Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, ich darf an die Vereinbarungen erinnern, die der Ältestenrat in seiner gestrigen Sitzung für heute getroffen hat. Als erster Punkt der Tagesordnung kommt heute die Beratung des Gesetzentwurfs zur Gleichstellung aller Arbeitnehmer im Krankheitsfall; Punkt 2 der Tagesordnung vom 24. Mai. Dann folgen die Fortsetzung der zweiten Beratung des Haushalts sowie die Beratung der noch zu erledigenden Anträge Punkte 5 bis 10 der Tagesordnung vorn 23. Mai. Darauf folgt die erste Beratung des Änderungsgesetzes zu den Kindergeldgesetzen; Punkt 11 der Tagesordnung vom 23. Mai. Schließlich erfolgt die Erledigung der weiteren Tagesordnungspunkte der Tagesordnung vom 24. Mai. Die Fragestunde wird auf die nächste Woche verlegt.
Ich rufe den ersten Punkt — den zweiten der Tagesordnung von heute — auf:
Zweite und dritte Beratung des von der SPD eingebrächten Entwurfs eines Gesetzes zur Gleichstellung aller Arbeitnehmer im Krankheitsfall ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik (Drucksache 3504). (Erste Beratung: 108. Sitzung.)
Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Schüttler.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf Drucksache 1704 der Fraktion der SPD vom 28. September 1955 wurde in der 108. Sitzung des Deutschen Bundestages am 26. Oktober 1955 in erster Lesung behandelt und dem Sozialpolitischen Ausschuß als federführendem Ausschuß sowie dem Ausschuß für Arbeit und dem Ausschuß für Sonderfragen des Mittelstandes zur Mitberatung überwiesen.
Nach dem gegenwärtigen Recht hat der Arbeitnehmer Anspruch auf eine Vergütung für seine Dienstleistung, wenn er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert ist. Dieser Anspruch kann für den Arbeiter vertraglich abgedungen werden. Für den Angestellten dagegen ist nach § 616 Abs. 2 BGB dieser Anspruch nicht abdingbar. Während somit der Angestellte in der Regel für die ersten sechs Wochen seiner Erkrankung
Anspruch auf Fortzahlung seines vollen Gehalts hat, hat der Arbeiter nur Anspruch auf das Krankengeld, das die Hälfte seines Grundlohnes beträgt. Diese unterschiedliche Behandlung der Angestellten und Arbeiter im Krankheitsfalle entspricht nicht mehr der heutigen Auffassung und gerechten Wertung sowie auch nicht dem sozialen Denken der Zeit. Die Arbeiterfamilie wird durch diese Minderbetreuung im Krankheitsfalle sehr oft in große materielle Not gestürzt. Es wird auch in fast allen Schichten unseres Volkes anerkannt, daß der Facharbeiter mit seiner Leistung und seiner Verantwortung, die er im Wirtschaftsleben und im Einzelbetrieb trägt, den Angestellten in den meisten Fällen nicht nachsteht, sondern diese in der Verantwortung sehr oft weit übertrifft.
Der Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 1704 hat daher die volle rechtliche Gleichstellung der Arbeiter mit den Angestellten und somit die Weiterzahlung des Lohnes in den ersten sechs Wochen der Krankheit durch den Arbeitgeber zum Inhalt.
Sämtliche Mitglieder des Sozialpolitischen Ausschusses stimmten im Grundsatz der Berechtigung des zur Beratung stehenden Antrags zu. Doch glaubte man nach ernstlichen Beratungen, dieses sicherlich erstrebenswerte Ziel wegen der großen wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen nur schrittweise erreichen zu können. Die wirtschaftlichen Auswirkungen — so wurde von mehreren Mitgliedern des Ausschusses immer wieder betont — seien zur Zeit kaum zu überschauen, vor allem im Hinblick auf das Kleingewerbe und den Mittelstand, worauf man unbedingt Rücksicht nehmen müsse. Jeglicher sozialer Fortschritt — so wurde betont — beruhe letztlich auf der Leistungsfähigkeit der Wirtschaft, und diese zu erhalten, müsse bei allen sozialpolitischen Bestrebungen oberstes und höchstes Ziel sein.
Von mehreren Seiten wurde auf die vielen in den letzten Monaten getroffenen Maßnahmen auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet verwiesen und das Gesamtvolumen der sich daraus ergebenden Belastung der Wirtschaft in die Betrachtung einbezogen, und so kam man zu dem Ergebnis, das sehr berechtigte Ziel des Antrags, die volle Gleichstellung der Arbeiter mit den Angestellten im Krankheitsfalle, nur etappenweise anstreben und erreichen zu können.
Nach dem vom Bundesministerium für Arbeit angestellten Berechnungen würde der Entwurf der SPD-Fraktion eine wirtschaftliche Mehrbelastung von zirka 1 700 Millionen DM = 3 1/2 bis 4 % der Lohnsumme der Arbeiter ausmachen. Dabei ist keineswegs berücksichtigt, welche Belastung sich durch das Ansteigen der Krankheitsziffern, das nach aller Erfahrung wohl mit einer solchen Lösung zunächst unweigerlich verbunden ist, für die Wirtschaft ergeben wird. Auch der SPD-Entwurf rechnet vor allem für die mittelständische Wirtschaft mit einem fast nicht tragbaren Volumen und Risiko bei der Durchführung seines Entwurfs.
Er sieht daher eine Ausgleichskasse für diese
kleinen Betriebe vor, um das Risiko für den einzelnen auf eine größere Gemeinschaft zu verteilen.
Aber wenn auch damit das Risiko auf mehr Schultern verteilt würde, glaubte der Ausschuß in seiner Mehrheit doch nicht, daß die Wirtschaft
die entstehende Gesamtbelastung neben den vielen anderen in der letzten Zeit schon auf sie zugekommenen Maßnahmen verkraften könne. Der Ausschuß konnte sich deshalb mit Mehrheit auch nicht zu der Bildung einer solchen Ausgleichskasse entschließen, zumal hiermit neue Verwaltungskosten verbunden wären und die Belastung sich noch weiter erhöhen würde.
In der Grundsatzdebatte entschied sich der Sozialpolitische Ausschuß aus den vorgetragenen Gründen mit Mehrheit zunächst einmal für eine Lösung, die dem dem Antrag zugrunde liegenden Ziel zu einem Teil gerecht wird.
Der mitberatende Ausschuß für Sonderfragen des Mittelstandes hatte unter dem 5. April 1957 dem Sozialpolitischen Ausschuß seine Stellungnahme zur Gleichstellung unterbreitet. Er war zu dem Entschluß gekommen, die Besserstellung der Arbeiter grundsätzlich zu begrüßen. Jedoch glaubte er, eine Lösung nur über die Anhebung des Krankengeldes vorschlagen zu sollen. Ebenso schlug dieser Ausschuß vor, die bisher bestehenden drei Karenztage auch in Zukunft beizubehalten. Diese Beschlüsse des Ausschusses für Sonderfragen des Mittelstandes wurden, wie er mitteilte, mit Mehrheit gefaßt.
Der Ausschuß für Arbeit, der sich mit der Materie ebenfalls befaßt hat, und zwar vor den Beschlüssen des Ausschusses für Sozialpolitik, legte dem Sozialpolitischen Ausschuß einen eigenen Entwurf in dieser Frage vor. Nach diesem Entwurf sollte die Angleichung einmal durch eine Erhöhung des Krankengeldes für die ersten sei Wochen der Arbeitsunfähigkeit von 50 auf 60 % erreicht und im übrigen dem Arbeitgeber die Differenzzahlung bis zu 90 % des Nettolohns aufgetragen werden. Er empfahl, die Zahl der Karenztage von drei auf zwei herabzusetzen und diese nach 14tägiger Krankheit ganz wegfallen zu lassen.
Der Ausschuß für Sozialpolitik beschloß mit Mehrheit, diese Anregungen des Ausschusses für Arbeit zur Grundlage seiner eigenen weiteren Verhandlung zu machen. Von den Mitgliedern der Opposition wurde während der Beratungen des Ausschusses ein Kompromißvorschlag unterbreitet, der dem Arbeiter zwar im Grundsatz den Anspruch auf volle Lohnfortzahlung für die ersten sechs Wochen der Krankheit gegen den Arbeitgeber zubilligt, jedoch die Leistung der Krankenkasse, die bestehen bleiben sollte, in Anrechnung bringt.
Diese Lösung hätte eine Anzahl rechtlicher Schwierigkeiten mit sich gebracht, die nur dann hätten gelöst werden können, wenn alle einschlägigen Rechtsvorschriften, so z. B. das Sozialversicherungsgesetz, das Steuerrecht, das Arbeitsrecht, auf dieses neue Gesetz abgestimmt worden wären, Das wäre schon zeitlich in diesem Bundestag kaum möglich gewesen. Auch wären im Ergebnis die Aufwendungen nach diesem von den Mitgliedern der SPD vorgetragenen Kompromiß über die der Mehrheit zur Zeit zuamutbar erscheinende Belastung weit hinausgegangen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Ihnen jetzt vorliegenden, vom Sozialpolitischen Ausschuß erarbeiteten Vorschläge vermeiden einerseits die rechtlich schwierige Anpassung der übrigen Rechtsgebiete, andererseits auch eine übermäßige und im Augenblick kaum zumutbare Belasteng der Wirtschaft, besonders des mittelständischen Gewerbes.
§ 1 des Entwurfs enthält den Grundsatz, daß der Arbeiter, der infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert ist, ohne daß ihn ein Verschulden trifft, gegen seinen Arbeitgeber einen Anspruch auf Zahlung des Zuschusses zu den Leistungen aus der gesetzlichen Kranken- oder Unfallversicherung hat. Diese Zuschußzahlung ist schon heute in vielen Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen, wenn auch in unterschiedlicher Höhe und für unterschiedliche Dauer, festgelegt. Nun soil einheitlich ein Rechtsanspruch des Arbeiters auf Zahlung dieses Zuschusses bis zu 90 vom Hundert des Nettolohns und für die Dauer von sechs Wochen der Krankheit normiert werden. Die Zuschußzahlung ist an die Voraussetzung geknüpft, daß der Arbeiter Kranken- und Hausgeld aus der gesetzlichen Kranken- oder Unfallversicherung erhält. Ein Antrag der SPD, anstatt 90 % 100 % vom Nettolohn zu gewähren, wurde vom Ausschuß mit Mehrheit abgelehnt.
Die notwendige Kontrolle der Arbeitsunfähigkeit wird weiterhin durch die Krankenkasse gewährleistet und ist nicht auf den Betrieb verlagert, der dazu in der Regel auch nicht in der Lage ist. Für den Arbeiter bedeutet dies keine Benachteiligung gegenüber dem Angestellten, denn der Bezug des Kranken- und Hausgeldes ist an weniger strenge Voraussetzungen gebunden als die Weiterzahlung des Gehalts für Angestellte im Krankheitsfall.
Da bei den Arbeitern im Gegensatz zu den Angestellten die Fluktuation nicht unbedeutend ist, ist vorgesehen, daß der Zuschuß erst dann gewährt wird, wenn das Arbeitsverhältnis bei demselben Arbeitgeber ununterbrochen während vier Wochen bestanden hat. Diese Bestimmung wurde vor allem mit Rücksicht auf die Saisonbetriebe getroffen.
§ 2 bringt eine Definition des Begriffs „Nettoarbeitsentgelt", der in § 1 verwendet wird. Nettoarbeitsentgelt bedeutet das um die gesetzlichen Lohnabzüge verminderte Arbeitsentgelt, das der Arbeiter erhalten hätte, wenn er während der Dauer der Arbeitsunfähigkeit gearbeitet hätte. Diese Regelung knüpft an bewährte Bestimmungen einiger Arbeitsgesetze, so z. B. des Urlaubsgesetzes an.
Der Anspruch des Arbeiters besteht höchstens für die Dauer des Arbeitsverhältnisses. Endet ein Arbeitsverhältnis daher vor dem Ablauf von sechs Wochen, so erlischt auch sein Anspruch. Diese Regelung entspricht Idem für Angestellte geltenden Recht.
Die Arbeitsunfähigkeit darf aber nicht Anlaß dafür sein, daß der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis kündigt. Geschieht dies, so bleibt der Anspruch des Arbeiters unberührt. Ebenso bleibt sein Anspruch auf Zuschuß bestehen, wenn der Arbeiter sein Arbeitsverhältnis aus einem vom Arbeitgeber zu vertretenden Grund kündigt, der den Arbeiter zur außerordentlichen Kündigung ermächtigt.
§ 4 behandelt das Verhältnis des Anspruchs auf Zuschußzahlung zu Ansprüchen des Arbeiters auf Beträge, die ihm für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit aus einer privaten Kranken- oder Unfallversicherung zukommen. Diese Beträge sind grundsätzlich nicht anrechnungsfähig, es sei denn, der Arbeitgeber trüge die Beiträge zu dieser Versiche-
rung. Auf eine Frage der SPD-Fraktion wurde klargestellt, daß freiwillige Sozialleistungen, die der einzelne Arbeitgeber bisher gewährt hat, hier nicht angerechnet werden dürfen. Hierüber herrschte im Ausschuß Einmütigkeit.
Eine besondere Bestimmung war für die in Heimarbeit Beschäftigten erforderlich, da eine e gleiche Regelung wie für die übrigen Arbeiter Schwierigkeiten deswegen bereitet, weil die Heimarbeiter vielfach für mehrere Auftraggeber tätig werden und die Berechnung des Zuschusses daher nicht möglich ist. Zum Ausgleich für diesen Zuschuß, den die übrigen Arbeiter im Krankheitsfall erhalten, haben die in Heimarbeit Beschäftigten und die ihnen nach den Bestimmungen des Heimarbeitergesetzes hinsichtlich der Entgeltberechung gleichgestellten Pensonen Anspruch auf einen Betrag von 2 v. H. des an sie ausgezahlten reinen Arbeitsentgelts.
§ 6 bestimmt .ausdrücklich, daß die Vorschriften des Gesetzes nicht zuungunsten des Arbeiters oder des Heimarbeiters abgedungen werden können.
Für Lehrlinge gilt § 4 der Verordnung zur Vereinheitlichung der Erziehungsbeihilfen vom 25. Februar 1943 weiter.
Im Zusammenhang mit den eingangs gemachten Ausführungen über das Ineinandergreiten socialpolitischer und wirtschaftlicher Gesichtspunkte wird für die ersten sechs Wochen der Arbeitsunfähigkeit für Versicherte das Krankengeld von 50 v. H. auf 60 v. H. des Grundlohns erhöht.
Um unerwünschten arbeitsmarktpolitischen Auswirkungen zu begegnen, die sich daraus ergeben könnten, daß die Zuschußzahlungen für Ledige, für Verheiratete und Verheiratete mit Kindern wegen der Steuerprogression unterschiedlich wären, wurden als Regelleistung der Krankenversicherung Zuschläge in Höhe von 3 v. H. des Grundlohns für jeden Angehörigen eingeführt.
Einen weiteren Schritt auf dem Wege zur wirtschaftlichen Gleichstellung der Arbeiter mit den Angestellten bedeutet die Verminderung der Karenztage um einen Tag. So bestehen demnach künftig nur noch zwei Karenztage, die aber ganz wegfallen, wenn die Krankheit länger als zwei Wochen dauert oder auf einem Arbeitsunfall beruht bzw. eine Berufskrankheit darstellt. Der Wegfall rechtfertigt sich deswegen, weil der Gedanke der Karenztage darin besteht, die ungerechtfertigte Inanspruchnahme der Leistungen der Krankenversicherung zu mindern und zu verhindern. Dauert die Krankheit jedoch eine gewisse Zeit oder beruht sie auf einem Arbeitsunfall, so muß von der Vermutung ausgegangen werden, daß die Inanspruchnahme der Krankenversicherung nicht ungerechtfertigt ist. Die Mitglieder der- SPD-Frakten stellten hier den Antrag, die Karenztage ganz wegfallen zu lassen. Dem entsprach aber der Ausschuß mit Mehrheit nicht.
Die Erhöhung des Krankengeldes und die Neuregelung der Karenztage erfordern eine Änderung des § 182 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung, die in § 8 des Entwurfs vorgenommen wurde. Die übrigen Bestimmungen des § 8 stellen redaktionell notwendig werdende Änderungen verschiedener Bestimmungen der Reichsversicherungsordnung dar, die sich aus der Erhöhung des Krankengeldes ergeben. Die Erhöhung des Krankengeldes soll sich nicht auf Wochengeld, Schwangerengeld und Stillgeld auswirken.
Nach § 9 soll das Gesetz auch in Berlin und im Saarland gelten. Schließlich ist die Aufhebung einiger sozialversicherungsrechtlicher Vorschriften durch die Änderung der Reichsversicherungsordnung in § 8 bedingt.
Anschließend darf ich noch darauf hinweisen, wie hoch die Belastungen für die Wirtschaft bzw. die Krankenversicherung sind, die sich aus dem Gesetzentwurf ergeben. Nach Schätzungen des Bundesministeriums für Arbeit wird die Belastung für die Arbeitgeber etwa 450 Millionen DM, für die Krankenkassen etwa 160 Millionen DM betragen.
Die Beschlüsse des Sozialpolitischen Ausschusses wurden mit Mehrheit gegen die Stimmen der Opposition gefaßt. Der Sozialpolitische Ausschuß bittet das Hohe Haus, den Ergebnissen, die er nach langwierigen und mühsamen Verhandlungen und Überlegungen gefunden hat, zuzustimmen, um somit dem Ziele der Gleichstellung aller Arbeitnehmer im Krankheitsfalle einen wesentlichen Schritt näherzukommen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich rufe auf in zweiter Beratung § 1 und den Umdruck 1112*) Ziffern 1 a und 1 b, die ja wohl in innerem Zusammenhang stehen. Wird der Umdruck begründet ? — Herr Abgeordneter Richter!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion war es, die im Herbst 1955 den Antrag auf Gleichstellung der Arbeiter mit den anderen Arbeitnehmern bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle im Bundestag eingebracht hat. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hatte sich auf seinem Kongreß in Frankfurt im Jahre 1954 an die Bundesregierung und alle Fraktionen des Bundestages mit dem Ersuchen gewandt, eine diesbezügliche gesetzliche Regelung durchzuführen. Leider hat es sehr lange gedauert, bis der zuständige Ausschuß, der Ausschuß für Sozialpolitik, und die mitberatenden Ausschüsse dem Hohen Hause die Drucksache 3504 zur Beschlußfassung unterbreitet haben. Dies ist sehr bedauerlich, denn inzwischen sind in Tausenden und aber Tausenden von Krankheitsfällen die Arbeiter und ihre Familien schlechter behandelt worden als die anderen Arbeitnehmer und deren Angehörige.
Wir begrüßen es, daß sich das Hohe Haus endlich mit der Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs befaßt. Wir sind aber nicht in der Lage, den im Sozialpolitischen Ausschuß mit Mehrheit gegen unsere Stimmen gefaßten Beschlüssen, die in der Drucksache 3504 ihren Niederschlag gefunden haben, unsere Zustimmung geben zu können.
Der Gesetzentwurf Drucksache 1704 sieht die Gleichstellung der Arbeiter mit den Angestellten und den Beamten vor. Der Antrag auf Umdruck 1112*) enthält im wesentlichen das gleiche. Wir versuchen, durch eine Ergänzung des § 616 BGB das Recht, das für die Angestellten im Bürgerlichen Gehbuch niedergelegt ist, auch auf die Arbeiter auszudehnen. Wir glaubten, daß insbesondere die CDU/CSU-Fraktion des Bundestages hierfür nicht nur Verständnis haben, sondern unserem Antrag auch zustimmen würde.
*) Siehe Anlage 2
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Unterhaltshilfe im Falle der Krankheit ist Aufgabe des Nächststehenden, dem der Kranke in gesunden Tagen seine Arbeitskraft gewidmet hat, des Betriebes.
Das ist die Äußerung der Professoren in ihrem Gutachten.
Die Sozialausschüsse der christlich-demokratischen Arbeitsgemeinschaften haben auf ihr r 7. Bundestagung in Herne 1955 u. a. die Gleichstellung der Arbeiter mit den Angestellten in bezug auf die Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle gefordert.
Und Ihr Parteitag, meine Damen und Herren von der CDU, hat im April 1956 in Stuttgart beschlossen:
Die Sicherung des Lebensunterhalts für den Versicherten und seine Familie im Falle der Krankheit darf keine unterschiedliche Behandlung und Bewertung der Arbeiter den Angestellten gegenüber erfahren. Die CDU fordert daher die Lohnfortzahlung oder aber eine Ersatzleistung, die in ihrer Höhe der Lohnfortzahlung entsprechen soll.
Eigentlich wird sich daher jeder wundern müssen — und ich bin überzeugt, daß sich alle die, die meine Ausführungen hören, auch darüber wundern —, daß es trotzdem nicht möglich war, in den zuständigen Ausschüssen einen entsprechenden Gesetzentwurf zu erarbeiten und dem Bundestag heute zur zweiten und dritten Lesung zu unterbreiten.
Gerade dieser Tage ist mir eine Nummer des „Redeskizzendienstes", der Ihnen ja nicht unbekannt ist, zur Kenntnis gekommen. Er wird von der Gemeinschaft für christlich-soziale Schule und öffentliche Meinungsbildung in Bonn, Kirchstraße 5, herausgegeben. Es ist die Nummer vom Mai 1957. Da heißt es:
Die Freiheit des Arbeiters — die Arbeiterfrage des 20. Jahrhunderts —. Wenn man das 20. Jahrhundert das Jahrhundert des Arbeiters nennt, so muß man sich bewußt sein, daß der Arbeiter von heute nicht mehr der Proletarier von gestern ist. Der Arbeiter hat im gesellschaftlichen und politischen Leben einen Platz errungen, den ihm niemand streitig machen kann. Eine Arbeiterfrage in dem Sinne, wie man sie im vorigen Jahrhundert verstand,gibt es nicht mehr.
Meine Damen und Herren, dieses Material ist nicht von der Sozialdemokratischen Partei herausgegeben. Deren Meinung ist bekannt, deren Meinung steht fest. Sie hat es durch ihre Gesetzesinitiative überhaupt zu Wege gebracht, daß sich das Hohe Haus heute mit einem Gesetzentwurf befaßt, der
die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall auch für die Arbeiter regelt.
Da wir aber dem Antrag Drucksache 3504, der von ,dem Herrn Berichterstatter, Kollegen Schüttler, erläutert wurde, nicht zustimmen können, haben wir uns erlaubt, Ihnen einen Änderungsantrag zu unterbreiten. Dieser Änderungsantrag sieht in seinem § 1 das vor, was Sie in wiederholten Äußerungen und Beschlüssen festgelegt haben: die Gleichstellung des Arbeiters. Damit jedoch auch der kleine und mittlere Betrieb in der Lage ist, die Leistungen zu erbringen, wenn zwei oder drei seiner Gesellen auf einmal krank werden, hat die SPD-Fraktion den Ausgleichsstock in Vorschlag gebracht. Dieser Ausgleichsstock soll allerdings nicht bei einer besonderen Verwaltung oder Behörde eingerichtet werden. Es heißt in unserer Formulierung, daß der Bundesarbeitsminister das Recht und damit die Pflicht hat, zu überlegen, welcher bestehenden Behörde dieser Ausgleichsstock angegliedert werden kann.
Meine Damen und Herren, Sie sehen also, daß wir alles getan haben, um die Möglichkeit zu schaffen, daß Sie heute mit gutem Gewissen entsprechend Ihren Äußerungen und Beschlüssen in der Lage sind, die Arbeiter in dieser wichtigen sozialen Frage, in dieser Frage der gegenseitigen Hilfe den anderen Arbeitnehmern gleichzustellen. Deshalb bitte ich Sie, unserem Antrag zuzustimmen.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Problem, das heute morgen hier zur Verhandlung steht, ist in Wirklichkeit ein sehr ernstes Problem. Niemand in Deutschland wird bestreiten, daß das unterschiedliche Recht der Behandlung der Menschen, wenn sie im Arbeitsleben stehen und krank werden, nicht richtig ist; das ist etwas, was jeder in sich spürt. Aber Sie wissen ja, daß wir uns verpflichtet haben, nachdem wir die Neuordnung der Rentenversicherungen durchgeführt haben, auch die Krankenbehandlung der Menschen in eine neue gesetzliche Fassung und damit in ein neues Recht zu bringen.
Herr Kollege Richter hat soeben in bewegten Worten dargelegt, was seine politischen Freunde und vor allen Dingen auch die Gewerkschaften zu diesen Dingen schon die ganze Zeit gesagt haben. Ich stehe gar nicht an, zu sagen, daß ein großer Teil dessen, was hier gesagt worden ist, richtig ist. Nur müssen wir uns über eines klar sein: wenn wir zu einer wirklichen Neuordnung des Rechts in der Krankenversicherung kommen wollen, dürfen wir nicht nur sehen, inwieweit momentan das Recht für die gewerblichen Arbeiter gegenüber dem für die Angestellten unterschiedlich ist, sondern wir müssen uns auch überlegen, was für den Menschen während der ganzen Dauer seiner Erkrankung getan werden kann. Niemand wird ernstlich behaupten, daß es eine endgültige Besserstellung der gewerblichen Arbeiter sei, wenn man ihnen, wie es bei den Angestellten ist, für die ersten sechs Wochen der Krankheit ihren Lohn weiter gibt, aber keinerlei Regelung trifft, was nach den sechs Wochen geschehen soll.
Ich persönlich, Herr Kollege Richter, stehe auf dem Standpunkt, es ist viel wichtiger, daß wir uns bei der generellen Regelung darüber klar werden, wie wir die Notstände während der ganzen Zeit der Krankheit überwinden können. Die Not in der Familie eines erkrankten Arbeiters ist nach sechs Wochen nicht geringer, sondern sie ist dann noch schlimmer geworden. Deshalb erscheint mir die Gesamtlösung als das Wesentliche.
Was im Ausschuß erarbeitet worden ist, sehe ich nicht anders an als einen Versuch, den gewerblichen Arbeitern bis zur endgültigen Neuregelung der Krankenversicherung den Lebensunterhalt zu erleichtern. Wenn der Arbeiter im Krankheitsfalle 90 % des Nettolohnes erhält, wird draußen kein Mensch behaupten wollen, daß das, da es nur eine vorübergehende Regelung sein soll, nicht eine wesentliche Erleichterung der Lage der gewerblichen Arbeiter im Krankheitsfalle sei. Ihr ursprünglicher Antrag auf völlige Gleichstellung der gewerblichen Arbeiter in der Wirtschaft würde — ich will nicht übertreiben; die Zahl kann wohl als feststehend gelten — eine Mehrbelastung von 1,5 Milliarden DM ausmachen.
Sie haben es ja selber eingesehen, meine sehr verehrten Herren von der Sozialdemokratischen Partei, daß manche kleineren und mittleren Betriebe das Risiko nicht übernehmen können; denn Sie sehen eine Ausgleichskasse vor. Sie wissen also, daß der Rechtsanspruch, den man mit der Erweiterung der entsprechenden Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches geben kann, nicht in allen Fällen durchgesetzt werden könnte. Ich würde es bedauern, wenn wir bis zur Neuordnung der Krankenversicherung diese sogenannten Ausgleichskassen errichten würden; denn wenn wir sie erst einmal haben, werden wir sie nicht wieder los. Es ist geradezu fürchterlich, wie derartige Dinge manchmal kleben.
— Ja, Herr Professor, gerade da haben wir die Erfahrung gesammelt, daß das verdammt schlecht wieder wegzubringen ist.
— Wir wollen uns heute morgen über diese Dinge nicht streiten.
Im Ausschuß hat sich herausgestellt, daß die Vertreter der Regierungsparteien einen Übergangszustand schaffen wollen, der für die Arbeitgeber eine Mehrbelastung von 450 Millionen DM mit sich brächte; die Krankenkassen müßten 160 Millionen DM mehr ausgeben. Da wir in dem von uns vorgelegten Gesetz über die Neuordnung der Unfallversicherung für die Krankenkassen Erleichterungen von ungefähr 120 Millionen DM vorgesehen haben, waren wir der Meinung, daß für eine vorübergehende Zeit damit eine Gefährdung der Krankenkassen nicht gegeben wäre, immer vorausgesetzt, daß man den guten Willen hat, eine wirkliche Neuordnung bald eintreten zu lassen.
Entscheidend ist letzten Endes, was der Mensch bekommt. Hierzu ist festzustellen, daß die hier vorgesehenen Mehrleistungen insgesamt einen Betrag von 610 Millionen DM ausmachen. Sie haben ja in dem Ausschuß, soweit ich informiert bin, selber einen Vermittlungsvorschlag gemacht, der
in seiner Gesamtauswirkung noch eine kostenmäßige Belastung von 750 Millionen DM ergibt. So groß ist also der Unterschied gar nicht.
Ich bin persönlich der Meinung, Herr Kollege Richter — Sie dürfen mir das wirklich ehrlich glauben —, daß wir momentan den arbeitenden Menschen mehr helfen, wenn wir ihnen diese Mehrleistungen geben, als wenn wir uns allzusehr auf das Prinzip versteifen, jetzt die Gleichstellung auf jeden Fall durchzuführen. Wir sollten uns aber allgemein vornehmen, die Neuordnung der Krankenversicherung im nächsten Bundestag nach den Grundsätzen einer neuen Ordnung so schnell wie möglich zu gestalten.
Das Wort hat der Abgeordnete Arndgen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich Herrn Kollegen Richter von der SPD-Fraktion richtig verstanden habe, hat er im Namen seiner Fraktion die Ausschußvorlage abgelehnt. Gleichzeitig hat er es bedauert, daß der Ausschuß unter Führung der CDU diese Ausschußvorlage erarbeitet hat, obwohl, wie er dartat, der Herr Bundesarbeitsminister sich gelegentlich zur Gleichstellung bekannt habe. Er hat ferner verwiesen auf die Ausführungen der Herren Professoren, auf die Beschlüsse der Sozialausschüsse der christlichen Arbeitnehmer und auch auf einen Beschluß des Parteitages der CDU in Stuttgart.
Ich kann hier feststellen, daß meine Freunde und ich zu diesen Beschlüssen stehen. Aber es kommt darauf an, zu ergründen, wann die Erfüllung dieser Forderungen möglich ist.
Wenn wir uns mit einer einzelnen sozialpolitischen Frage beschäftigen, dürfen wir nicht aus dem Auge verlieren, was sich sonst in der Sozialpolitik tut und getan hat. Es erscheint daher notwendig, einmal nachzublättern und festzustellen, was im letzten Jahr auf sozialpolitischem Gebiet geschehen ist.
