bei der Ausbildung oder auf sonstigen Gebieten, z. B. auf personellem Gebiet, festzustellen. Darüber hinaus sollte auf Anforderung den Organen der Staatsanwaltschaft jede erdenkliche Unterstützung zuteil werden. Vor den Entscheidungen des Gerichts ist daher auch eine abschließende Wertung bzw. Schuldfeststellung nicht möglich.
Neben der durch den Staatsanwalt verfügten vorläufigen Festnahme der Stabsunteroffiziere Schäffler und Julitz ordnete der Bundesverteidigungsminister nach Meldung des Unglücksfalles als Sofortmaßnahmen an: erstens die vorläufige Dienstenthebung des Bataillonskmmandeurs und des Kompaniechefs — diese Maßnahme sollte ausschließlich die objektive Durchführung des gerichtlichen Verfahrens fördern, um allen zu vernehmenden Soldaten jede mögliche Befangenheit zu nehmen —, zweitens die Bildung einer Untersuchungskommission des Bundesverteidigungsministeriums, die sich aus dem Leiter der Rechtsabteilung, dem Inspizienten des Schulwesens im Truppenamt und einem Ausbildungsreferenten des Führungsstabes des Heeres zusammensetzt.
Der Bundesverteidigungsminister, der Generalinspekteur der Bundeswehr, der Inspekteur des Heeres 'und der Kommandierende General des II. Korps trafen am 3. Juni abends in Kempten ein. Während der Nacht fanden 'mehrstündige Besprechungen und ausgedehnte Besichtigungen der Un-


(Bundesverteidigungsminister Strauß)

fallstelle statt. Dabei wurden die eingeleiteten Rettungsmaßnahmen überprüft und bis in die Morgenstunden hinein verfolgt.
Schon am 6. Juni 1957 erstattete der Staatssekretär des Verteidigungsministeriums dem Verteidigungsausschuß unter Verwertung der ersten Untersuchungsergebnisse und persönlicher Eindrücke einen vorläufigen Bericht. Hierbei wurde im Auftrag des Verteidigungsministers der Bericht vor dem Plenum des Bundestages angekündigt, der heute gegeben wird. Diesem Bericht liegen neben eigenen Feststellungen der am 18. Juni fertiggestellte erste ausführliche Bericht der Untersuchungskommission zugrunde, der am 19. und 20. Juni vom Minister, vom Staatssekretär, vom Generalinspekteur und vom Inspekteur des Heeres zur Kenntnis genommen, am 21. Juni in einer Besprechung in diesem Kreise behandelt und am folgenden Tage in einer ganztägigen Besprechung in Anwesenheit der Inspekteure der Teilstreitkräfte, der Korps- und Divisionskommandeure sowie der Kommandeure der Schulen im einzelnen erörtert wurde.
Die bisherigen Ermittlungen ergaben folgenden Tatbestand, den ich dem Hohen Hause unterbreite.
Die ersten Soldaten trafen zur Aufstellung des Luftlande-Jägerbataillons 19 in Stärke von 2 Offizieren, 16 Unteroffizieren und 14 Mann am 1. August 1956 in Kempten ein. Bis zum 3. Januar 1957 hatte das Bataillon die Stärke von 19 Offizieren, 103 Unteroffizieren und 255 Mann erreicht. Im Zuge der Vorbereitung für die Einstellung von 287 wehrpflichtigen Rekruten am 1. April 1957 wurde in den Monaten Januar bis März 1957 die Zahl der Ausbilder laufend erhöht. Am 3. Juni fehlten gegenüber dem Soll gemäß Stärke- und Ausrüstungsnachweisung, die allerdings nicht mit den zur Verfügung stehenden Planstellen identisch ist, noch 11 Offiziere, während die Unteroffizierplanstellen besetzt waren. Das Bataillon unterstand seit dem 15. Januar 1957 der 1. Luftlandedivision. Bataillonskommandeur war seit Beginn der Aufstellung Major Genz. Oberleutnant Sommer führte die 2. Kompanie seit dem 3. September 1956.
Im Hinblick auf die Einstellung von wehrpflichtigen Rekruten am 1. April 1957 fand in der Zeit vom 15. Januar bis 3. März 1957 beim Bataillon ein Unterführerlehrgang statt. Außerdem wurden die für die Ausbildung der Wehrpflichtigen vorgesehenen Unteroffiziere in der zweiten Märzhälfte nochmals zusammengezogen und auf ihre Aufgabe besonders vorbereitet. Den Unteroffizieren, die entweder aus der ehemaligen Wehrmacht oder dem Grenzschutz bzw. der Bereitschaftspolizei stammten, wurden in diesen Lehrgängen die zusätzlichen Kenntnisse vermittelt, um Rekruten im Frieden nach den neuen Vorstellungen ausbilden zu können.
Am Montag, dem 3. Juni 1957 stand auf dem Dienstplan der 2. Kompanie für die Zeit von 7 Uhr bis 12 Uhr Infanteriegefechtsausbildung, und zwar 1. Verhalten des Schützen als Feldposten, Beobachten und Melden, 2. Schanzen, Tarnen und Täuschen, 3. das Verhalten des Schützen im Spähtrupp. Die entsprechenden Ziffern der Ausbildungsvorschrift waren hinter den verschiedenen Ausbildungsaufgaben aufgeführt, um den Unterführern die Vorbereitung auf den Dienst zu erleichtern. Als Leitender war der Kompaniechef, als Übungsort der Raum um .den Schießstand angegeben.
Am 3. Juni morgens trat die Kompanie in Anwesenheit des Kompaniechefs an. An Stelle des Stabsunteroffiziers Schäffler, der sich zur Behandlung seines Fußes in das Revier begeben mußte, übernahm der dienstälteste Gruppenführer, Stabsunteroffizier Julitz, die Führung des 4. Zuges. Die Kompanie rückte um 7 Uhr zugweise nach dem etwa eine Stunde entfernten Übungsgelände unter dem Befehl des dienstältesten Zugführers, Feldwebel Obermüller, ab. Der Kompaniechef nutzte die Marschzeit für die Erledigung von schriftlichen Arbeiten aus. Er ist etwa urn 8.30 Uhr mit seinem Pkw nachgefahren, urn dann an Ort und Stelle den Dienst zu beaufsichtigen. Nach Eintreffen der Kompanie am Schießstand teilte Feldwebel Obermüller den Zügen die einzelnen Übungsräume zu. Er gab die Weisung, daß die Kompanie um 10.45 Uhr am Schießstand sammeln sollte, urn dann nach kurzer Rast den Rückmarsch geschlossen anzutreten.

(1 Kurz nach der Auftragserteilung an die Gruppen durch Julitz erreichte Oberleutnant Sommer den Übungsraum des 4. Zuges und setzte dort den Stabsunteroffizier Schäffler ab, der sich nach der Revierbehandlung auf dem Geschäftszimmer der Kompanie gemeldet hatte und von seinem Chef im Pkw mitgenommen worden war. Schäffler überließ seinem Stellvertreter auch weiterhin die Führung des Zuges. Etwa um 10.30 Uhr hatte der 4. Zug seine Übungen beendet und rastete in einem Wäldchen unmittelbar südlich der Hirschdorfer Brücke. Dabei äußerte Stabsunteroffizier Julitz plötzlich: „Wir gehen jetzt einmal durch die Iller." Ob der anwesende Stabsunteroffizier Schäffler, wie er behauptet und was Julitz bestreitet, eine Warnung oder seine Mißbilligung gegenüber diesem Vorhaben ausgesprochen hat, läßt sich ohne erneutes Befragen der beiden Stabsunteroffiziere, die sich in Haft befinden, nicht feststellen. Dagegen muß nach Bekundung dreier Zeugen als sicher angenommen werden, daß die zwei Soldaten, die schon vorher durch die Iller geschwommen waren, Warnungen ausgesprochen haben. Weiter hat ein Soldat, der selbst ein guter Schwimmer ist, wie er aussagt, „scherzweise" die Frage gestellt, ob auch die Nichtschwimmer mitmachen müßten. Darauf hat Julitz geantwortet, daß sie erst einmal hineingehen sollten und, falls es für sie zu schwierig würde, jederzeit umkehren könnten. Andere Bedenken oder Widerspruch sind gegen das Vorhaben nicht geäußert worden. Die Geretteten bekunden übereinstimmend, daß sie das Unternehmen als gefahrlos angesehen haben. Sie seien unter Scherzworten und ohne jedes Angstgefühl in das Wasser hineingestiegen. Die Soldaten trugen ihren Arbeitsanzug, Schnürschuhe mit profilierter Gummisohle, Gamaschen und Stahlhelm mit Einsatz; sie waren ausgerüstet mit Karabinern und je Gruppe einem MG — ohne Koppel, ohne Patronentaschen, ohne Brotbeutel. Unmittelbar vor Überschreiten des Flusses ordnete Julitz an, daß in Reihe, und zwar möglichst dicht aufgeschlossen, marschiert werden sollte. Die Gewehre sollten mit der linken Hand aus dem Wasser herausgehalten werden, um sie vor Nässe zu schützen. Anfangs reichte das Wasser den Soldaten bis zur Wade. Der Flußgrund war mit seinen Kieseln auf einige Meter hin zu sehen. Der Fluß, an dieser Stelle etwa 50 bis 60 Meter breit, war an diesem Tage im ersten und zweiten Drittel bis zu 85 cm tief, fiel aber im letzten Drittel nach dem jenseitigen Ufer hin bis 1,50 m ab. Die Stromgeschwindigkeit betrug nach den Berechnungen des Wasserwirtschaftsamtes im Profildurchschnitt etwa 2,5 m in der Sekunde. Stabsunteroffizier Julitz ist an der Spitze des Zuges in ,die Iller gestiegen und mit dem Maschinengewehr der ersten Gruppe vorausgegangen. Er ist wohl auch als erster Soldat dieser Gruppe in ernste Schwierigkeiten geraten. Die nachfolgenden Soldaten der zweiten und dritten Gruppe hatten dem Druck des Wassers bereits früher nachgegeben, so daß sich die ursprünglich formierte Reihe sehr bald auflöste und diese beiden Gruppen schon im ersten und zweiten Drittel des Flusses stromabwärts ausscherten. Allen Soldaten muß es ungefähr gleichzeitig schwer und schließlich unmöglich geworden sein, einen Halt für ihre Füße zu finden. Das Weitere hat sich nach den Darstellungen aller Zeugen sehr schnell abgespielt. Übereinstimmend sagen 'die Soldaten aus, daß ihnen erst in diesem Augenblick die Gefahr bewußt geworden sei. Erst in diesem Augenblick haben auch Stabsunteroffizier Julitz und der sich auf der Brücke befindende Stabsunteroffizier Schäffler durch laute Zurufe „Nichtschwimmer zurück!" und „Alle zurück!" einzugreifen versucht. Die Rufe sind aber nicht von allen Soldaten gehört worden. Tatsächlich ist daraufhin nur einer an ,das Ausgangsufer zurückgekehrt. Während sich von der ersten Gruppe von elf Soldaten acht retten konnten, wurden die beiden nachfolgenden Gruppen viel schwerer betroffen. Schwimmer wie Nichtschwimmer wurden von der Strömung gegen die Brückenpfeiler und zwischen den Brückenpfeilern hindurch stromab getrieben und sind in den gefährlichen Strudeln unmittelbar hinter den Brückenpfeilern zum großen Teil ums Leben gekommen: bei der zweiten Gruppe sechs Tote von neun Soldaten, bei der dritten Gruppe sechs Tote von zehn Soldaten. Auch die sofort mit Entschlossenheit und Tatkraft eingeleiteten Rettungsarbeiten konnten dies nicht verhindern. Die Untersuchungen der Kommission haben ergeben, daß Soldaten des Bataillons schon vorher einige Male übungsweise die Iller durchschritten hatten oder es versucht hatten. Einmal geschah dies anläßlich des schon erwähnten Unteroffizierlehrganges. Als der Bataillonsführer davon hörte, hat er dieses Unternehmen bei einer Offizierbesprechung mißbilligt. Er hat dabei darauf hingewiesen, daß das Risiko einer solchen Übung in keinem Verhältnis zu dem Gewinn stände, und hat betont, daß in diesem Ausbildungsstadium für derartige Übungen kein Raum sei. Er hat angeordnet, daß in Zukunft die Iller nur mit seiner Genehmigung überquert werden ,darf. Diese Anordnung, die in der Zwischenzeit ihre Bestätigung durch den Bataillonskommandeur gefunden hatte, wurde Mitte Mai bei einer Offizierbesprechung wiederholt. Der Chef der 2. Kompanie, Oberleutnant Sommer, unterrichtete hierüber die Unterführer seiner Kompanie. Es konnte allerdings nicht festgestellt werden, welche Unterführer ,an dieser Unterweisung teilgenommen hatten. Stabsunteroffizier Schäffler hat davon gewußt, hat aber erklärt, im entscheidenden Augenblick nicht daran gedacht zu haben. Ob Stabsunteroffizier Julitz von dem Verbot Kenntnis gehabt hat, steht nicht einwandfrei fest, da er an dem Tage, an dem diese Belehrung stattfand, abkommandiert war. Der Zugführer Stabsunteroffizier Schäffler ist 33 Jahre alt. Er hat Volksschulbildung, wurde im Jahre 1943 Soldat, als Grenadier ausgebildet und kurze Zeit an der Front als Gruppenführer eingesetzt. Anschließend hat er an einem Offizieranwärterlehrgang teilgenommen. Bei Kriegsende war er Fahnenjunkerunteroffizier Der Gruppenführer Stabsunteroffizier Julitz ist 231/e Jahre alt. Er ist mit 191/2 Jahren in die Bereitschaftspolizei West-Berlin eingetreten. Schon dort war er Ausbilder und Gruppenführer. Seit dem 3. September 1956 als Unteroffizier in der Bundeswehr, wurde er am 15. Januar 1957 zum Stabsunteroffizier befördert. Er ist ein guter Schwimmer und Inhaber des Leistungsscheins der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft. In der 2. Kompanie wurde er vom 24. April bis zum 4. Mai und vom 13. Mai bis zum 31. Mai bereits als Stellvertreter eines Zugführers verwendet. Bei dem kurzen Verhör hatte die Kommission von Julitz den Eindruck eines sportlichen Mannes und einer im Verhältnis zu seinem Alter schon gefestigten Persönlichkeit gewonnen. Er litt sichtbar unter dem unglücklichen Ausgang seiner Flußüberquerung, bewahrte jedoch die Haltung. Die Kommission stieß bei Vernehmungen von Angehörigen des 4. Zuges und von anderen Kameraden immer wieder auf Aussagen, die ihn als einen allgemein beliebten, schwungvollen Führer seiner Männer erscheinen lassen, der mit Passion Soldat ist. Alle Soldaten seines Zuges sagen aus, daß sie unter ihm gern ihren Dienst taten. Dieses ist um so bemerkenswerter, als Julitz erst seit dem 1. April 1957 zur 2. Kompanie gehört und im Mai für die Dauer von drei Wochen den Zugführer eines anderen Zuges vertreten hat. Nach Ansicht seiner Vorgesetzten verfügt er aber noch nicht über so ausreichende Erfahrungen, daß ihm schon die Führung eines Zuges auf Dauer hätte anvertraut werden können. Dies hat auch in allen Beurteilungen seinen Niederschlag gefunden, obwohl er als einer der besten Gruppenführer bezeichnet und für die Truppenlaufbahn als sehr gut geeignet beurteilt wird. Mit dem Iller-Unglück steht der Einzelunglücksfall in Grafenwöhr — beide Unglücksfälle werden in der Öffentlichkeit oft in Parallele gebracht — in keinem sachlichen Zusammenhang. In diesem Fall handelt es sich um das krasse Überschreiten eines Befehls, der wiederholt und zum letzten Mal unmittelbar vor dem Unglück selbst ,eindeutig gegeben worden ist. Die Belehrung über diesen Befehl, auf jeden Fall herumliegende Blindgänger nicht zu berühren, wurde durch Unterschrift jedes einzelnen am Schießen beteiligten Soldaten aktenkundig gemacht. Der eindeutig schuldige Unteroffizier war nicht Vorgesetzter der betroffenen Soldaten. Die ausführliche Behandlung dieses Unglücksfalls in der Öffentlichkeit und die Erregung sind um so verständlicher, als es sich bei den tödlich verunglückten Soldaten um Wehrpflichtige handelt, die zur Ableistung des Grundwehrdienstes einberufen worden waren. Sieben von ihnen hatten sich seit ihrer Einberufung freiwillig auf achtzehn Monate verpflichtet und galten als Soldaten auf Zeit. Man kann feststellen, daß die Nachrichtengebung der Tagespresse und des Rundfunks durch die an Ort und Stelle entsandten Berichterstatter von vornherein von dem Bestreben nach einer objektiven Darstellung bestimmt war. Die angestrebte enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Bundeswehr und Presse hat sich bei diesem Anlaß erneut bewährt, wenn sich auch verständlicherweise unter den ersten unmittelbaren Eindrücken Mißverständnisse nicht ganz vermeiden ließen. Bei der Kommentierung des tragischen Vorfalls sind jedoch zum Teil Ansichten geäußert worden, die einer Richtigstellung bedürfen. Vielfach wird der Vorwurf erhoben, der Aufbau der Bundeswehr erfolge zu schnell, das heißt, die Bundeswehr sei bei idem gegenwärtigen Ausbildungsstand insbesondere wegen des Mangels an geeigneten Ausbildern noch nicht in der Lage, Wehrpflichtige sachgemäß auszubilden. Dazu ist zu bemerken: Anfang November 1955 wurden die ersten Soldaten ernannt. Damit begann der personelle Aufbau der Bundeswehr nach einem militärischen Vakuum von über zehn Jahren. Am 2. Januar 1956 wurden in Andernach die ersten Kader als Grundstock für die später aufzuhauenden Einheiten aufgestellt. Nach der ursprünglichen Planung sollten bis Ende 1956 96 000 Soldaten, bis Ende 1957 270 000 Soldaten insgesamt zur Bundeswehr einberufen werden. Wegen des Mangels an Unterkünften und nicht zuletzt, um eine gründliche Ausbildung sicherzustellen. habe ich im Einvernehmen mit unseren NATO-Partnern die Verringerung dieser Zahl auf die Hälfte angeordnet. Bei meiner Amtsübernahme am 14. Oktober 1956 hatte die Bundeswehr eine Stärke von 65 000 Mann. Am 3. Juni 1957, dem Tage des Iller-Unglücks, betrug die Stärke nicht ganz 97 000 Mann, der Zuwachs innerhalb von acht Monaten also rund 32 000 Soldaten. In der Gesamtzahl sind etwa 35 000 Soldaten der ehemaligen Wehrmacht und über 10 000 frühere Angehörige des Bundesgrenzschutzes und der Bereitschaftspolizei der Länder enthalten. Damit stehen bei einer Gesamtstärke von 97 000 den rund 10 000 am 1. April 1957 einberufenen Wehrpflichtigen und den ungedienten Freiwilligen über 45 000 Gediente gegenüber. Bei diesen Verhältniszahlen ist die sachgemäße Ausbildung von 10000 Wehrpflichtigen durchführbar. Hinsichtlich der in erster Linie als Zugführer in Frage kommenden Offiziersdienstgrade ist festzustellen, daß sich von insgesamt 564 Leutnanten der Bundeswehr 499 und von insgesamt 1196 Oberleutnanten 927 bei der Truppe befinden. Wie bei uns fehlen in fast allen westlichen Armeen aktive Offiziere dieser Dienstgrade. Als Ausgleich wählen die meisten unserer verbündeten Länder Wehrpflichtige nach Bildungsstand und Eignung aus, um sie bereits nach etwa einem Jahr zum Leutnant zu befördern und im Rahmen der Wehrpflicht oder als Offiziere auf Zeit im Dienst bei der Truppe zu verwenden. Unsere Ausbildungszeiten für Offiziere sind um so eher zu verantworten, als gerade die ersten Anwärter in höherem Lebensalter — 25 bis 30 Jahre — standen und entsprechende Lebenserfahrung mitbrachten. Diese ersten Anwärter wurden als Leutnante nach einer Gesamtausbildungszeit von 17 Monaten zur Truppe versetzt. Zur Zeit beträgt die Laufzeit bis zum Leutnant 26 Monate. Im Endziel sind 36 Monate vorgesehen. Ferner .ist in der Öffentlichkeit vereinzelt der ernst zu nehmende Vorwurf erhoben worden, der alte „Barras" und der Typ „Himmelstoß" seien in der Bundeswehr wiedererstanden. Nach allen bisherigen Feststellungen hat kein Soldat gegen die Stabsunteroffiziere Julitz und Schäffler derartige Vorwürfe erhoben. Schließlich wurde an der Versorgung der Angehörigen der tödlich verunglückten Soldaten Kritik geübt. Bei der Beratung der Soldatenversorgung ist von der Erkenntnis ausgegangen worden, daß die Soldaten der Bundeswehr in ihren versorgungsrechtlichen Ansprüchen nicht besser als die Kriegsopfer gestellt werden dürfen. Eine andere Regelung würde nach Auffassung des Gesetzgebers eine Ungerechtigkeit bedeuten. Der Bundesverteidigungsminister ist an die Bestimmungen des Bundesversorgungsgesetzes gebunden, dessen Bestimmungen auf Grund einer interministeriellen Absprache zur Zeit des Unfalls bereits Anwendung fanden. Im Gesetz ist eine rückwirkende Inkraftsetzung ab 1. April 1956 vorgesehen. Darüber hinaus sind durch eigene freiwillige Anstrengungen der Bundeswehr Wege gefunden worden und werden noch weitere gesucht, um in besonderen Härtefällen einmalige Sonderhilfe zu leisten. Sicher gibt das schwere Unglück zu ernster Überprüfung einer Reihe von Einzelfragen Anlaß. Mit der Verteidigungspolitik der Bundesregierung in ihrer Gesamtheit steht es bei objektiver Beurteilung ebensowenig in einem Zusammenhang, wie dies hei den in den Armeen anderer Länder gerade auch in jüngster Zeit zu beklagenden Unglücksfällen zutrifft. Es haben sich leider zu allen Zeiten in allen Armeen schwere Unglücksfälle ereignet, auch in solchen, deren Kontinuität nicht unterbrochen war. Ich erinnere hier. wie es die Presse auch bereits getan hat, an das Manöverunglück der Reichswehr an der Weser vom 31. März 1925. Bei dem übungsmäßigen Übersetzen auf einer von Pionieren gebauten Pontonfähre ertranken vor den Augen der entsetzten Zuschauer 80 Soldaten, meist Rekruten. Damals war das Hunderttausend-Mann-Heer wegen der Gründlichkeit seiner Ausbildung bekannt. Die Reichswehr hatte militärisches Wissen und militärische Erfahrungen kontinuierlich weiter ausbauen können. Trotzdem kam es zu dem Unglück in einem Ausmaße. wie es in der Geschichte militärischer Friedensübungen fast ohne Beispiel ist. Natürlich erfolgte in der Öffentlichkeit auch damals eine spontane und berechtigte Reaktion. Im Reichstag verlangte die SPD wie alle anderen politischen Parteien Sicherungen gegen eine Wieder holung derartiger Unglücksfälle. Aber man erkannte damals auch die Verkettung der verhängnisvollen Umstände an. In dem Gerichtsverfahren, in dem eine Reihe von zivilen und militärischen Fachleuten zu Rate gezogen wurden, bestätigte man, daß verschiedene besonders ungünstige Umstände das Unglück heraufbeschworen hatten. Die Weserübung wurde verantwortlich von einem Offizier geleitet. Es ist ein Irrtum, zu glauben, man könne durch noch so gute Ausbildung sowie durch Sicherheitsvorschriften, Gebote und Verbote allein alle Gefahren, die nun einmal der Dienst mit sich bringt, restlos ausschalten. Das ist beim militärischen Dienst genausowenig möglich wie in anderen Bereichen, z. B. beim Verkehr, beim Sport und im Betrieb. Nach statistischen Quellen verlor die Armee im deutschen Kaiserreich in den fünf Friedensjahren von 1908 bis 1913 insgesamt 817 Soldaten durch Unfälle im Dienst, davon 35% durch Ertrinken. Die deutsche Reichswehr hatte im Durchschnitt jährlich den Unfalltod von etwa 65 Soldaten zu beklagen. Davon starb jeder Vierte durch Ertrinken. Das Jahr 1925 mit dem Weser-Unglück ist in diesen Zahlen nicht enthalten. Nichts liegt mir ferner und nichts muß ferner liegen, als das tragische Geschick an der Iller durch diese Vergleiche verkleinern zu wollen. 15 junge Soldaten der Bundeswehr sind es, die durch dieses Unglück ihr Leben auf einmal verloren haben! Aber die Gerechtigkeit gebietet festzustellen, daß die manchmal geäußerten Meinungen über die angeblich höheren Unfallziffern in der Bundeswehr nicht zutreffen. Seit Aufstellung unserer Bundeswehr sind bisher außer den Toten der Iller 16 Soldaten aller Dienstgrade Dienst — seit November 1955 bis heute — verunglückt, davon fünf beim Umgang mit Waffen und Munition, zwei durch Flugzeugunfälle, einer beim Sport und acht durch Panzer und Kfz-Unfälle. Diese Zahlen zeigen, welches Übergewicht die uns alle beunruhigenden Kraftfahrzeugunfälle auch bei der Bundeswehr einnehmen. Außerhalb des Dienstes sind bei der Bundeswehr 41 Soldaten ums Leben gekommen, davon allein 16 durch Verkehrsunfälle. Diese Toten sind nicht minder beklagenswert. Ich lasse Überlegungen anstellen, 'wie auch die Zahl der Unfälle außer Dienst herabgesetzt werden kann, ohne daß dabei die persönliche Freiheit des einzelnen Soldaten über Gebühr hinaus eingeschränkt wird. Auch Länder mit langen und ununterbrochenen Zeiten militärischer Entwicklung bleiben von Unglücksfällen im soldatischen Bereich leider nicht verschont. So verlor die schwedische Luftwaffe allein in den letzten fünf Jahren 115 Soldaten durch Unfälle. In der vergleichsweise kleinen schweizerischen Armee verloren im gleichen Zeitraum 121 Wehrmänner ihr Leben im Dienste als Soldaten. davon 29 im vergangenen Jahr. Von diesen 29 Schweizer Soldaten verunglückte die Hälfte durch Verkehrsunfälle. Über der Tragik des Todes der jungen Soldaten in der Iller, die wir alle gleich stark empfinden und von der wir alle gleich stark erschüttert sind, sollten wir nicht vergessen, daß wir täglich und überall mit dem Unfalltod konfrontiert sind und überall, in allen Bereichen des Lebens bemüht sein müssen, ihn auf ein Mindestmaß zu beschränken. Wenn auch in der Praxis die Richtigkeit der Planungen und Methoden für die Bundeswehr bestätigt ist, wurde selbstverständlich nach dem Unglück an der Iller eine nochmalige Überprüfung der Ausbildungsvorschriften, der Sicherheitsbestimmungen sowie der Unteroffiziersund Offiziersstellenbesetzung durchgeführt. Zusätzliche Anordnungen wurden dort getroffen, wo der unvermeidliche Mangel an kontinuierlicher Erfahrung im militärischen Dienst Ergänzungen erfordert. Im einzelnen ergab sich folgendes. Erstens. Die Wehrpflichtigen des Luftlandebataillons 19 befanden sich noch in der Grundausbildung. Verbindlich für diese Ausbildungsperiode ist die Heeresdienstvorschrift 102/2, „Bestimmungen für die allgemeine Grundausbildung im Heer". In der Anlage 3 dieser Vorschrift ist unter „Pionierausbildung" vorgeschrieben: Überwinden von kleinen Straßenund Geländehindernissen, z. B. Gräben, Trichtern, schmalen Bachläufen mit behelfsmäßigen Mitteln. Im Fall „Iller" handelt es sich weder um einen schmalen Bach, noch wurden behelfsmäßige Mittel zur Überquerung eingesetzt. Zweitens. In diesem Zusammenhang ist nicht die Frage entscheidend, ob der militärische Führer Offizier oder Unteroffizier ist. Entscheidend bleibt die Frage, ob der militärische Führer, sei er nun Unteroffizier oder Offizier, gehorsam oder ungehorsam ist, ob er verantwortlich oder unverantwortlich handelt. Dieses Problem von Verantwortung und Gehorsam spielt ebenso bei dem Unglück in Grafenwöhr eine bestimmende Rolle. Fraglos führt eine Aufweichung der Begriffe Verantwortung, Befehl und Gehorsam immer zu einer Auflösung der militärischen Ordnung wie auch zu einer Gefährdung der menschlichen Beziehung im soldatischen Raum. Darum ist in der Heeresdienstvorschrift 102/2 gerade dieses Problem „Verantwortung und Gehorsam" als eines der ersten Unterrichtsthemen für die Rekruten befohlen, und zwar nicht nur in Form einer Unterweisung, sondern mit der Auflage, volle Kenntnisse über dieses Thema zu erreichen. Das Thema gründet auf den §§ 10 und 11 des Soldatengesetzes. Der § 10 regelt die Pflichten des Vorgesetzten und bestimmt u. a., daß Befehle nur unter Beachtung der Dienstvorschriften erteilt werden dürfen. Ich habe es bei der am 22. Juni durchgeführten Dienstbesprechung den beteiligten Inspekteuren, Kommandierenden Generalen, Divisionskommandeuren und Offizieren in vergleichbaren Dienststellungen zur besonderen Pflicht gemacht, sich unter Zurückstellung aller sonstigen Aufgaben der Offiziersausbildung persönlich anzunehmen und die Kommandeure und Kompaniechefs in verstärktem Maße zur Erziehung ihrer Unterführerkorps anzuhalten. Drittens. In diesem Zusammenhang muß ich auf eine Notwendigkeit besonders hinweisen. Die Befehlsklarheit und die Befehlstreue sind unter den Kriegsverhältnissen und durch den dabei erlebten Mißbrauch heute noch nicht wieder zum sicheren inneren Allgemeingut aller Soldaten geworden, wie dies in den Armeen anderer Länder mit kontinuierlicher demokratischer Wehrtradition der Fall ist. Diese beiden Grundsätze müssen im guten, recht verstandenen Sinne des Wortes wieder ihre volle Geltung erhalten. Verantwortung bei der Befehlserteilung und Gehorsam bei der Befehlsausführung, selbstverständlich auch bei der Beachtung eines gegebenen Verbots, sind auf allen Stufen der militärischen Gliederung unerläßlich, nicht zuletzt zur Sicherung des einzelnen Soldaten. Dazu gehört auch, daß die Einhaltung eines erteilten Befehls und die Beachtung eines ausgesprochenen Verbots ausreichend überwacht und Zuwiderhandlungen in jedem Falle bestraft werden, ganz gleich, ob nachteilige Folgen eingetreten sind oder nicht. Viertens. Die Ausbildungsvorschriften, die auch vom Verteidigungsausschuß gebilligt sind, stellen, was die Überprüfung erneut bestätigt, eine solide Grundlage für eine moderne Ausbildung dar. In ihnen sind die Ausbildungserfahrungen der früheren Wehrmacht, der verbündeten Armeen sowie der Kriege jüngster Zeit verwertet. Die Vorschriften fordern eine Ausbildung, deren Härte sich dem mutmaßlichen Gegner anpaßt, sich aber auch nach dem jeweiligen Ausbildungsstand und der körperlichen Leistungsfähigkeit der Truppe richtet. Um jedes Mißverständnis zu vermeiden, ist in der Heeresdienstvorschrift 102/2 festgelegt — ich zitiere wörtlich —: „Überforderungen sind zu vermeiden." Ebenso sind laufende ärztliche Untersuchungen sowie regelmäßige Gewichtskontrollen für die Rekruten vorgesehen. Dieser Forderung nach sinnvoller Härte eines sachbezogenen Dienstes können keine begründeten Einwendungen entgegengehalten werden; denn der Ernst des Verteidigungsfalles fordert vom Soldaten körperliche Höchstleistungen. Freilich ist diese Härte nur insoweit zulässig, als Menschenwürde und Sicherheit des einzelnen dabei gewahrt bleiben. Das setzt eine entsprechende Erziehung aller militärischen Führer voraus. Fünftens. Die erlassenen Sicherheitsbestimmungen erwiesen sich bei der Überprüfung als ausreichend. Für die Durchschreitung von Furten z. B. wurde unter dem 6. November 1956 die vorläufige Vorschrift ,,Behelfswegebau" erlassen. Sie fordert in Ziffer 26 eine Erkundung der genauen Lage, der Breite, der Wassertiefe, der Stromgeschwindigkeit als grundsätzliche Voraussetzung für einen Übergang. Dann sind noch genaue Hinweise gegeben für das Einholen von Auskünften bei Landeseinwohnern sowie die Bezeichnung der Furt durch Stangen, Leinen und nachts durch Laternen. Außerdem ist ,die Möglichkeit erwähnt, Oberstrom ein Haltetau entlang der Furt zu spannen. Weiterhin ist gefordert, daß vor der Überquerung große Steine in der Furt beseitigt und Löcher im Flußbett ausgefüllt werden. Sechstens. Ich habe erneut angeordnet, daß allen Soldaten bei entsprechenden Übungsvorhaben die erforderlichen Sicherheitsbestimmungen vorher bekanntzugeben sind. Neben dem regelmäßigen Unterricht über die wichtigsten Sicherheitsbestimmungen wird außerdem jeder neu zu einer Einheit versetzte Soldat über alle gültigen Befehle an Hand einer in jeder Kompanie anzulegenden Sammelmappe belehrt. Alle wesentlichen Belehrungen sind aktenkundig zu machen und laufend fortzuschreiben. Siebentens. Ferner habe ich eine sogenannte „ Örtliche Gefahrenkunde" angeordnet. In periodischen Belehrungen sind die Soldaten über besondere Gefahren bestimmter Gegenden, also etwa über Sümpfe, Moore, Flüsse, Berge. eingehend zu unterrichten. Hierzu sind landeskundige Institutionen. Fachleute oder Bewohner heranzuziehen. Achtens. Der Inhalt aller Vorschriften muß zum sicheren Allgemeingut aller militärischen Führer und Unterführer gemacht werden. Das wird ohne Zweifel eine gewisse Zeit dauern. In der Zwischenzeit bleibt es Aufgabe ,der Bataillonskommandeure. bei Vorlage der Wochendienstpläne das Wesentliche der Vorschriften vor den Ausbildungsleitern immer wieder zu behandeln und die zweckmäßige Methode des praktischen Dienstes zu erläutern, ferner in persönlicher Anwesenheit sich von der Einhaltung ihrer Instruktionen zu überzeugen. Neuntens. Das Problem, daß die Einheitsführer durch erheblichen Schriftverkehr zu oft vom praktischen Dienst abgehalten werden, ist bekannt. Ministerium und nachgeordnete Dienststellen haben Anweisung, den Schriftverkehr einzuschränken. Aber es bleibt eine große Zahl .unbedingt nötige Verfügungen, Befehle, Vorschriften und Termine übrig, ohne die Erziehung, Ausbildung und Organisation nicht auskommen können. Dennoch ist Anweisung gegeben, der persönlichen Teilnahme am Ausbildungsdienst den Vorzug zu geben. Zehntens. Die Stellenbesetzung mit Unteroffizieren erwies sich in allen Einheiten als ausreichend Den Kommandeuren und Kompaniechefs ist es erneut zur Pflicht gemacht, den Unteroffizieren die Grenze ihres Verantwortungsbereichs klar zu umreißen und unmißverständlich einzuprägen. Die deutsche Armee hat stets Wert gelegt auf Selbständigkeit im Verantwortungsbereich der jeweiligen Dienststellung, nicht aber auf dessen Überschreitung. Elftens. Die Überprüfung ergab andererseits, daß einzelne Kompanien mit nicht genügend Offizieren besetzt waren. Der Grund liegt u. a. in der hohen Zahl von Lehrgängen, zu denen Offiziere bei dem modernen Stand der militärischen Technik kommandiert werden müssen, um ihre Kenntnisse in Innerer Führung, moderner Waffentechnik, Taktik, Logistik usw. zu vervollständigen. Der Mangel an Offizieren wird durch erforderliche Auslandskommandos oder Krankheiten verschärft. Ich habe angeordnet, durch Stillegung bestimmter Spezialgebiete bei verschiedenen Dienststellen ausbildungserfahrene Offiziere freizumachen. Sie werden zusätzlich zur Truppe kommandiert, um die ständige Besetzung aller Einheiten, d. h. die dauernde effektive Minimalstärke mit mindestens zwei, bed Wehrpflichtigen-Einheiten mit mindestens drei Offizieren trotz der laufenden Abgänge durch unerläßliche Lehrgangsbeschickung, durch Urlaub usw. sicherzustellen. Zusammenfassend stelle ich fest, daß sich die grundsätzlichen Überlegungen und Planungen als richtig erwiesen haben. Zusätzliche Maßnahmen für die weiteren Aufstellungen wurden trotzdem getroffen, um den Gefahren zu begegnen, die ihre Gründe in unserem technischen Zeitalter und seinen Menschen haben. In welcher Richtung diese Anweisungen gehen und welche bereits erlassen sind, habe ich gezeigt. Ich hoffe, hiermit ein Höchstmaß an Sicherheit zu erreichen. Erziehung zu Verantwortung und Umsicht sowie die laufende Belehrung durch die militärischen Führer werden die Tradition und den Geist des Zusammenspiels schaffen, der die Möglichkeit zu leichtfertig verursachten Unglücken ausschließt oder auf dem niedrigstmöglichen Stand hält. Sie völlig auszuschließen, liegt leider nicht in menschlicher Hand. Die Bundeswehr nimmt herzlich Anteil an dem Schmerz der so hart getroffenen Angehörigen. Nach dem Unglück sind der Bundeswehr aus allen Krei o sen unseres Volkes und aus dem Auslande viele Beweise der Anteilnahme zugegangen. Dafür möchte ich namens der Bundeswehr auch hier nochmals meinen Dank sagen. Ich eröffne die allgemeine Aussprache über den Bericht des Verteidigungsministers. Das Wort hat der Abgeordnete Eschmann. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf dem Heimkehrertreffen vor einigen Tagen in Frankfurt war die Losung sichtbar ausgegeben: Zur Verantwortung gerufen! Ich mochte über die Behandlung der Frage, die heute ansteht, auch die Losung stellen: Zur Verantwortung gerufen! Mehr denn je hat die Bevölkerung der Bundesrepublik mit tiefem Mitgefühl an den beiden furchtbaren Unglücksfällen unserer jungen Bundeswehr, dem Unglücksfall an der Iller und dem Unglücksfall in Grafenwöhr teilgenommen. Ich glaube, die Angehörigen der Verunglückten und der Toten, die ganze Bevölkerung unserer Bundesrepublik und ganz besonders die Eltern von Söhnen, die ja noch der Bundeswehr zur Verfügung gestellt werden sollen, haben ein unabdingbares Recht darauf, daß heute in dieser Beratung etwas über die Konsequenzen, die man aus diesem Geschehen zu ziehen bereit ist, ausgesagt wird; sie haben ein Recht darauf, auch etwas zu hören über die Verpflichtung, die uns alle miteinander durch den Tod dieser jungen Soldaten aufgegeben worden ist. Man muß an diese Frage herangehen, ohne auszuweichen und ohne sie mit vielleicht abgeschmackten Redensarten abzutun, etwa der, es würde aus parteitaktischen oder wahltaktischen Gründen Stellung genommen. Es ist notwendig, auch die Frage der Schuld zu behandeln, ohne auszuweichen. Sicher gibt es da eine strafrechtliche Seite, wie es auch im Bericht des Herrn Verteidigungsministers angedeutet worden ist. Aber, meine Damen und Herren, darüber gibt es keinen Zweifel: Es gibt in dieser Frage auch eine politische Schuld, und zu ihr muß in diesem Haus und zu dieser Stunde Stellung genommen werden. Hier kann man eben, ohne auszuweichen, sagen — ich bringe damit die Auffassung meiner Fraktion und meine persönliche Auffassung zum Ausdruck—, daß die Schuld für diese Geschehnisse im tiefsten Grunde bei der verfehlten Wehrpolitik und ihren Ergebnissen zu suchen ist, (Lachen und Zurufe von der Mitte — Beifall bei der SPD)


(Bundesverteidigungsminister Strauß)


(Bundesverteidigungsminister Strauß)


(Bundesverteidigungsminister Strauß)


(Bundesverteidigungsminister Strauß)


(Bundesverteidigungsminister Strauß)

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0221500600
Fritz Eschmann (SPD):
Rede ID: ID0221500700

(Zustimmung bei der SPD.)

bei der verfehlten Wehrpolitik des Herrn Bundeskanzlers und seiner Regierung, des Verteidigungsministers und, meine Damen und Herren, der dafür zuständigen Verantwortlichen, und das sind Sie, die Sie jetzt glauben, das mit einem Lächeln und mit Zwischenrufen abwehren zu können.

(Abg. Stücklen: Wir haben nicht gelacht!)

— Dann sehen Sie sich einmal um; man glaubt, das mit Lachen abtun zu müssen.

(Zuruf von der Mitte: Sie sind mitten in der Wahltaktik!)

— Daß es für Sie peinlich ist, wenn das mit aller
Deutlichkeit festgestellt wird, kann ich mir denken.

(Unruhe. — Glocke des Präsidenten.)

Aber es kommt noch etwas hinzu. Sie haben uns in der Vergangenheit gesagt, und Sie sagen uns das jetzt immer noch — und es gibt leider noch viele, die Ihnen das glauben —, daß wir auf Grund der Verträge verpflichtet seien, 500 000 Mann an Soldaten aufzustellen. Inzwischen wissen Sie so gut wie Ihr Verteidigungsminister, daß wir von diesen Zahlen längst abgekommen sind, nicht, weil es an der Hinderungspolitik der Opposition liegt, sondern weil die gesamten internationalen Verhältnisse inzwischen sich so weit entwickelt haben, daß das eine Selbstverständlichkeit werden muß. Nur bei Ihnen hat sich in dieser Hinsicht angeblich immer noch nichts geändert. Nun, es mag sein, daß Sie glauben, es wäre um der Vertragstreue willen notwendig, aber von einer sinnlosen Hast und Überstürzung des Aufbaus unserer Bundeswehr steht in den Verträgen nirgendwo etwas geschrieben. Diese Eile und diese Hast haben sich zuungunsten der Ausbildung der Truppe ausgewirkt. Ich werde nachher versuchen, Ihnen an Einzelbeispielen den Nachweis zu bringen, wo das der Fall ist. Es ist festzustellen, daß im System der Bundeswehr gewisse Dinge nicht in Ordnung sind. Auf die verfehlte Konzeption der Politik des Aufbaus der Bundeswehr ist es zurückzuführen, daß wir solche schweren Geschehnisse zur Kenntnis nehmen und zu ihnen Stellung nehmen müssen.
Wir haben vor zwei Jahren in Amerika mit Politikern des größten Partnerlandes der Bundesrepublik über diese Dinge gesprochen; die Abgeordneten Jaeger, Berendsen, Josten und Kliesing sind Zeugen gewesen. Die Menschen da drüben haben uns gesagt: „Nehmen Sie sich Zeit, gehen Sie Schritt für Schritt in der Entwicklung und im Aufbau der Bundeswehr vor. Auch wir haben ein großes Interesse daran, daß der Aufbau nicht übereilt und überhastet geschieht, sondern daß eine gründliche Arbeit geleistet wird." Immer, wenn wir seitens der Opposition warnend unsere Stimme erhoben haben, schrittweise, mit vernünftigen Planungen und gründlich vorzugehen, um die Grundlage zu schaffen, die hier notwendig ist, haben Sie uns damit abgetan, daß Sie zum Ausdruck brachten, wir sagten immer und zu allem nein und betrieben hier eine Hindernispolitik; es ging sogar so weit, daß Sie sagten, seitens der Opposition werde für die Sicherheit der Bundesrepublik und ihrer Bevölkerung nichts getan.

(Sehr wahr! in der Mitte.)

— Sie sagen „Sehr wahr". Sie wissen genau, daß das nicht stichhaltig, daß das nicht wahr und zurückzuweisen ist.
Um das ganze Problem gründlich zu beleuchten, ist es notwendig, einen Blick in die Bundeswehr und in die Truppe zu tun. Ich stelle einmal die Frage: sind Sie wirklich der Meinung, daß in der Bundeswehr das Prinzip der Disziplin und des Ernstnehmens von Befehlen — es gibt keinen Zweifel darüber, daß eine Truppe auf den Grundlagen von Befehl oder Anordnung und Gehorsam aufgebaut sein muß — so klar und eindeutig ist, wie es der Fall sein sollte? Wir müssen diese Dinge hier behandeln — lassen Sie mich das noch einflechten —, weil wir keine Gelegenheit mehr haben, dies in Unterausschüssen zu tun. Auch der


(Eschmann)

Unterausschuß „Führung", in dem wir über die Angelegenheiten der Ausbildung, der Lehrgänge und Schulen gesprochen und aus der Erfahrung Vorschläge gemacht haben, wie man es machen sollte, ist auf Ihren Antrag hin aufgelöst worden. Wir haben im Verteidigungsausschuß vor der heutigen Erklärung des Herrn Verteidigungsministers nur einen Zwischenbericht bekommen; sonst sind diese Dinge nicht beraten worden. Wir müssen uns also hier im Plenum damit beschäftigen.
Die Vorstellungen über die Präsentiergriffe — um nur ein Beispiel herauszugreifen, das Ihnen vielleicht simpel erscheinen mag; aber dieses Problem ist da — und über die Grußordnung sind von den Politikern im Einverständnis mit den zuständigen Stellen des Verteidigungsministeriums in monatelangen Beratungen und Besprechungen erörtert worden. Es ist festgelegt worden, in welcher Form, in welcher Art und Weise diese Dinge gemacht werden sollen. Wir waren und sind der Meinung, daß Beschäftigungstheorie und überflüssige Dinge wie z. B. Präsentiergriffe überhaupt nicht mehr geübt werden sollten, und zwar aus Zeitgründen nicht und auch aus Gründen der Tatsache nicht, daß ein solcher Verteidigungsapparat viel Geld kostet und man das Geld zweckmäßig anlegen sollte, nicht für Beschäftigungstheorie. Was wird in der Bundeswehr gemacht, meine Damen und Herren? Es werden wieder fleißig Präsentiergriffe gekloppt.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Nach der alten Methode wird wieder fleißig die Grußordnung geübt und durchgeführt. Ich will Ihnen auch sagen, warum. Weil es in der Bundeswehr an den Stellen, wo das geschieht, Offiziere gibt, die nicht geneigt sind, Befehle, die ihnen nicht zusagen, auszuführen. Sie umgehen sie, weil sie ihnen unbequem sind.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Das ist hier der Fall. Und wenn, wie sich an solchen simplen Beispielen zeigt, die Dinge oben nicht in Ordnung sind, wie sollen sie dann — und das möchte ich Sie einmal fragen — unten in Ordnung sein. wenn man dort die Beispiele sieht und den Anschauungsunterricht bekommt, wie oben gehandelt wird?
Es gibt auch eine Anordnung über Vereidigungsfeiern, die Einfachheit und Schlichtheit vorschreibt. Ich frage Sie: Haben Sie nicht Anschauungsunterricht nehmen können. wie das gehandhabt wird. mit welcher Aufmachung, mit welchem Porno? Von den Reden, die dabei gehalten werden, will ich hier gar nicht sprechen.

(Sehr wahr! bei der SPD. - Abg. Paul: Der Minister ist Zeuge!)

Meine Damen und Herren, nehmen wir das unmittelbare Beispiel an der Iller und überprüfen wir einmal, wie es in dieser Hinsicht in der Befehlsgebung und in der Ausführung aussieht. Es ist die Stellenbesetzung angesprochen worden. Wir wissen, daß vier Offiziersstellen in der Kompanie vorhanden sind. Nur eine war besetzt. Die unmittelbare Aufsicht über die übende Truppe hatten die Unteroffiziere. Nun gut, die Unteroffiziere können Aufsicht führen. aber nur dann. wenn ihnen die Grundlage einer eingehenden Ausbildung gegeben worden ist und wenn sie über die notwendige Erfahrung verfügen. die zur Ausübung dieser Dienstaufsicht und zur Übernahme von Verantwortung bei der übenden Truppe notwendig ist.
Es ist hier gesagt worden: Der Dienstplan an diesem Tag beinhaltete Gefechtsausbildung des Einzelschützen, Schanzen, Tarnen, Täuschen und Spähtruppausbildung, das Verhalten des Schützen im Spähtrupp. Meine Damen und Herren, militärtechnisch, ausbildungstechnisch gesehen, möchte ich Ihnen dazu sagen, daß mir jedenfalls die erfahrenen Soldaten unserer Bundeswehr, mit denen ich gesprochen habe — abgesehen von meiner eigenen Erfahrung, die ich in diesen Dingen habe —, gesagt haben: Eine solche Ausbildung, bei der in einem Spähtruppübungsverfahren die letzte Konzentration und die letzte Fertigkeit des Soldaten verlangt wird, gehört niemals an den Anfang der Ausbildung von Rekruten, sondern wenn schon, dann in die Endphase der Ausbildung. Auch dann wird der Rekrut nach modernen Grundsätzen noch nicht in der Lage sein, diese Fertigkeit eingehend und bis ins letzte gekonnt auszuüben.
Aber an diesem Tage stand in dem Dienstplan nichts von einem Flußübergang an der Iller. Wenn es vorgesehen gewesen wäre, diesen Ausbildungspunkt durchzuführen, dann hätte man sich an die Sicherheitsbestimmungen halten müssen, die auf dem Papier gegeben sind — der Herr Verteidigungsminister hat sie hier angedeutet —: Die Flußtiefe und die Geschwindigkeit des Wassers müssen überprüft werden; es muß vorher abgesteckt werden, wie die Bodenbeschaffenheit ist; die Wattiefe darf für Fußsoldaten nicht mehr als einen Meter betragen, und es muß flußoberseitig ein Seil gespannt werden. Sicherheitsmaßnahmen müssen getroffen werden, wenn etwas Derartiges geübt wird. Nun ist festzustellen, daß diese Sicherheitsvorkehrungen nicht getroffen waren. Auch hier möchte ich daraus ableiten: damit ist der Nachweis erbracht, daß ausbildungsmäßig jedenfalls diejenigen, die die Dienstaufsicht hatten, nicht reif waren, entsprechend richtig zu handeln und zu verfahren. Es gibt keinen Zweifel darüber, daß die Ausbildung der Ausbilder in unserer Bundeswehr auf Kosten des übereilten und überhasteten Aufbaus der Bundeswehr gegangen ist.

(Zuruf von der CDU/CSU: Durch Ihre Verzögerung!)

Wir wissen heute. daß in den Stäben unserer Bundeswehr eine ganze Reihe von Offizieren und Unteroffizieren sitzen, die über Friedensausbildungserfahrung und auch über Fronterfahrung aus dem letzten Krieg verfügen. Man sollte in eine Überprüfung eintreten — und das sollte man schnellstens tun —, um dort Umbesetzungen vorzunehmen. Man sollte die Offiziere und Unteroffiziere, die dazu ausbildungsmäßig in der Lage sind, umsetzen, damit sie in der Truppe die Ausbildung übernehmen und zeigen können. wie so etwas gemacht wird.
Aber zurück zum Tag an der Iller. Es handelt sich la nicht nur um das, was aus dem Dienstplan herauszulesen war, und um das, was daraus geschehen ist und sich so bitter und grausig dartut. Schon vorher ist bekanntgeworden, daß bei diesen seit nur drei Monaten eingezogenen Rekruten nach drei Wochen Dienstzeit unter anderem ein Gewaltmarsch von 50 km angesetzt worden ist.

(Lebhafte Rufe von der SPD: Hört! Hört! — Zuruf von der SPD: Hören Sie zu, Herr Minister!)



(Eschmann)

Es ist bekanntgeworden, daß nach Rückkehr von diesem Gewaltmarsch mit dreiwöchigen Rekruten um Mitternacht in der Unterkunft bereits um 2 Uhr wieder Alarm gegeben worden ist und diese Rekruten in eine Alarmübung geführt worden sind.

(Erneute lebhafte Rufe von der SPD: Hört! Hört! — Abg. Paul: Wer hat das befohlen?)

Nach Rückkehr um 10 Uhr in die Unterkunft, mit geschwollenen, mit verwundeten Füßen hat noch eine Inspektion von einer Stunde stattgefunden, und dann erst sind die jungen Soldaten zur Ruhe gekommen.

(Abg. Paul: Sind dafür auch nur die Unteroffiziere verantwortlich? Herr Minister, antworten Sie!)

Wir sollten überprüfen, ob da etwas im System nicht in Ordnung, ob da etwas in Ordnung zu bringen ist. Hier wird der Zwischenruf gemacht, ob da auch nur die Unteroffiziere verantwortlich sind. Ich glaube nicht, daß man es, wie das Herr General Heusinger am Tage des Unglücksfalls tat, mit der Parole abtun kann: Was da geschehen ist, liegt allein in der Schuld der Unteroffiziere; Offiziere sind unbeteiligt.

(Hört! Hört! und Pfui-Rufe bei der SPD.)

So geht es nicht, so kann man es nicht machen.

(Zurufe von der SPD: Sehr gut! — Alte Masche!)

Es ist notwendig, in der Truppe selbst zu versuchen, durch wirklich erfahrene Ausbilder, Offiziere und Unteroffiziere, eine Änderung herbeizuführen, um den jungen Menschen und ihren Eltern, die diese jungen Menschen noch zur Verfügung stellen, wenn sie Soldat werden sollen, die Gewähr zu geben, daß solch schwere Unglücksfälle, jedenfalls so weit, wie das nur irgend möglich ist, ausgeschaltet werden.
Meine Damen und Herren, Sie können es vielleicht damit abtun, daß Sie diese Geschehnisse mit unglücklichen Umständen erklären. Da sind wir eben entgegengesetzter Meinung, Herr Verteidigungsminister. Die Bundeswehr ist nach unserer Auffassung eben nicht reif, Rekruten aufzunehmen und sie mit all den Sicherheitsvorkehrungen und mit der Gründlichkeit, die notwendig ist, zu Soldaten auszubilden, die wirklich ihren Zweck erfüllen. Alle Maßnahmen, die ein Minimum an diesen Möglichkeiten und Sicherungen bieten, müssen angewandt werden, um die Soldaten in die Lage zu versetzen, nicht nur auszubilden und dann Aufsicht auszuüben, sondern auch Verantwortung zu übernehmen.
Meine Damen und Herren, in Gesprächen mit Offizieren und Unteroffizieren der Bundeswehr — zuletzt habe ich selber auf der Tagung des Bundeswehrverbandes Gelegenheit gehabt, das festzustellen — ist erhebliche Klage darüber geführt worden und wird sie immer noch geführt, daß die Offiziere und die Unteroffiziere in unserer Bundeswehr viel zu sehr zum Improvisieren in jeder Hinsicht gezwungen seien, und zwar auf Grund der dort in bezug auf Unterbringung, Unterkunft, Bekleidung und sonstige Versorgung, aber auch ganz besonders in bezug auf die Ausbildung bestehenden Mißstände. Diese Soldaten erklären im Gespräch, sie seien nicht in der Lage, die Verantwortung so zu übernehmen, wie man es von ihnen verlange, eben weil die Voraussetzungen für Gründlichkeit in all diesen Dingen nicht gegeben seien. Wenn Sie, meine Damen und Herren, mit diesen Soldaten sprechen, sagen sie es Ihnen auch, sie sähen und erkennen selber, daß das eine Folge der Überhastung und Übereilung beim ganzen Aufbau der Bundeswehr sei. Meine Damen und Herren, wenn diese Mißstände bereits unter den derzeitigen Verhältnissen festzustellen sind, wie hätte es dann aussehen sollen und wie würde es aussehen, wenn es im Aufbau der Truppe nach den Vorstellungen des Herrn Blank gegangen wäre? Sie wissen doch alle, daß Herr Blank sechs Divisionen und noch viel mehr innerhalb von 22 Monaten komplett aufstellen wollte. Es wäre nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn es so vor sich gegangen wäre.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Meine Damen und Herren, es gibt natürlich eine ganze Reihe von Beispielen, die noch als weitere Begründung dafür anzuführen wären, daß es eine politische Schuld gibt, vor der man nicht ausweichen kann und zu der man Stellung nehmen muß, wie ich Ihnen schon eingangs meiner Ausführungen glaubte sagen zu müssen.
Auch über die Frage der Versorgung der Ange-
hörigen der Toten wäre noch etwas zu sagen; doch darüber wird Ihnen mein Kollege Rasch im Verlauf der Debatte noch einiges sagen.
Ich möchte aber noch einmal ganz kurz zusammenfassen, daß es nach Auffassung meiner Fraktion nicht angeht, in dieser Frage nun einige unglückliche Unteroffiziere als Sündenböcke hinzustellen. Meine Fraktion möchte diese Frage auch nicht nach der Parole von Herrn Heusinger, daß, wie ich eben sagte, die Schuld bei den Unteroffizieren und nicht bei den Offizieren liege, geregelt sehen, auch nicht über den vom Verteidigungsministerium selber im Bulletin vom 13. Juni aufgezeigten Wog. Denn da heißt es, die Soldaten an der Iller hätten den Befehl verweigern können. Meine Damen und Herren, das scheint mir eine Abwälzung der Schuld nach unten zu sein und ein doch sehr schmähliches Verfahren, ein schmählicher Weg, nämlich die Schuldfrage sogar auf die Toten zu verschieben. Das sollte man nicht tun; das ist nicht der Weg, um mit dieser Frage fertig zu werden.
Meine Damen und Herren, wir sind der Meinung, daß aus dieser ganzen Situation Konseqenzen gezogen werden müssen und daß wir alle einer Verpflichtung nachzukommen haben. Etwa vor drei Tagen haben wir in den Zeitungen lesen können, daß jetzt in den Besprechungen des Herrn Verteidigungsministers mit seinen hohen Generälen die Auffassung bekanntgegeben worden sei, die die Herren Generäle angeblich schon seit Monaten hätten, daß nämlich die Bundeswehr eine Atempause benötige und daß man erst einmal zum Ausbau und Aufbau von Ausbildungskadern kommen müsse, die es überhaupt gewährleisteten, daß die Rekruten ausgebildet werden können. Aber gestern war Zeitungsmeldungen zu entnehmen, daß niemals an einen Aufbaustopp gedacht sei und daß die bewußten Vorfälle, die Unglücke an der Iller und in Grafenwöhr, keinerlei Anlaß dazu gäben, nun anders zu verfahren als bisher, daß also der


(Eschmann)

Aufbau der Bundeswehr weiterhin a tempo betrieben werden solle.
Meine Fraktion ist der Meinung, ,daß ausbildungserfahrene Offiziere und Unteroffiziere aus den Stäben, wo sie sitzen, in die Truppe umgesetzt werden sollten, damit sie in der Truppe zeigen, wie die richtige Ausbildung durchgeführt wird, und daß es bei Tagesbefehlen, Standortbefehlen und wie diese Dinge alle heißen, die auf Gefahrenpunkte hinweisen, die allen Unterführern zur Kenntnis gebracht werden und aktenkundig gemacht werden, nicht bei der Aktenkundigmachung und Abzeichnung bleiben darf, sondern daß es notwendig ist, die Durchführung dieser Befehle zu überwachen. Da scheint es in unserer Bundeswehr, in der Truppe selbst nicht :in Ordnung zu sein. Hier scheint mir der Beweis zu liegen, daß auch das eine Folge des übereilten Aufbaues ist, den in erster Linie der Herr Bundeskanzler immer haben wollte. Das sollte die Aufgabe dieser Offiziere sein.
Ich habe seit gestern aus der Presse entnommen, daß man im Verteidigungsministerium jetzt auf einmal mehr dazu neigt, auch ältere, erfahrene Unteroffiziere und Offiziere einzustellen. Ich will hier nicht die Frage untersuchen, ob sich bisher die Besten beworben und gemeldet haben. Wir wissen, daß sich eine ganze Reihe ehemaliger guter Offiziere und Unteroffiziere mit bester Ausbildung, auch Friedensausbildung, nicht nur im Kriege, sondern auch nachher bewährt haben und nach 1915 Positionen beziehen konnten, die ihrer Haltung und ihrer ganzen Qualifikation entsprachen. Sie sind nicht zur Bundeswehr gekommen, weil der Anreiz nicht :allzu groß war; das wissen Sie, meine Damen und Herren. Das gilt für die Besoldung, für die Unterbringung und all die Dinge, bei denen es aber an guten Vorschlägen von uns, wie man es verbessern könnte, nicht gefehlt hat. Nur sind Sie diesen Vorschlägen nicht gefolgt.
Ich habe die Befürchtung, Sie folgen unseren Vorschlägen auch auf einem bestimmten Gebiet nicht, das jetzt ansteht. Es handelt sich um die Sanitätsoffiziere. Ich habe mir sagen lassen, daß im Beamtenrechtsausschuß in dieser Frage Entscheidungen gefallen sind, die mir nicht die Gewähr geben, daß die Truppe in die Lage versetzt wird, solche Sanitätsoffiziere zu bekommen, die wirklich mit Lust :und Liebe den Dienst für die Truppe aufnehmen, der mir schon sehr dringend zu sein scheint, allein auf Grund der Übungen, die man in nach meinem Dafürhalten sinnwidriger Weise mit Rekruten macht, die erst drei Wochen dabei sind. Mit .ihnen macht man diese Marschübungen und andere Dinge, die eigentlich in die letzte Phase der Ausbildung gehören.
Wir sind ferner .der Meinung, daß niemand Unterführer werden darf, der nicht neben seiner Waffenausbildung eine gründliche, einwandfreie Ausbildung auf einer Unteroffiziersschule erhalten hat. Erst das gibt die Gewähr dafür, daß ein Ausbilder, ein Unterführer in der Lage ist, Rekruten auszubilden. Mir genügt das, Herr Verteidigungsminister, was Sie in Ihrem Bericht angeführt haben, was bisher für die qualifizierte Ausbildung vorgesehen ist, nicht.
Weiter sind wir der Meinung, daß niemand zum Offizier ernannt werden sollte, der nicht eine zweieinhalbjährige Ausbildung auf den entsprechenden Schulen und in der Truppe selbst durchgemacht
hat. Nur wenn das der Fallist, ist die Gewähr gegeben, daß der Offizier in der Lage ist, auszubilden.
Im Gegensatz zu Ihnen, meine Damen und Herren —das nehme ich als sicher an —, und im Gegensatz zum Herrn Verteidigungsminister sind wir der Ansicht, daß ab sofort kein Rekrut mehr zusätzlich eingezogen werden dürfte, ehe die leistungsfähigen Ausbildungskader erstellt sind, die in der Lage sind, richtig auszubilden und die letzte Verantwortung zu übernehmen. Nur wenn das geschieht, glauben wir, daß wir auch den Eltern der Söhne gerecht werden, die noch Soldat werden sollen, daß wir ihnen die Gewißheit geben, daß von den Verantwortlichen hier in diesem Plenum, aber auch vom Verteidigungsministerium die richtigen Konsequenzen gezogen worden sind.
Wir werden weiter debattieren, und es wird möglich sein, in der Debatte das eine oder andere noch zu sagen. Ich möchte :abschließend zum Ausdruck bringen, daß uns eine ganze Reihe der Dinge, die jetzt in der Bundeswehr gemacht werden sollen und die der Herr Verteidigungsminister hier vorgetragen hat, so anmuten wie nach dem Spruch: das Kind ist in den Brunnen gefallen, jetzt wird der Deckel daraufgelegt. Wenn jetzt erst diese Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden — daß überprüft wird, .daß die Befehle aktenkundig gemacht, daß sie abgezeichnet werden und daß die Ausführung der Befehle überwacht wird - dann ist das doch der Beweis dafür, daß das bisher nicht gemacht worden ist und daß es bisher eben nicht in Ordnung war, und dann ist das auch die Begründung und der Beweis dafür, daß die Bundeswehr eben nicht reif war, Rekruten aufzunehmen, sie zu verkraften, sie entsprechend auszubilden, und was sonst dazugehört. Deshalb sind wir der Meinung, daß das schnellstens in Ordnung gebracht werden sollte. Aber um Schlimmeres zu verhüten, glauben wir mit unserer Auffassung recht zu haben: keine weiteren Einstellungen, bis die Ausbildungskader stehen und die Voraussetzungen geschaffen sind.
Sie haben über die Befehlstreue gesprochen, Herr Verteidigungsminister, und waren .der Meinung, daß nach der Pause, die wir gehabt haben, und nach den Vorgängen im letzten Kriege diese Befehlstreue nicht mehr so ernst genommen werde. Herr Verteidigungsminister, für die alten ehemaligen Soldaten möchte ich Ihnen erklären: Das können Sie nicht allgemein sagen, das müssen Sie dann schon in bestimmter Richtung sagen. Ich möchte hier stellvertretend für alle, die bis zuletzt ihre Pflicht getan haben, betonen: Die Befehlstreue war da und ist geblieben, sie besteht auch heute noch für sinnvolle und wirklichkeitsnahe Befehle. Darüber gibt es keinen Zweifel. Wenn Sie aber recht haben sollten, dann ist der Standpunkt um so richtiger, daß desto sorgfältiger und gründlicher ausgebildet werden müßte. Das ist in der Bundeswehr nach unserer Auffassung nicht der Fall. Deshalb ist, wenn wir die Frage der Schuld beleuchten, die Schuld eindeutig — wie ich es eingangs gesagt habe — bei den Verantwortlichen zu suchen, und die sitzen in Ihren Reihen, meine Damen und Herren; die sitzen in der Regierung, angefangen bei dem Herrn Bundeskanzler und seiner Regierung, und im Verteidigungsministerium. Das sei noch einmal mit aller Deutlichkeit gesagt.

(Beifall bei der SPD. — Widerspruch und Zurufe von der CDU/CSU.)



Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0221500800
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Jaeger.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0221500900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben uns in diesem Hohen Hause oft über grundsätzliche und praktische Fragen des Wehrwesens und der Wehrpolitik unterhalten. Noch niemals hatten wir einen so traurigen Anlaß, dies zu tun. Dieser konkrete, für uns alle — nicht nur für die Betroffenen, sondern für alle und sicherlich auch für dieses Hohe Haus — schmerzliche Anlaß sollte uns allen, gleich ob wir Parteien der Koalition oder der Opposition angehören, ein bestimmtes Maß an Zurückhaltung auferlegen.

(Sehr richtig! und Beifall bei der CDU/CSU.)

Wir müssen eine menschliche Tragödie, die aus Zufall, Schicksal und menschlichem Versagen zustande gekommen ist, so würdigen, wie sie zustande kam, und wir müssen versuchen, über die Frage der Schuld, über die Frage der Versorgung und vor allem über die Frage der Vermeidung einer Wiederholung solcher Unglücke hier zu sachlichen Vorstellungen zu kommen. Wir dürfen aber nicht politisches Kapital aus diesem traurigen Ereignis schlagen.

(Sehr richtig! und Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich werde daher, so hoffe ich, der Versuchung, in parteipolitische Einseitigkeiten abzugleiten, in meiner Rede widerstehen, auch wenn es mein Herr Vorredner nicht in allen Teilen seiner Rede vermocht hat.
Das Unglück an der Iller — auch das in Grafenwöhr, aber das Unglück an der Iller vielleicht noch l etwas sichtbarer, weil es das erste Unglück war und weil es eine große Zahl von Soldaten getroffen hat, nicht zuletzt auch, weil es lauter Wehrpflichtige getroffen hat — hat an das Herz des ganzen Volkes gerührt, weil es ja Söhne und Brüder unserer Mitbürger waren, die in die Iller hineinmarschiert und die in der Iller ertrunken sind. Und es hätten doch unser aller Söhne und unser aller Brüder sein können! Dieser Gedanke, daß ein solches Schicksal aus heiterem Himmel kommen kann, ist es, der die Menschen so tief anrührt und verständlicherweise nach einem Schuldigen suchen läßt, aber noch viel mehr danach suchen lassen sollte, wie nach menschlichem Ermessen eine Wiederholung eines solchen Unglücks vermieden werden kann.
Bereits drei Tage nach dem Unglück ist der Bundestagsausschuß für Verteidigung zusammengetreten und hat in einer sehr guten Besetzung — trotz der parlamentarischen Ferien — den vorläufigen Bericht des Ministeriums entgegengenommen, dem gegenüber im heutigen Bericht nicht sehr viel Neues gesagt werden konnte, — wenn wir es auch begrüßen, diesen Bericht heute hier zu hören, weil es notwendig ist, beim ersten Male, da der Bundestag nach dem Unglück als Plenum zusammentritt, diese Dinge vor der Öffentlichkeit des ganzen Volkes zu vertreten und auszusprechen.
Schon bei den Beratungen des Verteidigungsausschusses haben wir uns von dem Gedanken leiten lassen, daß wir nicht unser Recht als Untersuchungsausschuß ausüben. Denn hier ist, was die Schuldfrage betrifft, zuerst einmal das Gericht berufen zu sprechen. Es geht für den Ausschuß, es geht für das Plenum darum, einen Bericht über Tatsachen zu erhalten, nicht ein Urteil über die strafrechtliche Schuld zu fällen, aber doch den Kreis der Verantwortungen und Verantwortlichen abzugrenzen und bestimmte sachliche Folgerungen aus Fehlern, die wir feststellen können, zu ziehen.
Am Anfang aller unserer Überlegungen steht der Gedanke an den Wert des Menschenlebens in einem freiheitlichen Staat. Gerade weil in einer nicht sehr ferner Vergangenheit das Menschenleben sehr wenig gegolten hat, wollen wir immer wieder daran erinnern, daß das Menschenleben etwas Einmaliges, etwas Unersetzbares ist, das unser aller Achtung und den Schutz unserer Gemeinschaft erfordert. Der Wert dieses Menschenlebens macht ja gerade die jungen Rekruten, die als Wehrpflichtige zu den Fahnen eilen, zu dem wertvollsten Gut, das das Volk den Männern anvertraut, die als militärische Führer und Unterführer über sie in einem gewissen Grade zu verfügen haben. Wir möchten aber grundsätzlich feststellen, daß uns ebenso wie das Leben der Wehrpflichtigen das Leben der Freiwilligen in gleichem Maße schätzenswert erscheint und in gleichem Maße unserer Achtung und Hilfe bedarf. Denn wir sind alle, ganz gleich, welche Bürger unseres Staates wir sind, ob solche in Zivil oder solche in Uniform, welche Art von Soldaten wir sind, ob Wehrpflichtige, Soldaten auf Zeit oder Berufssoldaten, in gleicher Weise in diesem Staat berechtigt und verpflichtet.
Es ist verständlich, daß man bei der Suche nach einem Schuldigen gern einen möglichst hohen findet. Das entspricht einer ganz einfachen menschlichen Mentalität. Ein General auf der Anklagebank in dem Prozeß in Kempten wäre eine Sensation und würde sicherlich dazu beitragen, viel von verständlichem und unverständlichem Unmut abzureagieren. Aber Sie werden — das, glaube ich, kann man jetzt bereits sagen — einen solchen auf dieser Anklagebank nicht finden. Ja, man weiß in dieser Stunde nicht, ob Sie überhaupt einen Offizier auf der Anklagebank finden werden, schon gar nicht, wie das Gericht urteilen wird. Dieser Tatbestand. daß man in diesem Augenblick nicht mit klarer Eindeutigkeit eine hochgestellte Persönlichkeit als Schuldigen betrachten kann, sollte schon zu einer gewissen Zurückhaltung in der ganzen Beurteilung führen.

(Abg. Paul: Das gilt auch für die hohen Generäle; die sollen kein voreiliges Urteil sprechen! Sie wissen, was ich meine!)

— Ich will das, was ich für mich selbst gelten lasse und für Sie, Herr Kollege Paul. selbstverständlich auch für hohe Generäle gelten lassen. Eine andere Frage ist, ob und wo dagegen verstoßen worden ist. Das ist eine andere Angelegenheit, die ich nicht zu vertreten haben.
Man hat gesagt, es sei unmöglich, daß als Schuldige an diesem Unglück allein zwei Unteroffiziere, zwei Soldaten im Range eines Unterfeldwebels, oder, wie man früher bei uns gesagt hat, im Range eines Sergeanten übrigbleiben. Nun, möglich ist es durchaus. Es kann durchaus ein Urteil ergehen, das dies feststellt. Deshalb soll man nicht von vornherein meinen. daß immer und überall, weiß Gott an welcher Stelle, eine Verantwortung für ein Unglück vorhanden sein müsse, das in seinem Ausmaß groß und entsetzlich war, das aber doch in einem erheblichen Umfang durch ganz besondere Umstände herbeigeführt worden ist.
Wir müssen uns außerdem doch wahl sagen, daß es gar nicht so verwunderlich wäre, wenn im wesentlichen die Verantwortung allein zweier


(Dr. Jaeger)

Unteroffiziere — Verantwortung mindestens im strafrechtlichen Sinne — übrigbliebe. Denn was man in den vergangenen Jahren vielfach zu Unrecht und manchmal zu Recht am deutschen Militär mit dem Schlagwort des Militarismus — in diesem Falle auszulegen als ein Mißbrauch der Befehlsgewalt und eine Verachtung menschlicher Würde — kritisiert hat, das ist doch im wesentlichen immer auf das Konto einzelner Unteroffiziere und nur in seltenen Fällen auf das Konto einzelner Offiziere geschrieben worden. Schließlich sind Himmelstoß und Platzek, jene Romanfiguren, die vielleicht oder sicherlich für diesen Fall gar nicht einschlägig sind, nun einmal beide Unteroffiziere — gleichmäßig verteilt der aktiven Truppe und der Reserve — gewesen.
Wir sollten also nicht so tun, als wenn dies eine völlige Unmöglichkeit wäre oder als ob man sich hier höheren Orts vor einer Verantwortung drükken wollte, die in diesem Fall gar nicht zu tragen ist. Deshalb glaube ich auch, daß es völlig verfehlt ist, zu sagen, hier liege eine politische Schuld vor; denn die sinnlose Eile und Hast des Aufbaues unserer Bundeswehr habe diese zwangsläufige Folge gehabt. Nein, meine Damen und Herren, selbst wenn Sie unterstellen, daß die Bundeswehr in sinnloser Eile und Hast aufgebaut wind, können Sie das Unglück ,an der Iller oder das in Grafenwöhr nicht für eine zwangsläufige Folge halten. Schließlich und endlich ist jenes schon erwähnte Unglück an der Weser im Jahre 1925 in einem Heere vorgekommen — in der Reichswehr —, das bestimmt nicht in sinnloser Eile .und Hast vergrößert oder aufgebaut wurde, sondern das vielmehr abgebaut und verkleinert wurde aus dem hochqualifizierten Heer des ersten Weltkrieges. Also solche Unglücke können passieren ganz unabhängig davon, ob wir uns im Stadium eines schnellen oder eines langsamen Aufbaues oder überhaupt im Stadium eines Aufbaues oder einer normalen Weiterentwicklung befinden.
Außerdem ist der Standpunkt, daß Qualität vor Quantität geht, sowohl von meinen politischen Freunden als auch insonderheit vom Herrn Verteidigungsminister vertreten worden. Ich glaube, sinnlose Eile und Hast darf man uns bei den derzeitigen Planungen des Aufbaues der Bundeswehr keineswegs unterstellen oder vorwerfen. Wir haben in der Bundeswehr zur Zeit über 27 000 Unteroffiziere und über 10 000 Offiziere. Wenn sich nun wirklich das Maximum, was herauskommen kann, wenn sich nämlich drei Unteroffiziere — zwei in Kempten und einer in Grafenwöhr — einer strafbaren Handlung schuldig gemacht haben, wenn es vielleicht noch ein Offizier, der Kompaniechef in Kempten, gewesen sein soll — ich unterstelle es einmal —, was ist das unter so vielen, und was beweist das für das Ganze?

(Sehr gut! in der Mitte.)

Man soll doch hier nicht die Dinge übertreiben. Das Übertreiben wäre ein ebenso großer Fehler, als wenn man die Unglücke und die dabei vorhandene Schuld leugnen oder als recht gering bezeichnen wollte. Nein, man muß die Dinge ohne Vergrößerungs- und ohne Verkleinerungsglas ganz in ihrer natürlichen Ordnung sehen.
Deshalb ist auch der Ruf, es sollte kein Rekrut eingestellt werden, bevor eine durchgreifende Änderung erfolgt sei, ein gar nicht zutreffender Ruf, um so weniger, als allen in diesem Hohen
Hause bekannt ist, daß nach den Planungen des Ministeriums die nächsten Rekruten erst am 1. April des nächsten Jahres eingezogen werden. Es besteht also gar keine Gefahr, daß dies bereits in den nächsten Monaten geschieht.
Meine Damen und Herren, ich will nicht leugnen, daß für den unabhängigen Beurteiler der Dinge manches an den Vorgängen an der Iller rätselhaft ist. Es ist mir jedenfalls sehr rätselhaft, wie es sich ein Unteroffizier erlauben kann, gegen zwei Befehle, gegen den Befehl, den Fluß nicht zu durchschreiten, und gegen .den Befehl, sich an den Dienstplan zu halten, zu verstoßen und außerdem seinen Zug in durchnäßten Kleidern zur Kompaniesammelstelle zu führen. Hier liegt zweifellos der Verdacht vor, daß die Dienstaufsicht durch den zuständigen Offizier, in diesem Falle den Kompaniechef, vielleicht nicht immer mit der notwendigen Härte und Genauigkeit ausgeübt worden ist. Das ist eine Frage, die auch gerichtlich wird geprüft werden müssen. Jedenfalls muß es in einer Kompanie schon etwas merkwürdig aussehen, wenn sich ein Unteroffizier einen Befehlsverstoß leisten kann, der so offenkundig ist wie der ,des Durchwatens und Duschschwimmens eines Flusses, wobei die ganze Ausrüstung und Uniform der Soldaten und diese selbst doch naß werden, so daß das ohne weiteres von jedem höheren Vorgesetzten festgestellt werden kann.

(Abg. Paul: Hat man ja früher auch schon gemacht!)

Hier sind Quellen von Fehlern vorhanden, die sicherlich nach der gerichtlichen Untersuchung noch eine genaue disziplinare Behandlung notwendig machen. Aber ich erkenne dies ohne weiteres an und möchte doch andererseits sagen, daß man die Bedeutung dieser Sache nicht übertreiben sollte. Vor allem sollte man aus diesem Unglück an der Iller nicht folgern, daß unsere Bundeswehrsoldaten durch die Bank unerfahrenen Unteroffizieren in die Hand gegeben werden. Da müssen Sie schon andere Beispiele bringen, die mehr beweisen. Wenn einem Unteroffizier wie demjenigen, der den Befehl zum Durchwaten der Iller gegeben hat, der 23 Jahre alt ist — was bestimmt kein besonders junges Alter für einen Unteroffizier in der Vergangenheit war und in der Gegenwart und Zukunft ist —, der eine Ausbildung ausgerechnet bei der Bereitschaftspolizei, die der stärksten Belastung aus der Situation, nämlich der Berlins, ausgesetzt ist, mitgemacht hat und jetzt bereits über ein Jahr bei der Bundeswehr ist, der sehr gut qualifiziert ist, so etwas passiert, so soll er nicht freigesprochen werden. Das kann ich ebensowenig, wie ich ihn verurteilen kann. Es gibt Fehlerquellen genug. Man weiß, wie oft menschliche Beurteilungen Fehlbeurteilungen sind. Aber ich muß doch nach Betrachtung der Dinge sagen, hier handelt es sich um einen Mann, der als junger Unteroffizier schon immerhin mit 23 Jahren das Höchstmaß an militärischer oder militärähnlicher Vorbildung hat, das im gegenwärtigen Augenblick gegeben werden kann.
Ich stelle noch fest: der Befehl, der zum Durchschreiten der Iller gegeben wurde, wurde weder aus Böswilligkeit noch aus Schikane gegeben, vielleicht ,aus einem gewissen sportlichen Übermut, aber jedenfalls nicht aus diesen beiden sehr traurigen Beweggründen, der Böswilligkeit und Schikane, die wir aus dem Film 08/15 und anderen Dingen so eindrucksvoll kennen. Wir müssen auch


(Dr. Jaeger)

feststellen, daß dieser Befehl keineswegs gegen die Menschenwürde verstoßen hat, ja nach der Meinung dessen, der den Befehl gegeben, und aller, die ihn ausführten, überhaupt keine Gefahr für ihr Leben dargestellt hat. Man kann nicht behaupten, aus diesem Vorgang sei zu folgern, daß die Gedanken bezüglich der inneren Führung, die unter den Schlagworten „Inneres Gefüge" und „Graf Baudissin" dieses Hohe Haus und die Offentlichkeit lange Zeit beschäftigt haben, von der Bundeswehr verlassen worden seien, das sei durch dieses Unglück zu beweisen. Es war kein Befehl gegen die Menschenwürde, es war kein Befehl, bei dem irgend jemand an eine besondere Gefahr gedacht hat. Die Frage, ob die Rekruten den Befehl hätten verweigern können oder nicht, stellt sich gar nicht, weil sich niemand über die Situation wirklich im klaren gewesen ist. Allerdings ist es bedauerlich, daß es Soldaten gibt, die an einem bayerischen Gebirgsfluß üben und über Stromschnellen und ihre Gefährlichkeit nicht Bescheid wissen, vielleicht auch nicht hinreichend belehrt worden sind. Auch hierüber wird eine Klarstellung erfolgen müssen. Aber die Folgerungen, die hier gezogen wurden, können nicht gezogen werden.
Schließlich müssen wir auch bedenken, daß es sich um Luftlandetruppen, um Nachfolger der alten Fallschirmjäger, also um eine Truppe handelt, die immer über besondere Bravour und besonderen Korpsgeist verfügte. Die 15 Toten haben sich alle freiwillig zur Luftlandetruppe gemeldet. Sieben davon, fast die Hälfte, haben sich freiwillig verpflichtet, sechs Monate länger zu dienen als zwölf Monate. Sie sehen, daß es sich hier um besonders einsatzfreudige, um begeisterte junge Soldaten gehandelt hat. Keineswegs also eine Situation, in der Unwillige oder Zögernde zu etwas gezwungen worden wären, was sie nicht gewollt haben. Eine ganz andere Frage ist, ob angesichts solcher junger Idealisten, solch einsatzfreudiger und begeisterungsfähiger Soldaten, die Verantwortung der militärischen Führer und Unterführer, diese Begeisterung zu zügeln und in die richtige Bahn zu lenken, nicht noch größer ist als bei solchen Soldaten, die vielleicht nicht ganz über diesen Schwung verfügt hätten.
Wir werden uns darum bemühen müssen, alles zu tun, was die Wiederholung eines solchen Unglücks vermeidbar macht. Weil wir aber alle über genügend Erfahrung verfügen, wissen wir, daß leider die Wiederholung solcher Unglücke für alle Zukunft und unter allen Umständen niemals ausgeschlossen werden kann, daß das Risiko, das über allem menschlichen Leben lastet, nur vermindert, leider Gottes niemals beseitigt werden kann.
Im übrigen hat gerade der Vorgang in Grafenwöhr gezeigt, daß sogar das, was mein Herr Vorredner so sehr fordert, alles aktenkundig zu machen, mit Unterschriften zu versehen und dergleichen, nicht davor schützt, daß ein Unglück passiert. Denn jener Unteroffizier, der mit dem Blindgänger in Grafenwöhr umgegangen ist, ist ja ausgerechnet noch am selben Tage belehrt worden. Das hat — bei einer offenbar etwas leichtsinnigen Veranlagung — leider Gottes nichts geholfen. Auch alle Vorschriften und Vorsorgen können eben Unsicherheitsfaktoren, die in der Natur des Menschen liegen, nicht beseitigen. Ich zweifle auch daran, ob eine Erziehung auf Schulen, sei sie noch so lang, diese vollkommen beseitigen kann, so notwendig eine solche Erziehung auch ist.
Wir haben uns nun zu fragen, was für Folgerungen wir aus dem, was hier geschehen ist, und aus den Tatsachen, soweit sie uns in diesem Augenblick bekanntgeworden sind, ziehen wollen. Wir werden — ich glaube, das ist das erste — weiterhin mit besonderer Aufmerksamkeit auf den Fragenkreis schauen, der mit den Worten Befehl und Gehorsam umrissen ist. Wenn ich die Vorgänge sowohl in Grafenwöhr als auch an der Iller betrachte, dann glaube ich, daß der erste Punkt, auf den wir zu achten haben, nicht die Möglichkeit einer Befehlsverweigerung ist; denn an der Iller hat niemand die Möglichkeit dafür erkannt, und in Grafenwöhr war ein solcher Fall gar nicht gegeben. Ich glaube vielmehr, daß wir beim Aufbau der Bundeswehr immer wieder in besonderer Weise betonen müssen, daß die Bundeswehr wie jedes Militär, auch in demokratischen Staaten, auch in der Schweiz, in den Vereinigten Staaten oder in England, wohin der Ausschuß für Verteidigung Studienreisen unternommen hat, auf Befehl und Gehorsam beruht und daß die Befehlsverweigerung nur im extremen Fall das Ausnahmerecht des Soldaten sein kann. Über die Möglichkeit eines solchen extremen Falles soll er allerdings eingehend belehrt werden. Wir hoffen, hierüber in Zukunft noch deutlichere Mitteilungen des Ministeriums zu erhalten.
Aber ich habe ,den Eindruck, daß durch die jahrelange Diskussion über den Aufbau eines modernen Militärs bei der Neigung unseres Volkes, von einem Extrem ins andere zu fallen, also vom Kadavergehorsam sozusagen zur Zügellosigkeit überzugehen, die Gefahr besteht, daß die Notwendigkeit der Autorität im Leben überhaupt und nicht zuletzt im Militär nicht immer in der nötigen Klarheit erkannt wird. Das ist besonders gefährlich in einer Zeit, in der leider auch in Elternhaus und Schule Autoritätslosigkeit vielfach festgestellt werden muß, ein Umstand, den das Militär nicht wieder gutmachen kann, dem gegenüber es aber gewisse Schutzmaßnahmen treffen muß, die eben auf einer klaren Befehlsgabe, auf dem Bewußtsein der Verantwortung für den gegebenen Befehl, aber auch auf dem Bewußtsein der Verantwortung für die Durchführung und Anerkennung des gegebenen Befehls beruhen.
Schließlich ist das Unglück an der Iller durch den Verstoß gegen zwei Befehle passiert. Der Verstoß wurde von Unteroffizieren begangen, also von solchen Soldaten, die in besonderer Weise auf die militärische Aufgabe eingestellt und vorgebildet sind und sich zu dieser Aufgabe besonders berufen fühlen. Es scheint also notwendig zu sein, die Achtung vor dem Befehl erst einmal im Unterführerkorps zu stärken, um sie damit auch in der gesamten Truppe zu stärken.
Ferner wird darauf zu achten sein, daß sich die militärischen Führer und Unterführer solcher Einheiten, in denen besonders einsatzfreudige Soldaten sind, in denen besonders viele Freiwillige oder freiwillige Wehrpflichtige sind, wie bei den Luftlandetruppen, der Verantwortung für ihre jungen Männer in besonderer Weise bewußt sind und deren Begeisterungsfähigkeit zu sinnvollem Einsatz lenken und nicht unsinnig verschwenden lassen und damit diese jungen Männer selber gefährden.
Das nächste, worauf wir zu achten haben, ist die gründliche Ausbildung unserer Unteroffiziere. Diesen Männern, die eine hohe Verantwortung tragen, da sie die unmittelbare Führung der freiwilligen und der wehrpflichtigen Soldaten haben, muß klar sein, welche Verantwortung sie haben. Sie müssen mit den modernen technischen Me-


(Dr. Jaeger)

thoden, aber gerade auch mit den modernen Methoden der inneren Führung vertraut gemacht werden, die keineswegs durch diese Ereignisse als in der Bundeswehr gefährdet erscheinen, aber ebensowenig als widerlegt. Die Gedanken der inneren Führung sollten niemals die Verbindlichkeit des Befehls in Frage stellen, sondern sie sollten nur den Vorgesetzten zu sinnvollem Befehl veranlassen und andere Befehle ausschließen. Es kommt also darauf an, diese Gedanken in immer breitere Kreise unseres Unteroffizierskorps hineinzutragen, sein Verantwortungsbewußtsein zu stärken, damit auch eine gewisse Zurückhaltung, ein Wägen vor dem Erlaß eines Befehls, aber dann ebenso die Bestimmtheit des Auftretens zur Durchführung des einmal gegebenen Befehls sich bildet.
Wir müssen uns auch darüber im klaren sein, daß die Erfahrungen, die schließlich in der Führung von Menschen wichtiger sind als alles Studium, nicht auf Lehrgängen erworben werden können und daß gerade eine Erfahrung mit modernen technischen und mit modernen pädagogischen Methoden nur in der Praxis, hier und heute in der Führung der Truppe, gelernt werden kann.
Schließlich haben wir darauf zu achten, daß die Unteroffiziere selber von Offizieren geführt und beaufsichtigt werden, die auch in ausreichender Zahl da sein müssen. Im Wort „Unteroffizier" stecken zwei Bestandteile: „Unter" und „Offizier". In diesem Zusammenhang ist es notwendig, die erste Hälfte des Wortes deutlich zu betonen. Denn der Unteroffizier ist der Mann, der dem Offizier zur Hand geht, der ihm bei der Führung der Truppe hilft, 'der unter der ständigen Leitung und Weiterbildung und auch Aufsicht des Offiziers zu stehen hat. Die Ereignisse gerade bei dem Vorgang an der Iller — in einer Kompanie, die an diesem Tage unglückseligerweise besonders schwach besetzt war; am gleichen Tage sollte sich bereits ein neuer, ein zweiter Offizier zu dieser Kompanie melden, aber an jenem Tage war sie besonders schwachbesetzt — zeigen uns, daß die Truppe mehr Offiziere braucht und daß die Stellen, die der Bundestag bewilligt hat, nun auch besetzt werden sollten.
In besonderer Weise erscheint es uns wichtig, dafür zu sorgen, daß jene Form des Dienstes, die nun einmal die bedeutsamste ist und die auch das größte Risiko für die Soldaten mit sich bringt, der Außerdienst, regelmäßig von Offizieren geleitet wird, nicht nur auf dem Dienstplan, sondern auch in Tat und Wahrheit draußen im Gelände. Es ist zu überlegen, ob es nicht notwendig ist, wenn im Augenblick junge Offiziere noch nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen, in größerem Umfang mindestens für einige Jahre auf das doch recht große Angebot älterer Offiziere zurückzugreifen, auch wenn vielleicht zeitweise etwas zu hohe Dienstgrade Einheiten führen, zu deren Führung sie sonst im ,allgemeinen nicht berufen sind. Man wird damit für eine gewisse Zeit ein wertvolles Kapital menschlicher Erfahrungen einsetzen können und wird, bis die jungen Offiziere ausgebildet sind, gewisse Lücken überbrücken können.
Das andere ist allerdings auch die Bitte an das Bundesministerium für Verteidigung, den Papierkrieg, der leider Gottes unvermeidlich ist, auf das möglichste Mindestmaß einzuschränken, so wie es uns heute schon von dem Minister verkündet wurde, eine Forderung, die aber nicht nur für das Ministerium, sondern auch für die nachgeordneten Dienststellen gilt, damit die Offiziere und insonderheit der Kompaniechef in ihöherem Maße in der Lage sind, sich persönlich um den Außendienst und um die Rekruten zu kümmern.
Des weiteren ist zu fordern, daß die Sicherheitsbestimmungen überprüft und in jenem strengen Geist durchgeführt werden, der auch in früheren Zeiten üblich war. Wenn ich an eine Schießübung in der früheren Wehrmacht denke, dann weiß ich, daß der leitende Offizier beinahe ständig mit einem Fuß im Gefängnis stand. So streng waren die Forderungen, die an ihn und an seine Unteroffiziere gestellt waren.
Wenn es sich nun einmal zeigt, daß der höchste Prozentsatz an Toten — offenbar nicht nur in der Wehrmacht und in der Reichswehr, sondern auch in den Armeen anderer Nationen — durch Ertrinken gestellt wird, so können wir daraus, glaube ich, nur die Folgerung ziehen, daß mit besonderer Sorgfalt vorgegangen werden muß, sobald Soldaten mit dem Wasser in Berührung kommen. Sobald Flüsse überschritten werden, sobald Schwimmübungen gemacht werden, muß alles zur Sicherheit Notwendige, müssen insbesondere auch Kameraden am Ufer, die im Rettungsdienst ausgebildet sind, zur Verfügung stehen. Gerade diese Tätigkeit kann nur unter Aufsicht von Offizieren durchgeführt werden. Besonders die Zahlen, die der Herr Verteidigungsminister aus den Armeen anderer Nationen hier verlesen hat, zeigen, wie groß die Gefahr auf diesem Gebiet ist und wie notwendig es ist, hier zu steuern und der Gefahr entgegenzutreten und sie auf das Menschenmögliche zu verringern.
Das gleiche gilt für die Gefahren, die im Verkehr — im Verkehr im Dienst und im Privatverkehr in der Freizeit — nun einmal gegeben sind. Wir müssen versuchen, allgemein die Zahl der Verkehrstoten zu verringern, und wir wollen ganz besonders durch eine gute Erziehung unserer Soldaten dafür sorgen, daß die Zahl der Verkehrstoten bei der Bundeswehr, auch in der Freizeit, zurückgeht, selbst wenn dies mit einer gewissen Beschneidung der Freiheit allzu jugendlicher Soldaten verbunden sein sollte.
Die letzte Frage, der wir jetzt und in Zukunft unser Augenmerk zuwenden müssen, ist die der Versorgung. Wir haben das Versorgungsgesetz, das nun bald in Kraft treten und rückwirkend angewendet werden wird, in diesem Hohen Hause einstimmig verabschiedet. Vorwürfe, die außerhalb des Hohen Hauses gegen das Gesetz erhoben werden, treffen also alle politischen Parteien in gleicher Weise und sind in allen Fällen unberechtigt; denn wir alle haben erklärt, daß dieses Gesetz ein erster Schritt zu einer weiterhin zu verbessernden Versorgung unserer Bundeswehr ebenso wie der Angehörigen der alten Wehrmacht sein soll.
In diesem Fall, wo glücklicherweise wenigstens keine Familienväter Opfer des Unglücks sind, haben wir schon im Ausschuß die Regierung aufgefordert, von den Möglichkeiten, die das Gesetz in bezug auf Elternrente und Elternbeihilfe und in der Härteklausel bietet, oder die außerhalb des Gesetzes in Form von Sonderhilfen gegeben sind, in großzügiger, schneller und unbürokratischer Weise Gebrauch zu machen. Wir möchten diese Forderung heute und hier erneut erheben.
Ich komme zum Schluß. Das Unglück, das die Bundeswehr, das so viele Familien und das schließlich das ganze deutsche Volk getroffen hat, sollte für uns kein Anlaß zu gegenseitiger Polemik sein,


(Dr. Jaeger)

sondern uns veranlassen, einiger zusammenzurükken, um unseren jungen Menschen den moralischen Halt und die Mittel an die Hand zu geben, die die Wiederholung solcher Unglücksfälle verhindern können, und auf diese Weise dem Aufbau unserer Bundeswehr und unserem ganzen Volk zu dienen.

(Beifall in der Mitte.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221501000
Das Wort hat der Abgeordnete Schneider (Bremerhaven).
Schneider (Bremerhaven) (DP [FVP]): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe die Ehre, namens der Fraktion der Deutschen Partei (Freien Volkspartei) folgendes zu dem hier anstehenden Tagesordnungspunkt zu erklären.
Ich möchte vorausschicken, daß wir angesichts der großen Tragik dieses Unglücks selbstverständlich davon Abstand zu nehmen wünschen, etwa an den politischen Grundlagen der Dinge, die hier zur Verhandlung stehen, zu rütteln. Wir wollen weder in irgendeiner Form Propaganda machen noch etwa die strafrechtliche Seite der Sache untersuchen, was den Gerichten überlassen bleiben muß, noch etwa einen Vorwurf gegen die Bundeswehr in ihrer heutigen Form bzw. gegen die Soldaten und Offiziere unserer Bundeswehr erheben. Aber immerhin ist dies bei aller Tragik des Geschehens ein Anlaß, in aller Sachlichkeit diejenigen Gesichtspunkte aufzuzeigen, die vielleicht dazu führen könnten, daß wir in Zukunft von derartigen Vorkommnissen verschont bleiben.
Es ist eine Tatsache, daß die bewaffnete Macht gerade im demokratischen Staat im Blickpunkt der Öffentlichkeit steht, und wir alle haben aus diesem Grunde die Verpflichtung, zu untersuchen, was wir als Parlament tun können, um einmal das Ansehen und zum anderen das Funktionieren dieser bewaffneten Macht sicherzustellen.
Sicherlich sind die Aufbauzeiten wie diese — wir schicken uns an, der Bundeswehr erst die endgültige Form zu geben — besondere Zeiten, und sie erfordern mitunter besondere Maßnahmen. Gewiß soll man nicht in dieser oder jener Richtung übertreiben, wenn man nach Maßnahmen, sei es zur Abstellung von Mängeln, sei es zur Findung oder Bestrafung von Schuldigen, ruft. Für meine politischen Freunde erhebt sich die Frage, ob wir in der Vergangenheit wirklich alles richtig gemacht haben. War es genug, daß sich das Hohe Haus, wenn es sich um Fragen der Wiederbewaffnung oder der Bundeswehr handelte, hauptsächlich mit der Frage: „Staatsbürger in Uniform oder nicht" befaßte? Haben wir uns nicht — dieses Unglück gibt uns Veranlassung, diese Frage zu stellen — vielleicht etwas leichtfertig der Erfahrungen, die gerade die Deutschen mit einer Wehrmacht haben, begeben? Ich will hier nicht untersuchen — es ist auch nicht der Ort und der Platz dazu —, ob Unteroffiziere oder Offiziere an dem Unglück an der Iller schuld gewesen sind. Aber ich kann das unterstreichen, was einer meiner Herren Vorredner hier gesagt hat: daß Befehl und Gehorsam in Verantwortung — jawohl, in Verantwortung! — zur Maxime auch unserer jungen Bundeswehr gemacht werden müssen.
In diesem Zusammenhang wurden hier auch einige Worte über die heute vielfach mangelnde Autorität auf allen Gebieten unseres Lebens — sei
es in der Schule, sei es im Elternhaus, sei es in den Betrieben und sei es letzten Endes auch in den Streitkräften — gesprochen. Meine politischen Freunde können das, was mein Herr Vorredner zu diesem Punkt gesagt hat, nur vollinhaltlich unterstreichen. Wir können dabei darauf zurückblicken, daß wir seit Jahren — oftmals allerdings deswegen angegriffen — auf diese Dinge hingewiesen haben. Deswegen bin ich Herrn Dr. Jaeger besonders dankbar, daß er dieses Wort ausgesprochen hat. Ich bin mir nämlich darüber klar, daß es, aus dem Munde der Rechten dieses Hauses gesagt, vielleicht hier und dort hätte Veranlassung geben können, uns erneut als reaktionär oder militaristisch zu verdächtigen.
Die Maßnahmen, die der Herr Bundesverteidigungsminister dem Hohen Hause erläutert hat, finden unsere Anerkennung und Billigung. Allerdings muß es mir gestattet sein, zu sagen, daß diese Maßnahmen allein nicht ausreichen, insbesondere im Hinblick darauf, daß wir alle — gleichviel welcher Partei wir in diesem Hause angehören — die Verantwortung gegenüber den Eltern draußen, die die Wehrpflichtigen diesem Staat überantworten, zu tragen haben. Ich habe vorhin bereits angedeutet, daß wir aus einem verständlichen Gefühl der Notwendigkeit der Umordnung der Dinge in der Vergangenheit bei der Aufstellung der Streitkräfte vielleicht zu viel nach Kontrollen und anderen Dingen gerufen haben und daß dabei vielleicht das rein Militärische etwas zu kurz gekommen ist. Ich darf mir die Bemerkung erlauben, daß ich damit unter anderem meine, daß hierbei die ehemaligen Soldaten schlechthin zu kurz gekommen sind. Es ist sicherlich übertrieben, was jener Schweizer Journalist im Oktober 1956 schrieb; aber es ist symptomatisch, und ein Körnchen Wahrheit steckt doch darin. Deswegen möchte ich Ihnen diese wenigen Sätze vorlesen:
Am Problem des Militärs
— so schreibt die „Schweizer Weltwoche" —
wird die ganze geistige Situation Westdeutschlands symbolhaft sichtbar. Was von Bonn und ebenso auch aus dem Ausland während all der letzten Jahre immer wieder zu hören war, hieß, daß man sich gegenüber den gefährlichen, zum Mißbrauch der Macht und Autorität neigenden deutschen Soldaten vorsehen müsse. Nun hat man erreicht, daß der Soldat kein Übermensch ist, sondern ein Untermensch. Man hat die Wiederbewaffnung mit quasi schlechtem Gewissen und unter tausend ängstlichen Entschuldigungen akzeptiert, als wäre sie etwas, was den Krieg fördere und die Demokratie korrumpiere, und nun wird sie auch vom Volke als das empfunden.
Ich sage, das ist sicherlich etwas übertrieben; aber ein kleines Körnchen Wahrheit ist doch darin. Wir können nicht übersehen, daß trotz unserer idealen Bestrebungen bezüglich des sogenannten inneren Gefüges im inneren Gefüge der Bundeswehr bei aller Solidität, bei allem Können und Wissen der Führer und Unterführer doch eine gewisse Unsicherheit herrscht. Ich gebe zu, daß die großen Schwierigkeiten, die unter anderem darin begründet sind, daß wir gleichzeitig mit der Truppe das Ministerium aufbauen mußten, ich gebe zu, daß der Neubeginn der Aufstellung von Streitkräften schlechthin und alles, was an Imponderabilien und Schwierigkeiten damit zusammenhängt, es unver-


(Schneider [Bremerhaven])

meidbar machen werden, daß wir ab und zu Unebenheiten im Aufbau erleben werden. Dazu kommt aber leider, daß wir — ich darf das ganz offen und ohne jedes Ressentiment aussprechen — sicherlich zu viel auf die gut en alten Traditionen und g u t e n Dinge, die sich in den Streitkräften deutscher Vergangenheit bewährt haben, verzichtet haben. Es kommt außerdem hinzu — und hier stütze ich mich auf Auskünfte der verschiedensten Stellen —, daß auch in der Personalauswahl nicht immer eine glückliche Hand gewaltet hat. Es kommt hinzu, daß man damals — meine Fraktion ist ja dagegen Sturm gelaufen — einen Personalgutachterausschuß eingerichtet hat, der letzten Endes diesem Hohen Hause eine Verantwortung abnahm, die eigentlich diesem Hohen Hause selbst zugekommen wäre.
Meine politischen Freunde und ich sind nicht so töricht, etwa die Einstellung aller ehemaligen deutschen Soldaten zu fordern. Wir wissen wie Sie, daß es Millionen gewesen sind. Wir wissen auch, aus welchen Gründen es Millionen gewesen sind. Aber was wir fordern müssen und was wir in den vergangenen Jahren auch immer wieder gefordert haben, ist, daß man auf die Erfahrungen dieser ehemaligen Offiziere und Unteroffiziere im Frieden und Krieg nicht in dem Maße verzichten durfte, wie man es getan hat.
Meine Damen und Herren, ich glaube auch folgendes feststellen zu dürfen. Man hat u. a. auf diese Erfahrungen verzichtet, weil man diese ehemaligen Offiziere und Unteroffiziere mit ihren Erfahrungen nicht wollte. Ein Leitartikler der Bremer Nachrichten, einer bekannten Tageszeitung, hat vor einigen Tagen geschrieben:
Man konnte nur beschränkt auf Altgediente zurückgreifen, um nicht einen unerwünschten alten Geist zu konservieren.
In der Demokratie ist es erlaubt, alles auszusprechen und alles zu sagen, und es ist auch wieder nicht erlaubt, alles zu sagen. Es spielen auch viele Dinge im Hintergrunde, die man, sei es aus Takt, sei es aus anderen Gründen, nicht aussprechen soll oder nicht aussprechen darf. Ich spreche es hier ganz offen aus: Es ist mit einer der Hauptgründe, die ich eben zitiert habe — und ich führe es auf die Nachkriegsverhältnisse und auf die vielfältigen Ressentiments gegen den Soldaten schlechthin zurück —, daß man ,auf die sogenannten Ehemaligen und damit auf ihre Erfahrunagen verzichtet hat.
Dabei kann heute bei ruhiger und sachlicher Betrachtung niemand bestreiten, daß sie ihre Pflicht zwar für einen Staat, den wir als einen Unrechtsstaat ansehen, getan haben, aber daß sie sie letzten Endes für das gleiche Vaterland, nämlich Deutschland, getan haben, für das auch unsere jetzige Bundeswehr eines Tages — Gott möge es verhüten - immerhin aufgerufen sein könnte. Die Systeme haben sich geändert; das Vaterland und die Pflichten, ihm zu dienen, haben sich nicht geändert. Deswegen, weil es das gleiche Vaterland, nämlich das gleiche Deutschland, ist, in dem wir heute leben, durfte nach Auffassung meiner Freunde nicht auf diese Männer verzichtet werden. Es bereitet mir, ehrlich gesagt, keine Freude — auch nicht meinen politischen Freunden —, wenn ich das einmal so offen ausspreche.
Es ist in diesem Hause schon wiederholt gesagt worden, daß die politischen Ressentiments nach
1945 gerade in bezug auf ,den ehemaligen Uniformträger sehr bestimmend gewesen sind. Ich darf allerdings mit aller Bescheidenheit sagen, daß meine politischen Freunde davon seit eh und je eine Ausnahme gemacht haben und daß man, wie ich schon anfangs erwähnte, uns dieserhalb wiederholt als reaktionär und militaristisch verschrien hat. Es war einfach ein Fehler — ,das ist nicht etwa der alleinige Grund für das Iller-Unglück und ist auch nicht der Grund für ,etwaige Unglücke, die noch über die Bundeswehr kommen könnten, was wir alle nicht hoffen —, daß wir die Traditionen und die Erfahrungen rücksichtslos über Bord geworfen haben, was selbst höhere ausländische Militärs vor gar nicht langer Zeit auf einer Akadiemietagung in Loccum veranlaßte, ihr Erstaunen hierüber den Deutschen gegenüber zum Ausdruck zu bringen. Wenn man nach dem Kriege die Presse und überhaupt einen großen Teil der öffentlichen Meinung und der Publikationsorgane über den deutschen Soldaten schlechthin hörte, dann mußte man den Eindruck haben, daß alles aber auch alles einfach schlecht, falsch und gemein gewesen ist. Deshalb entspricht es nicht ganz den Tatsachen, wenn Kollege Eschmann von der Sozialdemokratischen Partei vorhin gesagt hat, daß die guten Elemente unter Iden Ehemaligen davon Abstand genommen hätten, sich wieder zu melden, weil ihnen Versorgung und Besoldung nicht ausreichend schienen. Über diese materiellen Dinge hinaus gibt es gerade bei diesen sogenannten guten Elementen noch etwas, was nicht zu leicht gewogen werden darf; das ist die Gesinnung und die Art und Weise, in der man sie behandelt hat. Das hat sie in vielen Fällen davon abgehalten, zur Bundeswehr zu kommen. Andere sind gekommen, die meisten sind sicherlich nicht gekommen. Jedenfalls darf ich feststellen, daß wir zumindest einen Baustein, einen traurigen Baustein ,dazu gelegt haben, indem wir praktisch nach 1945 die vernünftigen Grundlagen - ich betone: die vernünftigen Grundligen — des deutschen Soldaten zerstört haben. Vergessen Sie nicht und wägen Sie bitte einmal ebenfalls ohne jedes Ressentiment, welche Auswirkungen dies auch heute noch vielfach auf die Eltern jener jungen Männer haben muß, die als wehrpflichtige Soldaten in die Kasernen der Bundeswehr gerufen werden.
In diesem Zusammenhang möchte ich, wenn ich den Verzicht auf den Gebrauch der Erfahrungen der Ehemaligen so stark herausstelle, ausdrücklich sagen, daß einerseits die Auslassungen des Herrn Bundesverteidigungsministers, der die Prozentsätze der ehemaligen, erfahreneren Soldaten bekanntgegeben hat, in den Augen meiner politischen Freunde kein genügender Beweis dafür sind, daß man sich diese Erfahrungen ausreichend zu eigen gemacht hat. Auf der anderen Seite betone ich, daß diejenigen, die heute oft unter schwierigsten Umständen — wie es gestern auch der Wehrpolitische Ausschuß meiner Partei festgestellt hat — ihren Dienst tun, praktisch keine Schuld treffen kann. Die Quintessenz dessen, was ich sagte, ist: manchmal kommt es meinen Freunden und mir so vor, als hätten wir überhaupt noch nie Soldaten in Deutschland gehabt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Wehrpolitische Ausschuß meiner Partei hat gestern in einer Sitzung die Forderung aufgestellt, daß, veranlaßt durch die tragischen Unfälle an der Iller und in Grafenwöhr, eine vermehrte oder zu-


(Schneider [Bremerhaven])

sätzliche Einstellung ehemaliger Offiziere, Unteroffiziere und Unterführer erfolgt. Ich freue mich, daß mein Vorredner, Herr Kollege Jaeger, einen Vorstoß in der gleichen Richtung gemacht hat. Finanzielle Bedenken dürfen nicht im Vordergrund stehen. Sicherlich haben wir dem Steuerzahler mit der Wiederbewaffnung sowieso eine gewisse Last aufgebürdet. Er würde es uns aber niemals verzeihen, wenn wir die Mittel nicht so ansetzten, daß auch das aus den Dingen herauskommt, was er schlechthin erwarten kann, nämlich daß Leben und Gesundheit der Soldaten einerseits und die Sicherheit des Staates andererseits gewährleistet sind. Deshalb darf die Erfahrung der Ehemaligen nicht mit Geld gewogen werden, und das Parlament darf nicht kleinlich sein in dem Bestreben, sich diese Erfahrungen für die neue Bundeswehr zunutze zu machen.
Die vom Herrn Verteidigungsminister angeordnete Maßnahme, insgesamt, glaube ich, 250 Offiziere aus den Stäben in die Truppe einzuschleusen, ist meinen Freunden keine ausreichende Gewähr, ohne daß ich dabei eine Qualifikation der Betreffenden, die ich im einzelnen ja nicht kenne, hier abgeben möchte. Es kommt eben — ich möchte es noch einmal betonen — entscheidend darauf an, daß wir ohne jedes politische Ressentiment und ohne den einen oder anderen zu verdächtigen, daß er etwa den alten „Kommiß" — und was derlei Redensarten mehr sind — wiederhaben wolle, uns darüber einig sind, daß wir die vorhandenen Erfahrungen im Militärischen stärker als bisher verwerten müssen. Es kann doch wirklich niemand mehr mit Berechtigung sagen, daß die schreckliche Nachkriegszeit und daß die zivile Arbeit — von Einzelfällen abgesehen, die es in allen Berufssparten gibt und die es im menschlichen Leben immer geben wird — an uns ehemaligen aktiven Soldaten, die wir uns nach 1945 in der zivilen Arbeit zu bewähren hatten, etwa spurlos vorübergegangen wären, vor allem an jenen, die heute, enttäuscht und abgelehnt, draußen noch warten.
Als Vertreter der Rechten dieses Hauses muß es mir aber auch verstattet sein, einige wenige Worte zu den Argumenten der Opposition zu sagen. Ich glaube, daß die Ausführungen des Kollegen Eschmann an den wirklichen Argumenten, jedenfalls in sehr vielem, vorbeigegangen sind. Es ist ein eigenartig Ding um die Auffassung der Opposition in Fragen des Militärs. Auf der einen Seite ist es — ich stelle auch das ohne jedes Ressentiment fest, es ist nur eine Feststellung — eine bekannte Tatsache, daß sich das Militär schlechthin bei der Opposition keiner großen Beliebtheit erfreut; das ist aus ihrer Tradition geboren und hat sich bis heute nicht sehr viel geändert. Auf der anderen Seite wetteifert die Opposition mit den übrigen Fraktionen und Parteien in der Fürsorge für den Soldaten. Aber es ist nicht angängig, Vorwürfe gegen die Regierung in bezug auf ihre Wiederbewaffnungs- bzw. Wehrpolitik zu erheben, wenn man auf der anderen Seite auch selbst kräftig dazu beigetragen hat, daß nicht die notwendigen Voraussetzungen geschaffen werden konnten.

(Zurufe rechts und von der Mitte: Sehr richtig!)

Ich darf daran erinnern, daß es die Sozialdemokratische Partei gewesen ist, die zwar einerseits — das will ich loyalerweise zugeben — von ihrem Standpunkt aus wiederholt vor einem übereilten Aufbau der Bundeswehr gewarnt, die aber auf der
anderen Seite auch nichts unterlassen hat, um gerade auch in personeller Hinsicht laufend Schwierigkeiten zu machen.

(Sehr richtig! rechts.)

Es war die Sozialdemokratische Partei, die immer und immer wieder in Presseverlautbarungen und im Verteidigungsausschuß die Streichung von Stellen für die Bundeswehr verlangt hat.

(Abg. Schmidt [Hamburg] : Von Generalsstellen, Herr Schneider, und nicht von Unteroffiziers-Stellen; bleiben Sie doch bei der Wahrheit!)

— Sicherlich hat es sich dabei auch um Generals-stellen gehandelt.

(Abg. Schmidt [Hamburg]: Ausschließlich!)

— Aber, verehrter Herr Kollege Schmidt, ich bitte doch, daß wir hier in Ruhe über die Dinge sprechen.

(Abg. Schmidt [Hamburg]: Man soll bei der Wahrheit bleiben!)

— Ich bin gerne bereit, bei nächster Gelegenheit wieder mit schweren Säbeln zu fechten; aber ich glaube, daß der Anlaß, der zu dieser Debatte geführt 'hat, uns verpflichtet, absolut sachlich zu bleiben.

(Beifall rechts. — Abg. Schmidt [Hamburg] : Bei der Wahrheit zu bleiben, Herr Schneider, und nicht zu lügen! — Zuruf von der Mitte: Haben Sie das gehört?!)

Meine Damen und Herren, die Überhaltung beim Ausbau und Aufbau der Bundeswehr, die von der Sozialdemokratischen Partei den Regierungsparteien vorgeworfen wird, kann von meinen Freunden, natürlich auch von mir selbst, nicht als Argument akzeptiert werden. Es ist eine feststehende Tatsache, daß jedenfalls schon mit dem Ministerwechsel damals ein sehr stark retardierendes Moment in die Dinge hineingekommen ist, und jeder, auch wenn er nicht Militärexperte ist, weiß, daß die Frage der Umrüstung in der ganzen Welt, in allen Ländern, zur Zeit eine so große Rolle spielt, daß es heute selbst allen denjenigen, die schon über stehende Heere verfügen, große Schwierigkeiten macht, die endgültige Form und Organisation ihrer Verbände bekanntzugeben.
Aber eines hat den Regierungsparteien stets vor Augen gestanden — und die Sachlichkeit gebietet, auch das hier festzustellen —: angesichts einer Welt, die uns nicht die Garantie dafür gibt, daß wir in Frieden leben können, die Sicherheitsvorkehrungen für unsere Nation zu treffen, zu denen jede verantwortungsvolle Regierung verpflichtet ist.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Meine Freunde und ich sind mit den Vorrednern darin einig, daß dieses tragische Unglück für alle verantwortlichen Stellen in Regierung und Parlament sowieso Anlaß sein wird, diejenigen Maßnahmen zu überlegen und zu treffen, die solche Vorkommnisse nach Möglichkeit ausschalten. Daß menschliche Unzulänglichkeit und auch Fügungen des Schicksals, Zusammentreffen unglücklicher Umstände es nicht ausgeschlossen machen, daß immer wieder da und dort einmal etwas passiert, so wie es auch im übrigen täglichen Leben geschieht, weiß jeder von uns. Aber gerade das sollte uns Verpflichtung sein, unter allen Umständen davon abzulassen, dieses Unglück nun etwa dazu zu benutzen, eine Fanfare zu blasen. Wir dienen der


(Schneider [Bremerhaven])

Sache am besten, wenn wir in gemeinsamer Beratung überlegen — teilweise sind die Maßnahmen vom Verteidigungsministerium bereits getroffen—, wie eine intensivere Schulung des Führer- und insbesondere des Unterführerkorps erfolgen kann. Darauf sollte das Hauptaugenmerk des Verteidigungsministeriums und auch des Verteidigungsausschusses gerichtet sein.
Darüber hinaus haben es meine Freunde beklagt, daß sich dieser Bundestag nicht dazu aufraffen konnte, das Organisationsgesetz zu verabschieden. Es hätte das Unglück an der Iller sicherlich nicht verhindern können. Es ist aber doch ein Baustein beim Aufbau der Bundeswehr, und es hätte durch die klarere Abgrenzung von Befehlsgewalt, Kommandogewalt und Organisation die Möglichkeit eröffnet, da und dort vielleicht schon etwas zu tun. was bis heute unterblieben ist. Es darf nicht so sein, daß Vorkommnisse wie die, die wir hier zu beklagen haben, den Anstoß dazu gehen, daß wir uns über solche Maßnahmen unterhalten. Als verantwortungsbewußte und vom Volk hierher gewählte Vertreter haben wir die Verpflichtung, vorausschauend alle Maßnahmen zu treffen, damit solche Dinge nicht passieren können.
Ich sagte zu Beginn, daß es nicht meine Aufgabe ist, die strafrechtlichen Fragen hier zu untersuchen. Ich kann es mir deshalb auch versagen, darauf einzugehen, Ob wir etwa einen Offizier oder einen Unteroffizier bestraft zu sehen wünschen. Ich kann nur sagen: möge das Gericht die Umstände so aufklären können, daß die wirklich Schuldigen gefunden werden. Es ist allzu billig, in einem solchen Falle etwa diesen Dienstgrad gegen jenen auszuspielen oder diesen Dienstgrad vor jenem in Schutz zu nehmen. Sosehr die Opfer in der Iller zu bedauern sind, so sehr sind in einer Weise auch diejenigen zu bedauern, die aus jugendlicher Unerfahrenheit, die sicherlich ein erhebliches Moment war, dazu beigetragen haben, daß es zu einem solchen Unglück kommen konnte. Schon aus diesem Grunde darf nur absolut Recht gesprochen werden. Es darf nicht politisch Recht gesprochen werden, indem man den Stab über die Unteroffiziere oder über die Offiziere 'bricht.
Ich wiederhole, es geht um Leben und Gesundheit unserer Soldaten, die die Eltern zu uns in die Bundeswehr schicken, und es geht um die Sicherheit unseres Staates schlechthin. Deshalb sind wir alle aufgerufen, gemeinsam daran zu arbeiten, daß die Lehren aus dem Unglück gezogen und die Maßnahmen getroffen werden, die es wahrscheinlich machen, daß sich derartiges nicht wiederholt. Mein Appell zum Schluß ist: Verzichten Sie hierbei nicht, aus welchen Gründen auch immer, auf die Erfahrung derjenigen, che schon einmal eine solide militärische Ausbildung im Frieden und im Krieg bekommen haben!

(Beifall bei der DP [FVP] und bei der CDU/CSU.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221501100
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Mende.

Dr. Erich Mende (CDU):
Rede ID: ID0221501200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der ,Freien Demokratischen Partei teilt die Auffassung, daß die Unglücksfälle von. Kempten und Grafenwöhr kein Anlaß sein sollten, mit der Majestät des Todes parteipolitische Geschäfte verbinden zu wollen. Es sollen also keine Propagandafanfaren geblasen werden. Ebenso falsch wäre es aber, mit gedämpftem Trommelklang an der Wahrheit vorbeimarschieren zu wollen. Wenn die sinnlosen Opfer von Kempten und Grafenwöhr einen letzten Sinn haben sollen, dann doch den, aus den beiden Unglücksfällen Konsequenzen zu ziehen, um nach menschlichem Ermessen die Wiederholung solcher Unglücksfälle auszuschließen.
Ohne Zweifel wird es immer in einer modernen Wehrmacht ein hohes Unfallrisiko geben. Aus diesem Grunde haben wir bei der Debatte des Wehrpflichtgesetzes die Ausschließung der, letzten Sahne von der Wehrpflicht beantragt. Die verehrte Alterspräsidentin, Frau Dr. Lüders, hat sich damals von einem Kollegen der Fraktion der CDU/CSU sagen lassen müssen, daß auch das Skifahren gefährlich sei und man dann ja auch den jungen Deutschen das Skilaufen verbieten müßte. Nun, das Haus hat sich dieser oberflächlichen Auffassung nicht angeschlossen, die letzten Söhne sind aus der Wehrpflicht ausgeklammert worden. Der Unglücksfall an der Iller bestätigt das hohe Unfallrisiko einer modernen Bundeswehr.
Trotzdem ist es abwegig — und da widersprechen wir dem Herrn Verteidigungsminister —, mit Statistiken und mit Vergleichen früherer Unglücke hier operieren zu wollen. Der Unterschied zu dem Niobe-Unglück und zu dem Unglück der Reichswehr an der Weser ist der: Bei diesen beiden Unglücken der Reichsmarine und der Reichswehr haben sinnvolle Übungen stattgefunden, unter den entsprechenden Sicherungen und unter der Aufsicht der dafür verantwortlichen Offiziere. In diesem Falle hat eine sinnlose Übung stattgefunden, die weder auf dem Dienstplan vermerkt war noch unter der Aufsicht eines dafür verantwortlichen Offiziers gestanden hat.
Wir vermerken mit einer gewissen Genugtuung, daß beispielsweise beim Bundesgrenzschutz in sechs Jahren auch bei der Ausbildung von 10- und schließlich 20 000 Soldaten, bei der Anlage auch größerer Übungen, etwa bis zum Divisionsverband, gottlob nicht ein einziges Mal ein ähnliches. Unglück passiert ist, während leider bereits wenige Monate nach 'der Einführung der Wehrpflicht bei der Bundeswehr ein so tragischer Unglücksfall zu verzeichnen war. Es erhebt sich also die Frage: Ist es ein 'bloßer Gl'ückzufall, daß sich. beim Bundesgrenzschutz in sechs Jahren nichts derartiges ereignet hat? Oder liegt möglicherweise ein Grund nicht auch darin, daß sich beim Bundesgrenzschutz ein organisches Wachstum vollzog, vielleicht auch bei den Offizieren des Bundesgrenzschutzes mehr Truppenerfahrung als bei manchem Offizier der Bundeswehr vorhanden war, der den größten Teil seiner militärischen Dienstzeit im höheren und höchsten Stäben verbracht hat?
In den bisherigen Beiträgen zur Diskussion ist hier mehrfach von Schuld und von Verantwortung gesprochen worden. Wir sollten streng trennen zwischen der Frage der individuellen Schuld — denn eine Kollektivschuld gibt es nicht, in einem Rechtsstaat gibt es mir die individuelle Schuld — und der Verantwortung, die sowohl individuell von einzelnen getragen werden kann als auch kollektiv von gewissen Institutionen. Es widerspricht den Prinzipien einer rechtsstaatlichen Demokratie, sich in schwebende Verfahren einzumischen. Insofern scheidet hier aus der Stellungnahme zum Bericht des Herrn Verteidigungsministers die Prüfung der Schuldfrage der beiden Unteroffiziere und der aufsichtführenden Offiziere aus. Das ist eine Angelegenheit der ordentlichen Gerichte.