Zunächst einmal bringt die Rentenreform für die Wirtschaft, für die Arbeitgeber eine Mehrbelastung durch Beiträge in Höhe von 1100 Millionen DM. Die Knappschaftsversicherung, die wir kürzlich in diesem Hause verabschiedet haben, wird für die Arbeitgeber, für die Wirtschaft eine Mehrbelastung von 19 Millionen DM mit sich bringen.
Das Gesetz, das jetzt zur Debatte steht, wird für die Wirtschaft eine Mehrbelastung zur Folge haben, die zwischen 450 und 500 Millionen DM liegt.
Wir haben uns im Ausschuß für Sozialpolitik in den letzten Wochen mit der Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze beschäftigt. Wenn dieses Hohe Haus die Ausschußvorlage bezüglich der Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze annimmt, wird das für die Wirtschaft und für die Arbeitgeber eine Mehrbelastung in Höhe von 120 Millionen DM bedeuten.
Dann beschäftigt sich der Ausschuß für Sozialpolitik in den nächsten Tagen und Wochen mit der Neuordnung der Unfallversicherung. Sollte der Regierungsentwurf zur Neuordnung der Unfall-
versicherung Gesetz werden, würde das eine weitere Belastung für die Wirtschaft bedeuten, die bei 342 Millionen DM liegt.
Ferner dürfen wir nicht vergessen — ich habe gestern bei einer anderen Angelegenheit schon darauf verwiesen —, daß die Lohn- und Tarifpolitik der Gewerkschaften im letzten Jahr nicht ohne Erfolg geblieben ist, daß sie eine Erhöhung der Lohn- und Gehaltssumme um insgesamt 4 Milliarden 467 Millionen DM gebracht hat.
Zählt man alle diese Summen zusammen, so ergibt sich, daß es der sozialpolitischen Arbeit einschließlich der Tarifpolitik möglich gewesen ist, die Wirtschaft neu mit 6 Milliarden 498 Millionen DM zu belasten. Nehmen wir eine Lohn- und Gehaltssumme von rund 80 Milliarden DM an, so sind das rund 8 % der Lohnsumme. Ich bin der Meinung, daß sich die Summe von 6 1/2 Milliarden DM sehen lassen kann und daß man, wenn man neue soziale Forderungen — die auch wir befürworten — stellt, überlegen muß, wie weit man gehen kann.
Wir sind daher auch im Hinblick auf die Forderung, die heute zur Debatte steht, der Meinung, daß man der Wirtschaft nicht mit einem Schlage allzu viel zumuten, sondern schrittweise vorgehen sollte; daher ist von der CDU/CSU-Fraktion die Ausschußvorlage im Ausschuß erarbeitet worden.
Wenn diese Vorlage Gesetz wird, bringt sie den Arbeitnehmern gegenüber der bisherigen Regelung im Falle der Krankheit wesentliche Mehreinkünfte. Gestatten Sie, daß ich das an einem Beispiel erläutere. Ein Arbeiter, der verheiratet ist und 1 Kinder hat und keine Steuern zu bezahlen hat, ist mit Sozialbeiträgen in Höhe von etwa 12 % seines Lohnes belastet, bekommt also statt 100 % nur etwa 88 % ausgezahlt. Von diesem Nettolohn erhält er nach der Ausschußvorlage im Krankheitsfalle 90 %, also etwa 80 % seines Bruttolohns, während er nach dem bisher geltenden Recht nur 50 % des Bruttolohns erhält. Also ein wesentlicher Fortschritt: sein Einkommen im Falle der Krankheit liegt in den ersten sechs Wochen, gemessen am Bruttoverdienst, um rund 30 % höher als nach dem bisherigen Recht. — Bei einem Ledigen, der noch Steuern zu zahlen hat, kommen zu den 12% Sozialbelastung, die vom Bruttogehalt abgezogen werden müssen, noch etwa 10 % Steuern; sein Nettoverdienst macht also etwa 78 % aus. Wird er krank, soll er 90 % von diesen 78 % — 72 % des Bruttolohns bekommen. Also auch der Ledige ist, wenn er krank ist, nach der Ausschußvorlage gegenüber der bisherigen Situation — wo er nur 50 % seines Lohnes erhielt — wesentlich bessergestellt.
Ich bin der Meinung — das ist auch die Meinung meiner Fraktion —, daß wir mit diesen Fortschritten bezüglich der Sicherstellung der Arbeiter einen wesentlichen Schritt vorwärts getan haben, der es uns auch ermöglichen wird, in absehbarer Zeit, wenn alle Mehrbelastungen, die ich vorhin aufgezeigt habe, einmal verkraftet sind, endlich auch zu dem zu kommen, was hier von Ihnen gefordert ist. Ich bin daher der Meinung, daß wir es bei der Ausschußvorlage belassen sollten, weil sie einen wesentlichen Fortschritt gegenüber der bisherigen Situation bringt, und ich möchte bitten, den Antrag, den der Kollege Richter auf Umdruck 1112 gestellt hat, abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Richter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesarbeitsminister hat darauf hingewiesen, daß es wichtiger sei, sich darüber Gedanken zu machen, was nach den sechs Wochen geschieht, d. h. was der Arbeiter und der Angestellte erhalten, nachdem die sechs Wochen abgelaufen sind und der Arbeitgeber ihnen keinen Lohn bzw. kein Gehalt mehr zahlt. Der Herr Bundesarbeitsminister ist ein seltener Gast im Sozialpolitischen Ausschuß. Das werden mir seine Freunde bestätigen, und er selbst wird es nicht bestreiten. Wir alle waren ihm deshalb nicht böse.
Wir alle waren ihm deshalb, weil er nicht so oft im Ausschuß war, gar nicht böse. Ich erwähne das auch nur deshalb, weil ich sagen möchte: er müßte nämlich sonst wissen, daß ich im Auftrag meiner politischen Freunde im Sozialpolitischen Ausschuß des Bundestages darauf hingewiesen habe. wie notwendig es ist, sowohl für die Arbeiter wie für die Angestellten nach den sechs Wochen ein erhöhtes Krankengeld zu gewähren.
Meine Damen und Herren vom Sozialnolitischen Ausschuß, Sie werden sicherlich noch in Erinnerung haben und mir bestätigen, daß ich gesagt habe, dann sollte man das Krankengeld auf 75 % erhöhen. Sie werden mir weiter bestätigen, daß ich darauf hingewiesen habe, daß man die Aussteuerung aus der Krankenversicherung endlich beseitigen sollte, daß man den Menschen, die länger als 26 Wochen krank sind, und ihren Familien das Krankengeld weitergewähren sollte. Die Krankenkassen wären zu diesen beiden Leistungen in der Lage; denn nur etwa 3, 4 oder 5 % der Arbeiter und Angestellten sind länger als sechs Wochen krank, und nur ganz wenige Prozente der Arbeitnehmer sind länger als 26 Wochen krank. Die dafür erforderlichen Mittel könnten die Krankenkassen aller Art, Ersatzkassen, Ortskassen oder Betriebskrankenkassen, durch die Beiträge der Versicherten aufbringen. Letzten Endes hat ja die Beitragszahlung der Versicherten einen bestimmten Zweck. nämlich ausreichende Leistungen. Also, Herr Bundesarbeitsminister, Sie werden es erleben, daß wir zur dritten Lesung die diesbezüglichen Anträge stellen. Hoffentlich erleben wir es dann, daß Sie diesen Anträgen zustimmen.
Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesarbeitsminister hat den Ausgleichsstock kritisiert. Ich mußte schon sehr oft zu diesem Ausgleichsstock Stellung nehmen. Aber einen Vergleich zwischen dem Ausgleichsstock für das Kindergeld und den für die Lohnfortzahlung anzustellen ist falsch. Man muß dann schon ein bißchen über die Unterschiedlichkeit der beiden Gebiete nachdenken. Das Kindergeld hat der Arbeitgeber für das dritte Kind und weitere Kinder an seinen Arbeitnehmer zu zahlen. Das weiß er: das steht fest. Dazu ist er verpflichtet, bis das Kind ein bestimmtes Alter erreicht hat. Das kann er sich im voraus ausrechnen; das kann er bei seinen Preisen einkalkulieren. Anders ist es bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle. Weder der Arbeitgeber noch der Arbeiter noch der Angestellte weiß, ob er krank wird und wie lange er der Arbeit fernbleiben muß oder ob er, wie es so oft der Fall ist, jahrzehntelang ge-
sund bleibt und seine Arbeitskraft dem Arbeitgeber jahraus jahrein von morgens bis abends zur Verfügung stellen kann. Das ist also ein Risiko, das man vorher nicht übersehen und nicht einkalkulieren kann. Gegen ein solches Risiko versichert man sich. Deshalb haben wir die Ausgleichskassen vorgeschlagen. Wir haben es uns wohl überlegt, und ich bin überzeugt, daß es einen großen Teil Handwerker und Landwirte gibt, also alle Klein-und Mittelbetriebe mit einer Beschäftigtenzahl von unter 100, die unsere Idee für richtig halten, wenn sie es auch nicht zugeben und wenn es besonders ihre Repräsentanten in diesem Hause oder sonstwo auch nicht zum Ausdruck bringen, was ich bedauere.
Nun hat Kollege Arndgen auf das hingewiesen, was alles geleistet worden ist. O, wie herrlich weit haben wir es gebracht! Meine Damen und Herren, wie stand es mit den Renten der Arbeiter? Wie hoch waren die monatlichen Bezüge der Altersrenten, der Renten, die ein Arbeiter bekommen hat, der 40 und mehr Jahre gearbeitet und das 65. Lebensjahr überschritten hat? Bitte, die Mehrkosten müssen und können aufgebracht werden, und sie werden auch von den Arbeitern und Angestellten, die im Produktionsprozeß stehen, ohne Murren aufgebracht. Sie sagen kein Wort. Würden die Arbeitgeber auch so wenig sprechen und diese soziale Aufgabe als eine Selbstverständlichkeit ansehen, wäre einem etwas wohler.
Kollege Arndgen wies auf die Lohn- und Tarifpolitik hin. Er hat nur vergessen, auch noch auf die Preis-Lohn-Spirale hinzuweisen.
Das Bedauerliche ist doch die Tatsache, daß man trotz der Anstrengungen der Gewerkschaf ten kaum von einer Erhöhung des Reallohns, also der Kaufkraft der Löhne und Gehälter sprechen kann
— verehrter Herr Kollege Stingl, ich kenne die Statistiken —, sondern daß sehr oft Lohn- und Gehaltserhöhungen notwendig wurden, nachdem die Preise vorausgelaufen waren, die unser Bundeswirtschaftsminister Erhard nicht halten kann.
Nun hat Herr Kollege Arndgen gesagt, man könne doch nicht alles auf einmal machen, das sei doch zuviel; man sollte hier schrittweise vorgehen. Meine Damen und Herren, ein ganz offenes Wort: wenn wir es in dieser Zeit der Hochkonjunktur, in dieser Zeit der Vollbeschäftigung und bei dem derzeitigen Stand unseres Sozialprodukts nicht wagen und nicht durchführen, dann weiß ich nicht, wann wir es tun sollen.
Es gehört etwas Mut dazu, und diesen sollten wir heute aufbringen. Dann werden wir eine letzte, wirklich fortschrittliche soziale Tat in dieser Legislaturperiode des Bundestages vollbringen.
Ich darf in diesem Zusammenhang noch den inzwischen gestellten Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Schild, Dr. Berg, Müller und Genossen auf Umdruck 1119*) aufrufen, der noch nicht verteilt ist.
*) Siehe Anlage 3 — Ich habe bereits gesagt, daß er noch nicht verteilt ist. Es ist nicht meine Schuld; denn er ist soeben erst eingereicht.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Jentzsch.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich spreche zu dem Änderungsantrag der sozialdemokratischen Fraktion Umdruck 1112*), den der Herr Kollege Richter begründet hat. Ich stelle fest, daß in diesem Antrag fast wörtlich das wiederholt worden ist, was in dem ursprünglichen SPD-Antrag Drucksache 1704 enthalten war. Über die Bedenken, die meine politischen Freunde und ich gegen Inhalt und Form dieses Antrags haben, haben wir im Sozialpolitischen Ausschuß hinreichend gesprochen. Wir sind aus den dort vorgebrachten Gründen nicht imstande, diesen Antrag zu billigen.
Darüber hinaus ein anderes! Herr Kollege Richter , in der Presse von heute — mir liegt vor „Die Welt" Nr. 120 — ist eine Bemerkung enthalten — ich wäre sehr dankbar, Herr Kollege Richter, wenn Sie mir Ihre Aufmerksamkeit schenkten —,
aus der hervorgeht, daß Sie einen Brief an den Herrn Bundeskanzler geschrieben haben, in dem Sie auf Ihren Gesetzentwurf aufmerksam machen, der heute zur Behandlung ansteht, und den Herrn Bundeskanzler „in letzter Stunde" bitten, seinen Einfluß geltend zu machen. Dann ist hier wörtlich weiter zitiert, wenn der Antrag der SPD abgelehnt werden sollte, wenn die Vorlage, die der Sozialpolitische Ausschuß erarbeitet hat, angenommen werden sollte, würden die Arbeiter und ihre Angehörigen enttäuscht sein. Es heißt in Anführungsstrichen, daß in diesem Falle „weitere Arbeitskämpfe zur Beseitigung der Diskriminierung und Erreichung einer gleichberechtigten Regelung für die Arbeiter nicht ausgeschlossen sind".
Es würde mich sehr interessieren, Herr Kollege Richter, ob Sie zu diesen Dingen hier noch eine nähere Aufklärung geben, ob Ihr Brief in dieser Form den Tatsachen entspricht. Denn daraus geht doch ganz klar und eindeutig hervor: eine Drohung mit Weiterungen, die nicht anders aufgefaßt werden kann, als daß das Parlament unter Druck gesetzt werden sollte,
einem ganz bestimmten Verlangen zu entsprechen.
Es ist nicht das erste Mal, daß wir uns mit einem solchen Sachverhalt auseinandersetzen müssen; wir haben auch bei den Beratungen im Sozialpolitischen Ausschuß darauf aufmerksam gemacht, Herr Kollege Richter! Meine politischen Freunde und ich halten es für außerordentlich bedenklich, wenn in dieser Form versucht werden sollte, unsere Entschlußfreiheit unter Druck zu setzen. Ich nehme jedoch an, daß die Mehrheit dieses Hauses ein solches Unterfangen mit aller Entschiedenheit ablehnt.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat die Abgeordnete Frau Kalinke.
') Siehe Anlage 2
Frau Kalinke : Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Die Fraktion der Deutschen Partei (Freien Volkspartei) hatte noch keine Gelegenheit, die auf Grund der heutigen Presseveröffentlichungen und der jetzt verteilten Änderungsanträge entstandene neue Situation zu diskutieren und einen Standpunkt sowohl zu den Anträgen als auch zu der ungeklärten Frage zu beziehen, ob die in der Presse erfolgten Veröffentlichungen mit dem Text des Briefes des Herrn Abgeordneten Richter an den Herrn Bundeskanzler übereinstimmen. Da wir niemandem etwas unterstellen wollen, was nicht bewiesen ist, ist die Fraktion bemüht, den genauen Inhalt dieses Briefes kennenzulernen, und sie bittet daher dieses Haus — um keine weiteren Schwierigkeiten aufkommen zu lassen —, ihr Gelegenheit zu geben, sich in dieser wichtigen Stunde mit der Frage zu befassen, ob in Anbetracht einer solchen ungeklärten Situation die Beratung fortgesetzt werden kann.
Ich bitte daher im Namen der Fraktion der Deutschen Partei um Unterbrechung der Sitzung für eine halbe Stunde.
Meine Damen und Herren, ich stelle fast, daß das Hohe Haus mit dem Vorschlag auf Unterbrechung für eine halbe Stunde einverstanden ist.
Ich darf bekanntgeben, daß die Fraktionen der Deutschen Partei und der CDU/CSU Fraktionssitzungen halten, ebenso die Freien Demokraten. Die Sozialdemokraten auch?
— Nein.
Ich unterbreche die Sitzung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, wir setzen die Beratungen fort.
In der zweiten Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der wirtschaftlichen Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfalle war der § 1 aufgerufen worden.
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Dr. Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Zusammenhang mit den Bemerkungen des Herrn Kollegen Jentzsch wollte ich zur Unterrichtung des Hauses die entscheidende Stelle des Briefs, der hier zitiert wurde. vorlesen. Ich habe mir in der Zwischenzeit diesen Brief beschafft. Es handelt sich um einen Brief des Bundesvorstandes des Deutschen Gewerkschaftsbundes an den Herrn Bundeskanzler vom 18. Mai, in dem der Bundesvorstand auf die verschiedenen Verhandlungen, die auch mit dem Herrn Bundeskanzler geführt, und auf die verschiedenen Eingaben, die in dieser Frage an den Herrn Bundeskanzler gerichtet wurden, Bezug nimmt, und in dem der Sorge über die Entwicklung dieses Gesetzentwurfs, der anderthalb Jahre im Ausschuß
gelegen hat, Ausdruck gegeben wird. Es heißt unter anderem in diesem Brief — ich möchte diese Stelle zitieren, um alle Mißverständnisse auszuschließen —:
Wir hätten dies nicht erwartet und müssen leider feststellen, daß die Arbeiter und ihre Angehörigen sehr enttäuscht sind. Wir müssen Sie, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, darauf aufmerksam machen, daß durch eine derartige gesetzliche Regelung die Arbeiter nicht befriedigt werden und weitere Arbeitskämpfe zur Beseitigung der Diskriminierung und zur Erreichung einer gleichwertigen Regelung nicht ausgeschlossen sind.
Nach Auffassung meiner politischen Freunde handelt es sich hierbei um eine Unterrichtung des Herrn Bundeskanzlers über die Auffassungen der Arbeiterschaft in dieser wichtigen sozialpolitischen Frage. Diese Unterrichtung gehört zu den Pflichten der gewerkschaftlichen Vertretung der Arbeitnehmer.
Herr Kollege Jentzsch, ich möchte mich gerade an Sie wenden. Auf Grund der Erfahrungen in Schleswig-Holstein war der Deutsche Gewerkschaftsbund zu einer solchen Informierung des Herrn Bundeskanzlers geradezu verpflichtet. Oder meint jemand in diesem Hause, daß nach diesen bitteren Erfahrungen von Schleswig-Holstein eine gesetzliche Regelung, die die soziale Degradierung der Arbeiterschaft aufrechterhält, Arbeitskämpfe hierüber in Zukunft ausschließt? Im übrigen ist doch das Haus — Herr Kollege Jentzsch, gerade Ihre politischen Freunde sollten das zur Kenntnis genommen haben — aus Anlaß beispielsweise der Gesetzgebung über die Rentenneuregelung oder der Beratungen über das Kassenarztrecht an viel massivere Eingaben anderer Stellen gewähnt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Finselberger.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Die Fraktion des Gesamtdeutschen Blocks/BHE nimmt zu diesem Brief des Herrn Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes an den Herrn Bundeskanzler wie folgt Stellung: Wir haben den Wunsch, vor dem Hohen Hause zum Ausdruck zu bringen, daß wir an der Formulierung dieses Schreibens nichts, aber auch gar nichts zu beanstanden haben.
Wir wissen, daß schon oft Organisationen mit ihren Anliegen in sehr scharfen Formulierungen an den Herrn Bundeskanzler herangetreten sind. Da sich in diesen Fällen früher keine Gegenstimmen gemeldet haben, glaube ich, wir sollten bei dieser Übung bleiben und nicht befürchten, daß wir Parlamentarier von dieser oder jener Seite unter Druck gesetzt würden. Sicher ist ein solcher Druck auch mit dem Schreiben des Deutschen Gewerkschaftsbundes nicht beabsichtigt gewesen. Jedenfalls läßt die Formulierung des Schreibens eine solche Absicht in gar keiner Weise erkennen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich erteile das Wort zur Begründung des Änderungsantrags Umdruck 1119 dem Abgeordneten Dr. Berg.
Dr. Berg : Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die in Punkt 1 unseres Änderungsantrags Umdruck 1119 *) beantragte Regelung bedeutet im wesentlichen die Rückkehr zur reinen Krankengeldlösung, zum Unterschied von der vom Ausschuß vorgeschlagenen Lösung: Krankengeld plus Arbeitgeberzuschuß. Um aber die fraglos zu schlechte Stellung des kranken Arbeitnehmers entscheidend zu verbessern, ist erstens das Krankengeld von 50 % auf 75 % des Grundlohns erhöht und zweitens die Begrenzung auf sechs Wochen weggefallen. Nach unserem Antrag soll das Krankengeld für die gesamte Dauer der Krankheit bis zur Aussteuerung gewährt werden. Daß die Frage der Aussteuerung einer neuen Lösung bedarf, darüber sind sich meine Freunde und bin auch ich mir völlig im klaren; aber das ist eine Angelegenheit der Krankenversicherungsreform und damit eine Aufgabe des nächsten Bundestages.
Nach unserem Antrag soll allerdings die Zeit, nach der die zwei Karenztage wegfallen sollen, von zwei Wochen — so sieht es die Ausschußvorlage vor — auf drei Wochen ausgedehnt werden.
Meine Freunde und ich stehen auf dem Standpunkt — diesen Standpunkt vertreten wir so eindeutig wie nur etwas, weil wir gegen den Mißbrauch der Einrichtungen der Sozialversicherung sind —: Hier werden erhöhte Leistungen gewährt, weil sie gewährt werden müssen, weil sie sozial notwendig sind; aber dann muß auch erhöhter Schutz vor Mißbrauch gegeben sein. Das ist der Sinn des Antrags, den Wegfall der beiden Karenztage erst nach drei Wochen eintreten zu lassen.
Nun zum Prinzip. Was bedeutet die Ausschußvorlage, die sogenannte gespaltene Lösung: der Beitrag des Arbeitgebers, der Arbeitgeberzuschuß? Es ist vielen Mitgliedern dieses Hohen Hauses vielleicht nicht genügend bekannt, in welchem Maße die einzelnen Industriebetriebe und Gewerbebetriebe, vor allen Dingen das Handwerk, gemessen am Umsatz, mit Löhnen belastet sind. Es gibt vor allem in der Schwerindustrie Betriebe, deren Lohnintensität unter 5 % des Gesamtumsatzes liegt. Demgegenüber gibt es in der Mittel- und Kleinindustrie, vor allem aber im Handwerk, Betriebe, deren Lohnintensität 40, 42, 45 % beträgt. Ja, es gibt sogar gewisse Handwerksbetriebe, in denen sich die Lohnintensität der 60-%-Grenze, gemessen am Umsatz, nähert.
Eine Lösung, wie sie der Ausschuß hier vorschlägt, bedeutet also ganz eindeutig eine Diskriminierung der Betriebe je nach der Größe ihrer Lohnintensität. Diese Diskriminierung läßt sich ganz einfach berechnen; sie beträgt in den Grenzwerten ungefähr das Fünfzehn- bis Zwanzigfache. Daß hier das rechtsstaatliche Prinzip der Gleichheit eindeutig verletzt ist, dürfte außer Frage stehen.
Man wird mir entgegenhalten, daß mit der Erhöhung des Krankengeldes von 50 auf 75 % und mit der Verlängerung der Krankengeldfortzahlung über sechs Wochen hinaus notwendigerweise eine Erhöhung des Krankenversicherungsbeitrags verbunden sein wird. Es läßt sich verhältnismäßig einfach ausrechnen, wie hoch diese Erhöhung sein wird. Wenn man nur das Krankengeld betrachtet, müßte, gleiche Krankenstandsentwicklung voraus*) Siehe Anlage 3
gesetzt, der Krankenversicherungsbeitrag um rund 10 % heraufgesetzt werden. Ich brauche die Rechnung im einzelnen hier wohl nicht vorzuführen.
Ich glaube aber, wir sind uns wohl alle darüber im klaren, daß wir für das Kranksein und das Gesundwerden mit seinen gegenüber früher sehr viel ausgedehnteren Möglichkeiten heute höhere Kosten aufwenden müssen. Jeder Privatkrankenversicherte weiß, wie hoch die wirklichen Kosten, gemessen am Einkommen, sind, die er aufwenden muß, wenn er sich und seine Familie über Jahre hindurch gesund erhalten will, wenn er Arztkosten, Krankenhauskosten usw. zahlen will. Wir werden also unter allen Umständen zu einer Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge kommen. Allein die Lage unserer Krankenhäuser, die Lage unserer Ärzte wird uns dazu zwingen. Wir können der Notwendigkeit, den Krankenversicherungsbeitrag zu erhöhen, einfach nicht ausweichen. Deswegen glauben wir unseren Antrag auch von diesem Standpunkt aus verantworten zu können.
Nun ein drittes Moment. Hierauf habe ich im Sozialpolitischen Ausschuß eingehend hingewiesen, ohne irgendeinen Widerspruch zu erhalten. Was bedeutet der Arbeitgeberzuschuß in Wirklichkeit? Stellen Sie sich einmal vor, unsere heutige Wirtschaftslage der Voll- und Überbeschäftigung wendet sich mal — nicht gerade ins Gegenteil, aber immerhin so, daß die Vollbeschäftigung nachläßt. Das bedeutet, daß der Arbeitsmarkt dann wieder flüssig wird und die Wahrscheinlichkeit besteht, daß dieser und jener Arbeitgeber, vor allen Dingen diejenigen, die infolge hoher Lohnintensität unter hohem Kostendruck stehen, auszuweichen versuchen. Das bedeutet dann doch, daß er vorzugsweise die voll gesunden Leute einstellt und diejenigen, die zum Kranksein neigen, aus dem Betrieb herausläßt, sie entweder nicht einstellt oder ihnen sogar unter irgendeinem Vorwand kündigen wird.
— Auch die Arbeitgeber sind nicht alle Engel. — Das bedeutet beispielsweise, daß durch diese Lösung die alten Arbeiter, die mehr krank sind als die jungen, benachteiligt sind. Das bedeutet, daß die Frauen, die häufiger krank sind als die Männer, ebenfalls benachteiligt sind, und das bedeutet, daß gerade auch diejenigen Arbeitnehmer, die — wie wir ja wissen — unter Umständen, um ihre Gesundheit wiederherstellen zu können, einige Wochen im Jahr krankfeiern müssen — Herzkranke, chronisch Magenkranke, Rheumakranke, Ischiaskranke —, der Gefahr der Arbeitslosigkeit in stärkerem Maße ausgesetzt sind als die jungen und gesunden männlichen Arbeiter. Wenn Sie das als sozial bezeichnen wollen, meine Damen und Herren — wir können da nicht mit. Wir halten das für eine gefahrvolle Lösung.
Nun noch ein Wort zum Grundsätzlichen des Arbeitgeberzuschusses. Wir bringen hier in unser Versicherungswesen ein Prinzip hinein, das eine etwas düstere Vorschau auf die weitere Entwicklung der Sozialversicherung durchaus erlaubt. Diese Lösung bedeutet: ein Teil der Krankenversicherung wird von der Versicherung über Beiträge getragen, ein anderer Teil wird den Arbeitgebern als Zuschußkosten aufgebürdet. Übertragen Sie dieses Prinzip einmal auf die anderen Versicherungen. Wenn beispielsweise in den nächsten Jahren — wie wir als sicher annehmen — die Erhöhung der Ren-
tenversicherungsbeiträge auf uns zukommt, nun, dann wird man auf dieses Beispiel zurückgreifen und sagen, auch damals habe der Bundestag beschlossen, einen Arbeitgeberzuschuß zu gewähren. Dann wird also der Beitrag nicht erhöht werden, sondern es wird ein Arbeitgeberzuschuß eingeführt werden. Die vorgesehene Lösung bedeutet also einen folgenschweren Einbruch des versorgungsstaatlichen Denkens in das Versicherungsprinzip unserer Sozialversicherung; und dem können wir unter gar keinen Umständen stattgeben.
Ich bitte Sie aus den genannten Gründen, unserem Antrag stattzugeben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich erfahre soeben, daß eine Reihe Kollegen aus dem belgischen Parlament hier bei uns sind. Ich freue mich über Ihren Besuch und darf Sie im Namen des Hauses auf das herzlichste begrüßen.
Ich erteile das Wort der Frau Abgeordneten Friese-Korn zur Begründung des Antrags Umdruck 1121*).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei grundsätzlicher Bejahung des heute zu verabschiedenden Gesetzentwurfs muß unsere Fraktion immer wieder das Bedenken anmelden, daß hier etwas geschieht, was bestimmte Gruppen unserer Wirtschaft, insonderheit auch Handwerk und Landwirtschaft, zu stark belastet. Wir sind der Meinung, daß, wenn das eintritt, durchaus nicht dem Sinn dieses Gesltzentwurfs Rechnung getragen wird. Wir haben doch wohl alle gemeinsam den Wunsch, daß der Arbeiterstand, der jetzt in sozialer Beziehung dem des Angestellten angeglichen werden soll, dann natürlich ,auch gewisse Verpflichtungen haben, eine gewisse Haltung zeigen muß, die wir in dem Begriff „Betriebstreue", „Verbundenheit mit dem Betrieb" zusammenfassen können..
Darum sieht unser Antrag noch einmal vor, was ja auch im Antrag der FVP — dort allerdings als Eventualan.trag — enthalten ist: daß der Betriebsangehörige, bevor er die hier vorgesehenen Leistungen beanspruchen kann, mindestens sechs Monate dem Betrieb angehören muß.
Ich möchte zunächst zum Vergleich noch auf den Antrag der FVP eingehen und sagen, daß die Lösung, daß die Krankenkasse 75 5 des Grundlohnes als Krankengeld zahlt, der Arbeitgeber also nicht an dem Aufkommen beteiligt wird, auch von vielen Kollegen meiner Fraktion für die beste gehalten wird. Ich muß allerdings als Frau, die landwirtschaftliche und hauswirtschaftliche Verhältnisse kennt, in Wohlfahrts- und Gaststättenbetriebe hineinschaut und dadurch weiß, daß viele der dort Beschäftigten heute noch nicht ,die Einstellung zu ihrem Betrieb haben, die vom Angestellten erwartet wird, es für bedenklich halten, wenn diese 75%ige Krankengeldzahlung mit mehr oder weniger anonymen Charakter noch neben der freien Station geleistet wird. Wird der Angestellte nicht dazu verführt, die Vorteile dieses Gesetzentwurfs so in Anspruch zu nehmen, daß sich daraus ein unerquickliches Verhältnis im Betrieb ergibt? Die
*) Siehe Anlage 4 Kolleginnen und Kollegen werden mir zustimmen, wenn ich darauf hinweise, daß sich Mißbrauch ergeben kann.
Ich muß ferner darauf hinweisen, idaß die Landwirtschaft und die Handwerksbetriebe, ,die weithin ihre Arbeiter in ganzer Verpflegung haben, doppelt betroffen werden. Stellen wir uns bloß einmal vor: der Betreffende würde dann 75 % seines Nettogehalts bekommen und würde darüber hinaus noch seine volle Verpflegung haben. Ohne einen Ausgleich für diesen Betrieb geht es doch eigentlich gerechtermaßen nicht.
Indem ich das so ausführlich angreife, wird die ganze Problematik deutlich, daß man einen Fortschritt auf sozialem Gebiet nur erreichen kann, wenn man gleichzeitig die moralischen und arbeitsethischen Grundauffassungen in der Gruppe, die davon betroffen wird, nach oben entwickelt. Ich möchte darum vorschlagen, daß es, wenn der Antrag der Freien Volkspartei, der die Lösung mit den Krankenkassen vorsieht, nicht angenommen werden sollte, bei unserem Antrag bleibt, der darüber hinaus noch eine soziale Verbesserung enthält, auf die ich Sie hinweisen möchte und von der ich hoffe, daß sie wenigstens durch punktweise Abstimmung zum Zuge kommt. Sie ist in Abschnitt 2 enthalten. Wir halten es für notwendig, daß die 60%ige Krankengeldzahlung auch über die 6 Wochen hinaus von der Krankenversicherung geleistet wird. Es ist doch so, daß gerade der Arbeiter, der lange krank ist, ja erst dann, nach 6 Wochen, in eine kritische wirtschaftliche Situation kommt. Darum sollte man hier auf alle Fälle die 60 % weiter gewähren. Die Ausführungen, die Sie in unserem Antrag in Abs. 3 unterstrichen finden, ergeben sich aus dem, was in Abs. 2 gesagt worden ist.
Ich würde mich freuen, wenn diese vergleichsweise Darstellung der Problematik doch noch dazu führen würde, daß sich jeder hier im Raum persönlich angesprochen fühlte und der Antrag der FDP Zustimmung fände.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nunmehr sind die Änderungsanträge zu dem aufgerufenen § 1 alle begründet.
Ich erteile das Wort in ,der Aussprache dem Abgeordneten Stücklen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Anliegen, das heute zur Regelung ansteht, die Sicherstellung des Lebensunterhalts der Arbeitnehmer im Krankheitsfalle, ist auch für uns ein so ernstes sozialpolitisches Anliegen, daß wir diese Beratungen keinesfalls durch irgendwelche von außen auf uns eindringende Beeinflussungen stören lassen. Wir sind aber der Meinung, daß dieses Anliegen dadurch geregelt werden sollte, daß der Krankenkassenbeitrag erhöht wird, um damit eine entsprechende Leistung für den kranken Arbeitnehmer sicherzustellen. Wenn der Sozialpolitische Ausschluß zu einer anderen Lösung gekommen ist, so ist diese von uns ernsthaft zu prüfen, und wir sind überzeugt, daß wir, nicht in der zweiten, aber in der dritten Lesung, zu einer gemeinsamen Auffassung kommen werden und damit diese Frage zur Zufriedenheit der Arbeitnehmer regeln können.
Wir müssen auch prinzipiell bedenken, daß die sozialpolitische Gesetzgebung nicht nur dieses Einzelproblem, sondern eine Reihe von Einzelproblemen beinhaltet und daß zur Sicherung des Arbeitnehmers gegen Arbeitslosigkeit die Arbeitslosenversicherung und zur Sicherung des Arbeitnehmers im Falle der Invalidität, eines Unfalls oder ähnlicher Dinge die Unfallversicherung gegeben ist. Wir sind der Auffassung, daß zur Sicherung des Arbeitnehmers im Krankheitsfall die Krankenversicherung da ist. Diese Krankenversicherung muß so ausgebaut sein, daß nicht nur die ärztliche Leistung, sondernauch die Arzneimittelversorgung und darüber hinaus eine ausreichende Sicherung des Lebensunterhalts gegeben ist. In ,dieser Form gesehen kann dem Anliegen auch mit der vom Ausschuß vorbereiteten Vorlage Genüge geschehen. Damit aber das Risiko, das mit dem Lohnausgleich verbunden ist, nicht allein von den Klein- und Mittelbetrieben getragen werden muß, sondern, ähnlich wie es die sozialdemokratische Fraktion in ihrem Gesetzentwurf gewünscht hat, diese Risikobelastung auf eine breitere Schicht verlagert wird, sind wir bemüht, bis zur dritten Lesung eine entsprechende Vorlage zu erarbeiten.
Wir werden also ,der Gesetzesvorlage des Ausschusses in der zweiten Lesung zustimmen mit Ausnahme des § 1, den wir in der zweiten Lesung ablehnen und für den wir in der dritten Lesung einen Vorschlag einbringen werden, der, ich glaube, die Zustimmung des ganzen Hauses finden könnte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Horn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte wenige Sätze zu den Änderungsanträgen Umdruck 1119*) und Umdruck 1121**) sagen. Wir sind bei der Beratung im Sozialpolitischen Ausschuß und bei der Fassung der Ausschußvorlage in der dem Hohen Hause vorliegenden Form von der Überlegung ausgegangen, daß wir eine Lösung finden müssen, die dem Grundanliegen, das die Christlich-Demokratische Union im Prinzip bejaht hat, möglichst nahekommt. Insoweit müssen Sie die Ausschußvorlage als ein einheitliches Ganzes ansehen. Krankengelderhöhung für die ersten sechs Wochen und Arbeitgeberzuschuß führen zusammen die vorhin schon im einzelnen behandelte Endlösung von 90 % des Nettoeinkommens herbei. Daß wir dabei im übrigen auch der für die Angestellten geltenden Regelung ziemlich nahekommen, ist u. a. durch die Bestimmungen gewährleistet, die die Karenztage betreffen und die die eingeführte Wartezeit von vier Wochen für die Inanspruchnahme der Zuschußleistungen beinhalten.
Wir sind bei unseren Überlegungen weiter davon ausgegangen, daß wir die später noch vorzunehmende Gesamtreform der gesetzlichen Krankenversicherung nach Möglichkeit nicht präjudizieren wollen und uns infolgedessen jetzt bei der Erhöhung der Krankengeldsätze von 50 auf 60 % nur an das Prinzip der ersten sechs Wochen halten, daß wir darüber hinaus aber eine Änderung des § 182 der Reichsversicherungsordnung heute nicht vornehmen sollten.
*) Siehe Anlage 3 **) Siehe Anlage 4
Von dieser Grundüberlegung ausgehend, sind wir leider nicht in der Lage, den Änderungsanträgen auf Umdruck 1119 und Umdruck 1121 zu folgen. Sie greifen ja heute schon — nicht nur unter Bezugnahme auf das, was mit dieser Vorlage verwirklicht werden soll, sondern auch generell für die Gesamtgeltung innerhalb der Reichsversicherungsordnung — einer künftigen Reform insofern vor, als der Antrag aus den Kreisen der DP das Krankengeld auf 75 % des Grundlohnes bemessen will, ohne jede Beschränkung auf diesen Fall, und als auch der Antrag der FDP auf die Grundsätze, die ich hier angeführt habe, nicht die gebotene Rücksicht nimmt.
Durch die Änderung des § 182 Abs. 1 soll der Krankengeldsatz generell — auch für nicht sechs Wochen dauernde Krankheitsfälle — auf 60 v.H. erhöht werden. Wir sind der Meinung, daß wir alle Diskussionen über die generelle Erhöhung und die Änderung des § 182 bis zur späteren Reform der Krankenversicherung zurückstellen müssen und uns deshalb heute auf das beschränken sollten, was in der Ausschußvorlage vorgesehen ist.
Auch die übrigen Änderungen der Ausschußvorlage, die in den beiden genannten Umdrucken beantragt werden, sollten zweckmäßigerweise in dieser Form nicht in das Gesetz hineingenommen werden. Wir bitten deshalb, beide Änderungsanträge in ihrer Gesamtheit abzulehnen und der Ausschußvorlage Ihre Zustimmung zu geben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Kalinke.
Frau Kalinke : Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Das Problem, das wir auf Grund der Ausschußvorlage und der Änderungsanträge beraten, ist nicht nur außerordentlich bedeutsam, es ist auch so vielschichtig, daß es wohl als eines der Hauptanliegen dessen bezeichnet werden kann, was wir in diesen Jahren den Beginn der Sozialreform genannt haben. Wenn es aber ein Hauptanliegen der Sozialreform ist, darf es weder von der einen Gruppe als eine unbedingte Forderung auf Erfüllung von Leistungen — der die Berechtigung von meinen politischen Freunden nicht abgesprochen wird — noch etwa nur unter dem Gesichtspunkt der anderen Seite gesehen werden, die sagt: Wir können zur Zeit nicht. Dieses „zur Zeit nicht" darf nicht als ein Nein zu einem sozialen Fortschritt verstanden werden, den wir in der Fraktion der Deutschen Partei aus Überzeugung bejahen.
Wir glauben aber — ich habe es an dieser Stelle sehr oft zum Ausdruck gebracht —, daß es ungut ist. eine Diskriminierung der Arbeiter unter den Arbeitnehmern darin zu sehen. daß die Voraussetzungen des Arbeitsrechts und des Sozialversicherungsrechts für Arbeiter, Angestellte und Beamte unterschiedlich sind und daß die Fortentwicklung dieses Rechts nicht ad hoc. sondern mit der notwendigen Behutsamkeit erfolgt. Alle sozialnolitischen Fortschritte werden nur dann erfolgreich und dauerhaft sein. wenn sie die Wirtschaftskraft der Staatshürger, die die notwendigen Mittel für diese Fortschritte aufzubringen haben, nicht strapazieren oder gar überfordern.
Ich wäre sehr glücklich gewesen, wenn die Forderungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes und der Arbeitergewerkschaften, die ich als gewerkschaftliche Forderungen absolut anerkenne, auf
dem Wege weiter durchgesetzt worden wären, auf dem sie schon seit Jahren mit Erfolg vertreten worden sind. Ich meine den Weg der treien tariflichen Vereinbarung. Ich halte es für richtig, daß die arbeitsrechtliche Entwicklung — zu der ich mich persönlich bekenne — auf dem Wege zur weiteren Ausgestaltung des Arbeitsrechts in behutsamen und tragbaren Grenzen nicht verbaut wird.
Seit Jahrzehnten haben wir Unterschiede im Arbeitsrecht zwischen Arbeitern, Angestellten und Beamten. Niemals habe ich in den letzten zehn Jahren in einer politischen Versammlung einen Arbeiter gehört, der mir gesagt hätte, er fuhle sich deswegen diskriminiert.
— Ich habe es nicht gehört.
— Ich spreche auch zu den Karenztagen, Herr Schellenberg. — Wir alle wissen, in wie vielen Fällen betriebliche Vereinbarungen und im kleinen Betrieb individuelle Vereinbarungen Gott sei Dank noch über die staatlichen Bestimmungen hinaus vorhanden sind und dort helfen, wo im Krankheitsfalle, besonders bei lange anhaltender Krankheit, Hilfe dringend notwendig ist.
Wir sind aber der Auffassung, daß eine Sozialpolitik, die allein vom Standort des Großbetriebes oder vom Standort der organisierten Arbeiterschaft ausgeht — wie wir sie hier in den letzten Jahren so oft kritisieren mußten —, ohne die gesunde Wirtschaftskraft der mittelständischen Betriebe zu erhalten, deshalb verfehlt wäre, weil sie im Enderfolg die Bewahrung des sozialen Fortschritts nicht mehr garantieren könnte.
Mein Kollege Dr. Berg hat bei der Begründung
seines Antrags schon auf das Problem der Leistungsfähigkeit der kleinen und mittleren Betriebe
und der Belastung der lohnintensiven Betriebe mit
allem Ernst hingewiesen. Sein Antrag, der die
Regelung über eine Reform der Krankenversicherungsleistungen betrifft, wird von der großen
Mehrheit meiner Fraktion bejaht, jedoch nicht von
allen Mitgliedern unserer Fraktion als der einzige
Weg angesehen. Ich glaube, die Schwierigkeit
dieser Stunde und dieses Gesprächs liegt darin, daß
man weder auf Parteitagen noch zu Wahlzeiten
sozialpolitische Versprechungen machen sollte,
wenn man sich nicht von vornherein darüber klar
ist, wer die Kosten, die bei der Lösung solcher
sozialpolitischer Aufgaben entstehen, zu tragen hat.
Wir sind — das brauchen wir nicht zu betonen — darüber in Sorge, daß unsere Sozialpolitik immer mittelstandsfeindlicher wird. Wir sind aber auch um der Arbeitnehmer willen in Sorge, weil dem Arbeiter mit einer falschen Sozialpolitik nicht gedient ist, wenn infolge einer solchen Politik sein Reallohn immer niedriger wird und ihm zuletzt die Ergebnisse der Lohn- und Sozialpolitik nicht mehr zugute kommen.
Wir befürchten außerdem, daß eine zu weitgehende Steigerung der Beitragsbelastung in der Sozialversicherung mit Rücksicht auf das derzeitige Preisniveau gerade diejenigen treffen würde, die wir schützen möchten, nämlich die kinderreichen Familien, die Arbeitnehmer und die kleinen Selbständigen mit geringem Einkommen.
Darum muß noch einmal betont werden: Vor Beginn aller sozialreformerischen Maßnahmen muß Klarheit darüber herrschen, wer die Kosten trägt. Wir werden in diesem Hause keiner Maßnahme mehr zustimmen, wenn nicht vorher Klarheit über die Kosten, über die Möglichkeiten der Durchführung, über die wirtschaftlichen Belastungen und über ihre Auswirkungen für Arbeitnehmer, Arbeitgeber und den grollen Kreis der Konsumenten besteht. Wir bedauern, daß in dieser Debatte so heftig von Gegensätzen gesprochen wird, die keine Gegensätze sein dürfen, wenn wir die Wirtschafts-und Sozialpolitik aus einer Schau sehen. Auch die sozialdemokratischen Sprecher müssen einsehen, daß ihre eigenen Erfahrungen, die sie mit der tariflichen Lösung der Zuschüsse zum Krankengeld und mit den gewerkschaftlichen Zuschüssen zum Krankengeld beim Bergbau gemacht haben, daß die Erfahrungen, die unsere Landwirtschaft mit ihren Rahmentarifregelungen gemacht hat, wie die Erfahrungen der Vertrauensärzte und vertrauensärztlichen Dienststellen, wenn wir über diese Dinge ernsthaft und sachlich diskutieren, uns vor neuen Beschlüssen belehren sollten. Die bitteren Erfahrungen auch im Arbeitskampf in Schleswig-Holstein, die Gefahr, daß der hier besprochene Brief mißverstanden werden könnte, daß eine solche Regelung in einem Klima erzwungen werden sollte, in dem der Sache, nämlich dem sozialen Fortschritt, nicht gedient ist, stehen uns allen vor Augen.
Die soziale Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfall ist nach meiner Meinung ein überwiegend arbeitsrechtliches Problem. Wir werden aber eine Frage, die bei der Rentenreform zu lösen wir uns leider nicht die Mühe gemacht haben und die ich immer wieder vor die Entscheidung der Verantwortlichen gestellt habe, nämlich die Frage der Abgrenzung zwischen Arbeitern und Angestellten, der vernünftigen Abgrenzung der Arbeitnehmer und ihrer Rechtsansprüche gegeneinander lösen müssen, ehe wir zu vernünftigen, fortschrittlichen Ergebnissen kommen können. Wir werden uns auch darüber unterhalten müssen—und da bin ich nicht der Auffassung des Kollegen Stücklen, obwohl ich im Grundprinzip mit ihm übereinstimme —, daß man diese Frage „nur über die Krankenversicherungsreform" lösen kann. Man kann auch die Zahlung des Krankengeldes einem besonderen Träger übergeben und den Risikoausgleich vollkommen neu gestalten, wie das in anderen Ländern schon geschehen ist. Solche Möglichkeiten sehe ich. Ich sehe sie aber nicht in Änderungsanträgen zu einem Vorschlag, wie er uns heute vorliegt, sondern ich sehe sie nur im Zusammenhang mit einer genauen Betrachtung und Kenntnis des Risikos und der Belastungen. Ich sehe sie auch nicht darin, neue Versuche mit der „Gemeinlast" oder mit Lastenausgleichsmethoden und Gemeinlastverfahren zu machen.
Ich sehe sie auch nicht in den Versuch, Zwangsausgleichskassen einzurichten, weil alle Erfahrungen zeigen, daß mit diesen Methoden die Probleme nicht zu lösen sind und diese Methoden auch nicht dazu führen, die Sparsamkeit der Verwaltung zu fördern und dem Mißbrauch zu steuern.
Hier ist von meinem Kollegen vom „Mißbrauch" gesprochen worden. Ich bitte Sie, nicht zu unterstellen, daß wir glauben, die Arbeiter treiben grundsätzlich mehr Mißbrauch als die Angestellten.
Wir sind uns darüber klar, daß alle übertriebenen Leistungen eines Staates, den man „Wohlfahrtsstaat" nennt, daß z. B. alle Überschreitungen der Versicherungspflichtgrenzen dazu führen müssen, daß diejenigen, denen man Beiträge und Steuern abnimmt, versuchen, aus diesen Einrichtungen so viel wie möglich herauszubekommen. Man kann deshalb so schwerwiegende Probleme nicht lösen, wenn man sie nur von einer Seite betrachtet. Ich gebe dem Kollegen Horn vollkommen recht, daß die Probleme .der Krankenversicherungsreform so groß und so umfassend sind, daß der Ausgleich und die Fürsorge im Krankheitsfall — meine Herren und Damen, ich bitte Sie, das zu bedenken — in der Praxis nicht nur eine Frage der Lohnfortzahlung oder der Krankengeldzahlung in den ersten vier Wochen oder der Karenztage, sondern vor allem ein Problem bei den langanhaltenden Krankheiten sind. Hier berühren sich Kranken- und Rentenversicherung. Hier beginnen ,die Probleme der Rehabilitation. Hier beginnt die Frage, der Teilrente und ihrer Auswirkungen. Wir haben große und moderne Versuche bei der Rentenversicherung gemacht. Noch niemand weiß, wie sie sich in der Praxis bewähren werden. Wir sollten nicht neue Experimente machen, ehe wir nicht wissen, wohin wir mit dem Begonnenen geraten werden.
Ich glaube daher im Gegensatz zu der Mehrheit meiner Fraktion nicht, daß die Krankenversicherungslösung die allein richtige sein wird. Ich glaube, daß es im Augenblick keine bessere Lösung gibt, als zu versuchen, einen vernünftigen Risikoausgleich für die mittelständischen Betriebe zu finden, deren wirtschaftliche, ja auch deren sozialpolitische Bereitschaft zur freiwilligen Lösung ich als die Voraussetzung für einen besseren Weg ansehen würde als jeden Zwang, wie er nach der Ausschußvorlage zur Diskussion steht und vorgezeichnet ist.
Ich will wegen des Zurufs des Kollegen Schellenberg auch zum Problem der Karenztage etwas sagen. Ich bekenne mich zu dem Grundsatz, daß die Karenztage dann nachträglich fortfallen müssen, wenn es sich um eine länger anhaltende Krankheit handelt. Ich bin aber der Meinung, daß das Lohnniveau unserer Arbeitnehmer so hoch ist, daß man es gut verdienenden Arbeitern, Angestellten und Beamten gleichermaßen zumuten kann, für unvorhergesehene Fälle kurzer Krankheit eine Rücklage zu machen, und ich habe den Mut, das auch kurz vor den Wahlen auszusprechen.
— Ich weiß, daß Sie nicht alle diesen Mut haben. Aber ich weiß auch, daß mir sehr viele Arbeiter darin folgen werden, daß sie als Staatsbürger sehr wohl bereit sind, für sich und ihre Familien Rücklagen für solche Wechselfälle des Lebens zu machen. Nur das kann doch der Sinn einer fortschrittlichen Wirtschafts- und Lohnpolitik sein. Wir in der Regierungskoalition sind stolz darauf, daß wir die Voraussetzungen für eine Wirtschaftspolitik geschaffen haben, die so weiten Kreisen die Wohlstandsmehrung ermöglicht hat.
Wenn das aber so ist, dann können wir nicht immer weitere Kreise als schutzbedürftig behandeln, sondern dann muß von diesen Kreisen auch erwartet werden, daß sie die Möglichkeit haben, die Lohnausfälle, die sie an den zwei oder drei Tagen
haben, im Bewußtsein ihrer Verantwortung selbst aus den Ersparnissen oder aus der Lohntüte zu zahlen.
— Es gibt nicht nur Unterschiede zwischen Arbeitern, Angestellten und Beamten, Herr Kollege, sondern auch Unterschiede gegenüber den Menschen, die den freien Berufen angehören, an die niemand denkt, wenn sie lacht Tage ausfallen — an denen sie nichts verdienen —, und denen niemand von Staats wegen in dieser Zeit hilft. Wir haben hier als Politiker die Wohlfahrt des ganzen Volkes zu sehen.
— Sie schütteln den Kopf!
Es ist gerade von Ihnen immer davon gesprochen worden, man dürfe kein unterschiedliches Recht schaffen. Sie wollen hier von neuem unterschiedliches Recht schaffen; Sie wollen in der Krankenversicherung 50 % Krankengeld für Angestellte und 60% für Arbeiter haben, und zwar in den ersten sechs Wochen; in der siebenten Woche, also bei längerer Krankheit, wo die Lage des Betreffenden schwieriger wird, soll das Krankengeld nach Ihren Vorschlägen wieder auf 50 % herabgesetzt werden. Ich weiß nicht, ob das die Arbeiter wirklich als einen Vorteil ansehen werden.
Wir sollten diese Frage also in Zusammenhang mit der Krankenversicherungsreform sehr ernsthaft prüfen. Ich wehre mich persönlich dagegen, ein Risiko auf Sozialversicherungsgemeinschaften zu verlagern, und ich wehre mich auch dagegen, Risiken immer so abzuwälzen, daß sie bei bestimmten Wirtschaftszweigen hängenbleiben,
weil andere Wirtschaftszweige in der Lage sind, in den Preis auszuweichen. Darum behandelt nach meiner Meinung die Ausschußlösung das Problem nicht so, wie es behandelt werden muß.
Ich sehe hier einen Kompromißvorschlag meiner politischen Freunde aus der CDU-Fraktion, die versucht haben, ihrem politischen Versprechen unter den Gegebenheiten, in denen wir uns befinden, nachzukommen, allerdings ohne genaue Kenntnis der wirklichen künftigen Belastungen, die noch auf uns zukommen werden. Ich zähle nur auf: Erhöhung der Krankenversicherungspflichtgrenze und damit Erhöhung der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteile, Erhöhung der Unfallversicherungsbeiträge, Erhöhung der Umlagen für das Kindergeld; ich könnte noch einiges hinzufügen. Wie die Steuerpolitik aussehen wird, können wir zur Zeit noch nicht sagen. Deshalb werden die Mitglieder der Fraktion der Deutschen Partei aus Überzeugung diesem Kompromißvorschlag nicht zustimmen können. Wenn einzelne meiner Freunde in der zweiten Lesung vorbehaltlich dessen, was sie noch an Anträgen stellen werden, diesem Vorschlag ihre Zustimmung geben, so deshalb, weil sie damit zum Ausdruck bringen wollen, daß sie den guten Willen haben, mit der Lösung dieses Problems zu beginnen. Wir sind aber verpflichtet, Ihnen hier zu sagen, daß jahrzehntelange Unterschiede, die zu keinen Schwierigkeiten
größeren Ausmaßes geführt haben, nicht in wenigen Wochen unbedingt beseitigt werden müssen. Wir sind der Meinung, daß wir gemeinsam im 3. Bundestag die Verantwortung für alle Ausweitungen in der Sozialpolitik tragen sollten, seien sie noch so berechtigt, und erst Klarheit erhalten sollten über die Gesamtheit der Sozialbelastungen, über die Wirksamkeit aller sozialen Leistungen und über die Notwendigkeit der Erhaltung der Wirtschaftskraft unseres Volkes, das ohne die Erhaltung dieser Wirtschaftskraft keinem sozialen Fortschritt mehr dienen wird. Deshalb, meine Herren und Damen, haben Sie Verständnis dafür, daß wir die Anträge der SPD heute ablehnen müssen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dittrich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schon bei der ersten Lesung dieses Gesetzentwurfs waren sich die Sprecher aller Parteien einig, daß eine Angleichung der Verhältnisse der Arbeiter an die der Angestellten erfolgen soll. Nur über die Wege war man sich damals nicht im klaren und hat man heute offensichtlich noch Zweifel. Wir möchten also grundsätzlich bejahen, daß die gegenwärtigen gesetzlichen Bestimmungen hinsichtlich der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall für Arbeiter nicht den Gegebenheiten entsprechen. Ich habe dasselbe bei der ersten Lesung dieses Gesetzentwurfs zum Ausdruck gebracht.
Nun wollen wir uns über eins klarsein: eine exakte Lösung ist die der Ausdehnung des § 616 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf die Arbeiter, die andere exakte Lösung ist eine Anhebung des Krankengeldes. Die Lösung, die meine Fraktion bringt, ist eine Kompromißlösung und wird von verschiedenen Freunden unserer Fraktion lediglich als eine Zwischenlösung angesehen, eine Zwischenlösung deshalb, weil wir eben nicht nur auf die Verhältnisse des Arbeiters im Krankheitsfall Rücksicht nehmen, sondern auch auf die mittelständischen Kreise achten müssen. Denn die Belastungen, die in den letzten Monaten und Jahren auf diese mittelständischen Kreise zukommen, sind unseres Erachtens so groß, daß wir Zweifel haben, ob noch eine Konkurrenzfähigkeit der mittelständischen Kreise gegeben ist. Das möchten wir Ihnen in aller Deutlichkeit sagen.
Im Einvernehmen mit meinem Kollegen Stücklen, der vor mir gesprochen hat, möchte ich zum Ausdruck bringen, daß die CDU/CSU-Fraktion während der zweiten Lesung dieses Gesetzes an den Ausschußentschlüssen festhalten will. Das heißt, daß wir, auch soweit es sich um die Freunde um Richard Stücklen handelt, dem § 1 des Ausschußentwurfs zustimmen wollen, allerdings mit dem Vorbehalt, daß wir bis zur dritten Lesung eine Lösung vorbereiten, die den Anliegen des Mittelstandes gerecht wird. Denn seien wir uns darüber klar: Die Erhöhung der Löhne, die Arbeitszeitverkürzungen, die Erhöhung der Rentenversicherungsbeiträge, die Frage der Unfallversicherung, die auf uns zukommt, die Kindergeldbeiträge an die Familienausgleichskassen sind Forderungen an den Mittelstand, die ihn ohnedies schon zur Genüge belasten und die uns schwerste Bedenken auferlegen.
Deshalb denken wir an eine Regelung — und bereiten einen diesbezüglichen Antrag vor—, nach der die Last, die durch diese Mehraufwendung für Leistungen an die Arbeiter im Krankheitsfalle auf unsere mittelständischen Betriebe zukommt, von einer Gesamtheit getragen wird. Welche Lösung wir in dieser Hinsicht bringen, können wir noch nicht sagen. Ich möchte lediglich zum Ausdruck bringen, daß auch die Freunde, die die mittelständischen Interessen in besonderer Weise wahrnehmen, diesem Gesetzentwurf in der zweiten Lesung zustimmen werden, allerdings mit dem Vorbehalt, daß wir das Risiko, das wir für den einzelnen Betrieb befürchten, auf eine Gesamtheit umlegen wollen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Sabel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Kalinke hat uns einen sehr umfangreichen Vortrag gehalten. Ich glaube, wir müssen das, was hier zum Teil gesagt wurde, unter Umständen in der dritten Lesung beantworten. Ich möchte mich ,auf das beschränken, was im Augenblick zur Diskussion steht.
Deswegen kann ich Frau Kollegin Kalinke nur sagen: Sicher, man kann die These aufstellen, daß man in dem gegenwärtigen Zustand keine Diskriminierung sehen sollte. Aber wir brauchen uns über Worte nicht zu streiten. Ich glaube, wir sind uns darüber einig, daß es ein sozial nicht haltbarer Zustand ist. Daß er nicht haltbar ist, ist auch daraus zu ersehen, daß sich auch die Tarifpartner schon in beachtlichem Ausmaß mit diesem Problem beschäftigt haben, weil der Gesetzgeber hier, sagen wir ruhig, im Rückstand geblieben ist.
Nun möchte ich dem Kollegen Richter sagen: Was hier als, nennen wir es: Kompromißentwurf geschaffen wurde, lehnt sich doch sehr stark an die bestehenden tariflichen Regelungen an, bringt aber eine wesentliche Verbesserung. Das System der tariflichen Regelungen bestand ja darin, daß Zuschüsse zum Krankengeld gegeben wurden. Wir kennen die tariflichen Regelungen, soweit es sich um Manteltarifverträge handelt. Gegenüber diesen Regelungen ist doch nun eine wesentliche Verbesserung erreicht worden, und zwar erstens in bezug auf die Dauer, für die in Zukunft ein Differenzbetrag gezahlt wird, zweitens aber auch in bezug auf die Höhe des Differenzbetrags, der künftig im Falle der Krankheit gezahlt wird. Also auch dort, wo man durch Tarifvertrag oder auch durch Werktarif versucht hat, das Problem zum Teil zu lösen, tritt eine wesentliche weitere Verbesserung ein, wenn die Gesetzesvorlage so akzeptiert wird, wie sie dem Hohen Hause vom Ausschuß für Sozialpolitik vorgelegt wurde.
Wir haben während der Beratungen den Umfang des Personenkreises in etwa abgeschätzt, für den schon begrenzte Lösungen geschaffen worden sind. Wir schätzen diesen Personenkreis auf etwa 4 bis 5 Millionen Arbeitnehmer. Das heißt also: für den größeren Teil der Arbeitnehmer sind solche tariflichen Regelungen noch nicht gegeben.