(Dr. Mende)

Der Schwerpunkt unserer Betrachtung muß also auf der Prüfung der Verantwortung liegen. Hier stellt sich eine dreifache Frage. Weiche Verantwortung trägt die Bundeswehr, welche Verantwortung die Bundesregierung und welche Verantwortung auch dieses Parlament?
Bei der Verantwortung, die die Bundeswehr als Institution trägt, fällt auf, daß dieser Unteroffizier über insgesamt nur ein Jahr Dienst in einer militärischen Einheit verfügte. Ich rechne an, daß er über einige Jahre Dienst in einer Polizeieinheit verfügte. Die Frage ist nun: Hat man nicht einem Unteroffizier zuviel Verantwortung aufgebürdet, als man ihm nach einen Jahr Dienstzeit, nach wenigen Monaten Erfahrung als Unteroffizier bereits die Verantwortung für einen Zug Rekruten anvertraute? Es ehrt diesen jungen Unteroffizier, daß er nach dem Prinzip handelte: Man soll von seinen Untergebenen nicht mehr verlangen, als man selbst zu geben jederzeit bereit ist. Er hat die Überquerung des Flusses selbst an der Spitze begonnen, das Maschinengewehr tragend. Es ehrt diesen jungen Unteroffizier, daß er selbst sich als erster in die Gefahr begab. Aber es entbindet uns nicht von der Verpflichtung, zu fragen: Wer kann es mit seinem Gewissen vereinbaren, diesem ganz unerfahrenen militärischen Unterführer die Verantwortung für einen ganzen Zug völlig unerfahrener Rekruten aufzubürden?
Es ist ferner die Frage zu stellen: Welche Unterfahrer waren außerdem noch beim Zug? Bisher ist weder taus den Äußerungen des Herrn Verteidigungsministers noch aus den Äußerungen der beiden Sprecher der Regierungskoalition erkenntlich gewesen, wieviel sogenannte Stammsoldaten bei dem Unglück beteiligt waren. Normalerweise ist es doch so, daß auf einen Zug von etwa 30 Rekruten mindestens sechs Stammsoldaten kommen, also nach der früheren Art Gefreite, die bereits über eine mindestens einjährige Erfahrung verfügen, während die Rekruten nur eine Erfahrung von 2 Monaten verzeichnen konnten. Wir bitten daher den Herrn Verteidigungsminister, auch einmal die Zusammensetzung dieses Rekrutenausbildungszuges uns hier darzulegen. Bisher war nirgendwo ersichtlich, wieviel Unteroffiziere, wieviel ausgebildete ältere Soldaten aus dem sogenannten Stamm bei dem Zuge waren. Die Zahl der Rekruten ist uns ja bekannt.
Wenn Sie, meine Damen und Herren, mit den Ausbildungszeiten der Reichswehr vergleichen, dann werden Sie natürlich ein großes Mißverhältnis zwischen den Dienstgraden und der Ausbildungszeit zur heutigen Zeit feststellen können. Aber die Zeit der Reichswehr ist für einen Vergleich objektiv nicht richtig gewählt. Wir wissen, daß durch gewisse Beschränkungen viele auf einem Dienstgrade jahrelang sitzen mußten, so daß es zum Teil sechs-, acht- und zehnjährige Stabsgefreite gab. Vergleichen wir aber mit einer Zeit, die ähnlich war, nämlich mit der Zeit des Aufbaus der Wehrmacht von der Einführung der Wehrpflicht 1935 bis zum Kriegsbeginn, bis zum 1. September 1939! Niemand kann leugnen, daß es dem damaligen politischen System mit der Aufstellung einer großen Wehrmacht sehr eilig gewesen ist. Trotzdem hat in dieser Zeit jeder Soldat bis zur Rekrutenbesichtigung mindestens vier his sechs Monate Einzelausbildung hinter sich bringen müssen. Erst dann hat man ihn Verbandsausbildung in Gruppe unid Zug machen lassen. Man brauchte ein
Jahr vom Schützen bis zum Oberschützen oder zum Gefreiten. Wollte man Unteroffizier werden, wurde man es, wenn man Reserveoffiziersanwärter war, frühestens nach eineinhalb Jahren, wenn man kein Reserveoffiziersanwärter war, frühestens nach zwei Jahren. Wollte man gar Leutnant werden, brauchte man etwa zweieinhalb bis drei Jahre. Bei allen diesen Zeiten ist noch zu berücksichtigen, daß nach der Einführung der Reichsarbeitsdienstpflicht vorher meistens ein halbes Jahr Arbeitsdienst abgeleistet wurde, in dem zweifelsohne auch schon gewisse Erfahrungen der Einordnung in eine Gemeinschaft, der Härten beim Marschieren, der Leibesübungen vermittelt werden konnten.
Wenn man diese Zeiten beim Aufbau der Wehrmacht mit den Zeiten vergleicht, nach denen man heute Unteroffizier und offensichtlich auch Offizier in der Bundeswehr werden kann, so zeigt sich ein Widerspruch, der meines Erachtens auch mit dazu beiträgt, daß unerfahrenen militärischen Graden Verantwortung auferlegt wird, die sie eben nicht tragen können; denn man kann gewisse organische Entwicklungen und Erfahrungen einfach nicht erzwingen.
Es ist hier schon bemerkt worden, daß das Wesen der Rekrutenausbildung in der Einzelausbildung besteht. Um so unverständlicher ist es, daß bereits in Gruppe und Zug geschlossene Übungen stattfanden. Und, meine Daumen und Herren, selbst wenn sie stattfanden, ist es für jeden älteren Soldaten unverständlich, daß kein Aufsichtführender dabei war, ganz abgesehen von den üblichen Vorsichtsmaßnahmen, mit denen man das Überschreiten eines jeden Flusses, nicht nur eines Gebirgsflusses, verbindet.
Ich will zu der Frage der Verantwortung der Regierung zitieren, was eine Koalitionspartei gestern in einer Verlautbarung ihres Pressedienstes dazu vermerkt hat. Ich bitte den Herrn Bundeskanzler, einmal seinen Herrn Nachbarn, seinen Stellvertreter, der vorhin neben ihm saß, zu fragen, ob das Urteil in dieser Härte nicht eigentlich mehr in die Reihen der Opposition gehörte. Der Pressedienst schreibt, daß diese unglückseligen Vorkommnisse eine Folge der völlig verfehlten — man beachte: der völlig verfehlten! — Personalpolitik beim Aufbau der Bundeswehr sind. Wörtlich heißt es weiter:
Die Verantwortung dafür tragen diejenigen parlamentarischen und Regierungsstellen, die aus politischem Vorurteil und in Verkennung der militärischen Notwendigkeiten einen Aufbau der Bundeswehr mach bewährten Grundsätzen verhindert haben.
Nun, Herr Bundeskanzler, dia wir ja nicht mehr in der Koalition, sondern in der Opposition sind, fällt unser Urteil über die Verantwortung der Regierung wesentlich milder aus als das der Koalitionspartei. Wir glauben nämlich nicht, daß es richtig ist - wie es Herr Kollege Eschmann hier darlegte —, daß die Wehrpolitik der Bundesregierungschlechthin die Verantwortung für solche Unglücksfälle trägt. Das geht weit über eine sachliche Prüfung dieser Vorkommnisse hinaus. Man kann nicht den Erfindern des Ottomotors und des Dieselmotors die Verantwortung für sämtliche Kraftfahrzeugunfälle auf dieser Erde zuschieben. Man kann also nicht denen, die eine gewisse Politik mit gutem Glauben vertreten, jedwedes Versagen menschlicher Art, aber auch disziplinarer Art, poli-


(Dr. Mende)

tisch in die Schuhe schieben wollen. Das ist entschieden über das Ziel einer sachgerechten Kritik hinausgeschossen.

(Zustimmung in der Mitte. Zuruf von der Mitte: Das kann man wohl sagen!)

Die Frage ist aber und sie muß geprüft werden, ob nicht die Einziehungen zum 1. April dieses Jahres zu früh erfolgt sind. Man hat, nachdem der jetzige Bundesverteidigungsminister gewarnt hat, sich damit begnügt, 10 000 Rekruten zum 1. April einzuziehen und nicht etwa 80 000, wie sie aus dem Jahrgang zur Verfügung standen. Herr Kollege Jaeger hat bereits dargelegt, daß die nächsten Einziehungen erst April des nächsten Jahres vorgenommen werden. Die Frage ist also, ob nicht auch die Einziehung dieser 10 000 Rekruten zum 1. April 1957 zu früh erfolgt ist, weil die Voraussetzungen für ihre sachgemäße Ausbildung noch nicht gegeben sind und angesichts der Zerschlagung des gesamten wehrpolitischen Apparates nach dem 8. Mai 1945 noch nicht gegeben sein können.
Als wir vor einem Jahr in der Debatte um das Wehrpflichtgesetz darauf hinwiesen, daß wir sämtlichen wehrpolitischen Vorlagen der Bundesregierung zugestimmt haben und auch weiter zustimmen werden, aber das Wehrpflichtgesetz nicht unsere Zustimmung finden könne, weil es zur Unzeit und nicht in der modernsten Form vorgelegt wird, hat man uns hart kritisiert. Wir haben damals den Terminus geprägt „Nicht jetzt und nicht so", d.h. nicht jetzt, weil noch andere Voraussetzungen des Wehrpflichtgesetzes fehlen, wie das Besoldungsgesetz, das Versorgungsgesetz und das Organisationsgesetz; und nicht so, weil man doch offensichtlich mit der Berücksichtigung alter Vorstellungen in der Wehrpflicht nicht mehr auskommt, sondern im Rahmen einer allgemeinen Bundesverteidigungspflicht darüber hinausgehen muß, was jetzt Allgemeingut auch der Bundesregierung geworden ist. Wir haben uns deshalb harte Kritik gefallen lassen müssen. Ich freue mich, heute feststellen zu können, daß Herr Kollege Schneider ebenfalls beklagte, daß das Organisationsgesetz, das letzten Endes die Verantwortlichkeiten festlegt, immer noch nicht verabschiedet ist. Ich glaube, es wird in dieser Wahlperiode nicht mehr verabschiedet werden können. Das bedeutet, wir sind mit der Konstruktion des Daches weiter beschäftigt, haben aber die Fundamente für die Organisation der Bundeswehr noch nicht gelegt, d. h. wir wissen immer noch nicht, wie sich die militärische und politische Verantwortung, also wie sich die höchste Spitze im Rahmen einer neuen Spitzengliederung, ja wie sich die Frage der Kompetenz zwischen mobiler Truppe und Reserve, zwischen Heimatverteidigung und NATO-Kontingent letztlich stellen wird.
Herr Kollege Jaeger, ich erinnere Sie daran, daß wir vor einigen Wochen den Besuch von Lehrern der Militärakademie hatten. Sie fragten uns als erstes: „Wann erfahren wir endlich die Vorstellungen der Bundesregierung über die Heimatverteidigung? Denn wir sollen Offizieren als Lehrer beibringen, wie dieses Gebiet einmal gestaltet werden soll, aber wir selbst haben noch gar keine Vorstellung über Gliederung, Organisation und Funktion der Heimatverteidigung!" Das ist nur ein Kapitel aus der Vielzahl der Themen, die wir vernachlässigt haben, als wir um einer politischen Demonstration des guten Willens gegenüber den NATO-Partnern willen das Wehrpflichtgesetz nach unserer Überzeugung zur Unzeit und auch nicht in
einer zeitgemäßen modernen Form verabschiedet haben. Ich frage auch: Hat man sich damals unsere Mahnungen zunutze gemacht, daß man zwischen den Offizieren, die aus höchsten Stäben kommen, und den sogenannten Truppenoffizieren ein gesundes Maß finden sollte? Es ist kein Geheimnis, daß das Bundesverteidigungsministerium nicht organisch gewachsen ist. Aus vielen sowohl inner- wie außenpolitischen Gründen begann man mit einer Dienststelle Blank. Man begann mit einigen wenigen Offizieren höchster Stäbe. Sie holten ihre früheren Mitarbeiter nach, und allmählich wurde das Verteidigungsministerium mehr oder minder eine Summierung von ehemaligen höchsten Offizieren aus OKH, OKW, OKL und OKM. Der Anteil der Truppenkommandeure, d. h. der Leute, die die hohe generalstabsmäßige Theorie in der Praxis am eigenen Leibe erlebten, war keineswegs so, wie wir ihn wünschten.
Wir haben dem Herrn Bundeskanzler vor zwei Jahren in der Debatte um das Freiwilligengesetz nahegelegt, darauf zu achten, daß eine gesunde Mischung der selbstverständlich notwendigen Erfahrung hoher und höchster Stäbe mit der Erfahrung der Truppenoffiziere erfolgen muß. Wir haben damals wörtlich den Satz geprägt: Es ist oft ein weltweiter Unterschied gewesen zwischen der Lagebeurteilung durch einen Obersten im Generalstab einer Armee mit mancher illusionären — ich möchte keinen stärkeren Ausdruck gebrauchen - und optimistischen Darstellung der Lage und dem, wie der Kompaniechef. der Bataillons-, der Regimentskommandeur an Ort und Stelle, an der Front die Lage beurteilten. Wir haben damals festgestellt, wieviel der theoretischen „Klugheiten" oben unten mit Blut und Tränen bezahlt werden mußten. Es ist nicht so, Herr Bundeskanzler, daß alles, was in der Wehrmacht Hitlers an Unglücken, an Katastrophen, Fehlentscheidungen und Verbrechen geschehen ist, einzig und allein auf einen Mann, nämlich auf Hitler, rubriziert werden kann. Auch ein Teil seiner Umgebung, auch höchste Stellen der Wehrmacht haben ein gerüttelt Maß an Schuld und Verantwortung zu tragen.

(Beifall bei der SPD und der FDP.)

Niemand weiß das besser als der Truppenoffizier, der manche Dummheiten da oben unten mit seinem Blute bezahlen mußte.

(Beifall bei der FDP.)

Darum ist es immer gut, in jeder Institution Theorie, die sein muß, und Praxis in eine Synthese zu bringen. Mir scheint, Herr Bundeskanzler, das ist bei der Organisation des Verteidigungsministeriums auch heute noch nicht der Fall. Wir wären Ihnen dankbar, wenn Sie, um in Zukunft eine ähnliche Kritik ausschließen zu können, dafür sorgten, daß möglichst viele, die bis jetzt jahrelang im Verteidigungsministerium am Grünen Tisch saßen, nunmehr in die Praxis kommen, um zu prüfen, was von ihrer schönen Bonner Theorie durchführbar ist.

(Sehr richtig! bei der FDP.)

Wir haben auf eine Anfrage im Jahre 1956 eine Antwort bekommen, die etwas erschütternd ist. Unter dem 29. November 1956 hat der Bundesminister für Verteidigung mit der Drucksache 2953 geantwortet, daß von den 38 Generalen der Bundeswehr nur 6 vom 1. September 1939 bis 5. Mai 1945 länger als drei Jahre Führer von Feldtruppenteilen waren. Von 38 Generalen haben also nur 6 mehr als drei Jahre unmittelbare praktische


(Dr. Mende)

Truppenerfahrung. Von 237 Obersten der Bundeswehr haben nur 64 Oberste drei Jahre und mehr in einem fast sechsjährigen Krieg in der Frontpraxis gestanden, und von 225 Oberstleutnanten haben nur 75 Oberstleutnante drei Jahre und mehr die Frontpraxis erfahren. Meine Damen und Herren, das scheint uns ein Mißverhältnis zu sein. Das ist eben nicht die gesunde Synthese zwischen notwendiger Erfahrung höchster Stäbe und der praktischen Erfahrung in der Verwirklichung genenalstabsmäßiger Theorien in Kompanie, Bataillon, Regiment, Division und Korps.
Nun zu der Verabschiedung des Wehrpflichtgesetzes! Ich glaube, daß wir wesentlich mehr für den Aufbau unserer Bundeswehr getan hätten, wenn wir den Schwerpunkt unserer Gesetzgebungsarbeit damals auf die Schaffung der Voraussetzungen des Wehrpflichtgesetzes gelegt hätten. Aber nun ist es geschehen. Wir müssen sehen, wie wir begangene Fehler und ihre Folgen beseitigen, und möglichst schnell noch jene gesetzliche Grundlagen schaffen, die hätten da sein müssen, bevor der erste Rekrut in eine Kaserne der Bundeswehr ging.
Im übrigen will ich mir versagen, auf die in der Öffentlichkeit bekannten Mängel in bezug auf Ausrüstung, Unterbringung, Wohnungen, Material und Bekleidung einzugehen, die Ihnen ebenso bekannt sind wie mir, die aber nach einem so langen Zeitraum der Vorbereitung des Aufbaus der Bundeswehr hätten vermieden werden können.
Lassen Sie mich zum Schluß noch einige Vorschläge machen. Die Debatte würde nicht sinnvoll sein, wenn sie sich in einer Kritik erschöpfen würde. Kritik ist nur demjenigen erlaubt, der bereit ist, bessere Vorschläge zu machen. Meine Herren Vorredner, vor allem Herr Kollege Jaeger, haben schon einige Vorschläge gemacht, denen sich der Kollege Schneider angeschlossen hat.
Wir Freien Demokraten kündigen einen Antrag an, einen Antrag zur Schaffung von 1500 Planstellen für Offiziere und Unteroffiziere zur vorübergehenden Einstellung auf etwa drei bis vier Jahre als Lehroffiziere für den Aufbau der Bundeswehr. Es handelt sich also um eine befristete Einstellung von bewährten Offizieren, die sowohl Kriegs- wie Friedensausbildung haben. Denn vergessen wir bei einer objektiven Betrachtung des Unglücks auch nicht, daß der Faden einer friedensmäßigen Ausbildung am 1. September 1939 abgerissen ist und daß bis 1955, d. h. 16 Jahre, jegliche Kontinuität der friedensmäßigen Ausbildung verlorengegangen ist.
Wir stellen uns vor, daß jedem Stab von der Kompanie aufwärts über das Bataillon ibis zum Regiment, also jeder Einheit von der Kompanie aufwärts, ein älterer Offizier beigegeben wird, wobei der Dienstgrad gar keine Rolle spielt, ein älterer Offizier mit Front- und. Friedenserfahrung, d. h. ein Offizier, der vor dem 1. September 1939 eine gediegene Ausbildung erfahren hat. Diese Berateroffiziere sollen für drei bis vier Jahre auf Planstellen der Bundeswehr geführt werden. Die Verantwortung für die Führung der jeweiligen Einheit soll bei dem Einheitsführer und bei dem Kommandeur umeingeschränkt verbleiben; die Einheitsführer führen also ihren Verband selbstverantwortlich. Der Berateroffizier hat nur die Funktion der Beratung. Die letzte Entscheidung obliegt dem Einheitsführer und Kommandeur. Es bedeutet also keime Einschränkung seiner Befehls- und Kommandogewalt.
Wenn das geschieht, können auf diese Weise Erfahrungen nutzbar gemacht werden, die sowohl im Frieden wie im Krieg von den Berateroffizieren gesammelt wurden, die aber den jüngeren Offizieren jetzt natürlich abgehen müssen, nachdem ab 1939 eine Friedensausbildung nicht mehr möglich war und auch nach dean 8. Mai 1945 sämtliche militärpolitischen Grundlagen zerschlagen wurden.
Diese Berater würden auch die Frage prüfen müssen, ob es wirklich nötig ist, jenen schon früher überdimensionalen Schreibkram beizubehalten, oder ob es nicht besser ist, viele schriftliche Fragen unmittelbar durch mündliche Inspektionen zu ersetzen. Beispielsweise kann der Funktionsunteroffizier, der täglich seine Meldungen über Verpflegungsstärken der Kompanien, über Ausrüstung und sonstigen Bedarf braucht, sich diese Meldungen holen, indem er von Kompanie zu Kompanie geht; er muß nicht unbedingt am Tisch seine fünf Formulare haben, vom Stab und den vier Kompanien seines Bataillons. Wir glauben, daß gerade unter der Anleitung solcher Berateroffiziere vieles vermieden werden kann, auch an der bürokratischen Entwicklung der Bundeswehr.
Die Kostenfrage dürfte dabei nicht ins Gewicht fallen, denn diese älteren Offiziere sind ja im Grunde genommen alle bereits irgendwie nach Art. 131 versorgungsberechtigt. Man könnte ihnen die Differenz zwischen ihrem Pensionsbetrag oder Versorgungsbetrag und den Dienstbezügen zahlen. Man könnte ihnen auch sonst eine Aufwandsentschädigung geben — wir haben ja beim Personalgutachterausschuß eine ähnliche Lösung gefunden — und würde ihnen dann die abgeleistetem Dienstjahre — drei bis vier Jahre als Berateroffiziere auf ihre Versorgung gemäß Art. 131 anrechnen können.
Wir würden außerdem den Vorschlag machen, daß speziell für die Funktionen dieser Berateroffiziere Kriegsvermehrte eingestellt werden, die schon aus ihrem eigenen Erleben die nötige Umsicht und Vorsicht bei der Ausbildung werden walten lassen, ganz abgesehen davon, daß ein einarmiger Offizier oder ein ;beinamputierter Offizier auch durchaus wehrpsychologisch auf die jungen Rekruten gut wirken würde, nämlich im Sinne der letzten Funktion unserer Armee, der Erhaltung des friedlichen Gleichgewichts und damit des Friedens und der Vermeidung jeglichen kriegerischen Abenteuers.
Die Fraktion der Freien Demokraten wird sich erlauben, in der nächsten Sitzung des Verteidigungsausschusses diesen formellen Antrag einzubringen.

(Beifall bei der FDP.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221501300
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Reichstein.

Dr. Willy Reichstein (GB/BHE):
Rede ID: ID0221501400
Herr Präsident! Meine. Damen und Herren! Wir haben schon oft Anlaß gehabt, von der Tragik zu sprechen, die über der Entwicklung unserer Bundeswehr liegt. Bisher war allerdings der Anlaß für diese unsere Worte immer der Gang der Gesetzgebung, den als nicht sehr glücklich zu bezeichnen wir in vielen Fällen Grund hatten. Der Umstand jedoch, der uns heute zu dieser Debatte führt, verdient das Wort Tragik in seiner ganzen Bedeutung.


(Dr. Reichstein)

Wir haben uns hier die Frage nach der politischen Verantwortung der Gesetzgebung und der Exekutive an diesen Umständen zu stellen. Wir haben dabei insbesondere den Aufbau unserer Bundeswehr kritisch zu prüfen. Ich kann hier nicht ganz dem folgen, was der Herr Verteidigungsminister und was auch der Kollege Dr. Jaeger gesagt haben. Auch wir haben bei Anerkennung des Prinzips der Wehrpflicht vor einem unorganischen Aufbau rechtzeitig gewarnt. Sie haben, nicht mit stärkeren Argumenten, sondern durch Ihre Stärke, unsere Argumente beiseite geschoben. Der Herr Verteidigungsminister hat auf die große Zahl der Gedienten hingewiesen, die bei der Bundeswehr tätig seien. Nun, dazu steht aber in Widerspruch, daß es trotzdem eine so große Zahl von Fehlstellen allein bei einem Bataillon gibt.

(Sehr richtig! beim GB/BHE.)

Es ist dann zumindest die Frage der zweckmäßigen Verteilung dieser Gedienten, etwa auf die Schreibstubensoldaten und die bei der Truppe stehenden Soldaten, noch einmal, und zwar sehr gründlich zu prüfen. Es kann eben nicht übersehen werden, daß die Reichswehr erst nach etwa zehn Jahren in einem Stand war, in den man die Bundeswehr eben schon nach zwei oder drei Jahren setzen will.
Wir haben uns, wenn wir selbst die eigene Verantwortung und die der Exekutive überdenken, eine ganz besondere Frage vorzulegen — darauf will ich dann noch etwas später eingehen —: die Frage, welche Sorgfalt wir einer Institution bei der Bundeswehr widmen, die ausschließlich die Aufgabe hat, der Gesunderhaltung der Soldaten zu dienen: das Gesundheitswesen bei der Bundeswehr.
Aber lassen Sie mich zuerst zur allgemeinen politischen Verantwortung noch etwas sagen, insbesondere also zu unserer Verantwortung und zur Verantwortung des Verteidigungsministeriums, soweit sie die Verhinderung von Unfällen als Folge von Befehlen betrifft. Zweifellos ist es das große Problem aller soldatischen Gemeinschaften, den doch wohl vorhandenen Widerspruch, der zwischen der Pflicht zum schuldigen Gehorsam und der auch notwendigen Kritik am Befehl liegt, wirklich zu lösen. Wir können nicht übersehen, daß auch in einer Demokratie, und in der besten, die denkbar ist, das soldatische Leben zwangsläufig ohne die formalen Methoden des demokratischen Lebens abläuft. Das setzt aber dann die besondere Pflicht, durch eine intensive und nach dem Ziel ausgerichtete Schulung der Vorgesetzten und Belehrung der Soldaten die uns allen von uns selbst gestellte Aufgabe zu erfüllen, nämlich den Bürger in Uniform zu schaffen und zu erhalten.
Ich will hier eine Bemerkung des Herrn Dr. Jaeger aufgreifen, die auch in einem Wort des Herrn Ministers mitklang, nämlich die Frage der Notwendigkeit harter, kriegsmäßiger Ausbildung. Ich möchte keinen Zweifel daran lassen, daß nach Auffassung unserer Partei zwischen harter Ausbildung und den tatsächlichen Ereignissen in einem Krieg ein breiter Raum liegt, der im Frieden überhaupt nicht betreten werden darf,

(Sehr gut! beim GB/BHE)

weil die Gefährdung der Menschen auch im Hinblick auf eine harte Ausbildung eine natürliche Grenze finden muß. Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch am Rande zu überlegen bitten, ob nicht
überhaupt Wasserübungen in Tarnanzügen zu verbieten sind. Das ändert nichts daran, daß man in einem Ernstfall doch mit Tarnanzug ins Wasser gehen muß. Aber die Gefährdung, in einem solchen wasserundurchlässigen Anzug im Wasser zu sein, der sich dann mit Wasser füllt und den Menschen wie einen nassen Sack hinunterzieht, ist doch zumindest einmal der Überlegung wert.
Ich frage auch den Herrn Minister, ob die Unterrichtung der Soldaten über ihre Rechte, so wie sie im Soldatengesetz niedergelegt sind, wirklich im nötigen Umfang durchgeführt wird, insbesondere also die Belehrungen über den § 11 des Soldatengesetzes. Auch hier wollen wir nicht verkennen, welcher Unterschied zwischen Theorie und Praxis liegt.
Der Herr Verteidigungsminister hat in einem Fernsehgespräch davon gesprochen, daß die Soldaten den Befehl — man möge das auch nicht Befehl nennen —, über die Iller zu schreiten, hätten verweigern können. Herr Minister, ich muß Ihnen widersprechen. Nach meiner Auffassung gibt der § 11 des Soldatengesetzes den Soldaten kein Recht, einen solchen Befehl zu verweigern; denn er ist sicher nicht gegen die Menschenwürde gerichtet, und er ist sicherlich im dienstlichen Auftrag und zur Dienstausübung gegeben. Ich weiß also nicht, wie es einem Soldaten gegangen wäre, der einen solchen Befehl verweigert hätte, wenn das Unternehmen ohne Folgen ausgegangen wäre.
Wir, das Parlament und auch Sie, Herr Minister, haben uns sehr genau zu überlegen, ob man nicht die Formulierung des § 11 des Soldatengesetzes, der die Pflicht zum Gehorsam regelt, dahin ändern sollte, daß — um ein schon einmal erwähntes Wort zu gebrauchen, das auf dem Grabstein eines preußischen Offiziers steht — die Möglichkeit der Befehlsverweigerung gegeben ist, wenn „Gehorsam nicht Ehre bringt", wenn ein Befehl unsinnig ist und wenn ein Befehl mit den Rechten eines Bürgers in Uniform — um diesen Ausdruck zu gebrauchen — nicht mehr vereinbar ist.
Wir wollen auch nicht das Problem verkennen, das sich aus dem Gegensatz von Gehorsam und Gehorsamsverweigerung in einer soldatischen Gemeinschaft ergibt, in der der Soldat in einer besonderen psychologischen Situation steht. Er will weder gegenüber dem Vorgesetzten noch in seiner Gruppe auffallen. Es ist eine Frage, die sich auch bei der gesamten Erziehung der Menschen, überhaupt der ganzen Bevölkerung stellt, wie wir das Leben und Verhalten in einer soldatischen Gemeinschaft gestalten, damit nicht die Neigung, sich der Gruppenmoral — wie man es wohl zu nennen pflegt — zu beugen, in einem gefährlichen Maße die Begrenzung des Handelns nach eigener Kritik hervorbringt. Dieses Problem stellt sich für den Menschen überhaupt, angefangen von der Schule, und nicht nur innerhalb, sondern auch außerhalb der Bundeswehr. Das Gefühl für die Rechte der Persönlichkeit ist deshalb so zu stärken, daß es auch unter den Besonderheiten des soldatischen Lebens nicht vollkommen verloren geht. Es darf nicht eintreten, daß — wie eine französische Zeitung schrieb — die Soldaten einem Menschen wie einem Flötenspieler ins Verderben folgen.
Herr Minister und Herr Bundeskanzler, ich darf Sie hier ganz besonders ansprechen; Herr Bundeskanzler, ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie diesen Ausführungen einen Augenblick Ihre Auf-


(Dr. Reichstein)

merksamkeit schenken könnten. Wir haben bei der Bundeswehr besondere Einrichtungen, die dem Anliegen, mit dem wir uns heute beschäftigen, dienen. Es handelt sich um die Einrichtungen zur Erhaltung und zum Schutze der Gesundheit der Soldaten. Ich meine also die gesamten Einrichtungen des Sanitätswesens in der Bundeswehr. Wir haben heute, zwei Jahre, nachdem wir die Bundeswehr aufbauen, noch immer keinen verantwortlichen Leiter für diese Stelle, und wir haben heute noch immer nicht einen Arzt für jedes Bataillon.

(Hört! Hört! beim GB/BHE.)

Ich frage Sie, meine Herren Kollegen: wer von Ihnen wäre bereit, die Verantwortung eines Bataillonskommandeurs zu übernehmen, ohne die Möglichkeit zu haben, im Falle eines Unfalls sofort den Arzt an der Seite zu haben? Ich frage Sie, Herr Minister und Herr Bundeskanzler: gibt es eine soldatische Institution, eine Wehrmacht in irgendeinem anderen Lande, die sich einen solchen Zustand erlauben dürfte? Das ist doch unerträglich.

(Zuruf links: Das ist einmalig!)

Herr Minister, ich verkenne nicht, daß sich seit Ihrer Amtsübernahme in der Auffassung zum Grundsätzlichen Erhebliches geändert hat. Aber das Tatsächliche ist geblieben: heute noch nicht ein Arzt für jedes Bataillon. Ich weise Sie auf die Gefahr hin, die darin liegt. Gott wolle es verhüten, daß wir uns einmal über ein anderes Unglück, über nicht rechtzeitig erkannte ansteckende Krankheiten, über nicht rechtzeitig erfolgte Versorgung von verunglückten Soldaten wieder Gedanken zu machen haben, weil wir diese Dinge nicht geregelt haben.
Herr Minister, es liegt zu einem Teil auch an Ihrem Haus — ich sage das in aller Offenheit; ich will es mir heute versagen, einzelne Äußerungen von hohen Offizieren und Beamten, die ich kenne, zu nennen —, daß wir in dieser Frage nicht weiterkommen, es liegt an den Widerständen, die ebenso unverständlich wie unvernünftig sind. Als Beispiel will ich Ihnen sagen: Es ist doch unmöglich, daß Ihr Haus den Haushaltsplan, den es vorzulegen hat, so vorlegt, daß wieder keine Stelle für einen leitenden Sanitätschef enthalten ist und daß das Parlament diese Stelle erst hineinbringt. Wollen Sie das mit den Pflichten Ihres Hauses, Maßnahmen zum Schutze der Gesundheit vorzusehen, in Einklang bringen? Hier liegen Gefahren, die wir gerade im Rahmen der heutigen Debatte einmal aussprechen wollen.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Eine unzureichende Versorgung unserer Soldaten mit Ärzten, soweit sie aus einer unverantwortlichen, jedenfalls nicht zu billigenden Einstellung zu dieser Frage kommen sollte, muß endgültig abgestellt werden.

(Abg. Feller: Sehr richtig!)

Hier gilt es zweifellos, große Widerstände in Ihrem Hause und im Finanzministerium zu beseitigen. Herr Minister, ich mache Sie darauf aufmerksam, daß keiner dieser Herren die Verantwortung dafür übernimmt, wenn einmal etwas geschieht. Diese Herren werden sich zurückziehen und sagen, sie hätten selbstverständlich nur ihre Pflicht getan, sie werden sich auf den Bundeshaushalt berufen, und weiß Gott, was man alles sagen wird.
Hier müssen wir endlich die notwendigen Verhältnisse schaffen, wie wir sie in allen Wehrmachten anderer Staaten haben; denn es ist Ihre wie unsere Aufgabe — das ist unsere Auffassung —, nichts zu tun, was uns gegenüber der Öffentlichkeit unglaubwürdig macht, daß es wirklich unser Bemühen ist, den Wert des Lebens auch der Soldaten so hoch wie nur möglich zu schätzen.

(Beifall beim GB/BHE und bei der SPD.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221501500
Das Wort hat der Abgeordnete Rasch.

Hugo Rasch (SPD):
Rede ID: ID0221501600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mit einer Antwort an den Herrn Kollegen Schneider einleiten, der jetzt der Opposition die Schuld in die Schuhe zu schieben versucht mit der Bemerkung, die Opposition habe bei der Bewilligung von Stellen Schwierigkeiten gemacht. Herr Kollege Schneider, ich will nicht sagen, daß Sie gelogen haben, aber ich möchte betonen, daß Sie bewußt die Unwahrheit gesagt haben; denn Sie können nicht beweisen, daß die Opposition beantragt hat, Unterführerstellen zu beseitigen. Sie hat vielmehr verlangt, daß Generalsstellen beseitigt werden.
Ich möchte feststellen: die volle Verantwortung für alle militärpolitischen Maßnahmen trägt die Bundesregierung mit ihrer Mehrheit. Wenn Sie etwas anderes hätten tun wollen — Sie haben als CDU/CSU-Fraktion mit Ihrem Trabanten, der Deutschen Partei, in diesem Hause die absolute Mehrheit. So ist es nun einmal. Ich darf Sie daran erinnern: als die Situation des Herrn Blank schon sehr komisch und sehr schwierig war, haben Sie ihm noch immer mit Beifallsrauschen den Rücken gestärkt. Nicht die Opposition hat ihn beseitigt, sondern die eigene Regierung mußte ihn wegen Unfähigkeit nach Hause schicken. Das möchte ich hier einmal ganz klar feststellen.
Mit dem Iller-Unglück verbindet sich noch ein soziales Problem: die Frage der Versorgung der Hinterbliebenen dieser ertrunkenen Soldaten. Auf der Tagesordnung, die uns für vier Tage vorliegt, ist als Punkt 3 verzeichnet die Beschlußfassung über die Vorlage aus dem Vermittlungsausschuß zum Soldatenversorgungsgesetz. Tatsache ist, daß bis zur Stunde die Wehrpflichtigen keinen Versorgungsanspruch haben, weder ,für sich noch für ihre Hinterbliebenen; wenn es auch so gehandhabt werden soll, daß das Bundesversorgungsgesetz bei entsprechenden Vorfällen anzuwenden ist. Das ist das Ergebnis einer innerministeriellen Besprechung,

(Zuruf rechts: Vereinbarung!)

und es wird, soweit ich weiß, danach verfahren.

(Zuruf von der CDU/CSU: Also doch Versorgung!)

Tatsache ist: Wir haben zum 1. April dieses Jahres Wehrpflichtige eingezogen und haben bis zur Stunde in der Bundesrepublik kein Gesetz für die Versorgung dieser Wehrpflichtigen und ihrer Hinterbliebenen geschaffen.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Das ist eine unmögliche Situation. Herr Bundesverteidigungsminister, vor Weihnachten habe ich Sie in einer Unterredung darauf aufmerksam gemacht und auf die schlechte Versorgungslage der deutschen Kriegsopfer hingewiesen. Für einen Rechtsstaat sollte es eine Unmöglichkeit sein, Men-


(Rasch)

sehen zum Dienst mit der Waffe zu verpflichten, ohne ihnen sagen zu können, was geschieht, wenn ihnen etwas zustößt. Was wäre einem Privatmann geschehen, der etwas Derartiges getan hätte? Ich stelle mir vor, ein Sportlehrer einer Sportschule hätte gesagt: Wir wollen das mal versuchen, und er hätte das getan. Dann hätte man meiner Überzeugung nach in der Öffentlichkeit von leichtsinnigem und leichtfertigem Handeln, wenn nicht gar von einem Verbrechen gesprochen. Was man von dem Privatmenschen, dem Einzelmenschen verlangt, das müßte meiner Meinung nach für die Regierung und für den Staat eine Selbstverständlichkeit sein.
Ich kann mir die Antwort, die ich vielleicht gleich bekommen werde, schon vorstellen. Man wird mir sagen, das Soldatenversorgungsgesetz, das auch die Ansprüche der Wehrpflichtigen regelt, trete rückwirkend vom 1. April dieses Jahres in Kraft. Das stimmt; das wird wohl so sein. Ich komme zurück auf die Mahnungen der Opposition, als es galt, über die Versorgungsansprüche der Opfer der zwei vergangenen Kriege zu beraten und zu beschließen. Hier ist interessant festzustellen, daß man alle unsere Mahnungen und Hinweise in den Wind geschlagen hat. Mir fällt gerade ein, daß uns ein Kollege der CDU-Fraktion bei der Beratung des Kindergeldgesetzes sagte: Sie können noch so viel sachliche Argumente bringen, wir werden nach unserer politischen Meinung entscheiden. — Ich könnte Ihnen weitere Beispiele bringen, die noch ganz andere Dinge aussagen.
Als einige Pressevertreter fragten: Was erhalten denn nun die Hinterbliebenen der ertrunkenen Soldaten?, da ist das in der Öffentlichkeit — zum Teil zu Recht, zum Teil zu Unrecht — als Pietätlosigkeit angesprochen worden.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221501700
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage?

Hugo Rasch (SPD):
Rede ID: ID0221501800
Bitte schön!
von Manteuffel (Neuß) (DP [FVP]): Herr Kollege, Sie haben mich wegen meiner geringen Körpergröße bisher wohl nicht bemerkt; ich hatte mich gemeldet, weil Sie davon sprachen, daß dieses Soldatenversorgungsgesetz voraussichtlich am 1. April 1957 in Kraft trete. Ich nehme an, daß gerade Sie sich auf Grund Ihrer Vorbildung 'besonders damit beschäftigt haben und wissen, daß dieses Gesetz nach § 93 rückwirkend mit dem 1. April 1956 in Kraft tritt. Ist Ihnen das entgangen?

Hugo Rasch (SPD):
Rede ID: ID0221501900
Entschuldigen Sie, das ist richtig.
Nun, meine Damen und Herren, kommt die Frage: Was erhalten denn die Eltern der Soldaten, die Wehrpflichtige gewesen sind? Dafür maßgebend ist das Bundesversorgungsgesetz, und dieses Gesetz regelt die Ansprüche der Eltern, der Frau und der Kinder, die eventuell Hinterbliebene werden, und die Ansprüche der eventuellen Beschädigten der neuen Bundeswehr. Dazu darf ich Ihnen einmal kurz den einschlägigen § 36 des Bundesversorgungsgesetzes vorlesen. Dort heißt es:
Beim Tode eines rentenberechtigten Beschädigten
— das werden sie sein oder waren es mit der Stunde des Todes —
wird ein Bestattungsgeld gewährt. Es beträgt 300 Deutsche Mark,
Im Absatz 2 heißt es dann weiter:
Vom Bestattungsgeld werden zunächst die Kosten der Bestattung bestritten und an den gezahlt, der die Bestattung besorgt hat. Dies gilt auch, wenn die Kosten der Bestattung aus öffentlichen Mitteln bestritten worden sind.
Das könnte, meine Damen und Herren, wenn Sie nicht bald etwas anderes tun, jetzt bedeuten, daß man, wenn der Versorgungsanspruch angemeldet wird und wenn der zuständige Beamte, wie er ja gehalten ist, diese Bestimmungen richtig auslegt, vielleicht noch an den 300 DM Bestattungsgeld herumdeutelt. Und dann kommt es noch tragischer: Auf diese 300 Mark werden angerechnet eventuelle Sterbegelder, die die Hinterbliebenen des Verstorbenen auf Grund von Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung beanspruchen können; also dann, wenn sie einen Anspruch an die Ortskrankenkasse oder die Ersatzkasse des Verstorbenen usw. haben, werden diese Beträge noch in Anrechnung gebracht.
Und nun kommt die Frage: Was erhalten denn die Eltern an Rente? Auch dazu sagt das Bundesversorgungsgesetz einiges aus. Unter anderem heißt es — § 50 Bundesversorgungsgesetz —:
Die Elternrente wird für die Dauer der Bedürftigkeit gewährt, wenn der Verstorbene der Ernährer seiner Eltern gewesen ist oder geworden wäre.
Herr Arbeitsminister, Sie wissen doch am besten, wie viele Schwierigkeiten diese Bestimmung des Bundesversorgungsgesetzes in den letzten Jahren der Versorgungsverwaltung gemacht hat, weil man die Entscheidung über die Frage, ob der Verstorbene der Ernährer der Eltern geworden wäre, immer dem untersten Beamten zugeschoben hat.
Nun darf ich auch aus der Verwaltungsvorschrift einen Satz zitieren. Die Verwaltungsvorschriften sind ja ein deutsches Erbübel; es gibt meines Wissens wenige Länder in der Welt, die ein Gesetz dergestalt mit Verwaltungsvorschriften ausstatten, daß die Verwaltungsvorschriften nach zwei Jahren siebenmal soviel Papier beanspruchen wie 'das Gesetz selbst. In den Verwaltungsvorschriften 'heißt es nun:
Leben noch Geschwister des Verstorbenen, so ist festzustellen, wie sie sich den Eltern gegenüber verhalten. Aus ihrem Verhalten ist im allgemeinen der Schluß zu ziehen, daß der Verstorbene nicht anders gehandelt hätte.
Ich weiß nicht, ob das mit der Würde, die man jedem einzelnen Menschen entgegenbringen sollte, in Einklang zu bringen ist. In den Tagesbefehlen ist doch davon gesprochen worden, daß diese ertrunkenen Soldaten auch Vorbild seien. Bei einem vorbildlichen Menschen sollte man nicht fragen, wie sich der Bruder oder die Schwester verhalten. Denn schwarze Schafe soll es auch in der Familie der CDU einige geben.

(Heiterkeit und Zuruf links: Vor allen Dingen schwarze!)

Vor einigen Wochen haben wir hier im Plenum die Sechste Novelle zum Bundesversorgungsgesetz verabschiedet. Da haben wir beschlossen, daß auch die Witwen eine höhere Leistung erhalten. Es muß daran erinnert werden; denn, Herr Dr. Jaeger und Herr Schneider, Sie haben doch erklärt, da müsse so bald wie möglich etwas geschehen, das Versorgungswesen müsse ausgebaut werden. Hier darf ich Ihnen sagen: wenn es das Unglück gewollt


(Rasch)

hätte, daß einer der toten Soldaten verheiratet gewesen wäre, dann hätte seine Frau bis zum Inkrafttreten der Sechsten Novelle, wenn sie nicht über 40 Jahre gewesen wäre — und es ist wohl kaum anzunehmen, daß die Frau eines Wehrpflichtigen über 40 Jahre alt ist —, laut Bundesversorgungsgesetz 30 DM im Monat erhalten. Sie wäre ausgeschlossen gewesen von dem Bezug der Ausgleichsrente, die ja eine Bedürftigkeits- oder Fürsorgerente ist. Das wollen wir hier ruhig feststellen, weil gesagt wird, die sozialdemokratische Opposition tue nichts für die Soldaten. Die Sozialdemokraten haben im Kriegsopferausschuß mit der Begründung, daß jetzt auch die Soldaten der Bundeswehr nach diesem Gesetz versorgt werden, beantragt, daß diese unterschiedliche Behandlung der Witwen beseitigt wird. Und sollten Sie das nicht glauben, meine Damen und Herren von der CDU, dann schauen Sie sich Ihren Antrag an, der diese Trennung der Versorgungsleistungen nicht beseitigen wollte.
Wie sieht es heute aus? Wie sieht es aus, wenn dieses Gesetz für die wehrpflichtigen Soldaten Gültigkeit haben wird? Dann werden die Witwen 70 DM pro Monat erhalten, und wenn sie Tiber 45 Jahre alt sind, haben sie einen Anspruch auf eine Ausgleichsrente, die im Höchstfall 80 DM betragen darf.
In diesem Zusammenhang stellt sich eine weitere Frage. Die Soldatengesetze sehen vor, daß auch Wehrübungen stattfinden werden. Es wird wohl so sein, daß diejenigen, die Wehrübungen zu leisten haben, größtenteils Verheiratete sind. Dann trifft für diese eine Wehrübung Leistenden das gleiche zu wie für diejenigen, die in Erfüllung ihrer aktiven Wehrpflicht beschädigt werden.
Nun frage ich, meine Damen und Herren: Wenn man einen Mann z. B. mit 40 Jahren aus dem Beruf herausholt, wenn man ihn verpflichtet, wieder eine Übung zu machen, und wenn ihm bei dieser Übung etwas geschieht, kann man es dann verantworten, ist es dann gerecht, seiner Witwe 70 DM im Monat zu geben? Wir Sozialdemokraten sind der Meinung, daß man diesen Menschen so behandeln muß, als wäre ihm in seinem Beruf oder in seinem Betrieb etwas geschehen. Eine andere Regelung dürfte auch rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht gerecht werden.
Den Waisen — den Kriegerwaisen oder den Waisen der kommenden Bundeswehrsoldaten — geht es genauso, und den Beschädigten geht es ebenfalls nicht anders. Nur einige Zahlen, um Ihre Erinnerung aufzufrischen: Ein Soldat, der ein Auge verliert, erhält nach jetzt gültigem Recht des Bundesversorgungsgesetzes 30 DM im Monat. Ein Soldat, der ,den ganzen Fuß verliert, erhält nach gültigem Recht 38 DM im Monat und hat keinen Anspruch auf eine Ausgleichsrente. Derjenige Soldat, der als sogenannter Schwerbeschädigter mit dem Verlust eines ganzen Unterschenkels entlassen werden muß, erhält 48 DM, und wenn er keine anderen Einkünfte bezieht und unter die Richtlinien der allgemeinen Fürsorge fällt, kann er zusätzlich 70 DM Monat erhalten, also im Höchstfalle 118 DM. Das sind Tatbestände, meine Damen und Herren,

(Zuruf von der SPD: Traurige Tatbestände!) und diesen Katalog könnte man noch lange erweitern.

Nun hat Herr Kollege Mende gesagt, man solle nicht Kritik üben, wenn man keine besseren Vorschläge zu machen wisse. Ich bin der Meinung, man darf auch dem Pflichtsoldaten nicht zumuten, daß er mit der Gewißheit Dienst leistet: im Schadensfalle bin ich ein armer Teufel, und wenn ich gar getötet werden sollte, dann erhalten meine Frau und meine Kinder so viel, daß es, wie man im Volksmunde sagt, zum Sterben zu viel und zum Leben zu wenig ist. Nach meiner Auffassung ist es notwendig, im dritten Deutschen Bundestag die Versorgungsgesetzgebung so aufzubauen, daß sie rechtsstaatlichen Grundsätzen und echten Versorgungsgrundsätzen gerecht wird. Das dürfte am einfachsten in der Weise geschehen, daß man sich in etwa an die unfallrechtlichen Bestimmungen hält.
Bei den Ledigen gibt es auch in der Unfallversicherung keine Schadenrente. Ich darf Sie aber auch hier daran erinnern, daß Sie — die Regierungsmehrheit — bei der Beratung der Rentengesetze den Antrag der SPD auf Gewährung einer Elternrente, wenn die Eltern bedürftig sein sollten, geschlossen abgelehnt haben. Hoffentlich werden Sie sich anders verhalten, wenn es zur Beratung einer endgültigen Reform dieser Dinge kommt.
Und nun etwas Betrübliches, was man hier doch wohl sagen muß: Der bedauerliche Tod der 15 Soldaten wirft doch auch ein bezeichnendes Licht auf die ganze Situation. Herr Kollege Schneider, Sie haben von der Diffamierung der ehemaligen Soldaten gesprochen. Ich könnte Ihnen einige Dinge erzählen, wie es mit der Versorgung der ehemaligen Soldaten aussieht; denn ich glaube, das ist bestimmt einer Diffamierung gleichzusetzen, und ich bin sogar der Hoffnung, daß der Herr Bundesarbeitsminister hier bis zu einem gewissen Grade der gleichen Auffassung ist wie ich.
Alles das, was ich hier gesagt habe, hat zum Teil mein Kollege Pohle schon bei der Verabschiedung der 6. Novelle erklärt. Wir hier im Parlament sollten auch auf Dinge achten, die von Fachgremien außerhalb dieses Parlaments ,an die Regierungen und die einzelnen Minister herangetragen werden. Es wäre mit der schlechten, unzulänglichen Elternversorgung nicht mehr so schlimm, Herr Arbeitsminister, wenn Sie dem Vorschlag Ihres Beirats für Versorgungsrecht gefolgt wären, die Frage der Ernährereigenschaft zu beseitigen, und auch Ihre Fraktion angeregt hätten, diesem Beispiel Ihres Beirats zu folgen.
Meine Damen und Herren! Wenn Sie die umfangreiche Tagesordnung hier einmal durchlesen — —

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221502000
Herr Abgeordneter Rasch, darf ich Sie bitten, sich kurz zu fassen. Wir haben heute keine Einzeldebatte, sondern wir sprechen zu Punkt 1 der heutigen Tagesordnung.

Hugo Rasch (SPD):
Rede ID: ID0221502100
Das gehört alles dazu, Herr Präsident. Im übrigen bin ich sofort fertig.
Meine Damen und Herren! Auf der heutigen Tagesordnung steht auch ein Punkt 19, der das Tragen von ehemaligen Kriegsauszeichnungen und Orden regelt. Ich weiß aus meinem persönlichen Erleben, daß der verstorbene Herr Innenminister Dr. Lehr im Jahre 1952 einen sogenannten Ordensausschuß berufen hat. Damals schon hat man sich mit der Frage des Wiedertragens von Orden beschäftigt und hat um Rat gebeten. Aber in der Frage der Versorgung der Wehrpflichtigen ist man heute noch nicht soweit, daß man diese Dinge einigermaßen geklärt hat. Ich möchte abschließend


(Rasch)

sagen — ich möchte dem Wunsche dies Herrn Präsidenten nachkommen —: Für alle diese Unzulänglichkeiten, meine Damen und Herren von der Christlich-Demokratischen Union, tragen Sie allein die Verantwortung.

(Beifall bei der SPD.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221502200
Meine Damen und Herren! Das Protokoll des vorausgehenden Teils der Sitzung ist mir jetzt vorgelegt worden. Ich muß da leider feststellen, daß der Abgeordnete Schmidt (Hamburg) zu dem Abgeordneten Schneider (Bremerhaven) gerufen hat: „Bei der Wahrheit zu Bleibei, Herr Schneider, und nicht zu lügen!" Wegen dieses Vorwurfs erteile ich dem Herrn Abgeordneten Schmidt (Hamburg) einen Ordnungsruf.

(Zuruf von der CDU/CSU: Der wievielte ist das?)

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Petersen.

Helmut Petersen (GB/BHE):
Rede ID: ID0221502300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das tragische Unglück der Soldaten in der Iller vereinigt uns wohl alle in der Anteilnahme und in der Trauer, und ich möchte meinen, daß wir uns außerhalb jeder parteipolitischen Betrachtung mit den Fragen befassen sollten, die aus diesem Unglück für uns als Gesetzgeber zwingend anstehen. Dieses Unglück wirft sehr schwere Schatten auf die unzulängliche Versorgung, die wir unseren Kriegsopfern angedeihen lassen. Der Herr Kollege Rasch hat in seinen Ausführungen einen Teil dieser Dinge schon beleuchtet. Ich möchte darüber hinaus sagen, daß die Versorgung der Hinterbliebenen — und als solche kommen wohl nur die Eltern in Frage, da ja Verheiratete unter den jungen Soldaten nicht gewesen sind — sehr mangelhaft sein wird. Wir sollten uns keinen Illusionen hingeben und auch keine großen Empfehlungen an dieser Stelle aussprechen, aus dem Bundesversorgungsgesetz Möglichkeiten für eine wirksame Hilfe zu schaffen. Die Elternversorgung nach § 50 ist sehr eng. Sie setzt einmal die Bedürftigkeit voraus und verlangt weiter, daß für den Verstorbenen die Ernährereigenschaft bejaht wird und daß bei den Hinterbliebenen die Mutter 50 Jahre und der Vater 65 Jahre alt sein müssen, wenn sie eine Elternrente in Anspruch nehmen wollen. Ich darf wohl unterstellen, daß der Großteil der Hinterbliebenen dieses Alter nicht hat. Damit entfällt an sich schon eine Elternrente, es sei denn, daß eines der anderen Tatbestandsmerkmale, nämlich körperliche oder geistige Gebrechlichkeit vorliegt. Hier werden wir nur im Wege einer weiten Auslegung des Härteparagraphen, § 89, helfen können.
Wenn aber alle Voraussetzungen für die Elternrente erfüllt sind, dann ist das Ergebnis hinsichtlich der materiellen Versorgung noch denkbar dürftig. Selbst nach den Verbesserungen der Sechsten Novelle werden das Elternpaar nur eine Elternrente von 130 DM und ein Elternteil, also die hinterbliebene Mutter oder der hinterbliebene Vater, nur eine Versorgung in Höhe von 90 DM monatlich erhalten.
Ich darf vielleicht anregen, daß die Bundesregierung sich Gedanken darüber macht, wie bei diesem Unglück an der Iller über die Gesetze hinaus die materielle Versorgung der Hinterbliebenen verbessert werden kann. Ich möchte hier noch einmal das aussprechen, was wir bei der Verabschiedung der Sechsten Novelle sehr stark unterstrichen haben: Auf der Grundlage des Bundesversorgungsgesetzes kann von einer gerechten Elternversorgung keine Rede sein. Überhaupt läßt die ganze Kriegsopferversorgung noch so viele Mängel erkennen, daß wir es uns im 3. Bundestag dringend angelegen sein lassen müssen, eine grundlegende und umfassende Reform der Kriegsopferversorgung anzustreben.
Bei der Behandlung des Unglücks an der Iller muß betont werden, daß die Behauptung, wir bewegten uns mit unserer Sozialpolitik in einen Versorgungs- oder Wohlfahrtsstaat hinein, falsch ist. Die unzureichende Versorgungslage der Hinterbliebenen beweist klar, daß sehr vieles unzulänglich geregelt ist. Eine sozial gerechte Lösung bieten unsere Gesetze nicht.
Wir sollten deshalb alle aufgerufen sein, bei der zukünftigen gesetzgeberischen Arbeit gegenüber diesen dringenden sozialen Anliegen eine größere Aufgeschlossenheit als in der Vergangenheit zu zeigen.

(Beifall beim GB/BHE.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221502400
Das Wort hat der Herr Bundesverteidigungsminister.

Dr. Franz Josef Strauß (CSU):
Rede ID: ID0221502500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist nicht meine Absicht, noch Ergänzungen zu dem Bericht zu geben oder zu der Gesamtproblematik zu sprechen. Ich halte es aber wohl für meine Pflicht, zu einigen Gesichtspunkten, Forderungen, Wünschen und Beschwerden, die hier vorgebracht worden sind, noch vom Standpunkt des Verteidigungsministeriums aus punktweise einige Ausführungen zu machen.
Ich möchte mich nicht länger zu der ja zum Teil politisch, zum Teil sachlich bedingten Frage äußern: Ist der Aufbau der Bundeswehr zu schnell erfolgt bzw. ist das Tempo, in dem er jetzt vorgesehen ist, immer noch zu schnell? Ich habe einige Oberschriften gelesen, in denen es hieß: ,.Aufbau der Bundeswehr wird rasch fortgesetzt", „Es werden im Aufbau keine Konsequenzen gezogen" usw. Ich darf feststellen, daß die staatsrechtliche oder die völkerrechtliche Souveränität und damit das Recht, eine Bundeswehr aufzubauen, am 5. Mai 1955 erteilt worden ist. Im November 1955 sind die ersten Soldaten berufen warden. Es waren durchweg Soldaten in Stäben und in Ämtern. Im Januar 1.956 gab es die ersten Soldaten auf dem Kasernenhof in Andernach.
Wie ich heute gesagt habe — man soll ja Irrtümer oder Erfahrungen immer berücksichtigen —, war der Plan, beginnend vom 1. Januar 1956 an nach 12 Monaten 96 000 Mann, nach weiteren 12 Monaten 270 000 Mann unter Waffen zu haben. Ich darf hier darauf hinweisen, daß es nach dem Urteil mancher militärischer Fachleute, insbesondere auch nach dem Urteil ausländischer militärischer Fachleute, hätte möglich sein sollen, dieses Aufbautempo und diese Aufbauphasen einzuhalten.
Als ich am 14. Oktober 1956 die Verantwortung für den weiteren Aufbau im Rahmen der Verantwortungsgrenzen eines Bundesministers, eines Ressortministers, übernommen habe, waren 65 000 Soldaten im Dienst und weitere 10 000 Soldaten einberufen; es waren also insgesamt 75 000 Soldaten. Ich habe erwähnt, daß in der Zwischenzeit


(Bundesverteidigungsminister Strauß)

etwa 22 000 Einberufungen erfolgt sind. In den Dienst eingetreten sind praktisch 32 000. Ich glaube nach wie vor, daß der Zuwachs in acht Monaten von etwa 30 000 Soldaten, darunter eine Reihe gedienter Soldaten, nach Ablauf einer Frist von schon fünf Vierteljahren vorher, also vom Mai 1955 bis Oktober 1956 — jetzt einmal ohne jede politische Polemik und auch ohne Antwort ,auf politische Polemik gesprochen —, nicht als zu schnell bezeichnet werden kann. Ich habe ferner im Aufbau die Kader von sieben Divisionen vorgefunden. Damals habe ich die Frage gestellt, ob es notwendig oder zweckmäßig ist, statt der sieben in Aufbau befindlichen Divisionen die Zahl der Großverbände, die aufgebaut werden, zunächst zu reduzieren, d. h. aus etwa sieben Divisionskader drei oder vier zu machen. Mir ist von allen militärischen Fachleuten aus Stäben und aus der Truppe erläutert worden, daß dies von neuem unübersehbare Schwierigkeiten, von neuem Verwirrung erzeugen müsse und monatelange Einzelausbildung oder Spezialausbildung erfolglos gewesen sei, weil von neuem Umschulungen stattfinden müßten, während eben erst die Schulung vollzogen wurde. Die Konsequenz war dann die, den Aufbau der sieben Großverbände fortzusetzen, was auch geschieht. Sie kennen die Termine, daß am 1. Julidrei Grenadierdivisionen, am 1. Januar zwei Panzerdivisionen und am 1. April nächsten Jahres zwei Sonderdivisionen, die Luftlandedivision und die Gebirgsdivision, beschränkt Verwendungsfähigkeit erhalten sollen. Ich babe ebenfalls — ich sage es nur zur Feststellung der Tatsachen, ohne jede Polemik — gegen Anraten militärischer Fachleute von der Truppe und aus Stäben angeordnet, daß die Aufstellung weiterer Großverbände weder in diesem Jahr noch zu Beginn des nächsten Jahres erfolgt. Diese Frage wird vielmehr his zum Ende des nächsten Jahres zurückgestellt, um in die bestehenden Verbände das Maß an Konsolidierung hineinzubringen. das im Interesse des heute ven allen Rednern des Hauses aufgezeigten Zieles für notwendig gehalten wird. Mehr möchte ich zu diesem Punkt aus diesem Anlaß nicht sagen.
Ich darf noch einen zweiten Punkt anschneiden. Ich fürchte, daß Kollege Eschmann meine Ausführungen über Befehlsklarheit und Befehlstreue mißverstanden haben könnte. Sie enthielten in keiner Weise einen Angriff gegen diejenigen oder eine Herabsetzung derjenigen, die im Krieg bis zur bitteren letzten Stunde in anständiger Pflichterfüllung, wenn auch oft mit sehr ,geteilten Gefühlen ihre Pflicht erfüllt haben und da stehengeblieben sind und ausgehalten haben, wo sie glaubten, im Interesse des Vaterlandes und des Lebens der ihnen anvertrauten Männer aushalten zu müssen. Ich glaube, es hat in diesem Haus noch kein Zweifel darüber bestanden, daß im letzten Kriege in den Verhältnissen des Dritten Reiches, die ich hier nicht näher zu schildern brauche, die Befehlsklarheit, ich meine einmal im Sinne von Befehlsschärfe und Befehlstreue, mißbraucht worden ist und daß der Mißbrauch gegenüber Befehlsschärfe und Befehlstreue in den Jahren nach dem Kriege mit Recht einer scharfen Kritik, angefangen von den „berühmten" Gerichtsverhandlungen bis zur öffentlichen Meinung, seinen Niederschlag gefunden hat und heute eine gewisse Unsicherheit bei militärischen Unterführern und Führern darüber vorhanden ist, wo die richtigen Grenzen liegen. Hätten wir eine kontinuierliche demokratische Wehrtradition wie in anderen Ländern, in denen auch
Mißbräuche und in einzelnen Fällen Mißstände vorkommen, dann wäre diese Unsicherheit bzw. die Notwendigkeit, erst wieder zu einer sicheren inneren Haltung zurückzufinden, nicht so akut und nicht so bitter notwendig, wie es bei uns der Fall ist. Anders, Herr Kollege Eschmann, war es nicht zu verstehen. Anders bitte ich es auch nicht auszulegen. Ich würde mich schämen, wenn ich irgendwie denen, die befehlstreu gewesen sind, einen billigen Vorwurf machte, ganz gleich unter welcher Fahne sie dienten oder haben dienen müssen, wie eben alle.
Ich darf einen dritten Punkt anschneiden, die Frage der Befehlsverweigerung. Hier ist durch die von uns gegebenen Antworten ein falsches Bild entstanden. Ich sage Antworten; wenn man nämlich die Frage vorher nicht hört und nicht wiedergibt, die an uns gerichtet worden ist — zum Teil gezielt, zum Teil in der öffentlichen Meinung —, dann wirkt die Antwort natürlich deplaziert. Es wäre töricht und unanständig gewesen, als Kommentar zu dem tragischen Unglücksfall an der Iller zu sagen, die Soldaten hätten den Befehl verweigern können. Das wäre nicht nur unanständig, sondern dem weiteren Aufbau der Bundeswehr auch schädlich gewesen; denn ohne bestimmte Klarheiten auf diesem Gebiet - —

(Abg. Eschmann: Das steht aber im Bulletin drin!)

— Ich bitte, die Erläuterung geben zu dürfen. — Wenn man nicht die Fragestellung, sondern nur die Antwort kennt, dann muß ohne Zweifel der Eindruck der Deplaziertheit — das ist ein milder Ausdruck —, des Unanständigen und letzten Endes auch Sachschädlichen entstehen.
Als ich in der Nacht vom 3. auf den 4. Juni an der Iller war, wurde ich zum ersten Mal von einer Schar Journalisten, zum Teil Bildberichterstattern, zum Teil Nachrichtenredakteuren, gefragt: „Hätten diese Soldaten den Befehl verweigern können? Wie denken Sie angesichts dieses Unglücksfalls und seiner Umstände über die Befehlsverweigerung?" Diese Frage wurde einen Tag später, am 4. Juni, abends in einem Fernsehinterview, um das ich gebeten worden bin, wiederholt. Ich bitte also, zu verstehen, Herr Kollege Eschmann, daß die Antwort, die wir gegeben haben, nicht eine Feststellung zum Iller-Unglück an sich war; diese wäre ohne Fragestellung nie getroffen worden. Aber nachdem die Frage gestellt war, hätte es falsch gewirkt und wäre es als eine billige Entschuldigung aufgefaßt worden, wenn wir auf eine gestellte Frage keine Antwort gegeben hätten. Die Antwort, die ich, ich darf sagen, ex improviso gegeben habe, entsprach — das war in dem Fall wohl mehr Fingerspitzengefühl — auch der rechtlichen Nachprüfung, die dann im Bundesverteidigungsministerium stattgefunden hat.
Wenn Sie die Publizistik der ersten Tage nach dem Unglück überprüfen, dann werden Sie feststellen, daß sich die Frage der Befehlsverweigerung wie ein roter Faden da hindurchzieht und diese Frage immer wieder an das Bundesverteidigungsministerium gerichtet worden ist. Die Antwort, die wir darauf gegeben haben, finden Sie im Bulletin vom 13. Juni, wo es heißt:
Unverbindlich sind nach einer ausdrücklichen Bestimmung des Soldatengesetzes drei Gruppen von Befehlen: Befehle, die die Menschenwürde verletzen, Befehle, die nicht zu dienst-


(Bundesverteidigungsminister Strauß)

lichen Zwecken erteilt worden sind, sowie Befehle, durch deren Ausführung der Untergebene ein Vergehen oder gar ein Verbrechen begehen würde.
Diese Aufzählung
— so heißt es weiter —
erfaßt aber keineswegs alle Arten unverbindlicher Befehle. Das Soldatengesetz greift vielmehr nur die wesentlichsten Beispiele heraus. Eine ganze Reihe weiterer Gruppen von Befehlen ist schon vom früheren Reichskriegsgericht
— also in einer Zeit, in der die Fragen der Disziplin wesentlich strenger und mit strengeren Konsequenzen gehandhabt wurden als heute —
in einer grundsätzlichen Entscheidung für unverbindlich erklärt worden. Es heißt dort: „Die Pflicht zum Gehorsam entfällt für den Untergebenen dann, wenn ein Befehl eines Vorgesetzten ohne einen sich aus dem Dienstverhältnis ergebenden Grund so tief in das Rechtsgebiet des Untergebenen, in seine Ehre, sein Ansehen, seine militärische Stellung, seine Gesundheit, sein Leben, sein wirtschaftliches Dasein usw. eingreift, daß dem Untergebenen bei Abwägung aller Gesichtspunkte nicht zugemutet werden kann, den Befehl zu befolgen.