Es ist schon wiederholt, auch von meinen Kollegen, darauf hingewiesen worden, daß wir das Ganze nicht als eine Endlösung, aber als die zur
Zeit mögliche Teillösung betrachten. Wir können nun einmal manche Dinge, die heute wiederholt angesprochen worden sind, nicht einfach ignorieren. Kollege Richter hat so nebenbei erwähnt, daß man von einer Reallohnerhöhung nicht
— kaum — reden könne. Ja, ich lese immer sehr gern die Feststellungen des Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts der Gewerkschaften, und ich freue mich, daß sich diese Feststellungen meistens gar nicht unterscheiden von den Feststellungen des Statistischen Bundesamts. Wenn ich diese Zahlen richtig auswerte, dann muß ich allerdings doch wohl das „kaum" streichen. Lieber Kollege Richter, ich darf noch eines sagen: Wenn man solche Thesen vertritt, dann besteht die große Gefahr, daß jemand auf die Idee kommt, zu sagen: Was haben denn dann die Gewerkschaften geschaffen?
Also etwas vorsichtiger sein! Ich schätze die Arbeit der Gewerkschaften, und ich sehe sie viel erfolgreicher, als der Kollege Richter es hier sagt. Er wird es anderswo ja auch etwas deutlicher sagen. Also bitte vorsichtig mit solchen Bemerkungen!
Frau Kollegin Friese-Korn, wir halten es einfach für unmöglich, daß solche Leistungen erst erfolgen können, wenn eine halbjährige Betriebszugehörigkeit gegeben ist. Wir reden von einer Angleichung; es ist aber keine volle Angleichung, auch das nicht, was wir glauben praktizieren zu können. Sie können nicht so weit gehen, wie von Ihnen vorgeschlagen wird. Der Ausschuß für Sozialpolitik hat vier Wochen eingebaut. Das ist akzeptabel; man kann sagen, die Regelung soll nicht für gewisse Fluktuationsarbeitskräfte geschaffen werden. Aber denken Sie doch daran, daß der Angestellte ,unverzüglich in den Genuß dieses Rechtes kommt, es sei denn, daß für ihn eine kurze Probezeit festgelegt wird. Sonst hat er gleich den Anspruch. Mit solchen Vorschlägen, Frau Kollegin Friese-Korn, ist der Sache nicht gedient. Wir können das nicht akzeptieren.
Der Frau Kollegin Kalinke möchte ich nur noch folgendes sagen. Sie sagte: Jetzt schaffen Sie ein neues Unrecht. Frau Kollegin Kalinke, es geht um die gleiche Behandlung der Arbeitnehmer. Wir wissen, daß es neben den Arbeitnehmern auch noch andere Menschen gibt. Aber hier geht es nur um das Problem, eine einigermaßen gleiche Behandlung der Arbeitnehmer zu erreichen. Wir übersehen nicht die Schwierigkeiten, wie sie für andere Berufsstände — freie Berufe — gegeben sind. Sie sagten: Jetzt schaffen Sie in der Krankenversicherung noch eine neue Gruppe,
indem die Angestellten nur 50 % und die gewerblichen Arbeitnehmer 60 % Krankengeld erhalten. Das trifft nicht zu. Für die ersten sechs Wochen haben die Angestellten Anrecht auf ihr Gehalt, und nach den sechs Wochen wird auch das Krankengeld der gewerblichen Arbeitnehmer, wenn wir diese Regelung akzeptieren, wieder auf den Normalstand herabgesetzt. Ob ,das glücklich ist, das ist eine andere Frage. Darüber müssen wir uns bei der Reform unserer Krankenversicherung einmal unterhalten. Dann müssen wir überhaupt einmal prüfen, was für den Zeitraum, der über sechs Wochen hinausgeht, geschehen soll.
Wir glauben, daß die vorgeschlagene Regelung — sie ist nun wirklich eingehend diskutiert worden — das zur Zeit Mögliche darstellt. Wir sehen in ihr keine Endlösung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur wenige Bemerkungen zu den Zahlen über die wirtschaftliche Belastung! Es stehen hier phantastische Angaben über die finanziellen Auswirkungen dieses Gesetzentwurfs im Raum. Man muß sie zu dem Lohnaufwand in Beziehung setzen. Wenn man dabei die eingehenden Untersuchungen zugrunde legt, die das Bundesarbeitsministerium dankenswerterweise — in dieser Hinsicht kann ich einmal das Bundesarbeitsministerium loben —
durchgeführt und veröffentlicht hat, dann erhält man eine Größenordnung von 1 1/2 % des Lohnaufkommens.
— Herr Kollege Stücklen, man muß jedoch, was teilweise übersehen wird, die Einsparungen an Krankengeld absetzen. Das Bundesarbeitsministerium hat das in den Berechnungen getan. Aber diejenigen, die darüber sprechen, tun es oft nicht. Denn wenn der Lohn für sechs Wochen weitergezahlt wird, entsteht selbstverständlich kein Aufwand an Krankengeld.
Wenn der Lohn an die Stelle des Krankengeldes tritt, ergibt sich im Durchschnitt über die 1 1/2 % hinaus keine weitere Belastung, wobei die Möglichkeit einer entsprechenden Beitragssenkung berücksichtigt ist.
Wir verkennen nicht, Herr Kollege Stücklen, daß selbst die Aufbringung von 1 1/2 % des Lohnaufkommens eine wirtschaftliche Frage von Bedeutung ist. Deshalb haben wir mit unserem Antrag versucht, das Risiko, das die kleinen Arbeitgeber unterschiedlich treffen kann, auszugleichen, und haben dafür einen laufenden Beitrag an die Ausgleichskasse vorgesehen. Deshalb unser Vorschlag einer Ausgleichsregelung.
Aber ich bitte Sie, meine Damen und Herren, bei Ihrer Entscheidung die Größenordnung von 1 1/2 % des Lohnaufkommens im Zusammenhang mit der grundsätzlichen Frage zu sehen: Soll die soziale Diskriminierung eines Teils der arbeitenden Menschen bei Krankheit beseitigt werden oder soll endlich die soziale Gleichstellung aller arbeitenden Menschen bei Krankheit herbeigeführt werden? Die Zeit dafür ist überreif.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Kollegin Kalinke.
Frau Kalinke : Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich bitte mir zu gestatten, Herrn Professor Schellenberg auf seine letzten Worte mit einem Satz zu antworten.
Herr Professor Schellenberg, die arbeitenden Menschen in unserem Volke sind nicht nur Arbeiter, nicht nur Angestellte, nicht nur Beamte, sondern das sind alle diejenigen — auch die Bauern, Handwerker und Angehörigen der freien Berufe —, die mit ihrer Arbeitsleistung dazu beitragen, daß das Sozialprodukt gemehrt, die Wirtschaftskraft erhalten und der soziale Fortschritt gefördert wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, jetzt schließe ich die Beratung zu § 1 und komme zur Abstimmung.
Der weitestgehende Antrag ist der auf Umdruck 1119*) Ziffer 1, weil hiernach die §§ 1 bis 7 des Ausschußentwurfs überhaupt gestrichen werden sollen. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 1119 Ziffer 1 a und b zuzustimmen wünscht, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit bei vielen Enthaltungen abgelehnt.
Der dann weitergehende Antrag ist nach meiner Auffassung der Änderungsantrag auf Umdruck 1112**). Ich glaube, die antragstellende Fraktion ist damit einverstanden, daß ich über Ziffer 1 a, die die Überschrift des Ersten Abschnitts betrifft, und über Ziffer 1 b gemeinsam abstimmen lasse, weil dies innerlich zusammenhängt. — Ich höre keinen Widerspruch; ich werde so verfahren. Wer dem Änderungsantrag auf Umdruck 1112 Ziffer 1 a und b zuzustimmen wünscht, der ;gebe das Handzeichen.
— Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit abgelehnt.
Ich komme auf die Änderungsanträge Umdruck 1119 zurück und rufe gleichzeitig Umdruck 1121***) 1 zur Abstimmung auf. Nach Ziffer 1 des Umdrucks 1121 soll § 1 Abs. 2 der Ausschußvorlage geändert werden. Der Eventualantrag auf Umdruck 1119 Ziffer 2 will das gleiche. Ich halte den Antrag auf Umdruck 1121 Ziffer 1 für weitergehend und lasse deshalb zuerst über ihn abstimmen. Wer dem Änderungsantrag der FDP auf Umdruck 1121 Ziffer 1 zuzustimmen wünscht, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Abgelehnt.
Ich frage die Antragsteller zu Umdruck 1119 Ziffer 2, ob dieser Eventualantrag durch die letzte Abstimmung erledigt ist. Ich vermag das materiell nicht ohne weiteres zu überblicken. Muß ich noch darüber abstimmen lassen?
— Der Eventualantrag Umdruck 1119 Ziffer 2 ist durch die letzte Abstimmung erledigt.
Damit sind alle Änderungsanträge zu dem aufgerufenen § 1 in der Ausschußfassung erledigt. Wer dem § 1 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünschet, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe nunmehr den § 2 auf, dazu die Änderungsanträge Umdruck 1119 Ziffer 3 und Umdruck 1112 Ziffer 2.
Wer begründet den Antrag 1119 Ziffer 3? — Herr Abgeordneter Dr. Berg!
*) Siehe Anlage 3 **) Siehe Anlage 2 ***) Siehe Anlage 4
Dr. Berg : Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mich ganz kurz fassen. Die Antragsteller sind der Überzeugung, daß der § 2 in seiner jetzigen Fassung, nämlich mit der Bezugnahme auf das Entgelt, das der Betreffende erhalten hätte, wenn er gesund gewesen wäre, zu unglaublichen Streitigkeiten führen und die ohnehin überlasteten Arbeitsgerichte noch weiter belasten würde, daß er ferner dem Betriebsklima und dem sozialen Frieden in Deutschland bestimmt nicht zuträglich wäre. Wir haben Ihnen daher eine Fassung vorgeschlagen, die diesen Forderungen durchaus gerecht wird und die sich außerdem im wesentlichen auf die bisherige Regelung stützt.
Ich bitte um Annahme dieses Antrages.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Soll der Antrag Umdruck 1112*) Ziffer 2 der SPD noch begründet werden, oder gilt er schon als begründet?
Weitere Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich schließe die Beratung zu § 2.
Wir kommen zur Abstimmung. Der weitergehende Antrag ist der der SPD auf Umdruck 1112 Ziffer 2. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit abgelehnt.
Ich lasse nunmehr über den Änderungsantrag 1119**) Ziffer 3 abstimmen. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, der gebe das Handzeichen.
— Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den § 2 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei vielen Enthaltungen mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe nunmehr den § 3 auf, dazu den Änderungsantrag Umdruck 1112 Ziffer 3.
— Die Ziffern 3 und 4 des Umdrucks 1112 sind erledigt.
Zu § 3 in der Ausschußfassung liegt ein Änderungsantrag nicht vor. Wer dem § 3 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei vielen Enthaltungen mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe den § 4 auf. Da der Änderungsantrag Umdruck 1112 Ziffer 4, der zu diesem Paragraphen gestellt war, nach der Auskunft der Antragsteller erledigt ist, liegt auch hierzu kein Änderungsantrag vor. Wird in der zweiten Beratung das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer dem § 4 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei vielen Enthaltungen mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf § 5, dazu den Antrag Umdruck 1119**) Ziffer 4. Soll er begründet werden? — Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Berg!
*) Siehe Anlage 2 **) Siehe Anlage 3
Dr. Berg : Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch die in der Ausschußvorlage vorgesehene Regelung bezüglich der Heimarbeiter kann in der Praxis zu Konsequenzen führen, die der Gesetzgeber ganz sicher nicht will. Es ist klar, 2 % mehr dürften den Aufwand wohl etwa decken. Es fragt sich nur: wozu werden die Heimarbeiter diese 2 % verwenden? Wir sind der Überzeugung, daß dieser 2%ige Lohnzuschlag in sehr vielen Fällen in dem Moment, wo die Leute krank sind, nicht mehr vorhanden ist, daß er einfach dem Konsumgeld zugeschlagen wird und daß infolgedessen der eigentliche Zweck — ein Zusatz zum Krankengeld — nicht erreicht wird.
Wir haben Ihnen daher eine Regelung vorgeschlagen, die an das Heimarbeitergesetz vom Mai 1951 anknüpft und nach der der Zuschuß so berechnet wird, als ob ein in bezug auf ein Tagesentgelt 25%iger Zuschuß zum Krankengeld zu gewähren wäre. Da das Feiertagsgeld für die Heimarbeiter zwei Drittel des Tagesdurchschnittslohns beträgt, muß, wenn man auf 25 % abhebt, 1/6 v. H. zugrunde gelegt werden.
Mit dieser Regelung stehen sich im übrigen die Heimarbeiter je nach Familienstand besser als die übrigen Arbeiter. Vielleicht erleichtert Ihnen das, dem Antrag zuzustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Horn!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dem von Herrn Kollegen Dr. Berg begründeten Änderungsantrag zu § 5 möchte ich sagen, daß man über diese Änderungswünsche sehr wohl diskutieren kann. Man kann Überlegungen anstellen, ob bzw. inwieweit der § 5 der Ausschußvorlage zweckmäßigerweise eine Änderung oder Ergänzung im Sinne dieses Antrages der Kollegen von der DP erfahren sollte. Wir können aber diese Erörterung im Augenblick hier nicht führen. Deshalb werden wir in dieser zweiten Lesung der Ausschußfassung des § 5 zustimmen und uns in der Zwischenzeit bis zur dritten Lesung Gedanken darüber machen oder auch uns mit den Antragstellern darüber besprechen, inwieweit man bei der dritten Lesung den Überlegungen, die dem Änderungsantrag zugrunde liegen, vielleicht zu folgen in der Lage ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Beratung. Wir kommen zur Abstimmung.
Wer dem Änderungsantrag Umdruck 1119*) Ziffer 4 zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen.
— Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit abgelehnt.
Ich komme nunmehr zur Abstimmung über den § 5 in der Ausschußfassung. Wer ihm zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe!
— Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe § 6 und § 7 auf. Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache. Wer den §§ 6 und 7 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei Enthaltungen mit Mehrheit angenommen.
*) Siehe Anlage 3
Ich rufe nunmehr auf § 8, dazu die Anträge Umdruck 1112*) Ziffer 5, 1119**) Ziffer 5 und 1121***) Ziffern 2, 3, 4, 5 und 6. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Bitte, Herr Abgeordneter!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin in der angenehmen Lage, keine große Begründung zu unserem Änderungsantrag Umdruck 1112 Ziffer 5 geben zu brauchen, da alle Redner, die ,das Problem heute morgen berührt haben und die sich auch über die Aufbringung der Mittel gerade bei den Klein- und Mittelbetrieben Gedanken gemacht haben, schon klargestellt haben, daß da etwas geschehen muß. Im allgemeinen unterstellt man uns, daß wir nur Forderungen stellen und uns über die Aufbringung keine Gedanken machen. Ich darf darauf hinweisen, ,daß wir das bereits in unserem Antrag — also vor zwei Jahren — getan und in Art. 2 unseres Gesetzentwurfes leinen Ausgleichsstock gefordert haben. Dieser Vorschlag ist bisher leider nicht berücksichtigt worden.
Wir sind außerordentlich erfreut, daß Herr Kollege Stücklen heute eine Erklärung abgegeben hat, aus der sich ergibt, daß man in allerletzter Minute auch dort zu der Erkenntnis gekommen ist, daß wir für die Klein- und Mittelbetriebe einen Ausgleichsstock schaffen müssen. Denn wir sehen sonst für die Durchführbarkeit dieses Gesetzes die große Gefahr, daß für .rund 30 % der gewerblichen Arbeitnehmer — so viele stehen bei den Klein- und Mittelbetrieben in Arbeit — bei der Auszahlung, trotz allem guten Willen, zwangsläufig Schwierigkeiten entstehen werden. Sie haben nun eine neue Vorlage zur Schaffung eines Ausgleichsstocks für die dritte Lesung ,angekündigt. Sie hätten das eigentlich nicht nötig, wenn Sie unserem Änderungsantrag Ihre Zustimmung geben wollten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bitte, Herr Abgeordneter Schmücker!
Herr Kollege Regling, wir sind mit Ihnen der Meinung, daß ein Ausgleich gefunden werden muß. Aber man kann einen Ausgleich nicht dadurch herstellen, daß man allein die Betriebe, die schlechter stehen, zu einer Risikogemeinschaft zusammenfügt. Man muß die Risikogemeinschaft auf alle ausdehnen. Das war der Stand unserer Überlegungen. Wir haben Ihnen ja gesagt, daß wir versuchen wollen, Ihnen zur dritten Lesung einen solchen Vorschlag zu unterbreiten. Wir werden daher dem § 8 in der vorliegenden Form nicht zustimmen, um volle Freiheit für die dritte Lesung zu haben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Soll der Änderungsantrag Umdruck 1119**) Ziffer 5 begründet werden? — Herr Abgeordneter Dr. Berg!
Dr. Berg : Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser Antrag dient, wie ich bereits zu Anfang ausgeführt habe, dem Schutz vor Mißbrauch. Dieser Schutz muß verstärkt werden, weil die Leistungen erhöht warden sind. Ich bitte, den Antrag anzunehmen.
*) Siehe Anlage 2 **) Siehe Anlage 3 ***) Siehe Anlage 4
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird der Änderungsantrag Umdruck 1121*) Ziffern 2 bis 6 begründet? — Frau Abgeordnete Friese-Korn!
Meine Herren und Damen! Ich habe es eigentlich vorhin schon mitbegründet, möchte aber noch einmal darauf hinweisen, daß wir es fürdringend notwendig halten, daß gerade dann, wenn die ersten sechs Wochen herum sind, der Versicherte weiterhin 60 % des Krankengeldes erhält. Dann beginnt ja erst die eigentliche Notlage, wenn das auch von Herrn Kollegen Stingl, glaube ich, vorhin energisch zurückgewiesen warden ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Beratung über § 11 und komme zur Abstimmung.
Ich lasse abstimmen über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 1112**) Ziffer 5. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit abgelehnt.
Ich lasse nunmehr abstimmen über den Änderungsantrag Umdruck 1121*) Ziffer 2. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei vielen Enthaltungen mit Mehrheit abgelehnt.
Ich lasse nunmehr abstimmen über den Änderungsantrag Umdruck 1119***) Ziffer 5. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit abgelehnt.
Nunmehr lasse ich abstimmen über die Änderungsanträge Umdruck 1121 Ziffern 3, 4, 5 und 6. Die Antragsteller haben nichts dagegen, wenn ich darüber insgesamt abstimmen lasse. — Wer diesen Änderungsanträgen zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei vielen Enthaltungen mit Mehrheit abgelehnt.
Damit sind alle Änderungsanträge zu dem aufgerufenen § 8 erledigt.
Ich komme zur Abstimmung über den § 8 in der Ausschußfassung. Wer ihm zustimmen will, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich muß die Abstimmung wiederholen. Wer dem § 8 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, möge sich erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Wir sind außerstande, zu entscheiden; wir zählen aus. —
Meine Damen und Herren, darf ich das Ergebnis der Auszählung zu § 8 in der zweiten Lesung bekanntgeben: abgestimmt haben 351 stimmberechtigte Abgeordnete, davon mit Ja 149, mit Nein 181, enthalten haben sich 21; damit ist der § 8 in der Ausschußfassung in zweiter Lesung abgelehnt.
Ich rufe nunmehr § 9 auf, dazu die Anträge Umdruck 1120****) und Umdruck 1112**) Ziffer 6, weil ich glaube, daß sie zusammengehören. Wer be*) Siehe Anlage 4 **) Siehe Anlage 2 ***) Siehe Anlage 3 ****) Siehe Anlage 5
gründet Antrag Umdruck 1120? — Bedarf keiner
Begründung! Der Antrag Umdruck 1112 Ziffer 6,
einen neuen § 9 a einzufügen, ist schon begründet?
— Gut, danke sehr!
Meine Damen und Herren, wenn dem Antrag Umdruck 1120 stattgegeben wird, nämlich die Saarklausel durch einen zweiten Absatz in § 9 der Ausschußfassung mit einzufügen, dann erübrigt sich wohl eine Abstimmung über 1112 Ziffer 6.
Nunmehr darf ich dem Hause einen Vorschlag machen. Wenn der Antrag Umdruck 1120 angenommen wird, daß die Saarklausel durch einen Abs. 2 in den § 9 hinein soll — es ist natürlich eine theoretische Erwägung —, würde ich dem Hause vorschlagen, die Überschrift des § 9 zu ändern, die jetzt „Berlin-Klausel" lautet — das würde dann nicht mehr stimmen —; ich würde dem Hause vorschlagen, dann die Überschrift „Geltungsbereich" zu wählen. Ich bitte die Experten, sich das einen Augenblick zu überlegen. — Der Herr Abgeordnete Schneider wollte dazu sprechen; er hatte sich vorhin schon gemeldet.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In bezug auf die Anwendung des Gesetzes im Saarland liegen zwei Anträge vor. Nach dem Antrag auf Umdruck 1120 soll das Gesetz im Saarland nicht eingeführt werden, während nach dem Antrag des Umdrucks 1112 unter Ziffer 6 die Einführung im Saarland erfolgen soll. Nach drei Anpassungsbestimmungen sollen die Besonderheiten des saarländischen Rechts berücksichtigt werden.
Ich bin der Auffassung, daß es nicht nur schlecht aussieht, sondern unmöglich erscheint, die saarländischen Arbeiter von den Verbesserungen, die das Gesetz bringt — ohne Rücksicht darauf, wie man im Augenblick dazu steht —, auf unbestimmte Zeit auszuschließen. Ich bin der Meinung, daß es das Hohe Haus den saarländischen Arbeitern schuldig ist, auch ihnen die Verbesserungen, die das verabschiedete Gesetz bringen wird, sofort zugute kommen zu lassen. Die Differenzen im saarländischen Lohnrecht sind nicht so schwerwiegend, daß es nicht möglich wäre, mit Hilfe der drei offenbar vom saarländischen Arbeitsministerium angeregten Anpassungsbestimmungen das Bundesgesetz im verabschiedeten Zustand auch jetzt schon für das Saarland in Kraft treten zu lassen.
Die drei Anpassungsbestimmungen sind lediglich formaler Art. Es gibt im saarländischen Lohnrecht die sogenannte Kaufkraftzulage, die ein Lohnbestandteil ist. Sie wird in der Saarklausel nach dem Antrag auf Umdruck 1112 berücksichtigt. Sodann werden die Bestimmungen des saarländischen Heimarbeitergesetzes und des Gesetzes über die Lehrlingsbeihilfen besonders erwähnt. Es handelt sich also lediglich um Formalien, nicht aber um materielle Verschiedenheiten.
Ich bitte deshalb das Hohe Haus, dem Antrag auf Umdruck 1120*) nicht zuzustimmen und das Gesetz auch für das Saarland mit den formellen Anpassungsbestimmungen nach dem Antrag Umdruck 1112**) Ziffer 6 anzunehmen.
*) Siehe Anlage 5 **) Siehe Anlage 2
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Stingl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir schlagen Ihnen die negative Saarklausel vor, weil die Bindungen des Vertrages immerhin noch Nachwirkungen für die saarländische Wirtschaft in ihrem Konkurrenzkampf mit der französischen Wirtschaft haben. Wir können hier im Bundestag nicht ohne weiteres die ganzen Auswirkungen übersehen. Gerade das ist der Grund, weshalb wir die negative Saarklausel so fassen. Es bleibt dann die Möglichkeit, diese Gesetzesregelung durch den saarländischen Landtag für das Saarland zu übernehmen, wenn eine genaue Prüfung ergibt, daß dies ohne eine Schädigung der saarländischen Wirtschaft bei der Konkurrenz mit der franzöischen Wirtschaft möglich ist. Mit einer negativen Saarklausel verbauen wir nichts, mit einer positiven dagegen würden wir unter Umständen Auswirkungen hervorrufen, die selbst von der saarländischen Wirtschaft nicht gewünscht werden können.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Bundesarbeitsminister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muß meinem Kollegen Stingl hier leider widersprechen. Die Saar gehört heute staatsrechtlich zum Bundesgebiet. Wenn wir ein sozialpolitisch fortschrittliches Gesetz schaffen, haben wir meines Erachtens die Aufgabe, an dieser verbesserten Leistung auch die Menschen an der Saar teilhaben zu lassen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Kalinke.
Frau Kalinke : Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Die Fraktion der Deutschen Partei bekennt sich hinsichtlich der Saar zu dem Grundsatz der möglichst schnellen Herstellung der Rechtseinheit. Wir haben aber schonanläßlich der Auseinandersetzung über die Rentenreform dem Herrn Abgeordneten Schneider deutlich zu machen versucht — es scheint nicht gelungen zu sein, ihn zu überzeugen —, daß es der jetzige Status der Saar nicht gestattet, das eine oder andere Teilproblem herauszugreifen und das, was einen sozialpolitischen Fortschritt bedeutet, zu bejahen, aber das, was eine Anpassung an die Bundesrepublik Deutschland bedeutet und was ein Opfer verlangt, zu verneinen, ganz abgesehen davon — der Kollege Stingl hat das schon mit Recht betont —, daß die Belastung der wirtschaftlichen Unternehmen an der Saar nicht das einzige Problem ist, sondern daß auch der im deutschfranzösischen Saarvertrag vorgesehene Status einer Übergangsregelung zu berücksichtigen ist. Es geht für die Dauer der Zugehörigkeit der Saar zum französischen Wirtschaftsraum nicht nur um die Konkurrenz, wovon Herr Kollege Stingl gesprochen hat, sondern um die Gesamtschau der sehr unterschiedlichen Lohn- und Sozialpolitik. Nur aus einer Gesamtsicht der Lohn- und Sozialpolitik, der Belastungen und der Vorteile, werden wir in der Lage sein, Anpassungen in Übereinstimmung mit allen vernünftigen und zu dieser Anpassung bereiten Kräften an der Saar vorzunehmen. Ich bin sehr neugierig, ob der Herr Kollege Schneider bereit sein wird, die Versicherungspflichtgrenzen, über die wir in der nächsten Woche sprechen werden, an der Saar so einzuführen, wie sie in der Bundesrepublik bestehen. Das wäre z. B. eine der Konsequenzen. Man kann nicht jetzt durch eine positive Klausel schon Entscheidungen vorwegnehmen, von denen wir alle sehr genau wissen, daß sie die ohnehin an der Saar bestehenden Spannungen nur verschärfen würden.
Deshalb werden wir dem Antrag, den Sie begründet haben, nicht zustimmen, sondern dem Antrag Umdruck 1120*) zustimmen, wonach dieses Gesetz im Saarland so lange nicht gelten soll, bis in Übereinstimmung mit dem Saarland Klarheit über die Anpassung geschaffen ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Will .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der SPD hat in ihrem Antrag Umdruck 1112**) eine detaillierte Saarklausel vorgeschlagen, die sich aus der Situation an der Saar ergibt. Ich kann die Auffassung der Vorredner nicht gutheißen, die glauben, daß durch die Einführung dieses Gesetzes an der Saar die Wirtschaft stark belastet werden würde. Vielmehr ist nach den mir zur Verfügung stehenden Zahlen gerade das Gegenteil der Fall.
Auch wenn der Saarvertrag uns hier Bindungen auferlegt, so sollten wir bei der Einführung sozialpolitischer Gesetze an der Saar nicht einem Neoseparatismus den Weg bereiten.
Wir sollten uns endlich zu dem Grundsatz durchringen, daß die Saar auf sozialpolitischem Gebiet
nicht weiter als Stiefkind behandelt werden darf.
— Das hat gar nichts mit dem Umstand zu tun, daß wir an der Saar zum Teil bessere, zum Teil schlechtere Leistungen haben. Wir müssen an der Saar endlich Leistungen haben, die sich nicht mehr von jenen unterscheiden, die im Bundesgebiet gesetzlich festgelegt sind.
Ich muß namens meiner Fraktion das Anliegen zum Ausdruck bringen, daß endlich auch jenen Bedürfnissen Rechnung getragen wird, die wir an der Saar auf diesen Gebieten vorzuweisen haben. Wir an der Saar haben, vielleicht ehe Sie in diesem Hohen Hause sich mit der Frage der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall beschäftigt haben, bereits eine legislatorische Vorarbeit in Angriff genommen.
Auf jeden Fall halten wir es nicht für gut, immer wieder darüber zu diskutieren, ob in diese Gesetze eine positive oder eine negative Saarklausel eingefügt werden soll. Man sollte sich endlich zu dem Grundsatz bekennen: die Saar gehört zu Deutschland. Sie soll auch sozialpolitisch zu Deutschland gehören, und wir an der Saar wollen
*) Siehe Anlage 5 **) Siehe Anlage 2
so schnell wie möglich in den Genuß der Arbeit kommen, die Sie in diesem Hohen Hause vollziehen. Aus diesem Grunde bitte ich Sie, der detaillierten Saarklausel, wie sie auf Umdruck 1112 beantragt ist, zuzustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Schneider .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es muß noch eine Klarstellung auf rein wirtschaftlichem Gebiet erfolgen. Die Saareingliederung ist ein Prozeß, der, wie es der Saarvertrag vorsieht und wie das die wirtschaftlichen, sozialen und allgemeinen Verhältnisse bedingen, nur nach und nach und langsam vor sich gehen kann. Frau Kollegin Kalinke hat recht, wenn sie sagt, man müsse hier prüfen. Aber es gibt für die Art und Weise der Eingliedrung auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet keinen allgemeinen Grundsatz. Wir müssen jeweils von Fall zu Fall prüfen.
— Das ist ganz klar, das hat niemand je bestritten.
— Wir wollen nicht das Beste heraussuchen, sondern wir müssen versuchen, das Gute zu erhalten. Ich darf gerade Sie, meine Damen und Herren Kollegen von der CDU, auf die Rede Ihres Mitgliedes, des Herrn Ministers Wuermeling, am 1. Mai dieses Jahres in Saarbrücken verweisen. Wir müssen versuchen, das Gute zu erhalten und das Bessere mit zu übernehmen.
Im vorliegenden Fall ist nur zu prüfen, ob die Saarwirtschaft die Belastung im Hinblick auf ihre Konkurrenzfähigkeit ertragen kann oder nicht. Frau Kollegin Kalinke hat behauptet: Nein. Ich behaupte, sie kann das genauso gut und so schlecht ertragen wie die Wirtschaft der übrigen Bundesrepublik. Damit ist alles gesagt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag Umdruck 1120*) zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? —
Wir müssen die Abstimmung wiederholen. Es geht um den Antrag auf Umdruck 1120*), dem § 9 einen Abs. 2 anzufügen, der lautet: „Dieses Gesetz gilt nicht im Saarland." Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, erhebe sich bitte. — Gegenprobe!
— Das Präsidium ist sich nicht einig; wir zählen aus. Ich bitte, den Saal zu verlassen. — Ich bitte, die Türen zu schließen. — Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen. — Ich bitte, die Türen zu schließen. — Die Auszählung ist beendet.
Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der Auszählung bekannt. Abgestimmt haben 328 Abgeordnete. Mit Ja haben gestimmt 161, mit Nein 164; enthalten haben sich 3. Damit ist der
1 Siehe Anlage 5
Antrag auf Umdruck 1120 in zweiter Lesung ab- gelehnt. Sie sehen, mein Damen und Herren, wie recht das Präsidium hatte, auszählen zu lassen.
Nun liegt der Antrag, über den ich ja abstimmen lassen muß, auf Umdruck 1112*) Ziffer 6 vor: die detaillierte Saarklausel. Wir kommen zur Abstimmung. Wer ihm zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Meine Damen und Herren, Sie machen es dem Präsidium wirklich beinahe unmöglich, zu entscheiden, welches die Mehrheit ist, wenn mehr als 20 Damen und Herren hinten stehen und man nicht weiß, beteiligen sie sich nun, oder beteiligen sie sich nicht? Ich wiederhole die Abstimmung. Wer dem Antrag unter Ziffer 6 des Umdrucks 1112 auf Einfügung der detaillierten Saar-Klausel zuzustimmen wünscht, erhebe sich bitte. - Gegenprobe! — Enthaltungen? — Wir müssen auszählen.
Ich bitte die Türen zu schließen. Ich bitte mit der Auszählung zu beginnen. — Ich bitte die Türen zu schließen. Die Abstimmung ist beendet.
Ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt. Es haben sich 340 Abgeordnete beteiligt. Mit Ja haben 177, mit Nein 161 gestimmt; enthalten haben sich 2. Damit ist die detaillierte Saarklausel angenommen.
Ich rufe § 9 mit der Berlin-Klausel auf; denn wir haben ja noch nicht über § 9 in der Ausschußfassung abgestimmt. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
— Das ist mir im Moment entgangen. Die Ausschußfassung der Berlin-Klausel ist nicht ganz in Ordnung. Sie soll lauten: „Dieses Gesetz gilt nach Maßgabe des § 13 Abs. 1 ...". Ich unterstelle, daß das Haus damit einverstanden ist. Darf ich annehmen, daß darüber mit abgestimmt ist? — Das ist der Fall.
Ich rufe nunmehr den § 10 in der Ausschußfassung auf. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! - Enthaltungen?
— Mit Mehrheit angenommen.
Einleitung und Überschrift! — Hierzu liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 1112*) Ziffer 7 vor, der die Überschrift betrifft. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit abgelehnt.
Dann lasse ich über die Einleitung und über die Überschrift in der Ausschußfassung abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen.
— Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Ich erteile das Wort zur Geschäftsordnung dem Abgeordneten Horn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Verlauf der Debatte in der zweiten Lesung hat wohl mit aller Klarheit erwiesen,
*) Siehe Anlage 2
daß die Voraussetzungen dafür, die dritte Lesung sofort anzuschließen, nicht gegeben sind. Ich beantrage deshalb namens meiner Fraktion, die dritte Lesung von der heutigen Tagesordnung abzusetzen und auf einen Termin in der nächsten Woche zu verschieben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird das Wort dazu gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich unterstelle, daß das Haus einverstanden ist, daß wir so verfahren. — Das ist der Fall; die dritte Lesung des Gesetzes ist von der heutigen Tagesordnung abgesetzt.
Ich unterbreche die Sitzung, wie vereinbart, bis 14.30 Uhr.
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Wir kommen zum nächsten Haushalt:
Einzelplan 26: Geschäftsbereich des Bundesministers für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte .
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Keller.
Der Herr Berichterstatter verzichtet. Es liegt ein Schriftlicher Bericht*) vor.
Änderungsanträge: Umdruck 1115**). Begründung? — Es wird verzichtet.
Umdruck 1116***), interfraktionell. Begründung? — Es wird verzichtet.
Umdruck 1117****), interfraktionell. Begründung? — Es wird verzichtet.
Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion des GB/BHE auf Umdruck 1115 zustimmen will, der gebe ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Abgelehnt.
Wer dem interfraktionellen Änderungsantrag auf Umdruck 1116 zustimmen will, der gebe ein Handzeichen. — Einstimmig angenommen.
Wer dem interfraktionellen Änderungsantrag auf Umdruck 1117 zustimmen will, der gebe ein Handzeichen. — Angenommen.
Wer dem Einzelplan 26 im ganzen zustimmen will, der gebe ein Handzeichen. — Angenommen.
Wir kommen zum
Einzelplan 27: Geschäftsbereich des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen .
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? — Herr Abgeordneter Blachstein ist im Augenblick noch anderweitig festgehalten.
Änderungsanträge liegen nicht vor.
Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer dem Einzelplan 27 — Geschäftsbereich des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen — zu*) Siehe Anlage 6 **) Siehe Anlage 7 ***) Siehe Anlage 8 ****) Siehe Anlage 9
stimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Gegen einige Gegenstimmen ist auch dieser Einzelplan angenommen.
Es folgt:
Einzelplan 28: Geschäftsbereich des Bundesministers für Angelegenheiten des Bundesrates .
Der Berichterstatter, Herr Abgeordneter Frühwald, ist auch noch anderweitig beschäftigt.
Es liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 1073*) vor, diesen Einzelplan zu streichen. Ich glaube, daß dieser Antrag nicht weiter begründet werden soll. — Wird sonst das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer dem Einzelplan 28 zustimmen und den Änderungsantrag der Fraktion der SPD ablehnen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Der Änderungsantrag ist abgelehnt und damit der Einzelplan 28 angenommen.
Es folgt:
Einzelplan 29: Geschäftsbereich des Bundesministers für Familienfragen .
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall. Es liegt ein Schriftlicher Bericht**) vor.
Auf Umdruck 1070***) liegt ein Änderungsantrag vor, diesen Einzelplan zu streichen. Wird das Wort dazu oder sonst gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht.
Meine Damen und Herren, über den Änderungsantrag stimmen wir am besten ab, indem ich über den Einzelplan abstimmen lasse. Wer nämlich den Einzelplan annehmen will, der stimmt zu, und wer dagegen ist, der stimmt dem Änderungsantrag der Fraktionen der SPD, der FDP und des GB/BHE auf Umdruck 1070 zu. Wer also dem Einzelplan 29 zustimmen will, der gebe ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Minderheit; der Einzelplan ist angenommen.
Es folgt:
Einzelplan 31: Geschäftsbereich des Bundesministers für Atomfragen .
Der Berichterstatter, Herr Abgeordneter Dr. Gleissner, verzichtet. Es liegt ein Schriftlicher Bericht****) vor. Auf Umdruck 1098*****) liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD vor. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer diesem Änderungsantrag auf Umdruck 1098 zustimmen will, gebe ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Zu dem Haushaltsplan des Bundesministers für Atomfragen im ganzen wird das Wort nicht gewünscht. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Einige von Ihnen sind auch hier offenbar für den Einzelplan;
*) Siehe Anlage 10
**) Siehe Anlage 11 ***) Siehe Anlage 12 ****) Siehe Anlage 13 *****) Siehe Anlage 14
der Einzelplan des Bundesministers für Atomfragen ist ebenfalls angenommen.
Einzelplan 32 ist auf meiner Liste gestrichen. Ist das erledigt?
— Einzelplan 32 ist also erledigt.
Einzelplan 35: Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte .
Der Berichterstatter, Herr Abgeordneter Friese, verzichtet. Wird das Wort zu diesem Einzelplan gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Einzelplan 35 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das letzte ist die Minderheit; der Einzelplan ist angenommen.
Einzelplan 40: Soziale Kriegsfolgeleistungen .
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Gengler. Er ist nicht da.
Schriftlicher Bericht*) liegt Ivor. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Einzelplan 40, Soziale Kriegsfolgeleistungen, zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Es scheint mir, daß hier alles einverstanden ist; der Einzelplan 40 ist einstimmig angenommen.
Einzelplan 60: Allgemeine Finanzverwaltung .
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? — Der Berichterstatter, Herr Wacker, bittet, bei Tit. 574 — Finanzhilfe an das Saarland a) Darlehen 10 000 000 DM — den Vermerk anzufügen: „Die Mittel sind übertragbar." Wird sonst das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Im übrigen liegt auch ein Schriftlicher Bericht") vor. Wer dem Einzelplan 60, Allgemeine Finanzverwaltung, zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Der Einzelplan 10 ist angenommen.
Nun folgt das
Haushaltsgesetz 1957 .
Herr Abgeordneter Schoettle, möchten Sie als Berichterstatter das Wort?
— Sie verweisen auf den Schriftlichen Bericht***). Ich bedanke mich.
Nun kommt zunächst ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 1047****). Wird dazu das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer diesem Änderungsantrag der SPD auf Umdruck 1047 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich fürchte, daß ich nun beim Haushaltsgesetz doch die Paragraphen aufrufen muß. Ist das Haus
*) Siehe Anlage 15 **) Siehe Anlage 16 ***) Siehe Anlage 17 ****) Siehe Anlage 18
damit einverstanden, daß ich sämtliche Paragraphen des Haushaltsgesetzes, §§ 1 bis 18 a, mit Einleitung und Überschrift zusammen aufrufe? — Das Haus ist einverstanden. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Gegen die Stimmen der SPD ist das Haushaltsgesetz angenommen.
Meine Damen und Herren! Damit scheint mir der Haushalt in zweiter Lesung erledigt zu sein. Es ist nicht zu glauben, aber es ist wahr.
Wir kommen dann zu Punkt 5 der vorgestrigen Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses über den Antrag der Fraktion der FDP betreffend Bundeszuschuß für zusätzliches Personal für die Feststellungsabteilungen der Ausgleichsbehörden (Drucksachen 3479, 2829).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Krammig. — Der Herr Berichterstatter verzichtet. Ich danke vielmals.
Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. Ich betone, damit niemand sagen kann, er sei hier überfahren worden: Zustimmung zum Antrag des Ausschusses bedeutet, den Antrag der Fraktion der FDP abzulehnen. Wer diesem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Antrag der FDP ist abgelehnt.
Punkt 6:
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses über den Antrag der Abgeordneten Dr. von Buchka, Ruhnke, Schwann, Elsner, Dr. Preiß, Dr. Elbrächter und Genossen betreffend Aufbauplan Berlin (Drucksachen 3480, 2883).
Der Herr Berichterstatter verzichtet. Antrag des Ausschusses: der Gegenstand soll als erledigt erklärt werden. Ist das Haus einverstanden? — Es ist einverstanden.
Punkt 7:
Beratung des Berichts des Haushaltsausschusses gemäß § 96 GO über den Schriftlichen Bericht des Ausschusses für Jugendfragen (15. Ausschuß) über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP (FVP) betreffend Umgestaltung des Bundesjugendplans (Drucksachen 3481, 2951, 2808).
Der Herr Berichterstatter verzichtet. Schriftlicher Bericht*) liegt vor. Ist das Haus mit dem Antrag des Ausschusses einverstanden, diesen Gegenstand ebenfalls für erledigt zuerklären? — Das Haus ist einverstanden.
Punkt 8:
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses über den Antrag der Fraktion der DP betreffend Hergabe zweckgebundener Bundesmittel ohne die Verpflichtung zur gleichzeitigen Aufbringung von Landesmitteln (Drucksachen 3482, 3090).
*) Siehe Anlage 19
Der Herr Berichterstatter verzichtet. Der Ausschuß beantragt, ebenfalls diesen Antrag für erledigt zu erklären. Ist das Haus einverstanden. — Es ist einverstanden.
Punkt 9:
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Darlehen für Weinbaubetriebe (Drucksachen 3483, 3123).
Der Antrag der Fraktion der SPD soll ebenfalls für erledigt erklärt werden. Einverstanden? — Einverstanden.
Punkt 10:
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses über den Antrag der Fraktion des GB/BHE betreffend Grüner Plan 1957 (Schriftlicher Bericht*) (Drucksachen 3484, 3387).
Auch dieser Antrag soll für erledigt erklärt werden. — Einverstanden.
Punkt 11:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
zur Änderung und Ergänzung von Vorschriften der Kindergeldgesetze .
Wird zur Einbringung das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht.
Ich eröffne die Aussprache. Herr Kollege Schellenberg, Sie haben das Wort!
— Ich kann ihm doch nicht vorschreiben, was er
sagen soll; lassen Sie ihn doch erst einmal reden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Einen Augenblick! Meine Damen und Herren, ich würde doch empfehlen, daß Sie diesen ,,Ständerling", wie die Studenten in Tübingen sagen, nicht gerade hier vor dem Redner veranstalten, sondern hier auf der Seite, bitte!
Bitte, Herr Abgeordneter, reden Sie!
Aus Anlaß der Vorlage des Änderungs- und Ergänzungsgesetzes zu den Kindergeldgesetzen, Drucksache 3490, habe ich namens der sozialdemokratischen Fraktion folgende Erklärung abzugeben.
1. Die Bundesregierung ist mehrfach vom Bundestag ersucht worden, ihm eine Neufassung der Kindergeldgesetze vorzulegen, durch die die Härten und Unbilligkeiten der bisherigen Kindergeldgesetze beseitigt werden sollten. Nachdem frühere der Bundesregierung gesetzte Termine nicht eingehalten wurden, hat der Bundestag am 28. Juni 1956 die Bundesregierung ersucht, spätestens im Oktober 1956 den geforderten Gesetzentwurf zur Beseitigung der Mängel der Kindergeldgesetze vorzulegen. Es ist eine Mißachtung der Beschlüsse des Parlaments, wenn die Bundesregierung erst
*) Siehe Anlage 20
jetzt — nach wiederholten Mahnungen — mit erheblicher Verspätung diesen Gesetzentwurf vorlegt und es noch nicht einmal für notwendig hält, in der Begründung eine Erklärung für die Verzögerung zu geben.
Die verspätete Vorlage des Regierungsentwurfs ist auch deshalb bedauerlich, weil es jetzt, wenige Wochen vor Schluß der Legislaturperiode praktisch unmöglich sein wird, die komplizierte Materie der Kindergeldgesetzgebung sachgemäß zu beraten und ein brauchbares Gesetz zu verabschieden.
2. Der Gesetzentwurf unternimmt keinen Versuch, die verfehlte Konstruktion der bisherigen Kindergeldgesetzgebung abzuändern. Es wird an der unglückseligen Verbindung zwischen Kindergeldgewährung und Unfallversicherung festgehalten und nicht das Grundübel der bisherigen Konstruktion beseitigt. Deshalb ist, obwohl jetzt bereits das 4. Kindergeldgesetz beraten wird, nicht abzusehen, wann nun endlich ein Kindergeldschlußgesetz, ides die Bundesregierung bereits im Jahre 1955 in Aussicht gestellt hat, zur Beratung kommen kann.
3. Der Gesetzentwurf beseitigt nicht, obgleich dies eine Forderung ides Bundestags vom 28. Juni 1956 war, die Härten und Unbilligkeiten, die sich insbesondere für die Selbständigen und freien Berufe bei der Aufbringung der Mittel ergeben. Im Gegenteil: dadurch, daß nunmehr ein einheitlicher Beitrag für alle Gewerbebetriebe in Höhe von 1 % der Lohnsumme festgelegt werden soll, ergibt sich zwangsläufig eine weitere Belastung der lohnintensiven Klein- und Mittelbetriebe, während die kapitalintensiven Großbetriebe entsprechend entlastet werden. Hinzu kommt, daß von dem Seibständigen außerdem noch ein Beitrag nach seinen Einkünften aus dem Gewerbebetrieb und dergleichen erhoben werden soll. Eine solche Regelung steht nach Auffassung der sozialdemokratischen Fraktion in striktem Gegensatz zu den Ankündigungen der Regierung, die Beitragsfestsetzung, insbesondere für die Selbständigen und freien Berufe, gerechter zu gestalten.
4. Im Gegensatz zu der Denkschrift des Bundesministers für Familienfragen, in der bereits im November 1955 eine Ausdehnung der Kindergeldgewährung auf das zweite Kind als notwendig bezeichnet wurde, läßt die Begründung des Entwurfs dieses sozialpolitische Anliegen völlig unerwähnt. Vielmehr wird in der Begründung rundweg erklärt: Das Ziel der Kindergeldgesetzgebung war lediglich, den Bevölkerungskreisen mit drei oder mehr Kindern einen Anspruch auf Kindergeld zu gewähren. Damit bleiben weiterhin rund 90 v. H. aller Kinder von der Kindergeldgewährung ausgeschlossen.
5. Wenn im Gesetzentwurf eine Erhöhung des Kindergeldes von 25 auf 30 DM monatlich vergeschlagen wird, so bedeutet dies praktisch, daß eine Familie mit drei Kindern für jedes Kind im Monat nur 1,66 DM oder täglich nur rund 5 Pf mehr als bisher erhalten soll. Im Hinblick auf die vielen Probleme, die der Gesetzentwurf ungelöst läßt, kann deshalb die vorgesehene Erhöhung des Kindergeldes nur als ein soziales Pflästerchen bezeichnet werden.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion wird deshalb bei den Ausschußberatungen dafür eintreten, daß die bisherige Kindergeldgesetzgebung durch eine grundsätzliche Neuregelung ersetzt wird, die die Gewährung von Kindergeld zu einer
Aufgabe der Allgemeinheit macht und die Mittel aus dem Steueraufkommen bereitstellt. Nach den unerfreulichen Erfahrungen bei den Beratungen über die bisherigen Kindergeldgesetze ist allerdings wenig Hoffnung für eine solche Neugestaltung in diesem Bundestag vorhanden. Sie wird dem nächsten Bundestag überlassen bleiben.
Herr Abgeordneter Winkelheide, bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der CDU/CSU-Fraktion habe ich zur ersten Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung von Vorschriften der Kindergeldgesetze folgendes zu erklären.
Durch das Gesetz über die Gewährung von Kindergeld und die Errichtung von Familienausgleichskassen vom 13. November 1954 und durch das Kinidergeldanpassungsgesetz vom 7. Januar 1955 sowie durch das Kindergeldergänzungsgesetz vom 23. Dezember 1955 kommen in der Bundesrepublik alle Empfangsberechtigten nach diesen Gesetzen monatlich in den Genuß von 25 DM für das dritte und jedes weitere Kind.
Im Jahre 1955 wurden 1 000 096 Berechtigte festgestellt. Im Jahre 1956 waren es 1 047 741 Berechtigte ohne die Berechtigten nach § 32 des Kindergeldgesetzes, die unter eine Sonderregelung fallen. Hinzu kommen noch die Leistungen aus den Anpassungsgesetzen der Unfallversicherung, der Kriegsopfer, des Lastenausgleichs und der Fürsorge. Auf Grund des Kindergeldgesetzes und des D Kindergeldergänzungsgesetzes wurden an Kindergeld ab drittem Kind 1955 431 358 970 DM und 1956 460 044 499 DM ausgezahlt. Die Zahl der Vollkinder betrug 1955 1 437 000 und 1956 1 553 000. Die Verwaltungskosten, das sei festgestellt, aller Familienausgleichskassen und des Gesamtverbandes betrugen 1955 und 1956 je rund 2,7 %.
Wir dürfen daran erinnern, daß mit unserer Kindergeldgesetzgebung Neuland betreten werden mußte. Es ist uns ein aufrichtiges Bedürfnis, bei dieser Gelegenheit den Familienausgleichskassen, nicht zuletzt auch dem Gesamtverband der Familienausgleichskassen unsere besondere Anerkennung dafür auszusprechen,
daß sie die Anlaufschwierigkeiten in verhältnismäßig kurzer Zeit überwunden und die fast reibungslose Abwicklung der laufenden Kindergeldzahlung gewährleistet haben.
Die CDU/CSU-Fraktion war sich sehr bald darüber klar, daß das Gesetz nach einer Anlaufzeit wahrscheinlich gewisse Korrekturen erforderlich machen würde. Deshalb haben wir bei der Verabschiedung des Kindergeldergänzungsgesetzes am 15. Dezember 1955 eine Entschließung angenommen, in der gefordert wurde, daß nach Vorlage des Geschäftsberichts des Gesamtverbandes eine Neufassung der drei Kindergeldgesetze vorzulegen ist und die gemachten Erfahrungen zu verwerten sind. Diese Entschließung wurde erneut am 28. Juni 1956 bei der Verabschiedung des Haushalts gefaßt. Die CDU/CSU-Fraktion bedauert, daß der darin
geforderte Gesetzentwurf erst jetzt vorgelegt werden kann und das Hohe Haus bei seiner Geschäftslage damit zwangsläufig in eine erhebliche Zeitnot gebracht wird.
Mit der heute eingebrachten Regierungsvorlage ist die Arbeitsgrundlage für die Ausschußberatung gegeben. Diese Novelle muß sorgfältig geprüft werden. Insonderheit ist zu berücksichtigen, daß der Bundesrat in seiner 174. Sitzung vom 29. März 1957 beschlossen hat, daß die Einschaltung der Finanzämter, wie sie in dem Gesetzentwurf für die Beitragseinziehung bei den Selbständigen vorgesehen ist, nicht in Frage kommen könne, weil es erstens eine wesensfremde Aufgabe der Finanzämter sei und zweitens die Finanzämter ohne Erstattung der neuen Verwaltungskosten diese Aufgabe nicht erfüllen könnten.
— Dieser Beschluß des Bundesrats, Herr Professor Schellenberg, war einstimmig.
Ferner muß bei der Beratung berücksichtigt werden, daß inzwischen der Vorstand des Gesamtbandes auf Grund einer einstimmigen Stellungnahme der Vertreterversammlung des Gesamtverbandes der Familienausgleichskassen einen Finanzausgleich für die Jahre 1955 und 1956 beschlossen hat. Dieser Beschluß hat, wenn auch zwei Jahre später, gezeigt, daß die Selbstverwaltung auf Grund des Kindergeldgesetzes durchaus in der Lage ist, einen zumutbaren Ausgleich zu finden ohne einen Einheitsbeitrag einzuführen.
Unter Berücksichtigung dieser beiden Gegebenheiten muß die vorliegende Novelle einige aufgetretene Fragen regeln wie die Erhöhung des Kindergeldes von 25 auf 30 DM ab drittem Kind, die Freigrenze für die Selbständigen, die kleine Beiträge zahlen, die Frage der Gleichstellung artverwandter Verwaltungen und Betriebe mit dem öffentlichen Dienst und einige Fragen, die sich auf das Rechtsverhältnis der Kinder beziehen.
Der darüber hinaus vielfach geäußerte Wunsch, das zweite Kind in irgendeiner Form in die Kindergeldregelung einzubeziehen, bedarf angesichts der Gesamtbelastung der Wirtschaft einerseits und des Bundeshaushalts andererseits eingehender Überlegungen. Wir möchten nicht verschweigen, daß sich diesem Wunsch große Schwierigkeiten entgegenstellen.
In der Frage des Kindergeldes für Sozialleistungsempfänger weist die Fraktion darauf hin, daß in den letzten Monaten bei der Verabschiedung der Rentengesetze, des Lastenausgleichs, der Kriegsopferversorgung unter Berücksichtigung der sozialen Verhältnisse für diesen Personenkreis eine bevorzugte Behandlung hinsichtlich des Kindergeldes, die erheblich über die Regelung des Kindergeldgesetzes hinausgeht, erfolgt ist, so daß sich für diesen Personenkreis die Trennung vom Kindergeldgesetz sehr vorteilhaft ausgewirkt hat.
Wegen der Kürze der Zeit und unter Berücksichtigung der Tatsache, daß in den Jahren die soziale Angliederung der Saar erfolgen muß, sieht die Fraktion der CDU/CSU in dieser Novelle eine Übergangsregelung zur weiteren Entwicklung der Kindergeldgesetzgebung im 3. Bundestag.
Bis dahin werden auch noch weitere und umfassende Erfahrungen aus der Handhabung der Gesetze vorliegen. Was aber unbedingt zu regeln ist, muß noch in diesem Bundestag verabschiedet werden. Darum beantragt meine Fraktion die Überweisung der Vorlage an den Sozialpolitischen Ausschuß.
Keine weiteren Wortmeldungen.
Vorgeschlagen ist die Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik. Ist das Haus damit einverstanden? — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Damit kommen wir zur Tagesordnung von heute. Punkt 1 ist abgesetzt. Punkt 2 ist erledigt. Ich rufe auf Punkt 3:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung kostenrechtlicher Vorschriften ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (Drucksache 3378).
Das Wort hat der Herr Berichterstatter, Abgeordneter Lotze.
Herr Präsisident! Meine Damen und Herren! Wir legen Ihnen mit diesem Gesetzentwurf eine Regelung vor, die die vielen zersplitterten Gesetze auf dem Gebiet des Kostenrechts, die im wesentlichen aus dem Jahre 1879 stammen und nicht mehr modern waren, neu zusammenfaßt. Wie Sie daraus, daß der einzige vorliegende Änderungsantrag von sämtlichen Fraktionen unterstützt ist, ersehen wollen, besteht Einigkeit zwischen allen Fraktionen. Ich darf Sie bitten, mit der Zustimmung zu diesem Kostengesetz einen wesentlichen Beitrag zur Vereinfachung und Verbesserung der Justizverwaltung zu leisten.
Mein Bericht wäre aber nicht ganz vollständig, wenn ich nicht ein Wort des Dankes an die Beamten der Justizverwaltung fände, die in mühevoller Kleinarbeit das Material zusammengetragen haben — eine Arbeit, die der Umfang der Drucksache nur annähernd erkennen läßt.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wir treten in die zweite Beratung ein.
Ich rufe auf die Art. I bis VI; insoweit liegen Änderungsanträge nicht vor. Wird hierzu das Wort gewünscht? — Nicht.
Wer den Art. I bis VI zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Ich komme zu Art. VII. Hierzu liegt der Änderungsantrag Umdruck 1108*) Ziffer 1 vor, wonach § 35 Abs. 2 eine neue Fassung erhalten soll. Wird zur Begründung dieses Antrags das Wort gewünscht?
— Das Haus verzichtet.
1 Siehe Anlage 22
Wir stimmen ab über den Änderungsantrag Umdruck 1108 Ziffer 1. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Änderungsantrag ist angenommen. Wer § 35 in der so geänderten Fassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.
Nun muß ich noch abstimmen über die §§ 1 bis 34 in Art. VII. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.
Es folgen die §§ 36 bis 128 in Art. VII. Keine Änderungsanträge. Wer diesen §§ 36 bis 128 in Art. VII zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.
Zu Art. VIII und Art. IX liegen keine Änderungsanträge vor. Wird dazu das Wort gewünscht?
— Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den Artikeln VIII und IX zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.
Art. X §§ 1 bis 6 keine Änderungsanträge. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer diesen §§ 1 bis 6 in Art. X zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe!
— Angenommen.
§ 7 Änderungsantrag Umdruck 1108 Ziffer 2. Wird zur Begründung das Wort gewünscht? — Es wird verzichtet. Wer diesem Änderungsantrag Ziffer 2 auf Umdruck 1108 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen.
Wer dem § 7 mit der so geänderten Fassung der §§ 94, 95 und 97 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.
Nun kommen die §§ 8, 8 a und 9 von Art. X. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.
Einleitung und Überschrift. Wer zustimmen will, bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.
Dritte Beratung.
Wird zur allgemeinen Aussprache das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Änderungsanträge in der dritten Lesung liegen nicht vor.
Wer dem Gesetz im ganzen in der durch die Annahme der Änderungsanträge in der zweiten Lesung veränderten Fassung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Auf Seite 6 der Drucksache 3378 liegt ein Antrag des Ausschusses Ziffer 2 vor. Wer diesem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Der Antrag des Ausschusses ist angenommen. Damit ist dieses Gesetz in dritter Lesung verabschiedet.
Ich stelle den Tagesordnungspunkt 4 zurück und rufe auf Punkt 5 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, FVP, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Förderung des Wohnungsbaus für Umsiedler in den Aufnahmeländern und des Wohnungsbaus für Sowjetzonenflüchtlinge in Berlin ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für den Lastenausgleich (Drucksache 3439).
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort zur Berichterstattung wünscht. — Herr Abgeordneter Ohlig verzichtet. Es liegt ein Schriftlicher Bericht*) vor.
Ich rufe auf Art. 1. Kein Änderungsantrag. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer Art. 1 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.
Ich lasse nunmehr abstimmen über den Änderungsantrag auf Umdruck 1110**), nach dem als Artikel 1 a die Berlin-Klausel in das Gesetz eingefügt werden soll. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen. Der Artikel 1 a wird also mit dem auf Umdruck 1110 angegebenen Wortlaut eingefügt.
Artikel 2, — Einleitung und Überschrift. — Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.
Dritte Beratung.
Allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer dem Gesetzentwurf in der durch die in der zweiten Lesung erfolgte Einfügung des Artikels 1 a erweiterten Fassung in der dritten Lesung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist angenommen.
Punkt 6 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zum Schutze der Berufsbezeichnung „Ingenieur" (Drucksachen 343, 439);
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Sonderfragen des Mittelstandes (Drucksache 3517).
Der Herr Berichterstatter ist verhindert, weil er hier als Schriftführer Dienst hat. Aber es liegt ein Schriftlicher Bericht***) vor. Möchten sich Mitglieder des Hauses in der zweiten Lesung zum Wort melden? — Das ist nicht der Fall.
Dann rufe ich in der zweiten Lesung auf die §§ 1,-2,-3,-4,-5,-6,-7,-8,—Einleitung und Überschrift. — Keine Wortmeldungen. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — In der zweiten Lesung gegen zwei Stimmen angenommen.
Dritte Beratung.
Allgemeine Aussprache. — Die Fraktionen verzichten auf die mündliche Abgabe von Erklärungen. Sie haben Erklärungen zu Protokoll****) gegeben. Wird in der allgemeinen Aussprache der dritten Lesung weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Änderungsanträge liegen nicht vor.
*) Siehe Anlage 23 **) Siehe Anlage 24 ***) Siehe Anlage 25 ****) Siehe Anlage 26 u. 27
Wer dem Gesetz in der dritten Lesung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es sind noch dieselben zwei Gegenstimmen, die wir in der zweiten Lesung hatten. Das Gesetz ist in der dritten Lesung angenommen.
Punkt 7 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP , GB/BHE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Ersten Wohnungsbaugesetzes und des Zweiten Wohnungsbaugesetzes (Drucksache 3491).
Ich frage, ob zur Einbringung das Wort gewünscht wird. — Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die Aussprache. — Das Wort wird nicht gewünscht. Vorgesehen ist Überweisung an den Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Punkt 8 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Steuererleichterungen bei der Umwandlung von Kapitalgesellschaften und bergrechtlichen Gewerkschaften (Drucksache 3497).