(Abg. Eschmann: Und was passiert dann? — Abg. Dr. Menzel: Die müssen mehr als Volljuristen sein!)

— Ich habe das Urteil nicht gemacht, Herr Kollege. Aber, ich glaube, es hat sich auch Herr Kollege Erler darauf berufen, und zwar zu Recht, um einen Beitrag zur Klärung der Problematik zu bringen. Ich hätte diese Äußerungen zur Frage der Befehlsverweigerung überhaupt nicht gemacht. Aber wenn ich gefragt werde: „Hätten die Soldaten diesen Befehl verweigern können?", dann muß ich sagen: für diesen Fall trifft, rein rechtlich gesehen, diese Gruppe von Befehlen zu; es war eine in kameradschaftlichem Ton gegebene Aufforderung — ich wollte, es wäre ein klarer Befehl mit klarer Verantwortung gewesen, dann lägen die Dinge viel einfacher —, die ohne Zweifel zu der Gruppe von Befehlen gehört, die man hätte verweigern können.

(Abg. Eschmann: Aber was passiert?)

Aber — jetzt kommt das Aber — wir haben deshalb in dem Zusammenhang zu Befehlsverweigerungen nicht Stellung nehmen wollen, weil kein einziger dieser Soldaten die geringste Ahnung oder auch nur eine Vorstellung oder ein Gefühl von der Gefährlichkeit dieses Unternehmens gehabt hat, einschließlich des Zugführers, der als erster mit der schwersten Waffe des Zuges vorausgegangen ist. Es ist müßig, über Befehlsverweigerung zu sprechen, wenn jemand überhaupt nicht auf die Vorstellung kommt, einen Befehl verweigern zu wollen oder verweigern zu müssen, weil ihm das Ganze wie ein harmloses Durchwaten eines Teiches vorkommt und weil man eben über die lokalen Verhältnisse, ihre Besonderheiten und Gefahrensmöglichkeiten nicht die Vorstellung hatte.

(Abg. Mellies: Sie haben doch gesagt, die vorher durchgeschwommen wären, hätten gewarnt, Herr Minister!)

— Das bestreitet ja niemand. Aber die Soldaten des Zuges einschließlich sämtlicher Geretteten, die alle befragt worden sind, haben ausgesagt, daß sie
-- obwohl sie die Warnung zum Teil gehört, zum Teil offensichtlich nicht gehört haben; zum Teil waren es auch Leute aus dem südlichen Raum, die von der Gefährlichkeit gerade der Flüsse im allgemeinen eine gewisse Vorstellung haben — nicht auf den Gedanken einer Gefahr gekommen seien. Wenn die Leute hineingetrieben worden wären, läge ein klarer „Himmelstoß"-Fall vor. Es ist tragisch, daß sie mit Scherzworten und mit spöttischen Zurufen in das Wasser gegangen sind, weil sie das Ganze zum Abschluß der Übung noch für eine interessante Einlage gehalten haben. Hier liegt die Tragik des furchtbaren Problems.
Noch in einem zweiten Zusammenhang ist eine Auskunft über Befehlsverweigerung gegeben worden. Den Soldaten war selbst das an die Unterführer gegebene Verbot, das Überschreiten der Iller nicht durchzuführen und nicht zu befehlen, nach den bis jetzt vorliegenden Informationen nicht bekannt; jedenfalls war es ihnen nicht offiziell bekanntgegeben worden. Es war eine Anweisung an die Zugführer und eine Anweisung an die Gruppenführer. Hier erhebt sich auch bei der Befehlsverweigerung die Frage: wenn die Soldaten gewußt hätten, daß ein Bataillonsverbot oder ein Kompanieverbot vorliegt, hätten sie auch nach unserer Auffassung, wenn ein Zugführer oder Gruppenführer etwas befiehlt, was gegen das Kompanieverbot oder das Bataillonsverbot verstößt — ohne Einholung der Ausnahmegenehmigung —, ebenfalls den Befehl verweigern können.

(Abg. Mellies: Aber Herr Minister, werden die nicht in einer solchen Situation überfordert?)

Aber diese beiden Feststellungen haben wir nur auf Fragen getroffen. Die erste Frage war: Wenn die Soldaten gewußt hätten, wie gefährlich es ist, hätten sie den Befehl verweigern können? Die zweite Frage war: Wenn sie das Bataillonsverbot gekannt hätten, hätten sie den Befehl verweigern können? Auf diese Fragen ist eine gezielte Antwort gegeben worden. Allerdings, durch die Wiedergabe der Antwort ohne Wiedergabe der Frageumstände muß zwangsläufig ein solcher Eindruck entstehen, den ich hiermit, mit diesen Ausführungen, ausdrücklich beheben will.
Ich darf an zwei Fälle erinnern. Ich habe heute davon gesprochen, daß bei dem Unterführerlehrgang die Iller mehrfach in sachkundiger Weise unter Führung eines Offiziers überquert worden ist. Diese Überquerung war der Anlaß für den Bataillonskommandeur und den Divisionskommandeur, das Verbot zu erlassen. Bei dieser Überquerung — —

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221502600
Herr Minister, gestatten Sie eine Frage?

Dr. Franz Josef Strauß (CSU):
Rede ID: ID0221502700
Bitte schön!

Helmut Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0221502800
Darf ich eine Frage stellen, Herr Minister Strauß! Ist Ihnen bekanntgeworden, wie häufig das nach diesem Unterführerlehrgang erlassene Verbot, die Iller zu überschreiten, in jenem Bataillon übertreten worden ist? Ist Ihnen bekannt, in wie vielen Fällen die Soldaten trotz Verbot die Iller haben überschreiten müssen, zum Teil bei Nacht? Welche Konsequenzen ziehen Sie aus der Befolgung dieser Befehle in diesem Bataillon im allgemeinen und im besonderen?


Dr. Franz Josef Strauß (CSU):
Rede ID: ID0221502900
Wenn Sie mir gestatten, Herr Kollege Schmidt, meine weiteren Ausführungen fortzusetzen, dann ist auch die Antwort auf 'diese Frage im einzelnen darin enthalten.
Bei diesem Unterführerlehrgang hat unter sachkundiger Führung eines Leutnants, der vom Bundesgrenzschutz kam — Alter, ich glaube, etwa 23 oder 24 Jahre —, die Überquerung der Iller ohne irgendwelche Schäden stattgefunden. Aber diese Überquerung des Leutnants mit den Unterführern war der Anlaß für das heute mehrfach erwähnte und eben jetzt wieder zitierte Verbot. Ein Lehrgangsteilnehmer ,des Unterführerlehrgangs hat sich geweigert, den Befehl des Leutnants Dietrich auszuführen, und ist auf dem Ufer zurückgeblieben. Dieser Lehrgangsteilnehmer ist nicht nur nicht wegen Befehlsverweigerung zur Rechenschaft gezogen worden, dieser Lehrgangsteilnehmer hat au ch — im Gegensatz zu anderen, die das Lehrgangsziel nicht erreicht haben und durchgefallen sind — die Unteroffiziersprüfung bestanden und ist zum Unteroffizier ernannt worden. Als derselbe Leutnant Dietrich eln zweites Mal im Zusammenhang mit dem Unterführerlehrgang die Iller durchquerte, haben einige alte Feldwebel — da taucht wieder der Komplex auf: der Leutnant hat den Übergang befohlen —, die in der Zwischenzeit hinzugekommen waren, gesagt: Wir machen nicht mit! Gegen diese Feldwebel ist in keiner Weise irgendwie vorgegangen worden. Es ist auch nicht irgendein Wort der Kritik oder des Tadels oder der militärischen Maßregelung laut geworden.

(Abg. Mellies: Ist es nicht später in der Beurteilung ein wenig angeklungen?)

— Ich bitte um Verständnis dafür, daß ich natürlich nicht jede einzelne Beurteilung gelesen habe. Aber ich wollte heute bewußt, um die Dinge nicht zu sehr zu vereinfachen, nicht sagen: Hätten die Feldwebel den Zug geführt, wäre nichts passiert; hätte der Leutnant Dietrich den Zuggeführt, wäre es passiert. Der Leutnant gibt also keine Garantie dafür, daß es nicht passieren kann. Ich bin auch der Meinung, daß ein Offizier keine Garantie darstellt, daß allerdings Ausbildung und Umsicht eines Offiziers größer sein sollten, als bei einem älteren Gruppenführer oder einem jungen Zugführer.
Nun zu Ihrer Frage, Herr Kollege Schmidt. Der Bericht, der dem Verteidigungsausschuß dann vorvorgelegt werden wird, ist ja wesentlich umfangreicher als ,das, was ich heute zum Ablauf des Unglücks und seiner Vorgeschichte in Anbetracht der kurzen Zeit bringen konnte, weil er eine Fülle von Details enthält, die einem Gesamtbericht vor dem Parlament nicht unterzubringen sind. Sie werden ihn aber in allernächster Zeit erhalten. Er zählt alles auf, was dem Untersuchungsausschuß bekanntgeworden ist. Der Untersuchungsausschuß hat vom 4. Juni morgens bis zum 18. Juni und dann noch über den 18. Juni hinaus pausenlos Zeugen vernommen und Ortsbesichtigungen vorgenommen. Ich muß mich an den Bericht dieser Untersuchungskommission, die, wie Sie wissen, aus Ministerialdirigent Barth, Brigadegeneral Schwatlo-Gesterding und einem Oberstleutnant bestand, halten, der die Fälle im einzelnen aufzählt. Ich habe aber bewußt — dafür bitte ich um Verständnis — die Konsequenzen punktueller Art, die daraus zu ziehen sind, heute nicht erwähnt, weil ein Gerichtsurteil noch nicht vorliegt. Ich habe mich peinlich bemüht, auch im Interesse derer, die heute entweder unter Anklageerhebung stehen oder die vom Staatsanwalt in den Kreis der möglicherweise Anzuklagenden einbezogen werden, wie ich es der Pressemeldung entnommen habe, keine voreilige Feststellung von seiten des Ministeriums zu treffen, die die Lage der Betroffenen entweder ungerecht verbessern oder unbillig verschlechtern würde. Darum habe ich diesen Komplex heute nicht erwähnt.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221503000
Herr Minister, gestatten Sie eine Frage?

Dr. Franz Josef Strauß (CSU):
Rede ID: ID0221503100
Bitte.

Helmut Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0221503200
Ich stimme völlig mit Ihren zuletzt geäußerten Motiven überein, Herr Minister Strauß. Trotzdem möchte ich — denn es handelt sich hier um eine reine Tatsachenfrage — die Frage wiederholen: Wieviel Soldaten dieses Bataillons haben insgesamt seit Erlaß des Verbots, die Iller zu überqueren, bis zum Tage des Unglücks in dienstlichem Auftrag oder in dienstlich gegebenem Befehl die Iller überqueren müssen, und zwar bei Tag und bei Nacht?

Dr. Franz Josef Strauß (CSU):
Rede ID: ID0221503300
Herr Kollege Schmidt, ich habe den Bericht der Untersuchungskommission, der sich mit der Frage sämtlicher Iller-Durchquerungen seit der ersten uns bekanntgewordenen Durchquerung unter Befehl von Leutnant Dietrich 'befaßt. Die Untersuchungskommission hat sich bemüht, diese Fälle lückenlos aufzuzählen. Wenn Ihnen weitere Fälle bekannt sind als die in dem Ihnen zugehenden Untersuchungsbericht aufgeführten, sind wir Ihnen für Mitteilung dankbar, weil wir dann auch hinsichtlich der Untersuchungsmethode und der Vervollständigung der Untersuchungsergebnisse noch einiges hinzufügen können.

(Abg. Schmidt [Hamburg]: Ich möchte mich gar nicht etwa skeptisch zu Ihrem Untersuchungsbericht äußern, sondern möchte nur gern, daß Sie dem Hause einmal in aller Offentlichkeit mitteilen, in wieviel Einzelfällen dieses Verbot mißachtet worden ist.)

— Ich sagte schon, daß Leutnant Dietrich die Iller zweimal überquert hat. Das zweite Mal haben sich einige ältere Feldwebel geweigert, diesem Befehl Folge zu leisten. Es ist dann noch — ich kann das nicht auswendig sagen, aber wir haben es schwarz auf weiß — zwei- oder dreimal im Rahmen von Übungen und sogar unter bewußter Verletzung des bekannten Verbots die Iller bei Tag — bei Nacht ist mir im Augenblick kein Fall bekannt — überschritten worden.
Ich habe die individuelle Seite jetzt bewußt aus gewissen Gründen weggelassen. Sie wird hochkommen, Herr Kollege Schmidt, und es werden personelle Veränderungen die unausweichliche Folge davon sein, aber es ist nicht meine Pflicht als Vorgesetzter, heute die Lage der Betroffenen im günstigen oder im ungünstigen Sinne durch Feststellungen, die dann doch nicht die letzte Befragungsmöglichkeit aufweisen, zu beeinflussen.
Ich darf jetzt etwas sagen, was einen bei aller Tragik noch zum Kopfschütteln bringt. Wir haben jetzt Meldungen bekommen, daß einige Soldaten


(Bundesverteidigungsminister Strauß)

derselben Einheit unter Berufung auf ihre ihnen nach den neuen Grundsätzen der inneren Führung außerhalb des Dienstes zustehende freie Betätigungsmöglichkeit nunmehr die Iller freiwillig überschwimmen, um zu beweisen, daß sie dieser Strapaze gewachsen sind. Darum habe ich heute diese Ausführungen gemacht. Das ist nun einmal heute im Zeitalter der Technik und des Sports die Einstellung einer sehr wagemutigen Jugend. Ich möchte mich hier jeder positiven oder negativen Charakterisierung enthalten.
Dazu kommt ohne Zweifel die gerade bei einer Luftlandeeinheit vorhandene Vorstellung, die heute schon von einem Vorredner angeschnitten wurde: „Wir sind eine Eliteeinheit, wir haben Bravourstückchen zu leisten, wir haben eine ganz besondere Tradition." Wir wollen versuchen, dem entgegenzuwirken, denn in der Bundeswehr soll es nicht Eliteeinheiten in dem Sinne geben, daß man zwischen Einheiten erster und zweiter Klasse unterscheidet und daß in der einen Einheit vielleicht das menschliche Leben weniger hoch geschätzt wird als in der anderen und daß in der einen leichtsinniger mit ihm umgegangen wird als in der anderen Einheit.
Aber zum Generellen, Kollege Schmidt, was Ihre Frage anlangt, muß ich folgendes sagen: hier liegen ja gerade unsere innerdienstlichen Konsequenzen vor. Es werden innerdienstliche Vorwürfe erhoben, daß Befehle, die gegeben werden, vielleicht nicht genau, nicht oft genug gegeben werden. Es wird verlangt, daß Befehle auch aktenkundig gemacht werden, daß eine Sammelmappe darüber angelegt wird. Es wird angeführt, daß auf seiten der Vorgesetzten heute oft genug eine Unsicherheit herrscht, welche Mittel er hat, um die Durchbrechung und Mißachtung seiner Befehle und Verbote zu bestrafen bzw. um die Einhaltung der Befehle zu erzwingen, und daß auf seiten der Untergebenen — ich sage das ohne billige Anschuldigung — eine falsche Vorstellung hinsichtlich des Respekts vor einem Befehl besteht. Man glaubt nämlich heute, daß die Dinge sich etwas gelockert hätten, daß der Vorgesetzte nicht mehr so scharf befehlen könne, daß er Befehle zwar geben muß, weil die oben es verlangen, daß aber die Dinge heute fließender geworden sind. Wir wollen nicht haben, daß die guten Grundsätze der inneren Führung neuer Vorstellung jetzt dadurch Schaden leiden, daß man sie dafür verantwortlich macht, daß sie für Verfälschungen mißbraucht werden. Es muß der Zustand wiederhergestellt werden, daß ein Vorgesetzter erstens Bescheid weiß, zweitens die Befehlssprache beherrscht, drittens den Mut hat zu befehlen, die Verantwortung hat, den richtigen Befehl zu finden, und viertens aber auch dann die Courage hat, bei Mißachtung des Befehls ohne Angst vor einem Angriff von irgendwelcher Seite auch strafend seine Hand auszustrecken. Wenn das nicht wiederhergestellt werden kann, dann haben wir bei der Bundeswehr Verhältnisse, die zwar nicht spezifisch für die Bundeswehr sind, die aber die Bundeswehr zum Spiegelbild einer heute bestehenden weitgehenden Autoritätslosigkeit in den gelockerten Nachkriegsverhältnissen machen, die sich erst allmählich wieder fangen.
Das ganze Phänomen im traurigen Sinne des Wortes „Illerunglück" wäre sehr viel leichter zu fassen — nicht daß ich es wünschte; ich bitte, mich nicht falsch zu verstehen —, wenn hier ein Himmelstoß-Fall vorläge. Aber ein Himmelstoß wäre, wenn er einen solchen Befehl gegeben hätte, nicht
vorausgesprungen und hätte es nicht mit der schwersten Waffe vorzumachen versucht. Ein Himmelstoß schindet die Leute, schleift sie, mutet ihnen menschenunwürdige Dinge zu. Er stellt sich mit gespreizten Beinen, die Hände in die Hüften gestützt, hin. Aber er weiß aus seiner alten Erfahrung heraus sehr genau, wo die Grenze liegt.
Das Tragische ist, daß sich hier so viele allgemeine und individuelle Gesichtspunkte vermischen. Wir werden uns über die Konsequenzen im einzelnen und auch im großen noch sehr wohl unterhalten müssen.
Ich habe heute bewußt einzelne Zahlen ausgelassen. Ich habe trotzdem von Herrn Kollegen Mende als Vorwurf — er hat es aber nicht so 'gemeint — die Vergleichszahlen bei Unfällen genannt bekommen. Es ist erschreckend, wie leichtsinnig heute mit dem eigenen und wie leichtsinnig mit dem Leben anderer umgegangen wird. Das zeigt sich nicht nur allein an Einzelfällen wie dem Explosionsunglück von Grafenwöhr, wo der Unteroffizier nicht einmal Vorgesetzter war. Er war einfach Kamerad, er war Richtschütze in einer Panzerbesatzung. Wir erleben das heute auch im Verkehr. Ich darf nur an die 12 500 Verkehrstoten erinnern, an die insgesamt — wenn meine Statistik stimmt — etwa 30 000 Unfalltoten, an die Tatsache, daß zu Pfingsten 100 Leute beim Baden im Bundesgebiet ertrunken sind. Ich darf daran erinnern, daß insbesondere bei den 18-, 20- bis 25jährigen, die die Hauptbenutzer von Motorrädern, Mopeds und oft sehr schnellen anderen Fahrzeugen sind, ein unerhört hoher Blutzoll gebracht wird, den der einzelne im Rausch der Geschwindigkeit vielleicht gar nicht vorher fürchtet und nachher nicht mehr fürchten kann, weil es meistens für ihn zu spät ist. Das ist ein Symptom des technischen und sportlichen Zeitalters, mit dem wir uns alle heute auseinanderzusetzen haben und dessen vermeidbare Extreme wir in allen Bereichen des Lebens, von der Bundeswehr bis zur Wirtschaft hinüber, soweit es überhaupt möglich ist, abzustellen haben. An sich dürfte heute niemand ruhig schlafen, wenn man weiß, daß täglich 35 Beerdigungen von Leuten stattfinden, die im Verkehr ums Leben kommen. Dabei sind nach der Statistik nur höchstens 10 % auf das Versagen der Technik zurückzuführen, 90 % sind auf das Versagen des Menschen zurückzuführen. Wieweit das in den Betrieben der Fall ist, vermag ich nicht zu ermessen.
Die Ehrfurcht vor dem menschlichen Leben, die Ehrfurcht vor dem eigenen Leben und die Ehrfurcht vor dem Leben des anderen, den man in Gefahr bringt, angefangen vom Fußgänger bis zum Omnibuslenker, ist weitgehend abhanden gekommen. Die Mißstände, die wir heute allgemein haben, sind in verschärftem Maße nach dem Kriege aufgetreten. Natürlich kann man sagen: mehr Straßen!, bei der Bundesbahn: alle Übergänge beschranken! usw. Es gibt eine Reihe von technischen Maßnahmen, die die Unfallzahlen erheblich herabsetzen könnten. Aber der Faktor des menschlichen Versagens, der heute in allen Bereichen unseres Lebens festzustellen ist, muß wieder auf ein tragbares Maß herabgesetzt werden, weil wir zu viele Tote — jeder Mensch ist ja gleich viel wert — in den jungen Jahrgängen, in den arbeitsfähigen Jahrgängen haben, die nach den Maßstäben, die wir heute angelegt haben, vermeidbarerweise ums Leben gekommen sind.
Ich darf einen vierten Gesichtspunkt erwähnen.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221503400
Herr Minister, darf ich Sie einen Moment unterbrechen. Wir hatten im Ältestenrat eine Pause von 13 bis 14.30 Uhr vereinbart. Als Sie anfingen zu sprechen, hatte ich angenommen — es war 20 Minuten vor 1 Uhr —, daß wir um 1 Uhr fertig sein würden. Falls Sie nach allzu lange Ausführungen machen, müßte ich das Haus fragen, wie wir verfahren wollen. Wollen wir den Punkt zu Ende bringen?

(Zustimmung.)

— Bitte sehr!

Dr. Franz Josef Strauß (CSU):
Rede ID: ID0221503500
Ich habe von dieser Abmachung nicht gewußt und bitte um Nachsicht.
Ich darf kurz die Punkte noch anführen. Ein weiterer Punkt, den ich behandeln wollte, war die Einstellung truppenerfahrener Offiziere. Uns fehlen erfahrene Offiziere vor allen Dingen in den Rängen Leutnant, Oberleutnant und Hauptmann. Aber hier, meine Kollegen, muß ich um Ihr Verständnis bitten. Wenn wir heute 40-, 42-, 45jährige Leutnante, Oberleutnante und Hauptleute anstellen, dann können wir sie nur als Berufssoldaten einstellen. Wir werden sie nicht als Soldaten auf Zeit gewinnen; denn welcher tüchtige Mann ist mit 40 Jahren bereit, für drei oder vier Jahre zur Bundeswehr zu gehen und dann mit 45 Jahren wieder in das Berufsleben zu treten? Stellen wir sie aber andererseits als Berufssoldaten ein, dann sitzen sie bis zum 60. Lebensjahr auf ihren Planstellen, und wir haben nicht den normalen Altersaufbau der Bundeswehr, wie wir ihn brauchen. Darum haben wir zur Zeit 2700 Offiziersanwärter für die Ernennung zum Leutnant im Nachwuchs, deren durchschnittliche Ausbildung 26 Monate benötigt. Hier ist eine Lücke. Wir haben 560 Leutnante, 1000 Oberleutnante und über 2000 Hauptleute, also einen völlig ungesunden Aufbau, den man aber nicht allein durch die Einstellung der Alten verbessern kann; denn sonst wird das Problem, das wir jetzt haben, in dreifacher Schwere uns in einigen Jahren treffen.
Ich möchte zu der Frage der 10 000 Wehrpflichtigen nicht mehr Stellung nehmen. Es sind genau 7800 plus 2000 wehrpflichtige Freiwillige, die diesem Quartal angehören. Ich wollte hier nicht über die zweifellos sehr interessante Frage Heimatverteidigung — Bundesverteidigungspflicht sprechen. Ich wollte nur dem Kollegen Mende sagen, daß unsere Gedankengänge sich in derselben Richtung bewegen, daß wir es aber bewußt vermieden haben, noch diesem Bundestag die notwendigen gesetzlichen Maßnahmen vorzuschlagen. Sie sind schwierig, sie bedürfen langwieriger Überlegungen, und sie können in diesem Bundestag, nachdem unsere Pläne im Mai fertiggestellt worden sind, was die gesetzlichen Erfordernisse betrifft, nicht mehr verabschiedet werden.
Ich darf allerdings — und ich bitte den Kollegen Schneider um Verständnis — sagen, daß manche Worte der Kritik, die er oder die der Wehrpolitische Ausschuß seiner Partei — wenn ich ihn richtig verstanden habe — gefunden hat oder die ich vor einigen Tagen in der Presse gelesen habe, an die falsche Adresse gerichtet worden sind. Das Organisationsgesetz liegt dem Bundestag seit langer Zeit vor. Die Vorschläge, die wir zur Änderung des Organisationsgesetzes, um eine klare militärische Spitzengliederung zu bekommen, gemacht haben, liegen ebenfalls bereits seit geraumer Zeit dem Ausschuß vor. Aber die Arbeitslage im Ausschuß ist so — ich sage es ohne jeden Vorwurf —, daß dieses Gesetz nicht mehr rechtzeitig verabschiedet werden konnte. Ein Ministerium kann ja bekanntlich kein Gesetz verabschieden.

(Abg. Schneider [Bremerhaven] : Das habe ich auch nicht behauptet!)

— Es stand schwarz auf weiß in einer Verlautbarung. Herr Kollege Schneider, es ist gut, daß die Dinge angesprochen und ohne Bitternis und ohne Schärfe behandelt werden.
In einer Vorstellung werden wir nicht ohne weiteres einig werden können — was auch innerhalb einer Koalition vorkommen mag —: in der Vorstellung eines obersten, mit Kommando- und Befehlsgewalt ausgestatteten, unmittelbar vorgesetzten Soldaten. Wenn ich die politische Meinung dieses Hauses richtig verstanden .und im Ausschuß richtig gehört habe, dann war die übereinstimmende Meinung , keinen Oberbefehlshaber der deutschen Bundeswehr mit absoluter Kommando-und Befehlsgewalt zu schaffen, sondern ich mußte mich hier dem Willen des Parlaments, dem Beschluß der Regierung und natürlich meiner eigenen Einsicht fügen, daß die Spitzengliederung der Bundeswehr in das Ministerium einzubauen ist und daß die Kommando- und Befehlsgewalt der Inspekteure und des Generalinspekteurs vom Minister abgeleitet ist. Ich machte auch sehr bestreiten, daß Sie für eine andere Vorstellung in diesem Hause oder jemals in einem Bundestag eine Zweidrittelmehrheit zur Änderung der Verfassung finden werden. Daß manche alten Soldaten das wünschen, ist richtig. Ob aber diese Vorstellung einer Spitzengliederung der Bundeswehr zur Abhilfe all der heute vorhandenen Klagen über die Wohnung, Trennungsgeldzulage, Bekleidung, Ausrüstung unid Unterkunft führen würde, möchte ich bestreiten, ohne daß ich aus Zeitgründen in die Details gehen kann.
Lassen Sie mich zum Schluß noch ein Wort zum Gesundheitswesen in der Bundeswehr sagen. Vom 14. Oktober 1956 bis zum 1. Juli 1957 hat sich die Zahl der Sanitätsoffiziere etwa verdoppelt, nämlich von 190 auf 380. Es ist jetzt eine Sanitätsinspektion geschaffen worden, die allerdings noch keinen Sanitätsinspekteur hat. Ich darf Sie daran erinnern, Herr Kollege Reichstein, daß erst vor wenigen Wochen der Haushalt in Kraft getreten ist, der die Planstelle für einen Sanitätsinspekteur vorsieht. Es ist nicht richtig, daß der Sanitätsinspekteur nicht von uns gewünscht, sondern uns erst aufgezwungen worden ist. Nur sind die Pläne, die den Sanitätsinspekteur vorsehen sollten, im langwierigen Gang eines Haushalts aufgestellt warden. Ich habe mich aber mit Ihnen und Ihren Kollegen geeinigt und meine Herren angewiesen, im Ausschuß von uns aus die Stelle eines Sanitätsinspekteurs zu verlangen, ursprünglich mit drei Sternen, dann mit zwei Sternen. Jetzt haben wir sie.

(an dessen Schwer fälligkeit zerschlagen. Ich kann jetzt nicht mehr anders verfahren, als daß ich einen guten Oberstarzt, einen von den Oberstärzten, die wir haben, der nach alter Ausbildung und Erfahrung geeignet zu sein scheint, zum Generalarzt mache und ihm die Sanitätsinspektion anvertraue. Sie können aber sicher und gewiß sein, daß, bevor diese Legislaturperiode zu Ende geht, ein Sanitätsinspekteur an der Spitze der geschaffenen Sanitätsinspektion stehen wird, nach den Plänen und Vorstellungen, die wir schon mehrfach gemeinsam gefunden haben. Ich halte es für absolut notwendig, daß der Sanitätsinspekteur gleichberechtigt neben den Inspekteuren der Teilstreitkräfte, Heer, Luftwaffe und Marine steht; denn das Sanitätswesen muß innerhalb der Bundeswehr, auch bei vollem Zusammenhang der Truppensubstanz, noch eine weitgehende Selbständigkeit des zuständigen ärztlichen Vorgesetzten enthalten, um die Notwendigkeiten zu bedienen, von denen Sie heute gesprochen haben. Herr Minister, gestatten Sie eine Frage? Bitte. Herr Minister, es ist Ihnen doch sicher bekannt, daß Sie den Sanitätsinspekteur mit dem entsprechenden Dienstrang deshalb haben, weil das Parlament ihn in den Haushaltsplan eingesetzt hat. Sind Sie nicht auch der Meinung, daß Einsparungsmaßnahmen, die vom Finanzminister angeregt waren, nicht richtig aufgefaßt werden, wenn Ihr eigenes Haus dann mit dem Einsparen beim leitenden Sanitätschef beginnt? Das ist eine Tatsache! Es ist für mich schwer, über die Wandlung gewisser Vorstellungen zu sprechen, Kollege Reichstein. Aber vom ersten Tage an bestand bei mir nicht der geringste Zweifel, daß ein Inspekteur für das Sanitätswesen im Rang oder in der Funktion gleichberechtigt mit dem Chef von Heer, Luftwaffe und Marine geschaffen werden muß. Meine Herren haben von mir Anweisung bekomnmen, im Haushaltsausschuß diese Stelle nachträglich zum Haushaltsplan zu verlangen, was auch geschehen ist. Ich kann es Ihnen im Protokoll zeigen, daß wir im Ministerium die Besprechung darüber gehalten haben. Wir haben den dritten Stern nicht bekommen. Ich bin der Meinung, daß für einen Sanitätsoffizier im Generalsrang bei der heutigen Größe der Bundeswehr auch zwei Sterne ausreichen, um die Aufgabe zu erfüllen. Aber die Persönlichkeit, die Sie vorgeschlagen haben, Herr Kollege Reichstein, hat beispielsweise schon drei Sterne verlangt, damit sie überhaupt anfängt, und das war die, die von allen Standesorganisationen als die beste bezeichnet worden ist. Nach monatelangen Verhandlungen mußte ich sagen: So geht das nicht; so wird nie eine Sanitätsinspektion aufgebaut. Jetzt holen wir uns einen Herrn zwischen 50 und 55 Jahren, einen Oberstarzt, der bekommt den Stern des Generalsarztes dazu und wird eingesetzt. Dann soll er mit seinen Ellenbogen dafür kämpfen, daß das Sanitätswesen innerhalb der Bundeswehr — bei unseren auch nicht sehr machtlüsternen Generälen — den richtigen Platz erhält. Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung zu Punkt 1 der heutigen Tagesordnung. Ich schlage dem Hause Unterbrechung der Sitzung bis 14.50 Uhr vor. — Das Haus ist damit einverstanden. (Unterbrechung der Sitzung von 13.21 Uhr bis 14.51 Uhr.)


(Bundesverteidigungsminister Strauß)

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221503600
Dr. Franz Josef Strauß (CSU):
Rede ID: ID0221503700
Dr. Willy Reichstein (GB/BHE):
Rede ID: ID0221503800
Dr. Franz Josef Strauß (CSU):
Rede ID: ID0221503900

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221504000

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221504100
Die Sitzung ist wiederaufgenommen. Wir fahren in der Tagesordnung aufgenommen. Wir fahren in der Tagesordnung fort. Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung:
Erste Beratung der Ergänzung zu dem Entwurf des Gesetzes zu den Verträgen vom 25. März 1957 zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft (Drucksache 3615).
Es ist vorgesehen, den Punkt ohne Begründung und ohne Aussprache zu erledigen. Ich darf annehmen, daß das Haus ,damit einverstanden ist.
Es ist Überweisung an den 3. Sonderausschuß vorgeschlagen. Ich bitte diejenigen Kollegien, welche dem Antrag zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Dann ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 3 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz über die Versorgung für die ehemaligen Soldaten der Bundeswehr und ihre Hinterbliebenen (Soldatenversorgungsgesetz — SVG) (Drucksache 3570).
Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Seidl (Dorfen). Ich erteile ihm das Wort.

Franz Seidl (CSU):
Rede ID: ID0221504200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst darf ich bitten, den Bericht über das Unterhaltssicherungsgesetz — Punkt 4 der Tagesordnung — vorwegnehmen zu dürfen, weil in diesem Bericht auf den anderen Bericht Bezug genommen ist.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221504300
Wenn das Haus damit einverstanden ist, dann rufe ich Punkt 4 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz über die Sicherung des Unterhalts für Angehörige der zum Wehrdienst einberufenen Wehrpflichtigen (Unterhaltssicherungsgesetz) (Drucksache 3569).
Darüber wird zunächst abgestimmt.

Franz Seidl (CSU):
Rede ID: ID0221504400
Danke sehr! — Der Bundesrat hat den Vermittlungsausschuß in erster Linie wegen der im Unterhaltssicherungsgesetz enthaltenen Kostenregelung angerufen. Er hat beantragt, in § 17 eine Vorschrift einzufügen, nach der der Bund die bei der Durchführung des Gesetzes entstehenden Verwaltungskosten trägt, und in § 20 Abs. 1 die Vorschrift über die Beteiligung der Länder an bestimmten Sachaufwendungen in Höhe von 20 v. H. zu streichen.


(Seidl [Dorfen])

Der Vermittlungsausschuß empfiehlt, den Antrag zu § 17 hinsichtlich der Erstattung der Verwaltungskosten durch den Bund abzulehnen, dem Antrag auf Streichung der Vorschriften über die Belastung der Länder mit einer Interessenquote dagegen stattzugeben. Für die Empfehlung des Vermittlungsausschusses waren folgende Erwägungen ausschlaggebend.
In § 17 des Gesetzentwurfes in der vom Bundestag beschlossenen Fassung ist auf Grund von Art. 87 b des Grundgesetzes vorgesehen, daß das Gesetz im Auftrage des Bundes von den Ländern durchgeführt wird. In § 20 Abs. 1 des Entwurfs ist auf Grund des allgemeinen Lastenverteilungsgrundsatzes des Art. 106 Abs. 4 Nr. 1 des Grundgesetzes dementsprechend vorgesehen, daß der Bund — abgesehen von der später zu erörternden Frage der Interessenquote — die im Gesetz vorgesehenen Leistungen zur Unterhaltssicherung trägt. Diese Vorschrift bezieht sich jedoch nicht auf die persönlichen und sächlichen Verwaltungskosten, die sich bei der Durchführung des Gesetzes durch die zuständigen Landesbehörden ergeben.
Nach dem Begehren des Bundesrates sollte der Bund auch die persönlichen und sächlichen Verwaltungskosten übernehmen, wobei auch erörtert wurde, ob etwa eine pauschale Abgeltung dieser Kosten möglich sei, da die tatsächliche Feststellung dieser Kosten praktisch fast unmöglich sei.
Der Vermittlungsausschuß hat sich eingehend mit dieser Frage, vor allem auch mit der verfassungsrechtlichen Frage, auseinandergesetzt. Eine völlige Übereinstimmung konnte nicht erzielt werden. Von einer Minderheit des Ausschusses war die Auffassung vertreten worden, daß Art. 106 Abs. 4 Nr. 1 des Grundgesetzes es nicht verbiete, daß eine Kostenbeteiligung des Bundes auch bei der Auftragsverwaltung gesetzlich verankert werde. Die seinerzeitige Regelung bei der Neufassung des Grundgesetzes im Zusammenhang mit dem 4. Überleitungsgesetz — Finanzanpassungsgesetz — habe sich nur auf die seinerzeit bekannten Aufgaben und nicht auf neue, zusätzliche Aufgaben bezogen.
Auf der anderen Seite wurde seitens der Bundesregierung und von der Mehrheit des Ausschusses die Auffassung vertreten, daß der verwaltungsmäßige Vollzug eines Bundesgesetzes auch im Falle der Auftragsverwaltung allein eine Aufgabe der Länder im Sinne des Lastenverteilungsgrundsatzes des Art. 106 Abs. 4 Nr. 1 des Grundgesetzes sei. Auch die in Art. 85 des Grundgesetzes vorgesehene Aufsicht des Bundes führe nicht zu einer Aufteilung der Vollzugskompetenz auf Bund und Länder, die eine Beteiligung des Bundes an den Verwaltungskosten rechtfertigen könnte.
Außerdem sei die seinerzeitige Regelung im 4. Überleitungsgesetz als endgültige Regelung zu betrachten, was sich auch aus den Ausführungen des seinerzeitigen Berichterstatters im Vermittlungsausschuß, Minister Dr. Troeger, ergebe. Ein etwa notwendiger Ausgleich durch Mehrbelastungen der Länder könne nur mehr auf dem in Art. 106 Abs. 5 des Grundgesetzes vorgesehenen Wege, also im Wege der Erhöhung des Anteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer, vorgenommen werden. Eine gesetzliche Regelung, nach der die sächlichen und persönlichen Verwaltungskosten vom Bund übernommen werden, würde daher gegen Art. 106 Abs. 4 Nr. 1 des Grundgesetzes verstoßen. Der Ausschuß hat daher in
Übereinstimmung mit der bei der Verabschiedung des Vierten Überleitungsgesetzes in der gleichen Frage eingenommenen Haltung das Anrufungsbegehren des Bundesrates zu § 17 abgelehnt. Für die Entscheidung war neben verfassungsrechtlichen Gründen auch die Überlegung maßgebend, daß eine eigenverantwortliche verwaltungsmäßige Durchführung der Bundesauftragsaufgabe durch die Länder auch in finanzieller Hinsicht dem föderalistischen System am besten gerecht wird.
In der Frage der Beteiligung der Länder mit einer Interessenquote an den Aufwendungen für bestimmte Leistungen des Gesetzes ist der Vermittlungsausschuß dagegen einstimmig dem Antrag des Bundesrates gefolgt.
In § 20 Abs. 1 der Bundesratsfassung war eine Interessenquote der Länder in Höhe von 20 % zu den Sonderleistungen nach § 8 Abs. 2 Nrn. 5 und 6 und zu den Aufwendungen für den Härteausgleich nach § 24 vorgesehen, weil den ausführenden Landesbehörden bei der Entscheidung über die Höhe der Aufwendungen ein Ermessensspielraum eingeräumt ist, der nach dem allgemeinen Lastenverteilungsgrundsatz des Artikels 106 Abs. 4 Nr. 1 des Grundgesetzes eine Beteiligung der Länder an der Finanzverantwortung rechtfertigt.
Der Vermittlungsausschuß empfiehlt jedoch aus folgenden Gründen, von einer Interessenquote abzusehen.
Bei den Sonderleistungen ist durch die Beschlüsse des Bundestages der Ermessensspielraum der Länder gegenüber der Regierungsvorlage allein auf die finanziell nicht ins Gewicht fallenden Fälle des § 8 Abs. 2 Nrn. 5 und 6 beschränkt worden. Unter diesen Umständen kann nach Auffassung des Vermittlungsausschusses bei den Sonderleistungen allgemein auf eine Interessenquote verzichtet werden. Die Entscheidung hinsichtlich der Interessenquote bei den Aufwendungen für den Härteausgleich beruht dagegen auf der Erwägung, daß nach § 24 des Gesetzentwurfs alle Entscheidungen über die Gewährung eines Härteausgleichs im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen und dem Bundesminister für Verteidigung zu Bundesinstanzen bei allen von den Ländern zu treffen sind. Durch die Einschaltung der genannten treffenden Entscheidungen über die Gewährung eines Härteausgleichs entfallen nach Auffassung des Vermittlungsausschusses die Voraussetzungen für eine finanzielle Beteiligung der Länder an den Aufwendungen im Rahmen des Härteausgleichs, also die Einführung einer Interessenquote.
Mit dieser Empfehlung des Vermittlungsausschusses steht die Empfehlung zu § 24 des Gesetzentwurfs in unmittelbarem Zusammenhang, nach der der Antrag des Bundesrates, die Vorschrift über das Einvernehmen mit den genannten Bundesressorts bei Entscheidungen über den Härteausgleich zu streichen, abgelehnt worden ist. Ebenfalls ist abgelehnt worden, das „Einvernehmen" durch „Benehmen" zu ersetzen. Eine unzulässige Mischverwaltung konnte darin nicht erblickt werden.
Im übrigen empfiehlt der Vermittlungsausschuß, den Änderungsvorschlägen zu den §§ 21, 26 und 28 zuzustimmen und entsprechend dem Antrag des Bundesrates einen neuen § 29 a mit der negativen Saarklausel einzufügen. Die Paragraphierung hat sich durch Streichung des § 28 geändert. Zu § 21 hat sich der Vermittlungsausschuß der Begründung des Bundesrates angeschlossen, daß sich die ent-


(Seidl [Dorfen])

sprechende Bestimmung des § 27 der Fürsorgepflichtverordnung in der Praxis bewährt habe. Insofern ist in den §§ 21 und 26 die Wiederherstellung der Regierungsvorlage erfolgt.
Zu § 28 hat sich der Vermittlungsausschuß ebenfalls der Begründung im Anrufungsbegehren des Bundesrates angeschlossen, daß nämlich die Ermächtigung eines einzelnen Bundesministers zum Erlaß von Verwaltungsvorschriften nicht im Einklang mit dem Wortlaut dem Grundgesetzes stehe und eine allgemeine Ermächtigung im Hinblick auf Art. 85 Abs. 2 des Grundgesetzes überflüssig sei.
Ich darf zum Schluß darauf aufmerksam machen, daß der Ausschuß gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Geschäftsordnung beschlossen hat, daß im Bundestag über die vorgeschlagenen Änderungen gemeinsam abzustimmen ist.
Ich bitte das Haus, dem Unterhaltssicherungsgesetz in der vom Vermittlungsausschuß vorgeschlagenen Fassung in Drucksache 3569 die Zustimmung zu geben.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221504500
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Eine Debatte findet nicht statt. Die Abgabe von Erklärungen ist hier nicht angemeldet.
Ich darf annehmen, daß wir zur Abstimmung kommen können. Es ist gemeinsame Abstimmung über alle Änderungsvorschläge vorgesehen. Wer für diesen Vorschlag des Vermittlungsausschusses zustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angenommen.
Ich rufe nunmehr auf den Punkt 3 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz über die Versorgung für die ehemaligen Soldaten der Bundeswehr und ihre Hinterbliebenen (Soldatenversorgungsgesetz — SVG) (Drucksache 3570).
Ich bitte den Herrn Berichterstatter, den Bericht zu erstatten.

Franz Seidl (CSU):
Rede ID: ID0221504600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch beim Soldatenversorgungsgesetz wie beim Unterhaltssicherungsgesetz hat in erster Linie die Frage der Verwaltungskosten Anlaß zur Anrufung des Vermittlungsausschusses durch den Bundesrat gegeben. Die Rechtslage ist hier die gleiche wie beim Unterhaltssicherungsgesetz. Ich darf insoweit auf meinen soeben gegebenen Bericht verweisen. Der Vermittlungsausschuß empfiehlt daher in Übereinstimmung mit seinem Beschluß zu § 17 des Unterhaltssicherungsgesetzes, die Einfügung einer Vorschrift in § 88 Abs. 1 des Entwurfs, nach der der Bund die persönlichen und sächlichen Verwaltungskosten trägt, abzulehnen. Im übrigen empfiehlt der Vermittlungsausschuß, den vom Bundesrat beantragten Änderungen der §§ 10, 19 und 27 zu entsprechen.
In § 10 werden lediglich wegen der Sonderstellung dieser Berufsgruppen die Bezirksnotare in Baden-Württemberg eingefügt.
Zu § 19 ist der Ausschuß der Begründung des Bundesrates gefolgt und hat unter Wiederherstellung der Regierungsvorlage den sechsjährigen Beförderungsschnitt wieder hergestellt und ebenso auch die 30jährige Frist durch eine 36jährige ersetzt. Eine allgemeine Änderung der Vorschriften über den' Beförderungsschnitt würde dem Bedenken begegnen, daß die erforderliche Verwaltungsmehrarbeit — Neuberechnung der Versorgungsbezüge — in keinem Verhältnis zu dem sachlichen Nutzen stände. Dazu wurden auch noch sonstige Gründe vorgebracht, die sich insbesondere auf das Gesetz zu Art. 131 des Grundgesetzes beziehen.
Zu § 27 ist der Ausschuß ebenfalls dem Anrufungsbegehren des Bundesrates in der Hauptsache gefolgt, was im wesentlichen eine Wiederherstellung der Regierungsvorlage in den §§ 24 und 25 bedeutet. Die Auffassung, daß die vom Bundestag beschlossene Fassung eine Fortentwicklung gegenüber dem Bundesbeamtenrecht darstelle und angenommen werden könne, daß in den kommenden Jahren dieser fortschrittliche Gedanke im Beamtenrecht auch seinen Niederschlag finden werde, wurde wenigstens für dieses Gesetz vom Ausschuß nicht geteilt. Es wird empfohlen, den § 27 dahin zu ändern, daß in Abs. 4 letzter Satz entsprechend der Regelung in den analogen Fällen der §§ 19, 55 und 63 die Worte „die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedürfen" eingefügt werden. Als Folge des Beschlusses zu § 27 ergeben sich einige redaktionelle Änderungen in § 14, § 43 Abs. 1, § 52, § 75 Abs. 2 und § 76 Abs. 2 Satz 1, die in dem Änderungsvorschlag des Vermittlungsausschusses berücksichtigt sind.
Der Vermittlungsausschuß ist schließlich auch den weiteren Änderungsvorschlägen des Bundesrates zu § 88, soweit sie sich nicht auf die eingangs erwähnte Verwaltungskostenregelung erstrecken, gefolgt. Wesentlich ist hierbei die Änderung, nach der auch die soziale Fürsorge nach den §§ 25 bis 27 des Bundesversorgungsgesetzes im Rahmen des vorliegenden Gesetzes im Auftrage des Bundes durchgeführt werden soll, womit für diese Leistungen die allgemeine Lastenverteilung nach diesem Gesetz gilt. Auch die Neufassung von Abs. 2 Satz 2 des § 88 bringt eine Klarstellung, daß es sich nur um ein Weisungsrecht des zuständigen Bundesministers im Rahmen des Art. 85 des Grundgesetzes handelt, nicht jedoch um ein selbständiges Entscheidungsrecht.
Auch für das Soldatenversorgungsgesetz hat der Ausschuß gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Geschäftsordnung beschlossen, daß im Bundestag über die vorgeschlagenen Änderungen gemeinsam abzustimmen ist.
Ich bitte, dem Soldatenversorgungsgesetz in der vom Vermittlungsausschuß vorgeschlagenen Fassung der Drucksache 3570 Ihre Zustimmung zu geben.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221504700
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Das Wort zur Abgabe einer Erklärung hat der Abgeordnete von Manteuffel.
von Manteuffel (Neuß) (DP [FVP]): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Deutsche Partei bedauert, daß in der Begründung des Bundesrats für die Anrufung der Vermittlungsausschusses zum Gesetz über die Versorgung für die ehemaligen Soldaten der Bundeswehr und ihre Hinterbliebenen unter Ziffer 2 zu § 19 u. a. gesagt ist:


(von Manteuffel [Neuß])

Eine allgemeine Änderung der Vorschriften über den Beförderungsschnitt unter Einbeziehung der Bundesbeamten und der unter das Gesetz zu Art. 131 GG fallenden Personen würde dem Bedenken begegnen, daß die erforderliche Verwaltungsmehrarbeit (Neuberechnung der Versorgungsbezüge) in keinem angemessenen Verhältnis zu dem sachlichen Nutzen steht.
Die Deutsche Partei bedauert dies um so mehr, als die Berechnungsgrundlagen für die Bezüge der Versorgungsempfänger vorhanden sind, es sich also nur um eine überhaupt nicht ins Gewicht fallende Mehrarbeit handelt, die die Bearbeiter in den Versorgungsämtern als Kollegen und Kameraden der Betroffenen zweifellos in allen Fällen gern auf sich genommen haben würden.
Die nunmehrige Regelung in § 19 trägt nach Auffassung der Deutschen Partei dem Umstand nicht Rechnung, daß ein großer Teil der Berufssoldaten in verhältnismäßig frühem Lebensalter, nämlich als Major, auszuscheiden gezwungen ist und nach der derzeitigen Regelung oft nicht die Versorgungsbezüge des tatsächlich erreichten Dienstgrades erhält. Diese Regelung widerspricht dem Leistungsprinzip und den vom Soldaten in sehr frühem Lebensalter notwendigerweise zu f ordernden Höchstleistungen.

(Beifall bei der DP [FVP].)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221504800
Das Wort hat zu einer Erklärung Herr Abgeordneter Berendsen.

Fritz Berendsen (CDU):
Rede ID: ID0221504900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch namens der CDU/CSU habe ich die Erklärung abzugeben, daß sie bedauert, daß es dem Vermittlungsausschuß nicht gelungen ist, den Fünf-Jahres-Beförderungsschnitt zu erhalten, den wir einstimmig in der Fraktion beschlossen hatten. Wir wissen, daß wir im Augenblick das Gesetz nicht ändern können, da sonst die gesamte Soldatenversorgung zu Fall käme und in dieser Legislaturperiode nicht mehr verabschiedet werden könnte. Die Fraktion bedauert dies und beabsichtigt, dieses Problem im nächsten Bundestag sofort wieder aufzugreifen.

(Abg. Könen [Düsseldorf] : Sehr freundlich! Ich dachte, Sie fingen mit der Sozialreform an!)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221505000
Das Wort zu weiteren Erklärungen wird nicht mehr gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich stelle den Antrag Drucksache 3570 zur Abstimmung. Es ist gemeinsame Abstimmung vorgesehen. Wer diesen vorgesehenen Änderungen insgesamt zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen.
Ich rufe auf Punkt 5 der Tagesordnung:
Fortsetzung der zweiten und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die
Tuberkulosehilfe (THG) (Drucksache 2213);
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Fragen der öffentlichen Fürsorge (13. Ausschuß) (Drucksachen 3489, zu 3489).

(Erste Beratung: 139. Sitzung.)

Berichterstatterin ist Frau Abgeordnete Bennemann.

(Zuruf von der SPD: Das ist schon erledigt! — Abg. Könen [Düsseldorf]: Wir sind bei 6 a! — Abg. Rasner: Die Debatte war damals unterbrochen! Wir sind bei § 6 a!)

— Ich danke schön!
Zu § 6 a liegt ein Änderungsantrag Umdruck 1181 Ziffer 1 vor. Wird zur Begründung des Antrags das Wort gewünscht? — Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Berg.
Dr. Berg (DP [FVP]): Meine Damen und Herren! Der Antrag sieht vor, daß die Behandlungsbedürftigkeit auch durch Fachärzte, vor allen Dingen Tuberkulose-Fachärzte, aus der freien Praxis festgestellt werden kann. Es ist kaum einzusehen, warum ausschließlich beamtete Ärzte dazu in der Lage sein sollten. Die Gefahr von sogenannten Gefälligkeitsattesten — ganz abgesehen davon, daß diese auch auf der anderen Seite vorkommen — dürfte bei der Tuberkulose völlig ausgeschlossen sein. Dazu kommt, daß sich das Gesetz im Grunde mit der wirtschaftlichen und sozialen Seite der Tuberkulosehilfe befaßt. Es legt zwar in einem Paragraphen, dem § 4, den Umfang der Heilbehandlung fest, ohne aber weitere Modalitäten in bezug auf die ärztliche Tätigkeit vorzusehen. Die Einfügung, die erst im Ausschuß erfolgt ist — die Regierungsvorlage sah die Einfügung nicht vor; es handelt sich bei unserem Antrag um die Wiederherstellung der Regierungsvorlage —, ist also nicht gesetzessystematisch und würde gesetzessystematisch auch nicht richtig sein. Ich bin der Auffassung, daß die Regierung das bei ihrem Entwurf sehr wohl bedacht hat.
Ich bitte um Annahme meines Antrages.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221505100
Bitte schön, Frau Kollegin!

Maria Niggemeyer (CDU):
Rede ID: ID0221505200
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Der in dem Änderungsantrag angesprochene § 6 a Abs. 4 soll die Festlegung des Zeitpunktes, in dem die Behandlungsbedürftigkeit gegeben ist, deshalb sichern, weil durch einen Wechsel in der Zuständigkeit des Kostenträgers die Behandlung nicht unterbrochen wird. Die Formulierung, so wie sie hier vorgesehen ist, verhindert einen Wechsel in der Zuständigkeit des Aufgabenträgers. Es ist in der Diskussion des Ausschusses nicht bestritten worden und wird auch hier von mir nicht bestritten, daß die Behandlungsbedürftigkeit in aller Regel zunächst einmal durch den Facharzt oder einen anderen Arzt in Privatoder Kassenpraxis festgestellt wird. Es wird von mir auch nicht in Zweifel gezogen und ist ebenfalls im Ausschuß nicht in Zweifel gezogen worden, daß das Urteil dieser Ärzte fachlich genauso gut ist wie das Urteil eines amtlich bestellten Arztes. Es ist aber notwendig, daß bei einem sich mitunter erst nach langen Monaten herausstellenden Zweifel über die Zuständigkeit und bei einem sich dann ergebenden Streit zwischen den Kostenträgern der maßgebende Zeitpunkt festgelegt wird, zu dem die Behandlungsbedürftigkeit festgestellt war.
Bei der großen Zahl der in Betracht kommenden Ärzte wird sich nicht immer genau sagen lassen, an welchem Tage sich der Verdacht auf Tuberkulose zur Behandlungsbedürftigkeit vertieft hat.


(Frau Niggemeyer)

Daher sollen nur die Feststellungen gelten, die amtlich bestellte Ärzte aktenkundig vorliegen haben. Jeder Tbc-Kranke kommt mit einem amtlich bestellten Arzt in Berührung, zumindest mit dem Gesundheitsamt. Amtlich bestellte Ärzte, die bei der Durchführung des Tbc-Hilfe-Gesetzes tätig werden, sind aber ebenso etwa Ärzte der Versorgungsbehörden, der Bundeswehr, der übrigen Dienstherren, der Träger der Sozialversicherung, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sie Beamte oder Vertrauensärzte oder Vertragsärzte sind. Aus diesem Grunde konnte sich der Ausschuß nicht dazu entschließen, einen Katalog dieser Ärzte aufzuführen, und fand die Formulierung „amtlich bestellten Arzt".
Ich bitte, den Änderungsantrag abzulehnen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221505300
Weitere Wortmeldungen? — Bitte, Herr Kollege!

Willy Könen (SPD):
Rede ID: ID0221505400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich dem, was Frau Kollegin Niggemeyer gesagt hat, weitgehend anschließen. Es handelt sich hier nicht darum, ob für die Feststellung freie Fachärzte oder Amtsärzte vorgesehen werden sollen, sondern es handelt sich hier darum, daß ein Amtsarzt die Zuständigkeit feststellen soll.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221505500
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag Umdruck 1181 Ziffer 1, den Herr Kollege Dr. Berg begründet hat, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe den § 6 a in der Ausschußfassung auf. Wer diesem Paragraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — § 6 a ist angenommen.
Ich rufe § 6 b auf und darf annehmen, daß das Haus auch mit der Behandlung des § 6 c — zu beiden liegen keine Änderungsanträge vor - einverstanden isst. Ich stelle die beiden aufgerufenen Paragraphen zur Aussprache. — Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer den §§ 6 b und 6 c in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Die beiden Paragraphen sind angenommen.
Ich rufe § 7 auf. Hierzu liegt auf Umdruck 1187 Ziffer 1 ein Antrag der SPD vor. Wird der Antrag begründet? — Bitte, Herr Kollege!

Willy Könen (SPD):
Rede ID: ID0221505600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedaure, Ihnen schon von vornherein sagen zu müssen, daß ich bei diesem Änderungsantrag Umdruck 1187 Ihre Zielt etwas in Anspruch nehmen muß; denn der § 7 hat eine eigen artige Geschichte.
Wir, die Opposition, beantragen die Wiederherstellung der Regierungsvorlage. Das Tuberkulosehilfegesetz, so wie es Ihnen hier vorgelegt worden ist, wind in § 7, bei dem es sich darum handelt, wie weit die Betroffenen zu den Kosten herangezogen werden sollen, verschlechtert, d. h. — ganz korrekt gesagt — verbessert und in wenigen Tagen verschlechtert; ich möchte mich nicht darauf gegebenenfalls hinweisen lassen.
Was ist hier geschehen? Die Regierung hat in § 7 eine Regelung getroffen, die :deshalb so großzügig war, weil man mit Recht davon ausging, daß das Tuberkulosehilfegesetz dazu dienen solle, möglichst die Sorgen von den Menschen zu nehmen, die in ihrer Familie Kranke haben, deren Genesung im allgemeinen und im eigenen Interesse notwendig wird. Darum heißt es z. B. in der Begründung auch, daß man hier eine Hilfeleistung so gut wie möglich schaffen ;und generell von einer großzügigen Regelung ausgehen wolle.
Übrigens, Herr Präsident, darf ich um folgendes bitten. Mit unserem Antrag zu § 7 — Umdruck 1187 — hängen die Anträge Ziffer 3 und Ziffer 4 — zu § 25 und zu § 29 — sehr eng zusammen, es sind Folgeparagraphen des § 7. Wenn Sie einverstanden sind, begründe ich die Anträge Ziffer 3 und Ziffer 4 gleich mit; wir sparen dann viel Zeit.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221505700
Ich nehme an, daß das Haus gern damit einverstanden ist.

Willy Könen (SPD):
Rede ID: ID0221505800
Wie ist es also dazu gekommen? In unserer Ausschußsitzung vom 21. März 1957 wurde aus dem Ausschuß seitens eines Kollegen der CDU erklärt, daß es doch nicht gut sei, in § 7 Abs. 1 von der Krankenversicherungspflichtgrenze auszugehen, daß man vielmehr hier einen fixen Betrag nehmen sollte. Die Dinge sollten in den Fraktionen besprochen wenden. Sie wurden lam 1. April 1957 erneut zurückgestellt. Dann passierte folgendes. Am 4. Mai 1957 legte uns das Innenministerium für den § 7 einen neuen Text vor, der von einer Festlegung der Einkommensgrenze auf 600 DM ausging. Ich habe in dem mir später vorliegenden Protokoll vergeblich nach der Bemerkung gesucht, die wir zu dieser zweiten Regierungsvorlage gemacht haben. Wir haben nämlich gefragt: Was ist denn nun eigentlich die Regierungsvorlage, ist es das, was uns hier im Entwurf vorgelegt worden ist, oder ist es diese völlige Umänderung, die von einem Betrag von 600 DM ausgeht? Wir haben im Ausschuß sehr nett zusammen gearbeitet und wir haben uns über Änderungen des Gesetzes sachlich und freundschaftlich ausgesprochen, aber ich muß schon sagen: diese Behandlung 'des § 7 ist alles andere als sachdienlich.
Dazu kommt noch 'etwas anderes. Die Regierung, die sich von ihrer eigenen Kabinettsvorlage zurückgezogen hat, hat damit gleichzeitig Änderungen des Gesetzentwurfs ausgelöst, die sich in § 25 und in § 29 niederschlugen. Der § 25 tut nichts anderes, als das Körperbehindertengesetz, das wir mit Wirkung ab 1. April 1957 vor kurzem angenommen haben, ebenfalls 'abzuändern und auch hier die steuerpflichtigen Einkünfte auf den Betrag von 600 DM festzulegen. Auch im Körperbehindertengesetz stand zuerst, daß die Krankenversicherungspflichtgrenze die Grenze sein soll. Die Krankenversicherungspflichtgrenze ist zur Zeit 500 DM. Es ist ein offenes Geheimnis, daß wir in wenigen Tagen in diesem Hohen Hause eine Krankenversicherungspflichtgrenze von 660 DM beschließen werden. Das bedeutet, daß sowohl im Körperbehindertengesetz als auch im jetzt vor-


(Könen [Düsseldorf])

liegenden Tuberkulosehilfegesetz eine Verschlechterung dahingehend eintritt, daß die Grenze um 60 DM nach unten ,abgesenkt wird. Es ist deshalb interessant, einmal nachzulesen, was unsere verehrte Frau Kollegin Niggemeyer in ihrem Schriftlichen Bericht zum Körperbehindertengesetz damals gesagt hat. Es heißt dort:
Um die materiellen Grundlagen des Heil- und Eingliederungsplans zu schaffen, bestand im Ausschuß keine Meinungsverschiedenheit darüber, daß es notwendig sei, die Maßstäbe der Bedürftigkeit entgegen den bisher im Fürsorgerecht geltenden Bestimmungen — vor allem bei stationärer Behandlung des Behinderten - wesentlich zu ändern. Er glaubte, der .allgemeinen Reform des Fürsorgerechtes hier Wegbereiter zu sein.
Dazu kann man nur „bravo!" saugen.
Und was sagte die Bundesregierung in der Begründung ihres Entwurfs eines Körperbehindertengesetzes? Sie sagte folgendes:
In § 10 Buchstabe a .hat der Entwurf bei der schonenden Heranziehung von. Einkommen einen Maßstab gewählt, der im Bereich der Hilfe für Behinderte und Kranke bereits eine wichtige Rolle spielt. Dem Körperbehinderten soll nunmehr bei den häufig so ungleich längeren und kostspieligeren Heilverfahren mindestens die gleiche Hilfe zuteil werden, wie sie der Kranke im Rahmen der Krankenversicherung erhält; insoweit sollen ihm auch hier die notwendig entstehenden Kosten ferngehalten werden, wenn seine steuerpflichtigen Einkünfte — die Wahl dieses Begriffes erwies sich als notwendig, um einen gerechten Maßstab auch für die selbständigen Berufe zu finden — unterhalb der genannten Verdienstgrenze liegen.
Ich habe so ein wenig den Verdacht, daß die Verbrennung des Ahlener Programms und die Rede unseres verehrten Kollegen Gerstenmaier auf dem Parteitag der CDU bereits ihre Früchte getragen haben. Ich bin der Auffassung, die Bundesregierung sollte auch heute zu dem stehen, was sie in ihrer Begründung zum Körperbehindertengesetz gesagt hat. Dazu sollten auch die Ausschußmitglieder stehen, die sich diese Auffassung zu eigen gemacht haben, und dazu sollten auch die Fraktionen stehen, die damals dieses Gesetz in dieser Form angenommen haben.
Ich bitte Sie deshalb, unseren Änderungsantrag auf Umdruck 1187 Ziffer 1 ,anzunehmen, in § 7 Nr. 1 die Regierungsvorlage wieder herzustellen und die Krankenversicherungspflichtgrenze als Einkommensgrenze festzulegen.