Wird das Wort zur Einbringung gewünscht? — Auf das Wort zur Einbringung wird verzichtet.
Ich eröffne die Aussprache. — Das Wort wird nicht gewünscht. Vorgesehen ist Überweisung an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen —federführrend — und an die Ausschüsse für Rechtswesen und Verfassungsrecht und für Geld und Kredit zur Mitberatung. Ist das Haus damit einverstanden? — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Punkt 9 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
über die Militärseelsorge .
Wird das Wort zur Einbringung gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Vorgesehen ist Überweisung an den Ausschuß für Verteidigung und an ,den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung.
— Der Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung soil federführend sein. Ist das Haus damit einverstanden? — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Punkt 10 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Biersteuergesetzes .
Auf das Wort zur Einbringung wird vernichtet. Ich eröffne die Beratung. — Das Wort wird nicht gewünscht. Es ist Überweisung an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen vorgeschlagen. — Das Haus ist damit ,einverstanden; es ist so beschlossen.
Punkt 11:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
über die Finanzstatistik .
Das Wort zur Einbringung wird nicht gewünscht. Wortmeldungen zur ersten Beratung liegen nicht vor. Es ist die Überweisung an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen — federführend — und an die Ausschüsse für Kommunalpolitik und innere Verwaltung — mitberatend — vorgesehen. — Das Haus ist damit einverstanden; es ist so beschlossen.
Punkt 12:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Preise für Getreide inländischer Erzeugung für das Getreidewirtschaftsjahr 1957/58 sowie über besondere Maßnahmen in der Getreide- und Futtermittelwirtschaft (Drucksache 3520).
Das Wort zur Einbringung wird nicht gewünscht. Wortmeldungen zur ersten Beratung liegen nicht vor. Es ist die Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — federführend — und an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik — mitberatend — vorgesehen. — Das Haus ist damit einverstanden; es ist so beschlossen.
Punkt 13:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zu ,dem Niederlassungs- und Schiffahrtsvertrag vom 27. Oktober 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik .
Dias Wort zur Einbringung wird nicht gewünscht. Zur ersten Beratung liegen keine Wortmeldungen vor. Es ist die Überweisung an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten — federführend — und an den Ausschuß für Verkehrswesen — mitberatend — vorgesehen. — Das Haus ist einverstanden; es ist so beschlossen.
Punkt 14:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen (Drucksache 3362).
Das Wort zur Einbringung wird nicht gewünscht. Wortmeldungen zur ersten Beratung liegen nicht vor. Es ist Überweisung an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen vorgesehen. — Das Haus ist damit einverstanden; es ist so beschlossen.
Punkt 15:
Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesentschädigungsgesetzes .
Das Wort zur Einbringung wird nicht gewünscht. Wortmeldungen zur ersten Beratung liegen nicht vor. Es ist die Überweisung an den Ausschuß für Fragen der Wiedergutmachung vorgesehen. — Das Haus ist damit einverstanden; es ist so beschlossen.
Punkt 16 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
über die Feststellung eines Sechsten Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das
Rechnungsjahr 1956 (Drucksache 3418).
Das Wort zur Einbringung wird nicht gewünscht. Wortmeldungen zur ersten Beratung liegen nicht vor. Es wird die Überweisung ,an den Haushaltsausschuß — federführend — und an den Ausschuß für Verteidigung — mitberatend — vorgeschlagen. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Punkt 17:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Einbringung der Steinkohlenbergwerke im Saarland in eine Aktiengesellschaft .
Das Wort zur Einbringung wird nicht gewünscht. Wortmeldungen zur ersten Beratung liegen nicht vor. Es ist die Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik vorgesehen. — Das Haus ist damit einverstanden; es ist so beschlossen.
Punkt 18:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Hoogen, Dr. Serres, Bauknecht, Dr. Dr. h. c. Müller und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zolltarifs (Drucksache 3421).
Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Wortmeldungen zur ersten Beratung liegen nicht vor. Es wird die Überweisung ,an den Ausschuß für Außenhandelsfragen vorgeschlagen. — Das Haus ist einverstanden; es ist so beschlossen.
Punkt 19 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die steuerliche Begünstigung von Importwaren .
Dias Wort zur Einbringung wird nicht gewünscht. Wortmeldungen zur ersten Beratung liegen nicht vor. Es ist die Überweisung an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen — federführend — und an den Ausschuß für Außenhandelsfragen — mitberatend — vorgesehen. — Das Haus ist einverstanden; es ist so beschlossen.
Punkt 20:
Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Beförderungsteuergesetzes .
Das Wort zur Einbringung wird nicht gewünscht. Wortmeldungen zur ersten Beratung liegen nicht vor. Es ist die Überweisung an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen — federführend — und an den Verkehrsausschuß — mitberatend — vorgeschlagen. — Das Haus ist einverstanden; es ist so beschlossen.
Punkt 21:
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP , GB/BHE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Einstellung von Verbindlichkeiten der Geldinstitute und Versicherungsunternehmen aus § 61 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen in die Umstellungsrechnung (Drucksache 3400).
Das Wort zur Einbringung wird nicht gewünscht? — Keine Wortmeldungen in erster Beratung? —
Angeregt wird die Überweisung an den Ausschuß für Geld und Kredit — federführend — und an den Ausschuß für Beamtenrecht. Das Haus ist damit einverstanden? — Es ist so beschlossen.
Punkt 22:
Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung der Vorschriften der Reichsversicherungsordnung und des Angestelltenversicherungsgesetzes an Vorschriften des knappschaftlichen Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes und des Soldatenversorgungsgesetzes .
Zur Einbringung wird das Wort nicht gewünscht? — In der ersten Beratung sollen aber Erklärungen abgegeben werden.
Herr Abgeordneter Dr. Schellenberg, bitte sehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der sozialdemokratischen Fraktion habe ich folgendes zu erklären.
Der vorliegende Gesetzentwurf ist die erste Novelle zu den Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetzen. Davon bleiben aber leider die schlimmsten sozialen Mißstände unberührt, die sich seit Inkrafttreten dieser Gesetze gezeigt haben. Dabei handelt es sich erstens um die Anrechnung der Rentenerhöhungen auf sonstige Sozialleistungen, die praktisch für rund zwei Millionen Rentner wirksam ist, zweitens um den in der Öffentlichkeit mit Recht stark kritisierten Umstand, daß die weitere Entrichtung von Beiträgen zur Pflichtversicherung und Freiwilligenversicherung gegebenenfalls nicht eine entsprechende Erhöhung der Rentenansprüche bedeutet, sondern sogar zu einer Kürzung bisheriger Rentenansprüche führen kann.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat auf diese Mißstände bereits bei der Verabschiedung der Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetze hingewiesen. Sie hält es für dringend erforderlich, daß mit der Novelle auch diese Mißstände beseitigt werden.
Weitere Erklärungen? — Herr Abgeordneter Horn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gegenüber dieser Erklärung der sozialdemokratischen Fraktion ist unsererseits folgendes festzustellen.
Bei den Beratungen über die neuen Rentengesetze im Sozialpolitischen Ausschuß mit der sozialdemokratischen Opposition ist klar und eindeutig darüber gesprochen worden, daß dieser Gesetzentwurf eingebracht werden wird, der uns jetzt in erster Lesung beschäftigt.
Es handelt sich in diesem Gesetzentwurf um nichts weiter als um die Anpassung der Vorschriften für die Wanderversicherten in allen drei Rentengesetzen. In der knappschaftlichen Rentenreform sind die Bestimmungen für die Wanderversicherten etwas anders zu regeln gewesen. Um die gleiche Regelung in allen drei Gesetzen zu haben und Verfahrensschwierigkeiten bei der Handhabung der Gesetze zu vermeiden — 80% aller Rentenversicherten sind gleichzeitig Wanderversicherte —, ist diese Novelle notwendig. Meine Fraktion ist der Auffassung, daß die Zeit, irgendwelche anderen Korrekturen an den Rentenversicherungsgesetzen vorzunehmen, noch in keiner Weise gekommen ist. Die Gesetze sind soeben erst angelaufen. Es gilt, Erfahrungen zu sammeln und abzuwarten, wie sie sich in der Praxis bewähren werden. Heute schon in dem Sinne, wie es Herr Schellenberg vorgetragen hat, mit Korrekturen zu beginnen, halten wir für durchaus verfehlt.
Keine weiteren Erklärungen? — Herr Abgeordneter Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Tatsache, daß jetzt die Vorschriften über die Wanderversicherung, d. h. die Vorschriften über das Zusammenwirken der Renten aus den verschiedenen Versicherungszweigen, geändert werden müssen, ist ein nachdrücklicher Beweis dafür, daß die Rentenneuregelung nicht, wie die Bundesregierung behauptet, planmäßig vorbereitet wurde. Sonst hätte man das Zusammentreffen der verschiedenen Renten regeln müssen. Es ist mit ein nachdrücklicher Beweis dafür, daß die Bundesregierung es an einer sorgfältigen Gestaltung der Rentengesetze hat fehlen lassen. Diese Mißstände müssen jetzt beseitigt werden.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die erste Beratung ist abgeschlossen.
Es ist Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik vorgesehen. Das Haus ist damit einverstanden? — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Punkt 23:
Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des AngestelltenversicherungsNeuregelungsgesetzes .
Das Wort zur Einbringung wird nicht gewünscht. — Erste Beratung. — Keine Wortmeldungen.
Vorgesehen ist die Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik. Das Haus ist damit einverstanden? — Es ist so beschlossen.
Punkt 24:
Erste Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes .
Das Wort zur Einbringung wird nicht gewünscht. — Erste Beratung. — Keine Wortmeldungen.
Vorgesehen ist die Überweisung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht — federführend — und an die Ausschüsse für Sozialpolitik und für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen zur Mitberatung. Das Haus ist einverstanden? — Es ist so beschlossen.
Punkt 25:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes vom 13. September 1955 zu der deutsch-ägyptischen Vereinbarung vom 31. Juli 1954 über die Gewährung eines Zollkontingentes für ägyptische Baumwollgarne .
Das Wort zur Einbringung wird nicht gewünscht. — Erste Beratung. — Keine Wortmeldungen.
Vorgesehen ist Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen. Das Haus ist einverstanden? — Es ist so beschlossen.
Punkt 26:
Erste Beratung eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse der Polizeivollzugsbeamten des Bundes .
Das Wort zur Einbringung wird nicht gewünscht. — Erste Beratung. — Keine Wortmeldungen.
Vorgesehen ist Überweisung an den Ausschuß für Beamtenrecht. Das Haus ist einverstanden? — Es ist so beschlossen.
Punkt 27:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Wahl und die Amtsdauer der Vertrauensmänner der Soldaten .
Das Wort zur Einbringung wird nicht gewünscht. — Erste Beratung. — Keine Wortmeldungen.
Vorgesehen ist Überweisung an den Ausschuß für Verteidigung. — Das Haus ist einverstanden? — Es ist so beschlossen.
Punkt 28:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Bodenbenutzungserhebung und Ernteberichterstattung .
Das Wort zur Einbringung wird nicht gewünscht. — Erste Beratung. — Keine Wortmeldungen.
Vorgesehen ist Überweisung an den Ausschuß
für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — federführend -, an den Ausschuß für Kommunal- politik zur Mitberatung. Das Haus ist einverstanden? — Es ist so beschlossen.
Punkt 29:
Beratung des Berichts des Bundesrechnungshofes über die Prüfung der Bilanzen und des Geschäftsbetriebs der Verwertungsstelle der Monopolverwaltung für Branntwein beim Landesfinanzamt Berlin für das Restgeschäftsjahr 1950/51 und für die Geschäftsjahre 1951/52, 1952/53 und 1953/54 (Drucksache 3384).
Das Wort zu dem Bericht wird nicht gewünscht. Ich eröffne die Beratung. - Das Wort wird nicht gewünscht.
Vorgesehen ist Überweisung an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen. Das Haus ist einverstanden? — Es ist so beschlossen.
Bevor ich den Punkt 4 aufrufe, gebe ich Herrn Kollegen Schoettle das Wort zur Geschäftsordnung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte dem Unbehagen meiner Fraktion und, ich glaube, auch anderer Mitglieder des Hauses über die Art Ausdruck geben, wie zu Beginn der heutigen Nachmittagssitzung der letzte Teil der Haushaltsberatungen abgewickelt worden ist.
Ich weiß, es gibt keine Vorschrift der Geschäftsordnung, die ein derartiges Verfahren verbietet.
Es ist aber eine Tatsache, daß die Mittagspause um eine gute Viertelstunde verkürzt worden ist gegenüber dem, was geplant war; denn das Plenum hat in der Vormittagssitzung später raufgehört. Eine Reihe von Mitgliedern des Hauses wurde dadurch in die Lage versetzt — zumal angesichts der Zustände im Restaurant, die ja gestern hier gerügt worden sind —, außerhalb essen zu müssen, und sie konnten daher nicht rechtzeitig hier sein.
Wir halten viel von dem pünktlichen Beginn der Sitzungen; aber man kann es auch übertreiben. Ich glaube, gerade im Hinblick auf die Bedeutung der Haushaltsberatungen ist hier in der Tat übertrieben worden, und zwar nach meiner Meinung zum Nachteil der Haushaltsberatungen selber, die dadurch in ihrer Bedeutung erheblich eingebüßt haben. Was wir gewonnen haben, ist schließlich zu Lasten der dritten Beratung gegangen, und es ist keine Frage, daß die Dinge, die heute in der Hitze der Abwicklung nicht gesagt worden sind, auf alle Fälle bei der dritten Beratung gesagt werden müssen. Es sind eine Reihe von Dingen von hier aus noch zu besprechen, die jetzt nicht besprochen werden konnten.
Ich möchte also darum bitten, daß man wenigstens die ungeschriebenen Gesetze der Geschäftsordnung in Zukunft besser berücksichtigt, wenn eine solche Situation eintritt, wie sie hier zu Beginn der Nachmittagssitzung war. Erhebliche Teile des Hauses waren nicht anwesend; auch einige der vorgesehenen Redner waren, wie ich zugebe, noch nicht im Hause; aber die Gründe, die dazu geführt haben, glaube ich schlüssig dargestellt zu haben.
Ich bitte also in Zukunft um Rücksichtnahme auf eine bestehende Situation, die man übersehen kann. Ich möchte damit keineswegs eine Kritik an der Geschäftsführung des Herrn Präsidenten ausgedrückt haben. Jedenfalls sollten wir der Beratung der Gegenstände, die hier auf der Tagesordnung stehen, jene Würde angedeihen lassen, die ihnen gemäß ist.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Rasner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der CDU/CSU stellt mit Befriedigung fest, daß der Herr Kollege Schoettle keinen Vorwurf gegen irgendeine Fraktion dieses Hauses erhoben hat wegen der Art und Weise, in der die Haushaltsberatungen heute in der zweiten Lesung ihren Schluß gefunden haben.
— Es ist auch, glaube ich, Herr Kollege Schoettle, niemand überfahren worden. Im Altestenrat ist die Vereinbarung dahin getroffen gewesen, daß von 13 bis 14.30 Uhr die Mittagspause sein sollte. Sie hat zwar später begonnen; ihr Ende ist aber, auch in absoluter Übereinstimmung mit den Vereinbarungen im Altestenrat, auf 14.30 Uhr festgesetzt worden, und die Sitzung hat um 14.30 Uhr pünktlich wieder begonnen. Wenn überhaupt ein Vorwurf gegen irgend jemand erhoben werden kann, dann gegen die Redner, die um 14.30 Uhr nicht dagewesen sind. — Aber, wie gesagt, wir begrüßen
es, daß gegen keine Fraktion ein Vorwurf schlechten Stils, schlechter Haushaltsberatung und ähnlicher Dinge erhoben worden ist. Wir hätten sonst einen solchen Vorwurf zurückweisen müssen. Wir wissen, daß in der dritten Beratung noch Gelegenheit ist, das auszusprechen, was ausgesprochen werden muß.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Ritzel.
Ich hätte keine Veranlassung, meine Damen und Herren, dazu zu sprechen, wenn nicht der Herr Kollege Rasner etwas gesagt hätte, was nicht unwidersprochen bleiben darf. Es ist meines Wissens im Ältestenrat nicht festgelegt worden, daß die Mittagspause fünfviertel Stunden, sondern daß sie anderthalb Stunden dauern sollte, und es wurde eine Pause von 13 Uhr bis 14.30 Uhr festgelegt. Als wir aus dem Saal herauskamen, war es etwa 13.18 Uhr oder 13.19 Uhr. Wenn Sie sich die Zustände im Restaurant vorstellen, wissen Sie, daß ein Teil der Abgeordneten, als es wieder klingelte, sein Essen noch gar nicht eingenommen haben konnte. Die Abgeordneten, die nach auswärts gegangen sind, um zu essen, konnten nach fünfviertel Stunden kaum wieder da sein.
Außerdem ist es vielleicht nützlich, den Herrn Direktor des Bundestages zu veranlassen, dafür zu sorgen, daß unsere Uhren nach der Normalzeit gestellt werden — nicht vorgehen —, damit die Klingel erst in Tätigkeit gesetzt wird, wenn es wirklich so viel Uhr ist, wie es vereinbart ist.
Herr Abgeordneter Ritzel, das ist mir bis jetzt noch nicht bekanntgewesen, daß unsere Uhren nicht alle gleichgehen.
— Also, meine Damen und Herren, ob die Uhren stimmen oder nicht, ist kein Gegenstand von Mehrheitsentscheidungen, sondern das werden wir amtlich feststellen, gegebenenfalls werden wir unsere Uhren entsprechend richten. wie sie überall in Mitteleuropa gehen. Daran soll es nicht fehlen.
Im übrigen, meine Damen und Herren, muß ich sagen, ich habe einiges Verständnis für das, was der Herr Kollege Schoettle ausgeführt hat; aber es hätte nichts geschadet, wenn es vorher einer gesagt hätte. Eine Absicht, irgend jemanden zu überfahren, habe ich bei Beginn dieser Nachmittagssitzung bei niemandem festgestellt. Dagegen habe ich festgestellt, daß ein befriedigtes Aufatmen durch das Haus ging, als die zweite Haushaltsberatung endlich abgeschlossen war.
Nun tun Sie mir bloß den Gefallen, meine Damen und Herren, und fangen Sie in der Dritten Lesung nicht wieder von neuem mit vielen Einzelanträgen an! Ich sage das vorsorglich: denn ich bin mit einigen Kollegen während der Dritten Lesung in Wien, und wir möchten, wenn wir zurückkommen, nicht erneut in die Dritte Lesung des Haushalts einsteigen; hoffentlich ist sie bis dahin fertig.
Und jetzt, meine Damen und Herren, wollen wir nicht weiter über die Geschäftsordnung reden, sondern über Punkt 4 unserer Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Ausübung der Kranken- und Kinderkrankenpflege (Drucksache 3107);
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Fragen des Gesundheitswesens (Drucksache 3428).
Das Wort hat die Berichterstatterin, Frau Abgeordnete Dr. Steinbiß.
Frau Dr. Steinbiß , Berichterstatterin: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es erübrigt sich, zu dem Ihnen vorliegenden Schriftlichen Bericht*) noch Näheres auszuführen. Ich möchte nur darauf hinweisen, daß in den Bemerkungen zu § 7 ein Wort fehlt. Es muß dort heißen:
Der Ausschuß hielt es für richtig, durch eine Umstellung in Absatz 1 zum Ausdruck zu bringen, daß die Leitung der Schule durch Arzt oder Oberin oder beide gemeinsam die Regel bilden soll.
Im übrigen bitte ich Sie, dieses Gesetz anzunehmen.
Zu der Entschließung, die der Ausschuß gefaßt hat, werde ich mir erlauben, nach der dritten Lesung Stellung zu nehmen.
Ich danke der Frau Berichterstatterin, vor allem für die Kürze ihres Berichtes.
Zu § 1 liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 1104**) vor. Zur Begründung Frau Abgeordnete Dr. Hubert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Verhältnisse in der Krankenpflege haben es uns schon seit Jahr und Tag als wünschenswert erscheinen lassen, daß dieses Hohe Hausendlich einmal ein Gesetz verabschiedet, das hier klare Verhältnisse schafft; denn zur Zeit ist immer noch das alte Gesetz aus dem Jahre 1938 gültig, das in wesentlichen Teilen nie durchgeführt worden ist.
Der Gesetzentwurf sieht in seinem § 1 vor, daß allein die Ausübung der Krankenpflege unter der Bezeichnung „Krankenschwester" oder „Kinderkrankenschwester" oder „Krankenpfleger" an eine Erlaubnis und damit an eine bestimmte Vorbildung gebunden sein soll, nicht aber wird durch dieses Gesetz verlangt, daß die Pflege an sich nur von geprüften Kräften in Krankenhäusern und auch außerhalb der Krankenhäuser erfolgen darf. Wir alle wissen, daß man ja eine Schwester gemeinhin nicht „Krankenschwester" betitelt, sondern einfach „Schwester" zu ihr sagt und den Namen dazusetzt. Unter dieser Bezeichnung „Schwester" kann also jeder auch ohne irgendeine Ausbildung die Krankenpflege weiter ausüben. Das genügt unserer Meinung nach jedoch in keiner Weise, insbesondere, wenn man bedenkt, daß die Fortschritte auf dem Gebiete der Therapie heutzutage sehr viel umfassendere Kenntnisse der Schwester voraussetzen, die ja im wesentlichen eine Mitarbeiterin und Helferin des Arztes geworden ist. Die Fort-
*) Siehe Anlage 28 **) Siehe Anlage 29
schritte der Medizin, die technischen Verrichtungen und die sehr viel komplizierter gewordenen Heilmethoden überhaupt machen es im Interesse der Kranken notwendig, daß wirklich ausgebildete Schwestern die Krankenpflege durchführen. Dafür genügt keineswegs der Schutz der Bezeichnung „Krankenschwester", also die Vorschrift, daß niemand, der nicht entsprechend ausgebildet ist, unter diesem Namen die Pflege ausüben darf.
Nun ist eingewandt worden, daß man nicht so hohe Anforderungen stellen dürfe wie die, daß jeder, der die Krankenpflege ausübe, eine Vorbildung habe, weil wir zur Zeit schon Nachwuchsmangel hätten und weil das Schwierigkeiten für die Krankenhäuser nach sich ziehen könnte. Ich glaube, weder können wir durch geringe Anforderungen dem Nachwuchsmangel abhelfen, noch kann ein schlechtes und unzureichendes Gesetz damit begründet werden, daß zur Zeit gewisse Schwierigkeiten in den Krankenhäusern beständen. Umgekehrt wird, wenn man sagt, es gehe nicht, daß ungeprüfte Kräfte in den Krankenhäusern pflegten, immer entgegnet: Das geschieht ja gar nicht, dort werden ja geprüfte Kräfte verwandt. Man sollte hier eine staatlich geprüfte Vorbildung verlangen. Der Schwesternmangel und die Nöte der Krankenhäuser müssen auf eine ganz andere Weise ,behoben werden.
Sie müssen dadurch behoben werden, daß man den Schwestern in den Krankenhäusern andere Lebens- und Arbeitsbedingungen gibt, für sie andere Wohnverhältnisse schafft, ihnen kürzere Arbeitszeiten einräumt, sie nicht mit berufsfremder Arbeit belastet.
Was die Krankenhäuser selber anbelangt, so liegt Ihnen nachher für die dritte Lesung eine Entschließung vor, die die Frage anschneidet, deren Lösung wichtig ist, um den Schwierigkeiten der Krankenhäuser gerecht zu werden, nämlich ob es nicht möglich ist, mit Rücksicht auf die finanzielle Lage der Krankenhäuser auch vom Bund her gesetzgeberisch tätig zu werden. Diese Frage hat nichts mit dem Krankenpflegegesetz zu tun, mit dem Beruf der Krankenschwester, bezüglich dessen wir der Meinung sind, daß nur wirklich voll ausgebildete Pfleger und Pflegerinnen die Krankenpflege ausüben sollen.
Nun wird der zweite Einwand gemacht, es lasse sich sehr schwer abgrenzen, was denn Krankenpflege sei. Natürlich gibt es .da einen gewissen Übergang von ganz einfachen Verrichtungen pflegerischer Art, die man auch zu Hause ausübt, bis zu den komplizierten Hilfeleistungen für die Ärzte. Wir glauben, daß mit der Formulierung, die wir Ihnen in unserem Änderungsantrag Umdruck 1104*) vorgelegt haben, diese Abgrenzung durchaus durchführbar ist. Der Antrag lautet zu § 1 Abs. 1:
Wer 'berufsmäßig eine Krankenpflege oder Kinderkrankenpflege einschließlich der Geisteskrankenpflege ausübt,
— jetzt kommt die Abgrenzung —
die über das Maß allgemeiner Körperpflege und von Laien durchführbarer Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege und der Ersten Hilfe hinausgeht, bedarf dazu der Erlaubnis.
*) Siehe Anlage 29
Mit diesen Begriffen der allgemeinen Körperpflege und der von Laien durchführbaren Maßnahmen wird, glauben wir, eine durchaus ausreichende Abgrenzung gegeben.
Ich bitte Sie sehr dringend, meine Damen und Herren, unserem Antrage zuzustimmen, weil nur auf der Grundlage dieses Antrages für die Krankenpflege und für die Patienten in Krankenhäusern, überhaupt für alle kranken Menschen gewährleistet ist, daß sie immer von vorgebildeten Fachkräften gepflegt werden.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Steinbiß.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, den Antrag der SPD abzulehnen. Über dieses Problem haben wir uns im Ausschuß gründlichst unterhalten. Der Wunsch, nicht nur die Berufsbezeichnung, sondern auch die Tätigkeit an sich zu schützen, wurde von der SPD schon im Ausschuß vorgebracht. Es wurde hin und her erwogen, ob man dem Rechnung tragen könne. Es erwies sich aber — darauf hatte schon das Innenministerium in seiner Begründung zu diesem Gesetz hingewiesen — als so schwierig, daß davon Abstand genommen werden mußte. Das würde auch — darauf möchte ich das Hohe Haus doch einmal aufmerksam machen — in dem Krankenhaus, wo auch freie Kräfte tätig sein müssen, weil es über so viel Krankenschwestern gar nicht verfügt, allmählich — wenn wir eine so umfassende Umklammerung über die Krankenschwestern verhängten — zu einem neuen Beruf und damit zu einer Zweigleisigkeit führen, die weder für das Krankenhaus vorteilhaft wäre, noch dem Wohle der Patienten dienen würde. Die Tätigkeit einer Krankenschwester ist so vielseitig und so umfassend, daß man eine Begrenzung wie bei anderen Heilberufen nicht durchführen kann.
— Das stimmt ganz genau! — Darum möchte ich Sie bitten, diesen Antrag der SPD abzulehnen.
Ich möchte noch ein Wort sagen. Das Wort „Krankenschwester" bezeichnet, wie ich soeben bereits sagte, einen so vielseitigen Beruf, daß er nicht umgrenzt werden kann. Wir sollten dieses Gesetz, das vor allen Dingen auch von den karitativen Krankenschwestern und in den Krankenhäusern sehnlichst erwartet wird, so annehmen, wie es der Ausschuß erarbeitet hat und wie es mit allen Verbänden abgesprochen worden ist.
Das Wort hat Herr Dr. Hammer zu diesem Änderungsantrag!
Meine Damen und Herren! Die Absicht meiner sehr verehrten Frau Kollegin Hubert ist sehr löblich, dem Kranken das beste Pflegepersonal bereitzuhalten. Aber, meine Damen und Herren, es ist — meines Wissens ein einziges Mal — versucht worden, eine gesetzliche Vorschrift nach Ihrem Modell zu schaffen, nämlich im Lande
Niedersachsen; und dieses Gesetz wird dort nicht durchgeführt, weil es nicht durchführbar ist.
Wenn Sie das geschulte Pflegepersonal nicht zur Verfügung haben und Sie verbieten die Beschäftigung eines anderen, dann fällt eben die Pflege aus.
Der Ausschuß hat sich darüber die größten Gedanken gemacht und lange hin und her beraten, jede Möglichkeit, und hat dann mit großer Mehrheit die von ihm vorgeschlagene Regelung empfohlen. Die Freien Demokraten empfehlen Ihnen, ebenfalls so zu verfahren. — Sie wollten mir eine Frage stellen?
Herr Kollege Hammer, es ist doch so, daß heute immer Krankenschwestern noch mit berufsfremder Arbeit belastet sind. Das ist doch eine Tatsache, die auch Ihnen bekannt ist!?
Selbstverständlich weiß ich das, Frau Kollegin Hubert. Nur können Sie das nicht durch eine Bestimmung über die Tätigkeit der Krankenschwestern regeln. Darüber werden wir uns unterhalten, wenn wir unsere gemeinsam beschlossene Resolution hier debattieren; dann werde ich Ihnen eine Reihe sehr interessanter Vorschläge zu diesem Kapitel machen.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Hammer! Meinen Sie nicht, daß man, wenn man die Pflegekräfte von dieser berufsfremden Arbeit entlastet
und dafür andere Kräfte einsetzt, damit schon einem großen Teil des Schwesternmangels in den Krankenhäusern abgeholfen hätte, weil dann die Schwestern ihrer eigentlichen Berufsarbeit besser nachgehen könnten?
Einen solchen Ergänzungsantrag haben Sie aber nicht gestellt, Frau Kollegin Hubert!
Frau Abgeordnete Kalinke!
Frau Kalinke : Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Bei der Beratung dieses Gesetzes werden wir noch an mehreren Punkten fetstellen, daß es nicht nur darum gehen kann, etwa den Titel für eine Berufsausübung zu diskutieren. Es geht doch vor allen darum, das größere Problem zu lösen, dessen Ziel auch die Bundesregierung gesehen hat, als sie ein neues Ausbildungsgesetz über die Krankenpflege für den großen Kreis der Krankenschwestern — derjenigen, die es werden möchten, und derjenigen, die es sind und die es gern bleiben möchten — vorlegte und damit die Hoffnung erweckte, daß durch dieses Gesetz, das lediglich die Berufsausbildung zu regeln versucht, nun alle die Probleme, von denen Frau Hubert gesprochen hat, mit gelöst werden können. Ich sage es ganz realistisch und habe es auch immer wieder den Schwesternverbänden gesagt: daß dieses Gesetz das nicht tun kann. Ich weiß, wo unsere Schwestern der Schuh am allermeisten drückt: die fehlende Anerkennung eines so bedeutenden Frauenberufes, der so viel Aufopferung, so viel Hingabe, so viel persönlichen Einsatz verlangt, das Fehlen der ausreichenden Bezahlung, der rechten Aufstiegschancen, die Wohnungsfragen — Frau Hubert sagte es schon —, das Arbeitszeitproblem, aber auch die Abgrenzung der für einen Beruf sorgfältig und sehr teuer ausgebildeten Schwestern von den Kräften, die außerdem in einem Krankenhaus notwendig sind. Ich kann hier für die Fraktion der Deutschen Partei (Freie Volkspartei), die schon im 1. Bundestag den Antrag gestellt hat, nicht nur ein Gesetz für die Krankenschwestern, für die Krankengymnastikerinnen und für die technischen Assistentinnen, sondern auch ein Krankenhausgesetz vorzulegen, erklären, daß ich sehr bedauere, daß wir dieses Problem heute als Einzelproblem behandeln müssen und daß wir mit einer Entschließung auf eine später mögliche Lösung in einem Krankenhausgesetz vertrösten müssen.
Der Frau Kollegin Hubert antworte ich — so recht, wie sie mit dem Anliegen hat —: ich sehe keine Möglichkeit, in einem Ausbildungsgesetz die Tätigkeiten einer Krankenschwester, einer Hausangestellten oder einer angelernten Schwester abzugrenzen. Aber ich frage mich wirklich — und da hat Herr Dr. Hammer als der Ausschußvorsitzende Frau Hubert nicht ausreichend geantwortet —, wozu wir eine Bestimmung schaffen, wenn diese Bestimmung doch dazu führt, daß jede angelernte Kraft im Krankenhaus die gleiche Bezeichnung für sich in Anspruch nehmen kann, ohne daß sie die gleiche teure Ausbildung hat.
Da möchte ich doch bitten, daß sowohl Herr Dr. Hammer wie auch unsere verehrte Frau Kollegin Dr. Steinbiß nicht nur sagen: Bitte, lehnen Sie das ab, sondern daß sie sagen, was denn nun wirklich der Unterschied zwischen dem bisherigen Zustand und der Regelung nach diesem Gesetz sein wird. Mir ist er bis zur Stunde nicht klargeworden. Ich möchte darum bitten, daß wir bei der Diskussion um diese Frage auf jeden Fall vermeiden, bei den Menschen Hoffnungen zu erwecken, die jetzt klar wissen möchten, welchen Vorteil ihnen dieses Gesetz bringt.
Wir haben Gelegenheit gehabt, im Ausschuß die Vertreterinnen aller Schwesternverbände zu hören. Wohl jeder von uns hat die Meinung vieler Oberinnen und Unterrichtsschwestern, Menschen mit sehr großen Erfahrungen, gehört. Wir wissen auch den Unterschied zwischen dem Anliegen der Schwestern und der Schwesternverbände und dem Anliegen der karitativen Verbände, besonders der, jenigen, die zugleich Arbeitgeber- und Arbeitnehmerprobleme vertreten müssen. Wir haben im Ausschuß die schwierige Aufgabe gehabt, das eine Problem von dem anderen zu trennen. Aber ich muß schon bei diesem ersten Paragraphen sagen: so sehr ich den hier unternommenen Versuch anerkenne, auf dem Wege der einheitlichen Anwendung eines Gesetzes ein wenig weiterzukommen, sollte doch eine solche Regierungsvorlage von uns nur bestätigt werden, wenn sie den Zweck erfüllt, zu einer einheitlichen Auslegung und Anwendung zu kommen. Noch kann ich nicht sehen, daß es besser werden wird, als es in Niedersachsen und Bremen war. Es hat zwar in Niedersachsen und Bremen ein Gesetz bestanden. Dieses Gesetz ist deshalb
nicht durchgeführt worden, weil — wie Sie richtig gesagt haben - sonst der Betrieb der Krankenhäuser wahrscheinlich hätte stillgelegt werden müssen. Aber Sie, liebe Frau Kollegin Dr. Steinbiß, haben hier doch selber gesagt: Niemals würde es dem leitenden Arzt eines Krankenhauses, niemals würde es der verantwortlichen Leitung eines Krankenhauses einfallen, nun ans Krankenbett oder in die Abteilung im Krankenhaus eine nicht vollausgebildete Stationsschwester zu geben. Wenn das so ist und Sie es ablehnen, daß wir die Schwesternhaube oder die Schwesternbrosche — wir haben lange darüber diskutiert — besonders schützen, dann, bitte, sagen Sie uns in dieser Diskussion, wie Sie dafür Sorge tragen wollen, daß nicht in den Krankenhäusern angelernte Hilfskräfte, begabte Hausangestellte und andere für geeignet gehaltene Kräfte aus Mangel an Personal zu bestimmten Aufgaben herangezogen werden und auch eine Haube aufsetzen. Ich habe bisher bei allen Beratungen nicht feststellen können, welcher Schutz nach diesem Gesetz den Schwestern wirklich gegeben ist. Darum meine ich, wir sollten uns an dieser Stelle zunächst grundsätzlich darüber unterhalten, ob dieses Gesetz tatsächlich ein Vorteil ist oder ob wir es, wenn es doch nur eine Deklamation ist, besser in dieser Form gar nicht beschließen sollten.
Herr Abgeordneter Lange.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es tut mir leid, Frau Dr. Steinbiß und auch Herr Dr. Hammer, daß ich wie beim Apothekengesetz auch hier wieder als Laie meine Meinung sagen muß. Wenn ich mir diesen Gesetzentwurf, so wie er jetzt vorliegt, anschaue und mir vergegenwärtige, welche Konsequenzen sich bei anderen Berufsbezeichnungen in bezug auf die Berufsausübung daraus ergeben können — aber natürlich, Frau Dr. Steinbiß, es nützt gar nichts, daß Sie den Kopf schütteln —, dann halte ich dieses Gesetz für ein außerordentlich gefährliches Präjudiz. Ich persönlich, jetzt auch nicht als Jurist, sondern als normaler Staatsbürger — womit ich nicht gesagt haben will, daß die Juristen nicht normale Staatsbürger sind --, würde sogar, wenn ich mich des Grundgesetzartikels 12 Absatz 1 erinnere, sagen, daß dieses Gesetz mit dem Grundgesetz nicht übereinstimmt. Ich will damit keine Verfassungsklage heraufbeschwören.
Aber hier liegt doch folgender Tatbestand vor. Hier wird schlicht und einfach gesagt: wer die Krankenpflege unter der Bezeichnung „Krankenschwester" oder „Krankenpfleger" oder die Kinderkrankenpflege unter der Bezeichnung „Kinderkrankenschwester" ausüben will, bedarf der Erlaubnis. Es bedürfen also nur diejenigen dieser Erlaubnis, die die Tätigkeit unter dieser Bezeichnung ausüben wollen. Alle anderen, die irgendeine Phantasiebezeichnung oder eine der üblichen, damit nicht übereinstimmenden Bezeichnungen wählen, bedürfen zur Ausübung des Berufs nicht der Erlaubnis. Damit schaffen Sie völlig unterschiedliche Rechtsvoraussetzungen und eine völlig unterschiedliche Behandlung unserer Staatsbürger, die sich einem solchen Beruf zuwenden wollen.
Unter diesem Gesichtspunkt und aus den genannten Gründen, Frau Dr. Steinbiß und Herr Dr. Hammer, erachte ich dieses Gesetz einfach für unvertretbar. Meine Kollegin Frau Dr. Hubert hat durchaus recht, wenn sie sagt, daß die Voraussetzung überhaupt ein entsprechender Berufsausbildungsgang sein muß, der mit einer ganz bestimmten Berufsbezeichnung endet. Nur insoweit ist das zu vertreten. Den hier jetzt vorliegenden Antrag der sozialdemokratischen Fraktion wollen Sie, Frau Dr. Steinbiß, einfach deshalb ablehnen, weil 'Sie in den Beratungen des Ausschusses sich eingehend damit auseinandergesetzt haben. Ich habe an den Beratungen im Ausschuß nicht teilnehmen können, weil ich andere Verpflichtungen wahrnehmen mußte. Deshalb muß ich meine Meinung hier sagen. Von meinem Standpunkt aus sehe ich mich genauso wie beim Apothekengesetz nicht in der Lage, einem solchen Gesetz zuzustimmen. Ich sage ganz eindeutig: man sollte ein Gesetz wie dieses an den Ausschuß zurückverweisen; es ist völlig unreif und unausgegoren. Ich unterstreiche in diesem Zusammenhang noch das, was Frau Kollegin Kalinke hier ausgeführt hat.
Frau Dr. Steinbiß!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich vorhin so kurz gefaßt. Das habe ich nicht getan, um der Frage an sich auszuweichen, sondern lediglich darum, weil ich an die vorgerückte Zeit dachte und glaubte, jeder, der hier spräche, würde sich mit dem Krankenpflegegesetz beschäftigt halben. Ich hatte Ihnen gesagt, daß das, was Frau Hubert und auch Frau Kalinke gesagt haben, das Problem meines Erachtens am ganz falschen Ende anfaßt. Wir haben hier ein Gesetz vorgelegt, das die Berufsbezeichnung „Krankenschwester" schützen und das den Beruf und den Gang der Ausbildung der Schwestern ordnen soll. Dieses Gesetz bringt einmal eine Ordnung in die gesamte Ausbildung aller Schwestern, soweit sie der westdeutschen Bundesrepublik angehören. Es nimmt aber natürlich auch ,die Schwestern auf, die in Mitteldeutschland ihre Ausbildung genossen haben, weil wir nicht eine Grenze zwischen Schwestern hier und Schwestern drüben ziehen wollen.
Frau Hubert hat angeführt, daß z. B. eine Stationsschwester den Beruf ausüben könnte, ohne eine gelernte Krankenschwester zu sein. Ich glaube, das ist doch wohl etwas abwegig. Es wird immer so dargetan — und das muß ich hier einmal ganz deutlich sagen —, als ob die Krankenhäuser nicht alle von dem Willen getragen werden, das Beste für die Kranken zu leisten und das Beste herzugeben, was sie an Pflege nur hergeben können. Darum ist es selbstverständlich, daß sie ihre ausgebildeten Krankenschwestern auf die Posten setzen, wo Verantwortung gefordert wird.
Aber wir wissen ja ebensogut, daß die Schwestern nicht ausreichen. Ich muß es mir versagen, auf die Gründe einzugehen — sie sind sehr vielgestaltig —, die dazu geführt haben, daß wir nicht genügend Schwestern in unseren Krankenhäusern haben. Wir sind also gezwungen, zu Aushilfs- und zu freien Kräften zu greifen, die sich nicht dieser Ausbildung unterzogen haben, Schwestern in rein karitativen Anstalten, Verbandsschwestern. Wenn wir diese Schwestern in den Kreis der übrigen Schwestern aufnehmen, ohne daß sie die Berufsbezeichnung „Krankenschwester" führen dürfen, so können daraus keine Bedenken erwachsen; denn
§ 15 stellt ausdrücklich die ordnungswidrige Führung der Berufsbezeichnung unter Strafe. Wenn diese Schwestern in den Kreis der geprüften Schwestern aufgenommen werden, so geschieht das nur, damit der Krankenhausbetrieb aufrechterhalten und die notwendige Pflege der vielen Kranken wahrgenommen werden kann.
Es trifft also nicht zu, wenn gesagt wird, dies sei ein schlechtes Gesetz, es erfülle keinen Zweck. Es erfüllt eine große Aufgabe. Sie haben wohl alle die Zuschriftenbekommen, in denen uns die Verbände bitten, an dem Gesetz festzuhalten und es zur Verabschiedung zu bringen. Das würden sie nicht getan haben, wenn sie nicht der Überzeugung wären, daß ihnen dieses Gesetz eine Hilfestellung gäbe.
Ich gebe gern zu, daß auf dem Gebiet des Krankenhauswesens viel geschehen muß. Der nächste Bundestag hat hier eine große Aufgabe vor sich. Er wird ,die Hintergründe aufzudecken haben, warum die Krankenhäuser so in Rückstand gekommen sind, warum die Krankenhausträger nicht imstande sind, den Schwestern — sei es den geprüften, sei es den ungeprüften — das Gehalt zu zahlen, dessen sie bedürfen und das sie nach ihrer Ausbildung verlangen können.
Es ist nicht so, Frau Kalinke, daß eine ungeprüfte Schwester im Krankenhaus ohne Aufsicht eine Handlung vollziehen dürfte, von der die leitende Schwester nicht überzeugt wäre, daß sie sie ausüben könnte.
Ich sage noch einmal: wir sind zu diesem Kompromiß gezwungen. Aber ich möchte ebenso scharf darauf hinweisen, daß dieses Gesetz eine Ordnung für das gesamte Bundesgebiet bringt und die Ausbildung der Schwestern vereinheitlicht. Wir können nicht von der Forderung ausgehen, die Berufsausbildung in einem weitumspannenden Gesetz zu schützen; denn, wie ich schon sagte, der Beruf der Schwester läßt sich nicht wie ,andere Heilberufe in ein Schema fassen, sondern ist so vielgestaltig, daß eine Umgrenzung schwer ist.
Frau Dr. Hubert spricht in ihrem Antrag ja auch von einer Pflege, „die über das M a ß allgemeiner Körperpflege . . . hinausgeht". Also sie eröffnet hier auch die Möglichkeit einer Ermessensentscheidung. Dabei sind Sie, meine Damen und Herren, ja ebensowenig wie wir für Ermessensbestimmungen. Hier würde also schon eine Schwierigkeit entstehen.
Wir haben uns — und 'das werden mir Frau Dr. Hubert und Frau Kalinke zugeben müssen — gerade mit diesem Problem sehr eingehend beschäftigt. Herr Ministerialdirigent Koch ist leider nicht anwesend, sonst könnte er Ihnen sagen, daß die Beratungen darüber mit sämtlichen Verbänden, mit dem Innen- und vielen anderen Ministerien drei Jahre lang hin- und hergegangen sind, z. B. bezüglich der Frage, ob der Begriff der Krankenpflege einheitlich gefaßt werden kann. Da dies nicht möglich ist, mußten wir uns darauf beschränken, die Berufsbezeichnung zu schützen. Diesen Zweck erfüllt das Gesetz ganz und gar. Darum bitte ich Sie nochmals herzlich, den Antrag der SPD abzulehnen.
Bevor ich das Wort weiter erteile, darf ich für die Mitglieder des Ältestenrats bekanntgeben, daß ich die für heute nachmittag anberaumte Sitzung des Ältestenrats
absage. Zwar läßt sich noch nicht übersehen, wann dieser Tagesordnungspunkt erledigt sein wird, doch dürfen wir hoffen, daß wir heute damit fertig werden. Der Altestenrat braucht sich jedenfalls in dieser Woche nicht mehr damit zu befassen. Die nächste Sitzung des Ältestenrats findet am Dienstag statt.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hammer.
Ich will mir die größte Mühe geben, kurz zu sein, meine Damen und Herren, aber ich muß doch antworten. „Hoffnungen erregt" — Frau Kalinke hat davon gesprochen. Wer geglaubt hat, mit einem solchen Gesetz die notwendigen Regelungen für unsere Schwesternschaften der Krankenhäuser usw. wesentlich vorwärtszutreiben, hat von der Materie nicht sehr viel verstanden.
Dieses Ausbildungsgesetz ist zunächst einmal gemacht worden, um dafür zu sorgen, daß die Schwestern, die ans Krankenbett treten, im Interesse der Kranken erstklassig ausgebildet sind. Was wir für unsere Schwestern tun wollen, darüber reden wir in unserer Zusatzentschließung, die wir gemeinsam gefaßt haben. Ich bitte, doch die Dinge voneinander zu trennen.
Für die Schwestern steht allerdings der Schutz mindestens ihrer Berufsbezeichnung zur Frage. Frau Kalinke sprach davon, daß es für eine Person, die einen qualifizierten Beruf erlernt hat, nicht anziehend sei, daß ihre Berufskleidung und -tracht auch von anderen benutzt werden könne; sie verlangt einen Schutz. Der Schutz steht im Strafgesetzbuch. Wer angemeldete Schwesterntrachten unbefugt trägt, macht sich strafbar und wird dem Richter vorgeführt. Aber die weitere Anregung von Frau Kalinke, etwa verhindern zu wollen, daß auch Hilfspersonal ein Kopftuch trägt, ist doch nicht durchführbar. Dann müssen Sie mittelalterliche Kleiderordnungen schaffen. Sie können doch das Tragen eines Kopftuches nicht verhindern. Es ist uns bekannt, wieviel Mißbrauch mit solchen nachgeahmten Trachten getrieben wird. Wir kennen die Händlerin mit dem Kopftuch, die Leibbinden auf Kosten der Krank enversicherten verkauft; den Unfug kennen wir. Aber mit einer Kleiderordnung können Sie ihn nicht beseitigen.
Nun noch etwas zum Herrn Kollegen Lange. Herr Kollege Lange, was ist denn Krankenpflege? Gehen Sie doch davon aus, daß Krankenpflege ursprünglich mit einem Beruf und einem Spezialberuf gar nichts zu tun gehabt hat. Die Aufgabe, den Kranken zu pflegen, ist eine der selbstverständlichen Aufgaben der Menschheit von jeher gewesen. Hier dreht es sich darum, den Versuch zu machen, speziell ausgebildete Leute heranzuziehen, die noch mehr als die normale Krankenpflege können. Aber sie stehen nicht zur Verfügung. Wenn Sie ein Gesetz machen, wonach diese Krankenpflege speziell in den Krankenhäusern nur von geprüftem Pflegepersonal ausgeübt werden darf, dann können Sie diese Krankenpflege nicht mehr ausüben. Sie können doch das Mißverhältnis zwischen geprüften Schwestern und Kranken im Augenblick nicht beseitigen.
Dazu werden wir andere Maßnahmen zu treffen haben.
Meine Damen und Herren, bleiben Sie bei meinem einfachsten Angebot. Ein Modell für den Vorschlag der Sozialdemokratischen Partei existiert in der westlichen Welt nur in Niedersachsen; dort ist es nicht durchführbar. Die berühmten Schwesternschaften in den Vereinigten Staaten, in Großbritannien, in Schweden beruhen alle auf einer Konzeption, wie sie hier die Regierungsvorlage vertreten hat.
— Mir ist kein Verbotsgesetz bekannt. Sagen Sie mir, wo ein solches Verbotsgesetz existiert, dann lasse ich gern mit mir reden. Solange aber empfehle ich Ihnen unsere Vorlage.
Das Wort hat Frau Dr. Hubert.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Herr Kollege Hammer, ich finde, Sie widersprechen sich, wenn Sie sagen, daß dieses Gesetz gemacht sei, damit unsere Kranken nur von erstklassig ausgebildeten Schwestern gepflegt werden sollten. Nun eben, wenn wir das wollen, müssen wir es so ändern, wie es unser Antrag vorsieht; denn nur dadurch haben wir die Garantie, daß die Kranken nur von erstklassig ausgebildetem Pflegepersonal gepflegt werden. Nach dem Gesetz, wie es jetzt ist, haben wir diese Garantie überhaupt nicht, sondern jeder, der sich „Schwester" nennt, kann auch pflegen, und darum ist Ihr Anliegen dadurch nicht erfüllt.
Als ich Ihnen vorhin den Einwurf wegen der berufsfremden Arbeit der Schwestern machte, entgegneten Sie, warum wir nicht auch dazu einen Antrag eingebracht hätten. Ich möchte Ihnen sagen, wenn Sie bereit sind, unserem Änderungsantrag zuzustimmen, Herr Kollege Hammer, ich glaube, dann sind wir uns auch sehr schnell einig und können vielleicht sogar interfraktionell noch einen solchen Zusatzantrag stellen, nach dem die berufsfremde Arbeit für die Schwester ausgeschlossen wird. Ich glaube, darüber würden wir uns alle sehr schnell einigen, und das würden wir gern tun. Aber die Grundbedingung ist eben zunächst die richtige Grundlage für das ganze Gesetz.
Frau Kollegin Steinbiß, Sie sagten, Sie wollten keine Zweigleisigkeit. Ja, die Zweigleisigkeit haben wir aber gerade durch dieses Gesetz. Da haben wir nämlich zunächst einmal die eine Sorte Schwestern, die sich „Krankenschwester" nennt. Sie wird zwar im Berufsleben nicht so angeredet, sondern es heißt auch hier eben „Schwester Maria" oder „Schwester Else", aber sie hat die Berechtigung, sich „Krankenschwester" zu nennen, denn sie hat das Examen gemacht. Die andere, die auch pflegen darf und sich auch „Schwester" nennt, darf sich eben nur „Schwester" nennen. Das sind genau zwei Gleise, das sind zwei Gruppen von Schwestern, die da pflegen. Also das verhindern Sie gerade durch Ihre Formulierung keineswegs.
Dann haben Sie und, ich glaube, auch der Herr Kollege Hammer noch einmal etwas über die schwere Abgrenzbarkeit gesagt. Ja, Herr Kollege Hammer, mit diesem Problem schlagen wir uns doch eigentlich auch bei uns Ärzten hinsichtlich der Frage, wo die Behandlung anfängt und wo sie aufhört, herum, und trotzdem werden wir damit fertig. Niemand von uns kommt doch, glaube ich, auf
den Gedanken, wegen der Schwierigkeit der Abgrenzung in manchen Fällen — es gibt auch schon gerichtliche Urteile, in denen festgestellt wird: Das ist noch ärztliche Behandlung, und das ist keine ärztliche Behandlung mehr — zu sagen, wir schützten nur die Berufsbezeichnung „Arzt" und nicht die Berufsausübung.
Ich möchte hier übrigens noch einen Gedanken in die Debatte werfen. Mir ist gar nicht ganz klar, ob wir das überhaupt mit dem Grundgesetz vereinbaren können. Wir haben zwar nach dem Grundgesetz die Möglichkeit, für bestimmte Berufe eine bestimmte Ausbildung vorzuschreiben, d. h. zu sagen: Niemand, der diese Ausbildung nicht hat, darf diesen Beruf ausüben. Aber ob es möglich ist, die Führung einer bestimmten Berufsbezeichnung allein von einer gesetzlichen Bestimmung abhängig zu machen, ist mir etwas zweifelhaft. Ich stelle das nur einmal zur Diskussion; ich bin keine Juristin.
Drittens und letztens möchte ich an Sie, Herr Kollege Hammer und Frau Kollegin Steinbiß, wirklich die Frage richten, was dieses Gesetz den Schwestern und der Krankenpflege in unseren Krankenhäusern bringt. Sie sagen, es bringt eine Ordnung. Nun, das einzige, was es bringt — und da ist ein gewisser Kompromiß erzielt worden, nicht sehr befriedigend, aber er ist da —, sind gewisse Ausbildungsrichtlinien. Aber für diese Ausbildungsrichtlinien, Frau Steinbiß, brauchten wir kein Gesetz. Zumindest ist das nicht das wesentlichste Anliegen. Die Grundlage dieses ganzen Gesetzes ist der § 1, in dem das Prinzip enthalten ist, um das es hier geht. Nach dem § 1 richtet sich dann alles andere ganz von selber aus.
Ich möchte Sie, gerade da Sie beide vor allem die beste Pflege und eine erstklassige Vorbildung im Auge 'haben, noch einmal dringend darum bitten, auch einem Schutz der Berufsausübung zuzustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Abgeordnete Kalinke!
Frau Kalinke : Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Frau Dr. Steinbiß hat eine ganze Fülle von Problemen angeschnitten. Soweit sie die deutschen Krankenhausprobleme ansprach, will ich sie bei diesem Paragraphen nicht diskutieren. Ich habe schon am Anfang für meine Partei gesagt, daß wir bei der Beratung eines Krankenhausgesetzes die Schwierigkeiten berücksichtigen müssen, die sich aus der freien, selbstverantwortlichen Führung von Krankenhäusern durch Wohlfahrtsverbände, durch karitative Organisationen usw. ergeben. Daß heute auch bei unseren karitativen Verbänden der Etat weitgehend aus Staatsmitteln gespeist wird, soll nebenher nicht verschwiegen werden. Aber ich glaube, wir sollten dafür Sorge tragen, daß diese Fragen bei der Diskussion eines Krankenhausgesetzes ganz deutlich werden. Heute erkläre ich ausdrücklich, daß niemand gegen die Krankenhäuser, gegen ihre Führung, gegen die Träger der Krankenhäuser, irgendeinen Vorwurf erhoben hat. Wir haben nämlich in diesem Bundestag nicht die grundgesetzlichen Änderungen vorgenommen, die die Voraussetzung für ein Krankenhausgesetz gewesen wären. Ich bitte auch, das, was wir hier in der Diskussion sagen, nicht so auszulegen, als sei der-
jenige, der einen klaren Weg weiter in die Zukunft gehen will, grundsätzlich gegen bestimmte Auffassungen und Einrichtungen. Es bestehen vielleicht in gewissen Kreisen Hemmungen in der Annahme, die Ausbildung der Schwestern könnte später Konsequenzen im Tarifrecht und — ich spreche die Dinge ganz offen an — also in der Bezahlung der Schwestern haben. Das ist genau der Kernpunkt, über den man in aller Offenheit sprechen soll. Wenn jemand als Beamter eine Prüfung ablegt, hat er einen Anspruch darauf, als geprüfter Mann —ganz gleich, um welche Laufbahn es sich handelt — anders bezahlt und befördert zu werden als ein ungeprüfter Mitarbeiter oder eine Hilfskraft. Bei einem Facharbeiter ist das genauso. Ein Arzt — wir wissen sehr genau, daß es hier um kein Monopol geht — muß dulden, daß ein Heilpraktiker auch behandeln darf, wenn ihm auch gewisse Dinge untersagt sind. Der Arzt wird aber nie zugeben, daß der Heilpraktiker sich den Titel „Dr. med." zulegt. Er wird sich ganz entschieden dagegen verwahren, daß der Heilpraktiker diesen Anspruch erhebt.
Sie werden mich fragen: Was hat das damit zu tun? Es hat sehr viel damit zu tun. Auch wir sind nicht der Auffassung, daß irgendein Berufsstand ein Monopol für sich beanspruchen kann. Wir meinen aber, daß der Staat, wenn er für einen Berufsstand eine bestimmte Ausbildung vorschreibt. auch die Berufsbezeichnung dieses Standes gegenüber anderen nicht in gleicher Weise Ausgebildeten schützen muß.
Welches Präjudiz sich daraus ergeben kann, möchte ich Ihnen an dem Beispiel eines anderen Gesetzes zeigen, von dem ich fürchte, daß wir es in diesem Bundestag nicht mehr behandeln werden, obwohl wir schon im 1. Bundestag einen diesbezüglichen Antrag gestellt hatten. Es geht bei diesem Gesetz um die technischen Assistentinnen und die technischen Gehilfinnen. Ich nehme hier niemand aus, weder die staatlichen Krankenhäuser, die Versorgungskrankenhäuser noch die konfessionellen Krankenhäuser. Die technischen Assistentinnen erhalten mit den Mitteln des Staates eine teure Ausbildung. Sie sind genauso wie die Krankenschwestern unerläßliche Helferinnen der Ärzte. Wir haben aber auch angelernte Gehilfinnen. Damit die Zahl der gut ausgebildeten technischen Assistentinnen beschränkt bleibt, werden sie nicht genügend bezahlt, und man setzt ihnen als Konkurrenz die im Schnellverfahren ausgebildeten Gehilfinnen hin.
Dasselbe Problem haben wir auch in den Krankenhäusern. Ich freue mich noch nachträglich über die sehr einsichtigen Darlegungen der Deutschen Krankenhausgesellschaft im Ausschuß; es wurde uns gesagt. wie das Problem wirklich ist. Ohne diese Hilfskräfte im Krankenhaus geht es nicht. Wenn es aber ohne sie nicht geht. hat man nur zwei Möglichkeiten. Die eine Möglichkeit — sie wurde in England und anderen Ländern praktiziert — besteht in zwei Ausbildungswegen, nämlich einem Weg der vollen Ausbildung und einem Weg. bei dem die Ausbildung in der Hälfte abgebrochen bzw. verkürzt wird. Dieser Weg kann gewählt werden, wenn die Hilfskräfte nur für bestimmte Aufgaben ausgebildet werden. Wir haben diesen Weg nicht gehen wollen. Vielleicht wird uns die Entwicklung später einmal dazu zwingen. Solange das aber nicht der Fall ist, ist es ganz klar. daß wir diesen Zustand offen zugeben und von ihm ausgehen müssen.
Unsere ere Kollegin Dr. Steinbiß sagte hier: Wir schaffen Ordnung in der Ausbildung aller Schwestern. Das trifft nicht zu. Sie hat weiter gesagt: Es ist dafür Sorge getragen, daß der Patient im Krankenhaus nur unter der Aufsicht einer ausgebildeten Schwester betreut wird. Ich habe in meinen Akten einen Antrag — ich glaube, er stammt von Ihnen, Frau Dr. Hubert —, der im Ausschuß zur Diskussion stand und dort abgelehnt wurde. Darin war beantragt:
Für die Tätigkeit im Rahmen einer gesetzlich
geregelten Ausbildung ist eine Erlaubnis nicht
erforderlich, wenn die Tätigkeit unter der
ständigen verantwortlichen Leitung und Aufsicht eines zur Ausübung Berechtigten steht.
Sie haben diesen Antrag im Ausschuß abgelehnt. Ich habe mich damit zufrieden gegeben; denn ich meine, daß wir dieses Problem der Abgrenzung zwischen Vollausgebildeten, Halbausgebildeten und Hilfskräften im Krankenhausgesetz regeln müssen. Ich habe aber aus allen Ausführungen immer nur die Forderung gehört, die Schwestern sollten erstklassig ausgebildet sein, sie sollten besser bezahlt werden, dem Schwesternmangel müsse abgeholfen werden.
Sehr zutreffend haben Sie gesagt, Herr Dr. Hammer, mit diesem Gesetz werde das alles nicht geschehen. Die Hoffnungen sind aber geweckt worden, nicht von uns. Nicht meine Partei hat die Hoffnungen geweckt, überhaupt nicht wir Abgeordneten, sondern das Ministerium mit Aufsätzen, wie ich einen in den „Ärztlichen Mitteilungen" gelesen und zu meinen Akten genommen habe. Da steht z. B. drin, „daß mit diesem Ausbildungsgesetz einer großen Zahl von Berufsangehörigen Aufstiegsmöglichkeiten und damit eine Hebung der sozialen Stellung gegeben würden".
Vielleicht beantworten Sie außer den schon gestellten Fragen auch die, wie die soziale Stellung gehoben werden soll, wenn eine klare Abgrenzung nicht vorhanden ist.