(Beifall bei der SPD.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221505900
Wird das Wort weiter gewünscht? — Frau Abgeordnete Ganswindt.

Elisabeth Ganswindt (CDU):
Rede ID: ID0221506000
Herr Präsident! Meine Herren und meine Damen! Ich muß zu dem, was Herr Konen gesagt hat, bemerken, daß in § 7 doch eine Verbesserung vorliegt. Wir haben jetzt zwar festgelegt, daß die Automatik nicht vorhanden ist. Aber durch die Einsetzung eines Betrages von 600 DM ist eine Verbesserung eingetreten; dazu kommen die 60 DM für jeden Angehörigen bis zur Höchstgrenze von 300 DM. Wenn also einer Familie im ganzen 900 DM nicht angerechnet werden, dann ist das schon eine ganz große Hilfe, und man kann das nicht als einen Rückschritt bezeichnen.
Genauso ist es bei dem Körperbehindertengesetz, das in § 25 des Tbc-Hilfe-Gesetzes angesprochen ist. Auch hier besteht ein Irrtum. Es ist keine Verschlechterung vorgenommen worden, sondern durch die Festlegung einer Grenze von 600 DM zuzüglich 60 DM für die Angehörigen ist ebenfalls eine Verbesserung eingetreten.

(Abg. Könen [Düsseldorf]: Verbesserung gegen was?)

— Es ist keine Automatik da, sondern es liegt eine Berücksichtigung des Notstandes vor. Immerhin werden doch 900 DM nicht angerechnet, Herr Könen.
Ich bitte also, den § 7 in der vom Ausschuß beschlossenen Fassung anzunehmen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221506100
Das Wort hat der Abgeordnete Konen.

Willy Könen (SPD):
Rede ID: ID0221506200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich von Verbesserungen oder Nichtverbesserungen gesprochen habe, meine ich ,das Verhältnis der Regierungsvorlage zur jetzigen Situation. Darin ist die Verbesserung zu sehen. Die Krankenversicherungspflichtgrenze beträgt zur Zeit 500 DM. Sie wird in Kürze 660 DM betragen. Dann kommen die Dinge, die die verehrte Frau Kollegin Ganswindt genannt hat. Es wird eine Grenze von 600 DM festgelegt. In den ersten 14 Tagen wird also eine Verbesserung eingetreten sein. Hinterher wird aber eine Verschlechterung vorliegen.
Verehrte Frau Kollegin Ganswindt, Sie sprachen davon, daß ein Notstand vorliege. Dieses Gesetz und das Körperbehindertengesetz haben ausdrücklich zur Aufgabe, gar nicht erst zu warten, bis notstandsähnliche Verhältnisse vorliegen. Der Lebensstandard der Familie, die von einem solchen Unglück geschlagen ist, soll nach Möglichkeit so gehalten werden, daß von der materiellen Seite her keine Hemmnisse bestehen, einen kranken Menschen wieder gesund machen zu können. Darum geht es.

(Beifall bei der SPD.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221506300
Bitte, Frau Kollegin Ganswindt.

Elisabeth Ganswindt (CDU):
Rede ID: ID0221506400
Herr Präsident! Meine Herren und meine Damen! Ich muß da doch widersprechen. Der § 7 ist so gestaltet, daß ein Betrag von 600 DM oder rund gesagt von 900 DM so lange nicht angerechnet wird, wie sich der Kranke in Heilbehandlung befindet oder eine Eingliederungshilfe gewährt wird. Das sind Zeiten, die sehr lange dauern können. Hier wird der Familie geholfen. Ich bin wirklich die letzte, die der Familie nicht helfen will. Aber ich meine, wir müssen auch im Rahmen bleiben und können die Dinge nicht ins Uferlose ausdehnen und die Fürsorgeverbände zu sehr belasten.

(Abg. Könen [Düsseldorf]:: Wir wollen aber nicht vom Notstand ausgehen!)



(Frau Ganswindt)

— Nein, auch ich gehe nicht vom Notstand aus. Aber es wird eine ausgesprochen große Hilfe gewährt. Es steht im § 7 Abs. 1, daß die Verhältnisse angemessen zu berücksichtigen sind. Ich weiß aus der Praxis, daß die Fürsorgerinnen und die Ämter auf dem Gebiet der Tbc-Behandlung wirklich sehr großzügig gehandelt haben, wenn sie irgendwie nur die Möglichkeit hatten, im Gesetz ein Loch zu finden. Wo sie sich nicht stur nach den Paragraphen zu richten brauchen, da tun sie es. Jeder, der sich für die Behandlung dieser Krankheit einsetzt, ist nämlich bestrebt, zu helfen, wo er nur helfen kann. Die Beobachtung haben Sie, Herr Könen, Frau Bennemann und Frau Schanzenbach, die Sie alle in der sozialen Arbeit stehen, bestimmt gemacht.
Ich bitte, den § 7 in der Ausschußfassung anzunehmen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221506500
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Debatte hierzu.
Ich rufe auf den Antrag Umdruck 1187 Ziffer 1. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht — er betrifft die Wiederherstellung der Regierungsvorlage —, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe auf den § 7 in der Ausschußfassung. Wer dem § 7 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei einer Reihe von Enthaltungen angenommen.

(Abg. Könen [Düsseldorf]: Herr Präsident, wir bitten, über § 9 abschnittweise abzustimmen!)

— Dann rufe ich nur § 8 auf. Wortmeldungen hierzu liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung über § 8. Wer
§ 8 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der § 8 ist angenommen.
Ich rufe § 9 auf. Wortmeldungen hierzu liegen nicht vor.
Es wird beantragt, über § 9 abschnittweise abstimmen zu lassen; ich nehme an: über jeden der Absätze für sich. Einverstanden?

(Zustimmung.)

Ich rufe § 9 Abs. 1 auf. Wer diesem Abs. 1 des
§ 9 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Abs. 1 ist angenommen.
Ich stelle nunmehr den Abs. 2 des § 9 in der Ausschußfassung zur Abstimmung. Wer diesem Abs. 2 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Abs. 2 ist in der Ausschußfassung angenommen.
Ich rufe nunmehr den Abs. 3 des § 9 auf und mache darauf aufmerksam, daß die Berichterstatterin seinerzeit darauf hingewiesen hat, daß es im letzten Satz des Abs. 3 richtig „4. Dezember 1924" statt „24. Februar 1924" heißen muß. Ich stelle also den § 9 Abs. 3 mit dieser von der 'Berichterstatterin angeregten Richtigstellung bzw. Ergänzung hiermit zur Abstimmung. Wer dem so gefaßten Abs. 3 des § 9 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Abs. 3 ist ebenfalls angenommen und damit der ganze § 9.
Ich rufe auf die §§ 9 a, — 9 b, — 10, — 10 a. — Ich mache darauf aufmerksam, daß es in § 10 a Abs. 1 folgendermaßen heißen muß:
Der Landesfürsorgeverband hat unbeschadet der Zuständigkeit der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung durch Hilfe zur Unterbringung im Beruf oder
— und nun kommt die Änderung —
in einer anderen Tätigkeit darauf hinzuwirken...
Es wird also nur das Wort „in" hinzugesetzt.
Ich rufe auf § 10b, — § 12, — § 12a,—§ 14. —Ich nehme an, daß das Haus mit der Erledigung der aufgerufenen Paragraphen einverstanden ist.
— Es ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. — Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache und stelle die eben aufgerufenen Paragraphen mit der zu § 10 a vorgetragenen Berichtigung zur Abstimmung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte 'ich um das Handzeichen.
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen?
— Die Paragraphen sind angenommen.
Ich rufe auf § 15. Hierzu liegt ein Antrag der SPD auf Umdruck 1187 Ziffer 2 vor. Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Könen.

Willy Könen (SPD):
Rede ID: ID0221506600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der § 15 ist sozusagen der Angelpunkt, das Kernstück dieses Gesetzes. Wir geben zu, daß wir im Ausschuß gegenüber der ursprünglichen Fassung dieses Paragraphen einige Verbesserungen erreicht haben. Das genügt aber unseres Erachtens nicht. Gerade in diesem § 15 macht sich die Unvollkommenheit bemerkbar, das Fehlen von Ergebnissen aus der Arbeit an der sogenannten Sozialreform, an der Neuordnung der sozialen Leistungen. Wenn von Vereinbarungen gesprochen wird, genügt uns das auch dann nicht, wenn die Regierung verpflichtet ist, gegebenenfalls Druck dahinter zu setzen. Immerhin existiert eine Vereinbarung vom 11. März 1953, die wohl von den Trägern durchgehalten, die aber nie unterschrieben wurde, weil der Bund es wegen der in § 9 vorgesehenen Mitbeteiligung an den Kosten abgelehnt hat, sich ebenfalls der Unterschriftsleistung zu unterwerfen.
Unser Änderungsantrag zu § 15 will nichts anderes als eine Festlegung der Rechte eines ganz bestimmten Personenkreises, nämlich der Rentenversicherten, um sicherzustellen, daß sie einen Rechtsanspruch haben. Wenn man uns entgegenhalten sollte, daß hier gegebenenfalls schon wieder eine Änderung des Rentenneufestsetzungsgesetzes vorgenommen werden müßte, möchte ich in aller Bescheidenheit darauf hinweisen, daß wir bereits dabei sind, das Rentengesetz zu novellieren; dann kann man das, wenn es notwendig werden sollte,


(Könen [Düsseldorf])

mit hereinnehmen. Wenn Sie unseren Antrag annehmen, hätten wir eine ganz klare Festlegung. Ich bitte Sie herzlich darum, aus rein sachlichen Erwägungen unseren Änderungsantrag auf Umdruck 1187 anzunehmen.

(Beifall bei der SPD.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221506700
Das Wort hat Herr Abgeordneter Varelmann.

Franz Varelmann (CDU):
Rede ID: ID0221506800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Beratung des Gesetzes zur Regelung der Neuordnung der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten befaßten sich der Sozialpolitische Ausschuß des Bundestages und das Plenum dieses Hauses bereits sehr eingehend mit der Frage, ob die Heilbehandlung oder die Maßnahmen zur Berufsförderung und zur sozialen Betreuung als Regel- oder Pflichtleistung gewährt werden sollen. Die Mehrheit des Bundestags entschied sich damals dafür, daß es eine Regelleistung sein soll. Seit dieser Beratung sind erst einige wenige Monate verstrichen. Seit dem Jahre 1950 ist die Tbc-Erkrankung in der Bundesrepublik erfreulicherweise sehr stark rückläufig, in Norddeutschland interessanterweise wesentlich stärker als in 'Süddeutschland. Allgemein wird angenommen, daß die Tbc-Reihenuntersuchungen und die großen Maßnahmen der Rentenversicherung zu diesem Ergebnis beitrugen. Im Bereich der Landesversicherungsanstalt Oldenburg-Bremen gingen die Tbc-Fälle von 3890 im Jahre 1955 auf 3084 im Jahre 1956 zurück; das ist ein Verhältnis von 100 zu 67. Seit einer Reihe von Jahren ist im Bereich der Landesversicherungsanstalt Oldenburg-Bremen nicht ein einziger Fall bekannt, wo ein Tbc-Heilverfahren von der Rentenversicherung abgelehnt wurde. Das ist, soweit ich unterrichtet bin, auch bei den übrigen Landesversicherungsanstalten so und trifft nicht nur auf die Rentenversicherten zu, sondern auch auf deren Ehefrauen und Kinder.
Wir haben aber die andere Sorge, daß etwa 30% der Versicherten ein Heilverfahren, das ihnen die Versicherung gewähren will, ablehnen, zum Teil aus falscher Scham, zum Teil in der Meinung, die Krankheit sei gar nicht so schlimm. Zum anderen gibt es auch berechtigte Gründe aus Sorge um die Versorgung der Familie. Dies soll nun durch das zur Beratung stehende Gesetz geändert werden.
Wir sind der Auffassung, daß der Antrag der SPD in der Praxis keinen Fortschritt bedeutet, sondern unter Umständen sogar eine rückläufige Entwicklung bewirken kann. Ich bekam heute morgen die Information, daß die Rentenversicherung das Tbc-Heilverfahren sogar in den Fällen durchführt, wo erst ein einziger Beitrag an die Rentenversicherung entrichtet wurde. Die CDU-Fraktion ist der Auffassung, daß für eine Regelung, wie sie der Antrag der SPD beinhaltet, in der Praxis kein Bedürfnis besteht. Wir bitten darum, den Antrag abzulehnen und die Ausschußvorlage anzunehmen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221506900
Weitere Wormeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Debatte zu § 15.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe auf den Antrag Umdruck 1187 Ziffer 2, Neufassung des § 15. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Abgelehnt.
Ich rufe auf den § 15 in der Fassung des Ausschusses. Wer dem § 15 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der § 15 ist angenommen.
Ich darf Ihr Einverständnis annehmen, wenn ich wieder eine Reihe von Paragraphen, zu denen keine Änderungsanträge vorliegen, zusammen aufrufe.
— Ich rufe auf die §§ 16, — 17, — 18, — 19, — 20,
— 21.
Zu § 22 bemerke ich, daß der Antrag der DP (FVP) auf Umdruck 1181 zu Absatz 2 zurückgezogen ist. Ich rufe also auf den § 22, — ebenso den
§ 23 und bemerke zu § 23, daß es in Abs. 1 textlich richtig wie folgt heißen muß:
Der örtlich zuständige Landesfürsorgeverband ist verpflichtet, auf Antrag einer Berufsgenossenschaft, einer Krankenkasse, einer Versorgungsbehörde, eines Dienstherrn oder eines
— hier ist also das Wort „eines" einzufügen — Trägers der Versorgungslast . . .
Ich rufe also den § 23 in der soeben wiedergegebenen Fassung auf, — ferner den § 24 — und den
§ 24 a. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den eben aufgerufenen Paragraphen in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. —Enthaltungen? — Die eben saufgerufenen Paragraphen sind angenommen.
Ich rufe auf den § 25. — Hierzu liegt der Antrag Umdruck 1187 Ziffer 3 vor, der vorhin schon mit begründet worden ist.

(Abg. Könen [Düsseldorf] : Herr Präsident, ich bitte abschnittweise abzustimmen!)

— Zunächst über Ihren Antrag, nicht wahr? — Ich muß also zunächst Ihren Antrag zur Abstimmung stellen, der die Streichung des Abs. 2 von § 25 bezweckt. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht. den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Dann ist dieser Antrag, also der negative Antrag, abgelehnt.
Nun muß ich § 25 in der Ausschußfassung zur Abstimmung stellen, abschnittweise, wenn ich recht verstanden habe. Ich rufe also auf § 25 Abs. 1 in der Ausschußfassung. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angenommen.
Ich rufe jetzt auf § 25 Abs. 2 in der Ausschußfassung. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — § 25 Abs. 2 ist ebenfalls angenommen und damit der ganze § 25 in der Ausschußfassung.
Ich rufe nunmehr auf die §§ 26 und 27 in der Ausschußfassung. Ich eröffne die Debatte. — Wortmeldungen liegen nicht vor; die Debatte ist geschlossen. Ich stelle die beiden Paragraphen zur Abstimmung. Wer den eben aufgerufenen §§ 26 und 27 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? — Angenommen.
Ich rufe nunmehr auf § 27 a. — Hierzu liegt auf Umdruck 1180 ein Änderungsantrag zu Abs. 1 und Abs. 3 vor. Wird dieser Antrag begründet? — Auf Begründung wird verzichtet. Wird das Wort hier-


(Vizepräsident Dr. Becker)

zu gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann stelle ich zunächst den Änderungsantrag Umdruck 1180 Buchstabe a zu § 27 a Abs. 1 zur Abstimmung. Wer diesem Antrag stattzugeben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei einer Reihe von Enthaltungen angenommen.
Ich stelle jetzt den Antrag Umdruck 1180 Buchstabe b zur Abstimmung. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist angenommen.
Ich stelle dann § 27 a mit den eben beschlossenen Änderungen zur Abstimmung. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Ich darf mir vielleicht die Anregung gestatten, daß sich die verehrten Kolleginnen und Kollegen so an der Abstimmung beteiligen, daß zu ersehen ist, wie der einzelne abzustimmen wünscht. — § 27 a ist also mit den beschlossenen Änderungen angenommen.
Ich rufe auf § 28. Hierzu liegt ein Antrag auf Umdruck 1105 vor. Wird der Antrag begründet? — Das ist nicht der Fall. Wortmeldungen liegen auch nicht vor. Wer dem Antrag Umdruck 1105 zu § 28 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag Umdruck 1105 ist angenommen.
Ich stelle nunmehr § 28 mit der eben beschlossenen Änderung zur Abstimmung. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — § 28 ist in der heute beschlossenen Form angenommen.
Ich rufe auf § 29. Hierzu liegt ein Antrag auf Umdruck 1187 Ziffer 4 vor; er ist vorhin schon begründet worden.

(Abg. Könen [Düsseldorf] : Wird zurückgezogen; ist gegenstandslos!)

— Der Antrag wird zurückgezogen. Ich stelle dann § 29 in der Fassung des Ausschusses zur Abstimmung. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — § 29 ist in der Ausschußfassung angenommen.
Ich mache noch auf folgendes aufmerksam. Im § 27, den wir bereits erledigt haben, ist noch ein Druck- oder Fassungsfehler zu berichtigen. Ich darf bitten, § 27 Ziffer 3 aufzuschlagen. In der Ausschußfassung heißt es: „unverändert". Es wird auf die Regierungsvorlage verwiesen. In der Regierungsvorlage wird zitiert: „(§§ 6 bis 9, 16, 17)". Das richtige Zitat muß nunmehr heißen: „(§§ 6 c bis 9, 16, 17)". Wird hierzu noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Darf ich bitten, zu dem § 27 mit dieser eben vorgetragenen textlichen Richtigstellung noch einmal Stellung zu nehmen. Ich bitte also diejenigen, die diesem Paragraphen in der eben vorgelesenen Fassung zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Dann ist diese Fassung des § 27 an Stelle der vorhin beschlossenen angenommen.
Ich rufe auf Einleitung und Überschrift. — Wortmeldungen liegen nicht vor. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Dann ist das Gesetz in zweiter Lesung angenommen.
Ich rufe auf die
dritte Lesung
dieses Gesetzes. Ich nehme an, daß der dritten Lesung nicht widersprochen wird. Ich eröffne die Generalaussprache. Wird das Wort zur Generalaussprache gewünscht? — Bitte, Herr Kollege Könen.

Willy Könen (SPD):
Rede ID: ID0221507000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur dritten Lesung sind von meiner Fraktion keine Änderungsanträge mehr gestellt, weil wir wissen, daß wir in der dritten Lesung mit den von Ihnen abgelehnten nicht mehr durchkommen würden; wir wollen die Zeit sparen. Aber wir möchten einige Worte zu diesem Gesetz sagen.
Es sind immerhin eine halbe Million Tuberkulosekranke, die wir in der Bundesrepublik haben und für die dieses Gesetz von entscheidender Bedeutung sein wird. Ich habe vorhin bei meinen Ausführungen zu unserem Änderungsantrag zum § 7 bereits bedauert, daß die Grundhaltung in diesem Gesetz, die dahin geht, die materiellen Sorgen weitgehend wegzuhalten, durch Ihre in der Abstimmung beschlossene Verschlechterung etwas durchlöchert worden ist. Der entscheidende Wert muß bei diesem Gesetz auf die Sicherstellung der Entlastung der Familie und auf die Eingliederungshilfe gelegt werden. Es muß dafür gesorgt werden, daß die Kosten der Behandlung und all der Dinge, die damit zusammenhängen, nicht eine Verzögerung für den Gesundungsprozeß des Kranken selbst darstellen.
Ich möchte noch einmal auf das Körperbehindertengesetz zurückkommen. Wir bedauern es sehr, daß dieses Gesetz, das am 1. April in Kraft getreten ist, nun bereits wieder geändert und, wie wir meinen, verschlechtert worden ist. Das Körperbehindertengesetz hat an und für sich Zeit genug zum Ausreifen gehabt, genau wie das Tuberkulosehilfegesetz. Ich darf daran erinnern. daß unsere Fraktion, die sozialdemokratische Fraktion, im Jahre 1951 erstmals forderte, daß ein solches Gesetz von der Regierung vorgelegt wird. Wir haben dann wiederholt gemahnt — ich will die Mahnungen, ich habe sie hier alle bei mir, nicht aufzählen, es ist ein ganz schönes Paketchen —, und es hat glücklich bis 1957 gedauert, bis wir dieses Gesetz hatten.
Auch beim Tuberkulosehilfegesetz lege ich Wert darauf, festzustellen, daß die sozialdemokratische Fraktion ebenfalls im Jahre 1951, und zwar am 25. Januar 1951, eine Anfrage an die Regierung wegen dieses Gesetzes gestellt hat. Wir erhielten von der Regierung eine Antwort unter dem 12. Mai 1951, Drucksache 2248. In dieser Antwort des Bundesministers des Innern hieß es:
Bis zum 1. Oktober 1951 soll eine Neuabgrenzung der Tuberkulosehilfsmaßnahmen zwischen den Rentenversicherungsträgern und den Landesfürsorgeverbänden erfolgen.
Das war die berühmte Vereinbarung. Es gibt in unserer Bundesrepublik eine ganz originelle Sache, nämlich eine nicht unterschriebene Vereinbarung zwischen den Trägern der Rentenversicherung und den Landesfürsorgeverbänden, die, obwohl sie nicht unterschrieben worden ist, erfreulicherweise im Interesse der Tuberkulosekranken durchgeführt worden ist.


(Könen [Düsseldorf])

Ich möchte, zurückkommend auf die Debatte der zweiten Lesung, nur noch folgendes sagen. Wenn wir den § 15 so gefaßt zu sehen wünschten, wie wir ihn in unserem Änderungsantrag vorgelegt haben, dann nicht etwa deshalb, weil wir die Auffassung vertreten hätten, daß die Rentenversicherungsträger hier nicht bestens geholfen hätten. Das möchte ich bei dieser Gelegenheit ausdrücklich feststellen. Aber der § 9 der Vereinbarung sprach davon, daß die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung die vorgesehenen, mit stationärer Absonderung verbundenen Dauerbehandlungen nur gewähren werden, wenn der Bund die Aufwendungen für diese Leistungen den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung erstattet. Das war der Grund, warum der Bund es abgelehnt hat, dieser Vereinbarung beizutreten und dem § 9 zu entsprechen, und damit die Landesfürsorgeverbände und die Träger der Rentenversicherung veranlaßt hat, diese ihre Vereinbarung nicht zu unterschreiben, wohl aber durchzuführen.
Es liegt sicher im Interesse der vielen Dinge, die das Hohe Haus noch zu erledigen hat, wenn ich damit schließe. Ich möchte hier aber einen Wunsch aussprechen: sowohl das Körperbehindertengesetz als auch das Tuberkulosehilfegesetz sind Gesetze, die in ihrer Durchführung nicht das bewirken werden, was sie bewirken sollen, wenn man sich nur nach dem Buchstaben der Gesetze richtet. Es sind zwei Fürsorgegesetze, diese Gesetze appellieren an die Menschen, appellieren an das Herz. Das gilt für alle Instanzen, vom Bund über die Länder, die Landesfürsorgeverbände bis zu den Bezirksfürsorgestellen, zu den Kostenträgern, und wer alles dazugehört. Wir hoffen und wünschen sehr, daß es keine Landesfürsorgeverbände geben wird, die den § 7 dazu verwenden, zu sagen: Was über den 600 DM bzw. über dem für die Familienangehörigen ,aufgestockten Betrag liegt, können wir wegkassieren; denn es ist in unser Ermessen gestellt, wieviel wir davon nehmen. Wir haben den herzlichen Wunsch an alle beteiligten Instanzen, aus dem Tuberkulosehilfegesetz in der Praxis ein echtes Fürsorgegesetz werden zu lassen.

(Beifall bei der SPD.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221507100
Das Wort hat die Frau Kollegin Niggemeyer.

Maria Niggemeyer (CDU):
Rede ID: ID0221507200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist niemand in diesem Hause, der nicht dem Appell von Herrn Könen, daß dieses Gesetz, das für die leidenden Menschen geschaffen sei, nicht nach dem Buchstaben des Gesetzes, sondern mit menschlichem Gefühl gehandhabt werden sollte, aus tiefstem Herzen zustimmt. Darum beginne ich auch von mir aus mit dieser meiner Zustimmung.
Wegen der Fülle der anstehenden Arbeit möchte ich nur ein paar Gedanken zu dem Gesetz vortragen. Es ist doch wichtig, auf das hinzuweisen, was das Gesetz an Gutem bringt, neben der Kritik, die von der Opposition an einigen Paragraphen geübt worden ist, wenn ich hier auch loyalerweise sagen möchte, daß ich Verständnis für den Versuch habe, für einen Kreis notleidender Menschen über das im Ausschuß Beschlossene hinaus noch größere Sicherungen zu schaffen.
Was kann an diesem Gesetz als gut herausgestellt werden? Es ist einmal die Tatsache, die auch Herr Könen angesprochen hat, daß wir nach Jahren endlich zu einem Tuberkulosehilfegesetz kommen, auf das alle mit der Tuberkulosefürsorge befaßten Stellen seit Jahren gewartet haben. Es ist zweitens die Tatsache — und ich glaube, das ist wert herausgestellt zu werden —, daß in diesem Gesetz ein Rechtsanspruch auf Tuberkulosehilfe verankert worden ist. Es ist drittens die Rechtssicherheit und Rechtseinheit, die damit im ganzen Bunde geschaffen worden ist. Es ist viertens die Tatsache, daß versucht wird, die gesamte Tuberkulosehilfe den medizinischen Erkenntnissen anzupassen. Und es ist schließlich die Tatsache — das ist in allen bisherigen Ausführungen noch nicht angeklungen, ist aber auch notwendig und wert gesagt zu werden, eben wegen der Kritik, die an dem Gesetz geübt worden ist —, daß es uns, allerdings nach mühseliger Arbeit mit dem Finanzministerium, gelungen ist, die Beteiligung des Bundes an den neuen Aufgaben dieses Gesetzes zu 50 % zu sichern.
Wir wünschen, daß dieses Gesetz auch in der Arbeit draußen zu einem guten Gesetz wird. Ich möchte mit der Feststellung schließen, daß beide Gesetze, das Körperbehindertengesetz und das Tuberkulosehilfegesetz, ein beachtlicher Schritt auf dem Wege zur Gesamtreform des Fürsorgerechts sind.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221507300
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Generalaussprache.
Ich rufe nunmehr auf die §§ 1 bis 29 in der Fassung der zweiten Lesung einschließlich Einleitung und Überschrift. Wer diesem Gesetz in der dritten Lesung in seiner Gänze zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich danke Ihnen. Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das Gesetz ist damit angenommen.
Ich rufe nunmehr Punkt 6 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung steuerrechtlicher Vorschriften (Drucksachen 1763, 2608, 2983, 3007);
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (19. Ausschuß) (Drucksachen 3509, zu 3509).

(Erste Beratungen: 162., 179., 183. Sitzung.) Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. Lindrath. Ich erteile ihm das Wort.


Dr. Hermann Lindrath (CDU):
Rede ID: ID0221507400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung steuerrechtlicher Vorschriften nach 'der Drucksache 3509 und zugleich zu den Anträgen gemäß Ziffer 6 der heutigen Tagesordnung habe ich unter dem 23. Mai I 957 einen ausführlichen Schriftlichen Bericht unter der Bezeichnung „zu Drucksache 3509/zu Drucksache ache 3510" [Anl. 2] erstattet. Ich muß diesem Bericht noch folgendes hinzufügen:
1. Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hat die Absicht gehabt, den allgemein ausgesprochenen Wunsch zur Vereinfachung unseres Steuerrechts so weit als möglich zu verwirklichen. Aus diesem Streben heraus wurde der vorliegende Gesetzentwurf angeregt. Während der Beratung erging der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts zur Frage der Ehegattenbesteuerung. Die hiernach


(Dr. Lindrath)

erforderlich gewordene Schließung einer so entstandenen Gesetzeslücke hat zum Bedauern des Ausschusses neue Komplikationen in das Steuerrecht hineingebracht, die unvermeidbar waren. Nachdem der Ausschuß in der 180. Sitzung am 13. Dezember 1956 auf dem Gebiet der Umsatzsteuer eine ganze Fülle von Erleichterungen und Vereinfachungen hat in Vorschlag bringen können, wird er auf diesem Steuergebiet heute weitere Vorschläge dieser Art dem Hohen Hause unterbreiten.
In dem jetzt zur Beratung anstehenden Gesetzentwurf sind folgende Elemente zur Vereinfachung des Steuerrechts enthalten:
,a) Die Besteuerung von Gewerbetreibenden mit einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr ist wesentlich einfacher geregelt, als dies bisher der Fall war.
b) Der Wegfall des Steuerabzugs von Aufsichtsratsvergütungen bei unbeschränkt Steuerpflichtigen bedeutet eine Vereinfachungsmaßnahme.
c) Die Kapitalertragsteuer ist sozialer gestaltet worden.
d) Die Veranlagung von Steuerpflichtigen mit Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit aus mehreren Dienstverhältnissen ist vereinfacht worden.
e) Kleinstbeträge bei der Einkommensteuer und der Lohnsteuer bleiben urierhoben.
f) Die Ermächtigung für die Bundesregierung zur Bemessung der Lohnsteuer nach Pauschsätzen und die Verwendung von Hilfswerten an Stelle der Anschaffungs- und Herstellungskosten dient der Vereinfachung des Steuerrechts.
g) Der Änderungszwang für die Feststellung eines neuen Einheitswertes durch die Finanzämter ist im Interesse der Steuerpflichtigen und der Finanzverwaltung in bemerkenswerte Weise gelockert worden.
h) Der Jahreswert der von der Vermögensteuerpflicht befreiten Rentenansprüche ist erhöht worden, so daß sich hieraus eine Vereinfachung der steuerlichen Behandlung dieser Renten ergibt.
i) Die Vermögensteuerfreibeträge für alte Steuerpflichtige sind erhöht worden.
k) Die Mindestbesteuerungsfreibeträge — das gilt insbesondere für die kleineren Vereine — sind im Interesse einer Vereinfachung der Vermögensteuer erhöht worden.
Neben einigen anderen Vereinfachungsvorschriften enthält der Entwurf eine Reihe sonstiger Vorschriften, vornehmlich Erleichterungen aus sozialen Gründen. Sie einzeln hier zu nennen würde den Rahmen einer Berichterstattung überschreiten.
2. Der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts zu § 26 des Einkommensteuergesetzes hat dem Bundestag in der Öffentlichkeit bisweilen den Vorwurf eingetragen, er lasse es an der erforderlichen Sorgfalt bei der Prüfung ,der Frage fehlen, ob ein Gesetz dem Grundgesetz entspricht oder nicht. Hierzu stellt der Ausschuß fest, daß weder der 1. Bundestag noch der 2. Bundestag jemals die jetzt für grundgesetzwidrig erklärten Bestimmungen über die Zusammenveranlagung von Ehegatten beschlossen hat. Diese Vorschriften gelten seit dem Anfang der 20er Jahre und seit dem Jahre 1939 in wörtlich der 'gleichen Form, wie sie bis heute angewendet wurden. Im Jahre 1951 hat der Bundestag im Plenum und in seinen Ausschüssen die Frage der Zusammenveranlagung diskutiert, aber zu einer formellen Beschlußfassung ist es nicht gekommen. Bei den Steuerdebatten und Beschlüssen im Jahre 1954 hat der Bundestag zu erkennen gegeben, daß er zu einer getrennten Veranlagung oder zu einem Splitting kommen möchte. Er hat damals die Möglichkeit geschaffen, Einkünfte aus .unselbständiger Arbeit und selbständiger Arbeit unid zum Teil aus Gewerbebetrieb aus einer Zusammenveranlagung herauszunehmen. Er hat damit den ersten Schritt auf dem Wege getan, den jetzt der Beschluß des Karlsruher Urteils für das Ganze weist. Somit entbehren die gegen das gesetzgebende Organ mitunter erhobenen Vorwürfe ihrer Berechtigung. Das gilt um so mehr, als die Verfassungsmäßigkeit aller übrigen nur möglichen Formen der Besteuerung von Ehegatten, d. h. der Zusammenveranlagung, der Getrenntveranlagung und einer Veranlagung in Form eines Splitting, von verschiedenen höchsten Gerichten und Instanzen verschieden beurteilt und auch angezweifelt wird.
Dem Gesetzgeber ist daher in dieser Frage ein ganz besonders schwieriges Problem zur Lösung gestellt warden.
Um den höchsten Anforderungen an die Verfassungsmäßigkeit der steuerlichen Vorschriften zur Ehegattenbesteuerung gerecht zu werden, glaubte der Ausschuß, den Steuerpflichtigen für die Übergangszeit in weitestem Maße Wahlmöglichkeiten einräumen zu sollen. Allerdings wird hierdurch das Streben nach einer Vereinfachung des Steuerrechts nicht gerade gefördert. Der Ausschuß hat immer wieder feststellen müssen, daß die Kreise der Steuerpflichtigen, die die Vereinfachung unseres Steuerrechts am lautesten und am dringlichsten fordern, die gleichen sind, die alle nur denkbaren Tatbestände unter dem Zeichen der Forderung einer steuerlichen Gerechtigkeit im Steuergesetz — oft in perfektionistischer Weise — verankert sehen möchten. Deshalb legt der Ausschuß Wert darauf, allen Kritikern Zurückhaltung bei der gesetzesmäßigen Verwirklichung ihrer Wünsche anzuempfehlen. Möge jeder bedenken, daß es noch immer wahr ist: Die Gerechtigkeit und die Einfachheit sind Grundsätze im Steuerrecht, die sich gesetzgeberisch entgegengesetzt auswirken müssen. Der Gerechtigkeit gebührt aber der Vorzug vor der Vereinfachung.
3. In der Öffentlichkeit ist die Frage diskutiert worden, ob nicht noch weitergehende Steuererleichterungen gewährt werden könnten, als es in diesem Gesetz vorgesehen ist. Dias ist letzten Endes eine Frage des Haushaltsausgleichs. Die sorgfältigen Schätzungen der volkswirtschaftlichen Abteilung des Bundesfinanzministeriums haben für dieses Gesetz bestimmte Ausfallziffern ergeben. Der Ausschuß und auch die Bundesregierung wissen um die Schwierigkeiten solcher Schätzungen. Sie wissen auch, daß gerade bei solchen Gesetzesänderungen, wie sie in diesem Entwurf vorgeschlagen werden, die Genauigkeit einer Schätzung besonders fragwürdig bleiben muß. Immerhin glaubt der Ausschuß dem Hohen Hause die Größenordnungen für die Ausfälle wie folgt angeben zu sollen.
Für Bund und Länder zusammen sind folgende Ausfallziffern ermittelt worden.


(Dr. Lindrath)

Bei der Neugestaltung der Ehegattenbesteuerung belaufen sich die Ausfälle
für die Veranlagungszeiträume 1949 bis 1954 auf 100 Millionen DM,
für den Veranlagungszeitraum 1955 auf 50 Millionen DM,
für den Veranlagungszeitraum 1956 auf 140 Millionen DM,
für den Veranlagungszeitraum 1957 auf 150 Millionen DM.
Das ergibt insgesamt 440 Millionen DM.
Durch Manipulierungen, die im Wahlrecht zugelassen worden sind, wird zumindest für das Jahr 1957 ein weiterer Steuerausfall in Höhe von 200 Millionen DM eintreten.
Die Erhöhung ,des Freibetrages für die Hausfrau von 250 auf 720 DM, wie vom Ausschuß vorgeschlagen, wird einen Ausfall in Höhe von 590 Millionen DM zur Folge haben.
Die Ausfälle durch die Übergangsregelung bed der Ehegattenbesteuerung betragen somit insgesamt für Bund und Länder 1230 Millionen DM.
Hinzu kommen durch andere Bestimmungen dieses Gesetzentwurfs noch folgende Ausfälle:
1. Die steuerliche Begünstigung der Importwarenläger wird voraussichtlich 150 Millionen DM Ausfälle zur Folge haben,
2. die steuerliche Begünstigung neuer Schachtanlagen im Bergbau wird 45 Millionen DM Ausfall zur Folge haben,
3. die Bildung einer Preissteigerungsrücklage 5 Millionen DM,
4. die Begünstigung von Luftreinigungsanlagen 3 Millionen DM,
5. ,der Wegfall der steuerlichen Kleinstbeträge 10 Millionen DM,
6. die Begünstigung des nichtentnommenen Gewinnes 10 Millionen DM,
7. die Begünstigung der Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit 4 Millionen DM,
8. die Begünstigung der außerordentlichen Aufwendungen für die Berufsausbildung 2 Millionen DM,
9. die Erhöhung der Geburtsbeihilfen und der Heiratsbeihilfen 1 Million DM.
Einschließlich der Ausfälle bei der Ehegattenbesteuerung betragen die Ausfälle somit 1415 Millionen DM.
Endlich kommen noch die Ausfälle aus dem nachher noch zu behandelnden Neunten Gesetz zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes hinzu. Diese werden zirka 70 Millionen DM für den Bund allein betragen, so daß diese beiden Gesetzentwürfe, alles in allem ,gesehen, für die Bevölkerung der Bundesrepublik eine ,steuerliche Entlastung um rund 1.5 Milliarden DM bedeuten. Die angespannte Haushaltslage, wie sie gerade bei der jetzt zu Ende gehenden Haushaltsdebatte zutage getreten ist, gestattet nach Ansicht der Mehrheit des Ausschusses leider keine weiteren Steuererleichterungen.
4. Dem Ausschuß ist insbesondere aus Kreisen des Mittelstands und des Handwerks der Wunsch vorgetragen worden, geringwertige Wirtschaftsgüter, die ohne ihre Zugehörigkeit zu einer als
einheitliches Wirtschaftsgut zu behandelnden Sachgesamtheit sofort abgeschrieben werden können, auch weiterhin dm Gegensatz zur neuesten Rechtsprechung selbständig bewertungs- und nutzungsfähig bleiben zu lassen. Der Ausschuß 'hat diesem Wunsch in der Gesetzgebung nicht Rechnung getragen, da der Vertreter des Bundesfinanzministeriums eine steuerliche Behandlung dieser Frage für das Jahr 1957 im Sinne der Antragsteller aus dem Grundsatz von Treu und Glauben heraus zugesagt hat. Diese Zusage sollte bei der Berichterstattung, vor dem Plenum dieses Hohen Hauses der Öffentlichkeit bekanntgegeben werden.
5. Wenn der Ausschuß davon abgesehen hat, die in der Drucksache 3007 vorgesehene Änderung des Gewerbesteuergesetzes — betreffend die steuerlichen Vergünstigungen für die Vertriebenenwirtschaft — in diesen Gesetzentwurf aufzunehmen, so geschah dies nach Abgabe einer Erklärung des Regierungsvertreters im Ausschuß, daß durch eine dem Antrag Drucksache 3007 entsprechende Verwaltungsanordnung mit Zustimmung des Bundesrates die notwendige Konsolidierung der Vertriebenen- und Flüchtlingsbetriebe erfolgt.
6. Der Deutsche Bundestag hat am 24. Mai 1957 dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen — federführend — und dem Ausschuß für Außenhandelsfragen — mitberatend — den Entwurf eines Gesetzes über die steuerliche Begünstigung von Importwaren, Drucksache 3427, zugewiesen. Beide Ausschüsse haben den Entwurf beraten. Der Inhalt dieses Gesetzentwurfs ist unter Berücksichtigung der Stellungnahme des Bundesrates im Entwurf des Gesetzes zur Änderung steuerrechtlicher Vorschriften mit eingearbeitet worden. Der federführende Ausschuß ist daher der Auffassung, daß nunmehr auch der Gesetzentwurf Drucksache 3427 in den Kopf der Drucksache 3509 und in Ziffer 1 des Antrages des Ausschusses, wie er in dieser Drucksache wiedergegeben worden ist, mit aufgenommen werden sollte.
7. und letztens. In der Öffentlichkeit sind Bedenken laut geworden. ob die in diesem Entwurf u. a. auch geregelte Ehegattenbesteuerung als ein Gesetz ohne erste Lesung in diesem Hohen Hause auf diese Weise gesetzmäßig zustande kommt. Der Ausschuß stellt fest. daß auch dieser Teil des Gesetzentwurfs unter genauer Beachtung der gesetzlichen und geschäftsordnungsmäßigen Vorschriften geschaffen und dem Plenum des Bundestages heute zur Entscheidung vorgelegt wird.
Ferner darf ich bemerken, daß auf Seite 12 meines Schriftlichen Berichts zu Drucksache 3509 und zu Drucksache 3510 gesagt wird, der Kreis der steuerlich begünstigten Importwaren solle klein gehalten werden. Im Ausschuß wird Wert auf die Feststellung gelegt, daß nach Ansicht des Ausschusses der Begriff „klein" bedeutet, daß in der Tat nur volkswirtschaftlich besonders wichtige Wirtschaftsgüter unter diese Vorschrift fallen sollen.
Namens des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen empfehle ich dem Hohen Hause, entsprechend dem abgeänderten Antrag des Ausschusses nach Drucksache 3509 zu beschließen.
Endlich darf ich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zu den Anträgen zu Punkt 6 der heutigen Tagesordnung das Hohe Haus bitten, den Anträgen des Ausschusses nach der Drucksache


(Dr. Lindrath)

3510 seine Zustimmung zu geben. Zu diesen Anträgen verweise ich im übrigen auf meinen Schriftlichen Bericht und verzichte schon jetzt auf eine mündliche Zusatzberichterstattung zu Punkt 8 der heutigen Tagesordnung.

(Beifall.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221507500
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Nach einer mir vorliegenden Notiz soll im Ältestenrat beschlossen sein, über die Tagesordnungspunkte 6, 7, 8 und 9 die Debatte gemeinsam zu führen. Ich sehe da aber gewisse Schwierigkeiten. Wir haben zunächst die zweite Lesung, und in zweiter Lesung gibt es keine allgemeine Debatte. Wir haben zu Punkt 7 ebenfalls zunächst eine zweite Lesung vorzunehmen; zu den Punkten 8 und 9 sind nur zweite Lesungen vorgesehen. Wenn ich die Tagesordnung richtig interpretiere, ist also nach dem Willen der Ausschußmehrheit an Beerdigung I. Klasse gedacht, so daß hier, wenn sich die Ausschußmehrheit im Plenum widerspiegelt, keine Generaldebatte in der dritten Lesung zustande käme. Es wäre nur so möglich, daß nach Durchführung der zweiten Lesungen zu den Punkten 6, 7, 8 und 9 dann eine Generaldebatte in der dritten Lesung stattfinden könnte.
Ich mache ferner — damit wir eine richtige Ordnung in die Dinge hereinbekommen — auf folgendes aufmerksam. Zu Punkt 6 der Tagesordnung liegen elf Umdrucke mit 27 Änderungsanträgen und dazu vier Entschließungsanträge vor. Über die vier Entschließungsanträge wird erst bei der dritten Lesung abgestimmt. Hinsichtlich der Ausschußanträge zu Punkt 6 der Tagesordnung wird in der zweiten Lesung nur über Ziffer 1 abgestimmt, während die Ziffern 2, 3 und 4 erst in der dritten Lesung beschieden werden können.
Für Punkt 7 der Tagesordnung gilt das gleiche, nur ist hier die Zahl der vorliegenden Anträge etwas geringer; es handelt sich um neun Änderungsanträge auf sieben Umdrucken.
Endlich mache ich zu Punkt 6 der Tagesordnung noch auf folgendes aufmerksam. Der Umdruck 1203 ändert die Ziffer 3 des Umdrucks 1125. Ich bitte, davon Kenntnis zu nehmen.
Nun darf ich fragen, ob Sie mit dieser Art der Verhandlung einverstanden sind, daß wir also zunächst die zweite Lesung zu Punkt 6 der Tagesordnung vornehmen.
Zur Geschäftsordnung Herr Kollege Seuffert!

Walter Seuffert (SPD):
Rede ID: ID0221507600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es entspricht einer interfraktionellen Besprechung, wenn ich Ihnen vorschlage, so zu verfahren, daß wir zunächst die Tagesordnungspunkte 6 und 8, die hauptsächlich Einkommensteuerfragen betreffen, also die Drucksachen 3509 und 3510, die soeben zusammen begründet worden sind, beraten, und zwar jeweils zunächst in zweiter Lesung und anschließend beide Drucksachen in dritten Lesung. Gleichfalls bitten wir Sie, ausnahmsweise eine Generaldebatte dieser Drucksachen in der zweiten Lesung vorzunehmen — was ja möglich ist —, weil dann vieles vorweggenommen werden kann, was sonst bei den Einzelanträgen Zeit erfordern würde. Anschließend würde dann die Beratung der Punkte 7 und 9, d. h. der Änderung des Umsatzsteuergesetzes, Drucksachen 3511 und 3512, erfolgen können.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221507700
Herr Kollege Miessner!

Dr. Herwart Miessner (FDP):
Rede ID: ID0221507800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mir ist von dieser Vereinbarung nichts bekannt. Ich würde es auch nicht für gut halten, die Generaldebatte in der zweiten Lesung vorzunehmen; denn es ergibt sich ja erst nach der zweiten Lesung, was man noch generaliter zu sagen hat. Herr Seuffert, es ist doch ohne weiteres möglich, jeweils zu den einzelnen Paragraphen Stellung zu nehmen. Bei § 26 a ergibt sich eine längere Debatte um diesen Fragenkomplex; das ist selbstverständlich, damit rechne ich auch, aber deshalb brauchen wir jetzt vorweg keine Generaldebatte zur gesamten Gesetzesvorlage zur Änderung des Einkommensteuergesesetzes, die doch mindestens 20 verschiedene Themen enthält.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221507900
Sie haben den Antrag des Kollegen Seuffert gehört, der dahin geht, die für die Tagesordnungspunkte 6 und 8 vorgesehene zweite Lesung gemeinschaftlich vorzunehmen. Sie sind damit einverstanden?

(Zustimmung.)

Der zweite Antrag geht dahin, zu den Punkten 6 und 8 die Generaldebatte, die sonst in der dritten Lesung stattfindet, in der zweiten Lesung vorzunehmen. § 80 der Geschäftsordnung bestimmt, daß im allgemeinen bei der zweiten Lesung keine Generaldebatte stattfindet, allerdings kann sie der Bundestag zulassen. Ich stelle also den geschäftsordnungsmäßigen Antrag des Herrn Kollegen Seuffert auf Zulassung der allgemeinen Debatte in der zweiten Lesung der Tagesordnungspunkte 6 und 8 zur Abstimmung. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Dieser zweite Antrag ist abgelehnt.
Ich darf dann den Willen des Hauses folgendermaßen interpretieren. Wir treten jetzt in die zweite Lesung der miteinander verbundenen Punkte 6 und 8 der Tagesordnung ein und lassen die Generaldebatte anschließend in der dritten Lesung stattfinden.
Nachdem der Bericht erstattet ist und da eine Generaldebatte nicht stattfindet, rufe ich aus dem Entwurf des Gesetzes — die Beschlüsse des Ausschusses finden sich in dem Schriftlichen Bericht Drucksache 3509 — den Ersten Abschnitt Artikel 1 auf. Zu Nr. 1 liegt auf Umdruck 1212 der Änderungsantrag der Fraktion der DP (FVP) vor, in Nr. 1 den Buchstaben a neu zu fassen. Ich darf fragen, ob das Wort gewünscht wird. — Herr Kollege Schild hat das Wort.
Dr. Schild (Düsseldorf) (DP [FVP]): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Berichterstatter hat in seinen einleitenden Worten darauf hingewiesen, daß in dem Gesetz insofern eine steuerliche Verbesserung vorgenommen worden sei, als den gewerblichen Betrieben auf entsprechenden Antrag hin vom Finanzamt gestattet werden könne, nach subjektivem Ermessen an Stelle des Kalenderjahres ein anderes Wirtschaftsjahr der Unternehmung als Veranlagungsjahr einzusetzen. Der Fraktion der Deutschen Partei (Freien Volkspartei) ist diese Erleichterung nicht weitgehend genug.
Sie kennen alle die Eingabe der mittelständischen gewerblichen Spitzenorganisationen vom 22. Juni 1957, die an alle Fraktionen dieses Hohen


(Dr. Schild [Düsseldorf])

Hauses geleitet worden ist, unterzeichnet vom Zentralverband des Handwerks, von der Hauptgemeinschaft des Einzelhandels, vom Gesamtverband des Groß- und Außenhandels, vom Deutschen Hotel-und Gaststättenverband und der Zentralvereinigung der Handelsvertreter. In dieser Eingabe der Spitzenorganisationen der gewerblichen Wirtschaft an die Fraktionen wird der Wunsch geäußert, daß endlich einmal aufgeräumt wird mit der Gliederung in Betriebe, die ins Handelsregister eingetragen sind und ordnungsgemäße Bücher führen müssen, und Betriebe, die nicht ins Handelsregister eingetragen sind, aber auch ordnungsgemäße Bücher führen müssen. Der Antrag meiner Fraktion geht dahin, diese Gliederung aufzuheben.
Nach den steuerlichen Vorschriften, die seit dem 1. Januar 1955 gelten, haben wir drei Arten von Gewerbebetrieben: einmal die Betriebe, die ins Handelsregister eingetragen sind, für die nach subjektivem Ermessen die Gleichsetzung von Wirtschaftsjahr und Steuerjahr sowieso möglich ist. Die zweite Gruppe muß nach § 161 Abs. 1 der Abgabenordnung ebenfalls ordnungsgemäße Bücher führen und ist bisher gehalten gewesen, das Kalenderjahr als Steuerjahr zu nehmen. Die dritte Gruppe von Betrieben fällt weder unter die für die erste noch für die zweite Gruppe bestehenden Vorschriften, sie vollziehen aber aus eigenem Ermessen eine ordnungsgemäße Buchführung und machen regelmäßige Abschlüsse. Auch für diese Gruppe gilt die Bestimmung, daß das Kalenderjahr das Steuerjahr ist.
Der vorliegende Antrag räumt mit diesen Differenzierungen auf. Wir sind der Auffassung, daß es jedem Gewerbebetrieb, der ordnungsgemäße I Bücher führt und regelmäßig Abschlüsse macht, gestattet sein muß, dasjenige Wirtschaftsjahr als Steuerjahr für sich in Anspruch zu nehmen, für das er seine Buchführung eingerichtet hat. Dieses Wirtschaftsjahr braucht aus wirtschaftlichen und kalkulatorischen Gründen nicht unbedingt mit dem Kalenderjahr übereinzustimmen. Für die Gewinnermittlung und für die Veranlagung sind seit dem 1. Januar 1955 sowieso einheitliche Gesichtspunkte gegeben. Durch die Gleichstellung wurden den oben genannten verschiedenen Gruppen von Gewerbetreibenden Verpflichtungen auferlegt, die praktisch dahin führen, daß alle genannten Gruppen die Rechnungslegung nach den gleichen Grundsätzen und nach den gleichen Vorschriften — falls keine Sondervorschriften entgegenstehen — vornehmen müssen.
Die jetzt durch die Beschlüsse des Ausschusses vorgeschlagene Regelung bedeutet, daß jeder, der bisher nach dem Kalenderjahr veranlagt worden ist und einen anderen Zeitabschnitt haben möchte, dazu die Zustimmung des Finanzamts braucht. Das betrachtet meine Fraktion als eine Einengung der Entscheidungsfreiheit der Unternehmer um so mehr, als alle diejenigen, die im Handelsregister eingetragen sind, diese Entscheidungsfreiheit eo ipso haben. Die übrigen, die nicht im Handelsregister eingetragen sind, sollen also durch die Pflicht, einen Antrag zu stellen, mehr oder weniger unter die Botmäßigkeit des Finanzamtes gestellt werden.
Meine Fraktion bittet, dem Antrag Umdruck 1212 zur Wahrung der gleichberechtigten Behandlung aller derjenigen Betriebe, die ordnungsgemäße Bücher führen und regelmäßig Abschlüsse machen, Ihre Zustimmung zu geben.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221508000
Das Wort hat der Herr Staatssekretär des Bundesfinanzministeriums.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221508100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf namens der Bundesregierung bitten, den Antrag abzulehnen. Der Herr Antragsteller hat einleitend gesagt, daß mit der Spaltung zwischen denjenigen Betrieben, die im Handelsregister eingetragen sind, und denen, die zwar ordentliche Bücher führen, aber nicht im Handelsregister eingetragen sind, endlich Schluß gemacht werden müsse. Es handelt sich also um einen grundsätzlichen Antrag. Dann wäre es nach meiner Meinung wohl angebracht gewesen, diesen Antrag bereits bei der langen Beratung dieses Gesetzentwurfs im Finanzausschuß einzubringen und dort zur Erörterung zu stellen. Im Finanzausschuß wären dann wahrscheinlich alle die Bedenken schon geltend gemacht worden, die dem Antrag entgegenstehen.
Es hat ja schließlich einen guten Grund — und das ist gar kein steuerlicher Grund, sondern ein handelsrechtlicher Grund, der seit über 50 Jahren gilt —, daß es Betriebe gibt, die Vollkaufleute sind; sie sind im Handelsregister eingetragen. Die Minderkaufleute sind nicht im Handelsregister eingetragen, haben aber unter bestimmten Voraussetzungen durchaus die Möglichkeit, ihre Eintragung im Handelsregister zu bewirken. Das ist eine bürgerlich-rechtliche, eine handelsrechtliche Vorschrift. Nachdem im Jahre 1955 durch den Gesetzgeber gerade erst die jetzige Regelung beschlossen worden ist, kann man, glaube ich, nicht ohne eingehende und gründliche Beratungen jetzt in der zweiten Lesung davon abgehen.
Auch damit willkürliche Änderungen aus steuerlichen Gründen vermieden werden, ist es wichtig, daß der Beschluß des Finanzausschusses aufrechterhalten wird, wonach die Umstellung des Wirtschaftsjahres auf ein anderes, vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr nur im Einvernehmen mit dem Finanzamt vorgenommen werden kann. Durch diese Regelung wollte der Finanzausschuß gewährleisten, daß eine aus wirtschaftlichen Gründen erforderliche Umstellung möglich bleibt, daß aber Mißbräuche vermieden werden.
Herr Präsident, der Herr Berichterstatter hat soeben gesagt, daß eine Erklärung der Bundesregierung zu dem Punkt des Wirtschaftsjahres zugesagt worden ist. Darf ich sie gleich anschließend abgeben?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221508200
Bitte schön!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221508300
Ich darf auf die Worte des Herrn Berichterstatters zurückkommen und die in Aussicht gestellte Erklärung nunmehr abgeben.
Die Neuregelung würde eine erhebliche Vereinfachung sowohl für die Verwaltung als auch für die Steuerpflichtigen bedeuten. Der Übergang zu der neuen Regelung soll im Veranlagungszeitraum 1957 erfolgen. Dieser Veranlagung wäre dann der Gewinn des Wirtschaftsjahres zugrunde zu legen, das im Kalenderjahr 1957 endet. Läuft das Wirtschaftsjahr z. B. vom 1. Juli bis zum 30. Juni des folgenden Jahres, so wäre demnach der Veranlagung für 1957 das volle Ergebnis des Wirtschaftsjahres vom 1. Juli 1956 bis zum 30. Juni 1957 zugrunde zu legen, während nach bisherigem Recht


(Staatssekretär Hartmann)

bei monatlich gleich hohen Umsätzen sechs' Zwölftel des Gewinns des Wirtschaftsjahres vom 1. Juli 1956 bis zum 30. Juni 1957 zuzüglich sechs Zwölftel des Gewinns des folgenden Wirtschaftsjahres vom 1. Juli 1957 bis zum 30. Juni 1958 der Besteuerung im Veranlagungszeitraum 1957 zugrunde zu legen gewesen wären. Im Jahr des Übergangs zur Neuregelung, 1957, würde also der Gewinn, der auf die Zeit vom 1. Juli 1956 bis zum 31. Dezember 1956 entfällt, zum zweitenmal Bemessungsgrundlage sein, da er bereits für den Veranlagungszeitraum 1956 als Bemessungsgrundlage diente. Hierdurch tritt aber eine finanzielle Benachteiligung des Steuerpflichtigen im allgemeinen nicht ein; denn beiden Veranlagungen werden gleichermaßen nur die Ergebnisse eines zwölf Monate umfassenden Bemessungszeitraums zugrunde gelegt. Lediglich in den Fällen, in denen der Steuerpflichtige nach dem Übergang zu der neuen Regelung den Betrieb aufgibt oder auf ein anderes Wirtschaftsjahr übergeht, würde ihm dadurch ein Nachteil entstehen, daß der Gewinn, der auf die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 1956 entfällt, zweimal als Bemessungsgrundlage herangezogen ist; denn der Steuerpflichtige würde nach der Neuregelung zu dem Veranlagungszeitraum des Jahres, in dem er den Betrieb aufgibt, den vollen Gewinn des in diesem Jahr endenden letzten normalen Wirtschaftsjahres zuzüglich des Gewinns der noch bis zum Tag der Betriebsaufgabe verbleibenden Monate (Rumpfwirtschaftsjahr) zu versteuern haben, während er nach der bisherigen Regelung im Jahr der Aufgabe auch den Gewinn vom 1. Januar dieses Jahres bis zum Tag der Aufgabe zu versteuern hätte. Das Entsprechende gilt, wenn der Steuerpflichtige von einem abweichenden Wirtschaftsjahr auf das Kalenderjahr übergehen würde. Die in diesen beiden Fällen sich ergebende Härte soll beseitigt werden, indem auf Grund der in § 51 Abs. 1 Ziffer 2 Buchstabe a EStG enthaltenen Ermächtigung bestimmt werden soll, daß der Gewinn, der beim Übergang zur Neuregelung zweimal als Bemessungsgrundlage gedient hat, von dem Gewinn des Jahres der Aufgabe des Betriebs oder des Übergangs auf ein anderes Wirtschaftsjahr abgezogen werden kann.
Die Tatsache, daß beim Übergang zur Neuregelung der auf den Zeitraum vom 1. Juli 1956 bis 31. Dezember 1956 entfallende Gewinn zweimal als Bemessungsgrundlage dient, kann auch dann zu einer Mehrbelastung führen, wenn der Gewinn des im Jahr des Übergangs zur Neuregelung ablaufenden abweichenden Wirtschaftsjahres (1956/57) außerordentlich hoch ist. Diese Mehrbelastung gleicht sich jedoch regelmäßig aus, wenn in späteren Wirtschaftsjahren wieder ein höherer Gewinn erzielt wird. Härtefälle dieser Art werden im Einzelfall durch Stundungen beseitigt werden können. Es ist deshalb beabsichtigt, einen Steuermehrbetrag, der sich im Veranlagungszeitraum 1957 ergibt, in der Weise zu stunden, daß je ein Drittel dieses Betrags erst in den folgenden drei Kalenderjahren zu zahlen ist.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221508400
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung.

(Wortmeldung des Abg. Dr. Schild.)

— Ich kann es nicht sehen. Bitte, Herr Schild. Ich darf aber darauf aufmerksam machen, nach der Geschäftsordnung sind die Wortmeldungen schriftlich zu machen. Ich gehe gern aus Kulanz auf
etwas anderes ein, unter der Voraussetzung, daß ich es sehen kann. Das Haus ist breiter als tief, und um die Ecke herum zur Regierungsbank kann ich überhaupt nicht sehen.

(Zuruf von der SPD: Leider! Leider!)

Dr. Schild (Düsseldorf) (DP [FVP]): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich dem Herrn Staatssekretär erwidern, daß es nach allen Gepflogenheiten dieses Hohen Hauses üblich ist, in der zweiten Lesung Anträge zu stellen, die unter Umständen noch nicht im Ausschuß behandelt worden sind. Aber diese Sache ist im Ausschuß behandelt worden, sonst könnte ja der Ausschuß nicht zu seiner Formulierung gekommen sein, die in der Drucksache 3509 vorliegt. Denn da dreht es sich letztlich um die Ermächtigung, mit Zustimmung des Finanzamtes ein Wirtschaftsjahr zu wählen. Meine Fraktion wünscht ausdrücklich, daß diese Zustimmung des Finanzamtes nicht erforderlich ist für alle diejenigen Vollkaufleute und Minderkaufleute, die ordnungsgemäße Bücher führen und eine entsprechende Rechnungslegung in einem kontinuierlich sich fortsetzenden jährlichen Rahmen durchführen. Es ist aber geradezu eine Diffamierung für die im Handelsregister nicht eingetragenen Gewerbetreibenden, die nach steuerlichen Vorschriften genauso behandelt werden wie die im Handelsregister Eingetragenen, wenn ihnen nicht die Freiheit der Wahl des Wirtschaftsjahres gegeben wird. Wir sind uns darüber klar, daß es sich zahlenmäßig unter Umständen nur um wenige Betriebe handelt; denn das Gros all dieser Betriebe wird mit der Steuer- und Handelsbilanz beim Kalenderjahr bleiben. Wo aber die Situation im einzelnen oder in ganzen Wirtschaftszweigen eine Änderung des Wirtschaftsjahres bedingt und das Kalenderjahr nicht mehr maßgebend sein kann, sollte man diesen Betrieben und Wirtschaftszweigen die Möglichkeit dazu geben. Nichts anderes besagt unser Antrag. Ich bitte noch einmal, die Diffamierung dieser sogenannten Minderkaufleute — die gar keine Minderkaufleute im tatsächlichen, sondern nur noch im formalen Sinne sind — endgültig aufzuheben.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221508500
Weitere Wortmeldungenn liegen nicht vor. — Ich schließe die Debatte.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe auf den Umdruck- 1212. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe nunmehr auf Art. 1 Nr. 1 in der Ausschußfassung. Wer dieser Nr. 1 nebst den vorangehenden Einleitungssätzen des Art. 1 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — .Enthaltungen? — Die Einleitung von Art. 1 und die Nr. 1 sind angenommen.
Ich rufe auf die Nr. 2 in Art. 1. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der CDU/CSU auf Umdruck 1175 Ziffer 1 vor. Wird der Antrag begründet? — Das scheint nicht der Fall zu sein. Ich stelle den Antrag zur Debatte. — Wortmeldungen liegen dazu nicht vor. Wer der Ziffer 1 dieses Antrages auf Umdruck 1175 zu Nr. 2 von Art. 1 – der Antrag wünscht die Einfügung eines Buchstaben k hinter dem Buchstaben i — zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die


(Vizepräsident Dr. Becker)

Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist angenommen.
Zur Nr. 2 in Art. 1 liegt kein weiterer Antrag vor. Dann stelle ich die Nr. 2 mit der soeben beschlossenen Änderung zur Abstimmung. Wer der Nr. 2 mit dem soeben beschlossenen Zusatz zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Darrst ist nunmehr auch diese Nr. 2 angenommen.
Nun liegt ein Antrag der FDP auf Umdruck 1182 Ziffer 1 vor, der in Artikel 1 nach Nr. 2 eine neue Nr. 2 a einzufügen wünscht, ferner ein Antrag der Fraktion der DP (FVP) auf Umdruck 1176 (neu), der ebenfalls die Einfügung einer neuen Nr. 2 a verlangt, wonach § 10 Absatz 1 eine Ziffer 9 erhalten soll, sowie ein Antrag auf Umdruck 1186 Ziffer 1, ebenfalls von der FDP, eine neue Nr. 2 a ö. Diese Anträge beziehen sich auf den § 10, und zwar die beiden Anträge 1176 (neu) und 1186 auf eine Nr. 9 in § 10 Abs. 1. Sind sich die Antragsteller darüber einig, welches der weitergehende Antrag ist? Darf ich rum die Begründung bitten? — Herr Atzenroth hat das Wort.

Dr. Karl Atzenroth (FDP):
Rede ID: ID0221508600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser Antrag auf Umdruck 1182 ist der weitergehende; wir haben auf Umdruck 1186 einen Alternativantrag gestellt, der sich ungefähr mit dem Antrag der DP deckt. Unser Antrag auf Umdruck 1182, den zu begründen ich die Ehre habe, soll einen Teil der unterlassenen Rentenreform darstellen.
Beim Rentenerhöhungsgesetz ist ein Kreis von Menschen mit höheren Renten bedacht worden. Man hat diesen Personenkreis von der Steuerpflicht für alle Aufwendungen, die er zur Erlangung seiner Renten macht, voll und ganz befreit. Wir haben uns eine Rentenreform seinerzeit" anders gedacht. Das war einer der Hauptgründe, weshalb wir gegen das hier beschlossene Gesetz gestimmt haben. Wir hatten zur Grundlage unserer Betrachtungen ein Wort genommen, das einer Ihrer Minister vor einiger Zeit besonders trefflich formuliert hat. Herr Minister Erhard hat im Frühjahr dieses Jahres wiederholt, was er schon früher gesagt hat: Wir müssen zu einer anderen Geisteshaltung kommen; wir müssen dafür sorgen, daß die Selbstvorsorge des einzelnen Menschen gestärkt wird und daß der einzelne Mensch nicht immer nach dem Staat ruft und die Hilfe des Staates in Anspruch nimmt.

(Zuruf des Abg. Krammig.)

Das ist — ich habe zitiert — Ihr Minister Erhard.

(Abg. Krammig: Das andere habe ich dazugesagt!)

— Das hat er in Godesberg anläßlich eines Besuchs des österreichischen Wirtschaftsministers wörtlich gesagt.

(Abg. Krammig: Sie haben mich falsch verstanden; das andere habe ich dazugesagt!)

— Ach so; ich bitte um Entschuldigung.
Das ist der Gedanke, der uns bei der Stellung dieses Antrags bewegt hat. Es gibt einen großen Kreis von Menschen, die trotz des letzten Rentengesetzes noch selbst für ihr Alter vorsorgen. Diesen Kreis von Menschen wollen wir durch unsere Anträge begünstigen. Wir wollen diese Menschen, die aus ihren eigenen Kräften Vorsorge leisten, steuerlich nicht schlechter stellen als den Kreis, der von der Sozialversicherung betroffen ist. Wir wollen ihn auch nicht besserstellen, sondern nur eine Gleichstellung vornehmen.
Zu diesem Zweck beantragen wir eine Änderung des § 10 Abs. 3. Es handelt sich z. B. um Personen, die Beiträge für eine Versicherung in voller Höhe selbst zahlen müssen, für die kein Arbeitgeber einen Teil der Beiträge zahlt. Sie könnten über die Grenze der Sonderausgaben hinauskommen. Das soll durch unseren Antrag verhindert werden. Wir wollen so viel steuerfrei lassen wie in der Sozialversicherung. Man kann uns nicht den Einwand bringen, daß wir einen Personenkreis erfassen wollen, der so gut gestellt ist, daß er Beiträge in sehr großer Höhe der Einkommensteuer entzieht. Ein Fall, der uns mehrfach vorgetragen worden ist, betrifft die Mitglieder der gesetzlichen Ärzteversicherung in Bayern, die sich in einer besonders ungünstigen Lage befinden. Wir wollen also — das ist der erste Teil unseres Antrags — die Beiträge, die sie zahlen, in dem Umfange steuerfrei lassen, in dem sie nicht über den Sozialversicherungsbeiträgen liegen.
Ich darf bei dieser Gelegenheit, Herr Präsident, die Punkte 3 und 4 mitbegründen, denn sie sind unabdingbar mit dem ersten verknüpft. Wenn wir nämlich das Einkommensteuergesetz hier ändern, müssen wir logischerweise auch das Vermögensteuergesetz ändern. Denn auch in dem Vermögensteuergesetz ist dieser Personenkreis schlechtergestellt als die Sozialversicherten. Der kapitalisierte Wert aus der Sozialversicherung unterliegt keiner Vermögensteuer. Der kapitalisierte Wert von Verträgen des Personenkreises, den wir hier ansprechen, wird. aber in einem bestimmten Rahmen von der Vermögensteuer erfaßt. Das ist ebenfalls ungerecht. Der dritte Teil unseres Antrags soll diese Ungerechtigkeit beseitigen. Wenn wir die Versicherungen bis zu einer Grenze von 100 000 DM hier anführen, so sind wir davon ausgegangen, daß wir eine monatliche Rente von 500 DM zugrunde legten. Das sind 6000 DM im Jahre. Bei einer Lebenserwartung von 15 Jahren nach dem Zur-
Ruhe-Setzen wären das 90 000 DM, auf 100 000 DM abgerundet.
Schließlich ist eine Änderung des Versicherungsteuergesetzes notwendig, die unter Punkt 4 unseres Antrages gefordert wird.
Unser Antrag entspricht der Gerechtigkeit, der Gleichstellung eines Personenkreises, dessen Belastungen im Rentenversicherungsgesetz verschieden gestaltet worden sind. Hier sollen sie wieder einigermaßen angeglichen werden. Ich bitte Sie, unserem Antrag zuzustimmen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221508700
Herr Kollege, wollen Sie auch gleich den Eventualantrag Umdruck 1186 begründen?

Dr. Karl Atzenroth (FDP):
Rede ID: ID0221508800
Meine Damen unid Herren! Der Eventualantrag auf Umdruck 1186 sieht eine geringere steuerliche Begünstigung für den Fall vor, daß die Mehrheit dieses Hauses unseren ersten Vorschlägen nicht zustimmt. Nach Punkt 1 soll nur die Hälfte der Beiträge der Berufsangehörigen, die zu Versicherungs- oder Versorgungseinrichtungen einer Berufsgruppe im Sinne des § 7 usw. geleistet werden, steuerfrei bleiben. Hier ist also die steuerliche Begünstigung wesentlich geringer. Wir haben


(Dr. Atzenroth)

es aber als Eventualantrag für den Fall beantragt, daß das Hohe Haus unserem ersten Antrag nicht zustimmt, den wir jedoch für den allein gerechten halten.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221508900
Wird der Antrag Umdruck 1176 (neu) zu Ziff. 1 begründet? — Bitte, Herr Kollege Berg!
Dr. Berg (DP [FVP]): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei meiner Begründung kann ich mich im wesentlichen auf die Ausführungen des Kollegen Atzenroth stützen, da, wie er selbst bereits betont hat, der Umdruck 1186 und der Umdruck 1176 (neu) in wesentlichen Punkten übereinstimmen. Ich möchte hier nur sagen, warum wir von der Deutschen Partei und der Freien Volkspartei uns von vornherein mit dem bescheideneren Antrag begnügt haben. Es ist eine verhältnismäßig einfache Sache. Wir sind der Meinung, daß wir mit dem weitergehenden Antrag der FDP eine erhebliche Änderung des Finanzvolumens dieses Gesetzes herbeiführen und dann auf dem Wege über den § 96 a der Geschäftsordnung das gesamte Gesetz ernsthaft gefährden würden. Das ist einer der wesentlichen Gründe. Im Grunde genommen soll dieser unser Antrag nur ein Anfang in der Angleichung der in der Entwicklung zurückgebliebenen freien Berufe an die Sozialversicherten sein. Er soll der Anfang dafür sein, daß die freien Berufe in ihren Versicherungsaufwendungen genau die gleichen Steuervorteile genießen wie die Sozialversicherten auch. Wir haben uns allerdings auf die Hälfte der Beiträge beschränkt, weil diese Hälfte sinngemäß dem Arbeitgeberanteil in der Sozialversicherung entspricht. Die andere Hälfte unterliegt ja in bezug auf ihre Anrechnung bei den Sonderausgaben den gleichen Bedingungen wie auch bei den freien Berufen.
Den Zusatz „sofern die Beiträge von den Versicherten allein aufzubringen sind" zu begründen, erübrigt sich wohl. Er ist gesetzessystematisch notwendig.
Zur Begründung der Vergünstigungen hinsichtlich der Vermögensteuer und der Versicherungsteuer ist das Notwendige ebenfalls bereits von dem Kollegen Atzenroth gesagt worden.
Ich betone, unser Antrag stellt nur einen Anfang von dem dar, was wir im Grunde wollen. Im Grunde wollen wir eine weitere und energischere Begünstigung der freien Berufe im Rahmen des § 10 des Einkommensteuergesetzes; aber das wird sich in dieser Legislaturperiode leider nicht mehr in diesem Umfange durchführen lassen.
Ich bitte um Annahme unseres Antrages.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221509000
Das Wort hat der Abgeordnete Lindrath.

Dr. Hermann Lindrath (CDU):
Rede ID: ID0221509100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag auf Umdruck 1182 von der Fraktion der FDP, den der Herr Kollege Atzenroth soeben begründet hat, ist zweifellos der weitestgehende Antrag. Er würde bedeuten, daß der an sich schon völlig unübersichtliche § 10 des Einkommensteuergesetzes eine weitere Komplikation schlimmster Art erhält. Er würde bedeuten, daß das Höchstbetragssystem für die Sonderausgaben praktisch noch ausgeweitet bzw. völlig zerstört wird. Darüber hinaus würde dieser Antrag, wie der Herr Kollege Dr. Berg auch schon ausgeführt hat, eben doch ein Antrag sein, der den Vorschriften des § 96 (neu) der Geschäftsordnung unterliegt; er müßte also noch einmal an den Haushaltsausschuß zurückverwiesen werden.
Meine Fraktion sieht sich daher nicht in der Lage, diesem Antrag auf Umdruck 1182 zuzustimmen. Wir werden den Antrag ablehnen, um das Gesetzgebungswerk nicht unnötig zu verzögern, sosehr uns das grundsätzliche Anliegen, das hier auch zum Ausdruck gekommen ist, nämlich die Förderung der freien Berufe hinsichtlich ihrer Altersversorgung, ebenfalls am Herzen liegt, das Anliegen, sie etwa mit den Rentenversicherungen der Angestellten gleichzustellen.
Das gleiche gilt aber auch für die eingeschränkten Anträge Umdruck 1182 von der FDP und Umdruck 1176 (neu) von der DP (FVP), die ja im wesentlichen übereinstimmen. Diese beiden Anträge haben zusätzlich noch den Nachteil, daß hier nur eine kleine Gruppe von Personen herausgenommen wird, die eine Begünstigung bekommen sollen, nämlich die Personen, die durch die neue Rentengesetzgebung sozialversicherungspflichtig geworden sind, weil sie sich im Angestelltenverhältnis befinden und weil jetzt die Grenze für die Angestelltenversicherungspflicht von 750 DM auf 1250 DM erhöht worden ist. Nur diese kleine Gruppe sollte herausgenommen werden. Das erscheint uns nicht möglich und hat auch bei den berufsständischen Kreisen selbst Ablehnung erfahren.
Wir möchten deshalb, daß diese Dinge grundsätzlich geregelt werden. Das läßt sich aber, wie gesagt, jetzt nicht mehr machen. Diese Anregung ist sehr kurzfristig jetzt hier eingebracht worden. Wir werden daher in der dritten Lesung eine etwas stärker fundamentierte und begründete Entschließung einbringen, um den grundsätzlichen Wünschen, die hier zum Ausdruck gekommen sind, Rechnung zu tragen. Im übrigen wird meine Fraktion die drei Umdrucke 1182, 1186 und 1176 (neu) ablehnen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221509200
Das Wort hat der Herr Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Herr Hartmann.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221509300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mich den Ausführungen, die der Herr Abgeordnete Dr. Lindrath gemacht hat, nur anschließen. Auch hier muß ich den Einwand bringen, daß es doch vielleicht sachlich richtiger gewesen wäre, eine so komplizierte Angelegenheit — in allen Einzelheiten scheint sie nämlich noch gar nicht klar zu sein — rechtzeitig in den Finanzausschuß zu bringen. Herr Dr. Schild hat soeben darauf hingewiesen, daß das Recht, in der zweiten oder dritten Lesung Anträge einzubringen, nicht beeinträchtigt werden dürfe. Rechtlich ist das ganz klar; aber es handelt sich hier um die sachliche Zweckmäßigkeit.
Der Finanzausschuß hat sich in einer ganz großen Anzahl von Sitzungen sehr ausführlich und sehr genau mit diesem Gesetzentwurf befaßt. Vielleicht wäre es möglich gewesen, im Finanzausschuß zu einer gewissen Verständigung über das zu kommen, was an einem berechtigten Rest in den Anträgen steckt, wie es ja auch der Entschließungsent-


(Staatssekretär Hartmann)

wurf zur Prüfung bringen will. Aber ,einer Annahme dieser Anträge hier würde ich ganz entschieden widerraten.
Es ist hier schon von Herrn Dr. Berg auf den § 96 (neu) der Geschäftsordnung hingewiesen worden. Ich muß noch einen anderen Punkt hier nennen, der vielleicht auch noch ein anderes Mal oder zweimal in der heutigen Debatte eine Rolle spielen wird, nämlich die voraussichtliche Stellungnahme des Bundesrates. Wir sind keine Propheten; aber es wäre doch wohl sehr erwünscht, daß dieses wichtige und umfangreiche Gesetz .bei der vorgeschrittenen Zeit auch die Zustimmung des Bundesrates findet, ohne daß dieser den Vermittlungsausschuß anrufen müßte. Ich darf mir vielleicht erlauben, diese allgemeine Bemerkung nicht nur zu diesen Anträgen zu machen. Ich wäre im Interesse des baldigen Zustandekommens dieses Gesetzes dankbar, wenn bei den Beratungen und Abstimmungen am heutigen Nachmittag auch immer im Auge behalten werden könnte, daß das Gesetz bereits hier eine Form bekommt, die dem Bundesrat die Zustimmung ermöglicht.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221509400
Das Wort hat der Abgeordnete Atzenroth.

Dr. Karl Atzenroth (FDP):
Rede ID: ID0221509500
Meine Damen und Herren! Wir sind es in achtjähriger Tätigkeit in diesem Hause gewohnt, gerade von dem Herrn Bundesfinanzminister Belehrungen zu erhalten. Aber wir müssen es bei jeder Gelegenheit wieder zurückweisen, daß uns der Herr Minister oder sein Staatssekretär Vorschriften oder Vorschläge macht, wie und wann wir Anträge einbringen.

(Beifall bei der FDP.)

Wenn die Meinung des Herrn Staatssekretärs richtig wäre, dann ,dürften in einer zweiten Lesung keine Anträge mehr 'eingebracht werden, weil man sie ja im Ausschuß hatte stellen können. Herr Staatssekretär, gerade dazu ist die zweite Lesung da, daß vor aller Öffentlichkeit Anträge gestellt werden. Hier kann die Öffentlichkeit ,erfahren, was gefordert wird und was abgelehnt wird; im Ausschuß nicht. Das ist der entscheidende Punkt.

(Abg. Krammig: Kurz vor den Wahlen!)

— Nein, Herr Krammig, in diesem Fall fasse ich mich nicht kurz, sondern ich werde mit aller Deutlichkeit sagen, was hierzu zu bemerken ist.

(Abg. Krammig: Sie haben mich falsch verstanden!)

Man kann in bezug auf den Personenkreis, der hier betroffen wird, nicht sagen, zu dieser Forderung liege nur ein Rest von Berechtigung vor, sondern hier liegt volle Berechtigung vor. Herr Staatssekretär, der Herr Bundesfinanzminister hätte bei der Rentenreform diese Vorschläge von sich aus dem Hohen Hause vortragen müssen. Es ist ja nicht die Aufgabe der Abgeordneten, mit diesen Dingen zu kommen, sondern es ist eine Aufgabe des Finanzministers, für die Gleichmäßigkeit der Besteuerung zu sorgen. Der Sinn unserer Anträge ist doch der, die Ungleichmäßigkeit der Besteuerung zu beseitigen. Sie können also nicht damit kommen, daß wir diese Anträge erst in letzter Minute einbringen. Wir bringen sie deswegen jetzt ein, weil ein Versäumnis des Bundesfinanzministers vorliegt.
Herr Dr. Lindrath schlägt nun vor, uns mit der Annahme einer Entschließung in der dritten Lesung zu begnügen. Die betroffenen Kreise werden sich darüber nicht freuen. Ich darf daran erinnern, was mit Entschließungen in diesem Hohen Hause bisher passiert ist. Entschließungen, die Wünsche an die Adresse der Bundesregierung beinhalten, sind niemals zum Zuge gekommen.

(Zuruf von der Mitte.)

— Ich will es einschränken; es könnte schon einmal der Fall gewesen sein. Aber gerade der Herr Bundesfinanzminister ist es gewesen, der von diesem Platz aus gesagt hat: Entschließungen binden mich in keiner Weise, sondern nur Gesetze, die dieses Hohe Haus macht; Entschließungen brauche ich nicht zu befolgen.

(Sehr richtig! links.)

Der Einwand mit dem § 96 (neu) ist so oft vorgetragen worden, daß er in diesem Hause langsam an Glaubwürdigkeit verliert. Ich habe es noch nicht erlebt, daß der Herr Bundesfinanzminister tatsächlich von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, wenn er davon gesprochen hat, daß der Etat ein zu großes Ausmaß angenommen habe. Er hätte so oft Gelegenheit gehabt, von seinem Einspruchsrecht Gebrauch zu machen. Aber er kommt immer dann damit, wenn eine Oppositionspartei einen Antrag stellt, der ihm nicht in sein Konzept paßt.

(Beifall bei der FDP.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221509600
Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.

Walter Seuffert (SPD):
Rede ID: ID0221509700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei diesen drei Anträgen handelt es sich darum, daß bestimmte Versicherungsbeiträge, deren Abzugsfähigkeit als Sonderausgaben vollständig außer Frage steht, außerhalb der Höchstbeträge für solche Sonderausgaben abgerechnet werden sollen. Was den in der Tat weitestgehenden Antrag auf Umdruck 1182 anlangt, der diese Frage für sämtliche Versicherungsbeiträge, sowohl Sozialversicherungsbeiträge als auch Beiträge für Krankenversicherungen und private Lebensversicherungen, anschneidet, so wirft er, wie auch hier schon zum Ausdruck gebracht worden ist, eine Frage auf, die vom nächsten Bundestag im Anschluß an die Regelung der Rentenversicherung geklärt werden muß und durchaus beherzigenswert ist. In der vorliegenden Form — da schließe ich mich meinen Vorrednern an — kann der Antrag jetzt nicht verabschiedet werden. Erstens liegt überhaupt keine Kalkulation über den Ausfall vor, der immerhin nennenswert sein dürfte. Sodann brauche ich nur die Frage zu stellen, wie denn festzustellen ist, z. B. bei einer privaten Lebensversicherung eines Selbständigen, was bei Bestehen einer Versicherungspflicht zu zahlen gewesen wäre, um darzutun, daß er in dieser Form überhaupt nicht praktikabel ist.
Eine Bemerkung zu Ihnen, Herr Kollege Atzenroth! Sie können Ihre Anträge zweifellos anbringen, wann Sie wollen. Aber ich glaube, wenn Sie mit Ihrem Antrag nicht nur eine Demonstration erzielen wollen, sondern Erfolge, dann wäre es ratsam, Anträge mit der Vorbereitung und zu dem Zeitpunkt einzubringen, daß sie sachgemäß behandelt werden können. Ich möchte annehmen, daß eine sorgfältige Arbeit in solchen Dingen auch dem Kreis, auf den Sie Eindruck zu machen wünschen,


(Seuffert)

einen besseren Eindruck machen würde. Wir sind also nicht in der Lage, diesem Antrag zuzustimmen. Ich habe deswegen auch von mir aus keine Veranlassung, eine Reihe von Unrichtigkeiten und Mißverständlichkeiten, Behauptungen einer erforderlichen Gleichstellung oder ähnliches, die vorgetragen worden sind, richtigzustellen.
Was die in der Praxis gleichlautenden Anträge Umdruck 1176 und den Eventualantrag Umdruck 1198 anlangt, so möchte ich klarstellen, daß die Anträge in der Fassung, in der sie eingereicht worden sind, übrigens auch nicht den Wünschen der Verbände der freien Berufe entsprechen, sondern bestimmte Versicherungen ins Auge fassen, die für die Angestellten der freien Berufe, nicht für die freien Berufe selbst, bestimmt sind. Auch da handelt es sich bei den Antragstellern offenbar um ein vollständiges Mißverständnis. In der Praxis wären derartige Anträge für eine Weiterversicherung bei ganz bestimmten, nicht einmal den gewöhnlichen Ärzte- und Anwaltsversicherungen, sondern bei ganz bestimmten Spezialversicherungen von Bedeutung. Es würde sich nicht um eine Gleichstellung handeln, sondern darum, daß die Weiterversicherung von Leuten, die einmal in einem Angestelltenverhältnis gewesen sind, bei einigen speziellen Versicherungen anders und zwar besser behandelt würde ais bei der Weiterversicherung in der Sozialversicherung oder der freien Versicherung überhaupt. Also es handelt sich um keine Gleichstellung, sondern um eine in dieser Form denkbarerweise kaum gewollte Begünstigung ganz bestimmter Versicherungen sowohl vor der Sozialversicherung als auch der freien Versicherung.
Wir sehen uns deswegen ebenfalls nicht in der Lage, diesen Anträgen zuzustimmen. Dem Entschließungsantrag Umdruck 1198 — das kann ich gleich sagen — werden wir zustimmen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221509800
Das Wort hat der Abgeordnete Kammig.

Karl Krammig (CDU):
Rede ID: ID0221509900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mir liegt es vollkommen fern, Herrn Kollegen Dr. Atzenroth eine Belehrung erteilen zu wollen. Aber wenn er davon sprach, daß hier nicht von § 96 (neu) der Geschäftsordnung gesprochen werden sollte, weil der Herr Bundesfinanzminister damit zwar schon immer gedroht, aber nie davon Gebrauch gemacht habe, so liegt offenbar eine Verwechslung mit Art. 113 des Grundgesetzes vor. § 96 (neu) hat sich der Bundestag in weiser Selbstbeschränkung selbst auferlegt, und er ist ex officio verpflichtet, von § 96 (neu) seiner Geschäftsordnung Gebrauch zu machen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221510000
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Ich stelle zunächst als weitestgehenden Antrag den Antrag auf Umdruck 1182 Ziffer 1 zur Abstimmung. Wer für diesen Antrag zu stimmen wünscht — es ist der Antrag, den Kollege Atzenroth begründet hat —, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen dann zu dem Antrag Umdruck 1176 (neu) Ziffer 1 und dem Antrag Umdruck 1186 Ziffer 1. Beide stimmen im wesentlichen überein mit dem einen Unterschied, daß auf Umdruck 1176 (neu) unter Ziffer 1 in der Nr. 9 der Zusatz gemacht ist:
sofern die Beiträge von den Versicherten allein aufzubringen sind.
Dieser Zusatz fehlt in dem Antrag der FDP. Demgemäß ist der Antrag der FDP der weitergehende. Ich stelle zuerst ihn zur Abstimmung.
Wer dem Eventualantrag Umdruck 1186 Ziffer 1 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Ich stelle dann den weniger weitgehenden Antrag der DP (FVP) auf Umdruck 1176 (neu) Ziffer 1 zur Abstimmung, der den Zusatz enthält:
sofern die Beiträge von den Versicherten allein aufzubringen sind.
Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Auch dieser Antrag ist abgelehnt. Die Anträge, eine Nr. 2 a einzufügen, sind damit sämtlich abgelehnt.

(Vizepräsident Dr. Schneider übernimmt den Vorsitz.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221510100
Zu Nr. 3 des Art. 1 sind Änderungsanträge nicht gestellt. Wer der Nr. 3 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit verabschiedet.
Ich rufe Nr. 4 und dazu die Anträge Umdrucke 1189, 1182 Ziffer 2, 1175 Ziffer 2 und 1204 auf. Ich lasse die Anträge in der Reihenfolge begründen, wie ich sie aufgerufen habe. Wer begründet den Antrag Umdruck 1189? — Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Lindrath.

Dr. Hermann Lindrath (CDU):
Rede ID: ID0221510200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag Umdruck 1189 enthält im wesentlichen nur eine Klarstellung des Begriffs „Berichtigungsveranlagungen" im Sinne der Neuregelung des Ehegattenbesteuerungsrechts. Da der Beschluß des Karlsruher Gerichts an die Rechtskraft der Steuerveranlagungen knüpft und bei Steuerbescheiden von einer doppelten Rechtskraft insofern gesprochen werden kann, als an sich auch schon rechtskräftig gewordene Bescheide durch Berichtigungsveranlagung wieder aufgerollt werden können, mußte hierzu im Gesetz etwas gesagt werden. Für diese Frage kommen allerdings nur Berichtigungsveranlagungen im Sinne der §§ 218 und 222 der Abgabenordnung zum Zuge. Es gibt aber auch noch Berichtigungsveranlagungen aus anderen Anlässen, 'beispielsweise aus Anlaß der D-Mark-Eröffnungsbilanzen, auch im Falle des § 96 der Abgabenordnung.
Diese Berichtigungsveranlagungen sollen ausgeschieden werden. Deshalb haben wir den Änderungsantrag eingereicht, um hier für die Praktizierung dieses schwierigen Rechtsgedankenguts die in der Praxis notwendige Klarheit zu schaffen. Außerdem haben wir in den Daten noch einige Änderungen vorgenommen, insbesondere den Satz eingefügt:
Das gleiche gilt für vor dem 21. Februar 1957 erlassene Steuerbescheide für die Veranlagungszeiträume 1949 bis 1957, gegen die wegen der Zusammenveranlagung der Ehegatten form- und fristgerecht Verfassungsbeschwerde eingelegt worden ist.
Hierdurch ermöglichen wir dem Bundesverfassungsgericht, einige dort noch anhängige Verfah-


(Dr. Lindrath)

ren schnell zu erledigen. Ich bitte deshalb, diesem Antrag zu entsprechen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221510300
Wer begründet den Antrag der FDP Umdruck 1182 Ziffer 2? — Abgeordneter Dr. Miessner!

Dr. Herwart Miessner (FDP):
Rede ID: ID0221510400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist die ganze Nr. 4 aufgerufen. Diese Nummer enthält nun allerdings mehrere Probleme zur Ehesteuer, bezüglich derer, wie ich glaube, auch eine getrennte Begründung erfolgen sollte. Ich glaube nicht, daß es dem sachlichen Verständnis gut tut, wenn wir das jetzt alles zusammenziehen.
Wir von der Freien Demokratischen Partei haben schon im 1. Bundestag durch unsere Kollegin Frau Dr. Ilk 'die Zusammenveranlagung der Ehegatten für verfassungswidrig erklärt. Dann ist anläßlich der Neufassung des § 26 des Einkommensteuergesetzes im Jahre 1954 von unserer Kollegin Frau Dr. Lüders der Begriff der sogenannten „Ehestrafsteuer" geprägt worden; dieser Begriff ist ja auch in die Öffentlichkeit eingegangen. Nachdem wir in diesem Hause mit unseren Gedanken nicht hatten durchdringen können, kam uns eine Hilfe von Karlsruhe; die Zusammenveranlagung ist nun durch unser höchstes Verfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt worden.
Wir sind der Meinung, das hätte zur Folge haben sollen, daß man das Splitting nach dem amerikanischen Muster einführt. Es ist uns in den Ausschußberatungen nicht 'gelungen, diesen Gedanken schon jetzt durchzusetzen. Allerdings darf ich wohl sagen, daß fast alle Mitglieder im Ausschuß im Grunde der Meinung waren, daß das Splitting letztlich die allein gerechte Regelung für alle verschiedenen Fälle der Ehegattenbesteuerung ist.
Wenn es sich auch bei dem heute zu verabschiedenden Steueränderungsgesetz nur um eine Übergangsregelung handelt, so muß man doch versuchen, 'dem Grundsatz der steuerlichen Gerechtigkeit wenigstens einigermaßen Rechnung zu tragen. Da war es die allgemeine Auffassung — das ist wohl das Problem Nr. 1 —, daß den Eheleuten, die nicht die Möglichkeit haben, der Steuerprogression in den höheren Einkommenstarifen durch getrennte Veranlagung zu entgehen, dafür zum Ausgleich ein erhöhter Freibetrag zu gewähren ist. Es geht heute um die Frage der Höhe dieses Freibetrages. Es wird jedem einleuchten, daß derjenige, der die Möglichkeit hat, sein Einkommen mehr oder weniger auf zwei Personen aufzuteilen, einen Vorteil hat. Entfallen beispielsweise bei einem Einkommen von 15 000 DM 9000 auf den Mann und 6000 DM auf die Frau, so werden mindestens 1000 DM an Einkommensteuer gespart gegenüber demjenigen, der diese 15 000 DM in einer Summe zu versteuern hat. Hier geht es um den Ausgleich. Wir sind der Meinung, daß dieser Ausgleich dadurch gefunden werden könnte, daß der Freibetrag, der zur Zeit bei der Zusammenveranlagung für Ehegatten zusätzlich 250 DM jährlich beträgt, auf mindestens 100 DM im Monat, also 1200 DM im Jahr, festgesetzt werden muß. Es war nicht möglich, für diesen Betrag im Ausschuß eine Mehrheit zu finden. Der Ausschuß hat sich aber gerade unter dem Eindruck unserer Argumente immerhin zu einer Erhöhung von 250 DM auf 720 DM entschlossen. Für mindestens drei Viertel aller Steuerpflichtigen ist die Frage der Höhe des Freibetrages von außerordentlicher Bedeutung; ich möchte sagen, für drei Viertel dieser Steuerzahler ist dies letztlich die einzige positive Auswirkung des Karlsruher Urteils. Dazu gehören alle die Einkommensbezieher, die als Angestellte, Arbeiter oder Beamte tätig sind, ohne daß die Ehefrau ein Einkommen bezieht. Es gehören ferner aber auch dazu die Ehepaare, bei denen die Frau nur gelegentlich einmal im Geschäft mithilft und diese Mithilfe nicht als so stark angesehen werden kann, daß sich daraus eine getrennte Veranlagung ergibt.
Der Betrag von 720 DM, auf den wir im Finanz- und Steuerausschuß und vorher im Unterausschuß „Ehegattenbesteuerung" gekommen sind, war, nachdem der von mir namens der FDP vorgeschlagene Betrag von 1200 DM abgelehnt worden war, ein Vorschlag des Vorsitzenden des Unterausschusses, des Kollegen Dr. Lindrath von der CDU. Seine Begründung war eigentlich ganz plausibel. Er sagte: Wir müssen den Freibetrag für die Eheleute doch wenigstens so weit erhöhen, daß wir ihn wenigstens auf die Höhe des Freibetrages für das erste Kind bringen. So kam es auf Grund eines einstimmigen Beschlusses des Ausschusses zu dem § 26 d der Vorlage, der einen Freibetrag von 720 DM vorsieht, nachdem unser weitergehender Antrag auf 1200 DM vorher abgelehnt worden war.
Die CDU beantragt nun heute — dieser Antrag ist, glaube ich, von Ihnen, Herr Lindrath, noch nicht begründet worden —,

(Abg. Dr. Lindrath: Das kommt noch!)

den Freibetrag auf 600 DM herabzusetzen. Ich finde das wirklich ungeheuerlich. Es handelt sich hier um den Kernpunkt der Übergangsregelung zur Ehegattenbesteuerung. Die Beratungen waren doch im wesentlichen von einer ziemlichen Einmütigkeit getragen, und wir haben sie — ich möchte sagen — in größtmöglicher Harmonie beendet. Aber gerade darum ist es für uns sehr überraschend, daß man daran hinterher wieder rührt und den Betrag auf 600 DM herabsetzen will.
Wir verwahren uns ganz entschieden dagegen und bleiben bei unserem Antrag auf Erhöhung des Freibetrages auf 1200 DM. Wir bitten Sie, meine Damen und Herren, aber mindestens für die Beibehaltung des Freibetrages von 720 DM zu stimmen, den die Ausschußvorlage vorgesehen hat. Ich betone nochmals, diese Ausschußvorlage ist einstimmig von Ballen Kollegen des Hauses, die in dem Ausschuß mitgearbeitet haben, angenommen worden. Ich machte insbesondere auch die Kollegen aufrufen, die hier mittelständische Interessen vertreten wollen. Denken Sie daran, meine Kollegen, daß es in sehr vielen Fällen Streit mit dem Finanzamt darüber geben wird ,ob der mittelständische Gewerbebetrieb die Möglichkeit hat, für die Ehefrau des Mittelständlers ein gesondertes Gehalt anzusetzen. In sehr vielen Fällen wird das nicht der Fall sein, nämlich dann nicht, wenn die Frau nur eine gelegentliche Mithilfe, aber nicht eine ständige Mitarbeit leistet. Dann ist es gerade auch für diese Kreise entscheidend, wie hoch der Freibetrag heute von uns festgesetzt wird.
Herr Präsident, darf ich fragen, ob ich auch den anderen Punkt unseres Antrags noch begründen, soll oder ob erst die Debatte über den ersten Punkt geführt und dann erst der andere Antrag begründet werden soll.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221510500
Eigentlich muß ich die einzelnen Nummern und die zu den Nummern


(Vizepräsident Dr. Schneider)

vorliegenden Änderungsanträge aufrufen. Ich bitte Sie aber, Ihren Änderungsantrag auf Umdruck 1204 zu § 26 a Abs. 1 noch zu begründen, weil ich die Debatte dann zusammenfassend führen lassen wollte.

Dr. Herwart Miessner (FDP):
Rede ID: ID0221510600
Der Änderungsantrag auf Umdruck 1204 betrifft den § 26 a, in dem auch ein Kernproblem angesprochen wird. Der Satz 1 des Abs. 1 des § 26 a lautet nach der Ausschußvorlage:
Bei getrennter Veranlagung der Ehegatten sind jedem Ehegatten die von ihm bezogenen Einkünfte zuzurechnen.
Hier erhebt sich insbesondere die Frage, inwieweit hier die Rückwirkung für die Jahre 1956 und 1957 gegeben ist. Es unterliegt keinem Zweifel, daß ein Gewerbetreibender — nehmen wir einmal den Bäckermeister, dessen Frau den Ladenbetrieb versieht — nach dem Karlsruher Urteil in der Lage ist, mit seiner Frau eine Vereinbarung dahin zu treffen, daß sie, sagen wir, monatlich 400 oder 500 DM für ihre Mitarbeit in seinem Betrieb erhält.

(Abg. Lotze: Das ist aber kein Arbeitsvertrag, Herr Miessner!)

— Den kann er jetzt ja schließen.

(Abg. Lotze: Nein, das widerspricht dem Wesen der Ehe! Das geht nicht!)

— Es handelt sich hier um steuerliche Bestimmungen.

(Abg. Dr. Dresbach: Herr Miessner, dann ist der Mann ja der Arbeitgeber seiner Frau!)

— Es unterliegt keinem Zweifel, daß in Zukunft diese Möglichkeit gegeben ist. Das ist ja gerade der Sinn des Karlsruher Urteils, wobei ich noch darauf hinweisen möchte, daß das Entgelt, das der Bäckermeistersfrau eingeräumt werden kann, nicht unbedingt mit dem Entgelt gleichzusetzen ist, das eine Verkäuferin bekommt. Es kann durchaus höher sein; denn schließlich versieht die Bäckermeistersfrau im Laden auch noch gewisse Aufsichtspflichten, und sie hat die Kasse. Sie hat zusätzlich auch eine gewisse Vertrauensstellung.
Es taucht also die steuerrechtliche Frage auf, ob dieser Bäckermeister bei den Veranlagungen für die Jahre 1956 und 1957, die ja noch ausstehen, geltend machen kann: Meine Frau arbeitet schon seit zehn Jahren in meinem Geschäft mit; ich verlange nun für die Jahre 1956 und 1957 die Berücksichtigung eines entsprechenden Entgeltes für meine Frau und beantrage getrennte Veranlagung. Das ist das Problem. Nach meiner Auffassung, die ich auch im Ausschuß zum Ausdruck gebracht habe, kann es keinem Zweifel unterliegen, daß dieser Bäckermeister so argumentieren kann. Es kann ihm doch nicht ernsthaft eingewandt werden: Du darfst das nicht, weil du keinen Vertrag mit deiner Frau hattest. Denn warum sollte er bisher einen Vertrag mit seiner Frau schließen, wenn das steuerlich völlig irrelevant war?
Da sich aber diese Dinge aus dem Gesetzestext nicht völlig zweifelsfrei ergeben und man schließlich gewisse Erfahrungen hat, daß die Finanzämter die Bestimmungen zunächst einmal eng auslegen werden, d. h. eine solche Rückbeziehung vermutlich ablehnen werden, erscheint es uns zweckmäßig, dies in dem Gesetzestext klarzustellen.
Darum haben wir beantragt, in § 26 a hinter dem ersten Satz, nach dem jedem Ehegatten die von ihm bezogenen Einkünfte zuzurechnen sind, einen zweiten Satz einzufügen, der wie folgt lautet:
Die Anerkennung eines Arbeitsentgelts für die Mitarbeit eines Ehegatten bei der Erzielung von Einkünften des anderen Ehegatten in der Vergangenheit wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß ein Arbeitsentgelt bisher nicht vereinbart war.
Nur wenn dieser Satz hier eingefügt wird, sind wir sicher, daß es über die Frage der Rückwirkung auf die jetzt noch zur Veranlagung anstehenden Jahre 1956 und 1957 keinen Streit mit den Finanzämtern gibt.
Zu dem zweiten Satz des § 26 a Abs. 1 der Ausschußvorlage möchte ich in diesem Zusammenhang noch einige Bemerkungen machen. Dort heißt es:
Einkünfte eines Ehegatten sind nicht allein deshalb zum Teil dem anderen Ehegatten zuzurechnen, weil dieser bei der Erzielung der Einkünfte mitgewirkt hat.
Das ist eine erhebliche Einschränkung für die Gewerbebetriebe, in denen die Frau mitarbeitet, diese Mitarbeit aber vielleicht nicht in feste juristische Formen gekleidet oder diese Mitarbeit nur eine gelegentliche Mithilfe ist. Nicht jede nur lose gelegentliche Mithilfe der Frau kann bereits als echte Mitarbeit angesehen werden, und daraus kann nicht ein Anspruch auf Entgelt und weiter folgernd ein solcher auf getrennte Veranlagung hergeleitet werden. Ich möchte aber meinerseits klarstellen, daß in jedem Fall, wo die Frau tatsächlich mitarbeitet, die Ehegatten die Möglichkeit haben, dafür ein Entgelt anzusetzen und dementsprechend getrennte Veranlagung zu verlangen.
Um noch einmal auf den Freibetrag zurückzukommen, so verwundert es mich, daß der Familienminister nicht in die Beratungen des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen eingegriffen hat. Herr Minister Wuermeling, Sie hätten an sich hier Gelegenheit finden können, sich für die Erhöhung des Freibetrages einzusetzen. Ich nehme aber an, daß Sie sich heute mindestens für die Beibehaltung des vom Ausschuß beschlossenen Freibetrags von 720 DM einsetzen; denn dieser Freibetrag betrifft ganz ausgesprochen Ihre Schützlinge, nämlich Familien mit drei, vier und fünf Kindern, wo die Frau durch das Großziehen der Kinder gar nicht in der Lage ist, selbständig noch einem Erwerb nachzugehen. Gerade diese Ehen werden sehr benachteiligt, wenn nicht ein gewisser Ausgleich — ein völliger Ausgleich ist das ohnehin nicht — durch einen ausreichenden Freibetrag gewährt wird. Ich darf das zustimmende Nicken des Herrn Familienministers wohl dahin deuten,

(Heiterkeit links)

daß er hier quasi geistig und körperlich an meiner Seite steht und mindestens für den Betrag von 720 DM kämpft.

(Zuruf links: Das ist sehr bescheiden!)

Ich wollte eigentlich sagen: Hier müßte der Herr Minister Wuermeling auf die Barrikaden;

(Beifall rechts)

aber da er freundlich genickt hat, möchte ich mich nicht so ausdrücken.


(Dr. Miessner)

Ich darf Sie also bitten, hinsichtlich dieser beiden grundsätzlichen Probleme unseren Anträgen zuzustimmen, einmal bezüglich der Frage des Freibetrags — es also mindestens bei den 720 DM der Ausschußvorlage zu belassen — und zum andern bezüglich der Klarstellung, daß in den genannten Fällen der Mitarbeit — das Beispiel der Bäckersfrau — das Arbeitsentgelt auch für die vergangenen Jahre 1956 und 1957 mitgerechnet werden kann.

(Beifall bei der FDP.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221510700
Das Wort zur Begründung des Umdrucks 1175 hat der Abgeordnete Dr. Lindrath.

Dr. Hermann Lindrath (CDU):
Rede ID: ID0221510800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Antrag auf Umdruck 1175 Ziffer 2 beantragt meine Fraktion, den Freibetrag von 720 DM auf 600 DM herabzusetzen. Die Begründung gibt mir Veranlassung, gleichzeitig — mit Genehmigung des Herrn Präsidenten — zu dem Antrag und den Ausführungen meines Vorredners, des Herrn Kollegen Miessner, Stellung zu nehmen, der zur Begründung des Umdrucks 1182 Ziffer 2 gesprochen und eine Heraufsetzung dieses Freibetrags gewünscht hat. Er hat die Vorgänge im Unterausschuß Ehegattenbesteuerung und im Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen richtig dargestellt, und ich bekenne mich auch dazu, daß ich es selbst gewesen bin, der seinerzeit den Betrag von 720 DM in Übernahme des Kindergeldfreibetrags für das erste Kind genannt hat.
Ich aber darf ergänzend bemerken, daß dieser Betrag, über den in den Ausschussen sehr viel diskutiert worden ist. immer mehr oder weniger ein gegriffener Beitrag war. Der Grundgedanke und die Bedeutung des Ehegattensteuerungsrechts liegt ach nicht primär in dem Freibetrag, sondern das, was wir hier geschaffen haben, hat seine primäre und grundsätzliche Bedeutung darin, daß dem Steuerpflichtigen das Recht gewährt wird, zwischen der Getrenntveranlagung, der Zusammenveranlagung und einer eingeschränkten Zusammenveranlagung zu wählen. Außerdem haben wir, weil in den Fällen, in denen die beiden Ehegatten ein einheitliches Einkommen haben, eine getrennte Veranlagung eben deshalb nicht durchgeführt werden kann, weil man rein zahlenmäßig nicht weiß, welcher Anteil des Einkommens auf den Ehemann und welcher Anteil auf die Ehefrau entfällt, für diese Fälle Manipulierungsmöglichkeiten geschaffen. Wir haben nämlich entgegen den Wünschen meiner Freunde die Möglichkeit geschaffen, zwischen Mann und Frau eine Art Arbeitsverhältnis oder — was uns noch angenehmer ist — eine Art Gesellschafterverhältnis zugrunde zu legen, wobei dann die Ehegatten vereinbaren können, welcher Teil auf jeden der beiden entfällt. Dabei haben wir nur die Einschränkung gemacht, daß derartige Verträge echt gemeint sein müssen, d. h. sie müssen so abgeschlossen werden, wie das auch zwischen Fremden der Fall wäre.

(Abg. Lotze: Jede Ehe ist ja ein Gesellschafterverhältnis!)

— Schön. — Es muß aber auch nach der wirtschaftlichen und finanziellen Seite der Inhalt dieses Verhältnisses irgendwie dargelegt werden,

(Abg. Lotze: Warum denn? Ist gar nicht notwendig!)

einfach damit der Steuerbeamte weiß, welchen Teil er wem zurechnen soll.

(Abg. Lotze: Das schreibt das BGB nicht vor!)

Deswegen hatten wir nach einer Möglichkeit gesucht, dieses Auseinanderrechnen zu vermeiden, und haben eine solche Möglichkeit in der Gewährung eines Freibetrags gefunden. Dieser Freibetrag soll nicht einer Entlohnung der Ehefrau gleich sein oder dem Wert ihrer Arbeit gleichgesetzt werden. Er hat einen anderen Charakter. Der Freibetrag schneidet von dem Gesamteinkommen in der Spitze einen Betrag ab und vermindert damit die Wirkung der Progression unseres Tarifs. Damit wird erreicht, daß letzten Endes die Steuer bei einer Zusammenveranlagung, im Schnitt gesehen, nicht höher ist als bei einer getrennten Veranlagung.
Wenn der von Herrn Kollegen Miessner angeführte Bäckermeister beispielsweise seiner Ehefrau durch einen Vertrag 3000 DM als Einkommen zubilligt — um eine Zahl zu nennen —, dann sind diese 3000 DM kein Freibetrag. Die 3000 DM sind selbstverständlich nach Steuerklasse I zu versteuern. Wenn hingegen diese 3000 DM zu dem Einkommen des Bäckermeisters von, sagen wir, 6000 DM hinzukämen, dann würden von den 9000 DM 720 DM frei gelassen, so daß er um 720 DM niedriger veranlagt würde. Dieser Freibetrag soll also die Progression mildern. Wenn man diese Beträge in Tabellen durchrechnet — das kann nur im Schnitt geschehen —, dann kommt man etwa zu demselben Ergebnis. So waren wir in den Ausschüssen zu einem Betrag von 720 DM gekommen.
Später hat sich herausgestellt, daß der durch einen solchen Freibetrag verursachte Ausfall außerordentlich hoch wäre. Insofern gebe ich Ihnen recht, Herr Kollege Miessner; das ist natürlich das finanzielle Kernstück der Ehegattenbesteuerung. Denn allein der Ausfall bei einem Freibetrag von 720 DM würde 590 Millionen DM betragen. Wenn man den Freibetrag auf 600 DM heruntersetzte, wie die CDU es jetzt vorschlägt, dann wäre der Ausfall um 240 Millionen niedriger; es würde also noch ein Ausfall von etwa 350 Millionen DM bleiben.
Der Bundesrat hatte zu erkennen gegeben, daß er bei 500 DM wahrscheinlich kein Veto einlegen würde. Mit Rücksicht darauf, daß wir dieses Gesetz noch in dieser Legislaturperiode unter Dach und Fach bringen müssen, wollten wir nach Möglichkeit einen Einspruch des Bundesrats vermeiden und zu verhüten versuchen, daß der Vermittlungsausschuß dieserhalb angerufen wird. Die Fragen sind weniger rational zu lösen als vielmehr durch eine allgemeine Schätzung. Wir glauben, daß der Bundesrat bei 600 DM kein Veto einlegen wird.
Hinzu kommt noch folgendes. Das Ziel — auch das war entscheidend für uns — der Ablösung dieser Übergangsregelung ist doch die Einführung eines Verfahrens etwa dem Splitting gemäß. Wenn wir unter Anlegung der heutigen Tabellen einmal untersuchen, wie die Dinge dann bei einem kinderlosen Ehepaar mit einem Einkommen von 6000 DM aussehen, dann ergeben sich folgende Zahlen. 6000 DM zusammen veranlagt abzüglich 720 DM Freibetrag ergibt nach der Steuerklasse II einen Einkommensteuerbetrag von 513 DM im Jahre. Wenn ich das Splitting einführte und denselben Tarif hätte, dann wäre dieses Ehepaar mit


(Dr. Lindrath)

je 3000 DM in Steuerklasse I zu veranlagen. Diese Veranlagung würde dazu führen, daß jeder 263 DM — nach den jetzigen Tarifen — zu zahlen hätte. Beide zusammen hätten also nach dem Splitting-verfahren 526 DM zu zahlen gegenüber den von mir vorhin erwähnten 513 DM. Das Splitting würde also eine gewisse Verschlechterung bringen. Darin sehen wir in einem gewissen Grade ein Hemmnis auf dem Wege zu dem Ziel, das wir alle anstreben. Wenn wir hingegen bei 6000 DM nur 600 DM Freibetrag geben, dann kommen wir auf einen Steuerbetrag von 533 DM gegenüber dem Splittingbetrag von 526 DM. Dann würde das Splitting einen weiteren Fortschritt im Steuerabbau, in der Steuerentlastung bedeuten. Wir fürchten, daß bei einem neuen Tarif, den wir ja schaffen müssen, um das Splittingverfahren einzuführen, sich tatsächlich die Zahlen noch etwas einschneidender auswirken würden. Deswegen sind wir zu 600 DM gekommen, um alle Schwierigkeiten auszuräumen. Ich bitte daher das Hohe Haus, unseren Antrag auf Umdruck 1175 Ziffer 2 anzunehmen und den Betrag von 720 DM auf 600 DM herabzusetzen.
Ich möchte mit Genehmigung des Herrn Präsidenten auch gleich noch zu dem Antrag Umdruck 1204 Stellung nehmen. Oder soll ich das später tun, Herr Präsident?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221510900
Nein, Sie können das jetzt tun.

Dr. Hermann Lindrath (CDU):
Rede ID: ID0221511000
Herr Dr. Miessner hat soeben auch den Antrag der Abgeordneten Eberhard und Dr. Miessner auf Umdruck 1204 begründet. Er möchte die Manipulierungsmöglichkeiten in den Fällen, in denen die Ehegatten ein Arbeitsverhältnis eingehen wollen, auch in die Vergangenheit zurückverlagern. Meine Freunde halten es für völlig unmöglich, daß wir das tun, daß wir auch für die zurückliegende Zeit eine Getrenntveranlagung durchführen nach Zahlen, die heute erst getrennt werden, während sie es damals nicht waren. Sie haben gewiß recht, Herr Dr. Miessner, wenn Sie sagen, damals habe kein Anlaß vorgelegen.

(Abg. Dr. Miessner: Es war ja steuerlich ausdrücklich unmöglich!)

— Das will ich nicht sagen, es wäre schon möglich gewesen, man hätte es tun können: aber es lag keine Veranlassung vor — da gebe ich Ihnen recht —, von der steuerlichen Seite das zu tun. Deswegen haben wir ja jetzt das Wahlrecht und den Freibetrag geschaffen. Das müßte verwaltungsmäßig zu Komplikationen ,führen, die kaum zu meistern wären. Wir müssen uns darüber im klaren sein, daß wir mit der Durchführung der Ehegattenbesteuerung in der jetzt vorliegenden Form den Behörden, insbesondere den Finanzämtern und den Beamten, den Angestellten und allen Mitarbeitern der Finanzämter. eine Arbeit auferlegen, die für die Männer, die ihren Dienst dort erledigen müssen, wirklich mehr als schwer ist, und wir sollten unter keinen Umständen diese Verwaltungserschwernisse noch weiter verschärfen durch Dinge, die auch innerlich nicht begründet sind. Dieser zweite Satz in § 26 a steht ja in einem glatten Gegensatz zu dem jetzigen zweiten Satz, der dann der dritte würde. Dort haben wir ja gerade gesagt, daß bei mithelfenden Ehegatten in dieser Tatsache nicht ein Tatbestand erblickt
werden kann, der eine Getrenntveranlagung rechtfertigt. Der Ausschuß hat sich die Sache sehr reiflich überlegt. Ich möchte deshalb bitten, diesen Antrag abzulehnen. Für meine Freunde erkläre, ich, daß sich die CDU gegen den Antrag aussprechen wird.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221511100
Nachdem der Abgeordnete Lindrath schon in der Diskussion gesprochen hat, eröffne ich sie jetzt offiziell. Das Wort hat der Abgeordnete Lotze.

Wilhelm Lotze (CDU):
Rede ID: ID0221511200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur einiges zu dem Antrage der Kollegen Eberhard und Dr. Miessner sagen. Meine Herren Kollegen, Sie haben in Ihrem Antrag die Anerkennung eines Arbeitsentgeltes für die Mitarbeit eines Ehegatten verlangt. Ich muß Ihnen dazu sagen, daß ein solcher Antrag nach meiner Meinung größte Bedenken rechtfertigt, und zwar nicht wegen des Wortes „Entgelt", sondern wegen des Wortes „Arbeits entgelt". Ich möchte Sie dringend bitten, Ihren Antrag dahin zu berichtigen, daß Sie statt ..Arbeitsentgeltes" „Entgeltes" sagen. In diesem Falle würde ich aus vollem Herzen einem solchen Antrage zustimmen können. Aber, meine Damen und Herren, das Wort ,.Arbeitsverhältnis" oder ,.Arbeitsvertrag" paßt nicht in die Ehe, jedenfalls so, wie ich sie als christlicher Demokrat ansehe. Eine Ehe kann und darf kein Arbeitsverhältnis sein. Aber eine Ehe ist — und das ist jede Ehe, das ist sie seit jeher gewesen, mindestens seit es ein Bürgerliches Gesetzbuch gibt — ein Gesellschaftsverhältnis. Dem Rechtskandidaten wird als eines der ersten Dinge gesagt: Wenn zwei in ein Lokal gehen und sich gemeinsam eine Flasche Wein bestellen und sie gemeinsam trinken, dann ist das eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, auf die die entsprechenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches Anwendung finden.

(Abg. Dr. Lindrath: Es denkt aber keiner daran!)

— Herr Kollege Lindrath, es kommt nicht darauf an, was einer denkt, wenn er etwas tut, sondern darauf, wie wir Juristen es sehen und wie das Gesetz es befiehlt, auch wenn die Leute sich nichts dabei gedacht haben. Es ist bei jeder Ehe so, daß eine Ehe einmal geschlossen wird aus ethischen und religiösen Gründen; aber sie wird auch aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen, und ich möchte das Ehepaar sehen, das nicht bei der Eheschließung die Absicht und den Wunsch hat, gemeinsam seine wirtschaftlichen Verhältnisse zu verbessern, und dieses Ziel des gemeinsamen Verbesserns der wirtschaftlichen Verhältnisse ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. die eines besonderen, ausdrücklichen Vertrages deswegen nicht bedarf, weil der Gesetzgeber weder eine schriftliche noch eine sonstige Vertragsform vorschreibt und weil Gesellschaften nach dem bürgerlichen Recht durch konkludente Handlungen geschlossen werden können, d. h. durch die Verwirklichung von Tatbeständen. Daher ist die Situation einfach so, daß in jeder Ehe das eheliche Verhältnis auch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist.
Das Hohe Haus hat das auch anerkannt. Denn wir haben vor gar nicht langer Zeit — es ist vor ein paar Tagen im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden — das Gesetz über die Rechtsverhältnisse


(Lotze)

von Mann und Frau verabschiedet, und darin steht auch, daß der Zugewinn, also der wirtschaftliche Erfolg unter den Ehegatten, im Falle der Scheidung oder im Falle des Todes in einer bestimmten Form verteilt werden muß. Sie kennen das Gesetz, haben es ja beschlossen, und das war auch der Kernpunkt bei dem ehelichen Güterrecht und ist die Kernfrage bei der Ehegattenbesteuerung.
Ich möchte dringend davor warnen, uns etwa dazu verleiten zu lassen, wie es das Finanzministerium wünscht, daß das Leben sich nach den Wünschen der Steuerverwaltung zu richten hat.

(Lebhafte Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Die Steuerverwaltung richtet sich gefälligst nach den Gegebenheiten des Lebens, und ob das Verwaltungsschwierigkeiten bringt oder nicht, darauf kommt es nicht an. Im übrigen, meine Damen und Herren, bringt es aber gar keine Verwaltungsschwierigkeiten. Die Finanzämter haben mit wissenschaftlicher Gründlichkeit seit Jahrzehnten diese Detailfragen in einer Weise erforscht, daß es der Finanzbürokratie keinerlei Schwierigkeiten machen könnte, heute ohne weiteres gerechte Richtlinien dafür herauszugeben, was die Mitarbeit einer Hoteliersfrau in einem mittleren Hotelbetriebe oder die Mitarbeit einer Schlachtermeistersfrau in einem mittleren oder größeren oder kleineren Betriebe wert ist und wie hoch ihr Anteil an der gemeinsamen Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu honorieren ist.
Denn, meine Damen und Herren, man erlebt es immer wieder, daß die Finanzämter dem Tischlermeister sagen: Du hast elektrische Maschinen, du hast soundsoviel Strom verbraucht, nach unseren Durchschnittsberechnungen mußt du also das und das Einkommen haben, dein Einkommen weicht von unseren Richtlinien ab, nun gib uns die Erklärung, warum es abweicht. Das ist nicht nur bei den Tischlern so, das ist bei den Metzgern so, das ist überall so. Auch bei den nicht buchführenden Betrieben kommt das Finanzamt mit diesen Werten an und hat auf Grund dieser Werte seine Schätzungsergebnisse genau aufgebaut.
Wir wollen uns nicht etwa durch die Behauptung hier irgendwie irreführen lassen, das Finanzamt wäre nicht in der Lage, es würde die Verwaltungsarbeit dadurch erschwert. Das ist gar nicht der Fall. Es gibt da Durchschnittswerte, und man weiß das. Ich bin der Meinung, wenn ein Fleischer seine Frau in den Laden stellt — und das ist beim Handwerk und bei weiten Kreisen des gewerblichen Mittelstandes nun einmal so — und die Frau arbeitet mit, dann muß die Arbeit der Frau steuerlich honoriert werden. Ich bin daher der Auffassung, daß in dem Antrag Eberhard und Dr. Miessner ein guter Kern steckt, der richtig ist. Aber der Antrag hat einen Schönheitsfehler, daß darin etwas von Arbeitsentgelt steht. Der Arbeitsvertrag gehört nicht in die Ehe.

(Abg. Dr. Miessner: Das Wort „Arbeits-" wird gestrichen!)

— Gut, dann bitte ich das Hohe Haus, wenn das Wort „Arbeits-" gestrichen wird, dem Antrag zuzustimmen.

(Beifall bei der FDP.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221511300
Das Wort hat die Frau Abgeordnete Beyer (Frankfurt).

Lucie Beyer (SPD):
Rede ID: ID0221511400
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich möchte zu den Umdrucken 1175 und 1182, jeweils Ziffer 2, Stellung nehmen und zunächst erklären, daß meine Fraktion bereits in der Diskussion über die Frage des Nur-Hausfrauen-Freibetrages von 250 DM Einwände geltend gemacht hat, weil sie diesen Betrag für zu gering hält. Sie hat darüber hinaus in jeder Steuerdiskussion darauf hingewiesen, daß die Familienfreibeträge höher angesetzt werden müssen. Wenn sich nun der Ausschuß dazu durchgerungen hat, den Betrag von 720 DM zu akzeptieren, dann deshalb, weil die Steuerausfälle bei der Beratung dieser Anträge maßgebend sein mußten und vor allen Dingen der Bundesrat Einwendungen erheben kann.
Für meine Fraktion ist entscheidend, daß wir heute nur eine Übergangsregelung schaffen, die — so haben wir es festgelegt — bis zum 31. Dezember 1957 gelten soll. Wir haben also mit anderen Worten das größte Interesse daran, daß so rasch wie möglich ein neues Steuersystem verabschiedet wird. Darüber sind wir uns alle einig. Als dieses Steuersystem ist sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart immer wieder das Splitting herausgestellt worden. Wir sind uns aber auch in der Ausschußarbeit darüber klargeworden, daß im Zusammenhang mit dieser Neuregelung auch die Freibeträge eine ganz andere Rolle spielen. Das heißt, daß wir zu der Frage der Freibeträge erneut Stellung nehmen müssen. Unter dem Gesichtspunkt, daß wir so schnell wie möglich ein neues Steuersystem verabschieden wollen und auf der anderen Seite das größte Interesse daran haben, daß die Regelung, die wir heute verabschieden, so rasch wie möglich in Kraft tritt, wird meine Fraktion idem Antrag, der von der CDU/ CSU gestellt wird, zustimmen.
Herr Dr. Miessner, nachdem Sie verschiedentlich auf die Ausschußberatungen hingewiesen haben, möchte ich Sie daran erinnern, daß Sie selbst im Ausschuß erklärt haben, nicht unter 600 DM gehen zu wollen. Unter diesem Gesichtspunkt bitte ich Sie, zu bedenken, daß der Bundesrat den Vermittlungsausschuß anrufen wird, wenn man darüber hinausgehen wird. Das bedeutet mit anderen Worten, daß diese Regelung dann wahrscheinlich überhaupt nicht mehr in Kraft tritt. Das aber sollten wir unter allen Umständen verhindern; denn mit dieser Übergangsregelung ist eine Fülle von Verbesserungen durchgesetzt worden; ich brauche nur an die Wiedereinführung der Wahlmöglichkeit zu erinnern.
Im Hinblick auf diese Situation werden wir dem Antrag Umdruck 1175 Ziffer 2 unsere Zustimmung geben.

(Beifall bei der SPD, in der Mitte und rechts.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221511500
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Miessner.