Ich weiß, daß es keine gute Sache ist, alle Dinge bis ins einzelne in Gesetzen zu regeln. Manches muß der Durchführung überlassen werden. Sie wissen aber, liebe Frau Kollegin Dr. Steinbiß, daß das Gesetz von den Ländern durchgeführt wird. Da sehe ich heute schon voraus, daß in den Krankenpflegeschulen in den Ländern nach ganz unterschiedlichen Lehrplänen unterrichtet werden wird. Deshalb sind wir leider gezwungen, wenn wir die einheitliche Ausbildung erreichen wollen, in einigen Dingen auf einer gesetzlichen Regelung zu beharren. Ich empfinde das auch nicht als schön. Das liegt an der Konstruktion unseres Grundgesetzes. Wir haben keine andere Möglichkeit als diese, die ich angedeutet habe, um zu einer einheitlichen Regelung zu kommen, weil eben die Länder in dieser wichtigen Frage verschiedene Meinungen haben.
Am Ende dieser Diskussion kann ich nur sagen, die Gegner der von uns gemeinsam vertretenen Auffassung haben mich nicht überzeugt.
Keine weiteren Wortmeldungen? — Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 1104. *) Wer für den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 1104 ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das letzte war die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt.
*) Siehe Anlage 29
Wer dem § 1 in der Fassung des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — § 1 ist angenommen.
§ 2. Keine Änderungsanträge. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.
§ 3. Keine Änderungsanträge.
§ 4. Keine Änderungsanträge.
§ 5. Keine Änderungsanträge.
§ 6. Keine Änderungsanträge.
Wird das Wort zu den aufgerufenen Paragraphen gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; die aufgerufenen Paragraphen sind angenommen.
§ 7! Dazu liegt der Änderungsantrag der Fraktion der DP auf Umdruck 1124 **) vor; es ist die Ziffer 1. Der Änderungsantrag ist inzwischen verteilt und liegt vor. Jedermann hat ihn? — Schön. Wird auf Begründung verzichtet? — Bitte sehr, Frau Abgeordnete Kalinke, zur Begründung.
Frau Kailinke : Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich bedauere sehr, daß ich auf die Begründung nicht verzichten kann. In diesem Hause sind viele Abgeordnete, die nicht dem Ausschuß angehören und doch an dem Problem sehr interessiert sind.
1— Ich will es ganz kurz machen.
Einen Augenblick, Frau Abgeordnete. Zur Krankenpflege, meine Herren, gehört Geduld. Sie sollte auch zur Beratung dieses Gesetzes gehören.
— Aber Sie wollen ein Krankenpflegegesetz ma-men, und dazu muß man den Geist der Geduld haben.
Frau Abgeordnete, sprechen Sie bitte weiter.
Frau Kalinke : Ich danke dem Herrn Präsidenten für seine ermunternden Worte und - -
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Abgeordnete, wenn Sie auf der anderen Seite dieses ruhebedürftige Haus möglichst bald entließen, wären wir Ihnen natürlich auch verbunden!
Frau Kalinke : Ich gebe mir große Mühe, mit dem gleichen Geist der Geduld und Einsicht die Dinge so schnell wie möglich zu diskutieren.
In § 7 geht es darum, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, um diese „ausgezeichnete und beste Ausbildung", von der hier gesprochen worden ist, nun auch zu ermöglichen. Wir haben uns erlaubt, ein paar Anträge, die ich bereits im Ausschuß gestellt habe und die dort abgelehnt wor**) Siehe Anlage 30
den sind, noch einmal zu stellen; sie sind eigentlich das, was man „Selbstgänger" nennt, weil sie so überzeugend sind.
Das Krankenhaus, an dem eine Krankenpflegeschule errichtet werden kann, soll mindestens zwei Fachabteilungen für die drei Grunddisziplinen der Medizin haben. Nur wenn das Krankenhaus diese hat, ist die Möglichkeit einer ausgezeichneten Ausbildung gegeben.
Dann möchten wir in § 7 Nr. 2 Buchstabe a hinter dem Wort „Unterrichtsschwester" folgende Worte eingefügt haben: „die geeignet und entsprechend ausgebildet ist". Dieser unser Änderungsantrag ist geradezu ein Modell für maßvolle Beschränkung. Wir sind an sich der Meinung, daß noch mehr drinstehen müßte, nämlich daß die Träger der Krankenhäuser dafür zu sorgen haben, daß die Unterrichtsschwestern regelmäßig zur entsprechenden Ausbildung n die dafür vorhandenen Schulen geschickt werden. Wir möchten auch gern, daß der Übelstand beseitigt wird, der in der Praxis besteht, daß Schwestern, die tagsüber Dienst getan haben, aus diesem Dienst herausgenommen werden und dann am Abend übermüdet noch Unterricht geben müssen. Wir möchten auch, daß nicht irgendeine Schwester, sondern eine, die dafür besonders geeignet und ausgebildet ist, den Unterricht erteilt.
Wir hoffen, die Einsicht der Länder, die die Durchführungsverordnungen erlassen, wird so groß sein, daß sie für eine vernünftige Relation zwischen der Zahl der Unterrichtsschwestern und der Zahl der Schülerinnen Sorge tragen. Daher haben wir uns auf diese kurze Bemerkung — sie soll „geeignet und entsprechend ausgebildet" sein — beschränkt.
Ich wäre dankbar, wenn Sie diese kleinen Änderungsanträge zum § 7 annähmen.
Herr Dr. Hammer!
Meine Damen und Herren! Zunächst zu dem Antrag, in § 7 Nr. 2 einzufügen „mindestens zwei Fachabteilungen für die drei Grunddisziplinen der Medizin". In § 7 Nr. 3 steht „einer geeigneten Krankenanstalt angegliedert ist". Was „geeignet" ist, darüber werden sich ja wohl die Aufsichtsbehörden in den Ländern unterhalten können. Sie wollen hier den Unterrichtspfleger so definieren, daß noch hinzugesetzt wird: „der geeignet und entsprechend ausgebildet ist". Ja, was ist denn ein Unterrichtspfleger sonst?!
Ich wundere mich über eines: So will man den Länderverwaltungen, den Ländermedizinalabteilungen — eingefuchsten Leuten, die das in der Zusammenarbeit mit Schwestern, Ärzten und Krankenpflegeschulen seit endlosen Jahren treiben — Vorschriften machen! Ausgerechnet den Ländern, und der Antragsteller ist die förderalste Partei des Deutschen Bundestages!
Frau Dr. Hubert!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir halten den Vorschlag von Frau Kalinke zu § 7 Nr. 2 für eine Verbesserung und werden ihm zustimmen. Zu dem Vorschlag zu Buchstabe a würden wir allerdings gern sehen, wenn Sie mit einer kleinen Änderung einverstanden wären. Sie beantragen, zu sagen „die geeignet
und entsprechend ausgebildet ist". Die Eignung ist aber immer nur subjektiv festzustellen. Wir möchten Sie daher bitten, die Worte „geeignet und" zu streichen und nur zu sagen: „die entsprechend ausgebildet ist". Dann können wir uns auch für diesen Antrag aussprechen.
In dem vorliegenden Antrag Umdruck 1124 Ziffer 2 werden also die Worte „geeignet und" gestrichen.
Wir stimmen jetzt der Reihe nach über die Änderungsanträge ab.
Wer dem Antrag Umdruck 1124*) Ziffer 1 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag Umdruck 1124 Ziffer 2, in dem es jetzt heißen soll: „die entsprechend ausgebildet ist". Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist wieder die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
— Auf Hammelsprünge kann ich es jetzt nicht mehr ankommen lassen, meine Damen und Herren; das hat keinen Zweck.
Nun kommt der § 7 in der Fassung des Ausschusses zur Abstimmung. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! —Angenommen.
Nun kommt der § 8. Dazu liegt ein Änderungsantrag — Umdruck 1124 Ziffer 3 — vor. Abs. 3 soll gestrichen werden. — Frau Kalinke!
Frau Kalinke : Herr Präsident! Meine Herren und Damen! In diesem Absatz geht es um ein sehr ernstes Problem, nämlich um die Frage, ob im Schwesternberuf — der ja als Spätberuf für ein gewisses Alter und für eine gewisse Reife ist — das 18. Lebensjahr tatsächlich das Mindestalter sein soll oder ob in einer großen Zahl von Ausnahmen auch das 17. Lebensjahr unter Umständen schon als Voraussetzung ausreichen soll. Im Ausschuß ist darauf hingewiesen worden, daß man in diesem Beruf schon die jüngeren Menschen hineinlassen müsse, weil ja aus den Schwesternvorschulen und der Vorbildung, der Haushaltsausbildung, auch jüngere Menschen kämen und dann unter Umständen eine Spanne da sei, in der die Jugendlichen abwandern könnten. Dieses Argument trifft deshalb kaum zu, weil die Jugendlichen zum Teil schon mit 14 oder 15 Jahren in die Vorschulen kommen und weil die Vorschulen in der Regel eben nicht drei Jahre dauern, sondern dazwischen tatsächlich eine andere Zeit läuft, zu der die Frau Kollegin Welter sicherlich etwas sagen wird; denn sie hat damals im Ausschuß sehr vernünftige Vermittlungsvorschläge gemacht.
Ich bin der Auffassung, daß wir in dieser Frage niemandem überlassen können, zu prüfen, ob die körperliche und geistige Reife schon vorhanden ist. Ich weiß nicht, ob das ein Angestellter der Gesund*) Siehe Anlage 30
heitsbehörde tun soll oder in welcher Weise das geschehen soll. Ich habe eine große Zahl von Oberinnen, aber auch von Schwestern aller Organisationen und Häuser gefragt und immer wieder gehört, daß sie allergrößte Bedenken gegen die zu frühe Zulassung zum Krankenpflegeberuf haben. Es gibt sicher Fälle, wo jemand mit 19 Jahren genauso wenig reif oder sogar weniger reif ist als ein anderer mit 18 Jahren. Aber in der Regel sollten doch die großen seelischen Belastungen, die im Krankenhaus durch Tod und Leben am Krankenbett den jungen Menschen erschüttern können, von den jungen Menschen ferngehalten werden. Es ist sicher ein sehr ernstes Anliegen, daß wir in dieser Frage den Mut haben, zu sagen: Nun, es ist ein Spätberuf; schaffen wir die Voraussetzung sowohl bei unserer Schulreform wie bei den Schwesternvorschulen, daß wir in diesen Spätberuf gut vorgebildete Menschen bekommen, die der seelischen Belastung dieses Berufes auch gewachsen sind.
Dem Kollegen Hammer möchte ich sagen: ich hoffe, daß er mir hier nicht noch einmal entgegenhält, was er im Ausschuß gesagt hat. Er sagte, mit 17 Jahren könne man ja in Deutschland auch heiraten. Ich glaube, wenn hier und da einmal jemand mit 17 Jahren heiratet, so ist das kein Beweis dafür, daß die Siebzehnjährigen geistig, seelisch und körperlich in jedem Falle in der Lage sind, dem Widerstand zu leisten, was an Ansprüchen in einem Krankenhaus an sie gestellt wird.
Frau Dr. Steinbiß!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte dazu ganz kurz folgendes sagen. Frau Kalinke hat selbstverständlich recht, wenn sie von der starken seelischen Belastung spricht, der dieser Beruf den jungen Menschen aussetzt. Aber ich möchte doch zu bedenken geben, daß der Absatz 3 des § 8 ja eine Eventualbestimmung ist. Es heißt ja:
. . . Bewerberinnen und Bewerbern, die das 17. Lebensjahr vollendet haben . . .,
die also vor der Vollendung des 18. Lebensjahres stehen. Wir haben es im Ausschuß, gerade aus der Überlegung, daß hier unter Umständen ein Härtefall eintreten kann, für richtig gehalten, bei jungen Bewerberinnen und Bewerbern, die die geistige und körperliche Fähigkeit aufweisen, von der Regel abzugehen, daß das 13. Lebensjahr vollendet sein soll.
Aus diesem Grunde bitte ich Sie, den Antrag der DP abzulehnen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Dr. Hammer!
Meine Damen und Herren, in § 8 Abs. 1 wird zum Beginn der Schwesternausbildung ganz eindeutig das vollendete 18. Lebensjahr verlangt. Absatz 3 ist eine Ausnahmebestimmung. Ein einfaches Beispiel: Der Kurs beginnt am 3. April, und erst am 4. April wird das Mädchen 18 Jahre alt. Für den Fall wollten wir im Interesse des Schwesternnachwuchses die Ausnahme zulassen. Als wir uns darüber unterhalten haben, da habe ich zur Frau Kollegin Kalinke im Ausschuß allerdings gesagt: Ein Mädel mit 17 Jahren kann ja auch Medizin studieren und kann heiraten. Habe ich nun recht?
Keine weiteren Wortmeldungen zu diesem Änderungsantrag. Wer ihm zustimmen will — Umdruck 1124*) Ziffer 3 —, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Abgelehnt.
§ 8 in der Fassung des Ausschusses. Wer zustimmen will, bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.
Zu § 9 liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der DP vor, Umdruck 1124 Ziffer 4. Wird er begründet? — Frau Abgeordnete Kalinke!
Frau Kalinke : Herr Präsident! Meine Herren und Damen! In der ersten Lesung im Ausschuß sah dieser Paragraph anders aus. Da hatten wir in § 9 bereits stehen, daß die Ausbildung drei Jahre dauern soll. Wir waren sehr glücklich darüber, daß wir nach sehr langen und mühevollen Verhandlungen dazu gekommen sind — und hier scheint mir eines der Kernprobleme des Gesetzes zu sein —, daß sich auch das Ministerium im Ausschuß bereitfand, mit unsern Koalitionspartnern den Grundsatz der dreijährigen Ausbildung anzuerkennen. Das, was Ihnen in dieser Vorlage des Ausschusses vorliegt, ist nun die sogenannte Kompromißlösung, jene Kompromißlösung des nicht klaren Nein und des nicht klaren Ja. Sie wollen eine zweijährige theoretische Ausbildung und danach ein Jahr praktische Ausbildung, in dem auch noch ein bißchen theoretischer Unterricht am Ende der Arbeitszeit, verteilt auf allerhöchstens 50 Stunden im Jahr — das bedeutet eine Stunde in der Woche —, stattfinden soll.
Meine Herren und Damen, wir sind der Auffassung, daß, wenn immer von der besten und gründlichsten Ausbildung die Rede ist, hier damit begonnen werden muß. In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, daß die dreijährige ununterbrochene Ausbildung in der Krankenpflege eine der Voraussetzungen für die Aufnahme der Schwestern in den Weltbund der Krankenschwestern ist. Daß Deutschland 1948 dort wieder aufgenommen wurde, ist lediglich darauf zurückzuführen, daß es zu den drei Gründerländern gehört. Es ist geschehen, weil alle Schwesternverbände, sowohl die konfessionellen wie die freien, erklärt haben, sie rechneten fest damit, daß auch wir in Deutschland zu einer dreijährigen Ausbildung kommen werden.
Wir wollen an der Konzeption dieser Vorlage nichts mehr ändern, die wir als einen möglichen Kompromiß ansehen. Es ist nicht mehr als der Beginn einer Entwicklung. die fortgesetzt werden soll. Wir möchten aber, daß mit der Bestimmung, daß die Lehrgänge drei Jahre dauern sollen, sichergestellt wird, daß das dritte Jahr nicht ein Jahr ist. in dem praktische Arbeit zum Ersatz für andere Arbeitskräfte geleistet wird, sondern ein Ausbildungsjahr, in dem praktische Arbeit und theoretische Arbeit sich sinnvoll ergänzen. Ich will mit Rücksicht auf Ihren Unwillen und auf die schlechte Besetzung des Hauses bei diesem so bedeutsamen Problem der dreijährigen Ausbildung an Sie nur appellieren: haben Sie den Mut, zu Ihrem Versprechen nun auch die Konsequenz hinzuzufügen!
— Sie haben gesagt, Sie wollten jetzt auch eine
dreijährige Ausbildung. Das hat sogar die Regie*) Siehe Anlage 30
rung gesagt. Darüber hat man sich im Ausschuß verständigt; in der ersten Lesung stand es drin. — Haben Sie Mut und stimmen Sie unserem Antrag zu, daß die Lehrgänge grundsätzlich drei Jahre dauern sollen! Dann werden Sie das bekommen, Herr Dr. Hammer, dessen Sie sich doch mit uns gemeinsam rühmen wollen: die Voraussetzung für die beste Ausbildung und für die Erhaltung des Rufs der gut ausgebildeten deutschen Krankenschwester.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Steinbiß.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Ausschuß wurden von verschiedenen Seiten Vorschläge gemacht, wie sie Frau Kalinke hier begründet hat. Wir haben uns aber zu einem Kompromiß entschlossen, indem wir gesagt haben, die Gesamtausbildung dauert drei Jahre. Dies finden Sie in dem § 6. Der § 6 gibt also den verschiedenen Schwesternschaften die Möglichkeit, die Ausbildung so zu gestalten, wie sie heute noch in den caritativen Verbänden üblich ist und laut Aussage der Spitzen dieser Verbände auch bleiben soll, nämlich zwei Jahre Theorie und ein Jahr Praxis. Der § 9, der von den Lehrgängen in der Krankenpflege handelt, bezieht sich darauf, daß diese eventuell verkürzt werden, wenn eine Kinderkrankenschwester schon länger in der Pflege tätig ist, ebenso wenn eine andere Schwester schon länger in der Krankenpflege tätig ist und dann erst das Studium zu der Berufsausbildung mit der Prüfung aufnimmt. Ich bitte Sie also, den § 9 unverändert zu lassen, weil er dem Willen Ausdruck gibt, wie wir es im Ausschuß abgesprochen haben: insgesamt eine dreijährige Ausbildung. Dann bleibt es den Schwesternverbänden überlassen, wie sie diese drei Jahre gestalten wallen — zwei Jahre Theorie und dann ein Jahr Praxis oder drei Jahre Theorie.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Hubert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wir halten den § 9, die Dauer der Ausbildung, für einen der Kernpunkte des Gesetzes, gerade wenn es darum geht, die Schwesternausbildung zu regeln. Der Umfang gerade des theoretischen Wissens ist so gewachsen, von den Schwestern wird heute so viel verlangt, daß die Zeit von zwei Jahren einfach nicht ausreicht. Auch für die jungen Menschen ist es nicht gut, wenn nun dieser ganze Wissensstoff zusammengepreßt wird, indem jetzt in das notwendige praktische Jahr noch die theoretischen Fächer, soweit sie nötig sind, hineingenommen werden müssen. Wir glauben, daß das eine Überlastung ist. Sämtliche Verbände haben darauf hingewiesen, wie sehr der Wissensstoff angestiegen ist, und daß man mit den heutigen Unterrichtsstunden einfach nicht mehr auskommt, daß hier sehr viel mehr Unterrichtsstunden gegeben werden müssen. Wir glauben, daß eben auch die Zeit der Ausbildung, gerade auch der theoretischen Ausbildung, verlängert werden muß. Aus diesem Grunde werden wir dem Antrag von Frau Kalinke, in § 9 statt „zwei Jahre" zu sagen „drei Jahre", zustimmen.
Keine weiteren Wortmeldungen. Ich lasse über den Änderungsantrag Umdruck 1124 *) Ziff. 4 abstimmen. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Wer dem § 9 in der Ausschußfassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — § 9 ist angenommen.
§ 10! Änderungsanträge liegen nicht vor. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem § 10 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — § 10 ist angenommen.
Zu § 11 liegt der Änderungsantrag der Fraktion der DP Umdruck 1124 Ziff. 5 vor. Der Antrag wird von Frau Kalinke begründet.
Frau Kalinke : Ich freue mich, daß Sie zustimmen!
Ich würde dann nur bitten, daß der § 11 a gestrichen wird, da ja der Antrag schon an anderer Stelle abgelehnt ist. Ich möchte ihn hier nicht wiederholen.
Wenn hier noch das Wort „Staatsbürgerkunde" hineinkommen soll, so beruht das auf einer persönlichen Erfahrung. Wenigstens zum Schluß, vor der Prüfung sollten kurz noch die staatsbürgerlichen Dinge betreffend das Entstehen eines Gesetzes und die notwendigen Dinge, die eine Schwester, die später Lehrschwester werden will, beherrschen muß, gelehrt werden.
— Ich will Ihnen verraten, verehrter Herr Kollege Kunze, daß ich Abiturientinnen unter den Schwestern gefunden habe, die einige Fragen gestellt haben, die ganz erstaunlich waren. Ich glaube deshalb, man sollte das in den Wissensstoff mit einfügen. Man sollte auch die Psychologie und die Pädagogik — in der notwendigen Beschränkung —, nicht nur für die Kinderkrankenpflege, sondern für die gesamte Krankenpflege, einfügen. Ich freue mich, daß Sie diesem Punkt zustimmen werden.
Wenn Sie auch der Erhöhung der Unterrichtsstunden von 400 auf 600 zustimmen — —
— Das wollen Sie nicht? Dann muß ich zu diesem Punkt noch etwas sagen.
Ich muß Sie auch hier daran erinnern, daß die beste Ausbildung — die Sie der deutschen Krankenschwester ja geben wollen - nur möglich ist, wenn Sie die Unterrichtsstunden vermehren. Wir haben ,zur Zeit Schwesternschulen mit 200 und Schwesternschulen mit 1200 Unterrichtsstunden; 600 wäre also ungefähr die Mitte. Das wäre nicht etwa ein hochgestecktes Ziel, sondern es wäre eine wesentliche Verbesserung, während das, was der Ausschuß gegenüber der bisherigen Situation beschlossen hat, eine ganz geringe Verbesserung ist.
Wir wollen dafür sorgen, daß der Vermehrung des Wissensstoffes — was doch unbestritten ist — Rechnung getragen wird. In der modernen Me*) Siehe Anlage 30
dizin wird eine Fülle von Dingen auch von der Krankenschwester verlangt. Auch wenn sie nicht das Physikum macht, wie Sie befürchten — sie soll ja nicht Medizinerin und nicht Heilpraktikerin und nicht Heilkundige werden —, soll sie eine gute Hilfe des Arztes sein und muß deshalb vom Unterricht so viel profitieren, daß sie in der Lage ist, diese Aufgabe zu erfüllen.
Wir wären Ihnen sehr dankbar, wenn Sie sich überwinden könnten, diesen kleinen Sprung auf 600 Stunden, die in der Praxis vieler Schwesternschulen schon gelten, zu machen.
Darf ich annehmen, Frau Abgeordnete Kalinke, daß Sie damit alle Änderungsanträge zu § 11 einschließlich § 11 a begründet haben? — Danke vielmals!
Frau Abgeordnete Welter, bitte!
Meine Herren und Damen! Ich möchte Sie bitten, diesen Antrag zu § 11 abzulehnen. Es ist vorhin mit Recht gesagt worden, daß die Schwesternschülerinnen mit Wissensstoff schon ungeheuer überlastet werden, so daß die zwei Jahre gar nicht ausreichen und die Schülerinnen gar nicht alles verkraften können.
Wir wissen auch, daß die Herren Ärzte sehr große Anforderungen in ihrem Unterricht stellen und daß die Unterrichtsschwestern nachher Mühe haben, das Ergebnis der wissenschaftlichen Belehrungen bei den jungen Schwestern in praktische Erkenntnisse umzusetzen.
Nachdem wir mit diesem Gesetz 50 Stunden noch in das dritte praktische Jahr hineingelegt haben, sind damit insgesamt 450 Unterrichtsstunden gesichert,
die im ganzen, als Uhrstunden gesehen, 600 Unterrichtsstunden entsprechen. Aus diesem Grunde bitte ich Sie, den Antrag von Frau Kalinke abzulehnen.
Frau Dr. Steinbiß!
Ich bitte, die Anträge der Frau Kalinke abzulehnen!
Na schön, meine Herren; das Haus ist allmählich müde.
Jetzt kommen wir zur Abstimmung. Ich lasse abstimmen über den Änderungsantrag Umdruck 1124 *) Ziffer 5. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Abgelehnt.
Ziffer 6! Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ziffer 7! Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Meine Damen
*) Siehe Anlage 30
und Herren, hier enthalten sich einige, deshalb wird das Bild etwas anders; wir müssen die Abstimmung wiederholen.
— Nein, wir wollen gar nicht auszählen lassen. Sie gefährden die Beschlußfähigkeit des Hauses. Das wollen wir gar nicht. Der Präsident muß allmählich dafür sorgen, daß die Legislaturperiode am 7. Oktober auch pünktlich zu Ende ist.
— Am 7. Oktober! Am 15. September wird gewählt, aber nach dem Grundgesetz ist am 6. Oktober 24 Uhr Schluß, und bis dahin müssen wir schließlich mit unserer Arbeit fertigwerden. Also, Frau Abgeordnete Kalinke, hier sind höhere Gründe der Staatsräson im Spiel, und ich muß deshalb bitten, nicht die Beschlußfähigkeit zu bezweifeln.
Wer dem Änderungsantrag Umdruck 1124*) Ziffer 2 zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ziffer 8.
— Ist zurückgezogen.
Wer dem § 11 in der Ausschußfassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.
Zu § 12 liegen keine Änderungsanträge vor. Wer dem § 12 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.
Zu den §§ 13, 13 a, 14 und 15 liegen keine Änderungsanträge vor. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer den aufgerufenen Paragraphen zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.
Zu § 16 liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 1124*) Ziffer 9 vor.
- Das ist eine redaktionelle Änderung. Da könnte sich das Haus darauf einigen und den Antrag annehmen. Dann wollen wir so beschließen. Der Änderungsantrag ist angenommen.
- Das ist der tiefere Sinn. Deshalb haben wir uns darauf geeinigt, diesen Text als redaktionelle Änderung aufzufassen.
Wer dem Text des § 16 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.
Ich rufe auf die §§ 16 a, — 17, — 17 a, — 18,
— 19, — Einleitung und Überschrift. — Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; angenommen.
*) Siehe Anlage 30 Wir treten ein in die
dritte Lesung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. — Bitte sehr, Frau Abgeordnete Kalinke!
Frau Kalinke : Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Wir treten in die dritte Lesung eines Gesetzes ein, das bedauerlicherweise bei einer sehr geringen Beteiligung dieses Hauses verabschiedet wird,
obwohl das Krankenpflegeproblem wohl eines der wichtigsten Probleme ist, die uns in diesem Bundestag beschäftigen. Ich glaube, daß die künftige Entwicklung unserer Krankenhäuser entscheidend davon abhängt, ob wir gut ausgebildete Krankenschwestern haben werden, aber auch davon, ob wir Menschen haben werden, die bereit sind, sich für diesen Beruf zur Verfügung zu stellen und seine schweren Belastungen jeder Art auf sich zu nehmen.
Die Fraktion der Deutschen Partei ist nicht der Auffassung, daß dieses Gesetz die an seine Verabschiedung geknüpften Hoffnungen erfüllt. Sie ist aber der Meinung, daß hier ein Kompromiß, ein Versuch des Ausschusses zustande gekommen ist — das zeigt auch die Entschließung —, die Weichen für den Erlaß eines Krankenhausgesetzes durch den 3. Bundestag doch wenigstens zu stellen. Ich hoffe, daß mit einer Novelle zu diesem Gesetz die Voraussetzungen für eine ausreichende und vorbildliche Ausbildung und damit auch für eine bessere Anerkennung jener Menschen geschaffen werden, die sich einem Beruf zur Verfügung stellen, den wir als sehr bedeutsam in einer Zeit ansehen, in der die Menschen nicht mehr vom Ethos allein, sondern auch notwendigerweise aus der Berufung zu einem echten Frauenberuf mit Ethos getrieben werden. Sie erwarten, daß die Regierenden diesen Beruf schützen und seine Forderungen annehmen.
Wegen dieses großen Anliegens werden wir dem Gesetzentwurf, obwohl er so unvollständig ist, unsere Zustimmung geben.
Frau Abgeordnete Wolff, bitte.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Nachdem § 1 des Gesetzes in seiner alten Fassung bestehengeblieben ist, hat das Gesetz absolut keine Wirksamkeit mehr für die Kategorie, die auf Besserung ihrer Lage gewartet hat. Ich möchte sagen, auf dieses Gesetz paßt wunderbar der Satz: „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß!" Im Grunde genommen enthält das Gesetz nichts. Wir bedauern unendlich, daß dieses Gesetz überhaupt nicht tragfähig ist und daß ein Gesetz für die Krankenpflege, das so sehr notwendig war, so viele dehnbare Dinge enthält, die den Kern dessen, was beabsichtigt worden war, gar nicht getroffen haben. Viele Krankenschwestern und viele ihrer Organisationen haben damit gerechnet, daß ein Gesetz geschaffen würde, welches in seinen Paragraphen klar und eindeutig diesen Beruf umschreibt und erkennen läßt, wie er geachtet wird und wie notwendig er ist. Aber all das ist in dem Gesetz nicht enthalten.
Wir Sozialdemokraten hätten jedem Gesetz auf diesem Gebiet zugestimmt, wenn es die Menschen, die es betreffen sollte, auch wirklich schützte und ihre Ausbildung so festlegte, wie es notwendig ist. Im Grunde genommen ändert sich durch dieses Gesetz nichts. Was Sie hier beschließen wollen, hätte man auch in einer Rechtsverordnung regeln können. Wir bedauern es sehr, daß dieses Gesetz so inhaltslos ist. Sowohl die Bundesregierung als auch das Parlament sollten sich davor hüten, so viele unzulängliche Gesetze zu schaffen. Wir haben schon eine ganze Reihe unzulänglicher Gesetze, die wir heute, morgen und übermorgen novellieren müssen, und bei der letzten Novellierung kommt auch noch nichts heraus. Parlament und Regierung sollten sich bewußt sein, daß sie Gesetze zu schaffen haben, die für die Kategorien von Menschen, auf die sie angewandt werden sollen, wirklich Bedeutung haben.
Aus diesen Gründen, insbesondere deshalb, weil nach der Ablehnung unseres Antrags zu § 1 das Gesetz ein Gummigesetz ist, sehen wir uns nicht in der Lage, ihm zuzustimmen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Schlußabstimmung der dritten Lesung. Wer dem Gesetz in der durch die Annahme der Änderungsanträge in zweiter Lesung geänderten Fassung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; das Gesetz ist angenommen.
Wir haben noch über den Entschließungsantrag - Ziffer 2 des Ausschußantrags, Drucksache 3428 Seite 4 - Beschluß zu fassen. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Die Entschließung ist angenommen.
Ich teile nochmals mit, daß die Sitzung des Ältestenrats ausfällt.
Wir sind am Schluß der Tagesordnung von heute und damit dieser Woche.
Ich berufe die 213. Sitzung des Bundestages ein auf Mittwoch, den 29. Mai 1957, 9 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.