Dr. Herwart Miessner (FDP):
Rede ID: ID0221511600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es dreht sich in der Tat um die beiden Probleme des Freibetrages und der Rückwirkung. Nun meine ich allerdings, Frau Beyer, wenn Sie betonen, es handle sich nur um eine Übergangsregelung, so spricht das genauso gut auch für unsere Argumentation. Denn man kann


(Dr. Miessner)

sagen: gerade weil es sich nur um eine Übergangsregelung handelt, die hoffentlich schon Ende dieses Jahres durch das Splitting beseitigt wird, kann man diesen höheren Ausfall um so eher hinnehmen. Schließlich sollte man auch bei der Übergangsregelung der gleichmäßigen Behandlung, der steuerlichen Gerechtigkeit nach Möglichkeit den Vorzug geben, insbesondere wenn es sich nur um einen Veranlagungszeitraum von zwei Jahren handelt.
Meine Damen rund Herren! Ich sagte vorhin — und darauf möchte ich noch zurückkommen —, diese Frage des Freibetrags ist in der Tat für mindestens drei Viertel aller Steuerzahler von Bedeutung. So erklärt sich ja auch der verhältnismäßig hohe Steuerausfall. Ich kann nur nochmals betonen: 720 DM ist der Betrag, der auch für das erste Kind angesetzt ist, den Herr Lindrath selber in den Ausschußsitzungen vorgeschlagen hat. Bei diesem Betrag sollte es bleiben. Ich bitte daher gerade die Damen und Herren von der CDU dringend, den Antrag ihrer Fraktion, nach dem jetzt der Freibetrag auf 600 DM herabgesetzt werden soll, abzulehnen. Ich bedauere es, daß für die SPD die Erklärung abgegeben worden ist, sie wolle diesem Antrag folgen.
Das Argument mit dem Bundesrat als dem bösen Mann, der dahintersteht, sollte uns nicht allzu sehr beeinflussen. Das hier ist eine Entscheidung für die steuerliche Gerechtigkeit! Dann möge der Bundesrat das Odium auf sich nehmen, daß er durch seinen möglichen Einspruch das Gesetz in einer Weise änderst, daß für drei Viertel der Steuerzahler der Tatbestand der steuerlich ungerechten Behandlung gegeben ist. Im übrigen haben wir es schon wiedenholt erlebt, daß, wenn hier mit dem Bundesrat gedroht wurde, meist auch von Regierungsseite, die Drohung nachher nicht eintraf; denn der Bundesrat hat seine Entscheidung auch vor der Öffentlichkeit zu verantworten.

(Abg. Lotze: Und ist dem Bundesverfassungsgericht unterworfen!)

Es ist etwas anderes, ob der Bundesrat jetzt bei unseren Beratungen uns durch seine Vertreter sagen läßt, er könnte einem Betrag, der über 600 DM hinausgeht, nicht zustimmen, oder ob er nachher, wenn wir 720 DM beschließen, tatsächlich sein Veto einlegt.
Nun noch ein paar Sätze zu einem anderen Problem. Herr Kollege Lotze hat meine Ausführungen von einer anderen Seite sehr unterstützt. Das ist nur ein redaktioneller Lapsus gewesen, daß unser Antrag von „Arbeitsentgelt" sprach. Sie wissen, Kollege Lotze, daß ich es war, der bei den Ausschußberatungen das Eheverhältnis eher als Gesellschtaftsverhältnis angesehen wissen wollte denn als ein Arbeitsverhältnis. Aber jetzt frage ich das Hohe Haus und frage Sie, Herr Kollege Lindrath: Was nützt denn dem Bäckermeister — ich frage auch Herrn Kollegen Eickhoff —, was nützt überhaupt das ganze Karlsruher Urteil?

(Abg. Seuffert: Das ist doch nicht die Frage!)

— So habe ich es nicht gemeint!

(Abg. Seuffert: Sie haben es aber gefragt!)

— Ich glaube, die anderen haben mich schon richtig verstanden.

(Erneuter Zuruf des Abg. Seuffert.)

— Lassen Sie mich ausreden, Herr Seuffert! Was nützt denn das Karlsruher Urteil, also die Entscheidung des höchsten Verfassungsgerichts, wenn diese Grundsätze für die Veranlagungszeiträume 1956 und 1957, die ja noch vor uns liegen, praktisch doch nicht angewandt werden dürfen, weil die Rückwirkung nach Ihren Ausführungen versagt werden soll? Wenn die Bäckersfrau tatsächlich den Verkauf geleitet hat, dann hat sie ja gearbeitet und dafür ein Entgelt verdient, dann — hängen Sie mich nicht wieder tauf, Herr Lotze, wenn ich mich im Wort vergreife! — steht ihr dieses Entgelt dafür zu. Daß es nicht — „in Form eines Arbeits vertrages" darf ich wieder nicht sagen — in Form eines Vertrages mit Lohnsteuerkarte und Abführung von Lohnsteuer an das Finanzamt geschehen ist, liegt doch nur daran, daß wir im § 26 die Bestimmung der Zusammenveranlagung hatten. Diese ist eben jetzt als verfassungswidrig erklärt worden. Meine Damen und Herren, das ist doch ein vollkommen geschlossener logischer Kreislauf. Nur deshalb, weil eben dieser verfassungswidrige § 26 bestand, hat dieser Bäckermeister seiner Frau kein Entgelt gezahlt und keine Lohnsteuer abgeführt, und deshalb soll er nun bestraft werden.
Herr Lindrath hat seine Auffassung vorhin leider so kraß vertreten. Ich meine, Herr Kollege Lindrath, daß wir den Standpunkt im Ausschuß nicht so kraß erarbeitet hätten. Ich glaube, die Frage ist zumindest offengeblieben. Wenn nun aber nach den Worten des Kollegen Dr. Lindrath die Rückwirkung, d. h. die Wirkung der Teilung der Einkünfte, in diesem Fall des Bäckermeisters und in all den Fällen anderer Gewerbetreibender für 1956 und 1957 nicht mehr gelten soll, dann machte ich mal sehen, was für ein Sturm — und das mit Recht — aus diesen Kreisen kommt, wenn sich der Bundestag hier anmaßt, die Entscheidung des Karlsruher Gerichts noch für zwei ,weitere Veranlagungsjahre praktisch einfach zu inhibieren. Das halte ich für ganz unmöglich.

(Abg. Krammig: Was machen Sie mit der Hausfrau?! 80 % aller Ehefrauen schreiben Sie völlig ab!)

— Herr Krammig, das ist ein anderes Problem.

(Abg. Krammig: Es ist genau dasselbe!)

Der Hausfrau hilft eben nur der Freibetrag.

(Abg. Krammig: Den haben wir hier auch!)

Das ist eine andere Sache.
Was hier noch unzulänglich ist, ist das Problem der Rückwirkung, das Ihr Kollege Lotze vorhin von der juristischen Seite her angesprochen hat. Ich habe es Ihnen von der steuerlichen Seite her dargelegt. Meine Damen und Herren, nach diesen Ausführungen des Kollegen Lindrath ist der Bundestag geradezu gezwungen, den Antrag Umdruck 1204 anzunehmen, um klarzustellen, daß, wenn ein echtes Arbeitsverhältnis vorgelegen hat, dieses mit steuerlicher Wirkung auch für die Jahre 1956 und 1957 anerkannt wenden muß.

(Beifall bei der FDP.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221511700
Das Wort hat der Herr Staatssekretär des Bundesfinanzministeriums.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221511800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Erhöhung des Freibetrages darf ich vielleicht noch einmal einige Zahlen mitteilen. Der Freibetrag beträgt nach geltendem Recht 250


(Staatssekretär Hartmann)

DM. Eine Heraufsetzung auf 500 DM würde bereits eine Verdoppelung bedeuten, aber einen zusätzlichen Ausfall von 340 Millionen DM im Jahr verursachen. Eine Heraufsetzung auf 720 DM würde einen zusätzlichen Steuerausfall von 590 Millionen DM herbeiführen. Ich glaube, es ist völlig ausgeschlossen, daß Bund und Länder einen solchen Haushaltsausfall tragen können. Denn die Neuregelung der Ehegattenbesteuerung nach dem vorliegenden Entwurf — ohne jegliche Erhöhung des Freibetrages — für die zurückliegende Zeit bis einschließlich 1957 bringt für Bund und Länder schon einen Steuerausfall von 640 Millionen DM, wenn der Freibetrag also bei 250 DM bleibt. Wenn er auf 720 DM erhöht wird, kommen noch 590 Millionen DM dazu. Das sind über 1200 Millionen DM. Wenn der Ausfall im Rechnungsjahr 1957 auch nicht ganz in Erscheinung tritt, so wird dieses Rechnungsjahr immerhin mit dem größten Anteil davon belastet werden. Wenn der Freibetrag auf 600 DM bemessen würde, dann würde der Ausfall um 140 Millionen DM geringer sein als bei einem Freibetrag von 720 DM.
Soeben hat schon Frau Abgeordnete Beyer die voraussichtliche Haltung der Länder erwähnt. Ich glaube, daß dies vielleicht der Kernpunkt für die Haltung des Bundesrats sein würde. Jedenfalls ist für den Bund ein Steuerausfall in einer solchen Höhe untragbar. Er ist ja auch im Haushalt 1957, den das Hohe Haus verabschiedet hat, nicht berücksichtigt worden. Die Vorlage müßte also noch an den Haushaltsausschuß gehen.
Neben diesen Sorgen muß ich noch einmal auf das Sachliche kommen, das auch von verschiedenen Vorrednern erörtert worden ist. Die Vorlage darf doch nicht so gestaltet werden, daß damit die endgültige Lösung blockiert wird. 1m Finanzausschuß was eine gewisse Neigung, späterhin zu dem sogenannten Splitting überzugehen. Wenn man den Freibetrag jetzt schon sehr hoch festsetzt, kann man im nächsten Jahre nicht mehr zu der Lösung des Splitting kommen, weil sich dann ganz erhebliche Verschlechterungen ergeben würden.

(Abg. Lotze: Wieso?)

— Weil wir dann nachher beim Splitting keinen vernünftigen Tarif mehr bekommen. Der Tarif muß doch später so ausgewogen werden — angesichts des großen Ausfalles, der durch die gesplittete Veranlagung der Ehegatten eintritt —, daß die anderen, das sind nämlich die Junggesellen und die Verwitweten, nach Möglichkeit nur im geringsten Maße belastet werden. Diese Vorsorge für die Zukunft muß doch auch das Hohe Haus, glaube ich, jetzt schon im Auge behalten.
Ich darf noch eines erwähnen. Ich habe gerade eine Schrift des Rundes der Steuerzahler hier, Nr. 33 vom Juni 1957. In der heißt es auf Seite 12: Es sollte auf die Erhöhung des Freibetrages verzichtet werden und statt dessen der bisherige Freibetrag in Höhe von 250 wegfallen. Der Bund der Steuerzahler ist also wenn Sie so wollen, sehr viel rückschrittlicher als die großen Fraktionen mit dem, was sie hier beantragen.

(Zurufe von der FDP.)

Nun zu dem Antrag Umdruck 1204. Der Antrag bedeutet die Anerkennung von Arbeitsverträgen, aber rückwirkend, auch wenn kein Arbeitslohn gezahlt worden Ist. Wir sind der Ansicht — Herr Dr. Lindrath hat ja auch schon darauf hingewiesen —, daß dieser Antrag mit dem Satz 2 des Abs. 1 überhaupt nicht in Einklang steht. Jedenfalls ist das Verhältnis dieser beiden Sätze nach unserer Ansicht äußerst unklar. Wir glauben, daß nur Arbeitsverträge — Verträge zwischen Ehegatten, Herr Lotze, ich will mich gern verbessern — anerkannt werden können, bei denen alle Folgerungen aus den Verträgen gezogen worden sind. Die Mehrzahl der Redner im Finanzausschuß war sich doch eigentlich darin einig, daß für die Übergangszeit, besonders für die Vergangenheit, eine Mitarbeit der Ehefrau im Betrieb des Ehemannes ohne ein ernsthaftes Gesellschaftsverhältnis keine steuerliche Wirkung haben könne. Es ist eben gesagt worden, daß sich die Finanzämter Mühe zu geben hätten, die Tatbestände zu erforschen, daß die Tatbestände nicht nach dem Willen der Finanzämter zu gestalten seien. Natürlich ist es so.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221511900
Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Frage?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221512000
Bitte!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221512100
Bitte, Herr Abgeordneter!

Wilhelm Lotze (CDU):
Rede ID: ID0221512200
Herr Staatssekretär, glauben Sie, daß die Vorschriften des Bürgerlichen Rechts über die Gesellschaft Bürgerlichen Rechts für das Steuerrecht nicht relevant sind?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221512300
Herr Abgeordneter Lotze, ich wollte gerade darauf kommen. Ich wollte sagen, daß es Aufgabe der Finanzämter ist, die Tatbestände zu erforschen und dabei die vertragliche Regelung zu berücksichtigen, wenn sie ernsthaft gemeint ist. Aber ich glaube, es ist Aufgabe der Gesetzgebung, der Finanzverwaltung die Erkenntnis dieser Tatsachen zu erleichtern und nicht zu erschweren. Dieses Gesetz ist schon in seinen Wirkungen so ,außerordentlich kompliziert, daß man auch darauf etwas Bedacht nehmen sollte.

(Abg. Lotze: Gesellschaftsverträge können auch durch konkludente Handlungen geschlossen werden!)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221512400
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage, Herr Staatssekretär? — Bitte, Herr Abgeordneter!

Dr. Herwart Miessner (FDP):
Rede ID: ID0221512500
Herr Staatssekretär, Sie sprachen vorhin davon, daß der Tatbestand in seiner Ganzheit vorgelegen haben muß. Ich habe das auch in meinen Ausführungen gesagt. Ich meinte den Tatbestand der echten Mitarbeit. Wie stehen Sie nun zu meinem Argument, daß ein offizielles Vertragsverhältnis mit den Konsequenzen daraus — Zahlung von Lohn und Abführung von Lohnsteuer an das Finanzamt — nach den bisherigen Vorschriften der Zusammenveranlagung völlig sinnlos war?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221512600
Herr Abgeordneter, die Abführung der Lohnsteuer ist ja nur ein nachträglich eintretender Tatbestand, nämlich die Konsequenz aus der bürgerlich-rechtlichen Gestaltung, wenn sie ernsthaft gemeint war. Sie wollen doch nach Ihrem Antrag die Anerkennung eine Entgelts dann nicht


(Staatssekretär Hartmann)

ausschließen, wenn das Entgelt nicht vereinbart war. Ich sehe in Ihrem Antrag einen Widerspruch in sich. Wenn das Entgelt nicht vereinbart war, können Sie auch nicht erwarten, daß das Finanzamt das Entgelt anerkennt.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221512700
Gestatten Sie eine weitere Frage?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221512800
Bitte.

Dr. Herwart Miessner (FDP):
Rede ID: ID0221512900
Herr Staatssekretär, ein solches Arbeitsverhältnis war bisher nach dem bürgerlichen Recht gar nicht möglich. Glauben Sie, daß es einen Menschen gegeben hat, der in den vergangenen Jahren ein Arbeitsverhältnis mit den Konsequenzen der Lohnsteuer

(Abg. Dr. Dresbach: Und der Versicherungspflicht!)

aufgezogen hat? Die Sache war völlig sinnlos, weil das Finanzamt nach § 26 in verfassungswidriger Weise doch alles wieder zusammengerechnet hätte. Mir ist ein solcher Fall völlig undenkbar.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221513000
Herr Abgeordneter Dr. Miessner, ich glaube, es sollte gerade vermieden werden, daß Arbeitsverhältnisse nur deshalb konstruiert werden, um beim Finanzamt die Herabsetzung von Steuern zu erlangen.

(Abg. Dr. Miessner: Das ist doch nicht konstruiert!)


Dr. Herta Ilk (FDP):
Rede ID: ID0221513100
Wissen Sie, daß es früher die Pflicht der Ehefrau war, im Betrieb des Mannes unentgeltlich mitzuarbeiten, und daß erst die Neufassung des bürgerlichen Rechts auf diesem Gebiet eine Änderung herbeigeführt hat? Nachdem das neue Familienrecht in Kraft getreten ist — praktisch seit 1953 —, kann überhaupt erst unter den Ehegatten ein entsprechendes Gesellschaftsverhältnis in geldlicher Beziehung eintreten. Man kann also nicht sagen, daß das früher in finanz-technischer, steuerlicher Beziehung schon einmal aktuell war. Ich glaube, das müßten wir wohl in Rechnung stellen. Ist Ihnen nicht gegenwärtig, Herr Staatssekretär, daß die Situation nach der Umarbeitung des Bürgerlichen Gesetzbuchs gerade in dieser Hinsicht eine völlig andere wurde?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221513200
Frau Abgeordnete, das ist mir gegenwärtig. Es ist mir außerdem gegenwärtig, daß nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts noch eine andere Situation eingetreten ist, der Rechnung zu tragen wir uns nunmehr alle gemeinsam bemühen wollen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221513300
Herr Abgeordneter Seuffert!

Walter Seuffert (SPD):
Rede ID: ID0221513400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Miessner, wenn ich Sie recht verstanden habe, wollen Sie in Ihrem Antrag Umdruck 1204 statt des „Arbeitsentgelts" nun auch das „Entgelt" für die Mitarbeit eines Ehegatten steuerlich begünstigen. Darf ich an Sie die Frage richten: Warum dann nur Entgelt für die Mitarbeit bei der Erzielung von Einkünften des anderen Ehegatten, warum dann nicht auch für die Mitarbeit als Hausfrau? Oder ist die Mitarbeit als Hausfrau nicht Ihrer Ansicht nach von Anfang an genauso wie irgendeine Mitarbeit im Geschäft Mitarbeit bei der Erzielung von Einkünften des anderen Ehegatten? Denken Sie doch einmal daran, welche Konsequenzen Sie hier aufreißen, Herr Kollege Miessner!

(Abg. Dr. Dresbach: Die nächste Konsequenz ist, daß man die Frau als Dienstmädchen anstellt!)

— Genau das.
Sie müßten sich doch darüber klar sein, daß Sie mit einem derartigen Antrag, der von der Verwaltung schlechterdings nicht zu handhaben ist, alle Bemühungen um eine Lösung all dieser Fragen vollständig in den Wind schlagen. Sie haben doch im Ausschuß mitgearbeitet. Ich wehre mich dagegen, Herr Kollege Miessner, den Kernpunkt der ganzen Angelegenheit etwa darin zu sehen, wie Sie es dargestellt haben, daß nämlich, nachdem das Urteil des Bundesverfassungsgerichts für den gegenwärtigen Augenblick im wesentlichen darauf hinausläuft, daß die getrennte Veranlagung zur Wahl gestellt wird, für den Verzicht auf diese getrennte Veranlagung ein möglichst hohes Entgelt gezahlt wird. Es geht doch nicht, Herr Kollege Miessner, daß Sie nach all den Ausschußberatungen, an denen Sie teilgenommen haben, an der grundsätzlichen Erkenntnis des Ausschusses, nämlich, daß eine grundlegende Änderung des Systems und des Tarifs die einzige Möglichkeit der Lösung ist, vorbeigehen.

(Abg. Dr. Miessner: Splitting!)

— Herr Kollege Miessner, auch da haben Sie nicht hingehört; denn die Festsetzung des Freibetrages auf 600 DM findet deswegen unsere Zustimmung, weil es erstens vollkommen irreal ist, den Ländern im Augenblick einen höheren Steuerausfall zuzumuten, und weil zweitens die Festsetzung eines höheren Betrages, soweit wir es übersehen können, die Blockierung einer wirklichen Systemänderung
— sei es zum Splittingsystem oder zu etwas anderem — bedeuten würde.
Ich wehre mich dagegen, daß Sie an der grundlegenden Erkenntnis, daß eine Systemänderung das Notwendige ist und daß alles Vorhergehende nur eine Notlösung sein kann, wieder vorbeigehen und daß Sie in einer meines Erachtens nicht leicht zu verantwortenden Weise auf der einen Seite durch Erhöhung des Freibetrags der Hausfrau und auf der anderen Seite durch eine vollständig un-praktikable Vorschrift irgend jemand, der angibt, seine Ehefrau habe eine Tätigkeit ausgeübt, Vorteile zuschanzen wollen. Wenn Sie so fortfahren
— ich als Angehöriger der Opposition könnte es mir leichter machen, als daß ich das ausspreche — und die Dinge immer nur danach beurteilen, wem Sie bei dieser Gelegenheit noch irgend etwas anbieten können, kommen Sie, Herr Miessner, nie zu einer wirklichen Lösung dieser Steuerschwierigkeiten.

(Beifall bei der SPD und in der Mitte.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221513500
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Miessner.

Dr. Herwart Miessner (FDP):
Rede ID: ID0221513600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Seuffert, ich habe 'eingangs gesagt: die wirkliche Lösung ist allein


(Dr. Miessner)

das Splitting. Darüber waren wir uns doch alle klar, daß jede andere Regelung entweder hier oder da Brüche in sich trägt und daher auf die Dauer nicht zu einer steuerlichen Gerechtigkeit führt.

(Zuruf von der Mitte.)

— In den USA hat man jahrelang herumgebastelt, und schließlich konnte man auch dort nicht anders, als zum Splitting überzugehen, weil jede andere Lösung irgendwie hakt. Auch unsere heutige Übergangsregelung hakt. Aber daraus machen wir dem einzelnen keinen Vorwurf, sondern wir bedauern nur, daß wir nicht gleich zum Splitting gekommen sind.
Herr Seuffert, ich habe bei der Begründung unseres Antrags das Beispiel des Bäckermeisters gebracht und die Frage gestellt, ob er für die Veranlagungen 1956 und 1957 geltend machen kann, daß seine Frau den Laden geführt hat. Darum geht es doch. Wenn wir uns darauf beschränken, so tun wir das deshalb, weil wir uns selbstverständlich darüber klar sind, daß ein so weitgehender Schritt, auch die Arbeit der Hausfrau steuerlich zu bewerten, in der Übergangszeit nicht möglich ist. Wenn ich das hier proklamiert hätte, hätte mir allerdings mit Recht von meinen Kollegen im Ausschuß gesagt werden können: „Herr Miessner, diese Sache haben wir schon in der ersten Besprechung des Ausschusses klargestellt." Die Arbeit der Hausfrau kann eben in steuerlicher Beziehung nur durch das Splitting berücksichtigt werden, durch das die Ehe als Gemeinschaft angesehen wird, gleichgültig ob die Frau als Hausfrau oder im Gewerbebetrieb arbeitet. Bei diesem Verfahren wird das Einkommen durch zwei geteilt und die Hälfte des Einkommens zweimal nach den niedrigen Steuerprogressionssätzen versteuert. Das allein ist die Lösung für die Hausfrau. Diese Lösung konnten wir aber in der Übergangsregelung noch nicht erreichen.
Nun ist aber, Herr Seuffert, in Ihrem Gedankengang ein Bruch vorhanden, wenn Sie sich jetzt gegen einen angemessenen Freibetrag für die Hausfrau wenden. Mit dem geforderten Freibetrag verfolgen wir folgendes Ziel. Gerade weil wir bei der ganzen Übergangsregelung die Arbeit der Hausfrau überhaupt noch nicht berücksichtigen, wollen wir diesen Ehen, also diesen Wuermeling-Ehen — wenn ich so sagen darf, um dieses Kennzeichen für die kinderreichen Ehen zu gebrauchen —, zum Ausgleich einen angemessenen Freibetrag in Höhe von 720 DM gewähren. Darum noch einmal, Sie können nicht unter den Betrag von 720 DM gehen. Lehnen Sie meinetwegen unseren Antrag auf 1200 DM ab. Aber lehnen Sie insbesondere den Antrag der CDU, unter 720 DM auf 600 DM zu gehen, ab!

(Beifall bei der FDP.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221513700
Das Wort hat der Abgeordnete Eickhoff.

(Abg. Dr. Dresbach: Jetzt kommt der Bäckermeister! — Heiterkeit.)

Eickhoff (DP[FVP]): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gerade weil der Bäckermeister so oft angesprochen worden ist, möchte ich Ihnen den Wunsch, den wir Bäckermeister für unsere Frauen haben, einmal ganz klarlegen. Es geht natürlich nicht nur um den Wunsch der Bäckermeister. Viele andere Gruppen aus der mittelständischen Wirtschaft sind darin eingeschlossen.

(Abg. Dr. Greve: Wir sind doch hier nicht in einer Innungsversammlung!)

Wir wollen nämlich gar keinen Arbeitsvertrag oder irgendeinen anderen Vertrag mit unseren Ehefrauen. Wir wollen auch nicht, daß unsere Ehefrauen dadurch zur Lohnsteuer herangezogen und sozialversicherungspflichtig werden. Unser Wunsch geht dahin, daß wir mit der Zeit zu einem Splitting kommen und daß unsere Betriebe mit dem Finanzamt einig werden, daß man sich meinetwegen bei einem Einkommen von 20 000 DM einigt: 8000 DM verdient die Ehefrau, 12 000 DM verdient der Ehemann, dann soll jeder Teil seine Einkommensteuer zahlen.
Aber Sie, meine Damen und Herren, die Sie nicht im Finanzausschuß tätig waren, werden allmählich gemerkt haben, in welchen Zeitdruck uns das Karlsruher Urteil gebracht hat. Wir haben für andere Arbeiten nicht viel Zeit übrig gehabt, sondern haben unsere ganze Aufmerksamkeit eben diesem Gerichtsurteil schenken müssen. Heute nachmittag haben Sie erlebt, daß wir durch einige wenige Änderungsanträge wieder in einen gewissen Zeitdruck kommen. Ich weiß nicht, wie wir in den nächsten Tagen unter diesem Zeitdruck ein solches Programm abwickeln wollen. Deswegen meine herzliche Bitte, sich kürzer zu fassen. Im Ausschuß ist wirklich alles gut vorbereitet worden.

(Abg. Dr. Miessner: Aber nicht 720 DM!)

— Wir können uns für die Übergangszeit sogar mit 600 DM abfinden. Auch meine Fraktion war für 720 DM. Aber irgendwie müssen wir zu Rande kommen. Deswegen hoffe ich, daß wir über die anderen Änderungsanträge nicht mehr so lange zu sprechen brauchen.
Sie, die Sie nicht im Finanzausschuß waren, können davon überzeugt sein, daß gute Vorarbeit geleistet ist. Wir wollen jetzt aus diesem Zeitdruck heraus, um überhaupt die Gesetze, die wir in dieser Legislaturperiode noch verabschieden wollen, verabschieden zu können.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221513800
Weitere Wortmeldungen liegen jetzt nicht mehr vor. Ich schließe die Beratung zu Punkt 4.
Ich komme zur Abstimmung. Ich lasse zuerst über den Antrag der Abgeordneten Dr. Lindrath, Dr. Eckhardt, Seuffert auf Umdruck 1189 abstimmen, der beinhaltet, in Nr. 4 den § 26 zu ändern. Wer dem Antrag Umdruck 1189 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen zwei Stimmen, soviel ich sehen konnte, angenommen.
Nun komme ich zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 1204, der den § 26 a ergänzen will. Ich habe mir erlaubt — ich setze das Einverständnis der Antragsteller voraus —, den Antrag so zu ändern, daß er jetzt lautet:
Die Anerkennung eines Entgeltes . . .
Wer dem Änderungsantrag Umdruck 1204 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit großer Mehrheit abgelehnt.


(Vizepräsident Dr. Schneider)

Nunmehr komme ich zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 1182 Ziffer 2, weil er der weitergehende ist. Er lautet:
Unter Nr. 4 werden in § 26 d Abs. 2 die Worte „720 Deutsche Mark" ersetzt durch die Worte „1200 Deutsche Mark".
Wer diesem Änderungsantrag Ziffer 2 des Umdrucks 1182 zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit abgelehnt.
Ich lasse nunmehr abstimmen über den Antrag 1175 Ziffer 2, wonach die 720 DM der Vorlage auf 600 DM reduziert werden sollen. Wer dem zuzustimmen wünscht, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen einige Stimmen und bei einigen Enthaltungen angenommen.
Wer nunmehr der durch die Annahme der Änderungsanträge so geänderten Nr. 4 der Vorlage zuzustimmen wünscht, der gebe das Handzeichen.
— Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einigen Gegenstimmen angenommen.
Ich rufe auf die Nrn. 5, 6 und 7 der Ausschußvorlage. Änderungsanträge dazu liegen nicht vor. Wird das Wort zur zweiten Beratung gewünscht?
— Das ist nicht der Fall. Ich komme zur Abstimmung. Wer den aufgerufenen Ziffern in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen!
Ich rufe auf Nr. 8. Dazu liegt ein Änderungsantrag Umdruck 1125 (neu) vor. Hierzu hat das Wort Frau Abgeordnete Beyer.

Lucie Beyer (SPD):
Rede ID: ID0221513900
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Der Änderungsantrag auf Umdruck 1125 (neu) bedeutet an sich nur eine Ergänzung; er hat im Hinblick auf die Gesamtvorlage materiell kaum Bedeutung. Im Unterausschuß wurde bereits zu dieser Frage Stellung genommen. So, wie es jetzt im Umdruck 1125 (neu) dargestellt ist, wurde es auch vom Unterausschuß gefordert. Es gibt wohl kaum ein Mitglied dieses Hauses, das nicht, nachdem wir den Altersfreibetrag von 720 DM eingeführt hatten, Anträge und Briefe von alten Menschen erhielt, wenn einer der Ehegatten verstarb. In dem Falle nämlich fällt der Freibetrag von 720 DM weg. Das bedeutet, daß der Betreffende, wenn er allein steht und auf fremde Hilfskräfte angewiesen ist, den Freibetrag von 720 DM nicht mehr erhält. Keiner der alten Menschen hat, auch wenn man ihnen diese Darstellung gab, Verständnis für die Schlußfolgerung gehabt, und sie wurde immer wieder als eine Ungerechtigkeit bezeichnet.
Nach der nun vom Ausschuß festgelegten Fassung käme die Halbierung von 720 DM nur bei getrennter Veranlagung in Frage. Ich habe bereits am Anfang meiner Ausführungen betont, daß das von den Ausschußmitgliedern nicht gewollt war.
Wir bitten daher, daß der Altersfreibetrag, wie es in unserem Umdruck unter Ziffer 1 festgelegt ist, im Veranlagungszeitraum 1957 für beide Teile mit je 360 DM festgelegt wird, und zwar sowohl bezüglich der Einkommensteuerpflichtigen nach § 32 c als auch bezüglich der Lohnsteuerpflichtigen nach § 41. Ich möchte jetzt bitten, nur über die Ziffern 1 und 2 des Umdrucks 1125 (neu) abzustimmen und die Ziffer 3 zurückzustellen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221514000
Meine Damen und Herren, wird noch das Wort gewünscht? — Bitte, Herr Lindrath!

Dr. Hermann Lindrath (CDU):
Rede ID: ID0221514100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Spaltung des Freibetrags von 720 DM in zwei Beträge von je 360 DM für jeden der beiden Steuerpflichtigen begrüßen wir. Meine Fraktion wird diesem Antrag der SPD zustimmen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221514200
Wird noch weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall; dann schließe ich die Beratung.
Wer der Änderung auf Umdruck 1125 (neu) Ziffer 1 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Wer nunmehr der so geänderten Nr. 8 des Art. 1 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen.
— Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig verabscheidet.

(Abg. Frau Dr. Ilk: Zur Geschäftsordnung!)

— Frau Kollegin Dr. Ilk zur Geschäftsordnung!

Dr. Herta Ilk (FDP):
Rede ID: ID0221514300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte doch sehr bitten, daß wir die Anträge betreffend Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes — Drucksachen 2984 und 2293 —, die den § 32 behandeln, jetzt schon erledigen, wenn es möglich ist, weil dieser Paragraph in die Systematik dieses Gesetzes hineingehört und hinterher nicht mehr sinngemäß behandelt werden könnte. Ich bitte also, zumal da es wahrscheinlich sehr kurz erledigt werden kann, das gleich einzubeziehen. Das ist übrigens auch ein Antrag von Ihnen, Herr Seuffert.

(Abg. Seuffert: Zur Geschäftsordnung!)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221514400
Bitte, Herr Abgeordneter Seuffert.

Walter Seuffert (SPD):
Rede ID: ID0221514500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf die Frau Kollegin Ilk darauf aufmerksam machen, daß wir verabredet haben, die zweite Lesung des Punktes 8, also auch der Punkte, die sie soeben angesprochen hat, vor der dritten Lesung dieses Gesetzes vorzunehmen, so daß wir die Punkte, die sie zu besprechen wünschte, noch vor der dritten Lesung dieses Gesetzes behandeln können.

(Abg Frau Dr. Ilk: Dann müssen wir auf das Gesetz nochmal zurückkommen!)

— Ja, natürlich!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221514600
Das scheint mir, wenn ich es richtig übersehe, so geordnet zu sein, daß diese Probleme unter Tagesordnungspunkt 8 in der zweiten Lesung automatisch vorkommen werden.
Wir haben also Nr. 8 in der durch die Annahme des Antrags Umdruck 1125 (neu) Ziffer 1 geänderten Form verabschiedet. Ich rufe nunmehr auf Nr. 9, Nr. 10 und Nr. 11. Änderungsanträge liegen nicht vor. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann komme ich zur Abstimmung.


(Vizepräsident Dr. Schneider)

Wer den aufgerufenen Nrn. 9, 10 und 11 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe nunmehr auf Nr. 12 mit dem Antrag Umdruck 1175 Ziffer 3. Das soll jetzt wohl zu dem vorigen parallelgezogen werden. Herr Abgeordneter Dr. Lindrath.

Dr. Hermann Lindrath (CDU):
Rede ID: ID0221514700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hier handelt es sich lediglich um das Korrelat für die Lohnsteuer zu dem, was unter Ziffer 2 für die Einkommensteuer gesagt ist, worüber wir bereits abgestimmt haben.

(Abg. Dr. Miessner: Die 600 Mark sind das!)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221514800
Wird das Wort weiter gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann komme ich zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 1175 Ziffer 3 zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe!
— Enthaltungen? — Bei einigen Gegenstimmen mit Mehrheit angenommen.
Wer nunmehr der so geänderten Nr. 12 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einigen Gegenstimmen angenommen.
Ich rufe nunmehr auf Nr. 13. Dazu liegt ein Änderungsantrag nicht vor. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich komme zur Abstimmung. Wer der aufgerufenen Nr. 13 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen.
Ich rufe nunmehr auf den Änderungsantrag Umdruck 1125 (neu) Ziffer 2 — er ist schon begründet —, hinter der Nr. 13 eine Nr. 13 a, so wie sie dort formuliert ist, einzufügen. Wird das Wort dazu gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann komme ich zur Abstimmung. Wer dem Antrag Umdruck 1125 (neu) Ziffer 2 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Damit ist — wie ich sehe, einstimmig — die beantragte neue Nr. 13 a in das Gesetz eingefügt.
Ich rufe nunmehr auf Nrn.14, — 15, — 16, — 17,
— 18 und 19. — Auch dazu liegen Änderungsanträge nicht vor. Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall; ich schließe die Aussprache. Wer den aufgerufenen Nummern in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe nunmehr auf den Antrag Umdruck 1203. Abgeordnete Frau Beyer zur Begründung!

Lucie Beyer (SPD):
Rede ID: ID0221514900
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich kann mich sehr kurz fassen und beziehe mich auf den sachlichen Inhalt des Umdrucks 1125 (neu), den ich vorhin begründet habe. Es handelt sich hier um eine Änderung der Ziffer 3 des Umdrucks 1125 (neu). Sie ist durch eine Diskussion verursacht worden, die wir noch einmal im Steuerausschuß hatten, und betrifft beschränkt Steuerpflichtige. Nach Auffassung des Ausschusses soll die Regelung nicht allgemein Geltung haben, sondern ausschließlich für die Lohnsteuerpflichtigen. In § 50 Abs. 4 heißt es im
Schlußsatz: „Die Höhe der Lohnsteuer wird durch Rechtsverordnung bestimmt." Wir bitten nunmehr, dies dahin abzuändern, daß gesagt wird: „durch diese Rechtsverordnung wird auch bestimmt, daß § 41 Abs. 2 Anwendung findet." Das bedeutet, daß auch hier für die alten Menschen der getrennte Altersfreibetrag Gültigkeit erhält und damit, wenn ein Ehegatte stirbt, dem anderen noch ein Freibetrag von 360 DM verbleibt.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221515000
Sie haben die Begründung gehört. Wird das Wort gewünscht? — Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Lindrath!

Dr. Hermann Lindrath (CDU):
Rede ID: ID0221515100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Antragsteller wünschen, daß auch nach § 50 ein Altersfreibetrag in Höhe von 360 DM gewährt wird. Die jetzige Fassung erscheint uns ein wenig unklar; es ist unklar, ob hier zwischen 360 DM oder 720 DM zu wählen sein würde. Ich würde deswegen vorschlagen, auf Umdruck 1203 die Fassung so zu wählen: „durch diese Rechtsverordnung wird auch bestimmt, daß ein Altersfreibetrag (§ 41 Abs. 2) in Höhe von 360 DM gewährt wird." Meine Fraktion wird dem Antrag zustimmen.

(Abg. Dr. Miessner: Also bleibt es bei Umdruck 1125 — Umdruck 1125 Wird das Wort weiter gewünscht? — Herr Abgeordneter Seuffert! Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Änderungsantrag trifft die Sache nicht ganz. In § 50 ,Abs. 4 ist eine Rechtsverordnung vorgesehen, durch welche praktisch die beschränkt Lohnsteuerpflichtigen in allen Dingen den unbeschränkt Lohnsteuerpflichtigen gleichgestellt sind, nur nicht in dem Altersfreibetrag, weil nach Ansicht des Finanzministeriums die bisherige Rechtslage diese letzte Gleichstellung nicht ermöglichte. Unser Antrag zielt darauf hin, die Ermächtigung für diese Rechtsverordnung so zu gestalten, daß der Altersfreibetrag für beschränkt Steuerpflichtige genauso gewährt werden kann, wie er für unbeschränkt Steuerpflichtige gewährt wind. Das Nähere kann ja dann die Rechtsverordnung bestimmen und hat sie zu bestimmen. Deswegen wind der Änderungsantrag, den Altersfreibetrag auf nur 360 DM zu begrenzen, während er für unbeschränkt Steuerpflichtige entweder 720 DM Wird weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Beratung. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag Umdruck 1203, eine neue Nr. 19 a einzufügen, zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. (Abg. Dr. Lindrath: Wir haben dazu eine Änderung beantragt!)

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221515200
Walter Seuffert (SPD):
Rede ID: ID0221515300
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221515400
— Ich habe sie nicht hier.

(Abg. Dr. Lindrath überreicht dem Präsidenten die von ihm beantragte Änderung.)



(Vizepräsident Dr. Schneider)

Meine Damen und Herren von der SPD, hier wird also ein Änderungsantrag zu Ihrem Änderungsantrag gestellt. Schließen Sie sich der Formulierung an? — Nein. Dann müßte ich also erst über diesen Änderungsantrag abstimmen lassen. Dieser Änderungsantrag wünscht folgenden Wortlaut:
Durch diese Rechtsverordnung wird auch bestimmt, daß ein Altersfreibetrag (§ 41 Abs. 2) in Höhe von 360 DM gewährt wird,
statt, wie es in dem ursprünglichen Antrag der SPD lautet: ,,. . . wird auch bestimmt, daß § 41 Abs. 2 Anwendung findet." Wer dem Änderungsantrag, den ich eben verlesen habe und den die CDU/CSU-Fraktion gestellt hat, zuzustimmen wünscht, der gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; der Änderungsantrag ist angenommen. Damit erübrigt sich wohl die Abstimmung über Ihren ursprünglichen Antrag.

(Abg. Seuffert: Der damit auch angenommen ist!)

— Ja, er gilt in dieser veränderten Form als angenommen. Also dann kann ich davon ausgehen. Es wird demnach Nr. 19 a in der eben beschlossenen Form in das Gesetz eingefügt.
Ich rufe nunmehr auf Nr. 20, dazu den Umdruck 1126 (neu). Zur Begründung Herr Abgeordneter Dr. Königswarter.

Dr. Wilhelm Königswarter (SPD):
Rede ID: ID0221515500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser Antrag betrifft nur eine Änderung der Nr. 20 hinsichtlich der Doppelbuchstaben aa und bb. Hier handelt es sich darum, daß importierte Wirtschaftsgüter, die von einer besonderen volkswirtschaftlichen Bedeutung sind und starken Preisschwankungen unterworfen sind, einer besonderen Abschreibungs- bzw. Bewertungsmöglichkeit unterliegen, um die Vorratshaltung zu fördern. Wir haben in Berlin solche Wirtschaftsgüter, da uns an einer Vorratshaltung aus besonderen Gründen sehr viel liegt, zum Teil durch den Senat finanziert. Es ist nicht einzusehen, daß hier das Preisrisiko, das wir dem Vorratshalter abnehmen wollen und das in diesen Fällen der Senat übernommen hat, doppelt bewertet wird. Denn wir würden dann ein Geschenk machen, das nicht gerechtfertigt ist. Ich hoffe, daß Sie diesem Antrag zustimmen werden, obwohl er von der Fraktion der SPD gestellt ist. Er entspricht aber den Wünschen des Berliner Senats, und ich glaube, auch der Herr Finanzminister wird nichts gegen diese Änderung einzuwenden haben, die wohl seinen Gedankengängen entspricht.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221515600
Meine Damen und Herren, Sie haben die Begründung dieses Änderungsantrages vernommen. Wird das Wort dazu gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Beratung und komme zur Abstimmung. Wer dem Umdruck 1126 (neu) zuzustimmen wünscht, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einer Enthaltung angenommen.
Wer nunmehr der aufgerufenen Nr. 20, die in diesem einen Punkte geändert wird, im übrigen nach der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, der gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Wieder bei einer Enthaltung an- genommen.
Ich rufe auf die Nrn. 21, — 22 — und 23 des Art. 1 in der Ausschußfassung. Änderungsanträge liegen nicht vor. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann komme ich zur Abstimmung. Wer den aufgerufenen Nummern zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe nunmehr auf Art. 2, — Art. 3, — Art. 4 — und Art. 5. — Änderungsanträge sind nicht gestellt. Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache. Wer den aufgerufenen Artikeln zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe nun auf: Dritter Abschnitt, Gewerbesteuer, Art. 6 und dazu den Änderungsantrag Umdruck 1197. Wer begründet diesen Antrag der Abgeordneten Corterier, Dr. Conring, Eickhoff und Genossen? — Abgeordneter Eickhoff, bitte!
Eickhoff (DP[FVP]): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Antrag bezweckt die Beseitigung derjenigen Bestimmungen in § 8 des Gewerbesteuergesetzes, nach denen Gehälter und sonstige Vergütungen jeder Art, die für eine Beschäftigung der Ehegatten im Betrieb gewährt werden, dem Gewinn aus Gewerbebetrieb wieder hinzugerechnet werden, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt sind. Diese Zurechnungsvorschrift fußt auf der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes, der ein Dienstverhältnis zwischen Ehegatten steuerlich nicht anerkennt. Sie ist nach der durch den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Januar 1957, mit dem § 26 des Einkommensteuergesetzes für verfassungswidrig und daher nichtig erklärt wurde, geschaffenen neuen Rechtslage nicht mehr haltbar. Wie bei der Einkommensteuer, so wird auch bei der Gewerbesteuer dem Abschluß von Arbeitsverträgen zwischen Ehegatten die steuerliche Anerkennung nicht mehr versagt werden können.
Der Änderungsantrag Umdruck 1197 zieht hieraus die Folgerungen. Er will die bisherige steuerliche Schlechterstellung des Ehegatten, der im Betrieb des Unternehmers oder Mitunternehmers bzw. in einem Betrieb tätig ist, an dem der andere Ehegatte wesentlich beteiligt ist, gegenüber dem in einem fremden Betrieb tätigen Ehegatten beseitigen. Gerade in mittelständischen Gewerbebetrieben ist eine solche Mittätigkeit des Ehegatten besonders häufig und in vielen Fällen sogar ,geradezu Existenzbedingung. Ich betone, mit dem Realsteuer- oder Sachsteuercharakter der Gewerbesteuer hat die Hinzurechnungsvorschrift nicht das geringste zu tun.
Ich bitte Sie, unserem Antrag Ihre Zustimmung zu geben.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221515700
Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Dr. Dresbach.

Dr. August Dresbach (CDU):
Rede ID: ID0221515800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist richtig, daß die Gewerbeertragsteuer, wie sie ja als Gewerbesteuerform hauptsächlich für den gewerblichen Mittelstand in Frage kommt, von diesem als eine zusätzliche Einkommensteuer betrachtet wird. Es ist


(Dr. Dresbach)

weiterhin richtig, daß das Recht der Gewerbeertragsteuer immer mehr dem Einkommensteuerrecht angepaßt worden ist. Aber der Charakter der Realsteuer oder der Objektsteuer ist bei der Gewerbesteuer bestehen geblieben. Mit dem Wesen der Objektsteuer verträgt sich dieser Antrag nicht, lieber Freund Eickhoff; denn es ist für den Objektcharakter einer Steuer wie der Gewerbesteuer völlig gleichgültig, ob Zuwendungen gemacht werden oder nicht. Ich möchte aber auf eines hinweisen: wenn wir die Gewerbeertragsteuer immer mehr auch mit der Schuldzinsenzurechnung der Berechnung des Gewinns bei der Einkommensteuer anpassen, werden wir eines Tages erleben, daß eine Klage beim Bundesverfassungsgerichtshof eingereicht wird, die besagt, daß diese Gewerbesteuer eine zusätzliche Einkommensteuer für Gewerbetreibende sei. Dann stelle ich allerdings, Herr Eickhoff, die Frage, wohin Sie mit den kommunalen Finanzen kommen wollen.

(Abg. Eickhoff: Eine neue Kommunalsteuer!)

— Verzeihen Sie, Herr Eickhoff, ich bin durchaus ein Freund einer kommunalen Personalsteuer!

(Abg. Eickhoff: Ich auch!)

Aber sie kann nicht so gestaltet werden, daß sie
jemals den Raum ausfüllt, den jetzt die Gewerbesteuer bei der Deckung des kommunalen Bedarfs
— leider in einem steigenden Maße — ausfüllen muß. Ich bin, wie gesagt, der Meinung, daß dieser Antrag eine Gefährdung der kommunalen Finanzen für die Zukunft bedeuten kann, weil die Möglichkeit besteht, daß eine Klage erhoben wird, mit der man nachzuweisen sucht, daß diese Gewerbesteuer nur noch eine zusätzliche Einkommensteuer für Gewerbetreibende ist. Diese Meinung begründe ich damit, daß dieser Antrag den Real- und Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer verletzt.
Ich bitte deshalb meine Freunde und auch diejenigen, die sich von meinen Ausführungen überzeugt fühlen, diesen Antrag abzulehnen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221515900
Das Wort hat der Abgeordneter Dr. Miessner.

Dr. Herwart Miessner (FDP):
Rede ID: ID0221516000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der FDP möchte ich erklären, daß wir den Antrag unterstützen. Es kommt hier nicht darauf an, ob die Gemeindefinanzen gefährdet sind oder nicht, sondern es kommt darauf an, daß wir in dieser Übergangsregelung, die sich auch auf die Gewerbesteuer beziehen muß, dem Karlsruher Urteil Rechnung tragen. Wir können es uns nicht leisten, nun noch einmal von neuem gegen das Grundgesetz zu verstoßen. Wenn hier nach dem Gewerbesteuergesetz bisher eine Zurechnung nur deshalb erfolgt, weil es sich um eine Ehefrau handelt, ist das eben mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Daher muß dieser Zuschlag gestrichen werden. Wir haben den Antrag schon im Ausschuß gestellt. Wir sind damit nicht durchgedrungen. Aber wir freuen uns, daß uns jetzt noch einmal Gelegenheit gegeben ist, hier diese Erklärung abzugeben.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221516100
Wird weiter das Wort gewünscht? — Das Wort hat Herr Seuffert.

Walter Seuffert (SPD):
Rede ID: ID0221516200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe namens der sozialdemokratischen Fraktion den Gründen, die der verehrte Kollege Dresbach für die Ablehnung ides Antrags vorgetragen hat, nicht mehr viel hinzuzufügen. Richtig ist, daß die Gewerbesteuer einer grundsätzlichen Überprüfung bedarf, eben im Hinblick darauf, daß sie zwar eine Objektsteuer ist, aber weitgehend den Charakter einer Einkommensteuer, mindestens in der Empfindung der Beteiligten, bereits angenommen hat.

(Vizepräsident Dr. Jaeger übernimmt den Vorsitz.)

Das betont ja auch die Entschließung, deren Entwurf Ihnen bereits vorliegt 'und der wir gern zustimmen werden. Auf der anderen Seite darf nicht verkannt wenden, daß Zurechnungsvorschriften bei der Gewerbesteuer, bei der der Familienstand überhaupt keine Rolle spielt oder spielen darf, nicht so in einen Topf zu werfen sind mit Fragen der Familien- und Ehegattenbesteuerung, die verfassungsrechtlich jetzt vom Bundesverfassungsgericht behandelt worden sind.
Auch diese Zurechnung erfolgt bei der Gewerbesteuer zur Ermittlung des richtigen Gewerbeertrages genauso, wie Zinsen und Pachten zugerechnet werden. Da es bei der Gewerbesteuer nicht darauf ankommt, wie viele Unternehmer am Unternehmen beteiligt sind, würde es die merkwürdige Folge Ihres Antrags sein, daß mehr Gewerbesteuer zu zahlen ist, wenn die Ehefrau als Mitunternehmerin am Betrieb beteiligt ist, als wenn sie mittels eines Dienstverhältnisses oder fingierten Dienstverhältnisses als Angestellte tätig ist. Schon allein das dürfte zeigen, wie wenig überlegt der Antrag ist.
Ich bin über die Bemerkungen des Herrn Kollegen Dr. Dresbach über einen eventuellen künftigen Ausfall bei der Gewerbesteuer der Gemeinden hinaus der Ansicht, daß bei Annahme des Antrags schon ein sofortiger, sehr fühlbarer Ausfall eintreten würde. Denn da es hier nicht darauf ankommt, welche Art der Veranlagung bei der Einkommensteuer gewählt wird, besteht für jeden verheirateten gewerblichen Unternehmer überhaupt keine Hemmung, auch wenn er hei der Einkommensteuer die Zusammenveranlagung wählt und den entsprechenden Freibetrag für sich in Anspruch nimmt, hier irgend etwas für die Mitarbeit seiner Ehefrau abzusetzen und dadurch sein Gewerbesteueraufkommen zu vermindern. Das würde für uns jedenfalls in der jetzigen Lage der Gemeinden schon ein Grund sein, uns mit derartigen Experimenten nicht zu befassen. Wir müssen deshalb den Antrag ablehnen. Wir stimmen der Entschließung zu, die die Fragen, die hier auftauchen, in angemessener Weise behandelt.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0221516300
Wird hierzu noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann lasse ich über den Änderungsantrag der Abgeordneten Corterier, Dr. Conring, Eickhoff und Genossen auf Umdruck 1197 abstimmen, in Art. 6 eine Nr. 1 a einzufügen. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme nunmehr zu Art. 6. Wer ihm in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegen-


(Vizepräsident Dr. Jaeger)

probe. — Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe Art. 7 auf. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer Art. 7 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe Art. 8 mit den dazu gestellten Änderungsanträgen .auf. Wird hierzu das Wort gewünscht? — Auch nicht zur Begründung der Änderungsanträge? — Wir stimmen zuerst über den Antrag der FDP Umdruck 1182 Ziffer 3 ab. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ,das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Dann kommen die Anträge Umdrucke 1176 (neu) und 1186 Ziffer 2, die inhaltsgleich sind. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die 'Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das zweite ist die Mehrheit; die Anträge sind abgelehnt.
Ich komme zum Antrag der CDU/CSU auf Urn-druck 1175 Ziffer 4. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Wer dem Art. 8 in der Ausschußfassung, jedoch mit der soeben beschlossenen Änderung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? —Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf die Artikel 9, — 10, — 11, — 12. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe Art. 13 auf. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich komme dann zu dem Antrag der FDP Umdruck 1182 Ziffer 4 auf Einfügung eines Art. 13 a. Wird hierzu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich 'bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme nunmehr zu dem Antrag der DP (FVP) Umdruck 1176 (neu) Ziffer 3 und zu dem Antrag der FDP Umdruck 1186 Ziffer 3 auf Einfügung wieder eines Art. 13 a; die Anträge sind gleichlautend. Wird Begründung gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer zuzustimmen wünscht, den 'bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit; die Anträge sind abgelehnt.
Ich rufe auf die Artikel 14, — 15, — 16 — Einleitung und Überschrift. — Wer den aufgerufenen Bestimmungen, der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. —Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Meine Damen und Herren, die zweite Beratung ist damit abgeschlossen.
Bevor wir in die dritte Beratung eintreten, kommen wir zu dem bereits aufgerufenen Punkt 8 der Tagesordnung, der zweiten Beratung einer Reihe von Anträgen bzw. Gesetzentwürfen. Der Ausschuß schlägt Ihnen vor, die Gesetzentwürfe, die jetzt zur Behandlung kommen, abzulehnen. Ich muß jedoch gemäß dem Brauch des Hauses die Gesetzentwürfe .aufrufen, und wenn Sie der Ausschußempfehlung folgen wollen, dann müssen Sie gegen die aufgerufenen Bestimmungen stimmen.
Ich komme zunächst zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD, FDP, GB/BHE Drucksache 2293. Ich rufe auf die Artikel 1, — 2, — 3, — Einleitung und Überschrift. — Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? Das zweite war die Mehrheit; sämtliche Bestimmungen des Entwurfs sind abgelehnt.
Ich rufe auf Drucksache 2311 — DP —; die Artikel 1, — 2, — 3, — Einleitung und Überschrift. — Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. —Enthaltungen? — Das zweite ist die Mehrheit; sämtliche Bestimmungen des Gesetzentwurfs sind abgelehnt.
Ich rufe auf den Antrag der FDP Drucksache 2312; die Artikel 1, — 2, — 3, — Einleitung und Überschrift. — Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit; alle Bestimmungen sind abgelehnt.
Ich rufe auf Drucksache 2524 — FDP —; die Artikel 1, — 2, — 3, — Einleitung und Überschrift. — Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit; alle Bestimmungen des Gesetzentwurfs sind abgelehnt.
Ich komme zu Drucksache 2794 — FDP —; Artikel 1, — 2, — 3, — 4, — 5, —Einleitung und Überschrift sind aufgerufen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit; alle Bestimmungen sind abgelehnt.
Ich komme zu Drucksache 2922 — SPD —; die Artikel 1, — 2, — 3, — Einleitung und Überschrift sind aufgerufen. — Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.

Walter Seuffert (SPD):
Rede ID: ID0221516400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hier handelt es sich wieder und noch einmal um die Steuerbegünstigung der sogenannten Ausgaben für staatspolitische Zwecke, d. h. der Parteiförderungsbeiträge. Ich gedenke nicht, Ihnen noch einmal ausführlich vorzutragen — wie wir es schon so oft hier getan haben —, aus welchen Gründen wir diese Bestimmung mit der Demokratie, mit den Grundsätzen eines parlamentarischen Rechtsstaates für schlechterdings unvereinbar halten.

(Beifall bei der SPD.)

Diesen Ausführungen, die Ihnen allen bekannt sind, kann ich im Augenblick nur hinzufügen, daß wir die Höhe der Gelder für dieses Wahljahr kennen. Sie sind in der Presse genannt. Es sind Unterlagen dafür da. Sie lassen sich berechnen. Es läßt sich auch der Steuerausfall berechnen. Es


(Seuffert)

handelt sich um 50 Millionen DM Steuergelder für Parteizwecke in diesem Wahljahr.

(Zurufe von der Mitte.)

— Ich möchte wissen, wer widersprechen will.
Ein Zweites. Wenn Sie sich den § 10 b ansehen, werden Sie feststellen, daß er auf die Bedürfnisse und die Verhältnisse von wirtschaftlichen Unternehmen, insbesondere von Großunternehmen zugeschnitten ist. Schon aus den Berechnungsgrenzen der Höchstbeträge geht das klar hervor. Nun, dieser § 10 b war nach seiner ursprünglichen Fassung für die steuerliche Berücksichtigung der Beiträge bestimmt, die von den Unternehmen für karitative, wissenschaftliche und künstlerische Zwecke geleistet werden. Dazu war es gut. Diesen Zwekken geht allerdings das, was jetzt bei der Parteiförderung — und einer sehr einseitigen Parteiförderung — begünstigt wird, verloren. Es ist eine natürliche und eine wünschenswerte Sache, daß wissenschaftliche, karitative und ähnliche gemeinnützige Zwecke von großen Unternehmen gefördert werden und daß ihnen dabei die Steuer eine Anerkennung ausspricht. Aber Sie wissen, daß wegen der ganz anderen Berechnung der Sonderausgaben, um die es sich hier handelt, bei den Arbeitnehmern — dort werden sie nämlich in Pauschbeträgen und nicht einzeln wie bei den Unternehmen, abgerechnet; das ist ein Tatbestand, auf den wir Sie in unserem Antrag zur dritten Lesung noch einmal besonders aufmerksam machen — auch die Auswirkung des § 10 b sehr einseitig ist. Wenn nämlich derartige Zahlungen bei den Unternehmen steuerlich begünstigt werden, so ist wegen dieser anderen Abrechnungsweise noch lange nicht gesagt, daß auch dem Arbeitnehmer, der seine staatspolitische Gesinnung durch einen Parteibeitrag dokumentieren will, dafür eine steuerliche Belohnung gewährt wird. Das ist nämlich nicht der Fall. Ich sagte vorhin: es ist eine natürliche Sache, daß wissenschaftliche, künstlerische und karitative Zwecke unter steuerlicher Begünstigung von großen Unternehmen gefördert werden. Es ist eine ,unnatürliche Sache, daß für die politischen Interessen dieser Unternehmen steuerlich begünstigte Mittel ausgegeben werden. Bei dieser Abstimmung handelt es sich um 50 Millionen DM aus Steuergeldern im Wahljahr für die politischen Interessen der großen Unternehmen. Darüber haben Sie abzustimmen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0221516500
Wird noch das Wortgewünscht? — Das ist nicht der Fall.

(Abg. Wittrock: Man schweigt sehr beredt! — Abg. Schmitt [Vockenhausen] : Wer schweigt, stimmt zu!)

Wir kommen zur Abstimmung über die aufgerufenen Bestimmungen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit. Die Bestimmungen des Antrags auf Drucksache 2922 sind abgelehnt.
Wir kommen zu dem Antrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 2984. Ich rufe die Artikel 1, — 2, — 3, — die Einleitung und die Überschrift auf. — Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Ilk.

Dr. Herta Ilk (FDP):
Rede ID: ID0221516600
Herr Präsident, Sie haben vorhin leider meine Wortmeldung übersehen. Ich wollte zu dem vorhergehenden Antrag schon sprechen.
Ich möchte Sie, meine Damen und Herren, noch einmal bitten, das Urteil, das Sie gefällt haben, zu revidieren und zu überlegen, ob für die alleinstehenden Personen nicht doch grundsätzlich das 50. Lebensjahr für die Einstufung in Steuerklasse II festgelegt werden soll. Es war früher so, daß verwitwete Personen mit 50 Jahren in den Genuß der Steuerklasse II kamen, Geschiedene oder Ledige aber erst mit 60 Jahren. Bei der vorigen Steuerreform hat man den Mittelweg gewählt, für alle alleinstehenden Personen das 55. Lebensjahr für die Einstufung in Steuerklasse II als gegeben anzusehen. Das bedeutet natürlich für einen ganzen Personenkreis eine erhebliche Schlechterstellung.
Ich möchte Sie noch einmal bitten, ob Sie nicht unserem Antrag, der vorher auch von den Fraktionen der SPD und des BHE unterstützt worden ist, stattgeben können, in § 32 Abs. 3 Ziffer 2 als Lebensalter das 50. Lebensjahr einzusetzen. Sie wissen alle, daß heute jeder mit 50 Jahren durch die Arbeitslast und andere Belastungen, die er zu ertragen hat, schon so weit verbraucht ist — möchte ich einmal sagen —, daß man ihm wirklich eine Gleichstellung mit den Verheirateten zubilligen muß. Er braucht meistens in diesem Alter schon eine größere Pflege, die erhöhte Mittel erfordert. Ich meine deshalb, daß es nicht unbillig ist, den alleinstehenden Personen schon mit dem 50. Lebensjahr die Steuerklasse II zuzubilligen.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0221516700
Wird das Wort weiter gewünscht? — Herr Abgeordneter Seuffert.

Walter Seuffert (SPD):
Rede ID: ID0221516800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr verehrte Frau Kollegin Ilk, wir stehen Ihrem Antrag sicherlich nicht unfreundlich gegenüber. Sie wissen aber, daß wir vor einer vollständigen Neuordnung des Tarifs stehen, bei der wahrscheinlich die Steuerklassen überhaupt verschwinden oder eine ganz andere Bedeutung haben werden. Gerade bei Einführung des von Ihnen, Frau Kollegin Ilk, so sehr vertretenen Splitting wird man die Personen, um die es sich hier handelt, auch durch eine Steuerklassenversetzung nicht retten können; man würde sie wahrscheinlich außerordentlich belasten müssen, denn ich wüßte nicht, mit wem diese Leute ihr Einkommen splitten könnten. Aber sicherlich hat es, Frau Kollegin Ilk, keinen Sinn, in diesem Augenblick, wo wir vor dieser Neuordnung stehen, noch einmal für die letzten sechs Monate eine solche Änderung der Altersgrenze vorzunehmen.

(Zuruf der Abg. Frau Dr. Ilk.)

— Aber heute ist heute, Frau Kollegin Ilk, gleichgültig, wann Sie den Antrag, die Altersgrenze herabzusetzen, eingebracht haben.

(Abg. Frau Dr. Ilk: Es ist Ihr eigener Antrag!)

— Aber wir verzichten in dieser Situation zur Zeit darauf.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0221516900
Wird noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Ich komme zur Abstimmung über die aufgerufenen Bestimmungen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um


(Vizepräsident Dr. Jaeger)

die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit; die Bestimmungen sind abgelehnt.
Ich rufe nun den Antrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 3185 auf, und zwar die Artikel 1,
— 2, — 3, — 4, — die Einleitung und die Überschrift. — Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer ist dagegen?
— Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit; die Bestimmungen sind abgelehnt. Damit sind alle diese Gesetzentwürfe und auch der Punkt 8 der Tagesordnung erledigt.
Wir kommen nun zu Punkt 6 der Tagesordnung zurück, und zwar zur
Dritten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung steuerrechtlicher Vorschriften (Drucksachen 1763, 2608, 2983, 3007);
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (19. Ausschuß) (Drucksachen 3509, zu 3509).
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Lindrath (Erste Beratungen: 162., 179., 183. Sitzung.)

Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Seuffert!

Walter Seuffert (SPD):
Rede ID: ID0221517000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diesem Ausschußbericht stimmen wir, wie Sie gesehen haben, im wesentlichen zu. Unsere Einzelwünsche haben wir begründet. Einigen davon ist ja auch Rechnung getragen worden. Unser Antrag zur dritten Lesung liegt Ihnen vor.
Der Kern des Ausschußberichts, sagt der Schriftliche Bericht, ist das Provisorium, die Notlösung für die Ehegattenbesteuerung. Es ist an sich nichts Besonderes, daß wir über Provisorien in der Steuergesetzgebung abstimmen. Das ist sogar die Regel; in der Regel haben uns die Regierung und die Mehrheit nicht mehr erlaubt. Aber der Kernpunkt des Berichts, richtig gelesen, ist doch vielmehr die Feststellung, daß wir als Ergebnis der Steuerpolitik zweier Bundestage nunmehr vor der Aufgabe stehen, einen vollständig neuen, grundsätzlich anderen Tarif zu schaffen, und ich füge gleich an: ein neues Steuersystem zu überdenken und zu schaffen; denn ohne Zusammenhang mit dem ganzen System kann diese Aufgabe nicht gelöst werden.
Diese Situation ist nicht allein durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts entstanden, von dem in der Öffentlichkeit gesagt wird, es habe plötzlich Verwirrung in die Steuergesetzgebung gebracht. Es ist richtig, daß Schwierigkeiten durch dieses Urteil entstanden und auch beleuchtet worden sind, Schwierigkeiten, die darin liegen, daß das Urteil gewisse verfassungsrechtliche Fragen behandelt, andere aber durchaus offengelassen hat. Die Situation, die der Bericht feststellt und vor der wir stehen, ist aber vielmehr dadurch entstanden, daß die Regierung die Fragen, um die es sich hier handelt, jahrelang geleugnet hat und daß die Mehrheit ihr erlaubt hat, sie zu leugnen und sie überhaupt nicht zu behandeln. Das ist der Grund des Fiaskos unserer Steuergesetzgebung, das wir am Ende dieses Bundestages zurücklassen.
Die Übergangslösung, die Notlösung, die wir Ihnen auf dem Gebiet der Einkommensteuer namens des Ausschusses vorschlagen mußten, hat das Prinzip in den Vordergrund gestellt, daß keine Mehrsteuer durch Heirat anfallen soll, und führt dieses Prinzip im Rahmen des § 79 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes, d. h. für alle künftigen, für alle noch nicht rechtskräftigen und noch nicht abgewickelten Steuerfestsetzungen, durch. Das befriedigt uns, weil gerade wir von der sozialdemokratischen Opposition in einem harten Kampf bereits erreicht hatten, daß eben dieses selbe Prinzip für alle persönlichen Arbeitseinkommen galt. Jetzt ist auch wieder das volle Wahlrecht — und auch das befriedigt uns — für den Austausch der Steuerklassen zwischen den Ehegatten hergestellt.
Offen bleiben die sehr ernsten und sehr schwierigen Fragen der Gleichheit der Besteuerung, insbesondere der Gleichheit der Besteuerung für die mithelfende und für die mitarbeitende Frau und für die Hausfrau selbst. Denn darin sind wir uns doch einig, daß auch diejenige Frau, die sich auf die eigentlich familiären Aufgaben beschränkt, nicht etwa eine Faulenzerin oder ein Luxusweibchen ist, sondern ebenso hilft und tätig ist wie die außerhalb des Hauses tätige Frau.

(Zustimmung in der Mitte.)

Anmerkungsweise möchte ich dazu aus dem Wirrwarr unserer derzeitigen Steuergesetze noch die steuerlichen Vorteile hervorheben, die sich Ehegatten verschaffen können, indem sie getrennt leben. Auch das ist ein Problem. Das sind Fragen, die offenbleiben und die wir dem nächsten Bundestag überlassen; man muß sie sehr ernst nehmen. Es ist ganz offensichtlich und braucht hier nicht begründet zu werden, daß die Ehe auch steuerlich nicht nur als Einkommensgemeinschaft betrachtet werden kann und daß sie auch andere Ziele und einen anderen Sinn hat, als nur den, gemeinsam Einkommen zu erzielen und zu verbrauchen. Weiter ist offensichtlich, daß diese Fragen besonders schwerwiegend bezüglich des Einkommens sind, das persönlichen Einsatz erfordert, nämlich des Arbeitseinkommens, ,des Einkommens, das nicht aus Besitz fließt. Dafür wieder liegen die Verhältnisse grundsätzlich gleich, sei es, daß sich die Ehefrau selbst der Erzielung solchen Einkommens widmet, sei es, daß sie durch ihre Tätigkeit in der Familie und im Haus für den Mann die Voraussetzungen schafft, sich der Einkommenserzielung widmen zu können.
Das sind die ungelösten Fragen, vor denen wir stehen werden. Sie sind durch die Erhöhung des Freibetrags für die zusammenveranlagten Ehegatten nur versuchsweise angegangen, sie sind nicht gelöst worden. Wir haben mit einem notwendigerweise realistischen Blick auf die Leistungsfähigkeit insbesondere der Länderkassen den Freibetrag anders festsetzen müssen, als vom Ausschuß ursprünglich vorgesehen. Es wird überhaupt im gegenwärtigen Moment kaum übersehbar sein, was vom Standpunkt der Steuergerechtigkeit aus der richtige Freibetrag im Ausgleich zwischen der außerhalb und innerhalb des Hauses tätigen Frau ist. Es ist der Versuch einer Angleichung, aber es ist keine Lösung. Die Lösung überlassen wir dem nächsten Bundestag.
Nach dem Ausschußbericht ist die überwiegende Mehrheit des Ausschusses der Ansicht, daß diese Lösung das Splitting sein müsse. Einig ist sich der Ausschuß jedenfalls darin gewesen, daß mit dem gegenwärtigen Tarif und im gegenwärtigen


(Seuffert)

Zeitpunkt eine solche Lösung nicht möglich ist. Für mich und für die sozialdemokratische Fraktion ist die Feststellung, daß ein neuer Tarif und ein neues System der Einkommensteuer notwendig ist, wichtiger als die Frage, ob das neue System im Splitting oder in einem anderen Verfahren bestände. Es wird zu prüfen sein, welches die Vorteile und Nachteile jedes Systems sind. Ich will mich in diesem Augenblick nicht in die Prüfung dieser Fragen verlieren; ich will nicht auf die Vorteile und nicht auf die bekannten Nachteile des Splitting eingehen, auf seine Nachteile für die Nichtverheirateten, für die Verwitweten, für die Arbeitenden, und auf die Spannungen, die dadurch entstehen, daß es sich notwendigerweise gerade für höhere Einkommen besonders günstig auswirkt.
Immerhin darf daran erinnert werden, daß es neben diesem Splittingsystem, das ja schließlich eine recht kurzfristig in Übung befindliche Verlegenheitslösung des amerikanischen Steuerrechts aus gewissen Zwangslagen des dortigen Verfassungsrechts heraus ist, ein System gibt, das schon viele Jahre völlig klaglos und unangefochten in Übung ist, nämlich das englische System der grundsätzlich proportionalen Besteuerung mit teilweiser Zusatzsteuer. Auch dieses System wäre verfassungsmäßig völlig unangreifbar. Ich gebe zu, daß es zwei Nachteile hat: erstens, daß es von der Sozialdemokratie schon seit Jahren vorgeschlagen wird,

(Heiterkeit)

und zweitens, daß es in der Tat nicht so automatisch und systematisch die Vorteile für hohe und höchste Einkommen bringt, wie sie das Splittingsystem mit sich führt. Das war nur eine Erinnerung.
Heute legen wir Ihnen keine neuen Systemlösungen vor und beschließen über sie; heute handelt es sich um eine Übergangslösung, die — woran ich erinnern möchte — bereits sehr viel Geld kostet, das uns bei der endgültigen Lösung wieder fehlen wird, vielleicht Verzerrungen mit sich bringt, die die endgültige Lösung leicht blockieren können, wie auch immer sie ausfallen möge. Aus diesem Grunde war es notwendig, hier keinen Perfektionismus zu treiben und im Auge zu haben, daß es sich in der Tat nur um ein Provisorium handelt und daß eine wirkliche Reform kommen muß.
Unter diesen Überlegungen, meine Damen und Herren, stimmt die sozialdemokratische Fraktion zu — ohne Sentimentalität, ohne Begeisterung und ohne propagandistische Rücksichten — in der Verantwortung der Opposition, die sie immer übernommen hat. Wir stellen aber fest, daß dieser Bericht, dem wir zustimmen, nunmehr das Fiasko der bisherigen Steuerpolitik in bezug auf unser Steuersystem deutlich werden läßt, daß nach zwei Bundestagen in den wichtigsten Fragen praktisch nichts als ungelöste Probleme zurückbleibt und daß nunmehr unbestreitbar die Notwendigkeit einer wirklichen Reform ,feststeht. Wie oft, meine Damen und Herren, hat die Sozialdemokratie in diesem Bundestag auf die Notwendigkeit dieser Reform, auf die Notwendigkeit einer Tarifreform statt immer wiederwiederholter Tarifsenkungen hingewiesen, und wie oft ist sie damit gescheitert! Gewiß, da und dort sind im Laufe der Zeit Verbesserungen an den Steuergesetzgebungen vorgenommen worden. Aber wie klein waren sie doch, und wie sehr wissen wir, daß hinter jedem Paragraphen, der verbessert worden ist, praktisch zehn andere standen, die genauso verbesserungsbedürftig waren und deren Verbesserung aus politischen Gründen und anderen Interessengründen zurückgestellt worden ist! Und wenn Verbesserungen durchgeführt worden sind, woher kamen sie dann? Kamen sie etwa von der Regierung oder kamen sie, wenn überhaupt, nicht .aus dem Hause? Wo ist denn die Steuerreformpolitik der Regierung in diesen Jahren geblieben? Wie sehr sind wir uns dessen bewußt, wie viele sachliche Fragen, deren Dringlichkeit anerkannt war, aus politischen und anderen Interessen zurückgestellt wurden.
Meine Damen und Herren, man mag sagen, daß ,das in dieser Situation des Bundestages Leichenreden an einem offenen Grabe seien. Wir geben Ihnen zu, daß auch wir selbst von diesem Bundestag, von dem wir von Anfang an nicht sehr begeistert waren,

(Zuruf von der CDU/CSU: Das glauben wir! — Heiterkeit)

noch etwas mehr erwartet hätten. Sie wissen: Was ich Ihnen hier sage, ist keine Polemik der Opposition. Ich weiß, daß viele in Ihren Reihen genauso denken, und die Beschwerden der Öffentlichkeit sind zu allgemein, als daß man hier von einer einseitigen Polemik sprechen könnte.

(Vereinzelter Beifall.)

Eines will ich allerdings sagen: Nicht alle Beschwerden, die vorgetragen werden, sind begründet, nicht alle Klagen und Angriffe sind berechtigt. Gerade ,an der Diskussion über die Fragen der Ehegattenbesteuerunag haben sich Leute beteiligt, die offensichtlich zu einer ernsthaften und ehrlichen Erörterung der Fragen entweder nicht fähig oder nicht gewillt waren.

(Sehr richtig! bei Ich denke u. a. an eine große Illustrierte, die in dieser Sache unter dem beleidigenden Motto „Du sollst nicht stehlen!" eine Reportage brachte. Diese Herren haben zu erwähnen vergessen, daß viele Abgeordnete aller Fraktionen, darunter alle Abgeordneten meiner Fraktion, in einem sehr zähen Kampf durch Jahre hindurch es bereits dahin gebracht haben, daß auf sehr weiten Gebieten schon längst nicht mehr das gilt, was das Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig bezeichnet. Aber, meine Damen und Herren, gerade weil meine politischen Freunde und ich von derartigen Vorwürfen und Anwürfen bestimmt nicht betroffen werden können, stehe ich nicht an, auch unseren Gegnern einschließlich des Bundesfinanzministers — so falsch sie gehandelt haben; das haben wir ihnen hier immer wieder vorgehalten — doch zu bescheinigen, daß sie solche Verunglimpfungen auf diesem Niveau nicht verdient haben. Der Herr Präsident dieses Hauses hat seinerzeit den Fraktionen und dem Ausschuß mitteilen lassen, daß er Maßnahmen gegen derartige Presseveröffentlichungen erwäge. Bedauerlicherweise hat man nichts mehr davon gehört. Ich möchte aber auch noch ein Wort an diejenige Presse richten, von der man erwartet und erwarten darf, daß sie solche Dinge ernsthafter behandelt. Ich bedaure es, daß ich auch bei dieser Presse an keiner Stelle gesehen habe, daß man Veranlassung genommen hätte, sich von Dingen wie die, von denen ich eben gesprochen habe, zu distanzieren, und daß es auch diese Presse den Abgeordneten überläßt, sich selbst und ihre politischen Gegner — wozu wir bereit sind, wie Sie gehört haben — in Schutz zu nehmen. Meine Damen und Herren, abschließend zum Ausschußbericht. Der Bericht bringt Verbesserungen und Notwendigkeiten. Er bringt eine Notlösung. Er bringt die Feststellung des Fiaskos unserer bisherigen Steuerpolitik und der Notwendigkeit einer allgemeinen Steuerreform. Daß diese Reform bisher nicht zustande gekommen ist, hat viele Gründe. Es handelt sich nicht nur um die Einkommensteuerreform und um die Reform des Tarifs hier, sondern es handelt sich um die grundsätzliche Erwägung des gesamten Tarifs, des gesamten Systems einschließlich insbesondere der Umsatzsteuer. Auf diese allgemeine Bemerkung zu den heute vorliegenden Umsatzsteuernovellen möchte ich mich beschränken. Denn diese Dinge haben ihren Zusammenhang. Ich erinnere mich immer wieder daran, daß der Herr Bundesfinanzminister, als er im Januar 1950 in diesem Hause nach seinen Worten eine Wende der Steuerreform einleitete, diese Wende nach seinen damaligen Worten darin sah, daß mit der bisherigen Steuergesetzgebung, welche, wie er sagte, die Last auf die wenigen starken Schultern gelegt habe, gebrochen werden und daß die Last auf die vielen schwachen Schultern gelegt werden sollte. An diesem Grundsatz ist jedenfalls in all den Jahren festgehalten worden. Die Umsatzsteuererhöhung, die darauf folgte, der ungeheuere Anteil, den die indirekten Steuern, insbesondere die Umsatzsteuer, an unserer Gesamtsteuerbelastung genommen haben, ist mit die Hauptursache der Situation, in der wir heute stehen. Erstmals, glaube ich, stellt nunmehr einmütig ein Ausschußbericht dieses Hauses die Notwendigkeit der Reform dar. Das Erbe, das wir nach so vielen Bemühungen dem nächsten Bundestag überlassen, ist so traurig, wie die Hinweise der Opposition es schon immer dargestellt haben. Wir haben ein sehr verwirrtes und verdorbenes Steuersystem. Daß es unheilbar ist, möchte ich nicht hoffen. Aber im Wettbewerb um das wirrste, das sinnwidrigste und ungerechteste Steuersystem in der Welt wird die Bundesrepublik — das fürchte ich aussprechen zu müssen — demnächst gute Chancen haben, wenn das nach den Wahlen nicht wirklich anders wird. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dresbach. — Dann kommt zuerst der Abgeordnete Dr. Lindrath. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die grundsätzlichen Ausführungen, die Herr Kollege Seuffert zur Einleitung der dritten Lesung des Gesetzentwurfes gemacht hat, trugen erfreuliche Zeichen ausgesprochener Sachlichkeit und waren so gehalten, wie wir eigentlich im weitesten Umfange im Ausschuß für Finanzund Steuerfragen gearbeitet haben. (Abg. Dr. Dresbach: Abgesehen von den Zeiten, wo wir unterwandert werden!)


(Beifall.)


(Seuffert)


(Beifall bei der SPD.)

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0221517100

(Abg. Dr. Dresbach: Nachher!)

Dr. Hermann Lindrath (CDU):
Rede ID: ID0221517200
— Das ist allerdings auch richtig, Herr Dr. Dresbach. — Er hat eine Bilanz über die Arbeit der letzten Jahre auf dem Gebiet der Steuerpolitk gezogen. Was er zur Ehegattenbesteuerung gesagt hat, die Problematik, die er hier aufgezeigt hat, die Feststellung, daß hier weitere Lösungen gesucht werden müssen und daß es uns nicht gelungen ist, hier eine Ideallösung heute vorzuschlagen und ,anzunehmen, können auch wir unterstreichen, das ist richtig. Aber in dem Fazit, das er gezogen hat, gehen wir nicht mit ihm einig, wenn er sagt, es sei ein Fiasko der Steuerpolitik festzustellen, und dieses Fiasko sei aus dem Ausschußbericht zu entnehmen.
Herr Kollege Seuffert, wenn wir eine Bilanz ziehen, müssen wir uns das Ganze anschauen und müssen zunächst einmal feststellen, daß allein das Haushaltsvolumen in den letzten vier Jahren um etwa 12 Milliarden DM gestiegen ist, von ungefähr 25 Milliarden DM auf etwa 37 Milliarden DM. Das bedeutet, daß die Einnahmenseite auch entsprechend wachsen mußte. Auf der anderen Seite ist aber durch das, was Sie Steuersenkung nannten und wofür Sie den Namen „Steuerreform" ablehnten, durch alle diese Maßnahmen einschließlich der Gesetzgebung, die wir gerade heute verabschieden wollen, die Gesamtheit der Steuerpflichtigen in diesen vier Jahren immerhin um über 10 Milliarden DM entlastet worden.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Das ist eine Leistung, die schlechthin nicht das Prädikat „Fiasko der Steuerpolitik" verdient.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

In den zwanziger Jahren fing die Steuerreform mit verhältnismäßig niedrigen 'Sätzen an, und es entwickelte sich dann erst eine stärkere Belastung. Jetzt war es umgekehrt. Um all das zu erfüllen, gingen wir von einer uns aufgezwungenen Militärgesetzgebung mit sehr hohen Steuersätzen aus und haben sie dann mit Erfolg abgebaut. Wir stimmen mit Ihnen darin überein, daß bei dem Abbau manche Systematik noch besser hätte herausgekehrt werden können und sollen. Das ist richtig. Bedenken Sie aber, daß die Senkungen auch auf einem anderen Gebiet, nämlich als soziale Leistungen, etwas Großes geleistet haben. Wir haben doch den sozial Schwachen, seien es diejenigen, die geringe Einkünfte haben, seien es diejenigen, die durch die schicksalhafte Zeit der Vergangenheit als Vertriebene, als Flüchtlinge usw. Not leiden mußten, im weitestgehenden Umfange geholfen. Eben weil wir ihnen helfen wollten, mußten wir zu unserem Bedauern oftmals eine gewisse Unsystematik und eine gewisse Komplikation im Steuerrecht hinnehmen und konnten nicht das verwirklichen, was wir uns eigentlich unter Steuerreform vorstellen.
Ich sagte vorhin schon in meinem zusätzlichen mündlichen Bericht, daß auch bei der Ehegattenbesteuerung das Bundesverfassungsgericht letzten Endes auf einem Wege weitergeschnitten ist, den wir hier im Bundestag durch unsere Gesetzgebung im Jahre 1954 beschritten haben.
Ich komme also hinsichtlich dessen, was Sie, Herr Kollege Seuffert, ausgeführt haben, zu dem Ergebnis: wir lehnen es ab, von einem Fiasko der Steuerpolitik zu sprechen. Wenn wir die Bilanz ziehen und ,die Dinge im ganzen sehen, dann sind wir der Auffassung, daß der Bundestag für sich schon Erfolge in Anspruch nehmen kann, daß auch


(Dr. Lindrath)

die Arbeit des Bundesfinanzministeriums unter der Leitung des Bundesfinanzministers Schäffer ein Lob verdient und daß nicht gesagt werden kann, die Dinge seien einfach schmählich geendet. Wir haben einen um 12 Milliarden höheren Haushalt in vier Jahren finanzieren und gleichzeitig die Steuerlast für die Bevölkerung der Bundesrepublik um über 10 Milliarden senken können. Es wird die Aufgabe des nächsten Bundestages sein, auf dem begonnenen Wege einer stärkeren systematischen Steuerreform vorwärtszuschreiten, und ich bin gewiß, daß die Wege, die wir in dieser Hinsicht eingeschlagen haben, auch weiter beschritten werden können und daß der nächste Bundestag bei einer stärkeren Entlastung und bei Erhaltung des gegenwärtigen Wohltandes auch hier zu einem weiteren Erfolg kommen wird.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0221517300
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Dresbach.

Dr. August Dresbach (CDU):
Rede ID: ID0221517400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Umstand, daß ich mich bei der zweiten Lesung zur Ziffer 20 der Novelle der Stimme enthalten habe, nötigt mich, dazu einige Erklärungen systematischer Art abzugeben. Meine Enthaltung bezog sich auf die Formulierung — es handelt sich da um verstärkte Abschreibungsmöglichkeiten — „bei Wirtschaftsgütern, die wegen ihrer besonderen volkswirtschaftlichen Bedeutung zur Deckung des Bedarfs der deutschen Wirtschaft erforderlich sind (Waren des volkswirtschaftlich vordringlichen Bedarfs)".
Hier wird meines Erachtens zum erstenmal der ) Versuch unternommen, in das Personalsteuerrecht Gedanken einer Planwirtschaft einzufügen. Diese Dinge sind für mich so bedenklich, daß ich mich der Stimme enthalten habe.
Meine Damen und Herren! Fragen wie die, ob ein Artikel volkswirtschaftlich wichtig ist oder nicht wichtig ist, werden im Verbrauchsteuerrecht einschließlich Umsatzsteuerrecht, werden im Zollwesen erledigt, gehören aber nicht in das Personensteuerrecht hinein. Wir werden es meines Erachtens erleben, daß nunmehr ein Run der Verbände und der Interessentengruppen einreißen wird, auf diese Liste, die in einer Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats erlassen werden soll, gesetzt zu werden. Man möchte auch in den volkswirtschaftlich wichtigen Dingen dabeisein. Ich darf noch betonen, daß solche Einstufungen nach Gesichtspunkten volkswirtschaftlichen Wertes seinerzeit 1935 in der Arbeitseinsatzgesetzgebung geschaffen worden sind, daß wir sie dann in der Rüstungswirtschaft im Kriege in den Dringlichkeitslisten gehabt haben.
Damit komme ich zu einem gewissen allgemeinen Abschluß. Meine Damen und Herren, meiner Auffassung nach sind wir in den Jahren der Vergangenheit auf einem nicht guten Weg insofern gewesen, als wir in das Abgabenrecht allzu viele Gesichtspunkte der Wirtschaftspolitik, der Sozialpolitik usw. hineingebracht haben, Dinge, die dann unter dem Stichwort „gezielte Maßnahmen" liefen und zu einer unendlichen Komplikation des Steuerrechts geführt haben. Der § 10, den unser Freund Miessner heute noch weiter komplizieren wollte, ist doch allmählich ein Monstrum geworden, in das alles hineingepackt worden ist, was an zeitweilig aktuellen sogenannten wirtschaftspolitischen Notwendigkeiten vorhanden war. Ich denke nur daran — und, mein Freund Lindrath, wir haben in der Fraktion mit wenigen Ausnahmen mitgesündigt —, daß wir hier erklärten, dieser Paragraph sei ja nicht so sehr steuerlicher Natur, sondern sei geschaffen worden — ich meine seine Ergänzungen —, damit er erste Hypotheken für den sozialen Wohnungsbau gebären solle.
Meine Damen und Herren! Ich glaube, eine zukünftige Steuerreform, über die so viel gesprochen wird, sollte sich eines zur Richtschnur nehmen: Wir haben es hier bei den Steuern mit Abgabenrecht zu tun. Die Maßnahmen der Wirtschaftspolitik, soweit sie den Charakter von Subventionen oder subventionsähnlichen Maßnahmen haben, gehören auf die Ausgabenseite des Haushalts, aber nicht in das Abgabenrecht, wo sie zu einer Verkrüppelung und einer Komplikation dieses Abgabenrechts führen müssen.
Ich glaube, wenn der 3. Bundestag unter diesem Gesichtspunkt an die Steuergesetzgebung und die verschiedenen Novellen herantreten wird, wird er einen guten Gedanken aufgreifen, in dem, wie ich glaube, eigentlich alle einig sind. Der 3. Bundestag sollte allerdings möglichst schon im ersten Jahr darangehen; denn im vierten Jahr kommen wieder nur gezielte Maßnahmen heraus. Wir haben es erlebt, daß an Geschenken spezieller Art ein stärkeres Interesse besteht als an einer allgemeinen Steuersenkung, wie wir, Freund Wellhausen und ich, sie vorgeschlagen hatten. Das hat auch damit viel zu tun, daß weite Bevölkerungskreise, nicht nur Einkommenbeziehergruppen, sondern ganze Berufsstände, nicht mehr einkommensteuerpflichtig sind und deshalb ein wesentliches Interesse an Änderungen des Einkommensteuerrechts nicht mehr haben. In Zukunft sollte also der Gedanke maßgeblich sein, nicht so sehr viel Wirtschaftspolitik und Sozialpolitik in das Abgabenrecht hineinzupacken, sondern es einfach zu halten und tunlichst eine Senkung des Tarifs durchzuführen.

(Beifall in der Mitte und rechts.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0221517500
Das Wort hat der Abgeordnete Miessner.

Dr. Herwart Miessner (FDP):
Rede ID: ID0221517600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist vielleicht ein recht glücklicher Umstand, daß ich gleich nach Herrn Kollegen Dr. Dresbach spreche, weil alle die Ausführungen, die er soeben in grundsätzlicher Hinsicht gemacht hat, von den Vertretern der FDP schon seit gut zwei oder drei Jahren im Finanz- und Steuerausschuß immer wieder — leider ohne die nötige Mehrheit zu finden — vorgetragen worden sind. Ein hoher Steuertarif zieht nun einmal eine Reihe von Ausnahmen nach sich, und die Ausnahmen bewirken wieder, daß die Steuerausfälle zugunsten einiger weniger so groß sind, daß der Tarif für alle nicht gesenkt werden kann. Es ist ein ausgesprochener Circulus vitiosus, in dem wir uns in der Tat bei der ganzen Steuerfrage in den letzten Jahren befunden haben. Unser Grundsatz ist — damit möchte ich meine Ausführungen zu diesem Problem abschließen —: Tarifsenkung für alle ist auf jeden Fall besser als Sondervergünstigungen für einzelne!


(Dr. Miessner)

Meine Damen und Herren, wir wollten uns aber eigentlich zur dritten Lesung über das Steueränderungsgesetz äußern. Dazu möchte ich namens der Freien Demokraten folgendes erklären: Wir haben in den Ausschüssen sehr eifrig mitgearbeitet und sind an sich auch bereit gewesen, die in manchen Punkten unzulängliche Übergangslösung mitzutragen, obwohl wir es begrüßt hätten, wenn das Splitting gleich eingeführt worden wäre. Wir hätten diese Übergangsmängel in Kauf genommen, weil wir ja die Hoffnung haben dürfen, daß das Splitting zum 1. Januar 1958 eingeführt wird.
Nun haben sich aber durch die heutige Debatte leider so entscheidende Veränderungen der Ausschußvorlage ergeben, daß wir dem Gesetz nicht mehr zustimmen können. Die Ausschußvorlage ist in dem einen Punkt des Freibetrages wesentlich dadurch geändert worden, daß auf Antrag der CDU der Freibetrag von 720 DM .auf 600 DM herabgesetzt worden ist. Das allein hätte vielleicht noch nicht ausgereicht, uns zur Ablehnung des ganzen Gesetzes zu bewegen — das möchte ich dahingestellt sein lassen —; aber die andere Frage, nämlich die, ob die Grundsätze des Karlsruher Verfassungsgerichts und die Bestimmungen des Grundgesetzes nunmehr für die noch vor uns liegenden Veranlagungen für die Jahre 1956 und 1957 angewendet werden oder nicht, ist für uns von alleräußerster Bedeutung. Wir haben heute durch die Erklärung des Kollegen Dr. Lindrath gehört, daß nach seiner Auffassung die Bestimmungen des Grundgesetzes und damit des Karlsruher Urteils für die Jahre 1956 und 1957 noch nicht angewendet werden sollen. Dementsprechend hat die Mehrheit des Hauses unseren Antrag gemäß Umdruck 1204 abgelehnt, in dem wir gerade klarstellen wollten, daß das Grundgesetz

(Zuruf von der Mitte: Das stimmt nicht!)

bereits für die Veranlagung der Jahre 1956 und 1957 anzuwenden ist. Das ist die schwerwiegendste Entscheidung, die heute getroffen wurde! Wir Freien Demokraten jedenfalls können und wollen nicht daran mitwirken, daß sich der Bundestag erneut eines Verstoßes gegen das Grundgesetz schuldig macht. Aus diesem Grunde werden wir dem Gesetz nicht zustimmen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0221517700
Wird weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die allgemeine Aussprache. Wir kommen in der dritten Lesung zur Einzelberatung.
Ich rufe auf Art. 1 mit 'dem Umdruck 1177, Änderungsantrag der Fraktion der SPD. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das Wort hat Frau Abgeordnete Beyer.

Lucie Beyer (SPD):
Rede ID: ID0221517800
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Nachdem man unseren Antrag Drucksache 2922 abgelehnt hat und damit die Förderung und steuerliche Begünstigung staatspolitischer Zwecke weiter aufrechterhält, glauben wir, daß es folgerichtig ist, zumindest dem Arbeitnehmer die gleiche Chance zu geben. Das bedeutet, daß die vom Arbeitnehmer von dem lohnsteuerpflichtigen Einkommen laufgebrachten Beiträge außerhalb der Pauschbeträge berücksichtigt werden.
Wir 'bitten daher, unserem Antrag auf Umdruck 1177 stattzugeben und der Änderung in § 41 zuzustimmen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0221517900
Das Wort hat der Herr Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221518000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Bundesfinanzministerium hat sehr erhebliche Bedenken gegen diesen Antrag. Wir sind der Ansicht, daß er dem System der einkommensteuerlichen Behandlung der Sonderausgaben zuwiderlaufen würde. Durch die Vorschrift über den Pauschbetrag für die Sonderausgaben sollte erreicht werden, daß gerade bei der Lohnsteuer mit diesem erhöhten Sonderpauschbetrag gegenüber den veranlagten Steuerpflichtigen die Prüfung von Einzelanträgen in möglichst weitem Umfange entbehrlich gemacht wird. Nach diesem Antrag wäre es aber notwendig, daß in jedem einzelnen Falle der politische Beitrag geltend gemacht wird. Das Sonderausgabenpauschale würde also geradezu seinen Sinn verlieren. Was ich hier ausgeführt habe, zeigt, daß der Antrag mit außerordentlicher Arbeitsvermehrung bei den Lohnsteuerstellen der Finanzämter verbunden wäre. Eine große Zahl von Arbeitnehmern, die bisher keine Veranlassung hatten, einen Antrag zu stellen, weil ihre gesamten Sonderausgaben unter dem Pauschbetrag liegen, müssen dann bei der Lohnsteuerstelle vorstellig werden. Wir haben auch Zweifel, ob aus dem Gesichtspunkt der Steuergerechtigkeit ein Bedürfnis ersichtlich ist, gerade die politischen Beiträge außerhalb des Sonderausgabenpauschales zu berücksichtigen. Wenn die Sonderausgaben einschließlich dieser Beiträge unterhalb des Pauschbetrages von 624 DM bleiben, sind sie durch diesen Pauschbetrag bereits berücksichtigt. Übersteigen sie einschließlich der Parteibeiträge den Pauschbetrag, so wird wie in allen anderen Fällen der übersteigende Betrag bereits jetzt auf der Lohnsteuerkarte als steuerfrei eingetragen. Es gab einmal vor einigen Jahren vorübergehend leine ähnliche Regelung für Beiträge zu Kapitalansammlungsverträgen, die auch gesondert berücksichtigt wurden. Damals war es die übereinstimmende Meinung von Bundestag und Finanzministern der Länder, also vom Bundesrat, daß diese Maßnahme nicht beibehalten werden könne. Sie ist dann abgeschafft worden.
Der Antrag führt auch insoweit zu einer gewissen Ungleichmäßigkeit, als die Maßnahme nur für Arbeitnehmer beantragt ist, die Parteibeiträge also bei Veranlagten, .die nicht Arbeitnehmer sind und keine sonstigen Sonderausgaben haben, unter den Pauschbetrag von nur 200 DM fallen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0221518100
Herr Abgeordneter Dr. Gülich!

Dr. Wilhelm Gülich (SPD):
Rede ID: ID0221518200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Regelung, die für die Förderung staatspolitischer Zwecke getroffen ist, ist nun wirklich ein Ärgernis, und zwar ein öffentliches Ärgernis. Sobald diese Novelle zum Einkommensteuergesetz damals herausgekommen war, habe ich mit Herrn Staatssekretär Hartmann wiederholt dar-
über verhandelt. Die Ungerechtigkeit liegt darin, daß Leute mit kleinem Einkommen, Arbeitnehmer, welche auch etwas für staatspolitische Zwecke tun möchten, beispielsweise ihren Parteibeitrag zahlen wollen, nicht in den Genuß kommen können, in den große Einkommensbezieher mit Spenden für staatspolitische Zwecke — sprich immer: für politische Parteien — kommen, weil die Sonderausga-


(Dr. Gülich)

ben, die sie geltend machen können, die Höhe des Pauschbetrages fast niemals überschreiten. Das ist ungerecht. Ich habe mich damals darum bemüht, daß die steuerliche Gerechtigkeit durch eine entsprechende Regelung in der Durchführungsverordnung hergestellt wird.
Die Parallelität mit den Beiträgen zu Kapitalansammlungsverträgen ist nur rein formal. Wir haben diese Regelung in Angleichung an die frühere Regelung gewählt, weil man beim § 41 unser Anliegen sinnvoll unterbringen kann. Ich habe früher wiederholt zu demselben Problem gesprochen. Das geltende Recht schließt, um ganz klar zu sprechen, beispielsweise die Mitglieder der Sozialdemokratischen Partei von den Vorteilen, die das geltende Recht bietet, aus. Sie wissen, die Sozialdemokratische Partei ist eine Mitgliederpartei. Sie finanziert sich aus Mitgliederbeiträgen. Diese werden nach dem Einkommen der Mitglieder gestaffelt. Die Einkommensbezieher sind überwiegend Arbeitnehmer.

(Abg. Dr. Dresbach: Nicht nur Arbeitnehmer!)

— Gewiß nicht alle, aber überwiegend. Sie können also nicht in den Genuß dieses von uns bekämpften und von uns als ungerecht empfundenen Paragraphen kommen.
Sie tun wirklich kein großes Werk, wenn Sie, nachdem Sie unseren Streichungsantrag vorhin abgelehnt haben, wenigstens diesem Antrag zustimmen, der noch immer nicht die Gerechtigkeit herbeiführt, der aber die Begünstigung der Ausgaben für staatspolitische Zwecke wenigstens auch für die Arbeitnehmereinkommen einführt. Das ist keine große Sache. Es ist auch keine Sache, die finanziell zu Buche schlägt, sondern es ist der Versuch, 'hier wenigstens ein bißchen Gerechtigkeit herbeizuführen. Deswegen sollten Sie sich das wirklich ernsthaft überlegen oder gar nicht mehr lange überlegen, sondern zustimmen.

(Abg. Dr. Dresbach: Herr Gülich, an sich halten Sie die Sache für eine Sünde! Aber Sie wollen sich daran beteiligen!)

— Jawohl, Herr Dresbach, die Sünde ist ganz klar. Die Sünde ist von Ihnen begangen und vorhin erneut bekräftigt worden.

(Abg. Dr. Dresbach: Ich habe dagegen gestimmt!)

— Schön, Sie haben dagegen gestimmt; dann stimmen Sie wenigstens jetzt hierfür. Die Sünde ist von Ihnen begangen, und Sie sind ja der Meinung. daß es eine läßliche Sünde sei. Wenn es eine läßliche Sünde ist, dann, bitte, stimmen Sie diesem Antrag zu, damit auch die Arbeitnehmer in den Genuß 'kommen — es ist ja gar kein Genuß -
damit die Arbeitnehmer wenigstens das Gefühl haben, daß auch sie gerecht behandelt werden.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0221518300
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Eckhardt.

Dr. Walter Eckhardt (CSU):
Rede ID: ID0221518400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht. über Recht und Unrecht, Berechtigung oder Nichtberechtigung der Abzugsfähigkeit von Ausgaben für politische Zwecke zu sprechen. Darüber ist -das haben Sie selber schon hervorgehoben — in diesem Hause übergenug geredet worden.
Aber wenn schon eine Sünde vorliegen soll und Sie uns das Angebot machen, daß auch Sie sich an der Sünde beteiligen wollen, würde ich doch vorschlagen, das auf eine Weise zu machen, die wenigstens der Verwaltung gerecht wird. Wir haben nun einmal aus verwaltungsmäßigen Gründen mehrere Pauschbeträge für Arbeitnehmer im Einkommensteuergesetz. Wenn die Werbungskosten oder Sonderausgaben die Pauschbeträge übersteigen, werden die Beträge auf Antrag erhöht. Normalerweise überschreiten aber die Werbungskosten und Sonderausgaben diese Pauschbeträge gar nicht. Dann hat der Arbeitnehmer einen echten Vorteil; das ist eine Art besonderer Freibetrag für ihn.
Wir haben von vornherein auf dem Standpunkt gestanden, man soll die Werbungskosten- und Sonderausgaben-Pauschbeträge möglichst hoch festsetzen; tatsächlich sind die Pauschbeträge, die in § 10 des Einkommensteuergesetzes für alle anderen Steuerpflichtigen festgesetzt sind, wesentlich niedriger. Wenn wir nun noch den Abzug eines weiteren Betrages — außerhalb dieses Pauschbetrages — zulassen, verstoßen wir zunächst einmal gegen das von uns selbst begründete und von uns vertretene System, und wir machen den Finanzämtern ohne Zweifel eine zusätzliche Verwaltungsarbeit. Wir nutzen den Beteiligten auch nicht viel, denn — Herr Professor Gülich, damit haben Sie recht — es wird sich nicht um sehr große Beträge handeln. Gerade deswegen sollte man den anderen Weg gehen, den wir auch schon einmal vorgeschlagen haben, den Pauschbetrag für Werbungskosten und Sonderausgaben der Lohnsteuerpflichtigen zu erhöhen. Dann kommt man auf einem ganz anderen Wege zum selben Ziel und hat keine verwaltungsmäßige Komplikation. Es handelt sich hier nicht um eine Frage der steuerlichen Gleichmäßigkeit, sondern um eine Frage der Einfachheit, der Unkompliziertheit der Verwaltung. Auf diesem Wege, nämlich auf dem Wege einer Erhöhung des Pauschbetrages für Werbungskosten und Sonderausgaben, würden wir mit Ihnen gehen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0221518500
Meine Damen und Herren, noch eine Wortmeldung? — Herr Dr. Gülich!

Dr. Wilhelm Gülich (SPD):
Rede ID: ID0221518600
Herr Kollege Eckhardt, das heißt doch einfach: den Antrag jetzt begraben. Wir können doch jetzt nicht neue Anträge stellen und über eine generelle Erhöhung der Pauschbeträge für Werbungskosten und Sonderausgaben diskutieren.

(Abg. Dr. Eckhardt: Wir haben es schon lange vorgeschlagen! Sie waren ja nicht einverstanden!)

— Das trifft die Sache nicht, sondern es handelt sich darum, daß — wenn Sie dem Antrag zustimmen — diejenigen Arbeitnehmer, die für staatspolitische Zwecke einen Beitrag leisten wollen, nicht schlechter gestellt werden als die Unternehmer, die große Summen stiften. Das ist alles. Wir möchten, daß die Arbeitnehmer, die für staatspolitische Zwecke Beiträge leisten, diese Beiträge genauso von ihren Steuern absetzen können, wie es die Großeinkommensbezieher können, deren Betrag immer ohnehin über dem Pauschbetrag liegt. Ich verstehe nicht, warum Sie jetzt Vorschläge machen, die sich gar nicht verwirklichen lassen. Jetzt muß hier der Sache zugestimmt werden.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0221518700
Meine Damen und Herren, Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich schließe die Aussprache zu diesem Punkt.


(Vizepräsident Dr. Jaeger)

Ich lasse abstimmen über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD zu Artikel 1, Umdruck 1177, eine neue Nummer 13 a einzufügen. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Damit ist die Einzelberatung beendet.
Ich komme nunmehr zur Schlußabstimmung in der dritten Beratung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. —Enthaltungen? — Ohne Enthaltungen gegen einige Stimmen angenommen.
Meine Damen und Herren, wir kommen nunmehr zu den Entschließungsanträgen, deren es diesmal eine ganze Reihe sind. Ich rufe auf die Entschließungsanträge auf den Umdrucken 1178, 1198, 1218 und 1219. Wird hierzu noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Abstimmung. Ich lasse abstimmen über den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 1178. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen; einstimmig angenommen.
Ich lasse abstimmen über den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU Umdruck 1193. Wer zuzustimmen wünscht, ,den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. -
Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen; einstimmig angenommen.
Ich komme zum Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der DP (FVP) Umdruck 1218. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen; einstimmig angenommen.
Ich komme zum Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 1219. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen; einstimmig angenommen. Damit sind die Entschließungsanträge verabschiedet.
Wir kommen nunmehr zu den Ausschußanträgen unter Ziffern 2, 3 und 4. Ich glaube, wir können über alles gemeinsam abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen; einstimmig angenommen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe nunmehr ,auf Punkt 7 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines
Neunten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksachen 2077, 2419, 2611);
Schriftlicher Bericht dies Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (19. Ausschuß) (Drucksachen 3511, zu 3511).

(Erste Beratungen: 130., 149., 162. Sitzung.)

sowie in Verbindung damit Punkt 9 der Tagesordnung:
Zweite Beratung
des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksache 510),
des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksache 1623),
des von der Fraktion der DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksache 1715),
des von den Abgeordneten Karpf, Dr. Franz, Frau Dr. Probst und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksache 1984),
des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksache 2069),
des von den Abgeordneten Kroll, Dr. Leiske, Gedat und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksache 2071),
des von den Abgeordneten Stiller, Frau Geisendörfer und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksache 2218),
des von den Abgeordneten Dr. Eckhardt, Dr. Dollinger, Höcherl, Wieninger und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksache 2231),
des von den Abgeordneten Dr. Dollinger, Höcherl, Dr. Eckhardt, Wieninger und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksache 2232);
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (19. Ausschuß) (Drucksachen 3512, zu 3512).

(Erste Beratungen: 31., 109., 108., 122., 138. Sitzung.)

Berichterstatter zu Punkt 7 der Tagesordnung ist der Abgeordnete Dr. Eckhardt. Ich erteile ihm das Wort.

Dr. Walter Eckhardt (CSU):
Rede ID: ID0221518800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beziehe mich im wesentlichen auf meinen Schriftlichen Bericht. Ungeachtet der Bedeutung, die eine solche Reformmaßnahme hat, glaube ich doch, es mit der vorgeschrittenen Zeit rechtfertigen zu können, auf die einzelnen Punkte nicht noch einmal erläuternd einzugehen. Dennoch bedürfen einige Punkte einer gewissen Erklärung.
Ich darf zunächst zur formellen Seite darauf hinweisen — das ist schon auf Seite 7 meines Schriftlichen Berichts zu Drucksache 3511 gesagt —, daß in Artikel 2 des Gesetzentwurfs die Worte „im Geltungsbereich dieses Gesetzes" zu streichen sind.
Ich möchte weiter darauf aufmerksam machen, daß der Gesetzentwurf unter Nr. 2 einen § 7 b in das Umsatzsteuergesetz einfügt, der im wesentlichen einer Entschließung des Bundestages vom 13. Dezember 1956 entspricht. Hiernach ermäßigt sich die Steuer auf 1 v. H. für die im Großhandel ausgeführten Lieferungen von geschlachteten Rin-


(Dr. Eckhardt)

dern usw. Ursprünglich hatte der Bundestag am 13. Dezember 1956 eine Entschließung gefaßt, wonach auch Hälften von Kälbern und Schafen begünstigt sein sollten. Der Bundesfinanzminister hat daher die entsprechende Umsatzsteuer gestundet. Es würde naheliegen — der Umsatzsteuer-Unterausschuß hat sich dazu bekannt —, hier von einer rückwirkenden Erhebung der gestundeten Steuer insoweit abzusehen.
Ich darf auf einen weiteren Punkt hinweisen, der in diesem Hause zu Fragen geführt hat. In Nr. 6 des Artikel 1 des Gesetzentwurfs finden Sie eine sehr wichtige Ermächtigung. Danach braucht die Umsatzsteuer dann nicht mehr erhoben zu werden, wenn der Unternehmer nicht in Wettbewerb zur gewerblichen Wirtschaft tritt. Beispiele dafür habe ich in meinem Schriftlichen Bericht gebracht. Ich weise insbesondere zum Beispiel auf die Aufwandsentschädigungen für ehrenamtliche Tätigkeit von Handwerksmeistern, auf Lieferungen zwischen Krankenhäusern und ähnliches mehr hin. Zufolge dieser Vorschriften können solche Umsätze künftig von der Umsatzsteuer freigestellt werden, während bisher in der Regel in solchen Fällen langwierige Auseinandersetzungen, Erlaßanträge und dergleichen erforderlich waren.
Nun ist von seiten der Jugendorganisationen gefragt worden, inwieweit die Jugendverbände im Rahmen des Gesetzentwurfs Berücksichtigung fänden. Es handelt sich hier um die Umsatzsteuerbefreiung von Lehrgängen, Freizeiten, Zeltlagern usw., die von den Jugendorganisationen seit langem gewünscht und auch von Vertretern dieses Hauses in Form von Anträgen gefordert worden ist. Auch diese Umsätze würden nach der Ermächtigung, die ich soeben zitiert habe, künftig nicht mehr unter die Umsatzsteuer fallen. Ich will ausdrücklich zitieren, was in den Besprechungen zwischen Bundestag, Bundesinnenministerium und Bundesfinanzministerium auf diesem Gebiet verabredet worden ist. Es werden folgende Leistungen der anerkannten Jugendverbände einschließlich ihrer Untergliederung und der Organe der öffentlichen Jugendpflege bei Annahme der Nr. 6 dieses Gesetzentwurfs künftig von der Umsatzsteuer frei sein: erstens die Durchführung von Lehrgängen, Freizeiten, Zeltlagern, Fahrten und Treffen sowie von Veranstaltungen, die der Leibeserziehung oder der Erholung dienen, soweit diese Leistungen Jugendlichen oder Jugendleitern unmittelbar zugute kommen: zweitens die Gewährung von Beherbergungen, Beköstigungen und den üblichen Naturalleistungen an Jugendliche und Jugendleiter in Verbindung mit den genannten Leistungen; drittens die Durchführung von kulturellen Veranstaltungen, wenn die Darbietungen von den Jugendlichen selbst erbracht werden oder die Einnahmen vorwiegend zur Deckung der Unkosten verwendet werden. Ich glaube. daß damit alles erfaßt ist, was auf diesem Gebiet füglich verlangt werden kann.
Auf Einzelheiten des Gesetzentwurfs möchte ich nicht mehr eingehen; unter Umständen wird anhand der Änderungsanträge darüber noch einmal gesprochen werden. Aber gerade im Hinblick darauf, daß vorhin ein sehr negatives Urteil über die Steuerpolitik der letzten Jahre gefällt worden ist, ist es vielleicht auch dem Berichterstatter gestattet, darauf hinzuweisen, daß der Gesetzentwurf eine Fülle von Erleichterungen und Verbesserungen, auch Vereinfachungen des Umsatzsteuerrechts,und zwar des geltenden Systems, enthält. Diese Erleichterungen, Verbesserungen und Vereinfachungen kommen sowohl dem Handel wie dem Handwerk, der Industrie und auch einer Reihe von Angehörigen freier Berufe zugute. Ich darf darauf hinweisen, daß nach dem Gesetzentwurf die Leistungen, die die freien Ingenieure für die Planung von Konstruktionen für Anlagen im Ausland erhalten, von der Umsatzsteuer frei sein werden. Ich darf weiter darauf aufmerksam machen, daß von dieser Befreiungsvorschrift auch die Industrie und insbesondere auch das Handwerk, vornehmlich das Kunsthandwerk, Vorteile haben wird. Die alte Klage der Journalisten und der ihnen verwandten Berufe, daß sie den Auslagenersatz für Ferngespräche, Fernschreiben und ähnliche Gebühren der Umsatzsteuer unterwerfen müssen, kann nach Ziffer 6 des Entwurfs in Zukunft behoben werden. Schließlich ist ein besonderer Wunsch des Handwerks, nämlich die Freistellung von Arbeitsgemeinschaften des Handwerks, insbesondere von Bauarbeitsgemeinschaften, von der Umsatzsteuer mit diesem Gesetzentwurf erfüllt worden. Auch der Kaffeegroßhandel, der insbesondere über Verletzungen der Wettbewerbsneutralität geklagt hat, findet Berücksichtigung seiner Wünsche. Die Versicherungswirtschaft, die Ausfuhrwirtschaft ganz allgemein — in einer Neuregelung der Vergütungsbestimmungen —, das Handwerk, der Handel, sie alle partizipieren an den Regelungen, die in langwieriger Arbeit im Umsatzsteuer-Unterausschuß und im Finanzausschuß des Bundestages beschlossen worden sind. Die Vorschriften, die Ihnen hier zur Annahme vorgeschlagen werden, schließen sich damit an die Fülle von Erleichterungen und Verbesserungen an, die die Verordnung vom 7. Februar 1957 auf diesem Gebiet bereits gebracht hat.
Gewiß. das alles ist noch nicht das, was wir uns wünschen. Eine vollständige Reform oder gar ein Systemwechsel auf dem Gebiet des Umsatzsteuerrechts haben in diesem Bundestag nicht durchgeführt werden können. Es ist zu bezweifeln, ob schon in nächster Zeit die Möglichkeiten für eine so vollständige Reform und für so weitgehende Maßnahmen gegeben sind, wenn man die außerordentlichen volkswirtschaftlichen Auswirkungen bedenkt, die mit der Umstellung einer 12-Milliarden-DM-Steuer innerhalb der deutschen Volkswirtschaft zusammenhängen.
Aber es ist doch einiges geschehen, auf das dieser Bundestag mit einer gewissen Befriedigung blikken kann. Ich meine, es sind auch weithin die Grundlagen gelegt, um auf diesem Wege in Zukunft, in den nächsten Monaten, in den nächsten Jahren und im nächsten Bundestag, erfolgreich fortschreiten zu können.
Ich bitte Sie im Namen des Finanzausschusses, die Vorschläge dieses Gesetzes anzunehmen.

(Beifall in der Mitte.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0221518900
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Dr. Lindrath.

Dr. Hermann Lindrath (CDU):
Rede ID: ID0221519000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der mündlichen Berichterstattung zu dem soeben verabschiedeten Gesetz gemäß Drucksache 3509 hatte ich darauf hingewiesen, daß der Gesetzentwurf über die steuerliche Begünstigung von Importwaren nach Drucksache 3427 dem Ausschuß für Finanz- und


(Dr. Lindrath)

Steuerfragen später überwiesen war und dann in das Gesetz, das wir verabschiedet haben, eingearbeitet worden ist. Deswegen mußte der Antrag des Ausschusses in Drucksache 3509 in Punkt 1 noch um die Drucksache 3427 ergänzt werden.
In dieser Form ist nicht darüber abgestimmt worden. Ich bitte den Herrn Präsidenten, hierüber noch abstimmen zu lassen, damit mit Punkt I des Antrags des Ausschusses vom 10. Mai nach der Drucksache 3509 auch über die Drucksache 3427 entschieden worden ist.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0221519100
Meine Damen und Herren, ich darf zuerst den Dank an den Herrn Berichterstatter nachholen.
Ich schlage vor, da Widerspruch wohl nicht erhoben wird, daß die Berichtigung des Herrn Berichterstatters zum Beschluß erhoben wird. — Kein Widerspruch; es ist so geschehen.
Ich komme nunmehr zur Beratung des Art. 1 mit den Umdrucken 1111 (neu), 1123, 1188 (neu), 1202, 1216 und 1109. Wird hierzu das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Seuffert!

Walter Seuffert (SPD):
Rede ID: ID0221519200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich nehme an, daß der Herr Präsident zuerst den Art. 1 Nr. 1 aufgerufen hat. Hierzu liegen Ihnen die Änderungsanträge der Fraktion der SPD auf Umdruck 1123 und der Fraktion der FDP auf Umdruck 1111 (neu) vor, die inhaltlich gleichlautend sind.
Ich kann mich kurz fassen. Durch die Neuordnung des Rundfunks nach dem Kriege ist in § 4 Nr. 7 eine Unklarheit hineingetragen worden, die vorher nicht darin war. Der staatliche Rundfunk, wie er vor dem Kriege bestand, war in seinen Umsätzen von der Umsatzsteuer befreit Jetzt haben wir öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten auf der Grundlage verschiedener Ländergesetze. Es ist Streit darüber entstanden, ob die Anteile an den Rundfunkgebühren, die diesen Rundfunkanstalten zufließen, umsatzsteuerfrei sind oder nicht.
In der Praxis wird nicht daran gedacht, diese Umsatzsteuer zu erheben. Es sind aber Steuerprozesse anhängig gemacht worden auf der Grundlage der verschiedenen Rundfunkgesetze, obwohl es offensichtlich sein sollte, daß diese Frage nicht von der Gestaltung des einen oder anderen Rundfunkgesetzes abhängig sein kann. Wir bitten Sie deswegen, ebenso wie die FDP, diese Frage klarzustellen, indem die Einnahmen der Rundfunkanstalten von der Umsatzsteuer freigestellt werden.
Was die Fassung des Antrags anlangt, so würde ich der des FDP-Antrags den Vorzug geben und unseren Antrag zu dessen Gunsten zurückziehen. Wenn, wie ich höre, gewünscht wird, in den §4 eine neue Nummer einzufügen — statt einer Änderung der Nr. 7 —, so stimmen wir auch dem zu.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0221519300
Ich weiß nicht, in welcher Reihenfolge wir verfahren müssen, ob wir zuerst die gesamte Diskussion über sämtliche Anträge, Begründung und Aussprache halten, — —

(Abg. Dr. Miessner: Ich wollte den Antrag Umdruck 1111 begründen!)

— Wollen wir nicht zuerst die gesamte Diskussion führen und zum Schluß abstimmen? — Offenbar ist das der Wunsch.

(Abg Dr. Miessner: Nein, einzeln abstimmen! Das hängt ja nicht zusammen!)

— Die Abstimmung selbstverständlich getrennt. Aber wir können zuerst die gesamte Diskussion über sämtliche Anträge und Paragraphen machen und dann der Reihe nach abstimmen, oder wir können jeden Antrag einzeln begründen, darüber diskutieren und dann abstimmen. Welchen Weg wünschen Sie?

(Abg. Dr. Miessner: Einzeln diskutieren und abstimmen; sonst findet sich kein Mensch mehr durch!)

— Gut, wenn Sie das für das Bessere halten, machen wir das. Dann kommt also zuerst Umdruck 1111. Herr Dr. Miessner hat das Wort.

Dr. Herwart Miessner (FDP):
Rede ID: ID0221519400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte den Antrag Umdruck 1111 (neu) der FDP begründen, der die Umsatzsteuerfreiheit der Rundfunkgebühren zum Ziel hat.
Bei den Rundfunkgebühren handelt es sich um eine Art öffentlich-rechtlicher Gebühr. Sie wurden vor 1945 nicht zur Umsatzsteuer herangezogen, nach 1945 zumindest im überwiegenden Teil der Bundesrepublik so lange nicht, wie die Länder für die Umsatzsteuer zuständig waren. Erst nach der Übernahme der Umsatzsteuer durch den Bund ergingen unterschiedliche Heranziehungen und entsprechende Urteile der Finanzgerichte. Das Finanzgericht in Freiburg z. B. war gegen die Umsatzsteuerfreiheit und das Finanzgericht in Hamburg dafür. Bei dieser Sachlage hat es naturgemäß keinen Sinn, den juristischen Streit in einem Parlament zu vertiefen. Man sollte aber die Entscheidung überhaupt nicht den Finanzgerichten überlassen; denn diese werden nach der Judikatur des Bundesfinanzhofs einen Teil der Rundfunkanstalten freistellen, andere wahrscheinlich wieder nicht, weil nun einmal die Frage sehr auf der Grenze liegt.
Bei dieser Sachlage erscheint uns die bundesgesetzliche Regelung dringend geboten. Diese kann entsprechend der früheren Praxis und der Rechtslage bei den wichtigsten Rundfunkanstalten nur dahin gehen, daß die Steuerfreiheit der Rundfunkgebühren von uns hier klargestellt wird. Wir bitten daher um Zustimmung zu unserem Antrag, der sich in der Tat mit dem SPD-Antrag sachlich deckt.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0221519500
Bevor ich das Wort weiter erteile, bitte ich die Antragsteller der Umdrucke 1111 und 1123, die tatsächlich dasselbe beantragen, sich auf einen gemeinsamen Text zu einigen.

(Abg. Seuffert: Ich habe soeben bereits erklärt, daß wir unseren Antrag zugunsten von Umdruck 1111 zurückziehen!)

— Gut, Sie ziehen zugunsten von Umdruck 1111 zurück. — Das Wort hat Herr Staatssekretär Hartmann.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0221519600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte in diesem Moment nicht auf gewisse formelle Bedenken eingehen, die gegen die Fassung der Anträge sprechen.


(Staatssekretär Hartmann)

Zur Sache selbst: Ich habe den Eindruck, daß die Angelegenheit für eine gesetzgeberische Behandlung noch nicht spruchreif ist. Es wurde soeben schon erwähnt, daß Steuerprozesse schweben und daß der Bundesfinanzhof in den Dingen noch nicht entschieden hat. Es ist etwas mißlich, während des Schwebens von Verfahren vor dem höchsten Steuergericht im Wege der Gesetzgebung einzugreifen. Die Umsatzsteuer ist in allen Fällen gestundet, so daß praktisch nichts passiert. Es ist möglich, daß beim Hessischen Rundfunk die Stundung noch nicht ausgesprochen worden ist; das soll aber geschehen.
Wir haben noch ein weiteres Bedenken. Wie Ihnen bekannt ist, schweben seit längerer Zeit zwischen dem Bundesinnenministerium und den Rundfunkanstalten umfangreiche Verhandlungen über die Neuordnung des Rundfunkwesens. Das Vertragswerk ist aufgestellt, und in diesem Vertragswerk soll auch die Frage der Umsatzsteuer geregelt werden. Wir würden also auch dieser ins Auge gefaßten Regelung zwischen der Bundesregierung und den Rundfunkanstalten vorgreifen, wenn wir diese Frage jetzt erörterten.
Es wurde darauf hingewiesen, daß die Umsatzsteuer früher bei der Reichspost auf Grund einer Sondervorschrift nicht erhoben wurde. Ich muß aber darauf hinweisen, daß der Reichsfinanzhof die Umsatzsteuerpflicht der Rundfunkgebühren bejaht hatte. Erst als das Dritte Reich den Rund funk zum Instrument seiner politischen Massenbeeinflussung gemacht hatte, sind durch eine Gesetzesänderung die Rundfunkeinnahmen der Reichspost umsatzsteuerfrei gestellt worden. Inzwischen ist durch die Schaffung selbständiger Rundfunkanstalten die Unabhängigkeit des Rundfunks wiederhergestellt worden. Ich glaube also nicht, daß man sich jetzt auf eine Spezialgesetzgebung der nationalsozialistischen Zeit, in der die Unabhängigkeit des Rundfunks vollkommen aufgehoben worden ist, berufen sollte.
Da, wie ich schon sagte, zwischen dem Bundesinnenministerium und den Rundfunkanstalten Vertragsverhandlungen schweben und, wie ich glaube, eine befriedigende Regelung dieser Frage im Gange ist, möchte ich bitten, in diesem Augenblick die Sache zurückzustellen und heute nicht eine Gesetzesänderung zu beschließen, gegen die außerdem, wie ich einleitend sagte, gewisse formale Bedenken bestehen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0221519700
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Eckhardt.

Dr. Walter Eckhardt (CSU):
Rede ID: ID0221519800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Sache selbst will ich nur darauf hinweisen, daß an der Befreiung der Rundfunkgebühren von der Umsatzsteuer eigentlich kein großer Zweifel besteht, sondern daß hier lediglich die Terminfrage zur Debatte steht, ob diese Befreiung entsprechend dem Rechtszustand, der bis 1945 bestanden hat, jetzt ausgesprochen werden soll oder ob sie aus taktischen Gründen, insbesondere aus Gründen der Verhandlungstaktik zwischen Bund und Ländern, hinausgeschoben werden soll.
Aber für den Fall, daß dieser Antrag hier angenommen werden sollte, möchte ich vorschlagen, die Befreiungsvorschrift textlich anders zu fassen, um dem Umsatzsteuerrecht systematisch gerechter zu werden, nämlich unter der Nr. „vor 1" zu sagen:
§ 4 erhält folgende neue Ziffer 22: „Die Umsätze der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, soweit die Entgelte für die Umsätze in den Rundfunkgebühren bestehen ..."
Ich darf mich auf meine Gespräche mit Herrn Seuffert und auch Herrn Miessner beziehen, die ja, glaube ich, damit einverstanden sind und auch der Überzeugung sind, daß hier nicht eine sachliche, sondern nur eine formale Änderung im Interesse der Systematik vorgeschlagen wird.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0221519900
Herr Abgeordneter Seuffert!

Walter Seuffert (SPD):
Rede ID: ID0221520000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich danke Herrn Kollegen Eckhardt für diesen Vorschlag und mache mir seine Fassung für unseren Antrag zu eigen. Ich hoffe daraus schließen zu können, daß er unserem Antrag zustimmen wird.
Dem Herrn Staatssekretär möchte ich erwidern, daß gerade die Führung dieser Steuerprozesse und der Vorhalt der Umsatzsteuerforderung wegen künftiger Finanzverhandlungen — obwohl man überzeugt sein kann, daß diese Umsatzsteuer niemals erhoben werden kann — durch die Gesetzesänderung beendigt werden soll.

(Sehr richtig! bei der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0221520100
Meine Damen und Herren, wenn ich Herrn Abgeordneten Dr. Eckhardt richtig verstanden habe, hat er selbst keinen Antrag gestellt, sondern Herrn Seuffert nahegelegt, seinen Antrag so zu formulieren. Das hat Herr Seuffert inzwischen getan.
Wird noch das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Miessner!

Dr. Herwart Miessner (FDP):
Rede ID: ID0221520200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wir machen uns die Textfassung von Herrn Dr. Eckhardt zu eigen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0221520300
Wird noch weiter das Wort gewünscht? — Dann lasse ich über den Antrag Umdruck 1111, der also jetzt ein gemeinsamer Antrag von SPD und FDP ist, mit der soeben von den beiden Antragstellern gemachten Änderung abstimmen. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Vorstand ist sich nicht einig. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Sitz zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Da sich der Sitzungsvorstand auch jetzt nicht einig ist, muß ich Sie leider noch zu so später Stunde bitten, sich hinauszubemühen, damit wir auszählen können. Ich bitte, den Saal zu räumen und die Türen zu schließen.
Ich bitte, die Türen zu öffnen. Ich schließe die Abstimmung.
Meine Damen und Herren! Ich gebe das Ergebnis der Auszählung bekannt: Mit Ja haben gestimmt 139 Abgeordnete, mit Nein 126: enthalten haben sich 2 Abgeordnete. Der Antrag ist damit angenommen.
Meine Damen und Herren, wir stehen am Ende der heutigen Beratung. Ich berufe die nächste Sitzung auf Donnerstag, den 27. Juni 1957, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.